Carl Friedrich Gauß und Russland: Sein Briefwechsel mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern 9783110253078, 9783110253061

This volume examines the special relationship between Russia and Gauss. It documents and describes the important role th

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Table of contents :
Geleitwort des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Geleitwort des Geschäftsführers der Gauß-Gesellschaft
Danksagung
Editionskriterien
Astronomische Symbole
Abkürzungen und Symbole
Orts- und Städtenamen
ISO-Transliteration des Kyrillischen
Zeittafel zum Leben und Schaffen von Carl Friedrich Gauß
Einleitung
Erster Teil: Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland
1. Skizze der politischen Verhältnisse in Russland
1.1. Gebiete und Landesgrenzen
1.2. Russland unter Alexander I. und unter Nikolaj I.
2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß
2.1. Die Universitäten in Russland
2.1.1. Die Lehrbezirke
2.1.2. Die Universität Dorpat
2.1.3. Die Universität Kasan
2.1.4. Die Universitäten Moskau, Charkow, Wilna, St. Petersburg und Kiew im Zusammenhang mit Gauß
2.1.5. Gauß’ Beziehungen zu Polen und zu Finnland
2.2. Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und weitere wissenschaftliche Einrichtungen
2.3. Deutschlandreisen von in Russland wirkenden Wissenschaftlern aus dem Umfeld von Gauß
2.4. Wissenschaftliche Tagungen
2.5. Russische Studenten der Mathematik und der Naturwissenschaften, die in Deutschland studierten bzw. dort einen Studienaufenthalt wahrnahmen, im Zusammenhang mit Gauß
3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland
3.1. Präambel: „Russland ist seit jeher das gelobte Land für Meteorologie und Magnetismus gewesen“
3.2. Der Anfang 1823–1833: Alexander von Humboldt
3.2.1. Alexander von Humboldts erste Aktivitäten in Paris und Berlin
3.2.2. Humboldts erste Kontakte mit russischen Wissenschaftlern: Simonov und Kupffer in Paris 1823/25
3.2.3. Der erste magnetische Pavillon in Russland: Kasan 1825
3.2.4. Humboldts magnetischer Pavillon in Berlin: 1827
3.2.5. Die magnetischen Beobachtungen von Christopher Hansteen und Georg Adolf Erman in Russland: 1828–1830
3.2.6. Humboldts magnetische Messungen während seiner Russlandreise: 1829
3.2.7. Bergbesteigungen und magnetische Messungen in Russland
3.2.8. Georg Fuß’ und Alexander Bunges Reise nach Sibirien und China: 1830–1832
3.3. Die Fortsetzung 1833–1843: Carl Friedrich Gauß
3.3.1. Gauß’ „Intensitas“ (1833) und ihre Folgen
3.3.2. Gauß’ Theorie des Erdmagnetismus: 1838–1840
3.4. Die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland in der Ära von Gauß
3.4.1. Forschungsreisen
3.4.2. Magnetische Observatorien in Russland
3.4.3. Die Verleihung von Demidov-Preisen für Beiträge zur Erforschung des Erdmagnetismus
3.5. Die Förderung der Erforschung des Erdmagnetismus in Russland – Russland als fruchtbarer Boden für die Umsetzung von Humboldts und Gauß’ Ideen
4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung
4.1. Bemerkungen zu den Übersetzungen der Werke von Gauß zu seinen Lebzeiten
4.2. Sprachkenntnisse in Russland
4.3. Übersetzungen der Werke von Gauß ins Russische
4.3.1. Studenten als Übersetzer
4.3.2. Aleksej Nikolaevic Krylov
4.3.3. Editionsprojekte in der UdSSR in den 1950er Jahren
4.3.4. Gauß’ „Übersicht der Gründe der Constructibilität des Siebenzehneckes“
4.4. Verzeichnis der Werke von Gauß in russischer Übersetzung
5. Carl Friedrich Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache
6. Gauß und die russische Literatur
7. Gauß im Gedächtnis Russlands
Zweiter Teil: Carl Friedrich Gauß und Russland: Gauß’ Briefwechsel mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern
1. Martin Bartels (1769–1836)
1.1. Martin Bartels’ Lebenslauf im Überblick
1.2. Miszellen zu Leben und Werk
1.2.1. Kasan: 1808–1820
1.2.2. Dorpat: 1821–1836
1.3. Bartels und Gauß
1.3.1. Zum Verhältnis zwischen Bartels und Gauß
1.3.2. Die Briefe und ihr Inhalt
1.4. Briefe
2. Thomas Clausen (1801–1885)
2.1. Thomas Clausens Lebenslauf im Überblick
2.2. Miszellen zu Leben und Werk
2.2.1. Altona und München: 1824–1842
2.2.2. Dorpat: 1842–1885
2.2.3. Clausens Veröffentlichungen
2.3. Clausen und Gauß
2.3.1. Die Werke von Gauß als Anknüpfungspunkt für Clausen
2.3.2. Die Wahl von Clausen zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen
2.4. Inhalt des Briefes
2.5. Der Brief
3. Nikolaus Fuß (1755–1826)
3.1. Nikolaus Fuß’ Lebenslauf im Überblick
3.2. Miszellen zu Leben und Werk
3.3. Der Briefwechsel
3.3.1. Gauß’ erste Kontakte zur Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg
3.3.2. Die Briefe
3.3.3. Der Inhalt
3.4. Gauß’ Mitteilungen an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg
3.4.1. Zwei Mitteilungen von Gauß an Nikolaus Fuß ohne Datum (vor Ostern 1801)
3.4.2. Weitere Mitteilung von Gauß ohne Datum (vor dem 21.6.1801)
3.5. Briefe
4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)
4.1. Paul Heinrich Fuß’ Lebenslauf im Überblick
4.2. Miszellen zu Leben und Werk
4.2.1. Karriere an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg
4.2.2. Herausgabe der Werke Leonhard Eulers
4.3. Der Briefwechsel
4.3.1. Die Briefe
4.3.2. Der Inhalt
4.4. Briefe
5. Carl Jaenisch (1813–1872)
5.1. Carl Jaenischs Lebenslauf im Überblick
5.2. Miszellen zu Leben und Werk
5.2.1. Wissenschaftliche Laufbahn: Theoretische Mechanik
5.2.2. Schachmeister und Theoretiker des Schachspiels
5.3. Jaenisch und Gauß
5.3.1. Exkurs: Gauß und das Schachspiel
5.3.2. Inhalt der Briefe und Hintergrundinformationen
5.4. Briefe
6. Carl Heinrich Kupffer (1789–1838)
6.1. Carl Heinrich Kupffers Lebenslauf im Überblick
6.2. Miszellen zu Leben und Werk
6.3. „Učebnyj matematičeskij žurnal“ in Reval
6.4. Inhalt der Briefe an Gauß
6.4.1. Bewerbung um die vakante Mathematikprofessur in Dorpat: 1819
6.4.2. Bewerbung um den Demidov-Preis: 1832
6.5. Briefe
7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)
7.1. Adolph Theodor Kupffers Lebenslauf im Überblick
7.2. Miszellen zu Leben und Werk
7.2.1. Studium und Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn
7.2.2. Kasan: 1824–1828
7.2.3. St. Petersburg: 1828–1865
7.3. Adolph Theodor Kupffer und Gauß
7.3.1. Der Briefwechsel
7.3.2. Kristallographie
7.3.3. Magnetismus
7.3.4. Meteorologie
7.3.5. Metrologie
7.3.6. Kupffer als Vermittler russischer Literatur für Gauß
7.3.7. Wahl zum Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen: 1840
7.3.8. Elastizität der Metalle (Teil 1)
7.3.9. Elastizität der Metalle (Teil 2). Kupffer, Gauß und Weber: 1850–1857
7.4. Briefe
8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840)
8.1. Joseph Johann Littrows Lebenslauf im Überblick
8.2. Miszellen zu Leben und Werk
8.2.1. Drei Jahre in Krakau: 1807–1809
8.2.2. Sechs Jahre in Kasan: 1810–1815
8.2.3. Littrows vier Jahre in Ofen: 1816–1819
8.2.4. Littrows 22 Jahre in Wien: 1819–1840
8.2.5. Littrow und Russland
8.3. Littrows Briefe an Gauß
8.3.1. Die Beziehungen zwischen Littrow und Gauß
8.3.2. Die Affäre Kmeth
8.4. Briefe
9. Nikolaj Ivanovic Lobačevskij (1792–1856)
9.1. Nikolaj Ivanovic Lobačevskij Lebenslauf im Überblick
9.2. Miszellen zu Leben und Werk
9.2.1. Lobačevskij und Kasan
9.2.2. Lobačevskij herausgeberische Tätigkeit
9.2.3. Lobačevskij frühe Beiträge zur imaginären Geometrie
9.2.4. Lobačevskij und Berlin
9.2.5. Lobačevskij und St. Petersburg
9.3. Lobačevskij und Gauß
9.3.1. Gauß und die nichteuklidische Geometrie
9.3.2. Lobacevskij in Gauß’ Briefwechseln
9.3.3. Schriften von Lobacevskij in der Gauß-Bibliothek und im Gauß-Nachlass
9.3.4. Die Bedeutung von Gauß’ Werk für Lobacevskij
9.3.5. Anerkennungen für Lobacevskij zu dessen Lebzeiten
9.3.6. Lobacevskij als Empfänger der Medaille zum Andenken an Gauß
9.4. Lobačevskijs späte Schriften und späte Anerkennung
9.5. Der Brief
10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874)
10.1. Johann Heinrich Mädlers Lebenslauf im Überblick
10.2. Miszellen zu Leben und Werk
10.2.1. Mondbeobachtungen und Mondkarte
10.2.2. Mädler und Wilhelmine sowie Minna Witte
10.2.3. Mädler in Dorpat: 1840–1865
10.2.4. Mädlers Rezeption in der wissenschaftlichen Welt
10.3. Mädler und Gauß
10.3.1. Die Beziehungen zwischen Mädler und Gauß
10.3.2. Zum Inhalt der Briefe
10.4. Briefe
11. Georg Friedrich Parrot (1767–1852)
11.1. Georg Friedrich Parrots Lebenslauf im Überblick
11.2. Miszellen zu Leben und Werk
11.2.1. Dorpat: 1801–1826
11.2.2. St. Petersburg: 1826–1852
11.2.3. Parrot als Verfasser von populären Werken
11.3. Der Briefwechsel
11.3.1. Die Berufung von Gauß nach Dorpat im Jahre 1809
11.3.2. Popularisierung der Naturwissenschaften
11.3.3. Georg Friedrich Parrot als Physiker
11.4. Briefe
12. Friedrich Parrot (1791–1841)
12.1. Friedrich Parrots Lebenslauf im Überblick
12.2. Miszellen zu Leben und Werk
12.3. Friedrich Parrots wissenschaftliche Expeditionen
12.3.1. Reisen auf die Krim und in den Kaukasus
12.3.2. Südfrankreich und Pyrenäen
12.3.3. Ararat
12.3.4. Reise zum Nordkap
12.4. Friedrich Parrots Beziehungen zu Gauß
12.4.1. Die Rezension von Hoff in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“
12.4.2. Extratermin für erdmagnetische Beobachtungen am 31. August 1837
12.4.3. Parrots Beobachtungen in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“
12.4.4. Inhalt der Briefe
12.5. Briefe
13. Magnus Georg von Paucker (1787–1855)
13.1. Magnus Georg Pauckers Lebenslauf im Überblick
13.2. Miszellen zu Leben und Werk
13.2.1. Dorpat: 1805–1813
13.2.2. Mitau: 1813–1855
13.3. Die Beziehungen zwischen Paucker und Gauß
13.3.1. Veröffentlichungen von Paucker in der Gauß-Bibliothek
13.3.2. Pauckers Beitrag zur Konstruktion des regelmäßigen 17- und des 257-Ecks
13.3.3. Gauß’ Antwort an Paucker
13.3.4. „Die ebene Geometrie“ und „Zwei merkwürdige Sätze vom Raum“ von Paucker
13.4. Der Brief
14. Paul Schilling von Canstadt (1786–1837)
14.1. Paul Schilling von Canstadts Lebenslauf im Überblick
14.2. Miszellen zu Leben und Werk
14.2.1. Beginn der Beschäftigung mit Wissenschaft und Technik
14.2.2. Expedition in das östliche Sibirien und in die Mongolei: 1830–1832
14.2.3. Elektromagnetischer Telegraph
14.2.4. Schilling und Moritz Hermann Jacobi
14.3. Die Beziehungen zwischen Schilling und Gauß
14.4. Der Brief
15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)
15.1. Friedrich Theodor Schuberts Lebenslauf im Überblick
15.2. Miszellen zu Leben und Werk
15.3. Die Beziehungen zwischen Schubert und Gauß
15.3.1. Der Briefwechsel
15.3.2. Gauß’ Antrittsvorlesung an der Universität Göttingen
15.3.3. Schuberts Auseinandersetzung mit Lars Regner in einer Besprechung von Gauß
15.4. Briefe
16. Ivan Michajlovic Simonov (1794–1855)
16.1. Ivan Michajlovic Simonovs Lebenslauf im Überblick
16.2. Miszellen zu Leben und Werk
16.2.1. Studium und Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn
16.2.2. Teilnahme an der ersten russischen Expedition ins südliche Eismeer: 1819–1821
16.2.3. Simonov und Alexander von Humboldt
16.2.4. Simonovs Tätigkeit in Kasan
16.2.5. Simonovs Reise nach Großbritannien, Frankreich, Belgien und Deutschland: 1842
16.2.6. Der große Brand im August 1842 in Kasan und der Wiederaufbau der Sternwarte und des Magnetischen Observatoriums
16.3. Simonov und Gauß
16.3.1. Simonovs Besuch bei Gauß in Göttingen vom 28. bis zum 30. September 1842
16.3.2. Gauß’ Diplom eines Ehrenmitgliedes der Universität Kasan: 1849
16.3.3. Inhalt der Briefe
16.4. Briefe
17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)
17.1. Friedrich Georg Wilhelm Struves Lebenslauf im Überblick
17.2. Miszellen zu Leben und Werk
17.2.1. Altona: 1793–1808
17.2.2. Dorpat: 1808–1839
17.2.3. Pulkowo und St. Petersburg: 1839–1864
17.3. Struve und Gauß
17.3.1. Struves Besuche bei Gauß in Göttingen
17.3.2. Struves Bewerbung in Mannheim: 1815
17.3.3. Die Wahl Struves zum Auswärtigen Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen: 1835
17.3.4. Gauß und die Kaiserlich-Russische Geographische Gesellschaft in St. Petersburg
17.3.5. Austausch von Veröffentlichungen
17.3.6. Gauß’ Porträt von Jensen in der Sternwarte Pulkowo
17.4. Der Briefwechsel
17.4.1. Die Besonderheiten des Briefwechsels
17.4.2. Vermessungswesen
17.4.3. Astronomische Beobachtungen und Instrumente
17.4.4. Erdmagnetismus
17.4.5. Besetzung der Professur für Reine und Angewandte Mathematik in Dorpat
17.4.6. Weitere Aspekte des Briefwechsels
17.4.7. Vermutungen über die vorzeitige Beendigung des Briefwechsels
17.5. Briefe
Schlusswort
Заключение
Gesamtverzeichnis der Briefe
I. Chronologisches Verzeichnis der Briefe
II. Verzeichnis der Briefe nach den Verfassernamen in alphabetischer Reihenfolge
III. Verzeichnis der Briefe nach den Absendeorten
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Kurzbiographien
Personenregister
Anhang
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Carl Friedrich Gauß und Russland: Sein Briefwechsel mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern
 9783110253078, 9783110253061

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Abb. 1. Carl Friedrich Gauß im Jahre 1840 Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie September 2008.

Karin Reich und Elena Roussanova

Carl Friedrich Gauß und Russland Sein Briefwechsel mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern

Unter Mitwirkung und mit einem Beitrag von Werner Lehfeldt

De Gruyter

Vorgelegt von Werner Lehfeldt in der Sitzung vom 16. Juli 2010

ISBN 978-3-11-025306-1 e-ISBN 978-3-11-025307-8 ISSN 0930-4304 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data: Reich, Karin, 1941Carl Friedrich Gauss und Russland : sein Briefwechsel mit in Russland wirkenden WisVHQVFKDIWOHUQ.DULQ5HLFK(OHQD5RXVVDQRYDXQWHU0LWZLUNXQJXQGPLWHLQHP%HLWUDJ von Werner Lehfeldt. p. cm. -- (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue )ROJH,661%G Includes bibliographical references. ,6%1 DFLGIUHHSDSHU ,6%1 HOHFWURQLF *DXVV&DUO)ULHGULFK*DXVV&DUO)ULHGULFK,QÀXHQFH 3. Gauss, Carl Friedrich, 1777-1855--Friends and associates. 4. Gauss, Carl Friedrich, 1777-1855--Correspondence. 5. Scientists--Germany--Biography. 6. Science--Russia-History--19th century. 7. Scientists--Russia--Correspondence. 8. Russia--Relations-Germany. 9. Germany--Relations--Russia. 10. Russia--Intellectual life--1801-1917. I. Roussanova, Elena. II. Lehfeldt, Werner. III. Title. QA29.G3R38 2011 510.92--dc23 2011033270 %LEOLRJUD¿VFKH,QIRUPDWLRQGHU'HXWVFKHQ1DWLRQDOELEOLRWKHN Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation LQGHU'HXWVFKHQ1DWLRQDOELEOLRJUD¿HGHWDLOOLHUWHELEOLRJUD¿VFKH'DWHQ sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen f Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

„[...] alles was Rußland betrifft hat seitdem ich mich mit der rußischen Sprache zu beschäftigen angefangen habe, einen erhöheten Reiz für mich erhalten.“ Brief von Carl Friedrich Gauß an Wilhelm Struve vom 14. August 1843, Göttingen.

Geleitwort des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Carl Friedrich Gauß, seit seinem 30. Lebensjahr bis zu seinem Tode im Jahre 1855 Professor an der Georgia Augusta und zugleich Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, begann als Mathematiker. Er galt schon zu seinen Lebzeiten und gilt heute noch als princeps mathematicorum. Er entwickelte Methoden, mit denen die Bahn des neuentdeckten und wieder aus dem Blick geratenen Planeten Ceres berechnet werden konnte, was zu dessen Wiederauffindung führte. Dies brachte ihm die Göttinger Professur für Astronomie ein. Hier gab er der theoretischen Astronomie eine neue Grundlage. In Göttingen beschäftigte sich Gauß auch mit der Geodäsie und praktizierte sie bei der Vermessung des Königreichs Hannover. Angeregt durch die Führung der Professorenwitwen- und -waisenkasse, schuf er die Grundlagen der Versicherungsmathematik. In seiner physikalischen Periode beschäftigte er sich unter anderem mit dem Erdmagnetfeld und dem Elektromagnetismus. Damit legte er die Grundlagen für die elektromagnetische Telegraphie. Gauß unterhielt seit Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere vielfältige wissenschaftliche Beziehungen zu Russland, die in dem vorliegenden Band erstmals umfassend dokumentiert werden. Im Zentrum des Bandes steht die 1725 gegründete Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg, zu deren Korrespondierendem Mitglied Gauß bereits 1802 gewählt wurde, d.h. noch bevor er zunächst als Korrespondierendes, einige Jahre später als Ordentliches Mitglied in die Societät der Wissenschaften zu Göttingen aufgenommen wurde. 13 der 17 Korrespondenten von Gauß waren Mitglieder der Petersburger Akademie. Diese war damals die bedeutendste Wissenschaftsinstitution Russlands. Der Inhalt der Korrespondenz berührt alle Forschungsgebiete von Gauß. So kann der Leser des Buches anhand des Briefwechsels Gauß’ Einfluss auf zahlreiche in Russland wirkende Wissenschaftler im Einzelnen nachvollziehen. Der Band dokumentiert den großen Einfluss, den die Akademien zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Entwicklung der Wissenschaften und den dazu gehörenden Austausch unter den Akademiemitgliedern ausübten. Im ersten Teil wird eine Übersicht über den Stand der Wissenschaften in Russland zu Lebzeiten von Gauß gegeben. Am Schluss des ersten Teils werden die Übersetzungen des Werkes von Gauß ins Russische behandelt und eine komplette Liste der Übersetzungen vorgelegt. Der gesamte Band ist von dem Vizepräsidenten der Göttinger Akademie, dem Slavisten Werner Lehfeldt,

VIII

Geleitwort von Christian Starck

redigiert worden, der zu ihm auch einen Abschnitt über die Beschäftigung von Carl Friedrich Gauß mit der russischen Sprache beigesteuert hat. Möge das hiermit vorgelegte Werk zur Wissenschaftsgeschichte den gegenwärtigen Austausch unter Wissenschaftlern, besonders die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, fördern und die Bedeutung der Akademien der Wissenschaften für die Entwicklung der Wissenschaft ins Licht rücken. Christian Starck

Geleitwort des Geschäftsführers der Gauß-Gesellschaft Es gehörte zu den Eigenheiten von Carl Friedrich Gauß (1777–1855), die vielfältigen mathematischen, astronomischen und physikalischen Erkenntnisse, die fast wie von Zauberhand – oder auch „wie der Blitz einschlug“ – in seinem Kopf entstanden und bereits dort fast zur Vollendung ausreiften, nur gelegentlich der wissenschaftlichen Welt zur allgemeinen Kenntnis zu geben. Er publizierte seine Erkenntnisse nur sehr zurückhaltend oder gar nicht und würde damit heute durch sämtliche Refereesysteme fallen: „Pauca sed matura“ – „Weniges, aber Ausgereiftes“ –, so sein im Familiensiegel verkündeter Wahlspruch, und: „[...] etwas unvollendetes kann und mag ich einmal nicht geben“. Offenbar blieb das meiste von Gauß’ Schaffen unvollendet, denn im wissenschaftlichen Nachlass des Gelehrten, der nach dessen Tod 1855 zunächst an die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen (die heutige Akademie der Wissenschaften) gelangte und seit 1933 in der Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek verwahrt wird, wimmelt es nur so von hochinteressanten und bisher unerforschten Papieren, Notizbüchern, Briefen, Skizzen und Notizblättern. Größere, auch mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschungsprojekte zur Bearbeitung und Erforschung des Gaußschen Nachlasses haben bisher zwar zur Herausgabe der wichtigsten Briefwechsel – mit Olbers, Schumacher, Bessel usw. – sowie zu der eminent wichtigen Herausgabe der „Gaußschen Werke“ in 12 Bänden (zwischen 1863 und 1929) geführt, aber eine systematische Bearbeitung des auf Zetteln, in Kartons, verstreuten Papieren und in Briefen gelagerten unveröffentlichten Materials steht weitgehend noch aus: Wer wäre heute – und dies bitte n i c h t nach eigener Einschätzung – in der Lage, eine solche Mammutaufgabe, die tiefgehende Fachkenntnisse in mehreren naturwissenschaftlichen Disziplinen (und wegen der Zeit, die seit Gauß’ Epoche verstrichen ist, auch noch in den Geschichtswissenschaften) erfordert, auszuführen? Und wer wäre noch dazu jung genug, um sich über viele Jahre hinweg mit einer solchen Riesenaufgabe zu beschäftigen, ohne – wie die Erfahrung zeigt – die notwendige Anerkennung der wissenschaftlichen Gemeinschaft und ohne Unterstützung einer Wissenschaftsorganisation wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die – anders als manche Akademien – die Edition von Gauß’ Briefwechsel nicht fördert? Um so dankenswerter ist es, dass jetzt ein bisher – schon aufgrund der Schrift- und der Sprachbarrieren – weitgehend unerschlossenes Gebiet der

X

Geleitwort von Axel Wittmann

Gaußforschung, nämlich Gauß’ wissenschaftliche Beziehungen zu Russland, die auch dazu beigetragen haben, dass sich in Russland eine höchst fortschrittliche Mathematik und Naturwissenschaft hat entwickeln können, verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und bearbeitet worden ist. Begonnen hat es eigentlich mit einer in der Zeit vom 26. Oktober 2003 bis zum 18. Januar 2004 im Bibliotheksgebäude „Paulinerkirche“ der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (SUB Göttingen) veranstalteten Ausstellung mit dem Titel „Russland und die Göttingische Seele“, zu der neben anderen auch Karin Reich und Elena Roussanova wichtige Beiträge erarbeitet hatten. Und nun legen diese beiden, zum Glück auch noch miteinander befreundeten Verfasserinnen ein gemeinsam verfasstes Werk vor, in dem erstmals systematisch die Beziehungen von Gauß zu seinen russländischen Kollegen und deren wissenschaftlicher Kontext dargestellt und in Form von Kurzbiographien, vollständig übersetzten und edierten Briefen und anderem – zum Teil erst kürzlich in den Archiven entdeckten oder wiederentdeckten – Material systematisch dargestellt werden. Entstanden ist ein enzyklopädisch-detailreiches Werk, das eine Fülle bisher oft unbekannter Fakten und Zusammenhänge vermittelt, aber auch (anhand der Briefe) bisher wenig oder gar nicht bekannte astronomische, geomagnetische und andere Beobachtungsdaten. Eine solche Arbeit kann nur leisten, wer sowohl von der Sache als auch von den sprachlichen Feinheiten des Russischen etwas versteht – wie Gauß, der das Russische in seinem sechsten Lebensjahrzehnt noch lernte: „[...] alles was Rußland betrifft hat seitdem ich mich mit der russischen Sprache zu beschäftigen angefangen habe, einen erhöheten Reiz für mich erhalten“ – so Gauß in einem Brief an Friedrich Georg Wilhelm Struve vom 14. August 1843, und wer das Verständnis für die russische Seele, ohne die – noch dazu für Zwecke in Deutschland – in den Instituten und Archiven Russlands schwerlich recherchiert werden kann, von Natur aus mit sich bringt. Hier sind die Kombination und das Zusammenwirken – ehrlich und ohne Neid, wie es Gauß ausgedrückt haben würde – der Expertin für Mathematikgeschichte und für Gauß’ Leben und Werk, Karin Reich (Berlin, Hamburg), sowie der Expertin für Geschichte der Naturwissenschaften – insbesondere der Chemie – in Russland (und als „native speaker“), Elena Roussanova (St. Petersburg, Hamburg), eine ideale Kombination, ohne die das vorliegende Buch wohl niemals hätte verfasst werden können. „Es ist auffallend, wie Sachen zu Papiere gebracht einen anderen Eindruck machen als wenn man sie nur im Kopfe überdenkt“, so Gauß in einem Brief an Friedrich Wilhelm Bessel am 29. Oktober 1843. Und hoffentlich ergeht es dem Leser nicht so wie Gauß, der am 12. Februar 1841 an Heinrich Christian Schumacher schrieb: „Mein Gedächtniss hat die Schwäche (und hat sie von jeher gehabt), dass alles Gelesene bald spurlos daraus verschwindet, was im Augenblick des Lesens sich nicht an etwas unmittelbar interessirendes anknüpft.“ Axel Wittmann

Danksagung An dieser Stelle möchten die Autorinnen ihren aufrichtigen Dank in erster Linie der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung aussprechen, die das Projekt „Gauß und Russland“ großzügig finanziell unterstützt hat. Ein besonderer Dank für wohlwollende Begleitung und Kooperation sowie für die Unterstützung des Vorhabens mit Rat und Tat gilt: ƕ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und hier persönlich deren Vizepräsidenten, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Lehfeldt, sowie Herrn Prof. Dr. Hans-Heinrich Voigt. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Lehfeldt gilt ein besonders herzlicher Dank für seine ständige Anteilnahme und unmittelbare Mitwirkung an dem Vorhaben sowie für die vielfältige Unterstützung unseres Projekts; ƕ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und hier persönlich Herrn Prof. Dr. Eberhard Knobloch. Herrn Prof. Dr. Knobloch sei an dieser Stelle ganz herzlich für seine hilfreiche Mitwirkung gedankt; ƕ dem Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaften an der LudwigMaximilians-Universität München und hier persönlich Herrn Prof. Dr. Menso Folkerts. Herrn Prof. Dr. Folkerts sei ganz herzlich für seinen wissenschaftlichen Beistand und für seine tatkräftige Unterstützung gedankt; ƕ der Gauß-Gesellschaft in Göttingen und hier persönlich deren Geschäftsführer, Herrn Dr. Axel Wittmann, insbesondere für seine wohlwollende fachliche und technische Hilfe. Für die Bereitstellung von Autographen sowie für zahlreiche wertvolle Hinweise und freundliche Begleitung bei den Recherchen sei allen beteiligten Personen und Institutionen herzlich gedankt. Insbesondere sind hier zu nennen: ƕ die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und hier persönlich Herr Dr. Helmut Rohlfing und Frau Bärbel Mund; ƕ das Universitätsarchiv Göttingen und hier persönlich Herr Dr. Ulrich Hunger; ƕ das Archiv der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und hier persönlich Frau Christiane Wegener; ƕ die Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und hier persönlich Frau Britta Hermann;

XII ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ ƕ

Danksagung

das Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und hier persönlich Frau Dr. Vera Enke und Frau Christina Wilke; die St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften und hier persönlich Frau Dr. habil. I. V. Tunkina; das Nationalarchiv der Republik Tatarstan in Kasan und hier persönlich Frau L. V. Gorochova; die N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek in Kasan, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, und hier persönlich Frau Dr. E. I. Amerchanova; das Museum für die Geschichte der Universität Kasan und hier persönlich Frau S. V. Pisareva; die Russländische Nationalbibliothek in St. Petersburg; die Bibliothek der Russländischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg; die Akademische Bibliothek der Universität Tallinn, Abteilung Baltica und Seltene Drucke, und hier persönlich Frau Dr. Katrin Kaugver; die Universitätsbibliothek Tartu und hier persönlich Frau Malle Ermel; das Russländische Staatliche Historische Archiv in St. Petersburg; das Hauptobservatorium der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo bei St. Petersburg und das zugehörige Museum und hier persönlich Herr Prof. Dr. V. K. Abalakin; das Geophysikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg und hier persönlich Herr Dr. S. S. Chicherin und Herr A. B. Lukin; das Museum für Metrologie beim D. I. Mendeleev-Forschungsinstitut für Metrologie in St. Petersburg und hier persönlich Frau Dr. E. B. Ginak; das A. S. Popov-Zentralmuseum für Kommunikation in St. Petersburg und hier persönlich Frau N. I. Losich.

Für freundliche Hilfe sowie für die Bereitstellung von diversen Dokumenten und Informationen sei folgenden Institutionen herzlich gedankt: ƕ der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften der Universität Hamburg und hier persönlich Herrn Mike Lemke; ƕ der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky; ƕ der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; ƕ dem Stadtarchiv Braunschweig; ƕ dem Bildarchiv Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität zu Marburg; ƕ der Schachbibliothek Egbert Meissenburg in Seevetal und hier persönlich Herrn Egbert Meissenburg;

Danksagung

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XIII

dem Historischen Staatsarchiv Lettlands in Riga und hier persönlich Frau Rita Bogdanova.

Für mannigfaltige freundliche Begleitung des Vorhabens sind die Autoren sehr verbunden: ƕ der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt und hier persönlich Frau Prof. Dr. Ingrid Kästner und Herrn PD Dr. Jürgen Kiefer; ƕ dem Institut für Wissenschaftsgeschichte an der Georg-August-Universität zu Göttingen und hier persönlich Herrn Prof. Dr. Nicolaas A. Rupke; ƕ Herrn Prof. Dr. Gustav Beuermann (Göttingen), Herrn Prof. Dr. Klaus Beuermann (Göttingen), Herrn Dr. Wolfgang R. Dick (Potsdam), Herrn Dietmar Fürst (Berlin), Herrn Uwe Grothkopf (Hamburg), Herrn Dr. Jürgen Hamel (Berlin), Herrn Dr. Wieland Hintzsche (Halle/Saale), Herrn Dr. Peter Hoffmann (Nassenheide), Herrn Prof. Dr. Alexander Kreuzer (Hamburg), Herrn Prof. Dr. Andreas Kühne (München), Herrn Wolfgang Löbnitz (Hamburg), Frau Dr. habil. Galina Smagina (St. Petersburg), Herrn Prof. Dr. Heinrich Soffel (München/Gauting) sowie Herrn Dr. Erki Tammiksaar (Tartu). Herzlicher Dank gilt allen, die in welcher Weise auch immer zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen haben, auch wenn sie hier möglicherweise nicht ausdrücklich genannt sind.

Inhaltsverzeichnis Geleitwort des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen .................................................................................................... VII Geleitwort des Geschäftsführers der Gauß-Gesellschaft ............................... IX Danksagung ...................................................................................................... XI Editionskriterien ............................................................................................... Astronomische Symbole ................................................................................. Abkürzungen und Symbole ............................................................................ Orts- und Städtenamen ................................................................................... ISO-Transliteration des Kyrillischen .............................................................. Zeittafel zum Leben und Schaffen von Carl Friedrich Gauß ......................

1 6 6 9 10 11

Einleitung .........................................................................................................

13

Erster Teil: Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland 1. Skizze der politischen Verhältnisse in Russland ....................................... 1.1. Gebiete und Landesgrenzen .............................................................. 1.2. Russland unter Alexander I. und unter Nikolaj I. ..........................

19 19 23

2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß ........................... 2.1. Die Universitäten in Russland .......................................................... 2.1.1. Die Lehrbezirke ......................................................................... 2.1.2. Die Universität Dorpat .............................................................. 2.1.3. Die Universität Kasan ................................................................ 2.1.4. Die Universitäten Moskau, Charkow, Wilna, St. Petersburg und Kiew im Zusammenhang mit Gauß ........ 2.1.5. Gauß’ Beziehungen zu Polen und zu Finnland ...................... 2.2. Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und weitere wissenschaftliche Einrichtungen ......... 2.3. Deutschlandreisen von in Russland wirkenden Wissenschaftlern aus dem Umfeld von Gauß ................................. 2.4. Wissenschaftliche Tagungen .............................................................

27 28 28 29 34 39 43 45 49 56

XVI

Inhaltsverzeichnis

2.5. Russische Studenten der Mathematik und der Naturwissenschaften, die in Deutschland studierten bzw. dort einen Studienaufenthalt wahrnahmen, im Zusammenhang mit Gauß ................................................................

57

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland ................. 63 3.1. Präambel: „Russland ist seit jeher das gelobte Land für Meteorologie und Magnetismus gewesen“ ..................................... 63 3.2. Der Anfang 1823–1833: Alexander von Humboldt ....................... 66 3.2.1. Alexander von Humboldts erste Aktivitäten in Paris und Berlin .......................................................................... 66 3.2.2. Humboldts erste Kontakte mit russischen Wissenschaftlern: Simonov und Kupffer in Paris 1823/25 ............................................................................. 68 3.2.3. Der erste magnetische Pavillon in Russland: Kasan 1825 ................................................................................. 68 3.2.4. Humboldts magnetischer Pavillon in Berlin: 1827 ................. 70 3.2.5. Die magnetischen Beobachtungen von Christopher Hansteen und Georg Adolf Erman in Russland: 1828–1830 ............................................................ 71 3.2.6. Humboldts magnetische Messungen während seiner Russlandreise: 1829 ........................................................ 77 3.2.7. Bergbesteigungen und magnetische Messungen in Russland ...................................................................................... 81 3.2.8. Georg Fuß’ und Alexander Bunges Reise nach Sibirien und China: 1830–1832 ............................................... 82 3.3. Die Fortsetzung 1833–1843: Carl Friedrich Gauß ......................... 84 3.3.1. Gauß’ „Intensitas“ (1833) und ihre Folgen ............................. 85 3.3.2. Gauß’ Theorie des Erdmagnetismus: 1838–1840 ................... 87 3.4. Die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland in der Ära von Gauß ......................................................................... 95 3.4.1. Forschungsreisen ........................................................................ 95 3.4.2. Magnetische Observatorien in Russland .................................. 97 3.4.3. Die Verleihung von Demidov-Preisen für Beiträge zur Erforschung des Erdmagnetismus ...................................... 104 3.5. Die Förderung der Erforschung des Erdmagnetismus in Russland – Russland als fruchtbarer Boden für die Umsetzung von Humboldts und Gauß’ Ideen ............................... 105 4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung ................................................... 109 4.1. Bemerkungen zu den Übersetzungen der Werke von Gauß zu seinen Lebzeiten ................................................................. 109

Inhaltsverzeichnis

XVII

4.2. Sprachkenntnisse in Russland ........................................................... 4.3. Übersetzungen der Werke von Gauß ins Russische ...................... 4.3.1. Studenten als Übersetzer ........................................................... 4.3.2. Aleksej Nikolaevič Krylov ........................................................ 4.3.3. Editionsprojekte in der UdSSR in den 1950er Jahren ........... 4.3.4. Gauß’ „Übersicht der Gründe der Constructibilität des Siebenzehneckes“ ................................................................ 4.4. Verzeichnis der Werke von Gauß in russischer Übersetzung ......................................................................

110 113 114 117 118 121 122

5. Carl Friedrich Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache ............ 143 6. Gauß und die russische Literatur ................................................................ 151 7. Gauß im Gedächtnis Russlands .................................................................. 159

Zweiter Teil: Carl Friedrich Gauß und Russland: Gauß’ Briefwechsel mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern 1. Martin Bartels (1769–1836) ........................................................................ 1.1. Martin Bartels’ Lebenslauf im Überblick ......................................... 1.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 1.2.1. Kasan: 1808–1820 ...................................................................... 1.2.2. Dorpat: 1821–1836 .................................................................... 1.3. Bartels und Gauß ............................................................................... 1.3.1. Zum Verhältnis zwischen Bartels und Gauß ........................... 1.3.2. Die Briefe und ihr Inhalt ...........................................................

165 165 166 167 171 175 175 175

1.4. Briefe ................................................................................................... 178 2. Thomas Clausen (1801–1885) .................................................................... 2.1. Thomas Clausens Lebenslauf im Überblick .................................... 2.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 2.2.1. Altona und München: 1824–1842 ........................................... 2.2.2. Dorpat: 1842–1885 .................................................................... 2.2.3. Clausens Veröffentlichungen .................................................... 2.3. Clausen und Gauß ............................................................................. 2.3.1. Die Werke von Gauß als Anknüpfungspunkt für Clausen ................................................................................. 2.3.2. Die Wahl von Clausen zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen .............................................................................. 2.4. Inhalt des Briefes ................................................................................ 2.5. Der Brief .............................................................................................

189 189 190 190 193 196 197 197

198 199 199

XVIII

Inhaltsverzeichnis

3. Nikolaus Fuß (1755–1826) ......................................................................... 3.1. Nikolaus Fuß’ Lebenslauf im Überblick .......................................... 3.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 3.3. Der Briefwechsel ............................................................................... 3.3.1. Gauß’ erste Kontakte zur Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ......................................................................... 3.3.2. Die Briefe ................................................................................... 3.3.3. Der Inhalt ................................................................................... 3.4. Gauß’ Mitteilungen an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ............................................................................... 3.4.1. Zwei Mitteilungen von Gauß an Nikolaus Fuß ohne Datum (vor Ostern 1801) ......................................................... 3.4.2. Weitere Mitteilung von Gauß ohne Datum (vor dem 21.6.1801) .................................................................. 3.5. Briefe ...................................................................................................

205 205 206 209 210 213 215 229 229 235 238

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855) ................................................................ 4.1. Paul Heinrich Fuß’ Lebenslauf im Überblick ................................. 4.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 4.2.1. Karriere an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ............................................................................. 4.2.2. Herausgabe der Werke Leonhard Eulers ................................. 4.3. Der Briefwechsel ............................................................................... 4.3.1. Die Briefe ................................................................................... 4.3.2. Der Inhalt ................................................................................... 4.4. Briefe ...................................................................................................

290 291 294 294 295 301

5. Carl Jaenisch (1813–1872) .......................................................................... 5.1. Carl Jaenischs Lebenslauf im Überblick ........................................... 5.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 5.2.1. Wissenschaftliche Laufbahn: Theoretische Mechanik ............ 5.2.2. Schachmeister und Theoretiker des Schachspiels .................... 5.3. Jaenisch und Gauß ............................................................................. 5.3.1. Exkurs: Gauß und das Schachspiel ........................................... 5.3.2. Inhalt der Briefe und Hintergrundinformationen ................... 5.4. Briefe ...................................................................................................

321 321 322 322 325 326 326 327 330

289 289 290

6. Carl Heinrich Kupffer (1789–1838) .......................................................... 333 6.1. Carl Heinrich Kupffers Lebenslauf im Überblick ........................... 333 6.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 334

Inhaltsverzeichnis

6.3. „Učebnyj matematičeskij žurnal“ in Reval ..................................... 6.4. Inhalt der Briefe an Gauß ................................................................. 6.4.1. Bewerbung um die vakante Mathematikprofessur in Dorpat: 1819 .......................................................................... 6.4.2. Bewerbung um den Demidov-Preis: 1832 .............................. 6.5. Briefe ...................................................................................................

XIX 335 337 337 337 338

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865) ..................................................... 7.1. Adolph Theodor Kupffers Lebenslauf im Überblick ...................... 7.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 7.2.1. Studium und Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn .......... 7.2.2. Kasan: 1824–1828 ...................................................................... 7.2.3. St. Petersburg: 1828–1865 ........................................................ 7.3. Adolph Theodor Kupffer und Gauß ................................................ 7.3.1. Der Briefwechsel ........................................................................ 7.3.2. Kristallographie ........................................................................... 7.3.3. Magnetismus ............................................................................... 7.3.4. Meteorologie .............................................................................. 7.3.5. Metrologie .................................................................................. 7.3.6. Kupffer als Vermittler russischer Literatur für Gauß ............... 7.3.7. Wahl zum Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen: 1840 ......................................... 7.3.8. Elastizität der Metalle (Teil 1) ................................................... 7.3.9. Elastizität der Metalle (Teil 2). Kupffer, Gauß und Weber: 1850–1857 .................................................................... 7.4. Briefe ...................................................................................................

343 343 344 344 349 350 362 362 365 367 374 374 375

8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840) ........................................ 8.1. Joseph Johann Littrows Lebenslauf im Überblick .......................... 8.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 8.2.1. Drei Jahre in Krakau: 1807–1809 ............................................. 8.2.2. Sechs Jahre in Kasan: 1810–1815 ............................................. 8.2.3. Littrows vier Jahre in Ofen: 1816–1819 .................................. 8.2.4. Littrows 22 Jahre in Wien: 1819–1840 .................................... 8.2.5. Littrow und Russland ................................................................ 8.3. Littrows Briefe an Gauß .................................................................... 8.3.1. Die Beziehungen zwischen Littrow und Gauß ....................... 8.3.2. Die Affäre Kmeth ....................................................................... 8.4. Briefe ...................................................................................................

429 429 430 430 431 436 437 438 440 440 442 444

376 377 378 383

XX

Inhaltsverzeichnis

9. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (1792–1856) .............................................. 9.1. Nikolaj Ivanovič Lobačevskijs Lebenslauf im Überblick ............... 9.2. Miszellen zu Leben und Werk ......................................................... 9.2.1. Lobačevskij und Kasan .............................................................. 9.2.2. Lobačevskijs herausgeberische Tätigkeit .................................. 9.2.3. Lobačevskijs frühe Beiträge zur imaginären Geometrie ......... 9.2.4. Lobačevskij und Berlin ............................................................... 9.2.5. Lobačevskij und St. Petersburg ................................................. 9.3. Lobačevskij und Gauß ....................................................................... 9.3.1. Gauß und die nichteuklidische Geometrie .............................. 9.3.2. Lobačevskij in Gauß’ Briefwechseln ........................................ 9.3.3. Schriften von Lobačevskij in der Gauß-Bibliothek und im Gauß-Nachlass .............................................................. 9.3.4. Die Bedeutung von Gauß’ Werk für Lobačevskij .................. 9.3.5. Anerkennungen für Lobačevskij zu dessen Lebzeiten ............ 9.3.6. Lobačevskij als Empfänger der Medaille zum Andenken an Gauß ...................................................................................... 9.4. Lobačevskijs späte Schriften und späte Anerkennung .................... 9.5. Der Brief .............................................................................................

473 473 474 479 480 483 485 490 498 499 501

10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874) .................................................... 10.1. Johann Heinrich Mädlers Lebenslauf im Überblick ..................... 10.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 10.2.1. Mondbeobachtungen und Mondkarte ................................... 10.2.2. Mädler und Wilhelmine sowie Minna Witte ........................ 10.2.3. Mädler in Dorpat: 1840–1865 ................................................ 10.2.4. Mädlers Rezeption in der wissenschaftlichen Welt .............. 10.3. Mädler und Gauß ............................................................................ 10.3.1. Die Beziehungen zwischen Mädler und Gauß ..................... 10.3.2. Zum Inhalt der Briefe .............................................................. 10.4. Briefe ................................................................................................

521 521 522 522 524 525 526 528 528 529 530

11. Georg Friedrich Parrot (1767–1852) ....................................................... 11.1. Georg Friedrich Parrots Lebenslauf im Überblick ........................ 11.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 11.2.1. Dorpat: 1801–1826 .................................................................. 11.2.2. St. Petersburg: 1826–1852 ...................................................... 11.2.3. Parrot als Verfasser von populären Werken .......................... 11.3. Der Briefwechsel ............................................................................. 11.3.1. Die Berufung von Gauß nach Dorpat im Jahre 1809 ..........

547 547 548 548 549 550 551 551

505 508 509 514 515 518

Inhaltsverzeichnis

XXI

11.3.2. Popularisierung der Naturwissenschaften .............................. 552 11.3.3. Georg Friedrich Parrot als Physiker ....................................... 553 11.4. Briefe ................................................................................................ 554 12. Friedrich Parrot (1791–1841) ................................................................... 12.1. Friedrich Parrots Lebenslauf im Überblick ................................... 12.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 12.3. Friedrich Parrots wissenschaftliche Expeditionen ......................... 12.3.1. Reisen auf die Krim und in den Kaukasus ............................ 12.3.2. Südfrankreich und Pyrenäen ................................................... 12.3.3. Ararat ......................................................................................... 12.3.4. Reise zum Nordkap ................................................................ 12.4. Friedrich Parrots Beziehungen zu Gauß ....................................... 12.4.1. Die Rezension von Hoff in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ ............................................................... 12.4.2. Extratermin für erdmagnetische Beobachtungen am 31. August 1837 ................................................................ 12.4.3. Parrots Beobachtungen in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ .......................... 12.4.4. Inhalt der Briefe ....................................................................... 12.5. Briefe ................................................................................................

569 569 570 571 572 573 574 577 578

13. Magnus Georg von Paucker (1787–1855) .............................................. 13.1. Magnus Georg Pauckers Lebenslauf im Überblick ...................... 13.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 13.2.1. Dorpat: 1805–1813 .................................................................. 13.2.2. Mitau: 1813–1855 .................................................................... 13.3. Die Beziehungen zwischen Paucker und Gauß ............................ 13.3.1. Veröffentlichungen von Paucker in der Gauß-Bibliothek ...................................................................... 13.3.2. Pauckers Beitrag zur Konstruktion des regelmäßigen 17- und des 257-Ecks .............................................................. 13.3.3. Gauß’ Antwort an Paucker ..................................................... 13.3.4. „Die ebene Geometrie“ und „Zwei merkwürdige Sätze vom Raum“ von Paucker ............................................. 13.4. Der Brief ...........................................................................................

587 587 588 588 589 593

578 579 582 582 583

593 593 596 597 599

14. Paul Schilling von Canstadt (1786–1837) ............................................... 603 14.1. Paul Schilling von Canstadts Lebenslauf im Überblick ................ 603 14.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 604

XXII

Inhaltsverzeichnis

14.2.1. Beginn der Beschäftigung mit Wissenschaft und Technik ............................................................................. 14.2.2. Expedition in das östliche Sibirien und in die Mongolei: 1830–1832 ............................................................. 14.2.3. Elektromagnetischer Telegraph .............................................. 14.2.4. Schilling und Moritz Hermann Jacobi ................................... 14.3. Die Beziehungen zwischen Schilling und Gauß .......................... 14.4. Der Brief ...........................................................................................

604 605 606 610 612 614

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825) ...................................... 15.1. Friedrich Theodor Schuberts Lebenslauf im Überblick ............... 15.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 15.3. Die Beziehungen zwischen Schubert und Gauß .......................... 15.3.1. Der Briefwechsel ...................................................................... 15.3.2. Gauß’ Antrittsvorlesung an der Universität Göttingen ........ 15.3.3. Schuberts Auseinandersetzung mit Lars Regner in einer Besprechung von Gauß ................................................. 15.4. Briefe ................................................................................................

617 617 618 621 621 624

16. Ivan Michajlovič Simonov (1794–1855) ................................................. 16.1. Ivan Michajlovič Simonovs Lebenslauf im Überblick ................. 16.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 16.2.1. Studium und Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn ........ 16.2.2. Teilnahme an der ersten russischen Expedition ins südliche Eismeer: 1819–1821 ................................................. 16.2.3. Simonov und Alexander von Humboldt ............................... 16.2.4. Simonovs Tätigkeit in Kasan .................................................. 16.2.5. Simonovs Reise nach Großbritannien, Frankreich, Belgien und Deutschland: 1842 ............................................. 16.2.6. Der große Brand im August 1842 in Kasan und der Wiederaufbau der Sternwarte und des Magnetischen Observatoriums ............................................... 16.3. Simonov und Gauß ......................................................................... 16.3.1. Simonovs Besuch bei Gauß in Göttingen vom 28. bis zum 30. September 1842 ........................................................ 16.3.2. Gauß’ Diplom eines Ehrenmitgliedes der Universität Kasan: 1849 .............................................................................. 16.3.3. Inhalt der Briefe ....................................................................... 16.4. Briefe ................................................................................................

639 639 640 640

626 627

641 642 644 647

648 649 650 654 656 658

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864) ...................................... 665 17.1. Friedrich Georg Wilhelm Struves Lebenslauf im Überblick ....... 665

Inhaltsverzeichnis

XXIII

17.2. Miszellen zu Leben und Werk ....................................................... 17.2.1. Altona: 1793–1808 .................................................................. 17.2.2. Dorpat: 1808–1839 .................................................................. 17.2.3. Pulkowo und St. Petersburg: 1839–1864 .............................. 17.3. Struve und Gauß ............................................................................. 17.3.1. Struves Besuche bei Gauß in Göttingen ................................ 17.3.2. Struves Bewerbung in Mannheim: 1815 ............................... 17.3.3. Die Wahl Struves zum Auswärtigen Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen: 1835 .................................................................. 17.3.4. Gauß und die Kaiserlich-Russische Geographische Gesellschaft in St. Petersburg .................................................. 17.3.5. Austausch von Veröffentlichungen ........................................ 17.3.6. Gauß’ Porträt von Jensen in der Sternwarte Pulkowo ......... 17.4. Der Briefwechsel ............................................................................. 17.4.1. Die Besonderheiten des Briefwechsels ................................... 17.4.2. Vermessungswesen ................................................................... 17.4.3. Astronomische Beobachtungen und Instrumente ................. 17.4.4. Erdmagnetismus ....................................................................... 17.4.5. Besetzung der Professur für Reine und Angewandte Mathematik in Dorpat ............................................................. 17.4.6. Weitere Aspekte des Briefwechsels ........................................ 17.4.7. Vermutungen über die vorzeitige Beendigung des Briefwechsels ..................................................................... 17.5. Briefe ................................................................................................

667 667 667 672 676 676 678

679 681 684 685 687 687 688 690 690 691 691 692 696

Schlusswort ....................................................................................................... 737 Ɂɚɤɥɸɱɟɧɢɟ ..................................................................................................... 739 Gesamtverzeichnis der Briefe .......................................................................... I. Chronologisches Verzeichnis der Briefe ........................................... II. Verzeichnis der Briefe nach den Verfassernamen in alphabetischer Reihenfolge ................................................................ III. Verzeichnis der Briefe nach den Absendeorten ...............................

743 743 746 749

Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 753 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 761 Kurzbiographien .............................................................................................. 827 Personenregister ............................................................................................... 885 Anhang .............................................................................................................. 895

Editionskriterien Autographen Die Briefe werden hier in der Schreibweise wiedergegeben, wie sie in dem jeweiligen Manuskript vorliegt. Groß- und Kleinschreibungen wurden nicht geändert, orthographische Besonderheiten und die Originalinterpunktion wurden beibehalten. Nicht immer ließ sich die Handschrift eindeutig und zweifelsfrei entziffern, weshalb gelegentlich Entscheidungen über eine entsprechende Anpassung getroffen werden mussten. Im Einzelnen wurden folgende Richtlinien eingehalten. ƕ Fehlende Punkte auf dem i und auf Umlautbuchstaben wurden stillschweigend ergänzt, in letzterem Falle dann, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermuten war, dass tatsächlich ein Umlaut gemeint war. ƕ Ein mit einem Strich über dem Buchstaben angegebener Doppelkonsonant wurde in eckigen Klammern wiedergegeben, etwa m[m] oder n[n]. ƕ Da zwischen den verschiedenen Formen des s-Buchstabens in einigen Fällen nicht zweifelsfrei unterschieden werden konnte, erscheint ß nur dann, wenn es in der Handschrift eindeutig als solches erkennbar ist. ƕ Kleinere Korrekturen von der Hand der Briefschreiber selbst wurden in der Regel stillschweigend übernommen, ohne die ursprüngliche inkorrekte Schreibweise zu erwähnen. ƕ Lücken im Text durch Papierverlust, das heißt Löcher in Briefen, wurden durch [---] kenntlich gemacht. ƕ In einem Brief vorhandene Fußnoten wurden im laufenden Text auch als solche gekennzeichnet. Auch Schriftzeilen an den Briefrändern wurden mit einem Vermerk in den Text eingefügt. ƕ Textergänzungen sowie Auflösungen von im Text stehenden Abkürzungen wurden in eckige Klammern [ ] gesetzt. ƕ Der Vermerk [sic] weist auf die authentische Schreibweise hin. ƕ Das Originallayout der Briefe wurde nicht in allen Details imitiert. Anreden, Briefunterschriften und dergleichen erscheinen linksbündig. Der Seitenwechsel in den Originalbriefen wird bei deren Wiedergabe nicht kenntlich gemacht. ƕ Die in den Briefen enthaltenen Zeichnungen und nach Möglichkeit auch Datentabellen wurden als Faksimiles wiedergegeben. ƕ Briefumschläge, die in manchen Fällen noch vorhanden sind, wurden nur erwähnt, wenn sie für den Brief eine besondere Bedeutung haben.

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ƕ ƕ

Editionskriterien

Briefe, die bereits veröffentlicht worden sind, wurden anhand der Originale, sofern diese vorhanden und zugänglich sind, neu transkribiert, so dass ihre hier zu findende Wiedergabe nicht unbedingt in allen Einzelheiten mit früheren Editionen identisch ist. Briefe und Briefzitate in französischer Sprache wurden nicht übersetzt. Passagen in russischer Sprache und auch nur vereinzelte russische Wörter wurden sowohl im Original als auch in deutscher Übersetzung wiedergegeben. In Briefen erwähnte Namen wurden in der Schreibweise der jeweiligen Quelle wiedergegeben und nicht vereinheitlicht. Falls nötig, wurde in einer Fußnote festgehalten, um welche Person es sich handelt. Die in Briefen vorkommenden Ortsbezeichnungen wurden so belassen.

Weitere Dokumente und Texte aus der Sekundärliteratur Umfangreichere lateinische Dokumente sowie russische Texte bzw. Passagen werden in den meisten Fällen auch in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Beim Zitieren im Textteil und in den Anmerkungen wurde der Absatzwechsel des Originals, soweit vorhanden und erkennbar, nicht immer kenntlich gemacht. Beim Zitieren von gedruckten Dokumenten, einschließlich Urkunden, sowie von gedruckten Briefwechseln wurde das Originallayout nicht eingehalten. Die in Kapitälchen gedruckten Eigennamen oder Bezeichnungen wurden in der Regel nicht als solche wiedergegeben. Bei der Wiedergabe von Passagen aus Werken von Gauß war das Streben maßgeblich, stets die Originalausgaben zu zitieren, da diese noch von Gauß selbst korrigiert worden sind. Wenn zusätzlich auf die Werkausgabe – GaußWerke – hingewiesen wird, so geschieht dies, um die Textrecherche zu erleichtern. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass sich die Editoren der Werkausgabe nicht immer streng an die Schreibweise der Originalveröffentlichungen gehalten haben. Bei Werken von Leonhard Euler wird zusätzlich auf die Ausgabe in „Leonhardi Euleri Opera omnia“ hingewiesen. Das Fußnotenzeichen wird am Ende des Satzes bzw. des Nebensatzes nach dem Satzzeichen gesetzt.

Zitierweise Die Titel russischsprachiger Abhandlungen werden im Text in Anführungszeichen gemäß der ISO-Transliteration des Kyrillischen (Russischen) wiedergegeben.1 In den meisten Fällen wurde die deutsche Übersetzung des Titels in 1

Die im Hilfsapparat aufgeführte Tabelle zeigt zu jedem kyrillischen (russischen) Zeichen dessen Transliteration gemäß der wissenschaftlichen Norm.

Editionskriterien

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Klammern hinzugefügt; auf Anführungszeichen wurde dabei verzichtet. Der russische Originaltitel erscheint in vielen Fällen in einer Fußnote. Bei der Transliteration von russischen Texten, die gemäß den Regeln der Orthographie des 19. Jahrhunderts geschrieben sind, wird in dem vorliegenden Buch konsequent darauf verzichtet, das am Ende eines jeden auf einen Konsonanten endenden Wortes stehende sogenannte Härtezeichen „ɴ“ wiederzugeben. Zitiert wird im Text und in den Anmerkungen nach dem Nachnamen des Autors. Im Falle mehrerer Personen mit gleichem Nachnamen wurden die Initialen der/des Vornamen(s) dazugesetzt. Die Jahreszahl bezieht sich stets auf das Erscheinungsjahr. Im Falle von Zeitschriften wird nicht der Jahrgang, sondern das Erscheinungsjahr des Bandes genannt. Sind von einem Autor mehrere Werke in einem und demselben Jahr erschienen, so werden beim Zitieren die Angaben um a, b usw. ergänzt, also etwa (Kupffer, A. T. 1842a). Im Falle von zwei oder drei Autoren einer Arbeit werden alle Namen angegeben; bei mehr als drei Autoren wird nur der erste Name genannt. Bei mehrbändigen Werken werden die Angaben um die Nennung der Bandzahl ergänzt, z.B. (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 4). Beim Zitieren kleinerer Texte aus Zeitschriften erscheint die vollständige bibliographische Angabe in einer Fußnote. Der Titel wurde dabei nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommen. Dieses Vorgehen betrifft insbesondere kurze Mitteilungen aus den „Astronomischen Nachrichten“ sowie Textpassagen aus der „Monatlichen Correspondenz“. Der Hinweis „(siehe S. ..)“ bezieht sich auf die vorliegende Publikation.

Personen In verschiedenen Quellen werden oftmals unterschiedliche Schreibweisen von Namen sowie unterschiedliche Lebens- und andere Daten angegeben. Wir haben uns in solchen Fällen für diejenige Variante der Namensschreibweise und der biographischen Daten entschieden, die in den großen Personenlexika angegeben ist. Dabei wurden vor allem die Allgemeine und die Neue Deutsche Biographie (ADB/NDB), das Dictionary of Scientific Biography sowie das Enzyklopädische Wörterbuch von Brockhaus und Efron (Brockhaus/ Efron), das Russische Biographische Wörterbuch von A. A. Polovcov (Polovcov) und die Erik-Amburger-Datenbank (http://88.217.241.77/amburger) herangezogen. Das Adelsprädikat „von“ wird nicht durchgehend und auch nur bei denjenigen Personen verwendet, die von Geburt an adelig waren, so zum Beispiel bei Alexander von Humboldt, nicht aber etwa bei Joseph Johann Littrow, der erst während seiner Laufbahn geadelt wurde. Bei russischen Namen war das Adelsprädikat „von“ nicht üblich. Im Text und in den Anmerkungen wird auf ausführliche Personendaten weitestgehend verzichtet. Derartige Angaben finden sich in dem Abschnitt

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Editionskriterien

„Kurzbiographien“. Russische und russifizierte Namen werden im Text gemäß der ISO-Transliteration des Kyrillischen (Russischen) ins lateinische Alphabet überführt wiedergegeben; dies gilt auch für die Namen im Literaturverzeichnis. Nur die Namen der Kaiser Peter I., Katharina I. und Katharina II. sowie Alexander I. und Alexander II. werden nach der im deutschen Sprachraum üblichen Schreibweise angeführt. Die Namen von noch lebenden Personen werden – insbesondere bei Danksagungen – nicht nach der ISO-Transliteration wiedergegeben, sondern nach der von diesen Personen selbst angegebenen Schreibweise.

Institutionen Die Bezeichnungen russischer Institutionen werden sowohl im Text als auch in den Anmerkungen durch das jeweilige deutsche Äquivalent wiedergegeben. Vorbild hierfür sind die bei Erik Amburger zu findenden Bezeichnungen (Amburger 1966). Die Originalbezeichnung in russischer Sprache wird in der Regel bei der ersten Erwähnung in einer Fußnote wiedergegeben. Bei späteren Erwähnungen wird gelegentlich auf die vollständige Bezeichnung verzichtet. Beispielsweise wird die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg abgekürzt Akademie der Wissenschaften oder auch nur Akademie genannt.

Orts- und Städtenamen im Text Im Text und in den Anmerkungen werden russische Ortsnamen nicht nach der ISO-Norm transliteriert, sondern so angeführt, wie sie im Duden stehen (Duden 2000), also Kasan anstelle von Kazan’, Moskau anstelle von Moskva usw. Die Namen kleinerer Orte, die nicht im Duden vorkommen, wurden transliteriert. Um die Auffindung der geographischen Namen zu erleichtern, wird in einem Hilfsapparat eine Liste der genannten Orts- und Städtenamen zusammengestellt. In diesem Verzeichnis werden sowohl die Dudenbezeichnungen als auch die Transliterationen und die gegenwärtig gebräuchlichen Ortsnamen angeführt.

Kalender Es werden in der Regel zwei Datumsangaben angegeben – nach dem im 19. Jahrhundert in Russland verwendeten Julianischen Kalender (alter Stil) sowie nach dem in Westeuropa gültigen Gregorianischen Kalender (neuer Stil). Die Differenz zwischen den Kalendern betrug im 18. Jahrhundert elf

Editionskriterien

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Tage, im 19. Jahrhundert zwölf Tage. Die in den Briefen vorkommenden Datumsangaben stellen manchmal ein Problem dar. Bisweilen ist nicht klar, nach welchem Kalender sie angegeben wurden. In solchen Fällen werden sie so belassen, wie sie im Text stehen, und nicht um eine zweite Angabe ergänzt.

Kurzbiographien und Personenindex Alle in den Briefen und im Text vorkommenden Personen werden im Kapitel „Kurzbiographien“ mittels einer kurzen Charakterisierung im Lexikonstil vorgestellt. Bei deutschstämmigen Russen werden jeweils beide Versionen des Namens erwähnt, diese aber unter der deutschen Schreibweise einsortiert. Die russischen Namen werden gemäß der Transliteration ins lateinische Alphabet eingeordnet, dies gilt auch für den Personenindex. Bei Abkürzungen der deutschen und der deutschstämmigen Vornamen wird jeweils nur ein Buchstabe verwendet. So wird zum Beispiel bei Adolph Theodor Kupffer die Form A. T. Kupffer gebraucht, nicht A. Th. Kupffer. Bei der Transliteration russischer Vornamen sind bei der Wiedergabe der Buchstaben ɹ, ɸ jeweils zwei Buchstaben erforderlich, zum Beispiel V. Ja. Bunjakovskij.

Literaturverzeichnis Im Literaturverzeichnis werden nur diejenigen Titel aufgeführt, die tatsächlich herangezogen worden sind. Es wurde kein Wert auf Vollständigkeit im Sinne einer Bibliographie gelegt. Dies betrifft vor allem die biographische Literatur zu einzelnen Personen, die oftmals sehr reichhaltig ist. Briefwechsel stehen in der Regel nicht unter den Herausgebern verzeichnet, sondern unter „Briefwechsel“. Abhandlungen mit unbekanntem Verfasser stehen unter „Anonymus“, Nachrufe unter dem Namen der verstorbenen Person. Bei lateinischen Titeln werden die Namen der Autoren nicht in latinisierter Form angegeben, sondern es werden die üblichen Namen und Vornamen verwendet. Dies gilt auch für die Ortsangaben. Die Titel russischsprachiger Literatur wurden sowohl im Original als auch nach dem System der ISO-Transliteration des Kyrillischen (Russischen) wiedergegeben. Dabei werden die Erscheinungsorte transliteriert und nicht, wie im Textteil, nach dem Duden wiedergegeben, also Kazan’, Moskva, St. Peterburg usw. Im Literaturverzeichnis wird nur gelegentlich und nicht immer auf den Umfang der jeweiligen Publikation hingewiesen.

Astronomische Symbole Ceres Erde Juno Jupiter Knoten Konjunktion Mars Merkur

. l ; j k q h f

Mond Neptun Opposition Pallas Saturn Sonne Venus

a G p ¥ S s g

Abkürzungen und Symbole Abb. A.o. Aufl. Bd. Bde. Beob.; Beobb. Bl. bzw. ca. d. J. d.h. d.i. Dr. dt. E f. fr. GB geb. Hrsg. hrsg. i.e. Kap. l. lat. N.F.

Abbildung Außerordentlicher Auflage Band Bände Beobachtung(en) Blatt beziehungsweise circa der Jüngere das heißt das ist Doktor deutsch Eneström-Verzeichnis fond (ɮɨɧɞ) französisch Gauß-Bibliothek geboren Herausgeber herausgegeben lat.: id est = das ist Kapitel list (ɥɢɫɬ) lateinisch Neue Folge

Nr. ʋ o.D. op. p.; pag. ‡ Prof. r. Red. reg. russ. S. Sign. Sost. Sp. SUB u.a. usw. v. Vol. z.B.

Nummer(n) [Aktennummer] ohne Datum opis’ (ɨɩɢɫɶ) pagina Pfund Professor recto (Vorderseite eines Blattes) Redaktor (ɪɟɞɚɤɬɨɪ) regiert russisch Seite(n) Signatur Sostavitel’ (ɫɨɫɬɚɜɢɬɟɥɶ) Spalte(n) Staats- und Universitätsbibliothek unter anderen(m) und so weiter verso (Rückseite eines Blattes) volumen, volume zum Beispiel

Orts- und Städtenamen Deutsche Bezeichnung1

Russische Ortsbezeichnung

ISO-Transliteration Abweichende aktuelle des Kyrillischen Bezeichnung / Land

Archangelsk Astrachan Barnaul Bischofteinitz Bogoslowsk Breslau Brest-Litowsk Charkow Cholmogory Dorpat Eriwan Helsingfors

Apxaɧɝɟɥɶɫɤ Ⱥɫɬɪɚɯɚɧɶ Ȼɚɪɧɚɭɥ

Archangel’sk Astrachan’ Barnaul

Ȼɨɝɨɫɥɨɜɫɤ Ȼɪɟɫɥɚɜɥɶ Ȼɪɟɫɬ-Ʌɢɬɨɜɫɤ ɏɚɪɶɤɨɜ ɏɨɥɦɨɝɨɪɵ Ⱦɟɪɩɬ ɗɪɢɜɚɧɶ Ƚɟɥɶɫɢɧɝɮɨɪɫ

Bogoslovsk Breslavl’ Brest-Litovsk Char’kov Cholmogory Derpt Ėrivan’ Gel’singfors

Irkutsk ɂɪɤɭɬɫɤ Ismail ɂɡɦɚɢɥ Jakutsk əɤɭɬɫɤ Jekaterinburg ȿɤɚɬɟɪɢɧɛɭɪɝ Jeniseisk ȿɧɢɫɟɣɫɤ Kap Kanin Nos ɦɵɫ Ʉɚɧɢɧ ɧɨɫ Kap Kargowsky ɦɵɫ Ʉɚɪɝɨɜɫɤɢɣ Kasan Ʉɚɡɚɧɶ Katharinenburg, siehe Jekaterinburg Kiew Ʉɢɟɜ Kjachta Ʉɹɯɬɚ Kolgujew-Insel Ʉɨɥɝɭɟɜ ɨɫɬɪɨɜ Königsberg Ʉɪɚɫɧɨɹɪɫɤ Kranojarsk Kronstadt Ʉɪɨɧɲɬɚɞɬ Kursk Ʉɭɪɫɤ

1

Irkutsk Izmail Jakutsk Ekaterinburg Enisejsk mys Kanin nos mys Kargovskij Kazan’ Kiev Kjachta Kolguev ostrov Kranojarsk Kronštadt Kursk

Russland Russland Russland Horovský Týn / Tschechien Karpinsk / Russland Wrocław / Polen Brėst / Weißrussland Charkiv / Ukraine Russland Tartu / Estland Jerewan / Armenien Helsinki, Helsingfors / Finnland Russland Ismaïl / Ukraine Russland Russland Russland Russland Russland Russland Kiïv / Ukraine Russland Russland Kaliningrad / Russland Russland Stadtteil von St. Petersburg Russland

Deutsche Schreibweise von Orts- und Städtenamen gemäß: Duden, Wörterbuch geographischer Namen des Baltikums und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mit Angaben zu Schreibweise, Aussprache und Verwendung der Namen im Deutschen, zusammengestellt und bearbeitet von Hans Zikmund (Duden 2000).

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Orts- und Städtenamen

Kuschwa Ʉɭɲɜɚ Kyschtym Ʉɵɲɬɵɦ Lemberg Leningrad Ʌɟɧɢɧɝɪɚɞ Lugansk Ʌɭɝɚɧɫɤ Memel Ɇɟɦɟɥɶ Mesen Ɇɟɡɟɧɶ Miass Ɇɢɚɫɫ Mitau Ɇɢɬɚɜɚ Ɇɨɝɢɥɺɜ Mogiljow Moskau Ɇɨɫɤɜɚ Nachitschewan ɇɚɯɢɱɟɜɚɧɶ Narwa ɇɚɪɜɚ Nertschinsk ɇɟɪɱɢɧɫɤ Neshin ɇɟɠɢɧ Nikolajew ɇɢɤɨɥɚɟɜ Nishneudinsk ɇɢɠɧɟɭɞɢɧɫɤ Nishnij Nowgorod ɇɢɠɧɢɣ ɇɨɜɝɨɪɨɞ ɇɢɠɧɢɣ Ɍɚɝɢɥ Nishnij Tagil Nishnjaja Tura ɇɢɠɧɹɹ Ɍɭɪɚ Nowgorod ɇɨɜɝɨɪɨɞ ɇɨɜɨɪɨɫɫɢɣɫɤ Noworossijsk Obdorsk Ɉɛɞɨɪɫɤ Ochotsk Ɉɯoɬɫɤ Ɉɦɫɤ Omsk Orenburg Ɉɪɟɧɛɭɪɝ Pensa ɉɟɧɡɚ Perm ɉɟɪɦɶ Pernau ɉɟɪɧɨɜ Petersburg, siehe Sankt Petersburg Petrograd ɉɟɬɪɨɝɪɚɞ Petropawlowsk ɉɟɬɪɨɩaɜɥɨɜɫɤ Petropawlowskij ɉɟɬɪɨɩaɜɥɨɜɫɤɢɣ Port ɩɨɪɬ Pleskau, siehe Pskow Poltawa ɉɨɥɬɚɜɚ Pressburg Pskow ɉɫɤɨɜ Pulkowa, siehe Pulkowo Pulkowo ɉɭɥɤɨɜo Reval Ɋɟɜɟɥɶ Riga Ɋɢɝɚ ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝ Sankt Petersburg

Kušva Kyštym Leningrad Lugansk Memel’ Mezen’ Miass Mitava Mogilëv Moskva Nachičevan’ Narva Nerčinsk Nežin Nikolaev Nižneudinsk Nižnij Novgorod Nižnij Tagil Nižnjaja Tura Novgorod Novorossijsk Obdorsk Ochotsk Omsk Orenburg Penza Perm’ Pernov

Russland Russland L’viv / Ukraine St. Petersburg / Russland Luhans’k / Ukraine Klaipėda / Litauen Russland Russland Jelgava / Lettland Mahilëŭ / Weißrussland Russland Naxçıvan / Aserbaidshan Narva / Estland Russland Nižyn / Ukraine Mykolaïv / Ukraine Russland Russland Russland Russland Russland Russland Salechard / Russland Russland Russland Russland Russland Russland Pärnu / Estland

Petrograd Petropavlovsk Petropavlovskij port

St. Petersburg / Russland Petropavl / Kasachstan Petropawlowsk-Kamtschatskij / Russland

Poltava Pskov

Ukraine Bratislava / Slowakei Russland

Pulkovo Revel’ Riga Sankt-Peterburg

Stadtteil von St. Petersburg Tallinn / Estland Rīga / Lettland Russland

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Orts- und Städtenamen Sankt Simonis Saratow ɋɚɪɚɬɨɜ Sarepta ɋɚɪɟɩɬɚ Schlüsselburg ɒɥɢɫɫɟɥɶɛɭɪɝ Sewastopol ɋɟɜɚɫɬɨɩɨɥɶ Slatoust Ɂɥɚɬɨɭɫɬ Smejinogorsk Ɂɦɟɢɧɨɝɨɪɫɤ St. Petersburg, siehe Sankt Petersburg Staro-Nekrassowka ɋɬɚɪɨ-ɇɟɤɪɚɫɨɜɤɚ Stettin Taganrog Ɍɚɝɚɧɪɨɝ Tiflis Ɍɢɮɥɢɫ Tilsit Ɍɢɥɶɡɢɬ Tjumen Ɍɸɦɟɧɶ Tobolsk Ɍɨɛɨɥɶɫɤ Tomsk Ɍɨɦɫɤ Troizkosawsk Ɍɪɨɢɰɤɨɫɚɜɫɤ Twer Ɍɜɟɪɶ ɍɪɚɥɶɫɤ Uralsk Urga Ust-Kamenogorsk ɍɫɬɶ-Ʉɚɦɟɧɨɝɨɪɫɤ Wassiljewskij Insel ȼɚɫɢɥɶɟɜɫɤɢɣ

Saratov Sarepta Šlissel’burg Sevastopol’ Zlatoust Zmeinogorsk

Simuna / Estland Russland Stadtteil von Wolgograd Russland Ukraine Russland Russland

Staro-Nekrasovka

Stara Nekrasivka / Ukraine Szczecin / Polen Taganrog Russland Tiflis Tbilissi / Georgien Til’zit Sowetsk / Russland Tjumen’ Russland Tobol’sk Russland Tomsk Russland Troickosavsk Teil von Kjachta / Russland Tver’ Russland Ural’sk Oral / Kasachstan Ulaanbaatar / Mongolei Ust’-Kamenogorsk Öskemen / Kasachstan Vasil’evskij ostrov Stadtteil von St. Petersburg

ɨɫɬɪɨɜ ȼɟɪɯɧɟɭɞɢɧɫɤ Werchneudinsk Wiborg oder Wiburg, siehe Wyborg Wiljuisk ȼɢɥɸɣɫɤ Wilna ȼɢɥɶɧɚ / ȼɢɥɶɧo ȼɢɬɟɛɫɤ Witebsk Wladimir ȼɥɚɞɢɦɢɪ Wolgograd, siehe Zarizyn Woronesh ȼɨɪɨɧɟɠ ȼɵɛɨɪɝ Wyborg Wytegra ȼɵɬɟɝɪɚ Zarizyn ɐɚɪɢɰɵɧ Zarskoje Selo ɐɚɪɫɤɨɟ ɋɟɥɨ

Verchneudinsk

Ulan-Udė / Russland

Viljujsk Vil’na / Vil’no Vitebsk Vladimir

Russland Vilnius / Litauen Vicebsk / Weißrussland Russland

Voronež Vyborg Vytegra Caricyn Carskoe Selo

Russland Russland Russland Wolgograd / Russland Puschkin, Stadtteil von St. Petersburg

ISO-Transliteration des Kyrillischen

Russisch Ⱥɚ Ȼɛ ȼɜ Ƚɝ Ⱦɞ ȿɟ Ȭɺ ɀɠ Ɂɡ ɂɢ Ƀɣ Ʉɤ Ʌɥ Ɇɦ ɇɧ Ɉɨ ɉɩ

Transliteration Aa Bb Vv Gg Dd Ee Ëë Žž Zz Ii Jj Kk Ll Mm Nn Ɉɨ Pp

Russisch Ɋɪ ɋɫ Ɍɬ ɍɭ Ɏɮ ɏɯ ɐɰ ɑɱ ɒɲ ɓɳ ɴ ɕɵ ɶ ɗɷ ɘɸ əɹ ࣎

Transliteration Rr Ss Tt Uu Ff Ch ch Cc Čč Šš Šč šč ’’ Yy ’ Ėė Ju ju Ja ja ě

Zeittafel zum Leben und Schaffen von Carl Friedrich Gauß 30.4.1777 1784–1788 1788–1792 1792–1795 1795–1798 1796 1798–1807 16.7.1799

1801 Oktober 1801 31.1./12.2.1802 13.11.1802 9.10.1805 21.8.1806 25.7.1807 1807 11.10.1809 1809 4.8.1810

geboren in Braunschweig Besuch der Katharinen-Volksschule in Braunschweig Besuch des Gymnasiums Catharineum in Braunschweig Studium am Collegium Carolinum in Braunschweig Studium an der Georgia Augusta in Göttingen mit einem Stipendium des Herzogs von Braunschweig Entdeckung der Konstruierbarkeit des regelmäßigen Siebzehnecks Privatgelehrter in Braunschweig mit einem herzoglichen Stipendium Promotion in Helmstedt in absentia bei Johann Friedrich Pfaff mit dem ersten vollständigen Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra Veröffentlichung der „Disquisitiones arithmeticae“ Berechnung der Bahn des von Giuseppe Piazzi am 1.1.1801 entdeckten kleinen Planeten Ceres Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen Heirat mit Johanna Osthoff aus Braunschweig Geburt des ersten Sohnes Joseph Ernennung zum Ordentlichen Professor für Astronomie und Direktor der Universitätssternwarte in Göttingen Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen Tod der ersten Frau Johanna Veröffentlichung des astronomischen Hauptwerks „Theoria motus“ Heirat mit Friederica Wilhelmine Waldeck

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Zeittafel zum Leben und Schaffen von Carl Friedrich Gauß

18.4.–23.5.1816 Oktober 1816 9.5.1820 1821 1824 1828 14.9.–3.10.1828

April 1831 12.9.1831 15.12.1832 1833 1833 1834/1836 19.9.1837 18.11.1837 1839 1843–1849 1844/1847

16.7.1849 23.2.1855

Reise mit Sohn Joseph nach Gotha und München Umzug in die neue Sternwarte in Göttingen Auftrag, die Triangulation des Königreichs Hannover vorzunehmen Erfindung des Heliotropen Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg Veröffentlichung der „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ Persönlicher Gast bei Alexander von Humboldt in Berlin, Teilnahme an der 7. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte Wilhelm Weber erhält einen Ruf an die Universität Göttingen Tod der zweiten Frau Gauß stellt seine „Intensitas“ in der Göttinger Societät der Wissenschaften vor Erfindung des elektromagnetischen Telegraphen gemeinsam mit Weber Bau des Magnetischen Observatoriums in Göttingen Gründung des Magnetischen Vereins zu Göttingen Feier des 100-jährigen Bestehens der Universität Göttingen Protest der „Göttinger Sieben“ gegen die Aufhebung der Verfassung Veröffentlichung der „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ Wilhelm Weber in Leipzig tätig, kehrt dann nach Göttingen zurück Veröffentlichung der ersten und der zweiten Abhandlung der „Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodäsie“ Feier des goldenen Doktorjubiläums in Göttingen gestorben in Göttingen

Einleitung Die Erforschung der Geschichte der deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen hat in jüngerer Zeit eine bedeutende Belebung erfahren. So werden gegenwärtig im Rahmen eines deutsch-russischen Forschungsprojektes Dokumente und Materialien über die Zweite, von 1733 bis 1743 dauernde Kamtschatkaexpedition erforscht und in der Reihe „Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven“ veröffentlicht. Ferner wird seit 2007 an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig ein Projekt „Wissenschaftsbeziehungen im 19. Jahrhundert zwischen Deutschland und Russland auf den Gebieten Chemie, Pharmazie und Medizin“ betrieben. An der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt wurde im Jahre 2008 das Projekt „Europäische Wissenschaftsbeziehungen“ ins Leben gerufen, in dessen Rahmen den deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Darüber hinaus ist im Herbst 2009 als Ergebnis von Forschungen an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften das Buch „Alexander von Humboldt, Briefe aus Russland 1829“ erschienen. Bekanntlich ist Humboldt von April bis November 1829 quer durch Russland gereist und hat dabei ca. 15.500 km zu Wasser und zu Lande zurückgelegt. Anders als Humboldt ist Carl Friedrich Gauß in seinem ganzen Leben nicht nach Russland gereist, auch hat er selbst kein einziges seiner Werke in diesem Land veröffentlicht. Aber der große Gelehrte unterhielt zahlreiche Kontakte mit ausländischen Wissenschaftlern, darunter auch mit solchen, die in Russland tätig waren. Tatsächlich waren Gauß’ Beziehungen zu Russland besonders bedeutsam, zu einem Land, in dem er seit dem Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn verehrt und gewürdigt und wo sein Werk intensiv rezipiert wurde, mehr als in irgendeinem anderen Land außerhalb Deutschlands. Die erste Anerkennung einer wissenschaftlichen Gesellschaft, die Gauß erfuhr, kam von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Den ersten Ruf, den er erhielt, war eine Einladung an dieselbe Akademie, und weitere Rufe nach Russland folgten. Die Bedeutsamkeit dieses Umstandes erhellt besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass Gauß sonst keine Berufungen ins nichtdeutschsprachige Ausland zuteilgeworden sind. Die wissenschaftliche Kooperation von Gauß mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern umfasste sämtliche Wissensgebiete, auf denen der Gelehrte tätig war, und diese Zusammenarbeit war außerordentlich intensiv. Gauß und seine Korrespondenten tauschten nicht nur Messdaten aus, sondern diskutierten auch über neue wissenschaftliche Theorien aus den verschiedensten Bereichen. In bereits fortgeschrittenem

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Einleitung

Alter erlernte der „princeps mathematicorum“ sogar noch die russische Sprache und beschäftigte sich auch mit der russischen Literatur. Was Gauß’ Briefe anbelangt, so sind bislang nur die von dem Gelehrten mit einzelnen Personen geführten Korrespondenzen herausgegeben worden, so etwa der Briefwechsel mit Heinrich Christian Schumacher, derjenige mit Wilhelm Olbers u.a. In dem vorliegenden Buch sollen nun erstmals alle Korrespondenten von Gauß berücksichtig werden, die in e i n e m Land, nämlich in Russland gewirkt haben. Das Ziel dieses Unternehmens ist es, auf diese Weise Gauß’ Beziehungen zu Russland so detailliert wie möglich zu dokumentieren und dabei aufzuweisen, wie und wo die Ideen von Gauß in Russland rezipiert und oftmals auch in die Praxis umgesetzt wurden. Ferner soll gezeigt werden, wie Gauß selbst von aus Russland stammenden Daten und Ergebnissen profitiert hat. Im Vordergrund stehen für uns stets die Primärquellen. Die uns interessierenden Sachverhalte sollen so weit wie möglich anhand der Quellen dargestellt und erläutert werden. Viele der in diesem Band publizierten historischen Dokumente sind bisher entweder unbekannt gewesen oder sind auch dann, wenn sie bereits veröffentlicht waren, weitgehend unberücksichtigt geblieben, weil ihr Erscheinungsort abgelegen war. Am Anfang dieses Projekts stand die Suche nach Briefen von Gauß, die dieser nach Russland geschickt hat, und nach solchen, die Gauß aus diesem Land erhalten hat. Dank der vorzüglichen Datenbank von Menso Folkerts (http://gauss.gwi.uni-muenchen.de), die alle bekannten Gauß-Briefe umfasst, war es relativ schnell möglich, eine Liste derjenigen Briefe zu erstellen, die für unser Vorhaben in Frage kamen. Gleichzeitig wurde auch klar, nach welchen Dokumenten vor allem in Russland selbst noch gesucht werden musste. Schließlich wurde eine derart umfangreiche Menge neuer Quellen gefunden, dass manche Themen nur knapp erörtert werden konnten. Ausführlichere Darstellungen und einige spezielle Fragestellungen wurden an anderer Stelle veröffentlicht oder harren noch einer Bearbeitung zu einem späteren Zeitpunkt. Im ersten Teil der vorliegenden Publikation wird das Thema „Gauß und Russland“ erörtert. Zunächst geht es dabei um historische Fakten und Hintergründe, deren Darstellung zu einem besseren Verständnis von Gauß’ Beziehungen zu in Russland wirkenden Wissenschaftlern beitragen soll. Das Thema „Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland“ ist besonders ergiebig, erhellt jedoch nur teilweise aus dem Briefwechsel zwischen Gauß und seinen russländischen Kollegen. Deshalb wird hier versucht, über dieses Thema in einem gesonderten Kapitel einen Überblick zu geben. Das Kapitel „Gauß’ Werke in russischer Übersetzung“ soll die Geschichte der Rezeption von Gauß’ Werken in Russland beleuchten, und zwar bis in unsere Gegenwart hinein. Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache wird von Werner Lehfeldt in einem gesonderten Beitrag behandelt. Im zweiten Teil geht es um die Briefwechsel. Es wurden insgesamt 127 Briefe von bzw. an Gauß in deutscher, in französischer und in russischer Spra-

Einleitung

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che ermittelt. Gauß stand mit 17 Korrespondenten in brieflichem Kontakt, die ausschließlich oder zeitweise in Russland gewirkt haben. Nicht alle diese Korrespondenten waren „hauptamtlich“ Wissenschaftler; zwei von ihnen waren Lehrer, einer gehörte als Schachspieler zur Weltspitze, einer wirkte als Privatgelehrter. Diese 17 Briefwechsel werden hier im Einzelnen publiziert, in alphabetischer Reihenfolge der Namen von Gauß’ Korrespondenten. Und zwar wird hier jeder Briefwechsel in seinem gesamten Umfang veröffentlicht. Das bedeutet, dass, wenn einer der Korrespondenten seine Wirkungsstätte gewechselt und Russland verlassen bzw. vor seinem Wechsel nach Russland in Mitteleuropa gelebt hat, auch diejenigen Briefe berücksichtigt werden, die an anderen, nicht in Russland gelegenen Wirkungsstätten verfasst worden sind. Dies ist der Fall bei Martin Bartels, Joseph Johann Littrow und Johann Heinrich Mädler. Die beiden ältesten Korrespondenten von Gauß waren etwa 20 Jahre älter als dieser selbst, so der im Jahre 1755 geborene Nikolaus Fuß sowie der 1758 geborene Friedrich Theodor Schubert. Der jüngste Korrespondent, der 1813 geborene Carl Jaenisch, war 36 Jahre jünger als Gauß. Die hier veröffentlichten Briefe umspannen den Zeitraum von 1799 bis 1855. Die meisten der fraglichen Briefwechsel dürften nicht vollständig erhalten sein, und es ist nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft noch weitere Briefe ans Tageslicht treten werden. Hierfür kommen vor allem Dokumente in Frage, die sich in Privatbesitz befinden, oder Archivalien, die noch nicht erschlossen worden sind. Manche der Briefe sind schon früher publiziert worden, jedoch, wie etwa im Falle von Nikolaus Fuß, an mehreren Stellen. In solchen Fällen wird hier nun erstmals der jeweilige gesamte Briefwechsel präsentiert. Einige Briefe waren bislang nicht im deutschen Original, sondern nur in russischer Übersetzung zugänglich. Nicht berücksichtigt wurden Briefe bzw. Briefwechsel, die zwar russlandspezifischen Themen gewidmet waren, deren Schreiber jedoch nicht in Russland als Wissenschaftler oder in einer anderen Weise tätig waren. Dies gilt insbesondere für die Physiker Christopher Hansteen und Georg Adolf Erman, die mit Gauß korrespondiert haben. Beide Gelehrte unternahmen in den Jahren 1828 bis 1830 eine Expedition durch Russland, insbesondere durch Sibirien, die in ihren Briefen eine wichtige Rolle spielt. Jedoch wirkten sie nicht in Russland, so dass die zwischen Gauß und ihnen gewechselten Briefe in das vorliegende Buch nicht aufgenommen wurden.1 Die hier veröffentlichten Briefwechsel sind unterschiedlich umfangreich. Manchmal ist jeweils nur ein Brief überliefert oder möglicherweise auch nur ein einziger Brief geschrieben worden, so bei Clausen, Lobačevskij, Paucker und Schilling von Canstadt. Die umfangreichsten Briefwechsel sind der mit Adolph Theodor Kupffer geführte, der 27 Briefe umfasst, derjenige mit Nikolaus Fuß – insgesamt 26 Briefe und drei Mitteilungen von Gauß – sowie der1

Die Publikation der Briefwechsel von Gauß mit Hansteen bzw. mit Erman wird von Karin Reich vorbereitet.

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Einleitung

jenige mit Wilhelm Struve, der 23 Briefe umfasst. Diejenigen Städte in Russland, in denen Gauß’ Korrespondenten wirkten, waren Dorpat, Kasan, Mitau, St. Petersburg, Pulkowo und Reval. Jeder der Korrespondenten des großen Gelehrten wird zunächst mit einem tabellarischen curriculum vitae vorgestellt. Es folgt eine Darstellung wichtiger Ereignisse aus dem Leben und dem Wirken des jeweiligen Korrespondenten, soweit diese einen Bezug zu Gauß aufweisen. Es handelt sich also nicht um auf Vollständigkeit bedachte Biographien. Es schließen sich an eine inhaltliche Analyse der Briefe sowie deren Verzeichnis. Um ein besseres Verständnis der Sachverhalte in den jeweiligen Kapiteln zu ermöglichen, wurden Überschneidungen und Wiederholungen in Kauf genommen. Neu bei der Erforschung des Themas „Gauß und Russland“ ist der Umstand, dass bei unserer Arbeit die noch vorhandene Gauß-Bibliothek mitherangezogen wurde. Die in der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen aufbewahrte Gauß-Bibliothek, die auf eine lange und wechselhafte Geschichte zurückblicken kann, umfasst heute etwa 1400 Titel. Sie ist zwar nicht – mehr – vollständig erhalten, aber dennoch vergleichsweise sehr umfangreich (Folkerts 2007). Was Russland anbelangt, so enthält die Gauß-Bibliothek 45 Titel, die unter die Bezeichnung „Rossica“ fallen (Lehfeldt 2011), sowie zahlreiche Werke, die von in Russland wirkenden Wissenschaftlern in anderen Sprachen als dem Russischen publiziert worden sind, ferner etliche in Russland veröffentlichte Zeitschriftenbände. In Gauß’ Leben spielten Bücher stets eine äußerst wichtige Rolle, und so kam in den Briefen, die der Gelehrte mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern gewechselt hat, oftmals der Austausch vorwiegend wissenschaftlicher Literatur zur Sprache. In vielen Fällen konnten die entsprechenden Werke in der Gauß-Bibliothek nachgewiesen werden. Manche von ihnen weisen Besitzvermerke, Eintragungen oder Bemerkungen von Gauß’ Hand oder auch Widmungen der Autoren auf. Auch diese Eintragungen werden hier dokumentiert. Nicht selten hat ein in Russland wirkender Autor Gauß seine Werke zukommen lassen, ohne einen Begleitbrief zu schreiben, indem er Freunden, die nach Göttingen reisten, seine Bücher einfach mitgab. Die Gauß-Bibliothek weist einige solcher Titel auf, die wohl auf diese Weise nach Göttingen gelangt sind. Der hier vorliegende Band soll einen Beitrag dazu leisten, unsere Vorstellungen von Gauß und dessen Werk zu ergänzen, zu vervollständigen, nicht selten auch zu korrigieren. Es besteht kein Zweifel daran, dass die hier vorgestellten Ergebnisse geeignet sind, das Bild von dem großen Gelehrten nachhaltig zu verändern, so dass zukünftige Gauß-Biographen und -Interpreten an dem Thema „Gauß und Russland“ nicht mehr werden vorübergehen können.

Erster Teil: Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

1. Skizze der politischen Verhältnisse in Russland Im Folgenden werden die politischen Verhältnisse in Russland während Gauß’ Lebenszeit vorgestellt. Es geht hier in erster Linie um eine Übersicht, die den historischen Hintergrund beleuchten soll.

1.1. Gebiete und Landesgrenzen Im 18. und im 19. Jahrhundert vergrößerte sich das Territorium Russlands beträchtlich. Im Einzelnen geht es um folgende Gebiete, die unmittelbar in Zusammenhang mit Gauß’ Beziehungen zu Russland stehen: Finnland Der Große Nordische Krieg, geführt von 1700 bis 1721, verhalf Russland zur Großmachtstellung im Ostseeraum. Im Jahre 1710 fiel die Festung Wyborg (schwedisch Viborg) in russische Hand. Nach dem Frieden von Nystad von 1721 konnte Russland sowohl Wyborg als auch einen großen Teil Ostkareliens behalten, der als Altfinnland bezeichnet wurde. Das übrige Finnland verblieb weiterhin unter schwedischer Herrschaft. Der Russisch-Schwedische Krieg von 1741 bis 1743 endete mit dem Frieden von Åbo; dabei fielen auch west- und südfinnische Gebiete an Russland. Aus dem nunmehr zu Russland gehörenden Teil Finnlands wurde 1744 ein selbständiger Verwaltungsbezirk unter der Bezeichnung „Gouvernement Wyborg“ gebildet, der im Jahre 1802 in „Finnländisches Gouvernement“ umbenannt wurde. Schließlich kam im Jahre 1809 auch der restliche Teil von Finnland zu Russland. Der Verlust Finnlands wurde von Schweden im Friedensvertrag von Fredrikshamn anerkannt. Nunmehr stand ganz Finnland unter russischer Herrschaft und wurde als ein autonomes Gebiet innerhalb des Russländischen Imperiums als ein Großfürstentum verwaltet; dazu gehörte auch Wyborg. Mit dem Russländischen Imperium war Finnland vornehmlich durch die Person des Herrschers verknüpft. Der Kaiser von Russland war gleichzeitig Großfürst von Finnland. In St. Petersburg wurde 1809 eine Kommission für Finnländische Angelegenheiten einberufen, die dann 1826 durch das Staatssekretariat für Finnland mit Sitz in St. Petersburg abgelöst wurde. Finnland blieb bis 1917 ein Teil Russlands, behielt aber bei der Verwaltung einen Sonderstatus. Nachdem die Zarenherrschaft in Russland beendet worden war, erklärte das finnische Parlament das Land für unabhängig; dies wurde 1918 von Sowjetrussland anerkannt. Die Hauptstadt des 1809 neugeschaffenen Großfürstentums Finnland war Anfangs Åbo, das aber aus der Sicht des Kaisers Alexander I. zu weit von St. Pe-

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tersburg entfernt war. Im Jahre 1812 wurde daher Helsingfors zur Hauptstadt des Großfürstentums Finnland erhoben, in dem seit 1819 der finnische Senat residierte. Die Königliche Akademie zu Åbo (gegr. 1640), bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts die einzige wissenschaftliche Institution Finnlands, wurde nach dem großen Stadtbrand im September 1827 nach Helsingfors verlegt und 1828 in eine Universität umgewandelt. Unter Nikolaj I. erhielt die Universität zu Ehren des Kaisers Alexander I. den Namen „Kaiserliche AlexanderUniversität“ (Amburger 1966, S. 27, 434–437). Polen Durch die sogenannte Dritte Polnische Teilung im Jahre 1795 erhielt Russland die litauischen und die weißrussischen Teile des Königreichs Polen sowie Kurland, Wolhynien und Podolien. Das Herzogtum Kurland wurde in der Folge als Gouvernement organisiert. Mitau wurde Hauptstadt des Gouvernements Kurland, das das dritte russische Ostseegouvernement bildete: neben dem bereits seit dem Frieden von Nystad (1721) bestehenden Gouvernements Livland und Estland, das 1722 in das Gouvernement Reval umbenannt worden war. Diese drei baltischen Gouvernements wurden autonom verwaltet. Somit stand das Baltikum zur Gänze unter russischer Herrschaft. Nach dem Rückzug der Armee Napoleons im Jahre 1813 besetzten die russischen Truppen das Königreich Polen. Im Wiener Kongress vom 1815 wurde Russland der größte Teil Polens zugesprochen, das sogenannte Kongresspolen, das von dem russischen Kaiser bis zum Polnischen Novemberaufstand 1830 in Personalunion regiert wurde. Zu Kongresspolen gehörte auch ein großer Teil des Herzogtums Warschau. Krakau jedoch, das von 1809 bis 1815 ein Teil des Herzogtums Warschau gewesen war, wurde nach dem Wiener Kongress Freistaat, was es bis 1846 blieb. Kongresspolen erhielt zunächst eine liberale Verfassung. Der Polnische Aufstand von 1830/31 veränderte die Lage; die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt. Polen wurde nunmehr als russische Provinz regiert. Es setzte eine mit Macht vorangetriebene Russifizierung des Landes ein sowie dessen Angleichung an die innere Struktur Russlands. Erst 1916 wurde Polen von den Mittelmächten wieder als Staat errichtet. Die Zweite Polnische Republik erlangte im Jahre 1918 ihre Souveränität zurück. Alexander I. gründete im Jahre 1816 die Königliche Universität Warschau, die nach dem Scheitern des Aufstandes von 1830/31 geschlossen wurde. Im Jahre 1839, im Zuge der Angliederung an Russland, wurde der Lehrbezirk Warschau eingerichtet. Aber erst im Jahre 1869 wurde durch die Umbildung der 1862 in Warschau gegründeten Hauptschule (Szkoła Główna) die Kaiserliche Universität Warschau ins Leben gerufen. Nach der Wiedereröffnung der Universität war die Unterrichtssprache das Russische (Amburger 1966, S. 387– 388, 424–429, 466).

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Kaukasien, Transkaukasien und südosteuropäische Gebiete In der Regierungszeit Katharinas II., die von 1762 bis 1796 währte, drängte die russische Herrschaft mit neuer Kraft nach Süden. Nach dem RussischOsmanischen Krieg von 1768 bis 1774 konnte Russland beträchtliche territoriale Gewinne für sich verbuchen. Unter russische Herrschaft kamen nunmehr die südliche Ukraine, der Nordkaukasus und die Krim. Das Krimchanat wurde 1783 offiziell dem Russländischen Imperium eingegliedert. Russland erhielt auch einen sicheren Zugang zum Schwarzen Meer. Nach der Gründung der Admiralitätsstadt Nikolajew im Küstengebiet des Schwarzen Meeres im Jahre 1789 wurde hier mit dem Aufbau der russischen Schwarzmeerflotte begonnen. Im Jahre 1783, gleichzeitig mit der Einverleibung der Krim, stellte sich Georgien unter russischen Schutz und verzichtete auf eine selbständige Außenpolitik. Nachdem 1801 in einem Manifest die Vereinigung des Landes mit dem Russländischen Imperium verkündet worden war, wurde Georgien eine russische Provinz, das Gouvernement Grusien. In den Folgejahren erkannten auch weitere Fürsten kleinerer Bergvölker in Kaukasien die russische Oberhoheit an. Während des Russisch-Persischen Krieges von 1804 bis 1813 erweiterte Russland sein Territorium bis an die Flüsse Kura und Aras. So wurden um 1806 die Chanate Baku, Kuba und Derbent unterworfen und zu russischen Provinzen umgestaltet. Der Friedensvertrag von Gulistan (1813) machte das Kaspische Meer faktisch zu einem russischen Meer. Auch der Russisch-Osmanische Krieg von 1806 bis 1812 endete mit einem Sieg Russlands. Im Frieden von Bukarest (1812) traten die Osmanen Bessarabien an Russland ab. Der Friedensvertrag wurde von Alexander I. kurz vor dem Beginn von Napoleons Russlandfeldzug unterzeichnet. Aus den territorialen Erwerbungen des Russisch-Persischen Krieges von 1826 bis 1828 entstand das Gebiet Armenien. Die Chanate Eriwan und Nachitschewan kamen zu Russland. Der 1828 wieder ausgebrochene Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und Russland endete 1829 mit dem Frieden von Adrianopel. Russland gewann weitere Teile von Armenien und Gebiete im Donaudelta. Eine endgültige Unterwerfung Kaukasiens und einen sicheren Schutz der erworbenen Gebiete konnte Russland jedoch zunächst nicht erreichen. Unter Berücksichtigung dieser Lage wurde 1833 in St. Petersburg ein Komitee zur Neuordnung der Verhältnisse in Kaukasien gebildet. Russlands Eroberung des Kaukasus ging in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur schrittweise voran und war erst 1859 abgeschlossen. Das Kaukasusgebiet behielt aber noch bis 1865 eine administrative Sonderstellung. Nach dem verlorenen Krimkrieg, der von 1853 bis 1856 gedauert hatte, musste Russland Gebietsverluste in Bessarabien und im Donaudelta hinnehmen. Russlands Vormachtstellung am Schwarzen Meer wurde eingedämmt; es durfte dort keine Kriegsflotte mehr stationieren und musste darüber hinaus die

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freie Donauschifffahrt garantieren (Amburger 1966, S. 412–424). Als besonders schlimm wurde jedoch der Prestigeverlust angesehen. Sibirischer Trakt Viele russische Siedlungen und Städte in Sibirien entstanden im 17. und im 18. Jahrhundert. Der Aufbau einer Landverbindung zwischen dem europäischen Teil Russlands und Sibirien, des sogenannten Sibirischen Traktes,1 begann 1689 mit einem Zarenerlass (Kationov 2004). Vollendet wurde der Weg erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Dabei entstand eine Heer- und Handelsstraße, die quer durch Sibirien führte. Sie verlief von Moskau über Kasan, Perm, Jekaterinburg, Tjumen, Tobolsk, Tomsk, Jenissejsk nach Irkutsk. Von da aus führte ein nordöstlicher Zweig zur Lena; ein südöstlicher führte über Nertschinsk nach Kjachta an der chinesischen Grenze und weiter nach China bzw. nach Peking. Anfang des 19. Jahrhunderts nahm der Verlauf des Traktes ab Tjumen eine südliche Richtung; man konnte nun von Tjumen über Omsk, Tomsk und Kranojarsk nach Irkutsk fahren. Entlang dem Trakt entstanden mehrere Siedlungen, wo sich Reisende versorgen konnten. Die Strecke war aber im Frühjahr, nach der Schneeschmelze und dem Auftauen des Bodens, kaum passierbar. Die Orte, die auf dem Sibirischen Trakt liegen, wurden auch von wissenschaftlichen Expeditionen angesteuert und als Beobachtungsorte benutzt. So finden sich in mehreren Berichten von Expeditionen nach Sibirien immer wieder dieselben Orte. Noch von Peter I. wurde ein Friedensvertrag zwischen Russland und China ausgehandelt, der sogenannte Vertrag von Kjachta, der in den Jahren 1727/28 abgeschlossen wurde. In dem Abkommen wurde der Verlauf der Grenze zwischen Russland und China festgelegt, jedoch ohne Rücksichtnahme auf die dort ansässigen Völkerstämme. West- und südmongolische Gebiete wurden dem Chinesischen Reich eingegliedert. Der Vertrag von Kjachta regelte auch den Grenzhandel. Russland wurde darüber hinaus eine Präsenz der Russischen Geistlichen Mission gestattet. Es handelte sich um eine begrenzte Zahl von Priestern und von Novizen2 im griechisch-orthodoxen Kloster in Peking.3 Nach langer Pause, um die diplomatischen und wirtschaftlichen Verbindungen mit China zu verbessern, machte sich im Frühjahr 1805 eine große russische Gesandtschaft nach Peking auf den Weg. Das war die erste Gesandt1 2 3

Dieser Weg wird auch als Moskauer Trakt oder Irkutsker Trakt bezeichnet. Man hielt sich in der Russischen Geistlichen Mission auf auch zum Erlernen der chinesischen Sprache. Zur Ablösung der Russischen Geistlichen Mission in Peking, die nach mehreren Erlassen von Peter I. von 1700 bis 1710 zu Stande gekommen war, wurde etwa alle zehn Jahre eine Gefolgschaft von neuen Priestern und Novizen nach Peking gesandt. Die ersten Geistlichen Missionen waren 1712/13 und 1727/29 nach Peking entsandt worden. Die letztere hatte aus drei Pfarrern und sechs Schülern bestanden, die die chinesische Sprache erlernen sollten.

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schaft des 1801 gekrönten Kaisers Alexander I. an den chinesischen Kaiserhof. Sie wurde allerdings 1806 in Urga, der Residenz des Unterkönigs der Mongolei, zur Umkehr gezwungen, ohne ihr Ziel erreicht zu haben (Klaproth 1809).

1.2. Russland unter Alexander I. und unter Nikolaj I. Alexander I. Der russische Kaiser4 Alexander I., geboren im selben Jahr wie Gauß, bestieg den Thron, nachdem sein Vater Pavel I. im Jahre 1801 umgebracht worden war. Alexander war der Lieblingsenkel der Kaiserin Katharina II. gewesen und hatte eine ausgezeichnete Erziehung und Ausbildung erhalten. In seinen jungen Jahren galt er als liberal und hegte zahlreiche Reformpläne. Von besonderer Bedeutung war die Neugestaltung des russischen Bildungssystems gleich nach seinem Regierungsantritt. Alexander I. gründete Universitäten und gewährte ihnen eine gewisse Lehrfreiheit und das Recht auf Selbstverwaltung, das aber nur auf dem Papier blieb. Alexander I. übernahm die Regierung in einer Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und manchen anderen europäischen Ländern. Während Russland in den Jahren 1801 bis 1804 eine Neutralitätspolitik hatte verfolgen können, schloss es sich dann mit Österreich, Großbritannien, Schweden und dem Königreich Neapel zur sogenannten dritten antifranzösischen Koalition zusammen. Im Jahre 1805 kam es zum Krieg, der in der Schlacht von Austerlitz am 2. Dezember 1805 zu einer schweren Niederlage der vereinigten russischen und österreichischen Armeen führte. Von 1806 bis 1807 bestand die vierte antifranzösische Koalition, gebildet von Russland und Preußen. Alexander I. hatte bereits 1802 mit König Friedrich Wilhelm III. von Preußen anlässlich einer Zusammenkunft in Memel einen Freundschaftsbund geschlossen, dem beide bis an ihr Lebensende treubleiben sollten. Vor der Schlacht von Austerlitz besuchte Alexander I. Berlin. Der Paradeplatz, auf dem ihn am 25. Oktober 1805 Friedrich Wilhelm III. empfangen hatte, wurde zu Ehren dieses Besuches in Alexanderplatz umbenannt. Um Alexander I. für ein Bündnis mit Preußen zu gewinnen, reiste im Januar 1806 Herzog Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel nach St. Petersburg. Diese Reise des damals bereits siebzigjährigen Herzogs im kalten Winter sollte ein gutes Einvernehmen zwischen Russland und Preußen

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Der Zarentitel wurde im Russischen Reich seit der Krönung des Großfürsten Ivan Vasil’evič (Ivan IV./I. der Schreckliche) im Jahre 1547 bis 1721 verwendet. Peter I. nahm 1721 den Kaisertitel an, jedoch blieb auch der Zarentitel in der vollständigen Herrschertitulatur erhalten (Imperator und Selbstherrscher aller Russen – Zar zu Moskau, Kiew, Wladimir, Nowgorod, Kasan und Astrachan). Im folgenden Text werden die russischen Herrscher als Kaiser bezeichnet.

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vorbereiten.5 Der Herzog war bereits im Jahre 1803 zum ersten Mal in diplomatischer Mission nach St. Petersburg entsandt worden, um ein freundliches Verhältnis zwischen Russland und Preußen herzustellen. Die Koalition wurde später um Großbritannien und Schweden erweitert; auch das Kurfürstentum Sachsen und das Herzogtum Sachsen-Weimar schlossen sich Preußen an. Der Krieg, den allein Preußen erklärt hatte, führte zu der schweren Niederlage Preußens in der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806. Kurze Zeit später, am 27. Oktober 1806, hielt Napoleon Einzug in Berlin. Nach weiteren Schlachten wurde am 7. Juli 1807 in Tilsit zwischen Alexander I. und Napoleon der Frieden unterzeichnet, in dem ein Bündnis Russlands mit Napoleon gegen Großbritannien beschlossen wurde. Dieses Bündnis sollte bis 1811/12 Bestand haben. Ein weiterer Krieg ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Am 23. Juni 1812 überschritt die französische Armee die Memel, die die Grenze des Herzogtums Warschau zu Russland bildete. Dies bedeutete eine Kriegserklärung an Russland, da diese Grenze im Frieden von Tilsit festgelegt worden war. Mit Napoleons Feldzug brach in Russland der Vaterländische Krieg aus, der mit einem glänzenden Sieg Russlands endete und schließlich zur endgültigen Niederlage Napoleons führte. Am 31. März 1814 nahmen die Verbündeten, darunter auch Russland, Paris ein. Alexander I. war einer der Hauptgewinner des darauffolgenden Wiener Kongresses (1814 bis 1815). Er wurde als Bezwinger Napoleons, als Retter Europas und als Befreier von Paris bejubelt. Kein russischer Herrscher, weder vorher noch nachher, konnte in Europa eine so überragende Stellung einnehmen wie Alexander I. im Jahre 1815. In der Folgezeit machte Alexander I. eine Wandlung durch und gab seinen Liberalismus mehr und mehr auf. Nach dem Wiener Kongress spielte er in Europa keine herausragende Rolle mehr. Die letzten Regierungsjahre Alexanders I. führten zu Resignation und Enttäuschung in der russischen Gesellschaft. Alexander I. starb unerwartet am 19. November/1. Dezember 1825 auf einer Reise in der südrussischen Hafenstadt Taganrog am Asowschen Meer. Die Mutter Alexanders I. war die Zarin Marija Fëdorovna, geborene Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg. Im Jahre 1793 heiratete der zukünftige Kaiser Alexander I. Prinzessin Luise von Baden, die nach ihrem Übertritt zum orthodoxen Glauben den Namen Elizaveta Alekseevna trug.

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Bei seiner diplomatischen Mission Anfang 1806 in St. Petersburg wurde der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel „mehrfach auf den jungen geistreichen Astronomen angeredet [...], um in Gauss’ Berufung an die dortige Akademie zu willigen“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 35–36). Der Herzog lehnte jedoch alle Angebote entschieden ab.

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Nikolaj I. Da Alexander I. keinen Thronerben hinterlassen hatte, folgte ihm nach dem Thronverzicht seines Bruders, des Großfürsten Konstantin Pavlovič,6 sein jüngerer Bruder Nikolaj Pavlovič. Nikolaj I. war seit 1817 mit der preußischen Prinzessin Friederike Luise Charlotte Wilhelmine – nach ihrem Übertritt zum orthodoxen Glauben Aleksandra Fëdorovna – verheiratet und somit Schwiegersohn von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Nikolaj I. galt als unkompliziert, unromantisch, mit einem praktischen Verstand versehen, als sehr fleißig und gewissenhaft. Am Tage seiner Thronbesteigung, dem 14./26. Dezember 1825, kam es in St. Petersburg zu einem Aufstand russischer adeliger Offiziere, dem sogenannten Dekabristenaufstand, den Nikolaj I. blutig niederschlagen ließ. Dieser Aufstand prägte die Regierung des Zaren in besonderem Maße. Nikolaj I. galt als Gendarm Europas, er richtete in Russland eine geheime Staatspolizei ein, verschärfte die Zensur und suchte das Geistesleben zu knebeln. Man spricht daher vom „Nikolaitischen System“. Während der Regierungszeit Nikolajs I. bildete sich in den gebildeten, adeligen Kreisen allmählich eine Schicht von Menschen, die die Autokratie und deren Methoden ablehnten, die Abschaffung der Leibeigenschaft, Meinungs- und Geistesfreiheit anstrebten. Diese Bewegung, die bisweilen revolutionäre Ziele verfolgte, trug entscheidend zum glanzvollen Kulturaufschwung Russlands im 19. Jahrhundert bei. Ihren Reihen entstammten die herausragenden Vertreter der russischen Dichtung und Literatur. Im Jahre 1853 brach der Krimkrieg aus, den das Osmanische Reich, Frankreich und Großbritannien gemeinsam gegen Russland führten. Dieser Krieg sollte weitreichende Folgen für Russland haben. Noch während des Krimkrieges starb unerwartet der 58-jährige Nikolaj I. am 18. Februar/2. März 1855 in St. Petersburg.7 Mit ihm endete eine Ära; er hatte das Land fast 30 Jahre lang regiert. Im September 1855 fiel Sewastopol, die Hafenstadt der russischen Schwarzmeerflotte, und damit war der Krimkrieg für Russland praktisch verloren. Offiziell endete er 1856 mit dem Frieden von Paris. Der nächste Kaiser von Russland wurde Alexander II., der älteste Sohn von Nikolaj I. Im Jahre 1861 hob er die Leibeigenschaft in Russland auf. Alexander II. verkaufte 1867 die einzige russische Überseekolonie Alaska,8 die wegen der großen Entfernung von der Hauptstadt angeblich nur schwierig zu verwalten war, an die Vereinigten Staaten, um nach dem verlorenen Krimkrieg die Staatskasse wieder aufzufüllen.

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Der Großfürst Konstantin Pavlovič lebte in Warschau und war Vizekönig von Kongresspolen. Wegen seiner nicht standesgemäßen Heirat mit einer polnischen Gräfin willigte er noch zu Lebzeiten Alexanders I. in seinen Verzicht auf die Thronfolge. Gauß verstarb am 23. Februar 1855 in Göttingen. Auf Alaska war 1799 durch Ukas des Kaisers Pavel I. die Russisch-Amerikanische Handelskompanie gegründet worden.

2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß Im Zuge der Bildungsreformen sowie der Realisierung des Programms für die Einrichtung von Fachministerien wurde im Jahre 1802 unter Alexander I. das Ministerium für Volksaufklärung ins Leben gerufen. Bei der Namenswahl des Ministeriums hatte man sich an den Terminus „Aufklärung“ – „ɩɪɨɫɜɟɳɟɧɢɟ“ – angelehnt. Dieses neugeschaffene Ministerium war eine zentrale Behörde, der sämtliche Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen im Lande unterstanden, d.h. Schulen, Gymnasien, Universitäten, Bibliotheken, die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und viele weitere Institutionen. Der Minister für Volksaufklärung spielte daher nicht nur eine entscheidende Rolle in der Bildungspolitik, sondern ihm oblag auch jedwede Art von Wissenschaftsförderung. In der Zeit von 1817 bis 1824 wurden sowohl die Volksbildung als auch alle geistliche Angelegenheiten in einem Ministerium verwaltet, dem Ministerium für geistliche Angelegenheiten und für Volksaufklärung. Zu Gauß’ Lebzeiten waren folgende Minister im Amt (Amburger 1966, S. 24, 188–191): 1802–1810 1810–1816

1816–1824 1824–1828 1828–1833 1833–1849

1849–1853

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Graf Pëtr Vasil’evič Zavadovskij; Graf Aleksej Kirillovič Razumovskij. Er war 1808 zum Ehrenmitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gewählt worden. Gauß hatte den Ernennungsvorschlag mitunterschrieben;1 Fürst Aleksandr Nikolaevič Golicyn; Aleksandr Semënovič Šiškov; Fürst Carl von Lieven; Sergej Semënovič Uvarov, Graf seit 1846. Uvarov hatte von 1818 bis 1855 auch das Amt des Präsidenten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg inne. Er war damit für lange Zeit der mächtigste Mann in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Uvarov war 1811 Korrespondierendes und 1820 Auswärtiges Mitglied der Klasse für alte Literatur und Kunst der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen geworden;2 Fürst Platon Alekseevič Širinskij-Šichmatov;

Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Pers. 15/23-24 = Pers. 247. Krahnke 2001, S. 245.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

1853–1858

Avraam Sergeevič Norov; er setzte sich für die Vergabe von Stipendien für einen Auslandaufenthalt ein.

2.1. Die Universitäten in Russland 2.1.1. Die Lehrbezirke Im 18. Jahrhundert verfügte Russland nur über eine einzige Universität, nämlich die 1755 unter der Regierung der Kaiserin Elizaveta I. gegründete Universität Moskau3 mit drei Fakultäten, einer Philosophischen, einer Medizinischen und einer Juristischen (Istorija Moskovskogo universiteta 1955). Nach Moskau wurden auch Professoren aus dem Ausland berufen; in den ersten hundert Jahren des Bestehens der Universität waren etwa 25% der Dozenten Deutsche (Stieda 1930; Petrov 1997). Die unter Alexander I. durchgeführte Bildungsreform brachte es mit sich, dass Russland 1803 in sechs Lehrbezirke aufgeteilt wurde. In jedem Lehrbezirk sollte eine Universität vorhanden sein. Infolgedessen wurden neue Universitäten gegründet, hier in chronologischer Reihenfolge: Dorpat (1802), Wilna (1803), Kasan (1804) und Charkow (1804). Für jeden Lehrbezirk wurde ein Kurator ernannt. Die Lehrbezirke nannte man später Universitätsbezirke, nur in der russischen Hauptstadt St. Petersburg, die zunächst keine Universität besaß, blieb die Bezeichnung Lehrbezirk erhalten. In St. Petersburg wurde indes 1804 das Pädagogische Institut gegründet, das nach 1816 Pädagogisches Hauptinstitut hieß. Im Jahre 1819 wurde in St. Petersburg durch Umbildung des Pädagogischen Hauptinstituts eine Universität mit drei Fakultäten gebildet, einer Philosophisch-Juristischen, einer Physikalisch-Mathematischen und einer Historisch-Philologischen Fakultät. Das Pädagogische Hauptinstitut blieb daneben weiterhin bestehen. Alexander I. gründete im Jahre 1816 auch in Warschau eine Universität, die Königliche Warschauer Universität, die aber 1831 wieder geschlossen wurde. Unter Nikolaj I. wurde im Jahre 1830 ein neuer Lehrbezirk, der Lehrbezirk Odessa, gebildet, wobei dieser zunächst über keine Universität verfügte. Dort war das Richelieu-Lyzeum (gegr. 1817) die oberste Bildungsinstitution.4 Im Jahre 1832 kam noch der Lehrbezirk Kiew hinzu; dieser erhielt 1833 eine neue Universität, die Universität des Heiligen Vladimir. Der Lehrbezirk Wilna wurde 1832 bei der Schließung der dortigen Universität aufgelöst, jedoch im Jahre 1850 wiederhergestellt, allerdings ohne eine Universität. Im Jahre 1839 3

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Die 1724/25 bei der Gründung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg mitgegründete Universität und das Gymnasium waren keine selbständigen Institutionen. Das Richelieu-Lyzeum wurde 1864 in eine Universität umgewandelt.

2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß

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wurden noch der Lehrbezirk Warschau und 1848 der Lehrbezirk Kaukasien geschaffen. Beide Regionen verfügten zunächst über keine Universität. Die Schlüsselinformationen zum russischen Bildungssystem, zu den Lehrbezirken und den Universitäten finden sich bei Erik Amburger (Amburger 1966, S. 187–199, 465–466). Im Zusammenhang mit Gauß waren die Universitäten in Dorpat und in Kasan von besonderer Bedeutung, deshalb sollen diese hier ausführlicher vorgestellt werden.

2.1.2. Die Universität Dorpat Die Stadt Dorpat liegt am Embach, der den Peipussee und den Wirzsee miteinander verbindet. Im Verlauf ihrer Geschichte wechselte die Stadt mehrfach den Namen. Sie wurde auch als Jur’ev bekannt, heute heißt sie Tartu und liegt in Estland. Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges kamen große Teile des südlichen Ostseegebiets unter schwedische Herrschaft. Der schwedische König Gustav II. Adolf gründete 1632 in Dorpat die „Academia Gustaviana“, die jedoch nur bis 1656 Bestand haben sollte. Im Jahre 1690 wurde sie als „Academia Carolina“ unter dem schwedischen König Karl XI. wiedereröffnet. Nachdem dessen Nachfolger Karl XII. 1709 in der Schlacht von Poltawa von dem russischen Zaren Peter I. besiegt worden war, wollte man die „Academia Carolina“ zunächst nach Pernau verlegen. Aber im Jahre 1710 war die schwedische Zeit im Baltikum unwiderruflich zu Ende, und die „Academia Carolina“ wurde aufgelöst (Donnert 2007). Livland und Estland kamen zu Russland, und die Stadt Dorpat hieß nun auf russisch Derpt. Unter Katharina II. wurde im Jahre 1795 im Zuge der Dritten Polnischen Teilung auch Kurland dem Russländischen Imperium einverleibt. Eine Erlaubnis zur Neugründung einer Hochschule im Baltikum erteilte dann der Kaiser Pavel I. Als Standort waren zunächst Mitau und Dorpat im Gespräch, schließlich entschied man sich für Dorpat. Die Gründung der Universität Dorpat erfolgte aber erst unter Alexander I. im Jahre 1802. Die Universität wurde am 26. Mai/7. Juni 1802 eröffnet (Amburger 1966, S. 465). Sie entwickelte sich zu einem Zentrum von Kultur und Wissenschaft im Ostseeraum, sie war für den Lehrbezirk Dorpat zuständig, zu dem die russischen Ostseeprovinzen und später auch ein Teil des Großfürstentums Finnlands gehörten (ebenda, S. 194–195). Die Universität Dorpat war zwar eine russische Universität, sie genoss aber lange Zeit eine bemerkenswerte Sonderstellung: als Unterrichtssprachen waren dort vorwiegend Deutsch und Latein festgelegt. Außerdem war sie die einzige russische Universität, die eine Theologische Fakultät besaß. Die Universität Dorpat umfasste vier Fakultäten, nämlich die Fakultät für Evangelisch-Lutherische Theologie, die Fakultät für Medizin, diejenige für Jura und die für Philosophie. Die Philosophische Fakultät wurde 1850 in eine Historisch-Philologische und eine Physikalisch-Mathematische geteilt (Amburger 1966, S. 466; Donnert 2007, S. 32).

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Der erste Kurator des Lehrbezirks Dorpat war von 1803 bis 1817 der deutsche Dichter und Dramatiker Friedrich Maximilian Klinger. Graf Carl von Lieven (Fürst ab 1826) nahm dieses Amt von 1817 bis 1828 wahr (Amburger 1966, S. 195). Der Physiker Georg Friedrich Parrot wurde bereits vor der offiziellen Gründung der Universität Dorpat als Rektor vorgesehen, der dieses Amt dann auch im Jahre 1802 übernahm. Parrot hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Alexander I. und konnte seinen Einfluss dahingehend wirksam machen, dass die Universität Sonderrechte eingeräumt erhielt. Das betraf vor allem die ansonsten in Russland nicht übliche akademische Freiheit. So unterstand die Universität einem Conseil (Senat), der den Rektor wählte, die Professoren berief und die Vorlesungspläne festlegte (Donnert 2007, S. 36). Diese Sonderrechte wurden bereits unter Nikolaj I. nicht mehr in vollem Umfange gewährt, insbesondere als Sergej Semënovič Uvarov im Jahre 1833 Minister für Volksaufklärung wurde. Er wollte erreichen, dass für alle russischen Universitäten dieselben Rechte und Regeln gelten sollten. Ab 1867 ging man noch weiter, indem nunmehr eine Russifizierungwelle einsetzte. Es wurde nämlich per Gesetz beschlossen, dass bei sämtlichen Geschäftsführungen in Russland die russische Sprache gebraucht werden sollte. Obwohl eine Übergangszeit vorgesehen wurde, veranlasste dieser Sprachzwang die meisten deutschen Professoren, die Universität zu verlassen (Donnert 2007, S. 52, 58–57). Die Unterrichtssprache wurde mehr und mehr das Russische, aber auch auf deutsch wurde noch unterrichtet. Nach 1889 wurde die deutsche Unterrichtssprache nur noch für die Theologische Fakultät genehmigt. Von Anfang an war der Dorpater Universität eine vorzügliche Universitätsbibliothek angegliedert, die über wertvolle Altbestände verfügte (Garber 2007). Für lange Zeit waren in Dorpat Professoren tätig, die aus dem deutschen Sprachraum bzw. aus dem deutschsprachigen Baltikum stammten. Obwohl es zunächst in Dorpat noch keine Sternwarte gab, berief man gleich in der Gründungsphase im Jahre 1802 einen Astronomen, Ernst Christoph Friedrich Knorre, zum Außerordentlichen Professor. Man maß der Astronomie große Bedeutung bei, denn die Professur für Mathematik umfasste nicht nur die Reine und die Angewandte Mathematik, sondern auch die Astronomie. Es war der erste Inhaber dieser Ordentliche Professur, der 1804 berufene Johann Wilhelm Andreas Pfaff, der den Bau einer Sternwarte massiv vorantrieb. Als diese im Jahre 1810 fertiggestellt war, hatte Pfaff bereits eine neue Stelle in Nürnberg übernommen, an die er ein Jahr davor berufen worden war. Der Astronom Knorre starb noch in demselben Jahr 1810. Als Nachfolger von Pfaff in Dorpat wurde Carl Friedrich Gauß ins Auge gefasst, der seit 1807 in Göttingen wirkte. Gauß nahm jedoch den Ruf nicht an. Einer der Gründe für die Ablehnung des Rufes war, dass Gauß es als eine allzu belastende Aufgabe ansah, sowohl über Mathematik als auch über Astronomie Vorlesungen zu halten.5 Schließlich wurde Johann Sigismund Gottfried 5

Brief von Gauß an Georg Friedrich Parrot vom 20.8.1809, Brief Nr. 1.

2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß

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Huth berufen, der vorher an der Universität in Charkow gewirkt hatte. Huth betreute zwei herausragende Doktoranden: 1813 wurden bei ihm Magnus Georg Paucker und Wilhelm Struve promoviert. Während Paucker eine Lehrerstelle am „Gymnasium illustre“ in Mitau, das auch über eine Sternwarte verfügte, übernahm, machte Struve in Dorpat Karriere. Er wurde dort bereits 1813 Außerordentlicher und 1820, nachdem Huth 1818 verstorben war, Ordentlicher Professor für Astronomie. Zu diesem Zeitpunkt trennte man die Mathematik und die Astronomie, so dass sich Struve nunmehr voll und ganz der Astronomie widmen konnte. Zum Ordentlichen Professor für Reine und Angewandte Mathematik wurde Gauß’ alter Freund Martin Bartels berufen. Unter Struve erlebte die Sternwarte der Universität Dorpat ein goldenes Zeitalter. Ihre instrumentelle Ausstattung gehörte damals zu den allerbesten in Europa. Von besonderer Bedeutung war der große Fraunhofersche Refraktor, der 1824 von München nach Dorpat geliefert wurde. Mit diesem unternahm Struve seine herausragenden Doppelsternbeobachtungen. So verwundert es nicht, dass aus Struves Schule zahlreiche Astronomen hervorgingen, die über kurz oder lang alle wichtigen Positionen in Russland einnahmen. Genannt seien: Karl Friedrich Knorre, Georg Sabler, Aleksej Nikolaevič Savič, Vasilij Fëdorovič Fëdorov, Ernst Wilhelm Preuss und Struves Sohn Otto (Sokolovskaja 1964a, S. 211–221; Donnert 2007, S. 142–143). Mit vollem Recht behauptet Erich Donnert: „Unter Wilhelm von Struve und seinen Schülern hatten die mathematischen Disziplinen an der Universität Dorpat einen unerhörten wissenschaftlichen Höhenflug zurückgelegt“ (Donnert 2007, S. 143). Als Struve im Jahre 1839 von Dorpat nach Pulkowo gewechselt war, wurde der von Gauß, aber nicht von Struve favorisierte Astronom Johann Heinrich Mädler Struves Nachfolger. Mädler versuchte, das großartige Werk Struves fortzusetzen. Nachfolger von Mädler wurde 1866 Thomas Clausen, den Gauß über längere Zeit tatkräftig unterstützt hatte. In Dorpat studierten ferner Karl Eduard Senff (Promotion 1830)6 und Pëtr Ivanovič Kotel’nikov (Promotion 1832).7 Beide waren Schüler von Struve und Bartels. Während Kotel’nikov nach einem weiterführenden Studium in Berlin von 1833 bis 1835 an die Universität Kasan wechselte, folgte Senff, nachdem Bartels 1836 verstorben war, diesem 1837 als Außerordentlicher Professor nach. Kurz danach, im Jahre 1839, wurde Senff Ordentlicher Professor für Reine und Angewandte Mathematik in Dorpat. Er wirkte dort ferner 1841/42 als Dekan und von 1842 bis 1845 sowie von 1846 bis 1849 als Prorektor. Schließlich wurden im Jahre 1843 in Dorpat auch die Reine und die Angewandte Mathematik getrennt. Während Ferdinand Minding gleich im Jahre 1843 die Professur für Angewandte Mathematik übernahm, wurde Peter Helm6 7

Karl Eduard Senff wurde über das Thema „Theoremata principalia e theoria curvarum et superficierum“ (Senff 1831) promoviert. Kotel’nikov wurde über das Thema „Exponuntur formulae analyticae quibus perturbatio motus gyratorii terrae determinatur“ (Kotel’nikov 1832) promoviert.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

ling erst 1854 als A.o. Professor für Reine Mathematik berufen (Engelhardt 1933, S. 182–187; Donnert 2007, S. 140–155). Minding knüpfte in seinen Vorlesungen sowohl in der Zahlentheorie als auch in der Differentialgeometrie expressis verbis an die Ergebnisse von Gauß an. Mindings bedeutendster Schüler war Karl Michajlovič Peterson, der in seiner 1853 in deutscher Sprache eingereichten Dissertation „Über die Biegung der Flächen“ sensationelle Ergebnisse vorstellte, die leider für fast 100 Jahre unveröffentlicht bleiben sollten (Peterson 1952; Depman 1952; Gray 1980). Was die Physik anbelangt, so war es nicht Georg Friedrich Parrot, der eine bedeutende Schule in Russland gründete, sondern sein Schüler Emil Lenz, der 1820 an der Universität Dorpat sein Studium begonnen hatte. Im Jahre 1826 folgte Georg Friedrich Parrot einem Ruf an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Auch Lenz wurde im Jahre 1834 zum Ordentlichen Akademiemitglied gewählt und wechselte 1835 nach St. Petersburg. Lenz war aber schon seit 1828 als Adjunkt und seit 1830 als Außerordentliches Mitglied mit der Akademie in St. Petersburg verbunden. Als Nachfolger von Georg Friedrich Parrot in Dorpat wurde 1826 dessen jüngerer Sohn Friedrich Parrot berufen, der aber bereits 1841 verstarb. Ihm folgte der Meteorologe Ludwig Friedrich Kämtz, der 1865 Direktor des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg wurde. Die Beziehungen der Universität Dorpat zu St. Petersburg waren demnach wirklich vorzüglich: Zahlreiche Dorpater Gelehrte waren Korrespondierende Mitglieder der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg – so Johann Wilhelm Andreas Pfaff, Martin Bartels, Georg Friedrich Parrot, Friedrich Parrot, Wilhelm Struve, Karl Friedrich Knorre, Emil Lenz, Ludwig Friedrich Kämtz, Thomas Clausen und Ferdinand Minding – oder wurden gar an die Akademie berufen – wie Georg Friedrich Parrot, Emil Lenz und Wilhelm Struve (Modzalevskij 1908). Struve und Kämtz wirkten auch an anderen Einrichtungen in St. Petersburg. Es sei hier auf eine Abhandlung von Ülo Lumiste hingewiesen, in der die Beziehungen der Universität Dorpat zur Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg auf dem Gebiet der Mathematiker ausführlich dargestellt werden (Lumiste 1978). Was das wissenschaftliche Publikationswesen anbelangt, so verfügte die Universität Dorpat über keine rein wissenschaftlich ausgerichteten Zeitschriften. Wilhelm Struve veröffentlichte seine Arbeiten vor allem in deutschen Zeitschriften (Berliner „Astronomisches Jahrbuch“, „Astronomische Nachrichten“) und in Zeitschriften der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg („Bulletin“, „Mémoires“). Die in Dorpat von 1833 bis 1836 erscheinenden „Dorpater Jahrbücher“ sowie das „Archiv für die Naturkunde Liv-, Ehst- und Kurlands“ (9 Bde, von 1854 bis 1882/89) spielten im Hinblick auf Mathematik, Physik und Astronomie kaum eine Rolle. Große Verbreitung fand die Zeitschrift „Das Inland“, deren erster Band im Jahre 1836 erschien; bis 1863 wurden 28 Bände veröffentlicht. Es war dies eine Wochenschrift für das Baltikum, genau gesagt „Eine Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland. Ge-

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schichte, Geographie, Statistik und Literatur“, so der vollständige Titel. Im „Inland“ veröffentlichten sowohl Magnus Georg Paucker, der vor allem in Mitau tätig war, als auch Friedrich Parrot. „Das Inland“ berichtete auch über die neuesten Entwicklungen der Universität Dorpat sowie über deren Personal. Die Ordentlichen Professoren und Dozenten der Fächer Mathematik, Physik und Astronomie an der Universität Dorpat im Überblick8 Zusammenstellung nach Levickij 1902, S. 161–326, 464–468. Name

Hauptfach

Pfaff, J. W. A.

Minding, F.

Reine und Angewandte Mathematik; zusätzlich Astronomie Reine und Angewandte Mathematik; zusätzlich Astronomie Reine und Angewandte Mathematik Reine und Angewandte Mathematik Reine Mathematik Angewandte Mathematik

1843–1849 1843–1883

Helmling, P.

Reine Mathematik

1856–1887

Huth, J. S. G.

Bartels, M. Senff, K. E.

Parrot, G. F.

Theoretische und Experimentelle Physik Parrot, F. Theoretische und Experimentelle Physik Kämtz, L. F. Theoretische und Experimentelle Physik Knorre, E. C. F. Astronomie; zusätzlich Elementarmathematik; Paucker, M. G. Astronomie

8

Ordinarius von–bis 1804–1809

Bemerkungen

1811–1818

1820–1836

tatsächlich ab 1821;

1839–1843

1834–1837 Privatdozent, 1837–1839 A.o. Professor;

1802–1826

1849–1852 zusätzlich Reine und Angewandte Mathematik, 1848–1878 zusätzlich Geodäsie; 1852–1854 Privatdozent, 1854–1856 A.o. Professor; tatsächlich ab 1800;

1826–1841 1841–1865 ȹ ȹ

ab 1802 Adjunkt, 1803–1810 A.o. Professor; 1811–1813 Observator, 1813 Observator und A.o. Professor;

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; es werden vor allem die Ordentlichen Professoren aufgeführt.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Name

Hauptfach

Struve, W.

Astronomie

Ordinarius von–bis 1820–1839

Mädler, J. H. Clausen, T.

Astronomie Astronomie

1840–1865 1865–1872

Bemerkungen 1813–1820 Observator und A.o. Professor; 1842–1865 Observator.

2.1.3. Die Universität Kasan Kasan, die Stadt an der Wolga, wurde im 10. Jahrhundert von Wolga-Bulgaren gegründet und war seit 1438 Hauptstadt eines tatarischen Chanats. Im Jahre 1552 wurde sie von den Truppen des Moskauer Großfürsten und Zaren Ivan IV./I. erobert. Mit der Eroberung Kasans sowie des ganzen Gebiets an der mittleren Wolga stand der Expansion des Russländischen Reiches nach Sibirien nichts mehr im Wege. Das Gebiet von Kasan hatte vorher niemals zum Moskauer Reich gehört, und es war bis dahin nicht von Russen besiedelt gewesen. Mit der Eroberung Kasans wurde auch der Anfang des russischen Vielvölkerstaates gelegt. In den folgenden Jahren unterwarf Ivan IV./I. auch das Gebiet an der unteren Wolga bis nach Astrachan. Die Hauptstadt des Chanats Astrachan wurde 1556 russisch und dem Moskauer Staat einverleibt. Kasan wurde im Jahre 1829 von Alexander von Humboldts Reisebegleiter Gustav Rose wie folgt beschrieben: „Die Stadt liegt in der Nähe der Wolga, an der Südseite der Kasanka und an den Abhängen, die wahrscheinlich früher das alte linke Ufer der Wolga gebildet haben. Bei dem gewöhnlichen Wasserstande der Wolga ist sie wohl noch 6 Werste von dem Strome entfernt, jetzt schien sie aber unmittelbar an ihm zu liegen, da er fast die Vorstädte erreichte. Die höchsten Punkte auf der Nordseite von Kasan nimmt der Kreml oder die Festung ein, die unmittelbar an der Kasanka, welche hier ziemlich steile Ufer hat, gelegen ist. Im Süden und im Westen ist die Festung von der Stadt, und diese wieder von drei Seiten, besonders gegen Süden zu, von den Sloboden oder Vorstädten umgeben. In der Festung sieht man noch viele Ueberreste der Tatarischen Herrschaft, die in Kasan in einem besonderen unabhängigen Chanate drei Jahrhunderte lang geblüht hat, bis sie durch den Grossfürsten Joann Wassiljewitsch9 gestürzt ward, der die Stadt im Jahre 1552 einnahm, sie von Grund aus zerstörte, und eine neue an ihrer Stelle aufbaute. Ein alter Thurm heisst noch die Sunibeka nach der Gemahlin des letzten Tatarischen Chans. Ausserdem befinden sich in der Festung noch eine Menge Kirchen, worunter die Kathedrale mit ihren vielen Thürmen und Kuppeln, wie auch andere von Stein erbaute Kronsgebäude. Die eigentliche Stadt sowie auch die Sloboden haben gerade, breite Strassen, die sich meistens unter rechten Winkeln schneiden, und bestehen grösstentheils aus hölzernen Häusern, die selten mehr als ein 9

Großfürst von Moskau, Ivan Vasil’evič, Ivan IV. der Schreckliche, war der erste gekrönte russische Zar Ivan I., Krönung im Jahre 1547.

2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß

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Stockwerk haben, und häufig mit einem Garten umgeben sind. Auch hier stehen eine Menge Kirchen und Klöster mit Thürmen von oft wunderlicher Bauart, wie die Peter- und Paulskirche, die eine ganz japanische Form hat, und von aussen mit einer Menge Figuren in den grellsten Farben bemalt ist. Aber dieses bunte Gemisch macht denselben freundlichen Anblick, den auch die übrigen grösseren Russischen Städte gewähren, und an welchen wir nun schon seit Moskau gewöhnt waren. Die eigentliche Stadt wird meisten von Russen bewohnt, die Sloboden, die jedoch von der Stadt durch nichts getrennt und unterschieden sind, von Tataren. Diese machen etwa ein Drittheil der ganzen Bevölkerung von Kasan aus, die auf ungefähr 50,000 Einwohner angegeben wird. Sie leben besonders vom Handel, haben aber auch viele Leder- und Seifenfabriken, deren Fabrikate sehr geschätzt und weit verschickt werden“ (Rose 1837, S. 91–93). Seit 1759 verfügte Kasan über ein Gymnasium, das auf Anordnung von Kaiserin Elizaveta I. eröffnet worden war. Es war eine der ersten höheren russischen Lehranstalten und die erste in der Provinz. Das Gymnasium stand bis 1802 unter der Obhut der Universität Moskau und war unmittelbar dem Senat unterstellt (Amburger 1966, S. 187). Im Zuge der von Alexander I. ins Leben gerufenen Bildungsreform wurde am 5./17. November 1804 die Universität Kasan gegründet. Sie war die vierte in Russland und die am weitesten östlich gelegene Universität überhaupt.10 Es war dem Kurator des Bildungsbezirks Kasan, dem Astronomen Stepan Jakovlevič Rumovskij, zu verdanken, dass sich aus ihr eine weltoffene Universität entwickelte. Rumovskij war in Berlin Schüler von Leonhard Euler gewesen. Dank seinen internationalen wissenschaftlichen Beziehungen sowie seiner Stellung als Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg konnte er erreichen, dass Gelehrte aus ganz Europa nach Kasan berufen wurden (Zagoskin 1902: 1, S. 1–212). Zunächst wirkten an der Universität Kasan die Lehrer des dortigen Gymnasiums als Professoren. Rumovskij, dem der Aufbau der Universität anvertraut wurde, veranlasste die Berufung von Kaspar Friedrich Renner, der im Jahre 1808 die Professur für Angewandte Mathematik übernahm, sowie die von Martin Bartels, der 1808 als Ordentlicher Professor für Reine Mathematik in Kasan bestätigt wurde. Im Jahre 1810 kamen noch der gebürtige Schweizer Franz Xaver Bronner als Professor der Physik und der in Böhmen geborene Joseph Johann Littrow als Professor der Astronomie hinzu. Unter Littrow wurde ein Provisorium, eine vorläufige Sternwarte erbaut, die 1814 halbwegs fertiggestellt war. 1816 vertauschte Littrow jedoch Kasan mit Ofen, und Renner verstarb in demselben Jahr. 1817 verließ Bronner Kasan, und schließlich wechselte Bartels 1821 nach Dorpat (Roussanova 2010b).

10 Lange Zeit blieb die Universität Kasan die östlichste Universität in Russland, bis 1878 die Universität Tomsk in Sibirien gegründet wurde.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Die Nachfolger dieser aus dem deutschsprachigen Raum stammenden Professoren waren durchwegs in Russland geboren. So wurde Renner durch den ehemaligen Adjunkten Grigorij Borisovič Nikol’skij ersetzt, der von 1817 bis 1839 die Ordentliche Professur für Angewandte Mathematik bzw. für Theoretische und Angewandte Mechanik bekleidete. Nikol’skij war ferner von 1820 bis 1823 Rektor der Universität. Der Nachfolger von Nikol’skij wurde noch im Jahre 1838, kurz vor dessen Emeritierung, Pëtr Ivanovič Kotel’nikov, der seine Ausbildung an der Universität Dorpat erhalten hatte (Zagoskin 1900, S. 15, 80, 85–86, 165). Die Ordentliche Professur für Reine Mathematik übernahm im Jahre 1822 Bartels’ hervorragender Schüler Nikolaj Ivanovič Lobačevskij, der bereits 1816 Außerordentlicher Professor geworden war. Von 1827 bis 1846 bekleidete Lobačevskij darüber hinaus noch das Amt des Rektors der Universität Kasan. Als er 1846 pensioniert wurde, folgte ihm sein Schüler Aleksandr Fëdorovič Popov in der Professur für Reine Mathematik (ebenda, S. 15, 67, 83, 87, 165). Littrows Nachfolger wurde dessen Schüler Ivan Michajlovič Simonov, der 1816 Außerordentlicher und 1822 Ordentlicher Professor für Astronomie wurde. Simonov wurde ferner 1846 Lobačevskijs Nachfolger im Rektoramt, das er bis 1855 innehatte (ebenda, S. 15, 67, 90, 165). Unter Simonov wurde 1833 in Kasan mit dem Neubau der Sternwarte begonnen, die 1838 fertiggestellt war. Sie wurde mit einem hervorragenden Instrument, nämlich mit einem von Georg und Sigmund Merz am Optischen Institut in München hergestellten Refraktor mit 9 Zoll Öffnung ausgestattet (Ventzke 2004, S. 185). Kasan war bereits in der Vergangenheit des Öfteren von verheerenden Bränden heimgesucht worden, aber der Brand, der im August 1842 ausbrach, war besonders schlimm; sogar die Sternwarte fiel der Feuersbrunst zum Opfer. Es war wiederum Simonov, der den Wiederaufbau der Sternwarte leitete, der dann um 1847/48 abgeschlossen war. Die neue Sternwarte wurde mit einem neuen Instrument ausgestattet, und zwar mit einem Meridiankreis der Firma Repsold in Hamburg.11 Die Physik wurde in Kasan bis 1817 durch Franz Xaver Bronner vertreten. Als dieser nach einem Urlaub in der Schweiz nicht mehr nach Kasan zurückgekehrt war, blieb seine Stelle zunächst unbesetzt. Erst im Jahre 1823 erhielt Adolph Theodor Kupffer einen Ruf als Professor der Physik und der Chemie nach Kasan, wo er bis 1828 blieb. Kupffers Nachfolger war der Berliner Physiker Ernst Knorr, der 1832 auf Grund einer Empfehlung von Alexander von Humboldt berufen wurde. Knorr, der in Kasan die Professur für Physik und Physikalische Geographie erhielt, war 1830 in Berlin promoviert worden (Knorr 1830).12 Nach Knorrs Abgang 1846 nach Kiew vertrat Aleksandr Stepanovič Savel’ev die Stelle bis 1855. Savel’ev hatte an der Universität in 11 Hamburger Staatsarchiv, Bestand 621-1 Repsold, Abtheilung I, Blatt 2. 12 Bemerkenswerterweise befinden sich in der Gauß-Bibliothek zwei Werke von Knorr (Knorr 1835; GB 1229 und Knorr 1841; GB 878)

2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß

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St. Petersburg studiert. Er war einer der vielen Schüler von Emil Lenz, bei dem er 1845 eine Magisterarbeit angefertigt hatte und 1852 promoviert worden war (Zagoskin 1900, S. 69, 78, 81, 89–90, 165). Savel’ev war der erste Physiker in Kasan, der in Russland promoviert worden war. Im Jahre 1852 wurde er mit einem halben Demidov-Preis ausgezeichnet, und zwar für seine Arbeit „Ueber die galvanische Leitungsfähigkeit der Flüssigkeiten“ (Savel’ev 1853). 1855 sollte Savel’ev in Kasan Ordentlicher Professor für Physik werden; da er aber aus formalen Gründen nicht bestätigt wurde, ging er im März 1855 nach Moskau und 1857 nach St. Petersburg.13 Es war ein großes Ereignis, als im Jahre 1829 der weltbekannte Naturforscher Alexander von Humboldt auf seiner Russlandreise auch Kasan einen Besuch abstattete, wobei der damalige Kurator der Universität, Michail Nikolaevič Musin-Puškin, und der Rektor der Universität, Nikolaj Ivanovič Lobačevskij, die Gäste empfingen. Humboldts Begleiter Gustav Rose wusste zu berichten: „Wir wurden nun in dem Universitätsgebäude und in den darin aufgestellten Sammlungen herumgeführt. Die Auditorien sind alle gross und schön; besonders ausgezeichnet ist das Senatszimmer, ein grosser Saal, in welchen das Licht von oben hineinfällt. Unter den Sammlungen ist vor allen der physikalische Apparat zu erwähnen, der mehrere vortreffliche Instrumente enthält, die zum Theil von Prof. Kupffer, der früher hier wohnte, ehe er die Stelle als Akademiker in Petersburg annahm, in Paris gekauft sind. Auch die zoologischen und mineralogischen Sammlungen enthalten viele vortreffliche Stücke“ (Rose 1837, S. 91). Humboldt selbst beschrieb seine Eindrücke von dem Aufenthalt in Kasan in einem Brief an den russischen Finanzminister Georg von Cancrin vom 27. Mai/8. Juni 1829: „die Gesellschaft von H[errn] Semenoff [sic, Simonoff], dem überaus gelehrten Astronomen, den ich schon in Paris hatte schäzen gelernt, die freundliche Aufnahme des sehr gebildeten Curators, H[errn] v. Puschkin, haben unsern Aufenthalt in dieser pittoresken Stadt sehr interessant gemacht“ (Briefwechsel Humboldt–Cancrin 1869, S. 67). Für die Entfaltung der Universität Kasan war der Einsatz der Kuratoren ausschlaggebend. Die Bemühungen des ersten Kurators, Stepan Jakovlevič Rumovskijs, wurden bereits erwähnt. Ihm war es zu verdanken, dass die Universität auf der Grundlage von internationaler Kooperation und Weltoffenheit organisiert wurde. Jedoch konnte die Universität unter der Ägide von Rumovskij, die von 1803 bis 1812 währte, noch nicht vollständig gemäß den Gründungsstatuten ausgebaut werden. Dies geschah erst im Jahre 1814 während der Kuratorenschaft von Michail Aleksandrovič Saltykov. Die Universität hatte statutengemäß vier Abteilungen: eine Moralisch-Politische, eine PhysikalischMathematische, eine Medizinische und eine Philologische Abteilung. Die weitere Entwicklung der Universität in den Jahren von 1819 bis 1826 bestimmte 13 Savel’ev war es, der im Jahre 1858 einen sehr ausführlichen Nachruf auf Gauß in russischer Sprache verfasste (Savel’ev 1858).

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

der Kurator Michail Leont’evič Magnickij. Es war dies eine umstrittene Periode in der Geschichte der Universität, die damals nur knapp einer Schließung entging. Magnickijs Nachfolger wurde Michail Nikolaevič Musin-Puškin. Während der 18 Jahren seiner Amtszeit als Kurator, von 1827 bis 1845, verstand er es, die Wissenschaften zu fördern. Er pflegte auch gute persönliche Beziehungen zu dem Rektor Nikolaj Ivanovič Lobačevskij. Während der Kuratorenschaft von Musin-Puškin wurden im Jahre 1835 die neuen Statuten der Universität angenommen. Diese bestand nunmehr aus drei Fakultäten: der Philosophischen, der Juristischen und der Medizinischen. Von großer Bedeutung für die Universität Kasan war es, dass dort schon früh eine eigene, russischsprachige wissenschaftliche Zeitschrift gegründet wurde. Von 1821 bis 1832 wurde von der Universität der „Kazanskij věstnik“14 (Kasaner Bote) herausgegeben und ab 1834 die „Učenyja zapiski“15 (Gelehrte Schriften), die bis heute existieren (siehe S. 480–483). Zwischen der Universität Kasan und der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gab es durchaus Beziehungen. Beilspielsweise waren Littrow, Simonov und Popov Korrespondierende Mitglieder der Akademie (Modzalevskij 1908). Kupffer wechselte 1828 von Kasan direkt an die Akademie nach St. Petersburg. Die Ordentlichen Professoren und Dozenten der Fächer Mathematik, Physik und Astronomie an der Universität Kasan im Überblick16 Zusammenstellung nach Zagoskin 1900 Name

Hauptfach

Ordinarius von–bis

Bemerkungen

Bartels, M. Lobačevskij, N. I.

Reine Mathematik Reine Mathematik

1808–1820 1822–1846

Popov, A. F. Renner, K. F.

Reine Mathematik Angewandte Mathematik Angewandte Mathematik

1849–1866 1808–1816

1816 zusätzlich Astronomie; 1814–1816 Adjunkt, 1816–1822 A.o. Professor, 1823–1826 zusätzlich Astronomie, 1825–1828 zusätzlich Angewandte Mathematik; 1846–1849 A.o. Professor;

Nikol’skij, G. B.

1817–1839

1811–1814 Adjunkt, 1814–1817 A.o. Professor;

14 Originaltitel: „Ʉɚɡɚɧɫɤiɣ ɜ࣎ɫɬɧɢɤɴ“. 15 Originaltitel: „ɍɱɟɧɵɹ ɡɚɩɢɫɤɢ, ɢɡɞɚɜɚɟɦɵɹ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɢɦɴ Ʉɚɡɚɧɫɤɢɦɴ ɭɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɨɦɴ“. 16 Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; es werden vor allem die Ordentlichen Professoren vorgestellt.

2. Die Wissenschaften in Russland in der Zeit von Gauß Name

Hauptfach

Kotel’nikov, P. I.

Angewandte Mathematik

Bronner, F. X.

Theoretische und Experimentelle Physik Physik

Kupffer, A. T.

Knorr, E.

Savel’ev, A. S.

Littrow, J. J. Simonov, I. M.

Physik und Physikalische Geographie Physik und Physikalische Geographie Astronomie Astronomie

Ordinarius von–bis 1838–1879

Bemerkungen 1835–1837 Dozent, 1837–1838 A.o. Professor;

1810–1817

formell bis 1820, ab 1815 zusätzlich Mineralogie;

1823–1828

tatsächlich ab 1824, bis 1825 zusätzlich Chemie und Mineralogie; tatsächlich ab 1833;

1832–1846

1854–185517

1810–1816 1822–1855

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1846–1852 Adjunkt, 1852–1854 A.o. Professor;

1814–1816 Adjunkt, 1816–1822 A.o. Professor.

2.1.4. Die Universitäten Moskau, Charkow, Wilna, St. Petersburg und Kiew im Zusammenhang mit Gauß Moskau Die Universität Moskau spielte im Zusammenhang mit Gauß eine relativ geringe Rolle. Keiner von Gauß’ Briefpartnern lebte in Moskau. Gauß’ Studienfreund aus der Zeit am Collegium Carolinum in Braunschweig, Geb. Fr. Jul. Eiche,18 wirkte zwar in Moskau, aber nicht an der Universität, sondern an einem Privatinstitut. Später gründete er in Moskau eine eigene Schule. Ein weiterer Studienfreund von Gauß, Johann Joseph Anton Ide, der seit 1796 ebenso wie Gauß an der Universität Göttingen Mathematik studiert hatte, wurde im Jahre 1803 Professor für Mathematik an der Universität Moskau. Ide starb allerdings bereits 1806 an der Schwindsucht (vgl. Biografičeskij slovar’ 1855). Die Moskauer Universität bekam im Jahre 1804 eine Professur für Astronomie sowie eine Sternwarte auf dem Dach des Universitätsgebäudes. Den Ruf nach Moskau erhielt dank einer Empfehlung des Berliner Astronomen Johann Elert Bode der in Leipzig wirkende Astronom Christian Friedrich Goldbach. Ein Jahr zuvor hatte Bode seinen Schüler Vincent Wishniewsky an die Akademie in St. Petersburg vermittelt. Mit den in Moskau vorgefundenen 17 Die Wahl zum Ordentlichen Professor wurde nicht bestätigt. 18 Der vollständige Name ist unbekannt.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Instrumenten unternahm Goldbach zahlreiche Ortsbestimmungen. Er soll als erster am 10./22. Januar 1805 die geographischen Koordinaten von Moskau bestimmt haben (55° 45ƍ 33Ǝ,1; später korrigiert zu 55° 45ƍ 31Ǝ). Darüber hinaus bestimmte er für Moskau die Deklination der Magnetnadel als 5° 24ƍ und hielt 1805 in der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft einen Vortrag über die Variationen der Magnetnadel in Moskau sowie über die Herstellung einer magnetischen Karte Russlands. Goldbach wartete jedoch vergebens auf die ihm bei der Berufung versprochene neue Sternwarte und starb bereits 1811. Beim großen Brand im September 1812 während der Besetzung Moskaus durch Napoleons Truppen wurde auch die dort vorhandene Sternwarte zerstört (ADB: 9, S. 331; Petrov 1997, S. 101–102; Schwemin 2006, S. 66). Nach Goldbach war die Astronomie in Moskau kaum noch vertreten. Erst im Jahre 1826 begann Dmitrij Matveevič Perevoščikov seine Tätigkeit als Professor für Astronomie an der Universität Moskau; zuvor war er dort Dozent für Mathematik gewesen. Er war aus der Universität Kasan hervorgegangen und pflegte auch weiterhin enge Kontakte zu seinen Kasaner Kollegen, darunter Simonov und Lobačevskij. In den Jahren 1830/31 wurde die neue Sternwarte auf den Drei Hügeln am Presnensker Stadttor am Ufer der Moskva errichtet, wobei die Sternwarten in Dorpat und in Königsberg als Vorbild dienten (Lawrynowicz 1995, S. 124). Perevoščikov unterrichtete in Moskau auch Angewandte Mathematik, Analytische Geometrie und Physik. Er war Verfasser des ersten Lehrbuchs für Astronomie in russischer Sprache, der „Anleitung zur Astronomie“ (1826), sowie der „Grundlagen der Astronomie“ (1842), wofür er 1832 und 1843 mit jeweils einem halben Demidov-Preis ausgezeichnet wurde (Mezenin 1997, S. 189, 191). Ebenso widmete sich Perevoščikov mit großem Interesse der Erforschung des Erdmagnetismus. Dieses Thema schlug sich in seinen von 1826 bis 1830 veröffentlichten Arbeiten nieder (Korytnikov 1955b, S. 298–300). Prevoščikov übersetzte auch Auszüge aus dem Werk von Christopher Hansteen „Untersuchungen über den Magnetismus der Erde“ (Hansteen 1819) ins Russische. Perevoščikov selbst unterhielt wahrscheinlich keine direkten Kontakte mit Gauß; bisher jedenfalls haben sich solche Kontakte nicht nachweisen lassen. Perevoščikov war aber mit Alexander von Humboldt persönlich bekannt, mit dem er bei dessen Aufenthalt in Moskau im Jahre 1829 die Durchführung von synchronen barometrischen Messungen sowie Wetterbeobachtungen vereinbart hatte (Briefwechsel Humboldt–Russland 1962, S. 73, 126–127). Auch in der folgenden Zeit verlor Perevoščikov nicht den Kontakt zu Humboldt. So wurden zum Beispiel im Jahre 1837 seine Antworten auf die Fragen von Humboldt im „Bulletin de la Société des Naturalistes de Moscou“ veröffentlicht.19 Perevoščikov knüpfte in

19 Die Antworten von Perevoščikov auf die Fragen von A. v. Humboldt, die dieser über Gotthelf Fischer von Waldheim am 20.1.1837 erhalten hatte (Bulletin de la Société des Naturalistes de Moscou 1837, Nr. 4, S. 27–32). Der Biologe Fischer von Waldheim

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seinen wissenschaftlichen Arbeiten unmittelbar an Gauß an. So publizierte er zum Beispiel 1853 eine Abhandlung über eine Methode für die Berechnung der Elemente von Planetenbahnen nach Gauß: „Gaussov sposob vyčisljat’ ėlementy planet“20 (Perevoščikov 1853). Ferner war Perevoščikov Lehrer des Astronomen Drašusov, der schließlich sein Nachfolger in Moskau wurde und im Zusammenhang mit Gauß insbesondere genannt werden muss (Korytnikov 1955b, S. 318–319). Aleksandr Nikolaevič Drašusov absolvierte sein Studium an der Universität Moskau. Von 1837 bis 1839 unternahm er eine zweieinhalbjährige Weiterbildungsreise ins Ausland. 1839 stattete er Gauß in Göttingen einen Besuch ab, erstellte dort zwei erdmagnetische Karten und versorgte Gauß mit russischer Literatur. Im Vorwort zum „Atlas des Erdmagnetismus“ schrieb Gauß im Mai 1840: „Auch muss die gefällige Beihülfe der Herren Draschussof und Heine21 dankbar erwähnt werden, die einen Theil der für die Karten VII und VIII nöthigen Rechnungen22 übernommen haben“ (Gauß/Weber 1840, S. IV). Auch in einem Brief an Heinrich Christian Schumacher vom 2. April 1839 schrieb Gauß, dass sich Drašusov „eine ziemlich lange Zeit“ in Göttingen aufgehalten und sich „sehr fleißig, besonders unter Webers’ Leitung, mit magnetischen Beobachtungen beschäftigt“ habe (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 226–227). Besonders hervorzuheben ist, dass Drašusov Gauß’ bahnbrechende Abhandlung „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ ins Russische übersetzte, welche Übersetzung im Jahre 1836 in drei Heften der „Gelehrten Schriften der Kaiserlichen Moskauer Universität“ – „Učenyja zapiski Imperatorskago Moskovskago Universiteta“23 – für Januar, Februar und März erschien (Gauß 1836b; Roussanova 2011b). Möglicherweise war es Perevoščikov, der Drašusov den Auftrag erteilt hatte, diese Übersetzung anzufertigen. Perevoščikov nämlich war einer der Herausgeber der 1833 gegründeten „Gelehrten Schriften“ (Korytnikov 1955b, S. 300–301). Charkow Die Universität Charkow wurde offiziell am 5./17. November 1804 gegründet, an demselben Tag wie die Universität Kasan (Amburger 1966, S. 466). Auch dorthin wurden deutsche Wissenschaftler als Dozenten und Professoren berufen (Osipov/Bagaleja 1908). Im Zusammenhang mit Gauß ist Johann Sigismund Gottfried Huth zu nennen, der 1808 in Charkow Professor für

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war Professor an der Universität Moskau. Er hatte im Jahre 1805 die Gesellschaft der Naturforscher in Moskau ins Leben gerufen. Originaltitel: „Ƚɚɭɫɫɨɜɴ ɫɩɨɫɨɛɴ ɜɵɱɢɫɥɹɬɶ ɷɥɟɦɟɧɬɵ ɩɥɚɧɟɬɴ“. Heinrich Eduard Heine war Gauß’ Student in Göttingen. Karte VII: „Karte für die Linien gleicher westlicher Intensität nach Mercator’s Projection“ sowie Karte VIII: „Karte für die Linien gleicher westlicher Intensität nach stereographischer Projection“. Originaltitel: „ɍɱɟɧɵɹ ɡɚɩɢɫɤɢ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ɇɨɫɤɨɜɫɤɚɝɨ ɭɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ“.

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Reine Mathematik wurde, bevor er 1811 nach Dorpat wechselte. Huth und Gauß standen schon in Briefkontakt, bevor Huth nach Charkow berufen wurde.24 Auch Joseph Johann Littrow hatte bereits einen Ruf nach Charkow in der Tasche, als er einen Ruf nach Wien erhielt, den er dann bevorzugte und annahm. Ferner darf Ferdinand Karl Schweikart, einer der Entdecker der nichteuklidischen Geometrie, nicht unerwähnt bleiben. Schweikart, der ein herausragender Jurist war, hatte von 1812 bis 1816 eine Professur in Charkow inne. Dort kamen ihm die entscheidenden, die Geometrie revolutionierenden Gedanken. 1816 kehrte Schweikart nach Deutschland zurück und übernahm eine Professur in Marburg, wo er Kollege von Gauß’ Freund Christian Ludwig Gerling wurde. Diesem berichtete er von seinen Ideen. Gerling veranlasste Schweikart im Januar 1819, eine entsprechende Notiz an Gauß zu senden, in der Schweikart seine neuartigen Gedanken vorstellte (Briefwechsel Gauß– Gerling 1927, S. 190–191, S. 670). Als bedeutende Wissenschaftler, die an der Universität Charkow studiert hatten, gelten die Mathematiker Michail Vasil’evič Ostrogradskij und Pëtr Ivanovič Kotel’nikov. Von den Angehörigen der Universität Charkow gingen Initiativen aus, eine Reihe von Zeitschriften: die Charkower Wochenzeitung „Char’kovskij eženeděl’nik“25 (1812), den „Ukrainischen Boten“ – „Ukrainskij věstnik“26 (von 1816 bis 1819) und die Ukrainische Zeitschrift „Ukrainskij žurnal“27 (von 1824 bis 1825) herauszugeben. Dies waren aber keine speziell wissenschaftlichen Publikationsorgane. Wilna In Wilna war bereits 1578 von dem polnischen König eine „Alma Academia et Universitas Vilnensis Societatis Iesu“ mit einer Philosophischen und einer Theologischen Fakultät gegründet worden. Diese Universität des Jesuitenordens war die erste Universität im Baltikum und blieb lange Zeit die östlichste Universität in Europa. Es bedeutete einen großen Einschnitt, als 1773 der Jesuitenorden aufgelöst wurde; die Lehranstalt wurde daraufhin umgestaltet. Im Jahre 1795 fiel Litauen und damit auch Wilna durch die Dritte Polnische Teilung an Russland, was abermals Auswirkungen auf die Universität hatte. Aus dieser ging im Jahre 1803 unter der Regentschaft Alexanders I. die Kaiserliche Universität Wilna hervor (bestätigt am 4./16. April 1803), die aber nur bis 1832 existieren sollte. Die bereits 1753 in Wilna errichtete Sternwarte war von der Schließung der Universität nicht betroffen; sie blieb bestehen und unterstand ab 1832 der 24 25 26 27

SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Huth. Originaltitel: „ɏɚɪɶɤɨɜɫɤiɣ ɟɠɟɧɟɞ࣎ɥɶɧɢɤɴ“. Originaltitel: „ɍɤɪɚɢɧɫɤiɣ ɜ࣎ɫɬɧɢɤɴ“. Originaltitel: „ɍɤɪɚɢɧɫɤiɣ ɠɭɪɧɚɥɴ“.

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Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg (Amburger 1966, S. 190). An ihr wirkten als Direktoren Jan Baptist Sniadecki (von 1807 bis 1824), Georg Fuß (von 1848 bis 1854), ein jüngerer Bruder des Ständigen Sekretärs der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Paul Heinrich Fuß, und Georg Sabler (von 1854 bis 1865), der vorher in Pulkowo tätig gewesen war (ebenda, S. 476). Mit diesen Direktoren der Wilnaer Sternwarte stand Gauß nur indirekt in Kontakt. St. Petersburg Die 1819 gegründete Universität St. Petersburg war aus dem Pädagogischen Hauptinstitut hervorgegangen. Sie galt zunächst als spezialisierte Lehranstalt mittleren Niveaus, für die es sich nicht lohne, ausländische Professoren anzuwerben (Hempel 1999, S. 78). An ihr hielten aber manche Mitglieder der Akademie der Wissenschaften Vorlesungen, so zum Beispiel Adolph Theodor Kupffer. Darüber hinaus stand zum Zeitpunkt der Gründung der Universität in St. Petersburg bereits eine Generation russischer Professoren zur Verfügung. In den Jahren 1821/22 wurde an der Universität ein Physikalisches Kabinett eingerichtet (ebenda, S. 90–92). Als Professor für Physik an der Universität St. Petersburg war seit Ende 1835 Emil Lenz tätig. Es war St. Petersburg, wo Lenz eine Physikschule aufbauen konnte, aus der viele bedeutende russische Physiker hervorgingen, darunter Michail Fëdorovič Spasskij und Aleksandr Stepanovič Savel’ev. Lenz’ Enfluß wurde in Russland hoch geschätzt: „Diese Physikerschule (Physikrichtung) bestimmte fast das ganze 19. Jahrhundert (hindurch) den Charakter der Physikentwicklung in Petersburg und partiell in ganz Rußland“ (zit. nach Hempel 1999, S. 164). Direkte Kontakte zwischen Gauß und Lenz gab es offensichtlich nicht, aber natürlich spielte Lenz in seiner Zeit eine nicht unbedeutende Rolle. Kiew Nachdem im Jahre 1832 die Universität Wilna geschlossen worden war, wurde kurze Zeit später die Universität Kiew ins Leben gerufen. Sie wurde am 8./20. November 1833 als Universität des Heiligen Vladimir gegründet und am 15./27. Juli 1834 eröffnet (Amburger 1966, S. 466). Im Zusammenhang mit Gauß spielte die Universität in Kiew keine besondere Rolle. Es soll aber festgehalten werden, dass Carl Heinrich Kupffer, der ältere Bruder von Adolph Theodor Kupffer und einer der Korrespondenten von Gauß, einen Ruf als Mathematikprofessor an die Universität Kiew erhielt, den er aber nicht mehr annehmen konnte, weil er kurz danach verstarb.

2.1.5. Gauß’ Beziehungen zu Polen und zu Finnland Die Universität Warschau existierte von 1816 bis 1830/31. Ebenso wie die Universität Wilna wurde sie auf Grund des Polnischen Aufstandes geschlossen.

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Im Jahre 1830 hatte Alexander von Humboldt Warschau und insbesondere der dortigen Universität sowie der Sternwarte einen Besuch abgestattet (Zielnica 2004, S. 41–78). Soweit bekannt, unterhielt Gauß keine direkten Kontakte mit an der Universität Warschau wirkenden Wissenschaftlern. Ganz anders verhielt es sich in Bezug auf Finnland. Die 1640 in Åbo gegründete Akademie war die erste wissenschaftliche Institution in Finnland. Aus der Akademie in Åbo ist der bekannte Mathematiker und Astronom Anders Johan Lexell hervorgegangen. Im Jahre 1769 wurde er Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und wirkte dort bis zu seinem Lebensende 1784. Als im Jahre 1809 Finnland zu Russland kam, blieb Åbo zunächst die Hauptstadt, und die Akademie blieb bestehen. Im Jahre 1819 wurde dort das Gebäude der Sternwarte fertiggestellt. Zu bemerken ist, dass die Åboer Sternwarte als Vorbild für die um 1823 in Planung begriffene Sternwarte in Wien diente.28 Henrik Johan Walbeck war seit 1816 an der Universität Åbo Dozent für Mathematik und ab 1817 Observator an der dortigen Sternwarte. Sein Name war unter Astronomen gut bekannt, hatte er sich doch intensiv mit der Abplattung der Erde beschäftigt, einem Thema, dem sich auch Gauß gewidmet hatte. Nachdem Walbeck 1822 aus dem Leben geschieden war, wurde Friedrich Wilhelm August Argelander sein Nachfolger in Åbo. Vorgeschlagen worden war Argelander von seinem Königsberger Lehrer Friedrich Wilhelm Bessel. Im September 1827 brach in Åbo ein verheerender Stadtbrand aus, der auch die Universität betraf. Daraufhin wurde die Universität im Jahre 1828 nach Helsingfors verlegt, das schon seit 1812 die neue Hauptstadt des Großfürstentums Finnland war. An dem neuen Universitätsstandort Helsingfors wurde Argelander 1828 Professor für Astronomie. Deswegen sollte auch die Sternwarte, obwohl sie vom Brand kaum betroffen war, von Åbo nach Helsingfors verlegt werden. Bei der Errichtung der Sternwarte in Helsingfors ergaben sich aus ungünstigen Bodenverhältnissen Schwierigkeiten, so dass sie erst um 1834 in Betrieb genommen werden konnte. Argelander stand mit Gauß in brieflichem Kontakt.29 Der vorhandene Briefwechsel zwischen Gauß und Argelander betrifft allerdings erst die Zeit, in der Argelander schon nicht mehr in Helsingfors wirkte, sondern an der Universität Bonn, wohin er 1835/37 berufen worden war. Johan Jakob Nervander hatte noch in Åbo studiert. Aber er wurde im Jahre 1829 dann schon in Helsingfors über das Thema „In doctrinam electromagnetismi momenta“ (Nervander 1829) promoviert. Nervander war in Finnland der erste Physiker, der sein Interesse auf den Elektromagnetismus lenkte. Im Jahre 1834 besuchte er Gauß und Weber in Göttingen. In der Folgezeit beschäftigte er sich intensiv mit dem Erdmagnetismus und pflegte besonders 28 Brief von Littrow an Gauß vom 1.12.1823, Brief Nr. 7. 29 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Argelander, drei Briefe aus der Zeit von 1846 bis 1853 sowie Gauß, Briefe B: Argelander, ein Brief vom 16.2.1838.

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gute Kontakte zu Adolph Theodor Kupffer in St. Petersburg, der sich seinerseits in besonderem Maße für die Erforschung des Erdmagnetismus engagierte. Im Jahre 1838 wurde in Helsingfors ein Magnetisches Observatorium gegründet, dessen erster Direktor Nervander wurde. Kurze Zeit danach, im Jahre 1842, wurde er Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Physik und 1845 Professor der Physik an der Universität in Helsingfors. Nervanders Nachfolger als Direktor des Magnetischen Observatoriums wurde im Jahre 1848 Henrik Gustaf Borenius.

2.2. Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und weitere wissenschaftliche Einrichtungen Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Nach dem Großen Nordischen Krieg konnte Peter I. seine Pläne verwirklichen und ließ in der neugegründeten Stadt St. Petersburg eine Akademie der Wissenschaften einrichten. Die Finanzierung der Akademie wurde zunächst durch Zoll- und Lizenzeinnahmen aus vier Handelsstädten im Ostseeraum – Narwa, Dorpat, Pernau und Arensburg – gesichert, was in der Gründungsordnung dokumentiert wurde. Der Senat verabschiedete am 28. Dezember 1724/9. Januar 1725 einen Erlass zur Gründung einer „Akademie der Wissenschaften und Künste“. Als akademische Institutionen wurden gleichzeitig ein akademisches Gymnasium und eine akademische Universität mit drei Fakultäten, der Juristischen, der Medizinischen und der Philosophischen, mitgegründet. Auch die Kunstkammer, eine Bibliothek und ein Observatorium wurden der Akademie zur Verfügung gestellt. Dieser Einrichtung der Wissenschaft und Bildung in Russland war von Anfang an ein ausgeprägt internationaler Charakter eigen. Die Akademie wurde am 27. Dezember 1725/8. Januar 1726 feierlich eröffnet. Da Peter I. zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben war, geschah dies in Gegenwart seiner Gemahlin und Nachfolgerin, der Kaiserin Katharina I. Seit 1741 wurde die Akademie als „Kaiserliche Akademie der Wissenschaften“ bezeichnet. Ab diesem Zeitpunkt fanden stets am 27. Dezember die Jahresfeiern der Akademie statt. Katharina II. verlegte diese im Jahre 1776 allerdings auf den 29. Dezember, wobei es dann auch blieb.30 Die Akademie genoss seit ihrer Gründung die Schirmherrschaft des Kaisers bzw. der Kaiserin. An der Spitze der Akademie stand ein Präsident. Zu Gauß’ Lebzeiten waren folgende Präsidenten im Amt: 30 Siehe: Recueil des actes de la séance solennelle de l’Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg revenue à l’occasion de sa fête séculaire le 29 Décembre (1826) 1827, S. 1. Die hier genannten Daten sind alten Stils, d.h. nach dem Julianischen Kalender. Manche Berufungen wurden in St. Petersburg am 29. Dezember des angegebenen Jahres verkündigt. Im 19. Jahrhundert war das nach dem Gregorianischen Kalender bereits der 10. Januar des folgenden Jahres.

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ƕ 1746 bis 1798 Graf Kirill Grigor’evič Razumovskij, ƕ 1798 bis 1803 Ludwig Heinrich Freiherr von Nicolai, ƕ 1803 bis 1810 Nikolaj Nikolaevič Novosil’cev,31 ƕ 1818 bis 1855 Sergej Semënovič Uvarov. Im Jahre 1800 wurde das Amt eines Vizepräsidenten eingerichtet, das jedoch nicht kontinuierlich besetzt war. Der erste Vizepräsident der Akademie wurde Stepan Jakovlevič Rumovskij. Dieser hatte das Amt von 1800 bis 1803 inne, danach wurde er zum Kurator des Lehrbezirks Kasan berufen (Amburger 1966, S. 473–475). Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg war die bedeutendste Wissenschaftsinstitution in Russland; sie unterstand letztlich unmittelbar dem Kaiser. Von besonderer Bedeutung war das Amt des wissenschaftlichen Schriftführers, des Ständigen Sekretärs, das seit 1800 so genannt wurde. Im 18. Jahrhundert hatte der Inhaber dieses Amtes Konferenzsekretär geheißen. Die tatsächliche Verwaltung der Akademie lag praktisch in den Händen des Ständigen Sekretärs. Von 1769 bis 1800 bekleidete dieses Amt Johann Albrecht Euler, ein Sohn Leonhard Eulers, von 1800 bis 1825 Eulers Mitarbeiter Nikolaus Fuß und von 1825 bis 1855 Eulers Urenkel Paul Heinrich Fuß. Beide, sowohl Nikolaus wie auch Paul Heinrich Fuß, standen mit Gauß in regem Briefkontakt, was für Gauß von allergrößter Bedeutung war. Von Gauß’ Korrespondenten in Russland waren außer Nikolaus Fuß und Paul Heinrich Fuß folgende Personen Mitglieder der Akademie: Friedrich Theodor Schubert (1785/89), Georg Friedrich Parrot (1811/26), Joseph Johann Littrow (1813), Friedrich Parrot (1816), Wilhelm Struve (1822/26/ 32/61), Magnus Georg Paucker (1822), Martin Bartels (1826), Adolph Theodor Kupffer (1826/28/41), Paul Schilling von Canstadt (1827), Ivan Michajlovič Simonov (1829) und Thomas Clausen (1856). Das bedeutet, dass von Gauß’ 17 in Russland wirkenden Korrespondenten 13 Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg waren. Lediglich Carl Jaenisch, Carl Heinrich Kupffer, Nikolaj Ivanovič Lobačevskij und Johann Heinrich Mädler wurde diese Ehre nicht zuteil. Im Jahre 1783 wurde in St. Petersburg nach dem Vorbild der Académie française die Kaiserliche Russländische Akademie gestiftet, der die Pflege der russischen Sprache und der russischen Literatur oblag. Sie hatte so berühmte Mitglieder wie Aleksandr Sergeevič Puškin und Ivan Andrejevič Krylov. Auch der Schriftsteller Aleksandr Ivanovič Michajlovskij-Danilevskij war Mitglied dieser Institution. Im Jahre 1841 wurde die Russländische Akademie mit der Akademie der Wissenschaften vereinigt. Danach bestanden in der Akademie drei Abteilungen: die Abteilung für Physik und Mathematik, die Abteilung für historische Wissenschaften und Philologie sowie die Abteilung für russische Sprache und Literatur (Amburger 1966, S. 473).

31 Von 1810 bis 1818 hatte die Akademie keinen Präsidenten.

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Was die Struktur, die Entwicklung, die Angelegenheiten der Akademie anbelangt, so sei hier auf die einschlägige Literatur verwiesen, in der die Geschichte der Akademie im Detail dargestellt wird (Pekarskij 1870/73; Ostrovitjaninov 1958/64; Komkov/Levšin/Semenov 1974/77; Osipov 2000–2007). Weitere Institutionen der Wissenschaft und Bildung in St. Petersburg Im Folgenden werden kurz die Institutionen in St. Petersburg vorgestellt, die bei der weiteren Darstellung eine Rolle spielen. Bereits im 18. Jahrhundert wurden folgende zwei wichtige Einrichtungen ins Leben gerufen. Das Seekadettenkorps32 wurde 1752 als Adliges Seekadettenkorps gegründet. Von 1827 bis 1842 war Adam Johann Krusenstern Leiter dieser Anstalt. Dort unterrichteten Mathematik Nikolaus Fuß und Michail Vasil’evič Ostrogradskij. Emil Lenz unterrichtete Physik für die Offiziersklassen. Das Seekadettenkorps verfügte im 19. Jahrhundert auch über ein Physikalisches Kabinett (Amburger 1966, S. 500–501; Hempel 1999, S. 92–93). Die Bergschule wurde im Jahre 1773 gegründet. Ab 1804 hieß diese Einrichtung Bergkorps bzw. Bergkadettenkorps, ab 1833 Berginstitut und ab 1834 Institut des Korps der Bergingenieure33 mit rein militärischer Organisation (Amburger 1966, S. 471, 489–491). In letzterem war ein Magnetisches Observatorium eingerichtet worden, in dem Adolph Theodor Kupffer seine magnetischen Versuche und Beobachtungen durchführte, bevor ihm dafür das im Jahre 1849 gegründete Physikalische Hauptobservatorium zur Verfügung stand. Die Bergingenieure wurden militärisch organisiert im Korps der Bergingenieure, dessen Hauptdirigent der jeweilige Finanzminister war. Das Korps erhielt 1834 einen eigenen Stab. Der erste Stabschef war von 1834 bis 1845 General Konstantin Vladimirovič Čevkin. Erst im Jahre 1867 wurde das Korps der Bergingenieure in eine zivile Institution umgewandelt (ebenda, S. 233– 235). In der Regierungszeit von Alexander I. wurde in der russischen Haupstadt unter seiner Ägide zunächst keine Universität, sondern im Jahre 1804 ein Spezialinstitut für die Ausbildung von Lehrern für die höheren Schulen, das Pädagogische Institut, gegründet, das 1816 in Pädagogisches Hauptinstitut umbenannt wurde. Nachdem es 1819 zur Universität umgewandelt worden war, wurde 1828 ein neues Pädagogisches Hauptinstitut eingerichtet; es existierte bis 1858 (Amburger 1966, S. 472, 486). An diesem Institut unterrichteten auch manche Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, z.B. Adolph Theodor Kupffer und Michail Vasil’evič Ostrogradskij. Ferner sei hier das 1809 ins Leben gerufene Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege34 in St. Petersburg genannt, das von 1842 bis 1864 den Charakter einer geschlossenen militärischen Lehranstalt hatte (ebenda, 32 Ɇɨɪɫɤɨɣ ɤɚɞɟɬɫɤɢɣ ɤɨɪɩɭɫ. 33 ɂɧɫɬɢɬɭɬ ɤɨɪɩɭɫɚ ɝɨɪɧɵɯ ɢɧɠɟɧɟɪɨɜ. 34 ɂɧɫɬɢɬɭɬ ɤɨɪɩɭɫɚ ɢɧɠɟɧɟɪɨɜ ɩɭɬɟɣ ɫɨɨɛɳɟɧɢɹ.

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S. 495). An dieser Institution unterrichteten ebenfalls A. T. Kupffer und M. V. Ostrogradskij. Am Rande sei noch erwähnt, dass im Jahre 1820/21 in Nikolajew – von 1789 bis 1898 der Admiralitätsstadt der russischen Schwarzmeerflotte – ein Astronomisches Marineobservatorium gegründet wurde. Dies geschah dank der Initiative des Admirals Aleksej Samuilovič Grejg (Greigh), der von 1816 bis 1833 Oberkommandeur der Schwarzmeerflotte und der Häfen Nikolajew und Sewastopol war (Amburger 1966, S. 365). Unter Berücksichtigung dieser Gründung wurde Grejg im Jahre 1822 zum Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Der erste Direktor des Marineobservatoriums in Nikolajew war ein Schüler von Wilhelm Struve in Dorpat, Karl Friedrich Knorre, der von seinem Lehrer nach Nikolajew empfohlen worden war. Knorre wurde 1821 nach Nikolajew berufen und leitete das Observatorium über 40 Jahre lang. Im Jahre 1912 wurde das Marineobservatorium in Nikolajew eine Abteilung des Astronomischen Hauptobservatoriums in Pulkowo. Auch unter Nikolaj I. wurden in St. Petersburg zahlreiche wissenschaftliche Institutionen neu eingerichtet, z.B. das Technologische Institut (1828), die Kriegsakademie (1830), das Institut der Zivilingeniere (1841). Im Zusammenhang mit Gauß ist das seit 1834 geplante und am 7./19. August 1839 eröffnete Astronomische Hauptobservatorium35 in Pulkowo bei St. Petersburg von besonderer Bedeutung. Die Initiative zur Gründung dieses Observatoriums war Wilhelm Struve zu verdanken. Dieser fungierte auch als erster Direktor; das Amt hatte er offiziell von 1834 bis 1862 inne (Amburger 1966, S. 475–476; vgl. Ichsanova 1995). Gauß’ Freund Heinrich Christian Schumacher, der dieser Sternwarte im September 1840 einen Besuch abgestattet hatte, bezeichnete sie als „eines der schönsten wissenschaftlichen Institute“ (Schumacher 1841b, S. 1). Sie war aber nicht nur eine der schönsten, sondern vor allem eine der besten, vielleicht sogar die am besten ausgestattete Sternwarte zu ihrer Zeit. Die Sternwarte schmückten die Portraits von bekannten Astronomen, Mathematikern und Instrumentenherstellern, darunter ein von Struve in Auftrag gegebenes Gauß-Portrait, das Christian Albrecht Jensen in Göttingen ausgeführt hatte (Reich 2003a, S. 376–377; Wittmann/Oreshina 2009). Das im Jahre 1849 ins Leben gerufene Physikalische Hauptobservatorium36 war bereits zwanzig Jahre vorher, im Jahre 1829, von Alexander von Humboldt und Adolph Theodor Kupffer geplant worden (siehe S. 101–103, 373). Im Jahre 1849 wurde es schließlich eingeweiht, und Kupffer wurde zu seinem ersten Direktor berufen. Es war dies eine sehr opulent ausgestattete Forschungseinrichtung, die für mehrere physikalische Disziplinen gedacht war, wobei aber der Erdmagnetismus und die Meteorologie besonders gepflegt wer35 Ƚɥɚɜɧɚɹ ɚɫɬɪɨɧɨɦɢɱɟɫɤɚɹ ɨɛɫɟɪɜɚɬɨɪɢɹ. Das Astronomische Hauptobservatorium erhielt im Jahre 1855 zu Ehren von Kaiser Nikolaj I. die Bezeichnung NikolajObservatorium (Amburger 1966, S. 476). 36 Ƚɥɚɜɧɚɹ ɮɢɡɢɱɟɫɤɚɹ ɨɛɫɟɪɜɚɬɨɪɢɹ.

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den sollten. Das Physikalische Hauptobservatorium war zuerst dem Korps der Bergingenieure angegliedert und unmittelbar dem Finanzministerium unterstellt. Dem Physikalischen Hauptobservatorium wurden die magnetischen und meteorologischen Observatorien in Jekaterinburg, Barnaul, Nertschinsk, Lugansk, Bogoslowsk, Slatoust und Peking untergeordnet. Nach Kupffers Tod im Jahre 1865 kamen das Physikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg und das Observatorium in Peking 1866 an das Ministerium für Volksaufklärung. Das Physikalische Hauptobservatorium leitete von 1916 bis 1917 der berühmte Mathematiker und Schiffsbauingenieur Aleksej Nikolaevič Krylov. Schließlich ging hieraus das Geophysikalische Hauptobservatorium hervor. Diesen Namen trägt es seit dem Jahr 1924, und es ist heutzutage in einem anderen Gebäude untergebracht. Ein ähnlichen Zielen gewidmetes Institut, ein Physikalisches Observatorium, wurde im Jahre 1850 auch in Tiflis als Magnetisch-Meteorologisches Observatorium ins Leben gerufen. Ferner wurde 1875 in Pawlowsk bei St. Petersburg ein Magnetisch-Meteorologisches Observatorium gegründet. Der Stifter war Großfürst Konstantin Nikolaevič, ein Sohn von Nikolaj I. Er war außerdem von 1845 bis 1892 der erste Präsident der Russischen Geographischen Gesellschaft (Amburger 1966, S. 476–478).

2.3. Deutschlandreisen von in Russland wirkenden Wissenschaftlern aus dem Umfeld von Gauß Es war im 19. Jahrhundert durchaus üblich und weit verbreitet, dass in Russland wirkende Wissenschaftler Auslandsreisen unternahmen. Ziel dabei war es, Institutionen und Personen einen Besuch abzustatten, die mit eigenen wissenschaftlichen Interessen in Zusammenhang standen. Des Weiteren sollten gelegentlich auch wissenschaftliche Apparate und Instrumente im Ausland besorgt werden. Nicht immer sind die Details dieser Reisen bekannt, und man kennt nicht in jedem Fall alle Orte, die auf der Reiseroute lagen. Bisweilen mögen diese Reisen rein private Unternehmungen gewesen sein, manche aber geschahen im Auftrag der russischen Regierung, die auch die Kosten übernahm. Für einige Reisende war dabei ein Besuch bei Gauß in Göttingen ein oder das Ziel der Reise. Hierfür einige Beispiele. Karl Friedrich Knorre: 1825 Der Astronom Karl Friedrich Knorre unternahm in den Jahren von 1824 bis 1827 eine Forschungsreise, und zwar in der Absicht, die führenden Sternwarten persönlich kennenzulernen. Der in Dorpat 1801 geborene Knorre hatte in seiner Geburtsstadt Theologie und Mathematik bzw. Astronomie studiert, wobei Wilhelm Struve sein wichtigster Lehrer gewesen war. Dank einer Empfehlung Struves wurde Knorre im Jahre 1821, im Alter von erst 20 Jahren,

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Direktor des neugegründeten Astronomischen Marineobservatoriums in Nikolajew. Auf Knorres Reiseroute lag auch Göttingen. Wilhelm Struve teilte Gauß in einem Brief vom 12./24. Juni 1825 mit: „Überbringer dieses ist Herr Knorre, Astronom in Nicolajef am schwarzen Meere, mein ehemaliger Schüler. Er wird auf einer wissenschafftlichen Reise, zur Besichtigung der wichtigsten astr[onomischen] Anstalten Europas natürlich Göttingen besuchen, und ich benutze diese Gelegenheit mich durch diesen mir so wehrten Freund Ihrem freundschafftlichen Andencken zu erneuen. Mit Interesse werden Sie von ihm erfahren, daß die Sternwarte in Nicolajef vollendet und mit Instrumenten des ersten Ranges versehen ist, namentlich schon einen Reichenbachschen Meridiankreis erhalten hat. Unter dem herrlichen Himmel jener Gegend beÿ dem Eifer meines Freundes für sein Fach, bei seinem ausgezeichneten Talente für d[ie] Beobachtung verspricht diese Sternwarte der Wissenschafft nicht gewöhnliches“ (Briefwechsel Gauß–Struve, Brief Nr. 13). In der Gauß-Bibliothek befindet sich Knorres Publikation „Der Ort des Sterns δ Ursae minoris, fuer jeden Tag der Jahre 1823–30 berechnet aus Bessels Tafeln“, die 1824 in Nikolajew erschienen ist (Knorre 1824; GB 1228). Vielleicht hat Knorre Gauß seine Publikation anlässlich seines Besuches persönlich überreicht. Johan Jakob Nervander: 1834 Von dem in Finnland wirkenden Physiker Johan Jakob Nervander ist bekannt, dass er in den Jahren 1832 bis 1836 eine Europareise unternahm, die ihn nach Schweden, Dänemark, Deutschland, Frankreich und Italien führte. Wie zu erwarten, lag auch Göttingen auf seinem Reiseweg. Am 24. April 1834 stattete Nervander dem Physikalischen Kabinett von Wilhelm Weber einen Besuch ab und ließ sich von Gauß und Weber die Einrichtung zum Telegraphieren erläutern.37 Nervander blieb noch länger in Göttingen, er interessierte sich auch für die Sternwarte, den Botanischen Garten und die Sammlungen der Universität (Nervander 1850: 1, S. 138–142). Aleksandr Dmitrievič Ozerskij: 1836 Über die Europareise des in St. Petersburg beheimateten Aleksandr Dmitrievič Ozerskij weiß man Bescheid, weil Adolph Theodor Kupffer ihn in einem Brief vom 16. Februar 1836 seinem in Königsberg wirkenden Kollegen Franz Ernst Neumann vorgestellt hat: „Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen den Überbringer davon, Herrn Osersky, Ingenieuroffizier und Adjutant des Chefs vom Ingenieurstabe, recht herzlich zu empfehlen. Herr Osersky ist im Begriff, eine Reise durch Europa zu machen: Sie werden in ihm einen jungen Mann voll Eifer für die Wissenschaft finden. Ich bitte Sie, ihm die wissenschaftlichen 37 Gauß und Weber hatten einen elektromagnetischen Telegraphen entworfen, der 1833 fertiggestellt worden war. Es konnten Nachrichten zwischen Webers Physikalischem Kabinett und Gauß’ Sternwarte verschickt werden.

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Anstalten und Sammlungen der Universität zugänglich zu machen.“38 Ozerskij hatte am Bergkadettenkorps in St. Petersburg studiert. Nach Abschluss seines Studiums im Jahre 1831 begann er dort seine Karriere zunächst als Lehrer bzw. Repetitor für Chemie und Mineralogie. 1848 wurde er Inspektor seiner nunmehr in Institut des Korps der Bergingenieure umbenannten alma mater. Nach 1857 wirkte Ozerskij als Oberleiter der Bergwerke im Altai sowie als Gouverneur im Bezirk Tomsk. Seit 1864 war er Mitglied des Gelehrten Bergkomitees. Aleksandr Nikolaevič Drašusov: 1839 Auch Aleksandr Nikolaevič Drašusov konnte in den Jahren 1837 bis 1840 eine Forschungsreise ins Ausland unternehmen, die ihn nach Italien, in die Schweiz, nach Österreich und nach Deutschland führte. Drašusov hatte an der Universität Moskau Astronomie studiert und wirkte danach an der dortigen Sternwarte. Im Frühjahr 1839, wohl von Februar bis April 1839, stattete er Gauß in Göttingen einen längeren Besuch ab, bei dem er mit Gauß und Weber an erdmagnetischen Karten arbeitete. Nach seinem Aufenthalt in Göttingen führte Drašusovs Reise nach Altona und dann über Berlin und Königsberg zurück nach Russland. Gauß schrieb an Bessel am 28. Februar 1839: „Es ist jetzt ein junger russischer Astronom hier, Herr Draschussof, welcher, nachdem er Altona und Berlin noch besucht haben wird, sich auch einige Monate in Königsberg aufzuhalten denkt, ehe er nach Russland zurückgeht“ (Briefwechsel Gauß–Bessel 1880, S. 525). Am 2. April 1839 empfahl Gauß Drašusov seinem Freund Schumacher in Altona: „Der Ueberbringer dieses, Hr. Draschussof, hat sich eine ziemlich lange Zeit hier aufgehalten und sehr fleissig, besonders unter Weber’s Leitung, mit magnetischen Beobachtungen beschäftigt. Er wird noch einige Zeit in Altona verweilen und dann über Berlin und Königsberg nach Russland zurückgehen“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 226–227). Ernst Knorr: 1840 Im Jahre 1840 unternahm Ernst Knorr, der seit 1832/33 Professor der Physik und der Physikalischen Geographie an der Universität Kasan war, im Auftrag der russischen Regierung eine neunmonatige Reise in die Schweiz, nach Deutschland, Großbritannien und Frankreich, um wissenschaftliche Apparate einzukaufen. Knorr, der 1805 in Herzberg geboren und 1830 in Berlin promoviert worden war, hat vielleicht bei dieser Reise auch Gauß in Göttingen besucht. In der Gauß-Bibliothek befinden sich zwei seiner Werke. Eines betrifft den Temperaturverlauf in Kasan gemäß den Beobachtungen für das Jahr 1833 und trägt den Titel „Chod temperatury v Kazani iz nabljudenij 1833 38 SUB Göttingen, Franz Ernst Neumann-Nachlass, Cod. Ms. F. E. Neumann 53:51; fünf Briefe von Kupffer, hier Brief Nr. 2.

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goda“39 und ist 1835 in der Universitätsdruckerei in Kasan gedruckt worden (Knorr 1835; GB 1229). Es lässt jedoch keinerlei Gebrauchsspuren erkennen (Lehfeldt 2011, S. 323, Nr. 29). Ferner besaß Gauß Knorrs „Meteorologische Beobachtungen aus dem Lehrbezirk der Kaiserlich Russischen Universitaet Kasan“ (Knorr 1841; GB 878).40 Das in der Gauß-Bibliothek befindliche Heft enthält eine persönliche Widmung von Knorr: „Sr. Hochwohlgeboren Herrn Hofrath und Ritter Dr. Gauß aus inniger Verehrung von E. Knorr“ (Lehfeldt 2011, S. 312, Nr. 14). Ivan Michajlovič Simonov: 1842 Des Weiteren muss hier die Auslandsreise von Ivan Michajlovič Simonov erwähnt werden (siehe auch S. 651–652). Simonov unternahm von Juli bis Oktober 1842 eine Forschungsreise nach Großbritannien, Frankreich, Belgien und Deutschland. Das Besondere an dieser Reise war, dass Simonov 1844 einen ausführlichen, circa dreihundert Seiten umfassenden Bericht über sie veröffentlichte, den er auch Gauß zukommen ließ (Simonov 1844; GB 1060). Während dieser Reise besuchte Simonov im September die Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Mainz, an der auch sein ehemaliger Kasaner Kollege Adolph Theodor Kupffer teilnahm. Kurze Zeit später stattete er Gauß in Göttingen einen Besuch ab und überreichte ihm dabei sein neuestes Werk „Observations astronomiques faites à l’Observatoire de Kazan“, das er mit einer Widmung versehen hatte: „dem berühmten Gauß, ein beflissenstes Geschenk [...]“. Das Werk befindet sich ebenfalls in der Gauß-Bibliothek (Simonov/Ljapunov 1842; GB 1350). Paul Heinrich Fuß: 1843 Selbst der Ständige Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Paul Heinrich Fuß, reiste im September 1843 nach Göttingen, um Gauß zu besuchen. Details über diesen Besuch sind leider nicht bekannt (Briefwechsel Gauß–P. H. Fuß, Brief Nr. 3). Fuß unternahm vom Sommer bis zum Herbst 1843 eine Reise nach Deutschland, Belgien, Frankreich und in die Schweiz. Ein wichtiger Anlass dafür waren die Suche nach Briefen von Leonhard Euler sowie diverse Konsultationen im Zusammenhang mit einer Gesamtausgabe der Werke von Euler, die im Rahmen eines Projekts der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg verwirklicht werden sollte. Aleksej Pavlovič Bolotov: 1845 39 Originaltitel: „ɏɨɞɴ ɬɟɦɩɟɪɚɬɭɪɵ ɜɴ Ʉɚɡɚɧɢ ɢɡɴ ɧɚɛɥɸɞɟɧiɣ 1833 ɝɨɞɚ“. 40 Diese Arbeit von Knorr sowie eine Schrift von Lobačevskij in deutscher Sprache (Lobačevskij 1841) bildeten das erste Supplementheft zu den „Gelehrten Schriften“ der Kasaner Universität. Diese Reihe war für die Veröffentlichungen aus der Universität Kasan in deutscher oder in französischer Sprache gedacht.

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Der Besuch des Geodäten Aleksej Pavlovič Bolotov wurde Gauß von Wilhelm Struve angekündigt. Bolotov war seit 1832 Professor für Geodäsie an der Kaiserlichen Militärakademie in St. Petersburg und unternahm im Jahre 1845 eine Reise nach Deutschland, Frankreich und in die Schweiz. Struve beschrieb Bolotov in seinem Brief vom 10./22. Mai 1845 als „einen ausgezeichneten Gelehrten im Fache Geodäsie“. Bolotov habe das beste Lehrbuch über Geodäsie in russischer Sprache verfasst, das sich „gewiß mit den besten Lehrbüchern anderer Nationen messen kann“ (Briefwechsel Gauß–Struve, Brief Nr. 21). Bolotovs 1837 erschienenes Lehrbuch der höheren und der niederen Geodäsie (Bolotov 1836/1837) wurde im Jahre 1838 mit einem halben Demidov-Preis ausgezeichnet (Mezenin 1987, S. 190). In der Gauß-Bibliothek befindet sich der erste Band der 1845 erschienenen zweiten Ausgabe des Lehrbuches „Kurs vysšej i nizšej geodezii“41 (Bolotov 1845/1849: 1; GB 295), die mit einer Widmung in russischer Sprache versehen ist; hier eine Übersetzung: „Dem berühmtesten Geometer des XIX. Jahrhunderts, Herrn Gauß, von dem ihn hochverehrenden Autor“ (Lehfeldt 2011, S. 302–303, Nr. 1). Bolotov suchte zunächst in Altona Gauß’ Freund Schumacher auf, der seinerseits Gauß noch vor dem 13. Juni 1845 wissen ließ: „Der Oberste v. Bolotoff vom Russischen General-Quartiermeister-Stabe, Lehrer des Grossfürsten Constantin,42 der jetzt wie es scheint, die Direction der topographischen Arbeiten übernehmen soll, reiset im Auftrage seiner Regierung, um die Methoden des Auslandes kennen zu lernen. Er geht von hier nach Göttingen und hat mich um einen Brief an Sie, mein theuerster Freund, gebeten, den ich ihm um so weniger versagen konnte, weil es [sic] ein sehr artiger und nach Struve’s Urtheil gründlich gebildeter Mann ist“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 11). In seinem folgenden Brief vom 13. Juni 1845 fügte Schumacher folgendes Postscriptum hinzu: „Bolotoff kann Ihnen über die Aussprache des Russischen manche Aufklärung geben“ (ebenda, S. 12). Am 18. Juni 1845 beschrieb Gauß das Ergebnis des Besuches wie folgt: „Herr Bolotoff hat mir recht wohl gefallen; gewundert habe ich mich aber, dass seine geographischen Kenntnisse etwas sehr mangelhaft sind. Einen Ort Marburg kannte er dem Namen nach nicht; als ich ihm sagte, dass dort eine Universität sei, fragte er, ob auch in Gotha eine Universität sei, und auf meine Verneinung, ob denn vielleicht eine Sternwarte daselbst sei? Die Namen Zach und Lindenau schienen ihm unbekannt zu sein. Er bedauerte sehr, der lateinischen Sprache nicht mächtig zu sein, und wollte sich in Petersburg meine Theoria Combinationis Observationum und das Supplementum43 von jemand übersetzen lassen“ (ebenda, S. 15–16). 41 Originaltitel: „Ʉɭɪɫɴ ɜɵɫɲɟɣ ɢ ɧɢɡɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡiɢ“. 42 Großfürst Konstantin Nikolaevič Romanov, ein Sohn von Nikolaj I. 43 „Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae“, Pars prior und Pars posterior (Gauß 1823a, b) sowie „Supplementum theoriae combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae“ (Gauß 1828c).

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Wilhelm und Otto Struve Keine Studienreisen im eigentlichen Sinne, sondern eher Dienstreisen waren die vergleichsweise kurzen Reisen, die Gauß’ in Russland beheimatete Briefpartner unternahmen, um bestimmte Orte in Deutschland aufzusuchen, z.B. um sich mit Gauß zu treffen bzw. Gauß in Göttingen einen persönlichen Besuch abzustatten oder um an Tagungen teilzunehmen. Zu dieser Kategorie gehören mehrere Reisen von Wilhelm Struve, der aus Altona stammte und die Reisen in seine Heimat auch dazu nutzte, um sich mit Gauß zu treffen, so in den Jahren 1814 und 1820. Im Jahre 1821 nahm Struve an der Braaker44 Basismessung teil, die von Gauß, Heinrich Christian Schumacher und Johann Georg Repsold durchgeführt wurde (vgl. Briefwechsel Gauß–Struve, Brief Nr. 10). Im Jahre 1830 nahm Struve an der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg teil, zu der auch Joseph Johann Littrow aus Wien angereist war (GDNÄ 1831, S. 20, 22). Auch diese Gelegenheit nutzte Struve zu einer Begegnung mit Gauß (siehe S. 676–678). Besondere Bedeutung kommt Struves Göttinger Besuch am 26. September 1838 zu. Er wurde nämlich von seinem damals 18-jährigen Sohn Otto begleitet.45 Otto Struve besuchte Gauß nochmals im Jahre 1844 oder 1847. In seinen „Erinnerungen“, die er erst nicht lange vor seinem Lebensende verfasste, beschrieb er diese beiden Besuche. Hier einige Auszüge aus seinem Bericht: „Zu G a u s s kam ich zum ersten Mal 1838 als Vaters Reisebegleiter. Bei unserem Eintreten trafen wir bei ihm Wilhelm Weber, mit dem er damals die Anwendung der Electricität zum Telegraphiren, durch Errichtung einer Drahtverbindung zwischen Sternwarte und physikalischem Cabinet, ins Leben zu rufen bemüht war. Seine Gespräche waren in hohem Grade belehrend, und da ich damals als Student schon erheblich in meinen Studien vorgeschritten war, konnte ich schon einigermaßen seinen Auseinandersetzungen folgen. Nachdem Vater im Laufe des Gesprächs erwähnt hatte, dass er in Göttingen auch den Mechaniker Meierstein besuchen wollte, sagte G[auss]: „Nun gehen Sie mit Weber spazieren, aber lassen Sie Otto hier, er wird besser in Zukunft von dem Gebrauch machen können, was ich auseinandersetzen will, als wie Sie und Weber, die dafür schon zu alt sind.“ Demzufolge blieb ich 2–3 Stunden allein bei ihm, und der alte Herr hatte die Freundlichkeit, mir in dieser Zeit ausführlich die Ideen vorzulegen, welche ihn damals in Betreff der von ihm begründeten Potentialtheorie46 beschäftigten. Obgleich ich mir einbildete, seinen Ausführungen mit hinlänglichem Verständnis gefolgt zu sein, muß ich 44 Braak ist eine kleine Ortschaft im Osten von Hamburg. 45 Otto Struve war das dritte Kind von Wilhelm Struve aus dessen erster Ehe. 46 Gauß hatte in seiner 1839 erschienenen „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ eine Funktion V eingeführt (Gauß 1839, S. 8; Gauß-Werke: 5, S. 127–128). In dem von Gauß und Weber 1840 herausgegebenen „Atlas des Erdmagnetismus“ wurde V/R als „magnetisches Potential“ bezeichnet (Gauß/Weber 1840, S. 18–21; GaußWerke: 12, S. 339).

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doch bekennen, dass in dieser Beziehung seine Lehren bei mir fruchtlos geblieben sind, da meine Thätigkeit bald in wesentlich andere Richtungen geleitet wurde. – 9 Jahre später (1844)47 kam ich wieder zu ihm, nachdem ich im Sommer die Chronometerexpedition Altona – Greenwich geleitet und den Rückweg aus England über Paris, Brüssel und Bonn genommen hatte. […] Ich musste ihm namentlich viel über meine Erlebnisse und Erfahrungen in England und Frankreich erzählen und andrerseits theilte er mir allerhand über seine neuesten Arbeiten mit. Damals interessirte er sich besonders für die Russische Sprache, welche er, wie er sagte, zunächst zur Prüfung seiner geistigen Capacität nach überstandener schwerer Krankheit, zu studieren angefangen hatte, und zwar ohne einen Lehrer und nur nach Büchern. Das Lesen Russischer Bücher hatte er in der That sehr befriedigend erreicht, aber wenn er russisch zu sprechen oder auch nur laut zu lesen versuchte, machte das in der That einen sehr komischen Eindruck. Theils um der Sprache, umso mehr wohl um des Gegenstands willen beschäftigte er sich damals mit der Lectüre von ein Paar Abhandlungen von Lobatschewsky über imaginäre Geometrie, über welchen Gegenstand er selbst sich (vielleicht schon früher) analogen Speculationen ergeben hatte. Es war mir eine besondere Freude, dass ich ihm, nach Rückkehr nach St. Petersburg, seine Zahl der Lobatschewskyschen Abhandlungen erheblich vermehren konnte“ (Dick 1992, S. 45–46). Adolph Theodor Kupffer Auch Adolph Theodor Kupffer, der ja bei Gauß in Göttingen 1820/21 studiert hatte, unternahm später mehrere Reisen, um Gauß in Göttingen einen Besuch abzustatten. Im Jahre 1833 wollte er von Gauß die neuen Methoden für die Durchführung erdmagnetischer Beobachtungen kennenlernen. 1839 organisierten Gauß und Weber in Göttingen ein internationales Treffen zum Thema Erdmagnetismus, einen Magnetischen Kongress. Kupffer besuchte Gauß zunächst im Sommer. Im Oktober nahm er an dem Kongress teil. In der Zwischenzeit besuchte Kupffer seine Kollegen, um für die Erforschung des Erdmagnetismus bzw. für den Bau magnetischer Observatorien zu werben. Von besonderer Bedeutung war Kupffers Besuch in Göttingen im Jahre 1850. Ohne dass man Details über dieses Treffen kennt, wurden doch hier mit Sicherheit die Weichen dafür gestellt, dass die Königliche Societät der Wissenschaften in Göttingen, d.h. Gauß, eine Preisaufgabe stellte, die Kupffer schließlich löste (siehe S. 378–382).

47 Es muss entweder „6 Jahre später“ oder 1844 heißen. Über die Zuverlässigkeit der Erinnerungen von Otto Struve aus den Jahren 1895–1905 siehe: Dick 1992, S. 45.

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2.4. Wissenschaftliche Tagungen Im 19. Jahrhundert etablierte sich im deutschsprachigen Raum allmählich eine neue wirkungsvolle Form des wissenschaftlichen Austausches, nämlich das Tagungswesen. Zu den ersten Tagungen gehörten die Jahresversammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte. Dieses von Lorenz Oken ins Leben gerufene Forum fand zum ersten Mal im September 1822 in Leipzig statt. Dem Gründungsgedanken nach war dies eine offene internationale Veranstaltung, die es den Wissenschaftlern ermöglichen sollte, sich persönlich zu begegnen, um wissenschaftliche Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Zu Gauß’ Lebzeiten gab es hauptsächlich nur diese Möglichkeit eines regulären Austausches, wobei die Tagungsorte wechselten. Selbstverständlich nahmen auch russische Wissenschaftler an diesen Versammlungen teil. Gauß besuchte nur eine einzige dieser Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte, nämlich diejenige, die im Jahre 1828 in Berlin unter der Ägide Alexander von Humboldts stattfand. Gauß selbst rief in Kooperation mit Wilhelm Weber eine Form des internationalen Zusammentreffens der Wissenschaftler ins Leben. Es handelte sich um die sogenannten Magnetischen Kongresse, die dem Austausch auf dem Gebiet des Erdmagnetismus dienen sollten. Der erste Magnetische Kongress fand im Oktober 1839 in Göttingen statt. Die Organisatoren waren Gauß und Weber, die in Göttingen den Magnetischen Verein gegründet hatten, der weltweit zum Zentrum der Erforschung des Erdmagnetismus werden sollte. Jedoch setzten politische Ereignisse in Göttingen der Zusammenarbeit von Gauß und Weber ein jähes Ende. Der zweite Magnetische Kongress fand nicht mehr unter der Ägide von Gauß statt. Er wurde 1845 in Cambridge ausgerichtet; Gauß nahm an ihm nicht teil (siehe S. 371–372).

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2.5. Russische Studenten der Mathematik und der Naturwissenschaften, die in Deutschland studierten bzw. dort einen Studienaufenthalt wahrnahmen, im Zusammenhang mit Gauß Was das Studium russischer Studenten in Deutschland betrifft, so ist die Universität Göttingen besonders eingehend untersucht worden (Lauer 2003). Bereits im 18. Jahrhundert, in der Regierungszeit von Elizaveta I. und Katharina II., gab es einige russische Studenten in Göttingen. Unter Pavel I. jedoch waren Studienaufenthalte im Ausland untersagt, und das galt auch für solche Studenten aus dem Baltikum, die deutscher Muttersprache waren. So gab es erst nach dem Regierungsantritt von Alexander I. im Jahre 1801 wieder die Möglichkeit, im Ausland zu studieren. Zum Wintersemester 1802/03 kamen zwanzig russische Studenten nach Göttingen. In Göttingen begann die Karriere einer ganzen Reihe von prominenten Russen. So hatte beispielsweise der spätere Minister für Volksaufklärung und Präsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Sergej Semënovič Uvarov, in Göttingen studiert. Auch der spätere Adjutant von Alexander I. und Militärhistoriker Aleksandr Ivanovič Michajlovskij-Danilevskij war Student in Göttingen gewesen (ebenda, S. 325–326). Darüber hinaus konnte eine ganze Reihe von russischen Studenten der Mathematik und der Naturwissenschaften ermittelt werden, die einen Studienaufenthalt an einer deutschen Universität wahrgenommen hatten. Göttingen Auch bei Gauß fand sich gleich zu Anfang seiner Tätigkeit in Göttingen ein Student aus Russland ein, um bei ihm Astronomie zu studieren. Es handelte sich um Nikolaj Voronkovskij, der zwischen 1808 und 1811 an der Universität Göttingen immatrikuliert war. Voronkovskij stammte aus der Umgebung von Kiew. Am 10. Februar 1810 berichtete Gauß seinem Freund Schumacher: „Meine wissenschaftlichen Beschäftigungen bedeuten in diesem Winter nicht viel. Meine beiden Collegia (der künftige russische Professor der Astronomie, welcher die Astronomie mithört, fand, dass er noch gar zu wenig vorbereitet sey, und nahm seit Januar noch ein Privatissimum, wo ich ihm jetzt sphärische Trigonometrie vortrage: anfangs konnte er noch keinen Logarithmen aufsuchen) zerstückeln meine Zeit, und machen mich für einen Theil des Tages zum Arbeiten unlustig, es treibt mich dann immer, wenn ich gelesen habe, aus dem Hause in’s Weite“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 1, S. 26). Im Gauß–Schumacher–Briefwechsel findet sich noch eine Erwähnung Voronkovskijs: Am 25. April 1810 schrieb Gauß: „Hr. Woronkofsky, ein ehemaliger Zuhörer von mir, ist aus Paris zurück gekommen“ (ebenda, S. 76). Sicherlich wollte sich Gauß bei dem russischen Diplomaten Heinrich Christoph Gottfried von Struve für seinen tüchtigen Schüler einsetzen. Dieser

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Diplomat wirkte von 1809 bis 1815 in Kassel und danach in Hamburg (NDB: 15, S. 493), wo er 1837 einen Naturwissenschaftlichen Verein ins Leben rief. Am 14. September 1811 teilte er Gauß aus Kassel mit: „Ew. Wohlgeb[oren] bin ich für die Zuschrift womit Sie mich durch H[err]n Woronkowsky beehrt haben, höchst verbunden. Das Zeugniß und die Theilnahme eines so einsichtsvollen Lehrers als Ew. Wohlgeb[oren] kann ihm nicht anders als vortheilhafte seyn. Ich habe ihn den [sic] Herrn Gesandten vorgestellt und diesen veranlaßt sich für ihn in St. Petersburg zu verwenden. An dem Erfolg zweifle ich nicht wenn anders nicht schon eine Resolution erlassen ist. Jede Gelegenheit Ew. Wohlgeb[oren] meine Hochansehung zu bezeugen wird mir eben so erwünscht seyn als ich diese mit wahren [sic] Vergnügen benutze um Ihnen diese Gesinnung an den Tag zu legen, der ich die Ehre habe zu seyn“.48 Wie man aus dem Briefwechsel zwischen Gauß und Christian Ludwig Gerling erfährt, hielt Voronkovskij auch während der antinapoleonischen Befreiungskriege den Kontakt zu Gauß aufrecht. Gerling schrieb Gauß am 9. November 1813 aus Kassel: „Daß Nicolai [Voronkovskij] in Göttingen war, weiß ich. Ich hoffte, er werde seine Reise nach Gotha über Kassel machen und freute mich sehr darauf; doch ist es für ihn gewiß besser, daß er den geraden Weg genommen hat, auf dem er gewiß viel leichter durchgekommen ist. Von den Verwüstungen, welche unter anderm das arme Eisenach von dem fliehenden französischen Heere erlitten hat, wird Ihnen Woronkowsky erzählen“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 41). Mehrere Monate später, am 5. August 1814, meldete Gauß: „Heute hat mich Hr. Woronkowsky hier besucht. Er ist unversehrt davongekommen und will beim Militär bleiben“ (ebenda, S. 65). Über die weitere Laufbahn von Nikolaj Voronkovskij konnte leider nichts ermittelt werden. Der aus Mitau stammende Adolph Theodor Kupffer studierte zunächst in Dorpat und in Berlin, ehe er sich am 28. Juni 1819 an der Universität Göttingen für das Studium der Medizin immatrikulierte. Er wurde in Göttingen mit zwei physikalisch-chemischen Arbeiten promoviert und legte seine Doktorprüfung in Mathematik und Physik ab. Während des Studiums hörte er auch Vorlesungen bei Gauß. Seine Mitschrift von Gauß’ Vorlesung „Theoretische Astronomie“, die Kupffer von Mai 1820 bis März 1821 gehört und mitgeschrieben hatte, wurde nach fast 100 Jahren ins Russische übersetzt und herausgegeben (Gauß 1919). Am 12. September 1819 schrieb Friedrich Wilhelm Bessel an Gauß aus Königsberg: „Sie erhalten diesen Brief durch Herrn Slavinski, der seit fünf Jahren Gehülfe des Herrn Sniadecki in Wilna war; er reist, um astronomische Anstalten kennen zu lernen. Die angelegentliche Empfehlung, die er mir von Sniadecki mitgebracht hat, sowie die Bitte desselben, Herrn Slavinski bei Ihnen einzuführen, veranlassen mich ihn Ihnen zuzuweisen“ (Briefwechsel Gauß–Bessel 1880, S. 305). Aus dem Kontext des Briefes geht hervor, dass 48 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Struve, H. C. G.

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Pëtr Slavinskij Gauß in Göttingen einen Besuch abgestattet hatte. Es ist leider nicht bekannt, wie lange sich Slavinskij bei Gauß aufhielt. Jedoch schon am 16. Oktober 1819 meldete sich Gauß bei Wilhelm Olbers in Bremen mit folgender Empfehlung: „Der Ueberbringer dieses ist H[er]r Slavinski, Adjoint der Vilnaer Sternwarte, welcher auf Kosten des Gouvernements eine Reise durch Deutschland, England und Frankreich macht, um die Sternwarten dieser Länder zu sehen, und der mich um einige Zeilen zur Introduktion bei Ihnen gebeten hat“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 751). Helmstedt Aber nicht nur die Universität Göttingen kam in Frage, sondern im Jahre 1808 war es für einen russischen Mathematikstudenten auch interessant, an die Universität Helmstedt zu gehen, wo Gauß’ Doktorvater Johann Friedrich Pfaff wirkte. So immatrikulierte sich dort Dmitrij Semënovič Čižov am 29. August 1808 für das Mathematikstudium. Vorher hatte er am Geistlichen Seminar in Twer und am 1804 neugegründeten Pädagogischen Institut in St. Petersburg studiert. Da er zu den besten Studenten zählte, wurde ihm ein Auslandsstudium gewährt. 1809 begann auch Christian Ludwig Gerling, der später Schüler und Freund von Gauß werden sollte, in Helmstedt Mathematik zu studieren. Čižov blieb zwei Jahre in Helmstedt und wechselte dann nach Paris. Am 24. September 1810 schrieb Johann Friedrich Pfaff an Gerling: „Von Herrn Tzschischoff habe ich immer noch keine Nachricht aus Paris erhalten, wonach mich sehr verlangt. Da er Ihnen ohne Zweifel geschrieben haben wird, so geben Sie mir doch gelegentlich Nachricht von ihm, und wenn Sie wieder an ihn schreiben, so grüßen Sie ihn von mir herzlich. Bis jetzt habe ich hier noch keine Zuhörer gefunden, die mir so viel Freude machten und mir so werth wären als Sie und Hr. Tzschischoff. Sie haben mir das letzte Jahr meines Helmstädtischen Aufenthalts49 mit angenehm gemacht“ (Pfaff, C. 1853, S. 271). Im Jahre 1812 wurde Čižov Adjunkt-Professor am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege und am Pädagogischen Institut in St. Petersburg. 1816 wurde er an seiner alma mater zum Ordinarius für Reine und Angewandte Mathematik befördert. 1819 erhielt Čižov die Professur für Reine und Angewandte Mathematik an der neugegründeten Universität St. Petersburg, wo er 1819 als Dekan und 1836 als Prorektor fungierte. Nach seiner Emeritierung 1846 wurde er Ehrenprofessor der Universität. Čižov wurde 1826 zum Korrespondierenden Mitglied für Mathematik und 1828 zum Ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Im Jahre 1841 wurde er darüberhinaus Ehrenmitglied der Akademie in der Abteilung für Russische Sprache und Literatur (Modzalevskij 1908, S. 115, 179, 335).

49 Da die Universität Helmstedt 1810 geschlossen wurde, wechselte Pfaff in demselben Jahr an die Universität Halle.

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Königsberg Als anziehend für russische Studenten erwies sich auch die Universität Königsberg, an der seit 1810 Friedrich Wilhelm Bessel als Professor der Astronomie, seit 1827 Carl Gustav Jacob Jacobi als Professor der Mathematik und seit 1829 Franz Ernst Neumann als Professor der Physik wirkten. Im Jahre 1832 kam Karl Eduard Senff, der an der Universität Dorpat bei Martin Bartels studiert hatte, nach Königsberg. Senff absolvierte die Universität Dorpat im Jahre 1830 mit dem Grad eines Kandidaten50 und bildete sich danach in Königsberg weiter. Bessel schrieb darüber am 17. November 1832 an Gauß: „Wir haben hier jetzt einen jungen Mann aus Dorpat, Senff, der Anlagen zu einem grossen Mathematiker zu haben scheint“ (Briefwechsel Gauß–Bessel 1880, S. 509). Wie aus einem Brief von Bessel an Schumacher hervorgeht, hielt sich Senff auch noch im Februar 1833 in Königsberg auf.51 Später wurde er Professor der Mathematik an der Universität Dorpat. Im Jahre 1836 kam eine Gruppe junger Russen von dem St. Petersburger Pädagogischen Hauptinstitut nach Königsberg, um von Carl Gustav Jacob Jacobi Kenntnisse in Mathematik und von Franz Ernst Neumann Kenntnisse in Physik vermittelt bekommen. Auch Adolph Theodor Kupffer empfahl seine beiden Studenten Michail Fëdorovič Spasskij und Aleksandr Abramovič Voskresenskij52 seinem Kollegen Neumann in einem Brief vom 16./28. Februar 1836 mit warmen Worten: „Die Überbringer dieses, die Herren Spasky und Woskresensky, welche beide meine Zuhörer gewesen sind, machen auf Kosten der Regierung eine Reise nach Deutschland und werden sich eine Zeitlang in Koenigsberg aufhalten; ich nehme mir deshalb die Freiheit, Ihnen dieselben herzlich zu empfehlen, und bitte Sie, Ihnen bei ihren Studien mit Ihrem Rath beizustehen. Der erste von Ihnen Herr Spasky hat die Physik zu seinem Hauptstudium gewählt, der andere, Herr Woskrisensky [sic], will sich besonders für die Mineralogie ausbilden; sie sind beide dazu bestimmt, diese Wissenschaften einmal vorzutragen, es sind Zöglinge unseres neu errichteten paedagogischen Instituts.“53 Aber die Gruppe russischer Studenten in Königsberg scheint noch größer gewesen zu sein, zu ihr gehörten auch noch die beiden Mathematikstudenten 50 Senff reichte 1830 als Doktorarbeit eine Schrift „Theoremata principalia e theoria curvarum et superficierum“ ein, die 1831 in Dorpat veröffentlicht wurde (Senff 1831). Ein Exemplar befindet sich in der Gauß-Bibliothek (GB 114). 51 Diese Nachricht ist dem Bessel-Forscher Dietmar Fürst (Archenhold-Sternwarte Berlin) zu verdanken. 52 Bei Woskresensky handelt sich wahrscheinlich um Aleksandr Abramovič Voskresenskij, der bis 1836 am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg studierte und später als Chemiker an seiner alma mater tätig war. Er gilt als „der Großvater der russischen Chemiker“. 53 SUB Göttingen, Franz Ernst Neumann-Nachlass, Cod. Ms. F. E. Neumann 53:51: 5 Briefe von Kupffer, hier Brief Nr. 1.

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Ivan Dmitrievič Sokolov und Aleksandr Nikitič Tichomandrickij. Carl Gustav Jacob Jacobi schrieb über diese Studenten am 17. September 1836 seinem in Dorpat wirkenden Bruder Moritz Hermann Jacobi: „Meine Russen waren die Hundstagsferien in Kranz (S o c o l o f f , T y c h o m a n d r i t z k i , S p a s z k y ), jene Mathematiker, dieser Physiker, der 1. mir von Ostrogradsky mit Recht besonders empfohlen); sie besuchten mich in Rauschen, wir machten 2 Tage lang einige vergnügte Fahrten u[nd] Kneipereien. [...] Sie haben bis jetzt mit grossem Eifer gelernt, u[nd] sich, namentlich Socoloff, viel Kenntnisse erworben; ob sie irgend productiv sein können, wird sich nun zeigen“ (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 31–32). Vier Jahre später, in einem Brief vom 8. April 1840, berichtete Carl Gustav Jacob Jacobi seinem Bruder über die weitere Karriere seiner ehemaligen russischen Studenten: „S p a s s k y ist glaube ich Extraord[inarius] der Physik in Moskau; …. die beiden andern von denen S o c o l o f f noch in Petersburg, ohne Anstellung, T y c h o m a n d r i t s k i in Kiew Professor-Adjunct ist, kamen mit schönen Kenntnissen her, aber leider mit gänzlicher Unfähigkeit etwas allein zu arbeiten [...]. Ich schrieb daher auch an den Minister,54 von dem ich zwei sehr gütige Schreiben besitze, dass ihre Spontaneität nicht in gleichem Verhältniss mit ihrer Receptivität ausgebildet wäre. Ich habe in dieser Beziehung viel an S o c o l o f f gearbeitet, bei dem es mir am meisten zu lohnen schien; er hielt mir immer die gewöhnliche Rede entgegen, wie er denn an eigne Untersuchungen denken könne da ihm noch so viele Kenntnisse fehlen, worauf ich ihm einmal entgegnete, wenn seine Familie von ihm verlangen würde dass er sich verheirathen solle ob er denn auch antworten würde, wie er sich denn verheirathen könne da er noch nicht alle Mädchen kennen gelernt. Erst in der letzten Zeit gelang es mir etwas sie zu eignen Bemühungen zu bringen aber da mussten sie fort. Jetzt zeigt sich dieser Übelstand da sie eine Doctorarbeit machen sollen, wozu doch meine u[nd] N e u m a n n s Collegia ihnen reichen Stoff geben; ich weiss nicht, ob S p a s s k i u[nd] S o c o l o f f schon promovirt haben, mit Tich[o m a n d r i t s k i ] schien es nach einem Schreiben das ich vor Kurzem von ihm erhielt noch etwas weit im Felde damit. Vielleicht will der Minister dies abwarten ehe er ein Zeichen der Anerkennung meiner sehr geringen durch seine Schreiben schon überflüssig belohnten Bemühungen giebt; übrigens müsste sich dies doch auf alle damals entlassne pädagogische Studenten gleichmässig beziehn, u[nd] also Bökh und mich zu gleicher Zeit treffen. Was S o c o l o f f von hier mitnahm u[nd] wovon er lebhaft ergriffen zu sein schien das war das Bild wissenschaftlicher Untersuchung; wenn er auch vielleicht nie selbst es erreicht, so wird es doch von grossem Wert für ihn sein es einmal geschaut zu haben. Ich glaube er wird einmal durch gewandte Darstellungen der höhern Theile der Mathematik seinem Vaterlande wichtige Dienste leisten“ (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 64, 66). Doch wird im Kommentar zu diesem Brief festgehalten, dass 54 Sergej Semënovič Uvarov.

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Ostrogradskij mit den Leistungen Sokolovs in keiner Weise zufrieden gewesen sei. Später war Sokolov Professor für Mechanik an der Universität Charkow und wechselte 1864 an die neugegründete Universität Odessa. Berlin Ferner war auch die Universität Berlin für russische Studenten durchaus ein lohnendes Ziel. So hatte ja auch Adolph Theodor Kupffer 1816 sein Studium in Berlin aufgenommen und danach in Göttingen fortgesetzt (siehe S. 346– 348). Aber auch Pëtr Ivanovič Kotel’nikov, der in Charkow und in Dorpat studiert hatte, wechselte nach seiner Promotion im Jahre 1832 an die Universität Berlin, wo er bis 1835 blieb. Er hörte Vorlesungen bei Lejeune Dirichlet und Jakob Steiner. Im Jahre 1835 wurde Kotel’nikov Außerordentlicher und 1839 Ordentlicher Professor für Angewandte Mathematik an der Universität Kasan, wo er Kollege von Lobačevskij war.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland 3.1. Präambel: „Russland ist seit jeher das gelobte Land für Meteorologie und Magnetismus gewesen“ Das Phänomen des Erdmagnetismus im Allgemeinen wurde im 18. Jahrhundert trotz seiner großen Bedeutung für die Schifffahrt nur an einigen wenigen Orten wissenschaftlich untersucht. Eine führende Disziplin innerhalb der Physik am Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts war die Elektrizitätslehre. Alsbald aber begannen zahlreiche Naturwissenschaftler, vor allem Physiker und Astronomen, auch dem Erdmagnetismus ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Diese Forschungsrichtung erforderte beträchtlichen Aufwand: die Ausrüstung von Expeditionen, die Anschaffung der nötigen Instrumente sowie den Bau von magnetischen Observatorien. Diese sollten möglichst eisenfrei errichtet werden. Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse am Erdmagnetismus stetig zu, so dass sich schließlich der Erdmagnetismus zu einem großen internationalen Forschungsgebiet entwickelte, dem sich nur wenige Naturwissenschaftler versagten. Man kann zurecht behaupten, dass der Erdmagnetismus dank den verbesserten Methoden, die Gauß und Weber eingeführt hatten, schon in den 1830er Jahren zur führenden Wissenschaft innerhalb der Physik wurde und dies auch für mehrere Jahrzehnte blieb (Reich 2011b). Bei der Erforschung des Erdmagnetismus spielte Russland eine herausragende Rolle, was aber bislang in der Literatur kaum zur Kenntnis genommen wurde, so beispielsweise in dem Standardwerk „Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus“ (Balmer 1956). Russland, das größte Land der Welt, hatte und hat eine West-Ost- und eine Nord-Südausdehnung wie kein anderes Land. Alexander von Humboldt stellte einen bildlichen Vergleich an: die riesige Ausdehnung Russlands ist größer als der sichtbare Teil des Mondes. Ferner betonte Humboldt, dass großangelegte geophysikalische Messungen in Russland wichtige Ergebnisse liefern würden. Diese bedeutenden Worte sprach Humboldt in seinem Vortrag anlässlich der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg am 16./28. November 1829 (Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 275). Es ist auch mehr als natürlich, dass Gauß’ und Webers Beiträge zur Erforschung des Erdmagnetismus gerade in Russland auf fruchtbaren Boden fielen. Auch dies wurde bislang in der wissenschaftshistorischen Literatur kaum be-

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achtet und gebührend gewürdigt. Adolph Theodor Kupffers Biograph und Nachnachfolger Michail Aleksandrovič Rykačev beschrieb die herausragende Rolle, die Russland für Gauß spielte, mit folgenden, treffenden Worten: „En aucun pays, la découverte de G a u s s n’a eu autant de retentissement qu’en Russie“ (Rykačev 1900, S. 66). Dennoch wurde in der westlichen Literatur die Bedeutung von Gauß’ und Webers Forschungen auf dem Gebiet des Erdmagnetismus speziell für Russland bislang kaum erwähnt, so auch nicht in dem Beitrag „The Contributions of Carl Friedrich Gauß to Geomagnetism“ (Garland 1979). Vor allem Alexander von Humboldt und Adolph Theodor Kupffer war es zu verdanken, dass die Erforschung des Erdmagnetismus seitens der russischen Regierung eine großzügige finanzielle Unterstützung erhielt. Im Jahre 1838 brachte Kupffer in einem „Memorandum“ über die Einrichtung eines Magnetisch-Meteorologischen Observatoriums in St. Petersburg folgenden Gedanken zum Ausdruck: „Russland ist seit jeher das gelobte Land für Meteorologie und Magnetismus gewesen. Die Aufmerksamkeit aller Gelehrten des Auslandes, die sich mit diesem Gegenstande beschäftigen, war immer auf Russland gerichtet, und aus Russland hat man immer die Auflösung der wichtigsten Probleme, die Bestätigung oder die Wiederlegung [sic] der umfassendsten Hypothesen erwartet. [...] Deshalb ist auch Russland, als es eben erst in die Reihe der civilisirten Nationen getreten war, sogleich für magnetische Beobachtungen in Anspruch genommen worden“ (Rykačev 1900, S. 37*). Nachdem im Jahre 1849 das Physikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg errichtet worden war, behauptete Kupffer völlig zu recht: „la Russie a été pour ainsi dire la terre promise des magnéticiens“ und: „La position de notre pays, si favorable aux recherches magnétiques et météorologiques, nous impose une haute mission scientifique“ (Kupffer, A. T. 1850/1851, Sp. 85, 87). Zu diesem Zeitpunkt konnte Kupffer schon mehrere magnetische Observatorien und Beobachtungsstationen in Russland nennen (ebenda, Sp. 93–96). Schon im 18. Jahrhundert wurde in Russland dem Erdmagnetismus Beachtung geschenkt. Sowohl auf wissenschaftlichen Erkundungsexpeditionen als auch an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg wurden entsprechende Beobachtungen angestellt. Hier sind insbesondere die magnetischen Messungen auf der Zweiten Kamtschatkaexpedition (1733–1743) durch Louis Delisle de La Croyère und Johann Georg Gmelin zu nennen. Eine Instruktion für die physikalischen Untersuchungen bei dieser Expedition wurde 1732 von Daniel Bernoulli unterschrieben, eine andere 1733 von Georg Wolfgang Krafft (Hintzsche 2004, S. 120–131, 295–312, 795). Daniel Bernoulli kehrte im Jahre 1733 nach Basel zurück. Krafft war seit 1731 als Ordentlicher Professor für Mathematik und Physik an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg tätig. Im Jahre 1777 erschien im Berliner „Astronomischen Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779“ eine kleine Deklinationskarte von Johann Heinrich Lambert, auf der zum ersten Mal die Messergebnisse auf dem Lande

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aufgezeichnet waren. In Lamberts Abhandlung sind Orte genannt, für die er die Werte der Deklination für die Zeitspanne von 1760 bis 1776 aufführt; davon befinden sich 22 Orte in Russland (Lambert 1777; Hellmann 1895, S. 22). Zu nennen sind ferner die theoretischen Arbeiten über den Erdmagnetismus von Leonhard Euler sowie die Einrichtung einer magnetischen Beobachtungsstation in St. Petersburg bereits im Jahre 1791. Diese Station, die man als Vorform eines magnetischen Observatoriums bezeichnen kann, wurde außerhalb des Hauses von Johann Albrecht Euler1 errichtet. Die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg formulierte für das Jahr 1793 sogar eine Preisfrage, die die Herstellung einer aktuellen erdmagnetischen Weltkarte betraf. Den Preis erhielt der Physiker Christian Gottlieb Kratzenstein in Kopenhagen, der aber zuvor an der Akademie in St. Petersburg als Professor für Mechanik tätig gewesen war (Roussanova 2011a). Die Erforschung des Erdmagnetismus wurde im 18. Jahrhundert in erster Linie deshalb für notwendig erachtet, weil sie eine wichtige Grundlage für die Schifffahrt darstellte. Im 19. Jahrhundert jedoch ging es nicht allein um die Anwendung, sondern vor allem um die wissenschaftliche Untersuchung dieses rätselhaften Phänomens in allen Richtungen, sowohl zu Wasser als auch zu Lande. So wurden während mehrerer Expeditionen zur See, die unter russischem Kommando standen, magnetische Messungen vorgenommen und aufgezeichnet. Vor allem die arktischen und die antarktischen Gebiete waren oftmals das Ziel solcher Seeexpeditionen. Alexander von Humboldt zählt zu den wichtigsten die folgenden Expeditionen: die Weltumsegelung unter dem Kommando von Adam Johann Krusenstern von 1803 bis 1806, die Weltumsegelungen von Otto von Kotzebue2 von 1815 bis 1818 und von 1823 bis 1826, die Expedition von Fabian Gottlieb von Bellingshausen und Michail Petrovič Lazarev in das Südliche Eismeer von 1819 bis 1821,3 die Expedition anlässlich der Erkundungen der Nordküste Sibiriens und des Eismeeres unter Ferdinand von Wrangel von 1820 bis 1824 sowie die Reise um die Welt von Fëdor Petrovič Litke von 1826 bis 1829 (vgl. Humboldt 1845–1862: 4, S. 63–67). Eine der ersten umfangreichen magnetischen Messungen zu Lande unternahm Friedrich Theodor Schubert im Jahre 1805 als Teilnehmer einer personell bestens ausgestatteten Gesandtschaft nach China. Schubert wurde dabei von seinem Sohn, dem späteren Militärgeodäten Friedrich Theodor Schubert d. J. begleitet. Es war vorgesehen, dass diese Expedition nach Peking führen sollte, man kam aber nur bis etwa zur chinesischen Grenze. Schubert ver1

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Johann Albrecht Euler, der Sohn von Leonhard Euler, war von 1769 bis 1800 der Konferenzsekretär bzw. der Ständige Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Sowohl Leonhard Euler als auch Johann Albrecht Euler beschäftigten sich mit dem Erdmagnetismus. An dieser Expedition nahm Emil Lenz teil (Hempel 1999, S. 136–137). An dieser Expedition nahm Ivan Michajlovič Simonov teil.

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öffentlichte seine Ergebnisse bereits 1806 im Berliner „Astronomischen Jahrbuch“ (Schubert, F. T. 1806b). Im Folgenden wird lediglich eine Übersicht über die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland angestrebt und keine ausführliche, alle Details umfassende Darstellung. Einige Aspekte dieser Fragestellung sollen in den Kapiteln „A. T. Kupffer“ und „I. M. Simonov“ ausführlicher erörtert werden.

3.2. Der Anfang 1823–1833: Alexander von Humboldt 3.2.1. Alexander von Humboldts erste Aktivitäten in Paris und Berlin Bereits während seines Studiums an der Bergakademie in Freiberg sowie während seines Aufenthaltes in Paris vor seiner Amerikanischen Reise hatte sich Alexander von Humboldt mit dem Phänomen des Erdmagnetismus sowie mit den speziellen Methoden zu dessen Beobachtung beschäftigt. An der Pariser Sternwarte waren nämlich bereits während des 18. Jahrhunderts zahlreiche, mehr oder minder systematische magnetische Messungen durchgeführt worden. Dies war jedoch zunächst nicht in einem speziell dafür vorgesehenen Gebäude, sondern auf der Sternwarte geschehen. So verwundert es nicht, dass Humboldt auch während seiner großen Amerikareise von 1799 bis 1804 zahlreiche erdmagnetische Messungen durchführte (Humboldt 1829b). Er stieß dabei auf die schon vorher vermutete Gesetzmäßigkeit, dass die Intensität der magnetischen Kraft vom Äquator bis zu den Polen hin zunehme, d.h. am magnetischen Äquator am geringsten und an den Magnetpolen am stärksten sei. Zurückgekehrt nach Paris, veröffentlichte er seine neu gewonnenen Daten in Zusammenarbeit mit Jean-Baptiste Biot, der sich ebenfalls intensiv mit dem Erdmagnetismus beschäftigte. Das Werk erschien unter dem Titel „Sur les variations du magnétisme terrestre à différentes latitudes“. Hier wurden zwei Hypothesen formuliert, erstens, dass die magnetische Kraft in Gebirgen mit zunehmender Höhe abnehme, und zweitens, dass mit der Entfernung vom magnetischen Äquator die magnetische Kraft zunehme (Humboldt/Biot 1804, S. 435–436). Das Gesetz „der mit der magnetischen Breite veränderlichen Intensität“ hielt Humboldt für eines der wichtigsten Resultate seiner Forschungen (Humboldt 1845–1862: 4, S. 61).4 Im Jahre 1805 unternahm Humboldt eine Italienreise, die einzig erdmagnetischen Messungen – vor allem in den Alpen und auf dem Vesuv – gewidmet war. Auch während seines Aufenthaltes in Berlin vom Mai 1806 bis Ende

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Auch wenn diese Gesetzmäßigkeit bereits vor Humboldt beobachtet worden war, so gebührt diesem doch das Verdienst, durch die erste Veröffentlichung dieses Gesetzes (in: Humboldt/Biot 1804) weitere diesbezügliche Untersuchungen angeregt zu haben (Hellmann 1895, S. 14).

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Juni 1807 setzte Humboldt seine erdmagnetischen Beobachtungen fort (Humboldt 1845–1862: 4, S. 64). Am 14. November 1807 verließ Humboldt Berlin und traf am 8. Dezember in Paris ein, wo er, von Unterbrechungen abgesehen, bis 1827 bleiben sollte. Dort lernte er im Juli 1809 den jungen Physiker und Astronomen François Arago kennen, mit dem er seitdem zeitlebens eine enge Freundschaft pflegte. Im Jahre 1816 bat Arago den Verwaltungsdirektor der Pariser Sternwarte um die Erlaubnis, die täglichen magnetischen Variationen mit Hilfe einer speziellen Boussole zu beobachten, was auch genehmigt wurde. Zwei Jahre später konnten für die Beobachtungen spezielle, von Gambey hergestellte Instrumente angeschafft werden (Lequeux 2008, S. 331–336). Schließlich wurde im Jahre 1823 im Garten der Pariser Sternwarte ein eisenfreier Holzpavillon für magnetische Beobachtungen errichtet. In der Mitte des Pavillons befand sich eine steinerne Säule, die als Fundament für das magnetische Hauptinstrument diente. Dieser Pavillon, „une guérite en bois“ oder „une petite tourelle“ genannt, war das erste magnetische Observatorium, das je errichtet worden war. Diesem folgte später ein zweites magnetisches Observatorium, das abermals durch ein drittes ersetzt wurde (Bigourdan 1931, S. A10– A14; Lequeux 2008, S. 332). Es konnten leider keine bildlichen Darstellungen dieser magnetischen Pavillons in Paris ermittelt werden. Nunmehr wurde in Paris damit begonnen, systematische Beobachtungen des Erdmagnetismus und dazugehörige Experimente durchzuführen. Arago und Humboldt schmiedeten weitsichtige Pläne – für die Beobachtungen der magnetischen Variationen sollte ein internationales Forschungsprojekt gestartet werden. Mit besonderem Interesse verfolgten Arago und Humboldt ihre bahnbrechenden wissenschaftlichen Ziele, nämlich die Untersuchung der Intensität der magnetischen Kraft und die Beobachtung der magnetischen Perturbationen. Gemeint waren die sogenannten magnetischen Stürme;5 speziell wurden auch die Auswirkungen des Polarlichts auf die Erscheinungen des Erdmagnetismus beobachtet. Gauß’ väterlicher Freund Wilhelm Olbers hielt sich im Juli 1812 in einer diplomatischen Mission in der französischer Hauptstadt auf, wo er sich auch mit Humboldt traf. In einem Brief vom 18. Juli 1812 an Gauß schilderte Olbers das Problem der Messungen der täglichen Veränderungen der Abweichung der Magnetnadel, das Humboldt in Paris beschäftigte (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 508–509). Nachdem Humboldt am 14. April 1827 Paris verlassen hatte, war es Arago, der dort die systematischen magnetischen Beobachtungen bis ins Jahr 1835 fortsetzte. Danach waren es seine Schüler, die weiterhin magnetische Beobachtungen durchführten (Bigourdan 1931, S. A12).

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Der Terminus „magnetisches Ungewitter“ wurde von Humboldt geprägt (Balmer 1956, S. 490).

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3.2.2. Humboldts erste Kontakte mit russischen Wissenschaftlern: Simonov und Kupffer in Paris 1823/25 Auf Grund der Aktivitäten von Humboldt und Arago wurde Paris zu dem Ort, an dem russische Naturwissenschaftler erste Bekanntschaft mit der wissenschaftlichen Erforschung des Erdmagnetismus machten. Es waren zwei junge Professoren der Universität Kasan, Ivan Michajlovič Simonov und Adolph Theodor Kupffer, die in den Jahren 1823 bis 1824 (Simonov bis 1825) auf Staatskosten eine Auslandsreise unternehmen und sich dabei längere Zeit in Paris aufhalten konnten. Dort lernten die beiden russischen Wissenschaftler Humboldt und Arago kennen. Diese verstanden es, Simonov und Kupffer für die Erforschung des Erdmagnetismus zu begeistern und als Mitarbeiter zu gewinnen. Es wurde vereinbart, dass Simonov und Kupffer an ihrer Universität in Kasan magnetische Beobachtungen durchführen sollten, und zwar an denselben Terminen wie in Paris. In seinem „Kosmos“ erinnerte sich Humboldt später wie folgt an die Anfänge dieser Zusammenarbeit: „Als Arago erkannt hatte, daß die durch Polarlicht bewirkten magnetischen Perturbationen sich über Erdstrecken verbreiten, wo die Lichterscheinung des magnetischen Ungewitters n i c h t gesehen wird, verabredete er gleichzeitige stündliche Beobachtungen 1823 mit unserem gemeinschaftlichen Freunde Kupffer in Kasan, fast 47° östlich von Paris“ (Humboldt 1845–1862: 4, S. 173). Adolph Theodor Kupffer erinnerte sich anlässlich seines Vortrages „Über magnetische und meteorologische Observatorien in Russland“, den er auf der Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Mainz im Jahre 1842 hielt, an den Beginn seiner Beschäftigung mit dem Erdmagnetismus: „Ich befand mich damals gerade in Paris, um Instrumente für ein in Kasan zu begründendes physicalisches Cabinet anzukaufen. Arago forderte mich auf, mich mit einer Gambey’schen Boussole für die täglichen Variationen der Abweichung zu versehen, um in Kasan correspondirende Beobachtungen über den besprochenen Gegenstand zu machen. Dies that ich denn auch, und so kamen die ersten correspondirenden Beobachtungen über die unregelmässigen Bewegungen der Magnetnadel an weit von einander entfernten Punkten zu Stande, und es wurde bewiesen, dass diese geheimnissvollen Bewegungen g l e i c h z e i t i g an sehr entfernten Orten eintreten“ (Kupffer, A. T. 1842a, S. 72).

3.2.3. Der erste magnetische Pavillon in Russland: Kasan 1825 Gleich nach seiner Rückkehr von Paris nach Kasan im Jahre 1824 versuchte Kupffer, angeregt durch die Pariser Beobachtungen und Pläne, die Errichtung eines magnetischen Pavillons für erdmagnetische Messungen auf dem Gelände der Universität Kasan durchzusetzen. Im Jahre 1825 wurde von einem Universitätsarchitekten ein erster Entwurf für einen derartigen Pavillon vorgestellt. Dabei ist kaum daran zu zweifeln, dass dieser Entwurf an die Pariser Einrich-

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tung angelehnt war. In der Tat war Kasan der zweite Ort nach Paris, an dem der Bau eines magnetischen Pavillons geplant und durchgeführt wurde. Ein kolorierter Entwurf eines magnetischen Pavillons aus dem Jahre 1825 wird im Nationalarchiv der Republik Tatarstan in Kasan aufbewahrt. Es handelt sich wahrscheinlich um eine der frühesten Darstellungen eines magnetischen Pavillons überhaupt (Abb. 2). Schließlich sollte es im Jahre 1828 in Kasan gelingen, diesen Pavillon fertigzustellen (Kupffer, A. T. 1842a; Honigmann 1984, S. 73). Nachdem Kupffer in eben diesem Jahr 1828 einen Ruf nach St. Petersburg angenommen hatte, war es Simonov, der nunmehr entweder allein oder mit Helfern in Kasan magnetische Beobachtungen durchführte.

Abb. 2. Entwurf eines Pavillons für erdmagnetische Messungen in Kasan aus dem Jahre 1825 Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. FMF, ʋ 141, 1. 4.

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In St. Petersburg angekommen, gelang es Kupffer alsbald, die Errichtung einer weiteren festen Beobachtungsstation zu erreichen, und zwar hinter der Mauer der Peter-Paul-Festung, auf der Nordseite. Diese Station wurde 1830 in Betrieb genommen. Kurze Zeit danach folgte auch Nikolajew am Schwarzen Meer. Hier wurde an dem dortigen Marineobservatorium ein Magnetisches Observatorium eingerichtet. Dank seinem großen Engagement erreichte Kupffer schon wenige Jahre später, dass in St. Petersburg 1834 auf dem Gelände des Instituts des Korps der Bergingenieure6 ein neues Magnetisches Observatorium errichtet und mit neuen Instrumenten ausgestattet wurde.

3.2.4. Humboldts magnetischer Pavillon in Berlin: 1827 Im Herbst 1826 kam Humboldt nach Berlin, um seine endgültige Rückkehr dorthin vorzubereiten. Seine Reise ging über Göttingen, wo er sich am 28. September 1826 mit Gauß traf. Gemeinsam führten sie erdmagnetische Messungen durch (Gauß 1841a, § 27). Während seines Aufenthaltes in Berlin setzte Humboldt im Garten des Schlosses Bellevue bei Berlin seine erdmagnetischen Messungen fort, und zwar am 18. November zusammen mit dem Astronomen Johann Franz Encke und am 1. Dezember zusammen mit Encke und Paul Erman.7 Nach seiner endgültigen Rückkehr nach Berlin im Mai 1827 richtete Humboldt im Herbst 1827 nunmehr auch in Berlin einen magnetischen Pavillon ein, das sogenannte magnetische Häuschen. In dem Band der „Annalen der Physik und Chemie“ von 1829 findet sich eine von Humboldt selbst gegebene Beschreibung seines Magnethäuschens: „Der Berliner Apparat, [...] ist gegenwärtig in dem großen Garten des Stadtraths M e n d e l s o h n B a r t h o l d y fast 400 Schritt von dem Wohnhause aufgestellt, in einem von Bäumen umgebenen Häuschen, welches nach der freundschaftlichen Anordnung des Geheimen Ober-Baurath [sic] S c h i n k e l eigends dazu aus Backsteinen erbaut ist, ohne alles Eisen, mit Nägeln, Hespen und Schloß von rothem Kupfer. Der Besitzer des Gartens hat, mit dem in seiner Familie gleichsam erblichen Interesse für Wissenschaften und geistige Bestrebungen, mit der größten Bereitwilligkeit die kleine Anlage gestattet, und den Beobachtern jede erwünschte Bequemlichkeit verschafft“ (Humboldt 1829a, S. 333). Als im September 1828 in Berlin die 7. Tagung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte stattfand, war Gauß Humboldts ganz persönlicher Gast. Auch hierbei wurden gemeinsam erdmagnetische Beobachtungen angestellt (Reich 2008). Während Humboldt der Meinung war, erst hier Gauß’ Interesse am Erdmagnetismus geweckt zu haben, ließ Gauß Humboldt am 13. Juni 1833 wissen: „Daß die unbedeutenden Versuche, die ich vor 5 Jahren 6 7

Die aus der Bergschule hervorgegangene Einrichtung hieß ab 1834 Institut des Korps der Bergingenieure (Amburger 1966, S. 471). Alexander von Humboldts Chronologie: http://www.bbaw.de/bbaw/Forschung/ Forschungsprojekte/avh/de/Blanko.2004-12-14.3730549301.

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bei Ihnen zu machen das Vergnügen hatte, mich der Beschäftigung mit dem Magnetismus zugewandt hätten, kann ich zwar nicht eigentlich sagen, denn in der That ist mein Verlangen danach so alt, wie meine Beschäftigung mit den exacten Wissenschaften überhaupt, also weit über 40 Jahr“ (Briefwechsel Humboldt–Gauß 1977, S. 46). Humboldt empfand dies als Kränkung und schrieb Gauß drei Jahre lang keine Briefe mehr. Gauß hatte aber Recht, denn tatsächlich lässt sich sein Interesse für den Erdmagnetismus bis in das Jahr 1803 hinein zurückverfolgen (Reich 2011b). Mit Humboldts Wechsel nach Berlin 1827 und Kupffers Wechsel nach St. Petersburg 1828 wurde das internationale Beobachtungsnetz erweitert. Durch Humboldts Anregungen wurden nunmehr weltweit großangelegte und regelmäßig stattfindende synchrone Beobachtungen in Gang gesetzt. Beispielsweise wurden vom 19. bis zum 20. Dezember 1829 gleichzeitig in Berlin, Freiberg, St. Petersburg, Kasan und Marmato in Kolumbien alle 20 Minuten Beobachtungen durchgeführt (Humboldt 1829a).8 Dabei wurde nach Humboldts Terminen und Methoden gearbeitet. Humboldt rief in Berlin einen Magnetischen Verein ins Leben, der von 1829 bis 1834 Bestand haben sollte (Honigmann 1984). Am 20. Januar 1829 schrieb Humboldt an Heinrich Christian Schumacher, den er am 8. Mai 1827 in Altona besucht hatte: „Mein magnet[isches] Haus mit Gambey’s stünd[lichem] Var[iations]Instrument ist in voller Thätigkeit, correspondirend mit Paris, Freiberg (unter der Erde) und Casan mit Instrumenten desselben Meisters“ (Briefwechsel Humboldt–Schumacher 1979, S. 38).

3.2.5. Die magnetischen Beobachtungen von Christopher Hansteen und Georg Adolf Erman in Russland: 1828–1830 Die wissenschaftliche Erforschung Sibiriens setzte sich auch im 19. Jahrhundert fort. Dabei gewannen die erdmagnetischen Beobachtungen zunehmend an Bedeutung, da man dieses Phänomen auch zu Lande erforschen wollte. Anfang des 19. Jahrhundert hatten Sibirienreisen überhaupt Hochkonjunktur. Schon bevor Humboldt im Jahre 1829 seine große Russland- bzw. Sibirienreise antrat, hatten zwei Wissenschaftler eine Forschungsexpedition nach Sibirien angetreten, nämlich Christopher Hansteen in Begleitung von Christian Due und Georg Adolf Erman. Christopher Hansteen Der Norweger Christopher Hansteen hatte sich bereits als junger Wissenschaftler ganz und gar der Erforschung des Erdmagnetismus verschrieben (Geelmuyden 1884). In seinem 1819 erschienenen Werk „Untersuchungen 8

Honigmann macht darauf aufmerksam, dass bei einigen Aufzählungen die Ergebnisse von Paris fehlen (Honigmann 1984, S. 76).

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über den Magnetismus der Erde“, das in der Gauß-Bibliothek vorhanden ist (Hansteen 1819; GB 856), vertrat er die These, dass es auf der Erde vier Magnetpole gebe, zwei auf der Südhalbkugel und zwei auf der Nordhalbkugel, wobei einer der beiden nördlichen Pole in Sibirien liegen müsse (Josefowicz 2002, S. 74–78). Friedrich Theodor Schuberts magnetische Beobachtungen, die dieser auf seiner Expedition bis an die Grenzen Chinas im Jahre 1805 angestellt hatte, schienen Hansteen dies zu bestätigen (Hansteen 1819, S. VIII). So war es für Hansteen ein großes Anliegen, sich selbst ein Bild zu machen. Im Jahre 1827 beschloss das norwegische Storthing, die Volksvertretung, die Reisekosten für eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Führung von Hansteen zu übernehmen. Am 24. Juli 1827 fragte der Berliner Physikprofessor Paul Erman bei Hansteen an, ob sein Sohn Georg Adolf als Assistent bei der Expedition mitwirken könne. Nachdem einer der Teilnehmer abgesagt hatte, konnte nunmehr der erst einundzwanzigjährige Georg Adolf Erman in die Reisegruppe eingegliedert werden. So reiste auch Erman auf Kosten des norwegischen Storthing. Hansteen verließ mit seiner Gruppe am 19. Mai 1828 Christiania, wobei ein reiches Instrumentarium an physikalischen Apparaten mitgenommen wurde. Von russischer Seite hatte insbesondere der Finanzminister Georg von Cancrin dafür gesorgt, dass diese Expedition problemlos verlaufen konnte. Die Reise führte zunächst nach St. Petersburg, dann ging es über Jekaterinburg am Ural, Tobolsk am Irtysch, Obdorsk am Ob nach Irkutsk an der Angara. Erman verließ die Reisegruppe Anfang Januar 1829 in Irkutsk. Der Weg der Hansteenschen Gruppe führte weiter nach Jenissejsk am Jenissej und weiter über Slatoust im mittleren Ural und Orenburg am Ural nach Astrachan, das an der Mündung der Wolga in das Kaspische Meer gelegen ist. Hansteens Reise endete in St. Petersburg, wo ihm von Kaiser Nikolaj I. und seiner Ehefrau Aleksandra Fëdorovna eine Audienz gewährt wurde. Daraufhin kehrte Hansteen nach Christiania zurück, wo er im Juni 1830 eintraf. Kurz davor, am 28. April/10. Mai 1830, war er zum Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt worden. Erste wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlichte Hansteen in den Jahren von 1829 bis 1831 in den „Annalen der Physik und Chemie“, in den „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“ und in den „Astronomischen Nachrichten“. Eine Beschreibung seiner Reise publizierte Hansteen zunächst in Teilstücken in einem norwegischen Volkskalender als sogenannten historischen Teil. Erst im Jahre 1854 erschien eine deutsche Übersetzung des gesamten Reiseberichts (Hansteen 1854). Die wissenschaftlichen Resultate wurden zunächst in mehreren Fachzeitschriften veröffentlicht, bevor sie 1863 als Ganzes unter dem Titel „Resultate magnetischer, astronomischer und meteorologischer Beobachtungen auf einer Reise nach dem östlichen Sibirien“ vorgestellt wurden (Hansteen/Due 1863). Inzwischen hatte Hansteen seine Ergebnisse auf die neuen Gaußschen Maßeinheiten umgerechnet.

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Ziel von Hansteens Sibirienreise waren in erster Linie magnetische Messungen gewesen, doch damit einher gegangen waren auch astronomische und meteorologische Beobachtungen, wie sich aus Hansteens Publikation von 1863 ergibt. Es war wohl Gauß, der sich zuerst brieflich an Hansteen wandte. Dies kann man dem ersten Brief Hansteens an Gauß entnehmen, der das Datum 4. April 1832 trägt. Dies geschah also etwa in der Zeit, als Gauß’ bahnbrechende Arbeit „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ entstand (Gauß 1833; Gauß 1841a). Insgesamt sind 11 Briefe von Hansteen an Gauß überliefert sowie 6 Briefe von Gauß an Hansteen, und zwar aus dem Zeitraum von 1832 bis 1854.9 Seinen letzten Brief vom 7. Juli 1854 richtete Gauß an seinen „Hochverehrten Freund“, eine Anrede, die er nur selten gebrauchte: „Ihr geehrtes noch aus den letzten Tagen des vorigen Jahres herstammendes Schreiben hat manche zum Theil wehmüthige Empfindungen in mir anklingen gemacht. Gern hätte ich Ihre interessanten magnetischen Mittheilungen mit ähnlichem erwiedert. Aber Inclinationsbeobachtungen hatte ich selbst seit 1842 nicht wieder angestellt, und magnetische Beobachtungen überhaupt werden seit Goldschmidts Tode10 bei hiesiger Sternwarte nur in beschränkterm Maasse ausgeführt.“11 Auch berichtete Gauß von gesundheitlichen Problemen, er sollte einige Monate später, am 23. Februar 1855, sterben. In dem Briefwechsel Gauß-Hansteens spielt der Erdmagnetismus die wichtigste Rolle, die Briefe sind es wert, veröffentlicht zu werden. Hansteen und Gauß kannten sich auch persönlich. Mindestens einmal hat Hansteen Gauß in Göttingen einen Besuch abgestattet, und zwar in der Zeitspanne von Ende August bis Anfang September 1839 (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 235, 268). Vom 28. August bis zum 10. September machte Hansteen in Göttingen erdmagnetische Beobachtungen, die später in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ veröffentlicht wurden (Hansteen 1841). Seine Daten sowie auch die Daten von zwei weiteren Beiträgen zum Erdmagnetismus hatte Hansteen Gauß am 22. Juli 1841 zukommen lassen.12 Dank einem Hinweis in einem Brief, den Kupffer am 28. Juli/9. August 1839 während seines Besuches in Göttingen dem General Čevkin geschrieben hat, kann man vermuten, dass Hansteen bei seinem Aufenthalt in Göttingen bei dem Instrumentenhersteller Meyerstein ein Gaußsches Magnetometer bestellt hatte: „L’instrument Nr. 2 est celui dont je vous ai dit, que l’acquisition devrait être nécessaire. Je n’en ai trouvé qu’un ici, qui était commandé par un astronome allemand dont j’ai oublié le nom“ (Rykačev 1900, S. 49*). Bei dem 9 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Hansteen, Nr. 1–11 und Gauß, Briefe B: Hansteen, Nr. 1–6. Der Brief von Gauß an Hansteen vom 29. Mai 1832 ist veröffentlicht worden (Gauß-Werke: 12, S. 138–144). 10 Benjamin Goldschmidt war 1851 gestorben. 11 Dieser Brief ist eine Abschrift. 12 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Hansteen, Brief Nr. 8. Veröffentlicht in: Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1840. Göttingen 1841, S. 59–63, 99–112, 113–118.

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Instrument Nr. 2 handelt es sich um das von Gauß und Weber gerade erfundene Bifilarmagnetometer (Rykačev 1900, S. 48*). Wahrscheinlich meinte Kupffer Hansteen, den er für einen deutschen Astronomen hielt. Hansteen veröffentlichte nicht nur die oben erwähnten, sondern auch noch eine weitere Arbeit in Gauß’ und Webers Zeitschrift „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“, und zwar im Jahre 1843. In der Gauß-Bibliothek befindet sich auch Hansteens „Beschreibung und Lage der Universitäts-Sternwarte in Christiania“, die folgende Widmung enthält: „[---] als ein Zeichen der Hochachtung vom Herausgeber“. Die erste Zeile dieser Widmung ist leider wegen Papierverlustes verlorengegangen (Hansteen 1849; GB 855). Georg Adolf Erman Georg Adolf Erman hatte an der Universität Berlin studiert und war dort bei dem Mathematiker Enno Heeren Dirksen im Jahre 1823 promoviert worden. Dirksen war ein Schüler von Gauß. Er hatte von 1817 bis 1820 an der Universität Göttingen studiert und wirkte danach an der Universität Berlin; 1824 wurde er dort Ordentlicher Professor für Mathematik. Erman und Hansteen lernten sich im Jahre 1825 in Berlin persönlich kennen (Kretschmar 1966, S. 65). Von besonderer Bedeutung für den jungen Erman war im Jahre 1827 ein Studienaufenthalt bei dem Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel in Königsberg (ebenda, S. 21–22), der Erman auch bei der Auswahl geeigneter astronomischer und magnetometrischer Instrumente für die Reise nach Russland beriet. In Berlin erhielt der junge Erman Unterstützung für seine Sibirienreise auch durch Alexander von Humboldt, der ihm ein Empfehlungsschreiben an den russischen Finanzminister Georg von Cancrin mitgab (ebenda, S. 89). Zusammen mit Hansteens Gruppe reiste Erman bis Irkutsk, wo er sich dann aber verabschiedete, um eigene Wege zu gehen. Seine Reise führte weiter nach Kjachta, Jakutsk, Ochotsk sowie nach Kamtschatka. Von dort reiste er über Sitka in Alaska nach Kalifornien; per Schiff ging es durch die Südsee über Rio de Janeiro nach Portsmouth, durch die Nord- und die Ostsee nach Kronstadt und von dort zurück nach Berlin, wo er 1830 ankam. Mit seiner Reise verfolgte Erman folgende wissenschaftliche Ziele: astronomische Ortsbestimmungen, magnetische, meteorologische und geognostische Beobachtungen sowie die Sammlung zoologischer und botanischer Objekte. Was die magnetischen Beobachtungen anbelangt, so ging es um „die Bestimmungen der Abweichung mittels des tragbaren Passage-Instruments, der Neigung und Intensität der magnetischen Kraft längs einer zwischen 67° Nördlicher und 60° Südlicher Breite gelegenen und sämmtliche Meridiane der Erde durchschneidenden Linie, so wie der täglichen Verändrungen welche diese Erscheinungen an verschiednen Orten erleiden“ (Erman 1833–1848: 1,1, S. XI–XV, hier S. XIV). Einen ersten Bericht über seine erdmagnetischen

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Beobachtungen veröffentlichte Erman bereits 1831 unter dem Titel „Ueber die Gestalt der isogonischen, isoklinischen und isodynamischen Linien im Jahre 1829, und die Anwendbarkeit dieser eingebildeten Curven für die Theorie des Erdmagnetismus“. Dieser Bericht wurde um eine Karte ergänzt (Erman 1831). Ermans gesamter Reisebericht „Reise um die Erde durch Nord-Asien und die beiden Oceane in den Jahren 1828, 1829 und 1830“, der von 1833 bis 1848 gedruckt wurde, besteht aus insgesamt sechs Bänden, drei Bänden mit dem „Historischen Bericht“, zwei Bänden mit „Physikalischen Beobachtungen“ und einem Atlasband. Im zweiten Band des „Historischen Berichts“ kommt Erman auf seinen Aufenthalt in Jakutsk im April 1829 zu sprechen (Erman 1833–1848: 1,2, S. 248–303). Er war dort nämlich mit dem damals berühmten und beliebten Schriftsteller Aleksandr Aleksandrovič BestuževMarlinskij zusammengetroffen, der nach dem Dekabristenaufstand von 1825 erst zum Tode verurteilt, schließlich aber nach Jakutsk verbannt worden war. Erman berichtet in seiner „Reise um die Erde“: „Eines Abends, wo viele Jakuten meinen astronomischen Beobachtungen zusahen, überraschten mich in der Finsternis französische Worte und die Frage eines Mannes, ‚ob wir uns sehen wollten, obgleich er Bestújew heiße‘? Ich beseitigte seinen Zweifel mit dem Sprichworte der Kosacken, daß zwar die Berge stehen, alle Menschen aber mit einander umgehen sollten, und erfreute mich darauf in meiner einsamen Wohnung eines ergreifenden Gespräches.“ Dann folgt eine längere Darstellung von Bestuževs Schicksal, dessen dennoch positiver Geisteshaltung und nach wie vor liberaler Gesinnung, für die Erman durchaus Verständnis zeigte (ebenda, S. 269–275; siehe auch Kretschmar 1966, S. 93–95). Mit einer solchen verständnisvollen Einstellung gegenüber einem Dekabristen hatte Erman keinerlei Chance, Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zu werden oder eine russische Auszeichnung für seine Verdienste zu erhalten (Kretschmar 1966, S. 34–37). Gauß kannte übrigens diese Stelle über Bestužev in Ermans Bericht, denn in Gauß’ Exemplar der „Gesamtausgabe der Werke A. Marlinskijs“ (GB 530) findet sich eine entsprechende Anmerkung von Gauß mit Bleistift: „Erman war in Jakutsk 1829 Apr 9–20 Ostern nach Altem Kalender war 1426 April“ (Lehfeldt 2011, S. 315, Nr. 15). Die wissenschaftlichen Ergebnisse Ermans waren laut seiner „Reise um die Erde“ sowohl den „Ortsbestimmungen und Declinationsbeobachtungen auf festem Lande“ als auch den „Inclinationen und Intensitäten“ sowie den „Declinationsbeobachtungen auf der See“ gewidmet. Er untersuchte auch „Periodische Declinationsveränderungen“ (Bände 2,1 und 2,2). Im Vorwort zu Band 2,2 ließ Erman seine Leser wissen: „Von den Inclinationen und Intensitäten welche, durch vorläufige und nur angenäherte Reductionen, aus diesen Beobachtungen folgten, habe ich im September 1837 eine Abschrift an Herrn Major Sabine mitgetheilt und bald darauf eine andere an Herrn Hofrath Gauß. Nach diesen Zahlen-Angaben sind aber dann, für Nord-Asien und für die Nord- und Süd-Hälfte des Großen- und des Atlantischen Oceans, die magnetischen Karten gezeichnet worden, durch welche der Unsterbliche Erfinder der

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Theorie des Erdmagnetismus die Wirklichkeit der einzigen Hypothese welche dieselbe involvirte erwiesen, und die 24 Constanten bestimmt hat, welche die abstrakte Theorie zu einer naturgemäß spezialisirten gemacht haben. Auch sind später, bei einer vorläufigen Vergleichung von 273 nach den Gauß’ischen Formeln berechneten Werthen mit beobachteten, von jenen angenäherten Angaben meiner Resultate bereits mehrere gedruckt worden“ (Erman 1833– 1848: 2,2, S. V–VI). Leider lässt sich im Gauß-Nachlass die von Erman erwähnte Abschrift von Beobachtungsdaten von 1837 nicht mehr finden. In der Gauß-Bibliothek befinden sich aber der Band 1,3 des „Historischen Berichts“, der mit einer Widmung „Herrn Geh. Hofrath C. F. Gauss, der Verf.“ versehen ist, sowie die Bände 2,1 und 2,2 des wissenschaftlichen Teils. Alle drei Bände stehen unter der Signatur GB 75. Es ist denkbar, dass Gauß, als er den 1841 veröffentlichten Band 2,2 erhielt, die von Erman geschickte Abschrift nicht länger aufbewahrt hat. Seit 1836 stand Erman in Briefwechsel mit Gauß; der letzte Brief trägt das Datum 5. Oktober 1851.13 Erhalten sind lediglich die Briefe von Erman an Gauß. In ihnen geht es fast ausschließlich um Erdmagnetismus. Erman berichtete Gauß im Detail über seine vor allem während der Russlandreise angestellten Beobachtungen sowie über seine diesbezüglichen Forschungsergebnisse. Auch diese Briefe warten noch auf ihre Publikation. Gauß übernahm zahlreiche Beobachtungsdaten von Erman, wenn auch diese nicht zur Gänze berücksichtigt werden konnten. So schrieb Gauß am 14. Januar 1839 an Schumacher: „Ich habe von etwa einem halben hundert Oertern die vollständigen magnetischen Elemente (Declination, Inclination und Intensität z u g l e i c h ) zusammenbringen können. Ich hätte die Anzahl vielleicht verdoppeln können aus Erman’s Sibirischen Bestimmungen, aus denen schon ziemlich viele unter jener Anzahl sind; allein es nützt mir nichts, aus Einer Gegend ein Uebermaass aufzunehmen“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 220). Erman und Gauß kannten sich auch persönlich. Am 19. Juni 1842 hatte Erman zusammen mit Bessel Gauß in Göttingen besucht (Briefwechsel Gauß– Schumacher 1862: 4, S. 76). Bessel war inzwischen Ermans Schwiegervater geworden, nachdem dieser 1834 Marie Bessel geheiratet hatte. Im Jahre 1839 wurde Gauß’ „Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus“ veröffentlicht. Erman schätzte diese Arbeit als einen „epochischen Zuwachs der Naturwissenschaften“, wie es in seiner 1874 erschienenen Arbeit „Grundlagen der Gaussischen Theorie und der Erscheinungen des Erdmagnetismus im Jahre 1829“ heißt (Erman/Petersen 1874, S. 1). In „Berghaus’ Physikalischem Atlas“ erschien im Jahre 1841 die Karte der b e o b a c h t e t e n Werte der Deklination, die Erman auf Grund der von 1827 bis 1831 durchgeführten Beobachtungen zusammengestellt hatte (Abb. 3). Auf der Grundlage der Theorie des Erdmagnetismus von Gauß gelang es Erman, aus seinen 1829 gewonnenen Beobachtungen eine neue Karte für die b e r e c h n e t e n Werte der Inklination, 13 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Erman, A., Nr. 1–12.

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der Deklination und der Intensität abzuleiten. Auf diesen Karten wurden ebenfalls die isoklinischen, die isogonischen und die isodynamischen Linien eingetragen. Diese Karten wurden allerdings erst im Jahre 1874 publiziert, 19 Jahre nach Gauß’ Tod.

Abb. 3. „Karte für die in den Jahren 1827–1831 beobachteten Werthe der Declination“ von Georg Adolf Erman, Gotha 1841 Aus Berghaus’ Physikalischem Atlas, Gotha 1845. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg.

3.2.6. Humboldts magnetische Messungen während seiner Russlandreise: 1829 Am 19. April/1. Mai 1829 kam Humboldt in der russischen Hauptstadt an, wo er zunächst bis zum 8./20. Mai blieb. Dort schlug er der Akademie der Wissenschaften vor, in St. Petersburg ein magnetisches Observatorium zu errichten, wobei sein in Berlin befindlicher magnetischer Pavillon als Vorbild dienen sollte (Kupffer, A. T. 1830, S. 91). Ein Jahr später schrieb Humboldt: „Auf meinen Antrag hat die Kaiserl[iche] Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg ein magnetisches Haus für den trefflichen Physiker Hrn. Prof. Kupffer bauen lassen“ (Dove/Humboldt 1830, S. 359–360). An Ort und Stelle sprach Humboldt mit Adolph Theodor Kupffer über die Fortsetzung von synchronen, in der damaligen Terminologie korrespondierenden Beobachtungen. Es sollte nicht nur in Berlin, Freiberg, Paris und Kasan, sondern auch in St. Petersburg und Nikolajew beobachtet werden, und zwar an den folgenden Ter-

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minen: 8. Juli, 5. August, 1. Oktober und 19. Dezember 1829 (ebenda, S. 364). Die Beobachtungen in St. Petersburg wurden zunächst im Physikalischen Kabinett der Akademie der Wissenschaften durchgeführt (ebenda, S. 363).14 Diesen Beobachtungen widmete Kupffer in seinem Bericht über die Expedition in den Kaukasus besondere Aufmerksamkeit (Kupffer, A. T. 1830, S. 90–101, 102–109). Humboldt und Kupffer besprachen in St. Petersburg auch die Veränderung der magnetischen Kraft mit zunehmender Höhe, die Humboldt unter anderem schon bei seiner Besteigung des Chimborazo in Ecuador,15 der damals als der höchste Berg der Erde galt, aufgefallen war. Dieses Phänomen erforderte noch weitere Untersuchungen. Bald darauf reiste Kupffer mit einer wissenschaftlichen Expedition in den Kaukasus. Diese Expedition war von der Akademie der Wissenschaften organisiert und von Kaiser Nikolaj I. finanziert worden. Eines der Ziele war die Besteigung des Elbrus, des höchsten Berges im Kaukasus. Schließlich sollten die von Kupffer auf Grund von Humboldts Anregung angestellten Messungen die wichtige, von Humboldt vermutete Gesetzmäßigkeit eindeutig beweisen: mit zunehmender Höhe nimmt die erdmagnetische Kraft ab. Das wurde in Kupffers Bericht über die Expedition „Voyage dans les environs du mont Elbrouz dans le Caucase“ festgehalten (Kupffer, A. T. 1830, S. 68–90). Nach Beendigung von Humboldts Sibirienreise und von Kupffers Kaukasusexpedition trafen sich die beiden Gelehrten im Spätherbst in St. Petersburg wieder. Es nimmt nicht Wunder, dass die erdmagnetischen Beobachtungen ein wichtiger und umfangreicher Bestandteil von Humboldts Reise durch Russland im Jahre 1829 waren. Diese Reise stand unter der Schirmherrschaft von Kaiser Nikolaj I., der für sie auch die Kosten trug.16 Am 26. Oktober/ 7. November 1829 hielt Humboldt auf Einladung der Kaiserlichen Gesellschaft der Naturforscher zu Moskau im Konferenzsaal der Moskauer Universität einen Vortrag, und zwar über seine Inklinationsbeobachtungen während der Reise. Dieser Vortrag erschien noch im selben Jahr im „Bulletin de la Société Impériale des Naturalistes de Moscou“ (Humboldt 1829c). Einer von Humboldts Reisebegleitern, der Berliner Mineraloge Gustav Rose, dokumentierte in seinem 1837 erschienenen Reisebericht (Rose 1837) zahlreiche magnetische Messungen, die von Humboldt durchgeführt worden waren. Die magnetische Messung in Kasan beschrieb Gustav Rose beispiels14 In der Veröffentlichung von Dove ist angegeben, dass die Beobachtungen in St. Petersburg von „Kupffer, Tarkhanoff und Fuß“, in Kasan „in einem besonders dazu erbauten Pavillon von Simonoff und Schestakoff“, in Nikolajew „in einem Zelt nahe der Sternwarte von Lenz, Knorre und Jasckewitz“ durchgeführt wurden (Dove/Humboldt 1830, S. 363). 15 Am 23.6.1802. 16 Nikolaj I. war mit der Prinzessin Friederike Luise Charlotte Wilhelmine verheiratet, der ältesten Tochter König Friedrich Wilhelms III. von Preußen, dessen Kammerherr Humboldt seit 1827 war.

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weise mit folgenden Worten: „Herr v o n H u m b o l d t benutzte den Vormittag um die Inklination der Magnetnadel in Kasan zu bestimmen [...]. Er beobachtete sie im Beisein des Hrn. Curators v o n M u s s i n - P u s c h k i n und des Hrn. S o i m o n o f f [sic, Simonov], und erhielt bei dieser Gelegenheit von dem erstern das Versprechen, dass in Kasan ein eigenes magnetisches Observatorium erbaut werden sollte.“ Rose betont in seinem Bericht, dass die Ergebnisse, die Arago in Paris und Kupffer in Kasan bei gleichzeitig durchgeführten Beobachtungen der Perturbationen des täglichen Ganges der Magnetnadel erlangt hatten, „zu der Erbauung so vieler m a g n e t i s c h e r H ä u s e r Veranlassung gegeben haben, welche auf Veranlassung des Hrn. v. H u m b o l d t seit 1828 in Europa und Nord-Asien gegründet worden sind“ (Rose 1837, S. 106–107). Humboldt selbst veröffentlichte seine Ergebnisse mehrfach in den Jahren von 1829 bis 1831 (Humboldt 1829c, 1830a, 1830b, 1831) und auch später noch. In seiner „Asie Centrale“ erschien eine tabellarische Zusammenstellung aller während der Reise angestellten Messungen, in der 27 Orte, einschließlich Berlin, Königsberg und Sandkrug bei Memel, genannt sind (Humboldt 1843: 3, zwischen S. 440–441). Hier folgt eine chronologische Zusammenstellung von Humboldts magnetischen Beobachtungen im Jahre 1829 gemäß der „Chronologie der russisch-sibirischen Reise“ (Briefwechsel Humboldt-Russland 2009, S. 45–52). Wie diese Zusammenstellung zeigt, hatte Humboldt in Russland an insgesamt 24 Orten Messungen ausgeführt: Datum17

Ort

8. Juni 1829 20. Juni 30. Juni 1. Juli 2. Juli 15. Juli 23. Juli 2. – 4. August 8. August 20. August 27. August 30. August 6. September 9. September 12. September 25. September

Kasan18 Goldgrube von „Berezowskij“ Nishnij Tagil Berg Blagodat’ bei Kuschwa19 Hüttenwerk in Nishnjaja Tura Jekaterinburg Tobolsk Barnaul Smejinogorsk Ust-Kamenogorsk Omsk Festung Petropawlowsk Miass Slatoust Kyschtym Orenburg

17 Datum nach dem Gregorianischen Kalender. 18 Die Messungen in Kasan führte Humboldt am 27.5./8.6.1829 gemeinsam mit Simonov und Lobačevskij durch. 19 Russ. Ƚɨɪɚ Ȼɥɚɝɨɞɚɬɶ = Gnadenberg.

80 28. September 4. Oktober 9. Oktober 15. Oktober 20. Oktober 29. Oktober 6. November 6. Dezember

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Uralsk Saratow Sarepta20 Insel „Birjuč’ja kosa“ in einem Wolga-Mündungsarm Astrachan Woronesh Moskau21 St. Petersburg22

Von Gauß wurden in seiner 1838 entstandenen „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ mehrere magnetischen Messungen erwähnt, die Humboldt 1829 in Russland vorgenommen hatte (Gauß 1839, S. 155–156). Jedoch beruhte die Bedeutung von Humboldts erdmagnetischen Beobachtungen während seiner Russlandreise nicht allein darauf, dass seine Ergebnisse später von Gauß verwendet wurden. Dank dem ausgezeichneten wissenschaftlichen Ruf Humboldts und seinen diplomatischen Fähigkeiten wurden sowohl weitere russische Gelehrte als auch die russische Regierung auf die Wichtigkeit der Erforschung des Erdmagnetismus aufmerksam. Dies förderte letztlich den Aufbau eines Netzes von magnetischen Beobachtungsstationen in Russland und die Beteiligung des Landes an der internationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Kupffer würdigte in seinem Vortrag im Jahre 1842 in Mainz Humboldts Engagement mit folgenden Worten: „Bald darauf bildete sich durch die unermüdliche Thätigkeit und den Einfluss Alex. v. Humboldts, dessen Name einen so erhabenen Platz in allen Zweigen der Physik der Erde einnimmt, ein Verein von Beobachtern, die es sich zur Aufgabe machten, an bestimmten Tagen des Jahres correspondirende Beobachtungen über die Variationen der Abweichung zu machen, und da sich Alex. v. Humboldt bald darauf, einer Einladung unseres Ministers der Finanzen, des Grafen Cancrin folgend, nach Russland begab, so forderte er die Petersburger Academie der Wissenschaften auf, dem deutschen Vereine beizutreten.23 Alle Vorbereitungen waren bereits getroffen; in Kasan war eben ein magnetischer Pavillon erbaut worden; die 20 Glaubensbrüder aus Herrnhut in der Oberlausitz übersiedelten im Jahre 1765 nach Südrussland und gründeten dort am Wolga-Ufer den Ort Sarepta, der sich später zu einer eigenständigen Stadt entwickelte. 21 Im Garten von Peter Eduard Einbrodt in der Nähe von Moskau. Einbrodt hatte an der Universität Moskau Anatomie studiert und wurde dort 1829 Außerordentlicher Professor. Im Jahre 1832 wurde er Nachfolger des berühmten Justus Christian Loder, der Leibarzt des Kaisers Alexander I. gewesen war und an der Universität Moskau lehrte. Bereits in seiner Jugend hatte der in Riga geborene Loder den dritten Teil der 1772 erschienenen „Lettres à une princesse d’Allemagne“ von Leonhard Euler (Euler 1768/ 72) ins Deutsche übersetzt. Humboldt war mit Loder gut bekannt, die beiden verbanden gemeinsame wissenschaftliche Interessen. 22 Im Botanischen Garten auf der Apothekerinsel zusammen mit A. T. Kupffer. 23 Gemeint ist der 1829 von Humboldt in Berlin gegründete Magnetische Verein (vgl. Honigmann 1984).

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Petersburger Academie, in deren Mitte ich in der Zwischenzeit versetzt worden war, hatte bereits meine Vorschläge in Betreff des Baues eines magnetischen Pavillons in St. Petersburg genehmigt, und es war nur noch die Erlaubnis der Regierung zur Verwendung der nöthigen Summen einzuholen; Alex. v. Humboldts Einfluss beschleunigte nicht nur die eingeleiteten Verhandlungen, sondern machte auch, dass neue Beobachtungspunkte hinzukamen, in Nicolaiff, Sitka, Catharinenburg, Barnaul und Nertschinsk“ (Kupffer, A. T. 1842a, S. 72–73).

3.2.7. Bergbesteigungen und magnetische Messungen in Russland Alexander von Humboldt hatte mit seiner Besteigung hoher Berge in Südund in Mittelamerika neue Maßstäbe gesetzt, vor allem mit der Besteigung des ruhenden Vulkans Chimborazo (6.310/6.267 m) am 23. Juni 1802, auch wenn der Gipfel nicht ganz erreicht worden war. Die Bergbesteigungen während Humboldts Amerikanischer Reise von 1799 bis 1804 sowie seine Bergwanderungen und -besteigungen in den Alpen, in den Pyrenäen, aber auch im Fichtel- und im Erzgebirge sowie anderswo wurden mit wissenschaftlichen Zielsetzungen unternommen. Es wurden wissenschaftliche Instrumente mitgenommen und mannigfache Messungen von Temperatur, Luftdruck usw. durchgeführt. Ferner wurden zahlreiche Beobachtungen zur Tier- und zur Pflanzenwelt, über Mineralogie, Wetter usw. angestellt und dokumentiert. Berge mit über 5.000 m Höhe gibt es in den Alpen (höchster Gipfel Mont Blanc 4.810 m) und in den Pyrenäen (Pico de Aneto 3.404 m) nicht, wohl aber im Kaukasus mit dem erloschenen Vulkan Elbrus als höchstem Gipfel (5.642 m). Die Interessen der Naturforscher waren auch auf den siebthöchsten Berg des Kaukasus, den Kasbek (5.047 m), sowie auf den Berg Ararat (5.137 m) im Armenischen Hochland gerichtet. Beide sind ebenfalls erloschene Vulkane. Humboldt war mit Sicherheit das Vorbild, als die Dorpater Physiker Moritz von Engelhardt und Friedrich Parrot im September 1811 wahrend einer Expedition ins südliche Russland den Fünftausender Kasbek im zentralen Kaukasus zu besteigen versuchten. Für die Wissenschaftler standen bei dieser gesamten Expedition physikalische Messungen und Beobachtungen der Mineralien sowie der Tier- und der Pflanzenwelt im Vordergrund. Schließlich veröffentlichten sie ein Bergprofil (Engelhardt/Parrot 1815), in dem die Vegetationsstufen des Elbrus und des Kasbek, nach Höhenlagen gegliedert, dargestellt waren (Abb. 61). Diese Darstellung der kaukasischen Pflanzenwelt war ganz an Humboldts berühmtes „Naturgemälde der Anden“ angelehnt (Engelhardt/Parrot 1815; siehe S. 572–573). Die Prüfung der Frage nach der Veränderung der magnetischen Erdkraft in verschiedenen Höhen war schwierig, weil in den Bergen die magnetischen Eigenschaften verschiedener Gesteinsarten die Zuverlässigkeit der Messergebnisse beeinträchtigen (Balmer 1956, S. 203–205). Jedoch hatte Humboldt schon bei den Bergbesteigungen in Süd- und in Mittelamerika als einer der

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ersten Forscher die Vermutung geäußert, dass die magnetische Erdkraft mit der Höhe abnehme. Dank Humboldts wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Zusammenhang mit seiner Amerikanischen Reise wurden seine Ansichten über dieses Problem bekannt und von mehreren Wissenschaftlern überprüft. Die Ergebnisse waren zunächst widersprüchlich. Im „Kosmos“ behandelt Humboldt diese Frage: „Nimmt die Intensität der Erdkraft in uns erreichbaren Höhen bemerkbar ab? […] Meine eigenen Gebirgs-Beobachtungen zwischen den Jahren 1799 und 1806 haben mir die Abnahme der Erdkraft mit der Höhe im ganzen w a h r s c h e i n l i c h gemacht, wenn gleich (aus den oben angeführten Störungs-Ursachen) mehrere Resultate dieser vermutheten Abnahme widersprechen“ (Humboldt 1845–1862: 4, S. 93–94). Um diese Annahme zu überprüfen, wurden bei weiteren Bergexpeditionen nunmehr ebenfalls magnetische Instrumente eingesetzt. Bei seinen Messungen im Jahre 1829 im Kaukasus hatte Kupffer die Abnahme der magnetischen Intensität mit zunehmender Höhe deutlich festgestellt (Kupffer, A. T. 1830, S. 68–90; Balmer 1956, S. 205). In demselben Jahr 1829 bestieg Friedrich Parrot, Professor für Physik in Dorpat, den legendären Berg Ararat im Armenischen Hochland. Auch Parrot war mit magnetischen Instrumenten ausgerüstet. Die Ergebnisse dieser Reise veröffentlichte Parrot erst 1834 in seinem in Berlin erschienenen Werk „Reise zum Ararat“ (Parrot, F. 1834a: 2, S. 4–5, 53–65), das ein Kapitel „Magnetische Beobachtungen“ enthält (siehe S. 574–576). In seinem „Kosmos“ bestätigte Humboldt, dass Kupffer im Kaukasus sowie andere Wissenschaftler in vielen Teilen von Europa, zum Beispiel auf dem Canigou in den Pyrenäen, auf dem Faulhorn und nahe dem Gipfel des Mont Blanc in den Alpen, „die mit der Höhe abnehmende Intensität des Magnetismus bemerkt“ hätten (Humboldt 1845–1862: 4, S. 95).

3.2.8. Georg Fuß’ und Alexander Bunges Reise nach Sibirien und China: 1830–1832 Wahrscheinlich hatte bereits Paul Schilling von Canstadt anlässlich seiner Reise in die Mongolei und nach China während der Jahre 1830 bis 1832 auch erdmagnetische Messungen vorgenommen, denn er ließ in Nertschinsk sein magnetisches Beobachtungsinstrument zurück (Fuß, G. 1838, S. 102–103). Schilling war mit Alexander von Humboldt gut bekannt, den er noch von München und Paris her kannte. Auch im Jahre 1829 hatte sich Schilling mehrmals mit Humboldt in St. Petersburg getroffen. Darüber hinaus ist auch belegt, dass Schilling im Besitz einer Gambeyschen Bussole gewesen ist und Messungen der magnetischen Inklination angestellt hat. Doch hauptsächlich war Schillings Reise dem Aufspüren von tibetischen, mongolischen, chinesischen und mandschurischen Handschriften gewidmet (siehe S. 605–606).

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Gleichzeitig mit Schillings Expedition finanzierte die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg eine weitere Reise, die Georg Fuß und Alexander Bunge von 1830 bis 1832 unternahmen. Der Astronom Georg Fuß war ein jüngerer Bruder des Ständigen Sekretärs der Akademie, Paul Heinrich Fuß, und ein Urenkel von Leonhard Euler. Der in Kiew geborene Mediziner und Botaniker Bunge hatte in Dorpat studiert und war vor Antritt der Expedition als Arzt in Barnaul und im Gebiet der Kolyma tätig gewesen. Im Jahre 1829 hatte er in Barnaul mit Alexander von Humboldt Bekanntschaft geschlossen, der damals diese Gegend bereiste (ADB: 47, S. 363). Auf eine Empfehlung Humboldts erhielt Bunge die Weisung, sich der russischen Geistlichen Mission nach Peking als Arzt anzuschließen,24 der er auch nachkam. Zu den wichtigen Aufgaben der wissenschaftlichen Reise, die Fuß und Bunge durch Sibirien nach China führte, zählten geographische Beobachtungen mit einem Passageninstrument und mit einem Sextanten, Beobachtungen, bei denen die Abweichung, die Neigung und die Intensität des Erdmagnetismus bestimmt werden sollten, sowie orognostische,25 barometrische und thermometrische Beobachtungen (Fuß, G. 1838, S. 61). Die instrumentelle Ausstattung der Expedition war vorzüglich. Für die magnetischen Messungen führte man ein Inklinatorium mit zwei Nadeln und ein Deklinatorium mit sich, wobei beide Instrumente aus der Werkstatt von Gambey in Paris stammten. Dazu kam noch eine kleine Boussole, die nach Bessels Rat am Passageninstrument angebracht war. Fuß kannte die Ergebnisse der Beobachtungen von Johann Georg Gmelin, die dieser um 1735 während der Zweiten Kamtschatkaexpedition26 gewonnen hatte, sowie die von Christopher Hansteen erst kurz vorher in Sibirien ermittelten Messdaten (Fuß, G. 1838, S. 95, 97). Die Expedition von Fuß und Bunge begann in Wladimir und führte über Nishnij Nowgorod, Kasan, Perm, Jekaterinburg, Omsk, Tomsk nach Irkutsk und schließlich nach Peking, wo sich die Forscher von Dezember 1830 bis Juli 1831, also insgesamt acht Monate lang, aufhielten. Dort wurde Ende des Jahres 1830 ein magnetisches Observatorium eingerichtet und wurden stündlich die Variationen der Magnetnadel beobachtet. Georg Fuß beschreibt die in Peking vorgenommenen Untersuchungen wie folgt: „Bald nachdem die Ausführung der allgemeinen correspondirenden Beobachtungen der stündlichen Variationen der Magnetnadel in Gang getreten war, begannen auch an diesem Orte regelmässige Versuche darüber mit der Abweichungsnadel. Zu diesem Behufe wurde zu Ende des Jahres 1830 im Hôtel der Kaiserlich-Russischen Mission mit möglichster Zweckmässigkeit ein magnetisches [sic] Pavillon errichtet, und 24 Die russische Geistliche Mission in Peking wurde etwa alle zehn Jahre abgelöst. 25 Orognosie = Gebirgskunde. 26 Die sogenannte Zweite Kamtschatkaexpedition stand unter Ägide der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Sie dauerte von 1733 bis 1743 und diente der Erforschung Sibiriens, der nördlichen Gebiete des Russländischen Imperiums sowie der Erkundung der Seewege von Ostsibirien nach Nordamerika und Japan.

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das Gambey’sche Declinatorium zum zehnjährigen Gebrauche demselben übergeben. Der Ort ist sehr günstig, das Hôtel ist nach Chinesischer Bauart allerseits von hohen Steinmauern umgeben, und enthält in sich fast gar kein Eisen. Damit der Beobachter zugleich Bestimmungen der Abweichung von Zeit zu Zeit auszuführen im Stande wäre, wurde an einer mehr abgelegenen Mauer eine feste Marke zur Auffindung des Meridians errichtet. Ausser den von mir angestellten Variations-Beobachtungen im December 1830 und im März 1831, theile ich zugleich die mir von dem Beobachter Herrn Markscheider Kowanjko27 zugesandten, denselben Monaten des Jahres 1831 und 1832 gehörigen Variationen, mit“ (Fuß, G. 1838, S. 100–101). Auf dem Rückwege ging in Nertschinsk eines der magnetischen Instrumente zu Bruch. Es erwies sich als großer Vorteil, dass Paul Schilling von Canstadt ein derartiges Instrument in Nertschinsk zurückgelassen hatte, so dass die Expedition weiterhin Beobachtungsdaten sammeln konnte. Georg Fuß berichtet, dass das Instrument von Schilling in Kolpino bei St. Petersburg hergestellt worden und nur von mittelmäßiger Qualität gewesen sei (ebenda, S. 102– 103). Wie die von Fuß mitgeteilten Daten zeigen, wurden insgesamt an 83 Orten magnetische Messungen durchgeführt (ebenda, S. 109–112). Die Expeditionsteilnehmer überquerten sechsmal Linien ohne Deklination. Eine dieser schleifenartigen Linien ohne Abweichung lag im europäischen, eine weitere im asiatischen Teil von Russland. Gauß kannte diese oben erwähnte Veröffentlichung von Georg Fuß „Geographische, magnetische und hypsometrische Bestimmungen, abgeleitet aus den Beobachtungen auf einer Reise, die in den Jahren 1830, 1831 und 1832 nach Sibirien und dem chinesischen Reiche [...] unternommen wurde“ in den „Mémoires“ der Akademie in St. Petersburg (Fuß, G. 1838) und hat aus dieser einige Beobachtungsdaten für seine Theorie des Erdmagnetismus entliehen (Gauß 1839, S. 40). Die Veröffentlichung von Fuß wurde von einer geographischen „Karte der Magnetischen Inklination und Intensität in Südost-Sibirien und in der Mongolei“ begleitet, in der 57 Messorte eingezeichnet waren. Eine Kurzversion seiner Ergebnisse, jedoch ohne Karte, hatte Fuß bereits 1834 in den „Astronomischen Nachrichten“ veröffentlicht (Fuß, G. 1834).

3.3. Die Fortsetzung 1833–1843: Carl Friedrich Gauß Gauß’ Arbeiten über den Erdmagnetismus lieferten eine neue Grundlage für die Erforschung dieses Phänomens und leiteten eine neue Epoche in dessen 27 Aleksej Ivanovič Kovan’ko, Hüttenverwalter und Bergingenieur, wurde im Zusammenhang mit Humboldts Russlandsreise erwähnt (Rose 1837, S. 384). Kovan’ko hielt sich von 1830 bis 1837 in der russischen Geistlichen Mission in Peking auf. Er erlernte die chinesische Sprache und erkundete China auch in naturwissenschaftlicher Richtung.

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Erforschung ein. Gauß hat gemäß den trefflichen Worten der russischen GaußForscherin T. N. Roze die Geschichte des Erdmagnetismus in zwei Epochen geteilt: „vor Gauß“ und „nach Gauß“ (Roze 1952, S. 286). Dies gilt auch für Russland.

3.3.1. Gauß’ „Intensitas“ (1833) und ihre Folgen Im September 1828 nahm Gauß an der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin teil, die unter der Ägide Alexander von Humboldts stattfand. Auch der junge Physiker Wilhelm Weber war nach Berlin gereist. Das Zusammentreffen von Gauß, Humboldt und Weber in Berlin sollte weitreichende Folgen zeitigen (Reich 2008). Im April 1831 erhielt Weber einen Ruf als Professor der Physik an die Universität Göttingen, und bereits im Herbst 1831 nahm er in Göttingen seine Tätigkeit auf. Damit begann nicht nur seine Zusammenarbeit mit Gauß, sondern auch die lebenslange Freundschaft zwischen diesen beiden herausragenden Wissenschaftlern. Am 15. Dezember 1832 stellte Gauß den Inhalt seiner bahnbrechenden Arbeit „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen vor. Die Abhandlung selbst erschien zunächst 1833 in der deutschen Übersetzung von Johann Christian Poggendorff (Gauß 1833) und erst 1841 in der lateinischen Originalfassung (Gauß 1841a). Die Arbeit war so bedeutend, dass sie alsbald in mehrere Sprachen übersetzt wurde, so auch ins Russische (siehe S. 113–114). Ferner gelang Gauß im Jahre 1833 die Erfindung eines neuen Instrumentes für magnetische Beobachtungen, des Unifilarmagnetometers. Später konnten Gauß und Weber dieses Instrument noch verbessern, indem sie es zu einem Bifilarmagnetometer weiterentwickelten. Noch in demselben Jahr wurde in Göttingen damit begonnen, auf dem Sternwartengelände ein Magnetisches Observatorium zu errichten. Der Bau war im Herbst 1833 abgeschlossen, die instrumentelle Ausstattung folgte unverzüglich. Bereits in den ersten Monaten des Jahres 1834 konnte dort mit den Beobachtungen begonnen werden (Gauß 1834a und b). Dieses Gebäude, das sogenannte „Gauß-Haus“, existiert noch heute in Göttingen, wenngleich nicht mehr am ursprünglichen Ort. Gauß und Weber gründeten in Göttingen einen Magnetischen Verein, der den von Humboldt ins Leben gerufenen Magnetischen Verein in Berlin ablöste (Wiederkehr 1964). Bereits seit 1834 konnten Gauß und Weber die Aufgabe übernehmen, die aus aller Welt eintreffenden Beobachtungsdaten zu koordinieren und zu sammeln. Diese wurden von den beiden Forschern auch wissenschaftlich bearbeitet. So wurde der Göttinger Magnetische Verein zum Mittelpunkt eines großen internationalen Projektes zur Erforschung der zeitlichen und der räumlichen Veränderungen des Erdmagnetismus. Göttingen war das neue Zentrum. In der SUB Göttingen befinden sich 15 Kartons, die die

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Materialien des Magnetischen Vereins enthalten.28 Die Inhalte dieser Kartons sind bislang kaum zur Kenntnis genommen worden, sie wurden noch nicht wissenschaftshistorisch ausgewertet. Gauß und Weber gründeten ferner die Zeitschrift „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“, die für die Jahre 1836 bis 1841 herauskam. Adolph Theodor Kupffer, der seit 1828 als Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg wirkte, begriff sofort die bahnbrechende und fundamentale Bedeutung von Gauß’ Arbeiten. Noch im Jahre 1833 reiste er nach Göttingen, um Gauß und Weber einen Besuch abzustatten. Sein Ziel war es, die neuen Methoden für erdmagnetische Messungen kennenzulernen, um diese in Russland flächendeckend anwenden zu können. Das galt zunächst für St. Petersburg, Kasan, Nikolajew und sogar für Peking, wo zuvor feste Beobachtungsstationen errichtet worden waren (siehe S. 367–369). Tatsächlich wurden seit 1835 alle Beobachtungen in Russland gemäß den neuen Regeln von Gauß durchgeführt. Und zwar wurden an vorher bekanntgemachten Terminen jeweils 24 Stunden lang alle 5 Minuten drei Elemente des Erdmagnetismus registriert: die Deklination, die Inklination und die Horizontalintensität. Die russischen magnetischen Observatorien und Beobachtungsstationen wurden mit Magnetometern von Gauß und Weber ausgestattet. Einige Instrumente wurden in Göttingen von dem Instrumentenhersteller Moritz Meyerstein angefertigt. So berichtete Gauß im August 1836 Humboldt nach Berlin: „Der für Casan bestimmte Apparat wird vielleicht schon im nächsten Monat vollendet sein“ (Briefwechsel Humboldt–Gauß 1977, S. 54). Ein weiteres Angebot für die Anfertigung von Magnetometern wurde von der Firma Breithaupt in Kassel unterbreitet.29 Ein Teil der Instrumente wurde nach Gauß-Weberschen Modellen in St. Petersburg von dem Instrumentenhersteller der Mechanischen Kammer der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Theodor Girgensohn, angefertigt. Anlässlich der Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Mainz im Jahre 1842 betonte Kupffer in seinem Vortrag die Priorität Russlands, was die Einführung der Methode von Gauß betrifft: „Was blieb nun noch zu thun übrig? Die neue Methode [von Gauß] in einem grossen Massstabe anzuwenden, und mit Hülfe derselben nicht nur die unregelmässigen Bewegungen der Nadel, sondern überhaupt alle ihre Bewegungen zu erforschen. Dieses ist zuerst in Russland zur Ausführung gekommen [...]“ (Kupffer, A. T. 1842a, S. 73). Die Umstellung auf die Methode von Gauß fasst Kupffer wie folgt zusammen: „Aber alle diese Beobachtungen [vor 1833] betrafen nur die Variationen der Declination und wurden nur achtmal im Jahre während 44 Stunden und mit den damaligen jetzt veralteten Instrumenten vorgenommen. So stand es mit dem Erdmagnetismus, als Gauss seine erfolgrei28 SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein, Erdmagnetische Messungen (1832–1861). Hier befinden sich auch Beobachtungsdaten aus Russland. 29 Astronomische Nachrichten 12 (Nr. 275), 1835, Sp. 183.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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chen Arbeiten bekannt machte: er gab uns ein neues Mittel, die Intensität zu bestimmen, und verbesserte unsere alten Beobachtungsmethoden; er organisierte einen neuen Verein, der nur sechsmal des Jahres und nur 24 Stunden hindurch, aber von 5ƍ zu 5ƍ beobachtete, da die früheren Beobachtungen in Russland nur von 20ƍ zu 20ƍ, und in Deutschland von Stunde zu Stunde gemacht worden waren. Die Zeit der Beobachtungen wurde nach demselben Meridian (dem Göttinger) regulirt, so dass sie absolut gleichzeitig waren. Diese Beobachtungen bewiesen abermals und genauer, aber freilich in keinem so grossen Massstabe, die Aehnlichkeit der unregelmässigen Bewegungen der Nadel auf entfernten Punkten“ (ebenda, S. 73). Diese neue Methode von Gauß fand selbstverständlich auch in die um die Mitte der 1830er Jahre gegründeten magnetischen Observatorien in Jekaterinburg, Barnaul und Nertschinsk Eingang.

3.3.2. Gauß’ Theorie des Erdmagnetismus: 1838–1840 In der Geschichte der Erforschung des Erdmagnetismus war es ein besonderes Ereignis, ein großer Meilenstein, als es Gauß im Jahre 1838 gelang, über dieses Phänomen eine neue Theorie aufzustellen. Diese erschien 1839 unter dem Titel „Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus“ in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ zu Göttingen. Hier formulierte Gauß seine Ziele wie folgt: „In der gegenwärtigen Abhandlung werde ich die allgemeine Theorie des Erdmagnetismus, unabhängig von allen besondern Hypothesen über die Vertheilung der magnetischen Flüssigkeiten im Erdkörper, entwickeln, und zugleich die Resultate mittheilen, welche ich aus der ersten Anwendung der Methode erhalten habe. So unvollkommen diese Resultate auch sein müssen, so werden sie doch einen Begriff davon geben können, was man hoffen darf in Zukunft zu erreichen, wenn einer feinern und wiederholten Ausfeilung derselben erst zuverlässige und vollständige Beobachtungen aus allen Gegenden der Erde werden unterlegt werden können“ (Gauß 1839, S. 5; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 125).30 Das bedeutet, dass sich Gauß auf keinerlei Spekulationen über die Ursachen der erdmagnetischen Kraft einließ. Dann fuhr er fort: „Die Grundlage unsrer Untersuchungen ist die Voraussetzung, daß die erdmagnetische Kraft die Gesammtwirkung der magnetisirten Theile des Erdkörpers ist. Das Magnetisirtsein stellen wir uns als eine Scheidung der magnetischen Flüssigkeit vor: diese Vorstellungsweise einmahl angenommen, gehört die Wirkungsart dieser Flüssigkeiten (Abstoßung oder Anziehung des Gleichnamigen oder Ungleichnamigen im verkehrten Verhältniß des Quadrats der Entfernung) zu den erwiesenen physikalischen Wahrheiten. […] Zur Abmessung der magnetischen Flüssigkeiten legen wir, wie in der Schrift Intensitas vis magneticae etc. diejenige Quantität nordlichen Fluidums als 30 Die Zitate orientieren sich an den Originalpublikationen und nicht an der Werkausgabe. In dieser hielt man sich nicht unbedingt an die Schreibweise im Original.

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positive Einheit zum Grunde, welche auf eine eben so große Quantität desselben Fluidums in der zur Einheit angenommenen Entfernung eine bewegende Kraft ausübt, die der zur Einheit angenommenen gleich ist. Wenn wir von der magnetischen Kraft, welche in irgend einem Punkte des Raumes, als Wirkung von anderswo befindlichem magnetischen Fluidum, schlechthin sprechen, so ist darunter immer die bewegende Kraft verstanden, welche daselbst auf die Einheit des positiven magnetischen Fluidums ausgeübt wird“ (Gauß 1839, S. 6–7; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 126–127). Die wichtigste Neuerung war, dass Gauß hier eine Potentialfunktion einführte, ohne diese allerdings zu benennen: „Man denke sich das ganze Volumen der Erde, so weit es freien Magnetismus, d. i. geschiedene magnetische Flüssigkeiten enthält, in unendlich kleine Elemente zerlegt, bezeichne unbestimmt die in jedem Elemente enthaltene Menge freien magnetischen Fluidums mit dμ, wobei südliches stets als negativ betrachtet wird; ferner mit ρ die Entfernung des dμ von einem unbestimmten Punkte des Raumes, dessen rechtwinklige Coordinaten x, y, z sein mögen, endlich mit V das Aggregat der dP U mit verkehrtem Zeichen durch die Gesammtheit aller magnetischen Theilchen der Erde erstreckt, oder es sei dP

V = ³ U . Es hat also V in jedem Punkte des Raumes einen bestimmten Werth, oder es ist eine Function von x, y, z, oder auch von je drei andern veränderlichen Grössen, wodurch man die Punkte des Raumes unterscheidet“ (Gauß 1839, S. 8; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 127–128). V Im Folgenden entwickelte Gauß den Ausdruck für R in eine Summe mit 24 Koeffizienten, die er als „Elemente der Theorie des Erdmagnetismus“ betrachtete (Gauß 1839, S. 31–33; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 150–152). Damit, so Gauß, „scheint die Übereinstimmung zwischen Rechnung und Beobachtung allen billigen Erwartungen zu genügen, die man von einem ersten Versuche V haben durfte. Unser Ausdruck R darf also wohl als der Wahrheit nahe kommend betrachtet werden“ (Gauß 1839, S. 43; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 162). Gauß stützte seine Theorie auf Beobachtungen aus insgesamt 91 Punkten aus aller Welt (Abb. 4), die er der geographischen Breite nach anordnete (Gauß 1839, S. 36–39; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 158–161). Für jeden Punkt gab Gauß außerdem die Länge, die berechnete und die beobachtete Deklination, die berechnete und die beobachtete Inklination sowie die berechnete und die beobachtete Intensität samt den jeweiligen Differenzen zwischen Beobachtung und Berechnung an. Der nördlichste Punkt der Datensammlung war die Insel Spitzbergen im Nordpolarmeer (+79° 50ƍ Breite). Der südlichste Punkt lag auf dem südamerikanischen Festland, es handelte sich um den Port Famine auf der Brunswick-Halbinsel (–53° 38ƍ Breite). Ein weiterer südlicher Punkt befand sich im Südatlantik auf den Falklandinseln (–51° 32ƍ Breite).

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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Fast die Hälfte aller von Gauß in seiner Theorie genannten Orte lag entweder in Russland, oder es waren von Russland betriebene Stationen in der Mongolei und in China.31 Nach eigenen Angaben verdankte Gauß diese Daten vor allem Hansteen, Erman, Humboldt, Georg Fuß, Fëdorov32 und Reinke33 (ebenda, S. 40–41; 154–155). Was die Unterschiede zwischen den berechneten und den beobachteten Werten anbelangt, so waren diese meistens klein; es gab aber auch Unterschiede in der Deklination bzw. der Inklination, die mehr als 5° betrugen. Für einen ersten Versuch schien Gauß „die Übereinstimmung zwischen Rechnung und Beobachtung allen billigen Erwartungen zu genügen“. Im Folgenden leitete er daraus die Magnetpole sowie die „magnetische Axe“ ab. Gauß wertete aber die Ergebnisse eben nur als ersten Versuch. Es war ihm klar, dass die Beobachtungsdaten eigentlich viel höheren Anforderungen genügen müssten, wie sie damals aber nur an wenigen Punkten erfüllt werden konnten. Auch müssten diese Daten von den unregelmäßigen Bewegungen gereinigt und genau für einen und denselben Zeitpunkt gelten (Gauß 1839, S. 43, 48; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 162, 167). Ferner erläuterte Gauß mögliche Modifikationen, mit denen seine Theorie in Zukunft noch verbessert werden könnte. Als Ergänzung zur „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ publizierten Gauß und Weber im Jahre 1840 unter Mitwirkung von Benjamin Goldschmidt den „Atlas des Erdmagnetismus nach den Elementen der Theorie entworfen“, der als Supplementband zu den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ erschien (Gauß/Weber 1840). Dieser Band besteht neben einer ausführlichen Erklärung aus 17 Karten und vier Tafeln. Ziel war es, eine anschauliche Übersicht über die Ergebnisse zu liefern, die bereits in der „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ vorgestellt worden waren. In den Karten I und II sind die von Gauß so genannten Gleichgewichtslinien eingezeichnet, die man heute als Äquipotentiallinien bezeichnet (Abb. 5). Es sind dies die ersten Darstellungen dieser Linien auf der Erdoberfläche (Reich 2011b). Bei der Karte VII für die Linien gleicher westlicher Intensität nach Mercators Projektion sowie bei der Karte VIII für die Linien gleicher westlicher Intensität nach stereographischer Projektion hatten Gauß und Weber sogar die Hilfe eines russischen Wissenschaftlers in Anspruch nehmen können. Dieser, der junge Astronom an der Sternwarte in Moskau, Aleksandr Nikolaevič Drašusov, besuchte nämlich anlässlich einer Fortbildungsreise auch Gauß in Göttingen und half diesem auch bei den Rechnungen. Gauß sprach ihm im „Atlas“ seinen Dank für die „gefällige Beihülfe“ aus (Gauß/Weber 1840, 31 Im Nachtrag zur „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ nannte Gauß die Beobachtungsdaten von weiteren 72 Stationen, darunter befanden sich fünf, die in Russland lagen, nämlich Turuchansk, Wiljuisk, Bogoslowskoie, Jeniseisk, Semipalatinsk und Sitka. Die Daten hatte Hansteen Gauß zukommen lassen (Gauß-Werke: 5, S. 178–179). 32 Vasilij Fëdorovič Fëdorov. 33 Michail Francevič Reinke oder Rejneke.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Abb. 4a. Tafeln aus der „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ von Gauß Aus: Gauß 1839, S. 36–39. Exemplar der SUB Hamburg.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

Abb. 4b. Ausschnitt aus der Karte der isodynamischen Linien mit Eintragungen von Gauß’ Hand SUB Göttingen, Gauß-Nachlass, Phys. 19.

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S. IV) und berichtete in einem Brief an Schumacher, dass Drašusov in Göttingen fleißig magnetische Beobachtungen durchführe (Briefwechsel Gauß– Schumacher 1861: 3, S. 226–227).

Abb. 5. „Karte für die Werthe von V/R“ von Gauß, die später so genannten Äquipotentiallinien Aus: Gauß/Weber 1840, Karte I. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Sign. 4°Kart LS HM My 3677-1.

Im „Atlas“ berücksichtigten Gauß und Weber die Beobachtungsergebnisse von insgesamt 103 Orten, von denen fast die Hälfte entweder russische oder von Russland betriebene Stationen waren.34 Es sind dies fast dieselben, die auch in Gauß’ „Allgemeiner Theorie des Erdmagnetismus“ genannt wurden (Gauß 1839, S. 36–39; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 158–161); allerdings stimmt die Nummerierung nicht überein. Allein die überaus große Anzahl von Beobachtungsdaten, die aus Russland stammten – aus insgesamt 53 Orten –, macht deutlich, welch große Rolle Russland für Gauß’ Theorie des Erdmagnetismus gespielt hat. In der folgenden Tabelle sind alle mit Russland in Zusammenhang stehenden Stationen aufgelistet, und zwar nicht, wie bei Gauß, nach der geographischen Breite geordnet, sondern nach der geographischen Länge, so dass die riesige West-Ost-Erstreckung Russlands deutlich hervortritt. So ist die westlichste russische Station St. Petersburg (30° 19ƍ), die beiden östlichsten Petropawlowsk auf Kamtschatka (158° 40ƍ) und Sitka auf Alaska (224° 35ƍ). 34 Im übrigen Europa wurden neben Berlin und Göttingen folgende Beobachtungsorte genannt: Brüssel, Christiania, Hammerfest, London, Königsberg, Mailand, Neapel, Paris, Reykjavik, Spitzbergen, Stockholm, Toulon.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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Die Linie von St. Petersburg bis Sitka zählt 194 Längengrade, d.h. mehr als die Hälfte der 360° umfassenden Erdkugel. Selbst wenn man auf Sitka verzichtet, liegen zwischen St. Petersburg und Kamtschatka mehr als 120°, d.h. gut ein Drittel der Erdkugel. Dabei ist Jakutsk die nördlichste Station (62° 1ƍ); die südlichsten Stationen sind Astrachan (46° 20ƍ) und die von Russland betriebene Beobachtungsstation in Peking (39° 54ƍ). Orte magnetischer Beobachtungen in Russland, die in Gauß’ Theorie des Erdmagnetismus genannt sind, einschließlich der von Russland betriebenen Beobachtungsorte- und stationen nach Längengraden geordnet35 Nr. nach Gauß 183936

Nr. nach Gauß/Weber 184037

9 21 18 51 20 36 5† 16 12 15 11† 23 17 2† 7† 19 30 42 32 49 50 44 35 47 55

12 25 22 57 24 41 – 20 16 19 – 27 21 – – 23 34 48 36 55 56 50 40 53 62

Ortsnamen nach Gauß 1839

Ortsnamnen nach ISO-Transkription

Breite

Länge Δ

Petersburg Moskwa Nishny Nowgorod Astrachan Kasan Orenburg Bogoslowskoie Catharinenburg Tobolsk Tara Semipalatinsk Barnaul Tomsk Turuchansk Jeniseisk Krasnojarsk Irkuzk Charazaiska Stepnoi Chunzal* Urga* Troizkosawsk38 Werchneudinsk Mendschinskoi Sendschi*

St. Peterburg Moskva Nižnij Novgorod Astrachan’ Kazan’ Orenburg Bogoslovskoe Ekaterinburg Tobol’sk Tara Semipalatinsk Barnaul Tomsk Turuchansk Enisejsk Krasnojarsk Irkutsk Charazajskaja Stepnoe

59° 56ƍ 55° 46 56° 19 46° 20 55° 48 51° 45 59° 45 56° 51 58° 11 56° 54 50° 24 53° 20 56° 30 65° 55 58° 27 56° 1 52° 17 50° 29 52° 10 48° 13 47° 55 50° 21 51° 50 49° 26 44° 45

30° 19ƍ 37° 37 43° 57 48° 0 49° 7 55° 6 60° 7 60° 34 68° 16 74° 4 80° 21 83° 56 85° 9 87° 33 92° 11 92° 57 104° 17 104° 44 106° 21 106° 27 106° 42 106° 45 107° 46 108° 55 110° 26

Troickosavsk Verchneudinsk Mendžinskoe

35 Die mit (*) markierten Orte lagen in Nordchina, die Daten stammten aber von russischen Expeditionen. 36 Auch in: Gauß-Werke: 5, S. 158, 160. Siehe auch Nachtrag, S. 178 (†). 37 Gauß/Weber 1840, S. 33–34. 38 Festung bei Kjachta.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland 52 29 53 46 56 33 57 59 41 60 34 45 31 43 25 4† 40 37 27 24 5 6 7 8 11 13 26 14

58 33 59 52 63 37 64 67 47 68 38 51 35 49 29 – 45 42 31 28 6 7 8 9 14 17 30 18

Chologur* Pogromnoi Ergi* Altanskoi Batchay* Tschitanskoi Scharabudurguna* Chalgan* Tschindant* Pekin[g] Nertschinsk Stadt Abagaitujewskoi Sretensk Zuruchaitu39 Gorbizkoi Viluisk Nertschinsk Bw.40 Argunskoi Uriupina Uststretensk Jakutsk Porotowsk Nochinsk Tschernoljes Ochotsk Tigil Fluss41 Petropaulowsk42 Sitka43

46° 0 52° 30 45° 32 Altanskoe 49° 28 44° 21 Čitanskoe 52° 1 43° 13 40° 49 50° 34 39° 54 Nerčinsk 51° 56 Abagajtuevskoe 49° 35 Sretensk 52° 15 Zuruchajtuj 50° 23 Gorbickoj 53° 6 Viljujsk 62° 49 Nerčinskij zavod 51° 19 Argunskoj 51° 33 Urjupina 52° 47 Ust’sretensk 53° 20 Jakutsk 62° 1 Porotovsk 62° 1 Nočinsk 61° 57 Černoles 61° 31 Ochotsk 59° 21 Tigil’ 58° 1 Petropavlovsk 53° 0 [Novoarchangel’sk] 57° 3 Pogromnoe

110° 34 111° 3 111° 25 111° 30 112° 55 113° 27 114° 6 114° 58 115° 32 116° 26 116° 31 117° 50 117° 40 119° 3 119° 9 119° 27 119° 37 119° 56 120° 4 121° 51 129° 45 131° 50 134° 57 136° 23 143° 11 158° 15 158° 40 224° 35

Leider konnten weder in den Briefen von Kupffer noch in denen von Simonov Äußerungen über Gauß’ neue Theorie gefunden werden. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass diese beiden russischen Kollegen von Gauß dessen Theorie des Erdmagnetismus kannten und sich deren bahnbrechender Bedeutung vollkommen bewusst waren.

39 40 41 42 43

Priargunsk. Bergwerk. Auf der Halbinsel Kamtschatka. Petropawlowsk-Kamtschatskij. Auf Alaska.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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3.4. Die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland in der Ära von Gauß Nachdem Gauß eine neue Epoche in der Erforschung des Erdmagnetismus eingeleitet hatte, wurden in Russland auch weiterhin Forschungsreisen durchgeführt, die ganz oder teilweise magnetischen Beobachtungen dienen sollten. Auch wurden weitere neue magnetische Observatorien und Beobachtungsstationen ins Leben gerufen sowie schon vorhandene durch verbesserte Einrichtungen ersetzt. Im Folgenden seien aber nur die Expeditionen und die Einrichtungen erwähnt, die einen direkten Bezug zu Gauß hatten.

3.4.1. Forschungsreisen Vasilij Fëdorovič Fëdorov Ein weiterer Schritt bei der Beobachtung des Erdmagnetismus auf dem Lande, und zwar in West-Sibirien, war eine astronomisch-geographische Reise, die auf Empfehlung Wilhelm Struves in den Jahren von 1832 bis 1837 von Vasilij Fëdorovič Fëdorov unternommen wurde. Fëdorov war ein erfolgreicher Student der Universität Dorpat; er hatte dort sein Studium 1823 begonnen. Im Jahre 1829/30 begleitete er Friedrich Parrot auf dessen Reise in den Kaukasus und zum Ararat (Parrot, F. 1834a). Obwohl Fëdorov von Wilhelm Struve, der damals Professor für Astronomie in Dorpat war, eigentlich nur mit astronomisch-geographischen Arbeiten in der Gegend zwischen 60° und 70° nördlicher Breite beauftragt worden war, führte er auf der Reise auch noch magnetische Beobachtungen durch. Den Bericht über diese Sibirienreise hat Struve selbst 1838 in St. Petersburg, mit einem eigenen Vorwort versehen, herausgegeben (Fëdorov 1838). Dieser Bericht enthält eine vollständige Zusammenstellung der Resultate der magnetischen Messungen. Gauß kannte diese Arbeit; sie ist auch heute noch in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 373). In seiner Theorie des Erdmagnetismus hat Gauß sogar noch nicht veröffentlichte Beobachtungsdaten von Fëdorov verwendet und diese mit dem Vermerk „Fedor (Handschriftlich mitgetheilt durch v. Struve)“ zitiert (Gauß 1839, S. 40; auch in: Gauß-Werke: 5, S. 154). Hier hatte sich jedoch ein Fehler eingeschlichen: der Name wurde als „Fedor“ statt Fëdorov bzw. Fedorov gedruckt. Nachdem Fëdorov von seiner Sibirienreise zurückgekehrt war, wurde er im selben Jahr 1837 zum Professor der Astronomie an die 1834 gegründete Universität Kiew berufen. Hier hielt er unter anderem die Vorlesungen über die „Ebene und Sphärische Trigonometrie“. Friedrich Parrot Der Dorpater Physiker Friedrich Parrot konnte im Jahre 1837 auf Staatskosten eine Reise zum Nordkap unternehmen, bei der er auch magnetische Messun-

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

gen vornahm. Das Nordkap liegt im nördlichsten Teil Norwegens auf 71° 10ƍ 21" nördlicher Breite, etwa 520 km nördlich des Polarkreises und ca. 2100 km vom Nordpol entfernt. Während der Reise nahm Parrot an den von Gauß festgesetzten Terminen für synchrone magnetische Beobachtungen teil und ließ Gauß seine Messdaten zukommen. Diese Daten wurden zum Teil in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ veröffentlicht (siehe S. 577–582). Aleksandr Stepanovič Savel’ev Was erdmagnetische Beobachtungen anbelangt, so waren in der Tat die Polargegenden des europäischen Russlands nur wenig erforscht worden. Lediglich anlässlich von See-Expeditionen war dieses Gebiet mit einbezogen worden. Es war Aleksandr Stepanovič Savel’ev vorbehalten, diese Lücke zu füllen, indem er im Sommer 1841 in dieser Gegend drei Monate lang, von Juni bis August, auf dem Lande magnetische Beobachtungen anstellte. Savel’ev, der junge Schüler des Physikers Emil Lenz, hatte noch vor dem Abschluss seines Studiums an der Universität in St. Petersburg Gelegenheit bekommen, diese Forschungsreise an die Küsten des Weißen und des Eismeeres zu unternehmen. Es waren zehn Orte in Nord-West-Russland, an denen er magnetische Beobachtungen durchführen konnte; von diesen lagen acht jenseits des Polarkreises zwischen 66° und 70° nördlicher Breite. An vier Orten konnte er alle drei Elemente des Erdmagnetismus, nämlich die Deklination, die Inklination und die Intensität messen, und zwar in Mesen, auf dem Kap Kanin Nos, an der Mündung des Flusses Schemtschushnaja und an der Mündung des Flusses Indega. In den Orten Wytegra, auf dem Kap Kargowsky und an der Mündung des Flusses Wasskina auf der Kolgujew-Insel konnte er nur die Inklination und die Intensität messen, und in der Stadt Cholmogory,44 an der Mündung des Flusses Kambalnitza, und an der Mündung des Flusses Gussinaja, ebenfalls auf der Kolgujew-Insel, konnte Savel’ev nur noch die Inklination bestimmen (geographische Namen nach Savel’ev 1851). Seine magnetischen Instrumente bestanden laut seiner Beschreibung aus einem Deklinatorium, das von Lenz nach dem „Prinzip von Kupffer“ konstruiert worden war, einem Gambeyschen Inklinatorium mit zwei Magnetnadeln und Magneten zum Magnetisieren sowie einem Weberschen Apparat zur Bestimmung der absoluten magnetischen Intensität. Savel’ev bemerkt expressis verbis, dass er die magnetische Intensität nach der Methode von Gauß mit einem Weberschen Apparat bestimmt habe (Savel’ev 1851, S. 202). Die Ergebnisse wurden von Savel’ev wissenschaftlich bearbeitet. Er erwähnt hierzu, dass er „die Werthe der Declination, Inclination und Intensität, nach der Gauss’schen Theorie berechnet“ habe, um sie „mit den beobachteten“ zu vergleichen (ebenda, S. 204). Die von Savel’ev ermittel-

44 Einer der ersten russischen Gelehrten, Michail (Michajlo) Vasil’evič Lomonosov, wurde 1711 in einem Dorf bei Cholmogory geboren.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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ten Unterschiede der beobachteten Werte gegenüber den nach der Theorie von Gauß berechneten waren in der Tat sehr klein (ebenda, S. 205). Den in deutscher Sprache verfassten Bericht „Magnetische Beobachtungen und geographische Orts-Bestimmungen: angestellt im Jahre 1841 während einer Reise an den Küsten des Weissen und Eismeeres“ veröffentlichte Savel’ev in den „Mémoires présentés à l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“ für das Jahr 1851. Diese Zeitschrift wurde von der Göttinger Bibliothek regulär bezogen und war daher Gauß zugänglich. Es liegt auf der Hand, dass Gauß an dieser Arbeit Interesse gehabt haben muss. Bislang konnten jedoch keinerlei Hinweise auf Gauß’ Interesse beziehungsweise auf irgendwelche Kontakte zwischen Gauß und Savel’ev ermittelt werden. Savel’ev bekleidete von 1846 bis 1851 die Außerordentliche Professur für Physik und Physikalische Geographie an der Universität Kasan und wirkte danach in Moskau und in St. Petersburg. In der Gauß-Bibliothek ist kein Sonderdruck von Savel’evs Abhandlung vorhanden. Dennoch wurde ausgerechnet Savel’ev derjenige, der das Andenken an Gauß in Russland in besonderer Weise bewahren sollte, indem er den ersten ausführlichen Nachruf auf den Göttinger Gelehrten unter dem Titel „Carl Friedrich Gauß. Eine biographische Skizze“45 veröffentlichte (Savel’ev 1858). Savel’ev war auch Autor einer kurzen Geschichte der Erforschung des Erdmagnetismus, die er in russischer Sprache verfasste (Savel’ev 1856).

3.4.2. Magnetische Observatorien in Russland Helsingfors Auch in Finnland, das damals zum Russländischen Imperium gehörte, wurde ein Magnetisches Observatorium errichtet, und zwar in Helsingfors im Jahre 1838 (Holmberg/Nevanlinna 2005; Nevanlinna/Häkkinen 2010). Die Leitung dieser Institution hatte der finnische Physiker Johan Jakob Nervander inne, der mit Adolph Theodor Kupffer in St. Petersburg in engem Kontakt stand sowie Gauß und Weber persönlich kannte (siehe S. 50). Was die Instrumente anbelangt, so war dieses Magnetische Observatorium bestens ausgestattet (Kupffer, A. T. 1850, S. 9–13; Nervander 1852, S. III–VIII). Die Instrumente für die Messung der Variation der Deklination und der Intensität stammten teilweise von Meyerstein in Göttingen. Man besaß in Helsingfors ein Unifilarmagnetometer, ein Bifilarmagnetometer sowie eine magnetische Waage von Lloyd. Beobachtet wurde nach den Gaußschen Regeln. Im Jahre 1842 wurde Nervander zum Korrespondierenden Mitglied für Physik der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt; der Gedankenaustausch mit Kupffer wurde damit intensiver.

45 Originaltitel: „Ʉɚɪɥɴ-Ɏɪɢɞɪɢɯɴ Ƚɚɭɫɫɴ. Ȼiɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤiɣ ɨɱɟɪɤɴ“.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Abb. 6a. Grundriss des Magnetischen Observatoriums in Helsingfors Aus einem Brief von J. J. Nervander an A. T. Kupffer vom 11./23. Februar 1843. St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 115, l. 17. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

Abb. 6b. Gebäude des Magnetischen Observatoriums in Helsingfors (1845–1920) Aus: Holmberg/Nevanlinna 2005, S. 84.

Im Jahre 1845 wurde Nervander Professor für Physik an der Universität Helsingfors. Zu diesem Zeitpunkt war sein Observatorium schon an dem St. Petersburger Programm der kontinuierlichen Beobachtungen beteiligt; die Be-

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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obachtungen liefen seit 1844. Kupffer war es, der der Akademie in St. Petersburg vorschlug, die Ergebnisse von Nervanders erdmagnetischen Beobachtungen mit einem ganzen Demidov-Preis auszuzeichnen. Kupffers Gutachten über die Abhandlung von Nervander, Professor an der AlexanderUniversität46 in Helsingfors aus dem Jahr 1848, wurde später unter dem Titel: „Razbor sočinenija Nervandera, professora pri Aleksandrovskom Universitetě v Gel’zingforsě, pod zaglaviem: Observations faites à l’Observatoire magnétique et météorologique de Helsingfors“47 zusammen mit den Ergebnissen aus Helsingfors veröffentlicht (Kupffer, A. T. 1850). Dieses in französischer Sprache verfasste Werk ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 1232). In der Tat wurde Nervander daraufhin im Jahre 1848 mit einem halben DemidovPreis ausgezeichnet (Mezenin 1987, S. 192). Leider verstarb Nervander bereits in demselben Jahr. Sein Nachfolger wurde der Physiker und Mathematiker Henrik Gustaf Borenius, Nervanders Schwiegersohn, der dessen Werk fortsetzte. Nervander schickte seine Beobachtungsdaten nach St. Petersburg an Kupffer. Diese Berichte wurden erst posthum unter dem Titel „Obsérvations faites à l’Observatoire Magnétique et Météorologique de Helsingfors sous la direction de Jean Jacques Nervander“ in den Jahren von 1850 bis 1873 in sechs Bänden veröffentlicht. Ein Teil der Druckkosten wurde aus dem Preisgeld des Demidov-Preises bezahlt; einen großen Restbetrag schossen die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und die Gesellschaft der Wissenschaften in Finnland zu (Nervander 1852, S. III). Kasan Was die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland anbelangt, so hatte die Universität Kasan an ihr von Anfang an Anteil (siehe S. 68–70). Die Beobachtungen in Kasan wurden seit 1825 zunächst unter der Ägide von Alexander von Humboldt durchgeführt, der die Beobachtungen zu koordinieren unternahm. Die Daten von synchronen magnetischen Beobachtungen wurden nach Berlin an Humboldt geleitet. Veröffentlicht wurden sie in den „Annalen der Physik und Chemie“. So ist zum Beispiel in der Publikation von synchronen Beobachtungen am 5. Mai, am 4. Juni und am 7. August 1830 – es waren Deklinationsmessungen mit gleichzeitigen Temperatur- und Wetterkontrollen alle 20 Minuten von 12 bis 24 Uhr oder sogar bis 2 Uhr durchgeführt worden – angegeben, dass die Beobachter in Kasan Simonov und Šestakov gewesen seien (Dove/Humboldt 1830, Taf. XV). Anfänglich war Kasan mit einer Gambeyschen Bussole ausgestattet, die, um die Vergleichbarkeit der Messun46 Die Universität in Helsingfors trug zu Ehren von Kaiser Alexander I. den Namen Kaiserliche Alexander-Universität. 47 Originaltitel: „Ɋɚɡɛɨɪɴ ɫɨɱɢɧɟɧiɹ ɇɟɪɜɚɧɞɟɪɚ, ɩɪɨɮɟɫɫɨɪɚ ɩɪɢ Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪɨɜɫɤɨɦɴ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬ࣎ ɜɴ Ƚɟɥɶɡɢɧɝɮɨɪɫ࣎, ɩɨɞɴ ɡɚɝɥɚɜieɦɴ: Observations faites à l’Observatoire magnétique et météorologique de Helsingfors“.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

gen zu gewährleisten, mit den Bussolen in Paris und in Berlin identisch war (Briefwechsel Humboldt–Schumacher 1979, S. 38). Die neuen Messmethoden von Gauß sowie die Gaußschen Magnetometer fanden in Kasan unverzüglich Anwendung. So wurde in einem Brief von Gauß an Humboldt festgehalten, dass im August 1836 in Göttingen ein „für Casan bestimmter Apparat“ angefertigt werde (Briefwechsel Humboldt–Gauß 1977, S. 54). Von großer Bedeutung war es, dass Ivan Michajlovič Simonov anlässlich seiner Auslandsreise im Jahre 1842 Gauß in Göttingen einen Besuch abstatten und an Ort und Stelle Gauß’ Magnetisches Observatorium besichtigen konnte. Im Jahre 1843 wurde in Kasan ein neues Magnetisches Observatorium errichtet, das den alten magnetischen Pavillon ablöste. Das neue Observatorium befand sich auf dem Universitätsgelände in der Nähe des Botanischen Gartens. Es existiert noch ein Plan des Geländes (Abb. 7), auf dem die Standorte der beiden Einrichtungen zu sehen sind (Nr. 8 und 16). St. Petersburg Im Jahre 1828 nahm Adolph Theodor Kupffer einen Ruf an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg an. Bald darauf konnte er erreichen, dass auf dem freien Gelände der Peter-Paul-Festung ein Magnetisches Observatorium errichtet wurde. Dieses wurde 1830 in Betrieb genommen (Rykačev 1900, S. 41). Magnetische Beobachtungen konnte man aber auch noch wie früher im Physikalischen Kabinett der Akademie der Wissenschaften durchführen.48 Nachdem Kupffer im Jahre 1833 in Poggendorffs „Annalen der Physik und Chemie“ Gauß’ „Intensitas“ gelesen hatte, handelte er schnell. Kupffers Pläne, die Methode der absoluten Messungen von Gauß in Russland einzuführen und das System der magnetischen Beobachtungen neu zu organisieren, fanden schon seit Oktober 1833 in seinen Schriften ihren Niederschlag (Rykačev 1900, S. 66–87). Kupffers Projekt wurde auch von dem General Konstantin Vladimirovič Čevkin unterstützt, der 1834 zum Stabschef des Korps der Bergingenieure ernannt worden war. Auch der Finanzminister Georg von Cancrin förderte das Vorhaben und sorgte für die notwendigen Mittel. Es wurden 8.200 Rubel für das Normale Observatorium in St. Petersburg, 10.300 Rubel für Magnetische Observatorien in Jekaterinburg, Nertschinsk und Barnaul und 1.500 Rubel für weitere Beobachtungsstationen zur Verfügung gestellt. Das Projekt von Kupffer „Über die Anordnung von magnetischen und meteorologischen Beobachtungen“, vorgestellt von Čevkin und unterschrieben von Cancrin, genehmigte Nikolaj I. am 13./25. April 1834 mit einem Wort: „ɋɨɝɥɚɫɟɧɴ“ (Einverstanden). Kupffer wurde zum Direktor des Normalen Observatoriums am Korps der Bergingenieure in St. Petersburg ernannt, das vor allem die Aufgabe der Ausbildung von Beobachtern übernehmen sollte. Daher erhielt Kupffer auch eine Professur für Erdmagnetismus. Es war dies die 48 Dies war aber ein ungünstiger Ort, weil die Messergebnisse durch die Einflüsse der Stadt beeinträchtigt wurden.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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erste Professur für Erdmagnetismus in der Geschichte (ebenda, S. 80–81). Das Normale Observatorium wurde im Innenhof des Instituts des Korps der Bergingenieure errichtet.

Abb. 7. Generalplan des Geländes der Kaiserlichen Universität Kasan, angefertigt im Jahre 1888 Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 9069. 1. Hauptgebäude 2. Chemisches Laboratorium 3. Bibliothek 4. Anatomisches Theater 5. Botanisches Museum

7. Sternwarte 8. Magnetischer Pavillon 12. Dienstwohnung des Rektors 15. Dienstgebäude der Sternwarte 16. Magnetisches Observatorium

Die weiteren Objekte sind entweder Dienstbauten oder nach 1850 entstanden.

Seit dem Jahr 1838 war Kupffer damit beschäftigt, ein noch größeres Projekt zu verwirklichen. Es ging um eine umfassende physikalische Erforschung der Erde, eine Idee, die auf Humboldt zurückzuführen ist. Humboldt selbst unterstützte diesen Plan nach allen seinen Kräften. Am 9. April 1839 wandte er sich an Nikolaj I.: „Votre Majesté Impériale [...], a aussi comblé tous les voeux, en faisant établir sous la direction éclairée du Ministre des mines, un vaste reseau de stations magnétiques de St. Pétersboug à l’Oural et de l’Oural à Péking. Les plans que j’avais rêvés dans ma jeunesse, ont été exécutés dans Votre Empire sur une échelle gigantesque. Cette branche utile des sciences physiques, intimement liée aux besoins de l’art nautique, n’a été cultivée dans aucun pays de

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

l’Europe, comme elle l’est dans la partie du monde que Dieu a placée sous le sceptre de Votre Majesté“ (Rykačev 1900, S. 87). Humboldt schrieb auch an den Finanzminister Cancrin. In seinem Brief vom 11. April 1839 hieß es: „Alles was Sie für die Vergrösserung und Sicherung dieses herrlichen CentralInstituts in Petersburg fortfahren zu thun, wird von der Nachwelt an das viele Grosse und Edle angereihet werden, das Sie unter Ihrem Ministerium geschaffen haben“ (ebenda, S. 42*). Am 29. Dezember 1839/10. Januar 1840 meldete Kupffer Gauß: „Meine Projecte sind ausgearbeitet, und vorgestellt,49 und erwarten nur die Genehmigung des Kaisers, um in Ausführung zu kommen. Sobald diese erfolgt ist, schreibe ich ausführlich“ (Briefwechsel Kupffer–Gauß, Brief Nr. 12). Dreieinhalb Monate später, am 12./24. April 1840, berichtete er Gauß aus St. Petersburg über die Aktivitäten in puncto Erdmagnetismus: „Ausserdem hat bereits Peking den Weberschen kleinen Apparat erhalten; die Gambeysche Declinations- u[nd] Neigungsbussole sind schon da. Auch in Sitka (NW Port von Amerika) wird ein magnet[isches] Observatorium erbaut, und ich hoffe, dass man auch in Nicolaeff beobachten wird. Auf allen diesen Puncten wird alle 2 Stunden beobachtet, Goettinger Zeit. In Tiflis besteht schon ein magnetisches Observatorium,50 welches nur noch einige Instrumente erhalten soll“ (ebenda, Brief Nr. 16). Im Jahr 1843 gelang es Kupffer, das Normale Observatorium am Korps der Bergingenieure in St. Petersburg in eine zentrale Institution umzuwandeln. Die Hauptaufgabe dieser Institution war es, die Beobachtungen und Ergebnisse von allen Beobachtungsstationen russlandweit zu koordinieren. Das neue Observatorium war wiederum der Obhut des Korps der Bergingenieure unterstellt. Darüber hinaus war diese neu organisierte Zentralinstitution nicht nur für magnetische, sondern auch für meteorologische Beobachtungen zuständig. Ferner sollte es auch die Überprüfung und Normierung der Magnetometer und anderer Instrumente übernehmen. Die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland wurde damit gänzlich institutionalisiert und zentralisiert; dies markierte eine ganz und gar neue Entwicklung auf diesem Gebiet.

49 Gemeint ist das „Projet des règlements de l’observatoire physique“ von A. T. Kupffer (Rykačev 1900, S. 123–131). 50 Auf Grund der Initiative von Kupffer wurde 1837 damit begonnen, in Tiflis ein Magnetisch-Meteorologisches Observatorium einzurichten. Die Beobachtungen begannen dort 1839 (Rykačev 1900, S. 194–195). Erst im Jahre 1850 wurde daraus unter der Bezeichnung „Ɍɢɮɥɢɫɫɤɚɹ ɦɚɝɧɢɬɧɨ-ɦɟɬɟɨɪɨɥɨɝɢɱɟɫɤɚɹ ɨɛɫɟɪɜɚɬɨɪɢɹ“ (MagnetischMeteorologisches Observatorium Tiflis) eine feste Einrichtung. 1865 wurde es der Verwaltung des Statthalters in Kaukasien unterstellt und 1867 umbenannt. Es hieß nun „Ɍɢɮɥɢɫɫɤɚɹ ɮɢɡɢɱɟɫɤɚɹ ɨɛɫɟɪɜɚɬɨɪɢɹ“ (Physikalisches Observatorium Tiflis). Ab 1883 wurde diese Einrichtung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg untergeordnet (Amburger 1966, S. 477). Von 1899 bis 1901 war dort Iosif Vissarionovič Džugašvili (später Stalin) als Observator tätig.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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Abb. 8. Gebäude des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, erbaut von 1846 bis 1849 Photographie vom Ende des 19. Jahrhunderts. Archiv des Geophysikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg.

Schließlich wurde 1849 in St. Petersburg das Physikalische Hauptobservatorium ins Leben gerufen, dessen erster Direktor Kupffer wurde. Ihr neues Gebäude wurde von 1846 bis 1849 erbaut (Abb. 8 und 32). Jetzt ging es nicht allein um die Koordinierung, Bearbeitung und Auswertung von magnetischen und meteorologischen Beobachtungen, sondern um die Geophysik in allen ihren Facetten. Eine vergleichbare Institution gab es damals nirgendwo sonst auf der Welt.51 Kupffer versäumte es nicht, „von dem erfreulichen Fortgang“ nach Göttingen zu berichten. Er schrieb an Gauß: „Die Zahl der neugebauten Observatorien in Russland nimmt immer mehr zu, sie werden nun vollständiger organisirt. [...] In Petersburg selbst ist eben der Bau einer Centralanstalt, nicht nur für Magnetismus und Meteorologie, sondern überhaupt für alle phys[icalischen] Wissenschaften, fertig geworden und im Laufe des Sommers sollen schon die Arbeiten in demselben beginnen; ich werde zu seiner Zeit nicht ermangeln, Ihnen nähere Nachricht darüber zu geben“ (Briefwechsel Kupffer-Gauß, Brief Nr. 27). Dieser Brief von Kupffer an Gauß vom 15./27. Februar 1849 ist leider der letzter, der uns heute vorliegt.

51 Am 23.7.1851 bewilligte der österreichische Kaiser Franz Joseph I. die Gründung der Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien (Hammerl [u.a.] 2001).

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Dieses auf der Grundlage von Gauß’ Beiträgen zur Erforschung des Erdmagnetismus in St. Petersburg errichtete Physikalische Hauptobservatorium existiert noch heute, wenn es auch einen anderen Namen trägt und in einem neuen Gebäude untergebracht ist. Es ist dies das Geophysikalische Hauptobservatorium.

3.4.3. Die Verleihung von Demidov-Preisen für Beiträge zur Erforschung des Erdmagnetismus Der Demidov-Preis wurde 1831 von dem Besitzer der Bergwerke im Ural und in Sibirien, Pavel Nikolaevič Demidov, gestiftet und seit 1832 von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vergeben. Der Preis wurde für die besten wissenschaftlichen Abhandlungen bestimmt und galt als eine der höchsten Auszeichnungen in Russland, auch war er sehr hoch dotiert (Mezenin 1987). Die Tatsache, dass der Demidov-Preis auch für eine Reihe von Arbeiten vergeben wurde, die ganz oder teilweise dem Erdmagnetismus gewidmet waren, bestätigt die herausragende Stellung, die der Erforschung dieses Phänomens in Russland zukam. Ohne auf die einzelnen Beiträge näher einzugehen, sollen hier wenigstens die Namen der entsprechenden Preisträger genannt werden. Ein voller Demidov-Preis wurde im Jahre 1836 dem Weltumsegler Admiral Fëdor Petrovič Litke zuerkannt.52 Dieser erhielt die Auszeichnung in erster Linie für die umfassende Beschreibung seiner Reise um die Welt von 1826 bis 1829, auf der auch magnetische Messungen durchgeführt worden waren. Litkes magnetische Beobachtungen wurden von Emil Lenz ausgearbeitet und veröffentlicht. Der erste russische Weltumsegler, Admiral Adam Johann Krusenstern, war nur ein Jahr später, im Jahre 1837, der nächste Preisträger. Im Jahre 1842 erhielt den Preis Admiral Ferdinand von Wrangel, der die Nordküste Sibiriens, des Nördlichen Eismeeres erkundet sowie in Sitka in Alaska magnetische Beobachtungen durchgeführt hatte.53 Im Jahre 1848 wurde, wie bereits erwähnt, ein halber Demidov-Preis an Nervander verliehen. Für seine umfangreiche Erforschung des russischen Nordwestens wurde schließlich 1851 dem Vizeadmiral und Hydrographen Michail Francevič Reinke ein voller Demidov-Preis zuerkannt. Auch ihm verdankte Gauß erdmagnetische Beobachtungsdaten (Gauß 1839, S. 40–41; Gauß-Werke: 5, S. 154–155).

52 Die Gutachten für die Preisverleihung an Fëdor Petrovič Litke hatten die Akademiemitglieder Adolph Theodor Kupffer und Emil Lenz verfasst (Mezenin 1987, S. 44). 53 Über die magnetischen Messungen auf Expeditionen im 19. Jahrhundert siehe: Roussanova 2011a.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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3.5. Die Förderung der Erforschung des Erdmagnetismus in Russland – Russland als fruchtbarer Boden für die Umsetzung von Humboldts und Gauß’ Ideen Russland ließ sich die Erforschung des Erdmagnetismus sehr viel Geld kosten, mehr als jedes andere Land. Dies wiederum zeigt, für wie wichtig man in Russland die wissenschaftliche Erforschung des Erdmagnetismus hielt, welche Bedeutung dieser Forschungsrichtung eingeräumt wurde. In diesem riesigen Land wurde in relativ kurzer Zeit ein flächendeckendes Beobachtungsnetz aufgebaut, wurden Observatorien errichtet, wurde 1834 in St. Petersburg eine erste Professur für Erdmagnetismus und Meteorologie geschaffen, wurden zahlreiche Beobachter auf Staatskosten ausgebildet und vieles andere mehr. Um die erdmagnetischen Beobachtungen in ganz Russland zusammen mit den meteorologischen Beobachtungen weltweit bekannt zu machen, wurde eine repräsentative Zeitschrift gegründet, der „Annuaire magnétique et météorologique du corps des ingénieurs des mines de Russie“ (Kupffer, A. T. 1837– 1846; GB 742). Diese Zeitschrift wurde an alle über diese Gebiete arbeitenden Naturwissenschaftler versandt (vgl. Abb. 31). Dieses überaus große Engagement Russlands rief weltweit große Bewunderung hervor. So schrieb Adolph Theodor Kupffer in einem Brief vom 13./25. Juli 1839 an seinen Vorgesetzten, den General Čevkin: „on admire partout les encouragemens, que notre gouvernement offre aux sciences“ (Rykačev 1900, S. 44*). Und im selben Jahr ließ Kupffer, nachdem er Gauß in Göttingen einen Besuch abgestattet hatte, am 20. August/1. September 1839 Čevkin wissen, dass ein Genie die Zukunft wahrhaftig vorausahne: „Il est vrai que le génie pressent l’avenir“ (ebenda, S. 52*). Mit dem Genie meinte er Gauß, der bereits damals die wachsende Bedeutung Russlands bei der Erforschung des Erdmagnetismus voraussah. Allerdings bezieht sich diese Bemerkung unmittelbar auf Gauß, der damals sich mit dem Erlernen der russischen Sprache beschäftigte (vgl. Roussanova 2010c). Im Königreich Hannover allerdings war die Universität Göttingen der einzige Ort, an dem der Erdmagnetismus als Forschungsgebiet etabliert war. In der Zeit von 1833 bis 1843 standen Gauß und Weber im Mittelpunkt und an der Spitze der Forschung. Weltweit führte man nunmehr erdmagnetische Beobachtungen nach den Göttinger Terminen und mit den in Göttingen konzipierten Instrumenten durch. Gauß gelang es, in Göttingen eine zentrale Institution zu schaffen, in der die weltweiten Aktivitäten koordiniert wurden. Wilhelm Weber aber verlor bereits Ende des Jahres 1837 seine Professur an der Universität Göttingen, weil er den Protest der „Göttinger Sieben“ mitunterschrieben hatte. 1842 erhielt er einen Ruf an die Universität Leipzig, Ostern 1843 verließ er Göttingen. Gauß selbst hatte, wie er Christopher Hansteen

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

mitteilte,54 seit 1842 keine magnetischen Beobachtungen mehr angestellt.55 Die „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ erschienen 1843 zum letztenmal. Es bedeutete dies das „Aus“ für die erdmagnetische Forschung in Göttingen. Die Blütezeit Göttingens bei der Erforschung des Erdmagnetismus hatte gerade einmal zehn Jahre angedauert. Bedenkt man ferner, dass Gauß in seinem „Atlas“ des Erdmagnetismus (Gauß/Weber 1840) nur drei Beobachtungsorte im deutschen Sprachraum anführt, nämlich Berlin,56 Königsberg und Göttingen, so bedeutete das Ende in Göttingen auch einen schweren Schlag für die Erforschung des Erdmagnetismus in Deutschland überhaupt. Besonders betrüblich war es, dass die in Göttingen herausgegebene Zeitschrift „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ eingestellt werden musste. Während erdmagnetische Beobachtungen nunmehr auch an anderen Orten in Deutschland ausgeführt wurden, erlebten die „Resultate“ keinerlei Fortsetzung. In Russland jedoch wurde die Erforschung des Erdmagnetismus auch weiterhin in besonderem Maße gefördert. Kupffers Lebenswerk, die Etablierung eines Physikalischen Hauptinstitutes, wurde zwischen 1839 und 1849 realisiert. Daran hatte mit Sicherheit auch das diplomatische Geschick Alexander von Humboldts einen gehörigen Anteil.57 Kaiser Nikolaj I., der Finanzminister Georg von Cancrin und der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Sergej Semënovič Uvarov, waren Kupffers Projekt wohlgesonnen. Im Jahre 1849 wurde in St. Petersburg das neue Physikalische Hauptobservatorium eingeweiht, und die alte Zeitschrift „Annuaire“ wurde durch die noch wesentlich umfangreicheren „Annales de l’Observatoire Physique Central“58 abgelöst. Dem neuen Institut wurden fast alle in Russland bereits vorhandenen Beobachtungsstationen direkt unterstellt, und es kamen noch weitere hinzu, so in Lugansk, in Bogoslowsk und in Slatoust. Die Einrichtung in Peking wurde zu einem Magnetisch-Meteorologischen Observatorium ausgebaut. Im Jahre 1850 wurde auch in Tiflis ein Magnetisch-Meteorologisches Observatorium gegründet, das später in Physikalisches Observatorium umbenannt wurde (Amburger 1966, S. 477). Das neue Physikalische Hauptinstitut in St. Petersburg 54 SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Hansteen, Brief Nr. 6. 55 Als Wilhelm Weber 1842 den Ruf an die Universität Leipzig angenommen hatte, versprach man ihm den Bau einer „magnetischen Warte“. Nach zähem Ringen war diese Ende des Jahres 1848 fertiggestellt. Jedoch wechselte Weber Ostern 1849 zurück an die Universität Göttingen (Schlote 2004, S. 15–16). 56 In Berlin wurde im Jahre 1835 die alte Akademiesternwarte durch einen von Karl Friedrich Schinkel gestalteten Neubau in Kreuzberg ersetzt; dieser war auch mit einem Magnetischen Observatorium ausgestattet. Am 11.5.1836 wurde dort mit systematischen magnetischen Beobachtungen begonnen (Encke 1840, S. V, S. 129–139). 57 Humboldts Briefe an Nikolaj I. vom 9.4.1839 und an den Finanzminister Georg von Cancrin vom 11.4.1839 spielten dabei eine große Rolle (Rykačev 1900, S. 86–87, 42– 43*). 58 Der erste Band dieser Reihe für das Jahr 1847 wurde 1850 gedruckt.

3. Gauß und die Erforschung des Erdmagnetismus in Russland

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übernahm sofort eine führende Rolle in Russland – welch ein Höhenflug! Vergleiche mit Göttingen aus den Jahren 1833 bis 1843 liegen auf der Hand. Die sonst noch nirgendwo anders etablierte Disziplin Geophysik war zuallererst in Russland institutionalisiert worden. Gauß wirkte über alle Grenzen hinweg; sein Beitrag zur Erforschung des Erdmagnetismus ist bis heute von allergrößter Bedeutung. In Russland freilich fielen seine Forschungen auf einen besonders fruchtbaren Boden. Auch der Historiograph des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, Michail Aleksandrovič Rykačev, teilt diese Meinung – kein anderes Land habe Gauß’ Entdeckungen in so hohem Maße fruchtbringend umgesetzt wie Russland. Dort habe Adolph Theodor Kupffer zu seiner Zeit ein Projekt für ein ganzes System von magnetischen und meteorologischen Beobachtungen verwirklicht: „ɇɢ ɜɴ ɤɚɤɨɣ ɫɬɪɚɧ࣎ ɨɬɤɪɵɬɿɟ Ƚ ɚ ɭɫ ɚ ɧɟ ɨɬɪɚɡɢɥɨɫɶ ɫɴ ɬɚɤɨɸ ɫɢɥɨɸ, ɤɚɤ ɜɴ Ɋɨɫɫɿɢ, ɝɞ࣎ ɜɴ ɷɬɨ ɜɪɟɦɹ Ʉɭɩɮɟɪ ɴ ɛɵɥɴ ɡɚɧɹɬɴ ɩɪɨɟɤɬɨɦɴ ɭɱɪɟɠɞɟɧɿɹ ɰ࣎ɥɨɣ ɫɢɫɬɟɦɵ ɦɚɝɧɢɬɧɵɯɴ ɢ ɦɟɬɟɨɪɨɥɨɝɢɱɟɫɤɢɯɴ ɧɚɛɥɸɞɟɧɿɣ“ (Rykačev 1899,

S. 66).

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung Übersetzungen sind ein wichtiger Teil der Rezeptionsgeschichte, machen sie doch deutlich, welches Interesse man einem Autor nicht nur national, sondern auch international schenkt.

4.1. Bemerkungen zu den Übersetzungen der Werke von Gauß zu seinen Lebzeiten Gauß hat die meisten seiner wissenschaftlichen Beiträge in lateinischer, in deutscher und in französischer Sprache publiziert. Seine großartigen Monographien, die „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) und die „Theoria motus“ (Gauß 1809a), sind auf Latein geschrieben und veröffentlicht worden. Latein war als Wissenschaftssprache in Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits nicht mehr allzu verbreitet. So hatte beispielsweise PierreSimon de Laplace lediglich seine Anfängerwerke in lateinischer Sprache veröffentlicht. Lagrange veröffentlichte grundsätzlich auf französisch, ebenso wie Legendre, Cauchy usw. Das erste Werk von Gauß, das in eine andere Sprache übersetzt wurde, waren die „Disquisitiones arithmeticae“, die sofort nach Erscheinen die Aufmerksamkeit französischer Mathematiker hervorriefen und auf Veranlassung von Laplace im Jahre 1807 in französischer Übersetzung, die Poullet-Delisle zu verdanken war, herausgegeben wurden (Gauß 1807; Reich 1996). Wilhelm Olbers wunderte sich darüber und ließ Gauß wissen: „Dass Ihre unvergleichlichen Disq. Arith. vom Prof. de l’Isle ins französische übersetzt werden, nimmt mich doch Wunder. Ja, wenn sie deutsch geschrieben wären, so hätten sie längst übersetzt sein müssen. Aber so möchten doch sehr wenige sein, denen die lateinische Sprache ein Hinderniss, sie zu verstehen, sein kann“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 262). Die „Theoria motus“ war von Gauß ursprünglich in deutscher Sprache verfasst worden. Der Hamburger Verleger Friedrich Christoph Perthes verlangte aber, in der Hoffnung auf eine größere Verbreitung des Werkes, eine Übersetzung ins Französische. Gauß befolgte diesen Wunsch aus politischen Grundsätzen nicht und übersetzte sein Werk ins Lateinische (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 40; Reich 2001, S. 22–24). Noch zu Lebzeiten von Gauß wurden zahlreiche weitere von ihm in Latein und auf deutsch veröffentlichte Beiträge ins Französische übersetzt, was unterstreicht, dass damals in Frankreich sowohl Latein- als auch Deutsch-

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

kenntnisse unter Wissenschaftlern nicht mehr selbstverständlich waren. Anders war es im englischen Sprachgebiet. Dort wurden nur in deutscher Sprache veröffentlichte Abhandlungen von Gauß ins Englische übersetzt, allen voran seine Beiträge aus den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“. Das bedeutet, dass gediegene Deutschkenntnisse in Großbritannien unter Wissenschaftlern eher selten anzutreffen waren. Eine Bibliographie der Werke von Gauß, die zu dessen Lebzeiten erschienen sind, einschließlich Übersetzungen ist von Uta C. Merzbach zusammengestellt worden (Merzbach 1984, S. 1–40).

4.2. Sprachkenntnisse in Russland Ganz anders war zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Situation in Russland. Zum russischen Staatsgebiet gehörte das Baltikum, in dem die deutsche Sprache seit langem verbreitet war. An der Universität Dorpat lehrten vor allem deutschsprachige Professoren, die Unterrichtssprachen waren Deutsch und Latein. Selbst die Vorlesungsverzeichnisse wurden gleichzeitig in lateinischer und in deutscher Sprache veröffentlicht. Wilhelm Struve gab die acht Bände seiner Dorpater astronomischen Beobachtungen in lateinischer Sprache unter dem Titel „Observationes astronomicae“ heraus (Struve, W. 1817–1839). Struves Nachfolger Johann Heinrich Mädler setzte diese Reihe fort, nun aber in deutscher Sprache, unter dem Titel „Beobachtungen der Kaiserlichen Universitäts-Sternwarte Dorpat“. Auch Dissertationen wurden in Dorpat in lateinischer Sprache eingereicht, so z.B. von Wilhelm Struve (Struve, W. 1813), Magnus Georg Paucker (Paucker 1813), Friedrich Parrot (Parrot, F. 1814a), Karl Eduard Senff (Senff 1831), Pëtr Kotel’nikov (Kotel’nikov 1832) u.a. Martin Bartels veröffentlichte in Dorpat 1822 ein mathematisches Lehrbuch in lateinischer Sprache (Bartels 1822). Auch in St. Petersburg wirkten zahlreiche deutsche bzw. deutschsprachige Wissenschaftler. Die Protokolle der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg wurden bis 1734 in lateinischer Sprache, von 1734 bis 1741 in deutscher Sprache, von 1742 bis 1766 in lateinischer Sprache, von 1767 bis 1772 wieder in deutscher Sprache und ab 1773 in französischer Sprache geführt. Von den 111 Gelehrten, die der Akademie in St. Petersburg zwischen 1725 und 1799 angehörten, stammten 55 aus Deutschland; 68 sprachen Deutsch als Muttersprache. In den Jahren von 1803 bis 1917 waren von den 212 Ordentlichen Akademiemitgliedern 30 Gelehrte, die aus Deutschland, und 15, die aus den baltischen Provinzen stammten (Koch 2002, S. 70). Im Zusammenhang mit Gauß seien hier folgende deutschsprachige Wissenschaftler genannt: Nikolaus Fuß, Paul Heinrich Fuß, Adolph Theodor Kupffer, Georg Friedrich Parrot, Friedrich Theodor Schubert und Wilhelm Struve, die auch zu Gauß’ Briefpartnern zählten.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung

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Was die „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.Pétersbourg“ anbelangt, so wurden in den Jahren von 1809 bis 1830 (5. Serie, 11 Bände) nur Arbeiten in lateinischer und in französischer Sprache veröffentlicht. Indessen geschah es durchaus, dass für sie auch Abhandlungen in russischer Sprache eingereicht wurden. In der 6. Serie derselben Zeitschrift, die von 1831 bis 1857 erschien, wurden Arbeiten sowohl in lateinischer, in französischer, in deutscher wie auch in russischer Sprache veröffentlicht. Vor allem der Mathematiker Viktor Jakovlevič Bunjakovskij publizierte neben französischsprachigen Artikeln auch zahlreiche in russischer Sprache. In den „Mémoires présentés à l’académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg par divers savants“ (1831 bis 1859, 9 Bände) wurden Aufsätze in lateinischer, in französischer und in deutscher Sprache publiziert. Es begegnen auch russischsprachige Artikel, jedoch nur selten. Die letzten beiden im Jahre 1859 erschienenen Bände enthalten nur Beiträge in deutscher Sprache. Auch gebürtige Russen, wie etwa Aleksandr Stepanovič Savel’ev veröffentlichten in den Akademieschriften in deutscher Sprache (z.B. Savel’ev 1851). Im „Bulletin scientifique“, dessen zehn Bände in den Jahren von 1836 bis 1842 erschienen, wurde in französischer Sprache veröffentlicht. Manche Arbeiten trugen zwar einen russischen Titel, die Texte aber waren stets französisch geschrieben. Im „Bulletin de la classe physico-mathématique de l’académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg“, das ab 1843 das „Bulletin scientifique“ ablöste und bis 1859 erschien, dominieren Beiträge in französischer Sprache; es kommen aber auch deutschsprachige Artikel vor. Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts kann man zusammenfassend folgende Feststellung treffen: Die Sprache der wissenschaftlichen Zeitschriften war in Russland vorwiegend das Französische, neben der allerdings die deutsche Sprache eine wichtige Rolle spielte. Periodische Veröffentlichungen in russischer Sprache kamen in den St. Petersburger Akademieschriften zu Gauß’ Lebzeiten zwar vor, ihre Anzahl war aber so gering, dass man sie als Ausnahmen zu betrachten hat. Ganz anders sah die Situation im Falle von wissenschaftlichen Monographien aus. Hier spielte die russische Sprache bereits eine bedeutende Rolle. So enthält z.B. die Gauß-Bibliothek eine ganze Reihe von russischen Büchern mathematischen bzw. naturwissenschaftlichen Inhalts, und zwar Werke von Aleksej Pavlovič Bolotov (GB 295), Viktor Jakovlevič Bunjakovskij (GB 986), Adolph Theodor Kupffer (GB 489), Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (GB 913), Michail Vasil’evič Ostrogradskij (GB 565), Aleksandr Nikolaevič Savič (GB 637), Ivan Michajlovič Simonov (GB 1351, 1060), Friedrich Theodor Schubert d. J. (GB 1003), Moritz Hermann Jacobi (GB 102) und Carl Jaenisch (GB 455). Diese Aufzählung ist sicher unvollständig. Eine Zusammenstellung sämtlicher Druckwerke in russischer Sprache in der Gauß-Bibliothek wurde von Werner Lehfeldt veröffentlicht (Lehfeldt 2005a; Lehfeldt 2011). In der Gauß-Bibliothek befindet sich ferner eine in russischer Sprache verfasste Promotionsschrift des Moskauer Mathematikers Nikolaj Efimovič Zernov über das

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Integrieren von Gleichungen mit partiellen Differentialen (Zernov 1837; GB 1058), die jedoch mit einer Widmung an Carl Gustav Jacob Jacobi versehen ist (Lehfeldt 2011, S. 305–306, Nr. 8).1 Nicht unerwähnt bleiben soll, dass in St. Petersburg ab 1728 die Tageszeitung „Sanktpeterburgskija vědomosti“2 (Sanktpetersburger Nachrichten) in russischer Sprache und ab 1729 gleichzeitig auch in deutscher Sprache unter dem Titel „St. Petersburger Zeitung“ erschien. Die Redaktion der „St. Petersburger Zeitung“ oblag ab der Erstausgabe bis 1874 der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, danach ging sie in private Hände über. Auch gab die Akademie seit 1726 ein Jahrbuch, „Měsjaceslov“3 bzw. „Kalender“, gleichzeitig in russischer und in deutscher Sprache heraus (Koch 2002, S. 88). Sowohl an den Universitäten Moskau und Dorpat als auch an der 1804 gegründeten Universität Kasan waren zunächst viele deutschsprachige Professoren tätig. Als Naturwissenschaftler sind in Kasan Martin Bartels, Kaspar Friedrich Renner, Franz Xaver Bronner, Joseph Johann Littrow und Adolph Theodor Kupffer zu nennen, die mit Sicherheit auch über gute Lateinkenntnisse verfügten. Zu Anfang wurde an der Universität Kasan der Unterricht sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache, ja sogar in Latein abgehalten. Erst in der folgenden Dozentengeneration dominierten Wissenschaftler mit Russisch als Muttersprache, die aber auch Lateinkenntnisse besaßen, wie sie allgemein im Gymnasium vermittelt wurden. Auch wenn diese Kenntnisse oft nicht ausreichten, um wissenschaftliche Arbeiten auf Latein zu verfassen, so genügten sie doch immer noch, um lateinische Texte lesen und verstehen zu können. So hat Lobačevskij während seines Studiums in Kasan Gauß’ „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) im Original gelesen. In seinen Lehrveranstaltungen vermittelte er dieses Werk in russischer Sprache. Die späteren Arbeiten von Lobačevskij erschienen in französischer und in deutscher Sprache. Lobačevskij war der erste herausragende Mathematiker Russlands, der seine Karriere mit in russischer Sprache veröffentlichten Beiträgen begründete.4 Lobačevskijs Kasaner Kollege Ivan Michajlovič Simonov konnte die deutsche Sprache verstehen; seine Arbeiten veröffentlichte er vor allem auf Französisch.5 1 2 3 4

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Zernov erhielt 1845 einen halben Demidov-Preis für Mathematik (Mezenin 1987, S. 191). Originaltitel: „ɋɚɧɤɬɩɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤiɹ ɜ࣎ɞɨɦɨɫɬɢ“. Originaltitel: „Ɇ࣎ɫɹɰeɫɥɨɜɴ“, zeitweilig auch „Ɇ࣎ɫɹɰɨɫɥɨɜɴ“. Auf Grund einer Initiative von Lobačevskij wurde an der Universität Kasan eine russischsprachige wissenschaftliche Zeitschrift „Kazanskij věstnik“ (Kasaner Bote) ins Leben gerufen; Originaltitel: „Ʉɚɡɚɧɫɤiɣ ɜ࣎ɫɬɧɢɤɴ“. Dieser folgten die „Gelehrten Schriften“ der Universität, „Učenyja zapiski“; Originaltitel: „ɍɱɟɧɵɹ ɡɚɩɢɫɤɢ, ɢɡɞɚɜɚɟɦɵɹ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɢɦɴ Ʉɚɡɚɧɫɤɢɦɴ ɭɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɨɦɴ“. Simonovs Arbeit „Über eine neue Bestimmung der absoluten Declination“ (Simonov 1843), die in den von Gauß und Weber herausgegebenen „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ veröffentlicht wurde, war ursprünglich fran-

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Wie bereits berichtet, konnten herausragende russische Studenten Weiterbildungsreisen auf Staatskosten unternehmen. Bevorzugte Ziele waren Paris, Königsberg, Helmstedt, Berlin und Göttingen, später auch Heidelberg. Während ihres Auslandsaufenthalts konnten die Studenten ihre deutschen und französischen Sprachkenntnisse vervollkommnen.

4.3. Übersetzungen der Werke von Gauß ins Russische Ganz zu Anfang des 19. Jahrhunderts war es in Russland wohl nicht unbedingt erforderlich, Gauß’ Werke ins Russische zu übersetzen. Die recht kleine Gruppe von Gelehrten, die damals in Russland in der Mathematik und in den Naturwissenschaften tätig war, verfügte über hinreichende Sprachkenntnisse, um wissenschaftliche Arbeiten aus Westeuropa lesen zu können. Dennoch erschien ein Werk von Gauß bereits zu dessen Lebzeiten in russischer Sprache, nämlich die „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“, die Gauß am 15. Dezember 1832 der Königlichen Societät der Wissenschaften in Göttingen vorgestellt hatte. Das lateinische Original erschien in vollem Umfang erst neun Jahre später (Gauß 1841a), aber bereits im Jahre 1833 wurde in Göttingen ein Vorabdruck in kleiner Auflage hergestellt. Prompt veröffentlicht wurden aber Übersetzungen dieser Arbeit: zunächst ins Deutsche – Übersetzer war Johann Christian Poggendorff – unter dem Titel „Die Intensität der erdmagnetischen Kraft, zurückgeführt auf absolutes Maaß“6 (Gauß 1833) und bald darauf auch ins Französische unter dem Titel „Mesure absolue de l’Intensité du Magnétisme terrestre“7 (Gauß 1834c). Im Jahre 1836 folgte auch eine Übersetzung ins Russische, was in der Gauß-Forschung bislang so gut wie unbekannt gewesen ist. Gauß erwähnte in einem Brief vom 10. April 1845 gegenüber Schumacher: „die russische [Übersetzung] ist mir nie zu Gesicht gekommen“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1862: 4, S. 428). Die Schrift ist auch nicht in der Gauß-Bibliothek vorhanden. Bislang wusste man also kaum von der Existenz dieser Übersetzung. Vor kur-

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zösisch geschrieben und erst nachträglich, wahrscheinlich von Gauß oder Weber, ins Deutsche übersetzt worden. Gauß hielt diese von Poggendorff angefertigte Übersetzung für „sehr schlecht“; so äußerte er sich in einem Brief an Schumacher vom 29.4.1845 (Briefwechsel Gauß– Schumacher 1862: 4, S. 437). Im Jahre 1894 erschien noch eine weitere, von Ernst Dorn herausgegebene Übersetzung von Gauß’ „Intensitas“ im Rahmen der Reihe „Ostwald’s Klassiker“ unter Nr. 53 (Gauß 1894). Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass 1838 auch eine Übersetzung ins Italienische erschien: Misura assoluta dell’ intensità della forza magnetica terrestre. In: Primo supplemento alle Effemeridi astronomiche di Milano 1839. Milan 1838, S. 3– 132. Gauß besaß diese von Paolo Frisiani angefertigte Übersetzung (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1862: 4, S. 428, 437). Sie ist heute leider nicht mehr in der GaußBibliothek vorhanden.

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zem konnte sie aber aufgespürt werden, und zwar in den „Gelehrten Schriften“ der Moskauer Universität aus dem Jahre 1836 (Gauß 1836b; Roussanova 2011b). Der Übersetzer war der damals erst 20-jährige Student der Universität Moskau Aleksandr Nikolaevič Drašusov. Als Vorlage für die Übersetzung diente Drašusov wohl die französische Übersetzung (Gauß 1834c). Im Jahre 1839 konnte Drašusov während seiner Studienreise Gauß in Göttingen persönlich kennenlernen. Weitere Übersetzungen von Werken von Gauß ins Russische erschienen erst nach dem Tod ihres Verfassers. Nach der im Krimkrieg erlittenen Niederlage fand in Russland ein Wandel in den Bereichen Bildung und Wissenschaft statt. Die liberalen Reformen Alexanders II. sorgten im Lande für einen raschen Aufschwung in den Naturwissenschaften, in der Mathematik und in der Technik. Die Zahl der Studenten, die sich den exakten Wissenschaften widmen wollten, stieg rapide an.

4.3.1. Studenten als Übersetzer Die Entfaltung der Naturwissenschaften um die Mitte des 19. Jahrhunderts führte dazu, dass Übersetzungen grundlegender wissenschaftlicher Werke ins Russische dringend nötig wurden. Sie sollten wissenschaftliche Leistungen auf den jeweiligen Wissensgebieten einem breiteren Kreis zugänglich machen, um die Wissenschaften zügig weiterentwickeln zu können. Es waren zunächst Studenten, die diese Aufgabe wahrnahmen, vermutlich auf Grund von Empfehlungen ihrer Professoren. Einer dieser Übersetzer war Dogel’, über den keine weiteren Informationen vorliegen, als dass er Student der Universität Moskau gewesen ist. Nicht einmal sein Vorname ist bekannt. Dogel’ übersetzte die „Theoria motus“ (Gauß 1809a) in voller Länge aus dem lateinischen Original ins Russische. Der Übersetzer von Gauß’ „Methode der kleinsten Quadrate“, für die als Vorlage die französische Übersetzung von 1855 (Gauß 1855) diente, wurde gar nicht genannt. Diese beiden Übersetzungen, die der „Theoria motus“ (Gauß 1859/1861) und die der „Methode der kleinsten Quadrate“ (Gauß 1859), sowie die Übersetzung der „Populären Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände“ von Friedrich Wilhelm Bessel (Bessel 1848) erschienen in der von Studenten der Universität Moskau herausgegebenen Reihe „Bibliothek der Natur- und mathematischen Wissenschaften“. Von 1859 bis 1861 wurden lediglich vier Hefte der Abteilung „Reine und Angewandte Mathematik“8 mit den drei oben genannten Übersetzungen gedruckt, die schon seit langem eine Rarität sind und der Gauß-Forschung, so auch Uta C. Merzbach, nicht bekannt waren (Merzbach 1984). Der Herausgeber dieser studentischen Reihe war Dmitrij Vasil’evič Sokolov, der von 1856 bis 1860 an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät in Moskau studierte. Überliefert ist, dass er auch die zoologischen Abhandlungen redigierte. Nach dem Studium 8

Originaltitel: „Ȼɢɛɥiɨɬɟɤɚ Eɫɬɟɫɬɜɟɧɧɵɯɴ ɢ Mɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɯɴ ɇɚɭɤɴ; ɨɬɞ. 7, Ɇɚɬɟɦɚɬɢɤɚ ɱɢɫɬɚɹ ɢ ɩɪɢɤɥɚɞɧɚɹ“.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung

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war Sokolov an einem Moskauer Gymnasium tätig, verstarb jedoch bereits im Jahre 1861 im Alter von nur 27 Jahren. Als Zensor der studentischen „Bibliothek der Natur- und mathematischen Wissenschaften“ fungierte der bereits erwähnte Aleksandr Nikolaevič Drašusov. Aus politischen Gründen war die Zensur insbesondere für studentische Veröffentlichungen obligatorisch. Drašusov, der zu dieser Zeit allerdings nicht mehr Professor für Astronomie an der Universität Moskau war – er war 1855 emeritiert worden – begrüßte sicherlich die russischen Übersetzungen von Gauß’ Fundamentalwerken. Es ist durchaus möglich, dass Drašusov selbst diese Arbeiten von Gauß zur Übersetzung empfohlen oder in Auftrag gegeben hatte. Im Jahre 1866 wurden drei grundlegende Werke von Gauß über Geodäsie ins Russische übersetzt (Gauß 18661), 2), 3)).9 Insbesondere seien hier die Übersetzungen der zwei Abhandlungen „Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie“ (Gauß 1845 und 1847) erwähnt. Bei dem Übersetzer handelt es sich um Aleksej Andreevič Thillot (Tillo), der zunächst an der Artillerieakademie in St. Petersburg und anschließend in der Abteilung für Geodäsie der Akademie des Generalstabs seine Ausbildung erhielt.10 Zwei Jahre lang, von 1864 bis 1866, bildete er sich an der Hauptsternwarte in Pulkowo weiter, bevor er beim Militär Karriere machte. Eine seiner bedeutendsten wissenschaftlichen Arbeiten galt dem Nivellement des Schwarzen und des Kaspischen Meeres. 1892/93 wurde Thillot zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt, und zwar für die mathematischen Wissenschaften. Thillot interessierte sich auch für die Erforschung des Erdmagnetismus; er veröffentlichte eine Reihe von Ergebnissen auf diesem Gebiet. Darüber hinaus war er einer der ersten, die die magnetischen Anomalien bei Charkow und bei Kursk untersuchten. Auch die erste Übersetzung von Gauß’ differentialgeometrischem Hauptwerk „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ (Gauß 1828a) stammt aus der Feder eines Studenten. Sie erschien 1887 in einer Schriftenreihe der Studenten der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität St. Petersburg. Der Übersetzer P. Krasnov – Näheres über ihn wird in der Veröffentlichung nicht mitgeteilt – schreibt im Vorwort, hier in deutscher Übersetzung: „Die lateinische Sprache der Abhandlung behindert in gewisser Weise eine größere Verbreitung dieses Werkes von Gauß. Deswegen haben wir trotz des Risikos, die ‚Eleganz‘ dieses Werkes zu beeinträchtigen, beschlossen, eine Übersetzung anzufertigen“ (Gauß 1887). Wie auf dem Titelblatt angegeben ist, oblag die Redaktion der Übersetzung Konstantin Aleksandrovič Posse, der seit 1886 die Ordentliche Professur für Höhere Mathematik an der Universität St. Petersburg innehatte. Posse selbst war Absolvent der Universität in 9 Vgl. die Abkürzungen in den Verzeichnissen von Gauß’ Werken in russischer Übersetzung am Schluss dieses Kapitels. 10 Sowohl Drašusov als auch Thillot stammten aus Hugenotten-Familien, die von Frankreich nach Russland ausgewandert waren.

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St. Petersburg, er war dort im Jahre 1873 mit einer Arbeit über die Funktionen, die denen von Legendre analog sind, promoviert worden. Posse arbeitete auch auf dem Gebiet der analytischen Geometrie. Die bahnbrechende Bedeutung, die Gauß’ Allgemeiner Flächentheorie zukam, war Posse vollkommen bewusst. So förderte er die Übersetzung dieser Abhandlung, um sie einem breiteren Leserkreis, darunter auch seinen Studenten, zugänglich zu machen. Man kann nur vermuten, dass es sich bei P. Krasnov um Platon Nikolaevič Krasnov handelt. Platon Krasnov war im Jahre 1887 21 Jahre alt; er hatte an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität St. Petersburg studiert. Später war er als Schriftsteller, Übersetzer und Kritiker tätig. Er entstammte einer sehr gebildeten Familie und hatte schon zu Hause eine ausgezeichnete Ausbildung erhalten. Sein älterer Bruder war Andrej Krasnov, ebenfalls Absolvent der Universität in St. Petersburg. Er war der erste Russe, der im Jahre 1894 den Grad eines Doktors der Geographischen Wissenschaften erhielt. Andrej Krasnov war auch ein wichtiger Freund und Kollege des berühmten Biogeochemikers Vladimir Ivanovič Vernadskij. Platon Krasnovs jüngerer Bruder war Pëtr Nikolaevič Krasnov, der sich später als General, Politiker und Publizist einen Namen machen sollte. Nach der Revolution von 1917 war er einer der Führer der gegenrevolutionären Bewegung, der sogenannten Weißen Armee. Eine weitere Übersetzung von Gauß’ „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ (Gauß 1828a) erschien im Jahre 1895 in Kasan. Sie stammte aus der Feder von M. M. Filippov und war lediglich in der zweiten Auflage eines Sammelbandes abgedruckt, der anlässlich des 100. Geburtstags von Nikolaj Ivanovič Lobačevskij in Kasan herausgegeben worden war (Gauß 1895). Michail Michajlovič Filippov war ein bemerkenswerter Naturforscher, Philosoph und Schriftsteller, der an den Universitäten in St. Petersburg und in Odessa studiert hatte und im Jahre 1892 an der Universität Heidelberg promoviert worden war. Er war Herausgeber der von ihm selbst 1894 gegründeten Zeitschrift „Naučnoe obozrěnie“11 (Wissenschaftsbericht) und gilt als einer der ersten Anhänger des Marxismus in Russland.

4.3.2. Aleksej Nikolaevič Krylov Was die Erforschung und die Edition der Werke von Gauß in Russland im 20. Jahrhundert betrifft, so gebührt hier dem herausragenden Mathematiker und Schiffsbauingenieur Aleksej Nikolaevič Krylov ein ganz besonderes Verdienst. Am Anfang seiner Laufbahn, nachdem er 1884 das Studium an der Marineschule in St. Petersburg, dem ehemaligen Seekadettenkorps, abgeschlossen hatte, beschäftigte er sich mit dem Kompasswesen, mit der Deviationstheorie sowie mit der Theorie des Erdmagnetismus. Zu diesem Zweck setzte er sich auch mit der Originalfassung von Gauß’ Abhandlung „Intensitas 11 Originaltitel: „ɇɚɭɱɧɨɟ ɨɛɨɡɪ࣎ɧɿɟ“.

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vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ (Gauß 1841a) auseinander (Krylov 1945, S. 71–72). Krylovs weitere Beschäftigung mit dem Werk von Gauß fand abermals auf eine ganz besondere Weise statt. Als er im Jahre 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, sein Amt als Leiter des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg antrat – als Nachnachfolger von Adolph Theodor Kupffer –, wurde er in der dortigen Bibliothek auf eine Schrift von Gauß mit dem Titel „Die Theoretische Astronomie“ aufmerksam. Da Krylov die Werke von Gauß sehr gut kannte, fiel ihm auf, dass es keine Abhandlung von Gauß mit diesem Titel gibt. Tatsächlich handelte es sich auch nicht um eine Abhandlung von Gauß selbst, sondern um eine Vorlesungsmitschrift, die Adolph Theodor Kupffer während seines Studiums an der Universität Göttingen in den Jahren 1820/21 angefertigt hatte. Krylov erkannte sofort, welch große Bedeutung dieser Handschrift zukam. Daher war es sein Anliegen, dass sich auch die Studenten der Hydrographie und der Navigation mit dieser Vorlesung von Gauß beschäftigen sollten, da er fest davon überzeugt war, dass deren Inhalt nichts von seiner Bedeutung verloren habe, ebenso wie auch andere Werke von Gauß. So übersetzte Krylov diese Mitschrift selbst ins Russische und veröffentlichte die Übersetzung im Jahre 1919 (Gauß 1919). Bis heute ist sie überhaupt die einzige in voller Länge publizierte Mitschrift einer Vorlesung von Gauß (Roussanova 2010a). In den 1930er Jahren leitete Krylov die Edition des Briefwechsels von Gauß mit der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg während der Jahre 1801 bis 1807 in die Wege. Dieses Projekt wurde von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR gefördert, und das Ergebnis wurde schließlich auch veröffentlicht (Svjatskij 1934). Die Briefe von Gauß wurden von dem wissenschaftshistorisch interessierten Astronomen und Meteorologen Daniil Osipovič Svjatskij ediert und ins Russische übersetzt. Zusammen mit den Briefen wurden auch zwei Mitteilungen von Gauß an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften sowohl in der deutschen Originalsprache als auch in russischer Übersetzung erstmals veröffentlicht. Es handelt sich um Gauß’ eigenhändige Zusammenfassungen seiner Dissertation (Gauß 1799) und seiner „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) (siehe S. 229–232). Im Jahre 1932 hielt Krylov an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR einen hochinteressanten Vortrag über die Arbeiten von Gauß. Gegen Ende seines Vortrages bedauerte er, dass Gauß nur auf Grund der Weigerung des Braunschweiger Herzogs nicht nach St. Petersburg hatte berufen werden können, sonst hätte man ihn gerne Karl Fëdorovič Gauß12 genannt (Krylov 1934). Des Weiteren schlug Krylov Anfang des Jahres 1941 dem Präsidium der Akademie der Wissenschaften der UdSSR vor, die grundlegenden astronomi12 In Russland hätte Gauß wohl nach seinem Vater, Gebhard Dietrich Gauß, Karl Gebchardovič heißen müssen.

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schen und physikalischen Werke von Gauß in russischer Sprache herauszugeben. Er fand dies erforderlich, um die tiefgründigen Ideen von Gauß weiterentwickeln zu können. Er selbst beschäftigte sich auch in den schwierigen Zeiten des Zweiten Weltkrieges intensiv mit Gauß’ Werken. So übersetzte Krylov selbst noch mehrere Arbeiten aus dem fünften Band der Gauß-Werke, der Gauß’ Arbeiten zur Mathematischen Physik enthält, ins Russische. Das druckfertige Manuskript überreichte Krylov im Jahre 1943, zwei Jahre vor seinem Tod, dem Institut für Theoretische Geophysik in Moskau (Štrajch 1951, S. 323). Krylovs Übersetzungen von Gauß’ Werken über den Erdmagnetismus wurden im Jahre 1952 in einem Sammelband mit dem Titel „Carl Friedrich Gauß. Ausgewählte Arbeiten über Erdmagnetismus“ veröffentlicht (Janovskij 1952). Dieser Band erschien nunmehr unter der Redaktion von Boris Michajlovič Janovskij, der damals an der Spitze der Erforschung des Erdmagnetismus in der UdSSR stand. Es ist im Wesentlichen Krylov und Janovskij zu verdanken, dass die wichtigsten Arbeiten von Gauß auf dem Gebiet des Erdmagnetismus in russischer Sprache vorliegen.

4.3.3. Editionsprojekte in der UdSSR in den 1950er Jahren In den 1950er Jahren wurden von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR drei große Editionsprojekte, die Gauß betreffen, auf den Weg gebracht. In diesen Projekten wurden praktisch alle wichtigen Arbeiten von Gauß ins Russische übersetzt und mit Kommentaren versehen. Diese drei Projekte spiegeln die drei wichtigsten Arbeitsgebiete von Gauß wider: Physik und Erdmagnetismus, Geodäsie und Differentialgeometrie sowie Zahlentheorie. Es ist dies überhaupt die vollständigste fremdsprachige Ausgabe der Werke von Gauß (Janovskij 1952; Sudakov 1957 und 1958; Vinogradov 1959). Diese sehr beachtlichen Bemühungen in den 1950er Jahren in der UdSSR, Gauß’ Werk auf russisch zugänglich zu machen, dienten einerseits dazu, Gauß zu seinem 100. Todestag zu ehren. Andererseits sollte damit auch die wissenschaftshistorische Forschung vorangetrieben werden. Die führenden Wissenschaftler in der UdSSR sahen in Gauß’ Werken auch 100 Jahre nach dem Tod des Gelehrten noch ein mächtiges wissenschaftliches Potential für weitere Entwicklungen. Es war an der Zeit, die vielen genialen Ideen, die Gauß nur angedeutet, aber nicht näher ausgeführt hatte, weiter auszubauen. Aus diesem Grunde wurde die Übersetzung des Werkes von Gauß ins Russische durch herausragende Institutionen so gut wie nur irgend möglich gefördert, um dieses Werk weiteren Forschungen zugrundezulegen. Im Folgenden seien diese drei Editionsprojekte einzeln und im Detail vorgestellt. Den Anfang in dieser Reihe machte im Jahre 1952 der bereits erwähnte, von Janovskij redigierte Band „Carl Friedrich Gauß: Ausgewählte Arbeiten über den Erdmagnetismus“ (Janovskij 1952). Boris Michajlovič Janovskij hatte

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung

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von 1913 bis 1916 an der Universität in St. Petersburg bzw. Petrograd13 studiert. Er nahm an der Untersuchung der magnetischen Anomalie von Kursk teil und wirkte mit an der Erstellung des magnetischen Generalatlasses der UdSSR. Von 1944 bis 1967 war er Professor für Geophysik an der Universität in Leningrad, außerdem war er von 1946 bis 1948 Direktor des Allunionsforschungsinstitutes für Metrologie.14 Janovskij war einer der bedeutendsten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Erforschung des Erdmagnetismus. Der von ihm herausgegebene Band umfasst auch seine Kommentare zu Gauß’ Arbeiten und eine kritische Abhandlung von T. N. Roze, einer Geophysikerin am Labor für Geomagnetismus an der Universität in Leningrad, über die Arbeiten von Gauß über den Erdmagnetismus (Roze 1952). Ferner wurde in diesem Band auch eine russische Übersetzung der Abhandlung von Ivan Michajlovič Simonov „Sur le magnétisme terrestre“ (Simonov 1837) abgedruckt. Wie schon erwähnt, war die Übersetzung von Gauß’ Arbeiten ins Russische von A. N. Krylov vorbereitet worden. Der Band erschien in der Reihe der Akademie der Wissenschaften der UdSSR „Klassiker der Wissenschaften“. Das zweite große Editionsprojekt war Gauß’ Arbeiten auf dem Gebiet der Geodäsie sowie der Differentialgeometrie gewidmet. Die beiden Bände unter dem Titel „Ausgewählte geodätische Arbeiten von Gauß“, die 1957 und 1958 erschienen, standen unter der Gesamtredaktion des Präsidenten der sowjetischen Geodätenvereinigung, Sergej Grigor’evič Sudakov. Sudakov hatte seine Ausbildung am Geodätischen Institut in Moskau erhalten und leitete 26 Jahre lang das Hauptamt für Geodäsie und Kartographie der UdSSR. Unter seiner Leitung wurden mehrere kartographische Projekte verwirklicht (Sudakov 1993). Sudakov stand der führende Geodät Gegam Vagramomič Bagratuni zur Seite, dessen Forschungsgebiet die Sphärische Geodäsie war. Bagratuni ist die Kommentierung von Gauß’ Arbeiten zu verdanken. Der erste Band, der den Untertitel „Methode der kleinsten Quadrate“ trägt (Sudakov 1957), enthält 13 Arbeiten von Gauß, darunter vier lediglich in Auszügen. So umfasst der Band nicht die ganze Übersetzung von Gauß’ „Theoria motus“ (Gauß 1809a), sondern nur den Abschnitt 3 des zweiten Buches,15 nämlich die Darstellung von Gauß’ Methode der kleinsten Quadrate samt seinen Überlegungen zur Wahrscheinlichkeitsrechnung. Der Name des Erstübersetzers Dogel’ (Gauß 1859/1861) wurde zwar genannt, jedoch mit einem Hinweis, dass dessen Übersetzung nicht berücksichtigt worden sei. Der zweite Band mit dem Titel „Höhere Geodäsie“ (Sudakov 1958) umfasst acht Arbeiten von Gauß sowie ein Schriftstück aus dem Nachlass des Gelehrten. Gauß’ beide Abhandlungen 13 St. Petersburg hieß von 1914 bis 1924 Petrograd, danach bis 1991 Leningrad. 14 Dieses war ein Nachfolgeinstitut des von Adolph Theodor Kupffer gegründeten Dépôts für Maß- und Gewichtsmuster. 15 Der Titel dieses Abschnitts lautet: „Liber secundus. Sectio tertia. Determinatio orbitae observationibus quotcunque quam proxime satisfacientis“. Genauso der Titel in der deutschen Übersetzung: „Bestimmung einer Bahn, die den Beobachtungen, so viele man ihrer hat, sich möglichst genau anschliesst“, § 172–189 (Gauß 1865, S. 250–275).

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

„Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodäsie“, die bereits Thillot übersetzt hatte (Gauß 18662), 3)), wurden ebenfalls von neuem übersetzt, jedoch ohne Thillot zu erwähnen und ohne auf dessen Übersetzung zurückzugreifen. Hingegen wurde der Übersetzung von Gauß’ differentialgeometrischem Werk „Disquisitiones generales circa superfies curvas“ sehr wohl die Übersetzung von P. Krasnov aus dem Jahre 1887 zugrundegelegt (Gauß 1887); sie wurde dabei aber verbessert. Die beiden Bände erschienen im Moskauer Verlag für geodätische Literatur (Sudakov 1957 und 1958). Gauß’ grundlegendes Werk „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ (Gauß 1828a) wurde auch noch im Jahre 1956 in einem Sammelband „Über die Grundlagen der Geometrie“ veröffentlicht (Gauß 1956). Dieser Band enthält grundlegende, „klassische“ Arbeiten zur Geometrie von Lobačevskij und zur Weiterentwicklung von dessen Ideen, darunter auch die oben genannte Arbeit von Gauß. Als Grundlage für den Sammelband diente die schon erwähnte Übersetzung von P. Krasnov, die aber leicht redigiert wurde. Der Band erschien in der Reihe der Akademie der Wissenschaften der UdSSR „Klassiker der Naturwissenschaften. Mathematik, Mechanik, Physik, Astronomie“. So sind Gauß’ „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ in russischer Übersetzung insgesamt viermal publiziert worden (Gauß 1887; Gauß 1895; Gauß 1956; Gauß 19584)). Das dritte große Editionsprojekt unter dem Titel „Carl Friedrich Gauß. Arbeiten zur Zahlentheorie“ (Gauß 1959) leitete der führende Zahlentheoretiker der UdSSR, Ivan Matveevič Vinogradov. Vinogradov hatte von 1910 bis 1914 an der Universität in St. Petersburg studiert. Nachdem er Professuren zuerst in Perm und dann in Leningrad wahrgenommen hatte, wurde er erster Direktor des V. A. Steklov-Institutes für Mathematik in Leningrad, das 1934 von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR gegründet worden war. Diese Position sollte Vinogradov bis zu seinem Lebensende 1983 innehaben. Er widmete sich insbesondere der analytischen Zahlentheorie. Als eine seiner bedeutendsten Leistungen gelang ihm 1937 der Beweis, dass eine natürliche Zahl n > N mit einer festen Schranke V sich als Summe von drei Primzahlen darstellen lässt (Teillösung des Goldbachschen Problems). An dem Editionsprojekt wirkte außerdem Boris Nikolaevič Delone mit, der von 1922 bis 1935 an der Universität in Leningrad und von 1935 bis 1958 an der Universität in Moskau als Professor tätig war. Delone arbeitete auf einem Gebiet im Grenzbereich zwischen Algebra, Zahlentheorie und Geometrie, aber auch über mathematische Kristallographie. Der von Vinogradov herausgegebene umfangreiche Band (978 Seiten) ist vollständig Gauß’ zahlentheoretischem Schaffen gewidmet. Dabei wurden in diesem Band auch all diejenigen Arbeiten von Gauß berücksichtigt, die Hermann Maser 1889 ins Deutsche übersetzt hatte, nämlich die „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) sowie weitere fünf einschlägige Abhandlungen16 und relevante Teile aus dem Nachlass. Es wurde 16 Gauß 1808a; Gauß 1811a; Gauß 1820a; Gauß 1828b; Gauß 1832b.

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aber nicht etwa die deutsche Übersetzung von Maser (Maser 1889) ins Russische übertragen, sondern die zumeist lateinischen Originaltexte. Der Band enthält auch eine Abhandlung von Vinogradov über Gauß und eine kritische Studie über Gauß’ zahlentheoretische Arbeiten von Delone. Der Band erschien wiederum in der Reihe der Akademie der Wissenschaften der UdSSR „Klassiker der Wissenschaften“.

4.3.4. Gauß’ „Übersicht der Gründe der Constructibilität des Siebenzehneckes“ Auch nach Abschluss dieses großartigen Editionsprojektes von 1952 bis 1959 war das Interesse an Gauß in der UdSSR keineswegs erloschen. Das beweist eine spezielle Publikation von Elena Petrovna Ožigova aus dem Jahre 1976, in der Gauß’ Schrift „Übersicht der Gründe der Constructibilität des Siebenzehneckes“ in russischer Übersetzung präsentiert wurde (Gauß 1976). Diesem Schriftstück, das Gauß um 1801 speziell für die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg in deutscher Sprache verfasst hatte, gebührt ganz besondere Aufmerksamkeit. Einerseits handelt es sich um ein Ergebnis aus den „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801), die damals noch nicht gedruckt vorlagen. Andererseits hatte Gauß der Akademie in St. Petersburg nicht den lateinischen Originaltext, sondern eine eigenhändige Darstellung in deutscher Sprache zukommen lassen. Darüber hinaus demonstrierte Gauß in dieser Schrift ein ganz anderes Verfahren als in den „Disquisitiones arithmeticae“, das aber im Wesentlichen auf derselben Grundlage beruht. Die Konstruktion des regelmäßigen Siebzehnecks, diese „kleine Probe“ seines Talents, die Gauß nach St. Petersburg gesandt hatte, war eine seiner Glanzleistungen und wohl das populärste Ergebnis, das er in seinen „Disquisitiones arithmeticae“ veröffentlichen sollte. Dieses einzigartige Dokument, das in der St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften aufbewahrt wird, wurde nun 1976 erstmals veröffentlicht, und zwar nur in russischer Übersetzung. Aus dem Kommentar von Ožigova folgt aber, dass die Übersetzung ins Russische von Marija Vladimirovna Krutikova bereits um 1948 vorbereitet worden war (Ožigova 1976b). Erst 27 Jahre nach der Veröffentlichung der russischen Übersetzung wurde dieses Schriftstück auch in der deutschen Originalsprache publiziert (Reich 2003b).17

17 Nochmals abgedruckt, siehe S. 235–238.

122

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

4.4. Verzeichnis der Werke von Gauß in russischer Übersetzung Uta C. Merzbach veröffentlichte im Jahre 1984 in dem Kapitel „Primary work“ eine Bibliographie der gedruckten Werke von Gauß, in der auch soweit wie möglich die Übersetzungen der einzelnen Arbeiten aufgelistet wurden (Merzbach 1984, S. 1–53). Es ist dies die jüngste Bibliographie der Werke von Gauß. Laut den Angaben dieser Bibliographie wurden 20 Werke von Gauß ins Französische, 23 ins Englische und 22 ins Russische übersetzt.18 Im Falle der russischen Übersetzungen weist diese Zusammenstellung aber erhebliche Lücken auf. So wurden von Merzbach alle Übersetzungen ins Russische, die bereits im 19. Jahrhundert angefertigt worden waren, nicht berücksichtigt, wodurch ihr elf Titel entgingen. In der Bibliographie von Merzbach werden lediglich die drei Sammelbände genannt, die 1952, 1957 und 1959 in der UdSSR herausgegeben worden sind (Janovskij 1952; Sudakov 1957; Vinogradov 1959). Offensichtlich stand der Verfasserin der zweite Band der Reihe „Ausgewählte geodätische Arbeiten von Gauß“, den Sudakov im Jahre 1958 veröffentlicht hatte, nicht zur Verfügung (Sudakov 1958). Damit fehlen in der Bibliographie von Merzbach noch weitere neun russische Übersetzungen von Gauß’ Arbeiten, die in der Tat vorliegen. In den folgenden Verzeichnissen wird nicht nur wie in der Bibliographie von Merzbach das gedruckte Werk von Gauß erfasst, sondern auch dessen handschriftliche Texte, die ins Russische übersetzt worden sind. Das sind teilweise Werke aus dem Nachlass von Gauß, die Eingang in die Ausgabe von Gauß’ Werken gefunden haben, aber auch in deutscher Sprache abgefasste Manuskripte von Gauß, die im deutschen Original und/oder in russischer Übersetzung veröffentlicht sind. Die ins Russische übersetzten und veröffentlichten Briefe von Gauß wurden dagegen nicht in die Verzeichnisse aufgenommen. In den folgenden Verzeichnissen der Werke von Gauß in russischer Übersetzung sind insgesamt 53 Übersetzungen erfasst. Es handelt sich dabei um 45 Schriftstücke von Gauß (einschließlich Anzeigen, Tabellen und Karten) und um sieben posthum herausgegebene Schriften sowie um eine Vorlesungsmitschrift. Insgesamt sind 40 Werke von Gauß übersetzt worden. Manche Übersetzungen wurden sogar mehrfach angefertigt und publiziert (Gauß 1809a; Gauß 1825; Gauß 1828a; Gauß 1845; Gauß 1847). Diese Zusammenstellung macht deutlich, dass wesentlich mehr Werke von Gauß in russischer Übersetzung vorliegen als in Übersetzungen in andere Sprachen. Russland war und ist das Land, in dem das Werk von Gauß besondere Beachtung und Würdigung gefunden hat und noch immer findet, mehr als in jedem anderen Land. 18 Bei dieser Zahlenangabe wurde lediglich pauschal abgezählt. Es wurde nicht berücksichtigt, ob nur Exzerpte oder eine Paraphrase anstelle einer vollständigen Übersetzung präsentiert wurde.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung

123

In dem folgenden ersten Verzeichnis sind Gauß’ Werke chronologisch nach dem Jahr der Anfertigung der Übersetzung angeordnet. Die erste Spalte enthält die im sich anschließenden Literaturverzeichnis verwendeten Abkürzungen der Publikationen von Gauß, die der Übersetzung ins Russische jeweils zugrundelagen. In der zweiten Spalte sind die Abkürzungen aus der Bibliographie von Merzbach angeführt, falls die fragliche Übersetzung dort aufgenommen wurde. Die dritte Spalte enthält: 1) die Abkürzung der jeweiligen Übersetzung, 2) die vollständigen bibliographischen Daten sowie 3) die Titelangaben zur Originalabhandlung von Gauß mit dem Hinweis auf GaußWerke. Im zweiten Verzeichnis werden übersichtshalber die Übersetzungen ins Russische chronologisch nach dem Erscheinungsjahr von Gauß’ Originalabhandlung angeführt; die bibliographischen Angaben sind hier gekürzt wiedergegeben.

124

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Verzeichnis I: Gauß’ Werke in russischer Übersetzung, chronologisch nach dem Erscheinungsjahr der Übersetzung aufgelistet Abkürzung der Originalpublikation

Gauß 1834c oder Gauß 1833 [Gauß 1841a]

Übersetzung ins Russische19 sowie die Übersetzungsvorlage20

Übersetzung ins Russische, Angabe nach Merzbach 1984 —

Gauß 1836b Ɉɛɴ ɢɡɦ࣎ɪɟɧiɢ ɡɟɦɧɚɝɨ ɦɚɝɧɢɬɢɡɦɚ. (Coɱ[ɢɧɟɧɿɟ] Ʉɚɪɥ[a] Ɏɪɢɞ[ɪɢɯa] Ƚɚɭɫɫa). ɉɟɪ[ɟɜɺɥɴ] Ⱥ. Ⱦɪɚɲɭɫɨɜɴ. ɍɱɟɧɵɹ ɡɚɩɢɫɤɢ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ɇɨɫɤɨɜɫɤɚɝɨ ɭɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ. – Ob izměrenii

zemnago magnitizma. (Soč[inenie] Karl[a] Frid[richa] Gaussa). Per[evël] A. Drašusov. Učenyja zapiski Imperatorskago Moskovskago universiteta, čast’ 11, 1836, Nr. 7 (Januar), S. 3– 22; Nr. 8 (Februar), S. 246–271; Nr. 9 (März), S. 341–381. Mesure absolue de l’Intensité du Magnétisme terrestre. Annales de chimie et de physique 57, 1834, S. 5–69 (Gauß 1834c); oder Die Intensität der erdmagnetischen Kraft, zurückgeführt auf absolutes Maaß. Annalen der Physik und Chemie 28 (104), 1833, S. 241– 273, 591–615 (Gauß 1833). Gauß 1809a



Gauß 1859/1861 Ɍɟɨɪiɹ ɞɜɢɠɟɧiɹ ɧɟɛɟɫɧɵɯɴ ɬ࣎ɥɴ, ɨɛɪɚɳɚɸɳɢɯɫɹ ɜɨɤɪɭɝɴ ɫɨɥɧɰɚ ɩɨ ɤɨɧɢɱɟɫɤɢɦɴ ɫ࣎ɱɟɧiɹɦɴ. ɋɨɱɢɧɟɧɿɟ Kaɪɥa Ɏɪɢɞɪɢɯa Ƚɚɭɫɫa. ɉɟɪɟɜɟɥɴ ɫɴ Ʌɚɬɢɧɫɤaɝɨ Cɬɭɞɟɧɬɴ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɚɝɨ Ɇɨɫɤɨɜɫɤaɝɨ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ Ⱦɨɝɟɥɶ. (= Ȼɢɛɥiɨɬɟɤɚ Eɫɬɟɫɬɜɟɧɧɵɯɴ ɢ Mɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɯɴ ɇɚɭɤɴ; ɨɬɞ. 7, Ɇɚɬɟɦɚɬɢɤɚ ɱɢɫɬɚɹ ɢ ɩɪɢɤɥɚɞɧɚɹ, ɜɵɩ. 1–3). – Teorija

dviženija nebesnych těl, obraščajuščichsja vokrug solnca po koničeskim sěčenijam. Sočinenie Karla Fridricha Gaussa. Perevel s Latinskago Student Imperatorskago Moskovskago Universiteta Dogel’. (= Biblioteka Estestvennych i Matematičeskich Nauk; otd. 7, Matematika čistaja i prikladnaja, vyp. 1–3). Moskva 1859 (1861), 293 S.21 sowie 20 S. Tabellen.22 Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium. Hamburg 1809. In: Gauß-Werke: 7, S. 1–280.

19 20 21 22

Titelangabe der Sammelwerke siehe im Literaturverzeichnis. Vollständige bibliographische Angaben siehe im Literaturverzeichnis. Gauß-Werke: 7 (1871), S. 1–249; Gauß-Werke: 7 (1906), S. 1–261. Tafeln I–III, Gauß-Werke: 7 (1871), S. 250–271; Gauß-Werke: 7 (1906), S. 263–280.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung Gauß 1855



125

Gauß 1859 Ɍɟɨɪiɹ ɫɨɟɞɢɧɟɧiɹ ɧɚɛɥɸɞɟɧiɣ, ɩɪɢɜɨɞɹɳɚɝɨ ɤɴ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦɴ ɩɨɝɪ࣎ɲɧɨɫɬɹɦɴ, Ʉɚɪɥɴ Ɏɪ. Ƚɚɭɫɫa. ɋɬɚɬɶɹ ɩɟɪɜɚɹ. ȼɴ: ɋɩɨɫɨɛɴ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɯɴ ɤɜɚɞɪɚɬɨɜɴ. Ɇɟɦɭɚɪɵ ɨ ɫɨɟɞɢɧɟɧiɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧiɣ. ɉɟɪɟɜɨɞɴ ɫɴ ɮɪɚɧɰɭɡɫɤaɝɨ. (= Ȼɢɛɥiɨɬɟɤɚ Eɫɬɟɫɬɜɟɧɧɵɯɴ ɢ Mɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɯɴ ɇɚɭɤɴ; ɨɬɞ. 7, Ɇɚɬɟɦɚɬɢɤɚ ɱɢɫɬɚɹ ɢ ɩɪɢɤɥɚɞɧɚɹ, ɜɵɩ. 4). – Teorija soedinenija

nabljudenij, privodjaščago k naimen’šim pogrěšnostjam, Karl Fr. Gaussa. Stat’ja pervaja. In: Sposob naimen’šich kvadratov. Memuary o soedinenii nabljudenij. Perevod s francuzskago. (= Biblioteka Estestvennych i Matematičeskich Nauk; otd. 7, Matematika čistaja i prikladnaja, vyp. 4). Moskva 1859, 32 S. Théorie de la combinaison des observations qui expose aux moindres erreurs, Par Ch.-Frédéric Gauss. Première Partie. In: Méthode des moindres carrés. Mémoires sur la combinaison des observations, Par Ch.-Fr. Gauss. Traduits en français publiés avec l’autorisation de l’auteur, Par J. Bertrand. Paris 1855, S. 1–35. In: Gauß-Werke: 4, S. 1–26. Gauß 1825



Gauß 18661) Ɉɛɳɟɟ ɪ࣎ɲɟɧiɟ ɜɨɩɪɨɫɚ: ɤɚɤɴ ɢɡoɛɪɚɡɢɬɶ ɱɚɫɬɢ ɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɧɚ ɞɪɭɝɨɣ ɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɬɚɤɴ, ɱɬɨɛɵ ɫɨɯɪɚɧɹɥɨɫɶ ɩɨɞɨɛiɟ ɜɴ ɦɚɥ࣎ɣɲɢɯɴ ɱɚɫɬɹɯɴ. Ʉ. Ɏ. Ƚɚɭɫɫa. –

Obščee rěšenie voprosa: kak izobrazit’ časti dannoj poverchnosti na drugoj dannoj poverchnosti tak, čtoby sochranjalos’ podobie v malějšich častjach. K. F. Gaussa. In: Tillo 1866, S. 1–24. Allgemeine Auflösung der Aufgabe: die Theile einer gegebnen Fläche auf einer andern gegebnen Fläche so abzubilden, dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich wird. Als Beantwortung der von der königlichen Societät der Wissenschaften in Copenhagen für 1822 aufgegebnen Preisfrage. Astronomische Abhandlungen, Heft 3, 1825, S. 1–30. In: Gauß-Werke: 4, S. 189–216. Gauß 1845



Gauß 18662) ɂɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɩɨ ɜɨɩɪɨɫɚɦɴ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡiɢ. Ƚɚɭɫɫa. ɋɬɚɬɶɹ ɩɟɪɜɚɹ. – Izslědovanija po voprosam vysšej geodezii. Gaussa.

Stat’ja pervaja. In: Tillo 1866, S. 41–72, 350–352. Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Erste Abhandlung. Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 2, 1845, S. 3–45. In: GaußWerke: 4, S. 259–300. Gauß 1847



Gauß 18663) [ɂɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɩɨ ɜɨɩɪɨɫɚɦɴ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡiɢ. Ƚɚɭɫɫa.] ɋɬɚɬɶɹ ɜɬɨɪɚɹ. – [Izslědovanija po voprosam vysšej geodezii. Gaussa.]

Stat’ja vtoraja. In: Tillo 1866, S. 73–106, 355–362. Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Zweite Abhandlung. Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 3, 1847, S. 3–43. In: GaußWerke: 4, S. 301–340.

126

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Gauß 1828a



Gauß 1887 Ɉɛɳiɹ ɢɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯɴ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯɴ, ɦɟɦɭɚɪɴ Ʉ. Ɏ. Ƚɚɭɫɫɚ. ɉɟɪɟɜɨɞɴ ɫ ɥɚɬɢɧɫɤɚɝɨ ɉ. Ʉɪɚɫɧɨɜɚ (K. C— ɤɚɝɨ), ɩɨɞɴ ɪɟɞɚɤɰieɸ ɩɪɨɮ. Ʉ. Ⱥ. ɉɨɫɫɟ. (= ɂɡɴ ɡɚɩɢɫɨɤɴ ɫɬɭɞɟɧɬɨɜɴ Ɏɢɡɢɤɨ-Mɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤaɝɨ Ɏɚɤɭɥɶɬɟɬɚ Cɩɛ. ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ). – Obščija izslědovanija o krivych poverchnostjach,

memuar K. F. Gaussa. Perevod s latinskago P. Krasnova (K. S—kago), pod redakcieju prof. K. A. Posse. (= Iz zapisok studentov Fiziko-Matematičeskago Fakul’teta S[ankt]p[eter]b[urgskago] Universiteta). S.-Peterburg 1887, 71 S. Disquisitiones generales circa superficies curvas. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 6, 1828, S. 99–146. In: Gauß-Werke: 4, S. 217–258. Gauß 1828a



Gauß 1895 Ɉɛɳiɹ ɢɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯɴ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯɴ. Ʉɚɪɥɚ Ɏɪɢɞɪɢɯɚ Ƚɚɭɫɫa. ɉɟɪɟɜɨɞ Ɇ. Ɇ. Ɏɢɥɢɩɩɨɜɚ. ȼɴ: Ɉɛɴ ɨɫɧɨɜɚɧiɹɯɴ ɝɟɨɦɟɬɪiɢ. Kɴ ɫɬɨɥ࣎ɬɧɟɦɭ ɸɛɢɥɟɸ ɇ. ɂ. Ʌɨɛɚɱɟɜɫɤaɝɨ. ɂɡɞɚɧiɟ ɜɬɨɪɨɟ. – Obščija izslědovanija o krivych poverch-

nostjach. Karla Fridricha Gaussa. Perevod M. M. Filippova. In: Ob osnovanijach geometrii. K stolětnemu jubileju N. I. Lobačevskago. Izdanie vtoroe. Kasan’ 1895, S. XII–LII. Disquisitiones generales circa superficies curvas. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 6, 1828, S. 99–146. In: Gauß-Werke: 4, S. 217–258. —



Gauß 1919 Ʉ. Ɏ. Ƚɚɭɫɫ. Ɍɟɨɪɟɬɢɱɟɫɤɚɹ ɚɫɬɪɨɧɨɦɢɹ. Ʌɟɤɰɢɢ ɱɢɬɚɧɧɵɟ ɜ Ƚeɬɬɢɧɝɟɧɟ ɜ 1820–1821 ɝ. ɡɚɩɢɫɚɧɧɵɟ Ʉɭɩɮɟɪɨɦ. ɉɟɪɟɜɨɞ ɫ ɧɟɦɟɰɤɨɣ ɪɭɤɨɩɢɫɢ A. H. Ʉɪɵɥɨɜa. – K. F. Gauss. Teore-

tičeskaja astronomija. Lekcii čitannye v Gettingene v 1820– 1821 g. zapisannye Kupferom. Perevod s nemeckoj rukopisi A. N. Krylova. Petrograd 1919, 186 S. Mitschrift einer von A. T. Kupffer angefertigten Vorlesung von Gauß über die Theoretische Astronomie 1820–1821 an der Universität Göttingen. —



Gauß 19341) ɋɨɨɛɳɟɧɢɟ ɨ ɞɜɭɯ ɦɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɯ ɫɨɱɢɧɟɧɢɹɯ ɞɥɹ ɝ. ɤɨɥɥɟɠɫɤɨɝɨ ɫɨɜɟɬɧɢɤɚ Ɏɭɫɫɚ: I. ɇɨɜɨɟ ɞɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜɨ ɬɟɨɪɟɦɵ, ɱɬɨ ɜɫɹɤɚɹ ɰɟɥɚɹ ɪɚɰɢɨɧɚɥɶɧɚɹ ɮɭɧɤɰɢɹ ɨɞɧɨɝɨ ɩɟɪɟɦɟɧɧɨɝɨ ɦɨɠɟɬ ɛɵɬɶ ɪɚɡɥɨɠɟɧɚ ɧɚ ɞɟɣɫɬɜɢɬɟɥɶɧɵɟ ɦɧɨɠɢɬɟɥɢ ɩɟɪɜɨɣ ɢɥɢ ɜɬɨɪɨɣ ɫɬɟɩɟɧɢ, ɞɚɧɧɨɟ Ʉ. Ɏ. Ƚɚɭɫɫɨɦ. Ƚɟɥɶɦɲɬ[ɟɞɬ]

1799. – Nachricht von zwei mathematischen Schriften, für H[errn] Collegienrath Fuß: I. Demonstratio nova theorematis, omnem functionem algebraicam rationalem integram unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse, auctore C. F. Gauss. Helmst[edt] 1799. In: Svjatskij 1934, S. 231–235. Gauß’ eigenhändige Zusammenfassung seiner Promotionsschrift

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung

127

(Gauß 1799) für die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.23 —



Gauß 19342) [ɋɨɨɛɳɟɧɢɟ ɨ ɞɜɭɯ ɦɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɯ ɫɨɱɢɧɟɧɢɹɯ ɞɥɹ ɝ. ɤɨɥɥɟɠɫɤɨɝɨ ɫɨɜɟɬɧɢɤɚ Ɏɭɫɫɚ:] II. Ⱥɪɢɮɦɟɬɢɱɟɫɤɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ, ɚɜɬɨɪ Ʉ. Ɏ. Ƚ[ɚɭɫɫ] 8° (ɜ ɩɟɱɚɬɢ). – [Nachricht

von zwei mathematischen Schriften, für H[errn] Collegienraht Fuß:] II. Disquisitiones arithmeticae, auctore C. F. G[auß]. 8vo. Unter der Presse. In: Svjatskij 1934, S. 232–233, 235–236. Gauß’ eigenhändige Zusammenfassung der Disquisitiones arithmeticae (Gauß 1801) für die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.24 Gauß 1832a

Gauß 1952 Gauß 19521) (Anzeige) ɂɧɬɟɧɫɢɜɧɨɫɬɶ ɡɟɦɧɨɣ ɦɚɝɧɢɬɧɨɣ ɫɢɥɵ, ɩɪɢɜɟɞɟɧɧɚɹ ɤ ɚɛɫɨɥɸɬɧɨɣ ɦɟɪɟ. – Intensivnost’ zemnoj magnitnoj sily,

privedennaja k absoljutnoj mere. In: Janovskij 1952, S. 7–22. Anzeige von „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ (Gauß 1841a). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1832, S. 2041–2048, 2049–2058. In: GaußWerke: 5, S. 293–304. Gauß 1841a

Gauß 1952 Gauß 19522) ɂɧɬɟɧɫɢɜɧɨɫɬɶ ɡɟɦɧɨɣ ɦɚɝɧɢɬɧɨɣ ɫɢɥɵ, ɩɪɢɜɟɞɟɧɧɚɹ ɤ ɚɛɫɨɥɸɬɧɨɣ ɦɟɪɟ. – Intensivnost’ zemnoj magnitnoj sily,

privedennaja k absoljutnoj mere. In: Janovskij 1952, S. 23–75. Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 8, 1841, S. 3–44. In: Gauß-Werke: 5, S. 79–118. Gauß 1839



Gauß 19523) Ɉɛɳɚɹ ɬɟɨɪɢɹ ɡɟɦɧɨɝɨ ɦɚɝɧɟɬɢɡɦɚ. – Obščaja teorija zemnogo

magnetizma. In: Janovskij 1952, S. 77–145. Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus. Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1838. Leipzig 1839, S. 1–57. In: Gauß-Werke: 5, S. 119–175. Gauß 1839

Gauß 195225 Gauß 19524) (Tabellen) ȼɫɩɨɦɨɝɚɬɟɥɶɧɵɟ ɬɚɛɥɢɰɵ ɞɥɹ ɜɵɱɢɫɥɟɧɢɹ ɧɚɩɪɚɜɥɟɧɢɹ ɢ ɜɟɥɢɱɢɧɵ ɦɚɝɧɢɬɧɵɯ ɫɢɥ ɧɚ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɡɟɦɥɢ ɩɨ ɷɥɟɦɟɧɬɚɦ ɬɟɨɪɢɢ. – Vspomogatel’nye tablicy dlja vyčislenija napravlenija i

veličiny magnitnych sil na poverchnosti zemli po ėlementam teorii. In: Janovskij 1952, S. 147–160.

23 Siehe S. 229–230. 24 Siehe S. 230–232. 25 In die Bibliographie (Merzbach 1984) sind versehentlich nur die Tabellen aufgenommen worden, nicht die Abhandlung „Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus“ selbst.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland Hülfstafeln zur Berechnung der Richtung und Stärke der magnetischen Kräfte auf der Oberfläche der Erde aus den Elementen der Theorie. Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1838. Leipzig 1839, im unpaginierten Teil. In: GaußWerke: 5, S. 181–193.

Gauß/Weber 1840

Gauß 1952 Gauß 19525) (Karten) Ʉɚɪɬɵ ɢɡ „Aɬɥɚɫɚ ɡɟɦɧɨɝɨ ɦɚɝɧɟɬɢɡɦɚ“: Ʉɚɪɬɵ ɡɧɚɱɟɧɢɣ V/R; Ʉɚɪɬa ɢɞɟɚɥɶɧɨɝɨ ɪɚɫɩɪɟɞɟɥɟɧɢɹ ɩɥɨɬɧɨɫɬɢ ɦɚɝɧɟɬɢɡɦɚ ɧɚ ɡɟɦɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ; Ʉɚɪɬɵ ɜɵɱɢɫɥɟɧɧɵɯ ɡɧɚɱɟɧɢɣ ɫɤɥɨɧɟɧɢɹ; Ʉɚɪɬɵ ɜɵɱɢɫɥɟɧɧɵɯ ɡɧɚɱɟɧɢɣ ɩoɥɧɨɣ ɧɚɩɪɹɠɟɧɧɨɫɬɢ; Ʉɚɪɬa ɜɵɱɢɫɥɟɧɧɵɯ ɡɧɚɱɟɧɢɣ ɝɨɪɢɡɨɧɬɚɥɶɧɨɣ ɧɚɩɪɹɠɟɧɧɨɫɬɢ; Ʉɚɪɬa ɜɵɱɢɫɥɟɧɧɵɯ ɡɧɚɱɟɧɢɣ ɜɟɪɬɢɤɚɥɶɧɨɣ ɧɚɩɪɹɠɟɧɧɨɫɬɢ; – Karty iz „Atlasa zemnogo magnetizma“: Karty

značenij V/P; Karta ideal’nogo raspredelenija plotnosti magnetizma na zemnoj poverchnosti; Karty vyčislennych značenij sklonenija; Karty vyčislennych značenij polnoj naprjažennosti; Karta vyčislennych značenij gorizontal’noj naprjažennosti; Karta vyčislennych značenij vertikal’noj naprjažennosti. In: Janovskij 1952, S. 161–172. Karten I–III, IX, XI, XIII–XIV, XVII–XVIII aus: Atlas des Erdmagnetismus nach den Elementen der Theorie entworfen. Leipzig 1840. In: Gauß-Werke: 12, unpaginiert. Gauß 1840a

Gauß 1952 Gauß 19526) (Anzeige) Ɉɛɳɢɟ ɬɟɨɪɟɦɵ ɨɬɧɨɫɢɬɟɥɶɧɨ ɫɢɥ ɩɪɢɬɹɠɟɧɢɹ ɢ ɨɬɬɚɥɤɢɜɚɧɢɹ, ɞɟɣɫɬɜɭɸɳɢɯ ɨɛɪɚɬɧɨ ɩɪɨɩɨɪɰɢɨɧɚɥɶɧɨ ɤɜɚɞɪɚɬɭ ɪɚɫɫɬɨɹɧɢɹ. – Obščie teoremy otnositel’no pritjaženija i

ottalkivanija, dejstvujuščich obratno proporcional’no kvadratu rasstojanija. In: Janovskij 1952, S. 173–178. Anzeige von „Allgemeine Lehrsätze in Beziehung auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstossungskräfte“ (Gauß 1840b). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1840, S. 489–493. In: Gauß-Werke: 5, S. 305–308. Gauß 1840b

Gauß 1952 Gauß 19527) Ɉɛɳɢɟ ɬɟɨɪɟɦɵ ɨɬɧɨɫɢɬɟɥɶɧɨ ɫɢɥ ɩɪɢɬɹɠɟɧɢɹ ɢ ɨɬɬɚɥɤɢɜɚɧɢɹ, ɞɟɣɫɬɜɭɸɳɢɯ ɨɛɪɚɬɧɨ ɩɪɨɩɨɪɰɢɨɧɚɥɶɧɨ ɤɜɚɞɪɚɬɭ ɪɚɫɫɬɨɹɧɢɹ. – Obščie teoremy otnositel’no sil pritjaženija i

ottalkivanija, dejstvujuščich obratno proporcional’no kvadratu rasstojanija. In: Janovskij 1952, S. 179–234. Allgemeine Lehrsätze in Beziehung auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstossungs-Kräfte. Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1839. Leipzig 1840, S. 1–51. In: Gauß-Werke: 5, S. 195–242.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung Gauß 1828a



129

Gauß 1956 Ʉɚɪɥ Ɏɪɢɞɪɢɯ Ƚɚɭɫɫ. Ɉɛɳɢɟ ɢcɫɥeɞɨɜɚɧɢɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯ. B: ɇɨɪɞɟɧ, Ⱥ. ɉ. (Ɋɟɞ.): Ɉɛ ɨɫɧɨɜɚɧɢɹɯ ɝɟɨɦɟɬɪɢɢ. ɋɛɨɪɧɢɤ ɤɥɚɫɫɢɱɟɫɤɢɯ ɪɚɛɨɬ ɩɨ ɝɟɨɦɟɬɪɢɢ Ʌɨɛɚɱɟɜɫɤɨɝɨ ɢ ɪɚɡɜɢɬɢɸ ɟɟ ɢɞɟɣ. (= Ʉɥɚɫɫɢɤɢ ɟɫɬɟɫɬɜɨɡɧɚɧɢɹ). – Karl Fridrich Gauss. Obščie issledovanija o

krivych poverchnostjach. In: Norden, A. P. (Red.): Ob osnovanijach geometrii. Sbornik klassičeskich rabot po geometrii Lobačevskogo i razvitiju ee idej. (= Klassiki estestvoznanija). Moskva 1956, S. 123–161.26 Disquisitiones generales circa superficies curvas. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 6, 1828, S. 99–146. In: Gauß-Werke: 4, S. 217–258. Gauß 1823a

Gauß 1957a Gauß 19571) Ɍɟɨɪɢɹ ɤɨɦɛɢɧɚɰɢɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ, ɩɨɞɜɟɪɠɟɧɧɵɯ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦ ɨɲɢɛɤɚɦ. ɑɚɫɬɶ ɩɟɪɜɚɹ. – Teorija kombinacii nabljudenij, pod-

veržennych naimen’šim ošibkam. Čast’ pervaja. In: Sudakov 1957, S. 17–36. Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae. Pars prior. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 5, 1823, S. 33–62. In: Gauß-Werke: 4, S. 1–26. Gauß 1823b

Gauß 1957a Gauß 19572) Ɍɟɨɪɢɹ ɤɨɦɛɢɧɚɰɢɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ, ɩɨɞɜɟɪɠɟɧɧɵɯ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦ ɨɲɢɛɤɚɦ. ɑɚɫɬɶ ɜɬɨɪɚɹ. – Teorija kombinacii nabljudenij, pod-

veržennych naimen’šim ošibkam. Čast’ vtoraja. In: Sudakov 1957, S. 37–57. Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae. Pars posterior. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 5, 1823, S. 63–90. In: Gauß-Werke: 4, S. 27–53. Gauß 1828c

Gauß 1957a Gauß 19573) Ⱦɨɩɨɥɧɟɧɢɟ ɤ ɬɟɨɪɢɢ ɤɨɦɛɢɧɚɰɢɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ, ɩɨɞɜɟɪɠɟɧɧɵɯ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦ ɨɲɢɛɤɚɦ. – Dopolnenie k teorii kombinacii

nabljudenij, podveržennych naimen’šim ošibkam. In: Sudakov 1957, S. 59–87. Supplementum theoriae combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae. In: Gauß-Werke: 4, S. 55–93. Gauß 1809a (excerpt)

Gauß 1957a Gauß 19574) Ɍɟɨɪɢɹ ɞɜɢɠɟɧɢɹ ɧɟɛɟɫɧɵɯ ɬeɥ, ɜɪɚɳɚɸɳɢɯɫɹ ɜɨɤɪɭɝ Cɨɥɧɰɚ ɩɨ ɤɨɧɢɱɟɫɤɢɦ ɫeɱɟɧɢɹɦ. Ʉɧɢɝɚ ɜɬɨɪɚɹ. Ɋɚɡɞɟɥ ɬɪɟɬɢɣ. –

Teorija dviženija nebesnych tel, vraščajuščichsja vokrug Solnca

26 Als Arbeitsvorlage diente die Übersetzung von P. Krasnov von 1887 (Gauß 1887).

130

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland po koničeskim sečenijam. Kniga vtoraja. Razdel tretij. In: Sudakov 1957, S. 89–109.27 Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium. Hamburg 1809. In: Gauß-Werke: 7, S. 1–280.

Gauß 1811b (excerpt)

Gauß 1957a Gauß 19575) ɂɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɟ ɨɛ ɷɥɥɢɩɬɢɱɟɫɤɢɯ ɷɥɟɦɟɧɬɚɯ ɉɚɥɥɚɞɵ ɧɚ ɨɫɧɨɜɚɧɢɢ ɩɪɨɬɢɜɨɫɬɨɹɧɢɣ 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809 ɝɨɞɨɜ. – Issledovanie ob ėlliptičeskich ėlementach Pallady na

osnovanii protivostojanij 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809 godov. In: Sudakov 1957, S. 111–120.28 Disquisitio de elementis ellipticis Palladis ex oppositionibus annorum 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 1, 1811, S. 3–26. In: Gauß-Werke: 6, S. 1–24. Gauß 1816

Gauß 1957a Gauß 19576) Ɉɩɪɟɞɟɥɟɧɢɟ ɬɨɱɧɨɫɬɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ. – Opredelenie točnosti

nabljudenij. In: Sudakov 1957, S. 121–128. Bestimmung der Genauigkeit der Beobachtungen. Zeitschrift für Astronomie und verwandte Wissenschaften 1, 1816, S. 185– 197. In: Gauß-Werke: 4, S. 109–117. Gauß 1823c

Gauß 1957a Gauß 19577) ɉɪɢɥɨɠɟɧɢɟ ɬɟɨɪɢɢ ɜɟɪɨɹɬɧɨɫɬɟɣ ɤ ɨɞɧɨɣ ɡɚɞɚɱɟ ɩɪɚɤɬɢɱɟɫɤɨɣ ɝɟɨɦɟɬɪɢɢ. – Priloženie teorii verojatnostej k odnoj

zadače praktičeskoj geometrii. In: Sudakov 1957, S. 129–133. Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf eine Aufgabe der practischen Geometrie. Astronomische Nachrichten 1 (Nr. 6), 1823, Sp. 81–86. In: Gauß-Werke: 9, S. 231–237. Gauß 1827b

Gauß 1957a Gauß 19578) Ɉɩɪɟɞɟɥɟɧɢɟ ɞɨɥɝɨɬ ɯɪɨɧɨɦɟɬɪɢɱɟɫɤɢɦɢ ɪɟɣɫɚɦɢ. – Opredelenie dolgot chronometričeskimi rejsami. In: Sudakov 1957, S. 135–140. Chronometrische Längenbestimmungen. Astronomische Nachrichten 5 (Nr. 110), 1827, Sp. 227–234. In: GaußWerke: 6, S. 455–459.

Gauß 1821c

Gauß 1957a Gauß 19579) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢe. – Soobščenie. In: Sudakov 1957, S. 141–144. Anzeige von „Theoria Combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae, pars prior“ (Gauß 1823a). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1821, S. 321–327. In: Gauß-Werke: 4, S. 95–100.

27 Umfasst die §§ 172–189 der „Theoria motus“ (Gauß-Werke: 7, S. 236–257) sowie den Zusatz zu dem § 183 (Gauß-Werke: 7, S. 307–309). 28 Umfasst die §§ 10–15 (Gauß-Werke: 6, S. 15–24).

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung

131

Gauß 1823d

Gauß 1957a Gauß 195710) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢe. – Soobščenie. In: Sudakov 1957, S. 144–147. Anzeige von „Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae, pars posterior“ (Gauß 1823b). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1823, S. 313–318. In: Gauß-Werke: 4, S. 100–104.

Gauß 1826

Gauß 1957a Gauß 195711) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢɟ. – Soobščenie. In: Sudakov 1957, S. 147–150. Anzeige von „Supplementum Theoriae Combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae“ (Gauß 1828c). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1826, S. 1521–1527. In: Gauß-Werke: 4, S. 104– 108.

Gauß 1809b (excerpt)

Gauß 1957a Gauß 195712) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢe. – Soobščenie In: Sudakov 1957, S. 150.29 Anzeige von „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis Solem ambientium“ (Gauß 1809a). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1809, S. 945–955. In: Gauß-Werke: 6, S. 53–60.

Gauß 1810a (excerpt)

Gauß 1957a Gauß 195713) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢe. – Soobščenie. In: Sudakov 1957, S. 150–151.30 Anzeige von „Disquisitio de elementis ellipticis Palladis ex oppositionibus annorum 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809“ (Gauß 1811b). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1810, S. 1969– 1973. In: Gauß-Werke: 6, S. 61–64.

Gauß 1825



Gauß 19581) Ɋɟɲɟɧɢɟ ɜ ɨɛɳɟɦ ɜɢɞɟ ɡɚɞɚɱɢ: ɂɡɨɛɪɚɠɟɧɢɟ ɱɚɫɬɟɣ ɡɚɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɧɚ ɞɪɭɝɨɣ ɡɚɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɫ ɫɨɯɪɚɧɟɧɢɟɦ ɩɨɞɨɛɢɹ ɜ ɛɟɫɤɨɧɟɱɧɨ ɦɚɥɵɯ ɱɚɫɬɹɯ. – Rešenie v obščem vide

zadači: Izobraženie častej zadannoj poverchnosti na drugoj zadannoj poverchnosti s sochraneniem podobija v beskonečno malych častach. In: Sudakov 1958, S. 19–37. Allgemeine Auflösung der Aufgabe: die Theile einer gegebnen Fläche auf einer andern gegebnen Fläche so abzubilden, dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich wird. Als Beantwortung der von der königlichen Societät der Wissenschaften in Copenhagen für 1822 aufgegebnen Preisfrage. Astronomische Abhandlungen, Heft 3, 1825, S. 1–30. In: Gauß-Werke: 4, S. 189–216. Gauß 1845



Gauß 19582) ɂɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢe ɩɨ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡɢɢ. ɉɟɪɜɚɹ ɫɬɚɬɶɹ.

– Issledovanie po vysšej geodezii. Pervaja stat’ja. In: Sudakov 1958, S. 38–62.31

29 Auszug in: Gauß-Werke: 6, S. 59–60. 30 Auszug in: Gauß-Werke: 6, S. 61 und 64. 31 Die Tafeln (Gauß-Werke: 4, S. 291–300) sind nicht abgedruckt.

132

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Erste Abhandlung. Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 2, 1845, S. 3–45. In: GaußWerke: 4, S. 259–300.

Gauß 1847



Gauß 19583) ɂɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢe ɩɨ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡɢɢ. ȼɬɨɪɚɹ ɫɬɚɬɶɹ.

– Issledovanie po vysšej geodezii. Vtoraja stat’ja. In: Sudakov 1958, S. 63–91.32 Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Zweite Abhandlung. Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 3, 1847, S. 3–43. In: GaußWerke: 4, S. 301–340. Gauß 1828a



Gauß 19584) Ɉɛɳɢɟ ɢcɫɥeɞɨɜɚɧɢɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯ. – Obščie issledovanija o krivych poverchnostjach. In: Sudakov 1958, S. 92–126.33 Disquisitiones generales circa superficies curvas. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 6, 1828, S. 99–146. In: Gauß-Werke: 4, S. 217–258.

Gauß 1830



Gauß 19585) (Rezension) Ƚɟɨɞɟɡɢɱɟɫɤɢɟ ɢ ɚɫɬɪɨɧɨɦɢɱɟɫɤɢɟ ɪɚɛɨɬɵ ɞɥɹ ɢɡɦɟɪɟɧɢɹ ɞɭɝɢ ɫɪɟɞɧɟɣ ɩɚɪɚɥɥɟɥɢ, ɜɵɩɨɥɧɟɧɧɵɟ ɜ 1821, 1822, 1823 ɝɝ. ɜ ɉɶɟɦɨɧɬɟ ɢ ɋɚɜɨɟ [...]. – Geodezičeskie i astronomičeskie

raboty dlja izmerenija dugi srednej paralleli, vypolnennye v 1821, 1822, 1823 gg. v P’emonte i Savoe [...]. In: Sudakov 1958, S. 127–134. Rezension von „Opérations géodésiques et astronomiques pour la mesure d’un arc du parallèle moyen, exécutées en Piémont et en Savoie par une commission composée d’officiers de l’état major général et d’astronomes Piémontais et Autrichiens en 1821, 1822, 1823.“ Göttingische Gelehrte Anzeigen 1830, S. 305–320. In: GaußWerke: 4, S. 370–381. Gauß 1843



Gauß 19586) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢɟ. – Soobščenie. In: Sudakov 1958, S. 135–138.

Anzeige von „Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie“, erste Abhandlung (Gauß 1845). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1843, S. 1761–1768. In: Gauß-Werke: 4, S. 347–352. Gauß 1846



Gauß 19587) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢɟ. – Soobščenie. In: Sudakov 1958, S. 139–142.

Anzeige von „Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie“, zweite Abhandlung (Gauß 1847). Göttingische

32 Die Tafeln (Gauß-Werke: 4, S. 335–340) sind nicht abgedruckt. 33 Als Arbeitsvorlage diente die Übersetzung von P. Krasnov von 1887 (Gauß 1887).

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung

133

Gelehrte Anzeigen 1846, S. 210–217. In: Gauß-Werke: 4, S. 352–356. Gauß 1827a



Gauß 19588) (Anzeige) ɋɨɨɛɳɟɧɢɟ. – Soobščenie. In: Sudakov 1958, S. 143–147. Anzeige von „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ (Gauß 1828a). Göttingische Gelehrte Anzeigen 1827, S. 1761–1768. In: Gauß-Werke: 4, S. 341–347.

posthumes Material aus Gauß-Werke: 9



Gauß 19589)

Gauß 1801

Ʉɨɧɮɨɪɦɧɨɟ

ɨɬɨɛɪɚɠɟɧɢɟ ɫɮɟɪɨɢɞɚ ɧɚ ɩɥɨɫɤɨɫɬɢ. – Konformnoe otobraženie sferoida na ploskosti. In: Sudakov 1958, S. 148–172.34 Conforme Abbildung des Sphäroids in der Ebene. (Projektionsmethode der Hannoverschen Landesvermessung). In: Gauß-Werke: 9 (1903), S. 141–194.

Gauß 1959a Gauß 19591) Ⱥɪɢɮɦɟɬɢɱɟɫɤɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ. – Arifmetičeskie issledovanija. In: Vinogradov 1959, S. 7–583. Disquisitiones Arithmeticae. Leipzig 1801. In: Gauß-Werke: 1, S. 1–474.

Gauß 1808a

Gauß 1959a Gauß 19592) ɇɨɜɨɟ ɞɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜɨ ɨɞɧɨɣ ɚɪɢɮɦɟɬɢɱɟɫɤɨɣ ɬɟɨɪɟɦɵ. –

Novoe dokazatel’stvo odnoj arifmetičeskoj teoremy. In: Vinogradov 1959, S. 587–593. Theorematis arithmetici demonstratio nova. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis 16, 1808, S. 69–74. In: Gauß-Werke: 2, S. 1–8. Gauß 1811a

Gauß 1959a Gauß 19593) ɋɭɦɦɢɪɨɜɚɧɢɟ ɧɟɤɨɬɨɪɵɯ ɪɹɞɨɜ ɨɫɨɛɨɝɨ ɜɢɞɚ. – Summiro-

vanie nekotorych rjadov osobogo vida. In: Vinogradov 1959, S. 594–635. Summatio quarumdam serierum singularium. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 1, 1811, S. 1–40. In: Gauß-Werke: 2, S. 9–45. Gauß 1820a

Gauß 1959a Gauß 19594) ɇɨɜɵɟ ɞɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜa ɢ ɨɛɨɛɳɟɧɢɹ ɮɭɧɞɚɦɟɧɬɚɥɶɧɨɣ ɬɟɨɪɟɦɵ ɜ ɭɱɟɧɢɢ ɨ ɤɜɚɞɪɚɬɢɱɧɵɯ ɜɵɱɟɬɚɯ. – Novye dokazatel’stva i

obobščenija fundamental’noj teoremy v učenii o kvadratičnych vyčetach. In: Vinogradov 1959, S. 636–654. Theorematis fundamentalis in doctrina de residuis quadraticis demonstrationes et ampliationes novae. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 4, 1820, S. 3–20. In: Gauß-Werke: 2 (1876), S. 47–64.

34 Umfasst die §§ 1–17 (Gauß-Werke: 9 (1903), S. 141–168).

134 Gauß 1828b

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland Gauß 1959a Gauß 19595) Ɍɟɨɪɢɹ ɛɢɤɜɚɞɪɚɬɢɱɧɵɯ ɜɵɱɟɬɨɜ. ɋɨɱɢɧɟɧɢɟ ɩɟɪɜɨɟ. – Teorija bikvadratičnych vyčetov. Sočinenie pervoe. In: Vinogradov 1959, S. 655–685. Theoria residuorum biquadraticorum. Commentatio prima. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 6, 1828, S. 27–56. In: Gauß-Werke: 2 (1876), S. 65–92.

Gauß 1832b

Gauß 1959a Gauß 19596) Ɍɟɨɪɢɹ ɛɢɤɜɚɞɪɚɬɢɱɧɵɯ ɜɵɱɟɬɨɜ. ɋɨɱɢɧɟɧɢɟ ɜɬɨɪɨɟ. – Teorija bikvadratičnych vyčetov. Sočinenie vtoroe. In: Vinogradov 1959, S. 686–754. Theoria residuorum biquadraticorum. Commentatio secunda. Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores 7, 1832, S. 89–148. In: Gauß-Werke: 2 (1876), S. 93–148.

posthumes Gauß 1959a Gauß 19597) Material aus ɍɱɟɧɢɟ ɨ ɜɵɱɟɬɚɯ. – Učenie o vyčetach. In: Vinogradov 1959, GaußS. 757–806. Werke: 2 (1876) I. Ɋɟɲɟɧɢɟ ɭɪɚɜɧɟɧɢɹ Xm –1 { 0. – Rešenie uravnenija Xm –1 { 0. [= Solutio congruentiae Xm –1 { 0]. S. 757–772. II. Ɉɛɳɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ ɨ ɫɪɚɜɧɟɧɢɹɯ. – Obščie issledovanija o sravnenijach. [= Disquisitiones generales de congruentiis]. S. 773–806. [Handschriftlicher Nachlass] Analysis residuorum. In: GaußWerke: 2 (1876), S. 199–211, 212–240. Die Lehre von den Resten (Maser 1889, S. 589–629). posthumes Gauß 1959a Material aus GaußWerke: 2 (1876)

posthumes Gauß 1959a Material aus GaußWerke: 2 (1876)

Gauß 19598) Ⱦɚɥɶɧɟɣɲɟɟ ɪɚɡɜɢɬɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɣ ɨ ɱɢɫɬɵɯ ɭɪɚɜɧɟɧɢɹɯ. –

Dal’nejšee razvitie issledovanij o čistych uravnenijach. In: Vinogradov 1959, S. 807–835. [Handschriftlicher Nachlass] Disquisitionum circa aequationes puras. Ulterior evolutio. In: Gauß-Werke: 2 (1876), S. 243–265. Weitere Entwicklung der Untersuchungen über die reinen Gleichungen (Maser 1889, S. 630–652). Gauß 19599) Ⱦɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜo ɧɟɤɨɬɨɪɵɯ ɬɟɨɪɟɦ ɨ ɩɟɪɢɨɞɚɯ ɤɥɚɫɫɨɜ ɞɜɨɣɧɢɱɧɵɯ ɮɨɪɦ ɜɬɨɪɨɣ ɫɬɟɩɟɧɢ. – Dokazatel’stvo

nekotorych teorem o periodach klassov dvojničnych form vtoroj stepeni. In: Vinogradov 1959, S. 836–838. [Handschriftlicher Nachlass] Démonstration de quelques théorèmes concernants les périodes des classes des formes binaires du second degré. In: Gauß-Werke: 2 (1876), S. 266–268. Beweis einiger Sätze über die Perioden der Klassen der binären Formen zweiten Grades. (Maser 1889, S. 653–654).

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung posthumes Gauß 1959a Material aus GaußWerke: 2 (1876)

Gauß 195910) Ɉ ɫɜɹɡɢ ɦɟɠɞɭ ɱɢɫɥɨɦ ɤɥɚɫɫɨɜ, ɧɚ ɤɨɬɨɪɵɟ ɪɚɫɩɚɞɚɸɬɫɹ ɞɜɨɣɧɢɱɧɵe ɮɨɪɦɵ ɜɬɨɪɨɣ ɫɬɟɩɟɧɢ, ɢ ɢɯ ɨɩɪɟɞɟɥɢɬɟɥɟɦ. – O

svjazi meždu čislom klassov, na kotorye raspadajutsja dvojničnye formy vtoroj stepeni, i ich opredelitelem. In: Vinogradov 1959, S. 839–866. [Handschriftlicher Nachlass] De nexu inter multitudinem classium, in quas formae binariae secundi gradus distribuuntur earumque determinantem. In: Gauß-Werke: 2 (1876), S. 269–291. Über den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Klassen, in welche die binären Formen zweiten Grades zerfallen, und ihrer Determinante (Maser 1889, S. 655–677).

posthumes Gauß 1959a Material aus GaußWerke: 2 (1876)

Gauß 195911)



Gauß 1976



135

Ȼɨɥɟɟ ɩɨɞɪɨɛɧɨɟ ɪaɫɫɦɨɬɪɟɧɢe ɧɟɤɨɬɨɪɵɯ ɜɨɩɪɨɫɨɜ, ɨɬɧɨɫɹɳɢɯɫɹ ɤ ɞɟɥɟɧɢɸ ɤɪɭɝɚ. – Bolee podrobnoe rassmotrenie

nekotorych voprosov, otnosjaščichsja k deleniju kruga. In: Vinogradov 1959, S. 867–872. [Handschriftlicher Nachlass] Sectio octava. Quarundam disquisitionum ad circuli sectionem pertinentium uberior consideratio. In: Gauß-Werke: 2 (1876), S. 510–514.35 Eingehende Betrachtung gewisser auf die Kreisteilung bezüglicher Untersuchungen (Maser 1889, S. 678–682). ɉɨɹɫɧɟɧɢɟ ɜɨɡɦɨɠɧɨɫɬɢ ɩɨɫɬɪɨɟɧɢɹ ɫɟɦɧɚɞɰɚɬɢɭɝɨɥɶɧɢɤɚ. Ʉ. Ɏ. Ƚɚɭɫɫ. ɉɭɛɥɢɤɚɰɢɹ ɢ ɩɪɢɦɟɱɚɧɢɹ ȿ. ɉ. Ɉɠɢɝɨɜɨɣ, ɩɟɪɟɜɨɞ Ɇ. ȼ. Ʉɪɭɬɢɤɨɜɨɣ. ɂɫɬɨɪɢɤɨ-ɦɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ. –

Pojasnenie vozmožnosti postroenija semnadcatiugol’nika. K. F. Gauss. Publikacija i primečanija E. P. Ožigovoj, perevod M. V. Krutikovoj. Istoriko-matematičeskie issledovanija 21, 1976, S. 285–289. Gauß’ eigenhändige Zusammenfassung „Übersicht der Gründe der Constructibilität des Siebenzehneckes“ von 1801 für die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg (Reich 2003b).36

35 Die Abhandlung ist nur im zweiten Abdruck des Bandes enthalten. 36 Siehe S. 235–238.

136

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Verzeichnis II: Gauß’ Werke in russischer Übersetzung, chronologisch nach dem Erscheinungsjahr von Gauß’ Abhandlungen angeordnet Abkürzung Gauß 1799* (Anzeige)

Übersetzung ins Russische Gauß 19341) [Zusammenfassung] ɇɨɜɨɟ ɞɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜɨ ɬɟɨɪɟɦɵ, ɱɬɨ ɜɫɹɤɚɹ ɰɟɥɚɹ ɪɚɰɢɨɧɚɥɶɧɚɹ ɮɭɧɤɰɢɹ ɨɞɧɨɝɨ ɩɟɪɟɦɟɧɧɨɝɨ ɦɨɠɟɬ ɛɵɬɶ ɪɚɡɥɨɠɟɧɚ ɧɚ ɞɟɣɫɬɜɢɬɟɥɶɧɵɟ ɦɧɨɠɢɬɟɥɢ ɩɟɪɜɨɣ ɢɥɢ ɜɬɨɪɨɣ ɫɬɟɩɟɧɢ. – Demonstratio

nova theorematis, omnem functionem algebraicam rationalem integram unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse. Svjatskij 1934, S. 231–235. Gauß 1801

Gauß 19591) Ⱥɪɢɮɦɟɬɢɱɟɫɤɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ. – Disquisitiones arithmeticae.

Vinogradov 1959, S. 7–583. Gauß 1801* (Anzeige)

Gauß 1801** (Anzeige)

Gauß 19342) [Zusammenfassung] Ⱥɪɢɮɦɟɬɢɱɟɫɤɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ. arithmeticae. Svjatskij 1934, S. 232–233, 235–236.



Disquisitiones

Gauß 1976 ɉɨɹɫɧɟɧɢɟ ɜɨɡɦɨɠɧɨɫɬɢ ɩɨɫɬɪɨɟɧɢɹ ɫɟɦɧɚɞɰɚɬɢɭɝɨɥɶɧɢɤɚ. – Übersicht der

Gründe der Constructibilität des Siebenzehneckes. Ožigova 1976b, S. 285–289; Reich 2003b. Gauß 1808a

Gauß 19592) ɇɨɜɨɟ ɞɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜɨ ɨɞɧɨɣ ɚɪɢɮɦɟɬɢɱɟɫɤɨɣ ɬɟɨɪɟɦɵ. – Theorematis

arithmetici demonstratio nova. Vinogradov 1959, S. 587–593. Gauß 1809a

Gauß 1859/1861 Ɍɟɨɪiɹ ɞɜɢɠɟɧiɹ ɧɟɛɟɫɧɵɯɴ ɬ࣎ɥɴ, ɨɛɪɚɳɚɸɳɢɯɫɹ ɜɨɤɪɭɝɴ ɫɨɥɧɰɚ ɩɨ ɤɨɧɢɱɟɫɤɢɦɴ ɫ࣎ɱɟɧiɹɦɴ. – Theoria motus corporum coelestium in sectionibus

conicis solem ambientium. Gauß 1809a

Gauß 19574) Ɍɟɨɪɢɹ ɞɜɢɠɟɧɢɹ ɧɟɛɟɫɧɵɯ ɬeɥ, ɜɪɚɳɚɸɳɢɯɫɹ ɜɨɤɪɭɝ Cɨɥɧɰɚ ɩɨ ɤɨɧɢɱɟɫɤɢɦ ɫeɱɟɧɢɹɦ. – Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis

solem ambientium. [§§ 172–189]. Sudakov 1957, S. 89–109. Gauß 1809b

Gauß 195712) Anzeige von: Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium. Sudakov 1957, S. 150.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung Gauß 1810a

Gauß 1811a

137

Gauß 195713) Anzeige von: Disquisitio de elementis ellipticis Palladis ex oppositionibus annorum 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809. Sudakov 1957, S. 150–151. Gauß 19593) ɋɭɦɦɢɪɨɜɚɧɢɟ ɧɟɤɨɬɨɪɵɯ ɪɹɞɨɜ ɨɫɨɛɨɝɨ ɜɢɞɚ. – Summatio quarundam

serierum singularium. Vinogradov 1959, S. 594–635. Gauß 1811b

Gauß 19575) ɂɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɟ ɨɛ ɷɥɥɢɩɬɢɱɟɫɤɢɯ ɷɥɟɦɟɧɬɚɯ ɉɚɥɥɚɞɵ ɧɚ ɨɫɧɨɜɚɧɢɢ ɩɪɨɬɢɜɨɫɬɨɹɧɢɣ 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809 ɝɨɞɨɜ. – Disquisitio de elementis ellipticis Palladis ex oppositionibus annorum 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809. [§§ 10–15]. Sudakov 1957, S. 111–120.

Gauß 1816

Gauß 19576) Ɉɩɪɟɞɟɥɟɧɢɟ ɬɨɱɧɨɫɬɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ. – Bestimmung der Genauigkeit der

Beobachtungen. Sudakov 1957, S. 121–128. Gauß 1820a

Gauß 19594) ɇɨɜɵɟ ɞɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜa ɢ ɨɛɨɛɳɟɧɢɹ ɮɭɧɞɚɦɟɧɬɚɥɶɧɨɣ ɬɟɨɪɟɦɵ ɜ ɭɱɟɧɢɢ ɨ ɤɜɚɞɪɚɬɢɱɧɵɯ ɜɵɱɟɬɚɯ. – Theorematis fundamentalis in doctrina de residuis

quadraticis demonstrationes et ampliationes novae. Vinogradov 1959, S. 636–654. [1820–1821]

Gauß 1919 Ɍɟɨɪɟɬɢɱɟɫɤɚɹ ɚɫɬɪɨɧɨɦɢɹ. – Mitschrift von Gauß’ Vorlesung über die

Theoretische Astronomie 1820–1821 an der Universität Göttingen. Gauß 1821c

Gauß 1823a

Gauß 19579) Anzeige von: Theoria Combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae, pars prior. Sudakov 1957, S. 141–144. Gauß 19571) Ɍɟɨɪɢɹ ɤɨɦɛɢɧɚɰɢɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ, ɩɨɞɜɟɪɠɟɧɧɵɯ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦ ɨɲɢɛɤɚɦ. ɑɚɫɬɶ ɩɟɪɜɚɹ. – Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae.

Pars prior. Sudakov 1957, S. 17–36. Gauß 1823b

Gauß 19572) Ɍɟɨɪɢɹ ɤɨɦɛɢɧɚɰɢɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ, ɩɨɞɜɟɪɠɟɧɧɵɯ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦ ɨɲɢɛɤɚɦ. ɑɚɫɬɶ ɜɬɨɪɚɹ. – Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae.

Pars posterior. Sudakov 1957, S. 37–57.

138 Gauß 1823c

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland Gauß 19577) ɉɪɢɥɨɠɟɧɢɟ ɬɟɨɪɢɢ ɜɟɪɨɹɬɧɨɫɬɟɣ ɤ ɨɞɧɨɣ ɡɚɞɚɱɟ ɩɪɚɤɬɢɱɟɫɤɨɣ ɝɟɨɦɟɬɪɢɢ. – Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf eine Aufgabe der

praktischen Geometrie. Sudakov 1957, S. 129–133. Gauß 1823d

Gauß 195710) Anzeige von: Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae, pars posterior. Sudakov 1957, S. 144–147.

Gauß 1825

Gauß 18661) Ɉɛɳɟɟ ɪ࣎ɲɟɧiɟ ɜɨɩɪɨɫɚ: ɤɚɤɴ ɢɡoɛɪɚɡɢɬɶ ɱɚɫɬɢ ɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɧɚ ɞɪɭɝɨɣ ɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɬɚɤɴ, ɱɬɨɛɵ ɫɨɯɪɚɧɹɥɨɫɶ ɩɨɞɨɛiɟ ɜɴ ɦɚɥ࣎ɣɲɢɯɴ ɱɚɫɬɹɯɴ. – Allgemeine Auflösung der Aufgabe Die Theile einer

gegebenen Fläche auf einer andern gegebenen Fläche so abzubilden dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich wird. Tillo 1866, S. 1–24. Gauß 1825

Gauß 19581) Ɋɟɲɟɧɢɟ ɜ ɨɛɳɟɦ ɜɢɞɟ ɡɚɞɚɱɢ: ɂɡɨɛɪɚɠɟɧɢɟ ɱɚɫɬɟɣ ɡɚɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɧɚ ɞɪɭɝɨɣ ɡɚɞɚɧɧɨɣ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɫ ɫɨɯɪɚɧɟɧɢɟɦ ɩɨɞɨɛɢɹ ɜ ɛɟɫɤɨɧɟɱɧɨ ɦɚɥɵɯ ɱɚɫɬɹɯ. – Allgemeine Auflösung der Aufgabe: die Theile

einer gegebnen Fläche auf einer andern gegebnen Fläche so abzubilden dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich wird. Sudakov 1958, S. 19–37. Gauß 1826

Gauß 195711) Anzeige von: Supplementum Theoriae Combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae. Sudakov 1957, S. 147–150.

Gauß 1827a

Gauß 19588) Anzeige von: Disquisitiones generales circa superficies curvas. Sudakov 1958, S. 143–147.

Gauß 1827b

Gauß 19578) Ɉɩɪɟɞɟɥɟɧɢɟ ɞɨɥɝɨɬ ɯɪɨɧɨɦɟɬɪɢɱɟɫɤɢɦɢ ɪɟɣɫɚɦɢ. – Chronometrische

Längenbestimmungen. Sudakov 1957, S. 135–140. Gauß 1828a

Gauß 1887 Ɉɛɳiɹ ɢɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯɴ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯɴ. – Disquisitiones generales

circa superficies curvas. Gauß 1828a

Gauß 1895 Ɉɛɳiɹ ɢɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯɴ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯɴ. – Disquisitiones generales

circa superficies curvas.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung Gauß 1828a

139

Gauß 1956 Ɉɛɳɢɟ ɢcɫɥeɞɨɜɚɧɢɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯ. – Disquisitiones generales circa

superficies curvas. Gauß 1828a

Gauß 19584) Ɉɛɳɢɟ ɢcɫɥeɞɨɜɚɧɢɹ ɨ ɤɪɢɜɵɯ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɯ. – Disquisitiones geneales circa

superficies curvas. Sudakov 1958, S. 92–126. Gauß 1828b

Gauß 19595) Ɍɟɨɪɢɹ ɛɢɤɜɚɞɪɚɬɢɱɧɵɯ ɜɵɱɟɬɨɜ. ɋɨɱɢɧɟɧɢɟ ɩɟɪɜɨɟ. – Theoria residuorum

biquadraticorum. Commentatio prima. Vinogradov 1959, S. 655–685. Gauß 1828c

Gauß 19573) Ⱦɨɩɨɥɧɟɧɢɟ ɤ ɬɟɨɪɢɢ ɤɨɦɛɢɧɚɰɢɢ ɧɚɛɥɸɞɟɧɢɣ, ɩɨɞɜɟɪɠɟɧɧɵɯ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦ ɨɲɢɛɤɚɦ. – Supplementum theoriae combinationis observationum erroribus minimis

obnoxiae. Sudakov 1957, S. 59–87. Gauß 1830

Gauß 19585) Ƚɟɨɞɟɡɢɱɟɫɤɢɟ ɢ ɚɫɬɪɨɧɨɢɱɟɫɤɢɟ ɪɚɛɨɬɵ ɞɥɹ ɢɡɦɟɪɟɧɢɹ ɞɭɝɢ ɫɪɟɞɧɟɣ ɩɚɪɚɥɥɟɥɢ, ɜɵɩɨɥɧɟɧɧɵɟ ɜ 1821, 1822, 1823 ɝɝ. ɜ ɉɶɟɦɨɧɬɟ ɢ ɋɚɜɨɟ [...].

– Rezension von: Opérations géodésiques et astronomiques pour la mesure d’un arc du parallèle moyen, exécutés en Piémont et en Savoie [...]. Sudakov 1958, S. 127–134. Gauß 1832a

Gauß 1832b

Gauß 19521) Anzeige von: Intensitas vis magneticae terrestris ad mesuram absolutam revocata. Janovskij 1952, S. 7–22. Gauß 19596) Ɍɟɨɪɢɹ ɛɢɤɜɚɞɪɚɬɢɱɧɵɯ ɜɵɱɟɬɨɜ. ɋɨɱɢɧɟɧɢɟ ɜɬɨɪɨɟ. – Theoria residuorum

biquadraticorum. Commentatio secunda. Vinogradov 1959, S. 686–754. Gauß 1834c oder Gauß 1833 [Gauß 1841a]

Gauß 1836b Ɉɛɴ ɢɡɦ࣎ɪɟɧiɢ ɡɟɦɧɚɝɨ ɦɚɝɧɢɬɢɡɦɚ. – Mesure absolue de l’Intensité du Magnétisme terrestre oder Die Intensität der erdmagnetischen Kraft, zurückgeführt auf absolutes Maaß.

Gauß 1839

Gauß 19523) Ɉɛɳɚɹ ɬɟɨɪɢɹ ɡɟɦɧɨɝɨ ɦɚɝɧɟɬɢɡɦɚ. – Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus.

Janovskij 1952, S. 77–145. Gauß 1839

Gauß 19524) (Tabellen) ȼɫɩɨɦɨɝɚɬɟɥɶɧɵɟ ɬɚɛɥɢɰɵ ɞɥɹ ɜɵɱɢɫɥɟɧɢɹ ɧɚɩɪɚɜɥɟɧɢɹ ɢ ɜɟɥɢɱɢɧɵ ɦɚɝɧɢɬɧɵɯ ɫɢɥ ɧɚ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɢ ɡɟɦɥɢ ɩɨ ɷɥɟɦɟɧɬɚɦ ɬɟɨɪɢɢ. – Hülfstafeln

zur Berechnung der Richtung und Stärke der magnetischen Kräfte auf der

140

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland Oberfläche der Erde aus den Elementen der Theorie. Janovskij 1952, S. 147–160.

Gauß/Weber 1840

Gauß 19525) Ʉɚɪɬɵ ɢɡ „Aɬɥɚɫɚ ɡɟɦɧɨɝɨ ɦɚɝɧɟɬɢɡɦɚ“. – Karten aus dem Atlas des Erd-

magnetismus nach den Elementen der Theorie entworfen. Janovskij 1952, S. 161–172. Gauß 1840a

Gauß 19526) Anzeige von: Allgemeine Lehrsätze in Beziehung auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstossungskräfte. Janovskij 1952, S. 173–178.

Gauß 1840b

Gauß 19527) Ɉɛɳɢɟ ɬɟɨɪɟɦɵ ɨɬɧɨɫɢɬɟɥɶɧɨ ɫɢɥ ɩɪɢɬɹɠɟɧɢɹ ɢ ɨɬɬɚɥɤɢɜɚɧɢɹ, ɞɟɣɫɬɜɭɸɳɢɯ ɨɛɪɚɬɧɨ ɩɪɨɩɨɪɰɢɨɧɚɥɶɧɨ ɤɜɚɞɪɚɬɭ ɪɚɫɫɬɨɹɧɢɹ. – Allgemeine Lehrsätze in

Beziehung auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstossungs-Kräfte. Janovskij 1952, S. 179–234. Gauß 1841a

Gauß 19522) ɂɧɬɟɧɫɢɜɧɨɫɬɶ ɡɟɦɧɨɣ ɦɚɝɧɢɬɧɨɣ ɫɢɥɵ, ɩɪɢɜɟɞɟɧɧɚɹ ɤ ɚɛɫɨɥɸɬɧɨɣ ɦɟɪɟ.

– Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata. Janovskij 1952, S. 23–75. Gauß 1843

Gauß 1845

Gauß 19586) Anzeige von: Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Erste Abhandlung. Sudakov 1958, S. 135–138. Gauß 18662) ɂɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɩɨ ɜɨɩɪɨɫɚɦɴ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡiɢ. ɋɬɚɬɶɹ ɩɟɪɜɚɹ. – Untersu-

chungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Erste Abhandlung. Tillo 1866, S. 41–72, 350–352. Gauß 1845

Gauß 19582) ɂɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢe ɩɨ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡɢɢ. ɉɟɪɜɚɹ ɫɬɚɬɶɹ. – Untersuchungen über

Gegenstände der höhern Geodaesie. Erste Abhandlung. Sudakov 1958, S. 38–62. Gauß 1846

Gauß 1847

Gauß 19587) Anzeige von: Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Zweite Abhandlung. Sudakov 1958, S. 139–142. Gauß 18663) [ɂɡɫɥ࣎ɞɨɜɚɧiɹ ɩɨ ɜɨɩɪɨɫɚɦɴ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡiɢ.] ɋɬɚɬɶɹ ɜɬɨɪɚɹ. – Untersu-

chungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Zweite Abhandlung. Tillo 1866, S. 73–106, 355–362.

4. Gauß’ Werke in russischer Übersetzung Gauß 1847

141

Gauß 19583) ɂɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢe ɩɨ ɜɵɫɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡɢɢ. ȼɬɨɪɚɹ ɫɬɚɬɶɹ. – Untersuchungen über

Gegenstände der höhern Geodaesie. Zweite Abhandlung. Sudakov 1958, S. 63–91. Gauß 1855

Gauß 1859 Ɍɟɨɪiɹ ɫɨɟɞɢɧɟɧiɹ ɧɚɛɥɸɞɟɧiɣ, ɩɪɢɜɨɞɹɳɚɝɨ ɤɴ ɧɚɢɦɟɧɶɲɢɦɴ ɩɨɝɪ࣎ɲɧɨɫɬɹɦɴ. – Théorie de la combinaison des observations qui expose aux moindres

erreurs. posthumes Material [1876]

posthumes Material [1876]

Gauß 19597) ɍɱɟɧɢɟ ɨ ɜɵɱɟɬɚɯ. – Analysis residuorum. Vinogradov 1959, S. 757–806.

Gauß 19598) Ⱦɚɥɶɧɟɣɲɟɟ ɪɚɡɜɢɬɢɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɣ ɨ ɱɢɫɬɵɯ ɭɪɚɜɧɟɧɢɹɯ. – Disquisitionum

circa aequationes puras. Ulterior evolutio. Vinogradov 1959, S. 807–835. posthumes Material [1876]

Gauß 19599) Ⱦɨɤɚɡɚɬɟɥɶɫɬɜo ɧɟɤɨɬɨɪɵɯ ɬɟɨɪɟɦ ɨ ɩɟɪɢɨɞɚɯ ɤɥɚɫɫɨɜ ɞɜɨɣɧɢɱɧɵɯ ɮɨɪɦ ɜɬɨɪɨɣ ɫɬɟɩɟɧɢ. – Démonstration de quelques théorèmes concernants les périodes des

classes des formes binaires du second degré. Vinogradov 1959, S. 836–838. posthumes Material [1876]

Gauß 195910) Ɉ ɫɜɹɡɢ ɦɟɠɞɭ ɱɢɫɥɨɦ ɤɥɚɫɫɨɜ, ɧɚ ɤɨɬɨɪɵɟ ɪɚɫɩɚɞɚɸɬɫɹ ɞɜɨɣɧɢɱɧɵe ɮɨɪɦɵ ɜɬɨɪɨɣ ɫɬɟɩɟɧɢ, ɢ ɢɯ ɨɩɪɟɞɟɥɢɬɟɥɟɦ. – De nexu inter multitudinem

classium, in quas formae binariae secundi gradus distribuuntur earumque determinantem. Vinogradov 1959, S. 839–866. posthumes Material [1876]

Gauß 195911) Ȼɨɥɟɟ ɩɨɞɪɨɛɧɨɟ ɪaɫɫɦɨɬɪɟɧɢe ɧɟɤɨɬɨɪɵɯ ɜɨɩɪɨɫɨɜ, ɨɬɧɨɫɹɳɢɯɫɹ ɤ ɞɟɥɟɧɢɸ ɤɪɭɝɚ. – Quarundam disquisitionum ad circuli sectionem pertinentium

uberior consideratio. Vinogradov 1959, S. 867–872. posthumes Material [1903]

Gauß 19589) Ʉɨɧɮɨɪɦɧɨɟ ɨɬɨɛɪɚɠɟɧɢɟ ɫɮɟɪɨɢɞɚ ɧɚ ɩɥɨɫɤɨɫɬɢ. – Conforme Abbildung

des Sphäroids in der Ebene. Sudakov 1958, S. 148–172.

5. Carl Friedrich Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache von Werner Lehfeldt Bereits einigen Zeitgenossen des „princeps mathematicorum“ war bewusst, dass mit den Stichworten Mathematik, Astronomie, Erdmagnetismus, elektromagnetischer Telegraph bei weitem nicht alle Koordinaten des Raums benannt sind, in dem sich der Geist Carl Friedrich Gauß’ bewegte. Wolfgang Sartorius von Waltershausen, ein enger Vertrauter von Gauß und dessen erster Biograph, schrieb 1856 über seinen Protagonisten, es sei „wohl ausserhalb der Mathematik das Talent hervorzuheben, welches Gauss für die Erlernung der verschiedensten Sprachen zeigte. Mit den alten war er von Jugend auf vertraut, aber auch fast alle anderen europäischen Sprachen verstand er so weit um sie zu lesen, die hauptsächlichen derselben sprach und schrieb er vollkommen correct“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 91). Es ist ferner bekannt, dass Gauß zu Beginn seines im Herbst 1795 aufgenommenen Studiums in Göttingen bei Christian Gottlob Heyne Vorlesungen über Klassische Philologie hörte und eine zeitlang schwankend war, ob er sich für das Studium der Alten Sprachen oder für das der Mathematik entscheiden sollte. Obgleich bereits im Frühjahr 1796 die Entdeckung der Konstruierbarkeit des regelmäßigen 17-Ecks mit Zirkel und Lineal den Ausschlag dafür gab, dass nunmehr die Entscheidung endgültig zugunsten der Mathematik getroffen wurde, hat Gauß sein Leben lang nicht aufgehört, sich mit sprachlichen und philologischen Problemen zu beschäftigen. Das wohl eindrucksvollste Zeugnis für dieses anhaltende Interesse findet man in dem umfangreichen, über Jahrzehnte hinweg geführten Briefwechsel zwischen Gauß und dem Altonaer Astronomen Heinrich Christian Schumacher, in dem man immer wieder auf Erörterungen von Feinheiten der lateinischen, der englischen und der französischen Sprache stößt, Erörterungen, die belegen, in welch hohem Maße es Gauß darum zu tun war, die von ihm gelesenen Texte in diesen Sprachen so genau wie möglich zu verstehen bzw. sich in ihnen selbst so exakt wie nur möglich auszudrücken. Was Gauß’ Kenntnis der griechischen und der lateinischen Sprache sowie der antiken Literatur betrifft, so birgt die in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) zu Göttingen aufbewahrte Bibliothek des Gelehrten reiches Material für ein vertiefendes Studium dieses Problems, zahlreiche Grammatiken und Klassikerausgaben mit ungezählten, teilweise umfang-

144

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

reichen Kommentaren und Bemerkungen von Gauß’ Hand. Soweit bekannt, ist dieses Material bisher noch vollkommen unerforscht. Im Englischen und im Französischen scheint Gauß absolut sattelfest gewesen zu sein, wenn man an seine in diesen Sprachen geführte wissenschaftliche Korrespondenz und an seine Beschäftigung mit der englischen und der französischen Literatur denkt. Erwähnt sei hier nur Sir Walter Scott, den Gauß verehrte und aus dessen Werken er seinem Sohn Joseph vorlas, wenn Vater und Sohn bei der Triangulation des Königreichs Hannover bei regnerischem Wetter in einer Harzer Baude Zuflucht gesucht hatten. Über eine allfällige Beschäftigung von Gauß mit der russischen Sprache ist aus den ersten sechs Lebensjahrzehnten des Gelehrten nichts bekannt, und es hat eine solche Beschäftigung in dieser Periode auch nicht gegeben. Tatsächlich bedurfte es gewissermaßen eines Impulses von allerhöchster Seite, um Gauß erst zum Erlernen und dann gar zum Studium des Russischen zu veranlassen, der Sprache des Landes, mit dem er seit dem Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn durch vielfältige persönliche und institutionelle Beziehungen eng verbunden war. In der Geschichtsschreibung kommt König Ernst August von Hannover nicht besonders gut weg, war seine Regentschaft doch überschattet von dem, was er gleich zu Beginn seiner Herrschaft getan hatte, nämlich von der Aufhebung der dem Königreich Hannover von seinem Bruder König Wilhelm IV. gewährten Verfassung. Dieser Verfassungsbruch mit seinen gerade für die Göttinger Universität so betrüblichen, ja verhängnisvollen Konsequenzen zeitigte aber auch – natürlich unbeabsichtigt – ein Ergebnis, über das sich ein Russist nur freuen kann. Der Kausalnexus zwischen Ernst Augusts Eingriff in das Staatsrecht Hannovers und Gauß’ Hinwendung zum Erlernen der russischen Sprache verläuft über ein vermittelndes Zwischenglied. Dieses Zwischenglied war Gauß’ Kollege, Mitarbeiter und Freund Wilhelm Weber. Zusammen mit Weber hatte Gauß Göttingen zum Zentrum der weltweit organisierten Erforschung des Erdmagnetismus gemacht. Weber gehörte 1837 zu den Göttinger Sieben und wurde daher zusammen mit Friedrich Christoph Dahlmann, Jacob und Wilhelm Grimm, Georg Gottfried Gervinus, Heinrich Georg August Ewald und Wilhelm Eduard Albrecht seines Amtes als Universitätsprofessor enthoben und musste Göttingen verlassen. Damit fand Gauß’ physikalische Schaffensperiode wenngleich nicht ihr Ende, so doch eine einschneidende Abschwächung, denn dieses Schaffen hatte ganz wesentlich auf der Zusammenarbeit mit Wilhelm Weber beruht. Gewissermaßen kompensatorisch dazu erfuhren die sprachlichen Interessen des „princeps mathematicorum“ eine Belebung, und diese Belebung äußerte sich in der Weise, dass sich Gauß zu Beginn seines siebten Lebensjahrzehnts dazu entschloss, die russische Sprache zu erlernen. Soweit bekannt, findet sich der erste Hinweis auf Gauß’ Beschäftigung mit dem Russischen im Postscriptum eines an Schumacher gerichteten Briefes vom 17. August 1839: „Im Anfange des vorigen Frühjahrs hatte ich, Aneignung

5. Carl Friedrich Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache

145

irgend einer neuen Fertigkeit als eine Art Verjüngung betrachtend, angefangen, mich mit der russischen Sprache zu beschäftigen (ich hatte früher es einmahl mit dem Sanskrit versucht, dem ich aber gar keinen Geschmack abgewinnen konnte), und fand schon viel Interesse daran“. Durch den Wunsch der Regierung in Hannover, Gauß möge die Regulierung von Maß und Gewicht beschleunigt abschließen, sei diese Beschäftigung jedoch unterbrochen worden, „so dass ich das Wenige, was ich gelernt, wol jetzt grossentheils wieder vergessen haben werde. Demungeachtet denke ich künftig einmahl wieder anzufangen“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 242). Aus dieser Bemerkung wird deutlich, dass Gauß sich nicht primär deshalb dem Studium des Russischen zuwandte, um russischsprachige wissenschaftliche Arbeiten lesen zu können. Dennoch sollte er die einmal erworbenen Russischkenntnisse auch zu diesem Zweck einsetzen, wovon noch im einzelnen die Rede sein wird. Schumacher, den Gauß in dem erwähnten Brief um Hilfe bei der Beschaffung russischer Bücher gebeten hatte, reagierte umgehend und sandte seinem „theuersten Freund“ am 22. August 1839 einen „russischen astronomischen Kalender“, weil ihm schien, dass „einem Astronomen auch ein astronomischer Kalender gute Dienste leisten“ müsse beim Erlernen fremder Sprachen (ebenda, S. 248). Auf seine in demselben Brief vorsichtig geäußerte Anregung, Gauß möge zum Zwecke der Zerstreuung vielleicht „vortheilhafter das Schachspiel“ (ebenda) wählen, erhielt Schumacher am 8. September 1839 aus Göttingen folgende Antwort: „Das Schachspiel ist mir keineswegs fremd, sondern in frühern Zeiten sehr familiär gewesen. Es ist aber meinen sonstigen Beschäftigungen zu sehr analog um als eine E r h o h l u n g betrachtet werden zu können, dazu ist etwas von jenen Heterogeneres nöthig“ (ebenda, S. 269). Ganz ähnlich wie gegenüber Schumacher wird sich Gauß um die gleiche Zeit gegenüber dem Petersburger Physikprofessor und Direktor des Magnetischen Observatoriums der Akademie, Adolph Theodor Kupffer, geäußert haben, der ihm im Juli und im August in Göttingen einen Besuch abgestattet hatte und der seinem Petersburger Vorgesetzten, dem General Čevkin, am 1. September 1839 einen Bericht über diesen Besuch zukommen ließ. Dort äußert sich Kupffer voller Erstaunen und ausführlich über Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache und der russischen Literatur, worin er „un bon augure pour la littérature russe“ erkennt, denn „il est vrai que le génie pressent l’avenir“ (Rykačev 1900, S. 52*). Kupffer ließ es sich auch angelegen sein, Gauß von St. Petersburg aus ein zweibändiges russisch-französisches Wörterbuch als Geschenk zukommen zu lassen, welches Werk dann auch tatsächlich für Gauß’ Russischstudium wichtig werden sollte. Einige Jahre später sollte Gauß einem weiteren Gast gegenüber, der aus Russland zu ihm gereist war, ein anderes Motiv nennen, das ihn bewogen habe, die russische Sprache zu erlernen. Zu Otto Struve, dem Sohn des Astronomen Wilhelm Struve, sagte er im Jahre 1844, er habe diese Sprache „zunächst zur Prüfung seiner geistigen Capacität nach überstandener schwerer

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Krankheit, zu studieren angefangen“ (Dick 1992, S. 46). Bereits 1842 hatte er dem russischen Astronomen I. M. Simonov gegenüber nach dessen Zeugnis erklärt, dass sein Wunsch, russische Werke im Original zu lesen, eine Folge des Wunsches gewesen sei, sein sechzigjähriges Gedächtnis zu erproben (vgl. Simonov 1844, S. 321). Diese Äußerungen stimmen mit dem überein, was W. Sartorius von Waltershausen über die Motive berichtet, die Gauß veranlasst hätten, sich der Erlernung des Russischen zuzuwenden: „Schon in seinem vorgerücktern Alter, etwa in seinem 62sten Jahre glaubte er neben seinen regelmässig fortlaufenden Studien in der Mathematik auf ein neues Mittel Bedacht nehmen zu müssen, um seinen Geist frisch lebendig und für neue Eindrücke empfänglich zu erhalten; [...], dann aber begann er mit unglaublicher Energie die Russische Sprache zu erlernen“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 91). In den Monaten, die auf diese Äußerungen folgten, muss Gauß recht intensiv dem Studium des Russischen obgelegen haben. Dies dürfen wir aus mehreren schriftlichen Bekundungen des Gelehrten schließen. Am 8. August 1840 bedankte er sich bei Schumacher für die Übersendung der Beschreibung der Kasaner Sternwarte und fügte diesem Dank folgende Bemerkung an: „Mit meinem Russischen bin ich so weit, dass ich mit einem Wörterbuche, ohne übermässig vieles Aufschlagen, dergleichen wohl verstehen kann. Kupffer’s Rukowodstwo (Anleitung magnetische und meteorologische Beobachtungen zu machen) lese ich mit einer gewissen Fertigkeit, so dass ich für Eine Seite zuweilen kaum ein halb Dutzend mahl das Wörterbuch zu befragen habe“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 394). Ganz ähnlich äußerte sich Gauß wenige Tage später in einem Brief an Adolph Theodor Kupffer selbst, den Verfasser der besagten „Anleitung“. Am 13. August 1840 schrieb er ihm: „Mit dem Russischen schreite ich wenn auch langsam, doch immer etwas fort, und nehme an dieser reichen und bildsamen Sprache recht viel Interesse. Ihr Ɋɭɤɨɜɨɞɫɬɜɨ lese ich mit einiger Fertigkeit, und mit vielem Vergnügen“ (Briefwechsel Gauß–Kupffer, A. T., Brief Nr. 18). Wir erkennen aus diesen Äußerungen, dass Gauß von Anfang an das Russische nicht nur zum Zwecke der Erholung betrieben hat, sondern auch, um wissenschaftliche Literatur in dieser Sprache lesen zu können. Dennoch stand der Wunsch nach etwas seinen sonstigen Beschäftigungen Heterogenerem weiterhin im Vordergrund, wenngleich hier größere Schwierigkeiten auf den Autodidakten warteten. Letzteres bezeugt der schon erwähnte Brief von Gauß an Schumacher vom 8. August 1840: „Mit Dichtern geht es schwerer. Ich besitze drei Bände von Puschkin’s Werken, wo ich aber immer mehr unbekannte Wörter als bekannte finde, und also nur sehr langsam etwas lesen kann. Sein Boris Godunow spricht mich sehr an. Lieber wäre es mir aber prosaische Unterhaltungslectüre zu besitzen, z. B. Russische Originalromane oder auch Uebersetzungen, z. B. von Walter Scott“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 394). Schumacher säumte nicht, Gauß’ Bitte zu erfüllen, er möge „demnächst derartiges aus Petersburg mir einiges mitbringen wollen“ (ebenda, S. 394). Am 7. Oktober 1840, „nach

5. Carl Friedrich Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache

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einer langen (6 Tage) und stürmischen Seefahrt aus Petersburg zurückgekommen“ (ebenda, S. 402), meldete er nach Göttingen: „Ihre Commission in Bezug auf gute Russische Romane hat Schubert besorgt. Er hat für Sie Bestúscheff’s Werke gekauft, die zu den besten prosaischen Schriften gehören, und das Russische Volksleben treu darstellen“ (ebenda, S. 403). Von sich aus fügte Schumacher der angekündigten Büchersendung „noch Gretsch’s grosse Russische Grammatik (französisch geschrieben) hinzu, die nach dem einstimmigen Urtheil in Petersburg das Beste seyn soll, was über Russische Grammatik existirt. Der Verfasser hat sie mir geschenkt, sie ist aber in Ihren Händen besser als bei mir, wo sie nie gebraucht werden würde“ (ebenda, S. 403). Tatsächlich spricht alles dafür, dass Gauß sämtliche sechs Bände der 1828 erschienenen Ausgabe der Werke des Puškin-Zeitgenossen Aleksandr Aleksandrovič Bestužev-Marlinskij (GB 530, 565; Lehfeldt 2011, S. 312–313) unter Zuhilfenahme von Nikolaj Ivanovič Grečs „Grammaire raisonnée de la langue russe“ (Greč 1837; GB 47) und von Ch. Ph. Reiffs russisch-französischem Wörterbuch (Reiff 1835/36; GB 608) intensiv durchgelesen hat; denn alle diese Bände weisen vielfältige Gebrauchsspuren von Gauß’ Hand auf, die uns einen Einblick in die Art von Gauß’ Russischlektüre gewähren. Wir finden hier Anmerkungen grammatikalischer Art, nicht selten mit Verweisen auf die entsprechenden Paragraphen der Grammatik von N. Greč, Anmerkungen zur Bedeutung von Lexemen, ungezählte Druckfehlerberichtigungen und an zwei Stellen sogar sachliche Korrekturen – dies alles zusammen ein eindrückliches Zeugnis der Sorgfalt, mit der Gauß russische Schriften gelesen hat. Wir finden hier bestätigt, was der russische Astronom I. M. Simonov, der Gauß 1842 besucht hatte, über den Gebrauch berichtet, den der große Gelehrte von der Kenntnis der russischen Sprache gemacht habe. Simonov schreibt, dass Gauß „es bis zum Verständnis von Dichtern und Schriftstellern brachte. Beim Lesen russischer Bücher studierte er die in ihnen vorkommenden Ausdrücke bis zur letzten Feinheit“ (Biermann 1964b, S. 46). Selbstverständlich hat Gauß auch russischsprachige mathematische Literatur gelesen. Besonders zu beachten ist hierbei sein Studium von Schriften des Kasaner Mathematikers Nikolaj Ivanovič Lobačevskij, der unabhängig von ihm die nichteuklidische, die so genannte „Imaginäre Geometrie“ entwickelt hatte. Zu diesem sehr ergiebigen Thema hier nur eine Andeutung: In der Göttinger Gauß-Bibliothek finden sich zahlreiche Abhandlungen aus der Feder von N. I. Lobačevskij, von denen zumindest einige der Verfasser selbst nach Göttingen geschickt hat. Besonders interessant ist dabei folgende Beobachtung: N. I. Lobačevskij hatte seine ersten Arbeiten zur „Imaginären Geometrie“ Ende der zwanziger/Anfang der dreißiger Jahre in der Zeitschrift „Ʉɚɡɚɧɫɤɿɣ ȼ࣎ɫɬɧɢɤɴ“1 veröffentlicht. Gauß war daran interessiert, diese Arbeiten zu studieren. Schon 1841 schrieb er an Johann Franz Encke, er sei „recht begierig geworden, mehr von diesem scharfsinnigen Mathematiker zu lesen“ (SUB Göttingen, Gauß, 1

„Kazanskij věstnik“ (Kasaner Bote).

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Briefe B: Encke 61). Es muss ihm aber Schwierigkeiten bereitet haben, an die Arbeiten von Lobačevskij zu kommen. In einem an Christian Ludwig Gerling gerichteten Brief vom 8. Februar 1844 heißt es, dass „in Deutschland schwerlich ein Exemplar des Kasanschen Boten von 1828.1829 zu finden sein möchte“ (SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Gerling 141). Es gelang ihm dann aber doch, einige Hefte des „Ʉɚɡɚɧɫɤɿɣ ȼ࣎ɫɬɧɢɤɴ“ in die Hände zu bekommen. Allerdings fehlen hier die ersten Teile von Lobačevskijs Abhandlung. Möglicherweise hat der Verfasser fünfzehn Jahre nach ihrem Erscheinen von ihnen keine Druckexemplare mehr besessen. Die dadurch entstandene Lücke wird aber durch eine im Gauß-Nachlass vorhandene zwanzig Seiten umfassende russischsprachige Handschrift geschlossen, die eben diese ersten Teile umfasst. Zusammen mit den gedruckt vorhandenen Teilen ergeben sie den gesamten Text von Lobačevskijs Abhandlung „Ɉ ɧɚɱɚɥɚɯɴ Ƚɟɨɦɟɬɪiɢ“2 (Lobačevskij 1829/30). Aus einer Fußnote auf der ersten Seite geht hervor, dass Lobačevskij selbst die Anfertigung dieser Handschrift hat besorgen lassen (vgl. Abb. 47). Offenbar hatte er von Gauß’ Interesse an dieser Arbeit erfahren. Gauß hatte also Gelegenheit, Lobačevskijs „Anfangsgründe“ im russischen Original zu studieren. Wir wissen, dass Gauß Lobačevskij, der die nichteuklidische Geometrie „auf eine meisterhafte Art in ächt geometrischem Geiste“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 247; Biermann 1990, S. 51) entwickelt habe, hoch geschätzt und 1842 für die Aufnahme des russischen Gelehrten in die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen gesorgt hat – zu einer Zeit, als Lobačevskij in Russland selbst von führenden Mathematikern mit Hohn und Spott überschüttet, ja geradewegs verleumdet wurde. Wenn wir danach fragen, wie Gauß die russische Sprache erlernt hat, so ist zunächst festzuhalten, dass er auch hier wie auf so vielen anderen Gebieten Autodidakt gewesen ist, dass er also – beinahe – ohne jeglichen Lehrer ausgekommen ist. Das bezeugt schon W. Sartorius von Waltershausen: „Es dauerte kaum zwei Jahre, dass er ohne alle fremde Hülfe dieselbe so vollständig in seine Gewalt bekam [...]“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 91). Ferner besitzen wir darüber ein Zeugnis in einem Bericht von Otto Struve, dem Sohn Wilhelm Struves, des Leiters der in der Nähe von St. Petersburg gelegenen Sternwarte von Pulkowo. Otto Struve, der des Russischen natürlich kundig war, besuchte Gauß – nach einer ersten Begegnung zusammen mit seinem Vater im September 1838 – im Spätsommer des Jahres 1844. In seinen „Erinnerungen“ heißt es über diesen Besuch u.a.: „Damals interessirte er sich besonders für die Russische Sprache, welche er, wie er sagte, zunächst zur Prüfung seiner geistigen Capacität nach überstandener schwerer Krankheit zu studieren angefangen hatte, und zwar ohne einen Lehrer und nur nach Büchern. Das Lesen Russischer Bücher hatte er in der That sehr befriedigend erreicht, aber wenn er russisch zu sprechen oder auch nur laut zu lesen versuchte, machte das in der That einen sehr komischen Eindruck“ (Dick 1992, S. 46). Dieses Urteil wider2

„O načalach Geometrii“ („Über die Anfangsgründe der Geometrie“).

5. Carl Friedrich Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache

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streitet dem, was Sartorius von Waltershausen über Gauß’ russische Aussprache schreibt: „Eines Tages als er von einem Russischen Staatsrath besucht wurde unterhielt er sich mit diesem auf Russisch und zwar nach jenes Urtheil in vollkommen richtiger Aussprache“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 91–92). Schon Biermann hat Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzungen geäußert (Biermann 1986; vgl. dazu auch Dick 1992, S. 48). Gauß Autodidaktentum vorausgesetzt, stellt sich die Frage, welche Lehrwerke, Grammatiken und Wörterbücher der Gelehrte benutzt und wie er sich dieser Hilfsmittel bedient hat. In der Bibliothek des Gelehrten, wie sie in der SUB Göttingen aufbewahrt wird, findet sich neben weiteren Russischlehrwerken und -grammatiken die „Neue theoretisch=praktische Russische Sprachlehre für Deutsche“ von August Wilhelm Tappe, die in vierter „verbesserter und vermehrter Auflage“ im Jahre 1815 erschienen ist (Tappe 1815; GB 124). Gauß’ mag auf dieses Werk durch eine Besprechung eben dieser vierten Auflage aufmerksam geworden sein, die 1819 in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ erschienen war und in der Tappes „Sprachlehre“ als „vorzüglich zum Selbstunterrichte im Russischen auch ohne Lehrer“ (S. 542) bezeichnet wird – eine Eigenschaft, die Gauß’ ausgeprägter Neigung zum Selbststudium entgegenkommen musste. Obgleich das in der Gauß-Bibliothek der Göttinger SUB aufbewahrte Exemplar von Tappes Lehrwerk keinerlei sichtbare Gebrauchsspuren wie etwa Randbemerkungen, Korrekturen o.ä. aufweist, so lässt sich doch zeigen, dass es von Gauß konsultiert worden sein muss. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass Gauß eine sorgfältig ausgeführte Tabelle mit einer Klassifikation der Verben des Russischen angefertigt hat, deren Vorlage sich in Tappes „Sprachlehre“ auf den Seiten 194–198 befindet (vgl. dazu im einzelnen Lehfeldt 2011, S. 287–294). Eine andere Einteilung der Verben des Russischen, die sich unter Gauß’ Aufzeichnungen zu dieser Sprache erhalten hat, hat der Gelehrte vermutlich der „Praktischen russischen Sprachlehre für Schulen und zum Selbstunterricht“ von Johann Adolph Erdmann Schmidt aus dem Jahre 1843 entnommen, einem Werk, dessen in der Gauß-Bibliothek aufbewahrtes Exemplar Spuren seines Gebrauchs durch Gauß aufweist (Schmidt 1843; GB 206). Die Vorlage von Schmidts Verbklassifikation läßt sich in dem „Dictionnaire russe-français“ von Charles-Philippe (Karl Philipp) Reiff ausmachen, das 1835 und 1836 in zwei Bänden in St. Petersburg erschienen war und das Gauß 1839 von Adolph Theodor Kupffer als Geschenk erhalten (Reiff 1835/36; GB 608) hatte. Reiffs Wörterbuch enthält außer dem eigentlichen Wörterbuchteil u.a. auch „Un abrégé de la Grammaire russe avec des tableaux synoptiques de déclinaisons et de conjugaisons“, und es lässt sich zeigen, dass Gauß das „Tableau synoptique des trois conjugaisons“ studiert hat (vgl. Lehfeldt 2011, S. 295). Es lässt sich ferner nachweisen, dass Gauß das Wörterbuch von Reiff bei seiner Russischlektüre intensiv benutzt hat (vgl. dazu im einzelnen Lehfeldt 2011, S. 328–332). In einem an Kupffer gerichteten Brief vom 18. Februar 1840 bezeichnet Gauß dieses Wörterbuch als „ein höchst vortreffliches Beförderungsmittel“ (Briefwechsel Gauß–Kupffer, A. T.,

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief Nr. 13). Interessant in unserem Zusammenhang ist auch der Umstand, dass die bei Reiff zu findende Verbklassifikation nicht von diesem Autor selbst erdacht worden ist, sondern der „Praktischen russischen Grammatik“ von N. Greč, deren von Reiff angefertigte französische Übersetzung unter dem Titel „Grammaire raisonnée de la langue russe“ 1837 ebenfalls in St. Petersburg erschienen war. Auch diese Übersetzung findet sich in der Gauß-Bibliothek, und es hat sich zeigen lassen, dass Gauß dieses Geschenk seines Altonaer Freundes Schumacher insbesondere beim Studium der Werke von A. A. BestuževMarlinskij benutzt hat (vgl. dazu im einzelnen Lehfeldt 2011, S. 312–316). Es sei an dieser Stelle noch besonders hervorgehoben, dass Gauß in sorgfältiger Arbeit umfangreiche Listen russischer Substantive, Adjektive und Verben in rückläufiger alphabetischer Anordnung erstellt hat, dass er also offenbar als Erster „auf den Gedanken gekommen ist, die Einbahnstraße des Wortverständnisses in umgekehrter Richtung zu beschreiten“ (Gerhardt 1980, S. 272), früher jedenfalls als irgendein professioneller Sprachwissenschaftler. Er darf damit als der erste Wissenschaftler angesehen werden, der bei der lexikographischen Beschreibung und Erfassung des Russischen einen für das Studium insbesondere der Morphologie dieser Sprache so wichtigen Weg eingeschlagen hat, dessen Bedeutung aber erst im 20. Jahrhundert deutlich erkannt worden ist und in unserer Zeit zu solch hervorragenden Werken wie dem „Grammatischen Wörterbuch der russischen Sprache“ von Andrej Anatol’evič Zaliznjak (Zaliznjak 1977 und spätere Auflagen) geführt hat (vgl. dazu im einzelnen Lehfeldt im Druck). Offenbar hat sich Gauß bis in seine letzten Lebensjahre mit dem Studium der russischen Sprache und mit der russischen Literatur beschäftigt. Als Beleg hierfür seien hier nur zwei Dokumente angeführt. Am 29. Juli 1844 richtete Gauß einen Brief an Paul Heinrich Fuß, den Ständigen Sekretär der Petersburger Akademie. Dort heißt es u.a.: „Das Vergnügen welches mir die Beschäftigung mit der russischen Sprache und Literatur gewährt, ist nicht erkaltet und wird mir wohl stets treu bleiben“ (Briefwechsel Gauß–Fuß, P. H., Brief Nr. 9). Dass Gauß der Beschäftigung mit der russischen Sprache und der russischen Literatur tatsächlich für den Rest seines Lebens treugeblieben ist, bezeugt der Entwurf eines Rechenschaftsberichts, den der an der St. Petersburger Akademie tätige Physiker Moritz Hermann von Jacobi im Jahre 1851 über seinen im selben Jahr absolvierten Auslandsaufenthalt angefertigt hat und der in der St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften aufbewahrt wird (f. 187, op. 1, ʋ 1). Dort beschreibt Jacobi u.a. seinen Besuch bei Gauß und bemerkt hierbei: „Quoique d’un age fort avancé, je l’ai encore trouvé en parfaite santé et tout vert d’esprit. Il m’a dit employer tous ses loisirs a etudier la langue et la litterature russe qui l’intéressaient au plus haut degré“ (Lehfeldt 2011, S. 301). Es unterliegt keinem Zweifel, dass Gauß’ Interesse für die russische Sprache und die russische Literatur sowie seine intensive, gründliche Beschäftigung mit diesen Gegenständen im Rahmen der Behandlung des Themas „Gauß und Russland“ unbedingt zu beachten sind.

6. Gauß und die russische Literatur Gauß’ Lebenszeit fiel in eine Blütezeit der russischen Literatur. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts fand in Russland ein erstaunlich schneller und einzigartiger Aufbruch des literarischen Schaffens statt. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte eine Reihe von großen Meistern der russischen Literatur, in einigen Fällen gar der Weltliteratur hervor, hier nur einige Namen: Nikolaj Michajlovič Karamzin, Ivan Andreevič Krylov, Aleksandr Aleksandrovič Bestužev-Marlinskij, Aleksandr Sergeevič Griboedov, Aleksandr Sergeevič Puškin, Nikolaj Vasil’evič Gogol’, Michail Jur’evič Lermontov, Ivan Sergeevič Turgenev, Fëdor Michajlovič Dostoevskij. Gauß, der sich mit der russischen Sprache beschäftigte, konnte und wollte der Bekanntschaft mit der russischen Literatur nicht entgehen; er nahm als eifriger Leser an deren Entwicklung teil. Wie sich sein Freund und Biograph Wolfgang Sartorius von Waltershausen später erinnern sollte, sprach Gauß „voll Achtung über die Russische [schöne Literatur]“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 92). Da es um diese Zeit schwierig war, sich in Deutschland russische Literatur in der Originalsprache zu beschaffen, waren es meistens Gauß’ in Russland wirkende Kollegen und Freunde, die ihm behilflich waren und ihm russische Bücher nicht selten bei einem Besuch in Göttingen als Geschenk überbrachten oder sie ihm durch einen Vermittler überbringen ließen. Daher weist die Gauß-Bibliothek auch heute noch einige Werke von Klassikern der russischen Literatur auf, die teilweise Widmungen des Überbringers und manchmal auch Eintragungen von Gauß’ enthalten. Deutsche Übersetzungen von russischen literarischen Werken dagegen, die es von so manchem Werk auch damals schon gab, finden sich so gut wie gar nicht in der Gauß-Bibliothek. Hier kann als eine Ausnahme die „Geschichte des vaterländischen Krieges im Jahre 1812“ von Aleksandr Ivanovič Michajlovskij-Danilevskij genannt werden. Die deutsche Übersetzung dieses vierteiligen Werkes von Carl R. Goldhammer, die 1840 im Verlag Götschel (Riga, Leipzig) erschienen war,1 erwähnte Gauß in einem Brief an Paul Heinrich Fuß vom 29. Juli 1844. Gauß, der „mit vielem Genuß die Ɂaɩɢcɤɢ 1814 ɢ 1815 ɝoɞoɜɴ von Danilefsky auf Russisch gelesen“ hatte,2 schrieb: „Die Geschichte des Feldzugs von 1812 von demselben Verfasser habe ich gleichfalls in der letzten Zeit mit dem lebhaftesten Interesse gelesen, obwohl nur in einer Übersetzung v. Goldhammer, womit ich mich je1

2

„Geschichte des vaterländischen Krieges im Jahre 1812, auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers von Rußland verfaßt […]. Übersetzung von C. R. Goldhammer“ (Michajlovskij-Danilevskij 1840). Originaltitel: „Ɂɚɩɢɫɤɢ 1814 ɢ 1815 ɝɨɞɨɜɴ“ – Zapiski 1814 i 1815 godov (Michajlovskij-Danilevskij 1832).

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doch jetzt begnüge“ (Briefwechsel Gauß–P. H. Fuß, Brief Nr. 9). Man darf vermuten, dass die Person des Autors Gauß in besonderer Weise angezogen hat, da er diesen wahrscheinlich persönlich kannte. Michajlovskij-Danilevskij hatte nämlich von 1809 bis 1811 vier Semester lang an der Universität Göttingen studiert. Sartorius von Waltershausen beschreibt recht ausführlich den literarischen Geschmack von Gauß (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 92–94). Die Werke von Shakespeare, Goethe, Schiller und Byron hätten ihn nicht sehr stark angezogen, obwohl er sie ohne Zweifel gekannt habe. Sartorius schreibt: „Das Tragische war im Allgemeinen nicht das Element in dem sich Gauss gern bewegte; auch waren ihm alle menschenfeindlichen, lebensmüden, weltschmerzlichen Tendenzen [...] entweder wenig zusagend oder selbst vollkommen zuwider“. Dagegen war er ein „inniger Verehrer“ von Walter Scott, dessen Werke er „nach allen Richtungen hin sehr genau kannte“ (ebenda, S. 93). Die von Sartorius angedeuteten literarischen Vorlieben von Gauß galten auch für die russische Literatur. Deutlich zu erkennen ist, dass Gauß literarische Meisterwerke und historische Darstellungen bevorzugte, sich für kritischrealistische Schilderungen des menschlichen Daseins interessierte und auch romantische Liebesgeschichten nicht verabscheute. Eine Zusammenfassung von Gauß’ Beziehungen zur schöngeistigen Literatur hat auch Martha Küssner publiziert (Küssner 1979, S. 90–95). Sie stützte sich dabei auf folgendes durch Kurt-R. Biermann vermitteltes russisches Urteil aus dem Jahre 1955: „Von den ausländischen Gelehrten des 19. Jahrhunderts stand Carl Friedrich Gauß (wenn man diejenigen nicht rechnet, die wie z.B. A. v. Humboldt längere Zeit in Rußland geweilt haben) der russischen Wissenschaft und Kultur überhaupt am nächsten“ (Briefwechsel Humboldt–Gauß 1977, S. 12; vgl. Anonymus 1955, S. 109, sowie Küssner 1979, S. 94). Adolph Theodor Kupffer, der Gauß im Sommer und im Herbst 1839 in Göttingen besuchte, wollte zur Unterstützung von Gauß’ Beschäftigung mit der russischen Sprache einige russische Bücher nach Göttingen senden, z.B. Wörterbücher sowie die Geschichte Russlands von Karamzin oder die Werke von Puškin. Dies ist in einem Brief vom 1. September 1839 an seinen Vorgesetzten, den General Čevkin, dokumentiert: „On pourrait peut-être à cette occasion envoyer quelques ouvrages russes à la Bibliothèque de l’Université de Goettingue, p. e. l’histoire de Karamsin, les oeuvres du Pouchkin etc.“ (Rykačev 1900, S. 52–53*). Ob Kupffer diese Werke geschickt und ob Gauß sie erhalten hat, ist nicht bekannt. Mit Sicherheit kann man nachweisen, dass Kupffer aus seiner privaten Bibliothek das „Etymologische Lexikon der russischen Sprache“ von Karl Philipp Reiff – „Ėtimologičeskij leksikon russkago jazyka“3 (Reiff 1835/36) – Gauß geschenkt hat (Lehfeldt 2011, S. 328–332, Nr. 39; GB 608).

3

Originaltitel: „ɗɬɢɦɨɥɨɝɢɱɟɫɤiɣ ɥɟɤɫɢɤɨɧɴ ɪɭɫɫɤaɝɨ ɹɡɵɤɚ“.

6. Gauß und die russische Literatur

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Der Ständige Sekretär der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Paul Heinrich Fuß, war einer der Korrespondenten von Gauß, der von dessen literarischen Interessen wusste und ihm entsprechende Werke zu beschaffen half. Eine wichtige Schaltstelle war die in Leipzig und in Hamburg ansässige Buchhandlung von Leopold Voß, der seit 1832 Kommissionär der Akademie in St. Petersburg war. Diese Buchhandlung konnte auch russischsprachige Literatur besorgen. Ein berühmtes Geschichtswerk, das Gauß auf diese Weise erhielt, war die „Geschichte des Russischen Staates“ von Nikolaj Michajlovič Karamzin, „Istorija Gosudarstva Rossijskago“4 (Karamzin 1842–1844; GB 873). Gauß besaß die neueste, komplette fünfte Ausgabe von Karamzins Werk in drei Büchern (12 Bände) von 1842, 1843, 1844, die er nachweislich selbst bezahlt hat (Lehfeldt 2011, S. 309–310, Nr. 11). Fuß übersandte Gauß auch den dazugehörigen alphabetischen Registerband von 1844 (Briefwechsel Gauß–P. H. Fuß, Briefe Nr. 3, 5, 8). Es ist bemerkenswert, dass in dieser Zeit bereits eine in Riga erschienene Übersetzung der Geschichte Karamzins ins Deutsche vorlag, ebenfalls von dem oben erwähnten Carl R. Goldhammer.5 Karamzin, der auch Novellen und Balladen geschrieben hat, gilt als einer der namhaftesten russischen Vertreter der literarischen Empfindsamkeit. Er widmete sich auch historischen Studien und wirkte ab 1803 im Auftrag des Ministeriums für Volksaufklärung als Staatshistoriograph. Seine vielgerühmte „Istorija Gosudarstva Rossijskago“ gilt als erste wissenschaftliche Geschichte Russlands. In dem bereits erwähnten Brief vom 29. Juli 1844 erwähnte Gauß gegenüber Paul Heinrich Fuß, dass er gerne russische belletristische Literatur lesen würde. Er dachte dabei an den historischen Roman „Kapitanskaja dočka“ (Die Hauptmannstochter)6 von Aleksandr Sergeevič Puškin und an eine Neuerscheinung, nämlich den Roman „Nerovnja“ (Ungleicher Partner),7 in dem die gesellschaftlichen Verhältnisse der russischen Mittelschicht das Thema waren (Briefwechsel Gauß–P. H. Fuß, Brief Nr. 9). Der Roman „Kapitanskaja dočka“ spielt in der Zeit des berühmten Pugačëv-Aufstandes von 1773 bis 1775 im Ural- und im Wolgagebiet. Gauß’ Vorgänger an der Universität zu Göttingen, der Astronom Tobias Mayer, hatte seinerzeit als Kollegen Georg Moritz Lowitz gehabt, der ebenfalls Astronom war. Die beiden hatten in Nürnberg in dem Landkartenverlag von Johann Baptist Homann zusammengearbeitet. Danach wurde Lowitz 1754 als Professor für Praktische Mathematik an die Universität Göttingen berufen und wurde Schwiegersohn des langjährigen Göttinger Bürgermeisters Otto Riepenhausen. Georg Moritz Lowitz verließ 1767 Göttingen, um einem Ruf an die Akademie der Wissenschaften in 4 5 6 7

Originaltitel: „ɂɫɬɨɪiɹ Ƚɨɫɭɞɚɪɫɬɜɚ Ɋɨɫɫiɣɫɤɚɝɨ“. „Geschichte des Russischen Reiches von Karamsin. Nach der zweiten Original-Ausgabe übersetzt [von Carl R. Goldhammer]“ (Karamzin 1820–1833). Originaltitel: „Ʉɚɩɢɬɚɧɫɤɚɹ ɞɨɱɤɚ“. Originaltitel: „ɇɟɪɨɜɧɹ“.

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St. Petersburg zu folgen. 1768 in St. Petersburg eingetroffen, ging Lowitz sogleich auf Reisen, um unter anderem den Venusdurchgang im Jahre 1769 zu beobachten. Bei seinen weiteren geodätischen Arbeiten im Wolgagebiet geriet seine Expedition 1774 in die Gegend, in der sich der Aufstand unter der Leitung von Emel’jan Pugačëv ausbreitete. Lowitz wurde von den aufständischen Kosaken gefangengenommen und brutal ermordet; auch seine Notizen wurden vernichtet. Gauß wusste bestimmt von diesem tragischen Schicksal von Lowitz, daher kam möglicherweise sein Interesse an dem Roman „Kapitanskaja dočka“ von Puškin. Gauß scheint dieses Werk allerdings nicht bekommen zu haben, jedenfalls ist es heute nicht in der Gauß-Bibliothek vorhanden. Hingegen besaß Gauß eine Reihe anderer Erzählungen von Puškin, die aber nicht von Paul Heinrich Fuß beschafft worden waren (Lehfeldt 2011, S. 317–319, Nr. 18, 19, 20). Ebenfalls ist unbekannt, ob Gauß die Erzählung „Nerovnja“ von Vasilij Ivanovič Orlov erhalten hat. Diese war im Jahre 1839 in dem Journal für Literatur, Politik und moderne Geschichte „Syn Otečestva“8 (Sohn des Vaterlandes) unter dem Untertitel „Iz zapisok russkago vrača“9 (Aus den Notizen eines russischen Arztes) veröffentlicht worden (Kol’man 1955, S. 394). Die Zeitschrift „Syn Otečestva“ war Gauß aus Anlass einer bösen Rezension von Lobačevskijs Abhandlung „O načalach Geometrii“10 (Über die Anfangsgründe der Geometrie) bekannt, die im Jahre 1834 erschienen war. Woher Aleksandr Nikolaevič Drašusov von Gauß’ literarischen Interessen wusste, hat sich nicht ermitteln lassen. Vielleicht hatte Drašusov davon erfahren, als er Gauß im Jahre 1839 einen längeren Besuch abstattete. Es sind insgesamt drei Bände in der Gauß-Bibliothek vorhanden, die sämtlich die folgende Widmung tragen: „Sr. Hochwohlgeboren Herrn Hofrath Gauß von Alex. Draschoussoff“.11 Es handelt sich dabei um folgende Werke: 1. „Basni Ivana Krylova“12 (Die Fabeln Ivan Krylovs) in einer Ausgabe von 1825. Ivan Andreevič Krylov, der bedeutendste russische Fabeldichter, hatte im Jahre 1805 zwei Fabeln von Jean de La Fontaine ins Russische übersetzt. Dies inspirierte ihn, selbst Fabeln zu verfassen, was er von 1809 bis zu seinem Lebensende tat. Krylov ist der Autor von mehr als 200 Fabeln, die sich bis heute einer außerordentlichen Beliebtheit erfreuen und eine Unmenge von Auflagen erlebt haben. Krylov schrieb kritisch-realistische Fabeln in einfacher Umgangssprache, viele seiner Verse sind zu Sprichwörtern geworden. Gauß’ Exemplar, das sich heute in der Gauß-Bibliothek unter der Signatur GB 487 befindet, weist jedoch keine Gebrauchsspuren auf, was allerdings nicht automatisch bedeutet, dass sich Gauß mit diesem Werk nicht beschäftigt habe 8 9 10 11 12

Originaltitel: „ɋɵɧɴ oɬɟɱɟɫɬɜɚ“. Originaltitel: „ɂɡɴ ɡɚɩɢɫɨɤɴ ɪɭɫɫɤaɝɨ ɜɪɚɱɚ“ (In: Syn Otečestva 10, 1839, S. 75–148). Originaltitel: „Ɉ ɧɚɱɚɥɚɯɴ ɝɟɨɦɟɬɪiɢ“. Auch Draschushoff, Draschoushoff, vgl. Lehfeldt 2011, S. 310, 318, 319. Originaltitel: „Ȼɚɫɧɢ ɂɜɚɧɚ Ʉɪɵɥɨɜɚ“.

6. Gauß und die russische Literatur

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(Lehfeldt 2011, S. 310, Nr. 12). In einem Brief an Prus von Boguslawski vom 6. Januar 1848 erwähnte Gauß, dass er „die vollständige Ausgabe von Krylow’s Fabeln“ besitze (Schoenberg/Perlick 1955, S. 21; vgl. Biermann 1990, S. 194). 2. Ein Sammelband mit Werken von Puškin, der sich in der GaußBibliothek unter der Signatur GB 604 befindet. Der Band enthält folgende Werke (Lehfeldt 2011, S. 317–318, Nr. 19): a) „Brat’ja razbojniki“13 (Die Räuberbrüder), ein um 1821 geschriebenes Poem (Auflage von 1827). Gauß hat auf der Rückseite des Vorsatzblattes seines Exemplars den deutschen Titel mit weiteren Angaben vermerkt, nämlich „Die Räuberbrüderschaft 8° P. v. nat. p. 5130“. In diesem Werk Puškins, in dem dieser sich an Lord Byron anlehnt, geht es um das Freiheitsstreben der leibeigenen russischen Bauern. b) „Kavkazskij plěnnik“14 (Der Gefangene im Kaukasus), eine Erzählung in Versen, die Puškin in den Jahren 1820/21 verfasst hat (Auflage von 1828). In diesem Werk erzählt Puškin von einer Gefangenschaft und einer Liebe und schildert Leben und Bräuche der Tscherkessen. c) „Poltava“,15 ein historisches Verspoem in der Auflage von 1829, das der Schlacht bei Poltawa aus dem Jahre 1709 gewidmet ist. In dieser großen Schlacht wurden die schwedischen Truppen unter Karl XII. von Peter I. vernichtend geschlagen. Diese Schlacht markierte einen Wendepunkt im Großen Nordischen Krieg. d) „Bachčisarajskij fontan“16 (Die Fontäne von Bachčisaraj) in der Auflage von 1830. Dieses romantische Verspoem hat Puškin nach seiner Versetzung nach Odessa im Jahre 1823 aufgezeichnet. Bei einem Besuch in Bachčisaraj, der ehemaligen Residenz der Tatarenchane auf der Krim (bis 1783), war er durch ein Liebesdrama und durch den dortigen Tränenbrunnen inspiriert worden, die er dann in seiner Dichtung aufgriff. Auf der Rückseite des Titelblatts vermerkte Gauß mit Bleistift „Der Springbrunnen von B.“ 3. Der dritte Gauß von Drašusov geschenkte Band in der Gauß-Bibliothek trägt den Titel „Stichotvorenija“ (Gedichte von Aleksandr Puškin),17 Signatur GB 606 (Lehfeldt 2011, S. 318–319, Nr. 20). Des Weiteren besaß Gauß auch noch ein Exemplar der zweiten Auflage (1828) von Puškins märchenhaftem Versepos „Ruslan i Ljudmila“18 (Ruslan und Ljudmila). Puškin hat dieses Werk im Jahre 1820 während seiner Zeit im Staatsdienst verfasst,19 bevor er in demselben Jahr aus St. Petersburg verbannt 13 14 15 16 17 18 19

Originaltitel: „Ȼɪɚɬɶɹ ɪɚɡɛɨɣɧɢɤɢ“. Originaltitel: „Ʉɚɜɤɚɡɫɤiɣ ɩɥ࣎ɧɧɢɤɴ“. Originaltitel: „ɉɨɥɬɚɜɚ“. Originaltitel: „Ȼɚɯɱɢɫɚɪɚɣɫɤiɣ ɮɨɧɬɚɧɴ“. Originaltitel: „ɋɬɢɯɨɬɜɨɪɟɧiɹ“. Originaltitel: „Ɋɭɫɥɚɧɴ ɢ Ʌɸɞɦɢɥɚ“. Puškin wirkte von 1817 bis 1820 als Kollegiensekretär im Kollegium für Auswärtige Angelegenheiten in St. Petersburg.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

wurde. An dieses Werk ist das im Jahre 1825 erschienene historische Drama „Boris Godunov“20 angebunden, in dem Puškin das Leben Boris Godunovs, Russlands Regenten (1584 bis 1598) und Zaren (1598 bis 1605), verarbeitet hat (Auflage von 1831). Dieses Konvolut trägt in der Gauß-Bibliothek die Signatur GB 605. Wer Gauß diese Werke geschickt bzw. geschenkt hat, ist unbekannt (Lehfeldt 2011, S. 317, Nr. 18). Es fiel Gauß nicht ganz leicht, Puškins Werke zu lesen. In einem Brief vom 8. August 1840 an seinen Freund Schumacher bemerkte er: „Mit Dichtern geht es schwerer. Ich besitze drei Bände von Puschkin’s Werken, wo ich immer mehr unbekannte Wörter als bekannte finde, und also nur sehr langsam etwas lesen kann. Sein Boris Godunow spricht mich sehr an. Lieber wäre es mir aber prosaische Unterhaltungslectüre zu besitzen, z.B. Russische Originalromane oder auch Uebersetzungen, z.B. von Walter Scott. Wenn Sie demnächst derartiges aus Petersburg mir einiges mitbringen wollen, werde ich Ihnen Ihre Auslage dankbar erstatten“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 394). In der Tat reiste Schumacher im September 1840 nach St. Petersburg, um die neue Sternwarte in Pulkowo in Augenschein zu nehmen (Reich 2003a, S. 374–377). Von dort brachte er die sechsbändige Gesamtausgabe der Werke von Aleksandr Aleksandrovič Bestužev-Marlinskij von 1838 – „Polnoe sobranie sočinenij A. Marlinskago“21 – nach Deutschland mit, die Friedrich Theodor Schubert d. J. besorgt hatte (Lehfeldt 2011, S. 312–316, Nr. 15). Am 7. Oktober 1840, also nach Abschluss seiner Reise nach St. Petersburg, ließ Schumacher Gauß wissen: „Ihre Commission in Bezug auf gute Russische Romane hat Schubert besorgt. Er hat für Sie Bestúscheff’s Werke gekauft, die zu den besten prosaischen Schriften gehören, und das Russische Volksleben treu darstellen. Bestúscheff war in der ersten Verschwörung gegen den Kaiser,22 ward zum Tode verurtheilt, aber nicht hingerichtet, sondern nach Sibirien gesandt (ich meine er kommt in Ermann’s Reise vor), nachher ward er unter dem Namen Malinki [sic] als gemeiner Soldat nach dem Caucasus gesandt, wo er sich schon wieder zum Officier aufgedient hatte, als er in einem Scharmützel von den Tscherkessen erschossen ward. Er soll ein Mann von den grössten Anlagen gewesen seyn. Für diese Werke habe ich, laut Quittung, an Schubert 40 Rubel Papier bezahlt“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 403). Schumacher war wirklich gut informiert. In der Tat nämlich hatte der von den russischen Lesern damals sehr geschätzte Schriftsteller Aleksandr Aleksandrovič Bestužev, der unter dem literarischen Pseudonym „Marlinskij“ veröffentlichte, an der Verschwörung der Dekabristen im Jahre 1825 teilgenommen und war daraufhin nach Jakutsk in Sibirien verbannt worden. Dort traf ihn im April 1829 Georg Adolf Erman anlässlich seiner Sibirienreise. Noch in demselben Jahr 1829 wurde Bestužev in den Kaukasus versetzt, wo er zunächst 20 Originaltitel: „Ȼɨɪɢɫɴ Ƚɨɞɭɧɨɜɴ“. 21 Originaltitel: „ɉɨɥɧɨɟ ɫɨɛɪɚɧiɟ ɫɨɱɢɧɟɧiɣ A. Ɇɚɪɥɢɧɫɤaɝɨ“. 22 Der sogenannte Dekabristenaufstand von 1825.

6. Gauß und die russische Literatur

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als Soldat diente. Erst 1835 wurde er zum Offizier befördert, starb aber bereits im Jahre 1837 im Kampf gegen die Tscherkessen. Er schrieb Novellen, Romane und Gedichte und gilt in der Literaturgeschichte als bedeutender russischer Romantiker. Die einzelnen Werke von Bestužev-Marlinskij wie auch die Gesamtausgabe seiner Werke erlebten mannigfache Auflagen.23 Gauß besaß sämtliche sechs Bände der Gesamtausgabe, die gleich nach dem Tod des Autors in St. Petersburg bei der Druckerei der III. Abteilung der Kaiserlichen Kanzlei veröffentlicht worden war. Die 1838 gedruckten sechs Bände der dritten Auflage (12 Teile) stehen in der Gauß-Bibliothek unter der Signatur GB 530. Nicht nur bei den Russen war Bestužev-Marlinskij ein gern gelesener Autor, sondern auch bei Gauß. Dies bezeugen die zahlreichen Eintragungen und Gebrauchsspuren, die er hinterlassen hat. Diese sind so umfangreich, dass sie hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden können, sie sind in einer Studie von Werner Lehfeldt ausführlich dokumentiert (Lehfeldt 2011, S. 313–316, Nr. 15). Auch der folgende Band in der Gauß-Bibliothek (GB 101) ist der Unterhaltungsliteratur zuzurechnen: „Russkaja besěda. Sobranie sočinenij russkich literatorov, izdavaemoe v pol’zu A. F. Smirdina“24 (Russische Unterhaltung. Sammlung von Werken russischer Literaten, herausgegeben zugunsten von A. F. Smirdin). Dieser Band war 1841 in St. Petersburg erschienen (Lehfeldt 2011, S. 319, Nr. 22). Aleksandr Filippovič Smirdin war ein bekannter Buchhändler und Verleger, der vor allem jungen Schriftstellern eine Chance bieten wollte, ihre Werke zu publizieren. Smirdin hatte auch Karamzin, Puškin und Krylov verlegt. Der in der Gauß-Bibliothek vorhandene Band enthält unter anderem Werke folgender, bis heute sehr bekannter Autoren, hier in alphabetischer Reihenfolge: Konstantin Nikolaevič Batjuškov, Gavriil Romanovič Deržavin, Nikolaj Michajlovič Jazykov, Nestor Vasil’evič Kukol’nik, Michail Jur’evič Lermontov und Ivan Ivanovič Panaev. Ferner enthält der Band die Aufzeichnungen von Denis Vasil’evič Davydov, einem Helden des gegen Napoleon geführten Vaterländischen Krieges von 1812.

23 Bereits in den Jahren von 1835 bis 1839, als Bestužev-Marlinskij noch am Leben war, erschien in St. Petersburg eine Gesamtausgabe seiner Werke. 24 Originaltitel: „Ɋɭɫɫɤɚɹ ɛɟɫ࣎ɞɚ. Cɨɛɪɚɧiɟ ɫɨɱɢɧɟɧiɣ ɪɭɫɫɤɢɯɴ ɥɢɬɟɪɚɬɨɪɨɜɴ, ɢɡɞɚɜɚɟɦɨɟ ɜɴ ɩɨɥɶɡɭ Ⱥ. Ɏ. ɋɦɢɪɞɢɧɚ“.

7. Gauß im Gedächtnis Russlands Während seiner mehr als 50-jährigen Schaffensperiode genoss Gauß in Russland hohe Anerkennung. Die Nachricht von seinem Ableben am 23. Februar 1855 in Göttingen wurde auch in Russland mit tiefer Trauer aufgenommen. Aus den in der russischen Presse erschienenen Todesanzeigen ist zu ersehen, dass sich der Gelehrte in breiten Kreisen der russischen Gesellschaft eines hohen Ansehens erfreute. Zunächst erschienen mehrere kurze Todesanzeigen sowohl in Tageszeitungen als auch in gelehrt-literarischen und in populärwissenschaftlichen Zeitschriften (Roussanova 2009b, S. 23–28). Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, deren Korrespondierendes Mitglied Gauß seit 1802 und Ehrenmitglied seit 1824 war, wurde über dessen Tod von der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen durch ein Schreiben informiert. Der Sekretär der Societät, Johann Friedrich Ludwig Hausmann,1 unterschrieb eine auf hellblauem Papier gedruckte Anzeige mit folgendem Text (Abb. 9): „Am 23sten Februar Nachts um 1 Uhr beschloss Carl Friedrich Gauss nach längerem Leiden, im beinahe vollendeten 78sten Jahre seines Alters, seine ruhmvolle irdische Laufbahn. Die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften nannte ihn seit 1802 mit Stolz den Ihrigen, und ist nun durch den grossen, unersetzlichen Verlust ihres gefeierten, ältesten ordentlichen Mitgliedes und zeitigen Directors, in die tiefste Trauer versenkt. Die allgemeine Anerkennung und Bewunderung, welche der verewigte grosse Mathematiker, Astronom und Physiker genoss, verbürgen der Societät eine wohlwollende Theilnahme an ihrem gerechten Schmerz. Diese ganz ergebenste Anzeige erlaubt sich im Namen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften der Secretair derselben [Unterschrift] Hausmann Göttingen, den 26sten Februar 1855.“2

Diese traurige Mitteilung aus Göttingen wurde am 3./15. März 1855 in einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg verlesen. Daraufhin erschien im „Bulletin“ der Physikalisch-Mathematischen Klasse der Akademie eine kurze Todesanzeige, datiert auf den 14. April 1855:

1

2

Johann Friedrich Ludwig Hausmann, Professor für Mineralogie und Technologie in Göttingen, war ab 1840 Sekretär der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen (Krahnke 2001, S. 13). St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 2–1855, ʋ 15, l. 15.

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Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland

„M. H a u s m a n n , Secrétaire de la Société royale des sciences de Götting[en], annonce à l’Académie la mort de C h a r l e s G a u s s , décédé le 11 (23) fèvrier [sic], à 1 heure du matin, à l’age de 78 [sic] ans. Le nom de cet illustre géomètre, l’un des plus profonds génies de notre siècle, a été l’ornement de la liste de nos membres honoraires depuis l’année 1824.“3

Abb. 9. Die von der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg gesandte Anzeige über den Tod von Gauß St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 2–1855, ʋ 15, l. 15r. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

3

Bulletin de la classe physico-mathématique de l’Académie Impériale des Sciences de Saint-Pétersbourg 13, 1855, Sp. 368.

7. Gauß im Gedächtnis Russlands

161

Ausführlich wurden in Russland Gauß’ Leben und Werk im Jahre 1858 durch einen umfangreichen Nachruf bzw. eine biographische Skizze aus der Feder von Aleksandr Stepanovič Savel’ev gewürdigt. Diese Schrift erschien unter dem Titel „Carl Friedrich Gauß. Eine biographische Skizze“4 im „Žurnal Ministerstva narodnago prosvěščenija“5 (Journal des Ministeriums für Volksaufklärung) und wurde auch in Form eines Sonderdruckes einem breiteren Leserkreis in Russland bekannt gemacht (Savel’ev 1858). Diese Gedenkschrift lehnte sich stark an die 1856 erschienene biographische Skizze von Wolfgang Sartorius von Waltershausen – „Gauss zum Gedächtniss“ (Sartorius von Waltershausen 1856) an, wurde jedoch um manche in Zusammenhang mit Russland stehende relevante Informationen ergänzt (Roussanova 2009b, S. 29–33).

Abb. 10. „Carl Friedrich Gauß. Eine biographische Skizze“ von Aleksandr Stepanovič Savel’ev (Savel’ev 1858) Erste Seite der Publikation im „Journal des Ministeriums für Volksaufklärung“.

4 5

Originaltitel: „Ʉɚɪɥɴ-Ɏɪɢɞɪɢɯɴ Ƚɚɭɫɫɴ. Ȼiɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤiɣ ɨɱɟɪɤɴ“. Originaltitel: „ɀɭɪɧɚɥɴ Ɇɢɧɢɫɬɟɪɫɬɜɚ ɧɚɪɨɞɧaɝɨ ɩɪɨɫɜ࣎ɳɟɧiɹ“.

162

Einführung zu Carl Friedrich Gauß und Russland Erste Seite der Publikation im „Journal des Ministeriums für Volksaufklärung“.

Wie es dazu kam, dass der 38-jährige Savel’ev den Auftrag erhielt, einen Nachruf auf Gauß zu verfassen, konnte nicht ermittelt werden. Als Physiker und als einer der Erforscher des Erdmagnetismus in Russland war er sicherlich wenigstens mit einem Gebiet von Gauß’ Schaffen bestens vertraut. Ob und wer von Gauß’ russischen Freunden Savel’ev für diese Gedenkschrift inspiriert hat, ob jemand hinter Savel’evs stand, ist nicht bekannt. Fast gleichzeitig mit dem 77-jährigen Gauß verschieden viele seiner russischen Freunde, so z.B. der Ständige Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Paul Heinrich Fuß, und der Astronom Ivan Michajlovič Simonov in Kasan; beide starben am 10./22. Januar 1855. Der Präsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Graf Sergej Semënovič Uvarov,6 der Gauß sehr zu schätzen wusste, verstarb am 4./16. September 1855 in Moskau, und am 12./24. Februar 1856 verschied auch Nikolaj Ivanovič Lobačevskij in Kasan. Die Frage muss offen bleiben, warum Gauß’ guter Freund Wilhelm Struve sowie Gauß’ Schüler und Kollege Adolph Theodor Kupffer keinen Nachruf auf ihn verfasst haben. Obwohl der umfangreichen Schrift von Savel’ev eine beträchtliche Bedeutung in der Darstellung und in der Rezeption von Gauß’ Leben und Schaffen in Russland zukommt, kann man nur bedauern, dass keiner von Gauß’ mit ihm persönlich bekannten und in Russland tätigen Freunden eine Gedenkschrift auf ihn verfasst hat. Eine weitere umfangreiche Gauß-Biographie, die sogar ein Schriftenverzeichnis enthält, erschien 1888 bzw. 1889. Sie stammte aus der Feder des bedeutenden russischen Mathematikhistorikers Viktor Viktorovič Bobynin (Bobynin 1888, 1889).

6

Uvarov war von 1833 bis 1849 Minister für Volksaufklärung. Die Gründung des „Journals des Ministeriums für Volksaufklärung“ im Jahre 1834 geht auf ihn zurück.

Zweiter Teil: Carl Friedrich Gauß und Russland: Gauß’ Briefwechsel mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern

Abb. 11. Martin Bartels Aus: Zagoskin 1902: 2, zwischen S. 424/425.

1. Martin Bartels (1769–1836) Ɇɚɪɬɢɧ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ Ȼɚɪɬɟɥɶɫ / Martin Fëdorovič Bartel’s

1.1. Martin Bartels’ Lebenslauf im Überblick * 12.8.1769 1783–1788

1788–1791 1791–1795 1795–1798 1799 1800–1804 1803 1805–1807 1805 1806 1808–1820 1814–1820 1814 1821–1833 1822, 1826, 1833 1825 1826 1833 † 7./19.12.1836

Johann Martin Christian Bartels in Braunschweig geboren Hilfslehrer an der Katharinen-Volksschule in Braunschweig; Bartels betreut dort auch den 1784 neu hinzugekommenen, acht Jahre jüngeren Gauß Studium am Collegium Carolinum in Braunschweig Studium an den Universitäten Helmstedt und Göttingen Mathematiklehrer am Seminar in Reichenau bei Chur in Graubünden Aufenthalt in Braunschweig; Promotion an der Universität Jena in absentia am 18.7.1799 Mathematiklehrer in Aarau, anfangs an der Realschule, dann an der neu gegründeten Kantonsschule Heirat mit Anna Magdalena von Saluz aus Chur Aufenthalt in Braunschweig als Stipendiat des Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel Berufung an die Universität Kasan (abgelehnt) Wahl zum Ehrenmitglied der Universität Kasan Professor für Mathematik an der Universität Kasan Dekan der Physikalisch-Mathematischen Fakultät in Kasan Unterstützung der Wahl von Gauß zum Ehrenmitglied der Universität Kasan Professor für Reine und Angewandte Mathematik an der Universität Dorpat Dekan der Philosophischen Fakultät an der Universität Dorpat Besuch von Paul Heinrich Fuß in Dorpat Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Emeritierung gestorben in Dorpat

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Carl Friedrich Gauß und Russland

1.2. Miszellen zu Leben und Werk Martin Bartels, von seinen Eltern zu einem bürgerlichen Gewerbe bestimmt, erhielt seine erste Ausbildung an der Waisenhausschule in Braunschweig, wechselte dann aber an die Katharinen-Volksschule, eine der beiden Braunschweiger Schreib- und Rechenschulen. Noch nicht vierzehn Jahre alt, konnte Bartels dort im Jahre 1783 die Stelle eines Gehilfen übernehmen, was bedeutete, „Sieben Stunden täglich in der Schule, die übrige Zeit mit Kopieren und späterhin selbst mit Ausfertigung der Vormundschafts- und Kirchenrechnungen [...] beschäftigt“ zu sein (Bartels 1833, S. III). Von 1784 bis 1788 erhielt auch Carl Friedrich Gauß an dieser Schule seine erste Ausbildung. Bartels schrieb rückblickend: „In dieser Schule hat auch späterhin unser große Geometer G a u ß seine erste Bildung erhalten“ (ebenda). Dank seinem Fleiß und seiner Begabung eröffnete sich für Bartels 1788 die Möglichkeit, seine Studien am Collegium Carolinum in Braunschweig fortzusetzen, wo er vor allem Eberhard August Wilhelm von Zimmermann seine mathematische Ausbildung verdankte. Bartels erinnerte sich später: „Der mathematische Unterricht, welcher auf dem Carolino von dem damaligen Hof[rath] v. Z i m m e r m a n n [...] ertheilt wurde, [...] beschränkte sich auf Algebra, Geometrie und Trigonometrie“ (ebenda, S. V). Nach drei Jahren wechselte Bartels an die Universität Helmstedt, wo er sich am 23. Oktober 1791 für ein juristisches Studium immatrikulierte. Hier hörte er insbesondere Vorlesungen bei Johann Friedrich Pfaff. Auf Pfaffs Rat hin immatrikulierte sich Bartels am 25. Oktober 1793 an der Universität Göttingen. Damals wirkten dort, was für Bartels von besonderer Bedeutung war, der Physiker Georg Christoph Lichtenberg und der Mathematiker Abraham Gotthelf Kästner. In Göttingen gab es damals nur wenige Mathematikstudenten. Zu Bartels’ Kommilitonen gehörten Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger und der Schweizer Ferdinand Rudolph Hassler, die beide später berühmte Wissenschaftler werden sollten. Im Jahre 1795 übernahm Bartels eine Lehrerstelle am Seminar in Reichenau in Graubünden, eine Stelle, die er bis 1799 innehatte. Während eines kurzen Aufenthaltes in seiner Heimatstadt Braunschweig wurde Bartels dank der Vermittlung von Konrad Stahl in Jena in absentia promoviert. Stahl stammte aus Braunschweig; von 1795 bis 1802 wirkte er an der Universität Jena, seit 1799 als Außerordentlicher Professor für Mathematik und Physik. Bartels’ ungedruckt gebliebene Dissertation war dem Thema „Elementa calculi variationum“ gewidmet. Bereits 1800 übernahm Bartels eine Stelle an der Kantonsschule in Aarau. Ihm gefiel seine Stellung in Aarau zunehmend weniger, und so suchte er nach einer neuen Beschäftigung.

1. Martin Bartels (1769–1836)

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Zur Debatte stand unter anderem die Möglichkeit, am Akademischen Gymnasium in Hamburg1 eine Stelle als Mathematiklehrer zu bekommen, weil der dort tätige Peter Heinrich Christoph Brodhagen, Nachfolger von Johann Georg Büsch als Professor für Mathematik, seit 1803 zunehmend kränkelte (Briefwechsel Gauß–Pfaff 2008, S. 143–144). Diese Pläne gingen jedoch nicht in Erfüllung. Schließlich bewirkte eine Einladung des Braunschweigischen Landesfürsten, Herzog Carl Wilhelm Ferdinand, dass Bartels im Jahre 1805 nach Braunschweig zurückkehrte, wo ihn der Herzog finanziell großzügig unterstützte. Gleichzeitig erhielt Bartels einen ersten Ruf an die neugegründete Universität Kasan, den er aber ablehnte.2 Jedoch auf Grund des ausgezeichneten Urteils des Kurators der Universität Kasan über Bartels wurde dieser am 28. April/10. Mai 1806 zum Ehrenmitglied der Universität Kasan gewählt. Hiermit wurde Bartels das erste Auswärtige Ehrenmitglied dieser Neugründung (Zagoskin 1904a, S. 258). Die Pläne des Herzogs waren darauf gerichtet, in Braunschweig für Gauß eine Sternwarte einzurichten und Bartels die Leitung einer höheren mathematischen Lehranstalt zu übertragen. Dazu kam es aber nicht mehr, da der Herzog in der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 tödlich verwundet wurde und am 10. November 1806 im Exil im damals dänischen Ottensen bei Altona verstarb.

1.2.1. Kasan: 1808–1820 Nachdem sich nunmehr in der Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen mit Frankreich die Hoffnung auf eine Karriere in Braunschweig als irreal erwiesen hatte, bemühte sich Bartels seinerseits um eine Professur in Kasan. Eberhard August Wilhelm von Zimmermann riet im November 1806 aus seinem Exil im dänischen Altona Bartels und Gauß, „Verbindungen im Norden wieder anzuknüpfen“. Zimmermann glaubte, dass dort sowohl für Bartels als auch für Gauß die sicherste Aussicht auf eine Stelle bestehe (Briefwechsel Gauß– Zimmermann 1987, S. 40). Gleichzeitig schrieb Gauß an seinen väterlichen Freund Wilhelm Olbers in Bremen: „Prof[essor] Bartels hat gesucht, seine frühern Relationen wegen Kasan wieder anzuknüpfen. Allein die Kommuni1

2

Das Akademische Gymnasium in Hamburg (gegr. 1613) war in demselben Gebäude wie das Johanneum untergebracht. Das Johanneum bzw. die Gelehrtenschule des Johanneums war 1529 als humanistische Lateinschule gegründet worden. Brodhagen war seit 1800 am Akademischen Gymnasium als Professor für Mathematik tätig. Die Berufung war auf Grund einer Empfehlung von Nikolaus Fuß zustandegekommen (Bartels 1833, S. VIII; ebenso in: Bartels 1837a). Die Gründe für die Ablehnung des Rufes schilderte Bartels in einem Brief an Nikolaus Fuß vom 10.9.1805 (Universitätsbibliothek Leipzig, Teilnachlass Stieda). Die Edition des Briefwechsels Bartels–Fuß ist in Vorbereitung.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

kationen mit R[ussland] werden nun wohl eine Zeitlang ganz versperrt bleiben“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 313–314). Bartels hatte jedoch mit seinen Bemühungen Erfolg, und im Jahre 1807 nahm er den Ruf an die östlichste europäische Universität an. Im Oktober desselben Jahres reiste Bartels mit seiner Familie nach Kasan, wobei er noch in Helmstedt Johann Friedrich Pfaff einen Besuch abstattete. Pfaff berichtete am 17. November 1807 in einem Brief an Gauß: „Bartels hat bey seiner Durchreise mich hier besucht und wir haben einen vergnügten Abend zusammen zugebracht. Er geht mit gutem Muth seiner neuen Bestimmung entgegen, und wird vermuthlich den Winter in Petersburg zubringen“ (Briefwechsel Gauß– Pfaff 2008, S. 156). Am 6. Dezember 1807 berichtete Gauß Bessel: Bartels „ist am 19. October von Braunschweig nach Kasan abgereist, und wie ich soeben erfahre, wenigstens glücklich bis Memel gekommen. Sein College Dr. Renner ist noch hier“ (Briefwechsel Gauß–Bessel 1880, S. 62). Ausführlich berichtete Bartels einem Schweizer Freunde über die abenteuerliche Reise nach Kasan (Biermann 1974) und veröffentlichte im „Intelligenzblatt der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung“ vom 20. Juli 1808 einen Bericht über die Zustände an der dortigen Universität, über deren Ausstattung sowie über seine dortigen Kollegen (Bartels 1808). Bei Bartels’ Ankunft in Kasan im Februar 1808 waren von den vorgesehenen 28 ordentlichen Professuren nur acht Stellen besetzt und von 12 vorgesehenen Adjunktenstellen nur drei. Die im Jahre 1804 gegründete Universität Kasan war also erst noch im Aufbau begriffen. Die Professoren genossen einige Privilegien, nämlich freie Wohnung sowie freie Uniform. Das Gehalt betrug 2.000 Rubel, wovon zwanzig für die Krankenversicherung abgezogen wurden; die Adjunkten bekamen 800 Rubel. Was den Unterricht betrifft, so berichtete Bartels: „Jeder Lehrer der Universität hält wöchentlich sechs Stunden Vorlesungen, jedesmal zwey Stunden nach einander, in einem zur Universität gehörigen Gebäude. Die Vorträge werden nach den Sprachfähigkeiten der Zuhörer theils in lateinischer, theils in französischer oder deutscher Sprache, oft in allen dreyen zu gleicher Zeit gehalten, da es sich trifft, daß ein Theil der Zuhörer des Französischen, ein anderer des Deutschen kundig oder kundiger ist, und diese Sprachen vom Lehrer zu Hülfe genommen werden müssen, um sich den jungen Leuten, die im Lateinischen meistens nicht allzu bewandert sind, verständlich zu machen. [...] Die Lehrer aus dem Inlande halten natürlich ihre Vorträge in russischer Sprache“ (ebenda, Sp. 394). Was die Studenten anbelangt, so wusste Bartels nur Positives zu berichten: „Zu meiner großen Freude fand ich ungeachtet der damals noch kleinen Zahl der Studierenden ungemein viel Sinn für das Studium der mathematischen Wissenschaften, so daß ich in meinen Vorlesungen über höhere Analysis auf wenigstens zwanzig Zuhörer rechnen durfte und sich allmählig eine kleine mathematische Schule bildete, aus welcher eine Menge geschickter mathematischer Lehrer für die Gymnasien und Universitäten Rußlands [...] hervorgegangen sind“ (Bartels 1833, S. IX; ebenso in Bartels 1837a).

1. Martin Bartels (1769–1836)

Abb. 12. Gutachten von Bartels vom 10./22. Juli 1812 (Abschrift) Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 92, op. 1, ʋ 511, l. 3.

169

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Carl Friedrich Gauß und Russland

In der Tat gehörten zu Bartels’ Studenten Ivan Simonov und Nikolaj Lobačevskij, die beide später maßgeblich zum Glanz der Universität Kasan beitragen sollten. So verfasste Bartels im Jahre 1812 folgendes Gutachten in lateinischer Sprache (Abb. 12). Der lateinische Originaltext sowie die russische Übersetzung wurden mehrmals veröffentlicht (Engel 1899, S. 358–359; Modzalevskij 1948, S. 54–55; Vasil’ev 1992, S. 34–35); hier wird der Text in deutscher Übersetzung wiedergegeben:3 „An den Hochgeehrten Rat der Universität von Kasan Prof[essor] Bartels Jeder von Euch, hochberühmte und hochgeehrte Männer, weiß, dass ich am Anfang dieses vergangenen akademischen Lehrgangs das Amt übernommen habe, die Herrn Magister Lobatschewski und Simonov in den mathematischen Wissenschaften weiter auszubilden und darüber bisweilen Euch zu berichten. Diesen Bericht gebe ich nunmehr um so lieber, je erfolgreicher der Ausgang meiner Bemühung war. An meinen privaten Vorlesungen, in denen ich den größten Teil des ersten und einen gewissen des 2. Bandes jenes hervorragenden Werkes erklärt habe, dessen Autor der hochberühmte Laplace ist, haben die Herren Magister nicht allein mit einzigartiger Sorgfalt teilgenommen, sondern haben auch sehr gut jede beliebige Gelegenheit, einen Fortschritt zu machen, genutzt. Die Ausarbeitungen, die diesem meinem Bericht beigefügt sind und sich auf die Himmelsmechanik beziehen, werden zum Beweis für meine Aussage dienen. Aus dem Probestück des Herrn Simonov, das er zwar unter nützlicher Verwendung meiner vorherigen Unterrichtung über dieses Thema, gleichwohl mit eigener Kraft verfasst hat, auch wenn ich das mir erst heute übergebene nur mit flüchtigem Auge habe durchlaufen können, wird, wie ich hoffe, deutlich, dass dieser in der höheren Analysis und Mechanik als tüchtig anerkannt werden kann, was um so lobenswerter ist, als er sich ausgezeichnete Mühe um die praktische Astronomie unter Leitung des verehrten Herrn Kollegen Joseph Johann von Littrow gibt. Aber wenn auch Herr Simonov in den mathematischen Dingen wohl erfahren ist, so wird er dennoch von Herrn Lobatschewski, zumal in den scharfsinnigeren Teilen, überragt, denn aus dessen Kommentar, den er ohne jede Hilfe ausgearbeitet hat, wenn man das Werk des berühmten Laplace ausnimmt, wird einsichtig, dass dieser die in jenem [Kommentar] behandelten Themen nicht nur durchdrungen, sondern auch mit ihm eigenen Ideen auszuschmücken verstanden gewusst hat. An vielen Stellen dieses kurzen Kommentars werden Anzeichen, die darzulegen nicht Aufgabe dieses Ortes zu sein scheint, für eine äußerst herausragende mathematische Begabung gefunden, die unbedingt irgendwann einen berühmten Namen wird erreichen können.

3

Herrn Eberhard Knobloch sei für die Übersetzung sehr herzlich gedankt.

1. Martin Bartels (1769–1836)

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Ich bitte den hochgeehrten Rat, dafür zu sorgen, sowohl diesen meinen Bericht als auch die beiden Kommentare dem überaus herausragenden Mann, dem Herrn Kurator,4 zu übermitteln. Ich schrieb in Kasan am 10. Juli 1812 Martin Bartels, öffentlich-ordentlicher Professor5 der Mathematik.“6

Das Verhältnis Bartels – Lobačevskij ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil Lobačevskij einer der Schöpfer der nichteuklidischen Geometrie werden sollte. Und diese wiederum war auch Gauß’ Thema, und zwar schon in ganz jungen Jahren. Doch wie neuere Forschungen gezeigt haben, hatte Bartels von Gauß keine Kenntnisse über die nichteuklidische Geometrie übermittelt bekommen, das heißt, Lobačevskij ist ganz selbständig zu seinen Ergebnissen gelangt, ohne indirekt über Bartels von Gauß beeinflusst worden zu sein (Depman 1950; Biermann 1978). Im Jahre 1814 wurde Gauß zum Ehrenmitglied der Universität Kasan gewählt. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass Martin Bartels, der damals der erste Dekan der Physikalisch-Mathematischen Abteilung war, die Wahl angeregt und unterstützt hatte.7 Nachdem Bartels 1820 Kasan verlassen hatte, blieb er dennoch mit seinem ehemaligen Schüler Ivan Simonov in brieflichem Kontakt – das beweist der Briefwechsel, der noch heute in Kasan vorhanden ist.8 Ob Bartels auch mit Lobačevskij in Briefwechsel stand, ist nicht bekannt, da von Lobačevskijs brieflichem Nachlass nur Bruchstücke erhalten geblieben sind.

1.2.2. Dorpat: 1821–1836 Am 28. Februar 1818 starb in Dorpat der Professor für Reine und Angewandte Mathematik Johann Sigismund Gottfried Huth, der dort auch noch die Astronomie vertreten hatte. Die Wiederbesetzung der Stelle gestaltete sich ziemlich schwierig, worüber man aus dem Briefwechsel zwischen Gauß und Wilhelm Struve viele Details erfährt. Wilhelm Struve, der in Dorpat studiert hatte und dort seit 1813 Außerordentlicher Professor für Astronomie war, wandte sich am 4./16. August 1818 mit der Bitte an Gauß, einen Nachfolger für Huth zu empfehlen. Gauß emp4 5 6 7 8

Der damalige Kurator der Universität Kasan, Stepan Jakovlevič Rumovskij, verstarb am 12./24.7.1812 in St. Petersburg. Im lateinischen Original: p. o. professor = publicus ordinarius professor. Abschrift des lateinischen Originals in: Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 92, op. 1, ʋ 511, l. 3. Das Protokoll in: Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. Sovet, ʋ 117, l. 86–87. Die Wahl fand am 21.10.1814 statt (vgl. Zagoskin 1902: 1, S. 494). Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 4507.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

fahl Joseph Johann Littrow, der aber bereits zu Charkow und zu Wien Beziehungen geknüpft hatte. Auch Heinrich Wilhelm Brandes und Johannes Friedrich Posselt wurden für Dorpat in Erwägung gezogen, aber beide sagten ab (Briefwechsel Gauß–Struve, Briefe Nr. 2, 3, 4, 6). Gauß brachte daraufhin August Ferdinand Möbius und Karl Heribert Buzengeiger ins Gespräch, ja sogar Christian von Staudt wurde als möglicher Kandidat erwähnt; Gauß hielt ihn aber für noch zu jung für eine solche Stelle (ebenda, Brief Nr. 7). Der wiederholte, durch Struve übermittelte Wunsch der Universität Dorpat war, die Stelle in Dorpat mit einem „brauchbaren Mann“ bzw. einem „kräftigen jüngeren Mathematiker“ aus Gauß’ „vortrefflicher Schule“ zu besetzen (ebenda, Briefe Nr. 4 und 6). Schließlich erhielt Bartels im August 1820 den Ruf nach Dorpat, den er auch annahm. Am 30. März/11. April 1821 bedankte er sich brieflich bei dem Ständigen Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Nikolaus Fuß, für dessen Unterstützung (Stieda 1926, S. 110). Bartels ließ Fuß auch wissen, dass er ein Angebot des Collegium Carolinum, in seine Heimatstadt Braunschweig zurückzukehren, ausgeschlagen hatte. Bei dieser Gelegenheit schrieb Bartels über seine ersten Eindrücke in Dorpat: „Ich habe alle Ursache mit meiner gegenwärtigen Lage ungemein zufrieden zu sein. Meine kollegialischen Verhältnisse sowohl als auch meine Verhältnisse zu meinen Zuhörern sind so, dass ich sie mir nicht besser wünschen kann“ (ebenda, S. 110). Jedoch schon kurze Zeit später, am 14./26. April 1821, ließ Bartels Gauß wissen: „nicht leicht werde ich irgendwo so viel Sinn fürs mathematische Studium finden als ich in Kasan vorfand“ (Brief Nr. 4). Bartels wirkte an der Universität Dorpat ausschließlich als Mathematiker, was dort neu war. 1820 nämlich hatte man die Astronomie und die Mathematik getrennt. Die gesamte Astronomie einschließlich der Sternwarte wurde Wilhelm Struve übertragen. Die Beziehungen zwischen Bartels und Struve wurden später intensiviert, als Struve am 25. Februar 1835 Bartels’ Tochter Johanna Francisca heiratete und damit Bartels’ Schwiegersohn wurde. Im Sommer 1825 kam Paul Heinrich Fuß zu Besuch nach Dorpat. Kurz darauf, im Jahre 1826, wurde Fuß Ständiger Sekretär der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. 1.2.2.1. Forschung und Lehre In Dorpat angekommen, musste Bartels feststellen, dass die dortigen Studenten etwas weniger motiviert waren als diejenigen in Kasan: „Obwohl ich hier ungeachtet der bereits größern Menge der Studierenden als in Kasan, weit weniger Liebhaber für das mathematische Studium vorfand, und ich meine Vorträge größtentheils auf Elementar-Mathematik beschränken mußte, so hat doch allmählig der Sinn für diese Wissenschaft auch hier zugenommen“ (Bartels 1833, S. X; ebenso in Bartels 1837a). Aber auch in Dorpat waren „mehrere geschickte junge Mathematiker gebildet worden, die theils in den hiesigen

1. Martin Bartels (1769–1836)

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Ostseeprovinzen und in dem übrigen Rußland als Lehrer angestellt sind, theils an den Arbeiten auf der hiesigen Sternwarte und an den über die entferntesten Gegenden Rußlands sich erstreckenden geographischen Ortsbestimmungen Theil nehmen“ (ebenda). Im Jahre 1825 übermittelte Bartels der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg drei Manuskripte von wissenschaftlichen Abhandlungen in französischer Sprache. Dies hatte zur Folge, dass er in die Akademie aufgenommen wurde (Lumiste 1997, S. 54). Die Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie fand am 26. April/8. Mai 1826 statt. Das Amt des Ständigen Sekretärs hatte zu dieser Zeit Paul Heinrich Fuß inne. Ferner plante Bartels, seine Vorlesungen zu einem größeren Werk auszuarbeiten, nämlich zu einem dreibändigen „Cursus der mathematischen Analysis mit Anwendung auf Geometrie, Mechanik und Wahrscheinlichkeitslehre“, der ungefähr all das enthalten sollte, was er seit 25 Jahren an den Universitäten Kasan und Dorpat über diese Gegenstände gelehrt hatte (Bartels 1833, S. X; ebenso in Bartels 1837a). Schließlich erschien im Jahre 1833 in Dorpat ein erster Band mit dem Titel „Vorlesungen über mathematische Analysis mit Anwendungen auf Geometrie, Mechanik und Wahrscheinlichkeitslehre“ in kleiner Auflage (Bartels 1833). Carl Heinrich Kupffer ist eine in Reval erschienene Besprechung dieses Werkes zu verdanken, die in russischer Sprache verfasst war. Diese Besprechung erschien im dritten und im vierten Heft des ersten Jahrgangs des Journals für Mathematik und Unterricht: „Učebnyj matematičeskij žurnal“.9 Kupffer betont hier, dass dieses Werk von Bartels durch besondere Klarheit und Eleganz ausgezeichnet sei und er es dem Publikum mit besonderem Vergnügen vorstellen werde. Im ersten Teil der Besprechung stellt er das Inhaltsverzeichnis in russischer Übersetzung vor (Heft 3, S. 236–238), im zweiten Teil gibt er einige Kapitel in Kurzfassung wieder (Heft 4, S. 297–303). Bartels’ Werk wurde erst bekannter, als es 1837 unter dem Titel „Vorlesungen über mathematische Analysis“ posthum von Bartels’ Schwiegersohn Wilhelm Struve herausgegeben wurde. Ein Verzeichnis der Werke von Bartels findet sich in der historisch-biographischen Skizze über die Astronomen der Universität Dorpat (Levickij 1899, S. 163–167).10 Zu Bartels’ bedeutendsten Schülern in Dorpat gehörten Karl Julius Senff und Karl Eduard Senff, deren Arbeiten viel Lob und Anerkennung erfuhren und sogar durch Preise ausgezeichnet wurden. Es ist anzunehmen, dass einige von ihren Ergebnissen eigentlich von Bartels stammen, insbesondere gilt dies für Karl Eduard Senffs Ergebnisse in der Differentialgeometrie, die dieser unter dem Titel „Theoria principalia e theoria curvarum et superficierum“ 1831 in Dorpat veröffentlichte (Senff 1831). Diese Arbeit wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Ein Exemplar dieser Schrift befindet sich auch in der 9 Originaltitel: „ɍɱɟɛɧɵɣ ɦɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤiɣ ɠɭɪɧɚɥɴ“. 10 Siehe auch: http://dspace.utlib.ee/dspace/bitstream/10062/4778/1/bartels.pdf (Stand 1.2.2011).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Gauß-Bibliothek (GB 114), und zwar ist es mit einer eigenhändigen Widmung des Verfassers versehen: „Herrn Hofrath und Ritter Professor Gauß in Göttingen“. Leider ist keine Reaktion von Gauß bekannt. Karl Eduard Senff, das heißt wohl eigentlich Bartels, nahm in seiner Arbeit die später so genannten Frenetschen Formeln vorweg, diese sollten deshalb besser als BartelsFrenetsche Formeln bezeichnet werden (Lumiste 1997, S. 55–60). Auch die Russen Pëtr Kotel’nikov und Vasilij Lapšin gehörten zu Bartels’ Schülern in Dorpat: Kotel’nikov wurde 1835 Professor in Kasan, und Lapšin wurde, ebenfalls 1835, Dozent in Charkow (ebenda, S. 56). Nicht zu Unrecht betont Ülo Lumiste, dass Bartels in Dorpat ein Zentrum für Differentialgeometrie gegründet habe, das nach ihm durch Karl Eduard Senff sowie Ernst Ferdinand Adolph Minding und dessen Schüler Karl Peterson fortgeführt worden sei (ebenda, S. 62). Die Ergebnisse dieser Schule waren beeindruckend, hat doch Peterson in seiner 1853 abgeschlossenen Dissertation die so genannten Mainardi-Codazzischen Gleichungen vorweggenommen. Peterson wiederum begründete die Moskauer Schule für Differentialgeometrie (Depman 1952; Peterson 1952). 1.2.2.2. Ämter und Tod Bartels bekleidete in Dorpat mehrfach das Amt des Dekans der Philosophischen Fakultät. Nach 25-jähriger Tätigkeit als Professor wurde er 1833 emeritiert. Gleichzeitig wurde er für seine „fortwährende ausgezeichnete Thätigkeit des Präsentirten [sic], so wohl in wissenschaftlicher, als administrativer Hinsicht“ vom Conseil der Universität Dorpat als Ehrenprofessor vorgeschlagen (Zagoskin 1904a, S. 260). Als Bartels am 7./19. Dezember 1836 verstorben war, schrieb Wilhelm Struve am 25. Juli 1837 an Gauß: „Im December des vorigen Jahres starb hier im 67sten Jahre Ihr vieljähriger Freund, der Staatsrath Professor Bartels, mein sehr verehrter und geliebter College und Schwiegervater. Gattin und Tochter trauern um ihn und in der Ferne ein Sohn,11 der als Arzt sich in Poti am schwarzen Meere aufhält. Ihrer gedachte der Verstorbene sehr häufig mit Liebe und Verehrung. Von seinen mathematischen Vorlesungen ist außer dem ersten Bande, den er Ihnen zugesandt,12 nur eine Abhandlung gedruckt worden. Im Manuscript ist nichts vorhanden. Bisher ist das Werk nicht in den Buchhandel gekommen, indess werde ich jetzt dafür Sorge tragen“ (Briefwechsel Gauß– Struve, Brief Nr. 15). Die Dorpater Zeitschrift „Das Inland. Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland“ sorgte schließlich am 15. Dezember 1837 für einen würdigen Nachruf (Bartels 1837b). Bartels’ Nachfolger an der Universität Dorpat wurde sein früherer Schüler Karl Eduard Senff, der 1837 zum Extraordinarius und 1839 zum Ordentlichen Professor berufen wurde (Levickij 1899, S. 167–170, 467). 11 Eduard Bartels. 12 Dieser Band befindet sich nicht oder nicht mehr in der Gauß-Bibliothek.

1. Martin Bartels (1769–1836)

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Der Mathematikhistoriker Kurt Vogel sieht Bartels’ Bedeutung sowohl in der Rolle, die dieser im Leben von Gauß spielte, als auch in seinen methodisch klaren und durch eine damals noch seltene Strenge ausgezeichneten Veröffentlichungen sowie in seiner Tätigkeit als Lehrer vieler russischer Mathematiker, insbesondere an den Universitäten in Kasan und Dorpat (NDB: 1, S. 598).

1.3. Bartels und Gauß 1.3.1. Zum Verhältnis zwischen Bartels und Gauß Bartels und der um acht Jahre jüngere Gauß lernten sich bereits 1784 in der Volksschule in Braunschweig kennen. Details über den gemeinsamen Schulalltag sind aber nicht bekannt. Auch kann bislang nicht belegt werden, dass es wirklich Bartels gewesen ist, der Gauß den Weg ins Gymnasium geebnet hat (Dick 1993, S. 62). Auf Grund der Altersdifferenz ergab sich kein weiteres gemeinsames schulisches Beisammensein: Bartels besuchte das Collegium Carolinum von 1788 bis 1791, Gauß von 1792 bis 1795, Bartels studierte an der Universität Göttingen von 1793 bis 1795, Gauß von 1795 bis 1798. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass sich Bartels und Gauß stets freundschaftlich verbunden gefühlt haben.

1.3.2. Die Briefe und ihr Inhalt Es sind lediglich die von Bartels an Gauß gerichteten Briefe erhalten. Aus diesen geht aber hervor, dass es auch Briefe von Gauß an Bartels gegeben hat. Insgesamt sind aus der Zeit von 1799 bis 1823 fünf Briefe bekannt. Sie sind bereits 1973 durch Kurt-R. Biermann veröffentlicht worden (Biermann 1973b). Gauß ließ Bartels offensichtlich seine Dissertation über den Fundamentalsatz der Algebra (Gauß 1799) zukommen, denn in seinem ersten Brief vom September 1799 bedankte sich Bartels für die Zusendung. Bartels sorgte auch dafür, dass der Bremer Arzt und Astronom Wilhelm Olbers ein für ihn bestimmtes Exemplar bekam. Damals waren Olbers und Gauß noch nicht persönlich miteinander bekannt. Den zweiten erhaltenen Brief schrieb Bartels im Sommer 1804 während seines zweiten Aufenthaltes in der Schweiz. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass Bartels in Kontakt mit Eberhard August Wilhelm Zimmermann, Johann Friedrich Pfaff und Georg Simon Klügel stand. Auch äußerte Bartels den Wunsch, nach Braunschweig zurückzukehren. Wahrscheinlich war es ja Gauß gewesen, der Bartels hierfür den Weg geebnet hatte; denn bereits 1805 bekam Bartels die Möglichkeit, in Braunschweig zu wirken. Finanziell von Herzog Carl Wilhelm Ferdinand abgesichert, erhielt er das Angebot, in Braunschweig

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eine mathematische Schule aufzubauen, während für Gauß eine vorzügliche Sternwarte gebaut werden sollte. Die beiden hegten also Pläne, gemeinsam in Braunschweig die Wissenschaften voranzubringen. Einen deutlicheren Hinweis auf die Verbundenheit, die Bartels und Gauß füreinander empfanden, kann es eigentlich kaum geben. Leider gelang es nicht mehr, die Pläne in die Tat umzusetzen, da der Herzog am 10. November 1806 seiner in der Schlacht bei Jena und Auerstedt erlittenen schweren Schussverletzung erlag und das Herzogtum Braunschweig in dem napoleonischen Königreich Westphalen aufging. So nahm Bartels nunmehr die Möglichkeit wahr, in Kasan eine Professur für Mathematik zu bekleiden, und Gauß wechselte ein Jahr später nach Göttingen. Kurze Zeit, nachdem Bartels in Kasan angekommen war, meldete er sich im Sommer 1808 wieder bei Gauß. Vor allem ließ er ihn wissen, dass Nikolaus Fuß, mit dem er sich in St. Petersburg getroffen hatte, sehr betrübt darüber sei, dass Gauß nicht nach St. Petersburg kommen werde. Auf Bitten von Gauß, der nach dem Tod des Herzogs um seine wissenschaftliche Zukunft besorgt war, hatte sich Fuß darum bemüht, für Gauß einen Ruf an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zu erwirken. Durch die Behinderung der Postzustellung wurden diese Pläne letztlich zerschlagen. Bartels jedoch bemerkte in seinem Brief an Gauß: „Ob Sie sich in den Verhältnissen in St. P[etersburg] besser gefallen würden als in Göttingen, wage ich nicht zu entscheiden“ (Brief Nr. 3). Schon nach wenigen Monaten seiner Tätigkeit in Kasan berichtete Bartels nach Braunschweig: „Die meisten meiner Zuhörer sind in der Mathem[atik] sehr gut vorbereitet. Zwei derselben studiren ihre Disquisit[iones arithmeticas]“ (ebenda). Gauß wird sich sicher gefreut haben, zu hören, dass auch in Kasan seine „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) studiert wurden. Bartels hat übrigens in seinen „Vorlesungen über mathematische Analysis“ die Hintergründe für die Möglichkeit der Konstruktion des regelmäßigen Siebzehnecks erläutert (Bartels 1833, S. XXI–XXIII; ebenso in Bartels 1837a). Erst nach einer mehr als zehn Jahre währenden Pause schrieb Bartels im Frühjahr 1821 wieder an Gauß. Seine letzten Briefe kamen aus Dorpat. Er ließ Gauß sein Werk „Disquisitiones quatuor ad theoriam functionum analyticarum pertinentes“ (Bartels 1822) zukommen, das heute das einzige Werk von Bartels ist, das sich in der Gauß-Bibliothek befindet, und zwar unter der Nr. 1090. Das Werk ist mit folgender Widmung versehen: „Seinem verehrten Freunde Herrn Prof[essor] und Ritter Hofrath Gauß in Göttingen zum freundschaftlichen Andenken der Verfasser den 12./24. Nov[ember] 1822. Dorpat“ (Abb. 13). In seinem letzten vorhandenen Brief beteuerte Bartels, dass er, wenn nur die Bedingungen stimmen sollten, gerne nach Braunschweig zurückkehren würde. Offensichtlich hatte ihm Gauß von einer möglichen Vakanz am Collegium Carolinum berichtet.

1. Martin Bartels (1769–1836)

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Bartels’ Briefe enthalten genaue Beschreibungen der Lebensumstände und der Verhältnisse in Kasan und in Dorpat. Auch berichtete Bartels über seine glückliche Ehe, seine Kinder und seine Sorgen, so im Falle der Kinder des Professors Johann Christoph Fincke, deren Vormund er war.

Abb. 13. Titelblatt der „Disquisitiones quatuor ad theoriam functionum analyticarum pertinentes“ (Bartels 1822) und die Widmung des Verfassers an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 1090.

Am Rande sei noch erwähnt, dass Gauß nach Bartels’ Tod die Möglichkeit nutzte, die ihm die Reise Heinrich Christian Schumachers nach St. Petersburg und nach Pulkowo eröffnete: Er bestellte Grüße an die Witwe13 seines Jugendfreundes. Gauß schrieb Schumacher am 22. August 1840 aus Göttingen: „Sollte die Mutter von Struves jetziger Frau14 noch am Leben sein und Sie sie sehen, so grüßen Sie sie freundlich von mir. Sie ist eine Schweizerin, die Witwe meines unvergeßlichen Freundes Bartels, dem ich so viel verdanke und sie lebte vor ihrer Abreise nach Rußland einige Jahre in Braunschweig (1806/1807). Die Tochter ist meines Wissens in Kasan geboren“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1969, S. 111). Nach seinem Aufenthalt in Russland meldete Schumacher Gauß in einem Brief vom 7. Oktober 1840: „Bartels Wittwe lebt bei Struve im Hause. Ich habe Ihren Gruß bestellt. Mir gefällt sie nicht besonders, sie hat etwas Zänkisches und Gemeines in ihrem Gesichte. Daß sie es wirklich sei, kann ich nicht 13 Anna Magdalena Bartels, geb. von Saluz aus Chur. 14 Johanna Francisca Struve, geb. Bartels, zweite Ehefrau von Wilhelm Struve.

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aus Erfahrung behaupten. Sie war fast immer still und sprach fast kein Wort“ (Briefwechsel Gauß-Schumacher 1969, S. 111). In seinem Antwortbrief vom 9. Oktober 1840 ließ Gauß Schumacher seine Meinung wissen: „Struves Schwiegermutter war mir nur als Witwe meines alten Freundes noch im werthen Andenken. Ich habe sie (1806–1807) nur als eine unbedeutende, aber wie mir schien, gutmüthige Frau gekannt und es mag wohl sein, daß sie in der langen Zeit Säure angesetzt hat, wie bei ältlichen Frauen wohl vorkommt. Sie ging damals sehr ungern nach Rußland (auf Casan)“ (ebenda, S. 111). Der Herausgeber des Gauß–Schumacher–Briefwechsels, Christian August Friedrich Peters, der lange Zeit als Assistent an der Sternwarte in Pulkowo tätig gewesen war, vermerkte unter dem Brief von Schumacher: „Der Herausgeber dieser Briefe, der die Wittwe Bartels genauer kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hat, kann sich nicht versagen, hier zu bemerken, daß es eine Dame von edelstem Charakter war. Es ist unbegreiflich, wie Schumacher sie hat für zänkisch halten können“ (ebenda, S. 111).

1.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3 4 5

Datum 22.9.1799 10.6.1804 6./18.7.1808 14./26.4.1821 11./23.3.1823

Ort

Verfasser/Empfänger

Bremen Aarau Kasan Dorpat Dorpat

Bartels an Gauß Bartels an Gauß Bartels an Gauß Bartels an Gauß Bartels an Gauß

Brief 1. Bartels an Gauß, 22. September 1799 (Bremen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Bartels, 1 (1 S.) Publikation: Biermann 1973b, S. 9–10.

[Eigenhändige Anmerkung von Gauß] Martin Bartels geboren in Braunschweig 1769 August 12 starb in Dorpat 1836 Decemb[er] 19 Bremen d[en] 22. Sept[ember] 1799. Sie haben mir, theuerster Freund, durch Ihre übersandte Disputation15 ein sehr angenehmes Geschenk gemacht. Ich sage Ihnen meinen herzlichen Dank dafür. Meine Arbeiten haben mir dieser Tage noch nicht erlaubt diese Schrift, so wie sie es verdient, sorgfältig durch zu studiren, und ich habe mich damit begnügen müs15 „Demonstratio nova theorematis omnem functionem algebraicam rationalem integram unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse“ (Gauß 1799).

1. Martin Bartels (1769–1836)

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sen, sie vorerst nur flüchtig durch zu laufen. Allein auch diese flüchtige Durchsicht war hin länglich mich in der schon längst gehabten Überzeugung zu bestärken, daß durch Ihre Arbeiten das Feld der Mathematik nicht nur sehr wird erweitert werden, sondern auch das schon Bearbeitete die ihm fehlende Gründlichkeit erlangen wird. Dem Dr. Olbers habe [ich] das für ihn bestimmte Exemplar zugestellt. Er lässt Ihnen seinen verbindlichsten Dank sagen und sich Ihrer Freundschaft empfehlen. Es thut mir sehr leid, daß Sie die erwünschte Antwort von Zach noch nicht erhalten haben. Leben Sie recht wohl und vergnügt und lassen Sie mich Ihrem gütigen Andenken empfohlen sein. Der Ihrige Bartels. P.S. Sollten Sie mir mal wieder das Vergnügen machen zu schreiben so haben Sie doch die Güte die in Ihrer Abhandlung p. 12 in der Anmerk[ung] vorkommenden Seitenzahlen 441–474 &c. von Eul[ers] Inst[itutiones] Calc[uli] Diff[erentialis]16 Cap. VI. in die §. Zahl zu verwandeln, weil ich nicht das Original sondern nur die Übersetzung besitze.

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschlag]

Brief 2. Bartels an Gauß, 10. Juni 1804 (Aarau) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Bartels, 2 (3 S.) Publikation: Biermann 1973b, S. 10–11.

Aarau d[en] 10 Jun[i] 1804. Theuerster Freund, Mit Vergnügen bediene ich mich dieser Gelegenheit mich bei Ihnen ins Andenken zurückzurufen. Wenn ich Ihnen während der langen Zeit meines hiesigen Aufenthaltes nicht schrieb, so dachte ich nichts destoweniger sehr oft an Sie und vernahm immer mit der innigsten Freude alle Sie betreffenden Nachrichten. Auch Sie haben, wie ich mir schmeichle, sich zuweilen meiner erinnert und werden es nicht ungern sehen durch mich selbst etwas von mir zu erfahren. Während meines Hierseins habe ich manches angenehme und unangenehme erfahren. Im ganzen habe ich mich in meinen Erwartungen, so gemäßigt sie auch waren getäuscht. Der beständige Wechsel der Dinge in der Schweiz vereitelt oft 16 „Institutiones calculi differentialis cum eius usu in analysi finitorum ac doctrina serierum“ (Euler 1755; E 212; GB 823).

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plötzlich die schönsten Aussichten. Sinn für wissenschaftliche Kultur herrscht bei näherer Untersuchung hier gar nicht. Alles hat eine merkantilische oder politische Tendenz. Diß zeigt sich auch bei unserer hiesigen Lehranstalt an deren Entstehen und Gedeihen ich einen beträchlichen Antheil habe. Nach einer kurzen Existenz von eben 3 Jahren hat sich der Geist, der im Anfange diese Anstalt zu beseelen schien so ganz verändert, daß man sie kaum wieder erkennen würde. Es würde Ihnen vielleicht nicht uninteressant sein, wenn ich Ihnen umständlichere Berichte über diese Anstalt die in ihren Folgen einen wichtigen Einfluß auf die Schweiz haben zu sollen schien mittheilte; allein theils würde mich diß zu weit führen, theils beschäftige ich mich auch jetzt mit diesem Gegenstande nicht gern mehr. Oft bedaure ich die Zeit und Arbeit die ich einem Geschäfte gewidmet habe, das leider eben so fruchtlos fürs Ganze als für mein Individuum ist. – Meine müßige Zeit, deren es freilich wenige gab, habe ich noch immer mathematischen Spekulationen gewidmet. Etwas davon habe ich H[errn] Pfaff17 und Klügel18 mitgetheilt, was ich unter günstigern Umständen wahrscheinlich nicht würde gethan habe[n], weil ich keinen andern Werth darauf lege, als den sie für mich hatten, mir einige angenehme Augenblicke zu verschaffen. Immerhin mögen diese Arbeiten ausgeführt einen Platz neben dem, was so gewöhnlich in Deutschland herausköm[m]t, verdienen und könnten mir daher noch von einigen [sic] Nutzen sein. Der Besuch meiner Eltern, Briefe von H[err]n Z[immermann und] von Pfaff, Nachrichten von Ihnen &c. &c. hat den Wunsch in Braunschweig zu leben aufs lebhafteste wieder bei mir erregt. Doch diß nur unter uns gesagt. Ich würde gern bei nur einiger Sicherheit für meinen Finanzzustand, meinen Wohnort verändern, um19 aufgemuntert durch Sie und meine übrigen mathem[atischen] Freunde die Trümmer meiner Kenntnisse zu sammeln und das Versäumte einigermaßen wieder nachzuhohlen. Könnten Sie dazu etwas beitragen, so werden Sie es gewiß thun. – Daß ich verheirathet bin wissen Sie wahrscheinlich und daß ich in jeder Rücksicht sehr glücklich verheirathet bin, daran nehmen Sie gewiß herzlichen Antheil. Ich besitze ein liebes gutes Weib20 ganz so, wie ich es mir wünschte und bin Vater eines muntern Knaben.21 Leben Sie wohl und vergnügt und erinnern sich zuweilen meiner; auch theilen Sie mir, wenn Sie mal einige müßige Augenblicke übrig haben sollten, Nachricht von sich mit. Sollte etwas meinen Wünschen entsprechendes in Braunschw[eig] vorfallen, so theilen Sie mir es gewiß gütigst mit. Von Hofr[ath] Pfaff könnten Sie wenn es nöthig wäre, vorerst vielleicht Auskunft erhal[ten]. Ihr ergebener Bartels. 17 18 19 20 21

Johann Friedrich Pfaff. Georg Simon Klügel. Im Original: um um. Anna Magdalena Bartels, geb. von Saluz. Eduard Bartels.

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1. Martin Bartels (1769–1836)

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschlag]

Brief 3. Bartels an Gauß, 6./18. Juli 1808 (Kasan) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Bartels 3 (1 S.) Publikation: Biermann 1973b, S. 12–14.

Kasan d[en]

6 18

Jul[i] 1808.

Theurer lieber Freund, Mit einer Art von Verlegenheit setze ich mich nieder um Ihnen zu schreiben. Ich bin bereits über 4 Monate hier in Kasan und habe Ihnen auch noch nicht ein Lebenszeichen von mir gegeben. Das ist nicht recht und ich wage es nicht zu entschuldigen. Also still davon! Billig sollte ich Ihnen einige Details von meiner Reise bis hier mittheilen, allein wenn Sie auch dißmal nicht wieder ohne Nachricht von mir bleiben sollen so muß ich mich damit begnügen Ihnen ganz kurz zu erzählen, daß meine Reise, den gezwungenen Aufenthalt von 4 Wochen in dem elenden Sammelplatze sovieler Unglückliche[r] Memel,22 wegen der Verspätung der Ankunft eines Passes und einiger von solcher Reise durchaus unzertrennlichen Beschwerden mir ungemein viel Genuß gewährt hat. Meine Reise bis Petersburg gehört im Ganzen zu den angenehmsten Tagen meines Lebens. In Petersburg blieb ich 7 Wochen. Daß ich Ihren Brief23 besorgt, wissen Sie schon längst. Fuß äusserte mir sein inniges Bedauern über die Vereitelung der Hoffnung Sie für Rußland zu gewinnen. Kaum wollte er mirs glauben, daß keiner von seinen 3 Briefen an Sie angekommen sei. Ob Sie sich in den Verhältnissen in St. P[etersburg] besser gefallen würden als in Göttingen, wage ich nicht zu entscheiden. Meine Stelle als Ehrenmitgl[ied] von K[asan] ist noch unbesetzt. Hat Ihnen der Curator24 noch keine Anträge desfalls gemacht? Er war wenigstens als ich ihn in Petersb[urg] deshalb sprach, von dem wohlthätigen Einflusse einer solchen Verbindung der Universität mit Ihnen überzeugt. Doch es giebt so Mancherlei der Art, was darum nicht immer ausgeführt wird. – In Moskau traf ich Eiche.25 Er ist verheirathet mit einer jungen Engländerin. Bei seiner Ankunft daselbst wurde er in einem merkantilischen Privatinstitute mit 1000 Rubel Gehalt u[nd] Wohnung u[nd] Kost engagirt. Misverhältnisse zwischen ihm und dem Entrepreneur haben 22 Während der Besetzung Berlins durch die Soldaten Napoleons war die Stadt Memel von 1807 bis 1808 provisorische Hauptstadt des preußischen Königreichs. 23 Siehe auch den Brief von Gauß an Nikolaus Fuß vom 10.10.1807 (Brief Nr. 19). 24 Der Astronom Stepan Jakovlevič Rumovskij war der erste Kurator der Universität Kasan. 25 Über Geb. Fr. Jul. Eiche, dessen genaue Vornamen nicht bekannt sind, berichtete Gauß Nikolaus Fuß in einem Brief vom 17.9.1805 (Brief Nr. 15).

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ihn bestim[m]t, eine eigne Anstalt zu etabliren. In wiefern er reüssirt, kann ich nicht sagen. In Moskau kan[n] es indeß einem geschickten und thätigen Mann in dieser Art nicht leicht fehlen. Gern wäre ich in Moskau länger geblieben ich hielt mich, ungefähr 7 Tage dasselbst auf, wenn ich nicht um von einer Reisegesellschaft die ich unterwegs traf bis Kasan zu profitiren meine Abreise hätte beschleunigen müssen. – Ich eile [sic] nach Kasan und bin [sic, kann], da ich schon über 4 Monate hier bin, Ihnen jetzt ziemlich bestimmt über manches meine Lage betreffend Nachricht ertheilen. Über die Universität selbst und das dabei angestellte Personal: wahrscheinlich haben Sie schon im kurzen Abriß davon in der Jenaer Litt[eratur] Z[eitung]26 gelesen oder werden ihn doch bald erhalten, der ganz treu ist. Ich für meine Person habe alle Ursache zufrieden zu sein. Da ich ausser meinen 2000 R[ubeln] noch freie Wohnung (bestehend aus 7 heizb[aren] Zimmern, Küche, Remise, Stallung &) habe so glaube ich da alles hier ziemlich wohlfeil ist, ziemlich gut in ökon[omischer] Rücksicht durchzukom[men]. Als ein Fragment eines Preisverzeichniss[es] theilt Ihnen meine Frau, die sich Ihnen u[nd] Ihrer Fr[au] Gem[ahlin] herzlich empfiehlt folgende wenige Notizen mit: 100 Eier 70 Kop[eken] 1 Pfund Rindfleisch im Herbst 3 jetzt 5 Kopeken, ein paar wilde Enten 50 Kop[eken] ein Huhn 25–30 K[opeken] 1 Bouteille Donscher Wein 40–50 K[opeken] Semlanski, eine Art Champagner 1 Rubel, guter franz[ösischer] W[ein] 1 Rub[el], 40 Pfund Mehl das feinste Walzmehl 2 Rub[el] 10 Kop[eken] dto Rockenmehl 40–50 Kop[eken] &c. &c. Alle Lebensmittel sollen vor 1 Jahre um 13 ja die Hälfte wohlfeiler gewesen sein. Die meisten Professoren halten Pferde 4, 2, auch 1, auch eine Menge Gesinde. Ich begnüge mich mit 1 Bedienten der deutsch u[nd] russisch spricht u[nd] meiner Lisabeth. Mein Wirkungskreis ist hier angenehmer als ich erwarten durfte. Die meisten meiner Zuhörer sind in der Mathem[atik] sehr gut vorbereitet. Zwei derselben studiren ihre Disquisit[iones arithmeticas].27 Einige wenige Instrumente Sextant, Fernröhre sind hier noch fehlt uns aber ein Locale. Ein Observat[orium] soll gebaut werden &c., wann aber weiß ich nicht. Rennert28 [sic] muß jetzt in Petersburg sein. Noch ist sehr vieles hier zu thun alles hängt von Umständen ab, die ich hier nicht ganz zu detailliren wage. So viel ich Ihnen auch zu sagen hätte, so muß ich wenn nicht alle meine Briefe liegen bleiben sollen dißmal schliessen. Küssen Sie herzl[ich] Ihre Fr[au] Gem[ahlin,] ihren l[ieben] Joseph.29 Sollten Sie mir ein paar Zeilen schreiben wollen, was mich herzl[ich] freu[en] würde, so dürfen Sie dieselben im[m]er H[errn] Daubert30 Schreibmeister mein Anwald in Braunschw[eig] überschicken. Ewig der Ihrige Bartels

26 Ein Aufsatz von Bartels im „Intelligenzblatt der Jenaischen Allgemeinen LiteraturZeitung“ vom 20.7.1808 (Bartels 1808). 27 „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801). 28 Gemeint ist Kaspar Friedrich Renner, Privatdozent in Göttingen, der 1808 als Professor für Angewandte Mathematik nach Kasan berufen wurde. 29 Johanna Gauß, geb. Osthoff, und Joseph, das erste Kind von Gauß, der damals fast zwei Jahre alt war. 30 Möglicherweise Johann Christian Daubert.

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1. Martin Bartels (1769–1836)

[P. S.] Ihre Planeten Theorie31 hoffe ich zu erhalten, wenigstens habe ich in Fall sie schon heraus u[nd] in St. Peterb[urg] zu haben Kommission deshalb gegeben.

Brief 4. Bartels an Gauß, 14./26. April 1821 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Bartels 4 (4 S.) Publikation: Biermann 1973b, S. 15–17.

Dorpat d[en]

14 26 April

1821

Theuerster Freund, Mehr als ein Jahrzehnd ist verflossen, daß wir gegenseitig auch nicht eine Zeile von einander gelesen haben. Einen Brief erhielt ich bald nach meiner Ankunft in Kasan als Antwort.32 Ein Brief den ich einige Zeit nachher an Sie schrieb und durch Gelegenheit überschickte scheint wohl nicht angekommen zu sein wie ich aus einigen Umständen zu vermuthen Ursache habe. Doch dem sei, wie ihm wolle, ich glaube mir schmeichlen zu dürfen, daß es Ihnen nicht ganz unangenehm sein wird, wenn ich die so lange Zeit abgerissenen Enden unsrer Korrespondenz wieder anknüpfe. Von Zeit zu Zeit erhielt ich von den Verhältnissen in Ihrer häuslichen Lage Nachrichten, die ich so unvollständig sie auch waren, immer mit der innigsten Theilnahme aufnahm. Die Verhältnisse in Kasan waren freylich nicht so, daß sie nichts zu wünschen übrig liessen. Doch wer hätte nicht zu einer Zeit, wo überall in Deutschland fast nichts als Noth war, wenn er nur einigermaßen bescheiden in seinen Wünschen war in einem Winkel der Erde, der vor allen Stürmen so ganz gesichert zu sein schien, zufrieden sein sollen. Freilich wurden meine Erwartungen bald nach meiner Ankunft in Kasan gar sehr getäuscht. Eine Hauptursache war das Sinken des Kurses wodurch 2000 Silberrubel Gehalt auf 500 Rubel hinabsanken, die jedoch bei der Wohlfeilheit der Lebensmittel dort bei einer vernünftigen Ökonomie ausreichten. Die Fehden zwischen den deutschen und russischen Professoren trugen eben auch nicht sehr zur Verannehmlichung des Aufenthalts bei. Vielleicht hat Ihnen Lit[t]row33 davon geschrieben, allein er trug bei seinen mündlichen und schriftlichen Schilderungen immer etwas zu grell auf. Hätten manche meiner deutschen Kollegen meine Bemerkung, daß auf einem Boden wie der Kasanische keine südliche Früchte gedeihen beherzigt, so hätten sie sich manchen vergeblichen Aufreiz u[nd] Verdrießlichkeiten ersparen können. Die Deutschen siegten jedoch, wegen ihrer Mehrzahl ab; allein die Maschine wollte doch nicht so recht in den Gang. In Rücksicht auf meinen Wirkungskreis hatte ich wohl unter allen am meisten Ursache zufrieden zu sein und nicht leicht werde ich irgendwo so viel Sinn fürs mathematische Studium finden als ich in Kasan vorfand. Die unter der Universität Kasan stehenden Gymnasien sind im allgemeinen mit sehr wackern mathematischen Lehrern versehen. Die Invasion der Franzosen in Rußland erregte zur Zeit des Aufenthalts derselben in Moskau bange Besorgnis31 „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium“ (Gauß 1809a). 32 Dieser Brief ist nicht erhalten. 33 Joseph Johann von Littrow.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

se, besonders wegen der Umgebung von so vielen Nationen. Doch diese gingen auch bald vorüber. Nicht lange darauf brannte das Haus worin ich wohnte, es wahr ein Kronsgebäude die Typographie ab. Glücklicherweise war es am Tage so daß ich alle meine Sachen einige Meubles ausgenommen retten konnte. Ich kaufte mir darauf ein eignes Häuschen, das aber ein Jahr nachher bei dem großen Brande, der mehr als die halbe Stadt verzehrte ebenfalls beinahe ein Opfer der Flammen geworden wäre. Unsere kleine Straße, worin noch 3 deutsche Professoren wurde ungeachtet es fast rund umher brannte verschont. Von der jüngsten Veränderung an der Kasanischen Universität, die so ganz unerwartet kam und die wahrscheinlich eine Folge von den letzten Ereignissen in Deutschland war werden Sie vermuthlich wissen. Es wurden 9 Professoren meistens Deutsche u[nd] einige Russen entlassen. Die Ursache davon ist nicht bekannt gemacht worden. Ich war nebst einem Mediziner der einzige Deutsche, welcher seine Stelle behielt.34 Indeß bestimmten mich doch diese Verhältnisse ungeachtet meiner sonst nicht ungünstigen ökonomischen Verhältnisse (ich hatte in den letzten Jahren etwa 5000 Rubel Einnahmen) ernstlich auf die Heimkehr ins Vaterland zu denken, da mir nämlich durch den hochs[eligen] bei Belle alliance gebliebenen Herzog35 eine Professur am Carolino mit meinem alten Gehalte zugesichert war und von der nachherigen provisorischen vormundl[ichen] Regirung anerkannt war. Ein Ruf den ich im vorigen September hieher erhielt änderte jedoch meinen Entschluß besonders da bis jetzt keine eigentliche Vakanz am Karolino ist und ich die ungeheure Reise nach Braunschw[eig] ganz auf meine Kosten hätte unternehmen müssen. Ich reisete den 6. Dez[ember] von Kasan ab u[nd] kam hier den 7. Jan[uar] an. Allem Anscheine nach habe ich mir zu dieser Veränderung sehr Glück zu wünschen. Meine Verhältnisse mit meinen Kollegen, mit dem Kurator36 u[nd] meine Zuhörer sind so wie ich sie nur wünschen kann. In Rücksicht letzterer dürfte ich wohl etwas mehr Sinn für mathem[atische] Wissenschaften wünschen. In Kasan war ich ungeachtet der übrigen nicht ganz angenehmen Verhältnisse in dieser Hinsicht immer sehr glücklich. Da unsere Universität vor allen andren Universitäten Rußlands vom Monarchen37 ganz vorzüglich begünstigt wird so sind hoffentlich wohl nicht ähnliche Vorfallenheiten wie in Kasan zu besorgen. Wegen Eduard38 ist mir die hiesige Anstellung auch viel wert, da er hier Gelegenheit hat auf eine für mich wohlfeile Weise seine Studien fortzusetzen wenn er die Gelegenheit zu benutzen versteht. Er sowohl als Hanchen39 sind wie natürlich in der Zeit sehr herangewachsen. Doch jetzt genug von mir und meine[n] Verhältnisse[n]. – Äusserst an34 Der Kurator des Bildungsbezirks und der Universität Kasan in den Jahren von 1819 bis 1826 war Michail Leont’evič Magnickij. Es war dies eine umstrittene Periode in der Geschichte der Universität, die durch viele Konflikte, unter anderem durch einen Streit zwischen einer deutschen und einer russischen Gruppe von Lehrkräften geprägt war (Zagoskin 1894). 35 Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, war am 16.6.1815 in der Schlacht von Quatre-Bras gefallen. 36 Graf Carl von Lieven. 37 Alexander I. 38 Eduard Bartels, Sohn von Martin Bartels. 39 Johanna Francisca Bartels, Tochter von Martin Bartels, später Ehefrau von Wilhelm Struve.

1. Martin Bartels (1769–1836)

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genehm würde es mir sein, wenn Sie mir auch von den Ihrigen eine kurze Nachricht mittheilen. Besonders interessirt mich als ein alter Bekannter Ihr lieber Joseph. Ihrer Frau Gemahlin40, die ich nicht das Vergnügen habe [sic], bitte ich mich u[nd] meine Frau die sie herzlichst grüßt, gütigst zu empfehlen. – Nun noch eine Bitte deren Erfüllung Sie mir hoffentlich nicht versagen werden. Ich war in Kasan Vormund der beiden Kinder Arnold u[nd] Sophie41 des daselbst verstorbenen Professor Finke,42 der kurz nach Renner43 von Göttingen daselbst ankam (daß ersterer dessen Anstellung in Kasan Sie noch veranlasst haben schon vor mehrern Jahren gestorben ist, wissen Sie vermuthlich). Der Prof[essor] Finke war der Sohn des Doctor Finke in Göttingen der wenn er noch lebt jetzt über achtzig Jahre alt sein muß.44 Vor einigen Jahren erhielt ich einen Brief von ihm. Seit der Zeit aber hat man keine Nachricht von ihm erhalten, wahrscheinlich ist er unterdeß gestorben. Sollte diß der Fall sein, so ersuche ich Sie ergebenst, sich doch gefälligst nach dem Nachlasse des Verstorbenen zu erkundigen. Denn so viel ich weiß, war der Dr. Finke ein sehr wohlhabender Mann, auch erhellt diß auch aus seinem Briefe. Sollte er wirklich todt sein, so ist es mir unbegreiflich, daß von Seiten seiner Verwandten oder des Magistrats keine Nachricht davon nach Kasan kam, da doch allgemein dort bekannt daß der Prof[essor] Finke von da mit einer Frau und den beiden benannten Kindern nach Kasan abgereiset. Auch ist es seinen Verwandten nicht unbekannt, daß bald nach der Ankunft des Prof[essor] Finke in Kasan seine mitgebrachte Frau starb er sich darauf wieder verheirathete u[nd] vor ein paar Jahren selbst gestorben ist. Mit der letzten Frau hat er keine Kinder. Sie würden mich unendlich verpflichten, wenn Sie mir über obige Familienverhältnisse Auskunft geben kön[n]ten, damit die Kinder und die Witwe (die zwar jetzt wieder verheirathet ist) wenn sie was sehr zu vemuthen ist dort noch rechtliche Forderungen haben sollten, nicht eben ganz um das Ihrige kämen. – Meinen alten Freund, Hofr[ath] Himly45 bitte ich herzlich von mir zu grüßen eben so den H[errn] Hofr[ath] Harding46 den ich in Braunschw[eig] bei Ihnen kennen zu lernen das Vergnügen hatte. Leben Sie wohl, theurster Freund und vergessen nicht ganz Ihren stets ergebenen Freund Bartels. N. S. Haben Sie keine Nachricht von Prof[essor] Stahl?47 ist er noch unter den Lebenden?

40 41 42 43 44 45

Wilhelmine Gauß, geb. Waldeck, zweite Ehefrau von Gauß. Arnold Wilhelm Otto und Sophie Antoinette Philippine Fincke (oder Finke). Johann Christoph Fincke (oder Finke) verstarb 1813. Kaspar Friedrich Renner verstarb 1816. Heinrich Arnold Fincke (oder Finke) verstarb im Jahre 1823. Karl Gustav Himly war Professor für Chirurgie und Augenheilkunde an der Universität Göttingen. 46 Carl Ludwig Harding. 47 Konrad Dietrich Martin Stahl war Fürsprecher für Bartels bei dessen Promotion in Jena 1799. Er verstarb im Jahre 1833 in München.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 5. Bartels an Gauß, 11./23. März 1823 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Bartels 5 (2 S.) Publikation: Biermann 1973b, S. 18–19.

An den Herrn Hofrath u[nd] Ritter Gauß in Göttingen. Dorpat d[en]

11 23

März 1823

Es ist jetzt schon über ein Jahr, theuerster Freund, daß ich Ihre Antwort auf meinen Brief an Sie erhielt.48 Sie haben mir dadurch sehr viele Freude gemacht. Nehmen Sie meinen zwar etwas späten, doch immer herzlichen Dank für die gütige Besorgung meines Auftrags in Rücks[icht] des Dr. Fincke und für mir mitgetheilten sehr interessanten Nachrichten. Ich erhielt bald nachdem ich Ihnen geschrieben, einen Brief von dem alten F[incke],49 den ich sogleich beantwortete und ihm die gewünschten Notizen in Betreff seiner Enkel mittheilte. Da ich übrigens seitdem keine bestimmten Nachrichten von ihm erhielt, so konnte ich mich in der Angelegenheiten seiner Enkel nur passiv verhalten, weil ich aufs Ungewisse hin den Vormündern zu keinem gewagten Schritte rathen dürfte. Wahrscheinlich hat den Alten, der wie ich aus Briefen von Kasan ersehe, noch lebt, jetzt eingetretene Altersschwäche vom Schreiben abgehalten. Man ersucht mich von Kasan aus, Sie bester Freund, nochmals zu belästigen u[nd] Sie zu bitten mir gelegentlich, was Sie eben über die Finkschen Angelegenheiten erfahren können, gefälligst mit zu theilen, um darnach vielleicht die für die Kinder zu nehmenden Maßregeln zu bestimmen. In meiner hiesigen Lage hat sich seit meinem letzten Briefe nichts verändert. Das Personale des Kurators50 u[nd] Rektors51 ist noch dasselbe und ich und wie ich glaube fast alle Professsor[en] mit mir, wünsche, daß es immer oder doch sehr lange dasselbe bleiben möge, weil jede Veränderung der Art wohl nicht sehr ersprießlich sein mögte. Zwei unserer ältern Professoren der Theologie52 haben in diesen Tagen körperliche Schwäche vorschützend (vermuthlich auf einen von den Obern gegebenen Wink) um ihre Entlassung angesucht, die sie auch, doch mit Beibehaltung ihres vollen Gehalts erhalten werden. Der alte Hezel,53 der noch sehr rüstig ist, ist schon vor meiner Ankunft auf Ansuchen aus ähnlichen Gründen mit der Hälfte des Gehalts als Pension entlassen worden. Etwas Ähnliches ließe ich mir, wenn die Mathematik nicht eine so unschuldige Wissenschaft wäre, allenfalls auch gefallen.

48 Dieser Brief ist nicht erhalten. 49 Heinrich Arnold Fincke (oder Finke). 50 Graf Carl von Lieven war von 1817 bis 1828 Kurator der Universität Dorpat (Fürst ab 1826). 51 Gustav von Ewers war von 1818 bis 1830 Rektor der Universität Dorpat. 52 Hermann Leopold Böhlendorf und Christian Friedrich Segelbach. 53 Johann Wilhelm Friedrich Hezel (oder Hetzel).

1. Martin Bartels (1769–1836)

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Vorigen Sommer hielt sich hier eine Zeitlang einer Ihrer alten Schulkameraden Steimker,54 seins Eleven des Sohnes des Grafen Lieven unseres Kurators wegen hier auf. Er hat glaube ich schon länger als 20 Jahre in dessen Hause als Hofmeister und Hausfreund verlebt. Ich sah ihn oft bei mir und wir haben in der Rückerinnerung an die Vergangenheit viele vergnügte Stunden mit einander zugebracht so daß seine Abreise von hier eine sehr merkbare Lücke in meinem sehr einfachen Lebensgange zurückgelassen hat. Er ist von einer äusserst frohen und genügsamen Gemüthsart und scheint seiner stillen [sic] u[n]d eingeschränkten Lage im Hause des Grafen (in Curland auf dem Lande) jeder andern, wozu ihm der Einfluß des letztern leicht den Weg bahnen könnte vorzuziehen. Meine Disquisit[tiones]55 zu deren Bekanntmachung, wie Sie aus dem Titel sehen, mich nur die Verhältnisse veranlassten, werden Sie vermuthlich durch Struve schon längst erhalten haben. Ich war anfangs Willens die Zahl derselben bis zu eben einem Alphabeth zu vermehren und nur die Kosten des Abdrucks und die Besorgniß durch Absatz derselben keinen Ersatz zu erhalten hielt mich davon ab. Es war für mich eine große [Freude,] bei meiner Ankunft hier bei Struve56 mehrere Abhandlungen von Ihnen vorzufinden, die ich leider bis dahin nur aus den offentli[chen] Blättern dem Namen nach kannte. Das Studium derselben hat mir unendlich viel Genuß gewährt. Die Vermuthung, welche Sie in Ihrem Briefe äussern, daß ich bei vorkommender Vakanz in B[raunschweig], eine Stelle dort der hiesigen vorziehen mögte, würde völlig gegründet sein, wenn sich meine Wünsche den Rest meiner Tage in der Nähe meiner Jugendfreunde zu verleben, nur einigermaßen mit der Rücksicht auf die künftige Versorgung meiner Frau vereinigen ließe. Deshalb wünsche ich, selbst um meinetwillen, daß der würdige H[ellwig]57 das höchste Alter erreichen möge, damit ich nicht so leicht in die Verlegenheit gesetzt werde eine für mich auf jeden Fall peinliche Wahl treffen zu müssen. Es braucht wohl keiner Versicherung, daß Sie mich sehr recht sehr erfreuen werden, wenn Sie mir gelegentlich mal wieder ein Briefchen zukommen lassen wollen. Empfehlen Sie mich und meine Frau &c. die Sie herzl[ich] grüßt, Ihrer Fr[au] Gemahlin und Ihrem l[ieben] Joseph. Grüßen Sie auch gelegentlich Himly, der sich vielleicht meiner noch erinnert nebst Prof[essor] Harding bestens von mir. Stets der Ihrige Bartels.

54 Über Steimker sind keine weiteren Details bekannt. 55 „Disquisitiones quatuor ad theoriam functionum analyticarum pertinentes“ (Bartels 1822; GB 1090). 56 Wilhelm Struve. 57 Johann Christian Ludwig Hellwig war damals bereits Jahre 80 alt. Er wirkte aber noch bis 1831 am Collegium Carolinum, wohin er 1802 berufen worden war.

Abb. 14. Thomas Clausen „Bildarchiv Georg von Krusenstjern“ im Bestand des Bildarchivs Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität zu Marburg.

2. Thomas Clausen (1801–1885) Ɏɨɦɚ Ʉɥɚɭɫɨɜɢɱ Ʉɥɚɭɡɟɧ / Foma Klausovič Klauzen

2.1. Thomas Clausens Lebenslauf im Überblick *16.1.1801 1824–1828

Thomas Clausen in Snogbæk im Herzogtum Schleswig geboren Assistent an der Sternwarte in Altona bei Heinrich Christian Schumacher; ab 1826 ist dort auch Christian August Friedrich Peters Assistent Dezember 1824 Besuch bei Gauß in Göttingen April 1825 Friedrich Wilhelm Bessel lernt Clausen bei einem Besuch in Altona persönlich kennen November 1826 Besuch bei Wilhelm Olbers in Bremen 1828–1840 Mitarbeiter am Optischen Institut in München 1833 schwere Krankheit Juni 1840 Besuch bei Gauß in Göttingen 4.7.1840 Arbeit über die Bestimmung der Bahn des Kometen von 1770, die mit dem Preis der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Kopenhagen ausgezeichnet werden sollte (Clausen 1842) 1840–1842 Tätigkeit an der Sternwarte in Altona bei H. C. Schumacher Oktober 1842 Berufung nach Dorpat als Observator 1844 Promotion zum Doctor honoris causa bei Bessel an der Universität Königsberg 28.7.1851 Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis in Brest-Litowsk in Zusammenarbeit mit Johann Heinrich Mädler 4.11.1854 Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen 1856 Ehrung durch die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen mit der Gauß-Gedenkmedaille „princeps mathematicorum“ 29.12.1856/10.1.1857 Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Sommer 1864 Besuch in Pulkowo bei Otto Struve 1866–1872 Professor der Astronomie an der Universität Dorpat und Direktor der Sternwarte, Nachfolger von Mädler 1869 Ehrenmitglied der Universität St. Petersburg † 11./23.5.1885 gestorben in Dorpat

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Carl Friedrich Gauß und Russland

2.2. Miszellen zu Leben und Werk Thomas Clausen stammte aus einfachsten Verhältnissen; sein Vater war Kleinbauer im Dorf Snogbæk (Schnabek) in Nordschleswig. Er genoss von Hause aus keinerlei Schulbildung. So kam er im Jahre 1813, des Lesens und Schreibens unkundig, als Hütejunge zu dem Pfarrer Georg Holst nach Sottrup, etwa 4 km von Snogbæk entfernt. Dieser sorgte dafür, dass Clausen die Schule besuchen konnte. Unter seiner Ägide lernte Clausen darüber hinaus auch Latein, Griechisch, Mathematik und Naturwissenschaften. Daneben betrieb er aus eigenem Antrieb Sprachstudien und erwarb Kenntnisse in Englisch, Französisch und Italienisch. Es gibt eine ganz vorzügliche Biographie über Clausen, auf die hier gleich zu Anfang hingewiesen werden muss (Biermann 1964a).1

2.2.1. Altona und München: 1824–1842 Als sein Schützling herangewachsen war, empfahl ihn Holst 1823 seinem Freund Heinrich Christian Schumacher. Dieser hatte sich im Jahre 1821 in Altona ein Haus in der Palmaille Nr. 27 gekauft. Im Garten konnte er sich dank der finanziellen Unterstützung des dänischen Königs2 eine Sternwarte einrichten. Am 29. August 1823 schickte Schumacher Gauß eine Arbeit von Clausen über Planetenbahnen: „Anbei sende ich Ihnen, auf Verlangen eines jungen Bauersohnes aus dem Schleswigschen, der ganz arm ist und Unterstützung vom Könige zur Fortsetzung des Studiums der Mathematik wünscht, eine seiner Arbeiten über Planetenbahnen. Er glaubt mit Recht, dass Ihr Zeugniss, dass er Anlagen besitze, die ihn der Unterstützung werth machen, ihm sehr viel helfen werde. Können Sie es ihm geben, so thun Sie gewiss ein gutes Werk“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 1, S. 328). Gauß kritisierte offensichtlich einige Punkte der Arbeit und bat Clausen um Verbesserung. Diese teilte Clausen in einem Schreiben vom 17. September 1823 Schumacher mit: „Mit dem grössten Vergnügen, doch nicht ohne Furcht, dass es nicht gelingen würde, habe ich dem so ehrenden Befehl des Herrn Hofrath und Professor Gauss gehorcht und die übersandte Formel auf das dritte Beispiel der Th. M. C. C.3 angewandt“ (ebenda, S. 333). Dem Brief von Clausen lagen offensichtlich ausführliche Berechnungen bei, die nicht erhalten geblieben sind. Clausen hatte also die damals nur in lateinischer Sprache vorliegende „Theoria motus corporum coelestium“ von Gauß eingehend studiert. Nunmehr schickte Schumacher eine weitere Arbeit von Clausen an Gauß und bat diesen um ein Gutachten. Aber Gauß war nicht zu erreichen, so dass 1 2 3

Siehe auch: Schönbeck 2004. Friedrich VI. von Dänemark. „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium“ (Gauß 1809a).

2. Thomas Clausen (1801–1885)

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sich Schumacher an Olbers wandte und diesen um Rat bat. Olbers stimmte für eine Veröffentlichung. Schumacher, der seit 1823 Herausgeber der neu ins Leben gerufenen „Astronomischen Nachrichten“ war,4 stellte zunächst den Autor mit warmen Worten vor: „Mit der folgenden kleinen Abhandlung habe ich das Vergnügen einen jungen Mathematiker, Thomas Clausen, der sich in der Stille des Landes unter Anleitung des würdigen Herrn Pastor Holst in Schnabeck gebildet hat, in die astronomische Welt einzuführen. Er verspricht so viel, daß ich eine Zeitlang unentschlossen war, ob ich diese Arbeit, so ehrenvoll sie auch sonst für ihn ist, drucken lassen sollte, oder ob es nicht besser sey, die Erstlinge eines Kopfes zurückzuhalten, von dem man mit Gewißheit bald reifere Früchte erwarten darf. Indessen stimmt mein verehrter Freund, Herr Doctor Olbers, an den ich mich auch in diesem Falle, wie gewöhnlich mit der Bitte um Rath wandte, für den Druck und ich folge gerne. Mögen wir unsere Hoffnungen erfüllt, und wo möglich übertroffen sehen! Möge der Name Thomas Clausen einst unter denen genannt werden, die die Fackel der Wissenschaft empfangen, und weiter geben!“5 Es folgte nun Clausens erste, neun Seiten umfassende Veröffentlichung „Berechnung der Sternbedeckungen vom Monde zur Bestimmung der geographischen Längen“ (Clausen 1824a). Danach schickte Schumacher eine weitere Arbeit von Clausen zur Begutachtung an Gauß. Hierbei ging es um eine von Gauß’ ehemaligem Schüler August Ferdinand Möbius gestellte Aufgabe: „Beliebige 5 Puncte A, B, C, D, E einer Ebene sind, je zwey, durch gerade Linien verbunden. Man kennt die soweit entstehenden 5 Dreyecke EAB, ABC, BCD, CDE, DEA ihrem Inhalte nach, und verlangt daraus den Inhalt des Fünfecks ABCDE.“6 Gauß antwortete am 18. September 1823: „Da Hr. Clausen noch unbekannt ist, so wird es ihm nicht schaden, wenn Sie seine Auflösung abdrucken lassen. Auch die meinige, wenn Sie solche aufgehoben haben und es der Mühe werth finden, steht Ihnen zu gleichem Zweck gern zu Dienste“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 1, S. 334). So erschienen in den „Astronomischen Nachrichten“ zwei Auflösungen dieser Aufgabe, eine von Gauß und eine von Clausen (Clausen 1824b). Im Laufe des Jahres 1824 übersiedelte Clausen nach Altona, wo er von nun an als Assistent an der Schumacherschen Sternwarte wirkte. Aber die Zusammenarbeit Schumachers mit Clausen klappte nicht reibungslos. Bereits Ende 1824 kam es zu äußerst heftigen Auseinandersetzungen, die dazu führten, dass Clausen nach Göttingen reiste und Gauß um Hilfe bat. Dieser versuchte, zwischen Clausen und Schumacher zu vermitteln, was ihm auch gelang (Biermann 1964a, S. 164). Im Jahre 1826 empfahl Schumacher Clausen nach München, und zwar an das Optische Institut, dem nach Joseph Fraunhofers Tod am 4 5 6

Das Gründungszirkular der „Astronomischen Nachrichten“ trägt das Datum Juni 1821. Der erste Band erschien 1823. Astronomische Nachrichten 2 (Nr. 40), 1824, Sp. 281–282. Astronomische Nachrichten 2 (Nr. 42), 1824, Sp. 343.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

7. Juni 1826 Joseph von Utzschneider vorstand. Zwar erhielt Clausen aus München, wenn auch nur unregelmäßig, Gehaltszahlungen, aber er blieb noch bis 1828 in Altona. So kam es, dass sich im Jahre 1827 das Verhältnis zwischen Clausen und Schumacher abermals so sehr verschlechterte, dass Schumacher Clausen verbot, sein Haus zu betreten. Clausen übersiedelte nunmehr nach München. Dort nahm er keine dienstlichen Aufgaben wahr, sondern man ließ ihn gewähren, und er wirkte im Wesentlichen als Privatgelehrter. Im Jahre 1833 erkrankte Clausen so schwer, dass er viele Jahre lang nichts publizierte. Über sein Leben während der Krankheit ist nichts bekannt (Biermann 1964a, S. 172–173; Biermann 1991). Noch vor Clausens Erkrankung hatte Schumacher am 28. Dezember 1832 an den Ständigen Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Paul Heinrich Fuß, folgendes Schreiben gerichtet: „Ich beeile mich der Kaiserlichen Academie anzuzeigen daß Herr Th. Clausen die wichtige Entdeckung gemacht hat, daß höchst wahrscheinlich die beiden Cometen von 1743 Jan[uar], und 1819 November identisch sind,7 und zwar mit einer Umlaufzeit von 6,727 Jahren vor 1758, und 5,60 Jahren nach 1817, so daß er im Herbste 1836 wieder zu jenem Perihelium zurückkehren würde. Die Störungen des Jupiters haben die Bahn so verändert, daß die Identität beider nicht unmittelbar erkannt werden konnte. Das Nähere wird in diesem Augenblicke in den Astronomischen Nachrichten abgedruckt welche ich unmittelbar bei ihrer Erscheinung zu übersenden die Ehre haben werde. Unser verehrter Olbers8 theilt vollkommen Clausens Ueberzeugung.“9 Clausens Situation änderte sich, als Utzschneider im März 1839 seine Firma verkaufte und am 31. Januar 1840 durch einen Unfall ums Leben kam. Da Clausen keine anderen Angebote hatte, kehrte er notgedrungen wieder nach Altona zu Schumacher zurück. Ein Besuch bei Gauß auf der Reise von München nach Altona im Juni 1840 diente dazu, dass sich Gauß bei Schumacher um gut Wetter für Clausen bemühen sollte (Biermann 1964a, S. 173). Tatsächlich setzte sich Gauß in einem Brief vom 12. Juni 1840 bei Schumacher für Clausen ein: „Vor etwa acht oder zehn Tagen war Herr Clausen aus München bei mir. Er macht mir einen recht betrübten Eindruck. Es wäre doch sehr zu beklagen, wenn sein wirklich ausgezeichnetes Talent für abstracte Mathe7 8

9

Diese Vermutung von Clausen hat sich später nicht bestätigt. Auf Wilhelm Olbers’ Verlangen wurde in den „Astronomischen Nachrichten“ das „Schreiben des Herrn Th. Clausen an Herrn Dr. Olbers (München 1832. Dec[ember] 11)“ abgedruckt. Clausens Brief begann mit den folgenden Worten: „Ich bin so glücklich Ihnen einen neuen Fund melden zu können, den ich in der Cometentheorie gemacht habe, daß nemlich die beiden Cometen von 1743 Jan[uar] und 1819 Nov[em]b[e]r sehr wahrscheinlich identisch sind [...]“ (Astronomische Nachrichten 10 (Nr. 237), 1833, Sp. 345–348, hier Sp. 345). St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 81, l. 3r. Der Brief wurde am 9./21.1.1830 in der Akademiekonferenz verlesen.

2. Thomas Clausen (1801–1885)

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matik in der Verkümmerung so ganz zu Grunde ginge. Ließe sich nicht etwas für ihn thun? Sie, mein theurer Freund, denken viel zu großmüthig, als daß sein störriger undankbarer Charakter nicht stets von seinem T a l e n t getrennt Ihnen erscheinen s o l l t e “ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 377– 378, ergänzt nach: Briefwechsel Gauß–Schumacher 1969, S. 108). Schumacher antwortete Gauß, dass er Clausen ein wenig geholfen habe. Ferner vermutete er, dass für Clausen eine Daueranstellung bei Wilhelm Struve in Dorpat möglich sei: „Ich habe [...], da er keinen Schilling mehr in der Tasche, und die letzten Nächte, ehe ich ihn sah, auf dem Felde geschlafen hatte, gleich 10 Thaler gegeben, und werde Alles in meiner Macht thun, ihn irgendwo anzubringen. Bei mir ist in diesem Augenblicke keine Stelle offen, und ebensowenig kann ich, wo das zweite Wort, wie jetzt, Oeconomie ist, auf n e u e Ausgaben antragen. Indessen denke ich, wenn man nur für das erste dringendste Bedürfnis Rath schafft, wird sich wohl in Russland irgend eine kleine Anstellung durch Struve finden. Dass er eine Arbeit über den Cometen von 1770 vollendet hat, wird er Ihnen gesagt haben. Er hat mir mehrere kleine Sachen gegeben, die sehr elegant scheinen, z.B. den Bruch der nten Bernouillischen [sic] Zahl zu finden“ (ebenda, S. 379). In Altona versuchte sich Clausen nunmehr durch Rechenarbeiten, zum Beispiel für Johann Franz Encke, das heißt für das „Berliner Astronomische Jahrbuch“, und durch andere Auftragsarbeiten finanziell mehr schlecht als recht über Wasser zu halten.

2.2.2. Dorpat: 1842–1885 Anfang 1842 erhielt Clausen das Angebot, in Dorpat die Stelle eines Observators an der Sternwarte wahrzunehmen. Nachdem Wilhelm Struve nach Pulkowo übergesiedelt war, wirkte in Dorpat seit 1840 Johann Heinrich Mädler als Professor für Astronomie an der Universität und als Direktor der Sternwarte. Am 28. Oktober 1842 kam Clausen nach Dorpat (Biermann 1964a, S. 179). Obwohl er über keinen Studienabschluss verfügte, wurde er 1844 bei Friedrich Wilhelm Bessel in Königsberg honoris causa promoviert. Clausen und Mädler waren offensichtlich ein gutes Team, von Schwierigkeiten in puncto Zusammenarbeit ist nichts bekannt. Clausen erhielt die üblichen Beförderungen im russischen Staatsdienst: 1848 wurde er Hofrat, 1852 Kollegienrat und 1862 Staatsrat (ebenda, S. 184). Im Sommer 1864 besuchte Clausen Pulkowo, wo er mit Otto Struve, der viel von Clausens wissenschaftlicher Leistung hielt, freundschaftliche Beziehungen pflegte. Auch dachte Otto Struve 1862 offensichtlich daran, Clausen nach Pulkowo zu berufen, was dieser aber nicht wollte (ebenda, S. 186–187).

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Abb. 15. Die Sternwarte in Dorpat um 1850, Clausens Wirkungsstätte von 1842 bis 1872 In: Westermann’s Jahrbuch der Illustrirten Deutschen Monatshefte 17, 1864/65, S. 408. Exemplar der SUB Göttingen.

Im Jahre 1856 wurde Thomas Clausen von der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen mit der Gauß-Gedenkmedaille geehrt. Diese war vom König von Hannover Georg V. in Auftrag gegeben worden; sie trägt auf der einen Seite die später berühmt gewordene Aufschrift „princeps mathematicorum“. Clausen erhielt zwei Exemplare dieser Medaille, eine in Silber und

2. Thomas Clausen (1801–1885)

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eine in Bronze. Diese Medaille, die an „hervorragende und mit dem verstorbenen Geh[eimen] Hofrath Gauß befreundete Astronomen, Mathematiker und Physiker“ verliehen wurde, erinnerte Clausen auch an das tatkräftige Wohlwollen, das ihm Gauß über 30 Jahre lang bewahrt hatte (Biermann 1964a, S. 185).10

Abb. 16. Grab von Thomas Clausen auf dem alten Johannes-Friedhof in Tartu Photographie vom Oktober 2010.

Nachdem Mädler im Jahre 1865 in den Ruhestand versetzt worden war, wurde Clausen, obwohl selbst schon fast 65 Jahre alt, sein Nachfolger als Professor für Astronomie und Direktor der Sternwarte in Dorpat. Bei der Berufung von Clausen spielte eine wesentliche Rolle, dass er Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen war. Von der Fakultät wurde dies mit der Bemerkung hervorgehoben: „ohne Zweifel durch Gauß herbeigeführt“. So verdankte Clausen ebenso wie sein Vorgänger Mädler seine Dorpater Stelle der Förderung von Gauß (ebenda, S. 187). Clausen wirkte dann noch sieben Jahre an der Universität. Im Jahre 1872, nachdem er insgesamt 30 Jahre an der Dorpater Sternwarte tätig gewesen war, trat er in 10 Die beiden Gedenkmedaillen in Silber und in Bronze wurden auch Lobačevskij zugesandt (siehe S. 514–515).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

den Ruhestand. Clausen blieb jedoch weiterhin in Dorpat und starb dort hochbetagt am 11./23. Mai 1885. Insgesamt hatte er etwa die Hälfte seines Lebens in Dorpat zugebracht. Clausens Nachfolger wurde Ludwig Schwarz, der seine Karriere 1846 als Assistent an der Sternwarte in Dorpat begonnen hatte. Schwarz übernahm im Jahre 1865 Clausens Observatorenstelle, als dieser zum Direktor avancierte. Als 1872 Clausen sein Amt niederlegte, wurde Schwarz Direktor der Sternwarte. Schwarz nahm die von Wilhelm Struve ins Leben gerufene Dorpater Publikationsreihe, die Mädler unter dem Titel „Beobachtungen der Kaiserlichen Universitäts-Sternwarte“ fortgesetzt hatte, wieder auf. Nach einer mehr als zwanzigjährigen Unterbrechung erschien 1887 der 17. Band. Clausen hatte diese Reihe ruhen lassen, obwohl Mädler auf eine Fortsetzung hoffte. Mädlers letzter Satz im Vorwort zu dem im Jahre 1866 erschienenen 16. Band lautete: „Der Verfasser schliesst mit dem Wunsche, dass die Reihenfolge dieser Bände, die jetzt ein halbes Jahrhundert umfassen, auch in Zukunft nicht unterbrochen werden möge.“11

2.2.3. Clausens Veröffentlichungen Clausen publizierte eine große Anzahl von Arbeiten aus den Bereichen der Reinen und der Angewandten Mathematik (Gaiduk 1967; Schönbeck 2004) sowie der Physik und der Astronomie (Biermann 1970). Jedoch veröffentlichte er bevorzugt kurze Zeitschriftenaufsätze; nur wenige seiner Ausführungen waren länger als zehn Seiten. Clausen löste zahlreiche in Zeitschriften veröffentlichte Aufgaben und machte sich häufig kritische Gedanken zu einzelnen Problemen aus größeren Werken, so von Cauchy, Gauß, Laplace, Legendre usw. Seine Arbeiten erschienen überwiegend in den „Astronomischen Nachrichten“ und im „Journal für die reine und angewandte Mathematik“, nachdem Clausen nach Dorpat übergesiedelt war, auch im „Archiv für Mathematik und Physik“ sowie im „Bulletin de l’Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg“. Er veröffentlichte nur wenige Arbeiten in lateinischer Sprache; die meisten von Clausens Beiträgen erschienen auf deutsch. Ein vollständiges Verzeichnis aller Schriften von Clausen gibt es bislang noch nicht. In der Astronomie widmete sich Clausen unter anderem den Kometen. Es ging ihm zunächst vor allem um den Vergleich von Umlaufsbahnen, um daraus eventuell auf Periodizität schließen zu können. Besondere Anerkennung erfuhr Clausen für seine ungewöhnlich lange, 25 Seiten umfassende Arbeit „Bestimmung der Bahn des Cometen von 1770“ (Clausen 1842). Er erhielt dafür ein Sonderlob von Bessel, das sogar veröffentlicht wurde: „Welche herrliche, oder richtiger, meisterhafte Arbeit ist die von Clausen über den Cometen 1770! sie ist eine Leistung unserer Zeit, welche unsere Nachkommen ihr

11 Beobachtungen der Kaiserlichen Universitäts-Sternwarte 16, 1866, S. IV.

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anzurechnen nicht vergessen werden.“12 Außerdem wurde ihm dafür der Preis der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Kopenhagen zuerkannt (Biermann 1964a, S. 176). Clausen stand mit zahlreichen Kollegen und Freunden in Briefkontakt. Es existieren noch seine Briefe an Friedrich Wilhelm Bessel, August Leopold Crelle, Erhard Adolf Matthiessen, Christian August Friedrich Peters, Heinrich Christian Schumacher, Otto Struve und Joseph von Utzschneider (ebenda, S. 186, 192, 197).

2.3. Clausen und Gauß 2.3.1. Die Werke von Gauß als Anknüpfungspunkt für Clausen Clausens mathematische Arbeiten wurden vor allem im „Journal für die reine und angewandte Mathematik“ veröffentlicht. In diesen Beiträgen bearbeitete Clausen nicht nur Themen, die Gauß aufgegriffen hatte, sondern er arbeitete auch Details zu einigen Punkten in Arbeiten von Gauß aus. So beschäftigte er sich zum Beispiel mit Kettenbrüchen und mit der hypergeometrischen Reihe,13 mit den „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801, p. 17)14 sowie mit Gauß’ Arbeit „Theoria attractionis corporum sphaeroidicorum ellipticorum homogeneorum“ (Gauß 1813),15 bei der es um die „Bestimmung der Lage der Haupt-Umdrehungs-Axen eines Körpers“ geht.16 Ferner lag der „Satz über den sphärischen Exceß“ aus Gauß’ „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ (Gauß 1828a, § 27, 28) Clausens 1843 veröffentlichter Arbeit „Neuer Beweis des von Gauss gefundenen Theorems in der Trigonometrie krummer Flächen“ zugrunde.17 In der Abhandlung „Ueber den Einfluss der Umdrehung und der Gestalt der Erde auf die scheinbaren Bewegungen an der Oberfläche derselben“, die 1852 erschien, ging Clausen von den Gaußschen Formeln aus, die die Umdrehung der Erde betreffen (Clausen 1852). Auch beschäftigte sich Clausen, unmittelbar an Gauß anknüpfend, mit der Theorie der binären Formen. Er berechnete hierzu „voluminöse“ Tafeln, die Gauß aber für ziemlich wertlos hielt. Was aus diesen Tafeln geworden ist, ist unbekannt (Biermann 1964a, S. 176). Diese Zusammenstellung der mathematischen Arbeiten von

12 13 14 15

Astronomische Nachrichten 19 (Nr. 451), 1842, Sp. 336. Journal für die reine und angewandte Mathematik 3, 1828, S. 87–88, 89–91, 92–95. Ebenda, S. 314. Journal für die reine und angewandte Mathematik 5, 1830, S. 383–385 sowie 6, 1830, S. 290–295; Astronomische Nachrichten 21 (Nr. 501), 1844, Sp. 333–335, (Nr. 502) S. 349–350. 16 Journal für die reine und angewandte Mathematik 5, 1830, S. 383–385. 17 Astronomische Nachrichten 20 (Nr. 459), 1843, Sp. 33–40.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Clausen ist sicher unvollständig, aber sie zeigt deutlich, dass Clausen mit dem Werk von Gauß gut vertraut war.

2.3.2. Die Wahl von Clausen zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen Am 18. Oktober 1854 stellte Gauß einen Antrag an die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Thomas Clausen, Johann Christian Poggendorff, Carl Ludwig Christian Rümcker und Ludwig Seidel als Korrespondierende Mitglieder aufzunehmen: „In Berücksichtigung der Verluste, welche die mathematische Classe unsrer Societät in den beiden letzten Jahren erlitten hat, so wie des Umstandes, daß im vorigen Jahre für diese Classe neue Ernennungen nicht Statt gefunden haben (Nachrichten für 1853 S. 195), beehre ich mich, im Einverständniß mit den übrigen Herren Mitgliedern der mathematischen Classe, folgende Vorschläge neuer Ernennungen zur vorläufigen Kenntniß der Societät zu bringen: [...] 3) zu Correspondenten Hrn. Dr. Thomas Clausen, Observator an der Sternwarte zu Dorpat, Hrn. Professor Johann Christian Poggendorff zu Berlin, Hrn. Carl Rümcker, Direktor der Sternwarte und der Navigationsschule zu Hamburg, Hrn. Professor Ludwig Seidel zu München, alles Männer von anerkanntem Verdienst in den resp. Fächern von Mathematik, Astronomie und Physik. Ich ersuche unsern verehrten Herrn Secretär,18 wegen dieser Vorschläge das Weitere gütigst einleiten zu wollen. den 18 October 1854. Gauß.“19

Der Name Clausen stand an erster Stelle, vielleicht nur auf Grund der alphabetischen Reihenfolge. Dennoch macht der Vorschlag von Gauß deutlich, dass das Wohlwollen, das er Clausen entgegenbrachte, noch immer Bestand hatte. Die Sitzung der Göttinger Societät fand am 4. November 1854 statt. Die Wahl Clausens erfolgte laut dem Protokoll einstimmig mit 18 weißen Kugeln.20

18 Johann Friedrich Ludwig Hausmann. 19 Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Pers. 12, Bl. 146. 20 Ebenda, Bl. 150.

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2.4. Inhalt des Briefes Trotz des intensiven Kontaktes zwischen Clausen und Gauß existiert nur ein einziger Brief vom Januar 1855, der in Göttingen vorhanden ist. Anlass für diesen Brief war, dass Clausen Ende des Jahres 1854 auf Veranlassung von Gauß Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen geworden war und er sich nun bei Gauß für diese große Ehre bedankte. In dem Brief werden zahlreiche Themen behandelt: es geht um Details aus den Bereichen Mathematik, Astronomie, Physik sowie Vermessungswesen. Clausen beginnt mit dem Problem der Niveauflächen der Erde, wobei Pendellängen zur Bestimmung der Abplattung der Erde eine Rolle spielen. Clausens Ausführungen hierzu sind durchaus originell und mathematisch sehr anspruchsvoll. Sodann kommt er auf die Fermatsche Vermutung zu sprechen und zeigt, dass 264 + 1 keine Primzahl ist. Zum Schluss behandelt er noch die Bewegung des Mondperigäums. Clausens Ausführungen machen deutlich, dass seine mathematischen Kenntnisse von hoher Qualität waren. Auch alle seine Berechnungen sind von einer sorgfältigen Fehlerrechnung mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate begleitet. Dieser Brief von Clausen ist wahrscheinlich der letzte Brief, den Gauß aus Russland erhalten hat. Sechs Wochen, nachdem Clausen sich an seinen verehrten Gönner gewandt hatte, verstarb dieser am 23. Februar 1855 in Göttingen.

2.5. Der Brief Clausen an Gauß, 1./13. Januar 1855 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Th. Clausen (7 S.)

Dorpat d[en] 1sten Januar 1855. Hochwohlgeborner Herr Geheimerrath, Verehrtester Gönner. Von Ihrer weltberühmten Societat [sic] zum correspondiernden Mitgliede ernannt zu sein, hat mir eine unerwartete und sehr große Freude gemacht. Ich bitte derselben für diese ausserordentlichen [sic] Ehre meinen verbindlichsten Dank sagen zu wollen. Insbesondere aber empfangen Sie für diese, mir für Ihre in früheren Zeiten erwiesene Güte und Theilnahme meinen innigsten Dank. Erlauben Sie, Ihnen bei dieser Gelegenheit das Resultat einer von mir kürzlich beendeten Rechnung vorzulegen. Es betrifft diese die Grösse und Gestalt der äußern Niveauxfläche der Erde, nebst der Anziehung derselben auf Puncte, die ausser ihr liegen. Bekanntlich haben die Abplattungen, die aus den Gradmessungen und Pendelbeobachtungen abgeleitet wurden, bisher sehr differirt; wodurch diese Grösse sehr unzuverlässig wurde. Ich faßte daher den Entschluß dieses Element aus

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Carl Friedrich Gauß und Russland

beiden mit Rücksicht auf ihre resp[ektiven] Gewichte nach der Methode der kleinsten Quadrate zu bestimmen. Zuvor bemerkte ich, daß die Annahme reinelliptischer Meridiane, wie Schmidt in seiner mathemat[ischen] Geographie gezeigt hat,21 bei einer heterogenen Masse unzulässig sei. Ich setzte demnach die Länge des Erdquadranten vom Aequator bis zum Puncte dessen Polhöhe θ ist22 s = k + kƍsin 2θ + kƍƍsin 4θ Durch Einführung einer dritten Unbekannten, wird der mittlere Fehler dieser Grössen bedeutend vergrössert, daß der Unterschied der aus den Gradmessungen abgeleiteten Abplattung von der aus den Pendellängen abgeleiteten viel geringer erscheint. Die in den A[stronomischen] N[achrichten] ʋ 33323 und ʋ 43824 von Bessel aufgeführten Messungen geben mir mittl. Fehler ±365,T5 k... 3267096,T2 – 8645, 5 .... ±324, 7 kƍ . . . kƎ . . . 181, 2 .... ±116, 9 Bei Hinzuziehung der Pendellängen war es nun noch nöthig die Anziehung der Erde, die bei Laplace nur bis auf Größen erster Ordnung entwickelt ist, um ein Glied weiter zu entwickeln. Ich habe dies auf folgende Weise bewerkstelligt. An wS wS der Erdoberfläche ist x = ³  ( wT ) sinTwT , y = ³ ( wT ) cosTwT , wenn x die Coordinate im Meridiandurchschnitte bedeutet, die dem Aequator parallel ist, und y die der Erdaxe parallele. Für Puncte ausserhalb der Oberfläche füge ich die Grössen (p–k) cos θ, (p–k) sin θ resp[ektive] hinzu, so daß p–k die von dem gegebenen Puncte nach dem Erdsphäroid gezogene kürzeste Linie bedeutet. Auf diese wV Weise wird – ( wp ) (V = Potential) die nach den Verticalen zerlegten [sic] Anziehung. Setzt man die Entfernung eines Puncts vom Mittelpuncte der Erde r, und den Winkel des nach diesem Mittelpuncte gezogenen Graden mit dem Aequator ij, so wird der Ausdruck des Potentials in der Voraussetzung eines Umdrehungssphäroids V=

P1 P2 1 3  (  cos 2M ) r r3 2 2

+

P4 3 5 35 cos 4M ) (  cos 2M  24 r5 8 6

(P1, P2, P4 bezeichnen Constanten) 1

An der Erdoberfläche ist bekanntlich V + 2 n2 x2 constant, daß wenn man in den Ausdruck für V statt r und ij, ihre Werthe in p und θ ausgedrückt substituiert hat, und nach der Substitution p = k gesetzt hat, die beiden Coefficienten von cos 2θ und cos 4θ verschwinden müssen. Dadurch werden P2 und P4 durch P1 ausge-

21 „Lehrbuch der mathematischen und physischen Geographie“ (Schmidt 1829/30). 22 Die Formel muss so lauten: s = kθ + kƍsin 2θ + kƍƍsin 4θ. Herrn Axel Wittman sei für den Hinweis herzlich gedankt. 23 „Bestimmung der Axen des elliptischen Rotationssphäroids, welches den vorhandenen Messungen von Meridianbögen der Erde am meisten entspricht“ (Bessel 1837). 24 „Ueber einen Fehler in der Berechnung der französischen Gradmessung und seinen Einfluss auf die Bestimmung der Figur der Erde“ (Bessel 1842).

2. Thomas Clausen (1801–1885)

drückt. Da



1 w(V  nx 2 ) 2 wp

201

die scheinbare Schwere bedeutet, so braucht man nur einen

speciellen Werth derselben um P1 zu bestimmen, wozu ich Bessels Pendellänge für Königsberg genommen habe.25 Die hiedurch erhaltenen Ausdrücke von P1, P2, P4 in k, kƍ, kƎ habe ich nachher differentiirt, und so die Bedingungsgleichungen gebildet, die nöthig sind, um die Pendellängen zu den Gradmessungen hinzuzuziehn. Die Pendelbeobachtungen, die ich angewandt habe, stehen in einer Schrift von Dr. H. G. Borenius: Dissertatio academica de gravitate, ope penduli etc. Helsingforsiae 1845,26 die 47 Beobachtungen enthält, die der Verfasser zu einem andern Zwecke in Rechnung gezogen hat. Nachdem ich diese hinzugezogen, finde ich folgende wahrscheinlichste Werthe mittlerer Fehler ± 161,T3 k.. 3266942,T31 – 8530, 07 .... ± 94, 0 kƍ . . kƎ . . 100, 74 .... ± 49, 7 Der mittlere Fehler der Abplattung wird hierdurch noch geringer als der von Bessel angegebene. Die Abplattung selbst aber sehr bedeutend grösser. Die Summe der Quadrate der Fehler der Gradmessungen allein beträgt 45425 mit Bessels Ellipsoid mit meinen Endwerthen 43450 mit meinen ersten Werthen 41785 Sie sehen, daß die Gradmessungen auf diese Weise, selbst nach Zuziehung der Pendelbeobachtungen, besser dargestellt werden, als durch Bessels Ellipsoid. Die Summe der Quadrate der Fehler der Pendellängen ist für sich berechnet . . 664 mit meinen Endwerthen . . 714 886 mit Bessels Ellipsoid . . Die neue russische Gradmessung habe ich nicht hinzuziehen können, da sie noch nicht veröffentlicht ist, eben so wenig die englische am Cap. Die Unterschiede der Längen der Meridiane zwischen mir und Bessel sind, von 5° zu 5° folgende. 0° ° 35° – 55,T55 65° + 16,T24 5 + 2,T25 10 + 2, 42 40 70, 54 70 84, 10 – 1. 16 45 79, 54 75 169, 30 15 20 9, 40 50 78, 60 80 269, 10 25 Siehe: „Untersuchungen über die Länge des einfachen Secundenpendels“ (Bessel 1828). Dort bestimmte Bessel die Länge des Sekundenpendels für Königsberg, für die er 440,8147 Linien (9943898 mm) fand (Lawrynowicz 1995, S. 256). 26 „Dissertatio academica, De gravitate, ope penduli ex dato situ geographico, determinanda, venia amplissima facultatis philosophicae ad imperialem alexandream in Fennia universitatem“ (Borenius 1845).

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25 22, 22 55 64, 07 85 379, 47 30° – 38, 37 60° – 33, 03 90° 495, 36 und zwar müssen diese Grössen zu den Angaben nach Bessel addirt werden. Es ergiebt sich also für die russische Messung auf dem Bogen 55°–70° ein Unterschied von 148T oder beiläufig 9Ǝ Bogen, welches sehr bedeutend ist. Es lassen sich nun auch die Mondgleichungen, die von der sphäroid[ischen] Gestalt der Erde abhängen, mit grösserer Genauigkeit als bisher bestimmen. Der mittlere Fehler des hiezu dienenden Coefficienten ist blos 481, 7 seines Werthes, und die Grösse der Breitengleichung beiläufig 8Ǝ,94 welches von dem Airyschen Resultate A[stronomische] N[achrichten] ʋ 685 . . . – 8Ǝ,58 (= – 8Ǝ,75 + 0,17) blos um 0Ǝ,36 abweicht.27 Die Längengleichung ist, wie ich vermuthe, nicht vollständig theoretisch entwikelt, da sie bedeutend abweicht. Ich bemerke beiläufig, dass ich die Hansenschen Ergänzungsglieder A[stronomische] N[achrichten] ʋ 685 auf ziemlich einfache Weise nahe übereinstimmend gefunden habe. Ich habe mich auch etwas mit der Zahlentheorie beschäftigt und die Methode der Zerlegung einer Primzahl, wie Sie in der Th[eoria] resid[uorum] biquad[raticorum]28 p 21, auf Primzahlen von der Form 5n + 1 auszudehnen gesucht. Nach vielen Jahren ist es mir gelungen folgenden Ausdruck zu finden 32 p = (k + kƍ

5 )2

+ (5 – 2

5 )(kƎ

+ kƎƍ

5 )2

wen[n] p eine Primzahl von der Form 5n + 1 ist. (Ich schreibe diese Formel aus dem Gedächtniß, da ich meine Rechnung durchaus nicht finden kan[n].) Auch habe ich gefunden, daß die Zahl 264 + 1 in die beiden Primfactoren 2 7 4 1 7 7 und 6 7 2 8 0 4 2 1 3 1 0 7 2 1 zerlegt werden kan[n]; die letztere ist, so viel ich weis, die grösste bis jetzt bekannte Primzahl.29 Haben Sie einige Aufmerksamkeit auf die, in dem Philosophical Magazine neulich von Challis angegebene Methode die mittlere Bewegung des aPerigäums zu bestimmen, gerichtet?30 Es scheint mir diese eine Lücke in der Mondstheorie auszufüllen; etwa wie kan[n] man sich von der Convergenz überzeugen, wenn die erste Annäherung blos die Hälfte der gesuchten Grösse giebt? Die Challissche Formel giebt ganz beiläufig gerechnet, diese Bewegung eben so genau als die Méc[anique]

27 Siehe: Hansen 1849, Sp. 196. Dort wird Airy zitiert, dessen Resultat aber sieht dort so aus: „in der Mondbreite – 8,75 sin (Mond-Länge) + 2,17 cos (Mond-Länge)“. 28 „Theoria residuorum biquadraticorum. Commentatio prima“ (Gauß 1828b). 29 Es handelt sich hier um die Fermatsche Vermutung, die besagt, dass alle Zahlen der Form Fm: = 2n+1 mit n = 2m Primzahlen seien. Es war Christian Goldbach, der Leonhard Euler in einem Brief vom 1.12.1729 auf diese Vermutung aufmerksam machte. Dies war der Anlass für Euler, sich mit Zahlentheorie zu beschäftigen. In seiner ersten zahlentheoretischen Arbeit zeigte Euler, dass die Fermatsche Vermutung für m = 5 nicht gültig ist (Euler 1738; E 26). Clausen gelang es hier, aufzuzeigen, dass die Fermatsche Vermutung auch für m = 6 nicht gilt. Leider ist die zahlentheoretische Methode, mittels derer Clausen zu diesem Ergebnis gelangte, unbekannt geblieben (Biermann 1964a, S. 185). 30 „Proofs of two new Theorems relating to the Moon’s Orbit“ (Challis 1854).

2. Thomas Clausen (1801–1885)

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cél[este].31 Auch giebt sie die Ergänzungsglieder zu der elliptischen Mittelpunctsgleichung, und eben so auf die Planetenstörungen angewandt, solche Glieder wie Hansen in der Saturnstheorie gefunden, und die in der Méc[anique] cél[este] gänzlich fehlen. Schließlich meine besten Wünsche zum neuen Jahre! Mit der Bitte mir ferner Ihre unschätzbare Gewogenheit erhalten zu wollen, verbleibe ich mit der grössten Hochachtung und Verehrung Ihr dankbar ergebenster Th. Clausen

31 „Traité de mécanique céleste“ (Laplace 1799–1825).

Abb. 17. Schattenriss von Nikolaus Fuß Angefertigt um 1784 von Johann Friedrich Anthing. Aus: Modzalevskij 1908, S. 367 sowie S. VIII.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826) ɇɢɤɨɥɚɣ ɂɜɚɧɨɜɢɱ Ɏɭɫɫ / Nikolaj Ivanovič Fuss

3.1. Nikolaus Fuß’ Lebenslauf im Überblick * 30.1.1755 1773

Nikolaus Fuß in Basel geboren Ankunft in St. Petersburg; Sekretär sowie Hilfe und Stütze des bereits erblindeten Leonhard Euler 1776 Adjunkt an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg 12./23.10.1783 „Lobrede auf Herrn Leonhard Euler“ in der Versammlung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg in französischer Sprache 1783 Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg 1784 Heirat mit Albertine Euler, 13 Kinder 1786 In Basel erscheint die „Lobrede auf Herrn Leonhard Euler“ in deutscher Sprache mit dem „Verzeichnis der Schriften des Herrn Leonhard Euler“ und einem Vorwort von Nikolaus Fuß vom 28. April 1785 1786–1803 Professor für Mathematik am Seekadettenkorps in St. Petersburg 19.9.1793 Wahl zum Auswärtigen Mitglied der Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres in Berlin 1799 Annahme der russischen Staatsbürgerschaft 1800–1826 Ständiger Sekretär der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Nachfolger von Johann Albrecht Euler 1802 Wahl zum Auswärtigen Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen auf Vorschlag von Christian Gottlob Heyne 1808 Wahl zum Auswärtigen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1823 Abfassung eines ungünstigen Urteils über ein Geometrielehrbuch von Nikolaj Lobačevskij † 23.12.1825/4.1.1826 gestorben in St. Petersburg. Sein Nachfolger im Amt des Ständigen Sekretärs der Akademie wird sein Sohn Paul Heinrich Fuß

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Carl Friedrich Gauß und Russland

3.2. Miszellen zu Leben und Werk Im Alter von 18 Jahren kam Nikolaus Fuß nach St. Petersburg, wo er einer der treuesten und zuverlässigsten Mitarbeiter Leonhard Eulers wurde. Fuß gehörte zum engen Kreis der Schüler von Euler, dem auch Michail Evseevič Golovin, Pëtr Borisovič Inochodcev, Semën Kirillovič Kotel’nikov, Wolfgang Ludwig Krafft, Andreas Johann Lexell und Stepan Jakovlevič Rumovskij angehörten. Zwar arbeitete Nikolaus Fuß auf den verschiedensten Gebieten mit Euler zusammen, was aber seine eigenen Arbeiten anbelangt, so war Fuß in erster Linie Mathematiker. Seine erste Publikation erschien im Jahre 1774. Noch zu Lebzeiten Leonhard Eulers wurde er 1778/80 von der Pariser Akademie für seinen Beitrag „Recherches sur le dérangement d’une comète qui passe près d’une planète“ mit einem Preis ausgezeichnet (Fuß, N. 1785).1 Seiner Schrift hatte Fuß einen Zettel beigelegt, auf dem er vermerkte, dass, wenn die Arbeit verdienstvoll sein sollte, Leonhard Euler das Verdienst daran zukäme. Auch bat Fuß, im Falle einer Auszeichnung diese Tatsache öffentlich bekannt zu machen.2 Als Leonhard Euler am 7./18. September 1783 in St. Petersburg verstorben war, sorgte Fuß für einen gebührenden Nachruf, der am 12./23. Oktober 1783 in der Versammlung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg auf französisch verlesen wurde.3 Die 1786 in Basel in deutscher Sprache veröffentlichte Lobrede begann mit einer 1785 in St. Petersburg verfassten Widmung: „An mein Vaterland. Wenn der Glanz, den ein grosser Mann über sein Zeitalter verbreitet, sich auch seinem Geburtsorte mittheilt; wenn eine Stadt stolz auf das Verdienst ausserordentlicher Genies seyn darf, die aus ihren Mauren hervorgegangen sind, der Welt durch vorzügliche Talente zu nützen: wem könnte ich mit grösserm Recht gegenwärtige Lobrede wiedmen, als D i r, theures, unvergeßliches B a s e l, D i r, der Wiege der B e r n o u l l i, H e r m a n n s und E u l e r s, die Europa mit Ehrfurcht nennt und derer Andenken jedem Verehrer der Wissenschaften heilig ist! 1

2

3

Im Vorwort heißt es: „Ce Mémoire & l’Addition qui l’accompagne ont obtenu un Prix en 1778. Le Prix étoit double, & l’Académie en a réservé la moitié, & a de nouveau proposé la même question, avec un Prix double pour l’année 1780. L’Auteur de cette Pièce est M. Fuss, de l’Académie de Pétersbourg, élève de M. Euler, dont il a épousé la petite-fille en 1784“ (Fuß, N. 1785, préface S. V). Aus dem Vorwort: „Dans le billet cacheté, où M. Fuss avoit déposé son nom, il déclaroit que si sa Pièce avoit quelque mérite, il le devoit aux conseils utiles que M. Euler lui avoit données, & prioit de rendre cette déclaration publique. M. Fuss étoit alors très-jeune; & si la jeunesse est le temps où la modestie est le plus un devoir, c’est aussi l’époque de la vie où il est plus rare & plus méritoire de le remplir“ (Fuß, N. 1785, préface S. V–VI). Die Originalfassung wurde 1783 in St. Petersburg in französischer Sprache unter dem folgenden Titel veröffentlicht: „Éloge de M. Euler, lu à l’académie imperiale des sciences. Avec une liste complete des ouvrages de M. Euler“.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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Nimm dieses Opfer, das einer D e i n e r Söhne D i r, von den Ufern der Neva her, aus Dankbarkeit und Vaterlandsliebe darbringt, als ein Zeichen seiner unveränderlichen Zuneigung und Treue gütig an.“ Nikolaus Fuß schloss seine Lobrede mit dem folgenden Satz: „Freunde, Akademiker! beweint ihn [Euler] mit den Wissenschaften, die ihm so viel zu danken haben; mit der Akademie, die nie so viel verlohr; mit seiner Familie, deren Stolz und Stütze er gewesen ist. Meine Thränen vermischen sich mit den Eurigen und das Andenken an das, was ich ihm selbst schuldig bin, wird nur mit meinem letzten Athemzug verlöschen“ (Fuß, N. 1786, S. 3–4, 122; vgl. Opera omnia S. XLV, XCV). Die 1786 in St. Petersburg veröffentlichte Originalarbeit endete mit einer Liste derjenigen Werke Eulers, die Nikolaus Fuß damals bekannt waren. Dieses Verzeichnis umfasste fast 700 Titel (Fuß, N. 1786, S. 123–181; vgl. Biermann 1983, S. 493). Ein Jahr nach Eulers Tod heiratete Nikolaus Fuß Albertine Benedikte Philippine Luise Euler, eine Tochter von Leonhard Eulers Sohn Johann Albrecht. Das Ehepaar Fuß hatte 13 Kinder, darunter den Sohn Paul Heinrich. Am 19. September 1793 wurde Nikolaus Fuß zum Auswärtigen Mitglied der Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres in Berlin gewählt.4 Seine Arbeitsgebiete waren vorwiegend elementare, höhere und sphärische Geometrie, Polygone, Algebra und Analysis, aber auch Physik, Mechanik und Astronomie. Die meisten seiner Beiträge wurden in den „Acta Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae“, in den „Nova Acta Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae“ sowie in den „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“ veröffentlicht (Lysenko 1975, S. 32–70; Fuß, N. 2002). Viele dieser Arbeiten standen thematisch in engem Zusammenhang mit dem Werk Leonhard Eulers. Besonders erwähnt sei seine Arbeit „Versuch einer Theorie des Widerstandes zwey- und vierrädriger Fuhrwerke, auf Fahrwegen jeder Art; mit Bestimmung der Umstände, unter welchen die einen vor den andern den Vorzug verdienen“, für die er 1797 den ersten Preis der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften zu Kopenhagen erhielt (Fuß, N. 1798). Seit 1769 hatte der älteste Sohn von Leonhard Euler, Johann Albrecht, das Amt des Konferenzsekretärs bzw. des Ständigen Sekretärs der Akademie der Wissenschaften inne. Als er am 7./18. September 1800 verstorben war, wurde sein Schwiegersohn Nikolaus Fuß noch an demselben Tag zum Nachfolger bestimmt (Procès-verbaux 1911, S. 847–849, § 230 und 232). Es war dies ein besonderer Glücksfall für Gauß, da Nikolaus Fuß eine hinreichende mathematische und astronomische Kompetenz besaß, um Gauß’ Werke zu verstehen und ihre Bedeutung richtig einschätzen zu können. Zu den Aufgaben eines 4

Hinweise zu Fuß’ Aufnahme ließen sich im Gesamtsitzungsprotokoll (Sign.: I-IV-33, Bl. 177v) und in den Personalakten (Sign.: I-III-4, Bl. 70v, 338r, 339r) ermitteln. Freundliche Auskunft des Archivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Ständigen Sekretärs der Akademie gehörte es unter anderem, die Protokolle der Akademiekonferenz zu führen sowie den Briefwechsel mit Gelehrten und Institutionen europaweit zu pflegen. Die handschriftlichen Akademieprotokolle aus Fuß’ Amtszeit liegen in der St. Petersburger Filiale der Russländischen Akademie der Wissenschaften. Veröffentlicht wurden bislang nur die Protokolle aus der Zeit vor dem 1. Januar 1804 und nach dem 29. Dezember 1826. Die Sammlung der Briefe von Fuß im Akademiearchiv weist erhebliche Lücken auf. Dies gilt insbesondere für die Zeit von 1812 bis 1826. Ein Teil des brieflichen Nachlasses von Nikolaus Fuß befindet sich in der Universitätsbibliothek Leipzig.5 Kurze Zeit nach Fuß’ Amtsantritt geschah in Russland ein Machtwechsel. Nach der Ermordung von Pavel I. wurde am 12./24. März 1801 ein neuer Kaiser inthronisiert, Alexander I. So fiel der Beginn von Nikolaus Fuß’ Amtszeit als Ständiger Sekretär der Akademie in eine Zeit der Reformen von Bildung und Wissenschaft, die Alexander I. und seine Mitarbeiter in die Wege leiteten. Der Präsident der Akademie, Baron Heinrich Ludwig von Nicolai, der sein Amt seit 1798 innegehabt hatte, wurde 1803 durch Nikolaj Nikolaevič Novosil’cev abgelöst. Auch für den Vizepräsidenten Stepan Jakovlevič Rumovskij endete 1803 der Dienst an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Er wurde zum Kurator des neu zu organisierenden Bildungsbezirks Kasan ernannt, blieb jedoch weiterhin in der russischen Hauptstadt. Im Jahre 1802 wurde Fuß zum Auswärtigen Mitglied der Mathematischen Klasse der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gewählt (Krahnke 2001, S. 88). Den Vorschlag dazu hatte der Klassische Philologe und Bibliothekar der Universität Göttingen Christian Gottlob Heyne gemacht. Bei dem wissenschaftlichen Austausch mit Gauß spielten Fuß’ Kollegen an der Akademie Friedrich Theodor Schubert und Vincent Wishniewsky eine wichtige Rolle. Nachdem Gauß 1803 den Ruf als Astronom an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg abgelehnt hatte, erhielt Friedrich Theodor Schubert, der an der Akademie seit 1789 Ordentliches Mitglied für Mathematik war, 1803 die Stelle für Astronomie, die er bis zu seinem Tod im Jahre 1825 innehaben sollte (siehe S. 618–621). Gleichzeitig wurde Vincent Wishniewsky als Adjunkt nach St. Petersburg berufen, der vorher an der Berliner Akademiesternwarte bei Johann Elert Bode tätig gewesen war. Offiziell trat Wishniewsky sein Amt am 15./27. Februar 1804 an. 1807 wurde er Außerordentliches und 1815 Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Im Jahre 1823 schickte der damalige Kurator der Universität Kasan, Michail Leont’evič Magnickij, das Manuskript eines Lehrbuches der Geometrie von Nikolaj Ivanovič Lobačevskij, der in Kasan seit 1822 eine Ordentliche Professur für Reine Mathematik bekleidete, an Fuß zur Begutachtung. Ob5

Der Teilnachlass von Nikolaus Fuß an der Universitätsbibliothek Leipzig wird von Karin Reich bearbeitet.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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wohl das Manuskript anonym gesandt wurde, sei dahingestellt, ob der Name des Autors Fuß tatsächlich unbekannt war.6 Lobačevskij hoffte, dass sein Werk auf Staatskosten gedruckt werden könne. Das Gutachten von Nikolaus Fuß fiel jedoch derartig ungünstig aus, dass an eine Drucklegung nicht zu denken war. Fuß’ Gutachten zeigt auch, dass sein Verfasser die neuen, von Lobačevskij verwendeten und aus Frankreich stammenden Dezimalmaße wie etwa der Meter ablehnte, waren diese doch ein Produkt der Französischen Revolution (Zagoskin 1904: 4, S. 54–56; Engel 1899, S. 368). Ferner heißt es in dem Gutachten, dass die Abhandlung von Lobačevskij keine Geometrie beziehungsweise keine systematische Darstellung dieser Wissenschaft sei. Der Autor habe wenig Ahnung davon, was man von einem Lehrbuch sowie von mathematischen Methoden, Begriffen und Beweisen erwarten müsse. Sein Urteil schließt Fuß mit der Feststellung ab, dass eine derartige Geometrie nicht als Lehrbuch angenommen werden könne. Das Gutachten von Fuß wurde später vollständig veröffentlicht (Zagoskin 1904: 4, S. 55–56; Modzalevskij 1948, S. 155–157). Das Manuskript von Lobačevskij wurde erst im Jahre 1909 publiziert. Das Gesamtverzeichnis von Nikolaus Fuß’ Schriften umfasst 114 Titel (Lysenko 1975, S. 93–106). Als Nikolaus Fuß starb, hinterließ er 13 unveröffentlichte Arbeiten, die zu seinen Lebzeiten und auch noch im Jahre 1826 an der Akademie verlesen worden waren. Diese Schriften erschienen 1830 in einem Sonderband (Euler/Schubert/Fuß 1830, S. 209–320).

3.3. Der Briefwechsel Die Kontakte zwischen den in der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und den in Deutschland wirkenden Gelehrten waren Ende des 18. Jahrhunderts sehr intensiv. Bereits 1785 wurde der Direktor der Berliner Akademiesternwarte, Johann Elert Bode, Korrespondierendes Mitglied der Akademie in St. Petersburg. Im Jahre 1793 wurde Johann Friedrich Pfaff Akademiemitglied, mit dessen Unterstützung 1799 Gauß die Doktorwürde an der Universität Helmstedt erlangen sollte. Eberhard August Wilhelm von Zimmermann sowie die Astronomen Hieronymus Schröter und Franz Xaver von Zach wurden im Jahre 1794 zu Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Aus der nächsten Umgebung von Gauß waren es vor allem Zimmermann und Pfaff, die Gauß’ Beziehungen zur Akademie in St. Petersburg anbahnten und förderten.

6

Siehe den Begleitbrief von Magnickij an Fuß vom 31.7./11.8.1823 (Modzalevskij 1948, S. 155).

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3.3.1. Gauß’ erste Kontakte zur Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Eberhard August Wilhelm von Zimmermann, der von 1766 bis 1815 als Professor der Mathematik und der Naturlehre am Collegium Carolinum in Braunschweig wirkte, hatte schon sehr früh Gauß’ Talente erkannt und versuchte nach Kräften, Gauß zu unterstützen und ihm beruflich weiterzuhelfen. Zimmermann selbst hatte schon, bevor er Mitglied der Akademie in St. Petersburg wurde, Beziehungen zu dieser Institution unterhalten. Er hatte 1786 sogar einen Ruf dorthin erhalten, den er jedoch ablehnte (Procèsverbaux 1911, S. 3–4, § 5 und S. 15, § 4). Am 28. Juli/9. August 1794 wurde Zimmermann zusammen mit einer Reihe anderer deutscher Wissenschaftler7 Auswärtiges Mitglied der Akademie (ebenda, S. 386–387, § 108); er bekam sogar ab Oktober 1797 ein jährliches Salär von 200 Rubeln (ebenda, S. 596, § 217, 218). So war es naheliegend, dass Zimmermann intensiv und nachhaltig versuchte, Kontakte zwischen Gauß und der Akademie in St. Petersburg herzustellen und diese zu intensivieren. Noch zu Lebzeiten von Johann Albrecht Euler, der bis zu seinem Tode am 7./18. September 1800 das Amt des Konferenzsekretärs bzw. des Ständigen Sekretärs der Akademie der Wissenschaften bekleidete, ließ Zimmermann die Akademie in einem Brief vom 16. Februar 1799 wissen: „Auf Ostern erscheint des jungen Gauss merkwürdige Schrift unter dem simplen Titel Disquisitiones arithmeticae […].“8 Bei dieser Schrift handelte sich um die tatsächlich erst 1801 erschienenen „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801). Der Brief von Zimmermann wurde am 7./18. März 1799 in der Akademiekonferenz in St. Petersburg verlesen, aber der Name Gauß wurde im Protokoll nicht vermerkt (Procès-verbaux 1911, S. 722, § 55). Im Mai 1800 schickte Zimmermann sowohl ein eigenes Werk als auch einige Exemplare von Gauß’ 1799 erschienener Dissertation an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Am 19. Oktober 1800 schrieb Zimmermann nunmehr an Nikolaus Fuß, der als Nachfolger seines Schwiegervaters Ständiger Sekretär der Akademie geworden war: „Ich hatte [...] auch ein Paar Exemplare einer schätzbaren Dissertation des Herrn Dr. Gauss beigelegt, die der Academie eine Probe gewesen wären, was man von dessem größeren mathematischen Werke, wovon bereits 30 Bogen abgedruckt, erwarten dürfe. Er gehört sicher zu den ersten Köpfen, die mir jemals vorgekommen sind, und ich werde nicht ermangeln, der Academie der Wissenschaften ein Exemplar von dem neuen Werke einzusenden, sobald ich nur erfahre, ob jenes frühere nebst meiner eigenen Arbeit dort richtig eingelaufen“ sind (Stieda 1927, S. 89). Im Protokoll der Akademie wurde am 29. Oktober/9. November 1800 festgehalten: „Le Secrétaire lut une 7 8

Bode, Burja, Gmelin, Hindenburg, Kant, Klügel, Schroeter und andere. St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 73, l. 9.

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lettre de Mr. le conseiller de cour de Zimmermann, membre pensionné de l’Académie à Brunswic, datée du 19 octobre qui mande avoir expédié au mois de mai passé, à l’adresse de feu Mr. Euler,9 un exemplaire du 2-d volume de son ouvrage, – Frankreich und America10 – et quelques exemplaires d’une dissertation estimable de Mr. le docteur Gaus[s], et il promet un ouvrage mathématique du même auteur, dont il fait les plus grands éloges. Comme l’Académie n’a pas reçu le premier envoy fait après la défense, et ne pourroit pas recevoir non plus le prochain envoy que Mr. de Zim[m]erman[n] annonce, le Secrétaire lui écrira de différer tous les envois de livres destinés pour l’Académie, jusqu’à ce qu’on les lui demandera“ (Procès-verbaux 1911, S. 862, § 292). Es ist dies das erstemal, dass der Name Gauß in den Protokollen der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg aufscheint. In der Tat war die Büchersendung Zimmermanns samt Gauß’ Dissertation aufgehalten worden. Das Buchpaket kam erst am 18./30. November 1801 bei der Akademie an, mit mehr als einem Jahr Verspätung. Der Grund für diese Verzögerung war, dass der russische Kaiser Pavel I. am 16./27. April 1800 ein Verbot für die Einfuhr ausländischer Literatur erlassen hatte, das erst am 12./24. April 1801, also nach seiner Ermordung, aufgehoben worden war (Ožigova 1976a, S. 274). Am 19. November 1800 ließ Zimmermann die Akademie in St. Petersburg wissen: „Er [Gauß] ist unstreitig einer der seltensten Köpfe aller Nationen […]; ich freue mich, daß ich ihn meinen Pflegesohn nennen darf. Sein Werk enthält unter einem sehr bescheidenen Titel tiefgedachte Wahrheiten“ (Stieda 1927, S. 90). Am 1. Januar 1801 schließlich informierte Zimmermann die Akademie: „Da bis jetzt des Dr. Gaus[s] Dissertation noch nicht bei der Akademie eingelaufen ist, so habe ich ihn ersucht, ferner Euer Hochwohlgeboren einen kleinen Aufsatz zu geben welchen Euer Hochwohlgeboren der Akademie gütigst vorlegen wollen. Das größere Werk wird nun mit Eifer gefördert […]. Es wird, soweit ich darüber zu urtheilen fähig bin, in seiner Art Epoche machen“ (Stieda 1927, S. 90). Dieser Brief wurde am 14./26. Januar 1801 in der Akademie in St. Petersburg verlesen, und im Protokoll wurde festgehalten: „Le Secrétaire lut une lettre de Mr. le conseiller de cour Zimmermann à Braunschweig, contenant diverses notices, relatives […] aux ouvrages analytiques de Mr. le docteur Gaus[s], dont Mr. Zimmermann parle avec beaucoup d’éloges et dont il fait une exposition assez détaillée“ (Procès-verbaux 1911, S. 877, § 13; vgl. Ožigova 1976a, S. 274). Wohl wegen der Verzögerung des Buchpaketes dürfte Zimmermann Gauß gebeten haben, eine Zusammenfassung sowohl seiner 1799 erschienenen Dissertation (Gauß 1799) als auch seiner „Disquisitiones arithmeticae“ zu schrei9 Johann Albrecht Euler. 10 Der zweite Band von Zimmermanns Werk „Frankreich und die Freistaaten von Nordamerika“ erschien 1799 in Braunschweig und war dem Russischen Kaiser Pavel I. gewidmet (Zimmermann 1795/1799).

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ben, die sich noch im Druck befanden (Gauß 1801). Wann genau und auf welchem Weg diese beiden Zusammenfassungen, die eng geschrieben auf einem Blatte stehen, an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg geschickt wurden, ist nicht bekannt. Diese beiden Mitteilungen wurden bereits 1934 sowohl in der deutschen Originalsprache als auch in russischer Übersetzung veröffentlicht (Svjatskij 1934, S. 231–233). Es sind dies äußerst wertvolle Dokumente. Dennoch wurde von ihnen in der Sekundärliteratur bislang kaum Notiz genommen. Da diese beiden Werke von Gauß – seine Dissertation (Gauß 1799) und seine „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) – noch vor seiner Berufung nach Göttingen veröffentlicht worden waren, gibt es von keinem eine von Gauß verfasste Kurzbeschreibung in den „Göttinger Gelehrten Anzeigen“, die ansonsten von allen größeren Gaußschen Werken derartige „Anzeigen“, das heißt Zusammenfassungen beziehungsweise Berichte oder Nachrichten, enthalten. Mit dem von Zimmermann in seinem Schreiben vom 1. Januar 1801 erwähnten Aufsatz von Gauß wird wohl dessen vier Seiten umfassende Schrift „Übersicht der Gründe der Constructibilität des Siebenzehnecks“ gemeint sein (siehe S. 235–238). Dieser Aufsatz wurde am 21. Juni/2. Juli 1801 in der Akademie der Wissenschaften verlesen: „Le Secrétaire fit la lecture d’un petit mémoire de géométrie: Uebersicht der Gründe der Constructibilität des Siebzehnecks, que Mr. le docteur Gaus[s] à Brunswic lui a envoyé, pour être présenté à l’Académie comme un échantillon propre à donner une idée de son ouvrage: Disquisitiones arithmeticae; qui a été déposé pour l’Académie chez Mr. de Zimmermann et que celui-ci vient d’expédier à Lubec avec plusieurs autres livres qui avoient été en dépôt chez ce savant pendant la prohibition“ (Procès-verbaux 1911, S. 914, § 168). Am 10. Dezember 1801 schrieb Zimmermann an Nikolaus Fuß: „Der Dr. Gaus[s] nebst den beiden übrigen Mathematikern danken auf das verbindlichste für die Ehre welche Ew. H[och]W[ohlgeboren] ihnen durch Ueberreichung der Schriften an die Akademie erzeigt haben. Ersterem ist es äußerst schmeichelhaft von dem würdigen Nachfolger des großen Euler geschätzt zu werden und dankt er im voraus gehorsamst für dero gütiges Versprechen, in Rücksicht d[er] Akademie. Ew. H[och]W[ohlgeboren] werden nächstens eine neue Arbeit dieses jungen Mannes in der Correspondenz11 des H[errn] von Zach lesen; da indeß diese vielleicht noch nicht sobald Petersburg erreichen mögte, so sende hier einen Precis von ihm selbst desweitern mit. Sie werden ihn hoffentlich nicht unwehrt finden der Akad[emie] vorgelegt zu werden.“12 Mit dem hier erwähnten Précis war offensichtlich Gauß’ erster Brief an Niko11 Vollständiger Titel der von Franz Xaver von Zach ab 1800 in Gotha heraugegebenen Zeitschrift: „Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und HimmelsKunde“. 12 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 73, l. 97–98, hier 1. 97v.

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laus Fuß gemeint (Brief Nr. 1), der nur einen Tag nach dem oben genannten Brief von Zimmermann geschrieben worden war. Einen weiteren gewichtigen Fürsprecher hatte Gauß in dem russischen Fürsten Dmitrij Alekseevič Golicyn, der sich lange Zeit in Braunschweig aufhielt und wissenschaftliche Kontakte zu Zimmermann pflegte.13 Golicyn war Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. In einem Brief an den damaligen Präsidenten der Akademie, Baron von Nicolai, vom 9. August 1801 schlug Golicyn vor, ein so ungewöhnliches Talent und großen Mathematiker wie Gauß nicht unberücksichtigt zu lassen, der ihm aus dem Holz geschnitzt zu sein schien, aus dem die Natur Newton und Euler gemacht habe (Abb. 18): „P.S. Parmi les exemplaires de mon Dictionnaire,14 Votre Excellence trouvera un Ouvrage Latin mathematique, d’un jeune homme. J’ai prié Mr. de Zimmermann de vous le communiquer, pour vous donner une idée du prodigieux talent de ce jeune homme. Si notre Academie a besoin d’un grand Mathematicien, je prens la liberté de conseiller à Votre Excellence de ne pas negliger celui-ci. Il paroît être de ce bois dont la Nature fait des Newton, des Euler [...].“15 Der Brief von Golicyn wurde am 19./31. August 1801 in der Akademiekonferenz verlesen (Procès-verbaux 1911, S. 923–924, § 203; vgl. Cverava 1982). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Golicyn während seines Aufenthaltes in Braunschweig Gauß persönlich kennengelernt hat, was indes durchaus wahrscheinlich ist.

3.3.2. Die Briefe Es sind 26 Briefe bekannt, die Gauß und Nikolaus Fuß miteinander gewechselt haben: 15 dieser Briefe stammen von Gauß, 11 von Nikolaus Fuß. Die gegenwärtigen Aufbewahrungsorte dieser Briefe sind Göttingen, St. Petersburg und Tartu. Der Briefwechsel der beiden Gelehrten ist bestimmt nicht vollständig erhalten. Fuß schrieb fast ausschließlich unter einer Datumsangabe, die dem in Russland gültigen Julianischen Kalender, dem sogenannten alten Stil, entspricht. Die vorhandenen Teile des Briefwechsels stammen aus den Jahren 1801 bis 1808 und aus dem Jahr 1824. Hier präsentierte sich vor allem der junge Gauß, der bis 1807 in Braunschweig lebte. Ob zwischen 1808 und 1824, also über einen Zeitraum von 16 Jahren, Briefe gewechselt wurden, ist unbekannt. Aus dieser Zeit lässt sich im Archiv der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg kaum laufende Korrespondenz nachweisen.

13 Golicyn lebte seit 1795 in Braunschweig und starb dort am 21. März 1803. 14 „Recueil de noms par ordre alphabétique appropriés en minéralogie aux terres et pierres, aux métaux et demi métaux et aux bitumes“ (Golicyn 1801). 15 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 73, l. 126–128, hier l. 128r.

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Abb. 18. Fragment des Briefes des Fürsten D. A. Golicyn vom 9. August 1801 an den Präsidenten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Baron von Nicolai St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 73, l. 128r. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

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Mit zwei Ausnahmen (Briefe Nr. 18 und 26) sind alle hier vorgestellten Briefe bereits publiziert worden. So wurden 15 Briefe im Jahre 1927 von Wilhelm Stieda ganz oder teilweise veröffentlicht (Briefe Nr. 2, 4, 6, 9, 11, 13, 14, 15, 16, 19, 21, 22, 23, 24, 25), acht im Jahre 1934 von Daniil Osipovič Svjatskij (Briefe Nr. 1, 3, 5, 7, 10, 12, 17, 20) und ein Brief im Jahre 1977 von Peter Müürsepp (Brief Nr. 8). Sehr hinderlich war bislang, dass die Briefe nicht der Reihe nach, chronologisch geordnet, zugänglich waren, sondern abwechselnd, sei es von Stieda, sei es von Svjatskij, herausgegeben wurden. Auch haben Stieda und Svjatskij in entlegenen Zeitschriften publiziert, so dass von ihren Beiträgen bislang kaum Notiz genommen wurde. Im Folgenden wird nun erstmals der gesamte Briefbestand, soweit er bekannt ist, in chronologischer Reihenfolge vorgestellt, so dass es nunmehr ein Leichtes ist, sich einen Überblick zu verschaffen.

3.3.3. Der Inhalt Die meisten von Gauß’ Briefen sind äußerst umfangreich und enthalten genaueste Schilderungen seiner Arbeiten, die im Entstehen begriffen waren, sowohl astronomischer, als auch – freilich in geringerem Umfang – mathematischer Arbeiten. Auch liest man von Sorgen und Nöten, die vor allem in dieser Epoche im Leben von Gauß eine Rolle spielten. In Braunschweig besaß man keine Sternwarte, der Herzog hatte lediglich versprochen, eine solche zu bauen (Michling 1966). Gauß musste also seine Daten von anderen Astronomen übernehmen oder auswärtige Sternwarten aufsuchen, um selbst beobachten zu können. Als Gauß 1807 nach Göttingen übergesiedelt war, musste er zunächst mit der alten Sternwarte vorliebnehmen, die noch auf Tobias Mayer zurückging (Mayer, T. 1985, S. 72). 3.3.3.1. Die Entdeckung der kleinen Planeten In Russland führte das Verbot der Einfuhr von ausländischer Literatur zwischen dem 16./27. Januar 1800 und dem 12./24. April 1801 dazu, dass man über die Entdeckung des neuen Himmelskörpers Ceres nicht aus entsprechenden Aufsätzen in Fachzeitschriften wie etwa der „Monatlichen Correspondenz“ informiert war. Die Ceres, die am 1. Januar 1801 von Giuseppe Piazzi entdeckt worden war, war zunächst nur bis zum 11. Februar 1801 zu beobachten. Die Korrespondenz zwischen Gauß und Nikolaus Fuß beginnt am 11. Dezember 1801, indem Gauß die Ergebnisse seiner Berechnungen der Ceresbahn mitteilt (Brief Nr. 1). In der Tat war auf Grund der Bahnberechnung von Gauß die Ceres sowohl am 7. Dezember von Franz Xaver von Zach als auch am 31. Dezember 1801 von Wilhelm Olbers wiedergefunden worden.

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Gauß schrieb also nur vier Tage nach Zachs Wiederentdeckung der Ceres16 an die Akademie in St. Petersburg. Dieser Brief wurde am 20. Dezember 1801/2. Januar 1802 in der Akademie verlesen, auch wurden dort Gauß’ Bahndaten bekanntgemacht (Procès-verbaux 1911, S. 961, § 361). Am 31. Januar/12. Februar 1802 wurde in den Protokollen der Akademie festgehalten: „L’ellipse de Mr. le docteur Gauss, calculée d’après les premières observations de Piazzi (janvier et février) et communiquée à l’Académie dans une lettre de ce jeune géomètre du 11 décembre passé, donne encore à présent les lieux de la planète avec une justesse admirable. Selon cette ellipse Cérès sera bientôt stationnaire et deviendra rétrograde, avec une déclinaison boréale très croissante. Vers la mi-mars elle sera en opposition, restera retrograde jusqu’au commencement du mois de mai et repassera à l’est, au sud de ȕ du Lion avec une déclinaison fortement décroissante“ (ebenda, S. 969, § 29). Die Entdeckung der kleinen Planeten sowie deren Beobachtungen und Bahnberechnungen spielten auch weiterhin in den Briefen von Gauß eine sehr große Rolle, wurden doch die vier ersten kleinen Planeten gerade in dem Zeitraum von 1801 bis 1807 entdeckt, und zwar nach der Ceres: Pallas am 23. März 1802 durch Wilhelm Olbers, Juno am 2. September 1804 durch Carl Ludwig Harding und Vesta am 29. März 1807 durch Wilhelm Olbers. Gauß teilte sehr häufig seine noch nicht publizierten Ergebnisse über die Planetenbahnen nach St. Petersburg mit, die dann später in der „Monatlichen Correspondenz“ veröffentlicht wurden. So berichtete er: in den Briefen Nr. 1, 8, 12, 14, 15 von der Ceres, in den Briefen Nr. 3, 4, 8, 12, 14, 23 von der Pallas, in den Briefen Nr. 12, 14, 17, 23 von der Juno und in den Briefen Nr. 21, 23 von der Vesta. Gauß’ Bahnberechnungen für Pallas wurden in der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg verlesen, so am 16./28. Mai 1802 (Procès-verbaux 1911, S. 997, § 154), am 23. Mai/7. Juni 1802 (ebenda, S. 998–999, § 159) und am 20. April/2. Mai 1803 (ebenda, S. 1074–1075, § 127). Weitere Ergebnisse von Gauß’ Berechnung der Umlaufbahnen von Ceres, Pallas und Juno wurden am 3./15. April 1805 in der Akademiekonferenz vorgetragen.17 Belegt ist darüber hinaus, dass am 9./21. Oktober 1805 Nikolaus Fuß der Akademiekonferenz Gauß’ Berechnungen für Juno vorstellte.18

16 Die Wiederentdeckung der Ceres war aber Gauß zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. 17 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 1a, ʋ 16, l. 26 (§ 161). 18 Ebenda, l. 61 (§ 461).

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3.3.3.2. Gauß’ Wahl zum Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg 3.3.3.2.1. Korrespondierendes Mitglied Gauß’ Berechnungen der elliptischen Ceresbahn wurden 1801 im Dezemberheft der „Monatlichen Correspondenz“ publiziert. Diese bahnbrechenden Berechnungen ermöglichten es, die Ceres wiederaufzufinden. Nach Zach und Olbers beobachtete der Berliner Astronom Johann Elert Bode den wiederaufgefundenen kleinen Planeten. Er war Ausländisches Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, die er unverzüglich über seine Ceres-Beobachtungen informierte. In diesem Zusammenhang wies er in einem Brief, der am 31. Januar/12. Februar 1802 in der Akademiekonferenz verlesen wurde, auf das große Verdienst von Gauß für die Astronomie hin. Bode schrieb: „Die von H[err]n D. Gauß in Braunschweig aus den Piazzischen Beobachtungen berechnete Ellipse giebt, mit einer bewundernswürdigen Genauigkeit noch jetzt verschiedene Örter der Ceres an. So ist denn end; [sic]19 das Daseyn dieses Planeten völlig erwiesen und mein deshalb schon längst geäußerter Wunsch, durch den glücklichen Erfolg bestätigt. Wir haben also glücklich in 20 Jahren zwey neue Hauptplaneten kennen gelernt.20 Entdeckungen, die wol nie wieder zu erwarten sind. Ich ersuche Ew. Hochwohlgebohren diese Nachricht der Kayser[lichen] Akademie in meinem Namen zu hinterbringen und den H[er]rn Präsident so wie den sämtlichen H[er]rn Mitgliedern meinen unterthänigsten und gehorsamsten Respect zu bezeugen.“21 Tatsächlich war der Präsident der Akademie, Baron von Nicolai, von Gauß’ wissenschaftlicher Leistung äußerst angetan. Man handelte in St. Petersburg sehr schnell. Nikolaus Fuß veranlasste, dass Gauß bereits in der schon oben erwähnten Sitzung der Akademie vom 31. Januar/12. Februar 1802 zum Auswärtigen Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vorgeschlagen wurde.22 Die Wahl erfolgte einstimmig (Ožigova 1976a, S. 277). In den Akten wurde festgehalten: „Le Secrétaire proposa, avec le consentement de Son Excellence Monsieur le Président,23 pour être reçu au nombre des correspondans externes de l’Académie Mr. le docteur Charles Fréderic Gauss, à Brunswik, avantageusement connu par ses ouvrages d’analyse présentés à l’Académie, et tout récemment par ses calculs sur la nouvelle planète Cérès, auxquels on doit principalement l’avantage de l’avoir retrouvée. Il fut reçu 19 Es soll wahrscheinlich heißen: „So ist denn endlich das Daseyn dieses Planeten völlig erwiesen [...]“. 20 William Herschel hatte am 13.3.1781 den Uranus entdeckt. 21 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 74, l. 21–22, hier l. 22r. 22 In demselben Jahr 1802 wurden auch Pierre-Simon de Laplace, Georges Cuvier und Johann Tobias Bürg Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. 23 Baron Heinrich Ludwig von Nicolai.

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unanimement“ (Procès-verbaux 1911, S. 969, § 33). Es war dies die erste Anerkennung von Seiten einer gelehrten Gesellschaft, die Gauß erfuhr. Nikolaus Fuß benachrichtigte Gauß mit „besonderm Vergnügen“ von dessen Wahl in die Akademie (Brief Nr. 2), woraufhin sich Gauß am 20. Mai 1802 bedankte (Brief Nr. 3).

Abb. 19. Diplom über die Wahl von Gauß zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vom 31. Januar/12. Februar 1802 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 3.

Das Diplom wurde von dem Präsidenten der Akademie, Baron von Nicolai, dem Vizepräsidenten Rumovskij und dem Ständigen Sekretär Fuß unterschrieben. Die Urkunde wird durch acht Medaillons geziert, auf denen, von links oben nach rechts unten, folgende Disziplinen genannt sind: „Math[ematica] Super[iora]“, „Physica“, „Astr[onomia] et Geogr[aphia]“, „Histor[ia] Natur[alis]“, „Mechanica“, „Anatomia“, „Chemia“ und „Elegan[tiores] Liter[ae]“. Die Übersetzung der Urkunde aus dem Lateinischen lautet: „Unter der erhabensten Leitung des mächtigsten Kaisers und Herrn, des Herrn Alexander I., des Selbstherrschers über ganz Russland, des großzügigsten Beschützers der Petersburger Akademie der Wissenschaften. Die Petersburger Akademie der Wissenschaften beschließt, den hochberühmten Mann Carl Friedrich Gauß wegen seines beständigen Fleißes bei der Pflege der Wissenschaften durch

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Schriftverkehr mit sich zu verbinden. Damit ein öffentliches Zeugnis davon existiert, erklärt sie ihn durch dieses Zeugnis in gebührender Weise und feierlich zu ihrem Korrespondenten. Denn sie ist zutiefst überzeugt, dass der hochberühmte Mann entsprechend seiner überaus großen Liebe zu den Disziplinen der Wissenschaften und wegen dieses neuen Ehrentitels, mit dem er geschmückt wurde, die Petersburger Akademie schriftlich über alles benachrichtigen wird, was er versucht, zur Mehrung der Wissenschaften tun zu können. Gegeben in der akademischen Versammlung am 31. Januar 1802. Der Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Lud. Henr. Bar[ron] à Nicolay der Vizepräsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Stephanus Rumowski der Sekretär der Versammlung der Akademie Nicolaus Fuß, Staatsrat und Ritter des St. Anna-Ordens.“24 3.3.3.2.2. Ehrenmitglied Nach fast 22 Jahren wurde am 24. März/5. April 1824 in der Akademiekonferenz von Friedrich Theodor Schubert, Nikolaus Fuß und Vincent Wishniewsky der Vorschlag eingebracht, Gauß zum Ehrenmitglied zu ernennen. In der St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften befindet sich folgendes von Schubert geschriebene Dokument: „Mit Genehmigung S[eine]r Excellence des Herrn Präsidenten,25 schlagen die Unterzeichneten der Conférence vor, den Correspondenten unsrer Akademie, den durch viele wichtige Entdeckungen und vortreffliche Werke längst berühmten Geometer, Gauß, zum Ehren-Mitglied der Akademie zu ernennen.“26 Nachdem Gauß einstimmig gewählt worden war, beeilte sich Nikolaus Fuß, am 12./24. April 1824 den Beweis der hohen Wertschätzung der Petersburger Akademie gegenüber Gauß’ glänzenden Verdiensten um die mathematischen Wissenschaften nach Göttingen zu übermitteln: „gratulire ich nicht sowol Ihnen als der Akademie, die sich dadurch selbst geehrt hat“ (Brief Nr. 25). Um diese Ernennung, die Gauß sicherlich sehr gefreut hat, geht es in den beiden letzten Briefen aus dem Jahre 1824, die Gauß und Nikolaus Fuß gewechselt haben. Schließlich unterrichtete Fuß am 2. Juni 1824 die Akademie der Wissenschaften von Gauß’ schriftlichem Dank vom 17. Mai 1824 (Ožigova 1976a, S. 284).27 24 Herrn Eberhard Knobloch sei für die Übersetzung aus dem Lateinischen herzlich gedankt. 25 Sergej Semënovič Uvarov. 26 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 2–1824, ʋ 11, l. 1 (§ 103). 27 Ebenda, f. 1, op. 2–1824, ʋ 11 (§ 178).

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Abb. 20. Vorschlag zur Ernennung von Gauß zum Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 2–1824, ʋ 11, l. 1r. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

Heinrich Christian Schumacher beglückwünschte Gauß in einem Brief vom 23. April 1824 „zur Erwählung als Ehrenmitglied der Academie in Petersburg“ und berichtete ihm vertraulich: „Schubert hat mir geschrieben, dass es auf seinen Vorschlag geschehen sey“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 1, S. 394). 3.3.3.3. Rufe an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Gauß wurde Anfang 1802 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Aber Nikolaus Fuß’ Pläne reichten noch weiter: Gauß sollte einen Ruf nach St. Petersburg erhalten. Es handelte sich dabei zunächst um eine Stelle für Astronomie an der Akademie der Wissenschaften. Wahrscheinlich ging der erste Vorschlag, Gauß’ nach St. Petersburg

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zu berufen, unmittelbar auf Johann Friedrich Pfaff zurück. In den Protokollen der Akademie ist festgehalten, dass auf der Akademiekonferenz vom 21. April/ 3. Mai 1802 ein Brief von Pfaff vom 18. Februar 1802 verlesen wurde, in dem Gauß’ mathematisches Talent und sein bewundernswerter Fleiß aufs Wärmste gepriesen wurden. Pfaff riet der Akademie, Gauß zu berufen. Dabei betonte Pfaff, dass die Übernahme einer Stelle in St. Petersburg der ausdrückliche Wunsch von Gauß selbst sei. In diesem Brief äußert sich Pfaff folgendermaßen: „Ich kan[n] diese Gelegenheit nicht unbenuzt laßen, (und zum Theil hat dieser nähere Anlaß mich noch mehr zu gegenwärtigem Schreiben angetrieben), Ihnen Herrn Dr. Gauss in Braunschweig angelegentlich zu empfehlen, und anzufragen, ob es nicht anginge, daß er bey der dortigen Academie angestellt würde. Seinem schon vor einiger Zeit gegen mich geäußerten Wunsche gemäß habe ich ihm versprochen, dieserhalb an Sie zu schreiben. Seine Disquisit[iones] arith[meticae] werden Sie bereits erhalten haben, und in Ihrem Urtheil über dieses vortreffliche an neuen Aufschlüssen so reiche Werk mit mir übereinstimmen, so daß ich den Verfasser nicht erst zu loben brauche. Ich kenne ihn aber noch näher da er vor 2 Jahren sich einige Zeit hier aufgehalten und bey mir gewohnt hat, ich bin überzeugt, daß er bey seinen eminenten Talenten, und bey seinem seltenen Eifer, womit er, obgleich noch jung, seit mehrern Jahren sich in die Tiefe der Mathematik hineingearbeitet hat, jeder Academie zur Ehre und Zierde gereichen würde. Er ist in Braunschweig ohne Amt, und ohne eigenes Vermögen, soviel ich weiß, genießt er vom Herzog, der ihn während seiner Universitäts-Jahre unterstützt hat, noch jezt einige Unterstützung. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß er bald in eine der Anwendung seiner Talente angemessenere Sphäre versezt würde. Ich kenne zwar die Lage der dortigen Umstände zu wenig, und bin fern davon, auch für einen Freund im Bitten zudringlich seyn zu wollen. Sollte aber H[err] D. Gauss durch Ihren Einfluß nach Petersburg gebracht werden können, so würden Sie nicht nur das Glück dieses treflichen jungen Man[n]es gründen, sondern sich auch um Ihre Academie und um die Wissenschaften ein neues Verdienst erwerben, da er in einer günstigen Lage noch sehr viel neues und wichtiges leisten kan[n]. Bey so sehr ausgezeichneten Vorzeichen, und bey der Stärke der angeführten Beweg-Gründe darf ich nichts weiter hinzufügen, um Sie zu veranlaßen, was in dieser Angelegenheit jezt oder künftig nach den Umständen geschehen kan[n], gütigst zu versuchen.“28 In diplomatischem Tone lobt Pfaff den Beginn der Regierungszeit des Zaren Alexander I. im März 1801 und die Maßnahmen der Regierung zur Förderung von Bildung und Wissenschaft: „Zu der jezigen so glücklichen Regierung, deren Einfluß wohl auch die Academie empfinden wird, gratulire ich Ihnen. Herzlich freute ich mich, aus den Zeitungen die auch Ihren Verdiensten widerfahrene Anerkennung zu erse-

28 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 74, l. 44–45, hier 45r.

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hen.“29 Den Brief schließt Pfaff mit der Bemerkung: „Heute erhielt ich durch H[errn] v. Zach die fortgesezte Nachricht von dem neuen Planeten Ceres den er und Olbers glücklich wieder aufgefunden haben. Dabey hat sich die Genauigkeit der von Gauss mitgetheilten Berechnungen der elliptischen Bahn auf eine sehr merkwürdige Art bestätigt. Vermuthlich wird die Ceres bereits auch auf Ihrer Sternwarte beobachtet worden seyn. Olbers u[nd] Zach gestehen, daß sie ohne jene scharfsinnige und mühsame Berechnung dem neuen Planeten nicht sobald würden auf die Spur gekommen seyn.“30 Daraufhin unterbreitete Nikolaus Fuß der Akademiekonferenz folgenden Vorschlag: „Mr. le docteur Charles Frédéric Gauss, avantageusement connu à l’Académie par ses Disquisitiones arithmeticae, comme profond analyste, et en même tems comme astronome théoréticien consommé, par ses calculs aussi pénibles que judicieux de l’orbite de Cérès, auxquels, de l’aveu des plus grands astronomes, on est uniquement redevable d’avoir pu retrouver cette nouvelle planète“ (Procès-verbaux 1911, S. 988, § 113). Die Mehrheit der Konferenzmitglieder beschloss nunmehr, „[…] les trois savans mentionnés, savoir Mrs. Gauss, Soldner et Rudolphi très dignes d’être mis sur la liste de ceux, parmi lesquels elle pourra faire un choix, lorsqu’il s’agira de remplir les places d’Académiciens ordinaires vacantes“ (ebenda). An zweiter Stelle wurde ein Schüler des Berliner Astronomen Bode, Johann Georg Soldner, vorgeschlagen. Auf dem dritten Platz stand der Naturforscher und Mediziner schwedischer Abstammung Karl Asmund Rudolphi. Obwohl nach dem Abgang des Astronomen Henry Maurice an der Akademie eine Astronomenstelle vakant war, wollte man vor einer Berufung erst die Bestätigung der neuen Akademiestatuten abwarten. Außerdem erhoben sich einige Stimmen gegen die Berufung von Gelehrten aus dem Ausland. Nach den damals gültigen Akademiestatuten aus dem Jahr 1747 musste ein russischer Gelehrter einem Ausländer vorgezogen werden (Ožigova 1976a, S. 132). Nikolaus Fuß schrieb zunächst vorsichtig an Gauß, dass, obwohl die Sternwarte „verwaißt steht“, an die Besetzung der Stelle „vor der Bestätigung des neuen Reglements“ kaum zu denken sei (Brief Nr. 4). Nach kurzer Erwägung wurde jedoch vom Präsidenten der Akademie entschieden, die vakante Stelle Gauß unverzüglich anzubieten. Am 1./13. September 1802 wurde berichtet, dass Gauß die durch die Abreise von Henry Maurice freigewordene Stelle erhalten solle: „Monsieur le Président ayant vû par le dernier protocole avec quels succès Mr. le docteur Gauss s’est placé à côté des astronomes observateurs, et se rappellant que les doutes sur les dispositions de Mr. Gauss à s’occuper de l’astronomie practique avoient seuls empêché l’Académie de lui offrir la place d’astronome vacante depuis le départ de Mr. l’Abbé Henry31, avant de l’avoir 29 Ebenda, l. 45r–45v. 30 Ebenda, l. 45v. 31 Maurice, Henry.

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fait sonder préalablement, par Mr. le professeur Pfaff, sur ses dispositions relativement à cet objet; ayant appris de plus par des dernières lettres écrites au Secrétaire par Mr. le conseiller d’état Zimmermann et par Mr. le docteur Gauss lui-même que le dernier n’hésiteroit point à s’expatrier, s’il trouvoit à se placer conformément à ses penchans, et de manière a pouvoir se vouer par état aux sciences astronomico-mathématiques, dans lesquelles il s’est déjà acquis une si grande réputation: Son Excellence fut d’avis qu’il falloit profiter sans délai de ces dispositions, pour assûrer à l’Académie une acquisition si éminemment utile; et Mrs. les Académiciens présens ayant témoigné être du même sentiment, le Secrétaire fut chargé d’écrire directement à Mr. le docteur Gauss et de lui offrir la place vacante d’astronome, avec les mêmes émolumens dont à joui Mr. l’abbé Henry, c’est-à-dire avec mille r[ou]bl[es] d’appointemens et le quartier, ou bien, à la place du dernier, un équivalent de deux-cent roubles“ (Procès-verbaux 1911, S. 1017, § 261). In einem Brief vom 5./17. September 1802 an Gauß (Brief Nr. 6) unterbreitete Fuß diesem ein dementsprechendes Angebot. Es war dies der erste offizielle Ruf, den Gauß an eine wissenschaftliche Institution erhielt. Doch Gauß zögerte, das Angebot schien ihm nicht lukrativ genug (Brief Nr. 7). In dieser Zeit stand Gauß in regem Briefwechsel mit seinem väterlichen Freund Wilhelm Olbers, dem er einige Details der Verhandlungen mit Nikolaus Fuß sowie seine Überlegungen bezüglich St. Petersburg anvertraute (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 102–107, 114, 118–119; vgl. Roussanova 2009a, S. 263–265). Am 16./28. Januar 1803 wurde von Seiten der Akademie der Wissenschaften ein neues Angebot gemacht: „Le Secrétaire notifia à la Conférence que Son Excellence Monsieur le Ministre de l’Instruction publique, comte Zavodofsky, l’a chargé d’écrire à Mr. le docteur Gauss à Brunsvik et de lui offrir la place d’Académicien Astronome aux mêmes conditions qui ont été accordées par Mr. le Président à Mr. le docteur Rudolphi“ (Procès-verbaux 1911, S. 1051, § 17). In diesem Sinne wandte sich Fuß am 20. Januar/1. Februar 1803 offiziell an Gauß, und dieser antwortete offensichtlich unverzüglich. Diese beiden Schreiben sind leider nicht erhalten. In seinem Brief vom 4. April 1803 sagte Gauß endgültig ab (Brief Nr. 8). Grund dafür war seine moralische Verpflichtung seinem Gönner und Mäzen, dem Braunschweiger Herzog Carl Wilhelm Ferdinand gegenüber, der auf Grund des aus St. Petersburg erhaltenen Rufes Gauß’ Bezüge noch einmal deutlich erhöht hatte. Diese Absage wurde in St. Petersburg am 20. April/2. Mai 1803 in der Akademie der Wissenschaften verlesen: „Le Secrétaire lut une lettre que Mr. le docteur Gauss, Correspondant de l’Académie, lui a écrite en réponse à celle que le Secrétaire lui avoit adressée le 20 janvier passé, par ordre de Son Excellence Monsieur le Ministre de l’Instruction publique comte de Zavadovsky, […] dans la vue d’offrir à ce savant célèbre la place d’Académicien Astronome, avec 1200 r[ou]bl[e]s d’appointemens et le logement. Mr. Gauss, pénétré de la plus profonde reconnoissance de l’honneur que l’Académie lui a fait par cette offre, témoigne, dans les termes les plus propres à exprimer ce sentiment qui l’anime,

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son grand regret de ne pas pouvoir accepter une vocation aussi honorable, qu’il regarderoit comme son plus grand bonheur, si la reconnoissance envers son souverain, qui vient de lui doubler sa pension, ne lui imposoit pas le devoir de rester attaché à son service et de renoncer à tout établissement hors de sa patrie.“ Des Weiteren geht es um die neuesten Beobachtungen der Pallas und der Ceres: „En outre Mr. Gauss communique au Secrétaire ses recherches ultérieures sur la nouvelle planète Pallas, savoir les nouveaux élémens de son orbite, corrigés d’après les observations les plus récentes, faites après la réapparition de la planète, par Mr. Olbers à Breme et Harding à Lilienthal. Il promet aussi les élémens corrigés de Cérès, sitôt que de bonnes observations de cette année l’auront mis en état de reprendre les calculs de cette planète. Il promet enfin la correction des élémens de Pallas, eû égard aux perturbations de Jupiter, dont jusqu’a présent il n’a pas encore pu tenir compte. Cela non obstant, les derniers élémens sont si bien d’accord avec les observations que l’erreur ne va pas à plus de 20 secondes en ascension droite et à 50" en déclinaison“ (Procèsverbaux 1911, S. 1074–1075, § 127). Von großer Bedeutung für Gauß’ Angelegenheit war auch der Besuch des Herzogs von Braunschweig in St. Petersburg. Der Berliner Hof hatte dem Herzog am 30. Januar 1806 den Auftrag erteilt, in diplomatischer Mission nach St. Petersburg zu reisen. In der russischen Hauptstadt wurde er von einigen Akademiemitgliedern, wohl von Friedrich Theodor Schubert und Nikolaus Fuß, angesprochen. Es heißt, man habe ihm in den Ohren gelegen, Gauß’ Berufung nach St. Petersburg zuzulassen. Carl Wilhelm Ferdinand lehnte dies entschieden ab und kehrte am 24. März 1806 nach Braunschweig zurück (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 35–36). Die Verhältnisse änderten sich schnell und dramatisch, als Napoleon siegreich durch Europa zog und schließlich auch Preußen überwältigen konnte. Der 71-jährige Braunschweiger Herzog Carl Wilhelm Ferdinand, der am 14. Oktober 1806 als Oberbefehlshaber die preußische Hauptarmee in der Schlacht bei Jena und Auerstedt anführte, wurde gleich zu Beginn der Schlacht in Hassenhausen tödlich verwundet. Er starb am 10. November 1806 im Exil in Ottensen bei Altona. Gauß hatte damit seinen Gönner und Mäzen verloren. Gauß, der seit Oktober 1805 mit Johanna Osthoff verheiratet und Vater eines zwei Monate alten Sohnes war,32 meldete sich sehr besorgt bei Nikolaus Fuß schon am 20. Oktober 1806 (Brief Nr. 17) und dann wieder am 9. November 1806 (Brief Nr. 18). Fuß antwortete am 11./23. Dezember 1806, dass er eine Erklärung darüber wünsche, ob es Gauß auch ernstlich in Erwägung ziehen würde, Braunschweig mit St. Petersburg zu vertauschen (Brief Nr. 19). Er wolle eine verbindliche Vorabzusage. Dieser Brief jedoch kam, wie man einer kurzen Notiz von Gauß auf dem Brief entnehmen kann, erst am 1. Mai 1807 bei diesem an. Zu diesem Zeitpunkt verhandelte Gauß bereits mit der Universität Göttingen. Der Zufall hatte es gewollt, dass auf Grund der politi32 Gauß’ Sohn Joseph war am 21.8.1806 geboren worden.

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schen Lage der Postverkehr zwischen St. Petersburg und Braunschweig gar nicht oder nur mit großer Verspätung funktionierte. Und als die Post endlich wieder funktionierte, war es bereits zu spät. Nach längerer Pause richtete Gauß am 10. Oktober 1807 einen Brief an Fuß (Brief Nr. 20), den Martin Bartels nach St. Petersburg mitnahm. In diesem Brief erwähnt Gauß, dass er auf seine Briefe, die er Ende 1806 geschrieben habe, keine Antwort von Fuß erhalten habe. Tatsächlich aber hatte Fuß Gauß zwei Mal geantwortet. Fuß erklärt Gauß in einem Brief vom 7./19. Januar 1808, dass er am 25. Oktober 1806 über Hamburg (Handelshaus Tamsen) einen Brief versandt33 und sogar noch ein Duplikat über Schweden geschickt habe. Es könnte dies der Brief vom 11./23. Dezember 1806 sein (Brief Nr. 19). Auch habe Fuß Johann Elert Bode in Berlin beauftragt, Gauß die Angelegenheit der Berufung nach St. Petersburg zu erklären. Wie Gauß am 24. März 1808 (Brief Nr. 22) schrieb, war der Kontakt mit Bode erst im Oktober 1807 wieder zustandegekommen, also ebenfalls viel zu spät. Der Brief von Nikolaus Fuß, den dieser über das Hamburger Handelshaus Tamsen geschickt hatte, hätte, so Gauß, „ohne Zweifel meiner Lage eine ganz verschiedene Wendung gegeben“ (Brief Nr. 22). Als der Briefwechsel im Herbst 1807 über Umwege wieder in Gang kam, konnte man an der neuen Lage schon nichts mehr ändern. So blieb Gauß nichts anderes übrig, als Fuß mit ehrlichen Worten die Situation in Göttingen zu schildern (Brief Nr. 20). Man kann nur darüber spekulieren, ob Gauß wirklich das Angebot, nach St. Petersburg zu gehen, angenommen hätte. Die erhaltenen Briefe zeigen, dass Gauß von den sehr großzügigen früheren Angeboten der Akademie in St. Petersburg stets sehr angetan war. Vor allem gab es dort eine moderne Sternwarte, während in Göttingen der Neubau ins Stocken geraten war und immer noch die alte, auf Tobias Mayer zurückgehende Sternwarte für Beobachtungen benutzt werden musste. Auch war die finanzielle Ausstattung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg durchaus beachtlich, und eine Akademieprofessur war mit keinerlei Lehrverpflichtungen verbunden. So spricht eigentlich nichts gegen die Annahme, dass Gauß, wenn er den Ruf nach St. Petersburg rechtzeitig erhalten hätte und somit vor die Wahl St. Petersburg oder Göttingen gestellt werden wäre, sich in der für ihn schwierigen Zeit nach dem Verlust seines Gönners Carl Wilhelm Ferdinand für St. Petersburg entschieden hätte. Andererseits hatten Gauß’ wichtige Freunde, darunter Wilhelm Olbers, nach Kräften versucht, die Beziehungen nach Göttingen auszubauen, um Gauß für Deutschland zu erhalten (Roussanova 2009a). Die Briefe von Christian Gottlob Heyne an Gauß machen deutlich, dass man in Göttingen nichts unversucht ließ, um Gauß zu gewinnen.

33 Dieser Brief ist offensichtlich verloren gegangen, was daran liegen könnte, daß in dem Handelshause Tamsen in Hamburg sowohl der Vater als auch der Sohn verstorben waren (Brief Nr. 22).

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Der 77-jährige Gauß erinnerte sich im Dezember 1854, kurz vor seinem Tod: „Auch in meinem Leben kamen Erfahrungen vor, welche mich oft stutzig machten und mich hinführten auf eine Vorsehung im Einzelnen [...]. So z.B. ist es eine solche Führung, die mich zum Astronomen machte, mich hierher [nach Göttingen] führte. Ich sollte nach Petersburg. Da wäre ich reiner Mathematiker geworden. Nun gab mir Zimmermann [...] die Nummer von Zach’s monatlicher Correspondenz, wo (1801) die Entdeckung der Ceres von Piazzi berichtet wurde“ (Wagner 1975, S. 164). Durch das erneute Scheitern einer Berufung nach St. Petersburg wurde das Verhältnis zwischen Gauß und Nikolaus Fuß glücklicherweise nicht getrübt. Der Briefwechsel zwischen beiden wurde noch bis zum Juli 1808 in alter Herzlichkeit fortgeführt. Warum aus der Zeit zwischen 1808 und 1824 keine Briefe mehr vorhanden sind, bleibt ein Rätsel. 3.3.3.4. Exkurs: Gauß’ Berufung an die Universität Göttingen Eine wichtige Quelle für die Berufung von Gauß nach Göttingen sind die Briefe von Christian Gottlob Heyne an Gauß, die bisher noch nicht veröffentlicht worden sind.34 Briefe von Gauß an Heyne hat es mit Sicherheit gegeben, aber es ist nicht bekannt, ob sie noch existieren und, wenn ja, wo sie sich befinden. Heyne war Klassischer Philologe und bekleidete seit 1763 an der Universität Göttingen die Professur für Poesie und Beredsamkeit. 1770 wurde er Sekretär der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Auch war Heyne Redakteur der „Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen“, die seit 1802 unter dem neuen Titel „Göttingische Gelehrte Anzeigen“ herausgegeben wurden, sowie für die Universitätsbibliothek zuständig. Am 15./27. März 1805 wurde Heyne zum Auswärtigen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Gauß hatte während seines Studiums in Göttingen in den Jahren zwischen 1795 und 1798 Vorlesungen bei Heyne gehört, denn er hatte zunächst durchaus damit geliebäugelt, selbst Klassischer Philologe zu werden. Später hat Heyne sicher das Seine dazu beigetragen, als Gauß am 13. November 1802 zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gewählt wurde. Am 15. November 1802, zwei Tage nach der Wahl, schrieb Heyne in einem ersten Brief an Gauß: „Immer betrachteten wir Sie als einen, der künftig einmal der Unsrige werden müßte, die großen Talente, die Sie an den Tag geleget haben, machen Sie uns immer theurer und geschätzter.“35 Heynes Ziel war es bestimmt, Gauß nach Göttingen zu berufen, es ging nur noch darum, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, wie Heyne an Gauß am 23. November 1804 schrieb: Ihr Brief „beruhiget mich völlig über Ihre Gesinnungen; und in das Temporisiren, Abwarten des Zeitpunkts, da ich thätig sein kan[n] und soll, gebe ich mich gern und willig, da ich mich auf Ihre 34 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Heyne. Die Edition ist in Vorbereitung. 35 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Heyne 1 (1 S.).

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gütigen Äusserungen mich so ganz zutrauensvoll verlasse.“36 In einem Brief an Laplace vom Januar 1808 behauptete Gauß sogar, dass er bereits im Jahre 1802 einen Ruf an die Universität Göttingen erhalten habe, den er aber wegen seiner Verpflichtungen gegenüber dem Herzog Carl Wilhelm Ferdinand nicht habe annehmen können (Reich 2001, S. 80).37 Ein direkter Ruf an Gauß nach Göttingen im Jahre 1802 lässt sich jedoch aus den Briefen von Heyne an Gauß nicht belegen. Kurze Zeit später sah Heyne sein Ziel bereits deutlich vor Augen, denn er schrieb am 28. Februar 1805 an Gauß: „Nun ist alles bey uns so vorbereitet, daß, wenn wir nur das Glück noch haben, Sie mein hochzuehrender Herr Doctor, in unsrer Mitte zu sehen, für die Astronomie mehr geleistet werden kan[n], als irgend wo. Sie erhalten einen Gehülfen, wie Sie ihn nur wünschen können; denn Hr. Harding38 ist bewogen diese Ostern zu uns zu kommen und unter Ihnen zu arbeiten; er verstehet sich auch zu den gewöhnlichen Vorlesungen für die Dilettanten, so daß Sie Ihre Zeit besser anwenden können.“ Es gehe nur noch darum, „daß wir so wohl Sie, als Ihren erhabenen Beschützer, doch noch werden bewegen können, daß uns noch in Ihnen ein Gelehrter geschenkt werde, der eine bey uns so sehr gesunkene Parthie, als die Astronomie ist, zu einem neuen Glanz erwecken werde.“39 Aber Gauß ließ sich noch nicht bewegen, er wollte, wie schon im Falle von St. Petersburg, seinen Herzog nicht enttäuschen und blieb in Braunschweig. Nachdem der Herzog am 10. November 1806 verstorben war, meldete sich Heyne am 17. November 1806 wieder bei Gauß. Inzwischen hatte sich jedoch in Göttingen die Situation dramatisch geändert, und die Stadt befand sich bereits in französischen Händen. Gauß sandte am 20. Oktober und am 9. November 1806 einen Hilferuf an Nikolaus Fuß (Briefe Nr. 17, 18). Am 12. April 1807 berichtete Heyne von der schrecklichen Kriegskontribution, die Göttingen auferlegt worden war; die alten Minister waren des Landes verwiesen worden. Heyne konnte Göttingen nur noch als einen „Zufluchtsort“ empfehlen, an einen ordentlichen Ruf war vorerst nicht zu denken. Erst am 1. Mai 1807 erhielt Gauß in Braunschweig einen Brief von Nikolaus Fuß aus St. Petersburg, der am 11./23. Dezember 1806 abgeschickt worden war (Brief Nr. 19). Ein eigenhändiger Vermerk von Gauß bestätigt das Datum. Im Frühjahr 1807 scheint die Post zumindest von Göttingen nach St. Petersburg wieder funktioniert zu haben, denn der sich in Göttingen auf36 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Heyne 3 (1 S.). 37 Gauß schrieb an Laplace am 18.1.1808: „On m’avoit offert deja en 1802 la place de professeur d’astronomie a Gottingue ou on commençoit alors à ériger un nouvel observatoire […]: mais feu le duc de Bronsvic, auquel j’avais tant d’obligations, ne vouloit jamais me permettre d’accepter de son vivant cette offerte” (Reich 2001, S. 87). 38 Carl Ludwig Harding hatte in Lilienthal am 2.9.1804 den kleinen Planeten Juno entdeckt. Im Jahre 1805 wurde er Außerordentlicher Professor an der Universität Göttingen. 39 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Heyne 4 (4 S.).

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haltende Chemiker und Pharmazeut Wilhelm Nasse aus St. Petersburg schickte am 25. Mai 1807 einen ausführlichen Reisebericht an Nikolaus Fuß, in dem er auch seine Besuche bei Martin Bartels in Helmstedt und bei Gauß in Braunschweig erwähnte.40 Nikolaus Fuß bat Gauß noch im Herbst 1806, die Annahme des Rufes an die Akademie in St. Petersburg zu bestätigen. Aber Gauß antwortete dennoch nicht auf Fuß’ Schreiben. Hatte er sich damals bereits für Göttingen entschieden? Die turbulenten Zeiten in Göttingen waren bald vorüber; die Stadt gehörte nach dem Frieden von Tilsit (7. – 9. Juli 1807) zum Königreich Westphalen und wurde von Kassel aus regiert. Am 8. Juli 1807 schrieb Heyne an Gauß: „Nun, mein lieber Herr Doctor, sind wir auf dem Punkt, wohin gearbeitet worden ist, zugleich der theuerste meiner Wünsche! Ich habe den Auftrag von hoher Landesregirung Ihnen die ordentliche Professur der Astronomie mit 1000 Thl Besoldung in hiesiger Kassenmünze, und hinzu noch die 400 rthlr. Licentaequivalent anzutragen; Hiezu noch die Versicherung einer Wittwenpension, so daß die Wittwe [...] eine jährliche Pension von 300 Thlr erhalten soll.“41 Gauß besuchte daraufhin seinen in Bremen wirkenden väterlichen Freund, Wilhelm Olbers. Diesem hat er schon vorher über alle Neuigkeiten aus Göttingen berichtet, wobei ihm Olbers stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1). Olbers ist auch derjenige, der die Verhandlungen über Gauß’ Berufung nach Göttingen 1806 in die Wege geleitet hatte. Schon am 26. September 1804 hatte Heyne an Olbers in Zusammenhang mit Gauß’ Berufung geschrieben: „Die Versicherung kann ich aber von Hannover aus geben, dass man die Stelle für Gauß offen hält und offen halten wird“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 38). Auf der Rückreise von Bremen besuchte Gauß Hannover. Nach Braunschweig zurückgekehrt, ließ er am 21. Juli 1807 Olbers wissen: „In Hannover habe ich Heyne’s Schwager, Brandes,42 aufgewartet; er bestätigte alles, was Heyne mir geschrieben hatte. Heyne habe ich auf seinen letzten Brief sogleich von hier aus geantwortet; wahrscheinlich erfolgt dann bald die Vocation in forma“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 376). Am 2. August 1807 sandte Heyne das Berufungsschreiben an Gauß. Damit waren die Würfel nun endgültig gefallen: Gauß’ neue Wirkungsstätte hieß Göttingen und nicht St. Petersburg.

40 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 75, l. 142r. 41 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Heyne 10 (3 S.) 42 Ernst Brandes.

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3.4. Gauß’ Mitteilungen an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg 3.4.1. Zwei Mitteilungen von Gauß an Nikolaus Fuß ohne Datum (vor Ostern 1801) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, Razrjad V, op. 1–Ƚ, ʋ 44, l. 5. Publikation: Svjatskij 1934, S. 231–236.

3.4.1.1. Erste Mitteilung Nachricht von zwei mathematischen Schriften, für H[errn] Collegienrath Fuß. _______________________________________________________ I. Demonstratio noua theorematis, omnem functionem algebraicam rationalem integram vnius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolui posse, auctore C. F. Gauss. Helmst[edt] 1799, 4to, 40 Seiten nebst 1 Kupfertafel.43 Den Hauptzweck dieser durch meine Promotion veranlaßten Schrift zeigt schon der Titel bestimmt genug an; ich nehme mir die Freiheit, den Inhalt etwas näher zu detailliren. Vorstehendes Theorem, welches im Wesentlichen ganz mit dem übereinkommt, daß man jeder algebr[aischen] Eine unbekannte Größe enthaltenden Gleichung entweder durch realle oder durch solche Werthe Genüge leisten könne, die unter der imaginären Form m+n√–1 begriffen sind, ist bekanntlich der Gegenstand von Untersuchungen d’Alemberts, Eulers und Lagranges gewesen; der erste dieser drei großen Geometer hat Einen, Euler zwei Beweise gegeben; Lagrange hat die von Foncenex in Eulers Einem Beweise zuerst bemerkten Mängel so wie diejenigen, welche den von Foncenex selbst gegebenen treffen, zu heben gesucht. Ich habe eine gedrängte Auseinandersetzung dieser 4 Beweise, nebst den Erinnerungen, die sich dagegen machen lassen, dem meinigen vorausgeschickt. Lagranges Memoir kam mir zufälligerweise erst beim Abdruck zu Gesichte; doch ist eine kurze Erwähnung seiner Verdienste eingeschaltet. Unter meinen Erinnerungen befinden sich einige die LaG[range] übergangen hat; Eine wie mir scheint sehr wesentliche, welcher auch selbst L[a]Gr[ang]es Ergänzung ausgesetzt ist, ist die, daß alle genannte Geometer stillschweigends annehmen, daß jede vorgegebne Gleichung wirklich Wurzeln habe und nur ihre Form suchen; die Entwickelung der Gründe, warum ich dieß nicht für zulässig halten kann, findet freilich hier nicht Platz. Es schien also immer noch nothwendig, den Satz von neuem vor43 „Demonstratio nova theorematis omnem functionem algebraicam rationalem integram unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse“ (Gauß 1799). Titel in deutscher Übersetzung: Neuer Beweis des Satzes, dass jede algebraische rationale Funktion einer Veränderlichen in reelle Faktoren des ersten oder des zweiten Grades zerlegt werden kann. In: Gauß-Werke: 3, S. 1–30.

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zunehmen. Die Hauptpunkte meines eigenen Beweises bestehen in Folgendem: Ich beweise zuvörderst (ohne imaginäre Größen zu Hilfe zu nehmen, wiewol dieß an sich nichts wesentliches ist), daß wenn die zwei Gleichungen rm sin mij + Arm–1sin (m–1)ij + Brm–2sin (m–2)ij + etc.+ Mr sinij = 0, rmcos mij + Arm–1cos (m–1)ij + etc. + Mr cosij + N = 0, deren erste Glieder ich respective durch T, U bezeichne, Statt haben, die Function (X=) xm + Axm–1 + Bxm–2 + etc.+ Mx + N entweder durch xx – 2r cosij.x + rr , oder durch x – r cosij sich dividiren lasse. So sieht man leicht, daß der Hauptpunkt der Sache darauf ankommt zu zeigen, daß für jede Funktion X es nothwendig Werthe von r u[nd] ij geben müsse, welche den Gleichungen T = 0 u[nd] U = 0 genug thun. Mein Verfahren dieß zu beweisen habe ich am klarsten geometrisch darstellen zu können geglaubt. Ich brauche dazu eine genaue Betrachtung zweier Kurven, welche (vermittelst Radius Vector = r, und Winkel desselben mit einer fixen geraden Linie, = ij) die eine durch die Gleichung T = 0, die andere durch U = 0 bestimmt werden. Ich beweise zuerst daß diese Kurven wirklich da sind (vermittelst Durch[sch]nittes zweier krum[m]en Flächen mit der Fundamentalebne); dann, daß jede 2m unendliche Äste hat, deren Asymptoten die unter gleichen Winkeln ( = 180m q ) gegen einander geneigt sind; und (worin der wahre neruus probandi steckt) daß jeder unendliche Ast der einen Kurve zwischen zweien der andern liegt. Hieraus leite ich alsdann ab, daß nothwendig, und zwar innerhalb eines endlichen bestim[m]ten Raumes wenigstens Ein Durchschnitt der beiden Kurven Statt finden müsse, also wenigstens Eine Bestimmung von r und ij, wodurch T u[nd] U zugleich 0 werden; hieraus folgt dann der zu beweisende Satz sogleich von selbst. Am Schluß habe ich noch einen von diesem ganz verschiedenen Beweis nur mit wenig Worten angedeutet und mich anheischig gemacht, ihn ausführlich zu entwickeln, sobald sich Gelegenheit dazu darbieten wird. Übrigens habe ich mich des Gebrauchs sowohl imaginärer als unendlicher Größen gänzlich enthalten. ––– 3.4.1.2. Zweite Mitteilung II. Disquisitiones arithmeticae,44 auctore C[arl] F[riedrich] G[auß]. 8vo. Unter der Presse. Den Titel dieses Werks, welches ich dem Urtheile der Kaiserl[ichen] Akademie vorzulegen die Ehre haben werde, sobald es vollendet ist und die Zeitumstände es erlauben, habe ich gewählt, weil bei weitem der größte Theil desselben solche Wahrheiten zum Gegenstande hat, die sich auf ganze Zahlen beziehen, und deren Inbegriff ich am schicklichsten durch die Benennung Höhere Arithmetik auszudrücken glaube, da der Name Unbestimmte Analytik theils nur einen sehr speziellen Theil davon zu bezeichnen pflegt, theils auch diesen nicht passend genug anzudeuten scheint. Der Zweck 44 „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801). Titel in deutscher Übersetzung: „Untersuchungen über höhere Arithmetik“. In: Gauß-Werke: 1, S. 1–474.

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meines Werkes ist nun eigentlich nicht, das was von andern in diesem unermeßlichen Felde bisher geleistet worden (vornehmlich von Euler) zusammenzustellen, sondern vielmehr die Früchte meiner eignen, nunmehr seit etwa 6 Jahren, mit leidenschaftlichem Eifer ununterbrochen fortgesetzten Meditationen bekannt zu machen. Inzwischen wird man doch, der Sache nach, beinahe alles was andere gearbeitet haben, gleichfalls darin antreffen, wiewol fast durchgehends unter andern Gesichtspunkten und nach andern Methoden, welches theils daher rührt, daß ich fast ein Jahr hindurch mich mit diesen Untersuchungen beschäftigt habe, ohne von der Existenz der Arbeiten andrer darüber etwas zu wissen, wodurch ich auf viele schon bekannte Wahrheiten auf eignen Wegen gekommen bin, die ich nicht unterdrücken zu müssen glaubte; dieß gilt besonders von dem größern Theile der Ersten Vier Abschnitte; andere schon bekannte Untersuchungen mußte ich deswegen mitnehmen, weil sie zum Verstehen der meinigen nothwendig waren, zumal da wenige Mathematiker von jenen unterrichtet sind, und auch meine Darstellung ganz verschieden ist; dieses gilt von einigen Materien des 5. Abschnitts. Auf diese Weise macht also die Schrift Ein zusammenhängendes Gebäude aus. Nach dem anfangs gemachten Plane sollte das Ganze aus 8 Abschnitten bestehen; allein, da meine fortgesetzten Untersuchungen während des schon ins 3te Jahr dauernden Abdrucks den Stoff noch ungemein vermehrt haben und die ersten 7 Abschnitte nun schon fast das Doppelte von dem ausmachen, worauf das Ganze berechnet war, so bin ich genöthigt worden, den 8 Abschnitt nebst einer Menge anderer Materien für einen zweiten Theil oder für ein anderes Werk zurückzulegen. Die Titel der ersten 7 Abschnitte, die sich hier aber ohne größte Weitläuftigkeit nicht erklären ließen sind folgende: I. De Numerorum Congruentia in Genere, p. 1–7. II. De Congruentiis primi gradus 8–32. III. De residuis potestatum 33–91. IV. De Congruentiis secundi Gradus 92– 164. V. De formis aequationibusque indeterminatis secundi gradus. Dieser Abschnitt an dessen Schlusse jetzt gedruckt wird, ist bei weitem der ausführlichste; er wird wahrscheinlich ungefähr v[on] p[agina] 165 bis 528 gehen; er enthält hauptsächlich Untersuch[ungen] aus dem unerschöpflichen Felde solcher Funktionen Axx + 2 Bxy + Cyy, die ich (binäre) Formen nenne, auch eine beträchtliche Digression zu den ternären Formen Axx + 2 Bxy + Cyy + 2 Dxz + 2 Eyz + Fzz über ihre Verwandlungen, Aehnlichkeiten, Klassifikationen, Zusammensetzungen etc. Der 6te Abschnitt wird verschiedne wichtigen Anwendungen des vorhergeh[enden] enthalten z.B. neue Methoden Faktoren zu finden und Primzalen zu erkennen. Der 7 Abschn[itt] endlich [enthält] unter andern eine allgemeine (mit dem vorhergehenden genau verknüpfte) Theorie der regulären Polygone, wovon ich nur als Eine Probe die schon vor 5 Jahren gemachte und im Intelligenzblatt der Jenaer Zeitung (etwa Junius 1796) angekündigte Entdeckung erwähnen will,45 daß außer regul[ären] 3, 4, 45 Intelligenzblatt der allgemeinen Litteraturzeitung Nr. 66, 1. Juni 1796, S. 554. In: Gauß-Werke: 10,1, S. 3.

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5, 6, 8, 10, 12, 15, 16, 20, 24, 30 Eck etc. noch unendlich viele andre von diesen unabhängige z.B. 17 Eck sich geometrisch construiren lassen. ––– Das Ganze wird bekanntlich auf Ostern vollendet sein. –––

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Abb. 21a. Die erste Mitteilung von Gauß an Nikolaus Fuß, ohne Datum (vor Ostern 1801) St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, Razrjad V, op. 1–Ƚ, ʋ 44, l. 5r. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

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Abb. 21b. Die zweite Mitteilung von Gauß an Nikolaus Fuß, ohne Datum (vor Ostern 1801) St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, Razrjad V, op. 1–Ƚ, ʋ 44, l. 5v. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

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3.4.2. Weitere Mitteilung von Gauß ohne Datum (vor dem 21.6.1801) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 110, ʋ 13, l. 1–2. Publikation: Ožigova 1976b, S. 285–289 (nur russische Übersetzung); Reich 2003b.

[Vermerk von der Akademie] Presenté & lu en Conférence le 21 Juin 1801.46 Übersicht der Gründe der Constructibilität des Siebenzehneckes. _________________________________________________ Lehrsätze. q (Kürze halber wird der Winkel 360 17 durch A bezeichnet)

1. Es ist 1 + cos A + cos 2A + cos 3A ..... + cos 16A = 0 Dieser Satz ist theils schon unter bekannten allgemeinern enthalten, theils kann er auch durch eine höchst einfache Construction bewiesen werden. – Eine leichte Art ihn zu erhärten ist auch folgende: Wenn man 1+ cos A + cos 2A + cos 3A ...... + cos 16A ( = S) mit cos A multipliziert, durchgehends cos kA . cos A in 12 cos (k – 1)A + 12 cos (k + 1)A auflöset, und statt cos 17A den Werth 1 substituirt, so ergibt sich S cos A = S, also S(1 – cos A) = 0 und weil per hyp. nicht 1 – cos A = 0 sein kann, S = 0. 2. cos M cos M' =

1 2

cos(M – M') +

1 2

cos(M + M')

cos 17A = 1, cos 16A = cos A, cos 15A = cos 2A etc. und allgemein cos (17 – k)A = cos kA. Ferner cos 18A = cos A, cos 19A = cos 2A etc. und allgemein cos (17 + k)A = cos kA. Noch allgemeiner wenn e irgend eine ganze Zahl bedeutet cos (17e r k)A = cos kA. Sind alles aus den Elementen bekannte Sätze. 3. cos A + cos 2A + cos 3A + cos 4A .... + cos 8A = 

1 2

.

Folgt sogleich aus der Verbindung der Sätze 2 mit dem in 1. Ich vertheile jetzt die 8 Cosinus, deren Summe nach (3) bekannt ist, und auf welche, nach den Sätzen in (2), alle andern Cosinus von Vielfachen von A

46 Der Text wurde am 21.6./3.7.1801 in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg verlesen (Procès-verbaux 1911, S. 914, § 168).

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reducirt werden können, wenn sie nicht = 1 sind  in zwei Klassen, und setze cos A + cos 2A + cos 4A + cos 8A = p, cos 3A + cos 5A + cos 6A + cos 7A = p' *). [Gauß’ Vermerk als Fußnote am Seitenende: *) Wer mit dem was bisher in der höhern Arithmetik gethan ist bekannt ist, dem wird es nicht entgehen, daß die Zahlen 1, 2, 4, 8 quadratische Reste der Zahl 17 sind, d.i. Reste die bei der Division eines Quadrats durch 17 übrig bleiben können; 3, 5, 6, 7 hingegen Nichtreste, d.i. Zahlen die bei einer solchen Division nie Reste sind.] Man hat also p + p' = 

1 2

.

Ich multiplicire ferner p in p' und entwickle und verwandle das Product vermittelst der Reductionen in (2). Dieß gibt folgende Rechnung:

_______________________________________________________ Also auf gleiche Weise findet sich

_______________________________________________________ Folglich Hieraus folgt daß p und p' die Wurzeln der quadratischen Gleichung xx + 12 x  1 = 0 sind und sich also ihre Werthe ( 14 r 14 √17) durch geometrische Construction derselben lassen. Übrigens bleibt hier eine Schwierigkeit, ob für p das obere oder das untere Zeichen anzunehmen sei? Hier bemerke ich nur, daß sich diese Ungewißheit durch eine ganz beiläufige Rechnung nach den Sinustafeln entscheiden lasse, woraus sich ergibt daß p =  14 + 14 √17 und p' =  14  14 √17 angenommen werden müsse. (In dem Werke selbst ist die Untersuchung so angestellt daß man dieser Schwierigkeit ganz ausweichen oder sie auch auf andere Art heben kann). Ich vertheile aufs neue die 4 Cosinus aus denen p besteht in zwei Klassen, und setze cos A + cos 4A = q, cos 2A + cos 8A = r; eben so vertheile ich die vier andern und mache cos 3A + cos 5A = q', cos 6A + cos 7A = r'. Hieraus ist also sogleich q + r = p, q' + r' = p'. Ich multiplicire ferner q mit r, welches Product

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nach einer ganz ähnlichen Entwicklung wie oben in 2 cos A + 2 cos 2A + 2 cos 3A + 2 cos 4A + 2 cos 5A + 2 cos 6A + 2 cos 7A + 2 cos 8A verwandelt wird. Ganz dasselbe ergibt sich aus der Entwicklung von q'r'. Man hat also qr = q'r' = 1. Folglich sind q, r die Wurzeln der Gleichung xx  px  1 = 0, und q', r' die Wurzeln von dieser xx  p'x  1 = 0; daher sich ihre Werthe, in so fern p und p' als schon gegeben angesehen werden, durch geometrische Construction finden lassen. Von der Ungewißheit in Ansehung der Zeichen, welche den bei Auflösung dieser Gleichungen hervorgehenden Radicalgrößen beizulegen sind, gelten ähnliche Bemerkungen wie vorhin. Endlich hat man cos A + cos 4A = q; das Produkt cos A cos 4A hingegen verwandelt sich in 12 cos 3A + 12 cos 5A = 12 q'; also sind cos A und cos 4A die beiden Wurzeln der Gleichung xx  qx + 12 q' [ = 0], mithin ihre Werthe durch geometrische Construction zu finden. In diesem Falle ist von selbst klar, daß cos A der größere, cos 4A der kleinere Cosinus sei, also cosA = 12 q + √( 14 qq  12 q') und cos 4A = 12 q  √( 14 qq  12 q') gesetzt werden müsse.  Sobald cos A gefunden ist, ist natürlich das 17 Eck schon bestimmt *). [Gauß’ Vermerk als Fußnote am Seitenende] *) cos 4A = sin (90q  4A) = sin 14 A ist wie von selbst erhellet die halbe Seite des Vierunddreißig Ecks den Radius = 1 angenommen . . . ;  cos 8A ist das Perpendikel aus dem Mittelpunkte auf die Seite des 17 Eckes; . . 2 sin 8A = √(2  2cos16A) = √(2  2cosA) die Seite des 17 Ecks. [Fortsetzung des Absatzes] Die übrigen sechs Cosinus lassen sich ganz auf ähnliche Art bestimmen nämlich cos 2A und cos 8A cos 3A und cos 5A cos 6A und cos 7A

sind Wurzeln der Gleichung -------------------------------------------------------------------

xx  rx + 12 r' = 0 xx  q'x + 12 r = 0 xx  r'x + 12 q = 0

Auf diese Weise ist folgender Ausdruck herausgebracht

und dieser numerische Werth 0,9324722294 0435580457 3115891821 Die Formeln für die übrigen 7 Cosinus haben eine ganz ähnliche Gestalt. Übrigens darf ich nicht unbemerkt lassen, daß ich hier theils nur das allernöthigste von der Sache ausgeführt, theils (um nichts Fremdes voraussetzen zu müssen) ein ganz anderes Verfahren gebraucht habe als im Werk selbst, wiewohl es im Wesentlichen auf denselben Gründen beruhet – Ich werde es als mein größtes Glück ansehen, wenn die kaiserl[iche] Akademie diese kleine

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Probe ihres Beifalls nicht unwerth halten und daraus einigermaßen ein günstiges Vorurtheil für die Disquisitiones in deren VII. Abschnitt diese Theorie in größter Allgemeinheit abgehandelt ist, fassen wird.

3.5. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Datum 11.12.1801 14./26.2.1801 20.5.1802 6./18.6.1802 18.7.1802 5./17.9.1802 20.10.1802 4.4.1803 19./31.5.1803 1.3.1804 24.4./6.5.1804 24.11.1804 6./18.1.1805 18.3.1805 17.9.1805 31.10./12.11.1805 20.10.1806 9.11.1806 11./23.12.1806 10.10.1807 7./19.1.1808 24.3.1808 29.5./10.6.1808 15.7.1808 2./14.4.1824 17.5.1824

Ort Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig Braunschweig St. Petersburg Braunschweig Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Hannover

Verfasser / Empfänger Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N.

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Brief 1. Gauß an Nikolaus Fuß, 11. Dezember 1801 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 73, l. 99–100. Publikation: Svjatskij 1934, S. 209–211. Teilpublikation: Biermann 1990, S. 62–63.

[Vermerk von der Akademie]47 Der Conferenz vorgelesen den 20ten Dec[ember] 1801 Braunschweig d[en] 11 Dec[ember]1801. Bei der jetzt allgemein gespannten Aufmerksamkeit aller Astronomen auf die wichtige zu Anfang dieses Jahres von Piazzi gemachte Entdeckung eines neuen Hauptplaneten, Ceres Ferdinandea,48 schmeichle ich mir, daß die Kaiserl[iche] Akademie der Wissenschaften die Freiheit die ich mir nehme, ihr eine vorläufige kurze Anzeige der letzten Hauptresultate meiner über die Bahn dieses Planeten geführten Rechnungen vorzulegen, gütigst verzeihen werde, um so mehr, da die langen Winternächte zu St. Petersburg und die beträchtliche nördliche Deklination, welche die Ceres jetzt haben muß, hoffen lassen, daß man daselbst die Aufsuchung derselben wenigstens mit eben so großer, wo nicht mit größerer Erwartung eines glücklichen Erfolgs unternehmen könne, als in unsern Gegenden, wo seit einem Monat der Himmel ununterbrochen bedeckt gewesen ist. Ich darf mich begnügen, nur die nothwendigsten Resultate aufzuführen, da eine ausführliche Nachricht von meinen Rechnungen in des H[errn] v. Zach Monatl[icher] Corresp[ondenz] im Decemberstück bereits abgedruckt ist,49 und von den dabei gebrauchten Methoden habe ich vielleicht in Zukunft die Ehre, der Kaiserl[ichen] Akademie eine vollständige Darstellung vorzulegen. Eigentlich habe ich bisher die Bahn viermal berechnet; die drei ersten Rechnungen gründen sich auf die im Septemberstück der Mon[atlichen] Corr[espondenz] bekannt gemachten Angaben von Piazzis Beobachtungen; die vierte hingegen auf die Originalangaben Piazzis.50 Meine ersten und zweiten Elemente sind jede nur aus drei Beobachtungen abgeleitet; jene aus denen vom 2, 22 Januar u[nd] 11 Febr[uar], diese aus denen vom 1, 21 Jan[uar] u[nd] 11 Febr[uar]. Bei den drit47 Vgl. Procès-verbaux 1911, S. 961, § 361 und S. 969, § 29. 48 Der in Palermo wirkende Astronom Giuseppe Piazzi hatte die Ceres am 1.1.1801 entdeckt. Er konnte sie bis zum 11.2.1801 beobachten. Er benannte den neuen Himmelskörper „Ceres Ferdinandea“ nach Ferdinand IV., König von Neapel, ab 1816 Ferdinand I., König beider Sizilien. 49 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den längst vermutheten neuen Haupt-Planeten unseres Sonnen-Systems. Monatliche Correspondenz 4, 1801, S. 638–649 (December); darin Gauß’ Beitrag auf S. 639–649, dieser auch in: GaußWerke: 6, S. 199–204. 50 „Risultati delle Osservazioni della nuova stella scoperta il di’ 1. gennajo [1801] all’Osservatorio reale di Palermo“ (Piazzi 1801a) und „Resultate der Beobachtungen des neuen Sterns, welcher den 1. Januar 1801 auf der königlichen Sternwarte zu Palermo entdeckt wurde“ (Piazzi 1801b).

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ten hingegen war die ganze Reihe der Beobachtungen in Betracht gezogen, so daß die berechneten Oerter zwischen den beobachteten soviel als möglich das Mittel hielten, und die Abweichungen ohne Regularität bald positiv bald negativ waren; eben das gilt von den vierten Elementen. Da also diese vierten Elemente die Beobachtungen am genauesten darstellen und folglich, so viel sich bis jetzt beurtheilen läßt vor den übrigen den Vorzug zu verdienen scheinen, so ist es hinreichend nur diese herzusetzen und zu bemerken, daß die übrigen in Betracht der Kleinheit des beschriebenen Theils der Bahn nur sehr unerheblich davon verschieden sind; daß die zweiten Elemente von den nach Piazzis Originalangaben berichtigten Beobachtungen in der Länge nirgends über 14Ǝ Raum[sekunden] und in der Breite nirgends über 6Ǝ abweichen ausgenommen bei den von Piazzi selbst als ungewiß angegebenen v[om] 3 u[nd] 10 Januar, wo die Länge bei der erstern 15Ǝ die Breite bei der zweiten 11Ǝ differirt, und bei der Beobachtung vom 13 Januar wo die Länge 19Ǝ differirt, die Breite 11Ǝ. Bei den dritten Elementen ist mit Ausschluß der Beob[achtungen] v[om] 3 u[nd] 13 Januar der größte Längenfehler ½° ­° 3 ½ ­0 ½ 8Ǝ der größte Breitenfehler 4Ǝ; am ­®¯13 ¾ Januar ®10 ¾ Längenfehler, ® ¾ Breitenfehler. ¯7'' ¿ ¿ 1 2

°¯16

°¿

Bei den vierten Elementen kann der größte Längen- u[nd] Breitenfehler (mit Ausschluß jener beiden Beobachtungen) nirgends über 4 bis 5Ǝ gehen, und man darf nur annehmen, daß die Beobachtung Rektasc[ension] am 13 Januar (welche am Passageninstrumente nicht hat gemacht werden können, sondern bloß mit dem ganzen Kreise angestellt ist) genau um Eine Zeitsekunde zu groß ist, um sie mit den sämmtl[ichen] übrigen Beob[achtungen] in die schönste Übereinstimmung zu bringen. Diese Rechnungen beweisen demnach hinlänglich, daß die von Dr. Olbers u[nd] Burkhard51 vermutheten Fehler von mehrern Minuten in den Beob[achtungen] nicht Statt haben können, weil es sonst nicht möglich wäre, sämmtliche Beob[achtungen] durch einerlei Elemente so scharf darzustellen. Die vierten Elemente sind folgende:52 Länge des Knoten Länge der Sonnenferne Mittl helioc. Länge d. 31 December1800 im mittl. Palermer Mittag Neigung der Bahn Eccentricität

80° 0ƍ 44Ǝ 326° 27ƍ 38Ǝ 77° 36ƍ 34Ǝ 10° 36ƍ 57Ǝ 0,0825017 . . . . . . .

halbe große Axe tägl. trop. mittl. Bew.

2,767278 770Ǝ914 . . . . . . . .

also größte Aequ. Centri 9° 27ƍ 41Ǝ also trop. Umlaufszeit 1681 Tage

51 Johann Karl Burkchardt. 52 Diese Daten wurden auch in den Protokollen der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg festgehalten, siehe: Procès-verbaux 1911, S. 961, § 361.

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Nach diesen Elementen habe ich folgende Oerter im voraus berechnet: die Zeit ist Mitternacht im Palermer Meridian, mittlere Zeit: – die schon verflossenen Zeiten lasse ich weg. Neuen Stils 1801. Decemb[er] Geoc. Länge Geoc. Breite, Nordlich. 13 175° 51ƍ 10° 37ƍ 19 177° 27ƍ 11° 4ƍ 25 178° 53ƍ 11° 32ƍ 31 180° 10ƍ 12° 1ƍ Diese Positionen weichen von denen, die H[err] von Zach aus Piazzis Kreishypothese berechnet hat um 10 bis 11 Grad in der Länge ab. Für weiter hinausliegende Zeiten kann man die Oerter, hinreichend genau zu dem Zweck wozu sie berechnet sind und wo von einigen Minuten nicht die Rede sein kann, vermittelst der Differenzen fortzuführen sich begnügen. So finde ich (wenn ich die hier weggelassenen Sekunden mit in Betracht ziehe): Geoc. Länge Geoc. Breite 1802, Januar 6.... 181° 15ƍ . . . . 12° 32ƍ 12 . . . . 182° 8ƍ . . . . 13° 4ƍ 18 . . . . 182° 50ƍ . . . . 13° 37ƍ Ich bin im Begriff, mit den durch H[errn] von Zach mir soeben mitgetheilten aufs neue corrigirten Sonnenörtern und mit der neuesten Pariser Bestimmung der Schiefe der Ekliptik neu reducirten Längen und Breiten die Bahn noch einmal zu bestimmen, ob gleich sich voraussehen läßt, daß die Elemente dadurch zu wenig geändert werden können, als daß großer Vortheil für die Aufsuchung des Planeten davon zu hoffen stände. Mit der vollkommensten Verehrung habe ich die Ehre mich zu unterzeichnen C. F. Gauß.

Brief 2. Nikolaus Fuß an Gauß, 14./26. Februar 1802 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 1 (2 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 90–91.

Wolgebohrner Herr Doctor, Hochzuehrender Herr! Es gereicht mir zu besonderm Vergnügen Ew. Wolgebohrnen officiell anzukündigen, daß die hiesige Kayserliche Akademie der Wißenschaften Sie in ihrer Sitzung vom 31ten Jan[uar] unter die Zahl ihrer auswärtigen correspondirenden Mitglieder aufgenommen hat. Mit Ihren mathematischen Kenntnißen und Verdiensten schon längst durch die Briefe des H[errn] Geh[eimen] Etatsrath von Zimmermann,53 und seit kurzem 53 Die Briefe Zimmermanns an Nikolaus Fuß, die zwischen den Jahren 1800 und 1807 gewechselt wurden, sind ganz oder in Auszügen veröffentlicht worden in: Stieda 1927.

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noch genauer durch eigne Mittheilung Ihrer gelehrten Arbeiten bekannt, kann es mir nicht anders als äußerst erfreulich seyn, Sie in näherer Verbindung mit der Akademie zu sehn und ich wünsche mir Glück etwas dazu haben beytragen zu können. Das Diplom habe ich bereits ausfertigen und von dem H[errn] Presidenten und Vize=Presidenten54 unterschreiben laßen und werde es mit der ersten guten Gelegenheit an Sie selbst adreßiren. Sollte sich aber nicht bald eine schickliche und sichere Gelegenheit darbieten, so erhalten Sie daßelbe unmittelbar durch die Post. Empfangen Sie meinen Glückwunsch zu Ihren succeßvollen Arbeiten über die Ceres und die Versicherungen der vollkommenen Achtung und Ergebenheit mit der ich die Ehre habe zu seyn Ew. Wolgebohrnen gehorsamster Diener N. Fuß K. K. Etatsrath und Ritter des St. Annen=Ordens St. Petersburg den 14ten Febr[uar] 1801. [sic]55

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschlag] Etatsrath von Fuß † Petersburg den 4 Januar 1826 im 71 Jahre

54 Das Amt des Präsidenten der Akademie in St. Petersburg hatte von 1798 bis 1803 der in Straßburg geborene Baron Ludwig Heinrich von Nicolai inne. Das Amt des Vizepräsidenten hatte von 1800 bis 1803 der Astronom Stepan Jakovlevič Rumovskij inne. 55 Im Original ist als Jahr 1801 genannt, was aber nicht richtig sein kann. Es muss, wie der nächste Brief zeigt, 1802 sein.

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Brief 3. Gauß an Nikolaus Fuß, 20. Mai 1802 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 74, l. 55–56. Publikation: Svjatskij 1934, S. 213–216. Teilpublikation: Biermann 1990, S. 63–64.

[Dieser Brief wurde am 23. Mai/7. Juni 1802 in der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg verlesen, Procès-verbaux 1911, S. 998–999, § 159]. Braunschweig den 20ten May 1802. Den innigsten Dank statte ich der Kaiserl[ichen] Akademie der Wissenschaften für die mir erwiesene Ehrenbezeugung, und Ihnen, Verehrungswürdigster Herr Etatsrath! für Ihr verbindliches Schreiben vom 14 Febr[uar] und für Ihre gütige Bemühung ab. Ich schmeichle mir, daß eine vorläufige Nachricht von den Resultaten meiner bisherigen Untersuchungen über die von Dr. Olbers jüngst entdeckte Pallas56 der Kaiserl[ichen] Akademie nicht unangenehm seyn werde, zumal da nach allem was sich aus den bisherigen Beob[achtungen] schließen läßt, die Entdeckung der Pallas noch wichtiger ist als die der Ceres, oder vielmehr beide Entdeckungen einander wechselseitig heben, und vereinigt die wichtigsten und unerwartetsten Aufschlüsse versprechen. 1 Ich muß zum voraus bemerken, daß die Methode, welcher ich mich vor 2 Jahre bei der Ceres und gegenwärtig bei der Pallas bedient habe, gar nichts Hypothetisches enthält, sondern die Bestimmung der vollständigen Elemente als ein mathematisches Problem behandelt, und daher die wahre Bahn so genau liefern muß, als es die Natur der Sache und die Schärfe der Beobachtungen zulassen. Ehe ich eine solche Berechnung der Bahn unternahm, hatte ich vorher versucht einen Kreis durch die Beob[achtungen] des Dr. Olbers u[nd] Baron v. Zach vom 29ten März bis 7 April zu legen, und gefunden daß dieses nicht möglich sei. Dr. Olbers hatte ebenfalls sowol einen Kreis als eine Parabel vergebens versucht. Bei der starken Neigung der Bahn kann es nicht fehlen, daß eine falsche Bahn bald als falsch sich zu erkennen gebe. Bestimmungen der Bahn der Pallas, unabhängig von Hypothesen, habe ich bisher drei gemacht und werde in Kurzem die vierte machen. Den ersten Versuch machte ich mit 19 tägigen Beobachtungen des Dr. Olbers vom 29 März bis 17 April; den zweiten aus 17 tägigen Seeberger Beob[achtungen] vom 4 April bis 19 April; den dritten mit Seeberger Beob[achtungen] von 27 Tagen, vom 4 April bis 1ten May. Die Genauigkeit des Resultats muß theils von der vortheilhaften Lage, theils von der Güte, theils von der Dauer der Beob[achtungen] abhängen. Die Theorie dieser Untersuchungen zeigt, daß ceteris paribus57 die Bestimmung der Bahn desto zuverlässiger sei, je näher der Winkel den ein größter Kreis von dem Orte der Sonne nach dem geocentrischen Orte des Himmelskörpers gezogen mit der 56 Die Pallas wurde am 23.3.1802 von Wilhelm Olbers entdeckt. Der neue Himmelskörper wurde anfänglich Pallas Olbersiana, später nur noch Pallas genannt. 57 Lat. ceteris paribus = unter sonst gleichen Voraussetzungen.

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scheinbaren Bahn macht, einem rechten kommt. Nun aber ging die Tangente der Bahn zu Anfang Aprils zufälligerweise durch den Ort der Sonne. Es waren daher bei dem ersten Versuche alle drei vorhin erwähnte Umstände nicht günstig, beim zweiten waren es der erste und dritte Umstand noch, hingegen waren diese schon weit vortheilhafter beim dritten Versuch. Gleichwol stimmen alle drei Bestimmungen im Wesentlichen vollkommen überein, „daß die Bahn der Pallas eine Ellipse von einer nicht viel größern Eccentricität als die f Bahn sei, zwischen h und j, im Perihel der Sonne näher im Aphel entfernter als die Ceres und daß beim Knoten auf der Ceresbahn eine sehr große Annäherung statt finde[“]. Bei den ersten Elementen war die Eccentricität 0,33; bei den zweiten 0,21 bei den dritten 0,259. Hirnach würde man also kein Bedenken tragen die Pallas eben so wie die Ceres einen Planeten zu heißen. Die Nei1 gung ist nach den dritten Elementen 35°, Sonnenferne 300°, aufsteigender k 172 2 . Umlaufszeit nur wenig von der der . verschieden; beim niedersteigenden Knoten ­Pallas 2,86½ ¾. ¯Ceres 2,93 ¿

der Pallasbahn auf der Ceresbahn ist die Entfernung von der s bei ®

Diese große Annäherung beider Bahnen, welche vielleicht künftig bei näherer Kenntniß noch größer werden oder vielleicht gar (wiewol mir dieß nicht wahrscheinlich ist) sich in einen wirklichen Schnitt verwandeln kann hat unsern Dr. Olbers auf die Idee gebracht, daß vielleicht Pallas und Ceres nur Trümmer von Einem einzigen Planeten sind, den der Stoß eines Kometen zerstörte. Dieß bedarf aber zur Bestättigung einer längern Reihe von Beob[achtungen] und genauere Kenntniß der Bahn. – Sollten die mittlern Bewegungen aber genau gleich sein (welches nicht unmöglich ist, da die beiden Planeten ihrer Kleinheit ungeachtet einen bis auf eine gewisse, freilich enge, Grenze übereinstimmenden Umlauf nothwendig von selbst zu einem völlig gleichen machen können): so könnten dennoch wol die beiden Planeten immer friedlich mit einander um die Sonne wandeln, da gerade bei dem gefährlichen k, die Ceres immer sehr beträchtlich vor der Pallas voraus sein müßte. Ich nahm mir die Freiheit, hier noch eine kleine Ephemeride beizufügen, die nach den letzten Elementen berechnet ist, und hoffentlich im Junius nur einige Minuten fehlen wird (und zwar so viel ich aus den letzten Seeberger Beob[achtungen] zum 11ten May schließen kann, zurückbleiben wird), wiewol ich zweifle, daß man in St. Petersburg nach Eingang dieses Briefes bei den kurzen und halben Sommernächten die Pallas noch wird beobachten können. Sollten aber bisher auf der St. Petersburger Sternwarte Beobachtungen der Pallas gemacht sein, so würde ich mich durch eine gütige Mittheilung derselben sehr verpflichtet halten. Um die Pallas 1803 im Ophiuchus wiederfinden zu können, werden freilich die Elemente noch Verbesserung bedürfen, und diese wird desto sicherer ausfallen, je größer der Vorrath guter Beob[achtungen] sein wird. Mit der innigsten Verehrung und Ergebenheit habe ich die Ehre mich zu nennen, Verehrungswürdigster Herr Etatsrath! Ihren gehorsamsten Diener C. F. Gauß.

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Brief 4. Nikolaus Fuß an Gauß, 6./18. Juni 1802 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 2 (3 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 91.

Wolgebohrner Herr Doctor, Hochzuehrender Herr! Sie haben mir durch Ihren interessanten und gehaltvollen Brief vom 20ten May ein sehr großes Vergnügen gemacht, und ich halte mich Ihnen für die mir gütigst mitgetheilten merkwürdigen Resultate Ihrer Untersuchungen über die Olberssche Pallas recht sehr verpflichtet. Auch die Akademie: der ich dieselben sogleich vorgelegt habe, hat mir aufgetragen, Ihnen für die ihr dadurch bezeugte Aufmerksamkeit verbindlich zu danken. An dem Planetismus dieses neuen Sterns läßt sich nach einer so auffallenden Übereinstimmung der drey von Ihnen aus drey verschiedenen Beobachtungs=Reihen gemachten Berechnungen der Elemente kaum mehr zweifeln. Und sollte der vierte Versuch, auf deßen Resultate ich sehr begierig bin, und späthere Beobachtungen, das bisher gefundene bestätigen: so gehörte allerdings dieses Weltkörpers Entdeckung zu den merkwürdigsten, derer die Sternkunde sich zu rühmen hat, so wichtig und mannigfaltig die Bereicherungen auch waren, die dieser Wißenschaft in unsern Zeiten zu Theil geworden sind. Mit hiesigen Beobachtungen der Pallas kann ich, leyder! das Vergnügen nicht bezahlen, das mir Ihr Brief gewährt hat, weil unsere Sternwarte seit einiger Zeit verwaißt steht,58 und vor der Bestätigung des neuen Reglements, an dem itzt gearbeitet wird, nicht recht ernstlich an die Besetzung der so nöthigen Stelle eines Beobachters gedacht werden kann. Was ich hierüber vor einiger Zeit an H[errn] Prof. Pfaff schrieb,59 werden Ew. Wolgebohrnen nun bereits gelesen haben. Ich bin sehr begierig auf seine Antwort, und würde mich unendlich freuen, wenn das gleichsam hingeworfene Samenkorn so herrliche Früchte für die Akademie hervorbrächte. Das den 2ten May an den H[errn] Geh[eimen] Etatsrath von Zimmermann abgeschickte Diplom werden Sie nun wol bereits erhalten haben. Es freut mich, daß die Akademie zuerst unter den größern gelehrten Instituten Ihren Verdiensten die verdiente Gerechtigkeit durch eine Auszeichnung hat wiederfahren laßen, zu der ich etwas beyzutragen im Stande gewesen bin. Ich habe die Ehre mit vorzüglicher Hochachtung und Ergebenheit zu seyn Ew. Wolgebohrnen gehorsamster Diener 58 Bis 1803 sollte Henry Maurice für die Sternwarte zuständig sein, der sich aber kaum um sie kümmerte. Erst 1803 besserte sich die Lage, als Friedrich Theodor Schubert die Sternwarte übernahm und im selben Jahr auch Vincent Wishniewsky von Berlin nach St. Petersburg wechselte. 59 Johann Friedrich Pfaff und Nikolaus Fuß standen in regem Briefwechsel miteinander, doch die Briefe von Fuß an Pfaff sind wohl nicht erhalten.

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N. Fuß. St. Petersburg den 6ten Junii 1802.

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschag]

Brief 5. Gauß an Nikolaus Fuß, 18. Juli 1802 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 74, l. 72–73. Publikation: Svjatskij 1934, S. 216–219.

Braunschweig den 18 Jul 1802 Verehrungwürdigster Herr Etatsrath Für Ihr verehrtestes am 15ten dies[es] eingegangenes Schreiben vom 6 Jun[i] und für die gütige Aufnahme der Sie meine Resultate über die Pallas gewürdigt haben meinen innigsten Dank. Ich fahre inzwischen fort, von meinen fernern Arbeiten Rechenschaft abzulegen, obwol das Meiste davon bald nach Ankunft dieses Briefes auch im Julius Heft der v. Zach’schen M[onatlichen] C[orrespondenz] anlangen wird.60 Am 4 Jun[i] hatte ich das Vergnügen, von Dr. Maskelyne seine sämtl[ichen] Meridianbeob[achtungen] der Pallas zu erhalten, welche vom 23 April bis 16 May gehen. Ich verbesserte nach denselben sofort meine vorhergehenden Elemente und fand folgende die ich mit III bezeichne: 162° 25ƍ 46Ǝ Epoche 1802 März 31 Mittag in Seeberg . . . . Sonnenferne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300.58.48 k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.28.18 Eccentricität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,2476402 34° 39ƍ 11Ǝ Neigung der Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,4425664 Logarithm der halben großen Axe . . . . . . . . . . 769Ǝ5472 Tägliche tropische Bewegung . . . . . . . . . . . . . Die Übereinstimmung dieser Elemente mit den sämmtl[ichen] mir bekannt gewordenen Meridianbeob[achtungen] wird im Juliusheft der M[onatlichen] C[orrespondenz] vorkommen. Oriani hat den Planeten bis zum 22 May im Meridian gesehen; ob Piazzi die Nachricht von dieser Entdeckung früh genug erfuhr, um 60 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten unseres Sonnen-Systems, Pallas Olbersiana. Monatliche Correspondenz 6, 1802, S. 71– 96 (Julius). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 79–87, dieser gekürzt auch in: Gauß-Werke: 6, S. 217–220.

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auch noch einige Meridianbeob[achtungen] zu machen, davon bin ich noch nicht unterrichtet, sie würden sehr schätzbar sein. Diese IIIten Elemente haben sich auch nachher so gut gehalten, daß sie von den letzten Olberschen Beob[achtungen] (Dr. Olbers hat am 9ten Jul[i] ganz geschlossen) nur etwa 24Ǝ in der AR und ein Paar Sek[unden] in Decl[ination] differirten; daß selbst einige Minuten Aenderung der Beob[achtungen] jetzt nach mehr als 3 Monaten die Elemente nur sehr unwesentlich afficiren würde [sic], davon habe ich mich durch Rechnung überzeugt, und der Planetismus der Pallas ist also geometrisch erwiesen wenn wir nemlich unter Planeten nur Weltkörper verstehen die in einer kreisähnlichen oder wenig abgeplatteten Ellipse um die s laufen. Die Benennung Asteroids, die Dr. Herschel für Ceres u[nd] Pallas vorgeschlagen hat,61 (denen er respective nur 162 u[nd] 70 englischer Meilen Durchmesser beilegt also 18 u[nd] 40 mal weniger als Dr. Schröter) scheint bei den Astronomen keinen Beifall zu finden u[nd] in der That ist auch nicht abzusehen, warum es nicht große u[nd] kleine Planeten geben sollte. Übrigens finde ich aus Dr. Herschels Messungen das Resultat für die ¥ etwas größer nemlich 26 deutsche Meilen aber die Schwierigkeit solche kleine Größen zu messen (Herschel gibt nur 0Ǝ,17 oder 0Ǝ,13 scheinb[are] Durchmesser) und die enorme Differenz mit Schröters Messung sind wol starke Gründe um auf solche Messungen überhaupt nicht zu bauen. Die Wiederauffindung der Pallas 1803 wird viele Schwierigkeit machen, wegen ihrer großen Lichtschwäche. Selbst im Gegenschein des künftigen Jahres kommt sie der l nicht viel näher als sie ihr beim Schluß der Olbersschen Beob[achtungen] war, und überdieß ist sie alsdann von der s noch beträchtlich mehr entfernt, also weniger erleuchtet. Das einzige was meine Hoffnung, daß sie dennoch wiedergefunden werden könnte, unterhält, ist, daß sie ziemlich hoch stehen wird, daß also Dämmerung und Dünste des Horizonts nicht so nachtheilig sein werden. Sollte aber auch 1803 u[nd] 1804 (wo es nur etwas weniges besser geht) alles fehlschlagen, so habe ich doch die beste Hoffnung daß sie 1805 nicht entschlüpfen kann, da zum Glück dieses Jahr eine respectable Reihe von Beob[achtungen] gelungen ist, mit deren Hülfe man selbst nach 3 Jahren den Ort auf einige Grade genau darzustellen sich schmeicheln kann. Unser vortreffliche[r] Pfaff ist leyder! wieder krank. Er wollte zur Wiederherstellung seiner Gesundheit eine Reise nach Copenhagen unternehmen, ist aber nach einigen indirecten Nachrichten in Kiel bei seinem Bruder geblieben.62 Unmittelbare Nachrichten haben wir hier gar keine von ihm. Ich bin daher von dem In61 „With this intention, therefore, I have endeavoured to find out a leading feature in the character of these new stars; and, as planets are distinguished from the fixed stars by their visible change of situation in the zodiac, and comets by their remarkable comas, so the quality in which these objects differ considerably from the two former species, is that they resemble small stars so much as hardly to be distinguished from them, even by very good telescopes. It is owing to this very circumstance, that they have been so long concealed from our view. From this, their asteroidical appearance, if I may use that expression, therefore, I shall take my name, and call them Asteroids“ (Herschel 1802, S. 228). Kurzer Bericht über Herschels Beitrag auch in: Monatliche Correspondenz 6, 1802, S. 89–93 (Julius). 62 Christoph Heinrich Pfaff, der ältere Bruder von Johann Friedrich Pfaff, war Professor der Medizin, Physik und Chemie an der Universität Kiel.

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halte des Briefes dessen Sie erwähnen und den H[err] E[tats-]R[ath] v. Zimmermann sogleich nach Kiel geschickt hat, nicht unterrichtet, und kann ihn nur aus einigen Winken des H[errn] Kollegienrathes Schubert63 ahnen. Das Zutrauen, welches Sie in mich setzen, heischt meinen innigsten Dank, und ich werde am Ziele meiner Wünsche sein, wenn der Himmel mir eine Lage schenkt, wo ich ganz meinen Lieblingswünschen leben kön[n]te. Mit der Bitte, mir Ihre gütigen mir so schmeichelhaften Gesinnungen ferner zu schenken, und unter Versicherung meiner vollkommensten Verehrung und Ergebenheit verharre ich Verehrungswürdigster Herr Etatsrath! Ihr gehorsamster Diener C. F. Gauß.

Brief 6. Nikolaus Fuß an Gauß, 5./17. September 1802 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 3 (4 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 92–93.

Wolgebohrner Herr Doctor, Hochzuehrender Herr! Ihren interessanten Brief vom 18ten Julii habe ich, wegen der Erndteferien, nicht eher als zu Ende vorigen Monats der academischen Conferenz vorlegen können.64 Diesem Umstande, und nicht meiner Saumseligkeit, bitte ich Sie, es zuzuschreiben, daß mein Dank für die gefällige Mittheilung der Resultate Ihrer Arbeiten über die Pallas so späth kömmt. Wie verdienstlich diese so herrlich gelungenen Arbeiten sind erkennen Ihre Zeitgenoßen; und auch die Nachwelt wird es erkennen und nie die Namen der Entdecker der beyden neuen Planeten nennen, ohne zugleich des Ihrigen dankbar zu erwähnen. D[r]. Herschels Vorschlag, aus der Ceres und Pallas eine Mittelgattung von Himmels=Körpern, unter dem Namen Asteroiden zu machen,65 kann unmöglich Beyfall finden, weil er sich auf gar nichts gründet, nicht einmal auf seine eigne fehlerhafte Definition, die doch im Grunde nichts anders sagt, als daß diese beyden Körper entweder Planeten oder Kometen sind. Daß Ew. Wolgebohrnen von dem Inhalt des Briefs, den ich an unsern gemeinschaftlichen Freund Pfaff Ihrentwegen geschrieben habe, nicht unterrichtet sind, bedaure ich sehr, so wie die unglückliche Ursache seines Stillschweigens. Mit jenem Briefe hatte es folgende Bewandnis: Herr Prof. Pfaff hatte in seinem lezten an mich abgelaßenen Schreiben den Wunsch geäußert, daß Sie eine Ihren Verdiensten und Neigungen angemeßene Anstellung erhalten möchten, und frug an, ob 63 Friedrich Theodor Schubert. 64 Der Brief von Gauß vom 18.7.1802 wurde in der Akademiekonferenz am 25.8./6.9.1802 verlesen (Procès-verbaux 1911, S. 1014, § 246). 65 Herschel 1802, S. 228.

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nicht bey unsrer Akademie eine schickliche Stelle für Sie offen wäre. Ich antwortete ihm, daß zwar die mathematische Klasse besetzt, oder vielmehr über[be]setzt wäre; daß aber der Abgang des Astronomen Henry66 mir einen sehr erwünschten Vorwand gäbe, Sie zu dieser vacanten Stelle vorzuschlagen, falls Sie Sich entschließen könnten, mit Ihren so eminenten theoretischen Kenntnißen practische Astronomie zu verbinden und unsre Sternwarte zu übernehmen. Ich bat ihn Sie hierüber zu sondiren, und mir sobald als möglich Ihre Erklärung wißen zu laßen. Hierauf bezog sich der fromme Wunsch in meinem lezten Brief, und die Stelle in dem Schreiben des H[errn] Koll[egien]R[ath] u[nd] Ritter Schubert.67 Seitdem habe ich aus einem Briefe des H[errn] geh[eimen] E[tats]R[ath] v. Zimmermann (dem ich meine gehorsamste Empfehlung und meine Entschuldigung zu machen bitte, daß ich ihm aus Mangel an Zeit diesmal nicht schreibe) ersehn, mit welchem Erfolge Ew. Wolgeb[ohren] sich auf das Practische der Sternkunde gelegt haben. Die Neigung zum Beobachten darf ich allso bey Ihnen voraussetzen, und es käme nur darauf an zu wißen, ob Ihnen der Ruf zu einer Sternwarte unter dem 60ten Grade, d.i. unter einem Himmel, der der Astronomie eben nicht sonderlich günstig ist, lieb seyn würde? Bey Pflichten, welche für einen Mann wie Sie eher Vergnügen als Last sind, würden Sie im Anfang auf einen fixen Gehalt von tausend Rubel und freye Wohnung, oder statt dieser, falls sie es vorzögen, zweyhundert Rubel Quartiergeld rechnen können; daß der Gehalt in der Folge ansehnlich vergrößert und mit andern Auszeichnungen begleitet werden würde, darf ich Ihnen zuversichtlich versprechen. Es geschieht mit Vorwißen, und sogar auf Verlangen des H[errn] Präsidenten68 und einer großen Majorität der academischen Conferenz, daß ich Ihnen diesen provisorischen Antrag thue. Ich bitte Sie, mir sobald möglich, Ihren Entschluß und Ihre etwanigen Bedingungen wißen zu laßen und versichert zu seyn, daß ich mir es zum besondern Vergnügen rechnen würde mit einem Manne in persönliche Bekanntschaft zu kom[m]en, der seine gelehrte Laufbahn mit so vielem Glanze begonnen hat. Ich habe die Ehre mit vorzüglicher Hochachtung zu seyn Ew. Wolgebohrnen ergebenster Diener N. Fuß St. Petersburg den 5ten Sept[ember] 1802.

66 Henry Maurice. 67 Siehe den Brief von Schubert an Gauß vom 30.4./12.5.1802 im vorliegenden Band. 68 Baron Heinrich Ludwig von Nicolai.

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Brief 7. Gauß an Nikolaus Fuß, 20. Oktober 1802 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 74, l. 88–89. Publikation: Svjatskij 1934, S. 219–221.

Braunschweig den 20. Oct[ober] 1802 Verehrungswürdigster Herr Etatsrath! Ihr verehrtes Schreiben vom 5. Sept[ember], welches ich am 6. Octob[er] erhalten habe, legt mir die Pflicht auf, meine Antwort sogleich mit dem wärmsten und innigsten Danke für das ehrenvolle Vertrauen, das die Kais[erliche] Akademie in mich setzt, so wie für die gütigen und schmeichelhaften Gesinnungen, die Sie als Veranlasser jenes Vertrauens mir bewiesen haben anzufangen. Ich habe nun den mir vorläufig gemachten Antrag reiflich überlegt, und eile, Ihnen meine Erklärung darüber zu melden. Zwar ist Praktische Astronomie nicht eigentlich das Fach, dem ich mich zu widmen gedacht habe, und ich würde mich nicht wohl entschließen können, mich auf Praktische Astronomie ausschließlich einzuschränken. Indeß haben die praktischen Beschäftigungen die ich mir bisher gemacht habe, so viel Reize für mich gehabt, daß ich mir es gern gefallen lassen würde, ex officio praktischer Astronom zu seyn, wenn es mir, bei einer treuen Erfüllung der daraus entspringenden Pflichten, unbenommen bleibt, außerdem sowol in der theoretischen Astronomie – was sich freilich von selbst versteht – , als auch nach Gefallen in der Reinen Mathematik – was ich ausdrücklich ausbedingen müßte – zu arbeiten. An Neigung dazu fehlt es also bei mir nicht. Was die Fähigkeit betrifft, so fühle ich zwar wol, daß ich bisher noch nicht alle dazu nöthige Erfahrung habe einsammeln können. Indeß zeigen mir doch wie ich mir schmeichle meine bisherigen Übungen, daß ich in diesem Fache nicht inuita Minerua69 arbeiten, und daß etwa nur ein kurzer Aufenthalt auf einer größern Sternwarte, z.B. bei H[errn] Baron von Zach der mir denselben wie ich zuversichtlich hoffe nicht versagen würde – mich zu einer gewissenhaften Erfüllung der praktisch=astronomischen Arbeiten hinlänglich vorbereiten würde.70 Allein ich bin nicht ganz frei. Ich habe Pflichten und große Pflichten gegen mein Vaterland und gegen unsern edeln Fürsten. Seine Großmuth hat mich in eine zufriedene Lage gesetzt, bei der ich mich ganz meinen Lieblingsneigungen überlassen kann. Die Bedingungen, welche mir die Akademie anbietet, sind zwar allerdings, Summe gegen Summe verglichen, beträchtlich größer als meine hiesige Lage. Allein bei der großen Theurung in St. Petersburg, bei den gegen die hiesigen so ganz ungleich höhern Preisen aller Bedürfnisse, würden jene Bedingungen meine hiesige Lage nur wenig überwiegen.

69 Lat. invita Minerva = gegen den Willen der Minerva. Minerva war in der Antike die Göttin der Lehrer, Ärzte, Künstler und Handwerker. 70 Gauß hielt sich vom August bis Dezember 1803 bei Zach auf dem Seeberg auf, um dort praktische Erfahrungen in der Astronomie zu sammeln.

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Ich überlasse es Ihnen selbst, Verehrungswürdigster! zu beurtheilen, ob ich mich nicht dem Vorwurfe der Undankbarkeit und Gleichgültigkeit gegen mein Vaterland aussetzen würde, wenn ich die Vortheile die mir unser Fürst so großmüthig und ganz von freien Stücken gewährt hat, gleichsam wegwürfe, ohne daß ich meine Lage beträchtlich verbesserte. Unter diesen Umständen muß ich es dem Ermessen der Kaiserl[ichen] Akademie überlassen, ob sie die Bedingungen noch verbessern und mir dadurch eine Lage sichern könne, die mich für die Aufopferung meines Vaterlandes, seines mildern Himmels, der Vortheile, deren ich darin genieße und alles dessen was mir darin theuer ist mehr schadlos zu halten geeignet sey. Schenken Sie mir, Verehrungswürdigster! ferner Ihre Gewogenheit, und nehmen Sie die Versicherung an, daß ich unter allen Umständen mit der vollkommensten Ergebenheit und Verehrung seyn werde Ewr. Hochwohlgeboren gehorsamster Diener Carl Friedrich Gauß

Brief 8. Gauß an Nikolaus Fuß, 4. April 1803 (Braunschweig) Quelle: Universität Tartu, Manuscript Collection of Friedrich Ludwig Schardius.71 Publikation: Müürsepp 1977, S. 39–40.

Braunschweig den 4 April 1803. Hochwohlgeborner Herr Ritter Verehrungswürdigster Herr Etatsrath! Wie sehr ich mich durch den in Ihrem letzten Briefe neuerdings mir gemachten Antrag geehrt fühle, wie wohlthuend meinem Herzen Ihre mir in dieser Angelegenheit so warm und thätig bewiesene Gewogenheit ist, kann ich Ihnen, mein Verehrungswürdigster Gönner nicht genug beschreiben, und wie sehr muß es mich daher schmerzen und betrüben, daß die gegenwärtigen Umstände mir es jetzt durchaus verbieten, Ihren so wohlgemeinten Absichten zu entsprechen. In der That, nachdem Sie mich wegen meiner aus irrigen Vorstellungen entsprungenen Besorgnisse so vollkommen beruhiget hatten, hätte für alle meine Neigungen nichts Erwünschteres sein können, als die ehrenvolle mir in St. Petersburg eröffnete Lage. Sie werden bereits durch den Brief des H[errn] von Zimmermann, und durch den meinigen an H[errn] Koll[egien]R[ath] Schubert72 von den Umständen, die mich jetzt in jener Lage glücklich zu sein finden, benachrichtiget sein, und also wissen, daß unser Fürst, gegen den meine Dankbarkeit jede andere Rücksicht überwiegen muß, meine Entfernung von hier nicht zugegeben, und durch eine 71 F. L. Schardius war als Archivar in der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg tätig. Im Jahre 1852 überreichte er seine Autographensammlung der Universität Dorpat. 72 Siehe den Brief von E. A. W. Zimmermann an N. Fuß vom 20.1.1803 (Stieda 1927, S. 93) sowie den Brief von Gauß an F. T. Schubert vom 20.1.1803 im vorliegenden Band.

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abermalige beträchtliche Verbesserung meiner hiesigen Lage meine Verpflichtung noch vermehrt hat. So bleibt mir jetzt nichts übrig, als Sie um die Fortdauer Ihres mir höchst theuren Wohlwollens und des Vertrauens der Akademie angelegentlichst zu bitten, und Sich überzeugt zu halten, daß mich dieselben immer mehr zu verdienen eifrigst bestreben werde. Daß wir jetzt im Besitz unserer beiden neuen Planeten ganz geborgen sind, werden Sie wenigstens in Ansehung der Pallas ohne Zweifel bereits wissen. H[err] Harding in Lilienthal fand sie am 19 Februar wieder auf, und auf seine Anzeige auch Dr. Olbers schon am 21ten Febr[uar]. Meine letzten im Dec[ember] Heft der M[onatlichen] C[orrespondenz]73 abgedruckten Elemente fehlten nur 2ƍ in der ge1 raden Aufsteigung und 2 Min[ute] in der Abweichung, der kleine Planet ist so äußerst schwer aus den kleinen Sternen dieser reichen Gegend herauszufinden und zu beobachten, daß meines Wissens bisher Dr. Olbers der darin eine ganz eigenthümliche Geschicklichkeit besitzt, der einzige ist, der eigentliche astronomische Beobachtungen derselben anstellt. Gleich nach Empfang der beiden ersten Olbersschen Beobachtungen berechnete ich daraus verbesserte Elemente, welche mit den fortgesetzten Beob[achtungen] noch immer beinahe so genau stimmen als es die Beob[achtungen] selbst sind. Hier habe ich die Ehre sie mitzutheilen.74 Epoche im Seeb. Meridian 1803. 221° 28ƍ 54Ǝ,0 (1802 … 143° 28ƍ 17Ǝ2) 769Ǝ4161 tägl. trop. Bew. 0,4426160 Log. der halben großen Axe Sonnenferne 1803 301.24.12,6 |sid[erisch] ruhend| k 1803 172.28. 7,9 Exzentricität . . . . . . . . . . . . 0,245619 34.38.19,8 Neigung der Bahn Hiemit stimmen die bisherigen Olbersschen Beob[achtungen] folgendermaßen: Unterschied in AR Decl. Febr. 21 – 20Ǝ0 + 15Ǝ,8 23 + 7,8 – 7,7 März 4 – 2,1 – 4,9 16 + 5,9 + 57,7 21 +14,0 + 19,1 22 + 20.,2 + 64,6 Die beob[achtete] Decl[ination] vom 22 wird als zweifelhaft angegeben 24 + 4,9 + 28,0 31 – 3,0 + 4,7 Die beob[achtete] Decl[ination] vom 31 wird als vorzüglich gut gegeben 73 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten unseres Sonnen-Systems, Pallas Olbersiana. Monatliche Correspondenz 6, 1802, S. 579–583 (December). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 580–583, dieser gekürzt auch in: Gauß-Werke: 6, S. 232–234. 74 Diese Daten wurden veröffentlicht in: [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten Pallas. Monatliche Correspondenz 7, 1803, S. 369–375 (April). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 370–374; dieser sehr gekürzt in: GaußWerke 6, S. 244. Wie Zach auf S. 369–370 erwähnte, heißt der neue kleine Planet in Zukunft nur noch Pallas, auf die Erwähnung ihres Entdeckers, Olbers, wird verzichtet.

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Auf die Störungen Jupiters werde ich erst nach Beendigung der diesjährigen Beob[achtungen] Rücksicht nehmen. Auch die Ceres ist am 22 März vom Oberappellationsrath von Ende in Gesellschaft H[errn] Hardings, zu Celle aufgefunden, und ihre der Theorie gemäße Fortrückung an den folgenden Tagen wahrgenommen, eine eigentliche vollständige astron[omische] Beob[achtung] derselben ist ihnen nicht gelungen. Von andern Orten her habe ich über ihre Wiederauffindung noch keine Nachricht, allein da diese durchaus keine Schwierigkeit haben kann, so zweifle ich nicht, daß sie in den südlichen Gegenden besonders in Mayland längst beobachtet wird. Dr. Olbers wendet alle seine nächtliche Muße bloß auf seinen Planeten. Sobald ich brauchbare Beob[achtungen] erhalte, werde ich die etwa nöthige Correction der Elemente sogleich vornehmen, und meiner Pflicht gemäß der Akademie anzeigen. Erhalten Sie mir auch in Zukunft Ihre Gewogenheit, und empfangen Sie die Versicherung, daß ich ewig mit der innigsten Verehrung und Dankbarkeit sein werde Ewr. Hochwohlgeboren gehorsamster Diener C. F. Gauß

Brief 9. Nikolaus Fuß an Gauß, 19./31. Mai 1803 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 4 (2 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 93–94. Teilpublikation: Hänselmann 1878, S. 59.

[Beglaubigte Abschrift vom 8. Juni 1878, Ludwig Hänselmann, Braunschweig] Wohlgebohrner Herr Doctor, Hochzuverehrender Herr! Die Akademie hat durch Ew. Wolgebohrnen letzteres, unterm 4ten April an mich abgelaßenes Schreiben die Hinderniße vernommen, welche sich der Annahme eines Rufes nach St. Petersburg entgegensetzen. Sie bedauert es, die Hofnung, einen Mann von so ausgezeichneten Talenten zu besitzen, aufgeben zu müßen, aber sie ehrt die Beweggründe, welchen Ihren Entschluß bestimmt haben. Ich meinerseits kann, nachdem ich alles erschöpft habe, was sich anführen lies, um Sie zur Annahme der Ihnen gemachten Anerbietungen zu bewegen, nur wünschen, daß Ihre verbeßerte Lage in Braunschweig Ihnen alle Zufriedenheit gewähren möge die wir uns bestrebt haben würden Ihnen hier zu verschaffen, und ich zweifle nicht, daß das Bewußtseyn die Pflicht der Dankbarkeit gegen Ihren vortrefflichen Fürsten erfüllt zu haben, Sie für das Ihm gebrachte Opfer entschädigen werde. Wie gros dieses Opfer sey, werden Sie erst dann ganz erfahren, wenn das neue Reglement und der verbeßerte Etat der Akademie, deren Bestätigung wir zu Ende dieser Woche zuversichtlich erwarten, öffentlich bekannt gemacht werden wird. Vorläufig kann ich Ihnen sagen daß 2400 R[u]b[el] Gehalt, freye Wohnung und Heizung, Kollegienraths- das ist, Obristen-Rang, Pension der halben Gage

254

Carl Friedrich Gauß und Russland

nach zwanzigjährigem, der ganzen nach dreizigjährigem Dienste; Versorgung der Wittwen und Waysen durch einen der Zahl der Dienstjahre entsprechenden Gnadengehalt einige der Vortheile sind, denen Sie wahrscheinlich entsagt haben. Für die uns gütigst mitgetheilten Notizen die Pallas betreffend danke ich Ihnen verbindlichst im Namen der Akademie und habe die Ehre mit der vollkom[m]ensten Hochachtung zu verharren Ew. Wohlgebornen ergebenster Diener N. Fuß. St. Petersburg den 19ten May 1803.

Brief 10. Gauß an Nikolaus Fuß, 1. März 1804 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 74, l. 177–178. Publikation: Svjatskij 1934, S. 221–223.

Hochwohlgeborner Herr Ritter Hochzuverehrender Herr EtatsRath. Es ist lange, daß ich nicht die Ehre gehabt habe, mich brieflich über astronomische Gegenstände mit Ihnen zu unterhalten. Es sind daran hauptsächlich verschiedene seitdem gemachte Reisen Schuld,75 die mich von größern zusammenhängenden Arbeiten abhielten. Meine Anhänglichkeit und Ergebenheit gegen die Kaiserl[iche] Akademie, und gegen Sie Verehrungswürdigster, der Sich einst so warm dafür interessirte mir einen Platz darin zu verschaffen, welchen anzunehmen nur die Umstände mir versagten, sind indeß immer dieselben, und ich werde jede Gelegenheit Beweise davon zu geben mit Vergnügen ergreifen. Seit einiger Zeit habe ich mich mit einer Untersuchung beschäftigt, wovon Sie eine Nachricht hoffentlich mit Nachsicht aufnehmen, und was dem Gegenstande an Wichtigkeit abgeht wenigstens mit meiner guten Absicht entschuldigen werden. Sie betrifft die Grenzen der geocentrischen Oerter der Planeten, die, fiele die Ebne der Planetenbahnen mit der Ebne der Erdbahn zusammen, alles in Einem größten Kreise der Sphäre liegen würden, hingegen eine Zone oder einen eignen Zodiakus bilden, wenn die Bahnen gegen einander geneigt sind. Insofern man die Elemente der Erd u[nd] Planetenbahn als constant ansehen kann, ist dieser Zodiak für jeden Planeten in ganz bestimmten Limiten eingeschlossen, deren scharfe und 75 Am 22.6.1803 reiste Gauß nach Bremen, um seinem väterlichen Freund Wilhelm Olbers einen ersten Besuch abzustatten. Als er am 15.7.1803 nach Braunschweig zurückgekehrt war, lud ihn Franz Xaver von Zach zu einer Reise auf den Brocken und nach Gotha ein; die Sternwarte auf dem Seeberg lag ganz in der Nähe. Gauß reiste am 28.8.1803 von Braunschweig ab und blieb bis zum 7.12.1803 in Gotha. In dieser Zeit machte ihn Zach mit der praktischen Astronomie vertraut (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 33–35).

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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allgemeine Bestimmung, mit gehöriger Rücksicht auf die Eccentricitäten der beiden Bahnen, auch von analytischer Seite nicht ohne Reiz ist. Ich bin daher auf sehr einfache Resultate gekommen und bin jetzt im Begriff, einen Aufsatz darüber für H[errn] von Zachs Monatliche Correspondenz abzufassen.76 Ich habe diese Untersuchungen auf die beiden Planeten angewandt, und die Deklinationen der nordlichen und südlichen Grenzen ihres Zodiaks für die Rektascensionen von 5 zu 5 Grad nach meinen neuesten Elementen berechnet. Ich habe die Ehre diese Resultate hier beizufügen woraus Sie sehen werden, daß beide Planeten in gewissen Lagen so große südliche Declinationen erreichen können, daß sie in Petersburg ganz unsichtbar werden; dagegen kann nur die Ceres und nicht die Pallas eine so hohe nordliche Abweichung erreichen, daß sie in Petersburg zweimal im Meridian beobachtet werden kann über und unter dem Pole. Außerdem, daß es ganz angenehm und interessant ist, so mit Einem Blicke die Gebiete dieser merkwürdigen Himmelskörper übersehen zu können, habe ich noch einen Grund gehabt, diese Rechnungen zu unternehmen. Mein Freund Harding in Lilienthal ist nemlich gesonnen, uns mit einem eignen Spezialatlaß77 für diese Zonen zu beschenken, worin er alle kleinen Sterne aus der Hist[oire] C[éleste] franç[aise]78 und wenn es nötig ist noch mehrern aus eignen Beob[achtungen] eintragen wird, gewiß ein höchst schätzbares und jedem der diese kleinen Planeten außer dem Meridian ohne fixe Instrumente aufsuchen und beobachten will ganz unentbehrliches Unternehmen. Diese Arbeit wird um so brauchbarer sein, da er überall keinen Stern aufnehmen wird, dessen Vorhandensein er nicht selbst durch eignes Nachsehen am Himmel bestätigt hat. Dadurch werden die neuen Karten einen großen Vorzug vor den Bodeschen erhalten,79 die so schätzbar sie auch übrigens sein mögen, doch vielleicht an 1000 Sterne enthalten die gar nicht am Himmel stehen; außerdem auch für die Beobachtungen der Ceres und Pallas noch nicht detaillirt genug sind. Empfangen Sie, Verehrungswürdigster, meinen herzlichsten Glückwunsch zu dem durch öffentliche Blätter bekannt gewordenen neuen Etat Ihrer Akademie. Bereuen kann ich es nicht mich von der Theilnahme an diesen glücklichen Verbesserungen ausgeschlossen zu haben: denn nach meinen Grundsätzen waren die Umstände eine völlige Nothwendigkeit und ich ohne Wahl: aber nur dann werde ich über diese Nothwendigkeit mich nicht beklagen dürfen, wenn meine Wünsche, hier die Errichtung einer Sternwarte zu veranlassen in Erfüllung gehen. Ich habe Hoffnung daß dieses nun bald entschieden werden wird. Ihrer fernern Freundschaft empfehle ich mich mit innigster Verehrung und immer gleicher Ergebenheit gehorsamst C. F. Gauß. Braunschweig den 1 März 1804. 76 „Über die Grenzen der geocentrischen Oerter der Planeten“ (Gauß 1804b). 77 „Atlas novus coelestis XXVII tabulis continens stellas inter polum borealem et trigesimum gradum declinationis australis adhuc observatas“ (Harding 1808–1822). 78 „Histoire Céleste française, contenant les observations faites par plusieurs astronomes français“ (Lalande 1801). 79 „Uranographia sive astrorum descriptio“ (Bode 1801).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Limiten der Zodiaks der Ceres und Pallas Ceres

Pallas

Ceres

Pallas

AR Nordl. Gr. Südliche Nordl. Gr. Südl. Gr. Gr. 0 – 8° 37" – 17° 29" + 6° 48" – 17° 56"

Nordl. Südl. Gr. Nordl. Gr. Südl. Gr. Grenze 180 + 18° 49" + 8° 17" + – 12° 58"

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 115 120 125 130 135 140 145 150 155 160 165 170 175 180

185 190 195 200 205 210 215 220 225 230 235 240 245 250 255 260 265 270 275 280 285 290 295 300 305 310 315 320 325 330 335 340 345 350 355 360

6 14 3 45 1 11 + 1 27 47 6 48 9 26 12 1 14 31 16 54 19 9 21 16 23 12 24 58 26 34 27 59 29 13 30 16 31 8 31 50 32 21 32 42 32 51 32 50 32 40 32 18 31 46 31 3 30 9 29 4 27 49 26 22 24 44 22 56 20 57 18 49

15 13 5 47 12 52 4 49 10 26 3 54 7 57 32 5 18 2 13 2 38 1 29 03 0 50 + 2 30 0 16 4 58 – 0 14 7 20 0 37 9 35 0 55 11 42 16 13 39 1 11 15 27 19 17 4 10 18 30 0 44 19 45 0 21 20 49 + 0 10 21 42 0 49 22 24 1 34 22 55 2 27 23 14 3 25 23 22 4 29 23 19 5 38 23 5 6 52 22 40 88 22 3 9 27 21 16 10 47 20 17 12 7 19 6 13 27 17 45 14 46 16 12 16 4 14 28 17 18 12 34 18 29 10 30 19 36 8 17 20 38

19 32 21 4 22 33 23 59 25 20 26 36 27 46 28 51 29 49 30 41 31 26 32 4 32 36 33 0 33 17 33 27 33 30 33 25 33 13 32 54 32 27 31 53 31 11 30 23 29 27 28 24 27 14 25 57 24 35 23 7 21 32 19 55 18 14 16 30 14 44 12 58

AR

16 39 5 56 14 5 3 28 11 33 0 55 8 57 – 1 41 6 16 4 19 3 34 6 36 0 52 9 32 – 1 47 12 3 4 21 14 29 6 50 16 48 9 12 18 59 11 25 21 1 13 28 22 53 15 21 24 35 17 3 26 6 18 34 27 26 19 53 28 36 21 1 29 35 21 56 30 24 22 40 31 1 23 13 31 29 23 34 31 46 23 43 31 52 23 41 31 48 23 28 31 34 23 4 31 9 22 27 30 34 21 40 29 49 20 40 28 53 19 30 27 46 18 8 26 29 16 35 25 1 14 51 23 23 12 55 21 34 10 51 19 36 8 37 17 29

21 37 11 12 22 31 9 29 23 19 7 49 24 2 6 13 24 39 4 42 25 11 3 17 25 37 20 25 58 0 49 26 12 + 0 13 26 22 17 26 25 1 52 26 23 2 28 26 16 2 56 26 3 3 15 25 45 3 26 25 23 3 28 24 55 3 23 24 22 39 23 46 2 48 23 5 2 19 22 20 1 43 21 31 10 20 39 0 10 19 43 – 0 46 18 45 1 49 17 44 2 58 16 42 4 12 15 37 5 32 14 31 6 56 13 24 8 24 12 17 9 56 11 10 11 30 10 3 13 6 8 57 14 43 7 52 16 20 6 48 17 56

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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Brief 11. Nikolaus Fuß an Gauß, 24. April / 6. Mai 1804 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 5 (3 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 95–96.

Wolgebohrner Herr Doctor, Hochzuehrender Herr u[nd] Freund! Es war mir sehr angenehm wieder einmal mit einer Zuschrift von Ihnen erfreut zu werden und von Ihren Aussichten und Beschäftigungen einige Nachricht zu erhalten. Ihre Talente, sowie Ihre Denkungsart haben mir die höchste Achtung gegen Sie, und die lebhafteste Theilnahme an allem was Sie angeht, eingeflößt, so daß ich, auch ohne Rücksicht auf den Gewinn, den die Wißenschaften von Ihren gelehrten Arbeiten ziehn, schon darum mich aufs angelegentlichste dafür interessire, weil es Ihre Arbeiten sind. Ihre Untersuchungen über die Grenzen der geocentrischen Oerter der Planeten80 sind, in mehr als einer Hinsicht, verdienstlich, und ich begreife wol, daß sich diese Arbeit auch von analytischer Seite empfohlen haben muß. Für die gefällige Mittheilung der Resultate, die Grenzen der specielle[n] Zodiake von Ceres und Pallas betreffend, statte ich Ihnen, sowol für meine Person, als auch im Namen der Akademie, der ich diese Resultate mitgetheilt habe, den verbindlichsten Dank ab.81 Noch kann ich mich immer nicht ganz zufrieden geben, daß Ihre Lage und Ihre Grundsätze Ihnen nicht erlaubt haben einen Ruf von der Akademie anzunehmen. Sollten je Umstände eintreten, die Ihnen eine Wiederholung meiner ehmaligen Anträge, versteht sich unter Bedingungen, wie sie durch das neue Reglement und den neuen Etat der Akademie möglich geworden sind, wünschenswerth machten: so vergeßen Sie nicht, daß Sie Freunde in Petersburg haben, die nur einen Wink erwarten, um ihre ehmaligen Vorschläge zu erneuern. Ich habe die Ehre mit unabänderlicher Ergebenheit zu seyn Ew. Wolgebohrnen gehorsamer Diener N. Fuß. St. Petersburg den 24ten April. 1804.

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschag]

80 „Über die Grenzen der geocentrischen Oerter der Planeten“ (Gauß 1804b). 81 Siehe den Brief von Gauß an N. Fuß vom 1.3.1804 (Brief Nr. 10).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 12. Gauß an Nikolaus Fuß, 24. November 1804 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 74, l. 238–239. Publikation: Svjatskij 1934, S. 223–226.

Hochwohlgeborner Herr Verehrungswürdigster Herr Staats Rath. Verzeihen Sie gütigst meine Nachlässigkeit, daß ich bisher Ihnen und der Kaiserl[ichen] Akademie der Wissenschaften noch gar keine Nachrichten von meinen Arbeiten, die höchstmerkwürdige Entdeckung eines neuen Planeten durch meinen Freund Harding betreffend, vorgelegt habe. Ohne Zweifel sind Sie schon früh durch andre Privat- und öffentl[iche] Nachrichten von dieser Entdeckung unterrichtet gewesen so wie, von meinen ersten Arbeiten darüber, durch das October und November Heft der Monatl[ichen] Correspondenz und die Göttingischen gelehrten Anzeigen.82 Ich wünschte Ihnen nur solche Resultate vorzulegen, die schon das Gepräge der Reife trügen: jetzt, nachdem der Planet bereits über zwei Monate beobachtet ist, bin ich dazu nun schon im Stande, und ich eile daher Ihnen die neuesten Elemente der Juno Bahn mitzutheilen, die sich theils auf von Zachsche und Maskelynesche, theils auf die neuesten von Dr. Olbers und mir am 12.16.18.19 Nov[em]b[e]r gemachten gründen. Wenngleich diese letztern nicht die Genauigkeit von Meridianbeob[achtungen] haben, so glaube ich doch behaupten zu können, daß die gleich mitzutheilenden Elemente (die als die IVten nur erst im Januarhefte der M[onatlichen] C[orrespondenz] vorkommen werden,83 falls ich nicht bis dahin zu einer neuen Verbesserung die Mittel erhalte) besser sind als die IIIten, die im Decemberheft der M[onatlichen] C[orrespondenz] erscheinen werden84 und auch schon in Nro 185 der Göttingischen gelehrten Anzeigen stehen. Hier folgen sie:

82 [Zach, Franz Xaver von]: Ueber einen neuen vom Inspector Harding in Lilienthal entdeckten höchst merkwürdigen Wandel-Stern. Monatliche Correspondenz 10, 1804, S. 371–385 (October). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 379–385, dieser auch in: Gauß-Werke: 6, S. 250–253. [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Harding’schen Planeten Juno. Monatliche Correspondenz 10, 1804, S. 463–471 (November). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 466–469, dieser auch in: Gauß-Werke: 6, S. 256–258. Mayer, Johann Tobias: Bericht über Gauß’ Beobachtungen des Hardingschen Planeten. Göttingische Gelehrte Anzeigen 1804, S. 1625–1627 (13.10.1804, 164. Stück) und S. 1841–1843 (19.11.1804, 185. Stück). 83 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Harding’schen Planeten Juno. Monatliche Correspondenz 11, 1805, S. 86–91 (Januar). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 89–91; nicht in den Gauß-Werken. 84 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Harding’schen Planeten Juno. Monatliche Correspondenz 10, 1804, S. 551–556 (December). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 552–555, dieser gekürzt auch in: Gauß-Werke: 6, S. 258–260.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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Neue Elemente der Juno. 42° 53ƍ 50Ǝ Epoche 1805 Seeberger Meridian Sonnenferne 233. 39. 30 Knoten 171. 3. 49 13. 3. 3 Neigung 810Ǝ59 Tägliche M. Bew. 0,427469 Logarithm der halben Axe Excentricität 0,259032 Eine Ephemeride für die ; nach den dritten Elementen steht bereits in den Göttingischen Anzeigen; nach obigen neuen, mit deren Berechnung ich erst gestern fertig geworden bin, habe ich noch keine gemacht, doch reicht jene zur Auffindung völlig hin; sie gibt die Rectascensionen zu groß, die Deklinationen zu klein, am 16 Nov[ember] jene um 2ƍ diese um 1ƍ, die Differenz nimt aber immer beschleunigend zu. Obige neue Elemente werden wol in der ganzen heurigen Erscheinung höchstens ein Paar Minuten differiren können. Die nahe q der ; u[nd] . am 20 Dec[ember] wird sehr interessant seyn, zumal da etwas ähnliches bei Lebzeiten der jetzigen Astronomen nicht wieder ereignen wird. Ich habe daher H[errn] Schröter u[nd] Herrschel aufmerksam darauf gemacht, und der erstere hat mir auch versprochen, dies merkwürdige Phänomen wenn es nur irgend möglich seyn wird, mit seinem 27 füßigen Reflektor zu beobachten. Er hat jetzt ein kleines Werkchen über seine Messungen der Durchmesser der drei neuen Planeten unter der Feder, worin er die Richtigkeit derselben gegen die so enorm differirenden Herschelschen zu rechtfertigen hofft, und welches in Kurzem ans Licht treten wird.85 Mit gerührtem [--- Her]zen statte ich Ihnen den innigsten Dank a[b --- gü]tigen freundschaftlichen Gesinnungen, die S[ie ---] Ihrem letzten Briefe äußerten.86 Über den Bau unsrer Sternwarte ist noch keine bestimmte Entscheidung da. Obgleich unser vortreffliche[r] Fürst denselben wünscht, so sind doch noch manche Umstände vorhanden, die den Ausgang dieser Angelegenheit noch zweifelhaft machen. Erhalten Sie mir daher Ihr mir so theures und wichtiges Wohlwollen, und empfangen Sie die Versicherung der innigsten Ergebenheit und Verehrung, womit ich stets verharre Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster Diener C. F. Gauss. Braunschweig den 24 November 1804. [P. S.] Herrn StatsRath [sic] Schubert meine besten Empfehlungen. 85 „Lilienthalische Beobachtungen der neu entdeckten Planeten Ceres, Pallas und Juno, zur genauen und richtigen Kenntniß ihrer wahren Grössen, Atmosphären und übrigen merkwürdigen Naturverhältnisse im Sonnengebiete“ (Schroeter 1805). Die Werte von Schroeters Bestimmungen waren extrem fehlerhaft, was an der Qualität seiner Optik lag. Olbers, Bessel und Gauß haben dies erkannt und spöttisch kommentiert (vgl. Wittmann 2010, S. 40). 86 Papierverlust.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 13. Nikolaus Fuß an Gauß, 6./18. Januar 1805 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 6 (3 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 97.

Wolgebohrner Herr Doctor, Hochzuehrender Herr und Freund! Ich habe der Kayserlichen Akademie der Wissenschaften Ihre 4ten Elemente der Juno vorgelegt, welche mir den Auftrag ertheilt hat, Ihnen für die derselben durch diese gefällige Mittheilung abermals bezeugte Aufmerksamkeit den verbindlichsten Dank abzustatten.87 Sie haben sich durch Einsendung dieser Elemente besonders unsre Astronomen verpflichtet, welche den neuen Planeten bereits seit der zweyten Hälfte unseres Septembers beobachtet haben, und für welche diese verbeßerten Elemente (die 3ten hatten wir beynahe um die nämliche Zeit in den Göttingischen Anzeigen gelesen88) das größte Interesse hatten. Kommendes Frühjahr erwarten wir aus London das Herschel’sche 20 füßige Telescop und einen 3 füßigen Vollkreis von Troughton, außer verschiedenen minder bedeutenden Bereicherungen unsrer Sternwarte. Auf H[errn] Oberamtmann Schröter’s Werkchen, über die Durchmeßer der neuen Planeten, bin ich sehr begierig.89 Es wird ihm nicht schwer werden die Richtigkeit seiner Meßungen gegen die Herschel’schen zu vertheidigen: mir wenigstens sind die leztern immer, und zwar blos aus photometrischen Gründen, sehr unstatthaft vorgekommen. Allso noch haben Sie keine Sternwarte? Dies thut mir für die Wißenschaft und für Sie leyd! Ungerechnet daß eine wol eingerichtete Sternwarte mehr oder weniger in Deutschland für die Astronomie kein gleichgültiger Gegenstand ist, so müßte man dem Orte vorzüglich eine solche wünschen, wo ein Gauß seit Jahren solche Wunder der Schnelligkeit in genauer Bestimmung der Bahnen neuentdeckter Wandelsterne thut. Ich gebe die Hofnung nicht auf, Sie dereinst noch für unsre Sternwarte zu gewinnen und erwarte nur eine Vacanz, welche wahrscheinlich bald eintreten wird, um anzufragen, ob ich Sie nun mit beßerm Erfolg als ehmals in Vorschlag bringen kann. Mit Hochachtung und Ergebenheit Ihr gehorsamer Diener N. Fuß 87 Siehe den Brief von Gauß an N. Fuß vom 24.11.1804 (Brief Nr. 12). 88 Mayer, Johann Tobias: Bericht über Gauß’ Beobachtungen des Hardingschen Planeten. Göttingische Gelehrte Anzeigen 1804, S. 1625–1627 (13.10.1804, 164. Stück) und S. 1841–1843 (19.11.1804, 185. Stück). 89 „Lilienthalische Beobachtungen der neu entdeckten Planeten Ceres, Pallas und Juno, zur genauen und richtigen Kenntniß ihrer wahren Grössen, Atmosphären und übrigen merkwürdigen Naturverhältnisse im Sonnengebiete“ (Schroeter 1805).

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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St. Petersburg den 6ten Jan[uar] a[lten] St[ils] 1805.

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschag]

Brief 14. Gauß an Nikolaus Fuß, 18. März 1805 (Braunschweig) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Nikolaus Fuß 1 (3 S.) Teilpublikation: Stieda 1927, S. 97–98.

Die gütige Aufnahme, womit die Kays[erliche] Akademie meine frühern Nachrichten von der Juno beehrt hat, läßt mich hoffen, daß Ihr auch eine Notiz von meinen weitern Arbeiten darüber nicht unlieb seyn werde, da dieselben für die diesmalige Bestimmung nun die letzten sind, und erst am Ende dieses oder zu Anfang des folgenden Jahres werden wieder angeknüpft werden können. Ich habe die Juno bis zum 20 Februar beobachtet. Meine letzte Beobachtung war 1805 Febr 20. 7h11ƍ20Ǝ M[ittlere] Z[eit] AR 30° 27ƍ 2Ǝ Decl[ination] 1° 47ƍ 48Ǝ nordl[ich] Dr. Olbers, der gleichfalls an diesem Tage zuletzt beobachtet hat, gibt eine mit dieser gut harmonirende Position. Juno war hier an diesem Tage schon sehr matt, indeß schreibe ich dies zum Theil dem einst vollkommen klaren Himmel zu, da sie am 16 Febr[uar] noch recht gut ins Auge fiel, und auch Dr. Olbers sie am 20 Febr[uar] noch sehr gut beobachten konnte. Sonst würde dies auf nächstes Jahr ein böses Auspicium seyn: denn in die Opposition Anfang März 1806 wird sie noch nicht einmal so lichtstark als sie am 20 Febr[uar] d[ieses] J[ahres] war. Mit Hülfe dieser Beob[achtungen] habe ich nun noch einmal verbesserte Elemente berechnet, der Ordnung nach die Vten, die mit der ganzen Reihe der Be1 ob[achtungen] von 5 2 Monaten vortrefflich stimmen.90 Epoche 1805 42° 32ƍ 36Ǝ0 Merid. v. Seeberg 815Ǝ96 Tägl. tropische Bew. Sonnenferne 1805 233.11.39.6 Excentricität 0,254236 0,4256078 Log. der halben Axe k 1805 171° 4ƍ 15Ǝ,0 13.3.38,0 Neigung der Bahn

90 [Franz Xaver von Zach]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten Juno. Monatliche Correspondenz 11, 1805, S. 475–482 (May). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 475–479, gekürzt auch in: Gauß-Werke: 6, S. 263–265.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Die Meridianbeob[achtungen] die ich hiezu habe gebrauchen können gehen bis zum 4 December. Sollten die Petersburger Astronomen noch spätere gemacht haben, so würde mir die gütige Com[m]unication derselben von sehr großem Werthe seyn. Bei dieser Gelegenheit werden Sie vielleicht es auch gern sehn, meine neuesten Elemente der Ceres u[nd] Pallas gleichfalls bei einander zu haben, zumal da dieselben bis jetzt noch nicht gedruckt sind. Ceres Pallas Epoche 1803 233.38.8,3 221.31.23,2 1804 312.1.33,5 299.58.38,1 1805 30.12.7,7 18.13.1,4 1806 108.22.41,8 96.27.24,6 Tägl. trop. Bew. 771Ǝ052 771Ǝ680 Sonnenferne 1803 326.24.1,6 301.1.44,1 Excentricität 0,0781914 0,246101 Log. d. halben Axe 0,4420004 0,4417647 k 1803 80°.57.43Ǝ 172.29.6,8 Neigung 10.37.54 34.37.43,2 Die Ephemeriden für den Lauf dieser 3 neuen Planeten in der nächsten Sichtbarkeit werden in den nächsten Stücken der M[onatlichen] C[orrespondenz] erscheinen.91 Ceres erreicht eine so große nordl[iche] Declination, daß sie in Petersburg dann gar nicht untergeht, dagegen geht Pallas im Dec[ember] 1805 wegen ihrer großen südl[ichen] Abweichung in Petersburg gar nicht auf. Die Elemente der Pallas u[nd] Juno sind noch rein elliptisch und die Aphelien und Knoten siderisch ruhend vorausgesetzt. Mit den Elementen der Ceres hingegen müssen die im Märzheft der M[onatlichen] C[orrespondenz] 1803 abgedruckten Störungstafeln92 verbunden werden. Ich denke vielleicht bald eine vollständige Berechnung der Ceres Störungen durch j nach einer eigenthümlichen Methode vorzunehmen, die sich mit gleicher Leichtigkeit auch auf die Pallas u[nd] Juno dereinst wird anwenden lassen, und von der ich nicht eher etwas bekannt machen werde, bis ich ihren Werth durch eine practische Anwendung erprobt und bewährt haben werde. Eine Sternwarte haben wir noch nicht. Meine Beobachtungen der Juno sind nur mit spärlichen Hülfsmitteln gemacht. Indessen ist der Zeitpunkt sehr nahe, der 91 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten Ceres. Monatliche Correspondenz 11, 1805, S. 283–292 (Maerz). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 283–287, gekürzt und ohne Tabellen in: Gauß-Werke: 6, S. 261–262. [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten Pallas. Monatliche Correspondenz 11, 1805, S. 376–383 (April). Gekürzt und ohne Tabellen auch in: Gauß-Werke: 6, S. 262–263. Bemerkung: Der ganze Beitrag ist von Gauß, aber eben von Zach herausgegeben. 92 Gauß, Carl Friedrich: Brief vom 26.12.1802 an Zach. Tafeln für die Störungen der Ceres. Monatliche Correspondenz 7, 1803, S. 259–262 (Maerz). In: Gauß-Werke: 6, S 235–236. Tafeln für die Störungen der Ceres Ferdinandea durch Jupiter. Monatliche Correspondenz 7, 1803, S. 263–275 (Maerz). In: Gauß-Werke: 6, S. 236–243.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

263

entscheiden wird, ob Braunschweig eine Sternwarte haben wird oder nicht? Wenn gleich die erstere Entscheidung unter meine ersten Wünsche gehört hat, so würde ich mich bei der zweiten mit der um sehr vieles erleichterten Möglichkeit trösten, meine gegenwärtige Lage mit einer andern zu vertauschen, die einen höheren Wirkungskreis und so sehr vervielfachte Unterstützung zu wissenschaftlichen Arbeiten darbietet. Von höchstem Werthe muß mir daher die Fortdauer von Ew. Hochwohlgeb[oren] gütigem Wohlwollen sein, dem ich mich mit der Versicherung steter Ergebenheit angelegentlichst empfehle als Ihr gehorsamster Diener C. F. Gauß. Braunschweig den 18 März 1805.

Brief 15. Gauß an Nikolaus Fuß, 17. September 1805 (Braunschweig) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Nikolaus Fuß 2 (4 S.) Teilpublikation: Stieda 1927, S. 98.

[Bemerkung: Brief mit durch alle Blätter gehendem großen Loch: Textverlust wird durch [---] bezeichnet.] Ich kann die Gelegenheit, die mir die Reise eines alten Freundes von mir nach Rußland darbietet,93 nicht vorbeigehen lassen, ohne Ihnen, Verehrungswürdigster Gönner und Freund, einige Nachrichten von meinen letzten bisherigen Beschäftigungen mitzutheilen. Die wohlwollende Theilnahme die Sie ihnen bisher immer schenkten, gibt mir die Hoffnung, daß Sie meine Ber[echnung]en, auch wenn sie wenig Vollendetes darstellen, mit nachsich[tiger Gü]te aufnehmen werden. Im [---] meine Meinung gewesen, daß die bisherigen Methoden, die plan[--Stö]rungen zu berechnen, bei den drei neuen Planeten und besond[ers bei] der Pallas und Juno nicht zulänglich sind. Ich habe zwar selbst schon vor 3 Jahren die Störungen der . durch ¥, insofern die geg[---] Neigungen vernachlässigt werden brach [---] Methode berechnet; auch diese von mir auch in Tafeln gebrach[ten ---] meinen neuern Elemente mit zum Grunde gelegt; ich sch[---] dieser Arbeit nur gering an, und glaube daß sich die be[---] fast eben so gut auch mit gänzlicher Vernachlässigung der Störungen [--- dar]stellen lassen. Die Entwickelung der Werthe der Gleichungen nach den Potenzen der Excentricitäten und Neigungen, würde wegen der langsamen Convergenz dieser Reihen auf eine so endlose u[nd] abschreckende Arbeit führen, daß ich ihr meine Gedult nicht gewachsen fühle. Ich habe mir daher eine andere Methode ausgedacht und angefangen eine Anwendung davon auf die Ceres zu machen. Als eine Probe von den Resultaten will

93 Gauß’ Studienfreund Geb. Fr. Jul. Eiche, dessen genaue Vornamen nicht bekannt sind, begann 1793 ein Studium am Collegium Carolinum, später wirkte er in Moskau in einem Privatinstitut und gründete ebenda eine Schule. Anfang 1808 traf sich Bartels mit Eiche in Moskau, siehe den Brief von Bartels an Gauß vom 6./18.7.1808, Brief Nr. 3.

264

Carl Friedrich Gauß und Russland

ich hier die gefundenen Breitengleichungen hersetzen, die mit denen in der Monatl[ichen Corresp[ondenz] 1802 Nov[ember] u[nd] Dec[ember] zu vergleichen sind.94 ., j Mittl. Längen der . u[nd] des j k Aufsteigender Knoten der Ceresbahn auf der Jupitersbahn, auf dieser gezahlt Ȧ, Ȧ' Sonnenfernen der Ceres und des Jupiter Breitengleichungen der Ceres werden zusammengesetzt in – 2Ǝ71

sin (Ȧ – k)

+ 3Ǝ44 + 2Ǝ25 – 3Ǝ33 – 0Ǝ24

sin (. sin (. sin (. sin (.

– 4Ǝ59 – 2Ǝ93 + 3Ǝ59

sin (2. – 2j – Ȧ + k) sin (2. – 2j + Ȧ' – k) sin (2. – 2j + Ȧ – k)

............

– 10Ǝ31 sin (2. – 2j + 94° 10ƍ)

– 2Ǝ26 + 3Ǝ90

sin (3. – 3j – Ȧ + k) sin (3. – 3j + Ȧ' – k)

............

– 6Ǝ16 [---] 112° 26ƍ)

– 11Ǝ19 + 2Ǝ78

sin (j – k) sin (Ȧ – k) cos (j– Ȧ')

............

– 6Ǝ65 [---]

+ 14Ǝ17 + 27Ǝ47 – 4Ǝ62 – 0Ǝ01 +5Ǝ51 + 0,99

sin (.– 2j + k) sin (2. – 3j + k) sin (3. – 4j + k) sin (4. – 5j + k) sin (2. – j – k) sin (3. – 2j – k)

............

[---] [---] 78° 35ƍ) [---] 78° 35ƍ) [---] 78° 35ƍ) [---] – 78° 35ƍ) [---] – 2j – 78° 35ƍ)

+ 4Ǝ17 – 10Ǝ41

sin (2j – k – Ȧ') sin (2j – k – Ȧ)

............

– 13Ǝ69 sin (2j – 57° 21ƍ)

+ 2Ǝ72 – 4Ǝ56

sin (3j – . – k – Ȧ') sin (3j – . – k – Ȧ)

............

– 6Ǝ77 sin (3j – . – 61° 25ƍ)

– 2Ǝ81 –1Ǝ82

sin (2. – 4j + k + Ȧ') sin (2. – 4j + k + Ȧ)

............

+ 4Ǝ30 sin (2. – 4j + 72° 24ƍ)

+ 13Ǝ75 – 10Ǝ56

sin (3. – 5j + k + Ȧ') sin (3. – 5j + k + Ȧ)

............

– 22Ǝ51 sin (3. – 5j + 70° 27ƍ)

sin (3j – k – Ȧ – Ȧ')

............

+ 1Ǝ65 sin (3j – 56° 9ƍ)

– 1Ǝ65

– j – Ȧ + k) – j + Ȧ' – k) – j + Ȧ – k) – j – Ȧ' + k)

............

+ 1Ǝ91

............

+ 8Ǝ61 sin (.–j +95° 26ƍ)

In der Rechnung für die Störungen der Länge und des Radius Vector bin ich unterbrochen, und wahrscheinlich werde ich fürs erste diese Arbeit noch nicht wie94 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten unseres Sonnen-Systems, Ceres Ferdinandea. Monatliche Correspondenz 6, 1802, S. 492–498 (November). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 493–498, dieser gekürzt auch in: Gauß-Werke: 6, S. 227–230. [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten unseres Sonnen-Systems, Ceres Ferdinandea. Monatliche Correspondenz 6, 1802, S. 575–578 (December). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 576–578. Dieser fehlt in den Gauß-Werken.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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der vornehmen. Ein Lehrsatz aus der Höhern Arithmetik ist daran Schuld, der an sich schon interessant und besonders folgenreich, mir schon über 4 Jahre bekannt war, der aber bisher alle meine angestrengtesten Bemühungen, ihn zu beweisen, immer vereitelt hatte.95 Dieser Beweis ist mir vor kurzem gelungen, und dieser glückliche Fund drängt mich verschiedene ziemlich weitaussehende Materien auszuarbeiten, die einst vielleicht einen Theil der Fortsetzung meiner Disquisitiones Arithmeticae ausmachen werden. Das Beispiel des großen Euler hat schon gezeigt, wie unwiderstehlich fesselnd diese Untersuchungen sind, und nur ein so schwerer Stein als bisher mir im Wege lag, konnte mir eine Enthaltsamkeit von vier Jahren möglich machen. Inzwischen werde [ich ---] ungeachtet auch meine astronomischen Beschäftigungen nicht darüber liegen lassen; vielleicht gehe ich in nicht langer Zeit an, meine Methode, die Planetenbahnen zu bestimmen, für den Druck auszuarbeiten96 [---] nach der Methode die Störungen zu berechnen, [---] daß ich selbst zur Anwendung auf alle drei neuen Planeten [---] werde, und es scheint mir, daß diese [---] die Kräfte Eines Menschen übersteigen würde. – Wenn ich [--] können, den zweiten Theil meiner Disquisit[iones] herauszugeben,97 weiß Gott. Gewiß werden wol noch einige Jahre darüber hingehen, in denen sich vielleicht auch sonst manches ändern kann. Ein französischer Mathematiker in Orleans, Namens Delisle hat inzwischen die meiner Meinung nach eben nicht nöthige Arbeit übernommen, den ersten Band ins französische zu übersetzen.98 Seit einigen Tagen habe ich wieder angefangen, die Ceres aufzusuchen. Der aschein und unbeständiges Wetter haben indeß bisher mich gehindert eine Beobachtung zu erhalten. Hoffentlich gelingt mir dis aber schon diesen Abend. Dr. Olbers hat mir inzwischen eine vom 5 Sept[ember] mitgetheilt, welcher zufolge meine letzten Elemente die AR - 4ƍ zu groß, die Declination gut geben. Sept. 5. 13h 8ƍ 47Ǝ Mittl[ere] Bremer Zeit AR app. 95° 59ƍ 25Ǝ Decl[ination] 22° 22ƍ 25Ǝ Bor[eus]. Auch die ¥ muß jetzt schon ganz augenfällig sein, und in Kurzem werden wir auch sehen wie meine Elemente der Juno sich halten.

95 In sein Tagebuch hat Gauß eingetragen, hier in deutscher Übersetzung: „Die Beweisführung des sehr schönen Lehrsatzes, oben Mai 1801 erwähnt, die wir vier Jahre lang und darüber hinaus mit aller Anstrengung gesucht hatten, haben wir endlich vollendet. Commentationes recentiores, I. 30. Aug. 1805“ (Gauß 1796–1814, § 123). Die Arbeit wurde 1811 unter dem Titel „Summatio quarumdam serierum singularium“ als erste Arbeit von Gauß in den „Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores“ veröffentlicht. Siehe hierzu auch den Brief von Gauß an Nikolaus Fuß vom 15.7.1808, Brief Nr. 24. 96 Dies ist in der Tat die allererste Erwähnung, dass Gauß ein größeres astronomisches Werk verfassen wolle. Olbers wurde erst am 3.2.1806 darüber informiert (Reich 2001, S. 19–20). 97 Leider kam es nicht mehr dazu, Gauß veröffentlichte keinen zweiten Teil seiner „Disquisitiones arithmeticae“. 98 Gemeint ist Antoine-Charles Marcel Poullet-Delisle. Dieser, Mathematiker in Orléans, übersetzte auf Wunsch von Laplace Gauß’ „Disquisitiones arithmeticae“ ins Französische (Gauß 1807).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Sie erhalten diesen Brief durch H[errn] Eiche, einen Jugendfreund von mir, der seine in Moskau sich niederlassende Schwester nach Rußland begleitet.99 Er hat gegen mich geäußert, daß es ihm, da auch seine Mutter mit dahin zieht, lieb sein würde, wenn er auf eine gute Art in der Nähe seiner so nahen Verwandten bleiben könnte. Es sollte mich sehr freuen, wenn Sie Verehrungswürdigster, ihm zur Erreichung seines Wunsches behülflich sein könnten und ich bin auch gewiß, daß er sich durch seine reelle [---] besonders in Schulwissenschaften und Sprachen [---] und einen angemessenen Platz mit Ehren ausfüllen wird. Ich werde unterbrochen und muß [---] schließen mit der Versicherung der unwandelbarsten Hochachtung und Verehrung und der angelegentlichen Bitte, Ihr mir so schätzbares Wohlwollen ferner zu schenken Ihrem gehorsamsten Diener C. F. Gauß Braunschweig den 17 September 1805.

Brief 16. Nikolaus Fuß an Gauß, 31. Oktober /12. November1805 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 7 (1 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 98–99.

P. P. Ihre gütigen Zuschriften vom 18ten März u[nd] 17ten Sept[ember] sind mir beyde richtig zu Händen gekommen, und die darin enthaltenen astronomischen u[nd] andern Nachrichten sind von mir der K[aiserlichen] Akademie der W[issenschaften] vorgelegt worden,100 welche Ihnen für die gefällige Mittheilung derselben verbindlichst danken läßt. Ihre Arbeiten haben alle so viel Interesse und sind für die Wißenschaft von so hohem und entschiedenem Werth, daß Sie immer im voraus von der günstigsten Aufname versichert seyn können, sowie von meiner fortdauernden Bereitwilligkeit ehmals begonnene Negociationen, sobald die Umstände es gestatten, auf eine sichere Art wieder anzuknüpfen. Ich bin mit unbegrenzter Achtung Ihr ergebener N. Fuß St. Petersb[urg] d[en] 31ten Octob[er] 1805

99 Siehe Fußnote 93. 100 Siehe den Brief von Gauß an Nikolaus Fuß vom 18.3.1805 (Brief Nr. 14) sowie vom 17.9.1805 (Brief Nr. 15).

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3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschag]

Brief 17. Gauß an Nikolaus Fuß, 20. Oktober 1806 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 75, l. 72–73. Publikation: Svjatskij 1934, S. 226–229. Teilpublikation: Biermann 1990, S. 71.

Braunschweig den 20 October 1806. Immer pflegten Sie, verehrungswürdigster Freund, eine wenn auch nur kurze Anzeige von Resultaten meiner astronomischen Arbeiten mit Güte aufzunehmen; ich hoffe, daß dies auch bei gegenwärtiger Kleinigkeit der Fall seyn wird. Es betrifft die Berichtigung der Bahn des Hardingschen Planeten, nach den in diesem Jahre angestellten Beobachtungen. Alles was ich von diesen Beobachtungen weiß, so wie meine eignen im Febr[uar] angestellten, haben Sie bereits in H[errn] Zachs Mon[atlicher] Correspondenz gefunden.101 Hier also nur die verbesserte Bahn, wobei theils die schönen Beob[achtungen] von Oriani, theils die spätesten in Lilienthal gemachten zum Grunde gelegt sind.102 Neue (VIte) Elemente der Juno. Epoche 1805, Meridian v. Seeberg Tägliche tropische Bewegung Jährliche (365 Tage) . . . . . . . . . . . . . . . Sonnenferne 1805 siderisch ruhend k 1805 Excentricität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Log der halben Axe . . . . . . . . . . . . . . . Neigung der Bahn . . . . . . . . . . . . . . . .

42° 35ƍ 7Ǝ26 814Ǝ7201 82 36 12,86 233 16 11,0 171 4 7,3 0,2549441 0,4260480 13° 3ƍ 28Ǝ45

Meine letzten (Vten) Elemente entfernten sich in diesem Jahre von den Beob[achtungen] kaum über 1 Minute; die gegenwärtigen stellen alle bisherigen Beob[achtungen] mit möglichster Schärfe dar, und zwar geht der Unterschied von den Beob[achtungen] die ich in Rechnung gezogen habe kaum auf 5Ǝ (es versteht 101 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über die neuen Planeten. Monatliche Correspondenz 13, 1806, S. 313–315 (März). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 313–315, dieser gekürzt in: Gauß-Werke: 6, S. 269–270. 102 Gauß, Carl Friedrich: Fortgesetzte Nachrichten über die neuen Planeten (Aus einem Schreiben vom 25.8.1806). Monatliche Correspondenz 14, 1806, S. 377–382 (October), dieser Beitrag gekürzt auch in: Gauß-Werke: 6, S. 279–280.

268

Carl Friedrich Gauß und Russland

sich, daß hiebei mehr Oerter gemeint sind als zur Bestimmung einer Bahn erfordert werden nemlich 3, welchen man immer vollkom[m]en genau Genüge leisten kann). Den Lauf der Juno nach diesen Elementen für 1807 habe ich auf einem eignen Blatte beigefügt. Wenigstens vor der p wird man in Petersburg diesen Planeten beobachten zu können hoffen dürfen. Ich schreibe nichts von meinen Rechnungen über die Pallas,103 sowie von deren über den 2ten Kometen von 1805,104 weil Sie alles dies schon in der M[onatlichen] C[orrespondenz] gelesen haben, auch gegenwärtige Resultate habe ich schon vor einiger Zeit nach Eisenberg geschickt, und sie hätten im Octoberstück der M[onatlichen] C[orrespondenz] erscheinen müssen. Allein Gott weiß, ob nun von einem Oktoberstück u[nd] von einer M[onatlichen] C[orrespondenz] überhaupt noch die Rede seyn wird. Eben bei Eisenberg ist am 14 die schreckliche Schlacht vorgefallen mit der unser armes Deutschland von neuem angefangen hat, der Schauplatz des Blutvergießens zu werden. Alle Musen müssen nun schweigen und jeder sieht mit Bangigkeit der Zukunft entgegen. Jetzt verehrungswürdigster Freund, ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich Sie an das erinnern muß, was Sie mir vor nicht gar langer Zeit schrieben: „Sollten je Umstände eintreten, die Ihnen eine Wiederhohlung meiner ehemaligen Anträge, unter Bedingungen, wie sie durch das neue Reglement und den neuen Etat der Akademie möglich geworden sind wünschenswert machten, so vergessen Sie nicht, daß Sie Freunde in Petersburg haben, die nur einen Wink erwarten um ihre ehemaligen Vorschläge zu erneuern.“105 Ihre seitdem mehr als einmal wiederholten Versicherungen von der Fortdauer Ihres Wohlwollens, haben mich darüber beruhigt, daß meine hiesigen Verhältnisse mir nicht erlaubten, Herr über meine Handlungen zu seyn. Sie wissen, daß bloß dieser Umstand mich abgehalten hat, eine mir jederzeit sehr wünschenswerthe Lage anzunehmen, wo ich mich vollkommen auf meinem Platze gefühlt haben würde als hier. Unser edler Fürst hat allerdings alles gethan, um mir meine hiesige Lage so theuer zu machen als es nur möglich ist. Selbst der Bau einer Sternwarte war schon so gut als beschlossen, als dieser unselige Krieg auf einmal die Lage aller Sachen änderte. Wer vermag nun vorauszusehen, wie weit die Folgen desselben sich erstrecken werden, ob nicht auch unserm bisher so glücklichen Lande große Veränderungen bevorstehen? Unser Fürst selbst ist schwer verwundet.106 Ich habe seit einer Reihe von Jahren eine beträchtliche Zahl von Untersuchungen in vielfältigen Zweigen der Mathematik angestellt, die wie ich glaube auch andern 103 Gauß, Carl Friedrich: Fortgesetzte Nachrichten über die neuen Planeten (Aus einem Schreiben vom 8.7.1806). Monatliche Correspondenz 14, 1806, S. 187–192 (August). Gekürzt auch in: Gauß-Werke: 6, S. 277–278. 104 Gauß, Carl Friedrich: II Comet vom Jahr 1805 (Aus einem Schreiben vom 8.7.1806). Monatliche Correspondenz 14, 1806, S. 181–186 (August), dieses auch in: GaußWerke: 6, S. 275–277. 105 Siehe den Brief von Nikolaus Fuß an Gauß vom 24.4./6.5.1804 (Brief Nr. 11). 106 Der Braunschweiger Herzog Carl Wilhelm Ferdinand befehligte das preußische Heer, das in den Schlachten bei Jena und Auerstedt am 14.10.1806 vernichtend geschlagen wurde. Der Herzog selbst wurde schwer verwundet und starb am 10.11.1806 in Ottensen.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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vielleicht Freude machen könnten, aber fast gar nichts davon so zu Papier gebracht, daß ein andrer als ich etwas damit machen könnte. Es würde mir sehr, sehr weh thun, wenn dieselben, ja wenn nur einige derselben ganz untergingen. Dazu bin ich jetzt Gatte107 und Vater.108 Mir selbst würde es also jetzt lieber als je seyn, in P[etersburg] ein Asyl zu finden; in wie fern die Hindernisse, die mich bisher banden, jetzt sich lösen, beurtheilen Sie Selbst aus den Umständen. Bei Bearbeitung des in der M[onatlichen] C[orrespondenz] schon mehrere male erwähnten Werks, dessen Hauptgegenstand meine Methoden die Planetenbahnen zu bestimmen sind, bin ich schon ziemlich vorgerückt; meiner Rechnung nach müßte es noch ganz zeitig in diesem Winter vollendet werden, und dieß wird auch geschehen, wenn die Lage meines Vaterlandes mir erlauben wird, die dazu nöthige Heiterkeit mir zu erhalten. Mit unbegrenzter Verehrung und Ergebenheit verharre ich Ihr gehorsamster Diener C. F. Gauß N. S.109 Man hält hier schon den Weg über Magdeburg und Berlin nicht mehr für ganz sicher; ich schicke daher diesen Brief über Hamburg. Vielleicht sende ich nächstens noch eine Doublette davon ab, wenn sich eine sichre außerordentliche Gelegenheit darbietet. Ich meine, daß ich Ihre gütige Antwort richtig erhalten werde, wenn Sie solche in Ermanglung andrer directer Gelegenheit, unter einem Couvert an den Kaufmann Claes Friedrich Tamsen schicken.

Brief 18. Gauß an Nikolaus Fuß, 9. November 1806 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, Razrjad V, op. 1–Ƚ, ʋ 44, l. 1–4.

[Braunschwei]g den 9 November 1806 Immer pflegten Sie, mein Verehrungswürdigster Gönner und Freund, Nachrichten von meinen Arbeiten und Beschäftigungen mit Güte aufzunehmen; ich schmeichle mir, daß dies auch bei den Kleinigkeiten, die ich Ihnen hier gegenwärtig mittheile der Fall seyn wird. Sie betreffen meine letzten Untersuchungen über die Ceres und Juno, und den Lauf dieser beiden Planeten im nächsten Jahre. Meine letzten Elemente der Juno, die 1805 berechnet waren und von dem wahren Laufe im Jahr 1806 nur 1 Min[ute] abwichen, habe ich nach den besten mir von diesem Jahre bekannt gewordenen Beob[achtungen], besonders denen von Oriani im März angestellten, und nach einigen spätren in Lilienthal gemachten so gut ich konnte zu verbessern gesucht, das Resultat dieser Arbeit finden Sie auf Beilage A. Meine eignen im Februar 1806 gemachten Beob[achtungen] die schon

107 Gauß hatte am 9.10.1805 Johanna Osthoff geheiratet. 108 Gauß’ Sohn Joseph war am 21.8.1806 geboren worden. 109 N. S. = Nach-Schrift.

270

Carl Friedrich Gauß und Russland

in der Mon[atlichen] Corr[espondenz] stehen110 habe ich dabei nicht mit angewandt, ich habe mich aber überzeugt, daß die neuen Elemente mit allen vorhandenen guten Beob[achtungen] von 1804, 1805, 1806 so genau stimmen, als auf die Beob[achtungen] selbst zu rechnen ist. Bei der Ceres hingegen hat es mir bis jetzt noch immer an ganz zuverlässigen Beob[achtungen] von diesem Jahre gefehlt und ich habe die hier in Beilage B gegeben neuen Elemente nur erst vorläufig auf die von Pasquich in Ofen beobachtete Opposition gegründet, mit Vorbehalt, die Elemente künftig, wenn ich in Besitz von bessern Beob[achtungen] komme noch zu verbessern. Die Störungen sind nach meiner in der Mon[atlichen] Corr[espondenz] 1803 befindlichen Tafel berechnet mit Ausschluß der Perturbation für die Breite, deren Theorie ich vollständiger entwickelt habe, welche Resultate aber bisher noch nicht gedruckt sind. Erinnere ich mich recht, so habe ich dieselbst vor einem Jahre einmal Ihnen mitgetheilt. Ich schreibe nichts von meinen Rechnungen über die Pallas und den 2 ten Kometen von 1805,111 weil das Vornehmste davon schon in den frühern Stücken der M[onatlichen] C[orrespondenz] steht. Auch die Resultate, welche die Juno betreffen habe ich schon vor geraumer Zeit nach Eisenberg geschickt, und sie hätten im Oktoberstück der M[onatlichen] C[orrespondenz] erscheinen müssen.112 Allein ob dieses Stück erschien und vor der Hand überhaupt die M[onatliche] C[orrespondenz] fortgesetzt oder wenigstens den entferntern Astronomen schnell und sicher zukommen wird, ist wol sehr zweifelhaft, da gerade bei Eisenberg die schreckliche Schlacht am 14 October vorgefallen ist. Noch immer habe ich von H[errn] von Zach seitdem nichts gehört. Da Deutschland jetzt von neuem der Schauplatz eines furchtbaren Krieges geworden ist, so müssen Musen schweigen und mit Bangigkeit sieht man den künftigen Ereignissen entgegen. Jetzt mein verehrungswürdigster Freund ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich Sie an das erinnern muß, was Sie mir vor nicht gar langer Zeit schrieben. „Sollten je Umstände eintreten, die Ihnen eine Wiederhohlung meiner ehemaligen Anträge, versteht sich unter Bedingungen, wie sie die jetzige Lage der Akademie und der neue Etat möglich machen, wünschenswerth machten, so vergessen Sie nicht, daß Sie Freunde in Pet[ersburg] haben, die nur einen Wink erwarten, um die ehemaligen Anträge zu erneuern“. Ihre seitdem mehr als Einmal wiederholten Versicherungen von der Fortdauer Ihrer [sic] Wohlwollens haben mich darüber beruhigt, daß meine hiesigen Verhältnisse mir nicht erlaubten, Herr über meine Entschließungen zu seyn. Sie wissen daß bloß dieser Umstand mich abgehalten hat eine mir jederzeit wünschenswerthe Lage anzunehmen, wo ich mich vollkom[m]ener als hier auf meinem Platze gefühlt haben würde. Unser H[erzog] hat allerdings alles gethan mir hier meine Lage möglichst theuer zu machen. Sogar der Bau einer Sternwarte war schon so gut als 110 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über die neuen Planeten Planeten (Schreiben vom 25.8.1806). Monatliche Correspondenz 13, 1806, S. 313–315 (März). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 313–315, dieser auch in: Gauß-Werke: 6, S. 269–270. 111 Siehe: Anm. 103 und 104. 112 Die Arbeit erschien auch im Oktoberheft der Monatlichen Correspondenz, siehe: Anm. 102.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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beschlossen, als der Ausbruch des Krieges auf einmal die Lage aller Sachen änderte. Wie sehr der Erfolg desselben auf ganz Deutschland und auch auf unser glückliches Land bereits gewirkt hat, wissen Sie gewiß auch in Pet[ersburg] schon. Seit einer Reihe von Jahren [habe ich] eine beträchtliche Reihe von Untersuchungen in vielfältigen Zweigen der Mathematik angestellt, die wie ich glaube auch andern vielleicht Freude machen werden, aber fast Nichts davon so zu Papier gebracht, daß ein andrer als ich etwas damit machen könnte. Es würde mir sehr sehr weh thun, wenn das Schicksal mich in eine Lage brächte, wo ich dieselben oder auch nur einen Theil derselben untergehen lassen müßte. Dazu bin ich jetzt Gatte und Vater. Mir selbst würde es also jetzt lieber als je sein in P[etersburg] für mich, meine Familie und meine Arbeiten ein Asyl zu finden. In wie fern die Hindernisse, die mich bisher banden, jetzt von selbst gelöst werden, beurtheilen Sie Selbst aus dem weitren Erfolg der sich drängenden Zeitbegebenheiten. Bei der Bearbeitung des schon mehrmals in der M[onatlichen] C[orrespondenz] erwähnten Werks über meine Methode, die Planetenbahnen zu bestimmen, bin ich zwar schon ziemlich vorgerückt, und ich hatte darauf gerechnet, es noch zeitig in diesem Winter ganz zu vollenden: allein vor der Hand wird mir freilich die nöthige Heiterkeit fehlen um schnell dabei fortzuarbeiten. Mit Verlangen sehe ich einer Antwort von Ihnen entgegen, ob ich gleich nicht sagen kann, wie ich dieselbe sicher erhalten werde, solange die Unruhen fortdauern. Vielleicht bieten sich Ihnen dazu besondere Gelegenheiten dar. Schon vor ein Paar Wochen habe ich über Hamburg einen Brief an Sie abgesandt, ich bin aber ungewiß, ob derselbe noch durchgekommen sein wird. Den gegenwärtigen erhalten Sie durch Madame Pluchart113 die jetzt zu ihrem Manne reiset. Mit unbegrenzter Verehrung und Ergebenheit verharre ich Ihr gehorsamtster Carl Friedrich [Gaus]s

113 Möglicherweise Henriette Pluchart, Ehefrau des Braunschweiger Verlegers Alexander Pluchart.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

[Beilage] A Lauf der Juno 1807 nach den VIten Elementen114 12h in Seeberg Januar

Februar

März

April

May

Ger. Aufst. 12 15 18 21 24 27 30 2 5 8 11 14 17 20 23 26 1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 3 6

233° 234 234 235 236 237 237 238 239 239 240 240 241 241 242 242 242 243 243 243 244 244 244 244 244 244 244 244 244 243 243 243 242 242 242 241 241 240 240

13´ 1 48 33 18 0 42 22 0 37 12 45 16 45 12 36 59 19 36 51 4 14 21 25 26 29 21 14 4 51 35 16 55 32 6 38 8 36 2

Südl. Abw. 10° 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 9 9 9 9 9 9 9 8 8 8 8 8 7 7 7 7 6 6 6 5 5 5 5 4 4 4 3 3

16´ 18 20 21 21 20 18 16 13 9 4 58 52 45 36 28 18 8 57 45 32 19 5 51 36 20 4 48 31 14 56 39 21 4 47 30 13 57 41

12h in Seeb. May

Junius

Julius

August

September

Ger. Aufst. 9 12 15 18 21 24 27 30 2 5 8 11 14 17 20 23 26 29 2 5 8 11 14 17 20 23 26 29 1 4 31 3 6 9 12 15 18 21

239 238 238 237 237 236 235 235 234 234 233 232 232 232 231 231 230 230 230 230 230 229 229 229 229 229 230 230 230 230 234 234 235 236 236 237 238 238

27 52 15 38 1 24 47 11 36 2 30 59 30 4 39 17 57 40 26 14 6 59 55 54 55 59 6 15 27 41 24 58 34 12 51 32 15 59

Südl. Abw. 3 3 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 4 6 6 7 7 7 7 8 8

26 12 59 46 35 25 15 8 1 56 52 49 48 48 49 51 55 0 6 13 21 30 39 50 2 14 27 40 54 8 32 49 6 23 40 56 13 29

114 Siehe: Anm. 102. Ohne die Ephemeride veröffentlicht in: Gauß, Carl Friedrich: Fortgesetzte Nachrichten über die neuen Planeten (Schreiben vom 25.8.1806). Monatliche Correspondenz 14, 1806, S. 377–382 (October); dort steht aber „Geocentrischer Lauf der Juno in dem Jahre 1807 nach den VI Elementen“ (S. 379–381). Die Tabelle ist in den Gauß-Werken nicht abgedruckt.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

VI. Elemente, wonach diese Ephemeride berechnet werden Epoche 1807 Meridian von Seeberg Aphelium 1807 sid[erisch] ruhend k 1807 Tägl. Bewegung (trop) Neigung der Bahn Excentricität Log der halben grossen Axe Bewegung in 365 Tagen

207° 47´ 33´´0 233 17 51,1 171 5 47 814´´7201 13 3 228,4 0,2549441 0,4260480 82° 36´ 12´´9

273

274

Carl Friedrich Gauß und Russland

[Beilage] B Geocentrischer Lauf der Ceres vom 19 Dec[ember] 1806 bis 21 Sept[ember] 1807115 12h in Seeberg Decemb.

1807 Jan.

Febr.

März

Ger. Aufst. 19 22 25 28 31 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 2 5 8 11 14 17 20 23 26 1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31

210° 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 222 223 224 224 225 226 226 227 227 228 228 228 229 229 229 229 229 229 229 229 229 228

35´ 38 41 43 44 43 42 39 34 28 21 12 1 48 33 17 58 36 12 46 17 45 11 33 52 8 21 30 35 37 36 30 21 9 53

Südl. Abw. 3° 3 3 4 4 4 4 5 5 5 5 5 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 7 7 7 7 6 6 6 6 6 6 6 6 6

9´ 28 47 5 22 38 51 8 22 35 47 58 8 17 26 33 40 45 50 54 57 59 1 1 1 0 58 55 52 48 43 38 33 27 21

12h in Seeberg May

Junius

Julius

August

Ger. Aufst. 9 12 15 18 21 24 27 30 2 5 8 11 14 17 20 23 26 29 2 5 8 11 14 17 20 23 26 29 1 4 7 10 13 16 19

221 220 220 219 218 218 217 217 216 216 216 215 215 215 215 215 215 215 215 215 215 216 216 216 217 217 218 218 219 219 220 220 221° 222 223

32 52 13 35 59 26 54 25 59 36 16 59 46 35 28 24 24 26 32 41 53 7 25 45 8 33 1 31 4 39 15 54 35´ 18 2

Südl. Abw. 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 6 6 6 6 6 7 7 7 7 8 8 8 9 9 9 10 10 10 11 11 12 12 12° 13 13

15 14 15 17 19 23 28 35 42 51 1 11 23 36 50 5 20 37 54 12 30 49 9 29 50 11 32 54 16 38 0 23 46´ 8 31

115 Gauß, Carl Friedrich: Auszug aus einem Schreiben (3.1.1807). Monatliche Correspondenz 15, 1807, S. 152–157 (Februar), dieser gekürzt und ohne Tabellen auch in: Gauß-Werke: 6, S. 280–281.

275

3. Nikolaus Fuß (1755–1826) 12h in Seeberg April

May

Ger. Aufst. 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 3 6

228 228 227° 227 226 226 225 224 224 223 222 222

33 10 44´ 15 43 9 33 55 16 35 54 13

Südl. Abw. 6 6 6° 5 5 5 5 5 5 5 5 5

14 8 1´ 55 48 42 36 31 26 22 19 16

12h in Seeberg

Septemb.

Ger. Aufst. 22 25 28 31 3 6 9 12 15 18 21

223 224 225 226 227° 228 228 229 230 231 232

48 36 26 17 10´ 4 59 56 54 54 54

Südl. Abw. 13 14 14 15 15° 15 16 16 16 17 17

54 17 40 3 26´ 48 11 33 55 17 38

Elemente, nach welchen, mit Zuziehung der Störungen durch Jupiter, diese Ephemeride berechnet ist. Epoche 1807, Meridian von Seeberg . . . . . . Tägl. mittl. trop. Bewegung . . . . . . . . . . . . . Bewegung in 365 Tagen . . . . . . . . . . . . . . . Sonnenferne 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jährliche Bewegung Knoten 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jährliche Bewegung Excentricität 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jährliche Aenderung Neigung der Bahn 1807 Jährliche Aenderung Logarithm der halben Axe

186° 28´ 770´´8584 78 9 326 40 + 2´ 80 53 + 0,0783428 – 0,0000058 10 37 – 0,4420728

58´´0 23,3 0 1´´ 25 1´´5 33 0´´4

Brief 19. Nikolaus Fuß an Gauß, 11./23. Dezember 1806 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 8 (2 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 99–100.

H[errn] Dr. Gauß in Braunschweig Bereits vor 3 Wochen hab’ ich auf Ihren Brief vom 20ten Oct[ober] geantwortet.116 Da aber der Postenlauf so lange gehemmt war, und auch noch izt nicht wieder in seinem alten Gleise geht, so schreibe ich Ihnen zum 2ten male, in der Hofnung, daß Sie wenigstens dies Duplicat erhalten werden. Das Ihrige ist mir nicht zugekommen. Mit dem größten Vergnügen will ich zum 2ten male allen meinen Einfluß anwenden, um einen Ruf an Sie von Seiten der Akademie einzuleiten. Nur werden Sie es meinen Verhältnißen und dem so natürlichen Wunsche, nicht etwa durch eine abermalige Abweisung desselben compromittirt zu werden, zu gute halten, wenn ich diesmal vorsichtiger bin, und Gewißheit zu haben wünsche, daß es Ihr ernster Wille und unabänderlicher Entschluß sey, einen Ruf zur Akademie als ordentli-

116 Dieser Brief von Fuß ist offensichtlich verlorengegangen.

276

Carl Friedrich Gauß und Russland

ches Mitglied derselben, mit den durch das Reglement bestimmten Emolumenten, falls er an Sie gelangt, anzunehmen. Sie schrieben Ihren Brief im ersten Schreck, nach der unglücklichen Schlacht bey Auerstedt,117 die denn freylich seit dem auch bey Ihnen große Veränderungen hervorgebracht hat. Da aber Ihr neuer Fürst118 Ihrer precairen Lage Sicherheit gegeben und Ihnen den Wunsch Ihr Vaterland mit Rußland, deßen Grenzen sich nun der Krieg nähert, zu vertauschen, benommen haben könnte: so wünsche ich hierüber Ihre letzte bestim[m]te Erklärung zu haben, bevor ich einen Schritt in der Sache thue. Mit Hochachtung und Ergebenheit Ihr gehorsamer D[iene]r N. Fuß. St. Petersburg den 11ten Dec[ember] 1806.

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschag]

117 Der Sieg bei Jena und Auerstedt ermöglichte Napoleon den Vormarsch auf Berlin, in das er am 27.10.1806 einzog. Der preußische Hof floh vor Napoleon nach Königsberg. 118 Der Braunschweiger Herzog Carl Wilhelm Ferdinand hatte seinen Sohn Friedrich Wilhelm als Nachfolger vorgesehen. Dieser konnte jedoch die Regierung nicht mehr übernehmen, da bereits am 30.10.1806 eine provisorische französische Regierung eingesetzt worden war.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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Brief 20. Gauß an Nikolaus Fuß, 10. Oktober 1807 (Braunschweig) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 75, l. 227–228. Publikation: Svjatskij 1934, S. 229–231.

[Vermerk von der Akademie] Lû le 16 Dec. 1807. Braunschweig den 10 Oktober 1807. Die Abreise des H[er]rn Bartels nach Rußland119 gibt mir eine zu erwünschte Gelegenheit, meinen Briefwechsel mit Ihnen, Verehrungswürdigster Gönner und Freund, wieder anzuknüpfen zu suchen, als daß ich dieselbe unbenutzt lassen könnte, Ihnen wenigstens ein Lebenszeichen von mir zu geben. Ich habe zwar schon am Ende des vorigen Jahrs, als die großen Ereignisse unsre Lage hier auf einmal so gänzlich verändert hatten, ein Paar Briefe an Sie abgehen lassen,120 die unter andern Ihnen meine fortdauernde Bereitwilligkeit versichern sollten, diejenigen Anerbietungen die Sie ehemals mit so warmem Interesse gemacht und nacher öfters wiederholt hatten, und an deren Annahme ich nur durch meine persönlichen Verhältnisse mit unserm seel[igen] Fürsten gehindert war, – nach so völliger Veränderung der Umstände gern einzugehen, allein ich habe darauf gar keine Antwort erhalten. Eben bei jener Wärme womit Sie ehemals diese nähere Verbindung wünschten, glaube ich mir dieß nicht anders erklären zu dürfen, als daß entweder meine Briefe oder Ihre Antworten darauf bei den [sic] gestörtem [sic] Postenlauf verloren gegangen sind. Inzwischen wurden mir in verwichenem Sommer Anerbietungen zu einem Platz auf der Universität Göttingen gemacht. Ungewiß, wie bald oder ob ich auf die Erfüllung meiner Ihnen geäußerten Wünsche rechnen könnte, glaubte ich mich auch schon aus Rücksicht auf meine Familie verpflichtet, diese Anerbietungen nicht von der Hand zu weisen, die wenigstens in jeder Rücksicht mir gegen meine bisherige hiesige Lage Vortheile versprachen. Ich habe demnach die Stelle eines Professors der Astronomie und ersten Directors der Sternwarte in Göttingen angenommen, wohin ich wahrscheinlich in kurzem abgehen werde. Ob ich dort ganz zufrieden seyn werde, das wird zum Theil mit davon abhängen, ob die neue Regierung zu einer kräftigen und liberalen Unterstützung der Astronomie geneigt seyn wird: daß von der intendirten neuen Sternwarte bei der französischen Occupation 1803 die Mauern eben über die Erde gebracht waren und so bis heute liegen wird Ihnen wahrscheinlich bekannt seyn. Schwerlich werde ich indeß vor der Hand in so vollem Maaße thätig sein können, als ich wünschte, und als ich auch in Petersburg hätte erwarten dürfen. – – – Indeß auch mit dem beschränkten Instrumenten Vorrate der alten Sternwarte werde ich thun was ich kann, immer viel mehr als ich hier konnte, und es würde mir daher sehr lieb seyn, künftig immer 119 Martin Bartels reiste Ende des Jahres 1807 über St. Petersburg, wo er sich im Dezember aufhielt, nach Kasan. Dort übernahm er 1808 eine Professur für Mathematik. Zu dieser Reise siehe: Biermann 1974. 120 Siehe die Briefe von Gauß an Nikolaus Fuß vom 20.10.1806 (Brief Nr. 17) und vom 9.11.1806 (Brief Nr. 18) im vorliegenden Band.

278

Carl Friedrich Gauß und Russland

einen lebhaften Briefwechsel mit P[etersburg] unterhalten und meine Beobachtungen, Rechnungen u.s.w. mit denen der Petersburger Astronomen austauschen zu können. Da jetzt der literarische Verkehr mit Rußland wieder hergestellt seyn wird, so werden Sie von allem was wir in astronomicis im letzten Sommer Neues gehabt haben, längst unterrichtet seyn: ich erwähne daher auch nichts von meinen Arbeiten über die Vesta, die jüngsten finden sich in der Mon[atlichen] Corr[espondenz] Septemberh[eft].121 Die Kürze der Zeit nöthigt mich auch meine neuesten Resultate über die Pallasbahn mit Stillschweigen zu übergehen.122 Den jetzt sichtbaren Kometen123 den ich noch gestern Abend in 232° AR u[nd] 10° N[ördliche] D[eclination] beobachtete, werden Sie gewiß nach Ankunft dieses Briefes auch in P[etersburg] längst beobachtet haben. Von meinem Werke über die Bestimmung der Planetenbahnen wird der Druck wahrscheinlich noch in diesem Monate anfangen und gegen Ostern hoffe ich wird es erscheinen können.124 Ich werde demnächst die Ehre haben Ihnen ein Exemplar zu übersenden. Unter Versicherung meiner unwandelbaren Ergebenheit und innigsten Verehrung empfehle ich mich Ihrem fernern Wohlwollen gehorsamst C. F. Gauss.

Brief 21. Nikolaus Fuß an Gauß, 7./19. Januar 1808 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 9 (3 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 100–101.

Hochzuehrender Herr und Freund! H[err] Prof[essor] Bartels hat mir durch Überreichung Ihres mir sehr angenehmen Schreibens vom 10ten Octob[er] vor[igen] Jahres ein sehr großes Vergnügen gemacht. Ich sehe daraus, daß Sie mich in freundschaftlichem Andenken behalten haben, und daß Ihre Lage eine für Sie und die Wißenschaften gleich günstige Veränderung erlitten hat. Ich sehe aber auch mit Bedauern, daß Sie weder meine erste Antwort auf Ihren Brief vom 25ten Octob[er] 1806, welche ich, Ihrer Anweisung 121 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen von Dr. Olbers in Bremen entdeckten Planeten Vesta. Monatliche Correspondenz 16, 1807, S. 285–291 (September). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 287–291; dieser gekürzt in: Gauß-Werke: 6, S. 290–292. 122 Gauß, Carl Friedrich: Auszug aus einem Schreiben (10.3.1807). Monatliche Correspondenz 15, 1807, S. 377–378 (April); auch in: Gauß-Werke: 6, S. 281–282. 123 Komet 1807 (Great comet) war vom 9.9.1807 bis zum 27.3.1808 sichtbar. Siehe auch: [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den Cometen von 1807. Monatliche Correspondenz 16, 1807, S. 562–567 (December). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 564–565, auch in: Gauß-Werke: 6, S. 292. 124 Die „Theoria motus“ erschien erst 1809 (Gauß 1809a); Gauß’ Vorwort trägt das Datum 28.3.1809. Im Mai 1809 hielt Gauß die ersten Exemplare in den Händen.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

279

gemäs, an H[errn] Tamsen nach Hamburg adressirt hatte, noch das bald darauf über Schweden abgesandte Duplicat, erhalten haben. Auch scheint es daß die indirecten Anfragen, und Bitten um eine entscheidende Antwort auf jene Briefe, welche ich durch H[errn] Bode zu zwei malen an Sie gelangen ließ, Ihnen ebenfalls nicht zugekommen sind. Ihr Stillschweigen auf alles dies ließ mich vermuthen, daß Sie Ihren frühern, in dem ersten Schreck gefaßten Entschluß geändert hätten. Zu den mannigfaltigen Nachtheilen, die uns die Stöhrung des Postenlaufes zugezogen hat, müßen wir also auch das zweite Mißlingen der Absicht rechnen, Sie für Rußland und für die Akademie zu gewinnen. Denn nun, da Sie den Ruf nach Göttingen angenommen haben, ist wol weniger als je zu hoffen, daß Sie sich zu einer solchen Veränderung entschließen würden. Auch zweifle ich ob wir Ihnen völligen Ersatz für alles das würden anbieten können, was Sie dort zurücklaßen müßten. Unser der practischen Sternkunde so ungünstige Himmel hat unsern Astronomen erst späth, und seitdem nur selten erlaubt den Cometen zu beobachten. Die erste Nachricht von seiner Erscheinung erhielten wir erst in der Mitte des Octobers, weil wir, seit der Stöhrung des gewöhnlichen Post=Cours, unsre Zeitungen und Journale bis zu Ende des Jahres fortfahren mußten über Wien und Schweden zu beziehn. Die Nachricht von der baldigen Erscheinung Ihres Werkes über die Bestim[m]ung der Planetenbahnen125 war H[err]n Schubert und mir sehr angenehm, und wir sehn mit Ungeduld dem versprochenen Exemplar desselben entgegen. Mit dem herzlichen Wunsch daß Sie mit Zufriedenheit an Ihrem neuen Wohnorte und in Ihrem neuen Wirkungskreiß leben mögen verharre ich hochachtungsvoll Ihr ergebenster N. Fuß St. Petersburg 7 den 19 ten Jan[uar] 1808.

Brief 22. Gauß an Nikolaus Fuß, 24. März 1808 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Nikolaus Fuß 3 (4 S.) Teilpublikation: Stieda 1927, S. 101.

Die Abreise des H[errn] Prof[essor] Renner nach Rußland,126 gibt mir eine erwünschte Gelegenheit, Ihnen verehrungswürdigster Gönner und Freund, für Ihr gütiges Schreiben vom 7 Januar und die Versicherungen Ihres fortdauernden Wohlwollens gegen mich, meinen wärmsten Dank abzustatten. Es war mir eine 125 „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium“ (Gauß 1809a). 126 Kaspar Friedrich Renner, der von 1805 bis 1807 Privatdozent in Göttingen war, nahm 1808 eine Professur für Angewandte Mathematik in Kasan wahr.

280

Carl Friedrich Gauß und Russland

angenehme Beruhigung, die Überzeugung zu erhalten, daß Sie meine Ihnen geäußerten Wünsche noch aus demselben Gesichtspunkte wie ehedem betrachteten, und das Mißlingen derselben, wie ich vermuthete, nur eine Folge von zufälligen Umständen gewesen ist. Erst im Oktober des vorigen Jahres, fast in dem Augenblick wo ich meinen letzten Brief an Sie H[errn] Prof[essor] Bartels übergab, wurde mir durch eine Anfrage des H[errn] Prof[essor] Bode der Zweifel gehoben, ob Sie überhaupt einen meiner Briefe empfangen hatten. Ob das im April 1807 erfolgte plötzliche Absterben von Vater u[nd] Sohn in dem Handelshause Tamsen mit Schuld daran gewesen ist, daß ich Ihre Antwort, die ohne Zweifel meiner Lage eine ganz verschiedene Wendung gegeben haben würde, nicht erhalten habe, kann ich nicht sagen. Ob ich für diesen Verlust in meiner hiesigen Lage in jeder Rücksicht Entschädigung finden werde, steht noch dahin. Unter Zeitumständen wie die gegenwärtigen sind die Wissenschaften das letzte woran die Regierungen denken können und man muß es wol jenen nicht diesen zuschreiben, daß wir den neuen Zustand der Dinge bisher nur nach Opfern nicht nach Aufmunterungen kennen. – Das schätzbarste an meiner hiesigen Lage ist die Leichtigkeit, womit ich jetzt meine mathematischen Arbeiten werde ins Publicum bringen können. Ich hoffe künftig zu jedem Bande unsrer Comment[ationes] zahlreiche Beiträge liefern zu können, die für die Freunde der Mathematik nicht ohne Intresse seyn werden. Ich habe das Vergnügen, Ihnen hier den Erstling dieser Arbeiten vorzulegen.127 Mein Werk über die Bestimmung der Bahnen p[erge]128 ist unter der Presse: indeß geht der Druck langsam und es sind bisher erst 5 Bogen fertig, dies ist eine Folge des langsamen Postcourses, da ich bisher nur von Leipzig, wo das Werk gedruckt wird, die einzelnen Revisionsbögen habe zuschicken lassen: vielleicht entschließe ich mich indeß noch zur Beschleunigung des Druckes mich über die Gefahr ein längeres Druckfehler Verzeichniß geben zu müssen, wegzusetzen: in diesem Fall wird es bald nach Ostern erscheinen können. Da ich nicht weiß, ob unsre hiesigen gelehrten Anzeigen bis Petersburg gehen, so nehme ich mir die Freiheit hier einige Blätter derselben beizulegen, da die darauf enthaltenen Resultate bisher sonst noch nirgends gedruckt sind.129 Ich bitte ferner den Astronomen der Akademie noch folgende Notiz mitzutheilen: Die 3ten Elemente der Vesta, welche im Sept[ember] St[ück] der M[onatlichen] C[orrespondenz],130 auch in der neuesten Connaissance des Tems 1809131 – nebst einer Ephemeride für 1808 vorkommen, gründete sich auf Beob[achtungen] bis zum 11 Julius. Seitdem sind mir aber noch Mayländer Beobachtungen bekannt geworden die beinahe bis Ende Septembers gehen. Ich habe es zwar für überflüssig erklärt, hirnach die 3ten Elemente noch einmal ex professo zu verbessern, inde127 „Theorematis arithmetici demonstratio nova“ (Gauß 1808a). 128 Lat. p. = perge, fahre fort; im Sinne von „und so weiter“. 129 Im Jahre 1808 waren in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ im Januar Gauß’ Junobeobachtungen (Gauß 1808b), im Februar seine Kometenbeobachtungen (Gauß 1808c) und im März seine Ceresbeobachtungen (Gauß 1808d) erschienen. 130 Siehe: Anm. 121. 131 Observations de la planète Vesta, faites à la machine parallactique, en 1807. Connaissance des tems pour l’an 1811. Paris 1809, S. 402–403.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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ßen habe ich in diesen Tagen hier mein oben erwähntes Werk ein neues Beispiel ausgearbeitet aus 4 Beob[achtungen] eine Planetenbahn zu bestimmen, wobei ich mir die spätesten Beob[achtungen] mit angewandt habe. Ich habe Ursache die hieraus hervorgegangenen Elemente (obgleich sie sich nur auf 4 einzelne Beob[achtungen] gründen, da ich sonst wenn es gilt immer auf alle vorhandnen Beob[achtungen] Rücksicht nehme) für beträchtlich genauer zu halten u[nd] setze sie deswegen um so lieber hieher, da der geocentrische Ort danach 1808 wirklich weiter östlich fällt (am 2 May nach H[errn] Prof[essor] Hardings Rechnung AR. 336° 58ƍ D[eclination] 12° 46ƍ) 168° 10ƍ 44Ǝ Epoche 1807 Paris (Mittag 31. Dec.) 978Ǝ 859 Mittl; tägliche trop. Bewegung 69 57 6 Sonnenferne 1807 siderisch ruhend 103 11 57 k––– 7 8 21 Neigung der Bahn – – – Excentricität 0,088016 0,372898 Logarithm des mittl. Abstandes Fahren Sie fort, Verehrungswürdigster, mit Ihrem Wohlwollen zu beglücken Ihren gehorsamsten D[iener] C. F. Gauß G[öttingen] den 24 März 1808. [P. S.] H[errn] StaatsR[ath] Schubert meine gehorsamste Empfehlung. Dürfen wir nicht bald den zweiten Theil der populären Astronomie132 erwarten?

Brief 23. Nikolaus Fuß an Gauß, 29. Mai /10. Juni 1808 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Nikolaus Fuß 10 (3 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 102.

Hochzuehrender Herr Professor Werthgeschätzter Freund! Der wirkl[iche] Etatsrath Rumovski, Curator der Kasanischen Universität, hat mich ersucht, durch meine Correspondenten in Göttingen in Erfahrung zu bringen: ob ein gewißer Doctor Renner, den er für seine Universität berufen, und dem er, nach Annahme des Rufes, bereits im Januar einen Reisepaß nach Rußland, nebst dem festgesetzten Reisegelde durch Wechsel nach Göttingen übermacht hat, sich noch dort aufhalte, oder, falls er abgereiset, wann dies geschehn, und wohin er seinen Weg genommen habe? Ich bin so frey mich mit dieser Frage an Sie zu wenden, mit der ergebensten Bitte, mir, nach eingezogenen Erkundigungen das Resultat davon gefälligst mitzutheilen.

132 „Populäre Astronomie“ (Schubert, F. T. 1804–1810). Das Buch ist in der GaußBibliothek vorhanden (GB 645).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Verzeyhen Sie mir die Freyheit dieser zutraulichen Zumuthung. Ich stehe zu jeder Gegengefälligkeit jederzeit bereit, und werde mich freuen, wenn Sie mir Gelegenheit geben wollen, Ihnen meine Ergebenheit zu beweisen. Wie steht es mit Ihrer dortigen Sternwarte? Hat die kürzliche Anwesenheit Ihres neuen Königs133 keine Hofnung zur baldigen Vollendung nachgelaßen? Dies ist um so mehr zu wünschen, da die Seeberger Sternwarte, wie es scheint, nicht so bald, wofern je, wieder in Activität gesezt werden wird. Unser thätige[r] und ganz der practischen Astronomie lebende Akademiker Wisnievski134 wird nächstens seine dritte astronomisch-geographische Excursion beginnen. Er denkt in drey Jahren mit der Bestimmung von etwa 350 Puncten des Europäischen Rußlands fertig zu werden. Ich empfehle mich zu geneigtem Andenken, wiederhole meine Bitte und verharre mit vollkommenster Hochachtung Ihr ergebenster N. Fuß. St. Petersb[urg] den 29ten May 1808

Brief 24. Gauß an Nikolaus Fuß, 15. Juli 1808 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Nikolaus Fuß 4 (4 S.) Teilpublikation: Stieda 1927, S. 102–103.

Göttingen den 15 Julius 1808 Ihrem Verlangen zufolge, verehrungswürdigster Freund, eile ich, Ihnen anzuzeigen, daß der für Kasan engagirte H[err] D[octor] Renner schon vor mehrern Monaten von hier abgereiset ist. Er hatte noch die Gefälligkeit einen Brief von mir nebst einer kleinen gedruckten Abhandlung an Sie mitzunehmen und verließ Göttingen, ich erinnere mich nicht mehr genau ob gegen Ende des März oder gleich zu Anfange Aprils. Seine Absicht war, noch einige Zeit bei seinen Eltern – sein Vater ist Deichaufseher im Bremenschen – zuzubringen, und in der Mitte Mays wo möglich zu Schiffe die Reise nach Rußland anzutreten. Wahrscheinlich wird er also bald nach Abgang Ihres Briefes in Petersburg eingetroffen seyn. Ich werde noch Nachricht zu erhalten suchen, ob und wann er von seiner Heimat wirklich abgereiset ist.

133 Jérôme Bonaparte, Bruder Napoleons I., war von 1807 bis 1813 König von Westphalen, zu dem auch Göttingen gehörte. Am 20.5.1808 schrieb Gauß an Farkas Bolyai: „Der König hat Hoffnung gegeben, dass der Bau der neuen Sternwarte der schon 1803 anfing fortgesetzt werden soll“ (Briefwechsel Gauß–Bolyai 1899, S. 91). 134 Vincent Wishniewsky war seit 1804 Adjunkt an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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Wegen des fortzusetzenden Baues unsrer neuen Sternwarte hat uns der Staatsrath von Müller135 – der allerdings den besten Willen hat den Wissenschaften nützlich zu werden, aber freilich manchmal in den Umständen Hindernisse findet – die besten Versicherungen gegeben: in der That ist diese Aussicht zu meiner Zufriedenheit mit meiner hiesigen Lage wesentlich. Ich suche die alte Sternwarte so gut ich kann zu benutzen: aber bei allem Eifer kann man doch mit so mangelhaften Hülfsmitteln nur unvollkommene Resultate und selbst diese nur mit großem Aufwande von Zeit und Arbeit erhalten. Wir haben kein Passageninstrument, ei1 nen zwar gut getheilten aber nur mit einem gemeinen Fernrohr von 1 4 Zoll 136 ten Oeffnung versehenen Mauerquadranten, an dem nur Sterne bis zur 6 höchstens unter günstigen Umständen bis zur 7ten Größe beobachtet werden können. Welch einen Zeitaufwand machen nun aber korrespondirende shöhen, Kreismikrometerbeobachtungen und die so äußerst langwierigen Reductionen, wenn die verglichenen Sterne nur aus der Histoire Cel[este]137 genommen werden konnten. Was auf einer gut ausgerüsteten Sternwarte in wenigen Minuten geleistet werden kann, kostet mich hier oft ganze Tage und Nächte. Hier haben Sie einige meiner letzten Beobachtungen, die freilich nur auf den Grad von Vollkommenheit Anspruch machen können der mit meinen Hülfsmitteln zu erreichen möglich ist:138 Beobachtungen der Juno 1808 M.Z. AR app. Decl. südl. Jun 20. 11h 49ƍ 0Ǝ 315° 29ƍ 34Ǝ 2° 16ƍ 23 — 22 12 0 45 315 23 1 2 14 29 Jul 6 12 42 23 314 1 0 2 19 7 Beobachtungen der Vesta Jun 22. 13.46.25 353. 12. 17 9. 12. 16 Jul 1 14 38 57 354 28 3 9 9 39 —2 12 50 2 355 7 7 — — 13 13 22 37 356 35 27 9. 27. 40

135 Johannes von Müller war 1808 in Kassel, der Hauptstadt des Königreichs Westphalen, Generaldirektor des Unterrichtswesens. 136 Dieser Mauerquadrant von John Bird stammte noch aus Tobias Mayers Zeiten (Mayer, T. 1985, S. 73f). Dieses Instrument kann heute im Institut für Astrophysik der Universität Göttingen bewundert werden. 137 Lalande 1801. 138 Die Beobachtungen der Juno und der Vesta befinden sich auch in: Gauß, Carl Friedrich: Auszug aus einem Schreiben (27.6.1808). Monatliche Correspondenz 18, 1808, S. 83–86 (Julius), dieser auch in: Gauß-Werke: 6, S. 301–303. Gauß teilte diese Beobachtungsdaten am 23.7.1808 auch Bode mit, der sie im Berliner „Astronomischen Jahrbuch“ veröffentlichte, siehe: Gauß, Carl Friedrich: Beobachtungen des Kometen von 1807 und Elemente der Bahn desselben, Neue Elemente der Pallas- und JunoBahn, Beobachtungen der Juno, Vesta und Pallas, Jupiterstrabanten-Verfinsterungen, Sternbedeckungen etc. (unterm 24. Jan. und 23. Jul. eingesandt). Astronomisches Jahrbuch für 1811, 1808, S. 135–139. In: Gauß-Werke: 6, S. 293–296.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Jul 13 Jul 15

12 3 17 12 1 38

Beobachtungen der Pallas 300 21 49 18 41 44 299 57 3 18 32 40

Eintritt von i Virginis Jun 4 — von μ Sagittarii Jul 6 — von 2 Jupiterstrab. Jun 22

1 Jupiterstr.

Jul 13

9h 10h 12h 12 13 13

:

nordl.

3ƍ 39Ǝ0 Gauß u[nd] Harding gemeinschaftl. in 1Ǝ 39ƍ 6Ǝ2 Gauß 45ƍ 32Ǝ Gauß 10f[üßiger] Herschel 45 9 Harding 3 ½ f[üßiger] Dollond 45 36 Harding 4 ½ f[üßiger] Dollond 45 38 Gauß 10 f[üßiger] Herschel

Bloß aus den Zeitungen weiß ich, daß die Petersburger Astronomen139 den letzten Kometen bis zum Ende März beobachtet haben.140 Es würde mir sehr interessant seyn, in den Besitz dieser Beob[achtungen] zu kommen. Der Druck meines Werks über die Bestimmung der Bahnen der Himmelskörper141 ist zwar schon seit 6 Monaten angefangen: aber durch mancherlei Aufenthalt und Unterbrechungen bisher so langsam vorgerückt, daß erst 11 Bogen abgedruckt sind, also noch nicht die Hälfte. So bald es fertig seyn wird, habe ich die Ehre Ihnen damit aufzuwarten. Ich werde nächstens bei unsrer Societät eine Abhandlung verlesen, worin einige merkwürdige Reihen summirt werden.142 Es gehören dahin besonders folgende 1 + cos Ȧ + cos 4Ȧ + cos 9Ȧ + cos 16Ȧ .... + cos (n–1)2Ȧ = P sin Ȧ + sin 4Ȧ + sin 9Ȧ + sin 16Ȧ .... + sin (n–1)2Ȧ = Q wo n eine ganze Zahl und nȦ entweder = 360° oder ein Vielfaches davon ist.* [Anmerkung von Gauß als Fußnote:] nZ *doch so daß 360 q mit n keinen gemeinschaftlichen Theiler hat, oder nȦ das kleinste Vielfach von 360° ist; die andern Fälle würden sich leicht auf diesen reduciren. Es läßt sich zeigen, daß wenn n von der Form P= Q= 4μ ±√n ±√n 4μ+1 ±√n 0 4μ+2 0 0 4μ+3 0 ±√n

139 Friedrich Theodor Schubert und Vincent Wishniewsky. 140 Komet 1807 (Great comet ) war vom 9.9.1807 bis zum 27.3.1808 sichtbar. 141 „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium“ (Gauß 1809a). 142 Die Entdeckung dieser Ergebnisse hat Gauß bereits in einem Brief an Nikolaus Fuß vom 17.9.1805 erwähnt (Brief Nr. 15); siehe: „Summatio quarumdam serierum singularium“ (Gauß 1811a). Eine Anzeige dieser Arbeit erschien am 19.9.1808 im Septemberheft der „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“; siehe: Gauß-Werke: 2(1863), S. 155–158.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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ein specieller Fall (auf dem indeß das allgemeinere gegründet werden kann) nemlich wenn n eine Primzahl ist, habe ich bereits in meinen Disquis[itiones] Ar[ithmeticae] art. 356 bewiesen. Und in der That ist hiebei auch eben keine große Schwierigkeit. Der schwierigste Punkt (wie ich auch dort schon andeutete) ist die Bestimmung der Zeichen welche der Wurzelgröße √ n vorgesetzt werden müssen. Ich gestehe gern daß ich diese, oder vielmehr den Beweis dafür, denn die Bestimmung selbst findet sich bald durch Induction, mehrere Jahre hindurch auf mancherlei Wegen vergeblich versucht habe, bis sie mir endlich durch eine auch um ihrer selbst willen merkwürdige Methode gelang. Der einfachste Fall ist, wenn nȦ = 360°, und für diesen beweise ich, daß nothwendig immer das positive Zeichen gilt. Die übrigen Fälle (wo bald das positive Zeichen bald das negative gilt) lassen sich dann wenn jener einmal beseitigt ist, auch leicht abthun. Unter den für die Wissenschaften nachtheiligen Folgen, die mit der Umwandlung der Dinge in Deutschland verbunden sind, ist – neben der allgemeinen Verarmung – die Conscription143 wol die schlimmste. Sogar H[err] Bessel, ein junger Mann von so ausgezeichneten Talenten, ist damit bedroht!144 Ich habe mich in Cassel auf das nachdrücklichste für ihn verwandt, weiß aber den Erfolg meiner Bemühungen noch nicht. Mit innigster Verehrung und Ergebenheit Ihr gehorsamster Freund und Diener C. F. Gauß.

Brief 25. Nikolaus Fuß an Gauß, 2./14. April 1824 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A, Nikolaus Fuß 11 (3 S.) Publikation: Stieda 1927, S. 103.

Hochwolgebohrner Herr Hofrath und Ritter, Verehrter Herr Professor! Längst war es der mathematischen Klasse der Kayserl[ichen] Akademie der Wissenschaften anstößig den Namen des ersten Geometer Deutschlands noch immer auf dem Verzeichnis ihrer correspondirenden Mitglieder zu finden, welches er seit 22 Jahren ziert, das ist, seit dem Beginn seines gelehrten Rufs, begründet durch das damals eben erschienene klassische Werk: Disquisitiones arithmeticae. Um nun diesen seitdem so hochgefey[e]rten Namen aus jener Liste in die der Ehrenmit143 Unter Conscription bzw. Konskription versteht man die Aushebung zum Kriegsdienst. 144 Friedrich Wilhelm Bessel war von 1806 bis 1810 in Lilienthal an der Schroeterschen Sternwarte tätig. Nachdem am 18.8.1807 das Königreich Westphalen gebildet worden war, war Bessel aufs heftigste von der Rekrutierung bedroht. Gauß, Olbers und Schroeter taten alles erdenklich Mögliche, um Bessel zu helfen. „Aber alle ihre Bemühungen waren vergeblich, und erst ein Hilferuf an den bekannten Historiker und Publizisten J. Müller, der von Napoleon persönlich zum Minister in der westfälischen Regierung ernannt worden war, bewahrte den jungen Wissenschaftler davor, Soldat Napoleons zu werden“ (Lawrynowicz 1995, S. 35).

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glieder zu versetzen und dadurch einen öffentlichen Beweis der hohen Achtung zu geben, welche sie gegen Ew. Hochwohlgeb[oren] glänzende Verdienste um die mathematischen Wissenschaften hegt, hat die oben erwähnte Klasse vorigen 24ten März gethan, was freylich schon längst hätte geschehn sollen, indem sie durch eine schriftliche Vorstellung Ihre Aufnahme unter die Zahl der auswärtigen Ehrenmitglieder bey der Akademie in Vorschlag brachte145 und die Genugthuung hatte diese Aufnahme in pleno einstimmig beschloßen zu sehn. Indem ich Ew. Hochwolgeb[oren] von dieser Wahl vorläufig hiemit in Kenntnis setze, gratulire ich nicht sowol Ihnen als der Akademie, die sich dadurch selbst geehrt hat. Das Diplom werde ich Ihnen mit der ersten sichern Gelegenheit übermachen. Unterdeßen genehmigen Sie die erneute Versicherung der unbegrenzten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe unausgesetzt zu verharren Ew. Hochwolgebohren ergebenster Diener N. Fuß St. Petersburg den 142 ten April 1824

Brief 26. Gauß an Nikolaus Fuß, 17. Mai 1824 (Hannover) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Nikolaus Fuß 5 (2 S.) Ewr. Excellenz verehrtestes Schreiben ist wegen meiner Abwesenheit von Göttingen erst spät in meine Hände gekommen, welcher Umstand meine etwas verspätete Antwort entschuldigen wird. Ich brauche Ihnen nicht erst zu sagen, wie dankbar ich die schmeichelhafte Auszeichnung von einer Akademie erkenne, deren Verdienste um die mathematischen Wissenschaften, von ihrer Gründung bis diese Stunde in den Annalen der Wissenschaften einen so glänzenden Platz einnehmen. Ich bitte Ewr. Excellenz dem ehrwürdigen Verein meine ehrerbietigsten Gesinnungen zu versichern. Ich habe jetzt auf Befehl S[eine]r Majestät des Königs,146 angefangen, eine weitere Ausdehnung meiner bisherigen von Hamburg bis zum Inselsberg bei Gotha sich erstreckenden Messungen, vorzubereiten;147 der Plan ist, sie mit den Krayenhoffschen Dreiecken in Holland und mit der Meeresfläche in Verbindung zu bringen. Auch Helgoland soll angeschlossen werden, welcher Punkt in diesem Frühjahr 145 Der Vorschlag von Schubert, Fuß und Wishniewsky wurde am 24.3./5.4.1824 in der Akademiekonferenz in St. Petersburg verlesen. 146 Georg IV. war seit 1820 König von Hannover und Großbritannien. 147 Während in einer ersten Etappe in den Jahren von 1821 bis 1823 die beiden Sternwarten Göttingen und Altona mit einem Dreiecksnetz verbunden worden waren, wurde in einer zweiten Etappe in den Jahren von 1823 bis 1825 im Westen der Anschluß an die niederländischen Vermesssungen hergestellt.

3. Nikolaus Fuß (1755–1826)

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vermittelst etwa 30 Chronometer, die auf einem Dampfschiff transportirt werden, mit Greenwich verbunden werden wird.148 Wenn meine Messungen ganz vollendet seyn werden, denke ich, wenn der Himmel mir Leben und Kräfte erhelt, ein eignes149 theoretisches Werk, mit Anwendung auf jene und die damit verbundenen Messungen, auszuarbeiten. Es werden dann Verbindungen, ohne Unterbrechung von Schottland bis zur türkischen Grenze und von Jütland bis zu den balearischen Inseln Statt finden. Hoffentlich ist dann die Zeit nicht mehr fern, wo der größte Theil des kultivirten Europa mit innigst verbundenen Dreiecknetzen überzogen seyn wird, wozu ja auch in diesem Augenblick in dem Reiche Ihres Kaisers,150 des erhabenen Beschützers wissenschaftlicher Arbeiten so viel geschieht. Erhalten Sie Ihre gütigen mir so unschätzbare Gesinnungen Ewer Excellenz gehorsamster Verehrer und Diener C. F. Gauß Hannover den 17 May 1824

148 „Resultate der englischen Chronometer für die Längendifferenz zwischen Greenwich, Helgoland und Altona“ (Schumacher 1831). 149 Original: aengnes [?]. 150 Alexander I. war von 1801 bis 1825 Kaiser von Russland.

Abb. 22. Paul Heinrich Fuß Aus: Euler 1849: 2, Frontispiz. Diese Lithographie nach einem Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen, das von Wilhelm Struve um 1840 für die neue russische Hauptsternwarte in Pulkowo bestellt worden war, schmückt den zweiten Band der „Commentationes arithmeticae collectae“ Leonhard Eulers. Exemplar der Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855) ɉɚɜɟɥ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ Ɏɭɫɫ / Pavel Nikolaevič Fuss

4.1. Paul Heinrich Fuß’ Lebenslauf im Überblick * 21.5./2.6.1798 1814 1816 1818 1821 1823

1825 1826

29.12.1826/10.1.1827 1835 1836 Sommer/Herbst 1843

September 1843 1843

März 1844 April 1844 1846 1849 1851 † 10./22.1.1855

Paul Heinrich Fuß geboren in St. Petersburg Eleve an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Maître supérieure des mathématiques an der Akademie Adjunkt an der Akademie Heirat mit Wilhelmine Holst, zwölf Kinder Wahl zum Außerordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Reise nach Dorpat Wahl zum Ordentlichen Mitglied sowie Übernahme des Amtes des Ständigen Sekretärs der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg 100-Jahrfeier der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Wahl zum Auswärtigen Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen Erste Kontakte zu Carl Gustav Jacob Jacobi Wissenschaftliche Reise nach Deutschland, Belgien, Frankreich und in die Schweiz. Treffen mit Jacobi in Bern und gemeinsame Reise ins Berner Oberland Besuch bei Gauß in Göttingen Veröffentlichung des Eulerschen Briefwechsels „Correspondance mathématique et physique“ einschließlich der vervollständigten Liste von Eulers Werken Fund weiterer unveröffentlichter Euler-Manuskripte Die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg beschließt eine Gesamtausgabe der Werke von Euler Die Idee einer Gesamtausgabe der Werke von Euler wird aufgegeben Herausgabe von Eulers „Commentationes arithmeticae collectae“ 25-jähriges Dienstjubiläum an der Akademie der Wissenschaften gestorben in St. Petersburg

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4.2. Miszellen zu Leben und Werk Paul Heinrich Fuß hatte berühmte Vorfahren: Leonhard Euler war sein Urgroßvater, Johann Albrecht Euler sein Großvater, und Nikolaus Fuß, der mit Johann Albrecht Eulers Tochter verheiratet war, war sein Vater. Paul Heinrich Fuß war seit 1821 mit Wilhelmine Dorothea Holst verheiratet; dem Ehepaar wurden 12 Kinder geboren. So nimmt es nicht wunder, dass das Amt des Konferenzsekretärs bzw. des Ständigen Sekretärs der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg in den Händen der Familie Euler bzw. Fuß verblieb. Der älteste Sohn von Leonhard Euler, Johann Albrecht hatte seit 1766 dieses Amt inne. Als er am 7./18. September 1800 verstorben war, folgte ihm sein Schwiegersohn Nikolaus Fuß. Und nach dem Tod von Nikolaus Fuß am 23. Dezember 1825/4. Januar 1826 wurde dessen Sohn Paul Heinrich sein Nachfolger.

4.2.1. Karriere an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Paul Heinrich Fuß’ mathematische Begabung zeigte sich schon sehr früh. In seiner ersten Arbeit beschäftigte er sich mit der Lösung einer Gleichung dritten Grades und knüpfte hierbei an Eulers „Algebra“ an (Struve, O. 1856/57, S. 5). In der Folgezeit machte Paul Heinrich Fuß Karriere an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Die erste Arbeit, die er in den „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“ publizierte, trug den Titel: „De curva quadam transcendente, ejusque proprietatibus“ (Fuß, P. H. 1822). Fuß hatte diese Arbeit bereits 1817 der Akademie vorgelegt und war daraufhin Adjunkt geworden. Als Paul Heinrich Fuß 1818 die Stelle erhielt, geschah dies schon unter dem neuen Präsidenten der Akademie, Sergej Semënovič Uvarov, der sein Amt am 12./24. Januar 1818 angetreten hatte. Anfang der zwanziger Jahre veröffentlichte Fuß einige kleinere mathematische Arbeiten, und zwar in lateinischer und in französischer Sprache (Lysenko 1975, S. 106–108). Von großer Bedeutung für Fuß war eine Reise nach Dorpat im Sommer 1825. Dort pflegte er vor allem Kontakte zu Martin Bartels, der an der Universität die Mathematikprofessur bekleidete (Struve, O. 1856/57, S. 7). Als Kaiser Alexander I. am 19. November/1. Dezember 1825 in Taganrog verstorben war, folgte ihm sein jüngerer Bruder Nikolaj auf dem Thron. Der Beginn der Regierung von Nikolaj I. wurde von dem sogenannten Dekabristenaufstand am 14./26. Dezember 1825 überschattet. Kurze Zeit später, am 23. Dezember 1825/4. Januar 1826, verstarb der Ständige Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Nikolaus Fuß. Kurz vorher, im Oktober 1825, war der renommierte Astronom Friedrich Theodor Schubert verschieden. Als Paul Heinrich Fuß 1826 Ständiger Sekretär der Akademie wurde, bedeutete dies den Anfang einer neuen Epoche in der Wissenschafts-

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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politik Russlands, sowohl personell als auch institutionell: Es begann die Ära Uvarov-Paul Heinrich Fuß, die bis 1855 währen sollte. Zu Beginn der Amtszeit von Paul Heinrich Fuß fanden am 29. Dezember 1826/10. Januar 1827 die 100-Jahrfeierlichkeiten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg statt. Dabei wurde beschlossen, die von verstorbenen bedeutenden Akademiemitgliedern hinterlassenen druckreifen Manuskripte herauszugeben. So wurden im Jahre 1830 in einem besonderen Sammelband „Mémoires posthumes“ 14 Schriften von Leonhard Euler, vier Schriften von Friedrich Theodor Schubert sowie 13 Schriften von Nikolaus Fuß veröffentlicht (Euler/Schubert/Fuß 1830, S. 1–137, 138–208, 209–320). Von 1826 an erschienen regelmäßig Akademieberichte, nämlich die „Recueils des actes de la séance publique de l’Académie Impériale des Sciences de Saint-Pétersbourg“, und zwar bis zum Jahre 1849. Sie wurden dann um die „Comptes rendus“ ergänzt und fortgesetzt, die es bis 1857 (1858) gab. Zu Paul Heinrich Fuß’ Aufgaben gehörte es, regelmäßig für die Veröffentlichung eines Jahresberichtes der Akademie zu sorgen, der in der Regel etwa 50 Seiten umfasste. Hier wurden alle Aktivitäten der Akademie in sämtlichen Arbeitsbereichen so umfassend wie möglich vorgestellt, darunter auch neue Entwicklungen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Gleichzeitig war es eine der Aufgaben der Akademie, sich um die Vergabe des Demidov-Preises zu kümmern, der 1832 erstmals verliehen wurde (Mezenin 1987).

4.2.2. Herausgabe der Werke Leonhard Eulers Mit seinem Amtsantritt änderte Paul Heinrich Fuß auch sein Arbeitsgebiet: Ab jetzt widmete er sich neben seinen Aufgaben als Ständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften auch der Pflege des Erbes von Leonhard Euler. Natürlich benötigte er für ein so riesiges Vorhaben auch wissenschaftliche Unterstützung, und diese kam aus Königsberg sowie aus Göttingen, nämlich von Carl Gustav Jacob Jacobi und von Carl Friedrich Gauß. Bereits 1836 hatte Paul Heinrich Fuß erste Kontakte zu Jacobi geknüpft, indem einige russische Studenten des Pädagogischen Hauptinstituts in St. Petersburg einen Studienaufenthalt in Königsberg absolvierten (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–P. H. Fuß 1908, S. 4). Als Fuß 1840/41 ein Blatt aus den nachgelassenen Papieren Eulers an Jacobi schickte (ebenda, S. 6), wurde Carl Gustav Jacob Jacobis Eifer in puncto Euler endgültig angefacht. Vor allem Jacobi war es, mit dem Paul Heinrich Fuß ab jetzt in regem brieflichen Kontakt stand und viele Details besprach. Der überlieferte und im Jahre 1908 gedruckte Briefwechsel umfasst leider nur die Jahre 1841/42 und 1848/49. Wie dieser Briefwechsel zeigt, nahm im Laufe der Zeit das schon von Nikolaus Fuß geplante Unternehmen einer Gesamtausgabe von Eulers Werken Gestalt an. Schließlich lernten sich Fuß und Jacobi im Jahre 1843 persönlich kennen. Jacobi berichtete darüber seiner Frau am 17. August 1843: „Hier in Bern hatte ich gestern die Überraschung dass der Staatsrath v. Fuss aus Petersburg, Sekre-

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tär der Petersb[urger] Akad[emie] d[er] Wiss[enschaften], der mit seinem Bruder in Paris gewesen war und zufällig von meiner Anwesenheit hörte zu mir ins Zimmer trat. Da ich längre Zeit mit ihm in Correspondenz stehe, so war es mir lieb auch seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Wir werden sogar, so ist wenigstens unsre Absicht, die Reise durch das Berner Oberland . . . . . bis Zürich zusammen machen, was etwas über 8 Tage dauern dürfte“. Am 28. August 1843 ergänzte er: „Mein Reisegefährte, Staatsrath v. Fuss, war sehr liebenswürdig, mehr als man irgend von den in solchen Stellungen leicht prahlerischen Russen erwarten konnte [...]“ (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 108). In demselben Jahr 1843 erschien das von Paul Heinrich Fuß herausgegebene, zwei Bände umfassende Werk „Correspondance mathématique et physique de quelques célèbres géomètres du XVIIIème siècle précédée d’une notice sur les travaux de Léonard Euler, tant imprimés qu’inédits et publiée sous les auspices de l’Académie Impériale des Sciences de Saint-Pétersbourg“. Das hier veröffentlichte Schriftenverzeichnis Eulers umfasst 756 Nummern (Fuß, P. H. 1843: 1, S. LII–CXXI). Dieses Verzeichnis wurde 1908 ein weiteres Mal veröffentlicht (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–P. H. Fuß 1908, S. 79–169). Die „Correspondance“ stellt die erste Publikation eines beachtlichen Teiles der Korrespondenz Eulers dar; der erste Band ist dem Briefwechsel zwischen Leonhard Euler und Christian Goldbach gewidmet. Im März 1844 fand Paul Heinrich Fuß unter den in Familienbesitz befindlichen Papieren noch eine Reihe weiterer, ungedruckter Arbeiten Eulers, die von ihm zum Druck vorbereitet und nach seinem Tode von seinem jüngsten Bruder Nikolaus im Jahre 1862 in zwei Bänden unter dem Titel „Leonhardi Euleri Opera postuma mathematica et physica“ veröffentlicht wurden (Euler 1862). Nachdem es Paul Heinrich Fuß im März/April 1844 auch noch gelungen war, den Mathematiker Michail Vasil’evič Ostrogradskij für eine Stellungnahme zugunsten einer Gesamtausgabe der Werke von Euler zu bewegen, wurde dieses Projekt am 17./29. April 1844 von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg beschlossen (Biermann 1983). Da die Kosten dafür beträchtlich sein würden, versicherte sich Fuß des Wohlwollens des Kaisers Nikolaj I. In den im Verlag Brockhaus in Leipzig herausgegebenen „Blättern für literarische Unterhaltung“ konnte man 1844 lesen: „Eine neue vollständige Ausgabe von L e o n h a r d E u l e r ’ s Schriften wird demnächst durch die Akademie der Wissenschaften in Petersburg, an der Euler bekanntlich während des größten Theils seines Lebens wirksam gewesen ist, veranstaltet werden. Die neulich durch den Secretair der Akademie, Staatsrath Fuß, aufgefundenen und bis dahin unbekannten Schriften Euler’s haben die Veranlassung zu diesem neuen Abdrucke gegeben. Ein besonderer Ausschuß der Akademie hat den Plan zu demselben entworfen; das Ganze, das also sowol d. i. bereits gedruckten als auch die neuaufgefundenen Werke enthalten wird, soll aus etwa 28 Quartbän-

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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den, der Band zu 80–90 Bogen, bestehen und binnen zehn Jahren erscheinen. Die Druckkosten sind auf nahe an 6000 Silberrubel berechnet.“1 Trotz allen Bemühungen von Paul Heinrich Fuß, die auch in den Akademieberichten ihren Niederschlag fanden, kam es nicht zur Umsetzung dieser Pläne. Der zuständige Minister und Präsident der Akademie der Wissenschaften, Uvarov, hatte am Rande der entsprechenden Eingaben „Warten!“ vermerkt. So musste bereits 1846 die Idee einer Gesamtausgabe der Werke von Euler aufgegeben werden (Kostrjukov 1954; Biermann 1983, S. 493). Als Ersatz plante man eine acht Bände und zahlreiche Gebiete umfassende Ausgabe von Euler-Werken (Euler 1849: 1, S. XXII–XXIII), beschränkte sich jedoch alsbald auf die Publikation von Eulers arithmetischen Schriften, die Paul Heinrich Fuß zusammen mit seinem jüngeren Bruder Nikolaus auf den Weg brachte (Euler 1849). Die hier veröffentlichten 94 arithmetischen Schriften von Euler wurden zunächst einzeln in Form eines kurzen Abrisses, eines „Index systématique et raisonné“, vorgestellt. Die Inhaltsangaben waren Viktor Jakovlevič Bunjakovskij und Pafnutij L’vovič Čebyšev zu verdanken (ebenda: 1, S. LI–LXXX). Beide waren in ihrer Zeit hochangesehene Mathematiker und Ordentliche Mitglieder der Akademie der Wissenschaften. Am 10./22. Mai 1851 konnte Paul Heinrich Fuß sein 25-jähriges Dienstjubiläum als Ständiger Sekretär der Akademie feiern. Im Februar 1854 erkrankte er schwer und starb am 10./22. Januar 1855, einen Monat vor Gauß. Der Sohn von Wilhelm Struve, der Astronom Otto Struve,2 übernahm die Aufgabe, einen Nekrolog auf den verstorbenen Gelehrten, „Éloge de P. H. Fuss“, zu verfassen (Struve, O. 1856/57). In demselben Jahr 1855 verschied auch der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Sergej Semënovič Uvarov. In der Akademie der Wissenschaften ging eine großartige und langwährende Epoche zu Ende, die durch Leonhard Euler und seine Nachfolger geprägt worden war. Der neue Präsident hieß Dmitrij Nikolaevič Bludov. Er war ein Staatsmann, der sich für Geschichte und Literatur interessierte. Fuß’ Nachfolge im Amt des Ständigen Sekretärs übernahm in den folgenden zwei Jahren der Mediziner und Biologe Alexander Theodor von Middendorf. Diesem folgte im Jahre 1857 der Meteorologe und Klimatologe Konstantin Stepanovič Veselovskij nach, der sein Amt für mehr als 40 Jahre, bis 1890 bekleiden sollte. Die Idee einer Gesamtausgabe der Werke von Leonhard Euler wurde erst im 20. und im 21. Jahrhundert realisiert (Kleinert/Mattmüller 2007). Den Anlass hierzu gab die Feier anlässlich des 200. Geburtstages von Euler im Jahre 1907. Das Projekt begann 1909 unter der Obhut der Euler-Kommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft (heute Schweizerische Aka1 2

„Blätter für literarische Unterhaltung“, 1844, Bd. 2, S. 1020 (11.9.1844, Nr. 255). Otto Struve war seit Dezember 1852 Adjunkt für Astronomie. Am 10./22.2.1856 wurde er zum Außerordentlichen und am 19.4./1.5.1861 zum Ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

demie der Naturwissenschaften)3 und wird voraussichtlich 2012 enden. Die Edition, die in jüngerer Zeit teilweise in Kooperation mit russischen Wissenschaftlern abläuft, wird, ohne die Briefbände mitzuzählen, 72 Bände umfassen.4 Das dieser Ausgabe zugrundeliegende Eneström-Verzeichnis von Eulers Schriften umfasst 866 Nummern (Eneström 1910/1913). Dies macht auch deutlich, dass nach Paul Heinrich Fuß noch weitere Werke aus der Feder Eulers ausfindig gemacht worden sind.

4.3. Der Briefwechsel 4.3.1. Die Briefe Paul Heinrich Fuß unterhielt mannigfache Briefkontakte; das brachte schon sein Amt als Ständiger Sekretär der Akademie mit sich. So liegt zum Beispiel in der Universitätsbibliothek in Gießen sein Briefwechsel mit Karl Ernst von Baer, der mehr als 70 Briefe umfasst.5 Bereits Paul Heinrichs Vater Nikolaus Fuß hatte mit Gauß in regem Briefkontakt gestanden. Diesen setzte Paul Heinrich fort. Die vorhandenen elf Briefe stammen aus der Zeit von 1835 bis 1849. Es sind aber mit Sicherheit nicht alle Briefe vorhanden, die zwischen den beiden Gelehrten gewechselt worden sind. Das Anfangsdatum des Briefwechsels, das Jahr 1835, mag damit zusammenhängen, dass Paul Heinrich Fuß in diesem Jahr Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen wurde. Den Vorschlag, ihn zu berufen, hatte allerdings Johann Friedrich Blumenbach gemacht, der von 1814 bis 1840 Sekretär der Societät war (Krahnke 2001, S. 13). Gleichzeitig schlug Blumenbach noch François Arago und Leopold von Buch als Auswärtige Mitglieder vor. Gauß stimmte „diesen Vorschlägen mit Vergnügen bei“, unterbreitete aber zusätzlich noch drei weitere Vorschläge: Heinrich Christian Schumacher in Altona, Wilhelm Struve in Dorpat und Michael Faraday in London.6 Waren zunächst nur die von Paul Heinrich Fuß an Gauß gerichteten Briefe bekannt gewesen, so gesellten sich Anfang des 20. Jahrhunderts noch drei weitere Briefe hinzu, nunmehr diejenigen von Gauß an Paul Heinrich Fuß. Es war ein Neffe von Paul Heinrich, der Astronom Viktor Fuß, der diese drei Briefe der Göttinger Akademie überließ, und zwar die Briefe vom 8. und vom 3 4 5 6

Der erste Band von „Leonhardi Euleri opera omnia“ erschien im Jahre 1911 im Verlag Teubner (Leipzig, Berlin). Werden die zwei Doppelbände jeweils einzeln gezählt, dann handelt es sich um 74 Bände. Universitätsbibliothek Gießen, Nachlass Karl Ernst von Baer. Die dazugehörige Akte des Archivs der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen trägt die Signatur: Pers 19, Bl. 182. Vgl. Krahnke 2001, S. 88.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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15. Mai 1844 sowie den vom 11. September 1849 (Briefe Nr. 5, 6 und 11). Dieser letzte Brief trägt in der Tat das Datum des 11. September; gelegentlich wird irrtümlicherweise der 16. September 1849 genannt (Stäckel 1907). In diesem Brief steht der bereits oftmals zitierte Satz von Gauß, dass „das Studium aller Eulerschen Arbeiten doch stets die beste durch nichts anderes zu ersetzende Schule für die verschiedenen mathematischen Gebiete bleiben wird.“ Schließlich wurde in Russland noch ein weiterer von Gauß an Paul Heinrich Fuß gerichteter Brief gefunden und von A. Kol’man publiziert (Kol’man 1955; Brief Nr. 9). Und erst vor kurzem konnte in der St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften noch ein Brief von Gauß an Fuß ermittelt werden (Brief Nr. 7). So besteht die Korrespondenz, soweit sie heute bekannt ist, aus elf Briefen, sechs von Paul Heinrich Fuß an Gauß und fünf von Gauß an Fuß.

4.3.2. Der Inhalt In dem ersten Brief vom 3./16. August 1835 bat Paul Heinrich Fuß, Gauß möge dabei helfen, die Lücken in den Schriften der Königlichen Societät der Wissenschaft in Göttingen zu schließen, die sich in St. Petersburg aufgetan hatten. Auch im Falle von Euler wandte sich Fuß mit einigen Bitten an Gauß. 4.3.2.1. Leonhard Euler Gauß hatte schon in jungen Jahren Eulers Werke studiert und verehrte seitdem den großen Mathematiker. Für ihn war nicht nur Newton ein „summus“, sondern eben auch oder gar vor allem Euler: „summus Euler“ (Reich 2005, S. 112–115). Daher verwundert es nicht, dass Gauß auch regen Anteil an der Herausgabe der Eulerschen Werke nahm. Als ihn Paul Heinrich Fuß im Brief vom 7./19. April 1844 um Hilfe bei der Suche nach zwei Arbeiten von Euler bat (Brief Nr. 4), rannte er sozusagen offene Türen ein. Gauß half sofort, seine Hilfe war effizient und kompetent, er scheute dabei keine Mühe. Erstens ging es um Eulers Schrift „Rettung der Göttlichen Offenbarung gegen die Einwürfe der Freygeister“ (Euler 1747), die deshalb schwer ausfindig zu machen war, weil ihr Titel fehlerhaft angegeben worden war. Noch in dem von Nikolaus Fuß publizierten Verzeichnis von Eulers Schriften wird der Titel als „Rettung der Offenbarung gegen die Einwürfe der Freygeister“ zitiert (Fuß, N. 1786, S. 124). Darüber hinaus verwechselte Fuß selbst in seinem Brief an Gauß den Titel, bei ihm lautet er: „Die Vertheidigung der Offenbarung gegen die Einwürfe der Freigeister“ (Briefe Nr. 4, 5, 8). Gauß bat sogar seinen damals bereits in Leipzig wirkenden Freund Wilhelm Weber, in Leipzig

296

Carl Friedrich Gauß und Russland

nach dieser Schrift Eulers zu suchen, konnte sie jedoch ziemlich schnell selbst ermitteln.7

(Fuß, N. 1786, S. 124) Im Falle der zweiten von Fuß gesuchten Schrift Eulers stimmten weder der Titel noch die Jahrgangsangabe. In Eulers Schriftenverzeichnis von Nikolaus Fuß sowie in dem von Paul Heinrich Fuß erstellten Verzeichnis wird eine Schrift mit dem Titel „Découverte d’une loi extraordinaire des nombres“ angeführt, die im Jahre 1751 im „Journal littéraire de L’Allemagne“ erschienen sein sollte (Fuß, N. 1786, S. 164; Fuß, P. H. 1843: 1, S. LVII; Briefwechsel C. G. J. Jacobi–P. H. Fuß 1908, S. 101).

(Fuß, N. 1786, S. 164) Gauß gelang es binnen kurzem, alle Hindernisse zu überwinden. Er fand im Mai 1844 im zweiten Band des „Journal littéraire d’Allemagne, de Suisse et du Nord. Par les Auteurs de la Bibliothèque Germanique“ die anonym 1 erschienene Schrift Eulers „Démonstration De la somme de cette Suite. 1 + 4 1 1 1 1 + 9 + 16 + 25 + 36 + &c.“ (Euler 1743). Das „Journal littéraire d’Allemagne“ war keine mathematische Fachzeitschrift. Folglich hatten sich in Eulers Abhandlung bei der Drucklegung viele Fehler, insbesondere in den Formeln, eingeschlichen. Gauß übernahm es daher selbst, diesen Aufsatz abzuschreiben, weil er den professionellen Schreibern eine verbesserte Abschrift nicht zutraute.8 Nur ein Mathematiker war nämlich in der Lage, die Druckfehler in den Formeln zu korrigieren (Reich 2011a). Paul Heinrich Fuß, überwältigt von dieser Tat des berühmten Göttinger Gelehrten, bedankte sich mit bewegten Worten: „wo finde ich Worte, um Ihnen zu danken für die große Gefälligkeit [...] ich erröthe, in der That, wenn ich nur daran denke, daß ich die Veranlassung dazu gab, – Ihre kostbare Zeit zu opfern.“ Er versprach Gauß, die Abschrift „als ein frisches Blatt in Eulers Verdienstkrone“ in Ehre zu halten (Brief Nr. 8). In den von Paul Heinrich und seinem Bruder Nikolaus Fuß d. J. herausgegebenen arithmetischen Schriften Eulers heißt es dann auch: „Cl. Gaussius, qui humanissime in se susceperat in bibliotheca Göttingensi inquirere, ubinam 7 8

SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Weber 28 (26.5.1844) sowie Gauß, Briefe B: Weber 21 (30.5.1844). St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 136, op. 3, ʋ 13, l. 60–61.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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librorum reperiretur alia quaedam Euleri commentatio […], ea occasione in hanc ipsam incidit. Sed cum erroribus scateat typographicis, vir summus non recusavit eam sua manu describere et ad nos in usum editionis transmittere“ (Euler 1849: 1, S. XXIV).

Abb. 23. Titelseite des „Journal littéraire d’Allemagne“ sowie die erste Seite der dort abgedruckten Abhandlung von Euler Exemplar der SUB Göttingen.

Darüber hinaus ließ Paul Heinrich Fuß Carl Gustav Jacob Jacobi am 8./20. November 1847 wissen: „Besonders überraschte u[nd] erfreute mich die endliche Auffindung der Découverte d’une loi (propriété) extraordinaire des nombres, die zu finden ich Himmel u[nd] Erde in Bewegung gesetzt hatte. Voss in Leipzig, ein Dr. Grässe in Dresden, Stern in Göttingen hatten nach dem in der Lobrede citirten J o u r n a l l i t t é r a i r e d e l ’ A l l e m a g n e gesucht, bis der treffliche G a u s s mit einem Eifer, der mich wirklich rührte, in einem so betitelten, längst verschollenen Buche jene anonyme Abhandlung E u l e r s über die Summe der reciproken Quadrate der natürlichen Zahlen auffand u[nd] eigenhändig für mich copirte. Sie fehlte wirklich in meiner Liste“ (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–P. H. Fuß 1908, S. 42).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Nach dem Tod von Paul Heinrich Fuß im Jahre 1855 verloren sich die Spuren der kostbaren Abschrift der Eulerschen Arbeit von Gauß. Trotz intensivster Suche von kompetenten Forschern konnte der Verbleib des Schriftstücks lange Zeit nicht ermittelt werden, so dass es als verschollen galt. Erst im Jahre 2009 gelang es, die Abschrift samt dem dazugehörigen Brief (Brief Nr. 7) aufzuspüren (Roussanova 2009c; Reich 2011a). Diese Abschrift von Gauß aus dem Jahr 1844 sowie der Begleitbrief und das Couvert befinden im Anhang, sie sind dort als Faksimile wiedergegeben (Abb. 89a-d, 90a-b). Im Jahre 1843 sandte Paul Heinrich Fuß als Zeichen seiner Verehrung die zwei Bände mit Eulers Briefwechsel, d.h. die von ihm edierte „Correspondance mathématique et physique“, an Gauß (Briefe Nr. 2, 3). Jedoch ist dieses Werk (Fuß, P. H. 1843) gegenwärtig nicht, vielleicht nicht mehr, in der Gauß-Bibliothek in der SUB Göttingen vorhanden. Selbstverständlich ließ Paul Heinrich Fuß dem Göttinger Verehrer von Euler auch die „Commentationes arithmeticae collectae“ Eulers zukommen (Briefe Nr. 10 und 11). Die beiden Bände dieses Werkes hatte Fuß zu einem Zeitpunkt an Gauß geschickt, als er noch nicht wusste, dass Gauß am 16. Juli 1849 sein 50-jähriges Doktorjubiläum feiern würde. Fuß bat daher Gauß nachträglich, diese Bände als Geschenk zu diesem Jubiläum zu betrachten. Die Bücher befinden sich in der Gauß-Bibliothek (Euler 1849; GB 820). 4.3.2.2. Paul Heinrich Fuß als Vermittler von literarischen und fachwissenschaftlichen Werken an Gauß Es war bekannt, dass Gauß für Russland und für die russische Sprache, die er noch in fortgeschrittenem Alter erlernte, ein besonderes Interesse hegte. Daher ließ Paul Heinrich Fuß Gauß Karamzins Geschichte des Russländischen Staates „Istorija Gosudarstva Rossijskago“9 in russischer Sprache zukommen (Briefe Nr. 3, 5, 8; siehe auch Lehfeldt 2011, S. 309–310, Nr. 11). Ferner bat Gauß selbst seinen St. Petersburger Briefpartner um Übersendung belletristischer Literatur und dachte dabei an Autoren wie zum Beispiel Aleksandr Sergeevič Puškin. Fuß schickte ihm offensichtlich auch entsprechende Titel, die aber in den Briefen nicht expressis verbis genannt werden (Briefe Nr. 3 und 9). In der Tat besaß Gauß darüber hinaus auch einige Titel von Puškin und Ivan Andreevič Krylov, die ihm aber Aleksandr Nikolaevič Drašusov hatte zukommen lassen (Lehfeldt 2011, S. 310, Nr. 12, sowie S. 317–319, Nr. 19, 20). Eine vollständige Liste der russischen Bücher in 9

Originaltitel: „ɂɫɬɨɪiɹ Ƚɨɫɭɞɚɪɫɬɜɚ Ɋɨɫɫiɣɫɤɚɝɨ“. Gauß besaß die komplette fünfte Ausgabe von Karamzins „Geschichte des Russländischen Staates“ (3 Bücher, 12 Bände; 1842, 1843, 1844), siehe: Lehfeldt 2011, S. 309–310, Nr. 11. In den Briefen Nr. 5 und 8 geht es um die Übersendung des Registerbandes zu diesem Werk von Karamzin: „Ʉɥɸɱɶ ɢɥɢ ɚɥɮɚɜɢɬɧɵɣ ɭɤɚɡɚɬɟɥɶ ɤɴ ɂɫɬɨɪɿɢ Ƚɨɫɭɞɚɪɫɬɜɚ Ɋɨɫɫɿɣɫɤɚɝɨ“ – Schlüssel oder alphabetisches Register zur Geschichte des Russländischen Staates von N. M. Karamzin (Stroev 1844; GB 873).

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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der Gauß-Bibliothek mit Kommentar wurde von Werner Lehfeldt veröffentlicht (Lehfeldt 2005a und Lehfeldt 2011). Die Vermessung Russlands interessierte Gauß in besonderem Maße. In einem Brief vom 15. Mai 1844 (Brief Nr. 6) machte er Paul Heinrich Fuß auf das gerade erschienene Werk von Friedrich Theodor Schubert d. J. über die trigonometrische Landesaufnahme des Gouvernements St. Petersburg, Pleskau, Witebsk und eines Teils des Gouvernements Nowgorod, „Trigonometričeskaja s’’ëmka“10 (Schubert, F. T. d. J. 1842) aufmerksam. Offensichtlich hatte Paul Heinrich Fuß diesen Wunsch bereits geahnt, denn schon am 12./24. Mai 1844 (Brief Nr. 8) ließ er Gauß wissen, dass er von diesem Werk zwei Exemplare besitze und ihm gerne eines davon werde zukommen lassen. Am 29. Juli 1844 bedankte sich Gauß für die Übersendung, die über Hamburg, das heißt über Schumacher, gelaufen war (siehe hierzu Lehfeldt 2011, S. 323–324, Nr. 30). Dieses Werk ist heute in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 1003). Paul Heinrich Fuß schickte an Gauß auch eine Dublette von Michail Vasil’evič Ostrogradskijs Vorlesungen über algebraische und transzendente Analysis „Lekcii algebraičeskago i transcendentnago analiza“11 (Ostrogradskij 1837), die 1837 in St. Petersburg in russischer Sprache erschienen waren (Brief Nr. 3). Auch dieser Band befindet sich noch heute in der Gauß-Bibliothek (GB 565); er weist jedoch keinerlei Gebrauchsspuren auf (Lehfeldt 2011, S. 316–317, Nr. 17). Zu den Pflichten von Paul Heinrich Fuß als Ständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gehörte es, Berichte über alle die Akademie betreffenden Angelegenheiten zu schreiben sowie Beiträge anderer Autoren aufzunehmen. In der Gauß-Bibliothek befinden sich folgende zwei von Fuß herausgegebene Titel, deren Verfasser wohl Wilhelm und Otto Struve waren: – Nachricht von der Gründung einer Haupt-Sternwarte für Russland bei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg. St. Petersburg 1834, 14 S. (Fuß, P. H./Struve, W. 1834; GB 1181); – Nachricht von der Vollendung der Gradmessung zwischen der Donau und dem Eismeere. St. Petersburg 1853, 21 S. (Fuß, P. H./Struve, O. 1853; GB 1182). Diese zuletzt genannte Publikation zeigt, dass es wahrscheinlich auch nach 1849 Kontakte zwischen Gauß und Paul Heinrich Fuß gegeben hat.

10 Vollständiger Originaltitel: „Ɍpɢɝoɧoɦeɬpɢɱecɤaɹ cɴëɦɤa ɝɭɛɟɪɧiɣ: ɋ. ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɨɣ, ɉɫɤɨɜɫɤɨɣ, ȼɢɬɟɛɫɤɨɣ ɢ ɱɚɫɬɢ ɇɨɜɝɨɪɨɞɫɤɨɣ. ɉɨ ȼɵɫɨɱɚɣɲɟɦɭ ɩɨɜɟɥ࣎ɧɢɸ ɩɪɨɢɡɜɟɞɟɧɧɚɹ Ƚɟɧɟɪɚɥɴ Ʌɟɣɬɟɧɚɧɬɨɦɴ ɒɭɛɟɪɬɨɦɴ. ɋɴ 1820 ɩɨ 1832 ɝɨɞɴ“. 11 Originaltitel: „Ʌeɤɰiɢ aɥɝeɛpaɢɱecɤaɝo ɢ ɬpaɧcɰeɧɞeɧɬɧaɝo aɧaɥɢɡa“.

300

Carl Friedrich Gauß und Russland

4.3.2.3. Besuch bei Gauß: 1843 Mit der Absicht, nach Briefen von Leonhard Euler zu fahnden, unternahm Paul Heinrich Fuß im Sommer/Herbst 1843 eine Auslandsreise, die ihn schließlich auch nach Göttingen führte. Vermutlich im September stattete er Gauß einen Besuch ab, denn am 26. November/8. Dezember 1843 ließ er diesen aus St. Petersburg wissen: „Reich an neuen Eindrücken u[nd] unvergeßlichen Erinnerungen bin ich nun [...] zu meinem lieben gewohnten Geschäft zurückgekehrt u[nd] wiederhole Ihnen ganz insbesondere meinen Dank für die kurzen lehrreichen Stunden, die Sie mir erlaubten in Ihrer Gesellschaft zu verweilen“ (Brief Nr. 3). 4.3.2.4. Kometendaten Am 29. Juli 1844 informierte Gauß Paul Heinrich Fuß über seine neuesten Beobachtungen des Mauvaisschen Kometen im Jahre 1844, denen er eine kleine Ephemeridenberechnung folgen ließ (Brief Nr. 9).

Abb. 24. Paul Heinrich Fuß um 1840 Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie Oktober 2010.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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4.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Datum 3./16.8.1835 6./18.2.1843 26.11./8.12.1843 7./19.4.1844 8.5.1844 15.5.1844 16.5.1844 12./24.5.1844 29.7.1844 25.7./6.8.1849 11.9.1849

Ort

Verfasser / Empfänger

St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg Göttingen Göttingen Göttingen St. Petersburg Göttingen Michajlovskoe Göttingen

Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Fuß, P. H. an Gauß Gauß an Fuß, P. H. Fuß, P. H. an Gauß Gauß an Fuß, P. H.

Brief 1. Paul Heinrich Fuß an Gauß, 3./16. August 1835 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Paul Heinrich Fuß 1 (2 S.)

Hochwohlgeborner Herr Hofrath, Hochzuverehrender Herr Profeßor, Bei einer kürzlich Statt gehabten Revision unsrer akademischen Bibliothek haben sich unter den Schriften der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen einige Lücken ergeben, die wir gern ausgefüllt sähen. Ich erlaube mir, mich in dieser Angelegenheit an Ew. Hochwohlgeboren zu wenden, ob ich gleich leider die Möglichkeit bezweifeln muß, die Bände der ältern Serien jetzt noch completiren zu können. Sollte es dazu Mittel geben, so wird unsre Akademie gern das Verlangte dafür entrichten, und erbietet sich außerdem, falls in der Bibliothek der Societät die Sammlung der Denkschriften unsrer Akademie nicht vollständig seyn sollten, die fehlenden Bände zu ersetzen. Von den Commentationes12 ab A[nno] 1778–1807. Gottingue. 1779–1808. 4°, 16 B[än]de, fehlen in unsrer Bibliothek die Voll. IV, V und XVII, von den Comment[ationes] recentiones13 sind die Jahrgänge 1808 bis 1831 /: 7 Bände:/ vollständig vorhanden, u[nd] fehlt nur was etwa später erschienen seyn müste.14

12 „Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis“. 13 „Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores“. 14 In der Tat ergab sich eine größere Lücke zwischen den Bänden 7 und 8. Letzterer Band, der die Arbeiten aus den Jahren 1832 bis 1837 enthielt, erschien erst 1841.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Was sich von diesen Bänden auftreiben laßen sollte, ersuche ich Sie unter der Adreße der Akademie an unsern General-Consul in Lübeck, H[err]n von Schlözer,15 gelangen zu laßen. In Kurzem werde ich die Ehre haben, Ihnen ein Exemplar des Recueil des Actes der letzten öffentlichen Sitzung, nebst mehrern neuen Lieferungen unsrer Mémoires16 für die Bibliothek der Königlichen Societät der Wissenschaften in Göttingen, zu übersenden. Mit der ausgezeichneten Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn Ew. Hochwohlgebohren ergebenster Diener Fuß St. Petersburg den 153 August 1835.

Brief 2. Paul Heinrich Fuß an Gauß, 6./18. Februar 1843 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Paul Heinrich Fuß 2 (1 S.)

Hochwohlgeborner Herr Hofrath u[nd] Ritter Hochzuverehrender Herr Von den zwei hiebei folgenden Exemplaren der von mir edirten Correspondance mathématique17 ersuche ich Sie ergebenst das Eine als ein geringes Zeichen meiner ausgezeichneten Verehrung für Sie entgegennehmen, das Andere aber der Königlichen Societät, deren Mitglied zu sein ich die Ehre habe,18 in meinem Namen ehrfurchtsvoll überreichen zu wollen. Genehmigen Sie die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung mit der ich die Ehre habe zu sein Ew. Hochwohlgeboren ergebenster Diener Fuss. St Petersburg d[en] 186 Februar 1843.

15 Karl von Schlözer. 16 „Recueil des actes de la séance publique de l’Académie Impériale des Sciences de Saint-Pétersbourg“; „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“. Es ist unklar, welcher Band gemeint ist. 17 „Correspondance mathématique et physique de quelques célèbres géomètres du XVIIIème siècle précédée d’une notice sur les travaux de Léonard Euler, tant imprimés qu’inédits“ (Fuß, P. H. 1843). Das Werk ist nicht in der Gauß-Bibliothek vorhanden. 18 Paul Heinrich Fuß war 1835 Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften in Göttingen geworden (Krahnke 2001, S. 88).

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4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

Brief 3. Paul Heinrich Fuß an Gauß, 26. November /8. Dezember 1843 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Paul Heinrich Fuß 3 (2 S.)

St. Petersburg d[en]

26 Nov[ember] 8 Dec[ember]

1843.

Hochwohlgeborner Hochzuverehrender Herr Hofrath Reich an neuen Eindrücken u[nd] unvergeßlichen Erinnerungen bin ich nun, seit bereits zwei Monaten, an meinen heimatlichen Herd u[nd] zu meinem lieben gewohnten Geschäft zurückgekehrt u[nd] wiederhole Ihnen ganz insbesondere meinen Dank für die kurzen lehrreichen Stunden, die Sie mir erlaubten in Ihrer Gesellschaft zu verweilen. Eingedenk Ihres Auftrages schicke ich heute an den Buchhändler Voß in Leipzig19 ein Exemplar der ɂɫɬopiɹ Pocciɣcɤaɝo Ƚocyɞapcɬɜa [Geschichte des Russländischen Staates] von Caramsin.20 Dies ist die neueste wohlfeilste Ausgabe. Sie kostet 14 R[ubel] 30 Cop[eken] Silb[er]. Voß wird Ihnen das Buch übersenden und mir das Geld remittiren. Ich habe mir erlaubt ein Paar Dupletten [sic] aus meiner eignen Bibliothek hinzuzufügen, die für Sie vielleicht einiges Intereße haben möchten. Es sind die von zwei jungen Officieren der Flotte redigirten Vorlesungen Ostrogradsky’s über algebraische Analysis21 u[nd] ein neues belletristisches Werk, da Sie auch dergleichen nicht verschmähen. Darf ich für diese unbedeutende Gabe um freundliche Entgegennahme bitten? Meine Correspondance22 hat doch eine so allgemeine Theilnahme gefunden, daß mir ungesucht auf meiner Reise manches neue Material zugefloßen ist. So fand ich bei Libri23 in Paris eine Sammlung Eulerscher Briefe an Lagrange24 u[nd] eine Correspondenz zwischen Dalembert u[nd] Lagrange,25 meistens über Eulers Schriften. H[err] Champollion Figeac brachte mir einen Band von Briefen Eulers an einen Basler Wettstein,26 Capellan des Prinzen von Wallis in London der, wie 19 Leopold Voß. 20 Originaltitel: „ɂɫɬɨɪiɹ Ƚɨɫɭɞɚɪɫɬɜɚ Ɋɨɫɫiɣɫɤɚɝɨ“ (Karamzin 1842–1844; GB 873). Siehe hierzu: Lehfeldt 2011, S. 309 –310, Nr. 11. 21 „Ʌeɤɰiɢ aɥɝeɛpaɢɱecɤaɝo ɢ ɬpaɧcɰeɧɞeɧɬɧaɝo aɧaɥɢɡa“ – Lektionen über algebraische und transzendente Analysis (Ostrogradskij 1837; GB 565). Siehe hierzu: Lehfeldt 2011, S. 316–317, Nr. 17. 22 „Correspondance mathématique et physique de quelques célèbres géomètres du XVIIIème siècle précédée d’une notice sur les travaux de Léonard Euler, tant imprimés qu’inédits“ (Fuß, P. H. 1843). 23 Guillaume Libri. 24 Correspondance de Léonard Euler avec J. L. Lagrange. In: Leonhardi Euleri Opera omnia (4) A, 5, S. 34–63 (Einleitung) und S. 359–518. 25 Der Briefwechsel zwischen Joseph Louis Lagrange und Jean Le Rond d’Alembert wurde in den „Oeuvres de Lagrange“ (Bd. 13, Paris 1882) veröffentlicht. 26 Johann Kaspar Wettstein. Siehe hierzu in „Leonhardi Euleri Opera omnia“: „Die 56 Briefe Eulers an K. Wettstein befanden sich in der Mitte des vorigen Jahrhunderts im

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es scheint, für Optik eine Liebhaberey hatte. In Basel fand ich sechs sehr intereßintereßanten [sic] Briefe Eulers an Nicolaus Bernoulli, die Antworten auf die in dem II[.] B[an]de der Correspondance abgedruckten 4 Briefe des letztern, zu denen sich auch noch ein fünfter gefunden. Eulers Briefe an Daniel Bernoulli u[nd] an Johann den ältern27 sind leider nicht aufzufinden. In Bern traf ich mit Jacobi28 zusammen u[nd] bereiste in seiner Gesellschaft das Oberland. Diese Bekanntschaft macht mir die Erinnerung an meine Schweizerreise doppelt lieb. Ich schließe um nicht unbescheiden zu werden. Genehmigen Sie, hochgeehrter Herr Hofrath, die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung u[nd] Verehrung mit denen ich die Ehre habe zu verharren Ew. Hochwohlgeborner ergebenster Diener Fuss.

Brief 4. Paul Heinrich Fuß an Gauß, 7./19. April 1844 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Paul Heinrich Fuß 4 (2 S.)

Wohlgeborner Hochzuverehrender Herr Hofrath u[nd] Ritter Ihre wohlwollenden Zeilen vom 28 Januar29 waren mir ein so werthvolles Geschenk, daß Sie mir schon erlauben werden die erste Veranlaßung wahrzunehmen, Besitze des französischen Gelehrten J. J. Champollion de Figeac (oder seines Sohnes). Im Jahre 1843 waren die Kopien dieser Briefe von dem damaligen Besitzer an den Ständigen Sekretär der Petersburger Akademie der Wissenschaften, P. H. Fuß, übergeben worden“ (Leonhardi Euleri Opera omnia (4) A, 1, S. 455). 27 In seiner „Correspondance“ hatte P. H. Fuß im ersten Band die 177 Briefe veröffentlicht, die Euler und Goldbach miteinander gewechselt hatten. Im zweiten Band folgten 14 Briefe aus der Korrespondenz zwischen Johann I. Bernoulli und Euler sowie 58 Briefe zwischen Daniel Bernoulli und Euler, ferner vier zwischen Nikolaus I. Bernoulli und Euler gewechselte Briefe. Weitere 13 Briefe, die zwischen Euler und Johann I. Bernoulli gewechselt worden waren, sowie 23 Briefe aus der Korrespondenz zwischen Euler und Daniel Bernoulli waren in einer separaten Sammlung der sogenannten Akademischen Konferenz archiviert. Diese Sammlung im Archiv der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg hatte P. H. Fuß nicht konsultiert (Fellmann/Mikhailov 1998, S. 23). Der Briefwechsel Euler–Daniel Bernoulli wird in den „Leonhardi Euleri Opera omnia“ (4) A, 3 voraussichtlich 2011 erscheinen, der Briefwechsel Euler mit Johann I. und Nikolaus I. Bernoulli findet sich in „Leonhardi Euleri Opera omnia“ (4) A, 2; dieser Band ist 1998 herausgekommen. 28 Carl Gustav Jacob Jacobi war Ende 1841 an Diabetes mellitus erkrankt. 1843 unternahm er eine Erholungsreise, die ihn in die Schweiz und nach Italien führte. 29 Dieser Brief von Gauß ist nicht mehr vorhanden.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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die sich mir bietet, Ihnen für dieselben zu danken u[nd] mich bei Ihnen von Neuem in Erinnerung zu bringen. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß die beiliegende Notiz Ihre Theilnahme ansprechen wird; viel mehr aber noch die Nachricht, daß mein darin enthaltener Vorschlag nicht allein bei unserer Akademie, sondern auch bei den Obern, namentlich dem H[err]n von Ouvaroff,30 die beste Aufnahme gefunden u[nd] daß gegründete Aussicht vorhanden ist, die nöthigen sehr beträchtlichen Geldmittel zu einer Gesammtausgabe der Eulerschen Werke vom Kaiser31 zu erhalten. Da ist mir nun beim vorläufigen Zusammenlesen u[nd] Anordnen des Materials für die ersten Bände wieder eine Abhandlung, zur Zahlenlehre gehörig, aufgestoßen, die ich nie zu sehen bekommen habe. Sie führt den französischen Titel: Découverte d’une loi extraordinaire des nombres u[nd] soll sich in einem Journal littéraire de l’Allemagne janvier et fevrier 1751 abgedruckt finden. Auch der Titel des Journals ist französisch angegeben; doch dieses findet sich weder auf irgend einer der hiesigen Bibliotheken, noch habe ich durch alle mir hier zu Gebote stehenden bibliographischen Hülfsmittel auch nur einen Nachweis auf die Existenz desselben finden können. Auf eine deshalb an Voß gerichtete Anfrage habe ich noch keine Antwort; fürchte aber, keine genügende zu erhalten. Meine beste Hoffnung beruht noch auf der so reichen u[nd] vollständigen Göttinger Bibliothek. Dürfte ich Sie nun ersuchen, darüber Erkundigung einzuziehen u[nd] wenn, woran ich fast nicht zweifle, das Journal u[nd] die Abhandlung sich finden, von letzterer eine getreue Copie für meine Rechnung besorgen lassen u[nd] mir diese durch die Voß’sche Buchhandlung zuschicken zu wollen, die auch den Kostenbetrag fürs Abschreiben entrichten wird. Ein anderes Werkchen von Euler, das mir auch nie zu Gesicht gekommen, u[nd] das, wenn gleich von geringer Wichtigkeit, doch in der Gesammtausgabe seiner Werke nicht fehlen dürfte ist „Die Vertheidigung der Offenbarung gegen die Einwürfe der Freigeister“.32 Vielleicht findet sich auch dieses bei Ihnen u[nd] dann möchte ich später wohl auch um eine Abschrift bitten. Genehmigen Sie die wiederholte Versicherung der aufrichtigen Verehrung mit welcher ich verharre Ihr ganz ergebener Diener Fuss. St. Petersburg d[en] 197 April 1844

30 Sergej Semënovič Uvarov. 31 Nikolaj I. 32 „Rettung der Göttlichen Offenbahrung gegen die Einwürfe der Freygeister“ (Euler 1747; E 92).

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Brief 5. Gauß an Paul Heinrich Fuß, 8. Mai 1844 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Paul Heinrich Fuß 2 (2 S.)

[Vermerk von P. H. Fuß] 5 Mai33 Verehrtester Herr Staatsrath. Ihr gütiges Schreiben vom 19 April ist mir in mehrfacher Beziehung sehr erfreulich gewesen, und besonders auch wegen der darin erweckten Hoffnung auf eine vollständige Ausgabe der Eulerschen Werke. Es würde mir, wie ich nicht zu versichern brauche, zu großem Vergnügen gereichen, wenn ich zur Beförderung der bezweckten Vollständigkeit etwas beitragen könnte, und ich berichte daher sogleich von dem Erfolge meiner Nachforschungen auf der hiesigen Bibliothek, mit dem Bedauren, daß er nicht so befriedigend ist, als ich gewünscht hätte. In dem von jeher mit großer Accuratesse geführten alphabetischen Generalcataloge der Bibliothek kommt die Schrift Vertheidigung der Offenbarung gegen die Einwürfe der Freigeister gar nicht vor, weder unter Eulers Namen, noch unter den anonymen Werken, beim Hauptworte des Titels. Gleichwohl ist mir so zu Sinne, als hätte ich vor vielen vielen Jahren jene Schrift einmahl gelesen, und zwar angebunden einem ganz andern Buche: ich kann mich aber weder erinnern, welches Buch dieses gewesen, noch woher ich es entlehnt oder erhalten hatte. Ganz unmöglich wäre nicht, daß es ein Buch aus meinem eignen Besitz gewesen wäre, in welchem Fall es mir doch wohl einmahl wieder in die Hände fallen könnte: jedenfalls werde ich die Sache nicht aus den Augen verlieren. Von dem im Haag erschienenen Journal Literaire de l’Allemagne hat die Bibliothek nur die Jahrgänge 1741. 1742. 1743. Die meisten Artikel dieses Journals sind Recensionen, aber im Jahrgange 1743 ist als Article XIII ein kleiner mathematischer Original-Aufsatz, der zwar weder in der Überschrift, noch am Schluß, noch in der vor dem Bande stehenden Inhaltsanzeige des Bandes mit einem Namen bezeichnet, aber dennoch ganz gewiß von Euler ist.34 Obgleich nun dieser Aufsatz einen andern Titel hat, und in einem andern Jahrgange steht, als der von Ihnen unter Nro 3 angeführte, so möchte ich doch noch nicht als ganz unmöglich betrachten, daß dies der Aufsatz quaest[ionis] sei. Es wäre wenigstens denkbar, daß Ihr Vater, bei Abfassung seiner Liste der Eulerschen Werke, auch jene Schrift nicht selbst gekannt, sondern sie nur nach einer in Titel und Jahr inexacten Mittheilung eines dritten eingeschaltet hätte. Es wird alles darauf ankommen, auszumitteln, ob wirklich das Journal literaire 1751 noch bestanden oder schon früher aufgehört hat, was sich wohl durch Nachforschungen in Holland leicht zur Gewissheit bringen lässt. Für die zweite Möglichkeit ließen sich wenigstens zwei Gründe anführen nemlich

33 Der 5. Mai 1844 im Julianischen Kalender entspricht dem 17. Mai im Gregorianischen Kalender. 34 „Demonstration de la somme de cette suite 1 + 14 + 19 + 161 + 251 + 361 + etc.“ (Euler 1743; E 63).

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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1) wenn das Journal noch bis 1751 oder darüber hinaus fortgedauert hat, so ist zu verwundern, daß die Göttinger Bibliothek die Anschaffung nach 1743 sistirt haben sollte 2) wenn der Aufsatz wirklich im Jahrgang 1751 steht, so sollte man denken, derjenige, welcher Ihrem Vater die Notiz fournirt und das Journal vor sich gehabt hat, hätte doch auch wohl den Aufsatz von 1743 mit anführen müssen, der wenn gleich nicht mit Eulers Namen bezeichnet, doch leicht als von ihm herrührend zu erkennen war. Dem sei nun wie ihm wolle, einen Aufsatz aus Journal literaire 1751 kann ich nicht, aber einen Eulerschen Aufsatz aus Journal literaire 1743 kann ich Ihnen nachweisen, und gebe davon vorläufig folgende Notiz. Er geht von pag[ina] 115 bis 127, und zu p[agina] 126 gehört noch eine herauszuschlagende Tabelle auf einem besondern Blatt. Der Titel ist: 1 1 Démonstration de la somme de cette suite 1 + 14 + 19 + 161 + 25 + 36 + etc. Dass er von Euler ist, erhellet sogleich aus den Anfangworten „La methode que j’ai donnée dans les Commentaires de l’Académie de Petersbourg, pour trouver la somme de cette suite, lorsque l’exposant n est un nombre pair, 1+

1 2n

+

1 3n

+

1 4n

+

1 5n

+

1 6n

+ etc

a quelque chose d’extraordinaire” u.s.w. in Verbindung mit der späterhin vorkommenden nähern Bezeichnung des betreffenden Bandes als T. VII, in welchem Bande sich wirklich die bezogene Abhandlung unter Eulers Namen befindet.35 In dem gegenwärtigen kleinen Aufsatze wird eine andere Beweisart entwickelt, die recht artig, aber auch nach des Verfassers eignem Geständniß nur auf den speciellen Fall n = 2 anwendbar ist. Diese Methode verdient jedenfalls in der neuen Ausgabe reproducirt zu werden, um so mehr, da dieser Aufsatz ganz unbekannt geblieben zu sein scheint: Pfaff, hätte er sie gekannt würde sie in seiner Schrift von 1788 gewiss nicht unerwähnt gelassen haben*) Ich werde übrigens zu seiner Zeit, oder, sobald Sie es wünschen, gern bereit sein, Ihnen eine Abschrift zu besorgen, sollte ich sie auch eigenhändig machen müssen. Ein gewöhnlicher Abschreiber würde allerdings nicht wohl fähig dazu sein, oder er müsste Zeile um Zeile gleichsam fac simile davon nehmen. Der Aufsatz wimmelt nemlich von barbarischen Druckfehlern, die allerdings ein Sachverständiger gleich als solche erkennt. Eine in dem Sinn treue Abschrift, daß alle diese Schmutzflecke genau copirt würden, werden Sie ohne Zweifel nicht verlangen. Damit Sie aber eine Vorstellung davon haben, von welcher Art diese Fehler sind, will ich nur ein Paar davon anführen. Öfters ist bei einer Potenz die potenzirte Größe am Schluß der Zeile, der Exponent im Anfang der folgenden; es werden verwechselt und laufen pele mele36 durch einander x, Χ, x, α, imgleichen x und + u[nd] dergl[eichen] mehr. 35 „De summis serierum reciprocarum“ (Euler 1740; E 41). 36 Fr. pêle mêle = durcheinander, Mischmasch.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Indem ich eben diesen Brief schliessen will erhalte ich ein Päckchen, worin sich auch der Ʉɥɸɱɶ ɢɥɢ ɚɥɮaɜɢɬɧɵ[ɣ] ɭɤaɡaɬeɥɶ ɤɴ ɢcɬoɪiɢ ɝocyɞaɪcɬɜa ɪocciɣcɤaɝo Kaɪaɦɡɢɧa37 befindet, und wodurch ich von neuem Ihr Schuldner geworden bin. Vorläufig meinen verbindlichen Dank. Mit erneuerter Versicherung meiner grössten Hochachtung empfehle ich mich Ihrem freundschaftlichen Andenken ganz gehorsamst C. F. Gauß Göttingen 8 Mai 1844 [P. S.] *) Vielleicht hat eine kleine Anekdote in Beziehung auf diese Schrift einiges Interesse für Sie. Sie ist autentisch [sic], da ich sie aus Pfaffs eignem Munde habe. Pfaff hatte ihr in der Handschrift den Titel gegeben, Versuch einer neuen Methode die reciproken Reihen zu summiren, wodurch wirklich der Inhalt gut bezeichnet wird. Durch Vermittlung eines Gönners fand die Schrift in dem Buchhändler Himburg in Berlin einen Verleger, welcher ohne Pfaffs Vorwissen beim Druck den Titel eigenmächtig in „Versuch einer neuen Summationsmethode“ abänderte. Pfaff war damit selbst unzufrieden, da die Schrift gar nicht die Praetension machen konnte noch sollte, eine neue Summationsmethode (schlechthin) zu geben. Richtig gerechnet hatte aber der Buchhändler gewiß, denn mancher kaufte das Buch, worin er eine neue allgemeine Summationsmethode zu finden erwartete, der wohl eine Monographie über einen so ganz speciellen Gegenstand nicht gekauft hätte. Ich darf mich, als einen damals noch sehr jungen Knaben, als Beispiel eines solchen Käufers wenige Jahre nach der Erscheinung des Buches anführen.38

37 „Ʉɥɸɱɶ ɢɥɢ ɚɥɮɚɜɢɬɧɵɣ ɭɤɚɡɚɬɟɥɶ ɤɴ ɂɫɬɨɪɿɢ Ƚɨɫɭɞɚɪɫɬɜɚ Ɋɨɫɫɿɣɫɤɚɝɨ, ɇ. Ɇ. Ʉɚɪɚɦɡɢɧɚ“ – Schlüssel oder alphabetisches Register zur Geschichte des Russländischen Staates von N. M. Karamzin (Stroev 1844; GB 873). Siehe: Lehfeldt 2011, S. 309–310, Nr. 11. 38 „Versuch einer neuen Summationsmethode nebst andern damit zusammenhängenden analytischen Bemerkungen“ von Johann Friedrich Pfaff (Pfaff, J. F. 1788; GB 588). Auf dem Titelblatt ist ein Zitat von Leonhard Euler abgedruckt: „Cum doctrina de seriebus maximi sit momenti in analysi, ejusmodi speculationes omnino dignae sunt habendae, quae omni industria excolantur. L. Euler.“ Übersetzung: „Da die Lehre von den Reihen von größter Wichtigkeit in der Analysis ist, müssen derartige Betrachtungen überhaupt für würdig gehalten werden, mit allem Fleiß ausgearbeitet zu werden“ (Reich 2005, S. 106). Gauß erwarb das Buch von Pfaff bereits im Jahre 1793, als er am Collegium Carolinum studierte. Auf der letzten Seite hielt Gauß handschriftlich folgende Aussage Eulers fest: „Car on sait par l’experience que lorsqu’une recherche est fort épineuse les premiers efforts nous en éclaircissent ordinairement fort peu; ce n’est que par des effort reïtérées, et en envisageant la chose sous plusieurs points de vue qu’on parvient à une connaissance accomplie.“ Übersetzung: „Denn man weiß aus Erfahrung, wenn eine Untersuchung sehr dornenreich ist, erhellen uns die ersten Anstrengungen davon nur wenig; erst bei wiederholten Anstrengungen und indem man die Sache aus mehreren Blickwinkeln heraus betrachtet, kommt man zu einer vollendeten Erkenntnis“ (Reich 2005, S. 106–107).

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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Brief 6. Gauß an Paul Heinrich Fuß, 15. Mai 1844 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Paul Heinrich Fuß 3 (2 S.)

[Vermerk von P. H. Fuß] 12 Mai39 Verehrtester Herr Staatsrath. Seit Absendung meines Briefes vom 10. d[ieses]40 sind mir noch verschiedene Umstände bekannt geworden, die wie mir scheint eine vollständige Erledigung Ihrer beiden Wünsche darbieten, und die ich daher Ihnen sogleich mitzutheilen eile. Die hiesige Bibliothek besitzt die ganze Suite der Zeitschrift, die 40 Jahre hindurch unter zweimaligem Wechsel des Titels und Verlagsorts erschienen sind. 1) 50 Tomes der Bibliotheque Germanique ou histoire litteraire de l’Allemagne, de la Suisse et des pays du nord. Amsterdam 1720–1741 2) 2 Tomes des Journal litteraire d’Allemagne de Suisse et du Nort (sic) par les auteurs de la bibliotheque germanique, ouvrage qui peut aussi servir de suite a la bibliotheque germanique. À la Haye 1741–1743. 3) 26 Tomes der Nouvelle Bibliotheque germanique ou histoire litteraire de l’Allemagne de la suisse [sic] et des pays du nord par les auteurs de la bibliotheque germanique et du journal literaire de l’Allemagne Amsterdam 1746–1760 In der Vorrede des ersten Tome von Nro 3 wird der Zusammenhang oder so zu sagen die Identität dieser drei Zeitschriften berichtet. Tracasseries des Verlages des Journal litér[aire] hätten die regelmäßige Publication des journal lit[eraire] gestört, diese Hemmniße seien nun aber durch die Nouvelle B[ibliotheque] G[ermanique] beseitigt. Es ist also gewiß, daß kein Journal litteraire d’A[llemagne] von 1751 existirt, also jedenfalls Ihr Vater, als er in den Verzeichn[issen] der Eulerschen Schriften es nannte, nur aus dem Gedächtniß, oder noch wahrscheinlicher nach der Gedächtnißangabe eines Dritten citirt haben kan[n]. In der Nouv[elle] Bibl[iothèque] für 1751 kommt gar kein Originalaufsatz von Euler vor, auch dem Generalregister [nach] welches den Tome 26 ausmacht, in der ganzen Suite nicht. Auch in dem Journal Lit[téraire] ist der in meinem vorigen Briefe besprochene Aufsatz, der einzige Originalartikel. Ich habe daher keinen Zweifel, daß dieser Aufsatz, der gesuchte selbst ist, trotz dem abweichenden Titel, worüber man nach der vorhin gemachten Bemerkung, daß beim Niederschreiben der Notiz der Aufsatz nicht vorgelegen haben kan[n], sich nicht zu verändern hat. Um Ihnen zu beweisen, daß ich in meiner critischen Untersuchung nichts unbeachtet gelassen habe, will ich noch einen Umstand berühren, der mir Anfangs noch einen kleinen Zweifel zurückließ. 39 Der 12. Mai 1844 im Julianischen Kalender entspricht dem 24. Mai 1844 im Gregorianischen Kalender. 40 Der vorige Brief wurde am 8.5.1844 geschrieben und offensichtlich am 10.5.1844 abgeschickt.

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In der oben erwähnten Vorrede des 1 Tome der N[ouvelle] B[ibliothèque] G[ermanique] wird gesagt, es seien von dem J[ournal] L[itéraire] d’A[llemagne] quatre tomes erschienen, während unsere Bibliothek nur zwei hat. Existirten also wirklich noch zwei, aber aus 1744 und 1745, so könnte dachte ich die Decouverte d’une loi extraord[inaire] doch vielleicht darin stehen, in welchem Fall also anstatt Einer Abhandlung von Euler wirklich zwei da sein würden. Allein 1) wäre es höchst unwahrscheinlich, daß unsere Bibliothek die 78 Tomes der drei Suiten besitzt die mittlere Suite nicht vollständig angeschafft haben sollte. 2) Jeder Tome besteht in der That aus zwei Parties, wovon jede ein besonderes Titelblatt hat. Die vier Titelblätter tragen die Jahrzahlen 1741.1742.1743.1743. Es wäre also nur eine kleine Nachlässigkeit im Ausdrucke, daß geschrieben ist il en a paru quatre tomes, anstatt quatre parties oder volumes. 3) Daß von dem letzten Tome des J[ournal] l[itéraire] d’A[llemagne] bis zum ersten Tome wirklich eine Unterbrechung Statt gefunden hat, wird ausdrücklich angedeutet 4) Die vollständigste Beruhigung darüber erhalte ich aber durch die Einsichtnahme des Manuel du libraire et de l’amateur de livres par J. Ch. Brunet Tome 4 Paris 182041 wo pag[ina] 449 alle drei Suiten gerade so aufgeführt werden, wie unsere Bibliothek sie besitzt, und zwar die zweite so Journal litteraire d’Allemagne de Suisse et du Nord par les auteurs de la bibliotheque germanique. La Haye 1741–43. 4 part[ies] in 12°: Ich halte hienach Ihre erste Frage für vollkommen erledigt, und wiederhohle mein im vorigen Briefe gemachtes Anerbieten, zu seiner Zeit, oder so bald Sie es wünschen, Ihnen eine Abschrift zu besorgen. Was die zweite Frage betrifft, so kommt mir gerade heute wie gerufen unter den Bibliographischen Anzeigen der in Leipzig bei Brockhaus erscheinenden Blätter für literarische Unterhaltung Nro 126 vom 5 Mai 1844 folgender Titel zu Gesicht: Eulers Rettung der göttlichen Offenbarung gegen die Einwürfe der Freigeister. Mit Erlaubniß der frühern Verlagshandlung aufs neue zu Tage gefördert und mit einem Vorworte herausgegeben von K. Dielitz. Berlin bei Grobe. Kl. 8°. 2½ Ngr.42 Sie können also diesen neuen Abdruck leicht durch den Buchhandel beziehen, und da also doch wenigstens ein Exemplar der Originalausgabe dort vorhanden gewesen sein muß, so dächte ich würde es Ihnen auch nicht schwer sein, wenn Sie einen Werth darauf legen, dieses von dem Buchhändler oder von dem neuen Herausgeber zugetheilt zu erhalten. Obgleich es hienach aber kein Interesse mehr hat, ob die hiesige Bibl[iothek] dieses Schriftchen besitzt oder nicht, so will ich doch noch bemerken, daß ich mich mit meiner ersten Nachforschung, wobei es unter dem falschen Titel Vertheidigung (in Folge Ihres Briefes gesucht war) nicht beruhigt, sondern später, 41 „Manuel du libraire et de l’amateurs des livres“ (Brunet 1820). 42 „Blätter für literarische Unterhaltung“, 1844, Teil 1, S. 504 (Nr. 126 vom 5.5.1844). Es handelt sich lediglich um eine ganz kurze Anzeige.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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als ich diesen Irrthum bemerkt hatte, unter dem wahren Titel Rettung aufgesucht habe: allein eben so vergeblich. Indem ich eile, diese Mittheilungen an Sie zu befördern, empfehle ich mich Ihrem freundschaftlichen Andenken ganz gehorsamst C. F. Gauß Göttingen den 15 Mai 1844 P. S. In denselben Blättern für literarische Unterhaltung, Nro 122 vom 1 Mai finde ich auch eine Notiz: Trigonometrische Vermessung Rußlands,43 worüber 1843 ein eignes Werk von General Schubert in 3 Quartbänden erschienen sein soll.44 Darf man nicht hoffen, daß Gelegenheit dargeboten werde, dieses wichtige Werk durch den deutschen Buchhandel zu beziehen?

[Vermerk von P. H. Fuß an dem linken Seitenrand des Briefbogens] beantwortet d[en] 13 25 Mai 1844 N. 625. Brief 7. Gauß an Paul Heinrich Fuß, 16. Mai 1844 (Göttingen) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 136, op. 3, ʋ 13, l. 59r. Publikation: Reich 2011a. Als Faksimile im Anhang abgedruckt (Abb. 90a–b).

[Vermerk von P. H. Fuß] 12 Mai45 Verehrtester Herr Staatsrath Angeschlossen erhalten Sie die Abschrift des in meinen beiden letzten Briefen besprochenen Eulerschen Aufsatzes. Da sie sich so compendiös hat einrichten lassen, so habe46 ich den Umweg durch die Vossische Buchhandlung für unnöthig gehalten. Sie ist vollkommen treu, bis auf die offenbaren Druckfehler und Monstruositäten in den Formeln welche ich verbessert habe. Sogar an die Eulersche Orthographie habe ich mich im Allgemeinen treu gehalten, also j’avois geschrieben anstatt des mir sonst gewohnten j’avais. Nur wo das Original sich selbst nicht treu bleibt worin z.B. moyen und moïen, employer und emploier, nous sommes parvenu und nous sommes parvenus und vielleicht noch in ein Paar andern ähnlichen Fällen, habe ich gleichförmig die mir gewohnte (letzere) Art beibehalten. 43 „Trigonometrische Vermessung Russlands“ (Jordan 1844). 44 Zu diesem Zeitpunkt hatte Gauß offensichtlich den Brief von Fuß vom 12./24.5.1844 noch nicht in Händen. 45 Der 12. Mai 1844 im Julianischen Kalender entspricht dem 24. Mai im Gregorianischen Kalender. 46 Original: habe habe.

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Nur über die 13 untersten Zeilen der dritten Seite (welche im Original auf einem besondern herauszuschlagenden breitern Blatte stehen) muß ich noch eine Bemerkung machen (oder wiederhohlen, da sie mit roth schon am Schluß der Copie angedeutet ist). Die letzten Bruchcoefficienten vor den Potenzen von π sind im Original mit gröbern Zifern gesetzt, was ich während des Abschreibens übersehen hatte. Es sieht also z.B. die letzte Zeile so aus 2 ˜ 76977927 26 1 1 1 1 + 26 + 26 + 26 + &c. = π 1 ˜ 2 ˜ 3 ˜ ˜ ˜ ˜27 ˜ 2 2 26 3 4 5 25

1+

Bei einem Wiederabdruck müßte aber dieser Umstand gehörig beachtet werden, weil sonst die nachher folgenden von mir roth unterstrichenen Worte unverständlich sein würden. Es gereicht mir zu besonderm Vergnügen, durch diese Copienahme eine Pietätspflicht gegen meinen grossen Lehrer zu entledigen, dessen verehrtem Urenkel ich mich zu freundlichem Andenken bestens empfehle. C. F. Gauß Göttingen den 16 Mai 1844.

[Vermerk von P. H. Fuß an dem linken Seitenrand des Briefbogens] beantwortet d[en] 13 25 Mai 1844 N. 625. [Es folgt nunmehr auf den Blättern 60r und v, 61r und v die Abschrift der Eulerschen Arbeit „Démonstration de la somme de cette suite 1 + 14 + 19 + 161 + 1 25

+ 361 + &c.“ von Gauß. Diese ist im Anhang als Faksimile abgedruckt (Abb. 89a–d). Auf dem Blatt 61v folgt die Bemerkung von P. H. Fuß:] Diese Abhandlung Eulers ist dieselbe die in dem Verzeichniß seiner Schriften (Lobrede) u[nd] daraus in meinem Verzeichniß Nro irrthümlich unter dem Titel „Découverte d’une loi extraordinaire des nombres (Journ[al] littér[aire] de l’Allem[agne] 1751. Jan[vier] et février) angeführt ist.47 Diese Abschrift ist auf meine Veranlaßung von Gauß eigenhändig gemacht, weil der Abdruck so fehlerhaft ist, daß er von keinem gewöhnlichen Abschreiber hat gemacht werden können. 12 Mai 1844 Fuss.

47 Liste der Schriften Leonhard Eulers, nach Sachgebieten geordnet, in: Briefwechsel C. G. J. Jacobi–P. H. Fuß 1908, S. 101, hier Nr. 174a.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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Brief 8. Paul Heinrich Fuß an Gauß, 12./24. Mai 1844 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Paul Heinrich Fuß 5 (2 S.)

Verehrtester Herr Hofrath Wo finde ich Worte, um Ihnen zu danken für die große Gefälligkeit, mit der Sie sich nicht allein der Mühe des Nachforschens nach jener Abhandlung Eulers unterzogen u[nd] mir über deßen Erfolg so ausführlichen u[nd] genügenden Bericht abstatteten, sondern sogar, – ich erröthe, in der That, wenn ich nur daran denke, daß ich die Veranlassung dazu gab, – Ihre kostbare Zeit zur Abschrift jener Abhandlung opferten. Dieser Zug gehört der Geschichte der Wißenschaft an, u[nd] die Abschrift will ich in Ehren halten, als ein frisches Blatt in Eulers Verdienstkrone, 60 Jahre nach seinem Tode hineingeflochten. Voß, an den ich mich gleichzeitig wandte, um mir das citirte Heft des Journ[al] lit[téraire] de l’Allemagne zu verschaffen, schrieb deshalb unter andern an Ihren gelehrten Mitbürger u[nd] Collegen, H[err]n Dr Stern,48 deßen Antwort dieselbe bibliographische Auskunft über jenes Journal enthält, die mir nun auch Ihr verehrter Brief vom 15 Mai gibt. Ich habe H[err]n Dr Stern gedankt u[nd] hinzugefügt es thäte mir nun fast leid, Sie, verehrter Herr Hofrath, mit meiner Anfrage behelligt zu haben. Da erhielt ich Ihr erstes Schreiben vom 8ten Mai, u[nd] ehe ich noch Zeit gefunden Ihnen für Alles darin Enthaltene zu danken, u[nd] Sie zu bitten, mir die Abschrift durch irgend einen zuverläßigen Copisten treu besorgen zu laßen, mir die Correctionen selbst vorbehaltend, erhalte ich am heutigen Tage Ihre Zeilen vom 16ten mit der mich zugleich beschämenden, erfreuenden u[nd] rührenden Beilage. Nochmals also meinen aufrichtigen Dank dafür. Die Berliner neue Ausgabe der „Rettung der Offenbarung“ besitze ich schon. Ein Freund der sie zufällig fand, brachte sie mir. Sie scheint ein ganz unveränderter Abdruck der ersten Auflage zu sein u[nd] ist mir um so viel lieber.49 Für das Register zum Karamsin50 sind Sie mir nichts schuldig, da Sie bereits den ganzen Subscriptionspreis entrichtet, wo dieser Band mit inbegriffen war. Es freut mich Ihnen die Schubertsche Ɍpɢɝoɧoɦeɬpɢɱecɤaɹ cɴeɦɤa51 sogleich schicken zu können. Ich bitte Sie das Exemplar als Geschenk von mir freundlich 48 Moritz Abraham Stern. 49 „Rettung der Göttlichen Offenbahrung gegen die Einwürfe der Freygeister“ (Euler 1747; 2. Aufl. Berlin 1844). 50 „Ʉɥɸɱɶ ɢɥɢ ɚɥɮɚɜɢɬɧɵɣ ɭɤɚɡɚɬɟɥɶ ɤɴ ɂɫɬɨɪɿɢ Ƚɨɫɭɞɚɪɫɬɜɚ Ɋɨɫɫɿɣɫɤɚɝɨ, ɇ. Ɇ. Ʉɚɪɚɦɡɢɧɚ“ – Schlüssel oder alphabetisches Register zur Geschichte des Russländischen Staates von N. M. Karamzin (Stroev 1844; GB 873). Siehe: Lehfeldt 2011, S. 309–310, Nr. 11. 51 „Ɍpɢɝoɧoɦeɬpɢɱecɤaɹ cɴëɦɤa ɝɭɛɟɪɧiɣ: ɋ. ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɨɣ, ɉɫɤɨɜɫɤɨɣ, ȼɢɬɟɛɫɤɨɣ ɢ ɱɚɫɬɢ ɇɨɜɝɨɪɨɞɫɤɨɣ. ɉɨ ȼɵɫɨɱɚɣɲɟɦɭ ɩɨɜɟɥ࣎ɧɢɸ ɩɪɨɢɡɜɟɞɟɧɧɚɹ Ƚɟɧɟɪɚɥɴ Ʌɟɣɬɟɧɚɧɬɨɦɴ ɒɭɛɟɪɬɨɦɴ.ɋɴ 1820 ɩɨ 1832 ɝɨɞɴ“ – Trigonometrische Aufnahme der

Gouvernements St. Petersburg, Pleskau, Witebsk und eines Teils des Gouvernements Nowgorod (Schubert, F. T. d. J. 1842; GB 1003). Siehe: Lehfeldt 2011, S. 323–324, Nr. 30.

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entgegenzunehmen, da ich das Buch doppelt besitze, u[nd] kaum einfach brauche. Ich hätte es Ihnen längst schicken sollen, da ja der Gegenstand Sie intereßiren muß. Laßen Sie sich aber dadurch, darum bitte ich sehr, nicht abhalten, mich ferner mit Aufträgen zu beehren. Ich lege einen Werth darauf, u[nd] verspreche Ihnen alle baare Auslagen treulich aufzugeben. Ich komme aber, durch meine Stellung, in den Besitz vieler Bücher u[nd] zwar in mehrfachen Exemplaren. Wenn sich darunter, was sich selten genug ereignen wird, eins oder das andere findet, das mir Ihrer Aufmerksamkeit würdig scheint, – sollten Sie mir dann nicht erlauben es Ihnen im Namen meines Vaterlandes zu offeriren, als schuldigen Tribut für die Ehre, die Sie seiner Sprache erweisen? Genehmigen Sie die wiederholte Versicherung der ausgezeichneten Verehrung mit welcher ich die Ehre habe zu verharren Ihr ergebenster Diener Fuss. St Petersburg d[en] 12 24 Mai 1844.

Brief 9. Gauß an Paul Heinrich Fuß, 29. Juli 1844 (Göttingen) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 2–1844, ʋ 24, l. 45. Publikation: Kol’man 1955.

[Vermerk von der Akademie] Lu le 9 août 1844. I Cl[asse] N. 208. [Vermerk von P. H. Fuß] 25 juillet Verehrtester Herr Staatsrath. Schon ist fast ein Monat verflossen, daß ich über Hamburg Ihr gütiges Geschenk, die trigonometrische Aufnahme des Petersb[urger] u[nd] a[nderer] Gouvernements erhalten habe,52 und es wird daher meine dringende Pflicht, Ihnen zu bezeugen wie Sehr Sie mich dadurch verpflichtet haben. Ich habe mich bereits ziemlich hineinstudiert. Seit einem viertel Jahrhundert selbst mit ähnlichen Arbeiten selbst ausführend oder leitend, beschäftigt, nehme ich daran ein sehr lebhaftes Interesse. Wenn ich recht berichtet bin, so hat H[er]r General Schubert die Leitung dieser Arbeiten jetzt abgegeben,53 in welchem Fall, wir also wohl wenig Hoffnung haben, daß von ihm auf ähnliche Art die trigonometrischen Messungen die sich nach den Ɂaɩɢcɤɢ ɜoeɧɧo ɬoɩoɝpaɮɢɱecɤaɝo ɞeɩo54 (von denen ich 5 Bände besitze) 52 Siehe Fußnote 51. 53 Friedrich Theodor Schubert d. J. war seit 1825 Leiter des Militärtopographischen Dépôts. Unter seiner Ägide wurden in Russland Vermessungsarbeiten durchgeführt; von 1833 bis 1840 beaufsichtigte er die Herstellung einer Spezialkarte Russlands. 1844 wurde Schubert Mitglied des Staatlichen Militärrates. 54 „Ɂɚɩɢɫɤɢ ȼɨɟɧɧɨ-Tɨɩɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤaɝɨ Ⱦɟɩɨ“ – Denkschriften des Militärtopographischen Dépôts (Schubert, F. T. d. J. 1837–1840; GB 1054). Siehe: Lehfeldt 2011, S. 304–305, Nr. 5.

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I. p. 117 von Mohilef55 bis Moskwa erstrecken sollen, und auf der diesem I. Bande beigefügten Karte schon damals also 1837 über Smolensk hinaus als ausgeführt gezeichnet sind – werden bearbeitet werden. Das Vergnügen welches mir die Beschäftigung mit der russischen Sprache und Literatur gewährt, ist nicht erkaltet, und wird mir wohl stets treu bleiben. Ich habe vor kurzem mit vielem Genuß die Ɂaɩɢcɤɢ 1814 ɢ 1815 ɝoɞoɜɴ von Danilefsky56 gelesen, eines der wenigen russischen Bücher, die aus neuerer Zeit sich auf hiesiger Bibliothek befinden. Bei einer Stelle konnte ich mich des Lachens nicht enthalten p. 129, wo der Besuch der hohen Herrschaften auf der Ofner Sternwarte erwähnt wird. Reichenbach, der damals dort anwesend war (er hatte die Instrumente selbst hingebracht und aufgestellt) machte den Cicerone und wurde sogar von Danilefsky für den Chef der Sternwarte gehalten. Der gute Reichenbach hat mir selbst viel von seinem damaligen Aufenthalt in Ofen erzählt, sich aber nicht träumen lassen, daß seine gelehrten Explicationen den vornehmen Gästen nur Langeweile machten.57 – Die Geschichte des Feldzugs von 1812 von demselben Verfasser habe ich gleichfalls in der letzten Zeit mit dem lebhaftesten Interesse gelesen, obwohl nur in einer Übersetzung v. Goldhammer, womit ich mich jedoch jetzt begnüge.58 Allein in dem IV Theil dieses Werks (S. 256 der Übersetzung) bezieht sich der Verfasser auf seine künftige ausführliche Darstellung des Feldzugs von 1813, wovon ich nicht weiß ob sie bereits erschienen ist oder nicht; im erstern Fall möchte ich mich an Ihre mir so äußerst gütig angebotene Vermittlung wenden, da ich nicht zweifle, daß dieses Werk nicht weniger interessant sein wird, als die vorhin genannten. Bin ich nicht zu unbescheiden, wenn ich bitte bei dieser oder irgend einer andern künftigen Sendung mir auch ein Paar bellettris[tis]che Sachen mitzuschicken, ich habe gedacht etwa die Ʉaɩɢɬaɧcɤaɹ ɞoɱɤa von Puschkin, und ein Roman eines ungenannten der wenn ich richtig buchstabirt habe ɇepoɜɧɹ59 heißen wird, und der eine treue Schilderung der sociellen [sic] Zustände Russlands besonders bei den mittlern Stenden enthalten soll. Wenn ich mich recht erinnere, waren diese beiden Productionen in einem (übrigens etwas sehr oberflächlichen) Artikel über die russische Literatur 55 Mogiljow, eine am Dnepr gelegene Stadt. 56 Originaltitel: „Ɂɚɩɢɫɤɢ 1814 ɢ 1815 ɝɨɞɨɜɴ“ – Zapiski 1814 i 1815 godov (Michajlovskij-Danilevskij 1832). Die Tatsache, dass sich Gauß mit Michajlovskij-Danilevskij beschäftigt hat, könnte auch damit zusammenhängen, dass Gauß diesen wohl persönlich kannte. Aleksandr Ivanovič Michajlovskij-Danilevskij hatte nämlich 1808 eine Harzreise unternommen, die literarisch ihren Niederschlag fand, und er hatte von 1809 bis 1811 vier Semester lang an der Universität Göttingen studiert. 57 Michajlovskij-Danilevskij beschrieb als Augenzeuge den Besuch von Alexander I., Friedrich Wilhelm III. und Franz I. in der Ofner Sternwarte. Dabei bemerkte er, dass die wunderschöne Donaulandschaft, die vom Blocksberg zu sehen war, das Publikum mehr fesselte als der Vortrag von Reichenbach. 58 „Geschichte des vaterländischen Krieges im Jahre 1812 auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers von Russland“ (Michajlovskij-Danilevskij 1840). 59 Originaltitel: „ɇepoɜɧɹ“ (Nerovnja). Diese Erzählung von Vasilij Ivanovič Orlov wurde 1839 im Journal für Literatur, Politik und moderne Geschichte „Syn Otečestva“ (Bd. 10, S. 75–148) mit dem Untertitel „Aus den Notizen eines russischen Arztes“ veröffentlicht (Kol’man 1955, S. 394).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

von Varnhagen von Ense, in Ermanns [sic] Zeitschrift60 ganz besonders gepriesen. Ihre Auslagen werde ich dankbarlichst auf irgendwelchem mir angezeigten Wege erstatten. Jede durch 10, 18 oder 24 divisible Summe von Silberrubeln, oder in solche Zahlen zerlegbare, – kann ich auch direct durch in Petersburg zahlbare Coupons – die man sich hier leicht verschaffen kann – soldiren. Ich erlaube mir, noch eine Notiz, den jetzt sichtbaren Cometen betreffend,61 beizufügen. Die bisher mir bekannt gewordenen Bahnbestimmungen, gründen sich bloß auf Beobachtungen die 1 und 1 Tag von einander entfernt waren, und verdienen daher wenig Vertrauen. Ich habe deshalb den Dr. Goldschmidt aufgefordert, auf die jetzt schon etwas längere Zeit umfassenden Beobachungen eine Bestimmung zu gründen. Er hat angewandt Mauvais Beobachtung vom 7 Julius, Rümkers Beobachtung vom 16 Jul[ius] und eine von mir vom 23 Julius. Seine parabolischen Elemente sind 1844 Oct. 17, 3537 m. Berliner Zeit Durchgangszeiten durchs Perihelium 180° 17ƍ 50Ǝ Länge der Sonnennahe 31.43.13 Länge des aufsteig[enden] Knoten 48.38.23 Neigung der Bahn 9.9309242 Logarithm des Abstandes im Perihel Rücklaufend Bewegung Ich theile auch eine kleine Ephemeride mit, so weit sie zu der Zeit, wo dieser Brief muthmaasslich nach Petersburg kommt, nicht schon abgelaufen ist. 1844, 12h m[ittlere] Berliner Zeit AR. Nordl[iche] Decl[ination]

60 Varnhagen von Ense, Karl August: Neueste russische Litteratur. Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland, hrsg. von Georg Adolph Erman. Bd. 1, 1841, S. 231– 238. Hier findet jedoch der Roman „Nerovnja“ keine Erwähnung. 61 Komet 1844 II (Mauvais) war vom 8.7.1844 bis zum 10.3.1845 sichtbar.

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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Ihrem freundlichem Andenken mich angelegentlichst und gehorsamst empfehlend C. F. Gauß Göttingen 29 Julius 1844

Brief 10. Paul Heinrich Fuß an Gauß, 25. Juli/ 6. August 1849 (Michajlovskoe) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Paul Heinrich Fuß 6 (2 S.)

Michailovskoje,62 Gouvernement Tula d[en] 25 Juli / 6 Aug[ust 18]49 Hochwolgeborner Innigst verehrter Herr geheimer Hofrath u[nd] Ritter Aus den Zeitungen erst,63 u[nd] leider zu spät, um Ihnen noch ein Zeichen auch unserer Theilnahme geben zu können, erhielten wir die Kunde von der Feier Ihres fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums:64 Die Petersburger Akademie, die in Ihnen mit Stolz ihr ältestes Mitglied verehrt,65 die in ihrem Schooße zwar keinen Ihrer Wähler mehr, wohl aber viele Ihrer dankbaren Schüler u[nd] aufrichtigen Bewunderer zählt, würde sich gewiß an dem schönen Feste mit betheiligt haben, wenn ihr nur die Nachricht davon rechtzeitig zugekommen wäre. Wenn nun gleich verspätet, werden Sie gewiß die aufrichtigen Wünsche, die ich Ihnen im Namen unserer Akademie zu der begangenen Jubelfeier sende, freundlich u[nd] gütig entgegennehmen u[nd] der Versicherung Glauben schenken, daß der hohe Werth Ihrer unsterblichen Arbeiten auch bei uns bewundernd erkannt wird. Möge die gütige Vorsehung uns die Befriedigung gewähren, in drei Jahren das Versäumte einzuholen durch eine würdige Feier Ihrer 50 jährigen Mitgliedschaft an unserer Akademie. Vor einiger Zeit trug ich Buchhändler Voß66 in Leipzig auf, Ihnen ein Exemplar der von mir edirten Commentationes arithmeticae collectae Euleri67 in meinem Namen zu übersenden u[nd] habe auch Nachricht erhalten, daß dies geschehen sei. Vielleicht ist dieses Buch gerade zu rechter Zeit in Ihre Hände gelangt um zugleich als Festgeschenk gelten zu können. Dies sollte mich herzlich freuen; jedenfalls wird es Ihnen ein willkommenes gewesen sein. Das Datum dieses Briefes zeigt, daß ich Ihnen aus dem Herzen Rußlands schreibe.

62 Die Ortschaft Michajlovskoe liegt bei Tula, südlich von Moskau. 63 Beispielsweise berichtete die sehr verbreitete „Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen“ (Vossische Zeitung) am 21.7.1849 über das fünfzigjährige Doktorjubiläum von Gauß (Nr. 167, Erste Beilage). 64 Am 16.7.1849 feierte Gauß in Göttingen sein 50-jähriges Doktorjubiläum. 65 Gauß war am 31.1./12.2.1802 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und am 24.3./5.4.1824 Ehrenmitglied geworden. 66 Leopold Voß. 67 „Leonhardi Euleri Commentationes arithmeticae collectae“ (Euler 1849).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Die Verheiratung meiner Tochter an den Collegi[enrath] Dr Bergsträßer aus Naßau,68 der hier die schönen Güter des Hoch[---] Bobrinsky69 verwaltet,70 hat mich zu einer Ferienreise in diese Gegend [ver]anlaßt, von der ich in einigen Wochen, wills Gott, gestärkt nach Petersburg zurückzukehren hoffe. Genehmigen Sie, hochgeehrter Herr geheimer Hofrath, die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung mit der ich verharre Ew. Hochwolgeborener ergebenster Diener Fuss

Brief 11. Gauß an Paul Heinrich Fuß, 11. September 1849 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Paul Heinrich Fuß 4 (2 S.)

Verehrtester Herr Statsrath. 7

Für die in Ihrem Schreiben vom 29 August71 freundlich bezeugte Theilnahme an der Vollendung meines fünfzigjährigen Zeitraumes seit meiner Erwerbung der Doctorwürde, habe ich Ihnen meinen herzlichsten Dank abzustatten. Eine neue tiefgefühlte Dankverpflichtung haben Sie mir aufgelegt durch das höchst schätzbare Geschenk der zwei Bände Eulerscher Commentationes Arithmeticae,72 die mir durch Vermittlung einer hiesigen Buchhandlung im Anfang des vorigen Monats zugekommen sind: allein erst aus Ihrem gütigen Schreiben erfuhr ich, daß ich speciell Ihnen selbst dafür verpflichtet bin. Die angenehme Nachricht von dem Erscheinen dieses Werkes hatte ich schon am Jubiläumstage durch die Herren Jacobi und Dirichlet erhalten, die die Feier dieses Tages mit ihrer Anwesenheit beehrten.73 68 P. H. Fuß’ Tochter Natalie Helene Susanne heiratete am 29.6.1849 Karl Benignus Bergsträßer. 69 In dem Originalbrief ist hier eine Ecke ausgeschnitten worden, so dass einige Wörter fehlen. 70 Wahrscheinlich Graf Aleksej Alekseevič Bobrinskij, bekannter Landwirt und Zuckerproduzent. 71 Fuß’ Brief stammte vom 25.7./6.8.1844 (Brief Nr. 10). Aber das Datum weist eine größere Differenz als 12 Tage auf, die damalige Differenz zwischen dem Kalender alten und demjenigen neuen Stils. Der Brief war möglicherweise am 29.8.1844 in Gauß’ Hände gelangt, oder Gauß hat versehentlich 29 anstelle von 19 geschrieben. 72 „Leonhardi Euleri Commentationes arithmeticae collectae“ (Euler 1849). 73 Carl Gustav Jacob Jacobi berichtete darüber am 21.9.1849 seinem Bruder Moritz Hermann in St. Petersburg: „Dass ich mit D i r i c h l e t zu G a u s s Jubiläum war, wirst Du wohl wissen. Ich hatte dort den Ehrenplatz neben ihm und hielt einen grossen speech. Du weisst, er hat in den 20 Jahren weder mich noch D. jemals citirt; diesmal aber wurde er nach einigen Gläsern süssen Weines so über sich weggerissen, dass er zu D., der sich gegen ihn rühmte, mehr vielleicht als irgend ein andrer seine Schriften studirt zu haben, sagte, er habe sie nicht bloss studirt, er sei weit darüber hin-

4. Paul Heinrich Fuß (1798–1855)

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Die besondere Herausgabe der kleinern Eulerschen Abhandlungen ist gewiß etwas höchst verdienstliches, da sie doch im Original nur an wenigen Orten zugänglich sind, und das Studium aller Eulerschen Arbeiten doch stets die beste durch nichts anderes zu ersetzende Schule für die verschiedenen mathematischen Gebiete bleiben wird. Aber eine angenehme Überraschung gewährt die Bekanntmachung der bisher ungedruckten Aufsätze: es sind köstliche Kleinode, und ich freue mich im Voraus auf die Zeit, wo eine freiere für jetzt mir noch abgehende Muße mir verstatten wird, mich näher damit bekannt zu machen.74 In ausgezeichnetster Hochachtung empfehle ich mich Ihrem freundschaftlichen Andenken angelegentlichst und ergebenst C. F. Gauß Göttingen 11 September 1849

ausgegangen. Ein wissenschaftliches Gespräch ist mit G. nicht mehr gut zu entriren; er sucht es zu vermeiden, indem er in continuirlichem Fluss die uninteressantesten Dinge spricht“ (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 227–228). 74 „Leonhardi Euleri Commentationes arithmeticae collectae“ (Euler 1849); „Opera inedita“ im zweiten Band.

Abb. 25. Carl Jaenisch Aus: Deutsches Wochenschach 27, 1908, Beilage, zwischen S. 230/231.

5. Carl Jaenisch (1813–1872) Ʉɚɪɥ Ⱥɧɞɪɟɟɜɢɱ əɧɢɲ / Karl Andreevič Janiš (Jänisch, Jenisch, Janisch)

5.1. Carl Jaenischs Lebenslauf im Überblick * 11./23.4.1813

ca. 1833–1840 1837 ca. 1838–1840 1838 1840 Juni/Juli 1841 1842 1842 um 1845 ab 1850 1851 1854 1862–1863 † 7./19.3.1872

Carl (Charles) Ferdinand Jaenisch geboren in Wyborg im Großfürstentum Finnland in der Familie des Kommerzienrates Andreas Jaenisch Studium am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege in St. Petersburg, an dem Michail Vasil’evič Ostrogradskij Vorlesungen über Angewandte Mathematik hielt Gehilfe bzw. Assistent von Ostrogradskij bei Vorlesungen über Mechanik am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege Veröffentlichung des schachtheoretischen Werks „Découvertes sur le cavalier aux échecs“ Repetitor für Mechanik am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege in St. Petersburg Veröffentlichung des Werks über die Grundlagen von Gleichgewicht und Bewegung: „O načalach ravnověsija i dviženija“ Verzicht auf eine wissenschaftliche Karriere Besuch bei Heinrich Christian Schumacher in Altona Veröffentlichung des schachtheoretischen Werks „Analyse nouvelle des ouvertures du jeu des échecs“ in St. Petersburg Aufenthalt in Berlin Tätigkeit im Finanzministerium Russlands im Departement für Außenhandel Theoretische Arbeiten über die Anwendung mathematischer Methoden auf das Schachspiel Teilnahme am ersten internationalen Schachturnier in London Jaenisch gilt als einer der weltweit besten Schachspieler Veröffentlichung des grundlegenden Werkes „Traité des applications de l’analyse mathématique au jeu des échecs“ in St. Petersburg gestorben in St. Petersburg

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Carl Friedrich Gauß und Russland

5.2. Miszellen zu Leben und Werk Carl Ferdinand Jaenisch wurde in Wyborg im Großfürstentum Finnland geboren.1 Seine Kindheit verbrachte er vorwiegend in Moskau. Karriere machte er in St. Petersburg, wo er auch starb. Genauer gesagt, durchlief Jaenisch zwei ganz verschiedene Karrieren, eine als Wissenschaftler auf dem Gebiet der theoretischen Mechanik und eine als Schachmeister und Theoretiker des Schachspiels.2

5.2.1. Wissenschaftliche Laufbahn: Theoretische Mechanik An Literatur über Jaenischs Leistungen auf dem Gebiet des Schachspiels mangelt es wahrhaftig nicht, über seine naturwissenschaftliche Karriere hingegen gibt es nur spärliche Nachrichten, vor allem fehlt es an verlässlichen Jahreszahlen. Offensichtlich studierte Jaenisch vor 1833 am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege, das im Jahre 1809 gegründet worden war (Amburger 1966, S. 495). Jaenischs Mathematiklehrer am Institut war Michail Vasil’evič Ostrogradskij, der 1828 nach St. Petersburg gekommen war. Bereits am 17./29. Dezember 1828 wurde Ostrogradskij Adjunkt für Angewandte Mathematik an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und am 11./23. August 1830 Extraordinarius für Angewandte Mathematik, zu der auch die Theoretische Mechanik zählte. Am 21. Dezember 1831/2. Januar 1832 wurde er zum Ordentlichen Akademiemitglied für Angewandte Mathematik und am 15./ 27. Juni 1855 für Reine Mathematik gewählt. Ostrogradskij war in den folgenden Jahren der führende Vertreter der Angewandten Mathematik nicht nur in der Akademie, sondern in allen Angelegenheiten, die die Theoretische Mechanik betrafen. Er hatte großen Einfluss, auch weit über die Akademie hinaus. Ostrogradskij unterrichtete an mehreren Technischen und Militärhochschulen sowie am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, seit 1831 auch am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege. Dort wurde Jaenisch um 1833 – das genaue Datum ist nicht bekannt – sein Gehilfe und Assistent (Adjunkt). Bereits am 7./19. November 1834 stellte Ostrogradskij in der Akademie der Wissenschaften seine neuen Ergebnisse aus dem Bereich der Mechanik unter dem Titel „Considérations générales sur les momens des forces“ 1

2

Das Großfürstentum Finnland war von 1809 bis 1917 ein mit einer weitgehenden inneren Autonomie ausgestatteter Teil des Russländischen Imperiums. Die in Wyborg am 21.4./3.5.1830 ausgestellte Geburtsurkunde von Jaenisch wurde von D. Gorodin und A. Kentler veröffentlicht: http://www.e3e5.com/upload/articles/images/808227668. jpg (Stand 1.2.2011). Siehe den Nachruf auf Jaenisch in der Zeitschrift „ȼɫɟɦiɪɧɚɹ ɢɥɥɸɫɬɪɚɰiɹ“ (Vsemirnaja illjustracija) von 1872, Nr. 167, S. 183, sowie die biographische Skizze in: ebenda, 1871, Nr. 123, S. 307.

5. Carl Jaenisch (1813–1872)

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vor, die aber erst 1838 in den „Mémoires“ der Akademie veröffentlicht wurden (Ostrogradskij 1838a). In demselben Jahr 1838 wurde noch ein weiterer Beitrag Ostrogradskijs in derselben Zeitschrift publiziert, nämlich sein „Mémoire sur les déplacemens instantanés des systèmes assujettis à des conditions variables“ (Ostrogradskij 1838b). Jaenisch wurde nunmehr durch Ostrogradskijs „Considérations“ angeregt, ein wissenschaftliches Werk über Mechanik für russische Leser, das heißt in russischer Sprache, zu veröffentlichen. Ob Ostrogradskij Jaenisch sein Manuskript zur Verfügung gestellt oder in Gesprächen mit Jaenisch von seinen Ergebnissen berichtet hatte, ist nicht bekannt. Jedenfalls erschien in demselben Jahr 1838, in dem Ostrogradskijs beide Beiträge veröffentlicht wurden, auch Jaenischs mehr als 400 Seiten umfassendes Werk über die Grundlagen von Gleichgewicht und Bewegung: „O načalach ravnověsija i dviženija“3 (Jaenisch 1838). Es sollte dies nur der erste Teil einer noch größeren Darstellung sein. Das Buch enthält nicht nur die damals bekannte Theoretische Mechanik, sondern darüber hinaus auch Ostrogradskijs unter dem Titel „Considérations“ veröffentlichte Ergebnisse sowie auch Jaenischs eigene Forschungen. Im Vorwort vom 26. Mai/7. April 1838 äußerte sich Jaenisch in sehr lobender Weise über seinen Lehrer. Für ihn war Ostrogradskij eine ganz besondere Persönlichkeit, die entscheidende Impulse für die Entwicklung der Wissenschaften gegeben habe und in der sich die Entwicklung der gesamten Wissenschaft widerspiegele. Jaenisch gesteht, dass er alle seine Kenntnisse in der Mechanik Ostrogradskij zu verdanken habe und dass der Einfluss seines Lehrers auf seine Arbeit von entscheidender Bedeutung gewesen sei (ebenda, S. VII–X). Nicht berücksichtigen konnte Jaenisch dagegen Ostrogradskijs zweiten Beitrag „Mémoire sur les déplacemens instantanés des systèmes assujettis à des conditions variables“ (Ostrogradskij 1838b). Dafür mögen zeitliche Gründe die entscheidende Rolle gespielt haben. Im Jahre 1838 war Jaenisch, wie das Titelblatt seines Werkes aussagt, Repetitor für Mechanik am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege. Wie er acht Jahre später ausführte, sollte sein Werk kein Lehrbuch sein. Er habe vielmehr beabsichtigt, nur die abstraktesten mathematischen Sätze, auf denen die Mechanik zu begründen sei, streng systematisch darzustellen (Jaenisch 1846, S. 85). Darüber hinaus habe er zunächst den Plan gehabt, diejenigen neuen und vortrefflichen Ideen über die Theorie des Gleichgewichts und der Bewegung, welche Ostrogradskijs Abhandlung „Considérations générales sur les momens des forces“ (Ostrogradskij 1838a) enthalte, für russische Leser zu bearbeiten. Allerdings ergänzte Jaenisch Ostrogradskijs Darstellung um eigenständige Erweiterungen bzw. Hinzufügungen, beispielsweise über das Prinzip der erlaubten Ortsveränderungen. Auch ließ er den vorgestellten Sätzen stets Beweise folgen (Jaenisch 1846, S. 86–87).

3

Originaltitel: „Ɉ ɧɚɱɚɥɚɯɴ ɪɚɜɧɨɜ࣎ɫiɹ ɢ ɞɜɢɠɟɧiɹ“.

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Das Titelblatt von Jaenischs Werk über die Grundlagen von Gleichgewicht und Bewegung „O načalach ravnověsija i dviženija“ (Jaenisch 1838) schmückt ein Gedicht von Goethe in deutscher Sprache:4 Wenn im Unendlichen dasselbe Sich wiederholend ewig fliesst, Das tausendfältige Gewölbe Sich kräftig in einander schliesst; Strömt Lebenslust aus allen Dingen, Dem kleinsten wie dem grössten Stern, Und alles Drängen, alles Ringen Ist ew’ge Ruh’ in Gott dem Herrn.

Ein Herz für Poesie sowie ein dichterisches Talent waren in der Familie von Jaenisch verbreitet. Eine seiner Verwandten, Karolina Karlovna Pavlova-Janiš, war eine bekannte russische Dichterin und pflegte Bekanntschaft mit Aleksandr Sergeevič Puškin und mit Alexander von Humboldt.5 Das Werk von Jaenisch war dem Grafen Karl Fëdorovič Tol’ gewidmet, der durch seine Heldentaten unter anderem während des Krieges gegen Napoleon bekannt geworden war und seit 1833 als Hauptdirigent des Ressorts für Verkehrswege und öffentliche Gebäude amtierte, dem auch das Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege unterstand (Amburger 1966, S. 266). In seinem Buch präsentierte Jaenisch den Stoff in fünf Kapiteln: I. Von der Bewegung und von den Kräften II. Theorie der erlaubten Ortsveränderungen III. Das Prinzip der erlaubten Ortsveränderungen IV. Über die Lösung der statischen Probleme, mit einem Anhang über die Stabilität des Gleichgewichts V. Die dynamischen Prinzipien Dieses Werk von Jaenisch führte jedoch zu einer derartig heftigen Verstimmung zwischen ihm und Ostrogradskij, dass Jaenisch seine wissenschaftliche Karriere zwei Jahre später, im Jahre 1840, abbrach und schließlich an das Finanzministerium wechselte. Der Beginn seines Dienstes fällt in die Amtszeit von Georg von Cancrin, der von 1823 bis 1844 russischer Finanzminister war. Aus dem Brief von Jaenisch an Gauß vom 12./24. Dezember 1845 folgt, dass Jaenisch zu diesem Zeitpunkt im Finanzministerium als Leiter der ersten Sektion des Departments für Außenhandel wirkte. Jaenischs zusammenfassende, an sein Werk „O načalach ravnověsija i dviženija“ (Jaenisch 1838) geknüpfte Veröffentlichung, nämlich die auf deutsch 4

5

Goethe, Johann Wolfgang von: Zahme Xenien VI, Zeile 1766–1773 (1827). In: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. I. Abteilung, Sämtl. Werke Bd. 2: Gedichte 1800–1832, hrsg. von Karl Eibl. Frankfurt 1988, S. 680. Siehe den Brief von Alexander von Humboldt an Karolina Pavlova, geb. Janiš, vom 19.6.1858 (Potsdam) in: Briefwechsel Humboldt–Russland 1962, S. 189–190.

5. Carl Jaenisch (1813–1872)

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verfasste Abhandlung „Ein Russisches Werk über Statik und Dynamik“, erschien im Jahre 1846 im „Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland“ (Jaenisch 1846).

5.2.2. Schachmeister und Theoretiker des Schachspiels Schon in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts nahm Jaenisch aktiv am Schachleben in St. Petersburg teil. Er spielte Schach auch mit Hilfe von Briefen, die er mit Schachmeistern in Dorpat wechselte. Im Jahre 1837 veröffentlichte er sein erstes schachtheoretisches Werk „Découvertes sur le cavalier aux échecs“ (Jaenisch 1837). In den Jahren 1838 und 1839 führte er die St. Petersburger Schachmannschaft an, die gegen Dorpat spielte, dabei allerdings verlor. In St. Petersburg erschien von 1842 bis 1843 sein grundlegendes Werk „Analyse nouvelle des ouvertures du jeu des échecs“ (Jaenisch 1842/43), das später auch ins Englische übersetzt wurde. Ein Exemplar dieses Werkes wollte Jaenisch offensichtlich Heinrich Christian Schumacher zukommen lassen, da ein Buch mit seiner persönlichen Widmung vorhanden ist.6 Jaenisch stand mit vielen der damaligen Schachmeister in brieflichem und in persönlichem Kontakt. Darüber hinaus veröffentlichte er zahlreiche Artikel in den einschlägigen Schachzeitschriften wie „Le Palamède“, „The Chess Player’s Chronicle“, „Chess Monthly“ und in der „Schachzeitung“, die seit 1846 in Berlin erschien. Jaenisch ist der Schöpfer des nach ihm benannten „Jaenisch-Gambits“. Als im Jahre 1851 in London die Weltausstellung ausgerichtet wurde, fand dort gleichzeitig das erste internationale Schachturnier statt. Im Anschluss daran spielte Jaenisch gegen den englischen Schachmeister Howard Staunton, der in dieser Zeit als stärkster Schachspieler der Welt galt und dem er auch unterlag. Dagegen besiegte er den englischen Schachmeister Augustus Mongredien. Seit Jaenisch 1854 in St. Petersburg den führenden russischen Schachmeister Il’ja Šumov besiegt hatte, zählte er zu den besten Schachspielern der Welt. 1856 führte Jaenisch in der Zeitung „Sanktpetersburgskija vědomosti“7 erstmals in Russland eine Schachspalte ein. Jaenisch erwarb sich Verdienste nicht nur im praktischen Spiel, sondern auch durch seine theoretischen Arbeiten. Dabei spielten seine sehr guten mathematischen Kenntnisse eine entscheidende Rolle, denn Jaenisch zog für seine Untersuchungen analytische und kombinatorische Methoden der Mathematik heran. Als wichtigstes schachtheoretisches Werk gilt sein zweibändiges Traktat über die Anwendung der mathematischen Analyse auf das Schachspiel, „Traité des applications de l’analyse mathématique au jeu des échecs“, das in St. Pe6 7

Das Widmungsexemplar befindet sich heute in der Russländischen Nationalbibliothek in St. Petersburg. Originaltitel: „ɋɚɧɤɬɩɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤiɹ ɜ࣎ɞɨɦɨɫɬɢ“. Die Zeitung wurde seit 1728 von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg herausgegeben. Ihr Pendant in deutscher Sprache war die „St. Petersburger Zeitung“.

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tersburg in französischer Sprache veröffentlicht wurde (Jaenisch 1862/63). Dem ersten Band dieses Werkes stellte Jaenisch folgendes Gedicht in deutscher Sprache voraus (S. XI): Der edle Kampf. Zwei und dreissig Gestalten, verschieden geformt und gerüstet, In zwei Heere vertheilt, gleich an Zahl und an Kraft, Seh’ ich untereinander in künstlichem Kampfe begriffen, – Roher menschlicher Schlacht ein veredeltes Bild. Jede besondere Waffe wahrt streng die eigene Regel, Und doch alle beseelt eine erhabene Pflicht. Unbekannt mit Verrath und nie verzagt in Gefahren, Stürmen die Streiter dahin, treu bis zum Tod ihrem Herrn. Weder Launen des Glücks, noch missverstandne Befehle Dürfen hier stören den Plan, den sich der Feldherr erdacht. Die überlegene Führung, die feinern taktischen Künste Und der schärfere Blick sichern allein ihm den Sieg.

Darüber hinaus veröffentlichte Jaenisch im „Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland“ eine ausführliche Inhaltsangabe seines Buches. Hier erklärt er deutlich, welch inniger Zusammenhang zwischen der Integralrechnung mit endlichen Differenzen einerseits und der auf die Spieltheorie anwendbaren kombinatorischen Analytik und unbestimmten Analysis auf der anderen Seite bestehe (Jaenisch 1863, S. 628). Genau diesen Sachverhalt hatte er sich in seinem voluminösen Werke (Jaenisch 1862/63) zunutze gemacht.

5.3. Jaenisch und Gauß Jaenisch war unter den Korrespondenten von Gauß, die in Russland wirkten, der jüngste. Er war 36 Jahre jünger als Gauß. Im Jahre 1841 reiste Jaenisch nach Altona, wo er Heinrich Christian Schumacher einen Besuch abstattete. Auch Schumacher war ein begeisterter Schachspieler, wenn auch bei weitem kein so brillanter wie Jaenisch. Den Kontakt zwischen Gauß und Jaenisch vermittelte Schumacher.

5.3.1. Exkurs: Gauß und das Schachspiel Schumacher erwähnte in einem Brief an Gauß vom 22. August 1839 die zerstreuende Wirkung des Schachspiels: „Mir ist dabei eingefallen, ob Sie, wenn Sie überhaupt sich durch eine bisher Ihnen fremde Beschäftigung zerstreuen wollen, nicht vortheilhafter das Schachspiel gewählt hätten? Die unerschöpflichen Chancen dieses Spiels, die Feinheit der Berechnungen, die häufigen Gelegenheiten zu überraschenden Entscheidungen, [...] müssen es Ihnen noch interessanter machen, da Sie die mächtigsten Talente dazu mitbringen“ (Brief-

5. Carl Jaenisch (1813–1872)

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wechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 248). Gauß antwortete ihm am 8. September 1839: „Das Schachspiel ist mir keineswegs fremd, sondern in frühern Zeiten sehr familiär gewesen. Es ist aber meinen sonstigen Beschäftigungen zu sehr analog um als eine E r h o h l u n g betrachtet werden zu können, dazu ist etwas von jenen Heterogeneres nöthig“ (ebenda, S. 269). Im Jahre 1850 erfuhr Gauß von der Aufgabe, acht Königinnen auf einem Schachbrett so aufzustellen, dass keine von den andern geschlagen werden könne. Am 1. September 1850 informierte er seinen Freund Schumacher darüber (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1865: 6, S. 106–107). Darafhin entspann sich zwischen Schumacher und Gauß eine ausführliche Diskussion über dieses Problem, die sich über mehrere Wochen hinzog.8 Gauß benutzte hierbei sogar a + bi, um die Koordinaten auf dem Schachbrett auszudrücken (ebenda, S. 120). Am 5. Oktober 1850 schließlich resümierte Schumacher: „Meinen herzlichen Dank für Ihre Mittheilungen über das Schachproblem. Ich bewundere Sie, selbst wenn Sie solche Probleme vornehmen“ (ebenda, S. 123).

5.3.2. Inhalt der Briefe und Hintergrundinformationen Es gibt zwei Briefe von Jaenisch an Gauß, die beide in Göttingen aufbewahrt werden. Wie aus dem ersten Brief vom Jahre 1841 hervorgeht, hatte Jaenisch mit derselben Post auch sein Werk über die Grundlagen von Gleichgewicht und Bewegung „O načalach ravnověsija i dviženija“ an Gauß übersandt. Es befindet sich noch heute in der Gauß-Bibliothek und enthält eine Widmung: „Monsieur Ch. F. Gauss, professeur à Goettingue hommage de l’auteur“ (Jaenisch 1838; GB 455). Jaenisch berichtet in seinem Brief, dass er mit diesem Werk patriotische Absichten verfolgt habe. Er habe es der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vorgelegt, aber keinerlei Anerkennung erfahren. Die im Buch enthaltenen neuen Theoreme seien einfach nicht zur Kenntnis genommen worden. Hinter diesem Misserfolg vermutet Jaenisch nicht zu Unrecht Michail Vasil’evič Ostrogradskij, dessen Namen er zunächst nicht direkt nennt. In der Tat war Jaenisch im Jahre 1838 Assistent von Ostrogradskij gewesen. Ferner führt Jaenisch aus, dass er drei Jahre später seine wissenschaftliche Karriere an den Nagel gehängt habe; er verfolge mit diesem Werk keine wissenschaftlichen Absichten mehr, sondern wolle nur ein objektives Urteil von einem Fachmann hören, wie es ihn in Russland nicht gebe. Er erklärt auch einige der Sachverhalte, die in seinem Buch dargestellt sind. Gauß sollte also, wenn möglich, ein positives Gutachten schreiben, gewissermaßen als seelische Wiedergutmachung, war Jaenisch doch durch Ostrogradskijs Missachtung in erheblichem Maße gekränkt worden.

8

Siehe hierzu das „Achtköniginnenproblem“ mit ausführlichen Bemerkungen von Wilhelm Ahrens in: Gauß-Werke: 12, S. 19–28.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Abb. 26. Titelblatt von Jaenischs Werk „O načalach ravnověsija i dviženija“ (Jaenisch 1838) und die Widmung des Verfassers an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 455.

Am 26. Dezember 1841 ließ Schumacher Gauß wissen: „Der Major v. Jaenisch, der Ihnen, mein theuerster Freund, sein Buch über Mechanik (in russischer Sprache) gesandt hat, wünscht sehr Ihr Urtheil darüber zu wissen. Ich kann es mir vorstellen, dass Sie gerade das Urtheil, mit dem ihm gedient wäre, nemlich ein günstiges, nicht abgeben können, und das Urtheil, das Sie abgeben können, nicht abgeben mögen, und habe deshalb geantwortet: dass Sie mir nichts darüber geschrieben hätten. Dabei kann es auch recht gut bleiben, sollte indessen sich etwas günstiges über das Buch sagen lassen, so würden Sie ihm eine grosse Freude machen. Er beklagte sich, als er hier war, über . . . . . . , der in Petersburg eine Art von Dictatur in mathematischen Sachen auszuüben scheint, und von Jaenisch’s Arbeit keine Notiz nimmt, ob mit Recht oder Unrecht werden Sie am besten beurtheilen können“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1862: 4, S. 44). Die Pünktchen an der Stelle, wo man einen Namen erwartet, stehen nur in der gedruckten Version, im Originalbrief steht dort der Name „Ostrogradski“ (Lehfeldt 2011, S. 326–327). Gauß antwortete Schumacher am 29. Dezember 1841: „Mit dem Buche des Herrn

5. Carl Jaenisch (1813–1872)

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Jänisch verhält es sich doch nicht ganz so, wie Sie, mein theuerster Freund, vorauszusetzen scheinen. Es gibt zweierlei Arten, ein mathematisches Buch zu lesen, eine, wo man Zeile für Zeile &c. durchgeht, eine andere, wo man viel überspringt und nur das Wichtigere genau betrachtet. Zu dem erstern hätte meine Kenntniss der russischen Sprache wohl ausgereicht, aber ein Buch von 413 S. auf diese Art zu lesen, würde einen enormen Zeitaufwand kosten. Für die zweite Art zu lesen, wo man schnell einen summarischen Ueberblick muss fassen können, ist meine Sprachkenntiss noch viel zu unvollkommen, auch haben mancherlei andere Geschäfte mich seit einem halben Jahre kaum einen russischen Buchstaben anzusehen gestattet“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1862: 4, S. 45–46). Kurze Zeit später, am 6. Januar 1842, ergänzte Gauß seine Ausführungen: „Von Herrn Clausen’s Aufsatz habe ich nur Anfang und Schluss gelesen, da es mit dem Lesen, Wort für Wort, mir ungefähr eben so gehen würde, wie mit Jänisch’s Buche, indem die schlechte Handschrift in jenem und die mir nicht ganz geläufige Sprache in diesem ungefähr gleichen Erfolg hervorbringen“ (ebenda, S. 48). Das bedeutete, dass Gauß einfach keine Zeit hatte, um sich ein Urteil über Jaenischs Werk zu bilden. Zwischen dem ersten und dem zweiten Brief von Jaenisch vergingen viereinhalb Jahre. Offensichtlich nahm Jaenisch in der Zwischenzeit Kontakt zu Georg Adolf Erman auf und schrieb nun an Gauß: „Es geht um Herrn Erman in Berlin, Redakteur der Zeitschrift „Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland“, der die Verantwortung auf sich genommen hat, Sie zu bitten, durch meine Vermittlung, im Falle, dass Sie auf mein Werk einen Blick geworfen hätten, ihm einige Beobachtungen über mein Buch welcher Art auch immer, wenn möglich zukommen zu lassen, um seine Zeitschrift zu schmücken“ (Brief Nr. 2, dt. Übersetzung). Erman war Redakteur des „Archivs für wissenschaftliche Kunde von Russland“; er stand mit Gauß auf sehr gutem Fuß, wie seine Briefe an den Gelehrten zeigen.9 Des Weiteren gestand Jaenisch in diesem zweiten Brief an Gauß einige Fehler ein, die ihm in seinem Werk unterlaufen seien. Damals, im Jahre 1838, sei sein Kenntnisstand einfach ein anderer gewesen, so habe er damals Ostrogradskijs zweiten Beitrag (Ostrogradskij 1838b) noch nicht gekannt. Schließlich berichtete Jaenisch Gauß über seine Abhandlung „Ein Russisches Werk über Statik und Dynamik“ in Ermans „Archiv“ (Jaenisch 1846). Hierbei handelte es sich um eine ausführliche und selbstkritische Auseinandersetzung mit seinem eigenem Werk. Im Auftrag von Erman teilte Jaenisch Gauß mit, dass, falls dieser sich Notizen über diese Abhandlung gemacht haben sollte, diese im „Archiv“ veröffentlicht werden könnten. Gauß hatte Ermans Angebot bzw. Bitte offensichtlich nicht erfüllt oder nicht erfüllen können, weil er sich Jaenischs Werk gar nicht angeschaut hatte. Tatsache ist, dass im „Archiv“ keinerlei Stellungnahme, Anzeige etc. von Gauß im Zusammenhang mit Jae9

12 Briefe von Erman an Gauß von 1836 bis 1851, SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Erman, A.

330

Carl Friedrich Gauß und Russland

nisch zu finden ist. Gauß hat in der Tat in all den Jahren keine einzige Zeile im „Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland“ veröffentlicht, sondern lediglich einige Arbeiten aus diesem zitiert.

5.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2

Datum 30.6.1841 12./24.12.1845

Ort

Verfasser / Empfänger

Altona St. Petersburg

Jaenisch an Gauß Jaenisch an Gauß

Brief 1. Jaenisch an Gauß, 30. Juni 1841 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Ch. Jaenisch 1 (8 S.) Teilpublikation: Lehfeldt 2005a, S. 68–69; Lehfeldt 2011, S. 326.

Monsieur L’auteur du présent ouvrage fait preuve, sans doute, d’une grande présomption en empiétant sur ce que les sciences ont de plus précieux sur le temps d’un illustre savant. Je n’ai pu être décidé à cette démarche que par les10 conseils d’un de Vos amis de la bienveillance duquel je m’honore également du vénérable astronome Schumacher à Altona. Il m’a assuré que Vous Vous intéressiez à ce qui se publie en Russie, au point d’avoir, par un rare tour de force, appris la langue de ce pays par la seule lecture de ses auteurs. Le livre: „O ɧaɱaɥaxɶ paɜɧoɜ࣎ciɹ ɢ ɞɜɢɠeɧiɹ“11 que je publiai en langue russe uniquement dans un but patriotique, fut présenté dans le temps (1838–1839) à l’Académie des Sciences de St. Pétersbourg. J’ai su depuis qu’il y a eu résolution préméditée de condamner ou de déprécier entièrement mon ouvrage, car l’Académicien auteur de cette résolution, et avec lequel j’avais été très lié me l’a plus tard franchement avoué à moi-même. Bref, dans le jugement rendu par l’Académie, l’ouvrage, sans être entièrement désapprouvé, fut traité fort dédaigneusement, et les théorèmes nouveaux sur l’équilibre qu’il renferme ne furent pas même mentionnés. Je m’étais jusqu’alors très assidûment appliqué à l’étude des Mathématiques, spécialement de la Mécanique rationnelle, sous la direction de Mr. Ostrogradski dont j’étais professeur adjoint à l’Institut des Voies de Communications à St. Pétersbourg. Le mauvais succès de mon livre bravait consciencieux de près de trois ans, m’en dégouta entièrement, et j’abandonnai cette carrière. Aujourd’hui qu’elle est pour moi un passé que je considère avec calme, je ne désirerais connaître qu’une chose: l’opinion d’un savant distingué et impartial sur ce que mon livre renferme de différent des ouvrages publiés sur la Mécanique

10 Den Text von hier ab bis zu „moi-même“ hat Werner Lehfeldt transkribiert (Lehfeldt 2005a, S. 68–69, Nr. 33; Lehfeldt 2011, S. 326, Nr. 34). 11 Jaenisch 1838.

331

5. Carl Jaenisch (1813–1872)

rationnelle. Que l’opinion soit favorable ou défavorable peu m’importe, je m’y soumettrai volontiers ce juge intègre que je n’ai pu trouver en Russie, j’espère le rencontrer en Vous, Monsieur, si toutefois Vous estimerez l’ouvrage digne de Votre attention. Dans le cours du voyage que j’ai entrepris pour mon instruction, j’aurai l’honneur de Vous présenter mes hommages, si ce n’est cette année, à coup sûr au moins l’année prochaine,12 et je pourrai alors entendre l’arrêt de Votre propre bouche. Veuillez excuser, Monsieur, ces détails personnels qui ne sauraient Vous intéresser, ainsi que deux éclaircissemens que je dois ajouter ici au sujet de mon livre. Le premier, c’est que la théorie du mouvement des systèmes qui s’y trouve exposée au Chapitre V, a été considérablement perfectionnée dans un mémoire imprimé par M. Ostrogradski quelques mois après la publication de mon livre sous le titre de „Mémoire sur les déplacemens instantanés des systèmes etc.“13 (parmi les Mémoires de l’Académie des Sciences de St. Pétersbourg). Quant aux cas de l’équilibre traités dans la IIme section du Chapitre IV de mon ouvrage aucun géomètre, que je sache ne les a analysés avant moi, et j’ignore si quelque auteur a depuis poussé plus loin cette théorie, ce que j’aurais beaucoup désiré. La démonstration du principe des vitesses virtuelles que je donne au Chapitre III est basée sur celle d’Ampère, mais on ne saurait me contester, je crois, son extension aux cas ou14 les conditions de liaisons du système sont exprimées par des inégalités. Ma seconde observation est relative à ce que j’ai emprunté dans le Ier Chapitre aux principes méthaphysiques de Kant. Je regrette sincèrement de m’être laissé entraîner à blâmer d’une manière irréfléchie et trop violente le système atomistique de la matière, j’aurais dû être beaucoup plus calme et plus impartial. En général plusieurs paragraphes du Ier Chapitre de mon livre se ressentent d’idées empruntées aux systèmes de la philosophie idéaliste, qui n’est qu’un panthéisme déguisé, et que pour cela je condamne formellement aujourd’hui. Vous demandant mille pardons de Vous avoir ennuyé pendant si longtemps j’ai l’honneur d’être Monsieur Votre très humble admirateur C. Fr. de Jaenisch major russe en retraite et chevalier. Altona, ce 30 Juin 1841.

Brief 2. Jaenisch an Gauß, 12./24. Dezember 1845 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Ch. Jaenisch 2 (4 S.)

St. Pétersbourg, ce

12 24

Décembre 1845

Monsieur, Veuillez bien excuser la liberté que prend un de Vos sincères, mais obscurs admirateurs de venir brusquement se rappeler à Votre souvenir. Pendant un court sé12 Es ist wohl nicht dazu gekommen, dass Jaenisch Gauß einen Besuch abgestattet hat. 13 Ostrogradskij 1838b. 14 Richtig: où.

332

Carl Friedrich Gauß und Russland

jour que je fis à Altona en 1841, j’eus, comme Vous le savez, Monsieur, l’honneur de Vous envoyer un exemplaire de mes „Principes de l’équilibre et du mouvement“, publiés en 1838 à St. Pétersbourg, en langue russe (O ɧaɱaɥaxɶ paɜɧoɜ࣎ciɹ ɢ ɞɜɢɠeɧiɹ. ɑacɬɶ ɉepɜaɹ).15 Mr. de Schumacher, qui m’honore de Son amitié, avait bien voulu alors m’encourager à cet envoi, en m’assurant que Vous prenez un vif intérêt à la littérature russe en général et en particulier aux faibles essais que cette littérature a faits jusqu’à présent dans la carrière des mathématiques, essais surgissant par malheur, dans un siècle qui tout absorbé par l’industrialisme et les exigences matérielles des sociétés humaines, ne donne que peu d’attention, en général aux études scientifiques abstraites. Je n’aurais certainement pas eu le courage de venir Vous reparler d’un ouvrage qui ne saurait mériter une attention particulière de Votre part, ni réclamer pour lui un seul des instans précieux à l’Europe savante, que Vous consacrez aux travaux scientifiques. C’est Mr. Erman de Berlin, rédacteur de la revue „Archiv für wissenschaftliche Kunde von Rußland“ qui a pris sur lui la responsabilité de Vous prier, par mon intermédiaire, en cas que, depuis 1841, Vous eussiez jeté sur le papier quelques observations que ce soient sur mon livre, de les lui faire parvenir, si cela est possible, pour en faire un ornement de sa revue. Ce véritable sacrifice de Votre part servirait, sans doute, à mériter à cette revue une attention particulière du monde savant, attention dont les dites „Archives“ ne sont pas trop favorisés [sic] en ce moment. Je crois ne pas avoir besoin de revenir ici sur l’énumération des défauts les plus saillans de mon ouvrage, dont je me suis convaincu depuis sa publication, et qui, certes, n’ont pas pu Vous échapper. La malheureuse idée que j’ai eu d’y faire un certain éloge du système dynamique de la matière, que je réprouve à présent de toutes mes forces, ne peut, il est vrai, retomber que sur l’auteur, comme il était en 1838, et non en 1845. L’exposé des principes du mouvement (Chap. V) devrait être complété par les résultats d’un mémoire de Mr. Ostrogradski, publié vers la fin de l’année 1838 dans les Mémoires de l’Académie des Sciences de St. Pétersbourg,16 et que j’annonce dans mon traité, mais que [sic] n’avait pas encore paru lors de sa publication. Quant à la théorie de l’équilibre des systèmes de points matériels liés par un plus grand nombre d’inégalités de liaison qu’il n’y a de coordonnées, cette théorie, comme je l’annonce moi-même, n’est qu’un essai incomplet et il serait possible que quelque autre géomètre l’eut complétée depuis, mais à mon insu, car j’ai entièrement abandonné les études mathématiques depuis 1840. Veuillez agréer, Monsieur, l’hommage de ma respectueuse considération Charles de Jaenisch

[Am Rand der Seiten 1r und 1v]: Adresse: au chef de bureau de la 1ere Section du Département du Commerce Extérieure du Ministère Impérial des finances, Ch. de Jaenisch, Chevalier etc. à St. Pétersbourg.

15 Jaenisch 1838. 16 Ostrogradskij 1838b.

6. Carl Heinrich Kupffer (1789–1838) Ʉɚɪɥ əɤɨɜɥɟɜɢɱ Ʉɭɩɮɟɪ / Karl Jakovlevič Kupfer

6.1. Carl Heinrich Kupffers Lebenslauf im Überblick * 1./13.12.1789

1806–1809 1810–1811 1813 1819/20 1820–1835 1824 12.6.1824 1828 28.2.1831 1833 1835 † 11./23.1.1838

Carl Heinrich Kupffer geboren in Mitau in Kurland in der Familie eines Kaufmanns; der ältere Bruder von Adolph Theodor Kupffer Studium an der Universität Dorpat Studium an der Bauakademie in Berlin Promotion zum Dr. phil. an der Universität Dorpat Hauslehrer in St. Petersburg Vorlesungen in Mathematik an der Universität Dorpat Tätigkeit als wissenschaftlicher Lehrer und ab 1823 als Oberlehrer für Mathematik am Gouvernementsgymnasium in Reval Errichtung einer privaten Lehranstalt in Reval zusammen mit Philipp Willigerod und Friedrich Franz Kosegarten Heirat mit Marie Henriette Bruhns Ernennung zum Hofrat Heirat mit Friederike Bruhns, drei Söhne Ernennung zum Kollegienrat Professor für Reine Mathematik am Lyzeum des Fürsten Bezborodko in Neshin gestorben in Neshin

334

Carl Friedrich Gauß und Russland

6.2. Miszellen zu Leben und Werk Carl Heinrich Kupffer stammte aus einer Kaufmannsfamilie in Mitau im Herzogtum Kurland, das 1795 bei der Dritten Polnischen Teilung an das Russländische Imperium kam und als Gouvernement organisiert wurde. Er war zehn Jahre älter als sein Bruder Adolph Theodor und besuchte in seiner Heimatstadt das Akademische Gymnasium, die Academia Petrina,1 wobei ihn vor allem die Mathematik faszinierte. Von 1806 bis 1809 studierte er an der Universität Dorpat. Die nächsten zwei Jahre verbrachte er an der Bauakademie in Berlin. Im Jahre 1813 wurde Kupffer in Dorpat mit der Arbeit „De summatione serierum secundum datam legem differentiatarum“ promoviert (Kupffer, C. H. 1813). Sein Doktorvater war Johann Sigismund Gottfried Huth, der, nachdem Gauß im Jahre 1809 den Ruf nach Dorpat abgelehnt hatte, von Charkow nach Dorpat berufen worden war. Carl Heinrich Kupffer erwarb also an der Universität Dorpat den Doktortitel in demselben Jahr wie Magnus Georg Paucker und Wilhelm Struve. Als Huth im Jahre 1818 gestorben war, machte sich Carl Heinrich Kupffer Hoffnungen auf dessen Lehrstuhl. Um seine Position zu verbessern, hielt er mathematische Vorlesungen an der Universität und veröffentlichte in aller Eile sein Werk „Versuch einer Methode, durch welche sich bestimmen liesse, ob und in welcher Anzahl eine gegebene allgemeine algebraische Gleichung, von welchem Grade sie auch sei, imaginäre Wurzeln habe: nebst einer Untersuchung über die allgemeine Form völlig entwickelter vielgliedriger Funcktionen“ (Kupffer, C. H. 1819), das bereits als Manuskript vorlag. Doch es kam anders, als Kupffer es sich vorgestellt hatte. An die Universität Dorpat wurde Martin Bartels berufen, der 1821 von Kasan dorthin kam. So nahm Kupffer im Jahre 1820 eine Stelle als Gymnasiallehrer in Reval an, wo er schnell Karriere machte, indem er 1823 zum Oberlehrer für Mathematik ernannt wurde (Willigerod 1857, S. 110–111). In Reval pflegte er Kontakte zu dem Altphilologen Johann Conrad Philipp Willigerod, der in Göttingen geboren war und an der dortigen Universität bei Christian Gottlob Heyne studiert hatte. Seit 1806 wirkte Willigerod als Oberlehrer der Geschichte und der Klassischen Philologie am Gymnasium in Reval (Recke/Napiersky 1832: 4, S. 521). Carl Heinrich Kupffer stand auch in Verbindung mit dem Oberlehrer für Geschichte, Philosophie und Religion in Reval, Friedrich Franz Kosegarten, der, in Grevesmühlen geboren, an der Universität Rostock studiert hatte (Recke/Napiersky 1829: 2, S. 503–506). Zusammen mit Willigerod und Kosegarten gründete Kupffer im Jahre 1824 in Reval eine private Lehranstalt, die bis 1830 existierte (ebenda, S. 583). Später an ihn gerichtete Rufe an ein Gymnasium in Riga, um dort Latein zu unterrichten, und auf eine Professur an der

1

Die Academia Petrina in Mitau war im Jahre 1775 von dem letzten Herzog von Kurland, Peter von Biron, gegründet worden.

6. Carl Heinrich Kupffer (1789–1838)

335

Universität Kasan konnten Kupffer vorerst nicht mehr aus Reval weglocken (Willigerod 1838, Sp. 541). Im Jahre 1832 veröffentlichte Carl Heinrich Kupffer sein Lehrbuch „Anfangsgründe der Buchstabenrechnung und Algebra, mit Inbegriff der Combinationslehre und unbestimmten Analytik“ (Kupffer, C. H. 1832). Dieses Werk war dem russischen Minister für Volksaufklärung Sergej Semënovič Uvarov gewidmet. Als Zensor fungierte Friedrich Parrot. Das Manuskript hatte Magnus Georg von Paucker eingesehen und korrigiert. Das Lehrbuch von Kupffer enthält auch Übungsaufgaben „zur Repetition des mündlichen Unterrichts und zur eigenen weitern Fortbildung“. 1835 wechselte Carl Heinrich Kupffer von Reval nach Neshin in der Ukraine, wo er am Physikalisch-Mathematischen Lyzeum des Fürsten Bezborodko unterrichtete. Diese Lehranstalt war 1805 von dem Fürsten Aleksandr Andreevič Bezborodko als Gymnasium der höheren Wissenschaften für adelige Kinder gestiftet, doch erst 1820 eröffnet worden. Im Jahre 1832 war es in ein Physikalisch-Mathematisches Lyzeum umgewandelt worden. Graf Aleksandr Grigor’evič Kušelev-Bezborodko war von 1820 bis 1855 der Ehrenkurator dieser Anstalt (Amburger 1966, S. 487). Kurz vor seinem Tod erhielt Kupffer einen Ruf an die Universität des Heiligen Vladimir in Kiew, die 1833 gegründet und ein Jahr später eröffnet worden war. Diesen Ruf anzunehmen, blieb ihm aber keine Zeit übrig. Beim Wiederaufbau der Universitätsbibliothek in Neshin nach einem Brand zog er sich eine Erkältung zu, an deren Folgen er starb. Sein Freund Willigerod veröffentlichte in der Zeitschrift „Das Inland. Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland“ einen Nachruf auf ihn (Willigerod 1838).

6.3. „Učebnyj matematičeskij žurnal“ in Reval Ein wichtiges Ereignis beim Aufbau eines wissenschaftlichen Zeitschriftenwesens in Russland war die Gründung einer speziellen mathematischen Fachzeitschrift: „Učebnyj matematičeskij žurnal“2 im Jahre 1833 in Reval. Der Herausgeber dieses in russischer Sprache erscheinenden Journals für Mathematik und Unterricht war Carl Heinrich Kupffer. In dem Gründungsprogramm dieses Journals, das Kupffer am 16./28. März 1833 verfasste, betonte er die Wichtigkeit einer derartigen Publikation sowohl für die Bekanntmachung von Neuerscheinungen in der Mathematik als auch für die Unterstützung des mathematischen Unterrichts. Pro Jahr sollten vier Hefte erscheinen, die in Buchhandlungen in St. Petersburg, Moskau, Reval und Riga bestellt werden konnten. In den „Dorpater Jahrbüchern für Litteratur, Statistik und Kunst, besonders Russlands“ wurde eine Annonce des ersten Heftes veröffentlicht

2

Originaltitel: „ɍɱɟɛɧɵɣ ɦɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤiɣ ɠɭɪɧɚɥɴ“.

336

Carl Friedrich Gauß und Russland

und dabei hervorgehoben: „Der Rec[tor] ist von dem Journal sehr eingenommen“ (Bd. 2, 1834, S. 261). Dieses von Carl Heinrich Kupffer gegründete und herausgegebene Journal war überhaupt die erste mathematische Fachzeitschrift in Russland. Es hatte ca. 200 Subskribenten. Es erschienen aber nur zwei Jahrgänge, da Kupffer im Jahre 1835 eine Professur am Lyzeum des Fürsten Bezborodko in Neshin annahm und bald darauf verstarb. Im dritten und im vierten Heft des ersten Jahrgangs (1833/34) veröffentlichte Kupffer in russischer Sprache eine Besprechung von Martin Bartels „Vorlesungen über mathematische Analysis“ (Bartels 1833). Erst im Jahre 1860 wurde eine weitere mathematische Fachzeitschrift in Russland gegründet, nämlich der in Wilna herausgegebene „Věstnik matematičeskich nauk“3 (Bote der mathematischen Wissenschaften). Initiator war ein Absolvent der Universität Kasan. Doch war auch das Erscheinen dieser Zeitschrift nur von kurzer Dauer. Die Publikation musste schon 1863 aus Geldmangel eingestellt werden (Juškevič 1968, S. 321).

Abb. 27. Titelseite des ersten Heftes des Journals für Mathematik und Unterricht „Učebnyj matematičeskij žurnal“, Reval 1833 Exemplar der Akademischen Bibliothek der Universität Tallinn, Abteilung Baltica und Seltene Drucke.

3

Originaltitel: „ȼ࣎ɫɬɧɢɤɴ ɦɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɯɴ ɧɚɭɤɴ“.

6. Carl Heinrich Kupffer (1789–1838)

337

6.4. Inhalt der Briefe an Gauß Es sind drei Briefe von Carl Heinrich Kupffer an Gauß bekannt, die in Göttingen aufbewahrt werden, zwei Briefe aus dem Jahre 1819 und ein Brief aus dem Jahre 1832.

6.4.1. Bewerbung um die vakante Mathematikprofessur in Dorpat: 1819 Am 28. Juni 1819 immatrikulierte sich der jüngere Bruder Adolph Theodor Kupffer an der Universität Göttingen für das Studium der Medizin. Schon zwei Monate später, am 18./30. August 1819, richtete der ältere der Brüder, Carl Heinrich, einen Brief an Gauß. Es ging um die Besetzung des Lehrstuhls für Reine und Angewandte Mathematik an der Universität Dorpat, der durch den Tod von Huth im Jahre 1818 frei geworden war. In diesem Brief berichtete Carl Heinrich Kupffer Gauß über alle seine Aktivitäten, die er unternommen hatte, um sich in ein möglichst günstiges Licht zu setzen. Offensichtlich sandte Kupffer gleichzeitig sein nunmehr gedruckt vorliegendes Werk über die Anzahl der imaginären Wurzeln in algebraischen Gleichungen an Gauß, das aus zwei Teilen besteht (Kupffer, C. H. 1819). Kupffer hatte das Manuskript bereits 1814 und 1815 bei der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg eingereicht, von der es auch recht günstig aufgenommen worden war. Er entschuldigte sich bei Gauß dafür, dass das Manuskript in der Zwischenzeit aus Zeitmangel nicht weiter habe verbessert werden können. Ein günstiges Urteil von Gauß, wenn möglich in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ veröffentlicht, so argumentierte Kupffer, würde ihm vielleicht die ersehnte Professur bringen. Das Antwortschreiben von Gauß ist nicht erhalten. In ihm bestätigte Gauß wohl die mathematischen Fähigkeiten von Carl Heinrich Kupffer, er war aber mit dem ihm zugesandten Werk nicht ganz zufrieden und machte Verbesserungsvorschläge. Dies bedeutete, dass Kupffer als Bewerber um die Dorpater Professur ausschied. Doch zeigt der letzte Brief aus dem Jahre 1832, dass Carl Heinrich Kupffer nicht verletzt reagierte, sondern diese kritische Stellungnahme von Gauß zum Anlass genommen hatte, über seine künftige Karriere nachzudenken. Er sah ein, dass er nicht zum Wissenschaftler geboren sei, und wurde Mathematiklehrer.

6.4.2. Bewerbung um den Demidov-Preis: 1832 Im Jahre 1832 erschien in Reval Carl Heinrich Kupffers Lehrbuch „Anfangsgründe der Buchstabenrechnung und Algebra, mit Inbegriff der Combinationslehre und unbestimmten Analytik“. Dieses Werk ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden, denn der Autor hat es Gauß zusammen mit seinem letzten Brief vom 13./25. August 1832 übersandt (Kupffer, C. H. 1832; GB 490). Offensichtlich machte sich Kupffer Hoffnungen, für dieses Werk den De-

338

Carl Friedrich Gauß und Russland

midov-Preis zuerkannt zu bekommen, der in Russland eine hohe Auszeichnung bedeutete und sehr gut dotiert war. Diesmal war es der jüngere Bruder Adolph Theodor Kupffer, der Gauß um ein Gutachten bat (Brief Nr. 3). Ob Gauß ein solches Gutachten geschrieben hat oder nicht, ist unbekannt. Es ist auch nicht bekannt, wie er dieses Werk von Carl Heinrich Kupffer beurteilt hat. Den Demidov-Preis erhielt Kupffer nicht, dieser ging an Magnus Georg Paucker, dem man den vollen Preis für sein in deutscher Sprache verfasstes Manuskript „Handbuch der Metrologie Rußlands und seiner deutschen Provinzen“ zuerkannte (siehe S. 592).

6.5. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3

Datum 18./30.8.1819 7./19.9.1819 13./25.8.1832

Ort

Verfasser / Empfänger

Dorpat Dorpat Reval

Kupffer, C. H. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß

Brief 1. C. H. Kupffer an Gauß, 18./30. August 1819 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: C. H. Kupffer 1 (4 S.)

Hochwohlgebohrner Hochgeehrter Herr Hofrath; Indeß die Gelehrten Teutschlands stolz darauf sind, an Ihnen einen Mathematiker zu besizzen, den sie, wenn andere Nationen von ihren ausgezeichneten Köpfen reden, denselben entgegensezzen können, rühmen, die Sie persönlich kennen, Ihr wohlwollendes Herz. Wenn jenes, denn ein solcher Mann darf mit Kleinigkeiten nicht belästigt werden, mich schüchtern macht, Ihnen zu nahen, so giebt mir doch dieses, weil mein Bewußtseyn mir sagt, ich darf diesmal an Sie appelliren, wieder ein solches Vertrauen, daß ich mit Zuversicht Ew. Hochwohlgeb[oren] die Bitte, die ich an dieselben habe, vortrage. Der Lehrstuhl der Mathematik in Dorpat ist noch nicht besezt.4 Ich meldete mich den 1ten July dieses Jahres mit dem Wunsche, ihn einzunehmen, bei dem Rektor der Universität,5 mich auf die beiliegende Abhandlung,6 welche ich Ew. Hoch4 5 6

Bartels kam erst 1821 als Nachfolger von Huth nach Dorpat. Gemeint ist Gustav von Ewers, der von 1818 bis 1830 Rektor der Universität Dorpat war. „Versuch einer Methode, durch welche sich bestimmen liesse, ob und in welcher Anzahl eine gegebene allgemeine algebraische Gleichung, von welchem Grade sie auch sei, imaginäre Wurzeln habe: nebst einer Untersuchung über die allgemeine Form völlig entwickelter vielgliedriger Funcktionen“ (Kupffer, C. H. 1819).

6. Carl Heinrich Kupffer (1789–1838)

339

wohlgeb[oren] zu überreichen die Ehre habe, beziehend. Der Rektor antwortete mir: wer da wolle, daß die Universität auf ihn in dieser Hinsicht reflektire, müße sich entweder als Docent oder als Schriftsteller vortheilhaft bekannt gemacht haben; da ich als Docent noch nicht aufgetreten sey, so bleibe mir nur der zweite Weg übrig, um meinen Wunsch erfüllt zu sehn; er rathe mir daher die Abhandlung drukken zu laßen, und sie Ew. Hochwohlgeb[oren] zu übersenden mit der Bitte, dero Urtheil in einem öffentlichen Blatte, womöglich in den Göttinger gelehrten Anzeigen, auszusprechen. Was konnte mir angenehmer seyn, als diese Antwort des Rektors? Denn fällt Ihr Urtheil günstig aus, so kann ich ja auf keine ehrenvollere Weise in jene Stelle eingeführt werden; fällt es nicht günstig aus, wo fände die Universität einen gerechtern Grund, mich abzuweisen, und ich in diesem Falle eine beßere Beruhigung? Denn was nach der Gerechtigkeit geschieht, dabei kann man sich beruhigen. Jenen Rath also unverzüglich befolgend, ließ ich die Abhandlung drukken und habe nun die ergebene Bitte an Sie, Sie wollen dieselbe Ihrer geneigten Prüfung unterwerfen und Ihr Urtheil über dieselbe in den Göttingischen gelehrten Anzeigen niederlegen. Daß ich nicht voreilig Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehmen darf, fühle ich wohl. Ich kenne die Bescheidenheit, die man gegen einen Mann, auf den ja so viele aus vielerlei Gründen ihr Augenmerk richten werden, um seines Beistandes theilhaftig zu werden, beobachten muß. Daher habe ich die Ehre, Ihnen die Gründe vorzulegen, aus welchen ich diesmal Ihre Güte in Anspruch nehmen zu dürfen glaube. Ich reichte diese Abhandlung bei der Akademie der Wißenschaften in Petersburg in den Jahren 1814 u[nd] 1815 in 2 Abtheilungen ein. Sie fand eine günstige Aufnahme. Das Urtheil der Akademie, das ich als einen Auszug aus den Registern derselben erhielt, ist von der ersten Abtheilung, welche bis Seite 22 ging, in seinen wesentlichen Stükken wörtlich folgendes: on voit par . . . , qu’elle / die von mir vorgetragene Mathem[atik] / peut devenir utile et qu’elle merite un developpement ulterieur: Pour prouver sa sagacité, Mr Kupffer n’auroit guères pu choisir une matière plus convenable. Nach der zweiten Abtheilung bin ich als Candidat zur damals und jezt vakanten Adjunktur der Physico=mathematischen Claße in den Registern der Akademie aufgeführt; auch mündlich erkannte mich der beständige Secretair derselben7 für würdig, einen Plaz an der Akademie einzunehmen u[nd] sagte, er glaube, die Akademie werde auf mich reflektiren. Daß sie bis jezt nicht zur Wahl geschritten ist, daran ist, soviel ich weiß, nicht ein für mich nachtheiliger Grund, sondern ein besonderer Zusammenfluß von Umständen die Ursache. Ferner habe ich das Bewußtseyn, daß diese Abhandlung das Produkt einer anhaltenden Anstrengung ist. Aus diesem Grunde mit jenem verbunden glaubte ich diesmal an Sie appelliren zu dürfen, da die Universität, wie der Rath des Rektors beweiset, auf Ihr Urtheil sich für oder wider mich entscheiden will. Ich wünsche nun, daß auch Sie die Gründe meiner Bitte billigen, und sich wollen bewegen laßen, meine Arbeit Ihrer geneigten Prüfung zu unterwerfen. Daß Bele7

Gemeint ist Nikolaus Fuß, der Ständige Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.

340

Carl Friedrich Gauß und Russland

senheit meine Stärke nicht ist, werden Sie schon daraus abnehmen, daß ich nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob meine Methode wirklich neu ist oder nicht; ich könnte, um das zu rechtfertigen sagen: ich war, während ich darüber nachdachte, in einem Alter von 23 bis 25 Jahren, und konnte nachher mich gar nicht mit mathematischen Untersuchungen beschäftigen und mehreres andern, wenn ich nun noch, da ich doch Grund habe anzunehmen, daß sie bis 1815 neu war, den Vorwurf einer voreiligen Belästigung mir zu machen hätte. Ich habe die Ehre zu seyn mit dem tiefsten Respekt Ew. Hochwohlgeb[oren] gehorsamer Diener C. H. Kupffer

[Adresse in Mitau durchgestrichen] Dorpat d[en] 18ten August 1819

Brief 2. C. H. Kupffer an Gauß, 7./19. September 1819 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: C. H. Kupffer 2 (1 S.)

Die Gelegenheit, mit welcher ich beiliegendes absenden wollte, ist noch nicht abgegangen. Unterdeßen habe ich Vorlesungen über die Mathematik hier gehalten. Die Universität ist jezt sehr zu meinem Vortheil gestimmt. Es ist keine Zeit zu verlieren; ich sende Ew. Hochwohlgeb[oren] diese Abhandlung daher mit der Brief=Post und wage, immer im Vertrauen auf Ihr wohlwollendes Herz, noch die Bitte, Sie wollen, wenn meine Arbeit Sie zu meinem Vortheil einnimmt, und wenn der Graf Liewen8 Sie gebeten haben sollte, einen Mathematiker für Dorpat zu empfehlen, meiner vorläufig gegen den Grafen erwähnen oder der Universität, etwa durch Herrn Struve, oder mir zum fernern Gebrauch dero Präsumtiva von der Abhandlung bald, wenn Ihre Geschäfte es erlauben, mittheilen, damit wenigstens nicht eher zu einer neuen Wahl geschritten werde, als bis Ihr ausführlicheres Urtheil erfolgt ist. Sollten Sie mich mit diesen vorläufigen Zeilen beehren wollen, so haben Sie die Güte, sie an den Pastor Beise in Riga zu addreßiren, denn dahin rufen mich nun meine Geschäfte. Verzeihen Ew. Hochwohlgeb[oren] meinem Ungestüm – aber es wolle Ihr Herz den Fall, in welchem ich bin, erwägen – und nimmt meine Arbeit Sie nicht für mich ein, so fällt ja auch meine Bitte weg. – Mit dem tiefsten Respekt Ew. Hochwohlgeb[oren] gehorsamer Diener C. H. Kupffer Dorpat d[en] 7ten September 1819 8

Graf Carl von Lieven war von 1817 bis 1828 Kurator der Universität Dorpat (Fürst ab 1826).

6. Carl Heinrich Kupffer (1789–1838)

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Brief 3. C. H. Kupffer an Gauß, 13./25. August 1832 (Reval) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: C. H. Kupffer 3 (1 S.)

Verehrter Herr Hofrath; Vor mehr als 10 Jahren opferten Sie einen Theil Ihrer kostbaren Zeit, um eine Abhandlung von mir über die imaginären Wurzeln algebraischer Gleichungen zu lesen. Dankbar denke ich stets daran zurück, obgleich meine Kräfte nicht hinreichten, Ihre gütige und mir so werthe Aufforderung, meiner Methode durch Vereinfachung eine erwünschte Brauchbarkeit zu geben, zu realisiren. Sobald ich dies fühlte, hielt ich es für besser, einer rein wissenschaftlichen Bahn zu entsagen, und ungetheilt mich dem Lehrfache zu widmen, in welchem ich bald eine gute Anstellung erhielt, indem Ihr günstiges Urtheil über meine Fähigkeiten in der Mathematik mich sehr empfahl. In diesem Berufe entstand die beiliegende Schrift,9 welche, ist sie auch nur eine geringe Gabe, ich Sie als ein Zeichen der Dankbarkeit u[nd] Verehrung anzunehmen bitte, mit welcher ich stets bleiben werde Ew. Hochwohlbeboren gehorsamer Diener C. H. Kupffer Reval den 13ten August 1832.

[Auf der Rückseite des Briefes stehen mathematische Berechnungen von Gauß, die nicht zum Brief gehören.]

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„Anfangsgründe der Buchstabenrechnung und Algebra, mit Inbegriff der Combinationslehre und unbestimmten Analytik, nebst Uebungsaufgaben“ (Kupffer, C. H. 1832; GB 490).

Abb. 28. Adolph Theodor Kupffer Aus: Rykačev 1900, zwischen S. 56/57.

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865) Ⱥɞɨɥɶɮ əɤɨɜɥɟɜɢɱ Ʉɭɩɮɟɪ / Adol’f Jakovlevič Kupfer

7.1. Adolph Theodor Kupffers Lebenslauf im Überblick * 6.1./17.1.1799

1815 1816 28.6.1819 1820 1821 24.2.1821 1821–1822 1821 3.7.1823 1823–1828 1823–1824

26.12.1826/7.1.1827 27.8./8.9.1828

1828 1829 14./26.10.1831 1833 1834

Adolph Theodor Kupffer geboren in Mitau, im russischen Gouvernement Kurland; ein jüngerer Bruder von Carl Heinrich Kupffer Studium an der Universität Dorpat (ein Semester) Studium an der Universität Berlin Immatrikulation an der Universität Göttingen für das Studium der Medizin Erste Veröffentlichung: „Versuch das Gesetz der chemischen Aequivalente aus der Naturlehre zu entwickeln“ Doktorarbeit „De calculo crystallonomico“ Doktorexamen in den Fächern Mathematik und Physik an der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen Studienaufenthalt in Paris Heirat mit Cathérine Riboulet Preis der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin für die Arbeit über die „genaue Messung der Winkel an Krystallen“ Professor für Physik und Chemie an der Universität Kasan Auslandsreise zusammen mit Ivan Michajlovič Simonov im Auftrag der Universität Kasan; Bekanntschaft mit François Arago und Alexander von Humboldt in Paris Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Mineralogie als Nachfolger von Vasilij Michajlovič Severgin Reise in den Ural; in Jekaterinburg Begegnung mit Christopher Hansteen, Georg Adolf Erman und Christian Due Reise in den Kaukasus zusammen mit Emil Lenz und anderen; Versuch, den Elbrus zu besteigen Ernennung zum Mitglied der Kommission zur Festlegung der Maße und der Gewichte in Russland Dienstreise nach Göttingen, um die von Gauß entwickelten Methoden für erdmagnetische Messungen kennenzulernen Professor für Erdmagnetismus und Meteorologie an dem neugegründeten Normalen Observatorium beim Korps der Bergingenieure in St. Petersburg

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Carl Friedrich Gauß und Russland

1839

15.2.1840 11./23.1.1841

Sommer 1841 1842 19.–26.9.1842 1843 1845

1846 1849 1850

1854 1855 25.11.1855

† 23.5./4.6.1865

Dienstreise nach Deutschland, Frankreich, Italien und in die Schweiz; Besuch bei Gauß und Weber in Göttingen; Besuch bei Johann Lamont in Bogenhausen bei München; im Oktober Teilnahme am Magnetischen Kongress in Göttingen Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Physik als Nachfolger von Georg Friedrich Parrot Sibirienreise; Besichtigung der Magnetischen Observatorien in Jekaterinburg, Barnaul und Nertschinsk Auslandsaufenthalt für private Zwecke, genehmigt für neun Monate Teilnahme an der Tagung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Mainz zusammen mit Simonov Heirat mit der Tochter des in Reval niedergelassenen Hofrats Dr. von Macdonald, vier Kinder; Auslandsreise für 23 Tage Reise ins Ausland für drei Monate; Fahrt über Hamburg nach Großbritannien; Teilnahme am Magnetischen Kongress in Cambridge; Treffen mit Heinrich Christian Schumacher in Altona am 12.6.1845; Wahl zum Ehrenmitglied des Physikalischen Vereins in Frankfurt am Main Auslandsreise für 28 Tage (August bis September) Gründung des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg; Kupffer dessen Mitgründer und erster Direktor Reise nach Großbritannien, Frankreich und Deutschland ab Mitte Mai für vier Monate; Begegnung mit Schumacher im Juni in Altona; in Göttingen Begegnung mit Gauß und Weber Reise nach Deutschland ab April für vier Monate Reise nach Deutschland ab Juni zur Wasserkur in der Nähe von Dresden für sechs Monate Preis der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen für den Beitrag „Ueber den Einfluss der Wärme auf die elastische Kraft der festen Körper und insbesondere der Metalle“ (1852 und 1855) gestorben in St. Petersburg. Sein Nachfolger am Physikalischen Hauptobservatorium wird Ludwig Friedrich Kämtz

7.2. Miszellen zu Leben und Werk 7.2.1. Studium und Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn Adolph Theodor Kupffer wurde in der Familie eines Kaufmanns in Mitau im Ostseegouvernement Kurland geboren,1 das seit 1795 unter russischer Oberherrschaft stand. Er war ein jüngerer Bruder von Carl Heinrich Kupffer. Insgesamt hatte er elf Brüder und vier Schwestern. In seiner Geburtsstadt besuchte 1

Sohn des Kaufmanns Jacob Leonhard Kupffer und der Constantia, geb. Brandt (ADB: 17, S. 410).

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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der junge Kupffer ebenso wie sein Bruder Carl Heinrich das Akademische Gymnasium, an dem Magnus Georg Paucker zu seinen Lehrern zählte. Anschließend begann Kupffer an der Universität Dorpat Medizin zu studieren, aber nachdem er kurze Zeit später, im Frühjahr 1816, an die Universität Berlin gewechselt war, wandte er sich mehr und mehr den Naturwissenschaften zu, wobei ihn vor allem die Mineralogie faszinierte. Kupffer schrieb später in seiner Autobiographie,2 die er in einem Brief vom 11./23. Mai 1825 von Kasan aus seinem Bruder übersandte: „Hier fesselte ihn das Studium der Naturwissenschaften, mit denen man das Studium der Medizin anzufangen pflegte, dergestalt, dass er [...] mit einem kleinen physikalischen und chemischen Apparat, den er zusammengebracht hatte“, experimentierte. „Zu Berlin beschäftigte er sich besonders mit Mineralogie, unter der Leitung von Ch. S. W e i s s “ (Rykačev 1900, S. 3–4*).3 Christian Samuel Weiß war der Gründungsprofessor für Mineralogie an der Universität Berlin; er untersuchte den Aufbau der Kristalle mit mathematischen Methoden. Im Jahre 1818 stellte die Physikalische Klasse der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin folgende Preisaufgabe für das Jahr 1820: „Genaue Messung der Winkel an einem oder mehreren Krystallisationssystemen, mit Hülfe irgend eines der neuerlich als Goniometer in Anwendung gekommenen Instrumente, oder eines ähnlichen beliebig gewählten, welches Genauigkeit der Messung bis auf Minuten gestattet.“4 Kupffer lieferte hierfür einen Beitrag, für den er zunächst nur ein „lobenswerth“ erhielt. Man riet ihm aber, das Thema noch weiter zu bearbeiten (vgl. Schramm 1866, S. 511). Die „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ berichteten in diesem Zusammenhang: „Ueber diese Preisfrage ist nur eine Bewerbungsschrift eingelaufen, sie hat aber in dem Verfasser derselben einen trefflichen Bearbeiter gefunden. Es standen demselben zwar die Mittel nicht alle zu Gebote, welche die Frage voraussetzt, um sie vollständig zu beantworten; daher der eingelaufenen Schrift nicht ohne weiters der Preis ertheilt werden konnte. Da aber die sehr genaue und schätzenswerthe Arbeit des Verfassers mit Zuversicht erwarten ließ, daß derselbe bey Verlängerung des Termins sie fortsetzen und ergänzen werde, hatte die Classe bereits beschlossen, d e n T e r m i n z u v e r l ä n g e r n u n d d e n P r e i s z u v e r d o p p e l n “. Schließlich wurde der Abgabetermin von der Physikalischen Klasse um ein Jahr verschoben: „Der neue Termin der Einsen-

2

3 4

Dieses autobiographische Material war für das „Allgemeine Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland“ bestimmt, das von Johann Friedrich von Recke und Karl Eduard Napiersky in Mitau in vier Bänden (1827, 1829, 1831, 1832) herausgegeben wurde. Später erschienen Nachträge und Fortsetzungen dieses Nachschlagewerkes. Siehe den Beitrag „Kupffer (Adolph Theodor)“ in: Recke/Napiersky 1831: 3, S. 581–582. Die Bezeichnung (*) bezieht sich auf die Paginierung der Anlage des Werkes. Göttingische Gelehrte Anzeigen, Bd. 3, 1822, S. 1788.

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dung ist der 31. Merz 1823. Die Ertheilung des Preises von 100 Ducaten geschieht in der öffentlichen Sitzung vom 3. Julius desselben Jahres“.5 Inzwischen wechselte Kupffer ein weiteres Mal den Studienort und immatrikulierte sich am 28. Juni 1819 an der Universität Göttingen für das Studium der Medizin. Dort besuchte er, wie es in den Biographien Kupffers heißt, neben Chemievorlesungen auch ein Privatissimum bei Gauß (Schramm 1866, S. 504; Rykačev 1900, S. 32, S. 4*). In seiner Autobiographie vom 11./23. Mai 1825 schreibt Kupffer über sein Studium in Göttingen: „[Kupffer] blieb endlich in Göttingen, wo er sich unter S t r o h m e y e r mit der practischen Chemie beschäftigte. Hier schrieb er seine Dissertation ‚De calcule [sic] crystallonomico‘ Götting[en] 1821 worauf er den Grad eines Doctor der Philosophie erhielt. Auch die mathematischen Wissenschaften wurden nicht vernachlässigt und ein Privatissimum über Astronomie bei G a u s s gehört“ (Rykačev 1900, S. 4*). Neben dem Privatissimum „Die practische Astronomie“, das von Gauß in den Wintersemestern 1819/20 und 1820/21 angekündigt wurde (Folkerts 2002, S. 88–89), hat Kupffer wahrscheinlich auch weitere Vorlesungen bei Gauß gehört. Es existiert nämlich von Kupffers Hand eine Mitschrift von Gauß’ Vorlesung „Theoretische Astronomie“, von der vermerkt ist, dass Kupffer sie von Mai 1820 bis März 1821 gehört und mitgeschrieben habe. Diese Mitschrift wurde im Jahre 1916 in der Bibliothek des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg von dessen damaligem Direktor Aleksej Nikolaevič Krylov wiederaufgefunden. Kurze Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurden die von Kupffer festgehaltenen Inhalte von Gauß’ Vorlesungen von Krylov ins Russische übersetzt und im Jahre 1919 herausgegeben (Gauß 1919). Es gibt in der Tat zahlreiche Mitschriften verschiedener Vorlesungen von Gauß, diejenige von Kupffer ist jedoch die einzige, die in voller Länge publiziert worden ist (Roussanova 2010a). Was Kupffers Beschäftigung mit der Chemie betrifft, so erschien in Göttingen noch während seines Studiums seine erste Abhandlung „Versuch das Gesetz der chemischen Aequivalente aus der Naturlehre zu entwickeln“ (Kupffer, A. T. 1820). Seine chemischen Arbeiten führte Kupffer bei dem Professor der Medizin Friedrich Stromeyer durch, der seit 1817 auch der Nominal-Professor für Chemie und Pharmazie war. In Kasan ist das Original des Zeugnisses erhalten, das Stromeyer für Kupffer ausgestellt hat: „Herr Doctor Adolph Theodor Kupffer aus Mitau in Curland hat während seines Aufenthalts auf hiesiger Universität im Winter 1819 und Sommer 1820 sowohl meine Vorlesungen über die analytische Chemie, als auch die mit derselben in Verbindung stehenden practischen chemischen Uebungen im academischen Laboratorio, mit dem rühmlichsten Fleiße besucht, und sich unter meiner Anleitung mit dem glücklichsten Erfolge in der Anstellung chemischer Untersuchungen und

5

Göttingische Gelehrte Anzeigen, Bd. 3, 1822, S. 1789–1790.

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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Analysen geübt, welches ich hierdurch mit wahrem Vergnügen bezeuge. Göttingen den 7 December 1822. Dr. F[riedrich] Stromeyer Königl. Hann. Hofrath und Profeßor der Chemie und Pharmacie zu Göttingen.“6

Anfang 1821 reichte Kupffer der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen zwei Arbeiten ein, seine erste Publikation (Kupffer, A. T. 1820) sowie die Schrift „De calculo crystallonomico“ (Kupffer, A. T. 1821), und bat um Zulassung zum Examen und zur Promotion. Das Gesuch stellte Kupffer gemeinsam mit seinem baltischen Landsmann und Studiengenossen Ernst Johann Schuberszky, der sich beinahe gleichzeitig mit ihm, am 29. Juni 1819, in Göttingen für das Studium der Mathematik immatrikuliert hatte (Selle 1937, S. 612). Im Universitätsarchiv Göttingen wird ein den Promotionsvorgang dokumentierendes Schreiben des damaligen Dekans Johann Gottfried Eichhorn vom 20. Februar 1821 aufbewahrt. Dort heißt es: „Die Herren Kupfer aus Curland, und Schuberszky aus Liefland melden sich in beyliegenden Schreiben, denen ihr Lebenslauf gleichfalls beygefügt ist, zum Examen und zur Promotion. Jenes wünschen sie in deutscher Sprache zu bestehen, und die Promotion privatim ohne vorher vertheidigte Dissertation. Da beyde in Mathematik und Physik geprüft seyn wollen, und beyde nicht die Absicht haben hier zu bleiben und Privatdocenten zu werden, so sehe ich kein Hinderniß, das ihren Gesuchen im Wege stünde. Sollte Amplissimus Ordo derselben Meynung seyn, so bitte ich meine hochzuverehrende[n] Herrn Collegen sich nächsten Son[n]abend, am 24 Febr[uar], zum Anhörung des Examens Nachmittags um 4 Uhr zu versam[m]eln, und die Herren Hofräthe Mayer und Thibaut die Prüfung der Herren Candidaten gefälligst zu übernehmen.“7 Aus der Archivakte folgt, dass in Bezug auf das Gesuch der beiden Kandidaten „keine Bedenklichkeit“ gefunden wurde. Kupffers Prüfer waren der Professor für Physik Johann Tobias Mayer und der Professor für Philosophie Bernhard Friedrich Thibaut, der von 1829 bis 1832 im Nebenamt auch die Nominal-Professur für Mathematik bekleidete. Nach dem Bestehen des Rigorosums in Mathematik und Physik am 24. Februar 1821 wurde Kupffer promoviert (Beer 1998, S. 49). Gauß konnte bei der Promotion von Kupffer nicht mitwirken, weil er damals noch nicht Mitglied der Philosophischen Honoren-Fakultät der Universität Göttingen war.8 Dieser oblagen die Promo6 7 8

Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 4690. Universitätsarchiv Göttingen, Phil. Dek. Nr. 104, Bl. 44. Vgl. Beer 1998, S. 49. Gauß wurde am 3.11.1828 in die Philosophische Honoren-Fakultät gewählt, siehe: Folkerts 2002, S. 44–45, vgl. Folkerts 2005, S. 7–9.

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tionsangelegenheiten der Philosophischen Fakultät. Zu jener Zeit war Gauß noch zusätzlich mit der Landesvermessung beschäftigt; am 9. Mai 1820 hatte er von dem erst kurze Zeit vorher auf den Thron gelangten König Georg IV.9 den Auftrag erhalten, die dänische Gradmessung durch das Königreich Hannover fortzusetzen. Kupffers Schrift „De calculo crystallonomico“ wurde als Dissertation in Berlin gedruckt (Kupffer, A. T. 1821). Eine der wichtigsten Quellen für Kupffer waren die Werke des Kristallographen René Juste Haüy gewesen, den er während eines eineinhalbjährigen Studienaufenthaltes in Paris von 1821 bis 1822 persönlich kennenlernen sollte.10 Am 3. Juni 1822 starb Haüy. Kupffer war zu diesem Zeitpunkt noch in Paris und trug seinen Lehrer mit zu Grabe. Kurz danach kehrte er nach Russland zurück, um sich nach einer Anstellung umzusehen. In seiner Autobiographie schreibt Kupffer, dass er seine in Paris begonnene Arbeit über die Messung der Winkel der Kristalle als Beantwortung einer von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin aufgestellten Preisfrage in St. Petersburg vollendet habe. Dabei sei er von Dr. Liboschitz, dem Besitzer einer ausgezeichneten Mineraliensammlung, in höchst liberaler Weise unterstützt worden (Rykačev 1900, S. 32, 4*). Am 27. Juni/9. Juli 1822 wurde Kupffer zum Ordentlichen Mitglied der Mineralogischen Gesellschaft in St. Petersburg gewählt, und etwa ein Jahr später, am 8./20. Juni 1823, erhielt er einen Ruf an die Universität Kasan (Zagoskin 1900, S. 81; Rykačev 1900, S. 34*). Kurz nach seiner Berufung nach Kasan, am 3. Juli 1823, wurde Kupffer nun tatsächlich der verdoppelte Preis der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin für sein Werk über die genaue Messung der Winkel an Krystallen zuerkannt. Ausführliche Gutachten hatten Paul Erman, Christian Samuel Weiß, Leopold von Buch und Eilhard Mitscherlich verfasst..11 Kurze Zeit später, im Jahre 1825, wurde diese Arbeit in Berlin veröffentlicht (Kupffer, A. T. 1825a). Bereits vorher, im April 1824, hatte François Arago einen Auszug für die „Annales de chimie et de physique“ besorgt: „Sur une relation remarquable qui existe entre la forme cristalline, le poids d’un atome et la pesanteur spécifique de plusieurs substances“ (Kupffer, A. T. 1824). Kupffer zitierte in dieser Arbeit Gauß im Zusammenhang mit der Fehlerrechnung. Diesem Problem war der erste Abschnitt seiner Abhandlung gewidmet. Am 24. Juli/5. August 1823, kurz nach seiner Berufung, reiste Kupffer im Auftrag des Kurators der Universität Kasan, Michail Leont’evič Magnickijs, ein weiteres Mal nach Paris, und zwar zusammen mit seinem neuen Kasaner Kol9 Dieser hatte am 29. Januar 1820 als König Georg IV. von Hannover und Großbritannien die Thronfolge angetreten. 10 Laut Schramm fand Kupffers Studienaufenthalt in Paris im Jahre 1820 statt (Schramm 1866, S. 504). Rykačev aber gibt als Quelle für diesen Studienaufenthalt einen Brief von Kupffer an, in dem die Jahre 1821/22 angegeben sind. 11 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Sign. II–IX–5, Bl. 82–93.

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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legen Ivan Michajlovič Simonov, der Professor für Astronomie war (Rykačev 1899, S. 36*). Hauptzweck der Reise war, für die Universität Kasan physikalische und astronomische Instrumente zu erwerben; dafür waren 40.000 Rubel bewilligt worden.12 Kupffer und Simonov besuchten Berlin, Dresden, Prag und Wien, wo sie sich mit Littrow trafen (siehe S. 437–438). Weiter ging es über Salzburg nach München, wo bei Joseph Fraunhofer Bestellungen aufgegeben wurden. Über Stuttgart, Baden-Baden und Straßburg führte die Reise schließlich nach Paris, wo man physikalische Instrumente, unter anderem eine Gambeysche Bussole,13 einkaufte und vor allem intensive Kontakte mit François Arago und Alexander von Humboldt unterhielt. Damals war der Erdmagnetismus ein wichtiges Thema. Es ging dabei insbesondere um den Einfluss des Nordlichtes auf die Schwingungen der Magnetnadel, wobei man darauf hoffte, aufgrund von in Paris und in Kasan synchron durchzuführenden Beobachtungen neue Erkenntnisse zu gewinnen.

7.2.2. Kasan: 1824–1828 Erst am 2./14. Juli 1824, nach einer langen Reise, trat Kupffer seinen Dienst in Kasan als Professor der Physik und Chemie an (Zagoskin 1900, S. 81). Seit 1825 hielt er an der Universität die Vorlesungen in der Physik nach Biot, in der Mineralogie nach Haüy und in der Chemie nach Thénard (Zagoskin 1899, S. 12). Während der vier Jahre in Kasan entstand Kupffers „Handbuch der rechnenden Krystallonomie“ (Kupffer, A. T. 1831). In dem Vorwort zu diesem Werk ließ Kupffer seine Leser wissen: „Es ist in einer Zeit von vier Jahren, in Kasan, als ich noch dort Professor der Mineralogie war, ausgearbeitet worden; erst hatte ich es nur für meine Zuhörer bestimmt; es sollte nichts werden als eine mit den gehörigen Erläuterungen verbundene Sammlung der zur Berechnung der Krystallwinkel nöthigen Formeln: nachher kamen einige allgemeine Betrachtungen hinzu, zu welchen mich eine fortgesetzte Beschäftigung mit den merkwürdigsten Krystallsystemen geführt hatte; endlich fühlte ich wohl, dass eine vorausgeschickte Darstellung des Haüy’schen und insbesondere des Weissischen Systems, welches von seinem berühmten Urheber nur fragmentarisch bearbeitet worden ist, von Nutzen seyn könnte. So hat das vorliegende Werk nach und nach die Gestalt bekommen, die es jetzt hat“ (ebenda, S. III–IV). Das Buch umfasst 591 Seiten und gilt als Meilenstein in der Geschichte der Mineralogie. Gleichzeitig war es das letzte große Werk, das Kupffer über Mineralogie verfasst hat.

12 Zum Vergleich: Kupffers Jahresgehalt als Ordentlicher Professor in Kasan betrug 2.000 Rubel zuzüglich 1.200 Rubel für den Lehrstuhl für Physik und 500 Rubel Wohnungsgeld (Rykačev 1899, S. 34–35*). 13 Kupffer bestellte eine Gambeysche Bussole der gleichen Konstruktion wie die Bussole von Arago (Rykačev 1900, S. 36).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Bereits in Kasan betätigte sich Kupffer mehr und mehr auf dem Gebiet der Erforschung des Erdmagnetismus. Ohne Zweifel hatten ihn dazu in Paris François Arago und Alexander von Humboldt angeregt. Nachdem Kupffer in Paris ein Gambeysches Instrument hatte erwerben können, begann er sogleich nach seiner Ankunft in Kasan mit erdmagnetischen Messungen. Es folgten alsbald korrespondierende, d.h. synchrone Messungen an den von Arago und Humboldt vorgegebenen Terminen. Im Jahre 1825 erschienen Kupffers erste Arbeiten über den Magnetismus (Kupffer, A. T. 1825b und c). Um magnetische Messungen durchzuführen, unternahm er in Begleitung des Kasaner Apothekers Karl Ernst Claus14 im Sommer 1828 eine Reise in den Ural. Während dieser Reise traf er in Jekaterinburg mit Christopher Hansteen zusammen, der eine Sibirienreise unternahm, um magnetische Messungen durchzuführen. Hansteen reiste in Begleitung von Georg Adolf Erman und Christian Due. Kupffer schloss sich dieser Gruppe an, und gemeinsam legten sie noch eine Strecke von etwa 440 km bis Bogoslowsk zurück (Rykačev 1900, S. 39). In Kasan gelang es Kupffer schließlich, den Bau eines für erdmagnetische Messungen geeigneten Häuschens bzw. Pavillons durchzusetzen. Der Bau wurde am 27. Oktober/8. November 1827 genehmigt und im Jahre 1828 begonnen (Kupffer, A. T. 1842a, S. 72–73; Zagoskin 1900, S. 81; Honigmann 1984, S. 73).

7.2.3. St. Petersburg: 1828–1865 Bereits am 26. Dezember 1826/7. Januar 1827 war Kupffer Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg geworden.15 Nachdem er am 27. August/8. September 1828 zum Ordentlichen Mitglied für Mineralogie in die Akademie gewählt worden war (Modzalevskij 1908, S. 38, 180), siedelte er nach St. Petersburg über. Im September 1829 erhielt er dort auch eine Professur für Physik und Mineralogie am Pädagogischen Hauptinstitut, die er bis 1849 innehaben sollte.16 Von 1832 bis 1843 bekleidete Kupffer auch die Professur für Physik am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege (Rykačev 1899, S. 53, S. 38*). Die erste Konferenz der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, der Kupffer als Akademiemitglied beiwohnte, fand am 11./23. Februar 1829 statt. Auf dieser Sitzung wurde die bevorstehende Russlandreise von Alexander 14 Karl Ernst Claus wurde 1839 als Professor für Chemie an die Universität Kasan berufen und entdeckte dort 1844 das Element Ruthenium. 15 Am 26. und am 29.12.1826 bzw. am 7. und am 10.1.1827 (nach dem Gregorianischen Kalender) wurden zahlreiche russische und ausländische Gelehrte zu Korrespondierenden Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt (Modzalevskij 1908, S. 178–181). 16 St. Petersburg, Russländisches Staatliches Historisches Archiv, f. 733, op. 93, Nr. 4 sowie Nr. 204.

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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von Humboldt angekündigt (Rykačev 1900, S. 39–40). Schon bei seinem ersten Aufenthalt in St. Petersburg im Frühjahr 1829 traf sich Humboldt mit Kupffer.17 Während Humboldt Russland bereiste, nahm Kupffer im Sommer 1829 an einer Expedition in den Kaukasus teil, die ins Elbrusgebiet führte. Er war Mitglied eines größeren Teams, dem auch Emil Lenz aus Dorpat angehörte. Gemeinsam versuchte man am 9./21. Juni, den Ostgipfel des Elbrus (5621 m) zu besteigen. Kupffer musste den Aufstieg vorzeitig abbrechen, Lenz hingegen gelangte bis in die Nähe des Gipfels. Auch diese Expedition stand ganz im Zeichen erdmagnetischer Messungen sowie geologischer, mineralogischer und weiterer physikalischer Untersuchungen (Kupffer, A. T. 1830; Rykačev 1900, S. 40–44). Während der Elbrusbesteigung beobachtete Kupffer bei zunehmender Höhe eine Abnahme der erdmagnetischen Intensität. Bereits während seiner Amerikareise von 1799 bis 1804 hatte Humboldt entdeckt, dass die Intensität der erdmagnetischen Kraft in der Richtung vom magnetischen Äquator zum magnetischen Nordpol zunimmt. Über diese wichtige empirische Gesetzmäßigkeit sprach Humboldt am 16./28. November 1829 bei einem Vortrag in der außerordentlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaft in St. Petersburg, als er sich auf der Rückreise nach Berlin wieder in der russischen Hauptstadt aufhielt (Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 278/279). Er blieb mehr als einen Monat in St. Petersburg18 und traf in diesem Zeitraum mit Georg Friedrich Parrot, Michail Vasil’evič Ostrogradskij, Friedrich Theodor Schubert d. J. und auch mit Kupffer zusammen (Briefwechsel Humboldt–Russland 1962, S. 13). Auf der bereits erwähnten Sitzung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg am 16./28. November 1829 hielten beide Gelehrte, Humboldt und Kupffer, denkwürdige Vorträge (Rykačev 1900, S. 45–46).19 Humboldt berichtete dem Publikum über die Erlebnisse, Beobachtungen, Ziele und Ergebnisse seiner neun Monate währenden Russlandreise und hob die Bedeutung des Russländischen Imperiums für die Erforschung des Erdmagnetismus hervor: „Das Russische Reich ist das einzige Land der Erde, das von zwei Linien ohne Deklination durchquert ist, das heißt, auf denen die Magnetnadel auf die Pole der Erde gerichtet ist“. Humboldt betonte, dass die Position und die periodische Bewegung der Verschiebung dieser noch fast völlig unbekannten Linien „die Hauptelemente einer künftigen Theorie des Erdmagnetismus“ liefern sollten. „Die Physik der Erdkugel erfordert den vollständigen Verlauf der beiden Linien ohne Deklination für gleiche Zeiträume [...]. Diese Ergeb17 Humboldts erster Aufenthalt in St. Petersburg dauerte vom 19.4./1.5. bis zum 8./20.5.1829 (Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 45). 18 Humboldts zweiter Aufenthalt in St. Petersburg dauerte vom 1./13.11. bis zum 3./15.12.1829. 19 Der Vortrag von Humboldt im französischen Original sowie in deutscher Übersetzung ist erschienen in: Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 266–285 (dort auch weitere Angaben). Der Vortrag von Kupffer im französischen Original siehe: Rykačev 1900, S. 17–21*.

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nisse können nicht von Fremden, die das Land nur in einer Richtung und in einem einzigen Zeitraum durchqueren, erzielt werden. Man müsste ein System weise kombinierter Beobachtungen festlegen, die über einen langen Zeitraum verfolgt und ortsansässigen Gelehrten übertragen würden“ (Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 279). Humboldt unterstützte nachdrücklich die Idee der Gründung eines russischen Physikalischen Zentralinstituts, die Kupffer in seiner Rede erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt hatte – eine Idee, deren endgültige Realisierung dann aber noch zwei Jahrzehnte auf sich warten lassen sollte. Am 21. November/3. Dezember 1829, fünf Tage nach der Sitzung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, ließ Kupffer Alexander von Humboldt ein Schreiben zukommen, in dem er sein Projekt eines staatlichen geophysikalischen Zentralinstituts detailliert beschrieb, für das es damals keinerlei Vorbild gab. Dieser Entwurf Kupffers20 erwies sich für die weitere Entwicklung der Geophysik in Russland als von herausragender Bedeutung und soll daher hier in seinen wesentlichen Zügen in deutscher Übersetzung vorgestellt werden. Im Folgenden wird die Übersetzung aus einer neueren Edition zitiert: „1. Man wird ein Observatorium für den Magnetismus und die Meteorologie einrichten. Dieses Observatorium wird mit den Instrumenten ausgestattet werden, die zu allen auf die Theorie des Erdmagnetismus, auf die meteorologischen Erscheinungen und die Physik der Erdkugel im Allgemeinen bezüglichen Beobachtungen erforderlich sind; es wird aus Zimmern bestehen, die dafür nötig sind, diese Instrumente aufzubewahren und mit ihnen zu experimentieren, sowie den Direktor und seine Gehilfen zu beherbergen. Der Direktor wird darüber hinaus eine jährliche Summe zu seiner Verfügung haben, um das Observatorium zu unterhalten, um neue Instrumente zu erwerben, um neue Experimente zu machen etc. etc. 2. Der Direktor wird verpflichtet sein, magnetische und meteorologische Beobachtungen im Observatorium anzustellen, meteorologische und magnetische Instrumente an unterrichtete Personen zu verteilen, die an interessanten Punkten im Innern des Reiches wohnen, die Beobachtungen zu berechnen und zu vergleichen, die ihm diese Personen geschickt haben werden, und schließlich, den Lauf der Linien ohne Deklination, welche durch Russland gehen, zu bestimmen und ihren Gang zu beobachten [...]. 3. Die meteorologischen Beobachtungen [...].

20 Kupffers Projekt wurde veröffentlicht: französisches Original: Rykačev 1900, S. 47–49; Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 227–229; russische Übersetzung: Rykačev 1899, S. 46–49 und Briefwechsel Humboldt– Russland 1962, S. 91–94; deutsche Übersetzung: Schramm 1866, S. 605–607 und Briefwechsel Humboldt– Russland 2009, S. 229–230.

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4. Die magnetischen Beobachtungen werden umfassen: a) die absolute Deklination und Inklination der Nadel b) die stündlichen und jährlichen Variationen der Deklination und der Inklination und deren unregelmäßige Variationen c) die Variationen der Intensität der erdmagnetischen Kräfte. d) Man wird über gewisse Tage des Jahres übereinkommen, wo man die Variationen der Deklination und der Inklination an mehreren verschiedenen Punkten sowohl in Russland, als auch im Ausland am selben Tag und zu denselben Stunden beobachten wird. e) Man wird außerdem Experimente machen, um die Theorie des Magnetismus im Allgemeinen aufzuklären. f) Man wird den Lauf der Linien ohne Deklination, die Russland durchqueren, genau bestimmen und das Gesetz, nach dem die Deklination von zwei Seiten dieser Linie zunimmt, man wird diese Operation von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wiederholen, um den Gang dieser Linien kennen zu lernen. 5. Die meteorologischen und magnetischen Instrumente, die man im Innern verteilen wird, müssen mit denen des magnetischen Observatoriums von St. Petersburg sorgfältig verglichen worden sein. Die im Innern gesammelten Beobachtungen werden mit denen von St. Petersburg vereinigt und mit der Angabe der Ergebnisse, die sich daraus ergeben, von Jahr zu Jahr veröffentlicht werden. [...] 6. Wenn die Regierung irgendeine wissenschaftliche Expedition ins Innere des Reiches oder in ferne Länder befohlen haben wird, so wird der Direktor Sorge tragen, dass die physikalischen Instrumente, die man mitnehmen wird, mit denen des Observatoriums verglichen werden, er wird selbst der Expedition Instrumente zur Verfügung stellen können. 7. Der Direktor wird gehalten sein, ausführliche Instruktionen in Bezug auf die Meteorologie und den Magnetismus allen Reisenden zu geben, die darum ersuchen werden. Er wird jährlich einen kurz gefassten Kurs über die Theorie des Magnetismus und meteorologische Erscheinungen anfertigen, an dem die Studenten der Marineschule, des Ingenieur-Instituts für die Verkehrswege sowie des pädagogischen Instituts werden teilnehmen können“ (Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 229–230). Als Nahziel vereinbarten Humboldt und Kupffer bei ihrem Treffen in St. Petersburg, dass in Russland ein Beobachtungsnetz einzurichten sei. Auch wurden weitere gemeinsame korrespondierende Beobachtungen in Deutschland und in Russland verabredet. Die Ergebnisse sollten dann in Berlin gesammelt, ausgewertet und schließlich in Poggendorffs „Annalen der Physik und Chemie“ veröffentlicht werden, was dann auch geschah (Honigmann 1984, S. 78). Nunmehr konnte Kupffer mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften und des Finanzministers Georg von Cancrin auch in St. Petersburg ein Magnetisches Observatorium einrichten, und zwar auf dem Gelände der Peter-Paul-Festung, weitab von störenden Faktoren. Der Pavillon war nur ein Provisorium, das im September 1830 in Betrieb genommen wurde. Das Gebäude war aus Holz auf einem Steinfundament errichtet und bestand aus

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zwei Räumen. Bald wurden auch synchrone Beobachtungen in St. Petersburg, Kasan und Nikolajew durchgeführt (Rykačev 1900, S. 41). Unermüdlich arbeitete Kupffer an dem Projekt der Errichtung eines Netzes von geophysikalischen Stationen, wobei die Beobachtung des Erdmagnetismus ein Schwerpunkt sein sollte. Dieser Plan fiel in die Zeit der Reorganisation des Bergwesens, dessen Verwaltung der Finanzminister Cancrin selbst übernommen hatte. Dabei wurde im Jahre 1834 die Berg-Schule, die 1773 unter Katharina II. gegründet worden war, in das Institut des Korps der Bergingenieure mit militärischer Organisation verwandelt, das unmittelbar dem Finanzministerium unterstellt wurde. Als Stabschef des Korps der Bergingenieure wurde General Konstantin Vladimirovič Čevkin verpflichtet. Dieses Amt hatte Čevkin von 1834 bis 1845 inne (Amburger 1966, S. 489–490). Čevkin unterstützte das Vorhaben von Kupffer und stimmte der Einrichtung des so genannten Normalen Observatoriums21 bei dem Korps der Bergingenieure sowie der Einrichtung Magnetischer Observatorien in Jekaterinburg, Barnaul und Nertschinsk zu. Der Entwurf des Normalen Observatoriums in St. Petersburg (vgl. Abb. 29a) wurde am 28. Mai/9. Juni 1834 bestätigt. Das Gebäude wurde im Garten des Instituts des Korps der Bergingenieure errichtet, und schon am 1./13. Januar 1835 konnte man dort Beobachtungen durchführen. Einige der für das Observatorium bestimmten Instrumente wurden von Čevkin und Kupffer im Ausland bestellt (Paseckij 1984, S. 77–80). Zusätzlich zu seiner Position in der Akademie der Wissenschaften erhielt Kupffer am 28. November/10. Dezember 1834 eine Professur für Erdmagnetismus und Meteorologie an dem neugegründeten Normalen Observatorium (Rykačev 1900, S. 34*).

Abb. 29a. Entwurf des Gebäudes des Normalen Observatoriums beim Korps der Bergingenieure aus dem Jahre 1834 Entwurf von I. I. Svijazev. Aus: Paseckij 1984, S. 101.

21 Sowohl das Institut des Korps der Bergingenieure als auch das Normale Observatorium waren Einrichtungen des Korps der Bergingenieure.

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Abb. 29b. Plan eines Magnetischen Observatoriums aus dem Jahre 1835 Aus: Kupffer, A. T. 1835, Anhang.

Der Ausbau eines Beobachtungsnetzes in Russland ging tatsächlich rasch voran. Nach St. Petersburg und Kasan entstanden in Nikolajew, Jekaterinburg, Barnaul, Nertschinsk und Sitka in Alaska22 neue Magnetische Observatorien, an denen mehr oder minder regelmäßig Beobachtungen angestellt wurden. Auch Archangelsk und die russische Beobachtungsstation in Peking lieferten magnetische Messungen. Im Jahre 1837 veröffentlichte Kupffer alle diese Beobachtungen, die von 1829 bis 1835 auf Anregung von und in Anlehnung an Alexander von Humboldt zustandegekommen waren (Kupffer, A. T. 1837a und b). In Kupffers „Anleitung zur Durchführung meteorologischer und magnetischer Beobachtungen“ (Kupffer, A. T. 1835) wurde ein Standardplan für Magnetische Observatorien vorgestellt (Abb. 29b). 22 Alaska gehörte bis 1867 zu Russland.

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Kupffer setzte sich weiterhin, von Čevkin unterstützt, für die Einrichtung eines neuen Magnetischen Observatoriums ein. Dieses sollte ebenfalls auf dem Gelände des Instituts des Korps der Bergingenieure errichtet werden, und zwar im Garten in der Nähe des dort vorhandenen, alten Observatoriums (Kupffer, A. T. 1850/1851, Sp. 89). Auf dem Entwurf von 1837 (Abb. 30) ist oben links der Standort des alten Observatoriums vermerkt. In dem neuen Magnetischen Observatorium waren zwei geräumige Zimmer für Beobachtungen vorgesehen: für absolute Messungen und für die Messung der Variationen. Darüber hinaus waren vier kleinere Räume geplant: ein Kabinett für den Direktor, ein Dienstraum, eine Wohnung für die Observatoren und ein Raum für die Instrumente und die Bücher. Kupffer formulierte auch die angestrebten wissenschaftlichen Ziele, wobei es ihm generell darum ging, die Ursachen der Schwankungen zu ergründen, die vielleicht in der Zusammensetzung des Erdkerns verborgen seien. In einem Bericht für die Akademie schrieb er: „Si on trouve enfin la cause de ces perturbations singulières, qui agitent l’aiguille aimantée à des époques indéterminées, et qui semblent nous révèler des évolutions mystérieuses dans les masses liquéfiées dont le noyeau de notre globe est composé?“ (Kupffer, A. T. 1840, S. 126). Das Jahr 1835 brachte aber eine deutliche Zäsur, was die Beobachtungsmethoden betrifft: die weiteren magnetischen Beobachtungen erfolgten in ganz Russland bereits nach den von Gauß vorgeschlagenen Terminen und mit in Göttingen konzipierten Instrumenten, und es wurden ab jetzt nur noch absolute Messdaten ermittelt. Darüber hinaus wurde von Kupffer eine neue Publikationsreihe für magnetische sowie für meteorologischen Beobachtungen ins Leben gerufen, und zwar der „Annuaire magnétique et météorologique du corps des ingénieurs des mines de Russie“ (Kupffer, A. T. 1837–1846). Der komplette Band für 1837 erschien in St. Petersburg im Jahre 1839 (Abb. 31).23 Das russische Jahrbuch folgte der Göttinger Reihe: die „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ zu Göttingen wurden von Gauß und Weber seit 1836 herausgegeben (der Band für 1836 erschien im Jahre 1837). Kupffer bekam im Jahre 1839 für drei bis vier Monate eine Dienstreise genehmigt, die dem Gedankenaustausch mit seinen ausländischen Kollegen dienen sollte; es ging dabei vor allem um magnetische Beobachtungen. Ihm wurden 6.000 Rubel Reisegeld und 10.000 Rubel für den Kauf von Instrumenten bewilligt (Rykačev 1899, S. 40*; Paseckij 1984, S. 96). Bei dieser Reise besuchte er gleich zweimal Gauß in Göttingen und nahm dort im Oktober am sogenannten Magnetischen Kongress teil (siehe S. 369–371). Über diese Reise verfasste Kupffer ausführliche Briefberichte an seinen Chef am Korps der Bergingenieure, Konstantin Vladimirovič Čevkin (Roussanova 2010c). 23 Die Bände 1 bis 4 des „Annuaire“ befinden sich in der Gauß-Bibliothek (GB 742). Elektronische Ausgabe: http://docs.lib.noaa.gov/rescue/data_rescue_russia.html (Stand 1.2.2011).

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Abb. 30. Entwurf des neuen Magnetischen Observatoriums im Garten des Korps der Bergingenieure, vorgelegt von Adolph Theodor Kupffer am 5./17. November 1837 Bildunterschrift, Übersetzung aus dem Russischen: „Dieses Gebäude muss ohne Verwendung von Eisen erbaut werden. Über der Mitte des Gebäudes erhebt sich ein Turm, der für die Einrichtung eines Passageinstruments dienen soll; auf dem Turm eine Plattform, von der aus der gesamte Horizont sichtbar ist. Eine Treppe führt vom Eingangsraum auf den Turm“. Aus: Rykačev 1899, nach S. 55*.

Die Idee der Errichtung eines Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg reichte zwar bis ins Jahr 1829 zurück, doch sollte es noch zehn Jahre dauern, bis schließlich auch nur ein erster Schritt zur Realisierung dieses Projekts ins Auge gefasst wurde. Auch diesmal war es Alexander von Humboldt, der maßgeblichen Anteil daran hatte, indem er mit einem persönlichen Brief

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vom 9. April 1839 an Kaiser Nikolaj I. den Durchbruch erreichte (Rykačev 1900, S. 86–87, dort auch ein Faksimile des Briefes, 3 S.). Nach einer längeren Planungsphase wurden schließlich im Mai 1843 dank der Unterstützung des Finanzministers Cancrin die hierfür nötigen Gelder bewilligt.24 Cancrin selbst beschrieb kurz und bündig die Ziele dieses neuen „Physikalischen Observatoriums des Bergwerks-Corps“ in St. Petersburg und berichtete, dass für die Beobachtungen des Erdmagnetismus sowohl das neue als auch das alte Observatorium benutzt werden sollten (Cancrin 1843). Kupffers Pläne gingen jedoch weit über diesen Rahmen hinaus. Er dachte an eine große z e n t r a l e I n s t i t u t i o n in St. Petersburg, die ganz der P h y s i k d e r E r d e gewidmet sein und insbesondere alle geophysikalischen Beobachtungen des ganzen Landes koordinieren sowie alle Daten sammeln und auswerten sollte.

Abb. 31. Titelblatt des „Annuaire magnétique et météorologique du corps des ingénieurs des mines de Russie [...] Année 1837“ (St. Pétersbourg 1839) Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 742.

24 Am 21.5./2.6.1843 wurden 60.000 Rubel für den Erwerb eines Grundstücks, für den Bau und den Erwerb von Instrumenten bewilligt (Paseckij 1984, S. 113).

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Im Jahre 1841 übernahm Kupffer an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg die Stelle eines Ordentlichen Akademiemitgliedes für Physik, die durch die Emeritierung von Georg Friedrich Parrot vakant geworden war. Die Physik stand von nun an ganz und gar im Zentrum von Kupffers Forschungstätigkeit. Der Gelehrte beschäftigte sich vor allem mit dem Stabmagnetismus, mit dem Einfluss der Temperatur auf die magnetischen Eigenschaften, mit der Meteorologie und mit der Elastizität von Metallen sowie mit dem Maß- und dem Gewichtssystem in Russland. Für seine wissenschaftlichen Aktivitäten wurde Kupffer mehrfach ausgezeichnet. Die Anerkennungen kamen nicht nur aus Russland, sondern auch aus dem Ausland. Im Jahre 1835 wurde Kupffer Korrespondierendes Mitglied der Royal Geographical Society of London (1844 Ehrenmitglied), 1838 erfolgte seine Wahl zum Mitglied der Royal Meteorological Society of London. 1839 wurde er zum Korrespondierenden Mitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg und 1840 zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gewählt (siehe S. 376–377). Die Reihe der Ehrungen setzte sich auch in den folgenden Jahren fort: 1843 wurde Kupffer Mitglied des Ärztlichen Vereins in Hamburg sowie Mitglied der Rheinischen Naturforschenden Gesellschaft in Mainz, 1845 Ehrenmitglied des Physikalischen Vereins in Frankfurt am Main und Ordentliches Mitglied der Russischen Geographischen Gesellschaft, 1846 Mitglied der Royal Society of London und 1847 Mitglied der American Philosophical Society in Philadelphia (Liste der Auszeichnungen in: Rykačev 1900, S. 34–36*). Im Jahre 1842 unternahm Kupffer eine große Auslandsreise, bei der er im September an der Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Mainz teilnahm. Auch Simonov war Teilnehmer an dieser Versammlung. Kupffer hielt zwei Vorträge: a) „Über magnetische und meteorologische Observatorien in Russland“. Da dieser Beitrag mit großem Beifall aufgenommen wurde, wurde er im Amtlichen Bericht über die Versammlung der Gesellschaft ausführlich wiedergegeben (Kupffer, A. T. 1842a). Nach einer längeren historischen Einführung fuhr Kupffer fort: „So stand es mit dem Erdmagnetismus, als Gauss seine erfolgreichen Arbeiten bekannt machte: er gab uns ein neues Mittel, die Intensität zu bestimmen, und verbesserte unsere alten Beobachtungsmethoden; er organisierte einen neuen Verein, der nur sechsmal des Jahres und nur 24 Stunden hindurch, aber von 5ƍ zu 5ƍ beobachtete, da die früheren Beobachtungen in Russland nur von 20ƍ zu 20ƍ, und in Deutschland von Stunde zu Stunde gemacht worden waren“ (ebenda, S. 73). b) „Masse und Gewichte in Russland“ (Kupffer, A. T. 1842b). Im Sommer 1842 wurde Kupffer zum Leiter des neugegründeten Dépôts für Maß- und Gewichtsmuster in St. Petersburg berufen; dies war die erste russische Institution für Metrologie (siehe S. 374–375).

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Abb. 32. Gebäude des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, erbaut von 1846 bis 1849 nach einem Entwurf des Architekten A. Gel’šer Das ursprünglich zweistöckige Gebäude wurde später um zwei weitere Stockwerke erhöht. Das Gebäude ist bis heute erhalten geblieben: Wassiljewskij Insel, Linie 23, 2. Aus: Schramm 1866, S. 609.

Nach der internationalen Magnetischen Konferenz in Cambridge im Jahre 1845 setzte sich Kupffer für die Errichtung eines modernen Observatoriumsgebäudes ein, dessen Bau 1843 genehmigt wurde. Dieses Gebäude (Abb. 32; vgl. Abb. 8) wurde in der Nähe des Instituts des Korps der Bergingenieure errichtet. Im Jahre 1849 war die neue Institution fertiggestellt und konnte, mit neuen Instrumenten ausgestattet, ihrer Bestimmung übergeben werden. Die Statuten sowie der Personalplan wurden am 1./13. April 1849 bestätigt.25 Die offizielle Bezeichnung lautete nunmehr: „Glavnaja fizičeskaja observatorija“, das heißt „Physikalisches Hauptobservatorium“.26 Selbstverständlich war Adolph Theodor Kupffer der erste Direktor dieser neugeschaffenen Zentralinstitution, die unabhängig sowohl von der Akademie der Wissenschaften27 als auch von der Universität in St. Petersburg war. Dem Physikalischen Hauptob25 Die Statuten wurden von dem damaligen Finanzminister Fëdor Pavlovič Vrončenko unterschrieben. 26 Ƚɥɚɜɧɚɹ ɮɢɡɢɱɟɫɤɚɹ ɨɛɫɟɪɜɚɬɨɪɿɹ. 27 Im Jahre 1866 wurde das Physikalische Hauptobservatorium der Akademie der Wissenschaften übergeben, die zu diesem Zeitpunkt dem Ministerium für Volksaufklärung unterstellt war.

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servatorium waren die Magnetischen Observatorien in St. Petersburg (auf dem Gelände der Peter-Paul-Festung und des Korps der Bergingenieure), in Jekaterinburg, in Barnaul, in Nertschinsk sowie das Magnetische-Meteorologische Observatorium in Peking unterstellt. Später kamen weitere Observatorien hinzu. Das Hauptobservatorium stand unter der direkten Leitung des Finanzministers (Amburger 1966, S. 476–477; Paseckij 1984, S. 113, 122–124). Unter Kupffers Ägide begannen nunmehr die „Annales de l’Observatoire Physique Central“ zu erscheinen, deren erster Band für das Jahr 1847 im Jahre 1850 veröffentlicht wurde. Ergänzt wurde diese Reihe um die „Correspondance météorologique“, deren erster Band ebenfalls im Jahre 1850 erschien. Als Kupffer im Jahre 1865 in St. Petersburg unerwartet verstorben war, wurde der Physiker Ludwig Friedrich Kämtz zum Direktor des Physikalischen Hauptobservatoriums berufen. Kämtz hatte vorher an der Universität Dorpat gewirkt, wo er 1841 als Nachfolger von Friedrich Parrot sein Amt angetreten hatte.

Abb. 33. Grabdenkmal von Adolph Theodor Kupffer auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg Photographie September 2008.

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Kupffers Schriftenverzeichnis ist umfangreich und macht deutlich, dass der Gelehrte eine stattliche Anzahl von Veröffentlichungen auf den Gebieten Erdmagnetismus, Meteorologie, Mineralogie, Geologie, Geographie und Metrologie aufzuweisen hat (Rykačev 1900, S. 6–16*; Paseckij 1984, S. 193–200). Kupffer veröffentlichte in lateinischer, in französischer, in deutscher und in russischer Sprache.

7.3. Adolph Theodor Kupffer und Gauß Kupffer war 22 Jahre jünger als Gauß und gehörte damit der Generation von Gauß’ Studenten an. Kupffer und Gauß lernten sich in der Tat bereits 1819 während Kupffers Studium an der Universität Göttingen persönlich kennen. Kupffer ist der einzige von Gauß’ Korrespondenten in Russland, den man mit vollem Recht als Schüler von Gauß bezeichnen kann.

7.3.1. Der Briefwechsel Kupffer stand mit zahlreichen Wissenschaftlern in Russland und im Ausland in Briefwechsel. In der St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften wird eine Sammlung von Briefen aufbewahrt, die Kupffer mit 173 Korrespondenten gewechselt hat.28 Diese riesige Briefsammlung ist bislang nicht vollständig ausgewertet worden; nur ein Bruchteil der Briefe ist ediert, und zwar zumeist nur in russischer Übersetzung. Ein Teil der Korrespondenz zwischen Kupffer und ausländischen Gelehrten, darunter auch Gauß, wurde von Tat’jana Nikolaevna Klado veröffentlicht (Klado 1963). Aus der Reihe von Kupffers Korrespondenten seien hier außer Gauß die folgenden Namen erwähnt: Jöns Jakob Berzelius, Friedrich Wilhelm Bessel, Christopher Hansteen, John Herschel, Gabriel Lamé, Urbain Leverrier, Hans Christian Oersted, Adolphe Quételet, Magnus Georg Paucker, Edward Sabine, Pietro Angelo Secchi sowie Wilhelm Weber.29 Außerdem stand Kupffer mit Franz Ernst Neumann30 und mit Alexander von Humboldt31 in Briefkontakt. 28 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 1–173. 29 In der Kupffer-Biographie von V. M. Paseckij ist ein Teil der Korrespondenz zwischen Kupffer und Edward Sabine, Adolphe Quételet, Heinrich Wilhelm Dove sowie Christoph Buys-Ballot nur in russischer Übersetzung abgedruckt (Paseckij 1984, S. 165– 190). 30 SUB Göttingen, Cod. Ms. F. E. Neumann: 51. 31 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 57, sowie Schramm 1866; Rykačev 1900; Briefwechsel Humboldt– Russland 1962; Briefwechsel Humboldt–Russland 2009.

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Leider ist ein Teil des Briefwechsels Humboldt-Kupffer heute verschollen: Es fehlen insgesamt 29 Briefe, die der Kupffer-Biograph Hugo Schramm dem Archiv des Physikalischen Hauptobservatoriums überlassen hatte (Rykačev 1900, S. 49; Paseckij 1984, S. 8). Die vorhandene Korrespondenz zwischen Kupffer und Gauß umfasst 27 Briefe, und zwar sechs Briefe von Gauß an Kupffer und 21 Briefe von Kupffer an Gauß. Mit Sicherheit ist der Briefwechsel beider Gelehrter nicht vollständig erhalten. Obwohl sich Kupffer an zahlreichen Orten aufgehalten hat, sind wohl alle seine überlieferten Briefe in St. Petersburg geschrieben worden.32 Die gegenwärtigen Aufbewahrungsorte der Briefe sind die SUB Göttingen, die Smithsonian Institution in Washington und die St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften. Einige Briefe sind bereits veröffentlicht worden, und zwar vier Briefe in der ersten KupfferBiographie von Schramm im deutschen Original (Schramm 1866, S. 515–518, 618–619, Briefe Nr. 5, 13, 15, 18) sowie drei Briefe in russischer Übersetzung (Klado 1963, S. 240–250, Briefe Nr. 11, 24, 25). Der erste Brief von Kupffer an Gauß stammt aus dem Jahre 1823. Nach einer längeren, bis 1832 währenden Unterbrechung geht der Briefwechsel dann bis 1849 weiter. Manchmal liegen größere Pausen zwischen den einzelnen Briefen. Im Jahre 1840 wurden gleich acht Briefe gewechselt. Ein besonderer Fall liegt bei den Briefen Nr. 25 und 26 vor. Es handelt sich hierbei um zwei Versionen eines und desselben Textes, die teilweise fast identisch sind. Den Fall kann eine Bemerkung von Kupffer aufklären, der Gauß am 25. April/4. Mai 1847 wissen ließ: „Meinen 1ten Brief bitte ich Sie, als ungeschrieben zu betrachten; der Zusammenhang zwischen μ und Į, von dem in demselben die Rede ist, beruht auf einem Irrthum, in den ich durch einen Rechnungsfehler verfallen bin“ (Brief Nr. 25). In dem Briefwechsel zwischen Gauß und Kupffer werden keinerlei persönliche Erlebnisse, Angelegenheiten usw. zur Sprache gebracht, es geht ausschließlich um wissenschaftliche, fachliche Belange. Die Briefe sind oft sehr umfangreich und enthalten genaue Beschreibungen von Experimenten. Ferner ließ Kupffer Gauß zahlreiche seiner Werke zukommen, von denen die GaußBibliothek zehn Titel aufbewahrt. So schickte Kupffer mehrere literarische Werke oder sonst Russland bzw. die russische Sprache betreffende Literatur an Gauß. Kupffer hat zwar viele seiner wissenschaftlichen Werke in russischer Sprache veröffentlicht, aber nur eines von diesen, nämlich sein „Rukovodstvo k dělaniju meteorologičeskich i magnitnych nabljudenij“33 (Anleitung zur Durchführung meteorologischer und magnetischer Beobachtungen), das von Kupffer für die Bergoffiziere zusammengestellt worden war, befindet sich in der Gauß-Bibliothek (Kupffer, A. T. 1835; GB 489; siehe Lehfeldt 2011, 32 Im Brief Nr. 6 fehlt eine Ortsangabe. 33 Originaltitel: „Ɋɭɤɨɜɨɞɫɬɜɨ ɤɴ ɞ࣎ɥɚɧiɸ ɦɟɬɟɨɪɨɥɨɝɢɱɟɫɤɢɯɴ ɢ ɦɚɝɧɢɬɧɵɯɴ ɧɚɛɥɸɞɟɧiɣ“.

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S. 310–311, Nr. 13). Kupffer verfasste das Manuskript in französischer Sprache, die Übersetzung ins Russische besorgte der Student des Pädagogischen Hauptinstituts in St. Petersburg M. Spasskij. In dieser ca. 150 Seiten umfassenden Publikation sind 90 Seiten dem Thema „Astronomische Beobachtungen“ gewidmet, obwohl der Titel dies gar nicht vermuten lässt. Hierfür waren Kupffer bestimmt die astronomischen Kenntnisse, die ihm Gauß während seines Studiums in Göttingen vermittelt hatte, zu Gute gekommen. Gauß, der die russische Sprache erlernte (Lehfeldt 2011, S. 279–281), las Kupffers „Rukovodstvo“ „mit einer gewissen Fertigkeit“, wie er seinem Freund Schumacher in einem Brief vom 8. August 1840 mitteilte (Briefwechsel Gauß– Schumacher 1861: 3, S. 396). Gauß ließ auch Kupffer selbst wissen, dass er dessen Werk „mit einiger Fertigkeit, und mit vielem Vergnügen“ lese: „die Einrichtung Ihrer Barometer hat mich besonders interessirt“ (Brief Nr. 18).

Abb. 34. Die von A. T. Kupffer zusammengestellte „Anleitung zur Durchführung meteorologischer und magnetischer Beobachtungen“ (Kupffer, A. T. 1835) Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 489.

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Der Briefwechsel Kupffer-Gauß offenbart die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Gelehrten, die bislang kaum gebührend gewürdigt worden ist. Diese wissenschaftliche Kooperation betraf den Bereich Maße und Gewichte, insbesondere aber den Erdmagnetismus und die mit dem Magnetismus in Zusammenhang stehenden Probleme der Elastizität der Metalle. Kupffer und Gauß spielten sich gegenseitig die Bälle zu. Im letztgenannten Fall war das Ergebnis Kupffers von der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen im Jahre 1856 preisgekrönte Schrift (Kupffer, A. T. 1856). Auf einige Aspekte des Briefwechsels Kupffer-Gauß wird in den folgenden Ausführungen näher eingegangen.

7.3.2. Kristallographie Da Kupffer seine wissenschaftliche Karriere als Chemiker bzw. Mineraloge begonnen hatte, ist es nicht erstaunlich, dass er Gauß im Jahre 1832 sein „Handbuch der rechnenden Krystallonomie“ zukommen ließ. Es ist mit folgender Widmung versehen: „Herrn Hofrath und Ritter Gauss, hochachtungsvoll vom Verfasser“ (Kupffer, A. T. 1831; GB 888). Kupffer muss gewusst haben, dass Gauß an Kristallographie Interesse hatte, denn er schrieb in seinem Begleitbrief vom 28. Mai/9. Juni 1832: „ich habe mit Vergnügen gesehen, daß Sie diesem Gegenstand, welcher so sehr ausser dem Kreise Ihrer gewöhnlichen Beschäftigungen liegt, auch einige Aufmerksamkeit gewidmet haben. Ich hoffe in Ihnen einen nachsichtigen Beurtheiler zu finden, und es wird mir der schönste Lohn für meine Arbeit dünken, wenn Sie sie gut heissen“ (Brief Nr. 2). Vielleicht hatte ihm ja Gauß über dieses Interesse in einem nicht mehr erhaltenen Brief berichtet. Gauß nämlich hatte am 30. Juni 1831 seinem Freund Christian Ludwig Gerling mitgeteilt: „In der letzten Zeit habe ich mich etwas mit dem Studium der Kristallkunde zu beschäftigen angefangen, welches früher mir ganz fremd war. Ich habe es erst sehr schwer gefunden, mich darin etwas zu orientieren [...]. Die Reflexionsgoniometer, wie sie nach Wollaston bis jetzt eingerichtet werden, scheinen mir ziemlich unvollkommene Instrumente zu sein; ich habe mir einen sehr einfachen Apparat ausgedacht und ausführen lassen, vermittelst dessen der Kristall am Fernrohr eines Theodoliten befestigt wird und dadurch seine richtige Lage mit größter Schärfe erhalten kann, und ich bin ganz neugierig, wie damit anzustellende Versuche ausfallen werden. Ich hoffe so mit Leichtigkeit und ohne Repetition die Winkel zwischen zwei Flächen so scharf bestimmen zu können, wie es nur die plane Beschaffenheit der Flächen zuläßt, und werde dann eine Reihe von Kristallen durchgehen“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 368). Sartorius von Waltershausen führte in seinem Nachruf auf Gauß aus: „Im Jahre 1831 fasste er [Gauß] plötzlich eine sehr grosse Vorliebe für Crystallographie, nachdem er sich in wenigen Wochen so des Gegenstands bemeistert hatte, dass er alles weit hinter sich liess, was bis dahin über diese Wissenschaft

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bekannt war. Er mass die Crystalle mit einem 12zölligen Reichenbachschen Theodolithen, berechnete und zeichnete darauf ihre schwierigsten Formen. Seine Methode der Crystallbezeichnung war im Wesentlichen die, welche später von Miller34 in Cambridge bekannt gemacht ist […]. Doch schon nach kurzer Zeit wurden alle Papiere, Beobachtungen, Rechnungen und Zeichnungen bei Seite gelegt, ohne dass auch nur das Geringste zur öffentlichen Kenntniss gelangt wäre und von Crystallographie war nie mehr die Rede“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 61). Vielleicht ist es ja Kupffer gewesen, der Gauß’ Interesse an der Kristallographie geweckt hatte. Aber es gab noch einen weiteren Grund, nämlich einen mathematischen, weshalb sich Gauß mit dem Studium der Kristalle beschäftigt hat, nämlich seine Theorie der ternären Formen, denen er in seinen 1801 erschienenen „Disquisitiones arithmeticae“ ein umfangreiches Kapitel gewidmet hatte.35 Im Jahre 1831 verfasste Gauß’ ehemaliger Student Ludwig August Seeber eine Arbeit mit dem Titel „Untersuchungen über die Eigenschaften der positiven ternaeren quadratischen Formen“ (Seeber 1831; GB 1005). Gauß besprach diese Abhandlung in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“. Dabei erörterte er den Zusammenhang zwischen den ternären Formen und der Kristallographie und erwähnte auch die von Kupffer erzielten Ergebnisse: „In der That führen zwar Hauy’s Angaben bei den meisten Krystallgattungen auf sehr einfache ganze Werthe der Coëfficienten in den ternären Formen, welche sich auf die jenen entsprechende Anordnung des Punktensystems beziehen; allein die genaueren späteren Messungen von Wollaston, Malus, Biot, Kupffer u.a. stehen damit im Widerspruch, und machen es zweifelhaft, ob rationale Verhältnisse jener Coëfficienten überall naturgemäss sind“ (Gauß 1831, zitiert nach: Gauß-Werke: 2 (1863), S. 195). Seinen Freund Schumacher ließ Gauß am 12. August 1831 wissen: „Ich habe mich seit einiger Zeit ziemlich viel mit Krystalllehre beschäftigt und mir eine Vorrichtung machen lassen, womit die Winkel so genau wie möglich gemessen werden können. Es hat mir erst Mühe gemacht, mich in der Sache zu orientiren, da die Bücher, die ich dabei zu Führern nahm, dieselbe mehr zu verwirren, als aufzuhellen dienen [...]“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 2, S. 273–274). Auch im Nachlass von Gauß fanden sich Beiträge zur Kristallographie (Liebisch 1879/2007; Funke 2007). Im Wintersemester 1831/32 hielt Gauß sogar folgende außergewöhnliche Lehrveranstaltung: „Die Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der angewandten Mathematik, vorzüglich der Astronomie, der höhern Geodäsie, und der Crystallometrie“ (Folkerts 2002, S. 89).

34 „A Treatise on Crystallography“ (Miller 1839). 35 „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801), dort ternäre Formen § 266–§ 285.

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7.3.3. Magnetismus 7.3.3.1. Erdmagnetismus Die Erforschung des Erdmagnetismus war eigentlich Alexander von Humboldts Domäne (Honigmann 1984). Dieser hat auch in dem 1858 erschienenen vierten Band des „Kosmos“ dem Erdmagnetismus und dessen Erforschung ein umfangreiches Kapitel eingeräumt (Humboldt 1845–1862: 4, S. 48–149). Im September 1828 hatten sich Gauß und Wilhelm Weber anlässlich der von Humboldt in Berlin ausgerichteten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte persönlich kennengelernt. Im Jahre 1831 gelang es, Weber nach Göttingen zu berufen. Mit der Zusammenarbeit von Gauß und Weber begann eine neue Epoche in der Geschichte der Erforschung des Erdmagnetismus (vgl. Wiederkehr 1964). Eine richtungsweisende Bedeutung kam dabei Gauß’ Abhandlung „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ zu. Das lateinische Original erschien zwar erst im Jahre 1841 (Gauß 1841a), doch bereits 1833 veröffentlichte Johann Christian Poggendorff in seinen „Annalen der Physik und Chemie“ die erste deutsche Übersetzung „Die Intensität der erdmagnetischen Kraft, zurückgeführt auf absolutes Maaß“ (Gauß 1833). Aber auch einige wenige Sonderdrucke von Gauß’ lateinischer Originalarbeit waren im Umlauf (Reich 2011b). Gauß und Weber publizierten zunächst ihre Ergebnisse und Beobachtungen in den „Annalen der Physik und Chemie“ (Gauß 1834a; Gauß 1834b; Gauß 1835; Weber 1833; Weber 1835), seit 1836 aber vor allem in ihrer eigenen Reihe „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ zu Göttingen. 7.3.3.1.1. Kupffers Besuch in Göttingen im Sommer 1833 Im Jahre 1833 erschien Gauß’ „Intensitas“ in den „Annalen der Physik und Chemie“ (Gauß 1833), und noch im selben Jahr stellte Kupffer an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg einen Antrag für eine Reise nach Göttingen, der auch genehmigt wurde.36 In dem Protokoll der Sitzung der Akademie vom 26. April/8. Mai 1833 (§ 216) in St. Petersburg wird festgehalten, dass Kupffer um einen Urlaub gebeten habe, um auf eigene Kosten eine Reise nach Göttingen zu unternehmen. Ziel dieser Reise sollte es sein, Gauß’ Methode zur Bestimmung der absoluten Intensität des Erdmagnetismus von diesem persönlich erklärt zu bekommen sowie Gauß um Rat zu bitten, wie man das von ihm erfundene Verfahren in Russland einsetzen könne: „M. l’Académicien Kupffer pria la Conférence de lui procurer un congé de trois mois, y compris le mois des vacances pour faire un voyage à Göttingue dans le but de suivre de ces propres yeux les procédés que M. Gauss emploie pour déterminer l’intensité absolue des forces magnétiques terrestre et pour 36 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 1a, ʋ 48, l. 56r, 57r, 57v, 58v, 59r.

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consulter ce célèbre Géomètre sur la manière d’adapter la méthode inventée par lui à nos localités. M. Kupffer se propose de faire ce voyage à ses propres frais, il désire seulement conserver tous les émolumens durant son absence.“37 Nach seiner Rückkehr berichtete Kupffer ausführlich über die neuen Messmethoden, die Gauß in Göttingen eingeführt und ihm vorgeführt hatte,38 und setzte diese sogleich in seinem Magnetischen Observatorium am Institut des Korps der Bergingenieure in St. Petersburg ein. Kupffer startete zusammen mit Göttingen synchrone Beobachtungen und verglich die dabei gewonnenen Ergebnisse. In den Akten der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg von 1835 wird festgehalten: „[...] dans la séance du 9 octobre, il [Kupffer] nous a rendu compte des résultats intéressants qu’ont donnés les observations magnétiques correspondantes exécutées par lui et M. Gauss à Göttingue. Ces observations, qui se rapportent aux variations horaires de la déclinaison, ont été instituées ici, dans le nouvel observatoire magnétique et météorologique du corps des mines, d’après la nouvelle méthode inventée par M. Gauss, et adoptée sur un grand nombre de points en Allemagne, auxquels se joindront bientôt plusieurs points importants en Russie. On a observé à des jours convenus pendant 24 heures consécutives et de 5 en 5 minutes. Les observations sont exactement simultanées, c’est-à-dire, la position de l’aiguille a été notée exactement dans le même instant physique sur les deux points, à St.-Pétersbourg et à Göttingue. Les résultats obtenus ont été représentés graphiquement sur une feuille de papier sous la forme d’une courbe dont le temps et les déviations de l’aiguille sont les coordonnées. La comparaison des deux courbes, de celle de St.-Pétersbourg et de celle de Göttingue, a présenté un accord fort remarquable; cependant, quelques différences assez grandes ont été aperçues: il arrive même quelquefois que la courbe baisse à Göttingue lorsqu’elle monte à St.Pétersbourg, et réciproquement, ce qui fait voir que la marche de l’aiguille est quelquefois contraire sur ces deux points. On peut donc supposer que le centre de l’action des forces perturbatrices, qui causent ces mouvements irréguliers de l’aiguille, se place quelquefois entre St.-Pétersbourg et Göttingue.“ In einer Anmerkung wird ausführlich erklärt: „Cette méthode [de Gauss] consiste à fixer, à l’extrêmité de l’aiguille, et perpendiculairement à son axe magnétique, un miroir plan sur lequel on dirige la lunette d’un thédolite placé dans le prolongement de l’aiguille, et à la même hauteur au-dessus du sol. Une règle horizontale divisée, et dirigée de l’est à l’ouest, est fixée au pied du théodolite, de manière que son image réfléchie par le miroir est vue par la lunette. Il est clair que toute variation dans la direction de l’aiguille est indiquée par un déplace-

37 Ebenda, l. 57r und v. 38 Originaltitel: „ɀɭɪɧɚɥɴ Ɇɢɧɢɫɬɟɪɫɬɜɚ ɧɚɪɨɞɧaɝɨ ɩɪɨɫɜ࣎ɳɟɧiɹ“. Siehe: Žurnal Ministerstva narodnago prosvěščenija 1835, cast’ 8, Dezember, otd. III, S. 539.

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ment correspondant des traits de la division vue par réflexion, relativement au fil vertical de la lunette dont la position est invariable.“39 7.3.3.1.2. Die Folgen Im Jahre 1835 wurde auch im Briefwechsel zwischen Gauß und Kupffer der Erdmagnetismus ein herausragendes Thema: Kupffer sprach in diesem Zusammenhang von einer neuen Epoche (Brief Nr. 8). Kupffer, der sich früher an den Regeln von Alexander von Humboldt orientiert hatte, versicherte am 25. Mai/6. Juni 1835 Gauß die Wende und berichtete, dass die neuen Gaußschen Regeln nicht nur für Kupffer selbst und St. Petersburg, sondern in ganz Russland Geltung haben sollten: „Es wird Ihnen gewiss angenehm seyn zu erfahren, dass Ihre neue Methode, die stündlichen Aenderungen der magnetischen Abweichung zu beobachten, nun auch bei uns in Russland eingeführt ist“ (Brief Nr. 4). Kupffer forderte unverzüglich Ivan Michajlovič Simonov in Kasan und Karl Friedrich Knorre in Nikolajew auf, sich der Anweisungen von Gauß zu bedienen. Auch betrieb Kupffer aktiv die Ausweitung des Beobachtungsnetzes durch Gründung neuer Stationen. So erwähnte er bereits 1835 die neuen Observatorien, die in Jekaterinburg, Nertschinsk und Barnaul errichtet werden sollten (Brief Nr. 4). Gauß antwortete Kupffer unverzüglich und begeistert, auch schilderte er ausführlich die zu beachtenden Beobachtungsdetails (Brief Nr. 5). Kupffer wurde nun alsbald Mitglied des Göttinger Magnetischen Vereins. In der Folgezeit ließ Kupffer Gauß regelmäßig umfangreiches Beobachtungsmaterial aus Russland zukommen. Bei dem zuständigen Finanzminister Cancrin erreichte er, dass die russischen Beobachtungsdaten veröffentlicht werden konnten (Briefe Nr. 7, 8, 9). 7.3.3.1.3. Die Konferenz des Magnetischen Vereins in Göttingen: 1839 Im Jahre 1839 begab sich Kupffer auf eine Deutschlandreise, wobei seine wichtigsten Stationen Hamburg, Göttingen und München waren (Roussanova 2010c). Nach seiner Ankunft in Hamburg erhielt Kupffer einen Brief von Gauß, in dem dieser ihm seine Freude sowohl über das bevorstehende Treffen als auch über die „schönen Aussichten zu kräftiger Cooperation russischer Seits“ mitteilte (Brief Nr. 11). Göttingen besuchte Kupffer während der Reise gleich zweimal, einmal im August und einmal im Oktober 1839. Dazwischen ging er auf Deutschlandtournee, um für den Bau Magnetischer Observatorien zu werben. Darüber hinaus besuchte er Italien, Frankreich und die Schweiz. Kupffer informierte seinen Vorgesetzten General Čevkin ausführlich über den Verlauf der Reise, und zwar in Briefen aus Berlin, Göttingen, Bern und Paris (Rykačev 1900, S. 44–55*). Er hegte den Plan, das Projekt des in St. Peters39 Recueil des actes de la séance publique de l’Académie Impériale des Sciences de SaintPétersbourg, tenue le 29 décembre 1835. St. Pétersburg 1836, S. 31–32.

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burg zu errichtenden Physikalischen Observatoriums mit Humboldt, Arago und Gauß zu erörtern. An Čevkin schrieb er am 25. Juli 1839 aus Berlin: „D’après les idées générales, que nous avons discutées ensemble, Mr. de Humboldt et moi, j’ai commencé à rediger un projet, que je compléterai, aussitôt que j’aurai pu consulter Mr. Gauss et Arago, et que j’aurai l’honneur de présenter à Votre Excellence à mon retour en Russie“ (Rykačev 1900, S. 46*). Nach seinem ersten Aufenthalt in Göttingen reiste Kupffer zusammen mit Wilhelm Weber nach München. Der in München wirkende Astronom Johann Lamont wusste zu berichten: „[...] kam Herr Staatsrath Kupffer, den die Russische Regierung mit der Herstellung und Leitung der magnetischen Observatorien in Russland beauftragt hatte, in München an, um die Zweckmässigkeit geeigneter Mitwirkung in Anregung zu bringen. Er hatte bereits einen grossen Theil der Deutschen Hauptstädte besucht, ohne irgendwo eine Vorbereitung zu ausgedehnteren magnetischen Arbeiten zu finden“ (Lamont 1841, S. 13). In München aber hatte Kupffer Erfolg, denn dort wurde gleich im Anschluss an seinen Besuch auf dem Gelände der Sternwarte in Bogenhausen bei München ein Magnetisches Observatorium errichtet,40 das durch einen unterirdischen Gang mit der Sternwarte verbunden war. Bereits im August 1840 konnte dort mit regelmäßig stattfindenden magnetischen Beobachtungen begonnen werden. Die unterirdischen Messungen wurden jedoch im Jahre 1846 aufgegeben (Häfner/Soffel 2006, S. 14, 16, 66–84). Mitte Oktober 1839 fand in Göttingen eine internationale Konferenz des Magnetischen Vereins statt,41 an der Kupffer, Karl August Steinheil aus München sowie Humphrey Lloyd aus Dublin und das Ehepaar Edward42 und Elizabeth Sabine aus London teilnahmen (Brief Nr. 10, 11). Kurz vorher, am 30. September 1839, hatte Gauß seinem Freund Christian Ludwig Gerling berichtet: „Es wird nun aber nicht lange mehr dauern, bis wir aus dem Norden reiche u[nd] vollständige (beide Elemente enthaltende) Beob[achtungen] bekommen werden. Nach Helsingfors sind schon vor längerer Zeit beide Apparate gekommen und an dem dortigen magnetischen Observ[atorium] wurde dem Vernehmen nach vorigen Sommer gebaut. Kupffer hat beide Apparate für Petersburg hier bestellt und drei oder vier andere Plätze im östl[ichen] Rußland werden auf ähnliche Art ausgestattet werden. Einige Wochen später kam Hansteen an, der 14 Tage hier blieb u[nd] sich in allen Operationen geübt hat, auch er hat beide Apparate für Christiania bestellt, wo ein besonderes M[agnetisches] O[bservatorium] gebaut wird. Kupffer wird übrigens Mitte Oktober noch einmal hierher kommen, um einer Art von Magnetischem Kongresse hier beizuwohnen, wozu Sabine aus London, Lloyd aus Dublin 40 Die Sternwarte befand sich in Bogenhausen, das damals noch nicht zu München gehörte. 41 Der Termin wurde vom August auf den Oktober 1839 verlegt. 42 Kupffer stand mit Sabine seit 1831 in Briefwechsel bezüglich erdmagnetischer Beobachtungen (Paseckij 1984, S. 72).

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u[nd] Steinheil aus München kommen werden, eigentlich sollte ich auch Mrs. Sabine, die ihren Mann begleiten wird, mitnennen, da von ihr und nicht von ihm meine Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus ins Englische übersetzt ist,43 zunächst zum Gebrauch der Offiziere, die für die antarktischmagnetische Expedition44 angestellt sind“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 583–584). Nach der Konferenz in Göttingen entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit zwischen Kupffer einerseits sowie Gauß und Weber andererseits. Kupffer ließ umfassende Beobachtungsdaten der russischen Observatorien in St. Petersburg, Barnaul und Nertschinsk nach Göttingen übermitteln. Kupffers Protokolle aus den Jahren 1840 bis 1842 sind heute in Göttingen vorhanden.45 7.3.3.1.4. Die Magnetische Konferenz in Cambridge: 1845 Wilhelm Weber, der im Zuge der Ereignisse der sogenannten „Göttinger Revolution“ von 1837 seine Stelle in Göttingen verloren hatte, übernahm im Jahre 1843 eine Professur an der Universität Leipzig, wohin er auch übersiedelte. Dieser Umstand setzte der Zusammenarbeit von Gauß und Weber ein jähes Ende. Als Folge davon verlor Göttingen seine führende Position in der Erforschung des Erdmagnetismus (Wiederkehr 1964, S. 203–204). So fand die nächste Magnetische Konferenz nicht mehr in Göttingen, sondern in Cambridge statt, und zwar unter der Ägide von John Herschel. Gauß nahm an ihr nicht teil, Kupffer aber fuhr nach Cambridge und berichtete Gauß über den Verlauf der Konferenz (Briefe Nr. 22, 23). Dabei äußerte er sich recht zurückhaltend über die während der Konferenz erzielten Ergebnisse. Wolfgang Sartorius von Waltershausen jedoch, der ebenfalls an diesem Kongress teilgenommen hatte, wurde weitaus deutlicher. Am 16. Juli 1845 teilte er Gauß mit: „In den öffentlichen Versammlungen zu Cambridge verlor man sich in langen freien Reden, und man hörte leider nur oberflächliches naturwissenschaftliches Gewäsch, welches mit einem Sauerteig englischer Theologie sorgfältig und gründlich durcharbeitet war. Von einer höheren ernsten Wissenschaft, die nur ihrer selbst wegen betrieben wird, und von der heiligen Weise, die Sie derselben verleihen, scheinen nur wenige einen deutlichen Begriff zu haben. Bei einer solchen Versammlung wird man leider bald gewahr, daß 43 „General theory of terrestrial magnetism“ (Gauß 1841b). 44 James Clark Ross unternahm am 29. September 1839 mit den Schiffen „Erebus“ und „Terror“ eine Antarktisexpedition, die bis 1843 dauerte. 45 Die Materialien befinden sich in der SUB Göttingen, und zwar an mehreren Stellen. SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1840 (Februar, Mai, August, November) = Daten aus St. Petersburg; Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1841 (Februar, Mai, August) = Daten aus St. Petersburg (16 S., Februar), Nertschinsk (12 S., 28.5.1841) und Barnaul (8 S., 27.8.1841); Gauß-Nachlass, Physik 15, Bl. 72–125 (1842) = drei Hefte vom Januar 1842 mit Beobachtungsdaten aus Nertschinsk (Bl. 72–89), St. Petersburg (Bl. 90–107) und Barnaul (Bl. 108–125).

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nicht alles Gold ist, was aus der Ferne glänzt, und daß tiefe menschliche Naturen, sei es in der einen oder andern Richtung immer zu den Seltenheiten gehören.“46 Sartorius’ Fazit war ernüchternd: „es kommt eben nichts dabei heraus“. In den „Proceedings“ dieser Konferenz wurden auch ein Brief von Kupffer an Herschel vom 13./25. Februar 1845 und ein Brief von Gauß an Herschel vom 14. März 1845 veröffentlicht (Report 1846, S. 18–19, 42–45; Proceedings 1845, S. 23–24, 47–50). Lange Zeit verband Kupffer auch eine intensive Zusammenarbeit mit den entsprechenden Wissenschaftlern in Großbritannien, die sich der Erforschung des Erdmagnetismus widmeten. Im Rahmen dieser Arbeit kann auf diesen Asperkt leider nicht eingegangen werden. 7.3.3.1.5. Der Eingang der Gaußschen Beobachtungsmethoden in Russland Was Russland betrifft, so eroberten nicht nur Gauß’ Theorie und dessen Beobachtungsmethoden das Land, sondern es wurden dort auch flächendeckend Instrumente nach Göttinger Vorbild eingesetzt. Eine besondere Rolle spielte hierbei der Göttinger Universitätsmechaniker Moritz Meyerstein, der für Gauß und Weber und nun auch für Russland die ersten für erdmagnetische Beobachtungen benötigten Instrumente herstellte. Auch stand Meyerstein selbst mit Kupffer in brieflichem Kontakt.47 Kupffer hatte während seiner Aufenthalte in Göttingen bei Meyerstein Instrumente bestellt. Im Dezember 1839 konnte Kupffer die Ankunft des Magnetometers sowie des Bifilarmagnetometers bestätigen (Brief Nr. 12). Die Geräte wurden noch leicht verändert, wie der Brief Nr. 14 zeigt, bis mit ihnen ausgiebig Beobachtungen angestellt werden konnten. Mitte August 1840 wurden von Meyerstein sechs 25-pfündige Magnetstäbe nach St. Petersburg geschickt (Brief Nr. 18). In Russland nahm Kupffer die Dienste des Mechanikers der Mechanischen Kammer der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Theodor Girgensohns, in Anspruch und gab ihm den Auftrag, Magnetometer nach Gauß-Weberschen Modellen anzufertigen. 7.3.3.2. Magnetismus und Wärme Kupffer hatte schon in Kasan den Einfluss der Temperatur auf den Magnetismus untersucht (Kupffer, A. T. 1825b und c). Dieses Thema beschäftigte ihn auch weiterhin, wie seine Veröffentlichungen zeigen. So berichtete er Gauß über seine neueren diesbezüglichen Untersuchungen: im Mai 1843 ging es um 46 Brief von Sartorius von Waltershausen an Gauß vom 16.7.1845 (London). SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Sartorius von Waltershausen 12. Die Transkription des Briefes hat dankenswerterweise Herr Bernd Wolfram besorgt. 47 In der St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften sind fünf Briefe von Meyerstein an Kupffer nachgewiesen: vom 22.11.1839, 17.3.1840, 7.9.1841, 12.4.1842, 5.1.1844 (f. 32, op. 2, ʋ 108, l. 1–6).

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die Herstellung von Magnetstäben, die gegenüber Temperaturschwankungen unempfindlich sein sollten (Brief Nr. 21). 7.3.3.3. Das Physikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg In einem im Januar 1846 geschriebenen Brief deutete Kupffer Gauß gegenüber an, dass sich in St. Petersburg ein Zentralinstitut im Bau befinde, das nicht nur für magnetische und meteorologische Forschungen, sondern für alle Zweige der beobachtenden Physik bestimmt sei (Brief Nr. 23). Aus dem Briefwechsel Kupffer-Čevkin, den Kupffer während seiner Reise im Jahre 1839 geführt hat, ist ersichtlich, dass Kupffer dieses Projekt schon während seines Aufenthalts in Göttingen im August und Oktober 1839 mit Gauß beraten hatte (Roussanova 2010c). Dass die umfassende Idee, in St. Petersburg ein Physikalisches Observatorium zu gründen, das für die Erforschung der Erde die gleiche Rolle wie ein Astronomisches Observatorium für die Erforschung des Himmels spielen sollte, von Alexander von Humboldt stammt, wird von Kupffer in einem Brief vom 13./25. Juli 1839 an Čevkin bestätigt: „Mr. de Humboldt pense aussi, qu’il faut faire un observatoire physique, c’est-à-dire, qu’il ne faut pas se borner au magnétisme terrestre et à la météorologie, mais qu’il faut étendre les travaux sur tout ce qui tient à la physique de la terre: notre observatoire sera pour la terre ce que les observatoires astronomiques sont pour le ciel“(Rykačev 1900, S. 46). In dem letzten vorhandenen Brief an Gauß vom 15./27. Februar 1849 (Brief Nr. 27) berichtet Kupffer über die Fertigstellung dieser neuen Institution in St. Petersburg, des Physikalischen Hauptobservatoriums. Er verspricht hier zwar, Gauß weitere Informationen zukommen zu lassen, allein die versprochenen Briefe wurden entweder nicht geschrieben, oder sie sind nicht mehr erhalten. Kupffer stand jedoch weiterhin mit Gauß’ Freund Gerling in Kontakt. So berichtete Gerling Gauß in einem Brief vom 27. April 1850 aus Marburg, dass er wegen der Beobachtungstermine an Kupffer geschrieben habe. Es ging dabei um die Beobachtungen der Variationen der Deklination und der Horizontalintensität (Briefwechsel Gauß–Gerling 1964, S. 110). 7.3.3.4. Zu Kupffers Einschätzung von Gauß’ Beitrag zur Erforschung des Erdmagnetismus Im Jahre 1851 veröffentlichte Kupffer in den „Astronomischen Nachrichten“ einen Bericht, in dem er auf die Geschichte der Erforschung des Erdmagnetismus und auf die Beiträge einzelner Personen und Länder einging. Bezüglich Gauß bemerkte er: „L’impulsion que M. Gauss a donné aux études magnétiques, fut forte et durable; en découvrant une méthode exacte pour déterminer la valeur absolue de l’intensité horizontale, en introduisant dans l’observation de la déclinaison et de ses variations horaires un nouveau principe, celui de la réflexion, qui Permet d’observer la marche de l’aiguille à une grande distance, et par conséquent d’isoler mieux un instrument aussi délicat;

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en nous offrant enfin un moyen tout nouveau, pour observer avec une grande précision et à des instants aussi rapprochés, que l’on veut, les variations de l’intensité horizontale, M. Gauss a donné à l’étude des phénomènes magnétiques cette rigueur mathématique et cette profondeur, qui seule a pu en faire une science à part, un vaste champ d’explorations nouvelles, réclamant à juste titre l’attention exclusive des savans, qui ont été appelés à s’en occuper. L’association magnétique de Goettingue, qui n’existe plus dans ce moment [...]. Quoique les nouvelles méthodes de M. Gauss furent généralement appréciées, ce ne fut cependant qu’en Russie, qu’elles devinrent la base d’un nouveau système d’observations quotidiennes“ (Kupffer, A. T. 1850/1851, Sp. 88–89). Zu der hier erwähnten Reflexionsmethode von Gauß siehe den Brief Nr. 23.

7.3.4. Meteorologie Gauß hat sich bestenfalls am Rande mit meteorologischen Fragestellungen beschäftigt, Kupffer dagegen war auf dem Gebiet der Meteorologie besonders aktiv. So ließ er Gauß auch in seinen Briefen meteorologische Beobachtungen zukommen (Briefe Nr. 7, 9, 20) und sandte Gauß seine diesbezüglichen Publikationen. Für seine prompte Veröffentlichung von meteorologischen Daten erhielt Kupffer großes Lob von dem Berliner Meteorologen Wilhelm Dove: „Die Wissenschaft kann Ihnen nicht genug Dank dafür wissen, daß die Herausgabe der meteorologischen Beobachtungen so rasch erfolgt, während in England die seit Jahren versprochenen Bände immer noch nicht erschienen sind“ (Schramm 1866, S. 611).

7.3.5. Metrologie Kupffer war am 14./26. Oktober 1831 im Auftrag der russischen Regierung Mitglied der Kommission zur Festlegung der Maße und Gewichte geworden (Rykačev 1900, S. 34*). Im Jahre 1835 arbeitete er über das Volumen eines russischen Pfundes Wasser (Brief Nr. 4). Diese Aufgabe war mit dem Problem verbunden, Standardgewichte aus Platin – Etalons – herstellen zu lassen. So hatte, wie Moritz Hermann Jacobi am 22. August 1837 seinen Bruder Carl Gustav Jacob Jacobi wissen ließ, Kupffer für Etalons Platin im Wert von 70.000 Rubel erhalten (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 44). Gauß war bereits seit 1828 Mitglied der Hannoverschen „Kommission zur Regulierung des Maßwesens“ und beschäftigte sich auch mit der Prüfung und Eichung von amtlichen Maßstäben und Gewichten. 1836 dachte man darüber nach, Normalmaße anfertigen zu lassen (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 329, 468, 508; Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 2, S. 191–192, 439– 440; Briefwechsel Gauß–Bessel 1880, S. 488). Die Normalgewichte lagen schließlich 1839 vor, so dass sich Gauß an deren Vergleichung machen konnte. Gauß berichtete am 17. und am 22. August 1839 in aller Ausführlichkeit

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Schumacher über die angeordneten und durchgeführten Vergleichsmaßnahmen, die wiederum eine Beschäftigung mit Präzisionswaagen nach sich zogen (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 236–243, 245–247). So fiel Kupffers Besuch in Hamburg und in Göttingen im Jahre 1839 gerade in die Zeit, in der sich Gauß und Schumacher mit diesem Problem beschäftigten. Kupffer besaß ein Platin-Kilogramm-Gewicht, das von demjenigen Schumachers abwich, was im September und November 1839 zu diversen Diskussionen und Spekulationen führte (ebenda, S. 289–290, 305–307, 315). Diese Lage der Dinge erörterte Kupffer in einem Brief an Gauß aus dem Jahre 1843 (Brief Nr. 21), und im Anschluss daran schickte er ihm einen Bericht der Kommission zur Festlegung der Maße und Gewichte in Russland: „Travaux de la commission pour fixer les mesures et les poids de l’empire de Russie“ (Kupffer, A. T. 1841; GB 1026). Ferner berichtete Kupffer anlässlich der Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte zu Mainz im September 1842 über die russischen Maße und Gewichte und übereignete der Mainzer Stadtbibliothek ein Exemplar seiner Abhandlung von 1841. Kupffer betonte in seinem Vortrag: „So ist durch die Liberalität unserer Regierung eine Institution ins Leben getreten, die in Europa nicht ihres Gleichen hat: denn wenn auch die Commissionen, die in Paris, London, Stockholm zu demselben Zweck eingesetzt worden, eben so umfassende Arbeiten geliefert haben, so wurden sie doch alsbald nach deren Beendigung geschlossen, und die durch dieselben regulirten Masse und Gewichte fielen der Administration anheim, und traten so gewissermassen aus dem Bereiche der Wissenschaft. Durch die Gründung eines eignen Institu[t]s für Metrologie, welches eigne und nicht unbedeutende Mittel zur Disposition hat, ist dieser Wissenschaft eine fortgehende Entwicklung gesichert“ (Kupffer, A. T. 1842b, S. 83). Kupffer meinte hier die erste Institution für Metrologie in Russland, das „Depo obrazcovych měr i věsov“48 (Dépôt für Maß- und Gewichtsmuster), das am 16./28. Juni 1842 in St. Petersburg gegründet worden war (Amburger 1866, S. 205). Im Dépôt wurden die Vergleichsmaße aufbewahrt sowie weitere Vergleichsmaße für das ganze Land hergestellt, was per Gesetz geregelt wurde. Als Leiter dieses Dépôts wurde Kupffer verpflichtet. Das Dépôt befand sich von 1842 bis 1880 auf dem Gelände der Peter-Paul-Festung und besteht noch heute in St. Petersburg als Allrussländisches D. I. Mendeleev-Forschungsinstitut für Metrologie.

7.3.6. Kupffer als Vermittler russischer Literatur für Gauß Kurt-R. Biermann hat bereits im Jahre 1964 Gauß’ intensive russische Sprachstudien behandelt (Biermann 1964b). Er zog hierbei vor allem Gauß’ gedruckte Briefwechsel sowie die Aussagen von Simonov heran. Dieses Thema wurde von Werner Lehfeldt eingehend erforscht (Lehfeldt 2005b; Lehfeldt 2011). 48 Ⱦɟɩɨ ɨɛɪɚɡɰɨɜɵɯɴ ɦ࣎ɪɴ ɢ ɜ࣎ɫɨɜɴ.

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Nun zeigt auch der Briefwechsel zwischen Gauß und Kupffer, in welch hohem Maße sich Gauß für die russische Sprache und die russische Literatur interessierte. Bei seinem Besuch bei Gauß im Jahre 1839 war Kupffer begeistert davon, dass sich Gauß mit der russischen Sprache beschäftigte. Darüber berichtete er seinem Vorgesetzten am Korps der Bergingenieure, dem General Konstantin Čevkin, in einem Brief vom 1. September 1839. Kupffer machte Čevkin auch den Vorschlag, russische Bücher für Gauß und für die Göttinger Bibliothek zu besorgen (Rykačev 1900, S. 52–53*). Kupffer selbst ließ Gauß in mannigfacher Weise Literatur zukommen (Brief Nr. 12), die sich, soweit die Titel bekannt sind, noch heute in der Gauß-Bibliothek nachweisen lässt. Darunter befindet sich das große etymologische Lexikon von Reiff (Reiff 1835/36; GB 608). Kupffer kannte offensichtlich Charles Philipp Reiff persönlich, der lange Zeit in St. Petersburg lebte (Briefe Nr. 4, 12, 13 und 16). Außerdem schickte Kupffer in russischer Sprache veröffentlichte Fachliteratur nach Göttingen, so etwa seine eigene Anleitung zur Durchführung meteorologischer und magnetischer Beobachtungen: „Rukovodstvo k dělaniju meteorologičeskich i magnitnych nabljudenij“49 (Kupffer, A. T. 1835; GB 489) und Bunjakovskijs Lexikon der Reinen und Angewandten Mathematik: „Leksikon čistoj i prikladnoj matematiki“50 (Bunjakovskij 1839; GB 986). Obwohl Kupffers „Rukovodstvo“, wie Werner Lehfeldt gezeigt hat (Lehfeldt 2011, S. 310), nur teilweise aufgeschnitten ist und keinerlei Gebrauchsspuren aufweist, so ließ Gauß Kupffer doch wissen: „Mit dem Russischen schreite ich wenn auch langsam, doch immer etwas fort, und nehme an dieser reichen und bildsamen Sprache recht viel Interesse. Ihr ɊɍɄɈȼɈȾɋɌȼɈ lese ich mit einiger Fertigkeit, und mit vielem Vergnügen“ (Brief Nr. 18). Dieser Brief macht deutlich, wie ernst es Gauß damals war, sich intensiv der russischen Sprache und damit auch der russischen Kultur zu widmen.

7.3.7. Wahl zum Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen: 1840 In der Sitzung der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen vom 14. Februar 1840 wurden neue Mitglieder vorgeschlagen. Gauß sprach sich für die Aufnahme Kupffers aus, da er ihn zu den Männern zählte, „deren ausgezeichnete Verdienste um die Naturwissenschaften so allgemein bekannt sind, daß jede weitere Empfehlung überflüssig sein würde“.51 Nur wenige Tage

49 Originaltitel: „Ɋɭɤɨɜɨɞɫɬɜɨ ɤɴ ɞ࣎ɥɚɧiɸ ɦɟɬɟɨɪɨɥɨɝɢɱɟɫɤɢɯɴ ɢ ɦɚɝɧɢɬɧɵɯɴ ɧɚɛɥɸɞɟɧiɣ“. 50 Originaltitel: „Ʌɟɤɫɢɤɨɧɴ ɱɢɫɬɨɣ ɢ ɩɪɢɤɥɚɞɧɨɣ ɦɚɬɟɦɚɬɢɤɢ“. 51 Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Pers. 12/109.

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später teilte Gauß Kupffer die einstimmig erfolgte Ernennung mit (Brief Nr. 13). Am 12./24. April 1840 bedankte sich Kupffer bei dem Sekretär der Göttinger Societät der Wissenschaften, Johann Friedrich Ludwig Hausmann,52 der wie Kupffer selbst Mineraloge war. Dieser Brief ist auch deshalb von Interesse, weil Kupffer hier die Bedeutung seines Studiums an der Universität Göttingen für seine Karriere unterstreicht: „Ich habe das Vergnügen gehabt, Ihren Brief vom 27 Februar zu erhalten, nebst dem darin enthaltenen Diplom, und bitte Sie, der Koenigl[ichen] Societät meinen innigsten Dank für die mir erwiesene Ehre, auszusprechen. Ich will Ihnen die grosse Freude nicht verhehlen, die es mir macht, mich Männern näher gebracht zu sehen, für die ich schon als Goettinger Student eine so grosse Hochachtung hegte, und deren Beispiel mir den ersten Impuls zu meiner jetzigen wissenschaftlichen Laufbahn gab. Es freut mich jezt mehr als jemals, hoffen zu dürfen, durch die Mittel, welche unsere Regierung zu meiner Disposition gestellt hat, der Wissenschaft nüzlich werden zu können, und es zu verdienen, dass mein Name unter so vielen berühmten Namen genannt wird.“53 Kupffer wusste natürlich, wem er die Aufnahme in die Göttinger Societät zu verdanken hatte, und bedankte sich nicht nur bei Hausmann, sondern auch noch persönlich bei Gauß in einem Brief vom 12./24. April 1840 (Brief Nr. 16).

7.3.8. Elastizität der Metalle (Teil 1) Wie aus dem Brief Nr. 24 hervorgeht, hat sich Gauß bereits um 1830, also bevor Wilhelm Weber nach Göttingen kam, mit Problemen der Elastizitätstheorie beschäftigt. Vor allem interessierte ihn der Einfluss der Temperatur auf die Elastizität. Aus Zeitmangel konnte er damals seine Versuche nicht weiterführen. Auslöser für Gauß’ erneutes Interesse an der Elastizitätstheorie waren wahrscheinlich die beiden im Jahre 1829 erschienenen richtungweisenden und epochemachenden Arbeiten von Siméon-Denis Poisson (Poisson 1829) und Félix Savart (Savart 1829), die Gauß beide auch in seinem Briefwechsel mit Kupffer erwähnte. Auch Wilhelm Weber hat sich schon sehr früh mit Elastizitätsproblemen beschäftigt (Weber 1833). Nachdem er 1831 einen Ruf an die Universität Göttingen angenommen hatte, veröffentlichte er weiterhin Arbeiten zur Elastizitätstheorie (Weber 1835; Weber 1841a und b). In diese Arbeiten fanden auch einige Ideen von Gauß Eingang, wie Weber selbst berichtete. Harald Geppert hat dargelegt, dass auch Gauß Arbeiten zur praktischen Mechanik durchgeführt hat, und zwar über die Schwingungsdauer einer Magnetnadel, Torsionsbestimmungen, Bestimmung von Trägheitsmomenten und zur Theo52 Johann Friedrich Ludwig Hausmann war von 1840 bis 1859 Sekretär der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. 53 SUB Göttingen, 4°Cod. Ms. hist. 116 III, Nr. 2.

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rie der Waage (Geppert 1922–1933, S. 52–60). Einige Ergebnisse aus diesen Bereichen veröffentlichten Gauß und Weber in den von ihnen herausgegebenen „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“. Kupffer kannte und schätzte diese Arbeiten, bevor er sich selbst dem Problem zuwandte, den Elastizitätskoeffizienten von Metalldrähten zu bestimmen. Wie der sehr umfangreiche Brief vom 12./24. Januar 1846 zeigt (Brief Nr. 23), beschäftigte er sich nunmehr intensiv mit der Elastizität von Metallen, zuerst von Stäben, dann von Drähten. In aller Ausführlichkeit berichtete er Gauß über seine beiden Methoden, die Elastizitätskoeffizienten von Stahl- und von Eisendrähten zu bestimmen, wozu sehr komplizierte Apparaturen eingesetzt wurden. Gauß antwortete unverzüglich und versuchte, Kupffers Fragen zu beantworten und dessen Argumente zu bewerten (Brief Nr. 24). Dabei betonte er: „Was mich aber vor allem interessirt ist der Einfluß der Temperatur auf die Elasticität der festen Körper“. In den folgenden zwei Briefen beschrieb Kupffer seinen geänderten Versuchsaufbau und fügte umfangreiche Berechnungen hinzu. Da er aber in einem Brief einen Fehler begangen hatte, korrigierte er diesen in dem nachfolgenden Brief (Briefe Nr. 25 und 26). Schließlich ließ Kupffer Gauß sein diese frühen Versuche abschließendes Werk „Recherches expérimentales sur l’elasticité des métaux“ (Kupffer, A. T. 1849) zukommen (Brief Nr. 27), das sich in der Gauß-Bibliothek befindet (GB 891). Es handelt sich um einen Sonderdruck aus den „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“.

7.3.9. Elastizität der Metalle (Teil 2). Kupffer, Gauß und Weber: 1850–1857 Dieses Gebiet, die Elastizität von Metallen, beschäftigte Kupffer auch noch nach 1849, denn nunmehr verfügte er in dem neugegründeten Physikalischen Hauptobservatorium in St. Petersburg über bessere Experimentiermöglichkeiten. So untersuchte er zwischen 1850 und 1855 nochmals speziell den Einfluss der Wärme auf die Elastizität sowie die Elastizität von Metalldrähten und von Stäben (Reich 2009b). Auch in Göttingen veränderten sich die Verhältnisse in Gauß’ Umgebung. Am 16. April 1848 wurde Wilhelm Weber, der seit 1843 als Professor der Physik an der Universität Leipzig wirkte, von Hannover aus gefragt, ob er eventuell nach Göttingen zurückkehren würde. Gleichzeitig meldete sich auch Gauß, der Weber wissen ließ, wie gerne er ihn wieder in Göttingen in seiner Nähe wüsste. Weber nahm den Ruf nach Göttingen an und wirkte seit Ostern 1849 wieder als Professor der Physik in Göttingen. Dort beging man schon kurze Zeit später, am 16. Juli 1849, Gauß’ fünfzigjähriges Doktorjubiläum, und ganz Göttingen feierte mit (Wiederkehr 1967, S. 116–117). Im Juni 1850 besuchte Kupffer wiederum und nunmehr zum letzten Mal Schumacher in Altona, der noch im selben Jahr, am 28. Dezember, verstarb.

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Schumacher berichtete Gauß in einem Brief vom 17. Juni 1850, dass Kupffer ihm von einem öffentlichen Geheimnis erzählt habe, dass nämlich der russische Reichskanzler Graf von Nesselrode nach der Aufdeckung seiner Verbindungen mit dem britischen Außenminister beim Zaren in Ungnade gefallen sei (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1865: 6, S. 84). Kurz danach stattete Kupffer auch Gauß und sicher auch Weber in Göttingen einen Besuch ab. Gauß teilte Schumacher mit: „Kupffer ist jetzt hier“ (ebenda, S. 86). Sicherlich wurden anlässlich dieses Besuches Details der Frage erörtert, ob das Thema Elastizität der Metalle als Thema einer Preisaufgabe der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gestellt werden könnte und ob Kupffer denn auch eine Antwort liefern würde. Wie der Brief Nr. 24 zeigt, hatte Gauß offensichtlich schon früher versucht, in der Göttinger Societät die Untersuchung der Elastizität der Metalle als Preisaufgabe zu stellen, hatte aber bislang keinen Erfolg mit seinem Vorschlag gehabt. Im Januar 1851 wurde Gauß abermals Direktor der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen (Krahnke 2001, S. 12). Die Preisaufgabe wurde sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache formuliert und am 8. Dezember 1851 in den „Nachrichten von der Georg-Augusts-Universität und der Königl[ichen] Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen“ bekannt gemacht: „Obgleich wir über den Einfluß der Temperatur auf die Elasticität fester Körper einige auf Schallschwingungen beruhende Versuche besitzen, so bleibt hier doch noch ein weites Feld für die Forschung offen. Die Königliche Societät wünscht daher, daß dieser Gegenstand auch auf andern Wegen sorgfältig bearbeitet werde, namentlich bei festen Körpern im Zustande der Biegung und der Torsion, durch Anwendung von Methoden, welche die Veränderungen der Elasticität bei veränderten Temperaturen mit großer Schärfe erkennen lassen. Die Versuche dürfen nicht über die Grenzen der vollkommenen Elasticität hinausgehen, müssen aber zahlreich und mannichfaltig genug sein, um über das gleichmäßige Fortschreiten der Werthe des Elasticitätscoefficienten mit der Temperatur, und über den Grad der in den Resultaten erreichten Zuverläßigkeit ein bestimmtes Urtheil zu begründen. Es wird gewünscht, daß außer den einer vollkommenen Elasticität fähigen Metallen auch das Glas den geeigneten Versuchen unterzogen werde.“54 Als Termin für die Entscheidung wurde der November 1852 genannt. Am 30. September 1852 reichte Kupffer ein 115 Seiten umfangreiches Manuskript ein, und am 16. November 1852 war Gauß’ Gutachten (3 S.) fertig. Der vollständige Text von Gauß’ Gutachten ist erst kürzlich veröffentlicht worden (Reich 2009b, S. 42–43). Gauß fand zwar lobende Worte für Kupffers Beitrag, aber insgesamt schienen ihm dessen Ergebnisse nicht in allen Punkten der Preisaufgabe zu genügen. Aus diesem Grunde wurde in der nächsten Sit54 Nachrichten von der Georg-Augusts-Universität und der Königl[ichen] Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen Nr. 18, 1851, S. 250–251. Kurze Ankündigung auch in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1852, Teil III, S. 36*.

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zung der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen nur einen Tag später, am 17. November 1852, vereinbart, dieselbe Preisaufgabe noch einmal zu stellen, diesmal mit dem neuen Abgabetermin für die Manuskripte vor Ablauf des Septembers 1855. Wilhelm Weber und Georg Karl Justus Ulrich, Professor der Mathematik in Göttingen, waren die wichtigsten Mitunterzeichner dieser Vereinbarung.55 Die „Nachrichten von der Georg-Augusts-Universität und der Königl[ichen] Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen“ berichteten am 20. Dezember 1852, dass zur Beantwortung der Preisfrage der Mathematischen Klasse für das Jahr 1851 eine einzige Schrift mit dem Motto „On ne parvient au simple qu’après avoir épuisé le composé“ eingegangen sei. Und nach deren ausführlicher Besprechung hieß es: „Bei dieser Lage der Sache konnte die Preisfrage als genügend gelöset noch nicht betrachtet, und mithin ein Preis nicht zuerkannt werden. Die Königliche Societät hat aber unter stattfindenden Umständen beschlossen, die Aufgabe noch ein Mal für den November 1855 zu wiederholen.“56 Kupffer startete nunmehr in St. Petersburg eine neue Versuchsserie und fasste seine neuen Ergebnisse in Form von Ergänzungen zu seinem ersten Beitrag aus dem Jahre 1852 zusammen. Am 23. Februar 1855 starb Gauß. Kupffer reichte, zwar etwas verspätet, am 30. Oktober 1855, diese Ergänzungen bei der Göttinger Societät ein. Da gewichtige Gründe vorlagen, duldete man die Verspätung der Manuskriptabgabe. Diesmal war Wilhelm Weber Kupffers Gutachter. Der vollständiger Text des Gutachtens von Weber (4 S.) liegt seit kurzem gedruckt vor (Reich 2009b, S. 45–46). Weber sprach sich dafür aus, Kupffer für dessen erweiterte Fassung mit dem Preis auszuzeichnen. Die Preisverleihung geschah dann am 25. November 1855.57 Kupffer selbst sorgte für eine Möglichkeit, eine Zusammenfassung seiner beiden Beiträge für die Göttinger Societät aus den Jahren 1852 und 185558 zu publizieren. Diese erschien 1856 in den „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“. Die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen erhielt davon einen Sonderdruck (Kupffer, A. T. 1856). Dieses Separatum, das sich heute in der SUB Göttingen befindet,59 unterscheidet sich von der Publikation in den „Mémoires“ dadurch, dass es vier Tafeln enthält. 55 Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Scient. 183,1, Fasz. 14, Teil 1a, 1b und 1c. 56 Nachrichten von der Georg-Augusts-Universität und der Königl[ichen] Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen Nr. 14, 1852, S. 235–239, hier S. 238. 57 Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Scient. 183,1, Fasz. 14, Teil 2a, 2b, 2c, 2d, 3 (Gutachten von Weber) und 4. Siehe ferner: Nachrichten von der Georg-Augusts-Universität und der Königl[ichen] Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen Nr. 16, 1855, S. 219–222. 58 Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Scient. 183,1, Fasz. 14, Teil 5 und 6. 59 Signatur 4° Ph II 2682.

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In dem Artikel in den „Mémoires“ wird zwar auf die Tafeln hingewiesen, allein diese fehlen in dem entsprechenden Band. Im Vorwort erklärt Kupffer, warum er dem Wunsche der Göttinger Societät nicht nachgekommen sei, „nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Fehlergränzen“ seiner Bestimmungen zu berechnen: sehr kurze Schwingungszeit metallischer Stäbe liefere keine übereinstimmenden Ergebnisse.

Abb. 35. Titelseite des Sonderdrucks der in St. Petersburg publizierten Preisschrift von A. T. Kupffer (Kupffer, A. T. 1856), die im Jahre 1856 von der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen ausgezeichnet wurde. Exemplar der SUB Göttingen.

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Nach der Zuerkennung des Preises wollte Kupffer eine Zusammenfassung aller seiner Ergebnisse in einem abschließenden Werk veröffentlichen. Im Jahre 1860 erschien ein erster Teil in russischer Sprache (Kupffer, A. T. 1860a) und gleichzeitig in französischer Sprache unter dem Titel „Recherches expérimentales sur l’elasticité des métaux faites à l’observatoire physique central de Russie“ (Kupffer, A. T. 1860b). Es wurde jedoch kein zweiter Teil mehr veröffentlicht, Kupffers Werk blieb ein Torso (Schramm 1866, S. 612–614, Reich 2009b, S. 49–51).

Abb. 36. Der erste Band von A. T. Kupffers experimentellen Untersuchungen der Elastizität der Metalle „Ɉpytnyja izslědovanija uprugosti metallov“ (Kupffer, A. T. 1860a) Exemplar der Russländischen Nationalbibliothek, St. Petersburg.

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7.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

Datum 12./24.3.1823 28.5./9.6.1832 30.9./12.10.1832 25.5./6.6.1835 31.7.1835 23.10./4.11.1835 4./16.8.1837 2./14.6.1838 Januar 1839 16./28.6.1839 8.7.1839 29.12.1839 18.2.1840 20.2./3.3.1840 19.3.1840 12.4./24.4.1840 1./13.6.1840 13.8.1840 1./13.9.1840 3./15.12.1840 19./31.5.1843 3./15.5.1845 12./24.1.1846 9.3.1846 30.12./11.1.1846/47 25.4./7.5.1847 15./27.2.1849

Ort

Verfasser / Empfänger

St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg Göttingen St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Göttingen St. Petersburg St. Petersburg Göttingen St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg Göttingen St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg

Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß

Brief 1. A. T. Kupffer an Gauß, 12./24. März 1823 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 1 (2 S.)

St. Petersbourg d[en] 12ten März 1823 Wohlgeborner Herr Hofrath Werthgeschätzter Herr Professor Sie verzeihen gewiss die Freiheit, die ich mir nehme, mich in einer Sache an Sie zu wenden, worin ich keinen bessern Rathgeber finden kann. Einer meiner

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Freunde60 hat den Auftrag, astronomische Instrumente für ein Observatorium im Innern von Russland zu kaufen; und wird deshalb im nächsten Sommer eine Reise ins Ausland unternehmen. Da er Sie nicht persönlich kennt, so hat er mich gebeten, Sie über diese Angelegenheit um Rath zu fragen. Die Summe, die für diesen Ankauf bestimt ist, beträgt zwanzig tausend Rubel oder etwa fünf tausend Thaler; ich habe Ihrer Vorlesungen eingedenk, meinem Freunde schon gesagt, dass München wohl der beste Ort seyn würde. Wir bitten Sie gemeinschaftlich, uns Ihre Meinung mitzutheilen, wie über diese Summe am besten zu disponiren sey. Der Ort, für den die Instrumente bestimt sind, ist die Universität Kasan, die unter den Auspicien des Herrn von Magnizky61 wieder zu blühen anfängt. In Erwartung einer baldigen Antwort, die ich Sie bitte an meinen Bruder J. L. Kupffer62 in Mitau (in Curland) zu addressiren, ersuche ich Sie, die Versicherung meiner innigsten Hochachtung zu genehmigen, mit der ich die Ehre habe zu seyn Ihr ergebener Dr. Adolph Theodor Kupffer.

Brief 2. A. T. Kupffer an Gauß, 28. Mai/9. Juni 1832 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 2 (1 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich benutze eine Gelegenheit, die sich mir darbietet, um Ihnen meine Crystallographie,63 als einen schwachen Beweis meiner innigen Hochachtung zuzuschikken: ich habe mit Vergnügen gesehen, daß Sie diesem Gegenstand, welcher so sehr ausser dem Kreise Ihrer gewöhnlichen Beschäftigungen liegt, auch einige Aufmerksamkeit gewidmet haben. Ich hoffe in Ihnen einen nachsichtigen Beurtheiler zu finden, und es wird mir der schönste Lohn für meine Arbeit dünken, wenn Sie sie gut heissen. Indem ich Sie bitte, die innigsten Versicherungen meiner ausgezeichneten Hochachtung anzunehmen, habe ich die Ehre zu seyn Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer 60 Ivan Michajlovič Simonov, Professor für Astronomie in Kasan. 61 Michail Leont’evič Magnickij war von 1819 bis 1826 Kurator des Bildungsbeziks Kasan. Die Zeit seines Amtes war eine äußerst umstrittene Periode in der Geschichte der Universität Kasan. 62 Ludwig Kupffer war der jüngere Bruder von Adolph Theodor, er wirkte als Banquier und Bildhauer in Moskau (Schramm 1866, S. 503). 63 Das „Handbuch der rechnenden Krystallonomie“ von A. T. Kupffer enthält die Widmung: „Herrn Hofrath und Ritter Gauss, hochachtungsvoll vom Verfasser“. Das Buch befindet sich in der Gauß-Bibliothek (Kupffer, A. T. 1831; GB 888).

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St Petersburg d[en] 28ten May 1832 N. S. Sie nehmen es gewiß nicht übel, wenn ich Sie mit der Bitte beschwere, das beiliegende Exemplar Herrn Hofrath Hausmann64 zuzuschikken.

Brief 3. A. T. Kupffer an Gauß, 30. September/12. Oktober 1832 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 3 (2 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Eine Gelegenheit, die sich mir darbietet, benützend, übersende ich Ihnen hiebei den Wünschen meines Bruders65 gemäß, ein Exemplar von seinen Anfangsgründen der Buchstabenrechnung u[nd] Algebra.66 Ich nehme mir die Freiheit, dieser Sendung eine Bitte hinzuzufügen, von deren Erfüllung mein Bruder viel zu erwarten hat, wenn sein Buch wirklich etwas werth ist. Einer unserer reichen Gutsbesitzer, Herr von Demidoff, hat jährliche Preise für Lehrbücher ausgesetzt, welche in Rußland selbst herauskommen, u[nd] wenn sie nicht nur den besseren des Auslandes an die Seite gestellt werden können, sondern auch einiges Neue enthalten. Ich fühle mich nicht dazu berufen, zu entscheiden, ob das Buch meines Bruders in diese Kategorie gehört, erstlich weil ich mich überhaupt mit diesem Gegenstand wenig beschäftigt habe, u[nd] zweitens weil der Verfasser jenes Werkes mein Bruder ist, u[nd] ich nicht den Vorwurf der Partheilichkeit aus Familienrüksichten auf mich laden möchte. Wenn aber mein Urtheil durch eine Autorität, wie die Ihrige, bestätigt würde, so würde ich nicht länger zögern, das Buch zu empfehlen, u[nd] ich würde dann mit gutem Gewissen das Vertrauen derjenigen meiner Collegen, die keine Mathematiker sind, in Anspruch nehmen können: Herr v. Demidoff nämlich hat die Zuerkennung der Preise der Akademie anheim gestellt. Ich bin um so mehr gezwungen, zu Ihnen meine Zuflucht zu nehmen, weil Herr Ostrogradsky, unser Mathematiker u[nd] mein Freund, kein Deutsch versteht, u[nd] deshalb die Abfassung des Berichts nicht übernehmen kann. Ich bitte Sie deshalb ergebenst, mir mit der Freimüthigkeit, die Ihnen Ihre Stellung in der gelehrten Welt zur Pflicht macht, zu schreiben, ob das Buch meines Bruders etwas werth ist, u[nd] ob es wohl die oben angeführten Bedingungen für die Zuerkennung eines Demidoffschen Preises erfüllt.67

64 Johann Friedrich Ludwig Hausmann war seit 1811 Professor für Mineralogie und Technologie an der Universität Göttingen sowie gleichzeitig Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, von 1840 bis 1859 Sekretär der Societät. 65 Carl Heinrich Kupffer, siehe S. 333–335. 66 Das Buch von Carl Heinrich Kupffer „Anfangsgründe der Buchstabenrechnung und Algebra, mit Inbegriff der Combinationslehre und unbestimmten Analytik“ ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (Kupffer, C. H. 1832; GB 490). 67 C. H. Kupffer hat den Preis offensichtlich nicht bekommen; sein Name fehlt unter den Demidov-Preisträgern (Mezenin 1987). Ob sich Gauß zur Qualität dieses Lehrbuches von C. H. Kupffer geäußert hat, ist nicht bekannt.

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Ihr lezter Brief, den mir Herr Delaporte68 gebracht hat, hat mich innig gefreut,69 zumal als ich durch denselben erfuhr, daß Sie sich auch mit Magnetismus beschäftigt haben. Auf Ihre Methode, die absolute Intensität zu bestimmen, bin ich höchst neugierig,70 das ist’s grade was uns noch fehlt, um auf ein sicheres Fortschreiten in der Theorie des Erdmagnetismus hoffen zu können. Ich benutze diese Gelegenheit, Ihnen die lebhaftesten Versicherungen meiner innigsten Hochachtung zu machen, mit denen ich die Ehre habe zu seyn Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg den 30 September 1832.

Brief 4. A. T. Kupffer an Gauß, 25. Mai/6. Juni 1835 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Cod. Ms. Magnetischer Verein 3: 1835, Mai/Beilage (5 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Es wird Ihnen gewiss angenehm seyn zu erfahren, dass Ihre neue Methode, die stündlichen Aenderungen der magnetischen Abweichung zu beobachten, nun auch bei uns in Russland eingeführt ist: Sie erhalten hiebei die ersten Beobachtungen, die nach Ihrer Methode in St. Petersburg gemacht worden sind. Es wurde der in den Annalen von Poggendorf bekant gemachten Verabredung gemäss,71 den 30ten Mai, Sonnabends, um 12 Uhr Goettinger Zeit damit der Anfang gemacht: Die Beobachtungen wurden von 5ƍ zu 5ƍ angestellt, und bis um 12 Uhr des folgenden Sonntags fortgesetzt; auch Dienstag Abend von 8 – 10h wurde beobachtet; Mittwochs aber wurde ich daran gehindert. Der Längenunterschied von Goettingen u[nd] St. Petersburg wurde zu 1h21ƍ 31Ǝ angenommen; doch möge die Zeitbestimmung wohl bis auf einige Secunden unsicher seyn: ich werde das nächste Mal dafür sorgen, dass sie mit der grössten Schärfe geschehe. Meine Mitbeobachter waren die Herren Lenz, Lenin, Spasky und Voskrisensky.72 Jede Beobachtung ist das Mittel von 6 Beobachtungen, die ganz nach der in dem oben citirten Artikel enthaltenen Anweisung gemacht wurden. Der Beobachtungsort war das neue magnetische Observatorium des Berginstituts. Während der 24 stündigen Beobachtungen war der Kasten, in welchem die Nadel aufgehaengt ist, mit einem Spiegelglase zugedeckt, so dass die Nadel von keinem Luftzuge bewegt wurde, welches die Beobachtung viel schärfer machte; dennoch oscillirte die Nadel zu weilen (doch nie sehr stark); diese Oscillationen wurden angemerkt: ich habe sie 68 Wahrscheinlich ist der Uhrmacher Ernst August de la Port, geboren in Göttingen, gestorben in St. Petersburg, gemeint (Erik-Amburger-Datenbank). 69 Dieser Brief ist offensichtlich verlorengegangen. 70 Gauß 1833 und Gauß 1841a. 71 „Beobachtungen der magnetischen Variation in Göttingen und Leipzig, am 1. und 2. October 1834“ (Gauß 1834b). 72 Möglicherweise ist hier Aleksandr Abramovič Voskresenskij gemeint, der bis 1836 am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg studierte. Später wirkte er als Chemiker.

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häufig, früherhin, wo die Nadel durchaus allen äusseren Luftzügen unzugänglich war, bemerkt, und kann sie nicht anders als für wirklich magnetische Beobachtungen halten. Dienstags wurde der Kasten jedoch vorn, wo sich der Spiegel befindet, offen gelassen. Es ist wahr, dass durch die Refraction, bei verschlossenem Kasten ein kleiner Fehler entsteht; ich denke ihn aber durch Umkehren des Glases fortzuschaffen, wenn das Glas nicht vollkommen parallel seyn sollte; derjenige Fehler aber, der eine Function der Dicke des Glases ist, ist theils unbedeutend, theils kann man ihn, wohl auch durch Rechnung bestimmen. Sie würden mich durch Ihren Rath in dieser Hinsicht sehr verbinden. Der Aufhaengefaden der Nadel ist etwa 4 Fuss lang; ich werde dafür sorgen, dass in Zukunft ein längerer Faden an der Decke des Zimmers befestigt werde, so wie Sie es in Goettingen machen. Ich habe nun auch die Herrn Simonof in Kasan u[nd] Knorre in Nicolaew aufgefordert, sich bei den Beobachtungen Ihrer Methode zu bedienen. Sie wird auch bei den neuen magnetischen Observatorien, die in Catherinenburg, Barnaul und Nertschinsk errichtet werden sollen, und für welche ich jezt eben einige tüchtige Beobachter zu bilden beschäftigt bin, eingeführt werden, und ich hoffe dass ich Ihnen vor Verlauf eines Jahres Beobachtungen aus den entferntesten Puncten des Reichs werde mittheilen können. Die, welche wir bis jezt gemacht haben, werden eben gedruckt; sie begreifen zum Theil einen Zeitraum von mehreren Jahren: ich werde nicht ermangeln, sie Ihnen zuzuschikken, sobald ihr Druck beendigt ist.73 Anderweitige Beschäftigungen, und insbesondere eine Arbeit über das Volumen eines russischen Pfundes Wasser, mit welcher ich von der Regierung beauftragt worden bin, haben mich gehindert, mich mit der Intensität in St. Petersburg zu beschäftigen, nach den trefflichen Werten, welche Sie uns gegeben haben; es soll aber gewiss noch im Laufe dieses Jahres geschehen. Genehmigen Sie die lebhaftesten Versicherungen meiner innigsten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu seyn Ihr innig ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg den

25 Mai 1835. 6 Juny

73 Ein Exemplar des „Recueil d’observations magnétiques faites a St. Pétersbourg et sur d’autres points de l’Empire de Russie“ ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (Kupffer, A. T. 1837a; GB 892).

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[Anlage: Tabellen (2 S.)] Beobachtungen über die Variationen der magnetischen Abweichung St. Petersburg den 30 Mai 1835. 1 Theil = 38Ǝ

[Vermerk auf dem rechten Rand der zweiten Seite] N. B. Bei den am 2 Juny angestellten Beobachtungen hatte die Theilung nicht genau dieselbe Lage, als am 30. Mai, so dass also, in Bezug auf die absolute Abweichung, die erste Reihe mit der zweiten nicht vergleichbar ist.

Brief 5. Gauß an A. T. Kupffer, 31. Juli 1835 (Göttingen) Quelle: Washington, Smithsonian Institution, Dibner Collection: MS 575A Kopie in: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: A. T. Kupffer 1 (4 S.) Publikation: Schramm 1866, S. 515–517.

Hochgeehrter Herr Professor. Es ist mir ungemein angenehm gewesen, aus Ihrem gütigen Briefe vom 6 Junius zu erfahren, daß Sie Sich unserm Verein zu Beobachtungen der magnetischen Variation anschließen. Für die Mittheilung der Beob[achtungen] des letzten Termins danke ich verbindlichst; außer den hiesigen hatte ich noch zu vergleichen die von Leipzig, Marburg, zum Theil von Breslau, von Copenhagen und von Neapel. Indeßen mußten diesmahl die aus Marburg u[nd] Breslau bisher noch beiseite gesetzt werden, da die Apparate als genügtend [sic] und die Beobachter als hinlänglich geübt noch nicht betrachtet werden konnten. Auch die von Neapel (Beob[achter] Sartorius u[nd] Listing) sind aus mehrern Ursachen nicht befriedigend; da die Beobachter, denen auf der Grenze bei barbarischem Benehmen der Douanen ihr Apparat theils verdorben theils ganz verloren war, sich nur eines nothdürftig zu-

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sammengeflickten Apparats bedienen konnten. Ein neuer geht jedoch in Kürze von hier an Sie ab. Die Beob[achtungen] von Göttingen, Leipzig u[nd] Copenhagen geben aber die gewohnte Harmonie74; auch Ihre Beob[achtungen] haben an sehr vielen Stellen unverkennbare Ähnlichkeit, während bei Einer Stelle Petersburg eine entgegengesetzte Bewegung gibt (Sinken, wo gleichzeitig Göttingen, Leipzig u[nd] Copenhagen Fallen [sic, richtig wäre wohl Steigen] haben). Hier scheint also die Ursache Ihren Sitz diesseits Petersburg gehabt zu haben. Gerade solche Erscheinungen, erst durch viele Erfahrungen constatirt werden die allerinteressantesten sein. Unser Verein erweitert sich beständig. Marburg ist jetzt mit hinlänglich kräftigen Stäben versorgt; in Breslau wird hoffentlich auch H[err] Bogislawsky75 [sic] trachten solche zu erhalten, in der That sind kräftig magnetisirte Stabe von wesentlicher Wichtigkeit für die Brauchbarkeit der Resultate. Nach Freiberg ist schon vor 6 Wochen ein vollständiger Apparat abgegangen u[nd] vermuthlich schon im letzten Termin benutzt. Vor kurzem sind Apparate nach Halle u[nd] Wien geschickt, und in Arbeit sind ähnliche für München und Upsala. Mit den in Rußland einzurichtenden Beobachtungsplätzen werden wir also bald ein Paar Dutzend eifriger Theilnehmer haben. Der letzte Termin Ende Julius ist hier wie immer vollständig beobachtet; im Haupttermin sind aber nur sehr geringe Anomalien vorgekommen. Die beträchtlichsten waren 12h55ƍ Sinken von 6 Scalentheilen von 12h40ƍ bis bis 13h25ƍ Steigen von 7 — von da von da bis 13h50 wieder eben soviel Sinken bis 14h30 Steigen von fast 12 Scalentheilen von da &c. Übrigens haben die einzelnen Beobachter mir die Beob[achtungen] noch nicht vollständig abgegeben. Dagegen hat in den beiden Nebenterminen 28, 29 Jul[ius] der H[err] Dr. Goldschmidt einige ortige Bewegungen beobachtet, von denen ich hier vorläufig eine flüchtige Zeichnung beilege.76 Es ist recht Schade, daß am 29 nicht eine Viertelstunde vor 8 Uhr schon angefangen ist zu beobachten; falls das Aufsteigen eben so rasch geschehen ist, wie das niedersteigen, so hätte bei vollständiger Beob[achtung] von mehreren Orten dies schon eine Art Längenprobe geben können. Auf Ihre Frage wegen Verschließens des Kastens bemerke ich, daß hier in Göttingen im Magnet[ischen] Observatorium der Luftzug so gut abgehalten, und in der Sternwarte dem wenigen eben noch zu besorgenden Luftzug durch die Schwere der Nadel (25 ‡) so kräftig widerstanden wird, daß gar kein Bedürfniß, den Kasten ganz zu verschließen eintritt, indem die Harmonie der Beob[achtungen] gar nichts zu wünschen übrig läßt. Wo die Localität ungünstiger ist, und namentlich 74 „Beobachtungen der magnetischen Variation am 1. April 1835, von fünf Oertern“ (Gauß 1835). 75 Palon Heinrich Ludwig Boguslawski war damals Konservator an der Sternwarte in Breslau. 76 Diese ist offensichtlich nicht mehr vorhanden.

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auch, wo die Nadel nicht recht kräftig magnetisirt ist, wird aber allerdings das Verschließen mit einem Planglase vortheilhaft sein, insofern man dadurch nicht etwa am Guten Sehen mehr verliert, als auf der andern Seite gewinnt. Ich bediene mich eines 40 mahl vergrößernden Fernrohrs mit 35 Millimeter Oeffnung. Die Bilder der Scalentheile sind so rein, daß man auf 101 Theil (= 2Ǝ) sicher ablieset. Es hängt dies natürlich hauptsächlich von der Güte der Spiegel ab und es ist nicht leicht, hinlänglich gute zu erhalten. Einige von sonst sehr geschickten ja berühmten Künstlern gefertigte fand ich ganz unbrauchbar. Ich bediene mich theils einiger (zu Künst[lichen] Horizont[alen] Dächern [sic] bestimmt gewesenen) Glasplatten von Troughton, die ich habe foliiren lassen, theils einiger aus München bezogener Spiegel. Diesen muß ich das Zeugniß geben, daß sie vortrefflich sind. Es versteht sich von selbst, daß die zum verschließen des Kastens anzuwendenden Gläser eben so gut sein müssen. Wo es übrigens nicht auf Absolute Declinationsbestimmung ankommt, konnte man anstatt den Spiegel an einem Pole der Nadel anzubringen ihn am Schiffchen und zwar außerhalb des Kastens anbringen natürlich in solider Zwischenverbindung etwa durch eine ziemlich starke Stange. In diesem Fall bräuchte der Kasten nur eine so große Oeffnung zu haben, in der diese Stange frei spielen kann. Wir werden vielleicht in Kurzem zu andern Versuchen eine 44 ‡dige Nadel aufhängen, wobei ich diese Einrichtung versuchen will. Es sind demnach zwei sehr wichtige Vortheile zu erreichen 1) daß man viel größere Schwingungsbögen beobachten kann, was besonders bei manchen electromagnetischen Beob[achtungen] von Wichtigkeit ist 2) daß man auch andere Localität, die nicht gerade im Sinn des Meridians ein[e] beträchtliche Ausdehnung hat, sondern in irgend einer andern eben so gut benutzen kann. Denn offenbar kann man wo es auf keine absolute Beob[achtung] ankommt dem Spiegel welche Stellung man will, geben. Wenn Sie, worum ich recht sehr bitte, mir in Zukunft die ferneren Petersburger Termin=Beobachtungen gütigst mittheilen, so bitte ich mir zugleich einige nähere Nachricht über Ihren Apparat zu geben, namentlich auch Größe, Gewicht u[nd] Schwingungsdauer der Nadel. Mit ausgezeichneter Hochachtung beharre ich Ihr ergebenster C. F. Gauß Göttingen den 31 Jul[ius] 1835

Brief 6. A. T. Kupffer an Gauß, 23. Oktober/4. November 1835 (o. O.) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 4 (3 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath. Ihr Brief hat mir ausserordentlich viel Freude gemacht, und ich werde nicht ermangeln, Ihnen regelmässig meine Beobachtungen, oder wenigstens ihre Hauptresultate, zu schikken, damit mir noch recht oft eine ähnliche Freude werde. Ich

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übersende Ihnen noch heute die Beobachtungen vom 26 Sept[ember] u[nd] 30 Sept[ember] (den 29ten wurde nicht beobachtet), graphisch dargestellt, jedoch nur die interessantesten Intervalle wo die Nadel merkwürdige Bewegungen machte.77 – Ferner die Beobachtungen vom 28 July, von denen ich durch Ihren lezten Brief eine Zeichnung erhielt. Ich habe doch das Glas, womit ich den Kasten absperrte, wieder verworfen, weil es in der That die Deutlichkeit des Bildes ein wenig beeinträchtigt; ich habe jezt meine Nadel vor allem Luftzug so in Sicherheit gestellt, dass das Glas unnütz wird. Ich schikke Ihnen zwei Beobachtungen vom 25 July, weil grade die interessantesten, die Nachtbeobachtungen, unterlassen wurden, wegen eines Unfalls, der die zur Beleuchtung der Theilung bestimmten Lampen getroffen hatte. Meine Nadel hat dieselben Dimensionen, wie die meisten Gambey’schen Nadeln; als ich sie ausführen liess, waren mir die Dimensionen Ihrer Nadeln nicht bekannt. Sie ist 198 12 engl[ische] Linien lang 6 12 Linien breit und 1 Linie dick; ihr Gewicht beträgt, für sich allein genommen, 201 franz[ösische] Grammes, mit Spiegel, Eigengewicht und Aufhängungsring aber 356 Grammes; der Spiegel ist 8 12 Linien breit und 10 Linien hoch. Dieser kleine Spiegel zeigt das Bild der Theilung vollkommen deutlich; ich habe freilich Mühe gehabt, so gute Spiegel hier aufzutreiben; mir scheinen die dicken Spiegel bessere Dienste zu leisten, als die dünnen, ich weiss nicht weshalb. Die Nadel ist an einem 28 Zoll langen Bündel von Fäden angedrehter Seide aufgehängt. Die Schwingungsdauer der Nadel beträgt 22Ǝ. Ich behalte mir vor späterhin eine grössere Nadel ausführen zu lassen; mein jezziges Local ist etwas beschränkt, und ich kann nicht alles gleich so ausführen, wie ich es wohl möchte: ich hoffe indessen dass bald alles besser werden wird. Genehmigen Sie die Versicherungen meiner innigsten Hochachtung, mit denen ich bin Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer den

23. October 4 Nov[ember]

1835.

Brief 7. A. T. Kupffer an Gauß, 4./16. August 1837 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 5 (2 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich übersende Ihnen hiebei ein Exemplar vom ersten Hefte eines Werkes, welches dazu bestimmt ist, die Resultate, welche in unserem neu errichteten magnetischen

77 Diese graphischen Darstellungen auf Millimeterpapier befinden sich in der SUB Göttingen unter der Signatur: Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1835, September. Es sind vier Stücke mit den Daten 28. July 1835, 26. und 30. September 1835.

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und meteorologischen Observatorium78 erhalten wurden, zur öffentlichen Ken[n]tniss zu bringen;79 Ew. Erlaucht der Graf Cancrin, Finanzminister und Chef des Bergwesens,80 hat die nöthigen Mittel zu meiner Disposition gesetzt, um unsere Beobachtungen in Detail drukken zu lassen und an alle gelehrten Anstalten des Reiches und des Auslands vertheilen zu können. Dieses erste Heft enthielt die meteorologischen Beobachtungen von St. Petersburg; das nächste soll die magnetischen Beobachtungen von St. Petersburg und die magnetischen und meteorologischen Beobachtungen von Catherinenburg enthalten. Ich benutze diese Gelegenheit, Ihnen auch einige rükständige magnetische Beobachtungen zu schikken, unter denen Sie einige merkwürdige Störungen finden werden. – Das zweite Exemplar der meteorologischen Beobachtungen bitte ich Sie der Koenigl[ichen] Societät, im Namen des Grafen Cancrin, zu überreichen. Indem ich Sie bitte, diesen ersten Versuch einer Unternehmung, die erst durch ihre künftige Ausdehnung reiche Früchte tragen soll, mit Nachsicht zu beurtheilen, bin ich, mit ausgezeichneter Hochachtung und Ergebenheit Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg den 4 Aug[ust] 1837

[Vermerk von A. T. Kupffer am unteren Rand der ersten Seite:] 2 Ex. Herrn Hofrath und Ritter Gauss in Goettingen Brief 8. A. T. Kupffer an Gauß, 2./14. Juni 1838 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 6 (1 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath. Ich übersende Ihnen hiebei die Sammlung aller magnetischen Beobachtungen, die in Russland seit einigen Jahren und bis zu der Zeit gemacht worden sind, mit welcher durch die Einführung Ihrer Methoden eine neue Epoche anfängt.81 So sehr ich gewünscht hätte, dass diese Beobachtungen früher bekannt würden, so haben doch allerhand Hindernisse ihren Druck bis jezt verzögert. Die nach Ihren Me78 Das Normale Observatorium (vgl. Amburger 1966, S. 476–477); siehe auch den Brief Nr. 16. 79 „Observations météorologiques et magnétiques faites dans l’étendue de l’Empire de Russie“ (Kupffer, A. T. 1837b; GB 890). Später unter dem Titel: „Annuaire magnétique et météorologique du corps des ingénieurs des mines de Russie [...] publiées par A. T. Kupffer“; GB 742). 80 Georg von Cancrin war seit 1823 russischer Finanzminister und seit 1834 Hauptdirigent der Bergbauverwaltung. 81 „Recueil d’observations magnétiques faites à St. Pétersbourg et sur d’autres points de l’Empire de Russie“; ein Exemplar ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (Kupffer, A. T. 1837a; GB 892).

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thoden angestellten Beobachtungen werden nun auch bald gedruckt werden: ich hoffe so nach und nach meinen Bemühungen mehr Vollständigkeit geben zu können, als es bis jezt hat geschehen können. Sie erhalten hiebei auch eine Abhandlung, welche in den Memoiren der St. Petersburger Akademie erschienen ist, und die bei derselben angestellten meteorologischen Beobachtungen von 1822 – 1835 betrifft.82 Indem ich diese Gelegenheit benutze, Ihnen die Versicherungen meiner innigsten Hochachtung zu erneuern, bin ich Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg den 2/14 Juny 1838

[Vermerk von A. T. Kupffer am unteren Seitenrand:] Herrn Hofrath Gauss in Goettingen Brief 9. A. T. Kupffer an Gauß, Januar 1839 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 7 (1 S.)

[Text von einem Schreiber] Monsieur Le Ministre des finances, Mr. le Comte Cancrine m’a chargé de vous envoyer l’ouvrage ci-joint, intitulé: Observations météorologiques et magnétiques faites dans l’étendue de l’Empire de Russie No 2 et je vous prie en son nom, de bien vouloir le déposer dans la bibliothèque de l’établissement, que vous dirigez. En profitant de cette occasion pour vous réitérer les assurances de ma considération très distinguée, je suis, avec le plus profond respect. Monsieur Votre très devoué serviteur. [Eigenhändige Unterschrift] A. T. Kupffer St. Petersbourg ce janvier 1839.

[Vermerk von A. T. Kupffer am unteren Seitenrand:] à Mr. Gauss directeur de l’observatoire à Göttingue 82 „Observations météorologiques, faites à l’Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg de 1822 à 1835“, Sonderdruck (Kupffer, A. T. 1838; GB 889).

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Brief 10. A. T. Kupffer an Gauß, 16./28. Juni 1839 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 8 (2 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich bin eben im Begriff eine Reise nach Deutschland zu unternehmen, und ich wünsche sehr an dem magnetischen Congress in Goettingen Theil zu nehmen; ich wende mich deshalb an Sie mit der Bitte, mir gefälligst nach Hamburg unter der Addresse des dortigen Russischen Ministerresidenten Herrn von Struve,83 schreiben zu wollen, wann die Herren Sabine und Ross in Goettingen einzutreffen gedenken: ich werde mich dann auch in Goettingen einfinden. Ich brauche ihnen nicht zu sagen, dass ich, so viel in meinen Kräften steht, bereit bin, an Ihrer grossartigen Unternehmung Theil zu nehmen; meine Regierung hat mir bereits die nöthigen Mittel dazu angewiesen. Ich habe Ihnen unsere russischen magnetischen Beobachtungen nicht eingeschikt, weil sie doch zu spät angekommen wären. Überdiess erfordern unsere meteorologischen Beobachtungen eine eigne Publication, an welche die magnetischen Beobachtungen mit angehängt werden konnten: und sie doppelt erscheinen zu lassen, wäre um so mehr unnütz, da unsere Publication nicht nur an alle gelehrten Gesellschaften und Akademien, sondern auch an viele Privatpersonen, die sich mit Magnetismus und Meteorologie beschaeftigen, geschikt wird, so dass sie sich gewiss in den Händen aller derjenigen befindet, zu denen die Resultate Ihres Vereins gelangen. Ich denke den 6 July (neuen Styls) von hier abzureisen, und bin gegen den 11ten in Hamburg, wo ich einige Tage zu verweilen gedenke – ich bin deshalb gezwungen, Sie zu bitten, mir sobald als möglich zu antworten. Genehmigen Sie unterdessen die lebhaftesten Versicherungen meiner innigsten Hochachtung, mit denen ich die Ehre habe zu seyn Ihr innig ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg 16 28 Juny 1839

83 Heinrich Christoph Gottfried von Struve war russischer Gesandter und bevollmächtigter Minister in Hamburg sowie Mitgründer des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg (gegr. 1837). Kupffer wurde am 18.12.1839 zum Korrespondierenden Mitglied dieses Hamburger Vereins gewählt (Rykačev 1900, S. 35*).

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Brief 11. Gauß an A. T. Kupffer, 8. Juli 1839 (Göttingen) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 46, l. 1. Publikation: Klado 1963, S. 240–241 (nur in russischer Übersetzung).

[Handschrifliche Abschrift] Hochgeehrter Herr Professor.*) In Beziehung auf die englischer Seits beabsichtigte Zusammenkunft, um die magnetischen Operationen zu besprechen, kann ich nach dem letzten Briefe Sabine’s berichten, daß dieser selbst durch den erhaltenen Auftrag nach Amerika in Angelegenheit der Grenzstreitigkeiten zu reisen, behindert wird, mit hieher zu kommen, und wird also wahrscheinlich Hrn W. [sic] Lloyd allein kommen; „towards the end of July“ sind die eigenen Worte, womit die Zeit bezeichnet wird. In einer späteren Zeit erwarte ich übrigens auch theils Hrn. Lottin, theils Hansteen hier. Sehr erfreulich ist mir aus Ihrem Briefe theils Ihre baldige Hieherkunft zu erfahren, theils die schönen Aussichten zu kräftiger Cooperation russischer Seits, für die magnetischen Untersuchungen. Von Mitteln, wie sie Ihr Gouvernement darzubieten gewohnt ist, wenn es gilt wissenschaftliche Zwecke zu befördern, und in Ihre Hände gelegt, können wir nur die erfreulichsten Resultate erwarten. Mit besonderer Hochachtung beharrend Ihr ergebenster C. F. Gauß Göttingen den 8 Julius 1839.

[Vermerk auf dem unteren Seitenrand:] *) Der Brief ist nach Hamburg gerichtet, wo Kupffer grade weilte, und ist durch Hrn. Minister-Resident von Struve84 an ihn befördert worden. Brief 12. A. T. Kupffer an Gauß, 29. Dezember 1839/10. Januar 1840 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 9 (1 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath. Ich benutze eine Gelegenheit, die sich mir darbietet, um85 Ihnen, meinem Versprechen gemäss, einige russische Werke zuzusenden,86 muss aber leider auf eine andere Zeit versparen, Ihnen über unsere magnetischen Angelegenheiten zu

84 Heinrich Christoph Gottfried von Struve. 85 Original: um um. 86 Darunter befand sich das Reiffsche Etymologische Wörterbuch (Reiff 1835/36), siehe den folgenden Brief Nr. 13.

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schreiben. Meine Projecte sind ausgearbeitet, und vorgestellt,87 und erwarten nur die Genehmigung des Kaisers,88 um in Ausführung zu kommen. Sobald diese erfolgt ist, schreibe ich ausführlich. Das Magnetometer und der Bifilarapparat von Herrn Meyerstein sind glücklich angelangt und bereits aufgestellt; der leztere Apparat wird gewiss beim nächsten Termin mitbeobachtet. Der kleine Webersche Apparat hat ebenfalls eine gute Anwendung gefunden: er soll nach Peking gehen, so wie eine Gambeysche Neigungsbussole. Ich sende Ihnen auch einige magnetische Declinationen von Nordsibirien. Meine herzlichsten Grüsse an die Herrn Prof. Weber und Listing. Mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr herzlich ergebener A. Kupffer St. Petersburg 29 December 1839.

Brief 13. Gauß an A. T. Kupffer, 18. Februar 1840 (Göttingen) Quelle: Washington, Smithsonian Institution, Dibner Collection: MS 575A Kopie in: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: A. T. Kupffer 2 (1 S.) Publikation: Schramm 1866, S. 618–619.

Recht sehr muß ich Sie, mein hochgeschätzter Freund, um Verzeihung bitten, daß ich so spät erst meinen herzlichen Dank abstatte für die gütige Übersendung des Reiffschen etymologischen russischen Wörterbuchs,89 welches mir schon vor einigen Monaten richtig zugekommen ist. Erst vor kurzem habe ich etwas wieder zu der Beschäftigung mit der Russischen Sprache kommen können, die aber immer mehr Reiz für mich gewinnt, und da habe ich mich dann überzeugt, daß jenes Wörterbuch ein höchst vortreffliches Beförderungsmittel ist. Sie würden meine Dankbarkeit, noch mehr erhöhen, und mich ermuthigen, Sie um Vermittelung Russische Lectüre zu bekommen zu bitten, wenn Sie mir den Betrag Ihrer Auslage oder noch besser wenn Sie etwa H[er]rn Meierstein darauf an mich anweisen wollten. Nach den letzten Briefen aus England hatte man dort nur erst eine Nachricht von der Roßschen Expedition vom Anfang November, von Teneriffa ab; es scheint dies eine etwas langsame Fahrt zu sein, und so wird die Expedition wohl erst

87 „Projet des règlements de l’observatoire physique“ von A. T. Kupffer (Rykačev 1900, S. 123–131). 88 Nikolaj I. 89 Das russisch-französische Wörterbuch von Charles Philipp Reiff ist in der GaußBibliothek vorhanden (Reiff 1835/36; GB 608); siehe ferner: Lehfeldt 2011, S. 328– 332, Nr. 39, und Reich 2003a, S. 372, 383.

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ziemlich spät die Gegend des Magnetischen Südpols erreichen können.90 Angenehm ist dagegen die Aussicht, auch magnetische Beobachtungen aus dem Innern von Africa, wohin eine englische Expedition mit Dampfschiffen einzudringen suchen wird. Mit großem Vergnügen erfuhr ich auch aus England, daß Ihr Gouvernement die Magnetischen Beobachtungen in dem weiten Russischen Reiche u[nd] selbst in Pekin[g] kräftig fördern wird. Es gereicht mir zu besonderm Vergnügen, Ihnen anzuzeigen, daß die hiesige Societät der Wissenschaften Sie am 14. d[ieses] einstimmig zum Correspondirenden Mitgliede gewählt hat,91 und ich hoffe, daß Sie darin eine Veranlassung finden werden, uns oft mit wissenschaftlichen Mittheilungen zu beehren und zu erfreuen. Das Diplom werden Sie baldmöglichst durch H[errn] Hausmann, der gegenwärtig das Secretariat übernommen hat zugefertigt erhalten. Sein Vorgänger Blumenbach, dem am 21 Januar, fast 88 Jahre alt, eine wahre Euthanasie zu Theil geworden ist,92 war in den letzten Jahren sehr vergeßlich, und ich glaube, es werden sich noch Diplome von Ernennungen, die vor Jahren geschehen, unexpedirt vorfinden. Ihrem freundschaftlichen Andenken mich bestens empfehlend, bin ich stets mit aufrichtigster Hochachtung Ihr ergebenster C. F. Gauß Göttingen 18 Februar 1840

Brief 14. A. T. Kupffer an Gauß, 20. Februar/3. März 1840 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 10 (3 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath. Ich übersende Ihnen hiebei unsere magnetischen Beobachtungen vom Februartermin,93 bei welchem das grosse Bifilarmagnetometer, welches ich aus Goettingen mitgebracht habe, beobachtet wurde. Ich werde zum Novembertermin mit der Aufstellung nicht fertig. Diese Aufstellung hat mir viel Mühe gemacht, nicht nur weil der Saal (im physicalischen Kabinett der Akademie: in unserem magneti90 Die unter dem Kommando von James Clark Ross stehende Expedition auf den zwei Schiffen „Erebus“ und „Terror“ war am 19.9.1839 ausgelaufen und hatte am 2.11.1839 Teneriffa erreicht. Die Aufgabe der Expedition war es, möglichst viele magnetische Messungen durchzuführen und den von Gauß berechneten südlichen Magnetpol aufzusuchen. Im März 1840 näherte man sich dem südlichen Magnetpol bis auf 600 Meilen, das Packeis aber gestattete keine weitere Annäherung (Ross 1847, S. 181–182). 91 Kupffer wurde in der Sitzung am 14.2.1840 zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gewählt. Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Pers. 12/109; vgl. Krahnke 2001, S. 142. 92 Johann Friedrich Blumenbach war am 22.1.1840 in Göttingen verstorben. 93 Diese Beobachtungsdaten von Kupffer vom Februar befinden sich in der SUB Göttingen unter Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1840.

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schen Observatorium ist für 2 Instrumente nicht Platz genug) sehr hoch ist, an 24 engl[ische] Fuss, sondern insbesondere, weil der Magnetstab sehr schwach war, so dass die Fäden sehr nahe aneinander gebracht werden mussten, und ich endlich, nachdem ich die Entfernung der Fäden oben bis auf 20mm , und die der Fäden un1 ten so sehr verringert hatte, als es möglich war, dennoch nicht mehr als 13094 erhielt. Ich bin so gezwungen, die Aufhängung zu aendern, um die Fäden unten noch näher aneinander bringen zu können: das nächste Mal sollen Sie gewiss feinere Beobachtungen erhalten. Die Variationen der Abweichung sind ebenfalls mit dem aus Goettingen mitgebrachten Magnetometer angestellt worden. Der Bifilarapparat wird mit einem dreifüssigen Fernrohr beobachtet: man sieht ungeachtet der bedeutenden Entfernung (6m 14 ) vortrefflich, und bei Nacht ist ein einziges Wachslicht zur Beleuchtung hinreichend. Die Oeffnung vor dem Spiegel des Magnetometers habe ich mit einem sehr dünnen Glimmerblatt verdekt, und finde das sehr gut; ich habe mich überzeugt, dass das Glimmerblatt vollkommen parallel ist. Ich werde nun nächstens noch die horizontale Intensität bestimmen: mehrere Geschäfte haben mich bis jezt davon abgehalten. Was unsere grosse magnetische Unternehmung betrifft,94 so habe ich Ihnen bis jezt nichts Näheres darüber schreiben mögen, weil meine Projecte noch immer nicht die Bestätigung des Kaisers95 haben erhalten können: unser Finanzminister96 ist nämlich schon seit meiner Rükkunft krank, und alle Geschäfte, die nicht gar zu sehr durch Aufschub leiden, werden aufgeschoben. Man hat indessen einstweilen eine hinreichende Summe zu meiner Disposition gestellt, um die nöthigen Instrumente ausführen zu lassen, und wir haben auch bereits damit angefangen. Nur in Hinsicht der Aufstellung der Instrumente weiss ich nicht, ob meine Vorschläge angenommen werden: ich wünsche nämlich dass an den vier Orten, wo bereits magnetische Beobachtungen gemacht werden, neben den schon bestehenden Observatorien noch neue erbaut würden, so dass die absoluten Bestim[m]ungen ganz von der Beobachtung der Variationen getrennt würden. In dem einen Observatorium würden dann ein Instrument für die Variationen der Abweichung (Ihr Magnetometer), ein Bifilarapparat und etwa noch ein Lloydscher Apparat für die Variationen der verticalen Kraft aufgestellt, in dem andern nur ein Magnetometer zur Bestimmung der absoluten Declination und der absoluten horizontalen Kraft – und eine Neigungsbussole. Die Apparate für die Variationen werden so aufgestellt, dass sie den möglichst geringsten Einfluss aufeinander ausüben:

94 Das Physikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg war damals noch in Planung. Eröffnet wurde es im Jahre 1849. 95 Nikolaj I. 96 Georg von Cancrin.

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Bifilar

Lloydscher Apparat Die Stäbe zu den Magnetometern, so wie zum Bifilarapparat sollen aber 2 Fuss Länge und etwa 4 Pfund Gewicht erhalten. Der Stab für die Variation der Abweichung bekommt den Spiegel in der Mitte, und ist ganz in ein [sic] Kasten mit kupfernem Deckel und Boden eingeschlossen, damit kein Luftzug dahin kommen kann. Das einzige, was mich in diesem Project nicht befriedigt, sind die Variationen der verticalen Kraft: das Instrument von Lloyd scheint mir nicht recht sichere Resultate zu versprechen. Ich hoffe, dass es mit dem Weberschen Apparat für die Variationen der Neigung besser gehen wird, und möchte wohl, um es recht mit Prof. Weber durchzuarbeiten, künftigen Sommer wieder nach Goettingen herüberkommen – doch weiss ich noch nicht, ob ich die Erlaubniss dazu erhalten werde. Auf jeden Fall wünschte ich sehr, dass der Apparat bis dahin fertig würde, und bitte Sie recht sehr, Herrn Meyerstein, wenn es nöthig seyn sollte, etwas anzutreiben. Indem ich Sie bitte, mich den Herrn Prof. Weber und Listing recht sehr zu empfehlen, und mich besonders bei dem ersten zu entschuldigen, dass ich ihm nicht auch heute schreibe, bin ich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg, 20 Febr[uar] 1840. 3 März

Beobachter

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Brief 15. Gauß an A. T. Kupffer, 19. März 1840 (Göttingen) Quelle: Washington, Smithsonian Institution, Dibner Collection: MS 575A Kopie in: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: A. T. Kupffer 3 (1 S.) Publikation: Schramm 1866, S. 517.

Hochgeschätzter Freund. Nur ein Paar Worte will ich dem Schreiben des H[errn] Meierstein beifügen, um Ihnen den richtigen Empfang des gütigst überschickten Berichts über die Russische Chronometerexpedition im baltischen Meere,97 und Ihre Beobachtungen am Februartermine anzuzeigen, und für beides verbindlichst zu danken. Mein eigner Brief vom 18 Februar hat sich mit Ihrem letzten gekreuzt, und wird hoffentlich längst angekommen sein. Der Februartermin war sehr mager, inzwischen sind die Aehnlichkeiten des Ganges zwischen Petersburg u[nd] Göttingen überall zu erkennen; nur zieht sich die Curve für die Intensität bei Petersburg immer mehr in die Höhe (abnehmende Scalentheile) während bei Göttingen sie am Schluß ungefähr eben so hoch steht wie im Anfange. Beobachtungen von anderen Orten werden entscheiden, wo die Ursache liegen mag. Bisher sind sonst nur die Beob[achtungen] aus Krakau (die ersten von dort) eingetroffen,98 wo aber bloß Declinationsänderungen beobachtet sind, die an allen 3 Orten vortrefflich harmoniren. Wir freuen uns der uns gegebenen Hoffnung, Sie im bevorstehenden Sommer wieder hier zu sehen, und ich bin stets mit aufrichtiger Hochachtung und Freundschaft Ihr ergebenster C. F. Gauß Göttingen 19 März 1840

Brief 16. A. T. Kupffer an Gauß, 12./24. April 1840 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 11 (3 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich habe das Vergnügen gehabt, Ihre beiden Briefe vom 8. Febr[uar]99 und 19. März zu erhalten, und danke Ihnen recht sehr für meine Ernennung zum 97 Die russische Chronometerexpedition, an der auch Dänemark, Schweden und Preußen beteiligt waren, fand vom 26.5. bis zum 18.9.1833 statt. Auf Rügen war Johann Heinrich Mädler einer der Beobachter. Siehe: Dorpater Jahrbücher für Litteratur, Statistik und Kunst, besonders Russlands, hrsg. von Carl Ludwig Blum. Bd. 2, 1834, S. 186–192. 98 Diese liegen in der SUB Göttingen vor, siehe: Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1840, Februar. Die Krakauer Beobachtungen stammen von Maximilian Weisse. 99 Dieser Brief ist offensichtlich nicht erhalten.

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corr[espondirenden] Mitglied der Koenigl[ichen] Societät Goettingen, welche, ich weiss es wohl, ich nur Ihnen verdanke. Ich schreibe noch heute meine Antwort an H[er]rn Hofr[ath] Hausmann. Es freut mich, Sie benachrichtigen zu können, dass endlich meine magnetischen Projecte bestätigt worden sind, und zwar ganz in dem Umfange, in welchem ich sie gemacht habe. Ich bin jetzt mit der Ausarbeitung eines Berichtes über diesen Gegenstand beschäftigt, in welchem Sie alle Details finden werden: jezt sage ich Ihnen nur, dass die 4 magnetischen Observatorien, die schon existiren, nämlich Petersburg,* Catherinburg, Barnaul u[nd] Nertschinsk mit neuen Instrumenten nach Ihrer Construction versehen werden sollen (und dazu das Lloydsche Instrument für die Aenderung der verticalen Intensität, welches ich der Conformität mit englischen Beobachtungen wegen doch habe machen lassen, obgleich ich nicht viel Vertrauen zu seinen Angaben habe.) [Vermerk von Kupffer auf dem unteren Seitenrand:] *In Petersburg wird vor der Hand neben den schon bestehenden ein zweites interimistisches Observatorium gebaut,100 damit die absoluten Bestimmungen von den Variationen ganz geschieden werden können. Mit den Plänen zu einem grösseren101 sind wir bereits beschäftigt. Ausserdem hat bereits Peking den Weberschen kleinen Apparat erhalten; die Gambeysche Declinations- u[nd] Neigungsbussole sind schon da. Auch in Sitka (NW Port von Amerika) wird ein magnet[isches] Observatorium erbaut, und ich hoffe, dass man auch in Nicolaeff beobachten wird. Auf allen diesen Puncten wird alle 2 Stunden beobachtet, Goettinger Zeit. In Tiflis besteht schon ein magnetisches Observatorium,102 welches nur noch einige Instrumente erhalten soll. Das Reif[f]sche Wörterbuch103 ist ein Geschenk, das ich vom Verfasser erhalten habe. Alles wissenschaftliche wird hier gewöhnlich auf Kosten der Krone gedrukt, und es ist mir leicht, einige Freiexemplare zu bekommen – wenn ich Ihnen aber etwas poetisches schikke, so werde ich nicht ermangeln, Herrn Meyerstein den Preis dieser Sache aufzugeben. Ich werde nun den Sommer über viel zu thun bekommen, da ich alle die zum Theil neuen, zum Theil noch die alten Beobachter einüben soll – deshalb weiss ich noch nicht ob es mir möglich seyn wird, diesen Sommer nach Goettingen zu kommen, so sehr ich es auch wünsche; auf jeden Fall könnte es wohl erst im Herbste geschehen.

100 Im Jahre 1840 wurde auf dem Gelände des Instituts des Korps der Bergingenieure ein neues Magnetisches Observatorium eingerichtet (Amburger 1966, S. 477). 101 Gemeint sind die Pläne für das Physikalische Hauptobservatorium in St. Petersburg, das erst im Jahre 1849 fertiggestellt wurde. 102 Auf Grund der Initiative von Kupffer wurde 1837 damit begonnen, in Tiflis ein Magnetisch-Meteorologisches Observatorium einzurichten. Die Beobachtungen begannen dort 1839 (Rykačev 1900, S. 194–195). Erst im Jahre 1850 wurde daraus unter der Bezeichnung „Ɍɢɮɥɢɫɫɤɚɹ ɦɚɝɧɢɬɧɨ-ɦɟɬɟɨɪɨɥɨɝɢɱɟɫɤɚɹ ɨɛɫɟɪɜɚɬɨɪɿɹ“ (MagnetischMeteorologisches Observatorium Tiflis) eine feste Einrichtung (Amburger 1966, S. 477). 103 Reiff 1835/36; GB 608. Siehe auch den Brief Nr. 13.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Ihrem Andenken mich herzlich empfehlend, bin ich mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg 12 24 April 1840.

Brief 17. A. T. Kupffer an Gauß, 1./13. Juni 1840 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 12 (1 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich übersende Ihnen hiebei wieder unsere Terminbeobachtungen,104 mit demselben Apparate angestellt, wie das vorige Mal: nur wurden am Bifilarmagnetometer die Fäden näher aneinander gebracht. Beide Nadeln machten, wie Sie sehen, sehr heftige Bewegungen, und ich denke, dass die Vergleichung meiner Beobachtungen mit den Ihrigen interessant seyn werden. Ich hoffe, dass bis zum nächsten Augusttermin unser neues Observatorium [---]105 fertig wird, und die Instrumente darin aufgestellt sind. Ich werde Ihnen dann auch die absoluten Werthe der Declination und Intensitaet mittheilen. Indem ich Sie recht sehr bitte, die Herren Weber und Goldschmidt recht herzlich v[on] mir zu grüssen, bin ich, wie immer ganz der Ihrige A. Kupffer St. Petersburg 1 13 Juny 1840.

104 Diese liegen in der SUB Göttingen vor, siehe: Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1840. Dort von Kupffers Hand geschriebene Beobachtungen vom 29.5.1840 in St. Petersburg, 1 Blatt (= 2 Seiten). Am 23.6.1840 ließ Gauß Wilhelm Weber wissen: „Von Kupffer habe ich die Maibeobachtungen erhalten und Goldschmidt hat sie bereits gezeichnet. Die Declination ist sehr gute Übereinstimmung mit den hiesigen Beobachtungen; bei der Intensität finden sich größere Differenzen, und einige selbst größere Bewegungen laufen selbst in entgegengesetztem Sinn. Kupffer hofft, daß das neue M[agnetische] O[bservatorium] in Petersburg schon zum nächsten Augusttermin fertig sein wird“ (SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Weber 14). Für die Transkription des Briefes sei Menso Folkerts herzlich gedankt. 105 Papierverlust.

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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Brief 18. Gauß an A. T. Kupffer, 13. August 1840 (Göttingen) Quelle: Washington, Smithsonian Institution, Dibner Collection: MS 575A Kopie in: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: A. T. Kupffer 4 (2 S.) Publikation: Schramm 1866, S. 517–518.

Ich kann nicht unterlassen, dem Herrn Conferenzrath Schumacher bei seiner Reise nach Petersburg einige Zeilen mitzugeben,106 um Ihnen für die gütige Mittheilung der Terminsbeobachtungen vom Februar107 u[nd] Mai meinen verbindlichsten Dank abzustatten. Der letztere ist der Interessanteste gewesen, den wir bisher gehabt haben. Gerade bei so starken Bewegungen zeigt sich die Nützlichkeit des Dämpfers im hellsten Lichte. Hier kam die Nadel an beiden Apparaten niemals in irgend eine erhebliche Oscillation, während an andern Orten, die eines Dämpfers ermangelten, die großen schnell wechselnden Bewegungen auch große Oscillationen nach sich zogen, an hunderten von Scalentheilen, so daß hie und da die Beobachtungen sogar eine Zeitlang ganz verdorben wurden oder eingestellt werden mußten. Von H[er]rn Meierstein höre ich, daß er die Absicht hat, nächste Woche sechs 25 pfündige Magnetstäbe an Sie abzusenden, die also vermuthlich gleichzeitig mit diesem Briefe, oder nicht viel später, bei Ihnen eintreffen werden. Den nunmehro nahe heranrückenden Augusttermin werden Sie, hoffe ich, schon in Ihrem neuen magnetischen Observatorium beobachten. Mit dem Russischen schreite ich wenn auch langsam, doch immer etwas fort, und nehme an dieser reichen und bildsamen Sprache recht viel Interesse. Ihr ɊɍɄɈȼɈȾɋɌȼɈ108 lese ich mit einiger Fertigkeit, und mit vielem Vergnügen; die Einrichtung Ihrer Barometer hat mich besonders interessirt. Vor einigen Monaten erhielt ich über Berlin den ersten Theil von H[er]rn Bunjakovski’s mathematischem Wörterbuche;109 ich bitte bei Gelegenheit demselben für dies angenehme Geschenk meinen verbindlichsten Dank zu bezeugen; ich habe bereits mehrere Artikel desselben mit Vergnügen durchgelesen. Stets Ihr herzlich ergebenster C. F. Gauß Göttingen 13 August 1840. 106 Schumacher reiste im Herbst 1840 nach St. Petersburg und nach Pulkowo. Ausführlich berichtete er über diese Reise in einem Brief an Gauß vom 7.10.1840 (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 402–405). Siehe ferner: Reich 2003a, S. 375. 107 Die Daten vom 28.2.1840 liegen in der SUB Göttingen unter Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1840 (1 S). 108 „Ɋɭɤɨɜɨɞɫɬɜɨ ɤɴ ɞ࣎ɥɚɧiɸ ɦɟɬɟɨɪɨɥɨɝɢɱɟɫɤɢɯɴ ɢ ɦɚɝɧɢɬɧɵɯɴ ɧɚɛɥɸɞɟɧiɣ“ (Anleitung zur Durchführung meteorologischer und magnetischer Beobachtungen) von A. T. Kupffer in russischer Sprache (Kupffer, A. T. 1835; GB 489); siehe ferner: Lehfeldt 2011, S. 310–311, Nr. 13. 109 „Ʌɟɤɫɢɤɨɧɴ ɱɢɫɬɨɣ ɢ ɩɪɢɤɥɚɞɧɨɣ ɦɚɬɟɦɚɬɢɤɢ“ (Lexikon der Reinen und Angewandten Mathematik) von Viktor Jakovlevič Bunjakovskij (Bunjakovskij 1839; GB 986). Das Titelblatt des Exemplars der Gauß-Bibliothek trägt die Widmung: „A Monsieur Gauss, hommage de l’auteur“ (Lehfeldt 2011, S. 303–304, Nr. 2).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 19. A. T. Kupffer an Gauß, 1./13. September 1840 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 13 (2 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich übersende Ihnen anbei unsere Terminbeobachtungen vom August,110 u[nd] zugleich unser Annuaire für 1838.111 Unser neues magnetisches Observatorium ist noch nicht ganz vollendet, und die Beobachtungen wurden wieder, wie früher, in zwei ganz getrennten Localen vorgenommen; auch wird die Constante wieder anders, als das vorige Mal; die neue Einrichtung hat mich gezwungen, die täglichen magnetischen Beobachtungen auf eine Zeitlang zu unterbrechen, d.h. die Magnetstäbe abzunehmen. Ich denke, dass unsere stündlichen Beobachtungen im November oder December ihren Anfang nehmen werden, und im Januar im Innern des Reiches. Ich bin jezt eben mit der Einübung der Beobachter für das Innere beschäftigt, und bin damit bis zum Ende September fertig; dann reisen sie ab, und ich kann selbst an die Beobachtungen gehen: ich werde dann vor allen Dingen die absolute horizontale Intensität und die absolute Declination recht genau bestimmen. Ich bin bis jezt immer so sehr beschäftigt gewesen, dass an eine Reise nicht zu denken war; und jezt ist es doch wohl zu spät geworden. Da ich künftiges Jahr nach Sibirien reise, so werde ich wohl erst im Jahre 1842 das Vergnügen haben, Sie wiederzusehen. Dann soll mich aber auch nichts abhalten. Herr Prof. Weber, den ich herzlich zu grüssen bitte, wird wohl schon die Gefälligkeit haben, meine bei Meyerstein für mich bestellten Apparate für die Aenderung der Neigung allein zu versuchen, und mir nach Petersburg senden zu lassen: ich bin wirklich höchst neugierig auf das Resultat. Ich erhalte so eben einen Brief von Knorre in Nicolaeff, in welchem er die Absicht ausspricht, seine magnetischen Beobachtungen, um eine recht constante Temperatur zu haben, in unterirdischen Gewölben vorzunehmen: ein solcher unterirdischer Bau kann in Nicolaeff, wo der Boden aus Fels besteht, und verhältnismässig trocken ist, ausgeführt werden; hier wäre es, glaube ich, unmöglich: doch möchte ich wohl einen Versuch machen, wozu sich hier in der That Gelegenheit darbietet, da wir an unserem Berginstitut einen künstlichen Schacht besitzen, der ziemlich tief unter der Oberfläche der Erde liegt. Mit ausgezeichneter Hochachtung und Freundschaft Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg 1 13 Sept[ember] 1840. 110 Diese Beobachtungsdaten von Kupffer vom 28.8.1840 liegen in der SUB Göttingen unter Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1840, August, 1 Blatt (2 S.). 111 „Annuaire magnétique et météorologique du Corps des ingénieurs du Russie“, hrsg. von A. T. Kupffer, Bd. 2, 1838 (Kupffer, A. T. 1837–1846). In der Gauß-Bibliothek sind die Bände von 1 bis 4 vorhanden (GB 742).

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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[Vermerk von Kupffer auf dem unteren Rand der Seite:] Herrn Hofrath Gauss in Goettingen. Brief 20. A. T. Kupffer an Gauß, 3./15. Dezember 1840 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 14 (1 S.)

Indem ich Ihnen unsre lezten Beobachtungen zusende,112 habe ich weiter nichts hinzuzufügen, als daß alles in Bereitschaft ist, um den 1 Januar 1841 mit den stündlichen Beobachtungen nach Goettinger Zeit anzufangen: die Beobachter für die drei anderen Punkte in Sibirien sind bereits nach ihren Bestimmungsörtern abgereiset, u[nd] auch in Kazan wird zur selben Zeit angefangen werden: nur in Tiflis u[nd] Nicolaieff wird es wohl erst später werden. Ich hoffe daß Sie unsere lezten Beobachtungen erhalten haben, die ich mit dem 1838ten Jahrgang unserer meteorologischen Beobachtungen expedirt habe, da indeß zu diesen Sendungen immer Kuriergelegenheiten abgewartet werden, so weiß ich in der That nicht, ob Sie schon in Ihren Händen seyn koennen. Die Beobachtungen vom vorigen Termin zeigen übrigens nichts ausgezeichnetes, so wenig wie die jezzigen. Indem ich Sie recht sehr bitte, die Herrn Weber und Goldschmidt recht herzlich von mir zu grüßen, bin ich mit Hochachtung und Zuneigung Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg 3 15 Dec[ember] 1840.

Brief 21. A. T. Kupffer an Gauß, 19./31. Mai 1843 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 15 (2 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich benutze eine Gelegenheit, die sich mir darbeitet – durch den beständigen Secretär unserer Akademie, Fuss, der auf einer Reise nach Paris durch Goettingen reiset113 – um Sie zu bitten, mir einige Notizen über das neueste Hannoversche Maass- und Gewichtssystem mitzutheilen, mit dem Sie damals, als ich das Vergnügen hatte, Sie in Goettingen zu sehen, grade beschaeftigt waren. Ich bin mit der Bearbeitung einiger Zusätze zu meinem Werk über Maase und Gewichte beschaeftigt, und will sie dabei benutzen. Ich hoffe dass Sie meine Schrift selbst

112 Diese Beobachtungsdaten von Kupffer vom 27.11.1840 liegen in der SUB Göttingen unter Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1840, November. 113 Der Ständige Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Paul Heinrich Fuß, stattete Gauß wohl im Sommer/Herbst 1843 einen Besuch ab (siehe S. 300).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

durch Voss in Leipzig erhalten haben:114 sollte das nicht der Fall seyn, so bitte ich Sie mir Nachricht davon zu geben. Es hat mir recht leid gethan, dass ich der vorgerükten Jahreszeit wegen vorigen Herbst Sie nicht in Goettingen besuchen konnte: ich hoffe, dass sich bald eine andere Gelegenheit finden wird. Ich habe mich in lezter Zeit mit dem Einfluss der Temperatur auf den Stabmagnetismus beschäftigt, wovon ich Ihnen beigehend eine kleine Probe mittheile: ich denke diese Arbeit spaeter wieder aufzunehmen, und ich hoffe, dass es mir gelingen wird, congruente d.h. für Temperaturveränderungen in gewissen Gränzen unempfindliche Magnetstaebe zu machen. Die Veränderlichkeit der Torsion der Seidenfäden hat mir viel Sorgen gemacht, und ich habe alle seidenen Aufhaengefäden mit silbernen vertauscht; die Torsionskraft ist freilich grösser, aber die Beobachtungen sind sicherer. Doch hat Nervander in Helsingfors gefunden, dass auch die Torsion der Metalldrähte sich mit der Temperatur ändert. Ich denke diesen Gegenstand noch genauer zu untersuchen. – Das erste Heft unserer stündlichen meteorologischen u[nd] magnetischen Beobachtungen von 1841 ist nun fertig, und Sie werden bald ein Exemplar davon bekommen. Das 2te Heft115 soll auch bald nachfolgen, und noch mit der diesjährigen Navigation verschickt werden. Mit ausgezeichneter Hochachtung, wie immer Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg 19 31 Mai 1843.

Brief 22. A. T. Kupffer an Gauß, 3./15. Mai 1845 (St. Petersburg), Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 16 (2 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Ich erhalte so eben den Befehl von unserer Regierung, mich zum magnetischen Congress in Cambridge zu begeben, zu dem Sie auch eine Einladung erhalten haben und eile Ihnen zu schreiben, um meine Bitten mit denen Sabines und allen Mathematikern und Magnetikern Englands zu verbinden. Sie möchten doch auch dahin kommen. Ihre Gegenwart wird unseren Congress in den Augen Europas eine grössere Wichtigkeit geben, weil sie eine Bürgschaft seyn wird für die Gründlichkeit unserer Untersuchungen, und für die Vollendung der angewandten und anzuwendenden Beobachtungsmethoden. Ich würde mich übrigens auch persönlich recht sehr freuen, Sie wiederzusehen, was bei der Kürze der Zeit, da ich dieses Mal meinen Aufenthalt ausser Russland zu opfern im Stande bin, sonst nicht wohl 114 „Travaux de la commission pour fixer les mesures et les poids de l’empire de Russie“ (Kupffer, A. T. 1841; GB 1026). Der Leipziger Buchhändler Leopold Voß war seit 1832 Kommissionär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. 115 „Annuaire magnétique et météorologique du Corps des ingénieurs du Russie“ (Kupffer, A. T. 1837–1846).

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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möglich werden könnte. – Es scheint, dass es recht lebhaft in Cambridge werden wird, es wird eine wahrhaft europäische Versammlung werden, und wie sollte der Hauptrepraesentant Deutschlands in dieser Hinsicht fehlen? Der Tag meiner Abreise von St. Petersburg ist noch nicht genau fixirt, und ich weiss noch nicht einmal ob ich grade oder über Hamburg nach London reise; unser Hafen fängt eben jezt an, sich vom Eis zu befreien und es ist noch kein Dampfschiff angekom[m]en. Sollte ich aber, wegen Verspätung des Londoner Dampfschiffs gezwungen seyn, mit dem Lubecker [sic] zu reisen, so werde ich den 31 neuen Styls Mai von hier abreisen, also den 5 Juny in Hamburg seyn. In der freudigen Hofnung also, Sie recht bald wiederzusehen, bin ich, wie immer, mit der ausgezeichnetsten Hochachtung Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg 3 15 Mai 1845.

Brief 23. A. T. Kupffer an Gauß, 12./24. Januar 1846 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 17 (10 S.)

Hochgeehrter Herr Hofrath Während meines Aufenthalts in England und seit meiner Rükkkehr, ist meine Zeit so sehr in Anspruch genommen worden, dass es mir unmöglich war, Ihnen, wie ich es mir vorgenommen hatte, sogleich zu schreiben, um Ihnen über die Resultate unserer Conferenz in Cambridge zu berichten; nun aber säume ich nicht länger, besonders da nun auch von Seiten unserer Regierung die Zustimmung zur Fortsetzung der Beobachtungen eingetroffen ist. Wir hätten so gerne Sie selbst in unserer Mitte gesehen; Ihr Name ist oft bei unseren Verhandlungen ausgesprochen worden; aber wir konnten uns wohl denken, dass eine solche Reise für Sie manche Bedenklichkeit darbot. Was nun die Resultate unserer Conferenz betrifft,116 so sind sie in wenig Worten zusammenzufassen: die magnetischen und meteorologischen Beobachtungen werden [in] allen Punkten fortgesetzt, zum Theil in demselben, zum Theil in verkleinertem Maasstabe; dabei sollen sie immer fortgesetzt werden, mit den Veränderungen natürlich, die das Fortschreiten der Wissenschaft nothwendig macht – so ist aus einer nur für kurze Zeit angefangenen Unternehmung eine bestehende Institution geworden, die eine neue Epoche in der Geschichte der magnetischen und meteorologischen Wissenschaften bezeichnet. Die Gründung einer Centralanstalt in St. Petersburg, nicht nur für die magnetischen und meteorologischen Wissenschaften, sondern überhaupt für alle Zweige der beobachtenden Physik, hat meine Aufmerksamkeit auch auf andere Theile dieser Wissenschaft gelenkt; und so habe ich mich den vorigen Winter recht viel 116 Vgl. Proceedings 1845; Report 1846.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

mit der Elasticitaet der Metalle beschaeftigt, auf die ich zuerst durch die Rolle, die die Elasticitaet der Aufhaengungsdräthe und der Bestimmung der zwei wichtigsten magnetischen Elemente spielt, gelenkt worden bin. Ich bin zu einigen Resultaten gelangt, die in mir das Bedürfnis erregt haben, mich mit einem Mathematiker darüber zu besprechen, und an wen könnte ich mich besser wenden, als an Sie? Ich will Ihnen deshalb meine bisher erhaltenen Resultate so kurz als möglich mittheilen. Ich habe bis jezt meine Untersuchungen auf Stahl und Eisen beschränkt; es liegen aber bereits Drähte von andern Metallen fertig, um ebenfalls untersucht zu werden. Um den Elasticitaetscoefficienten der Metalldräthe zu bestimmen, habe ich mich zwei Methoden bedient: Die erste Methode, die ich Flexionsmethode nennen will, besteht darin, dass der Drath an seinen beiden Enden auf Unterlagen gelegt wird: in der Mitte wird ein Gewicht angehaengt: die Depression des Drathes sowohl, als die Winkel, um welche die Drathenden dabei gedreht werden, werden besonders bestimmt; das erste geschieht vermittelst eines micrometrischen Apparats; das 2te mit Hülfe zweier Spiegel, die an den beiden Enden des Drathes senkrecht auf denselben fixirt sind, und in welchen sich entfernte senkrechte Theilungen spiegeln

Die Reflexionsmethode, die Sie zuerst mit so glänzendem Erfolg angewandt haben,117 ist zu geläufig, als dass es einer ferneren Erklärung bedürfte. 117 Gauß schrieb in seiner Abhandlung über „Erdmagnetismus und Magnetometer“: „Die Stellung der an einem Faden oder einem feinen Draht aufgehängten Magnetnadel und die Veränderung dieser Stellung werden nicht, wie sonst, an der Magnetnadel selbst beobachtet, sondern an dem Spiegelbilde einer in kleine Theile getheilten Scale. Der Spiegel ist an der Magnetnadel fest, also mit derselben beweglich; die Scale hingegen ist in einer beträchtlichen Entfernung davon (15 Fuss bei den Magnetometern in Göttingen) horizontal befestigt, und hinter der Scale und etwas höher befindet sich das gegen die Mitte des Spiegels gerichtete Fernrohr, durch welches man das 30 Fuss entfernte Spiegelbild der Scale oder eines Stücks derselben sieht. Offenbar ist nun jede Veränderung der Stellung der Magnetnadel mit einer verhältnissmässigen Veränderung des Orts des Spiegelbildes verbunden, und man übersieht leicht, wie sehr die Feinheit der Beobachtung auf diese Weise gewinnt: in der That sind, wenn die Nadel einen Fuss lang ist (und grössere hat man sonst fast niemals angewandt), die Bewegungen ihrer Enden nur ein sechzigstel so gross, wie die Bewegungen des Spiegelbildes. Der Vortheil, welchen ausserdem die grosse Entfernung des Beobachters von der Magnet-

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Die Unterlagen bestanden aus Rollen, die bald an feststehenden Säulen befestigt waren, so dass ihre gegenseitige Entfernung ed constant blieb; bald war nur eine Rolle an einem Ende des Drathes selbst befestigt, während das andere Ende mit einem mit 2 Spitzen versehenen Queerstein, welcher an dasselbe angeschroben war, auf 2 unveränderlichen Puncten der Unterlage ruhte.

Hier blieb also die Länge des Draths constant. Die 2te Methode, die ich Oscillationsmethode nennen will, besteht darin, dass ich den beiläufig 10 Fuss [/] 120 Zoll langen Drath an einem Ende aufhaenge, während ich an dem untern Ende einen horizontalen Hebel befestige, so dass man den Drath um seine eigene Axe schwingen lassen kann. Das Trägheitmoment dieses Hebels wurde nach Ihrer Methode eliminirt, indem man in 2 verschiedenen Entfernungen bekannte Gewichte an den Hebel hing, und ihn so beschwert schwingen liess.

Ein Spiegel, am untern Ende des Drathes angebracht, erlaubte die Schwingungsamplituden sowohl, als die Durchgänge durch die Gleichgewichtsstellung, sehr genau zu beobachten – ebenfalls nach Ihren bekannten Methoden. Es sey n das Gewicht, welches man am untern Ende des Drathes an einem Hebelsq arm von der Länge =1 anzubringen hätte, um es um einen Bogen = 1 (oder = 180 S ) zu drehen: es seyen ferner g die Schwere π das Verhältniss des Umfanges eines Kreises zu seinem Durchmesser p die Summe der beiden Gewichte, welche in der Entfernung r1 und r2 angehängt werden nadel bei der neuen Methode gewährt, ist von selbst einleuchtend, da bei der ehemaligen Art die unmittelbare Nähe des Beobachters, so wie auch der zu nächtlichen Beobachtungen nothwendigen Beleuchtungslampe mancherlei Störungen der Nadel erregen konnte“ (Gauß 1836a; zitiert nach: Gauß–Werke: 5, S. 332–333).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

f1 und f2 endlich die Dauer einer Schwingung in beiden Fällen auf unendlich kleine Bögen reducirt. so ist bekanntlich n=

2 2 pS 2 (v1  v2 ) 2 2 2 g (t1  t 2 )

[Gauß hat den Exponenten von g gestrichen und die folgende Formel in roter Tinte hinzugefügt]

Ist der Drath im Cylinder mit kreisförmiger Basis, dessen Radius = r und dessen Länge = " , so hat man: P 4 n= "r wo μ den Werth von n für " = 1 u[nd] r = 1 bedeutet. Mit den eben beschriebenen Apparaten habe ich folgende Resultate erhalten: 1°. Wenn man einen elastischen Drath, dessen Section ein Kreis ist, an beiden Enden e und d unterstüzt, in der Mitte b aber ein Gewicht anhängt

so ist immer ac = 32 bc. Es ist nämlich ad die Tangente der vom Draht gebildeten Curve bei d. Hieraus folgt, dass die Gleichung der Curve folgende ist y3 = p x2 wobei b als der Anfangspunkt der Coordinaten angesehen wird; die Abscisse x wurde auf der Linie bc gezählt, die Ordinate y auf der Linie bf. Lässt sich hieraus das Gesetz der Elasticität finden? 2°. Die Depression bc ist, so lange die Grenze der Elasticitaet nicht überschritten wird, den Gewichten proportional, doch nicht ganz genau; der Coefficient nimmt immer mehr ab d.h. grössere Gewichte entsprechen Depressionen, die etwas kleiner sind, als man nach dem angeführten Gesetz erwartet. Ich habe indess bis jezt das Gesetz dieser Abnahme noch nicht genau ermitteln können, gebe indess die Hofnung dazu nicht auf: es gilt nur, noch mehr Genauigkeit in die Beobachtung zu bringen, als bis jezt geschehen konnte, und insbesondere recht elastische Körper anzuwenden, bei denen man die Depressionen weiter treiben kann. 3°. Nach den bekannten Formeln hat man, wenn man mit Į den Elasticitaetscoefficienten bezeichnet (d.h. die Verlängerung, die ein Cylinder mit kreisförmiger

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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Basis von 1 Länge u[nd] 1 Radius, der an einem Ende befestigt und am andern gedehnt wird, durch die Gewichtseinheit erleidet) mit d die Depression, mit " die Länge, mit r den Radius des Draths u[nd] mit p das angehängte Gewicht bezeichnet: 3

Da nun nach dem Obigen 32 Winkel cda bezeichnet, so ist

r2

Į = 2 d p" 3 d = ac ist, ac aber = cd tg ij , wenn man mit ij den Į = Y tg ij

r2 p" 3

,

wo Y die halbe Entfernung der beiden Stützpuncte bedeutet. Wenn man mit dieser Formel die Versuche berechnet, die mit verschiedenen Gewichten gemacht worden sind (indem man dabei, wie sich’s von selbst versteht, die Zunahmen der Laenge des Drathes, oder den wachsenden Unterschied zwischen " u[nd] Y mit in Rechnung nim[m]t) so erhaelt man immer sehr nahe dasselbe Į, doch es wird für grosse Gewichte ein wenig kleiner, als für kleine; wie schon in Nr. 3 gesagt ist. Ist die Grenze der Elastizitaet überschritten, so wird natürlich Į um so grösser, je grösser das Gewicht ist; aber dann kommt der Drath nach Fortnehmen des Gewichts nicht in seine frühere Lage zurück. 4. Bestimmt man den Werth von Į durch die Schwingungsdauer des am oberen Ende befestigten und am unteren Ende mit einem Hebel beschwerten Drathes, so findet man dass Į=

2 1 ·g 2P

[g ist von Gauß hinzugefügt]

Ich bin zu dieser Formel, die von meinen Versuchen vollkom[m]en bestätigt wird, geführt worden, indem ich mir vorstellte, dass bei der Drehung des Drathes die Axe desselben keine Aenderung in ihrer Länge erleidet; so wird bei jeder Drehung jede Längenfiber des Drathes zur Diagonale eines Dreiekks, dessen laengere senkrechte Seite immer unveränderlich und der Axe des Draths an Laenge gleich ist, dessen kleinere horizontale Seite aber der Bogen ist, um den der Draht gedreht worden ist, auf dem Kreise gemessen, welchen das untere Ende der Fiber selbst beschreibt. Durch diese Betrachtung erhaelt man leicht die mittlere Verlängerung der Fibern, welche die drehende Kraft n hervorgebracht hat. Die Schwingungsversuche geben ebenfalls ein Abnehmen des Werthes von Į bei grösseren Gewichten. 5. Da ich bei Beobachtung der Schwingungen des Hebels die Schwingungsbögen immer genau beobachte, so erhalte ich eine Menge Resultate über die Abnahme der Schwingungszeit bei Abnahme des Schwingungsbogens, und fand, dass die Reduction auf unendlich kleine Bögen keineswegs dem Quadrat der Schwingungsbögen proportional ist, sondern der Quadratwurzel derselben; und dass auch dieses leztere Gesetz durch Vergrösserung des Widerstandes der Luft (durch Vergrösserung der widerstehenden Oberflaechen) sehr modificirt wird.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

6. Den Einfluss des Widerstandes der Luft habe ich bestimmt, indem ich die widerstehende Oberfläche verdoppelte, ohne das Trägheitsmoment des Hebels zu verändern: ich fand so, dass eine senkrechte Oberfläche von 61 Zoll horizontaler Länge und 11 Zoll engl[isch] verticaler Breite, um ihre Mitte ab oscillirend

eine Schwingungsdauer von 32Ǝ,58 um 0Ǝ,1669 vermehrt, oder, was dasselbe ist, dass der bezeichnete Widerstand die bewegende Kraft = 1 gesetzt, um 0,0101 verringert; bei mittlerem Barometer- u[nd] Thermometerstand. 7. Der Einfluss der Wärme auf den Elasticitaetscoefficienten ist ziemlich bedeutend, und wird bei Reduction der Beobachtung sorgfältig in Rechnung genommen. Bei erhöhter Temperatur nim[m]t der Werth von Į zu; diese Zunahme ist bedeutend grösser als es seyn würde, wenn die Wärme bloss dadurch wirkt, dass sie die Dräthe verlaengert, und kann deshalb nicht dieser Verlängerung zu geschrieben werden. – Ich denke diese Untersuchungen noch fortzusetzen, und sie auf recht vielerlei Metalle und andere elastische Körper auszudehnen; ich will auch sehen, ob nicht diese Untersuchungen ein Mittel an die Hand geben, den Einfluss der Wärme, die ja auch nichts anders, als eine dehnende Kraft ist, nach absolutem Maass d.h. nach Gewicht zu bestimmen, und eine genauere Methode, die specifische Wärme der Körper zu bestimmen aufzufinden; ich denke dass um dieses zu machen die obenangeführten Untersuchungen nur mit genaueren Untersuchungen über die Ausdehnung der Körper durch die Wärme in Verbindung gebracht werden müssen. Ehe ich aber fortgehe, wünschte ich Ihre Meinung über das in Nr. 1 enthaltene Gesetz zu wissen, damit ich meine Untersuchungen, wenn es nöthig seyn sollte, noch nach anderen Richtungen verfolgen kann. So würde mir z. B. mit meinem Apparat nicht schwer fallen, die Coordinaten der elastischen Curve genau durch micrometrische Untersuchungen zu bestim[m]en, wenn das oben angeführte Gesetz nicht hinreichen sollte, die Curve zu characterisiren. Verzeihen Sie die Länge meines Briefes, und genehmigen Sie die erneuten Versicherungen meiner innigsten Hochachtung, [wo]mit ich, wie immer, bin Ihr herzlich ergebener A. Kupffer St. Petersburg 12 24 Januar 1846

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[Auf der Rückseite des letzten Blattes Notizen von Gauß] In Philosophical Transactions 1829. p. 127 steht ein Aufsatz von Benjamin Bevan über den Modulus der Torsion.118 Danach bietet eine cylindrische Stange eben soviel Widerstand gegen Torsion dar wie eine deren Queerschnitt ein Quadrat ist wenn der Diameter von jener nahe 87 von der Seite des Quadrats beträgt. Die Fläche der Querschnitte wäre also 16 49 π : 1 oder nahe 352 343 : 1 Seine Formel für die Deflection į, (T Modulus der Torsion) rr"w =į d 4T

į ist die Deflection in linearischen Bogen am Ende des Hebels r, wo das Gewicht w angebracht ist. " Länge, d Seite des Quadrats, T Torsionsmodulus Es folgt daraus Kupfers μ = 2401 256 T Was Bevan Modulus der Elasticität E nennt steht zu Kupfers Į in folgendem Verhältniß SD =

Ist also nach Bevan T = so wird119 μ =

2401 4096

1 16

E=

1 E

E 1

SD

2401

ā 4096 =

16807 90112D

=

16807 45056 2D

Der Zahlen also = 0,373 wofür Kupfer 2 – 1 = 0.414 setzt Die Theorie gibt = 0.400.

[Dem Brief ist ein weiterer Zettel beigefügt, der auf einer Seite skizzenhafte Überlegungen von Gauß zu den Ausführungen von Kupffer enthält. Auf der Rückseite des Zettels befinden sich Angaben über Bankgeschäfte, auf deren Wiedergabe hier verzichtet wird.]

118 „Experiments on the modulus of Torsion“ (Bevan 1829). 119 Gauß rechnet im Folgenden mit π = 227 .

414

Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 24. Gauß an A. T. Kupffer, 9. März 1846 (Göttingen) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 46, l. 2–3. Publikation: Klado 1963, S. 242–245 (nur in russischer Übersetzung).

Recht sehr danke ich Ihnen, mein hochgeehrtester Freund, für die gütigen Nachrichten sowohl von der magnetischen Conferenz in Cambridge, als von Ihren interessanten Versuchen über die Elasticität der festen Körper. Die letztern gehören einem Theile der mathematischen Physik an, der zwar immer ein hohes Interesse für mich gehabt hat, mit welchem ich jedoch, seit einer ziemlichen Reihe von Jahren mich nicht näher beschäftigt habe, so daß ich, für den Augenblick, etwas fremd darin geworden bin. Indem ich nun außerdem, jetzt, mit Geschäften beladen bin, die mir wenig Muße laßen, so werde ich nur ein Paar Punkte Ihrer Mittheilungen hier berühren können. Ein besonderes Interesse hat für mich der Zusammenhang derjenigen Constanten, wovon die Rückwirkung der Elasticität abhängt, einmahl, wenn die Körper eine Längenausdehnung, zweitens, wenn sie eine Torsion erlitten haben. Man kann diesen Constanten vielerlei Fassung gegeben, ich will bei Ihrer Bezeichnung stehen bleiben. Sie hatten diesen Zusammenhang in Ihrem ersten Briefe durch die Gleichung Į=

2 1 2P

ausgedrückt, in dem zweiten hingegen dieselbe in

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

Į=

415

2 1 g 2P

verwandelt; auch in dem ersten Briefe eine Andeutung von der Vorstellungsart gegeben, wie Sie dieselbe gefunden haben. Ich muß nun gestehen, daß diese Vorstellungsart mir nicht klar geworden ist, auch scheint mir nicht, daß die in Rede stehende Wirkung sich aus der Dehnung derjenigen Fibern erklären lasse, die der Axe des Drahts parallel sind, schon aus dem Grunde, weil, bei kleinen Torsionswinkeln diese Dehnungen dem Quadrate der Torsionswinkel proportional sind, und ihr Moment, wenn sie (die Dehnungen) auf die Tangente an der Peripherie des kreisförmigen Queerschnitts des Drahts bezogen werden, sogar nur dem Cubus des Torsionswinkels, während doch (*) die Reaction selbst einfach dem Torsionswinkel selbst proportional ist. Dies scheint mir so offenbar, daß ich vermuthen muß, daß der eigentliche Nerf Ihrer Vorstellung mir verborgen geblieben ist. [Vermerk von Gauß auf dem rechten Seitenrand] (*) wie allgemein zugestanden ist. Versuche stehn in Annales de Chimie et de physique T. 41.120 Eben so ist mir auch die Zulässigkeit der in Ihrem zweiten Briefe gemachten Abänderung (Hinzufügung des Factors g) unklar geblieben, da, die Zeichen so verstanden, wie Sie sie selbst erklären, αμ eine abstracte Zahl wird, also nicht mit g homogen sein kann. Unter diesen Umständen habe ich mich bemühet die zwischen α und μ stattfindende Relation selbst auszumitteln. Zu einer vollständigen Wiederlecture von Poissons berühmten [sic] Mémoire121 habe ich jetzt keine Zeit; das ist auch nicht die Sache von wenigen zusammengegeizten Stunden, sondern erfordert einen langeren [sic] sehr bedeutenden Zeitaufwand. Ich habe also nichts daraus entlehnt, als den Satz, daß wenn auf einen elastischen Körper z.B. eine Stange, Dehnkräfte in einem und dem entgegengesetzten Sinn wirken und die Ausdehnung 1 : 1+į hervorbringen, damit (insofern keine andern Kräfte dies ändern) nothwendig eine Contraction in dem zweiten und dritten Sinn von 1 : 1 + 14 į , oder nach der Fläche des Queerschnitts gerechnet von 1 : 1 + 12 į verbunden ist. Dieß vorausgesetzt, finde ich durch sehr einfache Betrachtungen 1

Į = 5P 1

also Į = P x 0,200, während Sie 1

Į = P x 0,207 haben. In Lamés Lehrbuch der Physik122 finde ich eine Angabe, die wenn ich seine Zeichen auf Ihre zurückführe, ganz mit meiner Formel Į = 51P übereinstimmt. Er 120 „Mémoire sur la réaction de torsion des lames et des verges rigides“ (Savart 1829). 121 „Mémoire sur l’équilibre et le mouvement des corps élastiques“ (Poisson 1829). Diesen Aufsatz zitiert auch Savart (Savart 1829, S. 373). 122 „Lehrbuch der Physik für höhere polytechnische Lehranstalten“ von Gabriel Lamé (Lamé 1838/41). Ein Exemplar ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 497).

416

Carl Friedrich Gauß und Russland

spricht zugleich von Erfahrungen, deren Discordanz mit der Formel er als sehr klein bezeichnet (und den Messungsfehler bei den Dehnungen anschreibt) obwohl sie viel größer sind, als der Unterschied zwischen meiner und Ihrer Formel. In Philosoph[ical] Transactions for 1829 findet sich ein Aufsatz von Bevan, On the Modulus of Torsion. Er setzt ihn, nach seinen Versuchen, zu 161 des Modulus der Elasticität an. Übersetzt in Ihre Bezeichnungen, und mit Zuziehung von Bevans Angabe [daß zwei Stangen, ceteris paribus,123 gleichen Widerstand gegen die Torsion leisten, wenn die Querschnitte resp. ein Quadrat und ein Kreis sind, der Durchmesser des letztern 87 von der Seite des erstern] finde ich daraus Į=

2401 4096S

1

1

P = 0,187 P

sodaß dasjenige Resultat, welches ich aus der Theorie gefunden habe, zwischen dem Ihrigen und dem von Bevan, und dem Ihrigen doppelt näher liegt. Bevans Angabe[n] haben das Gepräge, nur rohe Näherungen zu geben. Was mich aber vor allem interessirt ist der Einfluß der Temperatur auf die Elasticität der festen Körper. Schon mehr als einmahl, wenn an mir die Reihe war bei unserer Societät Vorschläge zu Preisfragen zu machen, hatte ich jenen Gegenstand mit auf die Liste gesetzt (es wurde aber immer eine andere von meinen vorgeschlagenen Fragen gewählt) nemlich durch viele sorgfältige Versuche den Einfluß der Temperatur auf Elasticität der Metalle u[nd] anderer fester Körper (wie Glas u.a) zu bestimmen, und zwar durch Versuche an allen Äusserungsarten der Wirkungen der Elasticität (Reaction gegen 1) Dehnung, 2) Biegung und 3) Torsion), die scharfer Messungen fähig sind.*) Ich war darauf schon vor etwa 16 Jahren gekommen, in dem ich Schwingungsdauer eines Katerschen inverter pendulum124 beobachtete, was mit sehr großer Schärfe geschehen kann, und dabei einen ungemein großen regelmäßigen Einfluss der ungleichen Temperatur bemerkte. So war z.B. die Schwingungsdauer 6Ǝ9008 6Ǝ6823 6Ǝ4010

bei + 24°6 + 14,4 – 0,6

“ “

Einigen Einfluß hat auch Barometerstand. Die Messungen liegen wohl 34 Jahr aus einander.

[Vermerk von Gauß auf dem linken Seitenrand:] *) Wäre einige Wahrscheinlichkeit da daß sich ein Bearbeiter finden werde, so könnte vielleicht der Gegenstand das nächste mahl wieder mit auf die Wahl gesetzt werden.

123 Lat. ceteris paribus = bei sonst gleichen Voraussetzungen. 124 Reversionspendel von Henry Kater. Reversionspendel konnten umgekehrt aufgehängt werden.

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

417

[Fortsetzung des Textes:] Es ist hier ein Resultat aus der Differenz der Elasticität und Schwere; man kann die Versuche auch so machen, daß die Summe von beiden zur Wirkung kommt, in dem man den Apparat nicht stehend, sondern verkehrt hängend schwingen lässt. So läßt sich das Verhältniß beider mit großer Schärfe bestimmen, und die Feinheit jener ersten Resultate hängt gerade davon ab, daß die Elasticität nur ein geringes Übergewicht über die Schwere hat. Ich habe damals meine Versuche nicht weiter fortgesetzt, da andere Arbeiten sie mir aus dem Gesichte brachten. Erinnere ich mich recht, so war Struve gerade damals hier,125 und hat selbst an einigen Versuchen Antheil genommen. Doch ich muß für dies mahl schließen, mich Ihrem freundschaftlichen Andenken bestens empfehlend, als Ihr ergebenster C. F. Gauß Göttingen den 9 März 1846 Darf ich bitten, die Einlage gütigst abzugeben.126

Brief 25. A. T. Kupffer an Gauß, 30. Dezember 1846 / 11. Januar 1847 (St. Petersburg) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 46, l. 4–6. Publikation: Klado 1963, S. 246–250 (nur in russischer Übersetzung).

Indem ich Ihnen recht sehr für Ihren Brief vom 9 Märts danke, der so viel lehrreiches für mich enthält, will ich versuchen, Ihnen über dasjenige, in meinem ersten Brief, was ich in der That zu oberflächlich angedeutet habe, Aufklärung zu geben, nämlich darüber, wie ich mir das gedacht habe, in der ich möchte sagen ungeduldigen Erwartung, dass eine tiefere Analyse des Phänomens meine Ideen bestätigen oder widerlegen wird. Vor allen Dingen bitte ich Sie, meinen ersten Brief als ungeschrieben zu betrachten; die Abänderung in der Formel, von der ich dort spreche, wurde durch einen Fehler motivirt, den ich gemacht zu haben glaubte und nicht gemacht habe. I. Denkt man sich einen Cylinder, dessen Höhe und Radius = 1, an der obern Basis befestigt, an der untern gedreht um die Einheit, auf der Circonferenz127der Basis gemessen, so dehnt sich die äussere Fiber ac

125 Wilhelm Struve besuchte Gauß in Göttingen im Jahre 1830. 126 Die erwähnte Einlage ließ sich nicht ermitteln. 127 Fr. circonférence = Umfang.

418

Carl Friedrich Gauß und Russland

bis zur Länge von bc aus; denn dass ab in derselben Horizontalebene bleibt, d.h. dass der Drath weder kürzer noch länger wird, davon habe ich mich durch directe Beobachtung überzeugt. Wir haben aber, da ac = ab = 1, für die Ausdehnung der äussern Fiber 2 – 1. Die Ausdehnung der Fibern nim[m]t offenbar von der Circonferenz gegen die Axe des Cylinders, wo sie null ist, ab; die mittlere Ausdehnung ist aber 221 , wenn eine gleichmässige Abnahme statt findet. Die Kraft die, bei a angebracht, die Drehung und mithin auch die Ausdehnung der bewirkt, ist mit μ bezeichnet, und in Gewichten ausgedrükt worden. Hinge man das Gewicht μ an das untere Ende des Cylinders, so würde dieser um αμ ausgedehnt werden; wir haben also, da die Wirkungen gleicher Ursachen einander gleich seyn müssen: 2 1 2

= αμ

Nachher habe ich gefunden, dass diese Formel eigentlich noch einer kleinen Modification bedarf, nämlich: die äusserste Fiber ac wird um 2 – 1 ausgedehnt, nähert man sich aber immer mehr der Axe des Cylinders, so werden die Ausdehnungen x nach und nach kleiner, und erhalten offenbar folgenden Ausdrukk, wenn man mit y die Entfernung der Fiber von der Axe bezeichnet: x = 1  y² – 1 Das ist der allgemeine Ausdrukk für die Ausdehnung der Fibern auf dem Radius, der durch b geht. Denkt man sich nun den Drath wieder bis a zurükgedreht, doch mit Beibehaltung der Ausdehnung seiner Fibern, so bilden offenbar die Enden der ausgedehnten Fibern einen hohlen Körper von folgendem Durchschnitt

in welchem fg =

2 – 1. Die Gleichung der Curve g h k ist offenbar

y2 = 2x + x2

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

419

Das Volumen vƍ, welches durch Umdrehung des nicht gestrichelten Theils des Durchschnitts um die Axe x des Cylinders entsteht ist: vƍ = π x2 (1 + 13 x) und das ungestrichelte Volumen v = π x (1 – x – 13 x2) Hieraus findet man leicht für x = 2 – 1 v=π

4 2 5 3

Eine solche Ausdehnung (Volumenvergrösserung) wird durch das Gewicht μ hervor gebracht, dahingegen dasselbe Gewicht, an das Ende des Cylinders gehaengt, eine Volumenvergrösserung desselben von α μ π hervorbringen würde: wir haben also αμ =

4 2 5 3

= 0,2189

Meine bisher angestellten Beobachtungen geben, [sic] den Werth von α noch nicht genau genug, als dass man entscheiden könnte, ob der Werth 0,218 oder 0,200 der wahre ist (ich hoffe aber in kurzem dahin zu kommen); doch scheinen sie für den Werth 0,200 hinzuneigen. II. Was den Einfluss der Wärme auf den Elasticitätscoefficienten betrifft, so habe ich im Laufe meiner Untersuchungen noch oft Gelegenheit gehabt, deren Einfluss zu bestätigen; aber die genaue Bestimmung dieses Einflusses will ich noch bis zum nächsten Winter verschieben, wo es mir möglich seyn wird, grosse Temperaturunterschiede hervorzubringen, und dann werde ich gewiss Ihre Methode dazu benutzen. Vorläufig habe ich mich überzeugt, dass nicht nur die Ausdehnung durch die Wärme, sondern auch die Ausdehnung, durch mechanische Mittel den Elasticitätscoefficienten (den Werth von μ) vermindert. So fand ich bei einem Eisendrath von beiläufig 126 Zoll Länge 0,048 Radius n = 0,79592 wenn er durch eine Belastung von 70 ‡ gespannt war; wurde die Spannung um 99,3 ‡ erhöht, so werden n = 0,76894 welches einen Unterschied von 0,02698 giebt. Dabei hatte sich der Drath um beiläufig 0,055 ausgedehnt; es hätte, wie man sich leicht überzeugen kann, einer Temperaturerhöhung von 30°R bedurft, um dieselbe Ausdehnung durch die Wärme hervorzubringen, wir hätten also für 1°R 0,000899 Zunahme des Werthes von n. Meine Untersuchungen geben mir etwa 0Ǝ0070 Abnahme der Schwingungsdauer 32Ǝ,5 für 1°R; das giebt eine Abnahme von 0Ǝ,00022 für eine Schwingungsdauer = 1Ǝ; oder 0,06046 für die Kraft = 1. Dabei ist zu bemerken dass die Wärme den Radius des Drathes in demselben Verhältniss vergrössert, wie die Länge desselben; dahingegen die Spannung den Radius verringert und zwar im Verhältnis des 4ten Theils der Längenausdehnung; nun verhält sich aber die Kraft wie die 4te Potenz des Radius; um aber vom Effect der Wärme zum Effect der Spannung überzugehen, muss man den ersten verdoppeln.

420

Carl Friedrich Gauß und Russland

III. Da die Länge des Draths, und mithin auch die Entfernung der ihn zusammensetzenden Molecüle sehr wenig zunim[m]t, wenn man die Spannung um 100 ‡ vermehrt, der Werth von n aber dabei sehr bedeutend abnimmt, so muss die Anziehung der Molecüle gegeneinander in einem sehr raschen Verhältniss abnehmen, indem die Entfernung derselben voneinander zunimmt, bei weitem rascher, als im umgekehrten Verhältniss des Quadrates der Entfernung; das stimmt recht gut mit der Vorstellung überein, die man sich immer von der raschen Abnahme der Cohäsionskraft gemacht hat, sobald die Entfernung zunimmt. Das Volumen vƍ, welches durch Umdrehung des nicht gestrichelten Theiles des Durchschnitts um die Axe x des Cylinders entsteht, ist: vƍ = π x2 (1 + 13 x) und das gestrichelte Volumen v = π x (1 – x – 13 x2). Hieraus findet man leicht für x = 2 – 1 v=π

4 2 5 3

Eine solche Volumensvergrösserung wird durch das Gewicht μ hervorgebracht; da hingegen dasselbe Gewicht, an das Ende des Cylinders gehängt, eine Volumensvergrösserung desselben von Į μ π hervorbringen würde: wir haben also αμ=

4 2 5 3

= 0,2189

Der Werth von μ lässt sich nach der in meinem vorigen Brief mitgetheilten Methode mit grosser Genauigkeit finden; nicht so ist es aber mit dem Werth von α, der, sosehr ich mich auch bestrebt habe, die bisherigen Methoden zu vervollkommnen, mir darnach nicht mehr genug scheint. Ein Eisendrath von etwa 0,05 Zoll Radius gab mir α μ = 0,2055; ein anderer Drath aber, von 0,08 Radius, noch etwas weniger als 0,2. Ich bin jezt dabei, deren Verhältniss für Messing zu bestimmen. Den Einfluss der Temperatur auf die Elasticität, den Sie schon vor so vielen Jahren beobachtet haben, habe ich vollkom[m]en bestätigt gefunden, und will, um recht genaue Resultate zu erhalten, die mir von Ihnen vorgeschlagene Methode benutzen, und Ihnen nächstens darüber berichten. Ein, so viel ich weiss, ganz neues Resultat, das mir meine Untersuchungen gegeben haben, ist, dass der Werth von μ mit der Spannung abnimmt; und zwar sehr bedeutend. Ein Eisendrath von 0,047 Radius und 126 Zoll Länge gab log μ = 7.2810638; mit 100 Pfund belastet, war log μ = 7.2662654. Der Drath wurde dabei um 0,0575 Zoll ausgedehnt. Sie sehen aber, dass die Anziehung der Molecüle zueinander in einem sehr raschen Verhältniss abnimmt, wenn die gegenseitige Entfernung derselben zunimmt. Der Einfluss der Wärme auf den Werth von μ hat wohl auch in demselben Gesetz seinen Grund. Eine Temperaturerhöhung von 1°R vermehrte die Schwingungsdauer n desselben Drathes um n . 0Ǝ000263. Ich will nun alle diese Untersuchungen auf Messing, Kupfer, Platin, Silber und Gold ausdehnen, aus welchen Metallen die nöthigen Dräthe bereits in meinem Besitz sind. Ich berichte Ihnen dann wieder, wenn Sie es mir erlauben wollen. – Meinen 1ten Brief bitte ich Sie, als ungeschrieben zu betrachten; der Zusammen-

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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hang zwischen μ und α, von dem in demselben die Rede ist, beruht auf einem Irrthum, in den ich durch einen Rechnungsfehler verfallen bin. Mit ausgezeichneter Hochachtung und Anhänglichkeit Ihr herzlich ergebener A. Kupffer St. Petersburg 30 Dec[ember]1846 11 Januar 1847.

Brief 26. A. T. Kupffer an Gauß, 25. April/4. Mai 1847 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 18 (6 S.)

Ihren Brief vom 9 Märts, der soviel lehrreiches für mich enthält, und für den ich Ihnen recht sehr danke, beantworte ich erst jezt, weil ich meine Arbeit erst bis auf einen gewissen Punct bringen wollte, um Ihnen zugleich über die weiteren Ergebnisse derselben berichten zu können; leider aber ist sie, wegen mannichfacher Unterbrechung, sehr langsam vorgerükt. Ich will erst versuchen, Ihnen vollständiger, als es in meinem ersten Briefe geschehen ist, auseinanderzusetzen, wie ich mir den Zusammenhang der Grössen α u[nd] μ gedacht habe. Denkt man sich einen Cylinder, dessen Höhe und Radius = 1, an der obern Basis befestigt, an der untern gedreht um die Einheit (auf der Circonferenz der Basis gemessen) so dehnt sich die äussere Fiber ac

bis zur Länge bc aus; daran dass ab in derselben Horizontalebene bleibt, d.h. dass der Drath weder kürzer noch länger wird, davon habe ich mich durch directe Beobachtung überzeugt. Wir haben also, da ac = ab = 1 für die Ausdehnung der äußern Fiber 2 – 1. Die Ausdehnung der Fiber nimmt offenbar von der Circonferenz gegen die Axe des Cylinders, wo sie null ist, ab; die mittlere Ausdehnung ist

422

Carl Friedrich Gauß und Russland 2 1

also 2 , wenn eine gleichmässige Abnahme statt findet. Die Kraft die, bei a angebracht, die Drehung und mithin auch die Ausdehnung der Fibern bewirkt, ist mit μ bezeichnet und in Gewichten ausgedrükt worden. Hängt man das Gewicht μ an das untere Ende des Cylinders, so würde dieser um α μ ausgedehnt werden; wir haben also, da die Wirkungen gleicher Ursachen einander gleich seyn müssen 2 1 2

= α μ.

Nachher habe ich gefunden, dass diese Formel eigentlich noch einer kleinen Modification bedarf, nämlich die äusserste Fiber ac wird um 2 – 1 ausgedehnt, nähert man sich aber immer mehr der Axe des Cylinders, so werden die Ausdehnungen x nach und nach kleiner, und erhalten offenbar folgende Ausdrucke, wenn man mit y die Entfernung der Fiber von der Axe bezeichnet x = 1  y² – 1 Das ist der allgemeine Ausdrukk für die Ausdehnung der Fiber auf dem Radius, der durch b geht. Denkt man sich nun den Drath wieder bis a zurükgedreht, doch mit Beibehaltung der Ausdehnung seiner Fibern, so bilden offenbar die Enden der ausgedehnten Fibern einen hohlen Körper von folgendem Durchschnitt

in welchem f g =

2 – 1. Die Gleichung der Curve g h k ist offenbar

y2 = 2x + x2 Das Volumen vƍ, welches durch Umdrehung des nicht gestrichelten Theils des Durchschnitts um die Axe x des Cylinders entsteht, ist: vƍ = π x2 (1 + 13 x) und das gestrichelte Volumen v = π x (1 – x – 13 x2) Hieraus findet man für x = 2 – 1 v=π

4 2 5 3

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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Eine solche Volumensvergrösserung wird durch das Gewicht μ hervorgebracht, da hingegen dasselbe Gewicht, an das Ende des Cylinders gehängt, eine Volumensvergrösserung desselben von α μ π hervorbringen würde: wir haben also: αμ=

4 2 5 3

= 0,2189

Der Werth von μ lässt mit nach meiner in einem vorigen Brief mitgetheilten Methode mit grosser Genauigkeit finden; nicht so ist es aber mit dem Werthe von α, der so sehr ich mich auch bemüht habe, die bisherige Methode zu vervollkommnen, mir darnach nicht mehr genug scheint. Ein Eisendraht von beiläufig 0,05 Zoll Radius gab mir α μ = 0,2055, ein ander Drath aber, von 0,08 Radius noch etwas weniger als 2. Ich bin jezt dabei das Verhältniss für Messing zu bestimmen. Den Einfluss der Temperatur auf die Elastizität, der schon aus den Schwingungsbeobachtungen, bei verschiedenen Temperaturen angestellt, deutlich hervorgeht, und mit ziemlicher Genauigkeit bestimmt werden kann, habe ich auch angefangen, nach der von Ihnen vorgeschlagenen Methode zu bestimmen, und sehr gute Resultate erhalten; leider bin ich mit meinem Apparate zu spät fertig geworden, um noch diesen Winter etwas Erklekliches leisten zu können: ich muss also die Sache schon bis zum künftig aufschieben. Ich mache meine Versuche so, dass ich das aus dem zu untersuchenden Drath und das von schweren Gewi[chten] zusammengesetzte Pendel erst aufrecht, dann abwarts gerichtet schwingen lasse, abwechselnd in hoher und niedriger Temperatur: dann lasse ich noch schwingen, indem ich ihn der Wirkung der Schwere allein überlasse, d.h. ich löse die Schrauben, die den Aufhaengepunct festhalten; der Drath ist nämlich beim Aufhängebefestigt, den man auf 2 polirte stählerne Unpunct an ein horizontalen terlagen legen kann, so dass er als gewöhnliches Pendel schwingt.

Da man mit Ihrer Methode die Wirkung der Schwere von der Wirkung der Elasticität trennen kann (von denen man erst die Differenz und dann die Summe erhält) so ist es leicht die Länge des einfachen Pendels zu erhalten, welche der gefundenen Schwere correspondirt; eben so kann man auch die Länge des einfachen Pendels berechnen, welche der Schwingungsdauer des frei schwingenden Apparats entspricht; nennt man die erste Länge " und die andere " ƍ, so geben die Versuche

424

Carl Friedrich Gauß und Russland



" = "

3 4

Dabei ist, wie Sie sich vielleicht an meinen frühern Brief erinnern, wenn ab ein (horizontaler) elastischer Drath ist, der bei a befestigt ist, bei b aber durch ein auf bd senkrechten Druck herabgezogen wird

2

ac = 3 dc; bd ist eine Tangente an die Curve, deren Form der Drath annimmt, bei dem Puncte b.

Hier ein Beispiel

Eisendrath von beiläufig 0,16 Zoll Durchmesser, Gewicht am Ende des Draths fixirt, cylinderförmig Schwingungsdauer, das Gewicht --------------------------------------Länge des Cylinders Durchmesser desselben Gewicht desselben

nach oben nach unten des freischwebenden Pendels

2,65 Zoll engl[isch] 1,775 2,85 Pfund russisch

4Ǝ,1278 0ƍ,5517 0Ǝ,8550

---IJ ---t

Entfernung des Mittelpunctes des Cylinders von der Drehungsaxe des Pendels = 29,05 Zoll Entfernung desselben Punctes vom Puncte, wo er angeklem[m]t wird, wenn er vermöge der Elasticität schwingen soll 28,60

[Vermerk von Kupffer auf dem linken Seitenrand: für St. Petersburg ist log g = 1,58725 in engl[ischen] Zoll.] Bezeichnet man nun die Wirkung der Elasticität mit E, die der Schwere mit S, so hat man: 1



= E – S u[nd]

1 t2

= E + S; woraus E = 1.67211; S = 1.61339

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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Es sey nun s die Schwingungsdauer die der Schwere allein angehört, so hat man s2 =

1 f

; hieraus lässt sich leicht die dazu gehörige Pendellänge berechnen, aus der

Formel Pendellänge " =

s2g

S2

; man findet " = 24,278.

Aus der Schwingungsdauer des freischwebenden Pendels findet man " ƍ = 28,635; von dieser Länge muss aber 0,45 abgezogen werden, weil das eingeklem[m]te Pendel um soviel durch die Klemme kürzer wurde. Man hat also für die wahre 3 , 228 Länge des Pendels 28,185. Nun ist aber 24 28,185 sehr nahe = 4 .Wenn man denselben Drath 13,96 Zoll lang nim[m]t, und ihn an einem Ende horizontal befestigt

an das andre Ende aber 2 Pfund anhängt, so beträgt seine Depression bc 1,7637. Da die Depression sich verhalte wie die Cubus der Drathlängen und wie die Gewichte, so hat man für einen Drath von 28,60 Länge u[nd] für ein Gewicht von 2,85 Pfund, eine Depression von 21,61 Zoll. Wie kann man wohl von dem Werth von E zu dem Werth dieser lezten Depression gelangen, oder mit andern Worten, wie kann man aus E den Werth von Į oder μ finden? Ein anderes interessantes Resultat, welches aus meinen Schwingungsversuchen hervorgeht, ist dass der Werth von μ, d.h. die Kraft, welche dazu gehört, an einen an einem Ende befestigten Cylinder am andern Ende zu drehen, mit der Spannung zunimmt. Für Flüssigkeiten haben schon Colladon und Sturm128 gefunden, dass die Volumensveränderung, die sie durch Drukk erleiden, darin nicht vollkom[m]en proportional ist, sondern dass dieses Verhältniss sich bei grösserm Druck vermindert; nach Regnault129 verhält sich auch Wasserstoffgas so. Die Körper besitzen also in ihrem natürlichen Zustande die grösste Ausdehnbarkeit, und leisten den äussern Kräften immer mehr Widerstand, je grösser diese werden.

128 „Mémoire sur la compression des liquides“ (Colladon/Sturm 1838). 129 Regnault hatte über viele Jahre hinweg in den „Annales de chimie et de physique“ zahlreiche Beiträge zum Thema „Ausdehnung der Gase“ veröffentlicht.

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Meinen 2ten Brief bitte ich Sie als ungeschrieben zu betrachten, und zu zerstören, der Zusammenhang zwischen μ u[nd] Į , von dem in demselben die Rede ist, beruht auf einem Irrthum, in den ich durch einen Rechnungsfehler verfallen bin. Mit inniger Achtung und Anhänglichkeit, wie immer Ihr herzlich ergebener A. T. Kupffer St. Petersburg 25 April 1847 7 Mai

Brief 27. A. T. Kupffer an Gauß, 15./27. Februar 1849 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: A. T. Kupffer 19 (3 S.)

Ich übersende Ihnen hiebei einen Auszug aus dem ersten Theil meiner Untersuchungen über die Elasticität der Metalle;130 der 2te, der die Versuche mit dem elastischen Pendel enthält, soll im Herbst nachfolgen. Meine Versuche über den Einfluss der Temperatur auf die Elasticität, bei welcher ich die von Ihnen vorgeschlagene Methode benutzt habe, sind noch nicht so weit vorgerükt, dass es der Mühe werth wäre, Ihnen etwas davon mitzutheilen. Ich habe diese Versuche, aus Mangel eines näher gelegenen Locals, im Dépôt für die Normalmaasse und Gewichte machen müssen, welches sehr weit von meiner Wohnung entfernt ist; überdiess hat es in diesem und dem vorigen Winter nur wenig recht kalte Tage gegeben: ich konnte also nur sehr wenige Versuche machen. Für den künftigen Winter beziehe ich eine Wohnung im neugegründeten physicalischen Observatorium, das eben fertig geworden ist, und werde da alle nöthigen Hülfsmittel in der Nähe haben: überdiess denke ich mir eine Vorrichtung herzustellen, bei welcher ich die Temperatur der das Pendel umgebenden Luft auf eine bedeutende Höhe treiben kann, und nicht erst kalte Tage abzuwarten brauche, um grosse Temperaturunterschiede zu erhalten.131 Die 2te Brochure, die ich beilege,132 wird Ihnen den Beweis geben von dem erfreulichen Fortgang, in Russland, einer von Ihnen so vielfach angeregten Idee. Die Zahl der neugebauten Observatorien in Russland nimmt immer mehr zu, sie werden nun vollständiger organisirt; der neueste Beweis davon ist die Gründung von magnet[ischem] Observatorium in Peking, wo bis jezt nur meteorolog[ische] Beobachtungen gemacht wurden. In Petersburg selbst ist eben der Bau einer Centralanstalt, nicht nur für Magnetismus und Meteorologie, sondern überhaupt für alle phys[icalischen] Wissenschaften, fertig geworden und im Laufe des Sommers sollen schon die Arbeiten in 130 „Recherches expérimentales sur l’elasticité des métaux“ (Kupffer, A. T. 1849). Das Werk ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 891). 131 Kupffer konstruierte in der Tat einen speziellen Ofen, um hohe Temperaturen zu erreichen. In diesem Ofen brachte er seine Versuchsanordnung unter (vgl. Reich 2009b, S. 47). 132 Diese Broschüre befindet sich nicht in der Gauß-Bibliothek.

7. Adolph Theodor Kupffer (1799–1865)

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demselben beginnen; ich werde zu seiner Zeit nicht ermangeln, Ihnen nähere Nachricht darüber zu geben. Indem ich Sie bitte, die innigsten Versicherungen meiner ausgezeichneten Hochachtung entgegen zu nehmen, bin ich Ihr herzlich ergebener A. Kupffer 15 27 Februar 1849.

Abb. 37. Joseph Johann Littrow Aus: Zagoskin 1903: 3, zwischen S. 68/69.

8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840) ɂɨɫɢɮ ɋɚɦɭɢɥ Ʌɢɬɬɪɨɜ / Iosif Samuil Littrov

8.1. Joseph Johann Littrows Lebenslauf im Überblick * 13. März 1781 1798–1803 1803–1807 1807

21.7.1808 1810–1816 23.12.1813/4.1.1814 1814 1816–1819 1819–1840 1828 September 1830

September 1832 1834–1837 2.1.1836 † 30.11.1840

Joseph Johann Littrow in Bischofteinitz in Böhmen geboren Studium an der Universität Prag Erzieher teils in Schlesien, teils in Wien Ordentlicher Professor der Astronomie und der Höheren Mathematik in Krakau, Nachfolger von Jan Baptist Sniadecki Heirat mit Caroline von Ulrichsthal, fünf Söhne Professor der Astronomie an der Universität Kasan Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Astronomie und Geodäsie Zusammen mit Martin Bartels Unterstützung der Wahl von Gauß zum Ehrenmitglied der Universität Kasan Mitdirektor der Sternwarte in Ofen (Buda) Direktor der Sternwarte in Wien, Nachfolger von Franz von Triesnecker Verleihung des russischen St. Annen-Ordens 2. Klasse Teilnahme an der Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Hamburg, wo er die Kollegen zur Teilnahme an der nächsten Versammlung nach Wien einlädt Organisation der Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Wien Professor der Höheren Mathematik an der Universität Wien Erhebung in den österreichischen Adelsstand gestorben in Wien. Sein Nachfolger wird 1842 sein Sohn Carl Ludwig von Littrow

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8.2. Miszellen zu Leben und Werk Joseph Johann Littrows Geburtstag ist für Astronomen ein herausragendes Datum. An diesem Tag nämlich, dem 13. März 1781, entdeckte Friedrich Wilhelm Herschel den Planeten Uranus. In seiner Gelehrtenlaufbahn führte Littrow der Weg von Prag, wo er studierte, nach Krakau, wo er seine erste Professur innehatte, dann nach Kasan und Ofen und schließlich nach Wien. Schon früh trat der Astronom Littrow auch als Schriftsteller hervor. Er verfasste Gedichte, Erzählungen sowie populärwissenschaftliche Abhandlungen, die in einschlägigen Zeitschriften veröffentlicht wurden.

8.2.1. Drei Jahre in Krakau: 1807–1809 Die Sternwarte in Krakau stand seit 1781 unter der Leitung von Jan Baptist Sniadecki. Als dieser 1807 an die russische Sternwarte in Wilna wechselte,1 wurde Littrow sein Nachfolger in Krakau. Den Ausschlag für diese Ernennung hatte eine schriftliche Arbeit gegeben, die Littrow vor seinen Mitbewerbern auszeichnete. In Krakau bekleidete Littrow die Professur für Astronomie und Höhere Mathematik. Es stand ihm hier zwar eine Sternwarte zur Verfügung, allein deren Ausrüstung ließ sehr zu wünschen übrig: „Die Sternwarte in Krakau fand Littrow in einem von wissenschaftlichen Hülfsmitteln ganz entblößten Zustande. Demungeachtet begann Littrow sofort seine astronomische Thätigkeit“ (Littrow 1846: 3, S. 568–569). Seine ersten astronomischen Arbeiten veröffentlichte Littrow vor allem in Zachs „Monatlicher Correspondenz“2 (Littrow 1809a und b) und im Berliner „Astronomischen Jahrbuch“, das damals von Johann Elert Bode herausgegeben wurde (Littrow 1809c und d). Als polnische Truppen in Krakau einrückten, ließ Littrow den Herausgeber des „Astronomischen Jahrbuchs“ am 24. November 1809 wissen: „Ich nehme mir die Freyheit, Ew. – nur etwas weniges von meinen diesjährigen Beobachtungen zur gütigen Einrückung in Ihr vortreffliches Jahrbuch zu übersenden. Die Polen machten gleich bey ihrem Einmarsch ein Magazin aus der Sternwarte; meine Demonstrationen waren vergebens. Es ließ sich also nicht viel thun“ (Littrow 1810a, S. 189–190). Littrow folgte nun einem Ruf nach Kasan; er war der erste Professor für Astronomie an der dortigen Universität. Die Berufung hatte er vor allem dem damaligen Kurator des Bildungsbezirks Kasan, Stepan Jakovlevič Rumovskij, der selbst Astronom war, zu verdanken.

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Sniadecki war von 1807 bis 1824 der erste Direktor der Sternwarte und gleichzeitig auch Rektor der 1803 gegründeten Universität in Wilna. Am 22.5./3.6.1811 wurde er zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Vollständiger Titel: „Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmels-Kunde“.

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8.2.2. Sechs Jahre in Kasan: 1810–1815 8.2.2.1. Littrows Aktivitäten in Kasan Am 19. Januar 1810 reiste Littrow von Krakau über Lemberg nach Kasan, wo er am 25. März 1810 eintraf. Jedoch fand er an der frisch gegründeten Universität Kasan „weder Sternwarte noch Instrumente vor, sein erstes Streben ging also dahin, ein passendes Lokal, so wie die nöthigsten Instrumente und Bücher herbeizuschaffen“ (Littrow 1846: 3, S. 573). Kasan war damals ein ruhiges Pflaster, während Napoleon in ganz Westeuropa Kriegsunruhen verbreitete. In einem Brief vom 17. Juli 1810 ließ Littrow Johann Elert Bode wissen: „Kasan ist einer der angenehmsten Orte. Wir erfreuen uns hier eines beständig reinen Himmels und einer beynahe unerschöpflichen Fruchtbarkeit des Bodens. Sie ist, als große Stadt, erst im Werden, aber sie geht ihrem Ziele mit großen Schritten entgegen. Daher ist auch der Character der Einwohner noch so einfach, wie man ihn nur auf dem Lande zu finden gewohnt ist. Die Gegenden um Kasan sind so schön, daß ich sie nicht mit Unrecht den gewiß seltenen Umgebungen der österreichischen Kaiserstadt kühn an die Seite stellen darf. Die Universität wird als eine sich selbst constituirende Versammlung erst diesen Sommer eröffnet werden, wo wir mit wahrer Sehnsucht unsern Kurator, Hrn. v o n R u m o w s k i Excell. erwarten. Die inneren Geschäfte an derselben aber sind schon so lange im Gange, als es Professoren hier giebt. Diese bestehen aus lauter Deutschen,3 die in einer solchen Harmonie unter einander leben, wie ich sie noch an keiner Universität getroffen habe. Die Sternwarte soll noch gebaut werden, der Plan dazu ist bereits entworfen und genehmigt. Für vorzügliche astronomische Instrumente wird Hr Staatsrath v. Rumowsky gewiß die beste Sorge tragen, da er selbst der älteste Priester der Astronomie in Rußland ist und seines Greisenalters ungeachtet sich noch all seiner jugendlichen Thätigkeit und der feurigen Liebe für die erhabene Wissenschaft erfreut, die ihn von jeher auszeichnete.4 Da ich noch keine Uhr besitze, so sind meine öffentlichen Geschäfte blos auf Vorlesungen eingeschränkt. Indeß werde ich diesen Sommer mit einem Sextanten, einen astronomisch-trigonometrischen Plan dieser Stadt zu liefern suchen, wie ihn L a l a n d e mit einem Graphometer von Paris, und v. Z a c h , däucht mich, von Marseille geliefert hat. Sobald die zu erwartenden Instrumente angekommen sind, werde ich ihren Gebrauch zu einem vorzüglichen Theil meiner Beschäftigungen machen und Ew. – von Zeit zu Zeit die vorzüglichsten meiner Beobachtungen an Asiens Gränzen vorlegen“. Diesen Auszug aus dem Schreiben von Littrow veröffentlichte Bode in seinem „Astronomischen Jahrbuch“ (Littrow 1811, S. 140–141).

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Martin Bartels, Franz Xaver Bronner, Ernst Friedrich Renner und andere. Der Kurator des Bildungsbezirks Kasan, Stepan Jakovlevič Rumovskij, war damals 76 Jahre alt.

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Littrows erste astronomische Beobachtung in Kasan galt dem Großen Kometen von 1811,5 die er zusammen mit seinen Studenten durchführte. Seinen Unterricht hielt Littrow in Kasan zunächst in lateinischer, später in deutscher Sprache. Über sein Amt an der Universität hinaus wurde er zum Mitglied der Schulkommission des Bildungsbezirks Kasan ernannt, der damals aus neun Gouvernements bestand und von Nishnij Nowgorod bis an den Stillen Ozean reichte, das heißt Sibirien bis einschließlich Kamtschatka umfasste. In dieser Funktion widmete sich Littrow vor allem der Volksbildung, und zwar mit großem Erfolg (Littrow 1846: 3, S. 574, 576). Im Jahre 1814 unterstützte er die Wahl von Gauß zum Ehrenmitglied der Universität Kasan.6 Während seiner Zeit in Kasan veröffentlichte Littrow seine astronomischen Arbeiten weiterhin im Berliner „Astronomischen Jahrbuch“ (z.B. Littrow 1812, 1815a, 1816b, 1817), aber auch immer häufiger in der von Johann Bohnenberger und Bernhard August von Lindenau herausgegebenen „Zeitschrift für Astronomie und verwandte Wissenschaften“, die zwischen 1816 und 1818 in Tübingen in sechs Bänden erschien. Dort publizierte Littrow insgesamt 28 Arbeiten, von denen jedoch nur die ersten drei aus seiner Kasaner Zeit stammten, die übrigen aus seiner Zeit in Ofen. Littrows erster Beitrag betraf die „Bestimmung der Polhöhe von Casan“ (Littrow 1816a). Ein weiterer Beitrag war seinem Aufenthalt in Kasan unter besonderer Berücksichtigung der dortigen Feuersbrünste gewidmet. Am Ende erwähnt Littrow dann seine Berufung nach Ofen durch Johann Pasquich (Littrow 1816c). 8.2.2.2. Littrow und die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Littrow unterhielt Beziehungen auch zu der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Bei dieser reichte er am 23. Dezember 1812 seine erste Arbeit „Sur une nouvelle méthode de déterminer les hauteurs observées près du méridien“ ein. Sie wurde in den „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“ veröffentlicht (Littrow 1815b). Diese Schriftenreihe publizierte nur größere Arbeiten von höchster Qualität. Publikationssprachen der „Mémoires“ waren in dieser Zeit in der Regel Latein und Französisch. Ein Jahr später, am 23. Dezember 1813/4. Januar 1814, wurde Littrow zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Astronomie und Geodäsie gewählt. Allein in den Jahren zwischen 1813 und 1815 veröffentlichte er in den Schriften der Akademie noch weitere Arbeiten, die nicht nur astronomischen, sondern teilweise auch rein mathematischen Inhalts waren. Mit dem Ständigen Sekretär der Akademie, Nikolaus

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Komet 1811 I (Great comet, Flaugergues) war vom 25.3.1811 bis zum 17.8.1812 sichtbar. Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. Sovet, ʋ 117, l. 86–87. Vgl. S. 171.

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Fuß, stand Littrow in regem Briefverkehr. Als er Kasan verlassen hatte, setzte er diesen Briefwechsel fort.7 8.2.2.3. Die Sternwarte in Kasan Schließlich erhielt Littrow die Erlaubnis, im Botanischen Garten der Universität Kasan eine Sternwarte zu erbauen. In einem Brief vom 22. Oktober 1814 an den Direktor der Berliner Sternwarte, Johann Elert Bode, beschrieb er diese wie folgt: „Endlich, nach beinahe fünfjährigem Harren, wird auch an unserer Universität eine Sternwarte erbaut. Noch vor dem Eintritt des Winters wird der neue, der ö s t l i c h s t e T e m p e l U r a n i e n s i n E u r o p a , vollendet seyn. [...] Die Sternwarte ist ein 9 Quadratarschinen großes und 10 Arschinenhohes Viereck8 auf einem alten, sehr festen Gebäude mit einem Balkon gen Süden, auf welchem in der westlichen Ecke ein kleineres Häuschen mit einem beweglichen Dache steht. Für die Festigkeit des Stands der Instrumente ist dadurch gesorgt, daß für jedes ein solider Pfeiler bestimmt ist, der von dem untersten Grund aufgemauert den Fußboden des Beobachtungszimmers durchbricht. Die obere Decke desselben ist in der Richtung des Meridians durchschnitten, und die hohen Fenster sowohl, als die herrliche Lage auf einem Berge in der Mitte des botanischen Gartens, der die ganze Stadt dominirt, gewähren nach allen Seiten des Himmels eine ungehinderte Aussicht. Von Instrumenten besitzen wir noch wenig. Außer einem Dollondischen Fernrohre von 6 Fuß, mit einem Heliometer versehen, einem vortrefflichen Werkzeuge, ist noch nichts von Bedeutung da. Doch erwarten wir einen Baumannischen Vollkreis von 10 Z[oll]R[adius], der bereits an der Grenze angekommen ist, und für eine vortreffliche englische Pendeluhr, Hadleysche Sextanten und Passageninstrument ist die nöthige Summe bereits bewilligt. An Herrn Simonow, Adjuncten der Sternwarte, besitze ich einen thätigen, talentvollen Gehülfen, einen jungen Mann, der, wenn ihm die Umstände günstig sind, viel für Astronomie leisten wird, und der mit, selbst für ein reiferes Alter, sehr ungewöhnlichen Kenntnissen einen Charakter verbindet, der ihm allgemeine Achtung erwirbt“ (Littrow 1815a, S. 163–164). Tatsächlich war die Sternwarte in Kasan damals die östlichste Universitätssternwarte Europas.

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Erhaltengeblieben sind 21 Briefe von Littrow an Nikolaus Fuß aus Kasan sowie 10 Briefe aus Ofen und aus Wien. Eine Edition dieser Briefe ist in Vorbereitung. Das altrussische Längenmaß Arschin (ɚɪɲɢɧ) entspricht 28 Zoll = 71,12 cm.

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Abb. 38. Die von Littrow im Jahre 1814 auf dem Gelände der Universität Kasan errichtete Sternwarte Photographie aus: Zagoskin 1903: 3, zwischen S. 84/85.

Die Sternwarte von Littrow war ursprünglich lediglich die linke Hälfte des abgebildeten Gebäudes, die andere Hälfte wurde erst in den 1830er Jahren angebaut. Im Hintergrund ist das 1838 von Simonov errichtete neue Gebäude der Sternwarte zu sehen (vgl. Abb. 78).

Abb. 39. Die astronomischen Instrumente der Universitätssternwarte Kasan aus der Zeit von Littrow Photographie aus: Zagoskin 1903: 3, zwischen S. 88/89. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Quadrant von Langlois; Sextant von Troughton; Sextant von Ramsden; Kleiner Quadrant von Bird; Achromatisches Fernrohr; Achromatisches Fernrohr von Ramsden 0,81 m; Achromatisches Fernrohr von Dollond 1,14 m mit Heliometer und drei Okularen

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8.2.2.4. Littrows Weggang von Kasan Der anfänglich herrschende Friede unter den Kollegen an der Universität Kasan währte leider nicht allzu lange. Gleich nach dem Tod von Rumovskij im Jahre 1812 kam es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen den Professoren, oft auch zwischen den russischen und den ausländischen Lehrkräften, wobei die Streitigkeiten im Laufe der Zeit an Heftigkeit zunahmen. Außerdem litt Littrow mehr und mehr unter dem Klima und auch unter der Tatsache, dass in Kasan nicht selten Feuersbrünste wüteten. Besonders schlimm war es im Jahre 1815. Der Brand, der am 3./15. September 1815 ausbrach, dauerte zwar nicht länger als 10 Stunden, er verwandelte aber mehr als die Hälfte der Stadt in Schutt und Asche. Auch Littrows eigenes Haus war bedroht und ist möglicherweise den Flammen zum Opfer gefallen. Im Jahre 1838 veröffentlichte Littrow darüber einen längeren Augenzeugenbericht (Littrow 1846: 1, S. 90– 96). Am 2. Februar 1816 ließ er Johann Elert Bode in Berlin wissen: „Von unserm Brande werden Sie schon gehört haben. Er hat zwei Drittel unserer Stadt, 2600 Häuser, in etwa 9 Stunden in Asche verwandelt. Es war ein Tag des Jammers und Entsetzens (der 15. Sept[ember] 1815) an welchen ich stets denken werde. Ich gehöre diesmal zu der kleinen Zahl der Geretteten. – – Bald nachher schrieb mir Hr. Prof[essor] Pasquich aus Ofen, daß er wegen Alter und Krankheit nicht mehr beobachten könne, und daher den Entschluß gefaßt, den Palatin9 um einen Nachfolger zu bitten. Dieser Fürst habe ihn [sic] seine beträchtliche Besoldung auf Lebenslang gelassen und sich seinen Nachfolger selbst zu wählen erlaubt. Seine Wahl sey auf mich gefallen, ich habe keinen Augenblick angestanden, diese Stelle anzunehmen und werde bald von hier abreisen. Die Sternwarte in Ofen ist ein solides zweckmäßiges Gebäude und besitzt einen reichen Vorrath von trefflichen astron[omischen] Instrumenten alle von Reichenbach verfertigt“ (Littrow 1816b). Littrow war einer der ersten Gründungsprofessoren der Universität, die Kasan verließen. Sein Entlassungsdekret trägt das Datum des 30. Mai 1816 (Littrow 1846: 3, S. 578). Im Jahre 1816 kehrte auch Franz Xaver Bronner nach Aarau zurück. Kaspar Friedrich Renner verstarb 1816 in Kasan, und schließlich vertauschte Martin Bartels im Jahre 1821 Kasan mit Dorpat. In Kasan hatte Littrow zwei herausragende Studenten, nämlich Nikolaj Lobačevskij und Ivan Simonov. Deren überdurchschnittliche Leistungen sind in einem Gutachten von Martin Bartels festgehalten (siehe S. 169–171). Simonov wurde schließlich Littrows Nachfolger in Kasan. Dass die wissenschaftlichen Kontakte zu seinem Schüler auch noch gepflegt wurden, nachdem Littrow Russland verlassen hatte, bestätigt Simonovs Veröffentlichung in deutscher Sprache „Beschreibung einer neuen Entdeckungsreise in das südliche 9

Als Palatin (lat. palatinus) wurde der vom König vorgeschlagene und vom Reichstag gewählte königliche Stellvertreter bezeichnet. Dies war das höchste Amt im Königreich Ungarn, das von 1796 bis 1847 Erzherzog Joseph Anton Johann von Österreich bekleidete.

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Eismeer“ (Simonov 1824), zu der Littrow die Vorrede verfasst hatte. Littrow blieb bis zu seinem Lebensende mit Simonov in brieflichem Kontakt; der umfangreiche Briefwechsel ist noch heute in Kasan vorhanden.10 Die beiden Gelehrten tauschten sowohl wissenschaftliche Ergebnisse als auch persönliche Erlebnisse aus.

8.2.3. Littrows vier Jahre in Ofen: 1816–1819 Die Sternwarte auf dem Gellertberg (St. Gerardsberg, Gerhardsberg) war eine Schöpfung von Johann Pasquich. Dieser war 1784 nach Ofen (Buda) gekommen, um dort an der Universität Mathematik zu unterrichten. 1786 wurde er Adjunkt an der Universitätssternwarte und 1789 Professor für Höhere Mathematik. 1797 verließ Pasquich Ungarn, um vor allem bei Franz Xaver von Zach an der Sternwarte auf dem Seeberg bei Gotha praktische astronomische Erfahrungen zu sammeln. Erst 1802 kehrte er wieder nach Ofen zurück. Dort wirkte er ab 1806 wieder als Leiter der Universitätssternwarte. Schon ab 1805 arbeitete Pasquich Pläne für eine neue Sternwarte auf dem Gellertberg aus, wobei er politische Unterstützung fand. Bereits 1806 reiste er nach München, wo er sich mit Reichenbach, Fraunhofer und Utzschneider traf, um für seine neue Sternwarte astronomische Instrumente zu bestellen. So konnte die Sternwarte, die mit vorzüglichen Instrumenten ausgestattet war, 1813 ihre Arbeit aufnehmen. Reichenbach und auch Kaiser Franz I. von Österreich besuchten 1814 die neue Einrichtung,11 die dann am 15. Oktober 1815 offiziell eingeweiht wurde. Gauß und Pasquich standen bereits seit 1811 in freundschaftlichem Briefwechsel. Über die Verhältnisse in Ofen und über die Ausstattung der neuen Sternwarte war Gauß gut informiert, denn Pasquich hatte ihm seine „Nachricht von der neuen königlich=ungarischen Universitäts=Sternwarte zu Ofen“ geschickt (Pasquich 1813; GB 1276). Im Jahre 1814 war klar, dass in der neuen Sternwarte eine Mitarbeiterstelle eingerichtet werden sollte. Pasquich fragte Gauß um Rat, und dieser schlug Johann Franz Encke und Christian Ludwig Gerling vor. Über beide äußerte sich Pasquich sehr positiv (Vargha/Patkós 1996, S. 63–71). Als Encke in die engere Wahl kam, machte die Politik einen Strich durch die Rechnung. Schließlich wurde Joseph Johann Littrow ins Spiel gebracht und auch berufen, denn er war katholisch und Österreicher. Littrows Reise zurück in die Heimat führte nunmehr von Kasan über das nach dem Krieg noch in Trümmern liegende Moskau nach Ofen, wo er am 28. Juli 1816 ankam (Littrow 1846: 3, S. 579). Er blieb aber nur drei Jahre in Ofen, da ihm sehr schnell klar wurde, dass er einen schlechten Tausch gemacht hatte. Die Lage der Sternwarte auf einem hohen Berg erwies sich als ungün10 Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 4507. 11 Brief von Gauß an Paul Heinrich Fuß vom 29.7.1844 (Brief Nr. 9).

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stig. Das dort befindliche Wohnhaus war noch nicht in Stand gesetzt worden, so dass Littrow zunächst in der weit entfernten Stadt unterkommen musste. Das Verhältnis zu Pasquich entwickelte sich zu einer wahren Katastrophe. Littrow war es kaum möglich, Beobachtungen durchzuführen, und auch das Abhalten von Vorlesungen war ihm nicht erlaubt. In der Hoffnung, seine Lage alsbald verändern zu können, schrieb Littrow Briefe an Gauß, Franz von Triesnecker, Francesco Carlini, Friedrich Wilhelm Bessel und auch nach St. Petersburg an Friedrich Theodor Schubert und Nikolaus Fuß, vor allem aber an Bernhard August von Lindenau und Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger (ebenda, S. 581–583). Als am 29. Januar 1817 in Wien der dortige Astronom Franz von Triesnecker verstorben war, bewarb sich Littrow um diese Stelle und hatte mit seiner Bewerbung auch Erfolg. In Ofen nahm Pasquich bis 1824 das Amt des Direktors der Sternwarte auf dem Gellertberg wahr. Sein Nachfolger dort wurde schließlich Peter Paul Tittel, der 1807 zum Priester geweiht worden war und von 1815 bis 1817 bei Gauß in Göttingen studiert hatte. Tittel hatte Gauß im Jahre 1816 auf dessen Reise nach München und Benediktbeuern begleitet, die dem Zweck diente, dort für die Göttinger Sternwarte Instrumente einzukaufen. Gauß hatte bei dieser Reise auch seinen damals zehnjährigen Sohn Joseph dabei gehabt. Tittel hatte als beobachtender Astronom nur bescheidenen Erfolg, dennoch wurde er 1830 zu einem der ersten Mitglieder der 1825 in Pressburg gegründeten Akademie der Wissenschaften gewählt, die seit 1845 Ungarische Akademie der Wissenschaften hieß (Küssner 1981).

8.2.4. Littrows 22 Jahre in Wien: 1819–1840 Unter der Ägide von Maria Theresia wurde in der Mitte der Wiener Innenstadt, auf dem Dach des damaligen Universitätsgebäudes, eine Sternwarte erbaut, die 1755/56 in Betrieb ging. Obwohl sich diese Sternwarte in einem schmalen Holzbau befand, nahm sie in der Donaumonarchie eine herausragende Stellung ein und erfüllte die Aufgaben einer Hauptsternwarte. Ihr erster Direktor war Maximilian Hell. Dieser gehörte dem Jesuitenorden an, der aber 1773 aufgelöst und erst 1814 wieder zugelassen wurde. Hell war in einen Streit besonderer Art verwickelt. Er hatte in Norwegen auf einer Eismeerinsel auf einer nach seinen Plänen eingerichteten Station am 3. Juni 1769 den Venusdurchgang beobachtet und aus diesen Beobachtungen seine Ergebnisse abgeleitet. Hierbei ging es hauptsächlich um den Abstand zwischen Sonne und Erde. Diese Resultate wurden jedoch bald angezweifelt, ja man zweifelte sogar, ob Hell seiner Rechnung überhaupt wirklich eigene Beobachtungsdaten zugrundegelegt hatte.12 Hells Zeitgenossen waren von einer Fälschung überzeugt, aber auch nach dem Tod des Gelehrten im Jahre 12 Ferrari d’Occhieppo behauptet, es sei Lalande gewesen, der die Verleumdung verbreitet habe, vermutlich aus Neid (NDB: 8, S. 474).

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1792 ging die nachfolgende Astronomengeneration noch immer davon aus, dass die Daten gefälscht gewesen seien. Erst 1883 konnte Simon Newcomb anhand der nachgelassenen Papiere von Hell eindeutig belegen, dass die Beobachtungsdaten nicht gefälscht worden waren und Hell vollkommen einwandfrei gearbeitet hatte (Ferrari d’Occhieppo 1972, S. 234; NDB: 8, S. 473– 474). Maximilian Hells Nachfolger, Franz von Triesnecker, hatte ursprünglich, ebenso wie Hell selbst, dem Jesuitenorden angehört. Triesnecker leitete die Wiener Sternwarte bis 1817. Schließlich, nach zwei Jahre dauernden Verhandlungen, wurde 1819 Littrow als Nachfolger von Triesnecker berufen. Da das Sternwartengebäude zu diesem Zeitpunkt bereits sehr zu wünschen übrig ließ, bemühte sich Littrow zunächst um einen Neubau, den er aber nicht durchsetzen konnte. Er musste sich schließlich mit einem großzügigen Umbau zufriedengeben, der im Jahre 1826 durchgeführt wurde. 1825 kam ein FraunhoferRefraktor mit 15 cm Öffnung als Hauptinstrument hinzu, daneben standen Littrow ein Mittagsfernrohr und ein Kometensucher von Fraunhofer, ein Teleskop von Reichenbach und noch diverse kleinere Instrumente sowie gute Uhren zur Verfügung (Hamel/Müller/Posch 2010). Nach Littrows Tod am 30. November 1840 übernahm im Jahre 1842 sein Sohn Carl Ludwig, der 1811 in Kasan geboren worden war, die Position des Direktors der Sternwarte. Ihm gelang es endlich, einen Neubau der Sternwarte an der Türkenschanze durchzusetzen, dessen Fertigstellung im Jahre 1883 er jedoch nicht mehr erleben sollte. Die Wiener Jahre waren für Littrow, was seine Publikationen anbelangt, äußerst fruchtbar. So gab er in diesem Zeitraum 22 Bände der „Annalen der k.-k. Sternwarte zu Wien“ heraus, zunächst allein, später zusammen mit seinem Sohn Carl Ludwig, der die Reihe nach dem Tod des Vaters fortsetzte. Littrows Vorlesungen an der Universität waren die Grundlage für mehrere seiner Lehrbücher in Mathematik und Astronomie. Großen Erfolg erzielte Littrow mit seinem dreibändigen Lehrbuch „Theoretische und praktische Astronomie“ (Littrow 1821–1827) sowie vor allem mit seinem populären, ebenfalls dreibändigen Werk „Wunder des Himmels“ (Littrow 1834–1836), das im Jahre 1969 sogar noch eine 11. Auflage erlebte. Littrow gehört mithin zu den bedeutendsten und meistgelesenen Astronomen im deutschen Sprachraum (Exler 2007, S. 16).

8.2.5. Littrow und Russland Später behauptete Littrow, dass ihm der Abschied von Kasan schwer gefallen sei (Littrow 1846: 3, S. 578). Er hatte Kasan beziehungsweise Russland doch sehr zu schätzen gelernt. Dies bezeugen insbesondere seine aus der Wiener Zeit stammenden zahlreichen Darstellungen, die Russland, insbesondere Kasan und St. Petersburg, betreffen. In seinen 1830 und 1831 im „Stuttgarter Morgenblatt“ veröffentlichten „Bildern aus Rußland“ schildert er, wie das russische

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Alltagsleben beschaffen war. So etwa berichtet er über den Frost und die Vorkehrungen dagegen, über den Sommer, den Branntwein und den Tee, die Leibeigenschaft, die Gastfreundschaft, die Toleranz, Reisen, Feste und vor allem über die Herzensgüte der Russen, die er für einen allgemeinen Charakterzug der russischen Nation hielt (Littrow 1846: 1, S. 3–89). Ferner war es Littrow ein Anliegen, das Bildungswesen in Russland deutschsprachigen Lesern bekannt zu machen, über das zu seiner Zeit nur unklare Vorstellungen herrschten. Als Vorlage hierfür diente ihm ein Werk des Sohnes von Admiral Adam Johann Krusenstern, Alexander von Krusensterns, „Précis du système, des progrès et de l’état de l’instruction publique en Russie: Rédigé d’après des documens officiels“, das 1837 in Warschau erschienen war.13 So veröffentlichte Littrow 1838 in den „Jahrbüchern der Literatur“ eine detailreiche Darstellung des russischen Bildungssystems nach Krusenstern (Littrow 1846: 2, S. 426–458) sowie einen Bericht über die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg (ebenda, S. 391–425). In beiden Fällen wird ein historischer Abriss über die unter Peter I. durchgeführten Reformen vorgestellt, um die seitdem erzielten Fortschritte deutlich zu machen. Die Darstellung des russischen Bildungssystems wird mit Angaben über die Anzahl der unterschiedlichen Bildungsanstalten und deren Schüler belegt. So wird zum Beispiel der Bildungsbezirk Kasan wie folgt beschrieben: „Der kasanische Bezirk, der neun Gouvernements umfaßt, und bis nach Kamtschatka geht, enthält 1 Universität, 10 Gymnasien, 3 adelige Pensionate, 159 Districts- und noch mehr Pfarrschulen. Man fand daselbst an der Universität zu Kasan: i[m] J[ahr] 1808 15 Prof. u[nd] 40 Schüler. i[m] J[ahr] 1830 56 Prof. u[nd] 113 Schüler. i[m] J[ahr] 1835 89 Prof. u[nd] 252 Schüler.

in dem Bezirk von Kasan: 59 Schulen u[nd] 3254 Schüler. 107 Schulen u[nd] 6663 Schüler. 198 Schulen u[nd] 8459 Schüler“ (ebenda, S. 441).

In demselben Jahr 1838 machte Littrow den Lesern der „Jahrbücher der Literatur“ den „Bericht an Se. Majestät den Kaiser von Rußland über das Ministerium des öffentlichen Unterrichts für das Jahr 1836“ bekannt (Littrow 1846: 2, S. 459–466). Auch hier fehlt es nicht an genauen Angaben über das Personal und die Ausstattung der Universität Kasan (ebenda, S. 461–462). Auch werden auf das Genaueste die Anzahl der Veröffentlichungen und die Importe von Literatur dokumentiert. „Das Ganze dieser Darlegung ist“, wie Littrow auf Grund der Darstellung des russischen Ministeriums berichtete, „ein neuer Beweis der bedeutenden Fortschritte Rußlands auf der Bahn der Volksbildung. In dem ganzen großen Lande sind neue Organisationsstatuten ins Leben getreten, ist Ordnung in der Verwaltung und Methode im Unterrichte festgesetzt, und zugleich für die ehrenhafte Erhaltung und Unterstützung der zur Bildung der 13 Das Werk erlebte vier Jahre später auch eine deutsche Übersetzung: „Abriss des Systems der Fortschritte und des Zustandes des öffentlichen Unterrichts in Russland“ (Krusenstern 1841).

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Nation berufenen Männer gesorgt worden. Ueberall nimmt die Anzahl der Schulen, die der Schüler und Lehrer zu, und das Ganze zeugt von einem erfreulichen Fortschreiten, das für eine nahe und selbst für die ferne Zunkunft nur heitere Hoffnungen erregt“ (ebenda, S. 465–466). Littrow half gerne den russischen Astronomen, die zu ihm nach Wien kamen. So stand er mit Rat und Tat seinem Nachfolger in Kasan, Simonov, zur Seite, der 1824 in Wien astronomische Instrumente für die Kasaner Sternwarte bestellen sollte (siehe S. 349, 644). Im Jahre 1828 erhielt Littrow von der russischen Regierung zum Zeichen der Anerkennung sowohl seiner ausgezeichneten Leistungen während des Aufenthaltes in Kasan als auch seiner Verdienste um die Universität Kasan in späterer Zeit und für seine Hilfe bei der Bestellung der Instrumente für die Sternwarte in Kasan den St. Annen-Orden zweiter Klasse (Littrow 1846: 3, S. 595). Im Jahre 1837 hielt sich der Moskauer Astronom Aleksandr Nikolaevič Drašusov während einer Weiterbildungsreise einige Monate lang in Wien auf. Sein ausführlicher Bericht über die Wiener Sternwarte und insbesondere über Littrow wurde im „Journal des Ministeriums für Volksaufklärung“ veröffentlicht.14 Seinen Bericht beendet Drašusov mit dem wärmsten Dank an Littrow für dessen gefällige Unterstützung.

8.3. Littrows Briefe an Gauß Es sind neun Briefe von Littrow an Gauß bekannt, zwei Briefe aus Kasan, drei aus Ofen und vier aus Wien. Gegenbriefe von Gauß an Littrow werden in dem vorhandenen Briefwechsel zwar erwähnt, sie müssen aber als verschollen gelten. Obwohl die meisten Briefe nicht in Russland geschrieben worden sind, wird im Folgenden der gesamte erhaltene Briefwechsel vorgestellt. Manche Briefe sind ungewöhnlich lang und enthalten seitenlang Schilderungen der persönlichen Lage Littrows, die sowohl in Kasan als auch in Ofen schlecht war, genauer gesagt von Littrow als schlimm empfunden wurde. Eine Ausnahme macht nur der sehr knappe, letzte Brief, der neun Jahre auf den vorletzten folgte.

8.3.1. Die Beziehungen zwischen Littrow und Gauß Zu ersten Kontakten zwischen Littrow und Gauß kam es bereits 1809, als Littrow noch in Krakau weilte. Littrow hatte offensichtlich Johann Elert Bode in Berlin, dem Herausgeber des „Astronomischen Jahrbuchs“, ein Manuskript „Zur Rechnung für die geocentrischen Örter der Planeten“ (Littrow 1810b) zukommen lassen, das Bode Gauß nach Göttingen sandte. Littrow zitiert in 14 Originaltitel: „ɀɭɪɧɚɥɴ Ɇɢɧɢɫɬɟɪɫɬɜɚ ɧɚɪɨɞɧaɝɨ ɩɪɨɫɜ࣎ɳɟɧiɹ“. Der Bericht von Drašusov in: Žurnal Ministerstva narodnago prosvěščenija 1837, Bd. 15, S. 139–145; Bd. 16, S. 422–427.

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seiner Arbeit nur Gauß’ 1804 erschienene Arbeit „Einige Bemerkungen zur Vereinfachung der Rechnung für die geocentrischen Örter der Planeten“ (Gauß 1804a). Die eben erst, 1809, erschienene „Theoria motus“ (Gauß 1809a) kannte er hingegen noch nicht. Gauß ließ nämlich am 14. April 1810 Bode wissen: „Mit vielem Danke schicke ich Ihnen, Verehrtester Freund, hier den Aufsatz des Hrn. Littrow zurück, durch dessen Aufnahme in Ihr astron. Jahrbuch Sie ohne Zweifel manchem einen Gefallen erzeigen werden. Es ist nur Schade, daß Hr. Littrow damals noch nicht die Vervollkomnung jener Methode gekannt hat, die in meiner Theoria motus corporum etc. erklärt ist“ (Littrow 1810b, S. 104). Später legte Littrow der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg eine Arbeit über das Thema geozentrischer Beobachtungen als Grundlage zur Bestimmung der Bahnelemente von Planeten und Kometen vor, in der er sich detailreich mit Gauß’ „Theoria motus“ auseinandersetzte, ohne diese expressis verbis zu nennen (Littrow 1822). Littrow war schon fast sechs Jahre in Kasan, als er seinen ersten Brief an Gauß schrieb. Der Anlass hiefür war Littrows Beitrag im „Astronomischen Jahrbuch“ über Gauß’ „Theoria motus“ (Brief Nr. 1). In einem sehr ausführlichen zweiten Brief aus dem Jahre 1816 malte Littrow Kasan bereits nur noch in düsteren Farben: fern der Heimat, den Brand aus dem Jahre 1815, das Klima, „das mehr für Wölfe und Eisbären als für Menschen bestimmt“ sei. Am Ende dann die freudige Nachricht: Littrow hatte einen Ruf an die neue Sternwarte in Ofen erhalten. Martin Bartels, der ja zusammen mit Littrow in Kasan war, bemerkte seinerseits nachträglich im Jahre 1821 zur Lage an der Universität und zu Littrow: „Die Fehden zwischen den deutschen und russischen Professoren trugen eben auch nicht sehr zur Verannehmlichung des Aufenthalts bei. Vielleicht hat Ihnen Lit[t]row davon geschrieben, allein er trug bei seinen mündlichen und schriftlichen Schilderungen immer etwas zu grell auf“ (Briefwechsel Gauß–Bartels, Brief Nr. 4). Aber in Ofen kam es für Littrow noch schlimmer (Briefe Nr. 3, 4, 5). Der dortige Sternwartendirektor Johann Pasquich machte seinem neuen Kollegen offensichtlich das Leben schwer und verhinderte, dass dieser astronomische Beobachtungen durchführen und sich an der Lehre beteiligen konnte. Auch war der Zustand der Sternwarte unzweckmäßig, insbesondere waren die meisten Instrumente nicht benutzbar. Gauß war gerührt und ließ am 15. Mai 1817 seinen Freund Gerling wissen: „Von Hrn. Littrow habe ich aus Ofen dieser Tage einen äußerst lamentablen Brief erhalten. Was er mir über seinen Kollegen und über die Verkehrtheit in der Anlage der Sternwarte schreibt, übersteigt (unter uns gesagt) fast allen Glauben. Letztere ist schon ganz unbrauchbar“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 157). Fast zehn Monate danach, am 10. März 1818, schrieb ihm Gauß: „Das Mißverhältnis zwischen Littrow u[nd] Pasquich scheint aufs höchste gestiegen zu sein und jener ernstlich darauf zu denken, Ofen wiederum zu verlassen, vielleicht um wieder nach Rußland zurückzukehren“ (ebenda, S. 167). Ähnlich äußerte sich Gauß am 12. März 1817 auch gegenüber Olbers: „Pasquich muss ein sonderbarer Heiliger sein,

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und Littrow scheint es dort nicht aushalten zu können“ (Briefwechsel Gauß– Olbers 1909: 1, S. 647). Schließlich brachte Gauß Littrow ins Gespräch, als in Dorpat durch den Tod von Johann Sigismund Gottfried Huth im Jahre 1818 die Professur für Reine und Angewandte Mathematik vakant geworden war. Wilhelm Struve fragte Gauß um Rat, und Gauß antwortete ihm am 14. September 1818: „Nachdem ich diese Angelegenheit reiflich überdacht habe, weiss ich Ihnen Niemanden zu empfehlen, der für die vacante Stelle meiner Meinung nach sich besser qualificirte als Hr. Prof. Littrow, jetzt zweiter Astronom in Ofen. Derselbe ist ein ausgezeichneter Mathematiker, und wird um so eher den Bedürfnissen Ihrer Universität entsprechen können, da er früher bereits Lehrer auf einer anderen Universität im Russischen Reiche gewesen. Auch habe ich Ursache zu glauben, dass er diesen Ruf nicht ablehnen würde“ (Briefwechsel Gauß–Struve, Brief Nr. 3). Diese Äußerung zeigt, dass Gauß damals große Stücke auf Littrow hielt. In der Tat hatte aber Littrow bereits in einem Brief dem österreichischen Kaiser Franz I. seine Situation geschildert (Brief Nr. 5). Und als der Direktor der Wiener Sternwarte, Franz von Triesnecker, 1817 verstorben war, konnte Littrow schließlich 1819 Ofen mit Wien vertauschen. Er blieb damit innerhalb der Habsburgermonarchie. In seinem ersten Brief aus Wien ließ Littrow Gauß wissen: „Sonst gienge es hier gut, ich bin sehr gesund und recht, recht sehr zufrieden, seit ich das abscheuliche Ofenloch verlassen habe, wo sie mir noch die Pest einimpfen wollten“15 (Brief Nr. 6). Er versprach Gauß, diesem in der Zukunft keine jammervollen Briefe mehr zukommen zu lassen. Auch in den folgenden zwei Briefen berichtete Littrow positiv über die Wiener Verhältnisse, vor allem über die Bürokratie, die Baupläne für die neue Sternwarte und die neuen Instrumente (Brief Nr. 7). Offensichtlich hatte Gauß Littrow um Unterstützung gebeten, um die Daten der österreichischen Vermessung zu bekommen. Aber Littrow konnte nicht weiterhelfen, da man in Österreich die Daten nicht herausgab, nach Littrows Vermutung deshalb, weil man Kritik hinsichtlich der Qualität fürchte (Brief Nr. 8). Viel wahrscheinlicher aber ist, dass diese Daten militärischer Geheimhaltung unterlagen, wie das in vielen Staaten, auch in Russland, üblich war. Der Briefwechsel bricht unvermittelt im Februar 1824 ab (Brief Nr. 8), und das nicht ohne Grund.

8.3.2. Die Affäre Kmeth Auf die Affäre Hell in Wien folgte nunmehr die Affäre Kmeth in Ofen, wobei es zwischen beiden durchaus Parallelen gab. Daniel Kmeth wirkte seit 1812 als Pasquichs Assistent an der Ofener Sternwarte. Offensichtlich litt er genauso wie Littrow unter den dort herrschenden unerfreulichen Verhältnissen. Als jedoch Pasquich im Jahre 1823 Schumacher seine Daten über die Beobachtung des Kometen von 1821 mitgeteilt hatte (Pasquich 1823), beschuldigte Kmeth 15 Anspielung auf „Budapest“ = „Buda“ (Ofen) und „Pest“.

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seinen Vorgesetzten Pasquich in einer ungarischen Zeitschrift,16 diesen Angaben nicht seine eigenen, fehlerhaften Beobachtungen zu Grunde gelegt zu haben, sondern Positionen, die er aus den Besselschen Elementen berechnet habe. Die französische Übersetzung dieser Schrift von Kmeth wurde in die von Franz Xaver von Zach in Genua herausgegebene „Correspondance astronomique, géographique, hydrographique et statistique“ aufgenommen (Kmeth 1823 und 1824). Nun wendete sich das Blatt, und Gauß ließ seinen Freund Olbers am 1. Februar 1824 wissen: „Aber was sagen Sie [...] zu der unwürdigen Art, wie der arme Pasquich behandelt ist? Beob[achtungen] zu erdichten, ist ein so niedriges Verbrechen, dass man niemand leichtsinnigerweise dessen beschuldigen sollte, ohne die entschiedensten Beweise zu haben“ (Briefwechsel Gauß– Olbers 1910: 2, S. 277). Diese Angelegenheit sorgte für größere Turbulenzen, die vor allem in den „Astronomischen Nachrichten“ ihren Niederschlag fanden. Auf der einen Seite kämpften Kmeth, Littrow und Zach und auf der anderen Encke, Bessel, Olbers, Gerling, Schumacher und Gauß. Am 28. Februar 1824 schrieb Gauß an Olbers: „Ueber das Unwürdige der ganzen Sache selbst kann wohl nur eine Stimme sein. Nach meinem Gefühl fällt auf Kmeth eine geringere Schuld als auf Littrow“ (ebenda, S. 285). Ähnlich äußerte sich Gauß in einem Brief vom 14. März 1824 gegenüber Bessel: „Ueber den wahrhaft schändlichen Angriff auf Pasquich sind Sie eben so sehr empört wie ich, und wie jeder rechtliche Mann es sein muss. [...] Allein, je mehr ich diese nichtswürdige Geschichte erwäge, desto mehr fixirt sich mein Urtheil dahin, dass Littrow den meisten Tadel dabei verdient“ (Briefwechsel Gauß–Bessel 1880, S. 429–430). Gauß war überzeugt, dass Kmeth von Littrow aufgehetzt und vorgeschoben worden sei. Ohne Littrows Unterstützung wäre die Veröffentlichung einer Übersetzung der Beschuldigungen von Kmeth in der „Correspondance astronomique“ nicht möglich gewesen (Biermann 1999). Sehr detailreich wurde die Angelegenheit Kmeth im Frühjahr 1824 in dem Briefwechsel zwischen Gauß und Schumacher behandelt (Briefwechsel Gauß– Schumacher 1969, S. 30–38). Die Affäre zog sich noch geraume Zeit hin. 1825 erschien in Schumachers „Astronomischen Nachrichten“ sowohl Bessels als auch Gauß’ „Ehrenrettung“ Pasquichs vom 3. März 1824.17 In demselben Jahr 1825 starb Kmeth. Pasquich selbst hatte sich seinen Kummer von der Seele geschrieben, indem er unter dem Titel „Briefe an Hesperus“ – es handelt sich dabei um zwölf aus den Jahren 1821 bis 1823 stammende Briefe – seine Version der Auseinandersetzungen niederlegte. Diese „Briefe an Hesperus“ ließ er auch Gauß zukommen (Pasquich 1823/24; GB 1274). Es war klar, dass das Verhältnis zwi16 Az Üstökös-tsillagok’ visgálatjának új módjáról. Kmeth Dániel a’ Budai Királyi Tsillagvisgálónak Segédje Budán Szent Iván Hava 13-ik napján 1823. Tudományos gyűjtemény 9, 1823, S. 98–111 (vgl. Kmeth 1823, S. 241). 17 Astronomische Nachrichten 3 (Nr. 53), 1825, Sp. 71–74 und 77–84.

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schen Littrow und Gauß durch die Affäre Kmeth irreparablen Schaden genommen hatte. Littrow wurde von Gauß in Zukunft nicht mehr akzeptiert. Vielleicht hat Littrow später versucht, das Verhältnis zu Gauß zu verbessern, denn in der Gauß-Bibliothek befindet sich Littrows im Jahre 1833 in Wien gedrucktes Werk „Die Wahrscheinlichkeitsrechnung in ihrer Anwendung auf das wissenschaftliche und practische Leben“ (Littrow 1833; GB 518). Während sich der Autor in der ersten Abteilung mit der „Wahrscheinlichkeitsrechnung überhaupt“ beschäftigt, widmet er sich in der zweiten Abteilung, „welcher größtentheils die Entdeckungen unsers Gauß zu Grunde liegen“, der „Methode der kleinsten Quadrate und ihrer Anwendung auf physische und astronomische Beobachtungen“ (ebenda, Vorrede vom 18. September 1832). Im Jahre 1835 schließlich bat Littrow in einem sehr kurzen Brief Gauß, einen seiner Doktoranden in Göttingen zu empfangen (Brief Nr. 9). Wie Gauß auf diese Bitte reagiert und wie er später über Littrow dachte, ist nicht überliefert. Es soll hier jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass Schumacher am 3. Mai 1837 Gauß vertraulich wissen ließ: „Gegen das, [...] was ich schreibe, wird Niemand etwas einzuwenden haben, als allenfalls Littrow, der der astronomischen Gesellschaft eine Abhandlung gesandt hat, worin er zeigt, dass Ihre Copenhagener Preisschrift18 aus Lagrange’s Aufsatz in den Berliner Memoiren, wenn nicht geradezu geschöpft, doch ein Corollarium davon ist“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 173; ergänzt nach: Briefwechsel Gauß– Schumacher 1969, S. 87). Diese Bemerkung zeigt, in welchem Maße sich nunmehr auch Littrows Haltung gegenüber Gauß geändert hatte.

8.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Datum 21.1.1815 29.4.1816 4.5.1817 24.1.1818 19.5.1819 2.6.1821 1.12.1823 19.2.1824 18.8.1835

Ort

Verfasser / Empfänger

Kasan Kasan Ofen Ofen Ofen Wien Wien Wien Wien

Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß

18 „Allgemeine Auflösung der Aufgabe, die Theile einer gegebnen Fläche auf einer andern gegebnen Fläche so abzubilden, dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich wird“ (Gauß 1825).

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Brief 1. Littrow an Gauß, 21. Januar 1815 (Kasan) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Littrow 1 (2 S.)19

Kasan den 21 Januar [1]815. Hochwohlgeborner, Hochzuehrender Herr! Verzeihen Sie gütigst, daß ich Ihnen durch mein Schreiben einige Augenblicke Ihrer zu wichtigeren Dingen bestimmten Zeit raube. Die Hälfte meiner Schuld wird Pr[ofessor] Bartels, der sich Ihnen gehorsamst empfehlen läßt, auf sich nehmen, da er mich dazu verleitete. Die Sache betrifft die Kleinigkeit, welche ich im Berl[iner] Jahrbuche 815 pag 92 einrückte.20 Erlauben Sir mir gütigst einige Worte über jenen Gegenstand. Ich meinte an dem angef[ührten] Orte, daß es vortheilhafter sey, nicht da mit der Berechnung der Hypothesen aufzuhören, wo man die letzetn P, Q, mit denen man, seinem vorgesetzten Zwecke gemäß, zufrieden ist, erhält, sondern da, wo man die Verbesserungen der Größen r f erhält, die aus diesen letzten Werthen von P, Q folgen, da die r f es eigentlich sind, die man zur Bestim[m]ung der Bahn braucht. Wenn daher schon drey Hypothesen berechnet sind, so sucht man durch die vortreffliche Interpolationsmethode (erlauben Sie mir der Kürze wegen dieses Wort) welche Sie dort mitgetheilt haben, neue verbesserte Werthe von P, Q und wenn man diese für genau genug hält, so wird man nicht sowohl die Elemente mit den r f der 3ten Hyp[othese] berechnen, sondern man wird zuerst mit Hilfe derselben Interpolation aus den Werthen der r f in der 1, 2 und 3ten Hyp[othese] verbesserte Werthe von r f ableiten und mit diesen letzten die Elemente berechnen. Diese letzten verbesserten r f scheinen mir immer genauer zu seyn, als die, welche man in der 3ten Hyp[othese] unmittelbar erhalten hat. – Wollte man aber bey den letzten, durch Interpolation gefundenen Werthen von P, Q nicht stehen bleiben, so wird man mit denselben die 4te Hyp[othese] berechnen. Bleibt man bey dieser stehen, so wird man doch die Elemente nicht mit den r f dieser 4ten Hyp[othese] berechnen, sondern man wird die obigen Interpolationsformeln auf die Größen r f der 2, 3 und 4ten Hyp[othese] anwenden und mit den so erhaltenen verbesserten r, f die Elemente berechnen, denn diese letzten r f scheinen mir im Allgemeinen der Wahrheit immer näher, als die der 4[ten] Hypothese. Ich nehme mir die Freyheit, Sie ergebenst zu fragen, ob das richtig ist. Ich thue dies nicht ohne einen geheimen Schauer, denn ich weiß sehr wohl, an wen ich schreibe. Aber wer kann das Mistrauen, das ich gegen mich selbst hege, besser begründen oder entfernen, als der Mann, dessen Urtheil, auch ein mir unangenehmes, mir doch höher gilt, als selbst das Lob aller andern? – Daß übrigens dieser Vorschlag, auch wenn er, wie ich glaube, richtig ist, eine wahre Kleinigkeit betrifft, daß er mir eine wesentliche Aenderung in dem Endresultate hervorbringen 19 Littrow schreibt „ä“ als Ligatur von a und e, in der Transkription wird diese als „ä“ wiedergegeben. 20 Littrow 1812.

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kann, ist für sich klar. Auch habe ich p. 92 bemerkt, daß Sie diese Bemerkung als minder wichtig Ihren Lesern überlassen haben. Ich würde mich, ich gestehe es, sehr freuen, einige freundliche Zeilen von Ihnen zur Antwort zu erhalten. Pr[ofessor] Bode, durch welchen ich diesen Brief schicke, und der mit mir im häufigen Briefwechsel steht, wird gerne Ihre gütige Antwort übernehmen. Möge Ihnen der Himmel, der Ihnen schon so viel verdankt, Gesundheit und Zufriedenheit im vollen Maaße geben und mögen Sie, zu unserm Troste und zum Glück der erhabenen Wissenschaft, deren erster Priester Sie in meinem, leider so fernen Vaterlande sind, noch lange in unserer Mitte bleiben. Genehmigen Sie die Gesinnungen meiner innigsten Hochachtung, mit welcher ich die Ehre habe zu seyn Ew Hochwohlgeboren gehorsamster Diener Littrow Prof[essor] d[er] Astron[omie] P. S. H[err] Prof[essor] Renner empfiehlt sich angelegentlichst Ihrem Andenken.

Brief 2. Littrow an Gauß, 29. April /11. Mai 1816 (Kasan) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Littrow 2 (6 S.)

Casan den 29 Apr[il]/11 May [1]816 Hochwohlgeborner, Hochzuehrender Herr Professor! Ich danke Ihnen auf das herzlichste für Ihr mir eben so angenehmes als lehrreiches Schreiben vom 10 Jan[uar], welches ich gestern durch H[errn] Bode erhielt.21 Es freute mich, daß mein übrigens sehr geringfügiger Einfall von Ihnen nicht getadelt wird, und noch mehr freute mich der Vorschlag einer neuen Idee durch die Interpolation nicht r, r", fƍ, sondern P, Q und daraus, als 4te Hypothese, die Rechnung bis zu r r" fƍ auf die vorige Weise fortzuführen. Dies scheint mir offenbar das beste, so wie das natürlichste, was man thun kann, obschon ich nicht darauf verfallen bin. So ist bey größerer Genauigkeit, selbst bey mehr Bequemlichkeit der Rechnung zugleich der Uebelstand behoben, mit der Interpolation zu endigen und alles geht itzt seinen einfachen natürlichen Gang. Ich danke Ihnen für diese Mittheilung, so wie für so manche andere Bemerkungen vorzüglich über practische Astronomie, die mir nicht anders als sehr schätzbar seyn können und auf die ich bey meinen künftigen Arbeiten besonders aufmerksam seyn werde. Es war allerdings vorauszusehen, daß mir ein Brief von Ihnen auf mannigfaltige Art lehrreich seyn wird, aber unerwartet war es mir und daher um so angenehmer, daß Sie meine Kleinigkeit einer so umständlichen Antwort würdigten. Schon glaubte ich, da Sie 21 Dieses Schreiben ist nicht erhalten.

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so lange nicht antworteten, daß Sie böse auf mich geworden seyen, weil ich Sie, der Sie Ihre Zeit wahrlich zu andern Geschäften brauchen, mit meinen kleinlichen Bemerkungen plage. Und schon verwünschte ich den Einfall, Ihnen gerade bey dieser Gelegenheit geschrieben zu haben. Oft nämlich, schon in Krakau noch, war ich im Begriffe, Ihnen zu schreiben und immer hielt mich etwas zurück. Ich wußte nicht, wie ich anfangen und was ich vorbringen sollte, das Ihrer nur einigermaßen nicht unwürdig wäre. Ferner glaubte ich, noch auf einen besseren Gedanken, auf eine schicklichere Gelegenheit warten zu müssen und ergriff endlich die schlechteste, die sich mir darbieten konnte. Aber ihr umständlicher, freundlicher Brief hat meine Besorgniße gehoben und mich um so mehr erfreut. – Ich bin Ihnen vor allem Offenheit schuldig und ich gestehe daher gerne, daß ich damals in einer gegen jenen Rec[ensenten] leidenschaftlichen Stimmung gewesen bin. Ich bin, Gott weiß es, nicht unbescheiden: ich habe gerade noch so viel gesunden Menschenverstand übrig, um zu wißen, daß ich des gelehrten Verstandes nicht viel habe und daß Menschen meiner Art, in dieser Hinsicht meiner Art, überall in Menge wachsen. So wenig ich aber je irgend einem durch Unbescheidenheit zu nahe getreten bin, so wenig kann ich es vertragen, wenn Leute, die dazu kein Recht haben, mich unbescheiden behandeln und mir noch dazu unrecht thun. Da gibt es so viele unter den Rec[ensenten] meines Vaterlandes, die da einen innern, unwiderstehlichen Ruf in sich hören, von der Tribüne zu ihrer Nation zu reden als Orakel, die da glauben, auch so was von einem Gauß oder Bessel oder Olbers &c zu seyn, wenn sie gleich nicht werth sind, diesen Männern die Schuhriemen zu lösen. Ich habe diese Menschen, die in ihrem Dünkel so glücklich sind, oft beneidet, denn das Gefühl, was andere niederdrückt, wenn sie an jene Männer denken, ist nicht sehr beseeligend – aber ich habe sie zu beneiden aufgehört, so bald ich sah, daß sie ihr Dünkel unverträglich macht mit den Schwächen derjenigen, die, mittelgut wie sie, doch oft besser sind als jene Menschen, die sich selbst so wenig kennen. In meiner damaligen Stimmung, die noch durch Anhezen anderer erhöht wurde, schien mir mein Rec[ensent] in die Claße dieser Leute zu gehören und als er auf meine leidenschaftliche Sprache, deren ich mich itzt schäme, in dem ruhigen Ton des vollendeten Weisen antwortete, als er sich statt Belehrungen und Beweisen, auch nur den hundertsten Theil von dem, was Ihr Brief enthält, in einen Wortschwall von nichtssagender Declamation hüllte und noch von Nachsicht & sprach, da wurde ich ungeduldig. Ich kannte den Mann nicht und kenne ihn noch nicht und sehe wohl ein, daß ers nicht so arg gemeint haben mag. Es thut mir leid, den Handel angefangen zu haben, denn ich habe seitdem mehrere von seinen aelteren Recensionen zu Gesichte bekommen, aus denen ich manches gute lernte u[nd] es ist vielleicht ein recht braver und guter Mann. Wie dem sey, so bin ich ihm den größten Dank schuldig, den, mit Ihnen und Dr. Bessel in nähere Bekanntschaft gekommen zu seyn. Schon habe ich von dem letzten mehrere eben so angenehme als lehrreiche Briefe erhalten und ich habe den gestrigen Tag als einen hohen Festtag bezeichnet, wo mein lang gehegter, inniger Wunsch in Erfüllung gieng, von Ihnen einen Brief zu sehen. So wie ich die Ehre habe, Sie zu kennen, wage ich es nicht, meine Briefe sagen zu laßen, welche Gesinnungen ich für Sie hege. Sie haben diese Sprache schon zu oft gehört und ich wünschte lieber, die Hochachtung, die ich für Sie hege, in Handlungen zu zeigen. Möchten Sie nur auch künftig so gütig seyn, öfters einige Minuten, in denen Sie von Ihren Geschäften ausruhen, an so freundliche und belehrende Briefe zu wenden, wie der

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letzte ist. Erlauben Sie dafür mir, Ihnen öfters zu schreiben, ohne deswegen auf jeden Brief eine bestimmte Antwort zu erhalten, die mich zwar immer sehr freuen, die ich aber, da Sie mehr zu thun haben, nicht immer erwarten werde. Zur allgemeinen Vorrede aber für alle meine künftigen Briefe bitte ich Sie herzlich, alles, was ich vorbringen werde, nicht als Mittheilungen u[nd] d[er]gl[eichen] sondern blos als Zeichen meines guten Willens und als Beweise, daß ich nicht gerne träge heissen möchte, anzusehen. Wenn Sie in einer Nebenstunde mir über dies und jenes eine gütige Bemerkung schreiben, so habe ich alles, was ich wünsche – Ihre Briefe und Ihren Unterricht. Diesen ersten Brief aber erlauben Sie, ausserwissenschaftlichen Dingen zu widmen. Sie haben durch die öffentlichen Blätter bereits von dem Unglücke gehört, welches unsere Stadt den 153 Sept[ember] des vor[igen] Jahres getroffen hat. Es war ein Tag des Entsetzens und des allgemeinen Jammers. Mehr als 4000 Häuser wurden in der Zeit von 9 Stunden ein Raub der Flamme.22 Nachdem ich bereits alle Hofnung aufgegeben hatte, blieb die Verheerung, wie durch einen Machtspruch gebannt, vier Häuser vor dem meinigen stehen und ich so wie Bartels der weiter entfernt wohnt, gehören zu der kleinen Zahl der Geretteten.23 Ich würde vergebens versuchen, Ihnen die Gräuel dieses Tages zu schildern und ich sage nur, daß wir, entweder durch die beynahe viehische Nachlässigkeit der hiesigen Menschen, oder, wie man allgemein behauptet, durch eine Bande von Mordbrennern, nach diesem Tage bis Anfangs Decembers noch neunmal Feuer hatten, wobey jedesmahl mehrere Häuser in Asche verwandelt wurden. Zwey Monate hatten wir alle bewegliche Habseligkeiten eingepackt, hielten Nachtwachen und erwarteten mit jedem Augenblick den entscheidenden Schlag. Es war ein abscheuliches Leben, in immerwährender Angst und in banger Erwartung des äussersten hingeschleppt. Wie sehr bedauerte ich damals, mein geliebtes Vaterland verlassen zu haben und in diese wilden Gegenden geflüchtet zu seyn! Als dieser Wunsch am lebhaftesten war, erhielt ich ganz unvermuthet einen Brief von dem alten, rechtschaffenen P[rofessor] Pasquich in Ofen. Er schrieb mir, daß er seine neue Sternwarte vollendet habe, daß sie, nach seinem Wunsche, eine der besten Europens in Hinsicht auf die Vollkommenheit und Vollständigkeit der Instrumente und der Solidität des Gebäudes sey, daß er aber, bey seinen immer wiederkehrenden Krankheiten nicht mehr fähig sey, ihr allein nach Würde vorzustehen. In dieser Hinsicht bat er den Palatinus,24 der ihn persönlich kennt und liebt um einen Nachfolger. Der Palatin sicherte ihm zuerst seinen vollen Gehalt lebenslänglich zu und ersuchte ihn dann, seinen Nachfolger selbst zu wählen. Pasquichs Wahl ist auf mich gefallen und ich stehe nicht an, diesen in mehr als einer Rück22 „Der Brand von Kasan“ von Littrow (Littrow 1846: 1, S. 90–96). 23 In einem Brief vom 9.–25. [sic] November 1815 an Pasquich hatte Littrow jedoch behauptet, dass sein Haus abgebrannt sei: „Ich wollte Ihnen noch von dem Unglücke schreiben, welches unsere Stadt den 15 Sept[ember] v[origen] J[ahre]s betroffen hat. Aber der Brief ist schon zu lange und jener entsetzliche Tag an welchem die wütende Flamme 2600 Häuser, unter ihnen auch das meine, und 127 Menschen verzehrte“ (Vargha/Patkós 1996, S. 81). 24 Im vorliegenden Fall handelt es sich um Erzherzog Joseph Anton Johann von Österreich, der von 1796 bis 1847 Palatin von Ungarn war.

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sicht mir sehr angenehmen Ruf anzunehmen. Die Rettung aus dieser Mordbrennerhöhle, die Verwechslung eines Klimas, das mehr für Wölfe und Eisbären als für Menschen bestimmt scheint, in welchem die Kälte alle Jahre über –31° Réaum[ur], so wie die unerträgliche Sommerhitze über 28 steigt,25 mit einem milden, freundlichen Himmelsstriche, der Gedanke, daß ich wieder unter Menschen komme, die meine Sprache reden, daß ich in Gesellschaft mit einem so achtungsvollen Greise und vorzüglich daß ich auf einer so wohl eingerichteten Sternwarte alle meine, wenn auch nur geringen Kräffte, der Wißenschaft weihen will, alles dieses erfüllt mich mit Freude und Hoffnung für eine schöne Zukunft. Nur vor einigen Wochen habe ich das Kais[erliche] Decret und den Reisepaß erhalten: für Besoldung, Wohnung und Vergütung der Reisekosten hat der rechtschaffene Pasquich besser gesorgt, als ich ohne Unbescheidenheit selbst wünschen konnte. – Die Instrumente der neuen Ofner Sternwarte sind sämmtlich von Reichenbach: ein 7 füß[iges] Mittagsrohr 4 12 Z[oll] Oeffnung; ein 3 füss[iger] Meridiankreis, der unmittelbar 2Ǝ (so wie der Horizontalkreis 4Ǝ) gibt und dessen Fernrohr 4 13 Fuß Focallänge und 4 Zoll Oeff[nun]g hat, ein Aequatorial, dessen beyde Hauptkreise unmittelbar 4Ǝ geben, das Fernrohr 3 F[uß] 8 Z[oll] lang und 3 23 Zoll Oeff[nun]g; ein Heliometer auf paral[laktischem] Stative; ein vortrefflicher Refractor von 8 F[uß] Brennweite und 5 Zoll Oeff[nun]g; ein 18 Zoll Multiplicationskreis, ein 12 Zoll Theodolit &c: – Was bleibt mir nach allen diesen Dingen noch zu wünschen übrig? An meinem guten Willen soll es wenigstens nicht fehlen, alle diese herrlichen Instrumente nach ihrer Würde zu benützen. Im verflossenen Sommer erhielt ich einen Baumann’schen Multiplikationskreis von 16 Z[oll]. Da die Sternwarte, si ita loqui fas est, im Botanischen Garten noch nicht vollendet ist, so stellte ich ihn indessen in meinem Hause auf, das von jenem Garten kaum 200 Schritte südlicher und beynahe im Meridian der Sternw[arte] liegt, und versuchte es, die Breite des Beobachtungsortes vorläufig zu bestimmen. Da ich gegen Norden kein Fenster und gegen Süden nur sehr enge habe, so war ich gezwungen, den Kreis so zu stellen, daß er fast im Mittag plötzlich aus dem Schatten in die Sonne tritt, wodurch eine Menge Verziehungen seiner Theile entstehen, auf die man in der Rechnung keine Rücksicht nehmen kann. Zugleich mußte bey dieser Lage eine fehlerhafte Zeitbestimmung, die ich durch corresp[ondierende] shöhen an einem 5 G Ramsd[enschen] Sextanten erhielt, ihren ganzen nachtheiligen Einfluß auf die gesuchte Polhöhe äußern. Daher die geringere Harmonie der einzelnen Beobachtungen, die bey einer künftigen zweckmässigeren Aufstellung des Instruments wohl wegfallen werden. Folgendes sind die Resultate, die ich mit allen Belegen, die zu ihrer Prüfung nöthig sind, anderswo vorgelegt habe.

25 Die Temperaturen entsprechen –38,7°C und 35°C.

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Juni 26 27 29 Juli 1 9 10 28 Aug 10 10

Zahl d[er] Beob[achtungen] 16 14 18 16 18 14 18 12 10

Polhöhe 55° 47ƍ 26Ǝ82 26.96 25.85 28.11 25.62 23.42 29.96 27.53 27.71

Zahl d[er] Beob[achtungen] 16 30 48 64 82 96 114 126 136

Polhöhe 55° 47ƍ 26Ǝ82 26.88 26.50 26.88 26.62 26.15 26.75 26.83 26.89

Alle Beobachtungen sind an der Sonne, nur die letzte an Atair gemacht. Zu ihrer Berechnung brauchte ich Zachs n[eue] staf[eln]26 und Bessels Refraction.27 Am beschwerlichsten war mir bisher auf meiner so karg eingerichteten Sternwarte die Zeitbestimmung. Ich gieng alle mir bekannte Methoden durch, corresp[ondierende] Höhen, einzelne Höhen mit dem Multiplicationskreise, Distanzen von terrestrischen Gegenständen und Verschwindungen hinter Thürmen. Die letzte ist, wenn nicht die größte Genauigkeit gefodert [sic] wird, eine der bequemsten: da aber wenigstens bey meinem schwachen Rohr der Stern nur allmählig verschwindet und da die Berechnung desselben durch die Rücksicht auf Nut[ation] u[nd] Aberr[ation] beschwerlich wird, da endlich der einzige brauchbare Thurm in meiner Nachbarschaft nicht hoch genug ist, so war mir eine andere Methode, die genauer, bequemer und zu allen Zeiten zum Ziele führt, ein wahres Bedürfnis. Schon im verfloßenen Jahre fiel es mir ein, den Kreis selbst als ein Mittagsrohr zu brauchen, aber ich kam nicht zur Ausführung, da ich nicht viel genaues erwartete. In diesem Frühlinge kam ich wieder darauf zurück, ich legte Hand an und war gleich mit dem ersten Resultate sehr zufrieden. Seit mehreren Wochen benütze ich jeden heitern Abend dazu und die Resultate sind ganz erwünscht. Ich bin so frey, Ihnen mein Verfahren zur gütigen Prüfung vorzulegen und bitte Sie, mir bey Gelegenheit Ihre Gedanken darüber gütig mitzutheilen. Wenn ich aus den beobachteten Durchgängen selbst die Lage der Ebene sowohl, in der sich die Axe des Fernrohrs bewegt, als auch die Correction der Uhr finden will, so braucht man eigentlich vier Beobachtungen. Die dazu nothwendigen Formeln waren bald gefunden, aber sie waren viel zu weitläufig, um jeden Augenblick angewendet werden zu können. Ich zog daher vor, zwey der Constanten, die die Lage jener Ebene bestimmen, durch die unmittelbare Correction des Instruments vor der Beobachtung wegzuschaffen. Wenn nämlich der Kreis mit der Säule parallel ist, so stelle ich diese Säule durch die hintere fixe Libelle vertical und berichtige den verticalen Faden im Brennpunkte ein für allemahl so, daß die Axe des Rohrs der Ebene des Kreises parallel ist. Diese Axe beschreibt dann eine Ebene, die durch den Anfangspunkt der Coordinaten, den Mittelpunkt der Erde geht und die zugleich senkrecht auf den Horizont ist oder durch das Zenith geht. Es 26 „Explicatio et usus tabellarum solis, explicatio et usus catalogi stellarum fixarum“ und „Novae et correctae tabulae motuum solis“ (Zach 1792). 27 „Fundamenta Astronomiae pro anno MDCCLV: deducta ex observationibus viri incomparabilis, James Bradley in Specula astronomica Grenovicensi. Per annos 1750– 1762 institutis“ (Bessel 1818).

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bleiben daher nur die zwey Correctionen übrig, die von der Neigung jener Ebene gegen den Meridian und die von dem Fehler der Uhr herrühren und zu ihrer Bestimmung kenne ich nichts besseres, als Delambres bekannte einfache Ausdrücke. – Zur Bestättigung des oben gesagten hier meine letzten, gestrigen Beobachtungen. 10 May

Uhrzeit

Aehre ........ 3 Jungfr[au] .... 89 .......... IJ .......... Į Bootes ...... Arctur .......

13h11ƍ 53Ǝ..... 13 21 43 ..... 13 36 15..... 13 48 41.5 ..... 13 58 28 ..... 14 2 43 .....

Aehre u[nd] ----89 - - -----

scheinb[are] Ascens[ion] 13h15ƍ 31Ǝ9 .... 13 25 20.8 ..... 13 39 54.4 ..... 13 52 18.3 ..... 14 2 1.3 ..... 14 7 17.45 ...

n

sin(M  G ) cos G

0.93 0.82 1.00 0.80 0.55 0.62

Arctur gibt Azimut = – 14Ǝ3 östlich Į - - - - - - - - - - 14.7 Centaur - - - - - 13.0 Į - - - - - - - - - - 13.5 Mittel = – 13Ǝ9 woraus folgt

Retardation der Uhr Aehre . . . 0h3ƍ 3... 89 . . . IJ... Į... Arctur . . .

26Ǝ0 26.4 25.5 25.7 25.7 25.8

`

Mittel = 0h3ƍ 25Ǝ85 8 Corresp shöhen gaben 3ƍ 25Ǝ6

Wenn ich statt einem verticalen Faden deren fünf eingezogen haben werde, müssen die Beobachtungen noch besser harmoniren. Gerne nähme ich in die zu entwickelnden Correctionen noch die Neigung gegen den Horizont auf, denn die kleine Libelle, mit der man den Kreis parallel mit der Säule stellt, ist schlecht und während den Beobachtungen kann sich die Verticalität der Säule leicht etwas ändern. Die letzte 4te Correction wegen der Entfernung jener Ebene vom Mittelp[un]kt der Erde läß[t] sich, dünkt mich, genau wegschaffen und Aenderungen in diesem Stücke sind nicht zu befürchten, wenn man auch den Kreis zu andern Beobachtungen wie gewöhnlich verwendet. Die Aufgabe wäre also aus drey Beobacht[un]gen die Neigung der Ebene gegen den Meridian u[nd] gegen den Horizont und die Correction der Uhr zu finden. Die Auflösung dieser Aufgabe, gehörig durchgeführt, scheint mir von practischen Nutzen auch bey Passagen-Instrumenten, nützlicher wenigstens, als die bisherigen Auflösungen, bey denen man immer die Zeit, etwa durch corresp[ondierende] Höhen, als gegeben voraussetzt. Ich fand sehr leicht eine Auflösung, aber sie ist unbequem und es kommt mir vor, daß es eine einfachere geben müsse. Meine Auflösung besteht kürzlich darin. Ist z = Ax + By die G[lei]ch[un]g der durch den Mittelp[un]kt der Erde gehenden Ebene der Rohraxe, į Decl[ination], Į Ascens[ion], f die beobachtete, f – u die corrigirte Uhrzeit, so sind x, y, z Functionen von į und Į – (f – u) also in der obigen G[lei]ch[un]g drey unbekannte Grössen A, B und u, die sich daher durch drey Beobachtungen bestim[m]en lassen. Es wundert mich, daß

452

Carl Friedrich Gauß und Russland

Delambre in s[einer] Astron[omie],28 der dort diesen Gegenstand weitläufig genug abhandelt, nicht auf diese Aufgabe verfiel. Ueberhaupt bin ich mit diesem Buche, so viel ich auch daraus gelernt habe, nicht zufrieden: es scheint mir eben so nachlässig geschrieben, als es gedruckt worden ist. Welche abschließende Urtheile, welche Unbekanntschaft mit den neuesten Arbeiten vorzüglich deutscher Astronomen, deren Sprache er doch kennt. Es würde ihm wahrlich besser gestanden haben, von unserm ersten Astronomen nicht so kurz weg abzuurtheilen und lieber wörtlich abzuschreiben, was jener schon auf das beste gesagt hat, als es durch seine oft mehr als überflüssigen Zusätze und Veränderungen zu entstellen. Wenn ich die Th[eoria] M[otus] C[orporum] C[oelestium]29 auf jeder Seite immer wieder mit neuem Vergnügen lese, so kann ich das, was er, im II Bande vorzüglich, daraus genommen hat, nicht ohne Unwillen ansehen. Was würden diese an zu viel Bescheidenheit eben nicht krank liegenden Menschen von dem deutschen Barbaren sagen, der es wagte, ihren Laplace in einem solchem Auszuge so zu entstellen. Doch erlauben Sie mir lieber, das noch übrige Plätzchen zu was andern zu benützen. Ich erinnere mich, in der Mon[atlichen] Cor[respondenz] gelesen zu haben, daß Bürg30 die Beobachtung des Polarsterns in der Höhe seiner größten Digressionen zur Bestimmung der Polhöhe vorschlug, weis aber nicht mehr, welche Gründe er dafür anführt. Streng genommen scheinen mir die Digressionenen [sic] gerade die ungünstigsten Punkte des Parallelkreises dieses Sterns zu diesem Zwecke zu seyn. Mir scheint, daß man vortheilhafter jeden willkührlichen Punkt dieses Kreises zu dieser Bestimmung vorschlagen würde und da die Reductionen, auf die gewöhnliche Art berechnet, zu beschwerlich seyn würden, so habe ich folgendes Verfahren gesucht, welches ich Ihnen zur gütigen Prüfung vorlege. p Poldistanz, ȥ Aequatorhöhe, f Stundenwinkel für die Mitte der Beobachtungszeiten, z die zu diesem Stundenwinkel gehörige unbekannte Zenithdistanz und f + ș, z + dz dieselben Grössen für irgend eine der angestellten Beobachtungen. Sey der Kürze wegen m

sin p sin\ sin f und n sin z

sin p sin\ cos f so ist sin z

Z2 Z3 Z4 ­ 2 2 °° z Z  2 cotgz  2.3 (1  3cotg z )  2.3.4 (9cotgz  15cotg z )  ® ° 100Z m sin T  2n sin 2 T °¯ 2

Damit man unmittelbar die Delambresche Reductionstafel für Circummeridianhöhen anwenden kann, habe ich der vorhergehenden Reihe folgende Gestalt gegeben wz

wo

m.2 sin

T 2

 A.2 sin 2

T 2

 B.2 sin 3

T 2

 C.2 sin 4

T 2

A n  m cotgz 2

28 „Astronomie théorique et pratique“ (Delambre 1814). 29 „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium“ (Gauß 1809a). 30 Johann Tobias Bürg.

8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840) B C

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m 2 3  m  2mncotgz  2m 3 cotg 2 z 2 3 2m 2 n  (n 2  m 2  3m 4 ) cot gz  Gm 2 n cot g 2 z  5m 4 cot g 3 z

Das vierte Glied ist immer unbeträchtlich und da als Reductionspunkt die Mitte der Beobachtungszeiten gewählt wurde, so heben sich das erste und dritte Glied auf, wenn anders die Beobachtungszeit nicht zu unmässig ausgedehnt und die correspondirenden Intervalle der einzelnen Beobachtungen in den beyden Hälften nicht zu sehr von einander verschieden sind. Das ganze Verfahren reduzirt sich daher auf folgende einfache Ausdrücke. Ist N die Anzahl der Beobachtungen und m, n wie oben, so ist wz

1 (n  m cot gz ) N 2

¦

2 sin 2

T

2 sin 1' '

Kennt man so wz so findet man die wahre Aequatorhöhe ȥ aus tang x = tang p.cos f cos(\  x 

cos x cos( z  wz ) cos p

wo z das Mittel aller beobachteten Zenithdistanzen ist. Eine genaue Zeitbestimmung ist allerdings nothwendig, doch wird ein Fehler von 1 Zeitsecunde für f = 1h, 2h, 3h, 4h, 5h, 6h in derselben Ordnung erst, bey uns, 0Ǝ1, 0Ǝ2, 0Ǝ3, 0Ǝ3, 0Ǝ4, 0Ǝ4 Raumsecunden in der Polhöhe hervorbringen. Man kann aber diesen geringen Einfluß einer fehlerhaften Zeitbestimmung ganz wegschaffen, wenn man an demselben Tage in der andern Hälfte des Parallelkreises in beynahe gleicher Entfernung vom Meridian eine ähnliche Reihe von Beobachtungen anstellt. Die Reductionen werden, wenn man die Beobachgungszeit nicht zu groß nimmt, sehr klein seyn und selten viel über eine Secunde betragen. Eben diese unmässige Ausdehnung der Beobachtungszeit, die der grösseren Anzahl der Beobachtungen wegen oft zum Nachtheil des dadurch zu erreichenden Zwecks gesucht wird, kann hier, ohne an der gewünschten grösseren Anzahl der Beobachtungen zu verlieren, völlig umgangen werden, da man nur nach jeden 10 oder 20 . . Beobachtungen ablesen und so mehrere Reihen von Beobachtungen machen kann. Auf diese Art wird man leicht in der Zeit von drey Stunden 200 Beob[achtungen] machen und sich so an einem Tage seiner Polhöhe völlig versichern. Nicht so bey den Culminationen, die an eine bestimmte Zeit gebunden sind, die sich nicht so stark auf einmal vervielfältigen lassen, die oft durch Wolken u[nd] d[er]gl[eichen] ganz unbrauchbar gemacht werden und die in unserm nördlichen Klima wenigstens in die zu den Beobachtungen bequemen Abendstunden nur zur Zeit des längsten und des kürzesten Tages fallen, wo in der einen die Nächte so klar sind, daß man Mühe hat, die größten Sterne zu sehen und wo in der andern die alles erstarrende Kälte so rauh ist, daß alle Beschäftigungen im Freyen gänzlich aufhören. Es würde mich sehr freuen, wenn dieser Vorschlag Ihren Beyfall erhielte. Ich habe ihn bereits viermal mit meinem 16 Zoll Multipl[ikations]kreis angewendet und bin mit den Resultaten zufrieden. Aber vielleicht läßt sich doch noch manches bemerken, das mir entgangen ist.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Und nun Verzeihung für all das Geschwätze, durch das ich Ihnen einige Augenblicke raubte, die Sie beßer zubringen könnten. Mit der Wiederholung meines herzlichen Dankes für Ihren gütigen Brief und mit den Gesinnungen der innigsten Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn Ihr ergebenster Diener Littrow. Pr[ofessor] Renner bittet, seine Empfehlung an H[errn] P[rofessor] Harding gütigst zu melden. Pr[ofessor] Bartels, der auf dem P[un]kte ist, Kasan zu verlaßen und nach Braunschweig zurückzukehren, will Ihnen nächstens selbst schreiben. Auch Pr[ofessor] Bronner, der bekannte Dichter der Fischeridyllen31 u[nd] Gesners32 ehemaliger Freund, nun hier Pr[ofessor] der Physik, meldet seine gehorsamste Empfehlung. Er ist noch ganz entzückt von der Erfindung, durch welche Sie Laplace’s Formel für Höhenmessungen durch Barometer in so kleine geschmeidige Tafeln brachten33 und hat deswegen eine Menge ungemein sauber geschriebener Hefte und Tafeln cassirt. Meine künftige Adresse ist: A Littrow Codirecteur de l’observatoire à Ofen (Buda)

Brief 3. Littrow an Gauß, 4. Mai 1817 (Ofen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Littrow 3 (4 S.)

Ofen den 4 May [1]817 Hochwohlgeborner, Hochzuehrender Herr Professor! Auf meiner langen Reise freute ich mich oft des Tages meiner Ankunft in Ofen, wo ich Ihnen und so manchem anderen meiner verehrten Bekannten fröhliche und heitere Briefe schreiben würde. Unter den schönen Hofnungen, die mich hieher begleiteten, war diese eine der schönsten. Welcher Genuß wäre es für mich gewesen, mit diesen Männern, deren persönliche Bekanntschaft mir versagt ist, wenigstens in Briefen sprechen zu können und von ihnen solche angenehme und lehrreiche Antworten zu erhalten, wie ich sie, obschon, der zu großen Entfernung wegen, nur selten in Casan von Ihnen, Beßel und Lindenau34 erhalten habe. Auch habe ich hier so manchen Brief an Sie angefangen, aber nie, nie einen geendet. Wenn ich in der Hälfte deßelben war; wenn ich, was ich geschrieben hatte, überlas, warf ich sie unbefriedigt hin. Sie trugen alle das Gepräge meiner innern Stimmung und ich habe kein Recht, andern, am wenigsten Ihnen, mit meinen Klag31 Bronner, Franz Xaver: Fischergedichte und Erzählungen. Zürich 1787; Neue Fischergedichte und Erzählungen. Zürich 1794 und Wien 1812. Frühere Fischergedichte und Erzählungen. Zürich 1794. 32 Georg Geßner oder Gessner. 33 Gauß 1815. 34 Friedrich Wilhelm Bessel und Bernhard August von Lindenau.

8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840)

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liedern die Zeit zu rauben. – Heute will ich es wagen, über meine Stimmung zu siegen und wenn ich es nicht, wie ich wünschte, im Stande bin, so bitte ich Sie herzlich um Nachsicht, denn es wird mir nicht leicht. Ich bin leider in allen meinen Erwartungen hintergangen worden. Abgesehen von den localen Verhältnißen der neuen Ofner Sternwarte, die man mir vor meiner Ankunft nicht bekannt machte, Verhältniße, die den Astronomen, der an sie gefeßelt wird, zwingen, auf alle menschliche Gesellschaft Verzicht zu thun und allem zu entsagen, was Menschen lieb und theuer ist, gibt es noch andere größere Uebel, die da machen, daß ich es für eine Wohlthat, für ein wahres Glück ansehen würde, wieder – werden Sie es glauben – in Casan zu seyn. Es ist Pflicht gegen mich selbst, daß ich davon, so ungerne ich es auch thue, spreche, wenigstens im allgemeinen spreche, denn wie soll ich sonst Erlösung erwarten. Um nur zwey dieser Uebel anzuführen, so bin ich erstens hier nicht, wie man mir schrieb, der Freund und College des andern,35 der sich in Lieb und Freundschaft mit mir zum Besten der Wißenschaft verbinden wollte, ich bin sein Handlanger, sein Bedienter geworden. Ich habe in keiner Sache die Freyheit, meiner Ueberzeugung zu folgen und wenn sein Wille nicht sogleich als Befehl vollzogen wird, so werde ich als Gegner und Feind behandelt. Der geringste Widerspruch, die leiseste Einrede auch in den gleichgiltigsten Sachen, erbittert ihn bis zu krampfhaften Zuckungen. Noch habe ich keinen Menschen gesehen, der in diesem Maaße der Sclave seiner tausend grämlichen Launen wäre und ich würde, wenn ich früher sein Bild in irgend einem Romane gelesen hätte, es als unwahrscheinlich, als unnatürlich, als ganz unmöglich weggeworfen haben. Allerdings, wenn ich bedenke, daß vielleicht frühere Verfolgungen und später Alter und Krankheiten ihn bis zu diesem Extreme trieben, daß es wohl nicht Schuld, sondern wieder Krankheit ist, wenn er überall nichts als Feinde zu sehen glaubt, wenn er, wie er mir so oft sagte, alle Menschen für reißende Thiere hält und wenn er endlich durch seine grämlichen Launen und durch sein unüberwindliches Mißtrauen gegen jeden sein eigenes Leben vergiftet – dann allerdings scheint er mir mehr bedauernswerth. Aber ist es demungeachtet nicht höchst traurig für mich, daß ich mich mit meinem kindischen Selbstvertrauen dahingebracht sehe, mich als das Instrument seiner Launen behandeln zu laßen und mit diesem unheilbaren Kranken immer unter einer Decke zu liegen. Ich, der ich meine innere Freyheit allen Gütern der Erde vorzog, ich Thor mußte ein halbes tausend deutscher Meilen laufen, um mich hier in diese elenden Ketten schmieden zu laßen. Man könnte mir einwenden, wozu brauchst du aber ihn und seine Freundschaft? Bist du wegen ihm oder wegen der Sternwarte gekommen? Diese brauche und laß jenen gehen! – Und dies ist der zweyte Punkt. Ich kann diese Sternwarte nicht brauchen. Als ich ankam, war der 3 füßige Kreis und das Mittagsrohr das einzige Instrument an dem man noch etwas arbeiten konnte. Nachdem ich an dem Kreise in etwa vier Wochen mehr Beobachtungen gemacht hatte, als in den beyden vohergehenden Jahren gemacht wurden, verlohr das Dach deßelben seine Rotatititat [sic] gänzlich. Dies Dach nämlich, so wie das des Aequatorials, ist sehr groß, von Kupfer. Beyde kosten 21 Tausend Gulden und müßen schon itzt als unbrauchbar verworfen werden. Der Einschnitt an denselben 35 Gemeint ist Johann Pasquich.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

ist nur so breit, daß man das ganze Dach bey jeder einzelnen Multiplication hin und her bewegen muß, wodurch es so bald abgenutzt wurde. Ich machte ihm den Vorschlag, den Einschnitt zu erweitern und nach Süden fortzuführen und dann das Dach als fest zu behandeln. Allein, er besteht auf seinem Sinne und so kömmt es, daß seit October nichts an dem Kreise beobachtet wurde. Noch ist er nicht einig, wie er die neuen Dächer einrichten soll und es werden Jahre hingehen, bis das Instrument wieder brauchbar wird. Zwar tröstet er sich, denn er will den Multiplicationskreis indeßen wie einen Mauerquadranten behandeln, aber da dies das Instrument, nicht brauchen, sondern mißbrauchen heißt, so wird dadurch die wahre Brauchbarkeit deßelben nur noch weiter hinausgeschoben. Als ich sah, daß es mit dem Kreise nicht fort will, wollte ich wenigstens das schöne Aequatorial in brauchbaren Zustand setzen. Dies Instrument steht schon 1 12 Jahre auf seiner marmornen Unterlage. Der Adjunct36 sagte mir, daß jener öfters des Abends damit beschäftigt war, aber immer verdrüßlich herunterkam. Ich bath mir also dies Instrument aus. Nach vielen Einwendungen erhielt ich nach etwa einem Monat die Erlaubniß mit dem Zusatze, daß ich weiter nicht viel bey der Rectification nachzuholen haben würde, da er schon die große Axe der Weltaxe sehr nahe parallel gestellt habe. Allein als ich nach den vorhergehenden Correctionen den Declinationskreis senkrecht gestellt hatte, konnte ich den Polarstern bey seiner Culmination nicht einmal in das Feld des Rohrs bringen. Ich mußte also die Correctionsschrauben der großen Axe so sehr verschieben, daß dadurch diese Axe von ihren Lagern schief gedrückt wurde, wodurch der Declinationskreis so nahe an die marmorne Unterlage rückte, daß er itzt in keine senkrechte Lage mehr gebracht werden kann. Dies heißt also hier zu Lande ein Instrument sehr nahe richtig stellen. – Das Instrument muß also abgenommen und der Stein anders behauen werden. Ich both mich dazu an, ich wollte den Steinmetz selbst bezahlen – er schlug es rund ab. Das ist mein Kind, sagte er, aut ego, aut nemo. So ist also auch an diesem Instrumente nichts gethan worden und jeder Versuch von meiner Seite, dieses oder ein anderes brauchbar zu machen wird von dem mißtrauischen Alten oft nicht ohne derben Grobheiten zurückgewiesen. Welchen Grund er dazu hat und wo das alles hinaus will, kann ich nicht absehen. Noch ist ein großer Refractor da, aber die in Pest dazu gemachten Diaphragmen sind so unverhältnißmässig groß, daß man dadurch nichts sehen kann, auch ist das Piedestal deßelben nicht vollendet. Gott weis, wann dieses Rohr brauchbar seyn wird. Ein alter Mauerquadrant von einem Jesuitenfrater, ein Rest der alten Sternwarte, steht noch hier. Aber das Rohr ist gänzlich unbrauchbar. Ich habe ihn oft angegangen, ob es nicht herzustellen wäre, aber nie eine befriedigende Antwort erhalten. Dafür will er schon wieder neue Thürme bauen und zuflicken, weil auf der ganzen Sternwarte weder für den kleineren Reichenbachischen Kreis, noch für das noch zu erwartende paralla[c]tisch aufzustellende Heliometer ein Platz ist. Nachdem ich mich so auf der Sternwarte unnütz gemacht sah, fiel ich darauf, von einer andern Seite vielleicht nützlich zu werden. Seit vielen Jahren hat er und Niemand hier Vorlesungen in der Astronomie gegeben. Er hat sich so oft beklagt,

36 Daniel Kmeth.

8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840)

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daß keine Nachfolger der Astronomen hier gezogen werden. Wer soll sie ziehen, wenn wir es nicht thun? Ich both mich also an, auf der Universität diese Vorlesungen zu geben. Aber da kam ich gut an. In dem leidenschaftlichsten Tone sagte er mir, warum ich mich in solche Dinge mische, daß er dies nie zugeben werde, daß er ganz andere Pläne habe, von denen er sich nicht abbringen laße, daß er mit S[einer] Kais[erlichen] Hoheit37 darüber gehörig reden werde &c. So verschwand also der letzte Strahl meiner Hofnung und mir bleibt nichts übrig, als mit dem Mönch in den epistolis obscurorum virorum auszurufen: Ergo diabolice me inutilem fecit. Sagen Sie, verehrtester Herr Professor, bin ich nicht übel dran? Zuweilen muß ich selbst lachen über diese wirklich lächerliche Wirthschaft, aber meistens ist mir das Weinen näher. Wenn ich hier nicht so manchen braven, biedern Mann gefunden hätte, der mich tröstet und aufrichtet, wenn ich den Kopf zu sehr fallen laße, ich glaube, der Gram hätte mich schon verzehrt. Denn es ist wahrscheinlich kein Spaß, den ganzen Zweck des Lebens zu verlieren und sich so zum Narren eines andern hinzugeben. Ich habe zwar schon mehrere Versuche gemacht, mich aus dieser Grube heraufzuwinden, aber sie mißlangen und nun bin ich bereits, ich gestehe es, furchtsam geworden. Es geht mir, wie den schlechten Generalen, die nur glücklich zu seyn verstehen und bey der ersten verlornen Schlacht mit ihren Truppen auch ihren Kopf verlieren. Was bleibt mir übrig! Ich muß mich nun aufs Betteln legen. Darf ich bey Ihrer Thüre anfangen? Ich will kein Almosen, es in träger Ruhe zu verzehren, ich will nur Arbeit und Erlösung von diesen nichtswürdigen Plackereyen. Mir wäre jeder Ort in meinem deutschen Vaterlande willkommen, bin ich doch selbst in Casan glücklich gewesen und kann es keine Sternwarte mehr seyn, obschon ich sie wünschte, so wäre mir die Professur irgend eines andern Theils der Mathematik doch willkommen. Ich überlaße mich Ihnen ganz, rathen Sie, helfen Sie, daß ich meines Lebens wieder froh werden kann. Vor allem aber nehmen Sie meine Bitte nicht übel, schenken Sie mir ferner Ihre Gewogenheit und beehren Sie zuweilen mit einer freundlichen Zeile Ihren ergebensten Diener Littrow. Meine Addresse ist: An Littrow, k[aiserlich-]k[öniglicher] Astronom in Ofen in Ungarn.

37 Erzherzog Joseph Anton Johann, Palatin von Ungarn.

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Brief 4. Littrow an Gauß, 4. Januar 1818 (Ofen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Littrow 4 (4 S.)

Ofen den 24 Jan[uar 1]818 Verehrtester Herr Professor! Vor einigen Tagen erhielt ich durch H[errn] Tittel38 Ihren Brief.39 Es ist mir tröstlich und erfreulich, zu sehen, daß Sie so freundschaftlichen Antheil an meiner Lage nehmen. Einige Augenblicke nach der Lesung Ihres Schreibens wurde ich in die Stimmung versetzt, die allein für die mich umgebenden Armseligkeiten gehört. So wohl mir selbst diese Stimmung thut, so wünschte ich doch nicht, daß sie zu lange anhielte, da sie, aufs wenigste, unnatürlich ist und da sie unter allen wohl am wenigsten geschickt scheint, mir aus allen diesen Nichtswürdigkeiten herauszuhelfen. Wenn es wahr wäre, was Sie sagen, daß hier die herrlichsten Instrumente zu meinem Gebrauche bereit stehen, so wäre dies eine schon genug, mich zu jeder Aufopferung stark genug zu finden. Ich glaube Ihnen aber schon geschrieben zu haben, daß, das einzige Mittagsrohr ausgenommen, an dem die endliche Berichtigung der Mire auch noch zu wünschen übrig ist, alle anderen Instrumente so gut als gar nicht da sind und daß jeder Versuch von meiner Seite, sie brauchbar zu machen, als ein Eingriff in seine Vorrechte angesehen und recht bourisch grob zurückgestoßen wird. Offenbar hatte der Jesuit,40 als er mir das erstemal als seinem sogenannten Collegen schrieb, ganz was anders mit mir vor und hat es noch. Ich habe ihn zu oft schon auf seinem fahlen Pferde ertappt und unter die, wie er glauben mag, sehr fest vorgehaltene Maske gesehen, um über seinen Werth und seine Absichten einen Augenblick mehr ungewiß zu seyn. Demungeachtet gab es Stunden, wo ich mich über diese Dinge erheben, wo ich meine Freunde, meine innere Ruhe und Freyheit und alles, was ich dort gutes und liebes genoß, meiner Liebe zur Wißenschaft freudig zum Opfer bringen konnte. Eines allein kann ich nicht hingeben, und wenn mir auch der ganze Himmel dafür geboten würde – meine innere Unabhängigkeit. Das bloße todte Instrument eines andern und noch dazu eines zu seyn, den ich nicht achten kann, ist mir unmöglich. Da ich nun hier des Elendes kein Ende sehe, denn auch seine so oft ausgehängte Kränklichkeit ist ebenfalls nichts weiter, als ein Schild, ein Mittel mehr zu seinen Absichten; da ich seinem beyspiellosen Eigensinne und seinen unzähligen Launen nichts, gar nichts, weder im Guten noch im Bösen, abgewinnen kann; da es eine verächtliche Rolle ist, den Narren eines Narren zu machen, so habe ich dem Antrag, nach Rußland zurückzukehren, der mir mit so viel Freundschaft gemacht wurde, Gehör gegeben. Die Unterhandlungen, die mit viel Liberalität gepflogen werden, nahen sich ihrem Ende und bald, hoffe ich, werde ich von meinem Vaterlande, in das ich vor zwey Jahren so gerne zurückkehrte, für immer Abschied nehmen! Die Trennung von dieser Sternwarte, die ich mit so großen Hofnungen betrat, in der nun meine schönsten Wünsche begraben liegen, wird nicht ohne Thränen seyn. Nennen Sie 38 Peter Paul Tittel. 39 Dieser Brief ist nicht erhalten. 40 Pasquich gehörte nicht dem Jesuitenorden an, er stand diesem aber nahe.

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mich nicht kleinmüthig, ich bin es nicht. Wenn Sie wüßten, was ich alles gethan habe, um nur einige Billigkeit von seiner Seite heraufzuführen, wie mich jeder mißlungene Versuch wieder zu einem neuen führte und wie ich nicht eher aufhörte, zu suchen, einzulenken, Vorschläge zu machen, bis ich dies alles nicht mehr konnte, so würden Sie mich bedauern. Ich bin sonst keiner von denen, die alles durch eine schwarze Brille sehen, ich hatte viel frohen Muth und eine heitere Ansicht des Lebens, aber wie man von dem Giftbaum erzählt, daß alle Pflanzen in seiner Umgebung welken und verdorren, so gibt es auch Menschen, die keine Freude um sich aufkommen laßen; die denen, die das Unglück haben, in ihre Nähe zu kommen, vielleicht ohne ihren Willen, denn es ist ihre Natur, jeden Genuß des Lebens verbittern und, (auf dieser Stuffe stehe ich vielleicht itzt) wenn sie sich matt gekämpft haben, wenn keine Widerstandskraft mehr da ist, wenn sie endlich das Zutrauen zu sich selbst verlohren haben, die ihnen ihre eigene Krankheit einimpfen und sich selbst gleich machen. Das ist eine prächtige Aussicht! Da will ich doch viel lieber wieder mit meinen guten Bärenmenschen von Russen umgehen, auch auf die Gefahr hin, selbst noch ein solcher zu werden. Allerdings wird es, wie Sie sagen, um diese Sternwarte traurig aussehen, da man in Oesterreich nicht leicht einen Ausländer beruft und es an brauchbaren Innländern gaenzlich mangelt. Mich schmerzt dies um so mehr, da ich voraussehe, daß, daß alle, die meine Verhältniße nicht kannten, mir die Schuld geben werden. Aber was soll ich thun? Zu Opfern jeder Art war ich bereit und bin es noch jetzt, so bald ich sehe, daß sie zu was führen. Die gewiß abscheuliche Lage des Blocksbergs,41 wo ich, wenn ich oder eines der meinigen krank wird, ohne der Hilfe eines Arztes verschmachten muß, wo im Winter kein gangbarer Weg, im Sommer kein Tropfen Waßers ist, wo ich nicht weis, wie ich meine Kinder erziehen soll, da die Wohlthaten aller gebildeten Länder, die oeffentlichen Schulanstalten, für mich verlohren sind &c. – ich will sie vergessen, ich will sie mir erträglich zu machen, ich will diesem Hexenberge vielleicht selbst noch einige Reize abzugewinnen suchen, wenn ich nur auch wüßte, wo dem alten Hexenmeister die Reize sitzen, um ihm nur einen derselben abzugewinnen. – Doch genug und mehr als genug von diesen Dingen, über die man nie zu schnell wegkommen und mit denen ich doch nie fertig werden kann. Herzlich hat es mich gefreut, daß Sie meinen kleinen Arbeiten in der Zeitschrift Ihren freundlichen Beyfall gegeben haben. Wenn auch dieser Beyfall sich mehr auf das bezieht, was ich künftig, dadurch aufgemuntert, leisten soll, als was leider schon geleistet ist, so ist es mir doch tröstlich, da diese Kleinigkeiten aus einer Art von Verzweiflung mit meiner Lage entstanden sind und da ich in besseren Verhältnißen auch wohl besseres gebracht hätte. Oriani und Carlini42 giengen mich schon öfters an, ihnen von der Vollendung Ihrer Arbeit über die Theorie der Störungen der neuen Planeten Nachricht zu geben. Was Sie darüber in Ihrem Briefe sagten, will ich ihnen, mit Ihrer Erlaubniß, mittheilen. Wir sehen alle der Beendigung dieser Unternehmung und der Mittheilung derselben mit der größten Sehnsucht entgegen. Daß wir noch viel anderes vortreffliche, was nicht unmittelbar zu diesen Störungen gehört, aber doch 41 Gemeint ist der Gellert-Berg, auf dem die Sternwarte lag. 42 Barnaba Oriani und Francesco Carlini in Mailand.

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damit zusammenhängt, hören werden, hat mir unser brave Tittel gesagt. Möchte es Ihnen doch bald gefallen, uns dies alles zu Gute kommen zu laßen. Daß für die h Maße so wenig daraus folgt, war mir unerwartet, noch mehr aber die große Aenderung der Maße Jupiters, mit deßen Genauigkeit die Franzosen so viel Rühmens machten. Was von diesen Herren besonders Delambre betrifft, so habe ich seine sogenannte Astronomie,43 noch in Casan, mit Widerwillen, hin und wieder mit Abscheu, gelesen. Wenn in der Vorrede gesagt würde, daß dies Buch eigentlich nur die Hefte eines seiner mittelmässigsten Schülers, wie er sie, ohne eben viel davon zu verstehen, in seinen Collegien auf gerade wohl nachgeschrieben hat, enthalte, so würde ich es ohne weiteres geglaubt haben, so breit, so unordentlich, so lüderlich, möchte ich sagen, ist es geschrieben und dann auch diesem gemäß gedruckt worden. Einige wenige Capitel ausgenommen ist da nichts neues, viel falsches und unter dem alten sehr wenig, was nicht da und dort schon besser gesagt wäre. Dies letztere scheint mir besonders zu gelten, so oft er44 Ihren Nahmen nennt. Es kömmt mir vor, als wollte er durchaus mit Ihnen anbinden. Er muß weder Sie, noch sich kennen, wenn er so was im Ernste wollte. Am meisten empörte es mich, zu sehen, wie er Ihre T[heoria] M[otus] C[orporum] C[oelestium]45 mißhandelt, gerade so, wie weiland Kästner Eulers Mechanik mißhandelte.46 Ohne auch nur den geringsten guten neuen Gedanken hinzuzuthun, verzerrt er das Ganze auf eine eben so kindische als tadelnswürdige Art. Hat er, dem seit einiger Zeit die Quartbände unter den Händen wachsen, denn gar keinen Begriff von der Praecision des Vortrags, durch die sich jenes Werk so auszeichnet und wäre es nicht tausendmal leichter und vortheilhafter gewesen, das, was nun einmal aufs beste gesagt ist, blos abzuschreiben, als es so entstellt wieder von sich zugeben? Wenn die Franzosen jenes Werk nur aus dieser frazenhaften Barbouillage kennen lernen sollten, so wird es mich nicht wundern, wenn die aimable suffisance seines letzten Schülers es nach dem Beyspiele seines Lehrers unternimmt, den Meister zu meistern. – Und doch, auf der andern Seite dieses Gemähldes, H[err] Tittel erzählte mir so viel von der Bescheidenheit, von der Liebenswürdigkeit dieses Man43 „Astronomie théorique et pratique“ von Jean-Baptiste Delambre (Delambre 1814). Siehe auch den Brief Nr. 2. 44 Jean-Baptiste Delambre. 45 „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium“ (Gauß 1809a). Die Besprechung dieses Werkes durch Delambre in: Connaissance des temps pour l’an 1812. Paris 1810, S. 344–394. 46 „Theoria motus corporum solidorum seu rigidorum ex primis nostrae cognitionis principiis stabilita et ad omnes motus, qui in hujusmodi corpora cadere possunt, accommodata“ von Euler (Euler 1765/90; E 289). Die Besprechung von Abraham Gotthelf Kästner erschien in den „Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen“. Sie enthält außer einer knappen Inhaltsangabe die folgende Bemerkung von Kästner: „Dieser einfachste Fall [Bewegung einer Kugel] benimmt fast die Hoffnung, nach gegenwärtiger Methode bey allgemeiner Untersuchung glücklich zu seyn; daß sich solche ausführen läßt, weiß man anderswo her, folglich müßte es sich hier auch durch analytische Kunstgriffe bewerkstelligen lassen, derselben Aufsuchung erforderte nicht nur Scharfsinn, sondern auch gute Augen, daher Euler sie andern empfiehlt, doch hier auch noch Vorschläge zur Erleichterung thut“ (Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 1790, S. 1266–1270 (126. Stück, 7.8.1790), hier S. 1268).

8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840)

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nes, daß er auch Ihnen davon schreiben will und daß ich nicht weiß, was ich von ihm denken soll. Bisher glaubte ich, daß es nur Einen Pasquich gibt. Hier noch einige Worte von einer Arbeit, die mich eben ganz beschäftigt. Sie erinnern sich noch der Zenithdistanzen der Mask[elyneschen] Fixsterne, die ich aus Bessels Beob[achtungen] abgeleitet habe und ihres sonderbaren Resultats. Seitdem habe ich auch die AR der zwey ersten Monde reduzirt und mich zuerst bloß auf die Diff[erenz] der AR dieser Sterne beschränkt. Diese Arbeit ist sehr langweilig, aber eben so nützlich und ich glaube, daß man bisher diese AR nicht mit dieser Schärfe gegeben hat. So finde ich z.B.: die Rect[ascensionen] des Ȗ Pegasi gleich Null vorausgesetzt, die mit. Rect[ascensionen] des Į Arietis für 1815.00 gleich n 15.0 19.1 10.0 18.9 11.6 10.9 2.0 6.0

1h53ƍ 2".78 2.76 2.82 2.73 2.88 2.69 2.76 2.67

n 5.3 6.0 21.8 19.2 31.5 30.4 36.4 30.2

1h53ƍ 2".71 2.45 2.76 2.71 2.64 2.72 2.68 2.73

n 14.4 14.4 27.3 13.0 30.0 22.7 35.9

1h53ƍ 2".80 2.82 2.77 2.89 2.77 2.84 2.75

wo n die Zahl der Beob[achtungen] also 1h 53ƍ 2." 745 aus 433 Beobachtungen, mit dem wahrscheinlichsten Fehler ± 0.00625. Eben so mit den übrigen. Tittel sagte mir, daß Ihr Sohn, der dem meinigen47 sehr ähnlich sehen soll, bereits Latein lerne und daß er ihm jedem seiner Briefe zur Uebung ein lat[einisches] Briefchen beylege. Da ich in diesem Lande mein altes verrostetes Latein auch wieder hervorsuchen mußte, so will ich es eben so machen. Das erstemal habe ich es kurz gemacht, um ihn nicht zu ermüden und um ihn zu bewegen, mir in derselben Sprache wieder zu antworten. Aus seiner Antwort werde ich bald sehen, wie ich meinen Styl einzurichten habe. Vielleicht daß er bald Briefe aus Tobolsk oder aus Ochozk48 von mir erhält. Ich bitte um die Fortdauer Ihrer gütigen Freundschaft und bin mit wahrer Hochachtung Ihr ergebenster Diener Littrow.

47 Joseph Gauß und Carl Ludwig Littrow, der 1811 in Kasan geboren wurde, waren damals 10 Jahre alt. Tittel und Gauß reisten 1816 in Begleitung von Joseph Gauß nach München und Benediktbeuern, um dort bei Fraunhofer und Reichenbach Instrumente einzukaufen. 48 Ochotsk.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 5. Littrow an Gauß, 19. Mai 1819 (Ofen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Littrow 5 (2 S.)

Ofen den 19 May [1]819 Ihr letztes Schreiben, verehrtester Herr Hofrath, erhielt ich erst den 17 März, also beynahe ein halbes Jahr später, als Sie es geschrieben haben. H[err] v. Lindenau schickte es mir mit seinem Briefe vom 20 Febr[uar], wahrscheinlich blieb es bey ihm so lange liegen. Für den Inhalt danke ich Ihnen herzlichst. Es war mir Trost u[nd] Freude, daß Sie meiner und meiner alten Bitte so freundschaftlich gedenken und sich eines in gar mancher Hinsicht sehr arg betrogenen Mannes annehmen. Gerne, sehr gerne möchte ich Verhältnisse geendigt sehen, die mir und meiner Familie alle Lust am Leben rauben. Die Universität Dorpat hat mir seitdem noch nicht geschrieben und wenn ich mich auf einen etwas unverständlich geschriebenen Brief von Petersburg verlaßen kann, so hat diese Universität bereits Brandes in Breßlau gewählt, weil ich weiß nicht welches ihrer Mitglieder Brandes als einen der größten Astronomen unserer Zeit und seine Briefe üb[er] Astr[onomie]49 als ein claßisches Werk der Versammlung gepriesen hat. Wie dem seyn mag – wenn mir, wie es scheint, von dort keine Erlösung kömmt, so wiederhole ich meine Bitte für eine andere nahe Gelegenheit. Ich kann es, obschon ich zuweilen anfange, abergläubisch zu werden, ich kann es mich nicht überreden, daß ich so ganz ohne alle Schuld verflucht seyn soll, hier als Opfer der Thorheit und des abscheulichsten Eigensinnes eines andern auf eine so elende Weise zu Grunde zu gehen. Ab omni malo libera nos Domine! Zwar habe ich durch Schubert50 in Petersburg einen Ruf nach der Universität Charcow51 erhalten und es hängt nur von mir ab, ihn anzunehmen. Da aber dort weder Sternwarte, noch Bibliothek ist, da die Professoren seit vielen Jahren wie bezahlte Boxer sich in den Haaren liegen und man vielleicht Parthey nehmen muß, um es nicht mit allen zu verderben – so will ich noch etwas temporisiren. Vielleicht daß indeßen eine andere beßere Thüre sich öffnet. Meine hiesigen Verhältnisse sind übrigens die alten und es wäre Thorhei[t] hier Verbesserungen zu erwarten. Die wahre Ursache dieses Uebels muß tiefer stecken, als ich anfangs glaubte. Ob da was oder nichts geschieht, ob alles zu Grunde geht, noch eh’ es gebraucht wird, diese und überhaupt alle wißenschaftlichen Rücksichten müßen anderen weichen, die zu errathen, so offen sie auch daliegen mögen, ich dummer Junge erst drey Jahre leiden mußte. Auch unser Adjunkt52 hat seinen Abschied begehrt. Man hat ihm aber sein Papier zurückgegeben mit den Worten: Begehren können Sie Ihre Entlaßung, erhalten 49 „Die vornehmsten Lehren der Astronomie deutlich dargestellt in Briefen an eine Freundin“ von Heinrich Wilhelm Brandes (Brandes 1811–1816). 50 Friedrich Theodor Schubert. 51 Charkow. 52 Daniel Kmeth.

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aber sollen Sie sie nie. Ist das nicht wie in der Hölle, aus der auch keine Erlösung seyn soll? Indeßen habe ich vor 14 Tagen dem Kaiser53 selbst geschrieben, ihm alles gesagt, was, wie ich glaube, gesagt werden soll und ihn gebeten, mir entweder eine andere Stelle oder die Erlaubniß zur Rückkehr nach Rußland zu geben. Thut er das letzte und öffnet sich bis dahin kein anderer Weg, so gehts nach Charcow. Ça ira toujours, wenn nicht laufend, doch hinkend. Den Brief an Tittel habe ich sogleich abgeschickt.54 Er soll krank seyn. Seine letzten Briefe zeigen [sic] von Mißmuth und großer Unzufriedenheit. Seine Hoffnungen mit dem Canonicate werden hingehalten. Sie werden so lange an ihm necken und nergeln, bis er wird, wie die andern alle. Eher ist hier keine Ruhe. Man muß sich immer ein bischen bestialisiren, um unter den Menschen glücklich leben zu können. Indem ich Ihnen noch einmal herzlich danke, bin ich mit der innigsten Hochachtung Verehrtester Herr Hofrath Ihr ergebenster Diener Littrow.

Brief 6. Littrow an Gauß, 2. Juni 1821 (Wien) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Littrow 6 (3 S.)

Wien den 2 Juni [1]821 Hochwohlgeborner, Hochzuehrender Herr Hofrath. In unserem polytechnischen Institute55 wird nun nebst andern für die neue Sternwarte bestimmten Instrumenten auch ein Reichenbach’scher Meridiankreis angefangen.56 Da dies Instrument eines der neuesten von denen ist, die wir von jenem

53 Kaiser Franz I. von Österreich. 54 Dieser Brief von Gauß an Tittel scheint nicht erhalten zu sein. Im Gauß-Nachlaß befinden sich nur vier Briefe von Tittel an Gauß aus den Jahren von 1814 bis 1818. 55 Das Kaiserlich-Königliche Polytechnische Institut (Polytechnikum) in Wien war 1815 gegründet worden. 56 Am Wiener Polytechnikum war im Jahre 1818 eine Werkstätte eingerichtet worden, der Andreas Jaworsky vorstand. Dieser war ein Schüler von Georg von Reichenbach, weshalb gelegentlich von einer Verlegung der Werkstätte Reichenbachs von München nach Wien berichtet wurde, was jedoch so nicht den Tatsachen entspricht. In Wien hergestellte, für die dortige Sternwarte bestimmte Instrumente wurden demzufolge als Reichenbachsche Instrumente bezeichnet, wobei wohl der „Typ Reichenbach“ gemeint ist. Im Detail hatte Littrow ein 18zölligen Multiplikationskreis, ein Äquatorial, einen repetierenden Theodoliten, sowie ein Mittagsfernrohr von 6 Fuß Brennweite,

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Künstler erhalten haben, und da der letzte nach seinen eigenen Aeußerungen noch nicht ganz zufrieden damit ist, sondern von künftigen Aenderungen und Verbeßerungen spricht; da endlich Sie ein solches Instrument schon länger besitzen, und wir zu Ihnen das größte Zutrauen haben – so bitte ich Sie im Namen und Auftrag jenes Instituts, uns Ihre Bemerkungen und Vorschläge zu Verbeßerungen, welche Sie an diesem Instrumente für rathlich finden, gütigst mitzutheilen, damit sie hier sofort in Ausführung gebracht werden können. Auch die nähere Beschreibung des Stückes, welches Reichenbach als nachträgliche Correction diesen Kreisen später nachgeschickt hat, würde dem Institute äußerst willkommen seyn, da wir davon keine bestimmte und deutliche Nachricht haben, und nur so viel erfahren haben, daß dieses Stück „eine vollkommnere Hemmung näher an dem Mittelpunkte“ enthalte, als die früher war. In kurzem werde ich die Ehre haben, Ihnen mein beynahe geendigtes Buch über Astronomie57 zu schicken, dem zu Ende des Jahres der erste Band der Beobachtungen dieser Sternwarte folgen soll,58 von welchem letzten Werke alle Jahre ein Band erscheinen wird. Ich bitte im voraus um eine freundliche Aufnahme. Zwar sind die gegenwärtigen Instrumente und ihre Aufstellung nicht die gehörigen, daran fehlt viel, aber eine so wohlthätige Einrichtung glaubte ich nicht früh genug benützen und in Gang bringen zu können, darauf rechnend, daß man zufrieden seyn wird mit dem, was unter den gegebenen Umständen geleistet werden konnte. Ist einmal die neue Sternwarte mit ihren Instrumenten da, so soll es schon beßer kommen. Haben Sie uns nichts über die beste Einrichtung einer Sternwarte zu rathen? Ich würde es, wie alles, was von Ihnen kömmt, mit dem größten Dank aufnehmen. Noch füge ich, um doch nicht ganz mit leeren Händen zu erscheinen, meine erhaltenen Sternbedeckungen bey. Es würden ihrer leicht mehr seyn, wenn ich nicht so weit von der Sternwarte wohnen müßte. Vergeßen Sie nicht meine obige Bitte, und nehmen Sie die aufrichtige Versicherung der innigsten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu seyn Ew. Hochwohlgeborner ergebenster Diener Littrow.

ein Meridiankreis sowie einen Refraktor von 10 Fuß Brennweite und 7 Zoll Öffnung bestellt (Hamel/Müller/Posch 2010, S. 215). 57 Littrows „Theoretische und practische Astronomie“ (Littrow 1821–1827). Dieses Werk befindet sich nicht, vielleicht nicht mehr, in der Gauß-Bibliothek. 58 Annalen der kaiserlich-königlichen Sternwarte in Wien. Bd. 1. Wien 1821.

8. Joseph Johann Edler von Littrow (1781–1840)

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[P.S.]

Seit dem 10 May ist die Witterung ausgezeichnet schlecht, und selbst ungewöhnlich kalt. Sonst gienge es hier gut, ich bin sehr gesund und recht, recht sehr zufrieden, seit ich das abscheuliche Ofenloch verlassen habe, wo sie mir noch die Pest einimpfen wollten. Als sie mich nämlich an der Sternwarte nicht mehr erhalten konnten, wollten sie mich als Professor nach Pest auf ihre Magyarische Universi-

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tät, si ita loqui fas est, bringen, chois je fuis trop pauvre, pour accepter ce don. Von nun an sollen Sie keine Klagbriefe mehr von mir erhalten, mit denen ich Ihnen sonst lästig genug fiel. Ich werde es nie vergeßen, daß Sie unter allen, denen ich damals mein Klaglied vorsang, und deren sind nicht wenige, der Einzige waren, der hilfreiche Hand bot, mich aus meiner Galeere zu erlösen. Aber wie ist es mit Derpt?59 Brandes ist doch nicht gegangen, denn er meteorogisirt noch in seinem Breslau. Ich höre und sehe nichts mehr von Rußland und Ungarn, und bin recht zufrieden damit.

Brief 7. Littrow an Gauß, 1. Dezember 1823 (Wien) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Littrow 7 (6 S.)

Wien den 1 Dezemb[er 1]823. Hochwohlgeborner, Hochzuehrender Herr! Ich komme mit einer Bitte, die Sie mir nicht abschlagen sollten. – Ich habe eine wahre Noth mit meiner neuen Sternwarte, größtentheils weil ich es mit lauter Behörden zu thun habe, die nichts von der heiligen Astronomie verstehen, und die mir immer nur ihre eigenen Einfälle, die sie natürlich für die besten halten, aufdringen wollen. Nach vierjährigem Hin- und Herreden ist endlich von der Regierung beschlossen worden, die Aboer Sternwarte, was die äußere Form betrifft, zu Grunde zu legen, und ich soll die etwa nöthigen Veränderungen angeben, welche der wißenschaftliche Zweck und unsere Verhältniße fodern [sic]. Ich habe auch das, nach meinem besten Wißen und Gewißen, gethan. In der Anlage ist die Zeichnung der Aboer Sternwarte (von einer ungeübten Hand und wegen der nöthigen Eile nur hingeworfen) und zugleich meine Vorschläge, wie sie, ohne der beliebten äußern Form etwas zu nehmen, dem wißenschaftlichen Zwecke vollkommen entsprechend eingerichtet werden könnte. Damit nun diese Vorschläge bey nicht astronomischen Bureaus nicht wieder neue vierjährige Discußionen herbeyführen, und da bey Leuten dieser Art eine gewichtvolle Auctorität mehr gilt, als alle Gründe, die sie doch nicht verstehen, so bitte ich Ew. Hochwohlgeborn angelegentlichst, mir in einem ostensiblen Schreiben nur mit einigen Worten zu sagen, ob Sie glauben, daß man auf einer so eingerichteten Sternwarte gut beobachten kann, und ob sie überhaupt dem wißenschaftlichen Bedürfniße gemäß eingerichtet ist. Das Wohngebäude übergehe ich hier ganz, da es sich nur um den wißenschaftlichen Zweck handelt, und da man auch darüber schon ganz einig ist. Ich bemerke nur noch, daß sowohl um den oberen Saal bey ef, als auch um die ganze Sternwarte auf dem äußeren Boden eine breite und feste Terraße läuft, und daß der Ort, wo sie erbaut werden soll, in Beziehung auf Aussicht, Festigkeit, Trockenheit &c so vorzüglich ist, daß er gleich anfangs ohne Widerrede als der beste innerhalb der Linien Wiens angenommen worden ist. 59 Dorpat.

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Es gibt ohne Zweifel noch andere vorzügliche Formen, aber ich muß unter meinen Verhältnissen froh seyn, nur einmahl eine fixirt zu haben, und wenn man hier, wie gesagt, nur auch gut beobachten kann, so ist es schon genug. Jeder neue Vorschlag würde neue Prozeße herbeyführen, und ich bekome am Ende gar nichts. Meine großen Meridianinstrumente60 werden den nächsten Sommer vollendet seyn, und ich möchte, eh’ ich alt werde, meine noch übrige Kraft gern gut und nützlich verwenden. Helfen Sie mir dazu, ich bitte Sie inständig. Mit der innigsten Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn Ew Hochwohlgeborn ergebenster Diener Littrow.

[Zeichnung der Sternwarte in Åbo]

[Auf der Hinterseite der Zeichnung sind Berechnungen von Gauß’ Hand zu sehen.] [Der weiterfolgende Text stammt offensichtlich nicht von Littrows Hand, wahrscheinlich von seinem Sohn Carl Ludwig.] 60 Der Reichenbachsche Meridiankreis konnte erst um 1830 und der Fraunhofer Äquatorial-Refraktor erst um 1831 in Betrieb gehen.

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Um die Discussionen über die Form und Einrichtung der in Wien neu zu erbauenden Sternwarte abzukürzen, wurden die vorzüglichsten der bereits bestehenden, die von Abo, Göttingen, Königsberg, München und Seeberg in Zeichnungen vorgelegt. Man wählte die von Abo, vielleicht, weil ihr Äußeres am meisten zusagte, und ich erhielt den Auftrag, die etwa danach nöthigen Veränderungen anzugeben, um sie ihrem wissenschaftlichen Zwecke ganz entsprechend zu machen. – Meine Vorschläge waren folgende: 1. Da die Aboer Sternwarte keinen Thurm mit einem beweglichen Dache hat, den wir für das beireits [sic] bald vollendete große Aequatorial von Reichenbach brauchen, so wird dieser Thurm so 12 Fuß im Durchmesser, 10 Fuß Höhe so auf der obersten Gallerie ac errichtet, wohin also, statt dem zwecklosen Zierrath des Globus b, jenes Aequatorial gestellt wird. 2.) Dem Aequatorial eine sichere Unterlage zu geben, wird in der Mitte A des unteren Saales ein massiver Cylinder von 12 Fuß Durchmesser aufgemauert, der durch beyde Säle geht, und um den eine von dem Cylinder isolirte eigenne Wendeltreppe geht, durch die man aus dem untern Saal in den obern, und aus dem obern in das Thürmchen des Aequatorials kömt. 3. Diese Stiege ruht auf einer den Cylinder parallel und frey umgebenden Mauer. Der Fußboden des obern Saales wird einerseits von dieser Mauer, und anderseits von der Hauptmauer BBB des untern Saales getragen. 4.) Die innere freye Breite des obren Saales von der äußern Mauer desselben bis zur Wendeltreppe soll 18 Fuß seyn, also groß genug für die größten beweglichen Instrumente, die hier durch 6 Fuß breite, und 10 Fuß hohe Fenster eine ungehinderte Aussicht nach allen Weltgegenden haben. 5.) Die 2 Beobachtungszim[m]er CC für die fixen Meridianinstrumente werden ganz so, wie der Beobachtungssaal in München ausgerüstet. Jedes hat zwey Meridianeinschnitte und drey Fenster, jedes 6 F[uß] breit und 10 F[uß] hoch, einen in der Erde erbauten soliden Mauerblock, auf den die, die Instrumente tragenden Pfeiler61 ruhen; die Uhren haben ebenfalls ihre isolirten Pfeiler, der Fußboden ist mit dem Mauerblock und den Instrumenten in keiner Berührung, die innern Wände sind mit Holz getäfelt &c. 6.) Zwischen diesen 2 Zim[m]ern CC und dem untern Saale werden zwey andere Zim[m]er eingeschoben, für Aufbewahrung der Instrumente, Bibliothek, Arbeitszimmer &c. 7.) Die durch Nro 6 erweiterte Länge der Sternwarte von Ost nach West erlaubt das Wohngebäude auf der Nordseite in zwey Theile zu theilen, den untern Saal ganz rund zu machen, und ihm gegen Norden, in dem Hof zwischen beiden Wohngebäuden, ebenfalls große Fenster zu geben. 8.) Alle Fenster werden mit sichern Brustwehren versehen, auf denen man mit Theodoliten &c. beobachten kann. 9. Das Mittelfenster d des untern Saales wird zum Hauptthore der Sternwarte gemacht.

61 Original: Pfleiler.

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10. Der innere Fußboden der Sternwarte ist wegen der Trockenheit 8 Fuß über dem äusseren. Auf diese Weise glaube ich die einmal gegebene Form der Aboer Sternwarte I.) durch die erwähnte Einrichtung der zwei Zimer, CC für die fixen Meridianinstrumente II.) durch die des obern Saales für die beweglichen, und III.) durch die des Thürmchens über der Mitte des obern Saales mit seinem Pfeiler für das Aequatorial, den wissenschaftlichen Bedürfnissen einer Sternwarte zweckmässig angepaßt zu haben. Littrow

Brief 8. Littrow an Gauß, 19. Februar 1824 (Wien) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Littrow 8 (3 S.)

Wien den 19 Febr[uar 1]824. Hochwohlgeborner Herr Hofrath! Ich würde Ihnen gleich auf Ihren gütigen Brief, für welchen ich Ihnen recht sehr danke, geantwortet haben, wenn es mir möglich gewesen wäre, Ihren Auftrag wegen der Mittheilung der geod[ätischen] Messungen durchzusetzen. Seitdem habe ich mehrmahl einen Versuch gemacht, aber ich war mit keinem glücklich. Nicht als wollte, oder als dürfte man nicht mittheilen, aber ... man fürchtet sich, und zwar nicht vor dem Gouvernement, sondern vor der Kritik der Ausländer. Sie können kaum glauben, in welchem Grade man sich vor dieser Kritik fürchtet, obschon man vielleicht keine Ursache dazu hat, denn wenn auch bey einer so großen Arbeit, an der so viele sehr verschiedene Individuen Theil nehmen, etwa manches vorgefallen ist, was besser hätte seyn können, so ist doch das Ganze, nach meiner Kenntniß der Sache, recht sehr gut, und wenn es da und dort Gelegenheit zu Tadel geben sollte, so würde dafür an anderen Orten das gerechte Lob desto reicher ausfallen. Aber man will lieber weder Lob noch Tadel, als auch nur den geringsten Vorwurf, und ich sehe nicht ein, wie ich diese ihre Furcht besiegen soll. Die ganze Sache hängt nähmlich (nicht von Oberst Augustin, der nur eine kurze Zeit mithalf) sondern vom Oberst Fallon ab, der der Chef der ganzen Vermessung ist, und alle Papiere und Belege bey sich hat. Fallon kömmt beynahe täglich auf die Sternwarte, er hat mich gern, und ich ihn auch, da er ein wackerer, braver Mann ist, aber – er ist immer kränklich, und so ist denn, glaube ich, seine Ansicht jener Sache endlich auch kränklich geworden. Er hat einen Respect vor den Norddeutschen, der ans Entsetzen gränzt, und die heillose Kritik, die dem Liesganig mit seiner öster[reichischen] Vermessung wiederfahren ist, dröhnt ihm wie ein Donnerwetter in den Ohren. So lange wir ihm diesen Wahn nicht benehmen können, ist kaum etwas heraus zu winden. Von Seite des Gouvernements fehlt es bey uns gar nicht, denn im vorigen Jahre ist die förmliche Bewilligung unsers Kaisers erschienen, alle diese Messungen, wie man es nur nöthig findet, öffentlich bekannt zu machen. Aber die Furcht, die Furcht kritisirt zu werden, übertäubt selbst den sehnlichen Wunsch, gelobt zu werden.

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Es mag auch manches dabey zu entschuldigen seyn, indessen bin ich überzeugt, daß er mit der Wirkung jener Bekanntmachung zufrieden seyn würde, wenn man ihm nur seine Furcht benehmen könnte. Ich glaube, vorzüglich gut würde es seyn, wenn Sie ihm selbst darüber schreiben und beruhigen wollten. Ein sanfter Brief, in welchem Sie, wie schon in meinem, sagen, daß Sie nur den Gebrauch davon machen wollen, den man zugibt, verbunden mit der großen, wirklich unbegrenzten Achtung, die er, wie wir alle, für Sie hat, möchte wohl die besten Dienste thun. Er gibt itzt die Höhenbestimmungen der verschiedenen Signale heraus, die gewiß sehr gut sind. Sie werden sich freun zu sehn, wie die Höhe eines Punktes, durch drey, vier und mehr Reihen von allen Seiten, sehr nahe immer wieder dieselbe ist. Das wird prächtige Anhaltspunkte für Barometerreisen in unserm Vaterlande geben. Der erste Band ist beynahe vollendet, er wird Ihnen auch ein Ehrenexemplar zuschicken. Seine Absicht ist, dieses zuerst zu endigen, und dann, wie er sagt, erst die grossen ǻ ǻ, und die Originalmessungen derselben, eben so umständlich herauszugeben. Allein erstens sagt er nur so, und zweytens kann jener erste Theil sehr lange dauern, er glaubt selbst, erst in 6 oder 8 Jahren die Herausgabe der Höhen zu vollenden.62 Bis dorthin lebt er vielleicht nicht mehr, denn er kränkelt immer, ist ist [sic] nicht mehr jung. Und stirbt er, so kann wahrscheinlich Niemand sich in den Nachlaß finden. Er trug mir wiederhohlt auf, Ihnen zu sagen, daß er nach seiner ursprünglichen Absicht und selbst nach dem Auftrage der Regierung, keine Gradmessung, sondern nur eine Triangulirung geben wollte, und daß er bey dieser Triangulirung auf Ihren Beyfall rechne. Das ist wieder nichts als Furcht, denn ein andermahl sagt er wieder, und mit Recht, wie ich glaube, daß unsere Vermessung viel besser ist, als die französische Gradmessung. Diese öst[erreichischen] Vermessungen erstrecken sich itzt schon beynahe über ganz Illyrien, Steyermark, Kärnthen, Tyrol, Salzburg, Böhmen, Mähren, ganz Gallizien, ganz Österreich ob der Enns, und über nahe die Hälfte von Ungarn. Selbst die ǻ ǻ der kleineren Ordnung sind durchaus mit 8 zoll[igen] einf[achen] Theodolithen, die der ersten Ordnung mit 12 zoll[igen] repet[ierenden] Theod[olithen] gemessen worden und immer wurden alle 3 Winkel unmittelbar beobachtet, und das Netz über alle jene Länder so eng gewebt, daß auf den Raum von einer geogr[aphischen] Ƒ Meile gewöhnlich drey Punkte fallen. Endlich sagte er mir, daß die Verbindung der preußischen und österreichischschlesischen Vermessung den letzten Sommer gut ausgeführt, und dadurch der Bogen zwischen den Parallelen von Breßlau und Spalatro gestellt sey, aber die Rechnungen seyen noch nicht vollendet. Kann ich ferner etwas beytragen, diese Sache zu befördern, so bitte ich, mir nur die Art näher anzugeben, auf welche ich es thun soll, ich werde herzlich gern dienen. Ich habe die Ehre mit inniger Hochachtung zu seyn 62 Der erste und einzige Band „Hypsometrie von Oesterreich: aus trigonometrischen Nivellirungen hergeleitet“ von Ludwig August Fallon kam in der Tat erst sieben Jahre später heraus (Fallon 1831). Dieses Werk ist nicht in der Gauß-Bibliothek vorhanden.

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Ew Hochwohlgeboren ergebenster Diener Littrow.

Brief 9. Littrow an Gauß, 18. August 1835 (Wien) Quelle: Universitätsbibliothek Leipzig, Sammlung Kestner, II A II, 1081a

Hochwohlgeborner, Hochzuehrender Herr Hofrath. Ich bin so frey, Ihnen den Ueberbringer dieses, H[err]n Krone,63 als einen braven, talentvollen jungen Mann bestens zu empfehlen, der zu seiner mathem[atischen] Ausbildung eine Reise nach Norddeutschland macht und deshalb um Ihren gütigen Beyrath bittet. Mit der innigsten Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn. Hochwohlgeborner Herr Hofrath, Ihr ganz ergebener Diener J. J. Littrow. Wien 18 Aug[ust] 1835.

63 Es konnte keine Information über Krone ermittelt werden.

Abb. 40. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij um 1839 Gestochen in Leipzig von [H.] Gedan. Aus: Litvinova 1895, Frontispiz.

9. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (1792–1856) ɇɢɤɨɥɚɣ ɂɜɚɧɨɜɢɱ Ʌɨɛɚɱɟɜɫɤɢɣ

9.1. Nikolaj Ivanovič Lobačevskijs Lebenslauf im Überblick * 20.11./1.12.1792

1797 1807 1814 1816 1820–1821 1822 1823–1825 1823 1825–1846 1825–1835 1827–1846 Februar 1829 bis August 1830 23.5./4.6. bis 28.5./9.6.1829 16./28.10.1832 7./19.11.1832 1834 26.6./8.7.1842 23.11.1842 1846 1846–1855 1855 † 12./24.2.1856

1

Lobačevskij geboren in Nishnij Nowgorod1 Übersiedlung nach Kasan nach dem Tod des Vaters Beginn des Studiums an der Universität Kasan, vor allem bei Martin Bartels, Franz Xaver Bronner und Joseph Johann Littrow Adjunkt der Mathematik an der Universität Kasan Ernennung zum Außerordentlichen Professor in Kasan Dekan der Physikalisch-Mathematischen Abteilung Ernennung zum Ordentlichen Professor für Reine Mathematik in Kasan Dekan der Physikalisch-Mathematischen Abteilung Gutachten von Nikolaus Fuß über Lobačevskijs Geometrielehrbuch Vorsitzender des Ausschusses für den Bau der Universität Kasan Beauftragter für die Universitätsbibliothek Rektor der Universität Kasan Erste Veröffentlichung zur nichteuklidischen Geometrie „Über die Anfangsgründe der Geometrie“ im „Kasaner Boten“ Besuch Alexander von Humboldts in Kasan Heirat mit Varvara Alekseevna Moiseeva, vier Kinder Rezension von Lobačevskijs „O načalach geometrii“ (Über die Anfangsgründe der Geometrie) von Michail Vasil’evič Ostrogradskij Rezension von Lobačevskijs „O načalach geometrii“ im Journal „Syn Otečestva“ Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis in Pensa zusammen mit Ernst Knorr Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen auf Vorschlag von Gauß Emeritierung vom Lehramt Stellvertreter des Kurators des Bildungsbezirks Kasan Ernennung zum Ehrenmitglied der Moskauer Universität gestorben in Kasan

In manchen Quellen werden andere Daten genannt, das hier genannte Datum ist belegt (Vasil’ev 1992, S. 7).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

9.2. Miszellen zu Leben und Werk Nikolaj Ivanovič Lobačevskij war noch nicht ganz fünf Jahre alt, als sein Vater, der gemäß der Überlieferung Architekt oder Feldmesser war, starb. Die Mutter zog daher von Nishnij Nowgorod, dem Geburtsort Lobačevskijs, nach Kasan. Dort besuchte ihr Sohn seit 1802 das Gymnasium, wo ihm Lateinkenntnisse vermittelt wurden, die Lobačevskij noch ein halbes Jahr vor dem Beginn des Studiums vervollkommnen sollte (Vasil’ev 1992, S. 11). Im Februar 1807 nahm er an der erst wenige Jahre zuvor ins Leben gerufenen Universität das Studium auf. Sehr schnell wurde Martin Bartels sein wichtigster Lehrer, der seit Februar 1808 als Professor für Reine Mathematik in Kasan tätig war. Daraus, dass Bartels seine Vorlesungen nicht nur auf Latein, sondern auch in französischer und in deutscher Sprache hielt, kann man schließen, dass Lobačevskij im Laufe seines Studiums die deutsche Sprache erlernte. Lobačevskij hörte auch Vorlesungen bei Franz Xaver Bronner, der von 1810 bis 1816 in Kasan als Professor für Theoretische und Experimentelle Physik wirkte und dort ein Physikalisches Kabinett eingerichtet hatte.2 Gleichzeitig mit Lobačevskij studierte auch der etwas jüngere Ivan Simonov an der Universität Kasan. Beide waren insbesondere der Mathematik und der Astronomie zugewandt und beobachteten im Jahre 1811 unter der Leitung von Joseph Johann Littrow den Großen Kometen.3 Über diese Beobachtungen berichtete am 6./18. September 1811 die lokale Zeitung „Kazanskija izvěstija“ (Kasaner Nachrichten),4 die unter Aufsicht der Universität Kasan herausgegeben wurde (Modzalevskij 1948, S. 49). Martin Bartels versäumte nicht, die Erfolge seiner Schüler in den mathematischen Wissenschaften der Leitung der Universität zu melden. Ein Beispiel dafür ist sein auf Latein verfasster Bericht vom 11./23. Juli 1811 an den Kurator des Bildungsbezirks Kasan, Stepan Jakovlevič Rumovskij. Bartels lobt Lobačevskij und Simonov und stellt fest, dass die beiden auch an jeder deutschen Universität als ausgezeichnete Studenten gelten würden. Rumovskij übersetzte diesen Bericht ins Russische und ließ ihn dem damaligen Minister für Volksaufklärung, Graf Aleksej Kirillovič Razumovskij, zukommen. Daraufhin wurden Lobačevskij, Simonov und noch drei weitere Studenten im September 1811 für ihre Erfolge im Studium mit einem Lob des Ministers und des Kurators ausgezeichnet. Am 15./27. September 1811 wurde Lobačevskij zum Magister der mathematisch-physikalischen Wissenschaften ernannt (ebenda, S. 47, 49–51).

2 3 4

Bronner beschäftigte sich mit Mathematik und Naturwissenschaften; er war Mitglied des Illuminatenordens, Schriftsteller und Moralist. Komet 1811 I (Great comet, Flaugergues) war vom 25.3.1811 bis zum 17.8.1812 sichtbar. Originaltitel: „Ʉɚɡɚɧɫɤiɹ ɢɡɜ࣎ɫɬiɹ“.

9. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (1792–1856)

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Im Oktober 1811 erteilte Bartels Lobačevskij und Simonov bei sich zu Hause Privatunterricht, und zwar zweimal wöchentlich je zwei Stunden (Zagoskin 1902: 2, S. 528–529; Modzalevskij 1948, S. 51–52). Es ging dabei um das Studium der „Disquisitiones arithmeticae“ von Gauß (Gauß 1801) sowie des ersten Bandes des „Traité de mécanique céleste“5 von Laplace (Laplace 1799–1825: 1). Ein Bericht von Bartels vom 4./16. Oktober 1811 an den Gymnasialausschuss6 in Kasan lautet: „Consilio Honoratissimo Academico Gymnasii Casanensis a professore Bartels Secundum mandatum a Consilio honoratissimo indico: 1. Me ad dirigenda studia D[omi]norum M[agistrorum] Lobaschevski et Simonov quatuor horas per septimanam diebus Iovis et Saturni horis matutinis Xa et XIa destinasse, in quibus Disquisit[iones] Arith[meticas] Gaussii et Tom[um] 1 Mechanicae Celestis la Place explicabo. 2. Dominum Lobaschevski praeterea [lec]tionibus meis publicis adesse, ut tum me duce in methodo docendi experietur, tum auditoribus linguarum extranearum expertibus interpres sit [...]“ (Fedorenko 1988, S. 48). Am 10./22. Juli 1812 musste Bartels über seine beiden tüchtigen Studenten ein Gutachten7 schreiben, das im Falle von Lobačevskij überaus positiv und im Falle von Simonov positiv ausfiel (siehe S. 170–171). Beide Studenten hatten als Aufgabe gestellt bekommen, über bestimmte Kapitel von Laplaces „Traité de mécanique céleste“ einen Kommentar zu verfassen. Bartels unterstreicht in seinem Gutachten, dass Lobačevskij den schwierigen Text nicht nur durchdrungen habe, sondern auch mit „eigenen Ideen auszuschmücken“, in der Lage gewesen sei. Bartels betont, dass Lobačevskij ein äußerst begabter Mathematiker sei, der sicher Berühmtheit erlangen werde. Bereits im Juni 1812 reichte Lobačevskij dem Universitätsrat eine Abhandlung über die Theorie der elliptischen Bewegung der Himmelskörper mit dem Titel „Teorija ėlliptičeskago dviženija nebesnych těl“ ein.8 Diese seine erste Arbeit wurde jedoch nicht veröffentlicht (Engel 1899, S. 359; Vasil’ev 1992, S. 28, 34). Im Jahre 1813 legte Lobačevskij der Universität eine weitere Arbeit vor. Diesmal ging es um die Auflösung einer algebraischen Gleichung: „O raz-

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Der erste Band des „Traité de mécanique céleste“ von Laplace war 1799 in Paris erschienen. Das Gymnasium in Kasan war mit der Universität in deren ersten Jahren eng verbunden. Lateinisches Original in: Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 92, op. 1, ʋ 511, l. 3. Abgedruckt in: Engel 1899, S. 358–359; Modzalevskij 1948, S. 54–55; Vasil’ev 1992, S. 34–35. Übersetzung ins Deutsche, siehe S. 170–171. Originaltitel: „Ɍɟɨɪɿɹ ɷɥɥɢɩɬɢɱɟɫɤɚɝɨ ɞɜɢɠɟɧɿɹ ɧɟɛɟɫɧɵɯɴ ɬ࣎ɥɴ“. Beleg in: Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 92, op. 1, ʋ 511, l. 2.

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rešenii algebraičeskago uravnenija xn – 1 = 0“.9 Mit diesem Beitrag knüpfte Lobačevskij, wie es schon der Titel vermuten lässt, an bestimmte Kapitel von Gauß’ „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) an. Die Zeitung „Kazanskija izvěstija“ berichtete am 26. Juli/7. August 1816 darüber, dass Lobačevskij das Manuskript der Physikalisch-Mathematischen Abteilung der Universität Kasan eingereicht hatte (Modzalevskij 1948, S. 74). Auch diese Arbeit wurde damals nicht veröffentlicht, doch fanden ihre Ergebnisse in erweiteter Form Eingang in Lobačevskijs 1834 veröffentlichtes Lehrbuch „Algebra ili vyčislenie konečnych“ (Algebra oder die Rechnung mit endlichen Größen),10 wo sie in Kapitel 16, § 215 enthalten ist (Lobačevskij 1834a; vgl. Engel 1899, S. 359, 411–413; Vasil’ev 1992, S. 28–29). Im Unterschied zu vielen anderen Studenten unternahm Lobačevskij nach Abschluss seines Studiums keine Studienreisen ins Ausland. Bereits 1812 begann er, an der Universität Kasan Mathematik zu unterrichten, wobei er zunächst Spezialkurse abhielt. Seitdem er 1814 zum Adjunkt der gerade eröffneten Physikalisch-Mathematischen Abteilung11 berufen worden war, hielt er an der Universität auch Vorlesungen. Seine erste Vorlesung in den Jahren 1814/ 1815 hatte als Thema „Zahlentheorie nach Gauß und Legendre“. Eine Anzeige dieser Lehrveranstaltung wurde am 31. Oktober/11. November 1814 in der Zeitung „Kazanskija izvěstija“ veröffentlicht (Modzalevskij 1948, S. 64). In den Jahren 1815/1816 las Lobačevskij über „Zahlentheorie nach Gauß“. Der Vorlesungsplan der Physikalisch-Mathematischen Abteilung wurde vom damaligen Dekan Martin Bartels bestätigt (Zagoskin 1899, S. 7). Die Berufung zum Außerordentlichen Professor im Jahre 1816 verlief sowohl für Lobačevskij als auch für Simonov nicht ohne Intrigen, die jedoch ohne Folgen blieben. Entscheidend war letztlich die wissenschaftliche Qualität der beiden Kandidaten. Der damalige Kurator Michail Aleksandrovič Saltykov,12 der die beiden talentierten Zöglinge der Universität Kasan unterstützte, schrieb in einem Brief vom 24. Juli 1816 an den Professor Franz Xaver Bronner: „Il se peut, que ma prédilection pour Simonoff et Lobatchewski m’ait porté à leur procurer un avantage, qui les distinguat de leurs collégues, mais comme je vous l’ai déjà dit, je me suis référé à la recommandation non seulement de Littrow et Bartels, mais de presque tous les professeurs: et puis dans l’espace de trois ans j’ai pu m’assurer par moi-même, si ces deux sujets méritaient cette exception. Ce ne point gratitude de ma part, puisque bien loué 9 Originaltitel: „Ɉ ɪɚɡɪ࣎ɲɟɧiɢ ɚɥɝɟɛɪɚɢɱɟɫɤaɝɨ ɭɪɚɜɧɟɧɿɹ xn – 1 = 0“. 10 Originaltitel: „Ⱥɥɝɟɛɪɚ ɢɥɢ ɜɵɱɢɫɥɟɧɿɟ ɤɨɧɟɱɧɵɯɴ“. 11 Die Universität Kasan bestand gemäß den Gründungsstatuten aus vier Abteilungen: einer Moralisch-Politischen, einer Physikalisch-Mathematischen, einer Medizinischen und einer Philologischen Abteilung, deren Organisation erst 1814 abgeschlossen wurde. Die Gliederung in Fakultäten wurde im Jahre 1835 eingeführt. 12 Saltykov war von 1812 bis 1818 Kurator des Bildungsbezirks Kasan.

9. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (1792–1856)

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d’avoir instruit mes enfants Lobatchewski au contraire a pris des leçons de langue française chez moi. Malgré cela, Simonoff et Lobatchewski sont professeurs en dépit de la cabale. J’ai insisté là dessus et j’ai écrit au Ministre, que mon honneur serait lésé, s’il ne les confirme pas sur ma présentation, sans scrutin, sans Conseil et vous me dites, que le Recteur était sur le point de produire ma lettre au Conseil“ (Modzalevskij 1948, S. 73–74). Von 1815 bis 1817 hielt Lobačevskij Vorlesungen über Geometrie und Algebra und ab 1819 auch über Astronomie, da sein Kollege Simonov an der wissenschaftlichen Expedition in das südliche Eismeer teilnahm. Darüber hinaus wurden Lobačevskij Vorlesungen über Theoretische und Experimentelle Physik aufgebürdet, nachdem der dafür zuständige Professor Bronner Kasan im Jahre 1816 verlassen hatte. Von 1819 bis 1822 leitete Lobačevskij stellvertretend für Simonov das astronomische Observatorium. Später wurden einige Zusammenfassungen der Vorlesungen von Lobačevskij, Mitschriften seiner Studenten (Modzalevskij 1948) sowie eine Liste von Lobačevskijs Lehrveranstaltungen (Vasil’ev 1992, S. 108–109) veröffentlicht. Im Jahre 1822 wurde Lobačevskij in Kasan zum Ordentlichen Professor für Reine Mathematik ernannt, wiederum gleichzeitig mit Simonov, der Professor für Astronomie wurde. Ebenfalls als Nachfolger von Bartels, der nach Dorpat gewechselt war, wurde Lobačevskij 1820 zum Dekan der PhysikalischMathematischen Abteilung gewählt. Dieses Amt hatte er auch von 1823 bis 1825 inne. Lobačevskij nahm auch sonst zahlreiche Ämter in der akademischen Selbstverwaltung wahr. So leitete er das Bauamt, die Universitätsbibliothek, die Sammlungen. Im Jahre 1827 wurde er zum Rektor der Universität gewählt, welche Stellung er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1846 innehatte, also fast 20 Jahre lang (ebenda, S. 56–79). Nachdem Lobačevskij das Rektoramt angetreten hatte, hielt er am 5./17. Juli 1828 eine vielbeachtete Rede über die wichtigsten Gegenstände der Erziehung, die auch veröffentlicht wurde (Vasil’ev 1992, S. 79–83, 89; Engel 1899, S. 430–431). Trotz all dieser Beschäftigungen vernachlässigte Lobačevskij seine Forschungstätigkeit nicht. Er veröffentlichte Beiträge zu vielen Bereichen der Mathematik. Besonders bekannt sind vor allem seine Arbeiten zur nichteuklidischen Geometrie, aber er publizierte auch über Algebra und Analysis. Auch die Schwingungen von Luftsäulen und die Beschreibung einer Sonnenfinsternis, die er zusammen mit Ernst Knorr am 26. Juni/8. Juli 1842 in Pensa beobachtet hatte, waren Themen seiner Publikationen (Vasil’ev 1992, S. 217–219). Während seiner Dienstzeit verließ Lobačevskij Kasan nur selten. Im Jahre 1821 unternahm er eine Reise nach St. Petersburg, um Mathematikbücher für die Universitätsbibliothek sowie Instrumente für das Physikalische Kabinett zu bestellen. Darüber verfasste er einen ausführlichen Bericht (Modzalevskij 1948, S. 107–115). Im Herbst 1836 besuchte Lobačevskij St. Petersburg von neuem, dabei hatte er einen Auftrag des Kurators Musin-Puškin an Paul Heinrich Fuß zu erledigen. In seinem Bericht vom 23. November/5. Dezember 1836 über den Aufenthalt in St. Petersburg, der für den Minister für Volksaufklärung,

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Sergej Semënovič Uvarov, bestimmt war, erwähnt Lobačevskij eine Besichtigung der Akademie der Wissenschaften, der Universität, des MagnetischMeteorologischen Observatoriums des Korps der Bergingenieure sowie einen Besuch bei der Kommission zur Festlegung der Maße und Gewichte. Man darf annehmen, dass sich Lobačevskij in St. Petersburg öfters mit seinem ehemaligen Kasaner Kollegen Adolph Theodor Kupffer getroffen hat. Darüber hinaus hat Lobačevskij dort den Telegraphenapparat von Schilling von Canstadt besichtigt (Modzalevskij 1948, S. 384–388). Seine Dienstreise wurde bis Ende Dezember 1836 verlängert, so dass Lobačevskij auch Dorpat besuchen konnte. Dort traf er möglicherweise seinen ehemaligen Mathematiklehrer Bartels, der am 7./19. Dezember desselben Jahres in Dorpat verstarb. Im Jahre 1840 unternahm Lobačevskij ferner eine Reise nach Helsingfors. Lobačevskijs erfolgreichster Schüler war Aleksandr Fëdorovič Popov. Dieser war 1845 in Kasan mit einer Arbeit über die Integration von Differentialgleichungen der Hydrodynamik promoviert worden (Popov 1845). Das ausführliche Gutachten von Lobačevskij wurde der gedruckten Fassung der Dissertation als Anhang hinzugefügt (Engel 1899, S. 448).13 Nach Lobačevskijs Emeritierung vom Lehramt wurde Popov sein Nachfolger als Professor für Reine Mathematik (1846 als Außerordentlicher und 1849 als Ordentlicher Professor). Nachdem Lobačevskij 1856 in Kasan gestorben war, verfasste Popov einen Nachruf, der in deutscher Sprache im „Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland“ veröffentlicht wurde und in dem er wertvolle Zeugnisse über Lobačevskij als Lehrer hinterließ: „Im Auditorium verstand es L[obačevskij], je nach dem Gegenstande, den er vortrug, die Gemüther seiner Zuhörer entweder durch die Tiefe des Gedankens oder durch den Zauber des Vortrags zu fesseln und mit sich fortzureissen. Es glich aber sein Vortrag keineswegs seiner Schreibweise. Während in seinen Schriften sich eine gedrängte, nicht immer deutliche Diktion zeigte, bemühte er sich in seinem mündlichen Vortrage um möglichst deutliche Auseinandersetzung, löste zuerst die einzelnen Aufgaben synthetisch, bewies aber dann die allgemeinen Sätze analytisch; wobei es ihm nicht so sehr auf das Mechanische der Rechnung, als vor Allem auf die Genauigkeit des Begriffes ankam. Er zeichnete die Figuren auf der Tafel langsam und emsig, schrieb die Formeln hübsch nieder, damit die Einbildungskraft der Zuhörer mit Vergnügen die Gegenstände des Vortrags sich zurückrufen könnte. Er liebte es mehr im Vortrage seinen eigenen Weg zu gehen, als sich an bestimmten Schriftstellern zu halten und überließ es den Zuhörern selbst, sich mit der näheren Literatur des Gegenstandes bekannt zu machen. Seine öffentlichen Vorträge über Physik wurden stets von einem 13 Gesamttitel in deutscher Übersetzung: Ausführliche Analyse der von dem Magister A. F. Popof zur Erlangung des Doktorgrades in der Mathematik und Astronomie vorgelegten Dissertation, betitelt: „Ueber die Integration der Differentialgleichungen der Hydrodynamik, wenn diese auf lineare Form gebracht sind“ (zitiert nach: Engel 1899, S. 448).

9. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (1792–1856)

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zahlreichen Publikum mit großem Interesse angehört, während seine Vorlesungen über neue Principien der Geometrie, die mit Recht für scharfsinnig und tief durchdacht gelten, nur vor einem kleinen auserwählten Kreise von Zuhörern gehalten wurden“ (Popov 1858, S. 337). Das vorbildliche Pflichtbewusstsein von Lobačevskij beschreibt Aleksandr Popov wie folgt: „Ein College Lobatschewskji’s äusserte sehr wahr, dass für ihn im Dienste, wie in der Wissenschaft, jede Arbeit gleiche Wichtigkeit hatte; was er auch vornahm, alles war in seinen Augen wichtig, alles betrieb er mit besonderem Eifer, mit inniger Ueberzeugung von dem Nutzen der Sache. Niemals wich er seinen Verpflichtungen aus, übernahm oft freiwillig Arbeiten“ (ebenda, S. 336). Lobačevskijs Schriftenverzeichnis umfasst 17 Nummern bei Popov (Popov 1858, S. 338–339) und 20 Nummern bei Engel und bei Vasil’ev (Engel 1899, S. 446–449; Vasil’ev 1992, S. 217–219). Übersetzungen und weitere Abdrucke seiner Arbeiten sind dabei nicht mitgezählt. Die Gesammelten Werke von Lobačevskij erschienen zuerst in einer zweibändigen und später in einer fünfbändigen Ausgabe (Lobačevskij 1883/86; Lobačevskij-Werke 1946–1951).

9.2.1. Lobačevskij und Kasan Lobačevskij verbrachte fast sein ganzes Leben in Kasan. In besonderem Maße setzte er sich für die Stadt und für die Universität ein. Zu erwähnen sind seine Aktivitäten als Vorsitzender des Ausschusses für den Bau der Universität von 1825 bis zum Ende seiner Tätigkeit an der Universität im Jahre 1846. Auf Grund seiner Bemühungen wurden viele Universitätseinrichtungen gebaut, darunter das Anatomische Theater, das Astronomische und das Magnetische Observatorium, die Orangerie sowie das neue Gebäude der Universitätsbibliothek. Der Bibliothek hat Lobačevskij einen herausragenden Dienst erwiesen. Im Jahre 1825 wurde er zum Bibliotheksbeauftragten gewählt und behielt dieses Amt zehn Jahre lang, obwohl er 1827 Rektor wurde. Lobačevskij setzte sich für einen intensiven Bücheraustausch mit den Bibliotheken sowohl in Russland als auch im Ausland ein und sorgte für die Erarbeitung eines wissenschaftlichen Katalogs. In Anerkennung seiner Verdienste für die Bibliothek trägt diese seit 1953 seinen Namen (Romanov 1940). Tapfer handelte Lobačevskij beim Ausbruch der Cholera in Kasan im Jahre 1830 und bei dem großen Brand im August 1842, der die Stadt verwüstete. Und natürlich hat es während seines Studiums und während seiner Tätigkeit an der Universität mannigfache Probleme und Auseinandersetzungen gegeben. Diese Details sollen hier nicht erörtert werden, sondern es sei auf die Literatur verwiesen (Litvinova 1895; Modzalevskij 1948; Vasil’ev 1992).

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9.2.2. Lobačevskijs herausgeberische Tätigkeit 9.2.2.1. Der „Kasaner Bote“ Während viele Akademien eine oder gar mehrere Zeitschriften herausgaben und herausgeben, die ihren Mitgliedern als Publikationsorgan offenstehen, galt und gilt dies für Universitäten normalerweise nicht. Universitätsmitglieder, die keiner Akademie angehörten, waren auf Fachzeitschriften angewiesen. Fachzeitschriften begannen sich jedoch erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts langsam zu entwickeln. Im deutschen Sprachraum standen am Anfang dieser Entwicklung die seit 1682 in Leipzig auf Latein herausgegebenen „Acta Eruditorum“. Die erste mathematische Fachzeitschrift war das von August Leopold Crelle herausgegebene „Journal für die reine und angewandte Mathematik“, dessen erster Band 1826 erschien. In Russland begann sich das wissenschaftliche Zeitschriftenwesen außerhalb der Akademie erst im 19. Jahrhundert herauszubilden. Im Jahre 1821 erschien das erste Heft der Zeitschrift „Kazanskij věstnik“14 (im Weiteren „Kasaner Bote“),15 die von der Kaiserlichen Universität Kasan herausgegeben wurde. Dies war ein erster Versuch in Russland, ein Publikationsorgan speziell den Universitätsangehörigen bereitzustellen. Neu war auch, dass die Beiträge in russischer Sprache veröffentlicht wurden, während die Akademie in St. Petersburg damals, wie schon die Titel ihrer Zeitschriften erkennen lassen, vor allem Beiträge in französischer, aber auch in deutscher Sprache publizierte.16 In der Tat war der „Kasaner Bote“ die erste Fachzeitschrift in russischer Sprache. Lobačevskij hatte durchaus Anteil an dieser Zeitschrift. Im Dezember 1823 wurde er in die Redaktion aufgenommen. Nachdem er Rektor der Universität geworden war, übernahm er 1828 den Vorsitz in der Redaktion und förderte seitdem die Reformierung der Zeitschrift. Der „Kasaner Bote“ war das einzige Organ, in dem Lobačevskij seine ersten wissenschaftlichen Beiträge veröffentlichen konnte (dies geschah jedoch erst ab 1828), da er zunächst auf russisch schrieb und nicht Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg war und dies auch niemals werden sollte. Darüber hinaus wäre die Veröffentlichung seiner bahnbrechenden Ideen in einer anderen Zeitschrift in Russland kaum möglich gewesen. Doch gab es den „Kasaner Boten“ nur bis 1832. Das letzte Heft enthielt die oben erwähnte Rektoratsrede Lobačevskijs, die dieser im Juli 1828 gehalten hatte (Lobačevskij 1832).

14 Originaltitel: „Ʉɚɡɚɧɫɤiɣ ɜ࣎ɫɬɧɢɤɴ“. 15 Der „Kazanskij věstnik“ (Kasaner Bote) löste ein erstes Kasaner Periodikum, die „Ʉɚɡɚɧɫɤiɹ ɢɡɜ࣎ɫɬiɹ“ (Kasaner Nachrichten), ab. 16 „Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“, „Bulletin scientifique” (von 1836 bis 1842), „Bulletin de la Classe Physico-Mathématique de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg“ (ab 1843).

9. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (1792–1856)

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Abb. 41. Titelblatt des „Kasaner Boten“ aus dem Jahr 1830 Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 103.

9.2.2.1. Die „Gelehrten Schriften“ der Universität Kasan Es war der Initiative von Lobačevskij zu verdanken, dass es in Kasan zur Gründung einer weiteren wissenschaftlichen Zeitschrift kam. Im Jahre 1834 erschien der erste Band der „Gelehrten Schriften“ der Kaiserlichen Universität Kasan, der „Učenyja zapiski, izdavaemyja Imperatorskim Kazanskim universitetom“, die, von Unterbrechungen abgesehen, auch heute noch existieren.17 Lobačevskijs späterer Schüler Aleksandr Popov wusste darüber zu berichten: „Diese Zeitschrift, die jetzt unter den auswärtigen Gelehrten sich einen Namen erworben, verdankt L[obačevskij] alles vom ersten Entwurfe an bis zur jetzigen Entwicklung. Verschiedene Akademien erhalten jetzt diese Denkschriften im Austausche für ihre Memoiren“ (Popov 1858, S. 338). Der erste Band der neugegründeten „Gelehrten Schriften“ der Universität Kasan begann mit einer Vorrede von Lobačevskij. Die darauffolgende erste Abhandlung, die die Zeitschrift eröffnete, war ein längerer mathematischer 17 Vollständiger Originaltitel: „ɍɱɟɧɵɹ ɡɚɩɢɫɤɢ, ɢɡɞɚɜɚɟɦɵɹ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɢɦɴ Ʉɚɡɚɧɫɤɢɦɴ ɭɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɨɦɴ“.

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Beitrag von Lobačevskij über die Erniedrigung des Grades einer zweigliedrigen Gleichung, wenn der um eins verminderte Grad durch acht teilbar ist: „Poniženie stepeni v dvučlennom uravnenii, kogda pokazatel’ bez edinicy dělitsja na 8“18 (Lobačevskij 1834b), in dem er an Gauß’ zahlentheoretisches Werk „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) anknüpfte. In diese Abhandlung wurde auch Lobačevskijs frühere nichtveröffentlichte Schrift über die Auflösung der algebraischen Gleichung xn – 1 = 0 integriert. Bemerkenswert ist, dass das erste Wort in der ersten Abhandlung im ersten Band der „Gelehrten Schriften“ der Universität Kasan der Name „Ƚɚɭɫɫɴ“ (Gauß) ist. Die Abhandlung von Lobačevskij beginnt mit der Aussage, dass Gauß im Jahre 1801 (die Jahresangabe 1811 ist ein Druckfehler) sein Werk „Disquisitiones arithmeticae“ veröffentlicht und in dieses einen aufschlussreichen Beitrag über die Teilung des Kreises aufgenommen habe. In der Folgezeit erschienen in den „Gelehrten Schriften“ der Universität Kasan sämtliche in russischer Sprache verfassten Schriften Lobačevskijs.

Abb. 42. Die erste Seite des ersten Hefts der „Gelehrten Schriften“ der Universität Kasan mit einem Aufsatz von Lobačevskij (Lobačevskij 1834b) Exemplar der N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Kasan.

18 Originaltitel: „ ɉɨɧɢɠɟɧiɟ ɫɬɟɩɟɧɢ ɜɴ ɞɜɭɱɥɟɧɧɨɦɴ ɭɪɚɜɧɟɧiɢ, ɤɨɝɞɚ ɩɨɤɚɡɚɬɟɥɶ ɛɟɡɴ ɟɞɢɧɢɰɵ ɞ࣎ɥɢɬɫɹ ɧɚ 8“.

9. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij (1792–1856)

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Um das Jahr 1841 unternahm Lobačevskij zusammen mit Ernst Knorr in Kasan einen Versuch, Supplementhefte zu den „Gelehrten Schriften“ herauszugeben. Durch diese in deutscher oder in französischer Sprache herauszugebenden Supplemente beabsichtigten sie, eine unverzügliche Vermittlung der Arbeiten Kasaner Gelehrter nach Westeuropa zu erreichen. Leider wurde dieser Gedanke nur in einem Heft verwirklicht, das Gauß jedoch erreichte. Es handelt sich um ein Heft mit den in deutscher Sprache verfassten Abhandlungen von Knorr (Knorr 1841) und Lobačevskij (Lobačevskij 1841). Das Heft ist in der GaußBibliothek unter der Nr. 878 vorhanden (Lehfeldt 2011, S. 311–312, 323–324, Nr. 14, 29). Zu bemerken ist, dass es fast gleichzeitig sowohl in Kasan als auch in Moskau zur Gründung einer wissenschaftlichen Universitätszeitschrift kam. Die Gelehrten Schriften der Kaiserlichen Moskauer Universität, die „Učenyja zapiski Imperatorskago Moskovskago Universiteta“,19 wurden seit 1834 herausgegeben. Im Jahre 1836 erschien dort die russische Übersetzung von Gauß’ bahnbrechender Arbeit „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ unter dem Titel: „Ob izměrenii zemnago magnitizma“20 (Gauß 1836b). In den Jahren 1833 bis 1834 wurde von Carl Heinrich Kupffer in Reval erstmals der Versuch unternommen, eine spezielle mathematische Zeitschrift in russischer Sprache: „Učebnyj matematičeskij žurnal“,21 ins Leben zu rufen. Von dieser Zeitschrift erschienen jedoch nur zwei Jahrgänge (siehe S. 335–336).

9.2.3. Lobačevskijs frühe Beiträge zur imaginären Geometrie Es existieren noch Nachschriften von Vorlesungen über Geometrie und Algebra, die Lobačevskij in den Jahren von 1815 bis 1817 gehalten hat. Darunter sind drei verschiedene Versuche von Lobačevskij aus dieser Zeit enthalten, die Euklidische Parallelentheorie zu begründen (Engel 1899, S. 362). Er beschäftigte sich also schon zu dieser Zeit mit dem Thema, dem er später seine wichtigsten Untersuchungen widmen sollte. Allerdings stand er damals noch ganz am Anfang seiner Forschungen. Im Februar 1826 legte Lobačevskij der Physikalisch-Mathematischen Abteilung der Universität Kasan ein Manuskript über seine Parallelentheorie vor, von dem nur der Titel bekannt ist: „Exposition succinte des principes de la géométrie avec une démonstration rigoureuse du théorème des parallèles“ (Engel 1899, S. 371; Modzalevskij 1948, S. 222–223). Lobačevskij hielt in einem Begleitschreiben fest, dass er diese Abhandlung auf französisch verfasst habe, um sie in einer fremdsprachigen, noch zu gründenden Schriftenreihe der Universität Kasan zu veröffentlichen, deren Gründung schon zu dieser Zeit diskutiert wurde. Jedoch blieben die Gutachten seiner Kollegen, darunter Ivan Michajlovič Simonovs und Adolph Theodor Kupffers, 19 Originaltitel: „ɍɱɟɧɵɹ ɡɚɩɢɫɤɢ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ɇɨɫɤɨɜɫɤɚɝɨ ɭɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ“. 20 Originaltitel: „Ɉɛɴ ɢɡɦ࣎ɪɟɧiɢ ɡɟɦɧɚɝɨ ɦɚɝɧɢɬɢɡɦɚ“. 21 Originaltitel: „ɍɱɟɛɧɵɣ ɦɚɬɟɦɚɬɢɱɟɫɤiɣ ɠɭɪɧɚɥɴ“.

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aus. Auch die geplante Schriftenreihe wurde damals nicht verwirklicht. Daher blieb diese Abhandlung ungedruckt und landete im Archiv, wo sie später leider abhanden gekommen ist. So erschien Lobačevskijs erstes Meisterwerk erst in der Zeit von 1829 bis 1830 in russischer Sprache unter dem Titel „O načalach geometrii“ (Über die Anfangsgründe der Geometrie)22 im „Kasaner Boten“ in mehreren Teilen (Lobačevskij 1829/30). Hier stellte Lobačevskij die Grundlagen der nichteuklidischen Geometrie, von ihm imaginäre Geometrie genannt, erstmals einem breiteren Publikum vor. Lobačevskij war in der Tat der erste, der über dieses Problem eine Arbeit veröffentlicht hat. In den Anmerkungen zu seiner Abhandlung im „Kasaner Boten“ weist Lobačevskij mehrfach darauf hin, dass sich diese auf seine unveröffentlichte Arbeit von 1826 stütze (Abb. 43). Die Hefte mit der Abhandlung „O načalach geometrii“ sind heute eine wahre Rarität. Nicht einmal die N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek und das Museum für die Geschichte der Universität Kasan besitzen noch vollständige Ausgaben.

1

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Abb. 43. Lobačevskijs Abhandlung über die Anfangsgründe der Geometrie „O načalach geometrii“ im „Kasaner Boten“ (Lobačevskij 1829/30) In den Fußnoten (*) wird ein Hinweis auf die Abhandlung gegeben, die Lobačevskij im Februar 1826 der Physikalisch-Mathematischen Abteilung der Universität Kasan vorgelegt hatte. 1. Kazanskij věstnik, čast’ 25 (Februar, März 1829), S. 178. Abgedruckt in: Lobačevskij-Werke 1946–1951: 1, S. 184. 2. Kazanskij věstnik, čast’ 28 (März, April 1830), S. 251. Exemplar der N. I. LobačevskijForschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Kasan.

22 Originaltitel: „Ɉ ɧɚɱɚɥɚɯɴ ɝɟɨɦɟɬɪiɢ“.

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Der Publikation von Lobačevskij im „Kasaner Boten“ folgten alsbald die „Novyja načala geometrii s polnoj teoriej parallel’nych“ (Neue Anfangsgründe der Geometrie mit einer vollständigen Theorie der Parallellinien),23 die bereits in den neugegründeten „Gelehrten Schriften“ der Universität Kasan publiziert wurden (Lobačevskij 1835/38). Dieses Werk ist ein vollständiges Lehrbuch der nichteuklidischen Geometrie. Der Lobačevskij-Forscher Friedrich Engel hat sicher Recht, wenn er die „Novyja načala geometrii“ „als eine wirklich meisterhafte Leistung“ bezeichnet. Engel betont, dass neben den Vorzügen dieses Werkes die Mängel fast ganz verschwänden (Engel 1899, S. 396). Lobačevskij versuchte auch in einer im Jahre 1836 veröffentlichten Arbeit „Priměnenie Voobražaemoj Geometrii k někotorym integralam“24 (Anwendung der Imaginären Geometrie auf einige Integrale) seine neue Geometrie auf die Integralrechnung anzuwenden (Lobačevskij 1836).

9.2.4. Lobačevskij und Berlin 9.2.4.1. Lobačevskijs wissenschaftliche Kontakte zu Berlin Als Alexander von Humboldt seine Reise nach Russland antrat, führte sein Weg durch Kasan, wo er und seine Reisegesellschaft einige Tage, vom 4. bis zum 9. Juni 1829, verbrachten (Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 46).25 Dort wurden Humboldt und seine Reisebegleiter vom Rektor der Universität, also von Lobačevskij empfangen. In dem erst 1837 erschienenen Reisebericht des Berliner Mineralogen Gustav Rose heißt es: „Nachdem wir uns hier etwas eingerichtet hatten, gingen wir nach dem Universitätsgebäude, wo Herr v. Humboldt von dem Curator der Universität, Herrn Mussin Puschkin, dem Rector Herrn v. Lobatschewski und von den übrigen Mitgliedern der Universität empfangen wurde“ (Rose 1837, S. 90). Ob Lobačevskij von diesem Treffen eine bleibende Erinnerung zurückbehalten hat, ist nicht bekannt. Als Rektor unterschrieb er am 9./21. Mai 1829 das prachtvolle Diplom eines Ehrenmitgliedes der Universität Kasan in lateinischer Sprache, das Humboldt während seines Aufenthalts in Kasan ausgehändigt wurde.26 Zu bemerken ist, dass Humboldt bereits 1825 auf Empfehlung von Simonov zusammen mit fünf anderen Gelehrten, darunter Franz Xaver von Zach (Genua)

23 Originaltitel: „ɇɨɜɵɹ ɧɚɱɚɥɚ ɝɟɨɦɟɬɪiɢ ɫɴ ɩɨɥɧɨɣ ɬɟɨɪiɟɣ ɩɚɪɚɥɥɟɥɶɧɵɯɴ“. 24 Originaltitel: „ɉɪɢɦ࣎ɧɟɧiɟ ȼɨɨɛɪɚɠɚɟɦɨɣ Ƚɟɨɦɟɬɪiɢ ɤɴ ɧ࣎ɤɨɬɨɪɵɦɴ ɢɧɬɟɝɪɚɥɚɦɴ“. 25 Nach dem damals in Russland gültigen Julianischen Kalender vom 23. bis zum 28. Mai 1829. 26 Das Original befindet sich heute im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

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und François Arago (Paris), zum Ehrenmitglied der Universität gewählt worden war.27 Im Jahre 1832 wurde Ernst Knorr, der in Berlin studiert hatte, als Professor der Physik und der Physikalischen Geographie an die Universität Kasan berufen. An dieser Berufung hatte Alexander von Humboldt aktiv mitgewirkt, indem er dem damaligen Minister für Volksaufklärung, Sergej Semënovič Uvarov, einen entsprechenden Empfehlungsbrief hatte zukommen lassen.28 Da die Stelle eines Professors der Physik und der Physikalischen Geographie in Kasan nach dem Weggang von Adolph Theodor Kupffer 1828 nach St. Petersburg unbesetzt war, empfahl Humboldt für die Vakanz den talentierten Berliner Physiker Knorr. Knorr war auch Humboldts Assistent bei dessen „KosmosVorlesungen“ gewesen, die dieser vom November 1827 bis zum April 1828 an der Universität Berlin gehalten hatte. Im Jahre 1830 war Knorr von der Universität Berlin auf Grund einer Arbeit über Ebbe und Flut in Physik promoviert worden (Knorr 1830). Am 9./21. Januar 1833 traf Knorr in Kasan ein, und schon am 22. März/3. April 1833 bedankte sich der Minister Uvarov bei Humboldt für die treffliche Empfehlung des Berliner Physikers. Vielleicht hatte Knorr den Anstoß dazu gegeben, dass sich Lobačevskij, der mit Knorr in freundschaftlichem Verkehr stand, im Jahre 1837 nach Berlin an August Leopold Crelle wandte.29 In Deutschland gab es zu dieser Zeit nur eine einzige mathematische Fachzeitschrift, nämlich das von Crelle herausgegebene „Journal für die reine und angewandte Mathematik“, das Beiträge vor allem in deutscher, in französischer und in lateinischer Sprache veröffentlichte. Lobačevskij reichte dort seinen in französischer Sprache verfassten Beitrag „Géométrie imaginaire“ ein. Dieser war schon in den Jahren 1834 und 1835 niedergeschrieben worden und stellt eine Bearbeitung des bereits in russischer Sprache im Jahre 1835 veröffentlichten Beitrags gleichen Titels dar (Lobačevskij 1835). Die Abhandlung erschien in Band 17 des von Crelle herausgegebenen Journals (Lobačevskij 1837). Als Lobačevskij sich an Crelle wandte, beabsichtigte er offensichtlich, seine Forschungsergebnisse nunmehr auch Lesern zugänglich zu machen, die der russischen Sprache nicht mächtig waren. Wie jedoch Friedrich Engel ausführt, ließ gerade diese Arbeit von Lobačevskij, was Klarheit und logischen Aufbau anlangt, zu wünschen übrig und war daher kaum geeignet, die neuartigen Ideen von einer nichteuklidischen Geometrie zu verbreiten. Lobačevskij stellte hier nämlich von vornherein und ganz unvermittelt die Gleichungen als etwas Ge27 Eine Urkunde wurde 1825 aus Kostengründen nicht ausgestellt, siehe: Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. FMF, ʋ 234, l. 1–5. 28 Siehe: Briefwechsel Humboldt-Uvarov, St. Petersburg, Russländisches Staatliches Historisches Archiv, f. 735, op. 1, ʋ 413. 29 Friedrich Engel teilt den Bericht des Sohnes von Ernst Knorr mit, dass Lobačevskij in Kasan insbesondere mit Knorr in freundschaftlichem Verkehr gestanden habe. Jedoch erinnerte Knorr d. J. sich nicht, gehört zu haben, dass sein Vater Gauß persönlich gekannt habe (Engel 1899, S. 438).

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gebenes hin (Engel 1899, S. 395). Leider befinden sich im Crelle-Nachlass, der im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufbewahrt wird, keinerlei Unterlagen zu dem Band aus dem Jahre 1837, in dem Lobačevskijs erste in Deutschland veröffentlichte Arbeit erschienen ist.30 Doch eine verbesserte Version ließ nicht lange auf sich warten: Im Jahre 1840 erschienen in Berlin Lobačevskijs „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ als eigenständige Schrift in deutscher Sprache (Lobačevskij 1840). Diese Veröffentlichung wies alle Vorzüge auf, die man sich nur wünschen konnte. Sie setzte kaum irgendwelche Vorkenntnisse voraus, war klar geschrieben und leicht zu verstehen. Ernst Knorr unternahm im Jahre 1840 eine Dienstreise ins Ausland und hatte dabei Gelegenheit, der Akademie der Wissenschaften zu Berlin die oben genannte Abhandlung von Lobačevskij sowie dessen Begleitbrief vom 12./24. Mai 1840, der im Folgenden zitiert wird, zu überreichen. Lobačevskij schrieb: „Der Königlichen Preussischen Academie der Wissenschaften zu Berlin. Durch meinen Collegen den Herrn Prof. Knorr habe ich die Ehre der Königlichen Akademie der Wissenschaften meine Abhandlung zu überreichen, welche überschrieben ist: Vollständige Theorie der Parallel-Linien. Obgleich meine Arbeit nicht viel Neues zur Wissenschaft hinzufügt, so wage ich doch zu hoffen, daß die hochverehrte Academie dieselbe mit Wohlwollen aufnehmen werde, was für mich nicht nur eine große Aufmunterung seÿe, sondern mir zugleich als Belohnung für die Mühe erscheinen wird, welche ich auf diese Untersuchungen verwendete. Mit ausgezeichneter Hochachtung habe ich die Ehre zu seÿn Einer Königlichen Academie der Wissenschaften Ganz ergebenster N. Lobatschewsky Prof[essor] d[er] Mat[hematik] u[nd] Rector der Kaiserlichen Universität zu Kasan. den 12. May.“31

Zu bemerken ist, dass Lobačevskijs Abhandlung „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ durch Ernst Knorr auch an Joseph Johann Littrow vermittelt wurde. Der ehemalige Lehrer des Kasaner Mathematikers war nunmehr in Wien tätig, wo ihn Knorr auf seiner Reise besuchte. Littrow 30 Berlin, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, CrelleNachlass, Findbuch. 31 Berlin, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, PAW 1812–1945, Sign. II–V–21, Bl. 159, 165; dort wurde dieser Brief erwähnt. Der Brief selbst befindet sich unter Sign. II–VI, 45, Bl. 187; er wurde bereits von Biermann veröffentlicht (Biermann 1961, S. 623–624).

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bedankte sich in einem an Simonov gerichteten Brief für das Geschenk: „Knorre [sic] brachte mir auch das Werkchen von H-n Lobatschewski, wofür ich ihm herzlich danken lasse. Grüssen Sie ihn vielmahl von mir, und sagen Sie ihm, dass ich mich innig freue zu hören, dass es ihm so gut geht.“32 Auch Gauß hat diese Abhandlung von Lobačevskij durch Ernst Knorr erhalten (siehe S. 501). Zwei Jahre später erschien im Crelleschen Journal ein weiterer Aufsatz von Lobačevskij, nämlich „Probabilité des résultats moyens tirés d’observations répetées“ (Lobačevskij 1842). Das acht Seiten umfassende, von Lobačevskijs Hand geschriebene Manuskript, das er Crelle geschickt hatte, wird in dessen Nachlass erwähnt und ist dort noch erhalten.33 Crelle machte am 25. Februar 1857 eine Aufstellung derjenigen russischen Wissenschaftler, die in dem von ihm herausgegebenen „Journal für die reine und angewandte Mathematik“ in den Bänden 1 bis 50 mitgearbeitet hatten. Dort werden 16 Namen genannt, darunter Bunjakovskij, Lobačevskij, Minding, Ostrogradskij, Paucker, Simonov und Čebyšev.34 9.2.4.2. Ein Portrait von Lobačevskij in Berlin Am 12./24. Januar 1896 schrieb Varvara Nikolaevna Achlopkova, Lobačevskijs verheiratete Tochter, an die Akademie der Wissenschaften in Berlin: „[…] ersuche ich die Königliche Akademie mir gestatten zu wollen – das Porträt (Bild) meines Vaters – als Zeichen meiner herzlichsten Dankbarkeit an die Königliche Akademie der Wissenschaften in Berlin zu senden.“ Nachdem die Akademie in einem Schreiben ihr Interesse bekundet hatte, antwortete Varvara Achlopkova: „In Folge des Empfanges des Briefes von der Königlichen Akademie vom 13. April 1896 – freue ich mich in den Stand gesetzt zu sein – meinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen – indem ich das Porträt meines Vaters – an die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin – […] zusenden werde.“ Das Bildnis wurde am 9. Februar 1897 zum Versand gebracht, und Varvara Achlopkova meldete der Akademie: „Es gereicht mir zum Großen Vergnügen, Ihnen mittheilen zu dürfen, daß ich laut beiliegender Bahnquittung, ein Porträt meines seligen Vaters, des Professors Lobatscheffsky bestimmt für die dortige Akademie der Wissenschaften zum Versand brachte und bitte Sie herzlich, dieses kleine Zeichen der Dankbarkeit annehmen zu wollen.“ Diese hier zitierten Schriftstücke wurden im Zusammenhang mit dem Bildnis,

32 Brief von J. J. Littrow an Simonov vom 12./24.9.1840 (Wien). Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 4507, l. 418. Briefexzerpt in: Modzalevskij 1948, S. 409. 33 Berlin, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, CrelleNachlass, Findbuch, Materialien zu Bd. 24, Nr. 13. 34 Ebenda, Crelle-Nachlass, vor der Paginierung.

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das sich heute in Besitz der Akademie befindet, als Begleitschreiben niedergelegt.35 In dem Protokoll der Sitzung der Akademie der Wissenschaften in Berlin vom 8. April 1897 wurde festgehalten: „Das im vorigen Jahre [...] als Geschenk an die Akademie in Aussicht gestellte Oelbild des Mathematikers Lobatschewsky zu Kasan ist eingetroffen. Der Tochter, Frau Warwara Achlopkoff, ist der Dank der Akademie auszusprechen; das Bild soll eingerahmt und einstweilen im Conferenzzimmer aufgehängt werden.“36 Das Dankschreiben der Berliner Akademie trägt das Datum des 21. April 1897. Das Gemälde wurde tatsächlich mit einem schönen Rahmen versehen. Ob es wirklich im Konferenzzimmer aufgehängt wurde und, wenn ja, wie lange es dort gehangen hat, ist nicht bekannt. Heute befindet sich das Gemälde in den „Sammlungen“ der Akademie, ist also nicht (mehr) aufgehängt. Es handelt sich um ein ovales Ölgemälde von ca. 75 x 64 cm Abmessung. Das Gemälde stammt, so die Legende, von dem Maler S. Uwaroff. Das auf der Rückseite des Portraits angegebene Jahr 1826 darf nicht als Datum von dessen Entstehung angenommen werden. Es handelt sich bestimmt um eine wesentlich spätere Darstellung von Lobačevskij. Als Vorlage für den Künstler diente möglicherweise eine Daguerreotypie von Lobačevskij, die im Dezember 1855 aufgenommen worden war (vgl. Modzalevskij 1948, zwischen S. 384/385 sowie S. 513).

Abb. 44. Portrait von Nikolaj Ivanovič Lobačevskij in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Farbiger Abdruck in: Mitteilungen der Gauß-Gesellschaft 46, 2009, S. 113.

35 Berlin, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Sammlungen, Sign. AAWBON–0044. 36 Berlin, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, PAW 1812–1945, Sign. II–V–73, Bl. 31 (1897).

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9.2.5. Lobačevskij und St. Petersburg Lobačevskij bemühte sich mehrfach, eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen durch die Mathematiker an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zu erreichen. Alle diese Versuche scheiterten jedoch, die renommierten Mathematiker in St. Petersburg lehnten seine Forschungsergebnisse ab, so etwa Nikolaus Fuß und Michail Vasil’evič Ostrogradskij, oder nahmen sie einfach nicht zur Kenntnis, wie z.B. Viktor Jakovlevič Bunjakovskij. Die bösartigste Rezension erschien schließlich unter dem Pseudonym „S. S.“ in der Zeitschrift „Syn Otečestva“ (Sohn des Vaterlandes),37 die Ostrogradskij zwar nicht geschrieben, aber wohl angeregt und gebilligt hatte. 9.2.5.1. Das Gutachten von Nikolaus Fuß Im Sommer 1823 schickte der damalige Kurator der Universität Kasan, Michail Leont’evič Magnickij, das Manuskript eines Geometrielehrbuches des jungen Ordinarius für Mathematik Lobačevskij an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Der Name des Autors wurde im Begleitbrief nicht erwähnt, man konnte ihn jedoch leicht erraten. Magnickij erklärte, er würde gerne ein Gutachten der Akademie erhalten, bevor man über den Antrag des Autors entscheide, dieses Lehrbuch auf Staatskosten zu drucken. Magnickij bat Nikolaus Fuß, der ein ausgewiesener Mathematiker war, um ein solches Gutachten. Dieses fiel jedoch so negativ aus, dass an einen Druck von Lobačevskijs Werk nicht zu denken war. Fuß schrieb in seinem in russischer Sprache verfassten Gutachten vom 3./15. August 1823,38 das hier in der Übersetzung von Friedrich Engel wiedergegeben wird: „Wenn der Verfasser glaubt, seine Schrift könne als Lehrbuch dienen, so zeigt er dadurch, dass er von den Ansprüchen, die man an ein Lehrbuch stellen muss, keinen rechten Begriff hat, das heisst, keinen Begriff von der Fülle der geometrischen Wahrheiten, die den Inbegriff eines Elementarkurses der Wissenschaft bilden, von der mathematischen Methode, von der Nothwendigkeit scharfer und deutlicher Erklärungen aller Begriffe, von der logischen Ordnung und der methodischen Eintheilung des Stoffs, von der gehörigen Aufeinanderfolge der geometrischen Wahrheiten, von der unerlässlichen Strenge und möglichst rein geometrischen Fassung der Beweise. Von allen diesen nothwendigen Eigenschaften ist in der Geometrie, die ich durchgesehen habe, auch nicht eine Spur“ (Engel 1899, S. 368). Nikolaus Fuß kritisierte darüber hinaus, dass Lobačevskij als Längeneinheit den „Meter“ zugrundegelegt hatte, stammten doch die dezimalen Längenmasse aus Frankreich und waren dort in Folge der Revolution eingeführt worden. Neuerungen, die mit der Französischen Revolution in Zusammenhang stan-

37 Originaltitel: „ɋɵɧɴ oɬɟɱɟɫɬɜɚ“. 38 Russisches Original abgedruckt in: Zagoskin 1904: 4, S. 55–56; Modzalevskij 1948, S. 155–157.

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den, waren jedoch in Russland vollkommen inakzeptabel (Zagoskin 1904: 4, S. 54–57). Im Jahre 1898 wurde das verlorengeglaubte Manuskript dieses Geometrielehrbuches in Kasan wiederaufgefunden. Es wurde 1909 veröffentlicht (Lobačevskij 1909). Vor allem konnte man dem Manuskript entnehmen, dass sich Lobačevskij zum Zeitpunkt von dessen Abfassung um 1823 schon Klarheit darüber verschafft hatte, dass das Parallelenpostulat von Euklid unbeweisbar ist. Aber inwieweit er damals bereits in die Ideenwelt der nichteuklidischen Geometrie eingedrungen war, lässt sich allein aus diesem Manuskript nicht beurteilen (Engel 1899, S. 368–370). 9.2.5.2. Die Rezension von Michail Vasil’evič Ostrogradskij Im August 1832 sandte der Conseil der Universität Kasan einen Sonderdruck der Abhandlung „O načalach geometrii“39 von Lobačevskij (Lobačevskij 1829/30) an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, was im „Recueil des actes“ vermerkt wurde.40 Daraufhin bat die Akademiekonferenz Michail Vasil’evič Ostrogradskij, der damals der führende Mathematiker in der Akademie war, ein Gutachten zu verfassen (Modzalevskij 1948, S. 327–328). Bereits bei der Akademiesitzung am 7./19. November 1832 lag die Stellungnahme von Ostrogradskij vor, die nicht schlimmer hätte ausfallen können: „L’Académie m’a chargé d’examiner un ouvrage de géométrie par Mr Lobatchevsky Recteur de l’Université de Kasan, et d’en rendre un compte verbal. Il semble que l’auteur s’est proposé d’écrire afin qu’on ne le comprenne pas. Il a atteint ce but; la plus grande partie de son livre m’est restée aussi inconnue, que si je ne l’avais jamais vu. Je n’y ai compris que ce qui suit. On peut admettre que la somme des angles dans un triangle est plus petite que deux angles droits. La Géométrie qui résulte ce cette hypothèse est plus difficile et plus étendue que celle que nous connaissons, et peut être d’un grand secours dans l’Analyse pure, et surtout dans la théorie des Intégrales définies, car elle a déjà servi pour trouver la valeur de deux Intégrales définies, que personne n’avait encore obtenues, et qu’il serait encore difficile d’obtenir par d’autres moyens. Sur ce que je viens de lire, je crois devoir rapporter à l’Académie: 1) Des deux intégrales définies que M-r Lobatchevsky croit avoir trouvé, une est connue. On peut la déduire des principes les plus élémentaires du calcul Intégral. La valeur de l’autre donnée à la page 120 est à la verité nouvelle, elle est due à M-r le Recteur de Kasan. Malheureusement elle est fausse. 2) Tout ce que j’ai compris dans la Géométrie de Mr Lobatchefsky est au dessous du médiocre. 39 Originaltitel: „Ɉ ɧɚɱɚɥɚɯɴ ɝɟɨɦɟɬɪiɢ“. 40 Recueil des actes de la séance publique de l’Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg (1832) 1833, S. 104 (5.9.1832, § 432).

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3) Tout ce que je n’y comprends pas, doit être mal rédigé par cela même, qu’il est difficile de le comprendre. J’en conclus que ce livre de M-r le Recteur Lobatchevsky est entaché d’une erreur, qu’il est rédigé sans soin, et qu’en conséquence il ne mérite pas l’attention de l’Académie. [Vermerk von P. H. Fuß:] Lu de 7 Novembre 1832; 602“ (Modzalevskij 1948, S. 332–334).

Ostrogradskij schloss also sein Gutachten mit einer Feststellung ab, dass diese Arbeit von Lobačevskij nicht die Aufmerksamkeit der Akademie verdiene. Als Anlage zu diesem Gutachten reichte Ostrogradskij auch seine Notizen über die genannten beiden Integrale – „Les deux intégrales de M-r Lobatchewsky“ – auf zwei Seiten ein (Modzalevskij 1948, S. 334–337, auch Faksimile). Daraufhin wurde in dem Protokoll der Akademiekonferenz festgehalten: „Du lundi 7 novembre 1832 § 602 M. l’académicien Ostrogradsky ayant été chargé par l’Académie d’examiner l’ouvrage de M. Lobatchefsky: O ɧaɱaɥaxɴ ɝeoɦeɬpiɢ (voir Prot. du 5 Septbre § 432) et il en fit un rapport verbal. Après avoir montré que des deux intégrales définies dont M. Lobatchevsky prétend avoir trouvé la valeur au moyen de sa nouvelle méthode, l’une est déjà connue et facile à déduire des principes élémentaires du calcul intégral et que l’autre est fausse. M. Ostrogradsky observe encore que l’ouvrage est redigé avec si peu de soin qu’une grande partie en est inintelligible. Il conclut par conséquent que ce travail de M. Lobatchevsky ne mérite point l’attention de l’Académie“ (Modzalevskij 1948, S. 331–332).

9.2.5.3. Die Rezension in der Zeitschrift „Syn Otečestva“ Im Oktober 1834 erschien in dem verbreiteten Journal für Literatur, Politik und moderne Geschichte „Syn Otečestva“ (Sohn des Vaterlandes)41 eine Rezension über Lobačevskijs Abhandlung über die Anfangsgründe der Geometrie „O načalach geometrii“ (Lobačevskij 1829/30),42 die alle vorangehenden Besprechungen an Schärfe übertraf.43 Die Kritik ist mit „S. S.“ unterschrieben. Es gibt Vermutungen, dass sich darunter zwei Autoren verbergen: Der eine Autor sei der Schiffsingenieur Stepan Anisimovič Buraček, der, wie auch Ostrogradskij, am Seekadettenkorps in St. Petersburg unterrichtete, der andere Semën Il’ič Zelenyj, Dozent für höhere Mathematik an der Universität St. Petersburg (Vasil’ev 1992, S. 154–155). Beide jungen Offiziere waren Ostrogradskijs Schüler und sollten im Jahre 1837 die Vorlesungen über algebraische und 41 Originaltitel der Ausgabe von 1834: „ɋɵɧɴ oɬɟɱɟɫɬɜɚ ɢ ɋ࣎ɜɟɪɧɵɣ ɚɪɯɢɜɴ“. 42 Originaltitel: „Ɉ ɧɚɱɚɥɚɯɴ ɝɟɨɦɟɬɪiɢ“. 43 „ɋɵɧɴ oɬɟɱɟɫɬɜɚ ɢ ɋ࣎ɜɟɪɧɵɣ ɚɪɯɢɜɴ“ – Syn Otečestva i Sěvernyj archiv 45 (Nr. 41), 1834, S. 407–416.

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transzendente Analysis herausgeben, die Ostrogradskij 1836/37 am Seekadettenkorps gehalten hatte (Ostrogradskij 1837). Für diese Veröffentlichung, die in Russland lange Zeit als Standardlehrbuch der Analysis angesehen wurde, erhielten sie 1838 den halben Demidov-Preis für Mathematik (Mezenin 1987, S. 190). Die Rezension in „Syn Otečestva“ wird im Folgenden in der Übersetzung von Werner Lehfeldt wiedergegeben. „Kritik. Über die Grundlagen der Geometrie, ein Werk von Herrn Lobačevskij. Es gibt Leute, die, nachdem sie bisweilen ein Buch durchgelesen haben, sagen, das Buch sei allzu einfach, allzu gewöhnlich, es rege nicht zu weiterführenden Gedanken an. Solchen Liebhabern des Nachdenkens empfehle ich, die Geometrie von Herrn Lobačevskij zu lesen. Hier gibt es nun wirklich etwas zum Nachdenken. Viele von unseren erstklassigen Mathematikern haben sie gelesen, haben nachgedacht und nichts verstanden. Nach alledem finde ich es unnötig, zu bemerken, dass auch ich über das Buch einige Zeit lang nachgedacht habe und zu keinem Ergebnis gekommen bin, d.h., ich habe fast keinen einzigen Gedanken verstanden. Es wäre auch schwierig, zu verstehen, wie Herr Lobačevskij aus der leichtesten und klarsten mathematischen Wissenschaft, wie es die Geometrie ist, eine solch schwere, dunkle und undurchsichtige Theorie machen konnte, wenn er uns nicht selbst bisweilen belehrte, indem er sagt, seine Geometrie unterscheide sich von der üblichen Geometrie, die wir alle gelernt haben und wahrscheinlich auch nicht mehr verlernen können; sie sei lediglich eine imaginäre Geometrie. Ja, jetzt ist alles sehr verständlich. Was kann sich die Imagination nicht alles vorstellen, besonders wenn sie lebhaft und zudem monströs ist? Warum soll man sich z.B. nicht schwarz als weiß vorstellen, rund als viereckig, die Summe aller Winkel im rechtwinkligen Dreieck als weniger als zwei rechte Winkel und ein und dasselbe bestimmte Integral, das einmal gleich π/4 und einmal gleich ∞ ist? Sehr, sehr möglich, obwohl das alles für den Verstand unverständlich ist. Aber man wird fragen: Wozu solche abgeschmackten Phantasien schreiben und dann auch noch drucken? – Ich gestehe, es ist schwierig, auf diese Frage zu antworten. Der Autor gibt nirgendwo einen Wink, mit welcher Zielsetzung er dieses Werk hat drucken lassen, und folglich müssen wir bei Vermutungen Zuflucht suchen. Zwar spricht er an einer Stelle deutlich aus, dass ihn angeblich Mängel, die von ihm in der bisher verwendeten Geometrie festgestellt worden seien, veranlasst hätten, diese neue Geometrie zu verfassen und herauszugeben, aber das ist offenbar unrichtig und aller Wahrscheinlichkeit nach deshalb gesagt, um das wahre Ziel dieser Schrift noch weiter zu verschleiern. Erstens widerspricht dies dem, was doch der Autor selbst über seine Geometrie gesagt hat, d.h., dass sie in der Natur überhaupt nicht existiere, sondern lediglich in seiner Vorstellung existieren könne und für Messungen in der Tat vollkommen unbrauchbar bleibe. Zweitens widerspricht dies tatsächlich all dem, was in ihr enthalten ist, und danach zu urteilen, kann man sich eher darauf verstehen, dass die neue Geometrie zur Widerlegung der bisherigen erdacht worden ist und nicht zu deren Ergänzung. Dabei mag es nun erlaubt sein, etwas auf die Person einzugehen. Wie kann man auf den Gedan-

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ken kommen, dass Herr Lobačevskij, Ordentlicher Professor der Mathematik, in irgendeiner ernsthaften Absicht ein Buch geschrieben haben soll, das auch dem letzten Gemeindelehrer [nur] wenig Ehre einbringen würde? Wenn schon nicht über Gelehrsamkeit, so sollte doch jeder Lehrer über gesunden Menschenverstand verfügen; doch in der neuen Geometrie mangelt es nicht selten selbst an letzterem. Wenn ich das alles erwäge, dann gelange ich mit großer Wahrscheinlichkeit zu dem Schluss, dass das wahre Ziel, zu dem Herr Lobačevskij seine Geometrie verfasst und herausgegeben hat, einfach ein Scherz ist oder besser eine Satire auf die gelehrten Mathematiker oder vielleicht überhaupt auf die gelehrten Schriftsteller der Gegenwart. Deswegen vermute ich, und zwar schon nicht nur mit Wahrscheinlichkeit, sondern mit vollkommener Überzeugtheit, dass die törichte Leidenschaft, in seltsamer und unverständlicher Weise zu schreiben, wie sie seit einiger Zeit bei vielen unserer Schriftsteller zu bemerken ist, und der unsinnige Wunsch, etwas Neues zu entdecken, und dies bei einer Begabung, die kaum ausreicht, um in gebührender Weise das Alte zu begreifen, zwei Mängel sind, die der Autor in seinem Werk darzustellen beabsichtigte und die er dargestellt hat, wie es nicht besser hätte geschehen können. Erstens ist die neue Geometrie, wie ich das schon oben erwähnt habe, so geschrieben, dass jeder von denen, die sie gelesen haben werden, fast nichts verstanden haben wird. In dem Wunsch, Sie mit ihr möglichst kurz bekanntzumachen, habe ich meine ganze Aufmerksamkeit auf jeden Satz, auf jedes Wort und sogar auf jeden Buchstaben konzentriert, und bei all dem ist es mir so wenig gelungen, das Dunkel zu erhellen, das dieses Werk ganz umgibt, dass ich kaum in der Lage bin, Ihnen das zu berichten, wovon in ihm die Rede ist, geschweige denn ein Wort darüber, was gesagt wird. Zuerst werden, wie üblich, die Hauptbegriffe über den Raum und seine Abmessungen dargelegt. Versteht sich, dass diese Begriffe vollkommen anders sind als die gewöhnlichen Begriffe und dass sie in einer besonderen Weise demonstriert werden. Beliebt es Ihnen, wenigstens einige von ihnen im Original zu lesen? Bitteschön. [Anschließend werden auf vier Seiten Auszüge aus dem Werk von Lobačevskij zitiert. Dann geht es wie folgt weiter:] Aber verzeihen Sie, ich kann nicht Wort für Wort das ausschreiben, was weiter dargelegt wird, zumal ich sowieso schon zuviel ausgeschrieben habe. Jedoch in kurzen Worten vermag ich es nicht zu erzählen, denn ab hier fängt das Allerunverständlichste an. Es scheint, dass der Autor nach einigen Definitionen, die mit ebensolcher Kunstfertigkeit und mit ebensolcher Präzision entworfen worden sind wie die vorangehenden, irgendetwas von Dreiecken sagt, über die Abhängigkeit der Winkel in ihnen von den Seiten, wodurch sich seine Geometrie auch hauptsächlich von unserer unterscheidet. Anschließend legt er eine neue Theorie der Parallelen vor, von der nach seinem eigenen Geständnis niemand in der Lage ist, zu beweisen, ob sie in der Natur vorkommt oder nicht. Schließlich folgt eine Betrachtung, auf welche Weise in dieser imaginären Geometrie die Größe von krummen Linien, Flächen, krummen Oberflächen und Körpervolumina bestimmt wird – und all dies, ich wiederhole es noch einmal, so geschrieben, dass es unmöglich ist, irgendetwas zu verstehen. Zweitens: Am Ende des Buches hat Herr Lobačevskij zwei bestimmbare Integrale plaziert, die er beiläufig entdeckt hat, als er direkt auf sein Ziel lossteuerte, nämlich allge-

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meine Regeln aufzustellen für die Messung aller geometrischen Größen, und wobei er sich nur einige Anwendungen erlaubt hat. Eine außerordentlich bemerkenswerte Entdeckung! Denn eines dieser neuen Integrale ist schon seit langem bekannt und lässt sich in einer viel einfachereren Weise finden. Das andere ist vollkommen unrichtig, weil es zu jener Absurdität führt, die wir bereits oben bemerkt haben, d.h., dass ein und dasselbe bestimmbare Integral einmal gleich π/4, einmal gleich ∞ ist. Aber sind nicht auch tatsächlich die bei uns so hochgelobten Neuentdeckungen größtenteils von dieser Art? Geschieht es nicht häufig, dass etwas Altes, nur in irgendeiner neuen seltsamen Weise präsentiert, uns für etwas Neues ausgegeben wird oder etwas zwar Neues, jedoch Unwahres, als eine außergewöhnlich wichtige Entdeckung? Lob sei Herrn Lobačevskij, der die Mühe auf sich genommen hat, zu entlarven einerseits die Dreistigkeit und Schamlosigkeit von Pseudoneuentdeckern, andererseits die einfältige Ignoranz der Verehrer ihrer Neuentdeckungen! Obschon ich den ganzen Wert des Werkes von Herrn Lobačevskij anerkenne, kann ich mich doch nicht entbrechen, ihn dafür zu tadeln, dass er, indem er seinem Buch den ihm gebührenden Titel vorenthalten hat, uns gezwungen hat, lange und vergeblich nachzudenken. Warum nicht anstelle des Titels Über die Grundlagen der Geometrie beispielsweise schreiben Satire auf die Geometrie, Karikatur der Geometrie oder irgendetwas ähnliches? Dann würde jedermann auf den ersten Blick sehen, um was für ein Buch es sich handelt, und der Autor würde einer Menge von für ihn ungünstigen Interpretationen und Urteilen entgehen. Nur gut, dass es mir gelungen ist, das wahre Ziel zu ergründen, zu dem dieses Buch geschrieben worden ist – und Gott weiß, was ich sonst von ihm und von seinem Autor denken würde. Jetzt glaube ich und bin sogar überzeugt, dass der verehrte Autor sich mir gegenüber sehr in der Pflicht fühlen wird dafür, dass ich den wahren Blickwinkel aufgezeigt habe, von dem aus man auf sein Werk schauen muss. S. S.“

Diese bösartige Kritik rief sofort Reaktionen hervor (Modzalevskij 1948, S. 362–364). Am 15./27. November 1834 wandte sich der Kurator des Bildungsbezirks Kasan, Michail Nikolaevič Musin-Puškin, an den Minister für Volksaufklärung, Sergej Semënovič Uvarov, und äußerte seine Empörung darüber, dass der oder die Verfasser der Rezension Lobačevskij in überzogener Weise angegriffen hätten. Erstens monierte er, dass Lobačevskijs Niveau mit dem eines Volksschullehrers verglichen, und zweitens, dass Lobačevskijs Werk als Satire bezeichnet worden sei. Dies, so Musin-Puškin, sei eine Erniedrigung des Autors, der doch ein durch und durch verdienstvoller Mathematiker und Rektor einer Universität sei. Uvarov antwortete auf dieses Schreiben und teilte Musin-Puškin mit, dass er befohlen habe, ein Erwiderungsschreiben von Lobačevskij zu drucken. Diesem Befehl kam der Herausgeber der Zeitschrift „Syn Otečestva“ jedoch nicht nach. Es kam lediglich zu einer kurzen Erwiderung, die Lobačevskij als Fußnote in seiner 1835 erschienenen Abhandlung „Voobražaemaja geometrija“ (Imaginäre Geometrie)44 veröffentlichte (Lobačevskij 1835, S. 5). Diese Erwiderung lautet in deutscher Übersetzung: 44 Originaltitel: „ȼɨɨɛɪɚɠɚɟɦɚɹ ɝɟɨɦɟɬɪiɹ“.

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Abb. 45. Anfangsseite der Rezension von Lobačevskijs Abhandlung über die Anfänge der Geometrie „O načalach geometrii“ in der Zeitschrift „Syn Otečestva“ Aus: Syn Otečestva i Sěvernyj archiv 45 (Nr. 41), 1834, S. 407.

„Die Abhandlung über die Anfangsgründe der Geometrie wurde im „Kasaner Boten“ von 1829 und 1830 veröffentlicht. In Nr. 41 der Zeitschrift ‚Syn Otečestva‘ von 1834 wurde eine für mich sehr beleidigende Kritik abgedruckt, die, ich hoffe, absolut ungerechtfertigt ist. Der Rezensent begründete seine Kritik nur damit, dass er meine Theorie nicht verstanden habe, und meint, dass sie falsch sei, weil er unter den Beispielen ein abgeschmacktes Integral finde. Ich allerdings finde kein solches Integral in meiner Abhandlung. Im November letzten Jahres habe ich dem Herausgeber eine Erwiderung zukommen lassen, die jedoch im Laufe der vergangenen fünf Monate noch nicht gedruckt wurde, ich weiß nicht warum.“

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9.2.5.4. Viktor Jakovlevič Bunjakovskij Bereits im Jahre 1828, ein Jahr vor Ostrogradskij, war Viktor Jakovlevič Bunjakovskij Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg geworden. Eines seiner Forschungsgebiete war die Theorie der Parallellinien, seine erste Arbeit darüber trug er in der Akademie am 27. Oktober 1843 vor (Engel 1899, S. 441). In den folgenden Jahren, von 1847 bis 1863, veröffentlichte Bunjakovskij eine ganze Reihe von Beiträgen zu diesem Thema, ohne den Namen Lobačevskij zu erwähnen (ebenda, S. 441, 455; Vasil’ev 1992, S. 147). Bunjakovskij blieb stets ein Anhänger der klassischen Euklidischen Geometrie. Nur in Bunjakovskijs Arbeit von 1872 wird Lobačevskij erwähnt, und zwar sehr anerkennend. Wie Bunjakovskijs 1872 erschienene Arbeit „Considérations sur quelques singularités qui se présentent dans les constructions de la géométrie nonEuclidienne“ zeigt, hatte er unterdessen seine Haltung gegenüber Lobačevskij geändert. Das sieht man schon an dem Terminus „non-Euclidienne“ im Titel. Und in der Tat berichtet Bunjakovskij hier über die nichteuklidische Geometrie und über deren Propagatoren: „Le travail le plus remarquable qui s’y rapporte est, sans contredit, celui d’un de nos compatriotes. Mr N. Lobatschewsky, ancien recteur de l’Université de Kazan, mort en 1856. Son ouvrage, portant pour titre: Géométrie imaginaire (Booɛpaɠaeɦaɹ Ƚeoɦeɬɪiɹ), paru en russe en 183545 et en langue française en 1837,46 a été apprécié à sa juste valeur par des juges les plus compétents. L’illustre Gauss, en parlant de cette Géométrie dans une lettre à Schumacher (datée du 28 novembre 1846),47 déclare que l’auteur a traité la matière de main maître et avec le véritable esprit géométrique, il ajoute que les résultats dans cette même doctrine auxquels, de son côté, il est parvenu depuis bien des années, et qu’il n’a pas publiés, sont conforme dans les traits principaux à ceux de Mr Lobatschewsky, quoique l’exposition qu’il en avait projetée fût toute différente“ (Bunjakovskij 1872, S. 1–2). Im Folgenden resümiert Bunjakovskij detailreich die Arbeiten von Lobačevskij zur nichteuklidischen Geometrie. Doch änderte diese Wertschätzung seines bereits verstorbenen Kasaner Kollegen nichts an Bunjakovskijs eigener Einstellung. Er blieb auch weiterhin ein Anhänger seiner früheren Theorien. Für diese spätere Ausführung zur nichteuklidischen Geometrie von Bunjakovskij im Jahre 1872 dürfte in Wahrheit eine Welle der Anerkennung und der Rezeption der Arbeiten von Lobačevskij eine Rolle gespielt haben, die sich in Westeuropa ausbreitete. Den Anfang dazu hatte der französische Mathematiker Guillaume Jules Hoüel gemacht, der die „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840) ins Französische

45 Lobačevskij 1835. 46 Lobačevskij 1837. 47 Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 244–247.

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übersetzt und zusammen mit Exzerpten aus dem Gauß–Schumacher Briefwechsel48 im Jahre 1866 in Paris herausgegeben hatte (Lobačevskij 1866).

9.3. Lobačevskij und Gauß Es ist nicht bekannt, dass Alexander von Humboldt, der Lobačevskij persönlich gekannt hat, dessen Namen gegenüber Gauß erwähnt hätte. In dem Briefwechsel Humboldt–Gauß sucht man vergeblich den Namen des Kasaner Mathematikers. Martin Bartels erwähnt den Namen seines Kasaner Schülers in den Briefen an Gauß gleichfalls nicht. Wahrscheinlich machte Gauß eine erste bewusste Bekanntschaft mit dem Namen Lobačevskij, als er folgende Rezension von Lobačevskijs 1840 in Berlin erschienener Schrift „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840) in dem von Ernst Gotthelf Gersdorf herausgegebenen „Repertorium der gesammten deutschen Literatur“ (Abb. 46) las: „Nach des Vfs. Behauptung kann man, ohne auf Widersprüche zu gerathen, annehmen, dass sich durch einen gegebenen Punct zu einer gegebenen graden Linie zwei nicht zusammenfallende Parallelen ziehen lassen (vgl. S. 10) und zwischen diesen beiden Parallelen sollen grade Linien durch denselben Punct gehen können, die die gegebenen Grade nicht schneiden und doch nicht parallel zu ihr sind, obgleich sie in derselben Ebne liegen. Auf eine solche Grundlage will der Vf. unter dem Namen der ‚Imaginären Geometrie‘ eine eigne Wissenschaft gründen. Die Grundzüge derselben liegen in diesem Schriftchen vor, jedoch wird dieses Princip und der dadurch erklärliche Satz S. 21: ‚Je weiter Parallellinien auf der Seite ihres Parallelismus verlängert werden, desto mehr nähern sie sich einander‘, wohl hinreichend das Schriftchen charakterisiren, um den Ref. jeder weiteren Beurtheilung zu überheben. 140.“49 Leider konnte nicht ermittelt werden, wer sich hinter der Ziffer 140 verbirgt. Die mit 140 unterschriebenen Besprechungen mathematischer Schriften erschienen im „Repertorium“ auch im Jahre 1841.

48 Briefe von Gauß an Schumacher vom 17.5. und 2.7.1831, 28.11.1846 sowie Briefe von Schumacher an Gauß vom 3.5. und 29.6.1831. 49 Repertorium der gesammten deutschen Literatur, hrsg. im Vereine mit mehreren Gelehrten von E. G. Gersdorf, 25, 1840, S. 147–148.

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Abb. 46. Rezension von Lobačevskijs Schrift „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840) Aus: Repertorium der gesammten deutschen Literatur 25, 1840, S. 147–148.

Es war sicherlich nicht die nichteuklidische Geometrie, die Gauß veranlaßt hatte, Russisch zu lernen. Dennoch versuchte Gauß, die Abhandlungen von Lobačevskij mit Hilfe seiner Russischkenntnisse zu lesen. Einen authentischen Bericht darüber aus dem Jahre 1844 liefert Otto Struve, der sich in dieser Zeit bei Gauß in Göttingen aufhielt: „Theils um der Sprache, umso mehr wohl um des Gegenstands willen beschäftigte er sich damals mit der Lectüre von ein Paar Abhandlungen von Lobatschewsky über imaginäre Geometrie, über welchen Gegenstand er selbst sich (vielleicht schon früher) analogen Speculationen ergeben hatte“ (Dick 1992, S. 46).

9.3.1. Gauß und die nichteuklidische Geometrie Es ist hier nicht der Ort, das Thema „Gauß und die nichteuklidische Geometrie“ in aller Ausführlichkeit zu erörtern, dafür sei auf die umfangreiche Literatur verwiesen (Reichardt 1976). Im Folgenden geht es lediglich um einige Betrachtungen, die für Gauß’ Verhältnis zu Lobačevskij von Interesse sind. Gauß hatte sich schon in sehr jungen Jahren mit den Grundlagen der Geometrie auseinandergesetzt, später behauptete er, seit dem Jahr 1792.50 Als er in 50 Brief von Gauß an Schumacher vom 28.11.1846 (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 247).

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Göttingen studierte, stand er mit seinem Studienfreund Farkas (Wolfgang) Bolyai aus Ungarn darüber in Gedankenaustausch. Sein ganzes Leben lang hat Gauß keinen Aufsatz über seine Ideen zur nichteuklidischen Geometrie veröffentlicht, sondern er äußerte sich darüber lediglich gegenüber seinen Briefpartnern. Vor allem in Briefen an Schumacher und an Gerling berichtete Gauß über seine diesbezüglichen Gedankengänge. Gerling machte Gauß darüber hinaus mit dem Rechtswissenschaftler Ferdinand Karl Schweikart und dessen Neffen Franz Adolf Taurinus bekannt. Schweikart und Taurinus konnten ähnlich wie Gauß in der nichteuklidischen Geometrie keinen Widerspruch finden (Gericke 1981, S. 126–130). Von ganz entscheidender Bedeutung war, dass Gauß von Farkas Bolyai einen Brief vom 20. Juni 1831 erhielt, dem dieser ein „Werkchen“ seines Sohnes János beigelegt hatte. Kurz darauf, im Jahre 1832, veröffentlichte Farkas Bolyai sein mathematisches Werk „Tentamen“, dem dieses „Werkchen“ von János Bolyai – ein „Appendix scientiam spatii absolute veram exhibens“ – angefügt war (Bolyai, J. 1832; Bolyai, F. 1832/33; Bolyai, J. 1987). Dieser Appendix enthielt János Bolyais Darstellung der nichteuklidischen Geometrie. Der Vater Farkas Bolyai trat bereits in dem erwähnten Brief vom 20. Juni 1831 an seinen alten Freund Gauß mit der Bitte hinan: „habe die Güte, es [das Werkchen meines Sohnes] mit Deinem scharfen durchdringendem Auge zu beurtheilen, und Dein hohes Urtheil ohne Schonung in Deiner Antwort, auf die ich sehnsuchtsvoll warte, zu schreiben. […] mein Sohn hält mehr von Deinem Urtheile als von ganzen Europa –“ (Briefwechsel Gauß–Bolyai 1899, S. 102–105, hier S. 103). Gauß antwortete in aller Ausführlichkeit am 6. März 1832 und begann seine Ausführungen mit einem Satz, der in der Literatur immer wieder zitiert wird: „Jetzt Einiges über die Arbeit Deines Sohnes. Wenn ich damit anfange ‚d a s s i c h s o l c h e n i c h t l o b e n d a r f ‘ : so wirst Du wohl einen Augenblick stutzen: aber ich kann nicht anders; sie loben hiesse mich selbst loben: denn der ganze Inhalt der Schrift, der Weg, den Dein Sohn eingeschlagen hat, und die Resultate zu denen er geführt ist, kommen fast durchgehends mit meinen eigenen, zum Theile schon seit 30–35 Jahren angestellten Meditationen überein. In der That bin ich dadurch auf das Äuserste [sic] überrascht“ (ebenda, S. 108–113, hier S. 109). Im Folgenden kam Gauß auf einige der mathematischen Details zu sprechen. Die Unterstützung von Gauß, die sich Farkas Bolyai für das Werk seines Sohnes so sehr erhofft hatte, blieb leider aus. Gauß gönnte dem Werk und der Person János Bolyai keinerlei öffentliche Anerkennung, Erwähnung, Besprechung. János Bolyai verfiel dem Trübsinn. Erst mit der Anerkennung von Lobačevskijs Beiträgen zur nichteuklidischen Geometrie Ende der 1860er und während der 1870er Jahre, also schon nach dem 1860 erfolgten Tod von János Bolyai, trat auch sein eigener Beitrag zur nichteuklidischen Geometrie aus dem Schattendasein heraus. Der Gauß-Biograph Sartorius von Waltershausen fasste im Jahre 1856 in seinem Nachruf auf Gauß dessen Beiträge zur nichteuklidischen Geometrie wie folgt zusammen: „Die Geometrie betrachtete Gauss nur als ein consequen-

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tes Gebäude nachdem die Parallelentheorie als Axiom an der Spitze zugegeben sei; er sei indess zur Überzeugung gelangt, dass dieser Satz nicht bewiesen werden könne, doch wisse man aus der Erfahrung z.B. aus den Winkeln des Dreiecks Brocken, Hohenhagen, Inselsberg, dass er näherungsweise richtig sei. Wolle man dagegen das genannte Axiom nicht zugeben, so folge daraus eine andere ganz selbstständige Geometrie, die er gelegentlich ein Mal verfolgt und mit dem Namen Antieuklidische Geometrie bezeichnet habe. Gauss, nach seiner öfters angesprochenen innersten Ansicht betrachtete die drei Dimensionen des Raumes als eine specifische Eigenthümlichkeit der menschlichen Seele; Leute, welche dieses nicht einsehen könnten bezeichnete er ein Mal in seiner humoristischen Laune mit dem Namen Böotier“ (Sartorius von Waltershausen 1856, S. 81). In der Tat war es Lobačevskij und nicht Gauß, der das Geschrei der Böotier in Form von vielen bösartigen Rezensionen zu hören bekam (vgl. Wußing 2009, S. 146–158).

9.3.2. Lobačevskij in Gauß’ Briefwechseln Ab dem Jahr 1841, genauer gesagt, seit dem 1. Februar 1841 erwähnte Gauß den Namen Lobačevskij gegenüber seinen Briefpartnern. Zuerst war es der in Berlin wirkende Astronom Johann Franz Encke, dem Gauß am 1. Februar 1841 schrieb: „Ich fange an, das Russische mit einiger Fertigkeit zu lesen, und finde dabei viel Vergnügen. Hr. Knorre [sic, richtig Knorr]51 hat mir eine kleine in russischer Sprache geschriebene Abhandlung von Lobatschewski (in Kasan) geschickt52 und dadurch so wie durch eine kleine Schrift in deutscher Sprache über Parallellinien53 (wovon eine höchst alberne Anzeige in Gersdorfs Repertorium steht) bin ich recht begierig geworden, mehr von diesem scharfsinnigen Mathematiker zu lesen. Wie mir Knorre [sic] sagte, enthalten die (in russischer Sprache geschriebenen) Abhandlungen der Universität Kasan eine Menge Aufsätze von ihm“ (Gauß-Werke: 8, S. 232). Diesem Zitat könnte man entnehmen, dass entweder der Professor für Physik an der Universität Kasan Ernst Knorr im Jahre 1840 auf seiner Reise durch Europa Gauß in Göttingen besucht oder ihm brieflich Mitteilung gemacht hat. Von nun an begann sich Gauß intensiv mit dem Werk Lobačevskijs zu beschäftigen. Er sorgte auch 1842 für dessen Aufnahme in die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Seinen Freund Christian Ludwig Gerling ließ Gauß am 4. Februar 1844 wissen: „Übrigens hat in den letzten Dezennien ein Russe (Lobatschefsky, Staatsrath u[nd] Prof[essor] in Kasan) einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Er nennt die nichteuklidische die imaginäre Geometrie (wie Ihr ehemaliger Kollege [Schweikart] Astralgeometrie[)] 51 Gauß verwechselt hier Karl Friedrich Knorre mit Ernst Knorr. 52 Es ist unbekannt, um welche Schrift es sich dabei handelte. 53 Lobačevskij 1840.

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und hat darüber in russischer Sprache viele sehr ausgedehnte Abhandlungen gegeben (meistens in den Ɂɚɩɢɫɤɢ ɤɚɡɚɧɡɤɚɝɨ ɭɧɢɜɟɪɫɿɬ࣎ɬɚ [sic], Memoiren der Kasanschen Universität), z[um] Theil auch in besondern Brochuren, die ich glaube ich, alle besitze, aber ihre genaue Lecture noch verschoben habe, bis ich mich einmahl mit Musse wieder in dies Fach werfen kann, und das Lesen russischer Bücher mir noch geläufiger ist als jetzt. Irre ich nicht, so ist auch ein Aufsatz des p.54 Lobatschefsky, vielleicht eine Übersetzung aus den ɡɚɩɢɫɤɢ in Crelles Journal,55 was ich aber in diesem Augenblick nicht nachsehen kann“ (SUB Göttingen, Gauß-Nachlaß: Briefe B: Gerling 140; vgl. auch Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 666–667). In der kurzen Zeit zwischen diesem und dem folgenden Brief hatte Gauß offensichtlich Lobačevskijs im Crelleschen Journal erschienenen Aufsatz gelesen, denn am 8. Februar 1844 schrieb er Gerling in aller Ausführlichkeit: „Lobatschefskys Aufsatz in Crelles Journal steht Band 17 pag 295ff. Ich finde, daß derselbe nur eine freie Übersetzung des russischen Aufsatzes im Jahrgang 1835 der Gelehrten Schriften der Kasanschen Universität ist, wo man eben da auch anstoßen wird, wo dies in dem deutschen Aufsatze der Fall ist. In diesem stoßen Sie an S. 296 Zeile 10 bei den Worten J’ai démontré etc., womit dem Leser, der weiter nichts hat wie diesen Aufsatz, wenig gedient ist. Ebenso S. 303 oben J’ai prouvé ailleurs etc., wozu man dieselbe Bemerkung machen muß. Der frühere Aufsatz, worauf sich dies zu beziehen scheint, wird wohl derselbe sein, der in einer Note des erwähnten russischen Aufsatzes angeführt wird als*) stehend in Kaɡaɧcɤoɦɴ B࣎cɬɧɢɤ࣎ (Kasanschen Boten) für 1828 und 1829. Zugleich wird dabei bemerkt, daß eine sehr kränkende Kritik dieser Abhandlung in No. 41 eines andern russischen Journals*) Cɵɧɴ oɬeɱecɬɜa (Sohn des Vaterlandes) von 1834 stehe, wogegen Lobatsch[efsky] eine Antikritik eingeschickt habe, die aber bis Anfang 1835 nicht aufgenommen sei. [Fußnote von Gauß] *) Unter dem Titel: Über die Anfänge oder Prinzipe der Geometrie. [Fußnote von Gauß] *) Wie ich vermute, in Petersburg erscheinend.] Mit diesen literarischen Notizen ist uns nun freilich auch wenig geholfen, da in Deutschland schwerlich ein Exemplar des Kasanschen Boten von 1828/1829 zu finden sein möchte. Dagegen aber kann ich Ihnen den Titel einer andern Schrift nachweisen, die Sie ohne Zweifel sehr leicht durch den Buchhandel erhalten können und die nur 4 Bogen stark ist: ‚Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallel-Linien von Nicolaus Lobatschefsky, Kais[erlich] russischem Staatsrat etc.‘ Berlin 1840 in der G. Finckeschen Buchhandlung. Ich erinnere mich, in Gersdorfs Repertorium damals eine sehr wegwerfende Rezension dieses Buches gesehen zu haben, die (nämlich die Rezension) übri54 Abkürzung p. = wahrscheinlich im Sinne von „oben genannten“. 55 Lobačevskij 1837.

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gens für jeden etwas kundigen Leser das Gepräge hatte, von einem ganz unwissenden Menschen herzurühren. Seitdem ich Gelegenheit gehabt habe, diese kleine Schrift selbst einzusehen, muß ich ein sehr vorteilhaftes Urteil darüber fällen. Namentlich hat sie vielmehr Konzinnität und Präzision, als die größern Aufsätze des Lobatsch[efsky], die mehr einem verworrenen Walde gleichen, durch den es, ohne alle Bäume erst einzeln kennen gelernt zu haben, schwer ist, einen Durchgang und Übersicht zu finden. Über die Crelle 17, p. 303 angeführte experimentelle Begrenzung habe ich aber nichts in der Schrift von 1840 gefunden und ich werde mich daher wohl entschließen müssen, einmal deswegen an Hrn. Lobatschefsky selbst zu schreiben, dessen Aufnahme als Korrespondent unserer Sozietät ich vor einem Jahre veranlaßt habe. Vielleicht schickt er mir dann den Kasanschen Boten. Doch wäre es möglich, daß sich in den folgenden Jahrgängen der Kasanschen gelehrten Schriften von 1836–1838, wo auch lange Aufsätze von Lobatsch[efsky] stehen, etwas darüber findet. Ich besitze diese zwar, habe aber bisher, aus den in meinen vorigen Briefe erwähnten Gründen, mich bisher nicht näher mit ihnen bekanntgemacht. In seinem Danksagungsschreiben wegen Aufnahme in die Sozietät schrieb mir übrigens Lob[atschefsky] damals, daß seine vielen administrativen Geschäfte (er scheint rector perpetuus der Univers[ität] zu sein) ihn jetzt aus den wissenschaftlichen Arbeiten ganz herausgebracht hätten“ (Briefwechsel Gauß– Gerling 1927, S. 667–668). Hierzu ist zu bemerken, dass Gauß über die russischen Publikationen von Lobačevskij sehr gut unterrichtet war. So verglich er die Übersetzung mit dem Original, wobei ihm seine Russischkenntnisse zu Hilfe kamen. Die Angaben 1828 und 1829 als Erscheinungsjahr der Abhandlung von Lobačevskij im „Kasaner Boten“ sollen 1829 und 1830 heißen. Die Jahresangaben kommen aber in dem Aufsatz „Géométrie imaginaire“ (Lobačevskij 1837) nicht vor. Zwei Jahre später, am 28. November 1846, teilte Gauß seinem in Altona lebenden Freund Heinrich Christian Schumacher mit: „Ich habe kürzlich Veranlassung gehabt, das Werkchen von Lobatschefski (Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinie [sic]. Berlin 1840, bei G. Funcke.56 4 Bogen stark) wieder durchzusehen. Es enthält die Grundzüge derjenigen Geometrie, die Statt finden müsste und strenge consequent Statt finden könnte, wenn die Euclidische nicht die wahre ist. Ein gewisser Schweikardt nannte eine solche Geometrie Astralgeometrie, Lobatschefsky imaginaire Geometrie. Sie wissen, dass ich schon seit 54 Jahren (seit 1792) dieselbe Ueberzeugung habe (mit einer gewissen späteren Erweiterung, deren ich hier nicht erwähnen will). Materiell für mich Neues habe ich also im Lobatschefsky’schen Werke nicht gefunden, aber die Entwickelung ist auf anderem Wege gemacht, als ich selbst eingeschlagen habe, und zwar von Lobatschefsky auf eine meisterhafte Art in ächt geometrischem Geiste. Ich glaube Sie auf das Buch aufmerksam machen zu 56 Richtig: G. Fincke, Buchhandlung bzw. Verlag in Berlin.

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müssen, welches Ihnen gewiss ganz exquisiten Genuss gewähren wird“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 246–247). Und Schumacher antwortete höflich am 3. Dezember 1846: „Lobatschefsky’s Werk habe ich mir schon verschrieben und danke Ihnen für die Anzeige“ (ebenda, S. 251). Kurz vorher, am 16. September, hatte Gauß an Gerling geschrieben, dass er einen sehr erfreulichen Besuch seines ehemaligen Kollegen Schweikardt aus Königsberg bekommen habe: „Er blieb 24 Stunden hier und hatte namentlich den Zweck, sich bei mir nach dem Schicksal der ‚Astral-Geometrie‘ zu erkundigen, mit der er sich nach seiner Weise fortwährend beschäftigt. […] Hinsichtlich der Befürchtung, daß eine Publikation der Art böses Blut machen würde, habe ich ihn beruhigt […] teils durch Ihre Prophezeiung von 1820 ‚Sie stechen in ein Wespennest, die werden Ihnen um den Kopf fliegen‘, welche dann doch noch leidlich glücklich abgelaufen ist“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1964, S. 86–87). Otto Struve, der Sohn von Wilhelm Struve, scheint Gauß mit Werken von Lobačevskij versorgt zu haben, denn Gauß schrieb am 11. Dezember 1846 an Wilhelm Struve: „Gleichermaßen bin ich für die übrigen Zusendungen zu dem verbindlichsten Dank verpflichtet; für die russischen Sachen von Lobatschewsky wahrscheinlich zunächst Ihrem Herren Sohne, gegen den ich vor einigen Jahren bei seinem Hiersein57 meinen Wunsch ausgesprochen hatte; ich lasse mich seinem freundlichen Andenken angelegentlich empfehlen“ (Briefwechsel Gauß–Struve, Brief Nr. 22). Später unterrichtete Gauß seinen Freund Farkas Bolyai in einem Brief vom 20. April 1848 von Lobačevskijs neuer Parallelentheorie: „Die Arbeiten des russischen Geometers stehen grösstentheils in den russischen Denkschriften der Universität Kasan. Ich vermuthe aber dass Du leichter erhalten kannst die kleine treffliche Schrift ‚Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien von Nicolaus Lobatschefsky‘ Berlin 1840 in der G. Finckeschen Buchhandlung“ (Briefwechsel Gauß–Bolyai 1899, S. 134). Farkas Bolyai resümierte schließlich in einem Brief an Gauß vom 6. Februar 1853 sein eigenes Lebenswerk resigniert wie folgt: „In der Arithmetik habe ich Newton zur Stütze gesetzt; in der Geometrie habe ich mit Lobatschewski angefangen. Ich hatte nicht das Glück Weg zu bahnen; alles mit weniger Ausnahme war entgegen – : nun überlasse ich mit ruhigem Gewissen den Pfad allem Unkraut, bis zu den Disteln des Gränzhügels alles irdischen –“ (Briefwechsel Gauß–Bolyai 1899, S. 139). Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Gauß im Postscriptum seines Briefes vom 2. September 1848 an Simonov diesem Grüße an Lobačevskij auftrug: „Hrn. Staatsrath Lobatschefsky bitte ich gelegentlich mich bestens zu empfehlen“ (Briefwechsel Gauß–Simonov, Brief Nr. 2).

57 Otto Struve hatte Gauß am 2.9.1844 besucht.

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9.3.3. Schriften von Lobačevskij in der Gauß-Bibliothek und im Gauß-Nachlass

Abb. 47. Abschrift von Lobačevskijs Abhandlung „O načalach geometrii“ (Lobačevskij 1829/30) im Gauß-Nachlass Abschrift aus dem „Kasaner Boten“ čast’ 25 (Februar, März 1829), S. 178–187.58 SUB Göttingen, Gauß-Nachlass, Auszüge 37.

In der Tat besaß Gauß in seiner Bibliothek das gesamte Erstlingswerk von Lobačevskij zur nichteuklidischen Geometrie, nämlich dessen Anfangsgründe der Geometrie: „O načalach geometrii“,59 die 1829 und 1830 im „Kasaner Boten“ erschienen waren (Lobačevskij 1829/30). Der eine Teil, der 1829 erschienen war, stand Gauß in einer handgeschriebenen Abschrift zur Verfügung, die 38 Seiten lang ist.60 Dazu kommt noch eine Seite mit geometrischen 58 Vgl. Abb. 43 (1). 59 Originaltitel: „Ɉ ɧɚɱɚɥɚɯɴ ɝɟɨɦɟɬɪiɢ“. 60 Man kann vermuten, dass die Abschrift auf Wunsch von Gauß’ angefertigt wurde. In ihr liegt aber eindeutig nicht die Hand von Lobačevskij vor.

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Konstruktionen.61 Von dem anderen Teil, der 1830 erschienen war, besaß Gauß die entsprechenden Hefte des „Kasaner Boten“ (GB 103), worüber Werner Lehfeldt ausführlich publiziert hat (Lehfeldt 2011, S. 306–309, Nr. 9, 10). Wie Gauß in den Besitz der Abschrift und der Hefte des „Kasaner Boten“ von 1830 gekommen war, ist nicht bekannt (ebenda, S. 307). Des Weiteren besaß Gauß Lobačevskijs Werk über die Anwendung der Imaginären Geometrie auf einige Integrale: „Priměnenie Voobražaemoj Geometrii k někotorym integralam“62 (Lobačevskij 1836; GB 913). Dieses Exemplar weist handschriftliche, von Gauß gemachte Eintragungen auf (Lehfeldt 2011, S. 311–312, Nr. 14). Von der in Berlin erschienenen Schrift Lobačevskijs „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840) besaß Gauß sogar zwei Exemplare, von denen eines in der Gauß-Bibliothek aufbewahrt wird (GB 519) und eines im Gauß-Nachlass unter „Drucke 49“ steht. Dieses Exemplar enthält zwischen den Seiten 14 und 15 drei von Gauß geschriebene und eingeheftete Seiten. Auf dem Titelblatt wurde von Gauß vermerkt: „Bouniakovsky Note sur la theorie des paralleles &c. Bulletin de l’Ac. de St. Petersbourg 9.4“ (Abb. 48).63 Ferner findet sich in der Gauß-Bibliothek Ernst Knorrs Werk „Meteorologische Beobachtungen aus dem Lehrbezirk der Kaiserlichen Russischen Universitaet Kasan“ (Knorr 1841; GB 878), dem Lobačevskijs 48 Seiten umfassende Arbeit „Ueber die Convergenz der unendlichen Reihen“ (Lobačevskij 1841) angebunden ist (Lehfeldt 2011, S. 312). Es sei hier angefügt, dass Ostrogradskij am 10./22. Juni 1842 auch zu dieser Arbeit Lobačevskijs ein negatives Urteil abgegeben hat: „Il nous semble que le mémoire de M-eur Lobatschewsky sur la convergence des Séries n’est pas de nature à mériter l’Approbation de l’Académie“ (Modzalevskij 1948, S. 445–447, hier S. 446; vgl. Gnedenko/ Pogrebysskij 1963, S. 105). Seine ablehnende Haltung, die Ostrogradskij nur kurz vor Gauß’ Vorschlag, Lobačevskijs zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen zu wählen, niedergeschrieben hat, begründet er wie folgt: „L’auteur de ce mémoire M-ieur Lobatchewsky, Recteur de l’Université de Kazan, est déjà connu, à la vérité peu avantageusement, par une nouvelle géometrie qu’il appelle imaginaire, par un traité assez volumineux d’Algèbre et par quelques dissertations sur les différents points d’analyse mathématique. Le mémoire commis à mon examen n’est pas de nature à changer la réputatîon de l’auteur. M-eur Lobatchewsky y neglige les premiers prïncipes d’un raisonnement exact, comme à dessein se rend dïfficile à suivre et ces défauts ne sont rachetés ni par la nouveauté des résultats ni par des simplifications dans l’exposition de ce qui est déjà connu. 61 SUB Göttingen, Gauß-Nachlass, Auszüge 37. 62 Originaltitel: „ɉɪɢɦ࣎ɧɟɧiɟ ȼɨɨɛɪɚɠɚɟɦɨɣ Ƚɟɨɦɟɬɪiɢ ɤɴ ɧ࣎ɤɨɬɨɪɵɦɴ ɢɧɬɟɝɪɚɥɚɦɴ“. 63 „Note sur la théorie des parallèles et sur d’autres points fondamentaux de la géométrie élémentaire“ (Bunjakovskij 1851).

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On peut s’evertuer et lire un mémoire mal redigé quand la peine est payée par des vérités nouvelles mais il est plus que pénible à déchifrer un écrit qui n’en contient point, et qui est rendu difficile, non pas par l’élévation des idées, mais par une tournure bizarre des phrases, par des défauts dans la marche des raisonnements et par des singularités employées à dessein. Ce dernier caractère appartient à l’écrit de M-eur Lobatchewsky; nous l’avons lû cependant et nous n’y avons trouvé que les développements connus en séries des plus simples des fonctions transcendéntes. Ces développement s’y trouvent péniblement démontrés, ils y sont présentés avec des notations que l’auteur seul emploie et aucune remarque réelement nouvelle ne les accompagne“ (Modzalevskij 1948, S. 445–446).

Abb. 48. Titelseite der „Geometrischen Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840) aus dem Gauß-Nachlass Exemplar der SUB Göttingen.

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Es wäre interessant, zu erfahren, wie Gauß zu den in Russland veröffentlichten Werken Lobačevskijs gekommen ist. Gewissheit hat man in dieser Frage zwar nicht, aber es gibt deutliche Hinweise, dass sowohl Ernst Knorr als auch Otto Struve Gauß die Werke von Lobačevskij haben zukommen lassen. So spricht Gauß in dem bereits erwähnten Brief an Encke vom 1. August 1841 davon, dass Ernst Knorr ihm „eine kleine in russischer Sprache geschriebene Abhandlung von Lobatschewski“ geschickt habe (Gauß-Werke: 8, S. 232), wobei aber nicht klar ist, um welches Werk es sich dabei gehandelt hat, vermutlich um Lobačevskijs Anwendung der Imaginären Geometrie auf einige Integrale: „Priměnenie Voobražaemoj Geometrii k někotorym integralam“ (Lobačevskij 1836; GB 913; siehe Lehfeldt 2011, S. 311–312, Nr. 14). Darüber hinaus war es offensichtlich auch Otto Struve, der Gauß mit einigen Werken von Lobačevskij versorgt hat. Denn Struve berichtete über seinen letzten Besuch bei Gauß, der wohl am 2. September 1844 stattgefunden hatte: „Theils um der Sprache, umso mehr wohl um des Gegenstands willen beschäftigte er [Gauß] sich damals mit der Lectüre von ein Paar Abhandlungen von Lobatschewsky über imaginäre Geometrie, über welchen Gegenstand er selbst sich (vielleicht schon früher) analogen Speculationen ergeben hatte. Es war mir eine besondere Freude, dass ich ihm, nach der Rückkehr nach Petersburg, seine Zahl der Lobatschewskyschen Abhandlungen erheblich vermehren konnte“ (Dick 1992, S. 46). Und auch an Friedrich Engel schrieb Otto Struve ganz ähnlich: „Ende August 1844 besuchte ich Gauss zum letzten Mal und traf ihn bei der Lecture einer kleinen Lobatschewskischen Schrift, welche ihn, wie er sagte, sowohl wegen ihres Inhalts wie auch wegen der Russischen Sprache, die er damals eifrig betrieb, interessirte. Eine Folge unseres Geplauders war es dass ich Ende desselben Jahres eine Sammlung Lobatschewskischer Schriften, so wie ich deren in Petersburg auftreiben konnte, an Gauss sandte“ (Engel 1899, S. 435). Wie bereits erwähnt, schrieb auch Gauß selbst, dass ihm Otto Struve Werke von Lobačevskij verschafft habe (siehe S. 504).

9.3.4. Die Bedeutung von Gauß’ Werk für Lobačevskij Es war vor allem Gauß’ Zahlentheorie, die für Lobačevskij eine wichtige Rolle spielte, sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. Schon während des Studiums hatte sich Lobačevskij mit Gauß’ Zahlentheorie vertraut gemacht. Wie bereits berichtet, legte er 1813 eine Arbeit über die Auflösung der algebraischen Gleichung xn – 1 = 0 vor. Auch in seinem Algebralehrbuch befasste er sich mit Gauß’ Zahlentheorie (Lobačevskij 1834a; siehe Engel 1899, S. 359, 411). Ebenfalls von besonderer Bedeutung waren Gauß’ Ideen für Lobačevskijs Arbeit über die Erniedrigung des Grades einer zweigliedrigen Gleichung, wenn der um eins verminderte Grad durch 8 teilbar ist, in der der Kasaner Gelehrte unmittelbar in der Gaußschen Bezeichnungsweise weiterführende Ergebnisse präsentiert (Lobačevskij 1834b).

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9.3.5. Anerkennungen für Lobačevskij zu dessen Lebzeiten 9.3.5.1. Pëtr Ivanovič Kotel’nikov Lobačevskij wurde mit Anerkennungen nicht gerade verwöhnt. Unterstützung erhielt er aber von einem seiner Kollegen in Kasan, Pëtr Ivanovič Kotel’nikov. Dieser hatte an den Universitäten Charkow, Dorpat und Berlin studiert, bevor er Professor für Angewandte Mathematik in Kasan wurde (1835 Außerordentlicher, 1839 Ordentlicher Professor). In einer Rede anlässlich einer Universitätsversammlung im Jahre 1842 äußerte Kotel’nikov expressis verbis seine Hochachtung gegenüber den Werken Lobačevskijs (Vasil’ev 1992, S. 76). 9.3.5.2. Lobačevskij und die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen Gauß, der den Namen Lobačevskij wohl erst 1840 oder 1841 wahrgenommen hatte, stellte am 23. November 1842 einen Antrag an die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Lobačevskij als Korrespondierendes Mitglied aufzunehmen (Abb. 49): „Der Königlichen Societät erlaube ich mir zum Correspondenten unserer Gesellschaft vorzuschlagen den Kaiserl[ichen] Russischen Staatsrath N. Lobatschefski [Lobatschewski] Professor in Kasan einen der ausgezeichnetsten Mathematiker des russischen Reichs. Göttingen den 23 November 1842 gehorsamst Gauß“ (Biermann 1973a, zwischen S. 322/323 als Faksimile; Reich 2003a, S. 389).

Nach der Wahl schrieb der Sekretär der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Johann Friedrich Ludwig Hausmann, am 1. Dezember 1842 an Lobačevskij: „Hochgeborner Herr, Hochzuverehrender Herr Staatsrath! Ew. Hochgeboren habe ich die Ehre im Auftrage der hiesigen Königlichen Societät der Wißenschaften anzuzeigen, daß dieselbe in Anerkennung Ihrer ausgezeichneten wißenschaftlichen Verdienste, Sie zu Ihrem Correspondenten ernannt hat. Indem ich mir erlaube, Ihrem [sic] anliegend das Diplom zu übersenden, ersuche ich Sie die Versicherung meiner vorzüglich[en] Hochachtung genehmigen zu wollen, womit ich die Ehre habe zu seyn Ew. Hochgeboren gehorsamster Diener J. Fr. L. Hausmann, Hofrath und Professor an der Universität, Secretär der Kön[iglichen] Societät d[er] W[issenschaften].“64 64 Beglaubigte Kopie in Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. Sovet, ʋ 2409, l. 10, abgedruckt in: Modzalevskij 1948, S. 455.

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Abb. 49. Carl Friedrich Gauß’ Vorschlag zur Aufnahme Lobačevskijs in die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen vom 23. November 1842 Archiv der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Pers. 20, Bl. 325.

Das Original von Lobačevskijs Diplom als Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gilt als verschollen. Eine Abschrift des lateinischen Textes wurde zwar veröffentlicht (Modzalevskij 1948, S. 453–454), aber dieser ist dort derartig durch Fehler entstellt, dass hier zunächst eine korrigierte lateinische Version anhand einer in Kasan vorhandenen beglaubigten Kopie (Abb. 50) vorgestellt wird: „Serenissimi Britanniarum Principis Adolphi Friderici Ducis Cantabrigiensis Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis Praesidis Autoritate. Cum omnium inter se litterarum mutuae sint utilitates, mutua auxilia et adiumenta, nec ulla facile alterius ope et fructu carere possit: tum multo magis eae disciplinae, quae multarum rerum observatione, caussarum investigatione et multi temporis experientia continentur, multorum ingeniorum et animorum vires consociatas sibi postulant. Societas Regia Scientiarum Gottingensis severiorum et subtiliorum

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litterarum earumque disciplinarum, quae vulgo paucorum studiis frequentari solent, ad vitae tamen publicae privataeque utilitates fructuosae, liberalique ingenio et honesta opera dignissimae sunt, incrementa et ornamenta studio aliquo praecipuo persequitur, eo consilio, ut quicquid singulorum Sodalium doctrina et ingenio indagatum et inventum fuerit, in resp. litterariae usus mox vulgetur, indeque iis doctrinarum copiis opibusque, quae communi usu habentur, accessio nova et auctus fiat. Cum autem non nisi coniunctis multorum doctorum virorum partim consiliis partim studiis et voluntatibus se consilium hoc suum consequi posse iudicet: Sodalium ea suffragiis iudiciis Virum doctissimum N. Lobatschewskium, Russiarum Imperatoris a consiliis status, Professorem Kasanensem, amicum sibi et familiarem litterarum commerciis coniunctum optat, legit, et his ipsis litteris publice declaratum esse vult, hacque iudicii sui et benevolentiae testificatione id se consecuturam esse sperat, ut communia studia diligenter ille colat, etiam respectu ad Societatis vel exemplum et auctoritatem vel honorem et dignitatem habito, utque inventa, observata vel animadversa cum ea communicet, Societatis utilitatibus, existimationi et famae, pro virili consulat; amicitia et benevolentia Socios complectatur. Scr. Gottingae, die XXIII. Nov. MDCCCXLII. ɉoɞɥɢɧɧɵɣ ɞɢɩɥoɦɴ ɩoɞɩɢcaɥɴ: Carolus Fridericus Gauss, Societ. Reg. Scient. h[oc] t[empore] director. cɤp࣎ɩɢɥɴ: Jo. Frid. Lud. Hausmann, Soc. Reg. Scient.

Sodalis et a litteris ejus secretis.“65

In deutscher Übersetzung:66 „Unter der Leitung des höchst ehrwürdigen Fürsten der Engländer Adolph Friedrich, Herzogs von Cambridge, Präsidenten der Göttinger Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften. Da die Nutzanwendungen aller wissenschaftlichen Studien untereinander wechselseitig sind, die Hilfen und Unterstützungen wechselseitig und keine leicht die Hilfe und den Ertrag einer anderen entbehren kann, um wieviel mehr fordern dann diejenigen Disziplinen, die sich mit der Beobachtung vieler Dinge, mit der Erforschung der Ursachen und der Erfahrung vieler Zeit beschäftigen, für sich die verbündeten Kräfte vieler Geister und Seelen. Die Göttingische Königliche Gesellschaft der Wissenschaften verfolgt mit einem besonderen Eifer die Fortschritte und Ausschmückungen der ernsteren und scharfsinnigeren wissenschaftlichen Studien und derjenigen Disziplinen, die gemeinhin nur von den Studien weniger betrieben zu werden pflegen, gleichwohl für Nutzanwendungen im öffentlichen und im privaten Leben fruchtbar und eines freisinnigen Geistes und ehrenhafter Mühe höchst würdig sind, in der Absicht, dass, was 65 Beglaubigte Kopie in Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. Sovet, ʋ 2409, l. 11–12. 66 Die korrigierte Version des lateinischen Textes sowie die Übersetzung stammen von Eberhard Knobloch; ihm sei dafür sehr herzlich gedankt.

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immer durch Lehre und Geist einzelner Mitglieder erforscht und gefunden wurde, zum Nutzen der wissenschaftlichen Welt bald verbreitet wird und dadurch denjenigen Mitteln und Reichtümern der Lehren, die man zum gemeinsamen Nutzen hat, ein neuer Zugang und Vermehrung zuteil wird. Da sie aber urteilt, dass sie nur durch vereinte teils Ratschläge teils Studien und Willen vieler gelehrter Männer diese ihre Absicht erreichen kann, wünscht, trägt vor und möchte diese, dass durch eben diesen Brief öffentlich erklärt ist auf Grund der Abstimmungen und Urteile der Mitglieder, dass der höchst gelehrte N. Lobatschewski, Kaiserlicher russischer Staatsrat, Professor in Kasan, ihr als Freund und Vertrauter durch wissenschaftlichen Austausch verbunden ist, und hofft, dass sie durch diese Bezeugung ihres Urteils und Wohlwollens das erreichen wird, dass jener die gemeinsamen Studien sorgfältig pflegt, auch mit Blick auf das Beispiel und das Ansehen oder die Ehre und die Würde der Gesellschaft, und dass er Gefundenes, Beobachtetes oder Bemerktes ihr mitteilt, sich nach Kräften um den Nutzen, die Wertschätzung und den Ruf der Gesellschaft kümmert, mit Freundschaft und Wohlwollen die Kollegen behandelt. Geschrieben in Göttingen am 23. November 1842. Das Originaldiplom unterschrieb Karl Friedrich Gauss, gegenwärtig Direktor der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften; bekräftigt: Johann Friedrich Ludwig Hausmann, Mitglied der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und von deren geheimen wissenschaftlichen Studien.“

Es muss besonders hervorgehoben werden, dass die Urkunde erstens von Gauß und zweitens von Hausmann, dem Sekretär der Göttinger Akademie, unterschrieben wurde. Normalerweise wurden die Diplome nur vom Sekretär der Akademie unterfertigt. Das Dankschreiben von Lobačevskij an Gauß vom 7./19. Juni 1843 ist der einzige überhaupt vorhandene Brief des Kasaner Mathematikers an den großen Göttinger Gelehrten. Dabei ist dieser Brief von Lobačevskij lediglich unterschrieben worden, den Brief selbst hat wahrscheinlich Ernst Knorr aufgesetzt. Dieser Brief liegt in der SUB Göttingen nicht im Gauß-Nachlass, sondern befindet sich in einem Band mit Dankesschreiben für die Aufnahme in die Societät, die fast alle an deren Sekretär Johann Friedrich Ludwig Hausmann gerichtet sind. Eine Bestätigung dafür, dass Lobačevskijs Brief direkt an Gauß adressiert war, findet man in einem Brief von Gauß an Gerling vom 8. Februar 1844: „In seinem Danksagungsschreiben wegen Aufnahme in die Sozietät schrieb mir übrigens Lob[atschefsky] […]“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 668). Leider gibt es keine Briefe von Gauß an Lobačevskij, obwohl Gauß sicher mindestens einmal die Absicht hatte, diesem zu schreiben: „[…] ich werde mich daher wohl entschließen müssen, einmal deswegen an Hrn. Lobatschefsky selbst zu schreiben“ (ebenda).

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Abb. 50. Beglaubigte Abschrift des Diploms über die Wahl von Lobačevskij zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen vom 23. November 1842 Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. Sovet, ʋ 2409, l. 11v–12r.

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9.3.5.3. Wahl zum Ehrenmitglied der Universität Moskau: 1855 Kurz vor Lobačevskijs Tod kam auch die Anerkennung von einer russischen wissenschaftlichen Institution. Die Universität Moskau ernannte Lobačevskij am 25. April/7. Mai 1855 zum Ehrenmitglied. Die ehrenvolle Wahl und die Auszeichnung mit einer silbernen Gedenkmedaille erfolgten aus Anlass des 100-jährigen Gründungsjubiläums der Universität Moskau. In der Urkunde heißt es, hier in deutscher Übersetzung: „Die Kaiserliche Universität Moskau in Verehrung Ihrer Staats- und Wissenschaftsverdienste hat Ew. Hochwohlgeboren zu ihrem Ehrenmitglied gewählt in der Überzeugung, dass Sie alles fördern werden, was zum Erfolg und zum Wohl der Universität beitragen kann.“67 Die Urkunde wurde vom Rektor der Moskauer Universität, Arkadij Alekseevič Al’fonskij, unterschrieben (Modzalevskij 1948, S. 549).

9.3.6. Lobačevskij als Empfänger der Medaille zum Andenken an Gauß Nachdem Gauß am 23. Februar 1855 gestorben war, wurde vom König von Hannover, Georg V., eine Medaille in Auftrag gegeben, die auf der einen Seite die später berühmt gewordene Aufschrift trägt, in der Gauß als „princeps mathematicorum“ bezeichnet wird. Es war eine große Anerkennung für Lobačevskij, dass die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen ihm zwei Exemplare dieser Medaille, eine in Silber und eine in Bronze, zukommen ließ. Es hat den Anschein, dass Lobačevskij und Thomas Clausen die einzigen Gelehrten in Russland gewesen sind, die durch diese Gedenkmedaille geehrt wurden.68 In dem an Lobačevskij gerichteten Begleitschreiben heißt es: „Die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen an Herrn Staatsrath Lobatschewski, Professor zu Kasan. Um das Andenken an den verewigten Geheimen Hofrath und Professor Dr. Carl Friedrich Gauss, welcher langjährig der Stolz der Georg-Augusts-Universität und der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften war, zu ehren, haben Seine Majestät unser allergnädigster König geruhet, eine Denkmünze auf den grossen Mathematiker, Astronomen und Physiker prägen zu lassen, und ein silbernes und bronzenes Exemplar für Herrn Staatsrath Lobatschewski huldreichst zu bestimmen. Der Königlichen Societät, welcher die Zusendung dieses allerhöchsten Geschenkes übertragen worden, gereicht es zum ganz besonderen Vergnügen, sich dieses ehrenvollen Auftrages hiermit zu entledigen. Im Namen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften

67 Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 92, op. stol 2, 1855, ʋ 142, l. 1. 68 Thomas Clausen in Dorpat erhielt im Jahre 1856 gleichfalls die beiden Medaillen (Biermann 1964a, S. 185).

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der Secretair derselben Hausmann. Göttingen, den 23. März 1856.“69

Das Schreiben der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen und die beiden Medaillen wurden jedoch nicht nach Kasan, sondern an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gesandt. Erst nach einem Beschluss der Akademie wurde am 1./13. Mai 1856 ein Kästchen mit beiden Medaillen an die Universität Kasan weitergeleitet. Da Lobačevskij bereits im Februar verstorben war, nahm seine Witwe Varvara Lobačevskaja die Sendung in Empfang. Dies wurde auf dem Schreiben der Akademie der Wissenschaften vermerkt (Abb. 51). Die Bronzemedaille (Abb. 52) wird heute im Museum für die Geschichte der Universität Kasan aufbewahrt, während die Silbermedaille verschollen ist (vgl. Rybkin/Fedorenko 1956, S. 108–110).

9.4. Lobačevskijs späte Schriften und späte Anerkennung Auffallend ist, dass Lobačevskijs späte Werke relativ schnell in westliche Sprachen übersetzt wurden. So erschien Lobačevskijs 1852 veröffentlichte Schrift „Značenie někotorych opredělennych integralov“70 bereits 1855 in deutscher Übersetzung mit dem Titel „Ueber den Werth einiger bestimmten Integrale“ (Lobačevskij 1852). Lobačevskijs letztes Werk, seine „Pangeometrie“, wurde 1855 in russischer Sprache veröffentlicht.71 Schon im Jahre 1856 folgte eine französische, 1858 eine deutsche und 1867 eine italienische Übersetzung (Lobačevskij 1855).72 Gauß starb am 23. Februar 1855, fast genau ein Jahr später, am 12./24. Februar 1856, verschied Lobačevskij, und János Bolyai verstarb am 27. Januar 1860. Keiner der drei Schöpfer der nichteuklidischen Geometrie hat noch den Umbruch und deren Durchbruch erlebt. Einen ersten Schritt in dieser Richtung bedeuteten die Übersetzungen von Werken von Lobačevskij und von János Bolyai in westliche Sprachen. Ferner erschienen 1856 Sartorius’ Nachruf auf Gauß (Sartorius von Waltershausen 1856), 1858 Savel’evs Nachruf auf Gauß in russischer Sprache (Savel’ev 1858), und in den Jahren 1860 bis 1865 wurde Gauß’ Briefwechsel mit Heinrich Christian Schumacher veröffentlicht. Insbesondere dieser Briefwech69 Beglaubigte Abschrift in: Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. Sovet, ʋ 3897, l. 2. Publikation in: Fedorenko 1988, S. 283–284 (deutsches Original und russische Übersetzung). 70 Originaltitel: „Ɂɧɚɱɟɧiɟ ɧ࣎ɤɨɬɨɪɵɯɴ ɨɩɪɟɞ࣎ɥɟɧɧɵɯɴ ɢɧɬɟɝɪɚɥɨɜɴ“. 71 Originaltitel: „ɉɚɧɝɟɨɦɟɬɪiɹ“. 72 In neuester Zeit erschien auch eine englische Übersetzung mit Faksimiles der russischen und der französischen Originalausgabe (Lobačevskij 2010).

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sel war eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Durchbruch und die internationale Anerkennung, die schließlich beiden Mathematikern, Nikolaj Lobačevskij und János Bolyai, im Laufe der sechziger und der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts in vollem Umfange zuteil wurde (Engel 1899, S. 420– 422). Mit der Anerkennung von Lobačevskijs und Bolyais Beiträgen zur nichteuklidischen Geometrie einher ging die inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser und deren Weiterentwicklung in den Jahren 1860 bis 1900, an der eine ganze Reihe von Mathematikern beteiligt waren (Voelke 2005). Und wie gestaltete sich die Würdigung Lobačevskijs speziell in Russland? Noch vor dessen Tod war man sich in Kasan der Bedeutung von Lobačevskij als Mathematiker bewusst. In dem 1858 in St. Petersburg erschienenen Nachruf auf Gauß (Savel’ev 1858) bemerkte dessen Verfasser im Zusammenhang mit der nichteuklidischen Geometrie: „Der verstorbene Professor der Universität Kasan Lobačevskij beschäftigte sich recht viel mit dieser Art der Geometrie. […] Es wäre wünschenswert, dass ein russischer Mathematiker diese Arbeiten objektiv begutachtet“ (Roussanova 2009b, S. 32). Am 5./17. November 1868, kurz nach Lobačevskijs 76. Geburtstag, fand an der Universität Kasan eine feierliche Sitzung statt, bei der Lobačevskijs Schüler Ėrast Petrovič Janiševskij, seit 1865 Professor für Reine Mathematik an der Universität Kasan, über das Leben und über die Werke seines Lehrers sprach (Janiševskij 1868). Diese Rede gilt als Lobačevskijs Standardbiographie, die für alle späteren Biographien richtungweisend war, so auch für die von Friedrich Engel (Engel 1899, S. 349). Von der Universität Kasan wurde im Jahre 1867 beschlossen, eine Gesamtausgabe von Lobačevskijs Abhandlungen zur Geometrie herauszugeben. Obwohl die Editionsarbeiten um 1870 fast abgeschlossen waren, erschien diese Gesamtausgabe erst in den Jahren 1883 und 1886 (Lobačevskij 1883/86). Dabei spielten die Bemühungen des französischen Mathematikers Guillaume Jules Hoüel eine große Rolle. Vasil’ev betont, dass die Herausgabe der gesamten geometrischen Abhandlungen des Kasaner Mathematikers im Wesentlichen auf die im Jahre 1866 von Hoüel in Paris herausgegebene Übersetzung von Lobačevskijs „Études géométriques sur la Théorie des parallèles“ (Lobačevskij 1866) zurückzuführen sei (Engel 1899, S. 421; Vasil’ev 1992, S. 159–160). Der Beitrag von Aleksandr Vasil’evič Vasil’ev für die Anerkennung und Würdigung Lobačevskijs darf hier nicht unerwähnt bleiben. Vasil’ev, ein Enkel von Ivan Michajlovič Simonov, wurde 1887 Ordentlicher Professor der Reinen Mathematik an der Universität Kasan. Im Jahre 1927 verfasste er eine umfangreiche Biographie Lobačevskijs. Die gesamte Auflage wurde jedoch aus ungeklärten Gründen vernichtet. Erst im Jahre 1992 wurde das Werk von Vasil’ev aus Anlass von Lobačevskijs 200. Geburtstag veröffentlicht (Vasil’ev 1992).

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Abb. 51. Schreiben der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vom 1./13. Mai 1856 über den Versand der silbernen und der bronzenen Gauß-Gedenkmedaille an den Universitätsrat in Kasan mit einem Vermerk über den Empfang der Medaillen durch Varvara Lobačevskaja Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. Sovet, ʋ 3897, l. 1.

Abb. 52. Gauß-Gedenkmedaille, Bronze, 70 mm * CAROLVS FRIDERICVS GAVSS * NAT. MDCCLXXVII APR. XXX OB . MDCCCLV FEB. XXIII GEORGIVS V REX HANNOVERAE MATHEMATICORVM PRINCIPI ACADEMIAE SVAE GEORGIAE AVGVSTAE DECORI AETERNO * Museum für die Geschichte der Universität Kasan.

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Der hundertste Geburtstag von Lobačevskij wurde 1893 in Kasan großartig gefeiert. Im September 1896 wurde vor dem Hauptgebäude der Universität Kasan sein Denkmal enthüllt. Im Jahre 1895 stiftete die Physikalisch-Mathematische Gesellschaft in Kasan den Lobačevskij-Preis, dessen erster Träger 1897 der norwegische Mathematiker Sophus Lie war.73 Dieser Preis konnte bis 1937 verliehen werden. Seit 1992 vergibt die Universität Kasan eine Lobačevskij-Medaille. Die Vergabe des Lobačevskij-Preises wurde im Jahre 1951 von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR fortgesetzt, wobei der Preis bis 1989 verliehen wurde (Vasil’ev 1992, S. 158–170). Durch ihre Nachfolgeorganisation, die Russländische Akademie der Wissenschaften, werden herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Geometrie seit 1996 wieder mit einem nach Lobačevskij benannten Preis ausgezeichnet.

9.5. Der Brief Lobačevskij an Gauß, 7./19. Juni 1843 (Kasan) Quelle: SUB Göttingen, 4 Cod. Ms. hist. lit. 116: Bd. III, Nr. 19 (1 S.) Publikation in: Engel 1899, S. 437; Modzalevskij 1948, S. 450–451.

[Der Brief wurde wahrscheinlich von Ernst Knorr niedergeschrieben.] [Vermerk von Gauß] pr[esentatum] d[en] 13ten Juli 1843. Hochwohlgebohrner Hochzuverehrender Herr Hofrath! Ihr gütiges Schreiben erhielt ich zugleich mit dem Diplom als Mitglied der Königl[ichen] Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Ich ersuche Sie ergebenst der Königl[ichen] Gesellschaft meinen Dank zu bezeugen und derselben zu versichern, daß ich mir es für eine große Ehre schätze, zu den correspondirenden Mitgliedern derselben zu gehören, und ich wünsche daß jede meiner Arbeiten im gelehrten Fache würdig seyn möchte, mit den ausgezeichneten Schriften der Gesellschaft vereinigt zu werden, ich werde wenigstens alle meine Bemühungen dahin richten. Verzeihen Sie mir, daß ich so lange zögerte Ihnen zu antworten, der unglückliche Brand der Stadt trägt Schuld davon; dieser hatte sowohl meine Gesundheit als auch meine persönlichen Angelegenheiten etwas zerstört, und mich außerdem noch mit einer Menge besonderer Dienstgeschäfte überhäuft. Empfangen Sie bey dieser Gelegenheit zugleich die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung, mit welcher ich für immer verbleibe 73 Weitere Preisträger waren: 1900 Wilhelm Killing (Münster), 1904 David Hilbert (Göttingen), 1909 Ludwig Schlesinger (Klausenburg), 1912 Friedrich Schur (Aachen), 1927 Hermann Weyl (Zürich), 1937 Élie Cartan (Paris) und Viktor V. Wagner (Saratow).

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Ewr. Hochwohlgeboren ergebenster N. Lobatschewsky. [Eigenhändige Unterschrift von Lobačevskij] Kais[erlich] russ[ischer] wirkl[icher] Staatsrath; Profess[or] u[nd] Rector der Universität zu Kasan, korresp[ondierendes] Mitglied der königl[ichen] Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Kasan den 7 Juni 1843.

Abb. 53. Johann Heinrich Mädler Nach einer Zeichnung von Lina Günter in Hannover. Aus: Mädler 1885, Frontispiz. Im Hintergrund ist der Mondglobus von Wilhelmine Witte zu sehen. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg.

10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874) 10.1. Johann Heinrich Mädlers Lebenslauf im Überblick * 29.5.1794 1824–1840 1836–1840

September 1839 1839 November 1839 4.6.1840 1840 1840–1865 1842 1844

1845 28.7.1851 18.7.1860 1866 1870 † 14.3.1874

Johann Heinrich Mädler in Berlin geboren Zusammenarbeit mit Wilhelm Beer in dessen Privatsternwarte in Berlin Mitarbeiter an der Akademiesternwarte in Berlin, deren Direktor Johann Franz Encke war Teilnahme an der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Bad Pyrmont, Bekanntschaft mit Wilhelmine Witte Besuch Mädlers und Minna Wittes bei Caroline Herschel in Hannover Treffen mit Carl Gustav Jacob Jacobi und Alexander von Humboldt Heirat mit der Dichterin Minna Witte Besuch des Ehepaars Mädler bei Bettina von Arnim Ordentlicher Professor und Direktor der Sternwarte an der Universität Dorpat, Nachfolger von Wilhelm Struve Thomas Clausen kommt als Observator nach Dorpat Von Juni bis September Reise nach Königsberg, Berlin, Brüssel, Bonn, Mannheim, München und Bremen, dort Festrede zur Einweihung des Platzes für das Olbers-Denkmal Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis bei Brest-Litowsk, deren Totalitätszone von der Ostsee bis ans Schwarze Meer reichte Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis in Nordspanien Rückkehr nach Deutschland (Wiesbaden, Bonn); in Dorpat wird Clausen Nachfolger von Mädler Umzug nach Hannover gestorben in Hannover

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10.2. Miszellen zu Leben und Werk Im Alter von 23 Jahren wurde Johann Heinrich Mädler Lehrer an einer Privatschule in Berlin. Bereits in seiner Jugend, angeregt durch die Erscheinung des großen Kometen von 1811,1 begann er sich für Astronomie zu interessieren. Im Jahre 1824 machte er die Bekanntschaft mit dem Bankier und Hobbyastronomen Wilhelm Beer, dem Halbbruder des Komponisten Giacomo Meyerbeer. Daraus ergab sich eine intensive Zusammenarbeit. Beer besaß im Berliner Tiergarten eine Villa, die 1828 mit einer Sternwarte ausgestattet wurde. An der Einrichtung dieser wohlausgerüsteten Sternwarte war auch Mädler beteiligt (ADB: 20, S. 37; Blunck 1997). Im Auftrage der Berliner Akademiesternwarte nahm Mädler im Jahre 1833 an der russischen Chronometerexpedition teil und war von Juni bis September 1833 auf dem Leuchtturm Arkona an der Nordspitze der Insel Rügen mit Beobachtungen beschäftigt (Eelsalu/Herrmann 1985, S. 26–27, 118). Ab 1834 pflegte Mädler die Verbindung mit der Berliner Sternwarte. Das war damals noch die erste, alte Akademiesternwarte, deren Direktor seit 1825 Johann Franz Encke war.2 Im Jahre 1835 konnte die neue Akademiesternwarte in Berlin-Friedrichstadt (im heutigen Kreuzberg) bezogen werden, die über ein eigenes Magnetisches Observatorium verfügte (Encke 1840, S. V; Reich 2011b, S. 43-44). Von 1835 bis 1840 versah Mädler dort die Aufgabe, sich an den erdmagnetischen Beobachtungen zu beteiligen.3 Die Beobachtungen von Mädler und Beer zogen die Aufmerksamkeit von Berliner Gelehrten auf sich, besonders von Alexander von Humboldt. Dies hatte zur Folge, dass Mädler 1836 als Observator an der Königlichen Akademiesternwarte in Berlin angestellt wurde (ADB: 20, S. 37). Am 19. Dezember 1836 schließlich wurden Beer und Mädler von König Friedrich Wilhelm III. mit der Goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Über Mädler gibt es eine vorzügliche Biographie (Eelsalu/Herrmann 1985), auf die hier hingewiesen sei.

10.2.1. Mondbeobachtungen und Mondkarte Mädler und Beer beschäftigten sich vor allem mit der Topographie des Mondes. Als Vorläufer hierfür müssen insbesondere die Mondbeobachtungen von Johann Hieronymus Schroeter und die von Wilhelm Gotthelf Lohrmann genannt werden. Schroeters Mondkarte (Schroeter 1791/1802) fußte ganz maßgeblich auf der Mondkarte von Tobias Mayer, die dieser 1748/49 aufgrund 1 2 3

Komet 1811 I (Great comet, Flaugergues) war vom 25.3.1811 bis zum 17.8.1812 sichtbar. Encke war seit 1834 an den von Göttingen aus koordinierten, korrespondierenden magnetischen Beobachtungen beteiligt. SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1834. SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1837.

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von intensiven und sehr genauen Beobachtungen und Berechnungen gezeichnet hatte (Mayer, T. 1985, S. 137–139; Mayer, T. 2006, S. 465). Die Mayersche Karte enthielt keine Namen für die Bezeichnung der unterschiedlichen Objekte auf dem Monde, diese fügte erst Schroeter hinzu (Schroeter 1791/ 1802, Tabula V; Brosche 1998). Lohrmann hatte 1824 nur einen ersten Teil seiner Ergebnisse publiziert, ein zweiter Teil folgte leider nicht (Lohrmann 1824; Weichold 1985, S. 369–394). Mädler und Beer stand für ihre Beobachtungen ein außerordentlich gutes Instrument zur Verfügung, nämlich ein Fraunhofer-Refraktor, der vorher im Besitz von Johann Wilhelm Pastorff gewesen war. Das Ergebnis dieser Beobachtungen waren die von 1834 bis 1836 in Berlin erschienene „Mappa selenographica“, die aus vier Karten je eines Viertels der sichtbaren Mondoberfläche bestand (Beer/Mädler 1834), sowie die 1837 ebenfalls in Berlin veröffentlichte Generalkarte der sichtbaren Seite des Mondes (Beer/Mädler 1837). Die von Beer und Mädler gezeichneten Mondkarten stellten eine wesentliche Verbesserung sowohl in der Darstellung als auch in den Bezeichnungen dar. Damals galten sie als Spitzenleistung der Mondforschung (vgl. Maurer 1998).

Abb. 54. Ausschnitt aus der Mondkarte von Beer und Mädler aus dem Jahre 1834 Mare Imbrium. Zu sehen sind die großen „Ringgebirge“ (= Mondkrater): Timocharis, Lambert, Mayer, Pytheus, Euler, Diophantus sowie der Berg Lahire (vgl. Brief Nr. 2 und 3). Aus: Beer/Mädler 1834. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

10.2.2. Mädler und Wilhelmine sowie Minna Witte Die in Hannover lebende Hofrätin Wilhelmine Witte war eine begeisterte Liebhaberin der Astronomie. Beers und Mädlers Mondbeobachtungen regten Wilhelmine Witte dazu an, aus Wachs und Mastix einen plastischen mit Relief versehenen Mondglobus zu modellieren. Ihr Mondglobus basierte auf der Mondkarte von Beer und Mädler und hatte 34 cm Durchmesser; die Rückseite bestand aus schwarzlackiertem Blech (Blunck 2006). Als Mädler von diesem Mondglobus erfuhr, war er zunächst skeptisch, wurde dann jedoch positiv überrascht: „Meine Befriedigung war um so größer und vollständiger, je weniger ich der Sache vorher Vertrauen geschenkt hatte. Hier war nicht die Rede von einer bloß fleißigen und mühsamen Dilettantenarbeit, wie ich es allenfalls erwartet hatte, hier lernte ich eine Meisterin kennen, die mit gerechtem Stolze auf ihr schönes Werk blicken konnte“ (Mädler, M. 1888, S. 149). Als Mädler im September 1839 an der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Bad Pyrmont teilnahm, stellte er am 21. September den Tagungsteilnehmern in der Sektion Physik den von Wilhelmine Witte angefertigten Mondglobus vor, wobei er erwähnte, dass dieser „durch Vollständigkeit und Genauigkeit in der Ausführung einen ausgezeichneten wissenschaftlichen Werth“ besitze. In dem Bericht über die Versammlung heißt es weiter: „Keinen noch so kleinen Gegenstand der Großen Karte vermisst man auf dieser, nur 13 Zoll im Durchmesser4 (1/10000000 der Natur) haltenden Kugel, und alles dieß ist mit höchster Treue nach seiner wahren Naturgestalt wiedergegeben. Die Künstlerin hat eine Zusammensetzung von Wachs und Mastix zur Modellirung der Mond=Unebenheiten angewandt. [...] Der Vortragende legte zugleich ein Exemplar der Mappa Selenographica vor, damit jeder der Anwesenden sich durch eigene Prüfung von der Richtigkeit dieser Darstellung überzeugen könne“.5 An demselben Tage bekamen auch die versammelten Frauen und Töchter der Naturforscher und Ärzte den Globus zu sehen, wobei wiederum Mädler das Kunstwerk erläuterte und somit für „die erfreulichste Unterhaltung und Belehrung“ sorgte.6 Am 29. September 1839 sandte Mädler aus Hildesheim einen Bericht an den Herausgeber der „Astronomischen Nachrichten“, Heinrich Christian Schumacher, in dem er bestätigte, er sei durch eine genaue Prüfung davon überzeugt worden, dass der Mondglobus „allen Anforderungen der Kunst und Wissenschaft“ entspreche und dabei „die Treue der Nachbildung unübertrefflich“ sei: „Da durch eine leichte und einfache Vorrichtung der Globus in jede 4

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Im Text des „Amtlichen Berichtes“ kommen zwei unterschiedliche Angaben über den Durchmesser des Mondglobusses vor: 13 Zoll und 18 Zoll. Die letztere Angabe ist sicherlich ein Druckfehler. Der Mond hat einen mittleren Durchmesser von 3476 km oder 34,76 cm (ca. 13 Zoll) im Maßstab des Globus. Isis. Amtlicher Bericht über die siebzehnte Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte zu Pyrmont im September 1839. Leipzig 1840, Heft XI und XII, Sp. 888. Ebenda, Sp. 848.

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Lage gebracht und erhalten werden kann, so richtete ich ihn gegen die Sonne, producirte so beliebig alle Phasengestalten und betrachtete ihn nun aus einiger Entfernung durch ein Fernrohr, wo ich zu meiner freudigsten Ueberraschung alle Schattencontouren, abgetrennte Lichtinseln u[nd] d[er]gl[eichen], wie sie mir durch meine zahlreichen Mondbeobachtungen sehr gut erinnerlich waren, wiederfand“.7 Einige Zeit lang befand sich der Mondglobus in Hannover; später reiste Mädler mit ihm nach Berlin, wo er dieses Prachtstück Alexander von Humboldt vorstellte. Dieser war begeistert und erreichte, dass König Friedrich Wilhelm IV.8 den Mondglobus für seine Kunstsammlungen in Berlin erwarb (Mädler, M. 1888, S. 149). Wilhelmine Witte schuf noch ein weiteres Exemplar des Mondglobusses, das 1845 der Royal Astronomical Society in London vorgestellt wurde. Ein dritter Mondglobus wurde 1847 fertiggestellt und gelangte später in die Kunstsammlung des Königs von Hannover, Georgs V. (Eelsalu/ Herrmann 1985, S. 30–31). Ein erhalten gebliebenes Exemplar des Mondglobusses von Wilhelmine Witte verwahrt heute das Historische Museum am Hohen Ufer der Leine in Hannover. Am 4. Juni 1840 heiratete Johann Heinrich Mädler die Tochter von Wilhelmine Witte, Minna Witte, die damals schon eine bekannte und erfolgreiche Dichterin und Schriftstellerin war.

10.2.3. Mädler in Dorpat: 1840–1865 Im Jahre 1839 verließ Wilhelm Struve Dorpat, um die Leitung der Sternwarte in Pulkowo zu übernehmen. Nachdem der in Dorpat favorisierte Peter Andreas Hansen seine Bewerbung zurückgezogen hatte, standen zwei Kandidaten als mögliche Nachfolger Struves zur Auswahl, nämlich der in Dorpat geborene Karl Eduard Senff und Mädler. Während Struve Senff bevorzugte, der Martin Bartels’ Schüler war, unterstützte Gauß Mädler, der dann auch 1840 nach Dorpat berufen wurde (Eelsalu/Herrmann 1985, S. 34). Mädler scheute sich zunächst, sein Heimatland zu verlassen, doch Alexander von Humboldt trug dazu bei, ihn davon zu überzeugen, dass er die ihm in Dorpat angebotene Stelle annehmen müsse (Mädler, M. 1888, S. 149–150). Das frisch verheiratete Ehepaar Mädler reiste über Königsberg nach Dorpat. In Königsberg statteten die beiden Friedrich Wilhelm Bessel einen Besuch ab (ebenda, S. 151–152). Mädler wurde als Nachfolger von Struve Direktor der Sternwarte und gleichzeitig Professor der Astronomie an der Universität. Die Dorpater Sternwarte war vorzüglich ausgestattet und gehörte damals zu den besten Sternwarten überhaupt. Man besaß dort den berühmten neunzölligen FraunhoferRefraktor in parallaktischer Montierung, mit dem Struve kurze Zeit vorher die

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Astronomische Nachrichten 17 (Nr. 386), 1840, Sp. 29–30. Friedrich Wilhelm IV. hatte am 7.6.1840 die Regierungsnachfolge angetreten.

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Parallaxe von Į-Lyrae hatte bestimmen können (Struve, W. 1840/41; GB 1364). Zum Antritt seines neuen Amtes hielt Mädler eine vielbeachtete Rede über die „Zukunft der Astronomie“, die er am 20. November 1840 bei der Feier des 15. Jubiläums der Thronbesteigung Kaiser Nikolajs I. im großen Hörsaal der Universität vortrug. Mädler setzte die von Struve 1817 begonnene Reihe „Observationes astronomicas, institutas in specula Universitatis caesareae Dorpatensis, publici juris facit Senatus Universitatis“ fort (Struve, W. 1817– 1839), wechselte aber von der lateinischen zur deutschen Sprache. Die Reihe hieß nun: „Beobachtungen der Kaiserlichen Universitäts-Sternwarte Dorpat“. Unter Mädlers Ägide erschienen von 1842 bis 1866 die Bände 9 bis 16. Mädlers Nachfolger, Thomas Clausen, setzte diese Reihe nicht fort, so dass Band 17 erst 1887 von Ludwig Schwarz herausgegeben wurde. Auch die von Wilhelm Struve begonnene Tradition der Beobachtung von Doppelsternen führte Mädler erfolgreich weiter. Weniger positiv wurden allerdings seine 1846 in Dorpat unter dem Titel „Die Centralsonne“ veröffentlichten Ideen aufgenommen (Mädler 1846a und b). Besondere Beachtung fand Mädlers erstmals 1841 in Berlin erschienenes Werk „Populäre Astronomie“, das unter dem Titel „Der Wunderbau des Weltalls oder Populäre Astronomie“ noch 1885 eine achte Auflage erleben sollte (Mädler 1885). Mädler gilt als einer der bedeutenden Pioniere der Popularisierung der Astronomie. Mädlers Schriftenverzeichnis umfasst 272 Nummern (Eelsalu/Herrmann 1985, S. 83–94), das später noch ergänzt wurde (Eelsalu 1998).9 Mädler, der von sich behauptete, kein Sprachtalent zu besitzen, veröffentlichte auch in russischer Sprache, wobei nicht bekannt ist, wieweit er diese tatsächlich beherrschte. Als Mädler 1865 emeritiert wurde und nach Deutschland zurückkehrte, wurde, wie bereits erwähnt, Thomas Clausen sein Nachfolger. Dieser war schon seit 1842 an der Dorpater Sternwarte als Observator tätig gewesen.

10.2.4. Mädlers Rezeption in der wissenschaftlichen Welt Beers und Mädlers Beiträge zur Mondforschung wurden allgemein überaus positiv aufgenommen. Dazu trugen auch Friedrich Wilhelm Bessels Besprechungen bei, in denen dieser mit Lob wahrlich nicht sparte (Bessel 1878, S. 333–361). Auch Joseph Johann von Littrow fand in einer ausführlichen Besprechung nur anerkennende Worte: „[Das Werk] umfaßt alles, was der menschliche Geist bisher über diesen Himmelskörper erforscht hat, und die Verfasser haben diese geschichtlichen Nachrichten aller ihrer Vorgänger mit so vielen und so wichtigen neuen Entdeckungen und eigenen Bestimmungen 9

Siehe auch: http://dspace.utlib.ee/dspace/bitstream/10062/4770/1/maedler.pdf (Stand 1.2.2011).

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bereichert, daß wir vielleicht sehr lange werden warten müssen, bis diese nun als so gut geordnet vor uns liegende Masse wieder einen größeren Zuwachs, und durch eine weitere, eben so glückliche Vereinigung von theoretischem Talent mit hoher Beobachtungsgabe und mit unermüdlicher Ausdauer, einen neuen Anstoß, eine neue bedeutende Förderung erhalten wird“ (Littrow 1846: 2, S. 147). Ebenso lobte auch Wilhelm Struve Beers und Mädlers Beiträge zur Mondforschung (Struve, W. 1838).

Abb. 55. Ausschnitt aus der Mondkarte von Beer und Mädler aus dem Jahre 1834 Mare Crisium. Zu sehen sind die „große Wallebene Gauss“10 mit einer langen Zentralkette sowie eine schwärzlichgraue Ebene der hellen Gebirgen „Struve“ und „Schumacher“. Aus: Beer/Mädler 1834. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg

Mädlers Publikation unter dem Titel „Die Centralsonne“ (Mädler 1846a, b) dagegen wurde von den Zeitgenossen sehr kritisch aufgenommen. Carl Gustav Jacob Jacobi, der mehrere seiner Zeitgenossen nicht einfach negativ, sondern geradezu bissig beurteilte, bezeichnete Mädler wegen dieses Werkes als den „Dorpater Kakerlaken“. Diesem Urteil widersprach allerdings Alexander von Humboldt, der Mädler persönlich kannte, aufs Heftigste. So schrieb Humboldt am 20. Januar 1851 an Jacobi: „Als Beobachter verdient übrigens Mädler keineswegs die Verachtung, mit der Sie ihn überschütten und mit Postastrono10 Nach Carl Friedrich Gauß wurde 1935 von der Internationalen Astronomischen Union einer der größten Mondkrater auf der erdzugewandten Mondseite genannt (Durchmesser ca. 171 km).

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men vergleichen. Ich könnte Ihnen Bessel selbst entgegenstellen, nicht bloß in dem öffentlichen Lobe des Mondwerkes, als besonders über den schönen Band von Planeten-Beobachtungen. Auch die sehr schwache Arbeit der sogenannten Central-Sonne, über die ich mich tadelnd sehr deutlich ausgesprochen, hat zu einer neuen Untersuchung der Eigenbewegung von 800 Fixsternen geführt“ (Briefwechsel Humboldt–Jacobi 1987, S. 149–150). Obwohl sich Mädlers Ansätze in seinem Werk „Die Centralsonne“ später tatsächlich als durchaus bedeutsam erweisen sollten, entstand das Missverständnis, Mädler habe das Vorhandensein eines zentralen Körpers im Sternensystem behauptet, zu welchem Irrtum der von ihm gewählte Titel der Schrift beitrug (NDB: 15, S. 634).

10.3. Mädler und Gauß Wie der Briefwechsel zwischen Gauß und Mädler zeigt, hielt Gauß sehr viel von Mädler, sonst hätte er sich gewiss nicht für dessen Berufung nach Dorpat eingesetzt.

10.3.1. Die Beziehungen zwischen Mädler und Gauß Offensichtlich sind sich Gauß und Mädler nie persönlich begegnet. Zwar hatte, wie die Briefe Mädlers zeigen, dieser durchaus die Absicht, Gauß in Göttingen einen Besuch abzustatten, aber daraus ist wohl niemals etwas geworden. Im Jahre 1840 erschien in Paris Beers und Mädlers Werk „Fragments sur les corps célestes du système solaire“, das sich auch in der Gauß-Bibliothek befindet (Beer/Mädler 1840; GB 760).11 Gauß besprach dieses Werk in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“: „Aus denselben Händen, denen wir die classische, vor vier Jahren erschienene, Selenographie verdanken, erhalten wir hier in deutscher und französischer Sprache eine Sammlung kleiner Aufsätze, wovon einige theilweise schon früher bekannt gemacht waren. Sie beziehen sich meistens auf die physische Beschaffenheit des Mondes und der Planeten, und, indem sie das Gepräge sorgfältiger Beobachtung, strenger Prüfung und gesunder Beurtheilung tragen, liefern sie uns manche schätzbare Erweiterung unserer Kenntnisse.“12 Überdies ließ ihm Mädler offensichtlich seine Rede über die Zukunft der Astronomie (Mädler 1840) sowie sein Werk „Die Centralsonne“ (Mädler 1846b) zukommen, da sich beide Schriften in der Gauß-Bibliothek befinden

11 Ein Jahr später erschien das Werk in deutscher Sprache unter dem Titel „Beiträge zur physischen Kenntniss der himmlischen Körper im Sonnensysteme“ (Beer/Mädler 1841). 12 Göttingische Gelehrte Anzeigen 1841, S. 1361–1365, hier S. 1361-1362 (30. August, 137. Stück). In: Gauß-Werke: 6, S. 652–654, hier S. 652.

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(GB 1247 und GB 1246). Letzteres beginnt mit folgendem Gedicht von Friedrich Gottlieb Klopstock: Um Erden wandeln Monde, Erden um Sonnen, Aller Sonnen Heere wandeln Um Eine grosse Sonne; Vater unser, der du bist im Himmel!

Bezüglich der Drucklegung einer Kurzversion von Mädlers Ausführungen zur „Centralsonne“ in seinen „Astronomischen Nachrichten“ trug Heinrich Christian Schumacher große Bedenken. Er hatte sich brieflich bei Gauß gemeldet und um einen Rat gebeten. Am 16. Mai 1846 ließ Schumacher Gauß wissen: „[...] allein der Aufsatz scheint mir, so weit ich bis jetzt urtheilen kann, so aus ungewissen Praemissen und schwachen Schlüssen zusammengesetzt, dass ich nicht weiss, ob ich ihn überhaupt abdrucken darf. Ich bin freilich nicht für die Meinungen meiner Correspondenten verantwortlich, allein mir scheint das Publicum ein Recht zu verlangen, dass ich den Platz, für den es bezahlt, nicht mit Sachen ausfülle, die ich selbst als gehaltlos erkenne“ (Briefwechsel Gauß– Schumacher 1863: 5, S. 151). Daher bat Schumacher Gauß: „Darf ich mir in dieser Verlegenheit Ihren freundschaftlichen Rath erbitten, ob ich den Aufsatz abdrucken darf oder nicht?“ (ebenda, S. 152). Gauß konnte zwar ebenfalls Mädlers Argumentation nicht im Detail folgen, er meinte aber dennoch: es „hat doch auch die Zusammenstellung der verschiedenen Sternbestimmungen einiges Interesse, auch für den, der die von Mädler gemachten Anwendungen nicht billigt“ (ebenda, S. 154). Nicht zuletzt auf Grund dieser Einschätzung veröffentlichte Schumacher schließlich Mädlers Beitrag (Mädler 1846a).

10.3.2. Zum Inhalt der Briefe Es sind acht Briefe bekannt, die Gauß und Mädler miteinander gewechselt haben, drei von Gauß an Mädler, die im Stadtarchiv von Hannover aufbewahrt werden, und fünf von Mädler an Gauß, die in der SUB Göttingen liegen. Die erhaltenen Briefe stammen aus den Jahren 1837 bis 1843, also anfänglich aus Mädlers Berliner, dann aus seiner Dorpater Zeit. Mädler teilte Gauß neben wissenschaftlichen Nachrichten auch Privates mit, nämlich dass er geheiratet habe, und später, dass er glücklich verheiratet sei. Derartige Privatangelegenheiten zu erwähnen, war in der damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Gauß äußerte seinerseits seinen Respekt gegenüber Wilhelmine und Minna Witte. Ist bislang vor allem bekannt gewesen, dass Bessels Beurteilung von Beers und Mädlers Beiträgen zur Mondforschung sehr positiv ausgefallen war, so liegt nunmehr klar zutage, in welch starkem Maße auch Gauß von Beers und Mädlers Arbeiten beeindruckt war. Gauß’ Briefe zeigen, dass er Mädlers und Beers Werk sehr genau studiert hatte und auch keinen Hehl daraus machte,

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dass dadurch der von ihm einstmals bewunderte Johann Hieronymus Schroeter nunmehr in seiner Achtung tief gesunken sei (Briefe Nr. 2 und 3). Merkwürdig mutet es heute an, dass nicht nur Schroeter, sondern auch Gauß von der Existenz von Mondbewohnern13 ausging (Brief Nr. 3). Ferner versuchte Gauß, Mädler gegenüber die Stadt Dorpat positiv darzustellen (Brief Nr. 5). Vor allem betonte er, dass die Ausstattung der Dorpater Sternwarte vorzüglich sei und der Etat, der ihr zur Verfügung stehe, denjenigen der Sternwarte in Göttingen um ein Mehrfaches übertreffe. Schließlich teilte Mädler bereits vor der Veröffentlichung Gauß seine Beobachtungen des Uranus mit, mit denen er dessen Abplattung belegte (Brief Nr. 7). Die entsprechenden Veröffentlichungen folgten postwendend (Mädler 1843b; Mädler 1844). Auch ließ Mädler mindestens die Bände 9, 10 und 12 der „Beobachtungen der Kaiserlichen Universitäts-Sternwarte Dorpat“ Gauß zukommen. Diese Bände befinden sich nämlich unter der Nr. 761 in der Gauß-Bibliothek.

10.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8

Datum 18.1.1837 30.10.1837 Dezember 1837 31.12.1839 2.1.1840 8.1.1840 7./19.10.1842 29.10./10.11.1843

Ort

Verfasser / Empfänger

Berlin Göttingen Göttingen Hannover Göttingen Berlin Dorpat Dorpat

Mädler an Gauß Gauß an Mädler Gauß an Mädler Mädler an Gauß Gauß an Mädler Mädler an Gauß Mädler an Gauß Mädler an Gauß

Brief 1. Mädler an Gauß, 18. Januar 1837 (Berlin) Quelle: SUB Göttingen, Gauss, Briefe A: Mädler 1 (1 S.)

Hochwohlgeborner Herr. Die ausgezeichnet verbindliche Art, mit welcher Sie sich über unsre Mondkarte14 in Ihrem Schreiben vom 9. Jan[uar] d[ieses] J[ahres] äußern,15 hat uns die lebhaf13 Vgl. Sartorius von Waltershausen 1856, S. 53. 14 „Mappa selenographica totam Lunae hemisphaeram visibilem complectens observationibus propriis secundum projectionem orthographicam quatuor sectionibus constructa et delineata dedicata“ (Beer/Mädler 1834). 15 Dieser Brief von Gauß ist nicht erhalten.

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teste Freude verursacht, zu unserm Erstaunen aber fanden wir, daß Sie das Ihnen zugedachte Exemplar nicht erhalten hätten. Es hat sich ergeben, daß durch einen bei Versendungen auf Buchhändler, wegen leicht möglichen Zufall Ihr Exemplar an einen andern Ort u[nd] Adresse gelangt ist. Sie werden also, obgleich schon im Besitz unsers Werkes, uns die Freude gönnen das beifolgende Exemplar als einen Beweis unsrer aufrichtigen Hochachtung entgegenzunehmen. Die Generalkarte,16 so wie die Selenographie,17 beide in Zeichnung und M[anu]s[cri]pt völlig beendet, rücken zwar langsam aber doch so vor daß beide im Laufe des Sommers erscheinen können. Erhalten Sie uns Ihr so schätzbares Wohlwollen und seien Sie versichert, daß wir den Werth desselben vollkommen zu schätzen wissen und die Zufriedenheit Eines Mannes, wie Ew. Hochwohlgeboren, weit über das ungestüme Lob der Menge setzen. Mit ausgezeichneter Hochachtung Ew. Hochwohlgeb[oren] ergebenster J. H. Mädler für sich und im Auftrage des H[er]rn W. Beer. Berlin, d[en] 18. Januar 1837.

Brief 2. Gauß an Mädler, 30. Oktober 1837 (Göttingen) Quelle: Hannover, Stadtarchiv, Autographensammlung Culemann Akz.-Nr. 1949.48 (4 S.) Teilpublikation: Mädler, M. 1888, S. 146.

Ewr. Hochwohlgeboren habe ich meinen allerverbindlichsten Dank abzustatten, theils für das schon vor längerer Zeit erhaltene Exemplar Ihrer Mappa Selenographica, theils für das neue mir unlängst durch eine hiesige Buchhandlung zugestellte Werk. Sie begründen dadurch eine neue Epoche für einen Theil der Astronomie, dessen unermeßlichen Reichthum wir dadurch erst kennen lernen. Was mich selbst betrifft, so gestehe ich, daß ich der Schröterschen Behandlung18 niemahls habe Ge-

16 Die „Generalkarte der sichtbaren Seite des Mondes“ von Beer und Mädler erschien 1837 in Berlin. Sie war als Übersichtskarte zur großen Mondkarte gedacht (Eelsalu/ Herrmann 1985, S. 26). 17 „Der Mond nach seinen kosmischen und individuellen Verhältnissen oder allgemeine vergleichende Selenographie“ (Beer/Mädler 1837). Das Werk ist in der Gauß-Bibliothek offensichtlich nicht mehr vorhanden. 18 „Selenotopographische Fragmente zur genauern Kenntniss der Mondfläche“ (Schroeter 1791/1802).

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schmack abgewinnen können, Lohrmanns Arbeit19 aber näher zu studiren durch den Umstand abgeschreckt wurde, daß sie einen noch sogar kleinern Theil des Mondes umfaßte. Ich war daher auf der Mondoberfläche immer ziemlich fremd geblieben. Aber durch Ihr Werk ist mir nun auf einmahl der Mond höchst interessant geworden, und ich verspreche mir davon für mich selbst den vielfachsten Genuß und Ersatz für eingebüßte Reisen auf der Erde. Außerordentlich erleichtert wird das Bekanntwerden im Monde durch Ihre Karte in Einem Blatt werden, deren Erscheinen ich daher mit größter Sehnsucht erwarte. Nach den Äußerungen eines frühern Briefes von Ihnen vermuthe ich, daß diese Karte in ähnlicher Art gearbeitet sein wird, wie die Mappa sel[enographica], nemlich so, daß sie den Mond darstellt wie er wirklich ist. Das bleibt auch natürlich immer das wichtigste und nöthigste. Aber – entschuldigen Sie eine Äußerung, die sich mir unwillkürlich aufdrängt, – sollte es nicht auch recht verdienstlich sein, neben einer solchen Generalkarte, nun auch noch eine reine Vollmondskarte auszuarbeiten, in welcher nemlich alle Gegenstände nicht nach ihrer Bedeutsamkeit an sich, sondern nach der Stärke ihrer Augenfälligkeit im Vollmonde hervorgehoben würden? Wie hell leuchten im Vollmonde eine Menge elegant scharfer Krater her, die in andern Phasen viel weniger hervortreten und auf Ihrer Karte sich durch Nichts auszeichnen, und auch durch Nichts auszeichnen durften. Freilich enthält Ihr Werk die Data dazu, eine solche Karte zu machen, so daß allenfalls auch ein Anderer sie jetzt ausführen könnte. Aber am willkommensten wäre dieselbe doch unmittelbar aus Ihren Händen, oder wenigstens unter Ihrer speciellsten Aufsicht ausgearbeitet. Für jemand der gleichsam ganz auf dem Monde zu Haus ist, wird freilich eine solche Charte wenig nöthig sein. Aber wie weit bin ich, wie weit sind wohl die meisten Astronomen, zur Zeit, von einem solchen Zuhausesein noch entfernt! Und Beobachtungen von Finsternissen, so wie von Monds Culminationen ließen sich gewiß viel fruchttragender anstellen, wenn der Beobachter hauptsächlich auf solche Gegenstände, die einer vergleichungsweise höchst scharfen Beobachtung fähig sind, hingeleitet, aber auch durch eine bequeme Charte gegen alles Verirren zwischen denselben geschützt wäre. Etwas schmerzlich ist es mir doch gewesen, daß mein alter Freund Schröter jetzt so tief herabsteigen muß. Ich spreche nicht von seinen Folgerungen; die sind immer schwach, und haben wohl jedem mathematisch gebildeten Astronomen immer nur als sehr schwach erscheinen können; aber ich hatte doch immer noch die Meinung, daß seine oft freilich pedantische Accuratesse anzuerkennen sei, obwohl ich auch hierin schon seit langer Zeit etwas mistrauisch geworden war, da ich von seinem angeblichen Nebel um Ceres und Pallas und ihrer enormen angeb[lichen] scheinbaren Größe, niemals die geringste Spur habe sehen können, sondern mir die sämtlichen 4 neuen Planeten immer nur wie scharfe stechende Punkte, oder wie Fixsterne, erschienen sind. Nun aber haben Sie auch vielfältig nachgewiesen, daß man sich auf seine Beobachtungen im Monde auch nicht verlassen kann. Unerfahren wie ich selbst noch im Monde bin, habe ich doch selbst jetzt auch schon ähnliches bemerkt. Man kann den Boscovich auf Schroeters 62. fig 220 nicht anse-

19 „Topographie der sichtbaren Mondoberflaeche“ (Lohrmann 1824). Zu Lohrmann siehe: Weichold 1985 und Blunck 1997, S. 36, 39. 20 Schroeter 1791/1802: 1, Tafelband, Tafel LXII, Fig. 2.

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hen, ohne sich zu fragen, wie es möglich war, daß jemand der diese Landschaft auch nur Einmahl gesehen hat, ihren Platz so unrichtig zeichnen konnte? Ich hoffe, daß Sie mir nicht ungütig nehmen, wenn ich eine Kleinigkeit bemerke, wo ich in Ihrem Werke etwas anstieß. Ich hatte Schröters vermeinte Veränderungen am Lahire21 gelesen, und war nun recht ungeduldig zu erfahren, wie Sie sich über diesen Berg äußern. Nach pag XII des Inhaltsverzeichnißes22 hatte ich den „hellglänzenden Berg Lahire“23 zwischen der Beschreibung von Lambert und Py248 ; nach dem alphabetischen Register soll ich den Lahire theus zu suchen also § 249 pag. 265 suchen. Aber weder an jener noch an dieser Stelle finde ich den Lahire mit Einem Worte erwähnt. Sollte er vielleicht an einer andern Stelle vorkommen, so hoffe ich, werde ich ihn noch finden; sollte aber vielleicht durch ein Versehen in der Druckerei die ihn betreffende Stelle verloren gegangen sein, so würde ich für eine gelegentliche Mittheilung derselben sehr verbunden sein. Wenn ich jetzt noch ein Paar andere Kleinigkeiten anführe, so sollten Sie ja nicht meinen, als ob ich sie an sich nur des Anführens werth hielte. Nein: ich wollte Ihnen nur beweisen, daß die Blätter Ihres Werks, selbst in der kurzen Zeit, daß es in meinen Händen ist, mir schon mal durch die Finger gegangen sind. Im Register pag 405 wird bei Aequator auf s[iehe] Mondsaequator verwiesen. Aber Mondsaequator kommt gar nicht im Register vor. Pag. 44 wird wohl anstatt fig 9 gelesen werden müssen fig 13, sowie pag. 44 [richtig: pag. 49] anstatt fig 10 — fig 12. Von den beiden Flanken die die Namen Snellius und Stevinus führen, hat in Ihrer Karte und in Ihrem Werke der nordlichere den ersten Namen, der südliche den zweiten, während es in Mayers Verzeichniß, in Schröters Charten und allen andern mir zu Gebote stehenden Charten gerade umgekehrt ist. In Ihrem Werke finde ich gar keine Erläuterung dieser Differenz, Ricciolis Originalkarte24 habe ich in diesem Augenblick nicht zur Hand. In der sehr schätzbaren Tafel, die Sie für die Elemente der Lage des Mondsäquators 1838.1839 in Enkes Jahrbuch für 1839 gegeben haben,25 scheinen mir die Überschriften k' und ǻ verwechselt. Mit größter Hochachtung habe ich die Ehre zu beharren Ew. Hochwohlgeboren ergebenster Diener 21 Der Berg La Hire (Lahire) ist ein Inselberg mit einem mittleren Durchmesser von ca. 25,0 km, Koordinaten: 27° 48ƍ N, 25° 30ƍ W. Zu früheren Ortsbestimmungen siehe: Beer/Mädler 1837, S. 71. Der Berg wurde zu Ehren des Mathematikers und Astronomen Philippe de La Hire genannt. 22 Inhaltsverzeichnis in: Beer/Mädler 1837, S. XIV. 23 Beer/Mädler 1837, S. 263–265. 24 Das Werk „Almagestum Novum“ von Giovanni Battista Riccioli erschien 1651 in Bologna (Riccioli 1651). Im ersten Band befindet sich die Mondkarte, die auf den Beobachtungen von Riccioli und seines Assistenten Francesco Maria Grimaldi basiert. Die Mondkrater wurden von Riccioli nach berühmten Astronomen, Wissenschaftlern und Philosophen benannt. Vgl. Whitaker 1999, S. 60–68. 25 „Lage des Mond-Aequators“ (Mädler 1837).

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C. F. Gauß Göttingen 30 October 1837 Darf ich wohl um gütige Abgabe der Einlage26 bitten?

Brief 3. Gauß an Mädler, Dezember 1837 (Göttingen) Quelle: Hannover, Stadtarchiv, Autographensammlung Culemann Akz.-Nr. 1949.9 (2 S.) Teilpublikation: Mädler, M. 1888, S. 147.

Ewr Hochwohlgeboren gütiges Schreiben27 vom . . # . . hat mir um so mehr Freude gemacht, als es mir beweiset, daß Sie meine Bemerkungen über Ihr Werk – die nur ein Beweis des großen Interesse sein sollten, welches ich daran nehme – gut aufgenommen haben. Ich habe nun auch das gütige Geschenk Ihrer Generalkarte28 erhalten, und dafür meinen verbindlichsten Dank abzustatten. Gewiß werden Sie ein Paar unbedeutende Bemerkungen dazu auch nur in diesem Sinn aufnehmen, nemlich als Beweise, daß ich auch diese Generalkarte mit lebhaftem Interesse durchreise. [Anmerkung von Gauß in der Fußzeile] # Indem ich die Lücke ausfüllen will, bemerke ich erst daß der Brief nicht datirt war. Daß auf derselben mehrere, auch lange recipirte, Namen weggeblieben sind wie Aratus, Alfraganus, Censorinus, Theon Sen[ior] u[nd] Junior, so wie andere später eingeführte wie Descartes, Dollond, Taylor, ist vielleicht, wenigstens meistens, absichtlich geschen [sic], um den Grund nicht zu sehr mit Zahlen zu überladen. Dagegen ist ohne Zweifel nur bei der Correctur übersehen, daß 57 . 58 Fracastor und Sandbech verwechselt sind. In Beziehung auf Stevinus und Snellius gilt dasselbe was ich schon bei der grossern Charte bemerkt habe, und wo (wie ich seitdem nachgesehen habe) Ihre übrigen Vorgänger auch mit Riccioli einig sind. Ein eigner Unstern scheint über den Lahire zu walten. Dieser Berg oder Doppelberg ist zwar in der Karte an seinem gehörigen Platze aber ohne Beziferung während die Zahl 32 bei einer andern Erhöhung steht, die der großen Karte nach, so wie nach dem Stillschweigen S. 265 (wenn es nicht unter der Andeutung „Einen interessanten Anblick“ etc. mit begriffen ist) nicht bedeutend zu sein scheint. Ich selbst habe diese Stelle im Monde noch nicht Gelegenheit gehabt nachzusehen, wohl aber früher einige mahle den wirklichen Lahire. In Beziehung auf meinen Wunsch nach einer reinen Vollmondskarte erlaube ich mir noch einiges beizufügen, obgleich nicht ohne Besorgniss, daß es mir vielleicht nicht gelingt, meine Ansicht klar und geordnet genug darzustellen. Finden Sie daß diese Besorgniss gegründet gewesen ist, so suchen Sie meine Entschuldigung in dem Datum dieses Briefes. 26 Diese Einlage war nicht zu ermitteln. 27 Dieses Schreiben ist nicht erhalten. 28 Die 1837 in Berlin erschienene „Generalkarte der sichtbaren Seite des Mondes“ von Beer und Mädler. Ein Exemplar der Generalkarte übersandten Beer und Mädler auch C. H. Schumacher (Eelsalu/Herrmann 1985, S. 26).

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Obgleich ich die Wichtigkeit der genauen Bestimmung der kleinen Mondskrater für anderweitige Zwecke, z.B. solche die Sie in Ihrem Aufsatze in den A[stronomischen] N[achrichten] angegeben haben,29 keinesweges verkenne, im Gegentheil sehr hoch stelle, so dachte ich doch bei meinem Wunsche nicht eigentlich hieran, sondern ich betrachte die Eroberung [sic] einer reinen Mondskarte wie ein[e] Aufgabe, die ihren Zweck in sich selbst hat. Der Begriff von Wichtigkeit bei den Gegenständen der Naturforschung bleibt immer relativ, und ist namentlich am meisten abhängig von ihrem Verhältniß zu den menschlichen Erkenntnißmitteln. Am Fixsternhimmel sind die Jahrtausende hindurch die Grössenordnungen die Haupttitel gewesen die ihre Ansprüche, Beobachtungsgegenstände der Astronomen zu sein rangirten. Und mit Recht, so lange anderes zu erheblicher Ausbeute zu bringen keine Mittel da waren. Vielleicht werden in spätern Jahrhunderten ganz andere Wichtigkeitstitel gelten, wenn die Doppelsterne und die Sterne mit starken Bewegungen erst besser bekannt sind. Mein Gleichniß hinkt etwas, fühle ich. Ich wollte nur sagen, die Wichtigkeit dessen was wir am Monde beobachten muß zunächst nach unsern Erkenntnißmitteln abgeschätzt werden. Das sind nun freilich die ungleichen Niveaus (die vielleicht für die Mondsbewohner eine viel untergeordnetere Wichtigkeit haben mögen, während das was für sie das wichtigste ist, uns ganz entgeht). Aber die Erscheinung des Mondes im Vollmonde die alle Monat mit, für den grössten Theil des Mondes wenig bedeutenden Veränderungen wiederkehrt, ist eine eigenthümliche wo meistens ganz andere Gegenstände als ausgezeichnet hervortreten, und es ist – in meiner Meinung – eine nicht unwürdige Aufgabe, daß man sucht, davon ganz Herr zu werden und sie so viel möglich gleichsam zu erschöpfen, ganz unabhängig davon, daß diese feinen scharfer Bestimmung fähigen Gegenstände, auch sonst Nutzen bringen können. Ich brauche übrigens nicht hinzuzusetzen wie sehr ich selbst fühle, daß dazu sehr viel Arbeit nöthig sein wird, um es auf eine würdige Art auszuführen. Ich breche jedoch ab, und empfehle mich Ihrem freundlichen Andenken gehorsamst C. F. Gauß Göttingen den December 1837 Darf ich um gütige Abgabe der Einlage30 bitten?

29 Alphabetisches Verzeichnis zu der Mondkarte der Herren Beer und Mädler zur leichtern Auffindung der Gegenstände, dem Herausgeber von den Herrn Verfassern mitgeteilt. Astronomische Nachrichten 14 (Nr. 324), 1837, Sp. 189–192. 30 Diese Einlage war nicht zu ermitteln.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 4. Mädler an Gauß, 31. Dezember 1839 (Hannover) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Mädler 2 (2 S.)

Hannover den 31. Dec[ember] 1839. Hochgeehrtester Herr Hofrath. Die gütige Theilnahme, die Sie mir stets gezeigt haben, seitdem meine Leistungen mich einer solchen einigermaßen würdig machten, legt mir gleichsam die Verpflichtung auf Ihnen die Nachricht zu geben, daß und warum ich mich jetzt hier befinde. Bei meinem Besuche Pyrmonts im Sept[ember] d[ieses] J[ahres]31 hatte ich Sie anzutreffen gehofft, und in gleicher Erwartung war auch die Hofräthin Witte aus Hannover mit ihrem eben fertig gewordenen Mondglobus dahin gekommen. Dieses nach der Mappa Selenographica und dem Mondwerke32 gearbeitete wahrhaft staunenswürdige Kunstwerk, das in Pyrmont den allgemeinsten Beifall fand, veranlaßte meine nähere Bekanntschaft mit dieser Familie – und bald darauf meiner Verlobung mit ihrer ältesten Tochter Minna, die sich als Dichterin Ruf erworben hat. Jetzt bin ich hier zum Besuch bei meinen Schwiegereltern bis zum 5. Jan[uar] d[ieses] J[ahres] u[nd] werde den Mondglobus auf einige Monate mit nach Berlin nehmen, ihn auch wahrscheinlich selbst wieder zurückbringen wenn ich meine Braut heimführe. Vielleicht ist es mir dann möglich Sie in Göttingen zu besuchen wonach ich mich so lange schon sehnte, und was schon im September beschlossen war, wo es durch die oben erwähnte Abweichung der Magnetnadel vereitelt ward. H[er]r Prof[essor] Listing, dessen persönliche Bekanntschaft ich hier schon im Sept[ember] machte ist auch jetzt wieder in Hannover und kann Ihnen Näheres über diese Mondkugel mittheilen. Die unermüdet thätige Künstlerin denkt schon wieder auf eine neue, so wie auf Abformung u[nd] Vervielfältigung derselben bis zu einem gewissen Punkte, denn die ungemeine Zartheit des einzelnen Details der jetzt fertigen Kugel läßt keine direkte Abformung zu. H[er]r Professor Jacobi den ich im Nov[ember] d[ieses] J[ahres] auf einem Frühstück bei Humboldt in Berlin sah, that unter andern an mich von Ihrer Seite die Frage, ob ich nicht Lust hätte eine der erledigten Sternwarten anzunehmen? Entschuldigen Sie daher, wenn ich hierauf etwas ausführlich antworte. Es kann mir gewiß nur willkommen sein meine Stellung in Berlin, mit der ich übrigens nicht unzufrieden bin, mit einer vortheilhafteren und mehr selbstständigen zu vertauschen, und das neue Verhältniß in welches ich zu treten im Begriff stehe, rechtfertigt diesen Wunsch nur um so mehr. Indeß die Arbeit, welche ich jetzt mit H[er]rn Beer in Berlin begonnen habe, müßte jedenfalls erst vollendet sein, wozu mindestens noch ein volles Jahr gehört: eine frühere Entfernung von Berlin würde mich gleichsam als wortbrüchig erscheinen lassen. Ueberdieß aber sind gegenwärtig, so viel mir bekannt, nur russische Sternwarten als vakante zu bezeichnen; ich glaube aber nicht, daß ich, selbst bei bedeutenden pecuniären Vortheilen, wohl 31 Die 17. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Bad Pyrmont im September 1839. 32 Beer/Mädler 1834 und Beer/Mädler 1837.

10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874)

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thun würde in ein Land zu gehen von dessen Sprache ich auch nicht das Geringste kenne, und deren ungeheure Schwierigkeiten ich bei meinem geringen Sprachtalent (das Einzige, was mir jemals zu erlernen schwer ward, sind Sprachen) nicht mehr zu besiegen hoffen darf: abgesehen von manchen andren Bedenklichkeiten welche die russischen Verhältnisse darbieten. Würde dagegen in Deutschland oder einem andern sprach= und culturverwandten Nachbarlande eine Stelle offen zu einer Zeit wo ich mit den erwähnten Beobachtungen fertig bin und böte sie mir hinreichenden Ersatz für das was ich in Berlin aufgebe, so würde ich kein Bedenken tragen und am wenigsten dann, wenn ein so wohlwollend gegen mich gesinnter u[nd] zugleich so einflußreicher Mann als Sie, für mich eine solche vermittelten und mich dadurch zu immerwährendem Danke verpflichteten. Nächstens werden Sie wie ich hoffe, von Berlin aus mehr von mir u[nd] H[er]rn Beer hören. Meine Schwiegermutter33 u[nd] ihre ganze Familie empfehlen sich Ihnen bestens und ich verbleibe in dankbarster Hochachtung Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster J. H. Mädler.

Brief 5. Gauß an Mädler, 2. Januar 1840 (Göttingen) Quelle: Hannover, Stadtarchiv, Autographensammlung Culemann Akz.-Nr. 1949.50

Hochgeehrtester Herr Professor. Obgleich seit einigen Tagen von einer Unpäßlichkeit heimgesucht, mit der ein heftiger das Briefeschreiben erschwerender Kopfschmerz verbunden ist, kann ich doch nicht unterlassen, Ihnen für Ihre freundlichen Zeilen zu danken, und zu Ihrem Eintritt in eine so achtungswerthe und interessante Familie meinen herzlichen Glückwunsch abzustatten. Über den von Ihnen berührten Gegenstand erinnere ich mich mit Herrn Prof. Jacobi bei seinem Hiersein gesprochen zu haben.34 Etwa sechs Wochen nachher erhielt ich von einer ganz andern Seite eine Anfrage wegen Wiederbesetzung der Stelle bei der Sternwarte in Dorpat. Zunächst hatte man dabei sein Augenmerk auf einen gewissen andern Astronomen gerichtet, über welchen man mein Urtheil verlangte.35 Obgleich ich nach meiner vollen Überzeugung denselben theoretisch u[nd] praktisch als vollkommen qualificirt erkennen muß, konnte ich doch nicht umhin hinzuzufügen, daß so weit ich seine sonstigen Verhältnisse kenne ich nicht glaube daß er die Stelle annehmen werde, und nannte für diesen Fall Sie. Sollte nun vielleicht ein Antrag an Sie gelangen, so glaube ich (obgleich ich selbst Sie ungern so entfernt wünsche) in Ihrem Interesse und im Interesse der Wissenschaft, 33 Wilhelmine Witte. 34 Carl Gustav Jacob Jacobi hatte Gauß 1829 einen ersten, 1839 einen zweiten und 1840 einen dritten Besuch abgestattet (Reich 1994, S. 60–61). 35 Zunächst war Peter Andreas Hansen ein möglicher Kandidat gewesen. Er sagte jedoch in einem Brief vom 2.9.1839 an W. Struve ab (Eelsalu/Herrmann 1985, S. 34).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

daß Sie denselben wohl in Erwägung ziehen mögen. Dorpat ist eigentlich keine Russische, sondern eine Deutsche Stadt; wiederhohlt ist mir von mehrern Seiten (u.a. von Struve und von meinem alten vor einigen Jahren verstorbenen Freunde dem Collegienrath Bartels) versichert, daß man dort sehr angenehm lebt; außer dem recht anständigen in Silberrubeln festgestellten Gehalt des auch eine schöne Officialwohnung genießenden Astronomen, hat die Sternwarte selbst, wie mir gemeldet wurde, einen jahrlichen Etat von 7000 BankoRubeln = 2100 Thl. preußisch Courant. Sie, lieber Herr Professor würden gewiß sehr verwundert sein, wenn ich Ihnen den Nenner des Bruchs herschriebe, der das Verhältniß des der Göttingischen Sternwarte inclusive des Magnetischen Observatoriums als Maximum vorgeschriebenen Etats zu jenem Dorpater Etat ausdrückt, welcher noch immer sehr anständig bleibt, wenn auch vielleicht Gehalt für Observator und Aufwärter mit auf denselben angewiesen ist (was ich übrigens nicht weiß). Welche Früchte würden solche Mittel in Ihren Handen tragen. Dazu die den Russischen Universitäten eigenthümliche Annehmlichkeit, nach 25 Dienstjahren sein ganzes Gehalt als wo immer verzehrbare Pension fordern zu können, und endlich, woran ein angehender Ehemann auch wohl denken mag, die große Leichtigkeit mit welcher die Söhne solcher Fonctionaires in Rußland auf eine ehrenvolle frühe Versorgung rechnen können. In Ihrem herrlichen Werke über den Mond,36 habe ich Eines ungern vermißt, nemlich etwas Detail über Ihre Instrumente. Über die Dimensionen Ihres paralla[c]tisch montirten Fernrohrs erinnere ich mich nicht irgendwo etwas gelesen zu haben (sollte ich irren so bitte ich um Entschuldigung). Daß es sehr vorzügliches leistet, erhellet uns allen. Angenehm würde es mir aber gewesen sein, selbst manche Nebenumstände erfahren zu haben z.B. ob das Fernrohr noch von Fraunhofer herrührt oder von Merz (von welchem nicht alles gleich vortreffllich zu sein scheint);37 ob Mikrometer in München oder in Berlin (so von Lohrmann’s in Dresden)38 verfertigt ist, selbst Kosten und wie lange nach Bestellung zu warten gewesen, erführe man gern. Sollten Sie vor Ihrer Abreise von Hannover H[er]rn Professor Listing noch sehen, so würden Sie mich verpflichten, wenn Sie ihn im Stand setzten, mir über diese Punkte Belehrung mit zu bringen. Darf ich Sie bitten, mich Ihrer liebenswürdigen Braut, deren zartbesaiteter Leier ich wohl früher mit großem Genuß gehorcht habe, Ihrer kunstreichen Frau Schwiegermutter39 und der ganzen Familie bestens zu empfehlen, und die Versicherung aufrichtiger Hochachtung anzunehmen von Ihrem ergebensten C. F. Gauß Göttingen 2 Januar 1840

36 37 38 39

Beer/Mädler 1837. Siehe hierzu: Ventzke 2004. Zu Lohrmann siehe: Weichold 1985 und Blunck 1997, S. 36, 39. Wilhelmine Witte.

10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874)

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Einliegendes Briefchen40 haben Sie wohl die Güte an H[er]rn Prof. Encke mitzunehmen.

Brief 6. Mädler an Gauß, 8. Januar 1840 (Berlin) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Mädler 3 (3 S.)

Hochgeehrtester Herr Hofrath! Mit dem aufrichtigsten Danke erkenne ich Ihre gütige Theilnahme, von der ich einen neuen Beweiß dadurch erhalten habe daß Sie trotz Ihres Uebelbefindens – hoffentlich ist es jetzt gehoben – mein Schreiben vom 1. Jan[uar] so schnell beantworteten daß ich noch in Hannover damit erfreut wurde. Meine liebe Braut u[nd] deren Eltern finden sich durch Ihre Aeußerungen aufs Höchste geehrt u[nd] danken dafür aufs Verbindlichste. Ich habe sie am 5. vergnügt u[nd] gesund verlassen u[nd] bin am 7. hier angekommen. Den von Hannover mitgebrachten Mondglobus fand ich beim Auspacken gänzlich unversehrt. Er wird nun vorläufig einige Monate in Berlin bleiben, wo ich ihn bei meinen Vorlesungen u[nd] sonst an andern Orten vorzeigen, und erläutern werde: über das Weitere ist noch nichts bestimmt. Sie erwähnen mit vollem Rechte eines Mangels in dem Mondwerke, auf den ich eigentlich H[er]rn Geh[eimen] Rath Beer schon bei der Abfassung aufmerksam machte, der aber der Meinung war daß die in Nr 192 der A[stronomischen] N[achrichten] gegebene Nachricht genügen werde.41 Dies ist jedoch nach meinem Urtheile viel zu wenig, u[nd] ich werde demnach hier nachzuholen suchen.42 Das Fernrohr hat 4 /2 Fuß Brennweite43 u[nd] ein Objectiv von 43 Dec[imal] Linien Oeffnung. Es ist noch von Fraunhofer selbst verfertigt u[nd] war früher in Besitz des jetzt verstorbenen Geh[eimen] Rath v. Pastorff zu Buchholz. Durch Vermittlung des Justizrath Kunowsky, der selbst ein sehr schönes Achromat be40 Brief von Gauß an Encke vom 2.1.1840. SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Encke 57. 41 Gemeint ist wohl der Aufsatz von Beer und Mädler „Physische Beobachtungen des Mars bei seiner Opposition im September 1830“ in den „Astronomischen Nachrichten“. Dort wird die Sternwarte der Villa Beer im Tiergarten (Berlin) wie folgt beschrieben: „Das Beobachtungslokal befindet sich auf der Platteforme einer in der Nähe von Berlin belegenen Villa. Sein Mittelpunkt ist vom Herrn Major v. Oesfeld durch genaue Triangulirungen bestimmt worden; es liegt 52° 31ƍ 14ƍƍ,31 N. Br., und 31° 2ƍ 8ƍƍ,24 der Länge von Ferro; oder 1ƍƍ,73 nördlich und 1ƍ 21ƍƍ,79 im Bogen westlich von der Königl. Sternwarte zu Berlin. Es ist mit einer Kuppel von 12ƍ Durchmesser bedeckt, die sich nach allen Richtungen mit Leichtigkeit drehen läßt und deren Klappen dem Beobachter gegen 20° Oeffnung gewähren. Das Fernrohr ist ein Fraunhofer von 4½ƍ Brennweite von dem hiesigen Mechanikus Duwe parallactisch montirt und mit einem die Rotation der Erde compensirenden Uhrwerk versehen. Bei der ganzen Einrichtung, namentlich bei Regulirung des Instruments, hatten wir uns des Rathes und der thätigen Mitwirkung des Herrn Prof. Encke zu erfreuen“ (Astronomische Nachrichten 8 (Nr. 191), 1831, Sp. 447–456, hier Sp. 447). 42 Siehe hierzu: Blunck 1997, S. 19–53. 43 D.h. 4 Fuß 2 Zoll.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

sitzt, kam es 1828 in den Besitz des H[er]rn Beer. Über die Kosten pp.44 in München selbst haben wir nichts Gewisses erfahren können. Die parallactische Montur ist von dem (1837 verstorbenen) Mechanikus Duwe im J[ahre] 1829 besorgt u[nd] gleichzeitig die kleine Drehkuppel auf H[er]rn Beers Villa erbaut worden. Bei diesen Einrichtungen und der Ende 1829 erfolgten Aufstellung hat uns H[er]r Prof[essor] Encke sehr bereitwillig mit Rath und That beigestanden. Die Kreise sind – wie wohl jetzt bei allen – unmittelbar an den Axen befestigt u[nd] die Ablesung bequem. Das angewandte Filarmikrometer ist gleichfalls von Fraunhofer und blieb während der ganzen Arbeit an der Mondkarte dasselbe. Erst später vertauschten wir die Oculare desselben mit einigen von Duwe verfertigten, unter denen besonders eins von neuer Construction, bei welcher eine vollkommnere Achromasie erlangt wird. Die am gewöhnlichsten angewandte Vergrößerung ist eine 150 malige; namentlich sind alle Messungen stets mit dieser gemacht. Nur zu feinern Untersuchungen, besonders des Inneren der Ringgebirge, ist ein feines einfaches Ocular von 250 m[al] Vergr[ößerung] angewandt worden, wenn die Luftbeschaffenheit vorzüglich günstig war. Die ganze Fassung des Fernrohrs ist Messing, und die beiden Bewegungen desselben werden durch die bekannten Huygensschen Schlüssel45 bewirkt. Das anfangs angebrachte Uhrwerk, um die tägliche Bewegung zu compensiren, entfernten wir bald wieder, da es von Oscillationen nicht frei war und überdiß die gleichzeitige Anwendung der Schlüssel nicht erlaubte. Bei den Mondmessungen habe ich stets nur den Schlüssel mit der Hand bewegt. Mit dem gerührtestem Danke erkenne ich Ihre Güte mit der Sie eventualiter mich zum Astronomen für Dorpat vorgeschlagen haben. Meine Bedenklichkeiten gegen Rußland finden wenigsten dem größern Theile nach auf Dorpat keine Anwendung, und nach dem, was Sie mir vorläufig mitzutheilen so gütig waren, würde ich den Ruf, falls er an mich gelangte, wahrscheinlich annehmen. Meine Braut ist gleicher Meinung, so ungern sie sich auch so weit von ihrer Familie entfernt. Die trefflichen Hülfsmittel dieser Sternwarte haben mir schon oft den Wunsch entlockt, mit ähnlichen zu arbeiten, und in pekuniärer Beziehung würde ich mich jedenfalls bedeutend verbessern. Leugnen kann ich jedoch nicht, daß ein in jeder Beziehung deutscher Ort, selbst wenn so nicht ganz die Vorzüge Dorpat’s darböte, mir angenehmer erschiene. – Auf alle Fälle indeß würde ich Ihnen vorher in Göttingen selbst meinen mündlichen Dank sagen, zumal Sie unter Deutschlands großen Astronomen der einzige sind, dessen persönliche Bekanntschaft ich noch nicht gemacht habe. Um Olbers zu sehen machte ich im Sept[ember] den Umweg über Bremen,46 und ein ähnlicher über Göttingen war projektirt, aber – – – In jedem Falle nehmen Sie die Versicherung an, daß ich stets alles aufbieten werde um die so günstige Meinung, welche Sie von mir hegen, in jedem Betracht zu rechtfertigen. 44 Lat. pp = perge, perge, bzw. pergite: fahre(t) fort. Im Sinne von „und so weiter“. 45 Es handelt sich wohl um eine besondere Art von Stellschrauben. 46 Wilhelm Olbers verstarb nur wenige Monate später am 2.3.1840.

10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874)

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H[er]r Geh[eimer] Rath Beer trägt mir auf, Ihnen wiederholt die Versicherung seiner aufrichtigsten Hochachtung zu geben, und ich verbleibe mit unbegrenzter Hochachtung und Ergebenheit Ihr dankbarer J. H. Mädler Berlin am 8. Januar 1840. P. S. Die Einlage an H[er]rn Prof[essor] Encke ist gleich bei meiner Rückkunft am 7. Vormittags besorgt worden.

Brief 7. Mädler an Gauß, 7./19. Oktober 1842 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Mädler 4 (1 S.)

Herrn Hofrath, Ritter etc. Dr. Gauss in Göttingen Hochzuverehrender Herr Hofrath! Der gegenwärtige 9te (oder seit meiner Verwaltung 1te ) Band der Dorpater Beobachtungen47 soll, nach meinem Vorsatze, den Anfang einer jährlichen Reihe machen; und eben so soll, wie diesmal, auch künftig den Beobachtungen eine astronomische Abhandlung beigefügt werden. So darf ich nicht fürchten, daß bei meinen Deutschen Gönnern und Freunden die Erinnerung an mich veralten werde. Den beiden für Sie und die Sternwarte bestimmten Exemplaren habe ich noch zwei, für die Göttinger Societät der Wissenschaften u[nd] für meine Schwiegermutter in Hannover, hinzugefügt, und rechne auf Ihre Gefälligkeit, indem ich Sie bitte, diese an Ihre Adresse zu besorgen. Könnte ich es Ihnen doch einmal hier vor Augen führen, wie trefflich Ihr mir unvergeßlicher Neujahrswunsch 1840 in Erfüllung gegangen ist:48 ich lebe hier, im Wissenschaftlichen wie im Häuslichen so glücklich wie man nur leben kann – ein treffliches Fernrohr und eine noch viel trefflichere Lebensgefährtin! – Geht es nach Wunsch so machen wir uns 1844 nach Deutschland auf u[nd] besuchen dann auch das schöne Göttingen, und treffen Sie recht gesund und wohl an. Die einzige erhebliche Neuigkeit, die ich Ihnen melden könnte, ist die daß ich die Abplattung des Uranus in 5 Abenden durch 111 Messungen (immer die Richtung um 15° ändernd) bestimmt habe (10,85 : 9,85; große Axe 4Ǝ,249 f[ür] mittl[ere]

47 Beobachtungen der Kaiserlichen Universitäts-Sternwarte Dorpat, herausgegeben von J. H. Mädler. Neunter Band [Neue Folge Bd. 1]; Beobachtungen vom October 1840 bis Ende 1841; nebst einem Anhange. Dorpat 1842. Dieser Band befindet sich in der Gauß-Bibliothek (GB 761) mit folgender Widmung Mädlers: „Herrn Hofrath Prof. Dr. Gauß in Göttingen, der Verfasser“. 48 Siehe den Brief von Gauß an Mädler vom 2.1.1840 (Brief Nr. 5).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Entf[ernung]; Winkel der Axe mit der Bahnebene 4° 49ƍ) und daß ich auch glaube endlich nach langer Bemühung einen Uranusmond gesehen zu haben.49 Möge der Himmel gegenwärtigen Band mehr als den 8ten begünstigen, der obgleich im October v[origen] J[ahres] versandt, doch auch zu Ihnen wahrscheinlich erst vor Kurzem – wenn überhaupt – gelangt ist. Mit wahrer Hochachtung Ihr ergebenster J. H. Mädler Dorpat 7 Oct[ober] 1842

Brief 8. Mädler an Gauß, 29. Oktober / 10. November 1843 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Mädler 5 (2 S.)

Dorpat am 29 Oct[ober]/10 Nov[ember] 1843. Hochgeehrtester Herr Hofrath! Lange habe ich mit einem Schreiben an Sie gewartet, zu lange wenn ich bedenke wie sehr Ihre Empfehlung und Ihr bewährter Rath zu meinem Glücke ausgeschlagen ist. Zwar darf ich voraussetzen, daß meine astronomische u[nd] schriftstellernde Thätigkeit Ihrer Aufmerksamkeit gewürdigt werden, doch aber kann dies keine Entschuldigung beharrlichen Schweigens sein. Es ist nun etwas über drei Jahre, daß ich mein hiesiges Amt angetreten, und ich habe seit dieser Zeit Rußland nicht verlassen, nur einige kleinere Reisen im Inlande gemacht. Meine astronomische Thätigkeit ist durch diese und einige Reparaturen nur wenig unterbrochen worden; durch Krankheiten noch gar nicht. Ich habe hier meine Beobachtungen der Mondoberfläche fortgesetzt, bin indeß hierin nicht so vorgerückt wie ich wünschte, da hier in Dorpat, zumahl bei der Lage der Mondbahn in diesen Jahren, im Sommer fast nichts damit zu machen ist, und die Winter mich bisher sehr getäuscht haben, da sie weit mehr Trübheit bringen als 41 eine 49 tägige ich dies von Deutschland her kannte. So hatte ich im Winter 42 ununterbrochene Trübheit, doch ist bereits ein guter Anfang gemacht u[nd] da in den nächsten Jahren die ungünstigen graden Declinationen mehr u[nd] mehr abnehmen werden so hoffe ich daß es dann rascher gehen werde. Eine meiner früher begonnenen Arbeiten fortzusetzen wurde ich bisher gehemmt, da die hiesige Sternwarte kein Heliometer hat. Das Instrument selbst wäre zwar wohl zu beschaffen gewesen, aber um es vollständig zu gebrauchen, hätte es eines zweiten thurmartigen Ausbaues bedurft, und dieser ist selbst nach der Lokalität der hiesigen Sternwarte nicht wohl möglich. Ich habe demnach meine Wünsche darauf beschränkt, mit dem hiesigen Refraktor eine das Heliometer repräsentirende Einrichtung zu verbinden. Eine solche ist in München, nach einem Schreiben von Lamont, jetzt ausgeführt worden und ich wünsche, diese Einrichtungen mir anzu49 Vgl. Mädlers Veröffentlichung „Messungen des Uranus am Dorpater Refractor“ (Mädler 1843a). Die Arbeit trägt das Datum 23.9.1842.

10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874)

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sehen und eventualiter in München zu bestellen. Am liebsten wäre mir eine Einrichtung, welche den Mitgebrauch des Fadenmikrometers, wenigstens eines Fadens zur Positionsbestimmung, gestattet, denn ich glaube mich hinreichend überzeugt zu haben, daß die Art, wie man durch das Heliometer Richtungswinkel erhält, an Genauigkeit sich mit denjenigen nicht messen kann, die man durch das Fadenmikrometer bei zweckmäßiger Anwendung erhält. Da der Mond sich vergleichsweise so selten meinem Fernrohr günstig gestellt hat, so habe ich gleichzeitig auch andere Arbeiten ausgeführt, namentlich aber die Doppelsterne sowol des ältern Struveschen Katalogs von 1827,50 als auch des neuern von 1843,51 durchzumessen angefangen. Da nun schon ein 12, 15 bis 18 jähriger Zeitraum mich von den in den Mensuris micrometricis aufgeführten Messungen trennt, so konnte die Wahrnehmung einer Veränderung in vielen Fällen erwartet werden. Von den bis jetzt untersuchten – etwa 1100 haben beiläufig 600 keine mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmende Bewegung gezeigt, für 290 glaube ich sie erkannt zu haben (einschließlich derer die schon früher bekannt waren) und unter diesen sind nur 40 – 50 noch einigermaßen zweifelhaft. Bei den übrigen muß ich die Entscheidung, bis erst mehrere Messungen erhalten sind, noch aussetzen. Auch habe ich die erfreuliche Erfahrung gemacht, daß die in Pulkowa entdeckten 5/4 duplices mit wenigen Ausnahmen für das hiesige Instrument nicht zu fein sind: ich habe die meisten schon durchgemessen. Sehr angenehm wäre es mir, wenn ich zur Aufklärung über die so viel besprochene Differenz in den kleinern Distanzen zwischen den Königsberger u[nd] Dorpater Beobachtungen etwas beitragen könnte.52 Daß es keine Personal- sondern eine Instrumental-Differenz sei, glaube ich mich überzeugt zu haben. Nicht allein hat Struve in Königsberg ganz eben so wie Bessel gemessen, sondern auch ich glaube gefunden zu haben daß einige von mir in Berlin heliometrisch gemessenen größer sind, als meine hiesigen – der Zeit nach wenig entfernten – hiesigen. Wenn erst Jupiter etwas höher steht so kann vielleicht folgendes Verfahren eine absolute Entscheidung herbeiführen. Nicht selten stehen zwei Jupitermonde in einer optisch sehr nahen Conjunction und die Theorie ihrer Bewegung ist jetzt wohl scharf genug um die Anwendungen der relativen Distanz vor u[nd] nach dieser Conjunction für einen kurzen Zeitraum haarscharf zu berechnen. Mißt man nun eine Reihe solcher Distanzen mit genauer Notirung der Zeiten, so unterscheiden sich diese 50 „Catalogus novus stellarum duplicium et multiplicium maxima ex parte in specula Universitatis Caesareae Dorpatensis per magnum teleskopium achromaticum Fraunhoferi detectarum“ (Struve, W. 1827). 51 „Catalogue de 514 étoiles doubles et multiples découvertes sur l’hémisphère celéste boréal par la grande lunette de l’observatoire central de Poulkova et Catalogue de 256 étoiles doubles principales où la distance des composantes est de 32 secondes à 2 minutes et qui se trouvent sur l’hémisphère boréal“ (Struve, W. 1843b). 52 Das Problem war, dass es zwischen den von Bessel in Königsberg mittels des Heliometers vermessenen und den von Struve am großen Refraktor in Dorpat vermessenen Doppelsternen eine Differenz gab, über die heftig diskutiert wurde. Dies ist auch eines der Themen in dem bislang noch unpublizierten Bessel–Struve-Briefwechsel (Briefband Nr. 12), der im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften liegt. Für diesen Hinweis sei Dietmar Fürst von der Archenhold-Sternwarte herzlich gedankt.

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Messungen in gar nichts von den Messungen heller Doppelsterne, man müßte denn von dem Unterschiede zwischen blos optischen Scheibchen, wie Doppelsterne sie geben, und reellen bestimmbaren Durchmessern, wie Jupiters Monde sie darbieten, etwas Nachtheiliges befürchten. Wenigstens wird der Einwurf, den Bessel gegen die aus den Messungen künstlicher Doppelsterne von Struve gezogenen Folgerungen gemacht hat, hierauf nicht anwendbar sein. Doch warte ich bis Jupiter mindestens den Aequator erreicht hat, der hier die ohngefähre Grenze zwischen guten und durch Dünste gestörten Beobachtungen macht. Was sagen Sie denn zu den neuen Beobachtungen aus Rom?53 Manche und unter ihnen auch Schumacher schütteln den Kopf dazu: u[nd] ich gestehe, daß ich hier wenigstens von diesen großen Entdeckungen immer nur vorläufige Nachrichten u[nd] Resultatszahlen, nie jedoch ein Observationsdetail wie doch unsre Zeit mit Recht fordert, zu Gesicht bekommen habe. Wenn die erste Nachricht angelangt ist und Aufsehen gemacht hat, so ist alles stumm wie zuvor. Es geht aber schon seit längerer Zeit mit allem so was aus Mittel- u[nd] Unteritalien Astronomisches zu uns herübergelangt, z.B. mit dem neuen Cacciatoreschen Planeten.54 Gern will ich in meinen Bedenken Unrecht haben, wenn nur die Wissenschaft Recht behält. Wenn ich Urlaub und einige Unterstützung bekomme, so habe ich vor im nächsten Jahr, von meiner Frau begleitet, eine Reise nach Deutschland zu machen. Dabei wünsche ich einerseits meine wissenschaftlichen Bekanntschaften zu erneuern und neue anzuknüpfen; andrerseits mir Sternwarten u[nd] Künstlerwerkstätten anzusehen u[nd] für die Dorpater Sternwarte u[nd] meine Thätigkeit an derselben zu profitiren. Besonders habe ich die magnetischen Arbeiten in Göttingen und die München-Bogenhausener Institute zu sehen mir vorgenommen. Kann ich auch Wien abreisen,55 so ist es desto besser; jedenfalls liegt die Naturforscher-Versammlung in Bremen in meinem Plane.56 Man kann jetzt, Dank sei’s den Eisenbahnen und was damit zusammen hängt, seine Reisepläne schon etwas großartiger anlegen als früher, ohne tiefer in den Beutel oder länger in die Zeit zu greifen. Ende Mai denke ich abzureisen und Anfang October wieder in Dorpat zu sein. Meine diesjährigen Messungen des Uranus-Sphäroids haben ergeben: (nach Herrn Clausen’s Berechnung) 53 Es ist nicht klar, auf wen bzw. was Mädler hier anspielt. 54 Niccolò Cacciatore, Nachfolger von Giuseppe Piazzi auf der Sternwarte in Palermo, hatte 1836 geglaubt, einen neuen Planeten entdeckt zu haben (Cacciatore 1836; Olbers 1836, Sp. 337–338). 55 Direktor der Wiener Sternwarte war zu dieser Zeit Carl Ludwig Littrow, der Sohn von Joseph Johann Littrow. 56 In der Tat unternahm Mädler von Juni bis September 1844 eine Deutschlandreise, wobei er aber nicht nach Göttingen kam (Eelsalu/Herrmann 1985, S. 61–62, 81). Dagegen nahm er an der für den September einberufenen 22. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte teil, die in Bremen stattfand. Dort hielt er zwei Vortrage über Kometenschweife und vor allem den Nachruf auf Wilhelm Olbers. Olbers zu Ehren war in Bremen ein Verein gegründet worden, der die Errichtung eines OlbersDenkmales in die Wege leiten sollte (Amtlicher Bericht über die 22. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Bremen im September 1844, S. 150–154, 14*–15* und 36*–37*).

10. Johann Heinrich Mädler (1794–1874) Große Axe = Abplattung = Winkel mit dem Decl. Kreise =

4Ǝ, 3274 1 9.92

15° 26ƍ ,1

`

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für die Dist. 19.079 Sept. 28. AR 0° 25ƍ Decl. – 0°40ƍ.

in diesem Sinne

Binnen Kurzem wird der zehnte Band der Obs[ervationes] Dorp[atenses]57 an Sie abgehen, ich kann aber bei der Langsamkeit der von hier aus gehenden Büchersendungen nicht recht darauf rechnen daß Sie ihn vor dem Frühjahr 1844 erhalten. Noch bitte ich ergebenst, die kleine Einlage nach Hannover an ihre Addresse befördern, und wenn es nöthig scheint etwas solider convertiren zu wollen, und verbleibe mit der ausgezeichnetsten Hochachtung Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster J. H. Mädler

57 Beobachtungen der Kaiserlichen Universitäts-Sternwarte Dorpat, herausgegeben von J. H. Mädler. Zehnter Band [Neue Folge Bd. 2]; Beobachtungen des Jahres 1842; nebst einem Anhange. Dorpat 1843. Dieser Band befindet sich in der Gauß-Bibliothek mit folgender Widmung: „Herrn Geh. Hofrath Dr. Gauss. Hochachtungsvoll vom Verfasser“ (GB 761).

Abb. 56. Georg Friedrich Parrot Original von Gerhard von Kügelgen. Aus: Bienemann 1902, Frontispiz.

11. Georg Friedrich Parrot (1767–1852) ȿɝɨɪ ɂɜɚɧɨɜɢɱ ɉɚɪɪɨɬ / Egor Ivanovič Parrot

11.1. Georg Friedrich Parrots Lebenslauf im Überblick * 5.7.1767 1782–1786 1786–1788

1789 1789–1793 1792 1795 1796 1796–1800 1800 1801 April 1802 5./17.10.1802 1802–1826 1802/3 1804–1821 1808 4./16.12.1811 26.4./8.5.1826

1826 1827 1840 † 8./20.7.1852 24.9./6.10.1852

Georg Friedrich (George Frédéric) Parrot in Mömpelgard geboren Besuch der Hohen Carlsschule in Stuttgart Hauslehrer beim Grafen d’Héricy auf Schloss Fiquainville in der Normandie Heirat mit Susanne Wilhelmine Lefort, zwei Söhne Privatlehrer für Mathematik in Karlsruhe und in Offenbach Ernennung zum Professor durch den Markgrafen von Baden Tätigkeit als Erzieher in Riga Heirat mit Amalie Helene von Hausenberg Amt des Beständigen Sekretärs der Livländischen Gemeinnützigen und Öconomischen Societät in Riga Berufung an die neu zu errichtende Universität Dorpat auf die Professur für Physik Promotion in Königsberg Übersiedlung nach Dorpat Reise nach St. Petersburg, Audienz bei Kaiser Alexander I. am 12./24.12.1802 Professor für Physik an der Universität Dorpat Erster Rektor der Universität Dorpat, dann auch 1805/6, 1812/13 Mitglied der Schulkommission in Dorpat Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Angewandte Mathematik, 1830 für Physik Übersiedlung nach St. Petersburg Verleihung der Ehrendoktorwürde der Medizin in Dorpat Emeritierung und Wahl zum Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gestorben in Helsingfors Begräbnis in St. Petersburg

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Carl Friedrich Gauß und Russland

11.2. Miszellen zu Leben und Werk Mömpelgard, französisch Montbéliard, war im Jahre 1767, als Georg Friedrich Parrot dort geboren wurde, eine Exklave des Herzogtums Württemberg.1 Die begabten Jugendlichen aus Mömpelgard hatten die Möglichkeit, in der 1770 gegründeten Hohen Carlsschule in Stuttgart ausgebildet zu werden, da diese durch das Steueraufkommen von Mömpelgard finanziert wurde. Die Carlsschule nahm zuerst eine Zwischenstellung zwischen Gymnasium und Universität ein, vergleichbar dem Collegium Carolinum in Braunschweig. Im Jahre 1781 wurde sie zur Universität erhoben. Der Sprachunterricht an der Hohen Carlsschule umfasste neben Latein und Griechisch auch Russisch, auch die naturwissenschaftliche Ausbildung wurde dort nicht vernachlässigt. Mömpelgard wurde 1793 von den Franzosen besetzt. Kurze Zeit später musste die Hohe Carlsschule in Stuttgart geschlossen werden. Als Georg Friedrich Parrot von 1782 bis 1786 diese Anstalt besuchte, zählte dort Johann Friedrich Pfaff zu seinen wichtigsten Freunden. Pfaff war schon im Jahre 1774 als Neunjähriger auf die Hohe Carlsschule gekommen und besuchte diese bis 1785.

11.2.1. Dorpat: 1801–1826 Auf Grund des damals herrschenden Mangels an Stellen für Akademiker hatte Parrot große Schwierigkeiten, eine für ihn passende Stellung zu finden, weshalb er zunächst als Privatlehrer in der Normandie, in Baden und in Riga arbeitete. Schon bevor er nach Russland kam, gelang es ihm, einige wissenschaftliche Arbeiten zu veröffentlichen. In Riga eröffneten sich ihm dann neue berufliche Möglichkeiten, indem er Beständiger Sekretär der Livländischen Gemeinnützigen und Öconomischen Societät wurde. Diese Gesellschaft war 1792 in Riga gegründet worden. Sie hatte aber erst 1796 die Arbeit aufgenommen und widmete sich vor allem den landwirtschaftlichen Belangen der damals russischen Ostseeprovinz Livland. Ab 1813 hatte die Gesellschaft ihren Sitz in Dorpat. Sie gab im Laufe der Jahre mehrere Zeitschriften heraus und existierte bis 1939 (Engelhardt/Neuschäffer 1983). Als im Jahre 1800 die Neugründung der Universität Dorpat beschlossen wurde, erhielt Parrot bereits zum Jahresende einen Ruf dorhin. Am 10./21. Dezember 1800 wurde ihm, noch vor der offiziellen Gründung der Universität, die Ordentliche Professur für Theoretische und Experimentelle Physik übertragen (Levickij 1902, S. 464). Im Jahre 1801 konnte Parrot in Königsberg auf Grund einer Dissertation promoviert werden: „Ueber den Einfluß der Physik und Chemie auf die Arzneykunde nebst physik[alischer] Theorie des Fiebers und der Schwindsucht. Dissertation zur Erlangung der Würde eines Professors der Physik an der Dorpatschen Universität“ (Parrot, G. 1

Zu Parrots Biographie siehe: Bienemann 1902 und Hempel 1999, S. 95–134.

11. Georg Friedrich Parrot (1767–1852)

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F. 1802); der Zusatz ist wirklich ungewöhnlich. An der Universität Dorpat übernahm Parrot die Professur für Physik, die er bis zu seiner Emeritierung innehatte. Am 5./17. Oktober 1802 reiste Parrot nach St. Petersburg, wo ihn Kaiser Alexander I., der erst am 12./24. März 1801 den Thron bestiegen hatte, am 12./24. Dezember zu einer ersten Audienz empfing. Daraus entsprang eine persönliche und beinahe lebenslange Freundschaft mit dem Kaiser, die für die Universität Dorpat von großem Vorteil war (Bienemann 1902). Parrot reiste noch viele weitere Male nach St. Petersburg, wo ihm am Kaiserhof Audienzen gewährt wurden. Alexander I. besuchte mehrfach die Universität Dorpat, was nie ohne positive Auswirkungen für diese blieb. In den Jahren 1802/3 bekleidete Parrot das Amt des Rektors. Er war überhaupt der erste Rektor der Universität Dorpat. 1803 wurde er Dekan der Philosophischen Fakultät. Diese Ämter sollte er später noch mehrmals wahrnehmen. Die Position eines Ordentlichen Professors für Physik in Dorpat bekleidete Parrot offiziell bis zum 26. Januar/7. Februar 1826. Parrots wichtigster Schüler in Dorpat war Emil Lenz, der später vor allem in St. Petersburg als Physiker eine große Karriere machte (Hempel 1999, S. 135–164).

11.2.2. St. Petersburg: 1826–1852 Parrots Übersiedlung nach St. Petersburg ging einher mit einem Wechsel auf dem Kaiserthron. Am 19. November/1. Dezember 1825 starb Alexander I., ihm folgte sein jüngerer Bruder Nikolaj I., der am 14./26. Dezember 1825 den Thron bestieg. Seine Herrschaft begann mit der Niederschlagung des sogenannten Dekabristenaufstandes. Parrot war seit 1811 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Am 26. April/8. Mai 1826 wurde er zum Ordentlichen Mitglied der Akademie für Angewandte Mathematik gewählt. Nach der Übersiedlung nach St. Petersburg nahm er am 11./23. Oktober 1826 zum ersten Mal an der Akademiekonferenz teil. Dreieinhalb Jahre später, am 24. März/5. April 1830, wechselte er an der Akademie zum Fachgebiet Physik über. Als Akademiemitglied beriet Parrot auch den neuen russischen Kaiser Nikolaj I., wenngleich sein Verhältnis zu diesem bei weitem nicht so eng war wie zu Alexander I. Als starker Mann in der Wissenschafts- und Bildungspolitik erwies sich in der Regierungszeit Nikolajs I. Sergej Semënovič Uvarov, der seit 1818 als Präsident der Akademie der Wissenschaften amtierte. Parrots Verhältnis zu Uvarov war nicht das allerbeste, so dass die meisten von Parrots Reformvorschlägen während seiner St. Petersburger Periode im Sande verliefen. Parrot gelang aber in der Akademie die Reorganisation des Physikalischen Kabinetts. Im Jahre 1840 wurde er als Ordentliches Akademiemitglied emeritiert, jedoch fast gleichzeitig zum Ehrenmitglied der Akademie gewählt. Sein Nachfolger wurde Adolph Theodor Kupffer, der am 11./23. Januar 1841 auf die Stelle eines Ordentlichen Akademiemitgliedes im Fach Physik wechselte.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Parrot verstarb im Alter von fast 85 Jahren am 8./20. Juli 1852 in Helsingfors. Begraben wurde er am 24. September/6. Oktober 1852 in St. Petersburg auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“. Dort existiert noch heute ein gemeinsames Grabdenkmal für ihn und für seine 1850 verstorbene zweite Gattin Amalie Helene (Abb. 57). In seiner dritten Ehe war Parrot mit Caroline Fahl, einer Verwandten seiner zweiten Ehefrau, verheiratet. Über Georg Friedrich Parrots Tod berichtete auch die Zeitschrift „Das Inland. Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland“.2

Abb. 57. Georg Friedrich Parrots Grabdenkmal auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg Photographie September 2008.

11.2.3. Parrot als Verfasser von populären Werken Georg Friedrich Parrot war ein leidenschaftlicher Experimentalphysiker. Schon in jungen Jahren erfand er neuartige landwirtschaftliche Geräte und später auch physikalische Instrumente. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen erschienen vor allem in deutschen und in russischen Fachzeitschrif-

2

Das Inland. Eine Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland. Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur [Dorpat] 17, 1852, Sp. 755–756.

11. Georg Friedrich Parrot (1767–1852)

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ten, meist in deutscher oder in französischer Sprache. Bei Hempel sind 82 Titel genannt (Hempel 1999, S. 108–112, 291–295). In Reden, in Vorlesungen und in Büchern versuchte Parrot, wissenschaftliche Ergebnisse auch Nichtspezialisten, Laien nahezubringen. Er ist Autor mehrerer populärer Werke und Verfasser von Lehrbüchern. Es war für Parrot sehr wichtig, dass eine populäre Darstellung über alle Zweifel erhaben und dennoch wohlverständlich sein müsse. Genannt seien hier die folgenden Monographien: a) „Grundriß der theoretischen Physic zum Gebrauche für Vorlesungen“, 3 Teile (Parrot, G. F. 1809–1815); b) „Anfangsgründe der Mathematik und Naturlehre für die Kreisschulen der Ostseeprovinzen des Russischen Reichs“ (Parrot, G. F. 1815a); c) „Entretiens sur la physique“, 6 Bde. (Parrot, G. F. 1819–1824).

11.3. Der Briefwechsel Es sind drei Briefe bekannt: ein Brief von Gauß an Parrot aus dem Jahre 1809 und zwei sehr umfangreiche Briefe von Parrot an Gauß aus der Zeit 1826/27, die Parrot nach einer mehr als 15-jährigen Pause verfasst hat, kurz bevor er nach St. Petersburg übersiedelte. Bei dem Brief von Gauß handelt es sich um eine gedruckte Abschrift. Auf die beiden Briefe von Parrot, die in Göttingen aufbewahrt werden, hat Gauß mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit geantwortet. Diese Antwortbriefe sind aber bedauerlicherweise nicht mehr auffindbar.

11.3.1. Die Berufung von Gauß nach Dorpat im Jahre 1809 Als es im Jahre 1802 an der Universität Dorpat um die Besetzung der Professur für Reine und Angewandte Mathematik ging, liebäugelte Parrot mit der Berufung seines Freundes Johann Friedrich Pfaff, den er noch aus seiner Zeit an der Hohen Carlsschule in Stuttgart kannte. Pfaff blieb jedoch gezwungenermaßen in Helmstedt, empfahl aber seinen jüngeren Bruder Johann Wilhelm Andreas Pfaff. Dieser wurde schließlich 1804 nach Dorpat berufen, nachdem es Parrot durch geschickte Machenschaften gelungen war, andere denkbare Kandidaten, nämlich Carl Friedrich Gauß, Johann Karl Burckhardt und Johann Joseph Anton Ide, auszuschalten (Oestmann 2005, S. 243). Als Johann Wilhelm Andreas Pfaff im Jahre 1809 Dorpat mit Nürnberg vertauschte, war Parrot Dekan der Philosophischen Fakultät. Nunmehr stand definitiv Gauß als Nummer eins auf der Berufungsliste der Universität Dorpat. Über das Berufungsverfahren wusste später die Zeitschrift „Das Inland. Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland“ folgendes zu berichten: „Gauß war am 31. Mai 1809 vom Conseil der Universität Dorpat zum Professor der Mathematik und Astronomie an Stelle des abgehenden Professors Pfaff erwählt

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Carl Friedrich Gauß und Russland

worden; Parrot hatte den Auftrag, ihn über die geschehene Wahl in Kenntniß zu setzen und seine Zustimmung zur Präsentation an die Oberen der Universität einzuholen; Gauß lehnte den Ruf ab und statt seiner wurde Johann Sigismund Gottfried Huth aus Charkow nach Dorpat berufen.“3 Gauß’ Gründe für die Ablehnung des Rufes, die er in dem Brief vom 20. August 1809 Parrot mitteilte (Brief Nr. 1), waren: – der Lehrstuhl für Reine und Angewandte Mathematik in Dorpat war nicht selbständig, sondern er umfasste auch die Astronomie. Gauß hätte also Anfängerunterricht sowohl in Mathematik als auch in Astronomie erteilen müssen; – die Versorgungsbezüge waren in Göttingen besser geregelt. Da Gauß bereits eine Familie hatte, war das ein wichtiger Punkt für ihn. Über die Ablehnung des Rufes nach Dorpat waren sowohl Gauß’ früherer Lehrer Eberhard August Wilhelm Zimmermann als auch Gauß’ väterlicher Freund Wilhelm Olbers sicher froh. Beide hatten Gauß schon vorher abgeraten, den Ruf nach Dorpat in Erwägung zu ziehen (Roussanova 2009a, S. 270– 271). Gleichzeitig mit der Ablehnung des Rufes schlug Gauß Parrot vor, Heinrich Christian Schumacher zu berufen, der ja bereits seit 1805 Dozent der Rechtswissenschaft an der Universität in Dorpat war und 1806 in Göttingen in absentia promoviert worden war. Wie aber die Berufung von Huth zeigt, ging man in Dorpat auf diesen Vorschlag von Gauß nicht weiter ein. Schumacher äußerte sich dazu später in einem Brief vom 30. Dezember 1809 gegenüber Gauß: „Die Dorpater haben wohl aus Depit Sie verloren zu haben, nicht den von Ihnen vorgeschlagenen gewählt, sondern irgend einen andern“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 1, S. 24). Als Nachfolger von Huth kam dann 1821 Gauß’ Freund Martin Bartels nach Dorpat.

11.3.2. Popularisierung der Naturwissenschaften Während Gauß in einem nicht erhaltenen Brief an Parrot offensichtlich geäußert hatte, dass populäre Werke mit Vorsicht zu genießen seien, gab ihm Parrot in seinem Antwortbrief vom 8./20. Juli 1826 im Prinzip zwar recht, wollte aber den populären Werken, wenn sie von geeigneten Fachleuten geschrieben waren, dennoch eine hohe Bedeutung zubilligen (Brief Nr. 2). Zu diesem Zeitpunkt war Parrot schon Verfasser des bekannten populärwissenschaftlichen Werkes „Entretiens sur la physique“, das von 1819 bis 1824 in Dorpat in sechs Bänden erschienen war (Parrot, G. F. 1819–1824).

3

Das Inland. Eine Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland. Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur [Dorpat] 21, 1856, Sp. 402.

11. Georg Friedrich Parrot (1767–1852)

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11.3.3. Georg Friedrich Parrot als Physiker Georg Friedrich Parrot hatte im Jahre 1825 in den „Annalen der Physik und Chemie“ eine Arbeit „Ueber eine Unvollkommenheit in der bisherigen Theorie der Ebbe und Fluth“ veröffentlicht (Parrot, G. F. 1825). Es ging hierbei um die Frage, ob das Phänomen der Ebbe und der Flut eine direkte oder eine indirekte Wirkung des Mondes sei. Parrot bezweifelte, „ob der Mond das Wasser diesseits und jenseits unmittelbar erhebt, oder ob diese Hebung dadurch geschieht, daß das Gleichgewicht, welches die Schwere bewirkt, durch den Mond gestört wird. Die erstere Annahme erklärt das Phänomen nicht […]. Wir wollen daher es versuchen, ob wir nicht auf dem zweiten Wege dazu gelangen“ (ebenda, S. 223). Im folgenden präsentierte Parrot ausführlich seine neue Theorie, bei der ihm aber offensichtlich doch einige Zweifel an deren Richtigkeit blieben, denn er schließt seinen Aufsatz mit der Bemerkung: „Möglich indeß, daß ich in meiner ganzen Ansicht irre, daß die Mängel, die ich in der üblichen theoretischen Darstellung des Phänomens der Ebbe und Fluth zu finden glaube, nur scheinbar seyen. Ich wünsche belehrt zu werden, und gewiß mancher andere Physiker mit mir. Ich wüßte aber Niemand, der mit größerem Rechte diese Belehrung ertheilen könnte, als der Herr Professor G a u s s , der, als rationeller Astronom, der Stolz Deutschlands ist, von andern Nationen nicht minder verehrt. Ich nehme mir die Freiheit Ihn zu ersuchen, sich in diesen Annalen über einen so wichtigen Gegenstand zu erklären“ (Parrot, G. F. 1825, S. 229–230). Ein Jahr später wiederholte Moritz Wilhelm Drobisch, damals Privatdozent in Leipzig, diese Aufforderung: „Im sechsten Stück des vorigen Jahrgangs der Annalen hat Hr. Prof. P a r r o t in Dorpat auf eine schon früher in seinem Grundriß der Physik der Erde und Geologie angezeigte, ihm unüberwindlich scheinende, Schwierigkeit in der Theorie der Ebbe und Fluth aufmerksam gemacht, hierauf mit großer Bescheidenheit versucht, dieselbe durch eine neue Hypothese zu heben, und endlich Herrn Hofrath G a u ß , als den ersten theoretischen Astronomen Deutschlands, aufgefordert, sein Urtheil und, im Falle der Mißbilligung der neuen Ansicht, Belehrung zu geben“ (Drobisch 1826, S. 233). Durch diesen Aufruf an Gauß kam erneut ein kurzer Briefwechsel mit Parrot zustande, wobei leider die Antworten von Gauß nicht erhalten sind. Indessen sind die Ausführungen von Parrot so ausführlich, dass man aus ihnen gut auf den Inhalt von Gauß’ Schreiben schließen kann. Diese Briefe von Parrot an Gauß sind die einzige Quelle dafür, dass sich Gauß überhaupt jemals mit der Theorie von Ebbe und Flut beschäftigt hat. Gauß zerpflückte offensichtlich Parrots Darstellung im Detail und versuchte, Parrot mit seinen Argumenten zu überzeugen. Parrot hatte zunächst Schwierigkeiten, Gauß’ Einwände zu verstehen. Der letzte Brief aber zeigt, dass es Parrot nunmehr gelungen war, Gauß zu folgen, und er erkannte Gauß’ Überlegenheit voll an. Obwohl Parrot Gauß in diesem letzten Brief aufforderte, seine Ergebnisse zu veröffentlichen, kam Gauß diesem Wunsch nicht nach. Weder Gauß noch Parrot widmeten dem

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Thema Ebbe und Flut noch einen weiteren Beitrag, der publiziert worden ist. So blieben die Leser der „Annalen der Physik und Chemie“ ohne Antwort.

11.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3

Datum 20.8.1809 8./20.7.1826 o.D. [1826]

Ort

Verfasser / Empfänger

Göttingen Pastorat Burthneck [Dorpat]

Gauß an G. F. Parrot G. F. Parrot an Gauß G. F. Parrot an Gauß

Brief 1. Gauß an G. F. Parrot, 20. August 1809 (Göttingen) Quelle: unbekannt Publikationen: Anonymus 1856; Meder 1928/29, S. 63–65; Depman 1956, S. 242–244 (deutsches Original und russische Übersetzung); Müürsepp 1978, S. 457 (englische Teilübersetzung).

Hochwohlgeborener Herr Insbesondere hochverehrter Herr Hofrath. Ew. Hochwohlgeboren muß ich vor allen Dingen gehorsamst um Verzeihung bitten, daß sich diese meine Antwort auf den ehrenvollen mir durch Sie zugekommenen Antrag etwas verspätet hat: entschuldigen Sie gütigst diese unwillkürliche Verzögerung theils mit dem Aufenthalt, welchen die dieserhalb mit der Regierung in Kassel gepflogene Korrespondenz verursacht hat, theils damit, daß es mir würklich schwer geworden ist, einen entschiedenen Entschluß zu fassen. Die Regierung hat mir zwar die Erlaubniß, Göttingen zu verlassen, verweigert, allein da man mir, in dem jetzigen Zeitpunkte, doch nicht viel mehr als Versprechungen für die Zukunft geben kann, so würde ich nichtsdestoweniger vielleicht nachdrücklicher auf jene gedrungen haben, wenn nicht bei dem Rufe nach Dorpat zwei Punkte in Betracht gekommen wären, in Rücksicht auf welche das dortige akademische Conseil zu meiner Zufriedenheit eine Modification zu machen wahrscheinlich außer Stande sein wird. Ich sage nichts davon, daß bei dem gegenwärtigen niedrigen Stande des russischen Papiers ich mich mit 2500 Rubel gegen meine hiesige Lage würklich verschlechtern würde; ferner daß 1000 Rubel Reisegeld nur eine ganz inadäquate Entschädigung für den Verlust sein würde, den ich bei der nothwendigen Verschleuderung alles dessen, was zu einem vollständigen Familienhaushalt gehört, erleiden müßte: der erste Umstand darf vielleicht als vorübergehend angesehen werden, und in Ansehung des zweiten Punktes wäre man gewiß billig genug gewesen, durch eine angemessene Erhöhung jener Summe den Verlust wo nicht zu decken, doch wenigstens zu mindern. Allein wichtiger sind mir die beiden Punkte gewesen:

11. Georg Friedrich Parrot (1767–1852)

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1) Daß die Wittwe auf die Pension erst nach 5 Dienstjahren Anspruch hat. Denn da auf den Fall meines Todes hier meine Wittwe eine Pension zu erwarten hat, welche größer ist, als selbst das Maximum in Dorpat, nach gegenwärtigem Cours, so würde ich durch den Tausch eine wichtige Pflicht gegen meine Familie verletzen. Denn so wenig ich übrigens auch schon in 5 Jahren zu sterben fürchte, so darf doch selbst die bei der Veränderung des Klima immer etwas vergrößerte Möglichkeit nicht außer Acht gelassen werden. 2) Daß die Professuren der reinen und angewandten Mathematik mit der der Astronomie in Einer Person vereinigt werden sollen. Da das Hauptmotiv einer Vertauschung meiner Lage der Wunsch sein würde, meine wissenschaftliche Thätigkeit vergrößern zu können, so würde ich in einer Lage, wo ich einen beträchtlichen Theil meiner Zeit anwenden müßte, das ABC der Mathematik zu dociren, unstreitig verlieren. In der That wundert es mich, daß man nicht auch in Dorpat, so wie auf den übrigen russischen Universitäten, wenigstens zwei Professoren für diese weitläufigen Fächer anstellt, um so mehr, da Dorpat bereits mit so vortrefflichen Instrumenten versehen ist und die Sternwarte, wenn alles zweckmäßig angewandt würde und in die Hände eines tüchtigen Mannes käme, nicht nur durch die Bildung zu nautischen Kenntnissen für das westliche Rußland von großer Wichtigkeit werden, sondern zugleich zu den berühmtesten in Europa einst gehören könnte. Je mehr ich mich durch den Antrag der Universität Dorpat geehrt fühle, um so mehr hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen die Gründe aufrichtig und freimüthig darlegen zu müssen, um deren willen ich Bedenken getragen habe, jenen Ruf anzunehmen. Sollte vielleicht in Zukunft das Kuratorium der Universität Dorpat in Rücksicht der Trennung der Professuren der Mathematik und Astronomie einmal ähnliche Ansichten haben, wie die eben erwähnten, so erinnern Sie sich immer, was der Hauptgrund gewesen ist, warum ich gegenwärtig Ihren Wünschen zu entsprechen mich nicht entschließen konnte. Ich besorge fast, daß ich indiscret erscheinen werde, wenn ich Folgendes hinzusetze. Würde ich aufgefordert, Ihnen statt meiner einen anderen vorzuschlagen, so würde ich mit voller Überzeugung den jetzt sich hier aufhaltenden Doctor Schumacher empfehlen können. Dieser junge Mann hat nicht bloß ausgezeichnete Talente und großen Eifer für die Mathematik, sondern auch bereits so ausgedehnte Kenntnisse, daß er jenem Platze gewiß mit Ehren würde vorstehen können. Seine persönlichen Eigenschaften werden Ew. Hochwohlgeboren selbst bekannt sein.4 Sollten Sie für gut achten, auf dieses mein Urtheil weiter zu reflectiren, so würde es mir große Freude machen, der Universität Dorpat zu einem tüchtigen Lehrer und diesem wackern jungen Manne zu einem angemessenen Wirkungskreise behülflich gewesen zu sein. Indem ich Ew. Hochwohlgeboren gehorsamst bitte, dem akademischen Conseil meinen ergebensten Dank für das ehrenvolle mir erzeigte Vertrauen in meinem Namen zu bezeugen, ersuche ich Sie zugleich, die Versicherungen der innigsten 4

Heinrich Christian Schumacher wirkte 1804 als Hauslehrer in Livland und wurde 1805 Dozent für Rechtswissenschaft in Dorpat; dort erhielt er unter Johann Wilhelm Andreas Pfaff seine astronomische Ausbildung. 1806 wurde Schumacher in Göttingen in absentia promoviert.

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Verehrung und Ergebenheit gütigst anzunehmen, womit ich beharre Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster Diener C. F. Gauss. Göttingen, den 20. August 1809. P.S. Herr Doctor Schumacher wird übrigens noch ein paar Monate sich hier aufhalten, ehe er seine Reise nach Paris unternimmt.5

Brief 2. G. F. Parrot an Gauß, 8./20. Juli 1826 (Pastorat Burthneck) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: G. F. Parrot 1 (5 S.)

[Anmerkung von Gauß] Parrot starb Anf[ang] August 1852 im 85 Jahre zu Helsingfors Hochwohlgebohrener Herr. Hochgeehrtester Herr Professor! Sie werden mich für sehr undankbar halten, wen[n] Sie mich nach der langen Zeit beurtheilen, welche zwischen dem Briefe mit welchem Sie mich so gütig beehrten6 und dieser Antwort liegt, beurtheilen [sic]. Meine Entschuldigung bitte ich zu finden theils in den vielen practischen Arbeiten, die ich für die Universität von jeher; und in dieser lezten Zeit ganz vorzüglich, übernehmen mußte, theils in dem Wunsche mich vollkom[m]en in Ihren belehrenden Brief ein zu arbeiten, um mich, wie Sie wünschen, zu einer tabula rasa, für Ihre Ansichten völlig empfänglich, zu machen, welches im Gewichte so heterogener Geschäfte nicht läuft, wenigstens auf eine befriedigende Weise, möglich war. Diese gänzliche Absonderung von störenden Geschäften kon[n]te ich nur jezt auf dem Lande, wo ich wie gewöhnlich jedes Jahr, einige Wochen zubringe, erreichen, da jene Arbeiten mich bis zum Abende vor meiner Abreise beschäftigten. Gleich nach dem Empfange Ihres geehrten Briefes las ich ihn mehrere Male mit der größten Aufmerksamkeit u[nd] hatte über dessen reichhaltigen Inhalt mit unserem Struve eine Conferenz um mich vorläufig u[nd] durch die Meynung eines Dritten auf dessen genaues Studium vorzubereiten. Was Sie als Eingang über den populären Vortrag mathematisch-physikalischer Theorien sagen, ist von manchen solchen Vorträgen sehr wahr, wo man sich mit einer ohngefähren Ansicht der Sache begnügt und die Gründlichkeit entbehren zu kön[n]en glaubt. Aber nicht minder wahr scheint mir der Satz, den ich von jeher angenom[m]en u[nd] mit welchem ich sterben werde: daß jede Theorie im Naturwissenschaftlichen Fache sich auf eine gründliche Art populär vortragen läßt, 5

6

Schumacher immatrikulierte sich am 9.11.1808 für ein Astronomiestudium an der Universität Göttingen und blieb dort bis Oktober 1809. Er reiste nach Paris aber nicht im Jahre 1809, sondern erst 1819. Dieser Brief ist nicht erhalten.

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nemlich so daß ein Uneingeweihter, aber mit einigen Vorken[n]tnißen ausgerüstet, einen claren u[nd] wahren Begriff von der zu erklärenden Sache bekäme, wen[n] die Theorie ihn würklich geliefert hat. So, z:B: sollte es mir nicht schwer fallen den gründlichen Inhalt Ihres lehrreichen Briefes populär u[nd] so vorzutragen daß der in der Rechnung Nicht-Eingeweihte den Gang Ihrer Ideen vollkom[m]en begreife. So hat Schubert seine populäre Astronomie geschrieben, Brandes gleichfalls;7 und wen[n] ich mich u[nd] mein Fach nach Euler nen[n]en darf,8 so glaube ich diese Aufgabe in meinen Entretiens sur la Physique nicht ganz schlecht gelöst zu haben,9 obgleich das von mir gewählte Gewand mehr auf Unterhaltung als auf Gründlichkeit zu zielen scheint. In der That besteht eine mathem[atisch]:physik[alische] Theorie im[m]er nur aus zwey Elementen, den physikalischen Sätzen und ihrer Behandlung durch Geometrie oder Rechnung. Die physik[alischen] Sätze müssen wahr u[nd] klar seyn, diese muß der Physiker dem Mathematiker, ihm und dem Nicht-Mathematiker vollkom[m]en deutlich, liefern. Die mathematische Behandlung muß auf einem allgemeinen Gang beruhen der sich ebenfalls dem in der Rechnung nicht-eingeweihten Man[n]e deutlich vortragen lassen muß; und nur das Quantitative, die Rechnung selbst, muß dieser auf Treue und Glauben annehmen; aber dieser Glaube ist nicht Köhler-Glaube, wen[n] der populäre Vortrag das Seinige leistet. Sie haben freylich in concreto vollkom[m]en Recht, da wir so viele schlechte populäre Darstellungen haben; aber der Satz besteht den[n]och. Und haben wir nicht auch mehrere schlechte mathematische Theorien von physikalischen Dingen, ich will nicht sagen von Anfängern, sondern von unsern größten Meistern, obgleich der Satz vollkom[m]en wahr ist daß die Physik ohne gründliche mathematische Behandlung keine Wissenschaft ist. Schon Kepler klagte über Theorien von physikalischen Dingen die nicht auf physikalischen Sätzen beruhen. Ich wähle ad instar omnium10 La Place’s Theorie der Capillarität,11 die, ein Meisterwerk analytischen Scharfsin[n]s, auf falschen physik[alischen] Ansichten u[nd] Sätzen beruht. Verzeihen Sie daß ich über eine Arbeit dieses grossen Mathematikers ein solches Urtheil fälle oder vielmehr in meiner kleinen Schrift Über die Capillarität gefällt habe;12 ich muß aber hierin[n] Recht zu haben glauben, da nicht nur weder Gilbert oder Brandes, die die Laplacesche Theorie für Deutschland bearbeitet und mit Pomp angekündigt haben,13 noch die Recensenten meiner Schrift, ihn zu recht7 „Populäre Astronomie“ (Schubert, F. T. 1804–1810 ) und „Die vornehmsten Lehren der Astronomie deutlich dargestellt in Briefen an eine Freundin“ (Brandes 1811–1816). 8 „Lettres à une princesse d´Allemagne sur divers sujets de physique & de philosophie“ (Euler 1768/72). Das Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt und wird bis heute noch verlegt. 9 „Entretiens sur la physique“ (Parrot, G. F. 1819–1824). 10 Lat. ad instar omnium = nach dem Beispiel aller. 11 Laplace 1806a, b und 1807. 12 „Über die Capillarität. Eine Kritik der Theorie des Grafen La Place über die Kraft, welche in den Haarröhren und bei ähnlichen Erscheinungen wirkt“ (Parrot, G. F. 1815b). 13 „Theorie der Kraft, welche in den Haarröhren und bei ähnlichen Erscheinungen wirkt; von P. S. La Place. Frei übersetzt, mit einigen Anmerkungen, von Brandes und Gilbert“ (La Place 1809).

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fertigen versucht haben, auch La Place selbst, den ich mehrere Jahre vor dem Druck dieser Schrift meine Zweifel über seine Theorie im bescheidensten Tone durch das National-Institut in französischer Sprache mittheilte14 und um Belehrung ersuchte, gänzlich schwieg. – Verzeihen Sie einem Man[n]e der eine populäre Physik15 in 6 Bänden geschrieben hat, diese Apologie des populären Vortrages u[nd] erlauben Sie mir zur Sache zu kom[m]en. Habe ich den Sin[n] Ihres gütigen Vortrages recht gefaßt, so ist die Bewegung für die Ebbe u[nd] Fluth in der Anziehung der Son[n]e u[nd] des Monds gegen den festen u[nd] flüßigen Theil unsrer Erde begründet und zwar nicht nur in dem Cardinalpunkte, sondern auch in den dazwischen liegenden, in dem Sie Formeln für alle diese Punkte liefern. Aber diese Bewegung wäre an sich unmerklich, den[n] was die Natur liefert der Grösse u[nd] den Perioden nach bey weitem nicht gleich, wen[n] nicht die Rotation der Erde und die Beharrlichkeit (ich wenigstens habe nie den Ausdruck Kraft der Trägheit gebraucht, sondern ihn öfters getadelt) eine Niveau-Veränderung hervorbrächten, welche uns das Phänomen der Ebbe u[nd] Fluth liefern wie es ist. Sie kön[n]en mir es zutrauen daß ich die Würkung der Beharrlichkeit hier nie in Zweifel gezogen, da ich diese Eigenschaft der Materie zur Erklärung der so auffallenden Phänomene des hydraulischen Schwungpegels16 und durch diese der hohen Fluthen in den Meerengen u[nd] Flußmündungen, so reichlich gebraucht habe. Aber diese beyde Momente, Rotation der Erde u[nd] Beharrlichkeit,würden keine Ebbe u[nd] Fluth an sich hervorbringen, wen[n] nicht die ursprüngliche Bewegung des Ocean’s durch die Würkung der Son[n]e u[nd] des Mondes gegeben wären, und darin[n] liegt mein ehemaliger Zweifel. Ich griff den Princip an, nicht in seiner Natur u[nd] Allgemeinheit, sondern in der Art seiner Anwendung zur Lösung der Aufgabe. Und auch jezt sind meine Zweifel noch nicht gelöset. Verzeihen Sie es mir, da Sie gewiß Aufrichtigkeit erwarten und sich nicht abgeneigt erklären diese Zweifel weiterhin zu lösen, wen[n] es Ihnen nicht mit dem ersten Male geglückt seyn sollte. Glauben Sie es meiner Liebe zur Wahrheit daß ich Alles gethan habe um mich zu belehren u[nd] daß ich gerne meine Überzeugung öffentlich ausgesprochen hätte. Wir haben also nicht mit der verwinkelten Aufgabe der Bestim[m]ung der Höhe der Fluthen durch die Niveau-Veränderung zu thun, die nur aus einer Rechnung wie La Place sie geliefert, entspringen kan[n], sondern mit der Anwendung des allgemeinen Gesetzes der Gravitation; auch hier nicht mit der relativen Bestim[m]ung für die verschiedenen Punkte eines Meridians oder des Aequators; diese Bestim[m]ungen sind durch einfache Formeln ausgedrückt und über allem Zweifel. Aber daß die Anziehung des Monds oder der Son[n]e in dem diesen Him[m]elskörpern abgekehrten Theilen der flüßigen Hülle des Erdkörpers eine Verminderung der Schwere erzeugen – das ist mir nicht klar. Ich kopire hier Ihre Figur u[nd] Text.

14 Der Name G. F. Parrot fehlt in der Korrespondentenliste von Laplace (Hahn 1994). 15 „Entretiens sur la physique“ (Parrot, G. F. 1819–1824). 16 Lesung nicht sicher.

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Richtung zur Son[n]e

Sie sagen: „der vordere Theil von B ist aber die Schwere (von sonstigen Kräften abstrahirt) die nach der Richtung von b nach Į, also der R[ichtung] entgegengesetzt, würkt. Für b haben wir also blos eine Verminderung der Schwere 2n: “ – diß ist absolut clar; dan[n] aber sagen Sie: „3) Ganz eben so findet sich für f eine Verminderung der Schwere =

2 : ( 2 n 1) ( n 1) 2

, wofür

2: n

gesagt werden kan[n]“ – das Quantitative ist

gewiß richtig; aber ich finde diese Verminderung der Schwere nicht positiv, sondern negativ. Hier haben Sie sich nicht bemüht zu beweisen daß diese Verminderung positiv sey; weiterhin kom[m]en Sie indirecte wieder darauf, und ich behalte mir vor auch diß zu berücksichtigen, nachdem ich meine Ansicht über das hier obwaltende Positive oder Negative, oder viel mehr über die durch Son[n]e u[nd] Mond bewürkte Verminderung oder Vermehrung der Schwere im Punkte f Ihnen zur Prüfung vorgelegt haben werde. Nehmen wir die Schwere in f als positiv an, so ist in demselben Punkte die Gravitation zur Son[n]e ebenfalls positiv, weil sie in derselben Richtung würk[t]. Der Punkt f wird durch die Schwere nach Į und durch die Gravitation gegen die Son[n]e oder Mond nach į (welcher leztere Punkt in der Geraden durch Į u[nd] f angenom[m]en wird) sollicitirt. Die beyden Würkungen, zusam[m]engenom[m]en, kön[n]en also nur positiv seyn, mithin wird der Punkt f mit den Kräften X + Ω (X = der Schwere) in der Richtung f Į gezogen, also stärker als mit der einzigen Kraft X. Mithin muß in f ein größerer Druck gegen Į entstehen als durch die einzige Schwere, mithin eine Applattung des Flüssigen in f. Es fragt sich nun ob die stärkere Würkung von Ω auf den Punkt Į (den Schwerpunkt der festen Masse der Erde) diese Applattung nicht nur vernichten, sondern in eine Erhebung, gleich der in b, bewürken kan[n]. Wäre der Punkt Į ein fester unverrückbarer Punkt, so wäre diese Würkung offenbar unmöglich und es würde die Applattung nothwendig erfolgen. Wir müssen also ins Gebiet der Bewegung hinüber treten, und Sie werden mir mit Recht den Vorwurf machen keine Rücksicht auf den Zustand der Bewegung genom[m]en zu haben, hätte ich würklich diese Rücksicht ausser Acht gelassen. – Wir ken[n]en an dem Erdkörper (das Schwanken der Erdaxe abgerechnet die hier keine Berücksichtigung erheischt) keine andere als die BahnBewegung u[nd] die Rotation auf der Axe. Von jener erwarten Sie selbst keine Würkung wie die in Frage stehende, u[nd] kön[n]en es auch, nach ihrem obersten mechanischen Prinzip, nicht, da die Bahn-Bewegung von der Gravitation zur Son[n]e, durch die zum Monde u[nd] den Planeten modificirt, abhängt, welche in den relativen Bewegungen der Theile der Erde keine Änderung erzeugen kan[n], am wenigsten eine Änderung vom Positiven zum Negativen oder umgekehrt.

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Die Axendrehung bleibt noch, u[nd] Sie gebrauchen sie (aber schon in der Voraussetzung des Satzes daß die Kraft 2n: im Punkte f eine Verminderung der Schwere daselbst sey) um das Phänomen der Abwechslung der Ebbe u[nd] Fluth ein Mal täglich zu construiren und dan[n] durch die Einwürkung auf den Zwischen-Punkten mit Hülfe der Beharrlichkeit die zweymalige Abwechslung und die Erhöhung der, ursprünglich unmerklichen Fluth bis zu der in der Natur statt findenden Grösse. Davon aber ist in unsrer Frage nicht die Rede, sondern ob diese Axen-Bewegung die anscheinend nothwendige Vermehrung der Schwere in b in eine Verminderung umwandeln kan[n]. Ich gestehe daß ich, nach der strengsten Prüfung der ich fähig bin (die ich schon zur Zeit da ich meine Physik d[er] Erde schrieb17 anstellte u[nd] jezt wiederholt habe) dieses nicht gefunden; und da Sie selbst ein Solches darzuthun nicht versuchen, so muß ich glauben daß es nicht thunlich sey. Sie beziehen sich aber in dieser Hinsicht überhaupt darauf daß die Erde frey im Raume sey u[nd] sonach auf allgemeine Beweglichkeit des Ganzen. Aber eben diese Freyheit begründet meinen Schluß daß, wen[n] die in f nothwendig scheinende Applattung sich in eine Erhöhung umwandeln soll, der Kern der Erde nach S vorrücken müßte; welches aber der Fall in der Natur nicht ist. Zu Ende Ihres Briefes sagen Sie: „Wen[n] die Son[n]e A einen Punkt B stärker als den Punkt C anzieht, • • • A B C so ist eine An[n]äherung des Punktes von C gegen B keine unmittelbare oder nothwendige Folge davon, sondern nur eine Beschleunigung der-jenigen An[n]äherung die ohne A statt finden würde oder eine langsamere Entfernung als sonst statt haben kön[n]te. An[n]äherung u[nd] Entfernung an sich finden in Folge des jedesmaligen Bewegungs-Zustandes statt, nach der gewöhnlich, ob schon schielend,18 sogenan[n]ten Kraft der Trägheit. Sie wünschen damit meine Beurtheilung der eigentlichen Würkungs-Art beschleunigender Kräfte zu berichtigen. Ich gestehe aber daß ich diesen passus nicht verstehe. Den[n], wen[n] B stärker als C von der Son[n]e A angezogen wird, so kan[n] ich keine An[n]äherung des Punktes C zu B daraus schliessen, so groß oder so klein die beschleunigende Kraft von C zu B im Verhältniß der Würkung der Son[n]e auf Beyde angenom[m]en werden möge; und diese lezte Einwürkung bedingt nur eine langsamere An[n]äherung von C zu B; welches aber wiederum voraussezt daß B sich der Son[n]e A würklich nähere. Daß eine Entfernung des Punktes C von B überhaupt ohne Annäherung des Punktes B zu A als vorhanden angenom[m]en werden müsse, und die Son[n]e sie nur langsamer machen kön[n]e, ist also bis jezt unerwiesen. Dieses ist das punctum saliens19 in der ganzen Discussion. Ich werfe also jezt die Frage auf: Ist eine solche, durch Son[n]e u[nd] Mond nur langsamer gemachte, Entfernung für sich an der 17 Parrot, G. F. 1809–1815, Teil 3. 18 Das Wort „schielend“ im Sinne von „krumm, schief“. 19 Lat. punctum saliens = der springende Punkt.

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flüßigen Hülle der Erde im Punkte f (nach der ersten Figur) da, ohne Zuthun der Son[n]e und des Mondes? – Gewiß nicht, da, wen[n] die Rotation des Erdballs einmal da ist und seit Jahrtausenden dauert, die Schwere u[nd] die Centrifugalkraft den Beharrungs-Zustand und die Wasserhülle ihr allgemeines Gleichgewicht erreicht haben, und die Würkung der Centrifugalkraft nur als eine Verminderung der Schwere angesehen werden kan[n], die keiner Änderung unterworfen ist. Wir haben also, ehe Son[n]e oder Mond oder Beyde auf die frey schwebende Erde einwürken, keine relative Bewegung der Flüßigkeit auf welche diese zwey Körper nur eine Vermehrung oder Verminderung erzeugen kön[n]ten; sondern alle Bewegung die wir Ebbe und Fluth nen[n]en, muß von ihnen ursprünglich ausgehen. Woher daß die Rotation der Erde, die Anziehung in den Zwischen-Punkten und die Beharrlichkeit der Massen an derselben die einmalige Periode in einem Tage, den Ort u[nd] die Grösse der Fluthen im Allgemeinen (die Localitäten aber an der festen Oberfläche der Erde im Speciellen) bestim[m]en, aber nicht die ursprüngliche Erhebung des Wassers an irgend einem Punkte erzeugen, die vorher gegeben werden muß ehe diese Umstände würken kön[n]en, noch auch die zweymalige Periode an einem Tage. Ich glaube aber bewiesen zu haben daß eine Erhebung des Wassers, im gewöhnlichen Vortrage, die Sie auf 2n: bestim[m]en, im Punkte f unmöglich ist. Wohl aber wird sie möglich u[nd] nothwendig, wen[n] man von dem in meinem Aufsatze aufgestellten Princip ausgeht daß die Anziehung (Gravitation, beschleunigende Kraft, wie man sie nen[n]en möge) in jeder Richtung eine begränzte ist, welche durch eine Äusserung ihrer Thätigkeit an andern Körper um so viel sich vermindert als diese Äusserung groß ist. Erlauben Sie mir noch ein Mal auf den Einfluß der Zwischen-Punkte zurück zu kom[m]en. Ihre hier copirte Figur deutet auf die

Strohmungen, welche durch die Einwürkung der anziehenden Weltkörper entstehen, wodurch die monatliche Erhebung des Wassers in b und f bewirkt wird. Nehmen wir den Mond oder die Son[n]e auf der Seite von b an, so bin ich vollkom[m]en mit Ihnen darüber einig daß die Erhöhung auf dieser Seite auf die beschriebene Art geschehen müsse. Soll aber diese Construction für die Kehrseite d e f g h wahr seyn, so muß wiederum Son[n]e oder Mond eine Verminderung der Schwere auf dieser Seite erzeugen, so daß es auch in dieser Erörterung wiederum darauf ankom[m]t, ob die Würkung der zwey Him[m]elskörper in Beziehung zur Schwere auf die Punkte e, f, g positiv oder negativ ist. Mithin scheinen mir im[m]er alle Theile der Theorie der Ebbe u[nd] Fluth auf die Frage zu beruhen: ob die Action von Son[n]e oder Mond auf f eine verminderte oder vergrösserte

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Schwere erzeugt; mithin der gewöhnliche populäre Vortrag (so wie ich ihn auch geliefert habe) zwar dürftig, aber richtig zu seyn. Um Ihnen einen Beweis meiner Unbefangenheit in dieser Discussion zu geben erlauben Sie mir Ihnen zu sagen daß Struve Ihrer Meynung huldigt, daß aber, um sie über meine Einwürfe siegreich zu machen, nachdem er durch die gewöhnliche Formel

:n 2 ( n 1) 2

und

:n 2 ( n 1) 2

für die Anziehungen der Son[n]e oder des Monds auf die

Punkte b u[nd] f Ihrer ersten Figur bewiesen hatte daß von diesen Anziehungen die Erste grösser und die zweyte kleiner sey als die Anziehung Ω auf den Mittelpunkt und den Satz der Erhebung des Wassers auf der Seite f erwiesen zu haben glaubte – doch noch behaupten mußte daß die Him[m]elskörper in ihren Bahnen gegen die Son[n]e würklich fallen (so auch der Mond gegen die Erde) wodurch die Widersprüche zwischen unsern Ansichten gehoben seyn sollten. Allein ich kan[n] diese Behauptung nicht zugeben, da ein Planet durchaus nur eine, u[nd] zwar krum[m]linichte, Bewegung, und nicht würklich eine centripetale zu dem gemeinschaftlichen Schwerpunkte und eine tangentiale hat – eben so wenig als ein Körper, der die Diagonale des Parallelogram[m]s seiner Kräfte durchläuft, sich würklich, zugleich oder successive, in jeder der Richtungen der Kräfte sich bewegt. Um uns sin[n]liche Vorstellungen von dem aus mehreren gleichzeitig würkenden Kräften entstehenden Bewegungen zu machen und um Formeln für diese Bewegungen uns zu verschaffen, bedürfen wir solcher Tren[n]ungen in der Idee, die aber nicht in der Natur sind. Dahin gehören auch alle Zerlegungen der Bewegung in mehrere Bewegungen nach willkührlichen Richtungen. Denselben Satz von dem würklichen Falle der Planeten gegen ihren Hauptkörper hat H. Drobisch im dißjährigen 2ten Hefte der An[n]alen der Physik u[nd] Chemie20 behauptet und daraus, jedoch ohne Rechnung, die Erklärung schöpfen zu kön[n]en geglaubt. Ich habe diese Seiten, meinem Gefühle nach, völlig unbefangen geschrieben und wünsche sehr daß Sie sich die Mühe nehmen möchten mir Ihre Meynung gefälligst zu sagen, um mir den Fehler den ich etwa in meinen Schlüssen begangen haben möchte, aufzudecken. Ich bin auch so frey Sie auf den in meinem Aufsatze p. 224 aufgestellten Grundsatz von der verminderten Accelerations-Kraft eines Körpers durch Verwendung eines Theils derselben auf Anziehung eines Andern, aufmerksam zu machen;21 in Ihrer Hand wird er für die Theorie der Ebbe u[nd]

20 „Versuch zur Beseitigung der vom Herrn Professor und Ritter Parrot angegebenen Schwierigkeiten in der Theorie der Ebbe und Fluth“ von Moritz Wilhelm Drobisch (Drobisch 1826). 21 Parrot schrieb 1825 in seinem Aufsatz „Ueber eine Unvollkommenheit in der bisherigen Theorie der Ebbe und Fluth“ in den „Annalen der Physik und Chemie“: „Wir wissen bestimmt, daß die Gravitation der Materie sich in zwei Hauptphänomenen äußert. a) Zur Bildung einzelner sphäroidischer Weltkörper durch wechselseitige Anziehung der Theile derselben. b) Zur Anziehung anderer Weltkörper als ganzer Massen, wodurch ihre Bahnen bestimmt werden. Sehen wir nun diese zwei großen Phänomene als aus einer Quelle entspringend an, so ist es klar, daß jede dieser Wirkungen einen Theil der andern aufhebt, weil eine einfache Kraft nicht eine doppelte Wirkung haben kann. Wenn also ein Weltkörper eine Gravitation auf einen andern Körper äußert, so

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Fluth gewiß viel ergiebiger seyn als in der Meinigen, und Ihr seltener Scharfsin[n] wird vielleicht eine glückliche Anwendung desselben zur Verminderung der spezifischen Gravitation der verschiedenen Weltkörper, die Beßel annehmen zu müssen glaubt, machen kön[n]en. Ich bitte Sie die Versicherung meiner in[n]igen Dankbarkeit u[nd] Verehrung anzunehmen Parrot Pastorat Burthneck22 d[en] 208 Julius 1826.

Brief 3. G. F. Parrot. an Gauß, ohne Datum [1826], ohne Ort [Dorpat] Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: G. F. Parrot 2 (3 S.)

Hochwohlgebohrner Herr Hochgeehrtester Herr Professor! Erlauben Sie daß ich damit anfange meinen verbindlichsten Dank für Ihren lezten Brief Ihnen abzustatten, durch welchen erst die Möglichkeit mir [bewußt] wurde die Erhebung des Meers für die zwey entgegengesetzte[n] Punkte im Allgemeinen zu construiren. Ihre kleine Kugel am Galgen hat die bisherige Finsterniß erleuchtet. Ich bewunderte zugleich Ihren Scharfsin[n] und Ihre beharrliche Gefälligkeit in der Durchführung der Ideen durch alle Fälle. Was Sie für den Nadir-Punkt so schön dargestellt haben, wiederholte ich für den Zenith-Punkt. Allein ich muß mich über einen doppelten Vorwurf rechtfertigen: Der Erste betrifft den Werth 2n: für die Verminderung der Schwere im Punkte f Ihrer Figur (die ich in meinem vorigen Briefe copirte) da Sie mir sagen daß, in dem ich diesen Werth für den Punkt b anerken[n]e, ich nur die leichte Mühe übernehmen kon[n]te die Berechnung auch für f zu machen. Diese Mühe ist allerdings so leicht daß man der Feder nicht bedarf, und es ergibt sich ganz einfach der negative Werth – 2n: . Ich hatte aber diesen numerischen Werth nicht angegriffen, sondern seine Bedeutung für unser Problem; und noch jezt kan[n] ich nicht (wie ich es in meinem Briefe auch sagte) die Hebung des Flüßigen in f aus diesem Werthe schliessen, wen[n] ich nicht annehme daß der Punkt Į, oder die feste Masse, d.h. die ganze Erdkugel zur Son[n]e anrückt. Der zweyte Vorwurf betrifft den Einfluß der Bahnbewegung der Erde um die Son[n]e auf das zu erklärende Phänomen. Allerdings war es von mir eine Voraussetzung, als ich schrieb „daß Sie keine solche Würkung davon erwarten“ – Allein ich mußte dazu verführt werden in dem Sie diese Würkung nicht anführten, obgleich es Ihnen auf der zweyten Seite Ihres Briefs nahe lag. Zu Ende der 1ten Seite ist die Gravitation seiner Theile gegen einander (die Schwere auf demselben) geschwächt“ (Parrot, G. F. 1825, S. 224). 22 Burthneck (Burtneck) war ein Kirchspiel im Kreise Riga des russischen Gouvernements Livland.

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bemerken Sie daß ich zwey Fälle (davon nur Einer der Fall der Natur ist) nicht unterscheiden [sic] und den jenigen, da nemlich die Erde nicht in fester Verbindung mit der Son[n]e steht, sondern die gegenseitigen Bewegungen frey sind, nicht beachtet habe. Hier erwartete ich allerdings die Bahnbewegung in Anspruch genom[m]en zu sehen, welches aber nicht geschah. Sie eliminiren vorerst den Fall der festen Verbindung dadurch daß Sie zeigen daß die Bewegungs-Phänomene des Flüßigen in diesem Falle anders ausfallen werden als sie in der Natur statt finden. Dan[n] fahren Sie fort: „Wir müßen also nothwendig die Erde als frey im Raume betrachten, wo dan[n] die Kraft der Son[n]e, die auf jeden materiellen Punkt der Erde würkt, u[nd] zwar ungleich würkt, relative Bewegung des Flüßigen auf der Erde gegen das Feste erzeugen, oder richtiger jedesmal die vorhandene Bewegung abändern, wird.“ – Auf dieser Stelle folgt gleich eine Bemerkung über die Mängel der populären Darstellungen, in Folge derer Sie sich bemühen wollen 1) mir die Sache deutlich zu machen, dan[n] 2) das bey meiner Vorstellungsart stattfindende punctum saliens auszuheben u[nd] den scheinbaren Widerspruch lösen. Nun liefern Sie den allgemeinen Grundsatz, den Sie als bez[ügl]ich der rationellen Mechanik aufstellen, u[nd] gehen gleich darauf an die Berechnung der Anziehung der Son[n]e auf die verschiedenen Punkte der flüßigen Erdhülle, ohne der Bahnbewegung, weder hier noch im übrigen Briefe, zu erwähnen. Alles, was Sie der Berechnung unterwerfen leiteten Sie blos von der unmittelbaren Einwürkung der Son[n]e auf die flüßigen Theile der Erde ab, ohne Zweifel desselben was Sie in der excerpirten Stelle Kraft der Son[n]e nen[n]en. Sie müssen also schon verzeihen, wen[n] ich, durch Ihr Stillschweigen verleitet, geglaubt daß Sie die Phänomene der Ebbe u[nd] Fluth nicht von der Bahnbewegung postuliren wollten, ja sogar daß sie sich nicht daraus postuliren lassen; den[n] après vous je tire l’échelle. Ihr zweyter Brief hat mich auf eine höchst angenehme u[nd] überzeugende Art vom Gegentheil überzeugt, wofür ich Ihnen in einem hohen Grade verbunden bin. Ich bitte aber den grossen Unterschied nicht zu übersehen, der zwischen der vorigen und der jetzigen Erklärungs-Art liegt. Hier entsteht die Störung des natürlichen Gleichgewichts der flüßigen Hülle der Erde in allen Punkten durch die aus der Bahnbewegung entstandene Schwungbewegung, die hier ganz als eine dem Erdkörper inhärirende Kraft würkt und ihre Abhängigkeit von andern Weltkörpern nur durch periodisches Wachsen u[nd] Abnehmen (welches der Zu- und Abnahme der einfachen Fluth entspricht) documentirt; Sie würkt als eine an dem ganzen Erdkörper schon gegebene Bewegung, weil sie unmittelbar aus einer reellen Bewegung entsteht. Man begreift hier die gegenseitige Hebung im Zenith u[nd] Nadir-Punkte und in den Übrigen, eben so leicht als man die Hebung einer flüßigen rotirenden Masse an ihrem Aequator begreift. Ich wiederhole Ihnen meinen aufrichtigsten Dank für diese zweyte Darstellung, die wahrscheinlich Ihnen eigenthümlich angehört, so wie für die lehrreichen Bemerkungen mit welchen Sie sie begleiteten, u[nd] die mich reitzen würden mich sogleich tiefer in diesen Gegenstand einzuarbeiten, wen[n] mich nicht die man[n]ichfaltigen Geschäfte u[nd] Störungen, welche mein Hinziehen nach Petersburg als Mitglied [d]er dortigen Academie der Wissenschaften mir auferlegt (ich reise in 3 Tagen ab) für jezt daran hinderten. Jedoch gestehe ich daß die Clarheit dieser neuen Vorstellungs-Art des Phänomens nicht auf die Erste zurück-

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glänzt, wen[n] auch, wie ich nach Ihrer Auseinandersetzung überzeugt bin, die numerischen Werthe beiderseits gleich ausfallen. Eine solche Übereinstim[m]ung ist mir kein vollständiger Beweis für die Ächtheit einer Erklärungs-Art, theils an sich, theils weil mir Fälle in concreto vorgekom[m]en sind die einer ErklärungsArt übereinstim[m]ende Resultate gab, soweit man die Phänomene kan[n]te, die den[n]och später falsch befunden wurde als die Zahl der Phänomene sich mehrte. Dennoch ist mir die erste (die gewöhnliche) Erklärung der Ebbe u[nd] Fluth, aus den in meinem vorigen Briefe angeführten Gründen, ungenügend und wird es wahrscheinlich im[m]er bleiben. Die Neue aber ist mir ganz klar, ist ein für sich bestehender mathematischer Satz, nur auf dem reinen Begriff von Schwungbewegung ruhend, und muß also zu Resultaten führen die keinem Zweifel unterliegen kön[n]en. Sonach scheint mir die Discussion in Bezug auf meine Überzeugung abgeschlossen zu seyn, und ich füge meinem wiederholten Dank für Ihre so gefällige Bemühungen noch die Bitte hinzu daß Sie geneigt seyn möchten, um Ihre Bemühung auch für Andere u[nd] Bessere als ich fruchtbar zu machen, Ihre Darstellung durch einen kurzen, gedruckten, Aufsatz bekan[n]t zu machen. Mein Geschäft kan[n] nur seyn öffentlich zu sagen daß Sie mich belehrt haben, welches am heutigen Tage geschehen soll. Morgen reise ich nach St. Petersburg ab um die Stelle eines Mitgliedes der Academie der Wissenschaften anzutreten.23 Die mir dadurch gewordenen zahlreichen Geschäfte u[nd] Unruhen werden bey Ihnen so wohl die Verspätung als auch den vernachläßigten Styl dieses Briefs entschuldigen. Genehmigen Sie die Versicherung meiner in[n]igen Verehrung, die nur mit meinem zeitigen Leben aufhören kan[n]. Parrot P. S. Meine Äusserung über die Stelle Ihres Briefs, betreffend die Figur • • • A B C war keineswegs ein Tadel, sondern nur der Wunsch um Erläuterung, welchen ich auch nur dan[n] ausdrückte als ich die Inversionen der Buchstaben u[nd] Ausdrücke versucht hatte. Auch jezt kom[m]e ich nicht heraus u[nd] ich glaube daß, als Sie diese Stelle in Eile schrieben, eine Gedanken-Reise Ihrem Geiste vorschwebte, die Sie nicht ausführlich entwickelten, dessen Faden aber jezt nicht wieder zu finden ist. Ein ähnlicher Fall ist mir wohl öfters vorgekom[m]en.

23 Parrot war zum ersten Mal am 11./23. Oktober 1826 in St. Petersburg zuerst bei einer Akademiekonferenz anwesend.

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Abb. 58. Titelseite des ersten Bandes des sechsbändigen populärwissenschaftlichen Werkes Parrots „Entretiens sur la physique“ (Dorpat 1819) Exemplar der Russländischen Nationalbibliothek, St. Petersburg.

Abb. 59. Friedrich Parrot „Bildarchiv Georg von Krusenstjern“ im Bestand des Bildarchivs Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität zu Marburg.

12. Friedrich Parrot (1791–1841) ɂɜɚɧ ȿɝɨɪɨɜɢɱ ɉɚɪɪɨɬ / Ivan Egorovič Parrot

12.1. Friedrich Parrots Lebenslauf im Überblick * 14.10.1791

1807 1811–1812 1814 1814–1816 1815 11./23.9.1816 1817 1821 1821 1824 1825–1836 1826 1827, 1834, 1837 1829–1830 1830 1831–1833 1837 † 3./15.1.1841

Johann Jakob Friedrich Wilhelm Parrot als Sohn von Georg Friedrich Parrot in Karlsruhe geboren Reifezeugnis in Dorpat; Beginn des Studiums der Medizin und der Naturwissenschaften an der Universität Dorpat Reise zusammen mit Moritz von Engelhardt ins südliche Russland; Besteigung des Kasbek (5047 m) im Zentralen Kaukasus Promotion zum Dr. der Medizin und der Chirurgie in Dorpat Reisen ins südliche Europa, Besteigung des Monte Rosa (4634 m) und der später nach ihm benannten Parrotspitze (4432 m) in den Alpen Stabsarzt bei der russischen Armee auf dem Feldzug nach Frankreich Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Reise nach Südfrankreich; Besteigung des Mont Perdu (3355 m) und der Maladetta (3404 m) in den Pyrenäen Professor der Physiologie, Pathologie und Semiotik an der Universität Dorpat Heirat mit seiner Cousine, eine Tochter Dekan der Medizinischen Fakultät in Dorpat Mitglied der Schulkommission an der Universität Dorpat Ordentlicher Professor für Physik in Dorpat, Nachfolger seines Vaters Dekan der Philosophischen Fakultät in Dorpat Reise in den Kaukasus, Besteigung des Ararat (5165 m) Zweite Heirat mit Emilie Krause, drei Söhne Rektor der Universität Dorpat Reise zum Nordkap gestorben in Dorpat. Sein Nachfolger wird Ludwig Friedrich Kämtz

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12.2. Miszellen zu Leben und Werk Georg Friedrich Parrot wirkte noch in Karlsruhe als Privatlehrer, als dort am 14. Oktober 1791 sein jüngerer Sohn Johann Jakob Friedrich Wilhelm, genannt Friedrich, geboren wurde.1 Bereits ein Jahr später starb die Mutter des Knaben. Im Jahre 1794 wechselte der Vater nach Riga, wo Friedrich die Domschule besuchte. Nach dem Umzug nach Dorpat, wo Georg Friedrich Parrot eine Professur an der neugegründeten Universität erhalten hatte, besuchte Friedrich Parrot dort das Gymnasium, das er 1807 absolvierte. Danach studierte er an der Universität in Dorpat, und zwar Medizin, wobei er 1809, 1810 und 1812 mit Preisen für außergewöhnliche Leistungen ausgezeichnet wurde. Eine Schrift von ihm aus dem Jahre 1812 „Ueber Gasometrie, nebst einigen Versuchen über die Verschiebbarkeit der Gase. Eine von der philosophischen Facultät der Kaiserl[ichen] Universität zu Dorpat gekrönte Preisschrift“2 wurde später sogar in Dorpat auf Kosten der Universität veröffentlicht (Parrot, F. 1814a). Es war dies die Antwort auf die 1811 von der Philosophischen Fakultät der Universität Dorpat gestellte Preisfrage (Recke/Napiersky 1831: 3, S. 374–376; ADB: 25, S. 186). Im Jahre 1814 wurde Friedrich Parrot mit der Arbeit „De motu sanguinis in corpore humano“ (Parrot, F. 1814b) zum Dr. der Medizin und der Chirurgie promoviert. Danach verließ er Dorpat und hielt sich sechs Jahre lang im Ausland auf. Er bildete sich in Berlin, Wien, Würzburg, Paris, Mailand und Pavia wissenschaftlich weiter, wobei er mit vielen Gelehrten in Verbindung trat, darunter mit Alexander von Humboldt und Jean-Baptiste Biot (Ulmann 1841, S. 8). 1821 erhielt er in Dorpat eine Professur für Physiologie, Pathologie und Semiotik,3 und 1826 übernahm er die Physikprofessur seines Vaters, der an die Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg wechselte. Da Parrot als promovierter Mediziner auch für fünf Jahre eine Medizinprofessur innehatte, verwundert es nicht, dass er mehrere medizinische Schriften veröffentlicht hat. Auf diese soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. Parrot widmete sich auch physikalischen Studien. Hier sei nur erwähnt, dass er Arbeiten über Gasometrie, über die barometrische Höhenmessung und über Elektromagneten publizierte. Sein Schriftenverzeichnis wurde veröffentlicht (Recke/Napiersky 1831: 3, S. 375–376; Recke/Napiersky 1861, S. 94–95). Ende 1838 erkrankte Friedrich Parrot schwer. Mehrere Monate lang litt er an einer Krankheit und starb im Januar 1841 in Dorpat, lange vor seinem Vater (ADB: 25, S. 189). Eine kurze Todesanzeige erschien in der Zeitschrift 1 2 3

Manche Quellen nennen auch 1792 als Geburtsjahr (Recke/Napiersky 1831: 3, S. 374). Die Angabe 1791 bezieht sich auf Ludwig Stieda (ADB: 25, S. 186). Als Veröffentlichungsjahr wird das Jahr 1814 (Recke/Napiersky 1831: 3, S. 375) oder 1813 (ADB: 25, S. 186) genannt. Semiotik, Symptomatologie = die Lehre von den Krankheitszeichen.

12. Friedrich Parrot (1791–1841)

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„Das Inland. Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland“.4 Die dort angekündigte ausführliche Würdigung Friedrich Parrots kam jedoch nicht zustande.5 Im Jahre 1841 erschienen in Dorpat unter dem Titel „Dem Gedächtnisse Friedrich Parrots, weiland Professors der Physik an der Universität Dorpat“ zwei bei seiner Bestattung gehaltene Reden (Ulmann 1841).

Abb. 60. Grab von Friedrich Parrot auf dem alten Johannes-Friedhof in Tartu Photographie von Erki Tammiksaar, April 2009.

12.3. Friedrich Parrots wissenschaftliche Expeditionen Als großartiger forschender Reisender am Anfang des 19. Jahrhunderts gilt Alexander von Humboldt. Auch Friedrich Parrot unternahm viele Reisen und bestieg ungewöhnlich viele, vor allem außerordentlich hohe Berge. Wie die Reisen von Humboldt, so dienten auch alle Reisen Parrots in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken. Er hatte auch Begleiter; seine später unternommenen Reisen wurden von der Universität Dorpat finanziert. Parrots Reisen fanden auch literarischen Niederschlag. Diesem folgten oftmals in einer Fachzeitschrift veröffentlichte wissenschaftliche Ergebnisse.

4 5

Das Inland. Eine Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland. Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur [Dorpat] 6, 1841, Sp. 32. Es erschien ein Nekrolog auf Friedrich Parrot in: Neuer Nekrolog der Deutschen, 19. Jahrgang, Teil 1, 1841. Weimar 1843, S. 110–122.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

12.3.1. Reisen auf die Krim und in den Kaukasus Seine erste große Reise – in den Jahren 1811 und 1812 unternommen – kam dadurch zustande, dass Parrot, damals noch Student in Dorpat, den dortigen Professor für Mineralogie, Moritz von Engelhardt, bei dessen Reise auf die Krim und in den Kaukasus begleiten konnte. Der im Jahre 1815 in Berlin erschienene zweiteilige Reisebericht zeigt deutlich die wissenschaftlichen Ziele, die mit dieser Reise verknüpft gewesen waren. Moritz von Engelhardt schreibt im Vorwort: „Herr Doktor Friedrich Parrot entschloß sich, diese Reise mit mir zu unternehmen, um die Vegetation des südlichen Rußlands, der Moldau und Walachei zu untersuchen, und durch correspondirende Beobachtungen dem barometrischen Nivellement des Gebirges mehr Genauigkeit und eine größere Ausdehnung zu geben“ (Engelhardt/Parrot 1815, Teil 1, S. IV). Höhenmessungen spielten damals bei wissenschaftlichen Expeditionen stets eine große Rolle. Ein besonders wichtiges Thema war der Höhenunterschied zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer, über den man mittels barometrischer Messungen am Nordfuß des Kaukasus Aufschluss zu erlangen hoffte. Bereits der erste Teil, der den eigentlichen Reisebericht enthält, schließt mit dem Kapitel „Von dem nivellirten Landstrich zwischen dem schwarzen und caspischen Meer und des letztern verändertem Niveau“ (ebenda, Teil 1, S. 247–264). Im zweiten Teil werden die gemeinsamen Bemühungen der Forscher im Detail vorgestellt: „Engelhardt’s und Parrot’s barometrisches Nivellement zwischen dem schwarzen und caspischen Meere, im Kaukasus und in der Krym, beschrieben von Parrot“ (ebenda, Teil 2, S. 3–82). Im Vorwort erläutert Engelhardt auch das Vorgehen: „Auf dieser Reise wurde […] der Landstrich zwischen dem schwarzen und kaspischen Meere mit zwei correspondirenden, von Station zu Station sich folgenden Barometern nivellirt. Dieser Messung mehr Vollständigkeit zu geben; die Erfahrungen über den Einfluß der Witterung, der Temperatur, des Lokal u.s.w. auf den Gang des Barometers zu erweitern, und die Genauigkeit zu prüfen, welche seine Anwendung bei Höhenbestimmungen gestattet, begaben wir uns, die vorigen Beobachtungspunkte wählend, längs der kaukasischen Linie, wieder an das schwarze Meer, wo ich zurückblieb, indeß Herr Parrot zum kaspischen eilte, weil wir, als zweite Probe, an beiden Meeren zugleich beobachten wollten“ (ebenda, Teil 1, S. VI–VII). Das damals erzielte Ergebnis lautet, dass der Wasserspiegel des Kaspischen Meeres um 300 Pariser Fuß6 tiefer liege als der des Schwarzen Meeres.7 Dieser Wert war dadurch zustande gekommen, dass Parrot aus sehr unterschiedlichen Messergebnissen einen Mittelwert gebildet hatte. In den von ihm und Engelhardt besuchten Gebieten widmete Parrot seine 6 7

Ein Pariser Fuß beträgt etwa 32,48 cm. Die Angabe 300 Pariser Fuß entspricht also ca. 97,45 m. Nach heutigem Kenntnisstand liegt der Wasserspiegel des Kaspischen Meeres (als Binnenmeer) 28 m unter dem Meeresspiegel.

12. Friedrich Parrot (1791–1841)

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besondere Aufmerksamkeit der Pflanzenformation (ebenda, Teil 2, S. 61, 83– 146). Auch versuchte man, die verschiedenen Pflanzenarten, die für bestimmte Höhen typisch sind, anhand eines Bergprofils darzustellen (ebenda, S. XV– XVI sowie Tafelband, Tafel V). Das Vorbild hierzu hatte Alexander von Humboldt in seinem berühmten „Naturgemälde der Anden“ geliefert.

Abb. 61. Vegetationsstufen des Elbrus (5.642 m) und des Kasbek (5.047 m) Profil eines willkürlich dargestellten Berges; der Berg im Hintergrund hat die Höhe des Chimborazo (6.310 m). Aus: Engelhardt/Parrot 1815.

12.3.2. Südfrankreich und Pyrenäen Auf seiner Reise nach Südfrankreich und in die Pyrenäen im Jahre 1817 war es besonders das Thema Schneegrenze, dem Parrot sein Interesse schenkte. Aber er beschäftigte sich eingehend auch mit der Geognosie, der Vegetation und mit Höhebestimmungen durch Messung des Luftdrucks mit Hilfe des Barometers. Zu diesem Unternehmen konstruierte Parrot ein besonderes Barometer (ADB: 25, S. 188). Seine Messdaten korrigierte er um einen bestimmten Faktor: „So lang indessen diese Ansicht nur die meinige ist, und im Urtheil anderer Sachkundiger keine Bestätigung finden sollte, behalte ich bei vollständigen barometrischen Höhenrechnungen das Glied für die Correktur der Luftwärme bei, welches durch das Ansehen so großer Mathematiker von Deluc8 bis auf La Place und Gauß als richtig und nothwendig anerkannt worden ist, wenn auch die Resultate aller meiner Messungen durch Weglassung desselben an Genauigkeit eher gewinnen als verlieren“ (Parrot, F. 1823, S. 336). Seine Absicht jedoch, den Monte Rosa (4.634 m) zu besteigen, gelang nicht ganz: Bei einem

8

Von Jean André Deluc stammen Beiträge zur Standardisierung von Barometer und Thermometer und zu deren Anwendung bei der Höhenmessung.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Versuch kam er mit seinem Begleiter nur bis auf 2.057 Toisen9 über dem Meeresspiegel, das heißt bis auf etwa 4.009 m.10

12.3.3. Ararat Im Jahre 1829, dem Jahr, in dem Alexander von Humboldt Russland bereiste, unternahm Parrot abermals eine Expedition in den Kaukasus.11 Diesmal sollte der 5.165 m hohe Ararat bestiegen werden, was im zweiten Anlauf auch gelang. Auch während dieser Reise wurden mannigfache wissenschaftliche Ziele verfolgt, und zwar wurden astronomische und trigonometrische Ortsbestimmungen sowie Pendelbeobachtungen und erdmagnetische Messungen durchgeführt. Die Reise wurde in Begleitung des Astronomen und Geodäten Vasilij Fëdorovič Fëdorov, der von Wilhelm Struve an der Universität Dorpat ausgebildet worden war, und des Mineralogen Maximilian Behaghel von Adlerskron, eines Schülers von Moritz von Engelhardt, unternommen. Auch zwei Dorparter Studenten der Medizin, Julius Hehn und Karl Schiemann, nahmen an der Reise teil. Die Expedition dauerte vom 30. März/11. April 1829 bis zum 1./12. Mai 1830, als Parrot Dorpat wohlbehalten erreichte. Was die Veröffentlichung der Ergebnisse der Reise anbelangt, so erschien Parrots Werk „Reise zum Ararat“ erst 1834 in Berlin (Parrot, F. 1834a). In diesem Werk hielt sich Parrot an das bewährte Schema: im ersten Teil seines Reiseberichts werden eine Beschreibung der Landschaft und herrliche Kupferstiche vorgestellt, im zweiten Teil die wissenschaftlichen Ergebnisse. Im Inhaltsverzeichnis des Reiseberichts werden die durchgeführten Beobachtungen präsentiert: Von unseren barometrischen Nivellements im Allgemeinen Höhenunterschied des schwarzen und kaspischen Meeres Nivellement von Tiflis zum Ufer des schwarzen Meeres Nivellement von Tiflis zum Ararat und in der Umgegend Nivellement über den Kreuzberg Quellen-Temperaturen Magnetische Beobachtungen Pendelbeobachtungen Astronomische und trigonometrische Arbeiten Geognostische Beobachtungen.

9 Die Längeneinheit Toise entspricht etwa 1,949 m. 10 Bei einem Versuch im Jahre 1802, den Chimborazo zu besteigen, erreichte Alexander von Humboldt eine Höhe von etwa 5.600 bis 5.900 m. 11 Im Sommer 1829 fand noch eine wissenschaftliche Expedition in den Kaukasus statt, der Adolph Theodor Kupffer und Emil Lenz angehörten. Dabei war die Besteigung des Elbrus – des höchsten Berges in Europa – das Ziel. Am 9./21.6.1829 gelangte man an den Ostgipfel des Elbrus (5.621 m). Siehe hierzu S. 351.

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Abb. 62. Der kleine und der große Ararat Aus: Parrot, F. 1834a: 1.

Was Parrots Instrumente anbelangt, so benutzte er ein spezielles Barometer für die Höhenmessungen (Abb. 63a), ein Inklinatorium und ein Deklinatorium für die magnetischen Messungen (Abb. 63b) sowie einen speziellen Pendelapparat für die Gravitationsmessungen. Alle Apparate waren von ihm selbst konstruiert worden. Des Weiteren veranschaulichte er mit Hilfe einer Karte das Ergebnis seiner Dreiecksmessungen (Parrot, F. 1834a: 2, zwischen S. 158/159). Auch bei dieser Reise war der Höhenunterschied zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer ein wichtiges Thema, wobei Parrot zu anderen Ergebnissen kam als bei der Reise 1811/12. Seine neuen Messungen besagten nämlich, dass es keinen nennenswerten Höhenunterschied gebe. Parrot veröffentlichte dieses Ergebnis auch in den „Annalen der Physik und Chemie“ (Parrot, F. 1834b). An diese Arbeit anknüpfend, schrieb Alexander von Humboldt am 28. Mai 1834 an Parrot und bat diesen um weitere Erklärungen. Parrots Antwort wurde als „Nachtrag“ seinem Werk „Reise zum Ararat“ angefügt (Parrot, F. 1834a: 2, S. 191–198).

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Abb. 63a. Parrots Barometer für Höhenmessungen Aus: Parrot, F. 1834a: 2, zwischen S. 4/5.

1

2

Abb. 63b. Parrots Inklinatorium (1) und Deklinatorium (2) für magnetische Messungen Aus: Parrot, F. 1834a: 2, zwischen S. 4/5.

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Parrots Richtigstellung fiel sehr ausführlich und detailliert aus. Im letzten Absatz bedankte er sich bei Humboldt für dessen Anregung mit folgenden Worten: „Wenn nun aber diese Darstellung die Prüfung der Sachkundigen bestehen und sich ihrer Zustimmung erfreuen sollte, so wird der Dank dafür dem Manne gebühren, dessen auch noch so entfernter Antheil an jedwedem wissenschaftlichen Unternehmen, nie ohne wichtige Folgen für dasselbe seyn kann, und ohne dessen Anregung ich auch wohl nie dazu gekommen wäre, dem gelehrten Publicum diese, nach Strenge und gewissenhaft entworfene Rechenschaft abzulegen“ (Parrot, F. 1834a, S. 198). Kurze Zeit später veröffentlichte Parrot im „Bulletin“ der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg nochmals eine knappe Darstellung seiner barometrischen Methode und seiner Fehlerrechnung (Parrot, F. 1836). Infolge dieses Ergebnisses unterbreiteten Friedrich Parrot, Emil Lenz, Michail Vasil’evič Ostrogradskij und Wilhelm Struve der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg den Vorschlag, eine weitere Expedition auszurichten. Diese fand dann auch in den Jahren 1836 und 1837 statt. Teilnehmer waren Georg Fuß, Aleksej Nikolaevič Savič und Georg Sabler (Sokolovskaja 1964a, S. 45). Diesmal wurden zwei verschiedene Verfahren herangezogen, um den Höhenunterschied zu bestimmen, erstens, wie bei Parrot, das Nivellement mittels Barometer, zweitens aber ein geodätisches, das heißt ein astronomisches Verfahren mittels Messungen von Zenithdistanzen. Dabei bemühten sich die Forscher, ihre Beobachtungen zu denjenigen Stunden auszuführen, in denen der Refraktionseffekt möglichst gering war. Man vermaß die Strecke zwischen Astrachan am Kaspischen Meer und Taganrog am Asowschen Meer. Das Ergebnis besagt: „Im Mittel aus den ein ganzes Jahr umfassenden Beobachtungen der Standbarometer [in Astrachan und in Taganrog] ist demnach die Depression des Caspischen Meeres = 206 – 130 + 64 = 140 Engl. Fuss.12 Dieses Resultat weicht um 56 Fuss von dem genauen Ergebniss des trigonometrischen Nivellements ab, und zeigt also, dass selbst ein Jahr correspondierender Beobachtungen, an genau verglichenen Barometern angestellt, nicht hinreichte, den Höhenunterschied der beiden 750 Werst, oder 110 geographische Meilen entfernten Standpuncte mit einiger Sicherheit festzusetzen“ (Sabler 1849, S. 406). Daraus kann man schließen, dass Friedrich Parrot für seine Messungen ein ungeeignetes Verfahren angewandt hatte. Das barometrische Nivellement liefert einfach nicht die gewünschte und erforderliche Genauigkeit.

12.3.4. Reise zum Nordkap Nachdem das Conseil der Universität Dorpat Friedrich Parrots Reise zum Nordkap gutgeheißen und sich bereit erklärt hatte, diese Unternehmung zu finanzieren, machte sich Parrot am 10./22. Juli 1837 von St. Petersburg aus auf 12 Das Längenmaß Englischer Fuß beträgt 30,48 cm. Die Angabe entspricht also etwa 42,67 m.

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den Weg. Er war mit den erforderlichen Instrumenten versehen, die aus dem Physikalischen Kabinett in Dorpat stammten. Die Aufgaben seiner Reise waren: 1) Astronomische Orts- und Zeitbestimmungen; 2) Beobachtungen der Pendelschwingungen zur näheren Untersuchung der Gestalt der Erde; 3) Beobachtungen an der Magnetnadel nach ihrer Abweichung vom Meridian, der Schwankungen ihrer Stellung, ihrer Neigung gegen den Horizont und der verschiedenen Kraft, mit welcher sie an verschiedenen Orten angezogen wird (Parrot, F. 1838, Sp. 1). Der Weg führte über Wyborg, Kuopio nach Lappland, wo man am 23. Juli/4. August 1837 eintraf. Am 4./16. September erreichte Parrot das Nordkap,13 wobei das Wetter ungewöhnlich günstig war, so dass alle Messungen durchgeführt werden konnten. Da sich bereits der Winter ankündigte, reiste man alsbald zurück, und am 25. November/7. Dezember 1837 erreichte Parrot wieder die russische Küste.

12.4. Friedrich Parrots Beziehungen zu Gauß 12.4.1. Die Rezension von Hoff in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ Der Kontakt zwischen Parrot und Gauß kam dadurch zustande, dass Gauß eine Rezension von Parrots „Reise zum Ararat“ in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ las, die Carl Ernst Adolf von Hoff, ein in Gotha wirkender Staatsmann, Naturforscher und Geologe, verfasst hatte. Da Hoff Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen war, schrieb er auch Rezensionen für die „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“, und zwar für das Fachgebiet Geographie. In seiner Rezension schilderte Hoff ausführlich Parrots abenteuerliche Reise und beteuerte die Richtigkeit der Mitteilung von der Besteigung des Ararat, die von manchen Zeitgenossen bezweifelt worden war.14 Und selbstverständlich kam er auch auf das Nivellement bzw. die Höhenbestimmungen des Schwarzen und des Kaspischen Meeres zu sprechen. Mit „Verwunderung, ja mit Schrecken“ nahm Hoff das neue Ergebnis zur Kenntnis, dass kein Höhenunterschied zwischen dem Schwarzen und dem 13 Das Nordkap liegt auf 71° 10ƍ 21Ǝ nördlicher Breite, etwa 2100 km vom Nordpol entfernt. Es ist ein steil aus dem Eismeer emporragendes Schieferplateau auf der norwegischen Insel Magerøya (Magerö). 14 Wegen dieser Zweifel wurden in der Zeitschrift „Das Inland“ Berichte von Armeniern veröffentlicht, die Parrots Besteigung des Ararat bestätigten; siehe: Das Inland. Eine Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland. Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur [Dorpat] 3, 1838, Sp. 593–596.

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Kaspischen Meer festzustellen sei. Ungeachtet aller Erklärungen Parrots könne man diesen jedoch „nicht von dem Vorwurfe der Unzuverlässigkeit freysprechen und man muß sich wahrhaft niedergeschlagen finden durch die Erfahrung, daß Unternehmungen, mit so großen Vorbereitungen und so vieler Anstrengung durchgeführt, auf deren Ergebnisse die ersten Geographen und Physiker die wichtigsten Schlußfolgen gegründet haben, sich zuletzt als unzuverlässig oder nichtig darstellen können“ (Hoff 1835, S. 23–24). Gauß ließ sich zunächst von diesem negativen Urteil beeindrucken, nahm dann aber Parrots Originalschrift zur Hand, die ihn positiv überraschte. Seinem Freund Christian Ludwig Gerling berichtete Gauß am 23. August 1837: „Schließlich habe ich noch beizufügen, daß das ungünstige Vorurteil, welches ich gegen Parrot gefaßt hatte, infolge einer Rezension in den G. G. A. über seine Reise, sich sehr gemildert hat, nachdem ich sein Buch selbst durchblättert habe. In jener Rezension (die von einem von mir sehr geachteten, jetzt verstorbenen Manne herrührte,15 wie mir authentisch bekannt geworden war) scheinen wesentliche Umstände in Beziehung auf die barometrische Höhenmessung des Kaspischen Meeres gegen das Schwarze ganz unrichtig dargestellt zu sein“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 529). Als Gauß dies schrieb, befand sich Parrot bereits auf dem Wege zum Nordkap.

12.4.2. Extratermin für erdmagnetische Beobachtungen am 31. August 1837 Gauß hatte für 1836 nur drei Termine für erdmagnetische Beobachtungen vorgesehen; für 1837 waren ursprünglich sechs Termine geplant, nämlich der 28. Januar, der 25. März, der 27. Mai, der 29. Juli, der 30. September und der 13. November. Keiner dieser Termine kam für Parrots Aufenthalt am Nordkap in Frage, sie lagen alle entweder zu früh oder zu spät. Humboldt wusste von dem Vorhaben Parrots und vor allem um die zeitliche Planung von dessen Reise. So konnte Humboldt, als er seine magnetischen Beobachtungstermine bekanntgab, darauf Rücksicht nehmen. In der „Allgemeinen Preußischen Staats=Zeitung“ berichtete er von den Augustterminen des Jahres 1836, die schließlich so eingerichtet wurden, dass auch eine Expedition nach Island Daten liefern konnte. Des weiteren ließ Humboldt seine Leser wissen: „Die physikalische Reise nach dem Nord=Cap, welche mein gelehrter Freund, der glückliche Besteiger des Ararat, Herr Parrot, Professor zu Dorpat, unternommen, veranlaßt mich jetzt zu einer ähnlichen Aufforderung. Der Reisende wünscht, korrespondirende Beobachtungen für 219 , 19 16 12 24 , 28 und 31 August 1837, von fünf zu fünf Minuten, und zwar vom Mittag eines der genannten Tage bis zum Mittag des nächstfolgenden, in Göttinger mittlerer Zeit. Diese Bitte ist vorzugsweise an diejenigen unserer weit verbreiteten magnetischen Stationen gerichtet, auf denen man mit dem vortrefflichen 15 In der Tat war der Rezensent Carl Ernst Adolf von Hoff am 24. Mai 1837 verstorben.

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magnetischen Spiegel=Apparate des Hofraths Gauß beobachtet. Berlin, den 2. August 1837.“16 So musste Gauß, wollte er Parrots Beobachtungsdaten mitberücksichtigen, einen außerordentlichen Termin einschieben, es war dies der 31. August. Dies bedeutete, er musste an alle seine Teilnehmer schreiben und sie von diesem Extratermin in Kenntnis setzen. Zunächst stand Gauß diesem neu einzuschiebenden Termin skeptisch gegenüber, seinem Freund Gerling schrieb er am 13. August 1837: „Aus den Zeitungen sehe ich, daß Hr. v. Humboldt eine Anzeige u[nd] eine Art Aufforderung zu magnetischen Beob[achtungen] am 21., 24., 28., 31. August gemacht hat, an jedem der vier Tage wie bei uns, i.e. von 5 zu 5 Min[uten] u[nd] von 0h Göttingen M[ittlerer] Z[eit] bis dahin am folgenden Tage. An denselben Tagen würde von Parrot auf Nordkap beobachtet. Ehe ich nun eine direkte Nachricht über das Nähere erhalte, habe ich wenig Lust, in die Sache zu entrieren, zumal da ich die Qualifikation des p.17 Parrot gar nicht kenne. Da doch an keinem Orte alle vier Tage so wird beobachtet werden können, so kommt ohnehin nichts heraus, wenn man nicht einen Tag auswählt, wo man sicher ist, daß alle beobachten. Sollte ich noch zeitig genug, um Auswärtige avertieren zu können, Nachricht erhalten u[nd] Beobachtungen hier in Göttingen einrichten können, so würde ich den letzten Tag, 31. August, wählen“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 527). In der Zwischenzeit hatte Gauß einen positiveren Eindruck von Parrot gewonnen (siehe oben), so dass er in dem bereits oben erwähnten Brief an Gerling vom 23. August 1837 fortfuhr: „Die Folge davon ist nun gewesen, daß ich mich entschlossen habe, einen Extratermin hier beobachten zu lassen, nämlich vom 31. August bis 1. September, ganz auf die sonst gewöhnliche Weise, i.e. von je 5ƍ zu 5ƍ u[nd] von 0h Gött[inger] M[ittlerer] Z[eit] bis 24h. Es sind davon auch bereits sämtliche sonstige auswärtige Mitglieder unseres Vereins avertiert, und ich lade Sie also ein, wenn Sie mögen, auch in Marburg die erforderlichen Anstalten zu treffen“ (ebenda, S. 529–530). Kurze Zeit später jedoch, am 2. September 1837, äußerte sich Gauß gegenüber Olbers fast ein bisschen ärgerlich: „Diese Beob[achtungen] tragen noch mit dazu bei, jetzt meine Zeit zu beengen, so wie vorgestern – gestern ein extramagnetischer Termin, den ich den Parrot’schen in Nordkap anzustellenden magnetischen Beob[achtungen] zu Gefallen doch veranstaltet habe, obgleich das Beispiel der vorigjährigen Isländer Beob[achtungen] davon hätte abschrecken können, da aus letzteren gar nichts herausgekommen zu sein scheint“ (Briefwechsel Gauß– Olbers 1910: 2, S. 649). Am 30. Oktober 1837 aber ließ Gauß den Berliner Astronomen Johann Franz Encke wissen: „Noch mehr aber wünschte ich Ihre u[nd] Parrots Beobachtungen vom 31 August – 1 Sept[ember] zu erhalten, da theils dieser Ex-

16 Allgemeine Preußische Staats=Zeitung, Nr. 214 (4.8.1837), S. 866. 17 Abkürzung p. = wahrscheinlich im Sinne von „oben genannten“.

12. Friedrich Parrot (1791–1841)

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tratermin an sich mehr interessante Bewegungen dargeboten hat (sie sind von 7 Orten gezeichnet).“18 Tatsächlich hat Gauß das sehr umfangreiche Datenmaterial von Parrot erhalten, das noch heute in der SUB Göttingen vorhanden ist. Parrots Messungen in Nordskandinavien19 betreffen die Zeit vom 16./28. Juli bis zum 19. September/ 1. Oktober 1837 und umfassen mehr als 40 Seiten (Abb. 64).

Abb. 64. Parrots Daten aus Nordskandinavien (Auszug) SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1837.

18 SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Encke 52. 19 SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1837.

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12.4.3. Parrots Beobachtungen in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ Schließlich wurden Parrots Messergebnisse in die „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ zu Göttingen aufgenommen. Zunächst informierte Gauß seine Leser über den Extratermin am 31. August 1837: „Zur Ansetzung eines außerordentlichen Termins am 31. August gab Veranlassung die Nachricht, daß Hr. Prof. P a r r o t an diesem Tage (so wie an einigen vorhergehenden) die Variation der magnetischen Declination auf dem Nordkap beobachten würde. Die Einladung zur Theilnahme wurde daher so weit es die Kürze der Zeit verstattete verbreitet. Es sind dadurch recht interessante Beobachtungsreihen eingebracht, aber die Beobachtungen vom Nordkap selbst sind bisher nicht zu unsrer Kenntniß gekommen.“20 Der folgende Band der „Resultate“ enthält dann in der Tat die Messergebnisse Parrots, und zwar als Nachtrag zu den Terminen 29. Juli, 31. August und 30. September 1837, darunter folgende Declinationsvariationen: in Kuopio (29. Juli 1837), in Hammerfest (31. August 1837) und in Havösund (30. September 1837).21

12.4.4. Inhalt der Briefe Gauß und Friedrich Parrot kannten sich nicht sehr gut, und es war offensichtlich ausschließlich im Jahre 1839, dass die beiden Briefe austauschten. Erhalten geblieben sind zwei Briefe vom Mai und Juni von Friedrich Parrot an Gauß; beide Briefe befinden sich in Göttingen. Ob Gauß Parrot geantwortet hat, ist nicht bekannt. Der erste Brief diente lediglich der Übersendung eines Manuskriptes. Was mit diesem des Weiteren geschah, ist ungeklärt. Fest steht, dass es nicht, wie offensichtlich von Friedrich Parrot gewünscht, in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ erschienen ist. In dem zweiten Brief beschreibt Parrot aufs Genaueste, wo und an welchen Terminen ihm im Jahre 1837 Beobachtungen geglückt waren oder er solche hatte anstellen können. Vielleicht war er in einem nicht mehr erhaltenen Brief von Gauß dazu aufgefordert worden, darüber sowie auch über seine instrumentelle Ausstattung zu berichten. Des Weiteren erklärt Parrot sehr ausführlich seine Apparatur, mit der er am Nordkap beobachtet hatte, und wie seine Beobachtungen im Detail verlaufen waren. Auch diese Apparatur dürfte von Parrot selbst ersonnen gewesen sein. Vielleicht entsprach sie nicht ganz den in Göttingen herrschenden Vorstellungen.

20 Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1837. Göttingen 1838, S. 133. 21 Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1838. Leipzig 1839, im unpaginierten Teil.

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12.5. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr.

Datum 23.5.1839 Juni 1839

1 2

Ort

Verfasser / Empfänger

Dorpat Dorpat

F. Parrot an Gauß F. Parrot an Gauß

Brief 1. F. Parrot an Gauß, 23. Mai / 4. Juni 1839 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Friedrich Parrot 1 (1 S.)

Die Direktion des magnetischen Vereins, welcher ich beifolgenden Aufsatz zu geneigter Beprüfung zu übersenden die Ehre habe, wird mich sehr verpflichten, wenn sie die Güte hätte mich davon in Kenntniß zu setzen, ob sie eine Publikation desselben durch die von ihr herausgegebene Zeitschrift geeignet findet u[nd] zu übernehmen gesonnen ist.22 Mit ausgezeichneter Hochachtung verharrend F. Parrot Professor d[er] Physik. Dorpat. d[en]

23 Mai 4 Juni

1839.

Brief 2. F. Parrot an Gauß, Juni 1839 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Friedrich Parrot 2 (4 S.)

Die Direktion des magnetischen Vereins hat im vorigen Jahre aus den Händen des Herrn Professors Struve einige Reihen von magnetischen Variationsbeobachtungen empfangen, welche ich am Ende des Jahres 1837 auf einer Reise nach dem Nordkap angestellt hatte.23 Um denselben einigen Werth zu geben, wählte ich die vom Vereine festgesetzten allgemeinen Beobachtungstermine und wandte mich außerdem wegen einiger außergewöhnlicher Termine an den Herrn Geheimrath A. v. Humboldt mit der Bitte es zu vermitteln daß an einigen Orten Deutschlands gleichzeitig beobachtet werden möge.24 Aus einer Bekan[n]tmachung in dem englischen Blatte: The Athenaeum,25 ersah ich schon bei meiner Anwe[se]nheit in 22 Dieser Aufsatz wurde nicht in den „Resultaten“ veröffentlicht; die Gründe hierfür sind unbekannt. Auch war über den Verbleib dieses Aufsatzes nichts zu ermitteln. 23 Dies werden wohl die Daten aus Kupio (29.7.1837), Hammerfest (31.8.1837) und Havösund (30.9.1837) sein, die in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1838“ (Leipzig 1839) veröffentlicht wurden. 24 Es ist kein entsprechender Brief Parrots an Alexander von Humboldt erhalten. 25 „The Athenaeum. Journal of English and Foreign Literature, Science, and the Fine Arts“. Humboldt veröffentlichte seine Terminvorstellungen, bei denen er Parrots Rei-

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Finnmarkens Alten,26 fast an der Grenze des bewohnten Europa daß Herr v. Humboldt mit der größten Theilnahme meine Bitte erfüllt und ihr eine unerwartete Verbreitung gegeben hatte, was mich zu dem aufrichtigsten Dank verpflichtet. Von den außergewöhnlichen Terminen habe ich den vom 21. August, an welchem Tage ich mich zur See befand, gänzlich verloren gehen lassen müssen; dagegen aber habe ich, mehr oder weniger vollständige 24 stündige Reihen vom 29 Juli in Kuopio in Finnland, vom 24. und 28. August in Alten, vom 31. August in Ham[m]erfest und vom 30 Sept[embe]r in Havösund unweit des Nordkap erhalten und der Direktion des Vereins übersandt.27 In dem Jahresberichte desselben vom Jahre 1837 sind schon mehrere, mit jenen gleichzeitige Beobachtungsreihen enthalten und die graphische Darstellung der meinigen hat mir schon eine entschiedene Harmonie im Gange der magnetischen Schwankungen auch für jene, so hoch im Norden belegene Punkte dargethan und außerdem das Gesetz einer bedeutenden Zunahme ihres absoluten Betrages sehr auffallend gezeigt. Es bleibt mir nur noch übrig Rechenschaft abzulegen über das von mir bei diesen Beobachtungen eingeschlagene Verfahren, welches von der jetzt allgemein üblichen Methode deshalb abweichen mußte, weil die Unwirthbarkeit der von mir zu besuchenden Gegenden es nicht gestattet auf die, bei dieser Methode erforderlichen festen Punkte und winddichten Lokale zu rechnen. Ich stellte daher vor der Reise einige Vorläufe an um auszumitteln ob es nicht möglich wäre dem früheren Verfahren der direkten Beobachtung der Stellung einer ruhig schwebenden Nadel dieselbe Schärfe und Sicherheit zu geben; denn, obgleich das Mikroskop und die Mikrometerschraube jede erwünschte Feinheit der Ablesung zuließen, so stand der Ausführung dieses Verfahrens im[m]er die großte und ganz zufällige Beweglichkeit der Nadel durch die Luftströmungen im Wege, welche in der Gauß’schen Methode durch das bedeutende mechanische Moment einer schweren, schwingenden Nadel auf die erfreulichste Weise eliminiert wurden. Es sei mir erlaubt meinen, im Ganzen sehr einfachen Apparat in seinen wesendlichen Theilen hier kurz zu beschreiben und der Beurtheilung Sachkundiger zu unterwerfen. 1 Die Nadel ist 20 Zoll lang, prismatisch, ohngefähr 2 ‡ schwer, und hängt wäh1 rend der Beobachtung an einem Bündel ungesponnener Seide von etwa 1 2 Fuß Länge. Das Ganze ist gegen die Luft geschützt durch einen leichten Kasten aus Holz für die Nadel von 4 Zoll im Quadrat, und durch ein Messingrohr von etwa 1 Zoll Durchmesser für die Seide. Dies Rohr hat oben einen drehbaren Kopf und an diesem eine kleine Rolle zum Auf- und Abwickeln der Seide wenn die Nadel etwas gehoben oder gesenkt werden soll. Der drehbare Kopf diente bei der Aufstellung dazu dem Seidenstrang jede Drehung zu benehmen, was dadurch geschah, daß eine Nadel aus Holz mit Blei bis zu gleichem Gewichte als die Magnetnadel beschwert, zuerst angehängt und der Kopf solang gedreht wurde, bis die Seide se zum Nordkamp berücksichtigte, in: Allgemeine Preußische Staats=Zeitung, Nr. 214 (4.8.1837), S. 866. Eine Mitteilung über Parrots Nordkapreise siehe: The Athenaeum, Nr. 542 (17.3.1838), S. 199. 26 Heute Alta. 27 SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1837, dort folgende Daten: I. Kuopio (17./29.7. – 18./30.7.1837), II. Alten (12./24.8. – 13./25.8.1837), III. Alten (16./28.8. – 17./29.8.1837), IV. Hammerfest (19./31.8. – 20.8./1.9.1837), V. Havösund (18./30.9. – 19.9./1.10.1837).

12. Friedrich Parrot (1791–1841)

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keine Torsion mehr hatte. Der hölzerne Kasten hatte Glasscheiben an den geeigneten Stellen um Licht zuzulassen, und eine kleine Öffnung unmittelbar unter dem Objektiv des Mikroskopes. An diesem Ende der Nadel wird mittelst Talg ein kleines Messingplättchen mit einem Loche geklebt durch welches ein Menschenhaar gespan[n]t ist so daß es in der Richtung der Länge der Nadel zu stehen kom[m]t. Das Fadenkreuz des Mikroskopes projizirt sich auch auf dem lichtbraunen Bilde des Haares so klar, daß es mit aller Schärfe zum Halbiren der Haaresdicke eingestellt werden kann. Dieses Einstellen geschieht in den, vom Chronometer angegebenen Momenten durch die Mikrometerschraube welche das Mikroskop treibt. Die Scheibe dieser Schraube ist in 100 Theile von etwa 1 Lin[ie] Länge getheilt, und jedem Theilstrich entspricht genau 2 3/8 Sekunden im Bogen am Ende der Nadel; bis dahin also ging mit aller Sicherheit die Schärfe der Beobachtung und das Einstellen selbst läßt sich sehr bequem in wenig Sekunden bewerckstelligen, so daß man mit größter Leichtigkeit alle Minute den Stand der Nadel notiren kan[n]. Was nun die Hauptsache, nemlich die Sicherstellung der Nadel gegen zufällige Schwankungen durch Luftströmungen anbetrifft, so wurde folgende Einrichtung getroffen: auf jede Hälfte der Nadel, einige Zoll von der Mitte entfernt wurde ein abwärts gerichtetes dünnes Messingblech aufgeschoben, und darunter ein Gläschen mit reinem Baumöl gestellt, so daß von jedem Plättchen etwa 14 Quadratzoll ins Öl tauchte, nämlich ohngefähr 15 Zoll tief und 54 Zoll lang. Dies giebt dem Gange der Nadel eine solche Unabhängigkeit von zufälligen Störungen ohne Behinderung ihrer magnetischen Oszillationen, daß die Beobachtung mit der vollkom[m]ensten Ruhe angestellt werden kann. Bei Nacht wird nun für den Moment der Beobachtung eine kleine Kerze so gehalten, daß ihre Strahlen durch eines der Fenster des Plättchen mit dem Haare, unter welchem auf dem Boden des Kastens ein weißes Papier liegt, erhellt. So sieht man bei Nacht wie bei Tage die Nadel wie durch ein Uhrwerk getrieben sich bewegen und an ihrem bestim[m]ten Punkte stehen bleiben, ja, selbst wenn man sie durch ein Stück Eisen ganz aus dem Gesichtsfelde des Mikroskopes getriben hat, mit größter Stetigkeit an denjenigen Punkt zurückkehren, der ihr vom terrestrischen Magnetismus angewiesen ist, ohne drüber hinauszuschwanken. Als einzig erforderlicher fester Punkt diente mir gewöhnlich ein leeres Fäßchen in den Boden eingegraben oder auf drei Steine gestellt und durch eine jener schönen Glim[m]erschieferplatten, an denen man in der Nähe des Nordkaps eben so wenig Mangel findet als an geleerten Weinfäßchen. Von der Sicherheit dieser Aufstellung überzeugte ich mich während der ganzen Dauer der Beobachtungen mittelst eines kleinen Versicherungsfernrohrs, das am Rohre des Apparates angeklem[m]t war, und dessen Fadenkreutz auf eine entfernte Felsspitze oder den Schornstein eines entlegenen Geländes gerichtet ward. Das Lokal war zuweilen ein Zim[m]er, zuweilen ein bloßes Obdach von Brettern mit Matten oder Segeln verhängt. Nie hatte ich dabei von Wirkungen des Luftzuges an der Nadel etwas zu spüren. Wie leicht auch das Anstellen dieser Beobachtungen seyn mag, so ist doch hier, wie bei jeder durch Tag und Nacht fortzusetzenden Arbeit ein Ablösen des Beobachters wünschenswerth, hierin war ich aufs Bes-

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te berathen durch meinen Reisegefährten, Herrn Kandidat Nöschel28, welcher wie allen übrigen wissenschaftlichen Arbeiten die ich vor hatte, so auch dieser die größte Theilnahme widmete. – Die ganze Aufstellung und Einrichtung des Apparates bis zum Moment den man beobachten kann ist, wenn der Standpunkt ausgesucht u[nd] das Erforderliche zur Hand ist, gewöhnlich Sache von höchstens einer Stunde. – Zu größrer Sicherheit meines Verfahrens ersuchte ich bei meiner Durchreise durch St. Petersburg Herrn Akademiker Kupffer29 um die Güte an dem, im Bergcorps aufgestellten Gauß’schen Apparate einige gleichzeitige Beobachtungen mit meiner, in dasselbe Lokal gebrachten Nadel zu machen. Es geschah an zwei aufeinander folgenden Tagen; die Bewegungen beider Nadeln erfolgten stets in demselben Sinne, nur zeigte meine Nadel im Durchschnitte größere Schwankungen an. Nach meiner Rückkehr vom Nordkap stellte ich noch eine Reihe vergleichender Beobachtungen mit einer, auf einer Stahlspitze sehr empfindlich balancirten, ganz leichten Nadel von 10 Zoll Länge an, welche freilich die kleinern Schwankungen nicht erken[n]en ließ, aber doch bei jeder Veränderung die sie angab, der Richtung und der Quantität nach eine völlige Übereinstim[m]ung mit der, weit davon entfernten großen Nadel zeigte. – Dorpat im Juni 1839. F. Parrot.

28 August Nöschel begleitete 1837 Friedrich Parrot auf dessen Nordkapexpedition. 29 Adolph Theodor Kupffer.

13. Magnus Georg von Paucker (1787–1855) Ɇɚɝɧɭɫ-Ƚɟɨɪɝ Ⱥɧɞɪɟɟɜɢɱ ɉɚɭɤɟɪ / Magnus-Georg Andreevič Pauker

13.1. Magnus Georg Pauckers Lebenslauf im Überblick * 15./27.11.1787 1805

1808 1810–1811 1811–1813 1813 1813–1846 1817–1821 1818 1819 1819 1820 9./21.1.1822 1831 1832 1838 1846

† 19./31.8.1855

Magnus Georg Paucker in dem estnischen Dorf Sankt Simonis geboren Beginn des Studiums der Physik und der Astronomie an der Universität Dorpat bei Georg Friedrich Parrot und Johann Wilhelm Andreas Pfaff Trigonometrische Vermessung des Embachflusses Oberlehrer für Mathematik und Naturwissenschaften am Gymnasium in Wyborg Observator an der Sternwarte in Dorpat, Nachfolger von Ernst Christoph Friedrich Knorre Promotion bei Johann Sigismund Gottfried Huth und Ernennung zum Außerordentlichen Professor Oberlehrer der mathematischen und physikalischen Wissenschaften am Gymnasium Illustre in Mitau Beständiger Sekretär der 1815 gegründeten Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst in Mitau Ablehnung eines Rufes an die Universität Dorpat als Nachfolger von Huth Ernennung von Gauß zum Ehrenmitglied der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst Heirat mit Anna Christina Wilhelmine von Baggehufwudt. Aus der Ehe gehen drei Söhne und zwei Töchter hervor Mitglied der Kaiserlichen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Ablehnung eines Rufes an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg als Ordentliches Akademiemitglied Verleihung des Demidov-Preises für eine Arbeit über die Metrologie Russlands und dessen deutscher Provinzen Heirat mit Theodosie Trotta von Treyden Emeritierung vom Lehramt, Geschäftsführer der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst und Herausgeber der „Arbeiten der kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst“ gestorben in Mitau

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13.2. Miszellen zu Leben und Werk Als Sohn eines Landpredigers kam Magnus Georg Paucker 1787 in dem kleinen estnischen Dorf Simuna, deutsch Sankt Simonis, auf die Welt. Die Ostseeprovinz Estland gehörte von 1710 bis 1918 zum Russländischen Imperium. Bei Simuna befand sich einer der Messpunkte der Russisch-Skandinavischen Gradmessung,1 die von 1816 bis 1852 unter der Leitung von Wilhelm Struve durchgeführt worden war.

13.2.1. Dorpat: 1805–1813 Magnus Georg Paucker erhielt zuerst Unterricht im elterlichen Hause, dann Privatunterricht von einem Lehrer aus Erfurt, der ihm mathematische Kenntnisse vermittelte (ADB: 25, S. 240, Recke/Napiersky 1831: 3, S. 390). Mit 18 Jahren nahm Paucker 1805 an der Universität Dorpat sein Studium auf, und zwar das der Physik und der Astronomie. Er beschäftigte sich also mit der angewandten Mathematik. Seine wichtigsten Lehrer in Dorpat waren Georg Friedrich Parrot und Johann Wilhelm Andreas Pfaff. Unter der Ägide des letzteren entstand Pauckers erste Veröffentlichung, die 1806 unter dem Titel „Einige astrognostische Notizen“ in J. W. A. Pfaffs „Astronomischen Beyträgen“ in Dorpat erschien (Paucker 1806). Diese Notizen stellten eine gekürzte Version von Pauckers Berechnungen der gewöhnlichen Planetenörter dar. Im Sommer des Jahres 1808 widmete sich Paucker der trigonometrischen Vermessung des Embaches, des Flusses, an dem Dorpat liegt und der den Wirzsee mit dem Peipussee verbindet.2 Obwohl Pauckers Vermessungsinstrument nur ein Spiegelsextant war, waren die Vermessung und die aus ihr resultierende Karte so wohlgelungen, dass Pauckers Ergebnisse 1855, wenn auch reichlich verspätet, veröffentlicht wurden (Paucker 1855a). Im Jahre 1809 arbeitete Paucker mit bei der Errichtung des ersten optischen Telegraphen in Russland in der Zarenresidenz Zarskoje Selo in der Nähe von St. Petersburg (ADB: 25, S. 241). 1810 war er am Gymnasium zu Wyborg beschäftigt. Nachdem 1809 sein Mentor in Dorpat, J. W. A. Pfaff, einen Ruf nach Nürnberg angenommen hatte, musste ein Nachfolger gesucht werden. Den Ruf nach Dorpat erhielt zunächst Gauß, der ihn aber in einem Brief vom 20. August 1809 ablehnte (siehe S. 554–556). Als Nachfolger von Pfaff wurde schließlich 1811 der Physiker, Astronom und Mathematiker Johann Sigismund Gottfried Huth berufen, der vorher in Frankfurt an der Oder und in Charkow gewirkt hatte. Huth hatte übrigens im Jahre 1805 mit Gauß Briefe gewechselt, in denen es um Kometenbeobachtungen ging.3 1 2 3

Messpunkt am Struve-Bogen (59° 3ƍ 28Ǝ N, 26° 20ƍ 16Ǝ O) bei Simuna. Der Peipussee und der Wirzsee sind die größten Seen des Baltikums. SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Huth.

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Im Jahre 1811 übernahm Paucker an der Universität Dorpat die Aufgaben eines Observators, da der dortige Astronom Ernst Christoph Friedrich Knorre 1810 verstorben war. Schließlich reichte Paucker im Jahre 1813 bei Huth seine Dissertation „De nova explicatione phaenomeni elasticitatis corporum rigidorum“ (Paucker 1813) ein, von der sich ein Exemplar in der Gauß-Bibliothek unter der Signatur GB 1278 befindet. In demselben Jahr 1813 wurde bei Huth auch der Astronom Wilhelm Struve promoviert, der schließlich in Dorpat zum Nachfolger von E. C. F. Knorre berufen wurde.4 Struve war es, der der Astronomie in Dorpat zu einem Glanz sondergleichen verhelfen sollte.

13.2.2. Mitau: 1813–1855 Nachdem Paucker nicht mehr auf eine Anstellung an der Universität Dorpat hoffen konnte, nahm er 1813 eine Stelle als Gymnasiallehrer der mathematischen und physikalischen Wissenschaften in Mitau an. Dort hatte im Jahre 1775 der letzte Herzog von Kurland, Peter von Biron, ein Akademisches Gymnasium gegründet, die „Academia Petrina“. 1795 wurde Mitau Hauptstadt des russischen Gouvernements Kurland. Gemäß dem Wunsch von Kaiser Pavel I., der 1796 auf den Thron gekommen war, sollte in Mitau eine Universität gegründet werden. Dazu kam es aber nicht mehr, weil Pavel I. bereits im März 1801 ermordet wurde. Sein Nachfolger Alexander I. entschied sich bei der Gründung der Universität für Dorpat und gegen Mitau. Die „Academia Petrina“ wurde 1806 in „Gymnasium Illustre“ und 1837 in „Gouvernementsgymnasium zu Mitau“ umbenannt, das bis 1918 existierte. Diese Lehranstalt besaß eine sehr gute Bibliothek, bereits im Jahre 1800 waren dort über 30.000 Bände vorhanden. Ferner stand Paucker in Mitau auch eine kleine Sternwarte zur Verfügung, die bereits 1783 eingerichtet und mit einem wertvollen Quadranten von Sisson ausgestattet worden war. Paucker war gleichzeitig auch Observator dieser Sternwarte. Unter seiner Ägide wurde diese gut ausgebaut, sie erhielt 1826 sogar einen Vertikalkreis von Reichenbach und Ertel. Gleich in seiner Anfangszeit in Mitau hatte Paucker einen herausragenden Schüler, nämlich Adolph Theodor Kupffer, der das „Gymnasium Illustre“ bis 1815 besuchte. Danach studierte Kupffer in Dorpat, Berlin, Göttingen und Paris und machte Karriere in Kasan und in St. Petersburg (siehe S. 344–361). Im Jahre 1815 wurde in Mitau die Kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst ins Leben gerufen; sie erhielt 1816 ihre Statuten. Paucker wurde zum Beständigen Sekretär der Gesellschaft ernannt, zugleich war er das erste Ordentliche Mitglied. Die Gesellschaft blühte sehr schnell auf. Hatte sie zu Beginn acht Mitglieder gehabt, so waren es 1817 bereits 127 Mitglieder, und 1820 umfasste sie 201 Mitglieder sowie 17 Ehrenmitglieder. Zu den Ehren4

Ernst Christoph Friedrich Knorre war seit 1803 Außerordentlicher Professor der Mathematik an der Universität Dorpat und Observator an der dortigen Sternwarte.

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mitgliedern zählten z.B. der Minister für Volksaufklärung Sergej Semënovič Uvarov, den man sicherlich aus politischen Gründen gewählt hatte, aber auch eine Reihe von Göttinger Professoren, so etwa Johann Friedrich Blumenbach, Arnold Hermann Ludwig Heeren und Carl Friedrich Gauß (Kurländische Gesellschaft 1997). In dem für Gauß ausgestellten Diplom (Abb. 65), das unter anderem von dem Beständigen Sekretär der Gesellschaft „Prof. Dr. Georg Paucker“ unterschrieben ist, wird festgehalten: „DIE KURLÄNDISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR UND KUNST hat den Herrn Dr. Karl Friedrich Gauß, Königlich-Großbritannischen Hofrath, ordentlichen Professor der Astronomie und Mathematik an der Georgia Augusta zu Göttingen, Rittern des Guelphenordens5 etc., d e n t i e f s i n n i g e n und glücklichen Bearbeiter der Mechanik des Weltgebäudes, zu ihrem E H R E N M I T G L I E D E ernannt, und beglaubiget solches mit der Unterschrift der Mitglieder ihres engern Ausschusses, unter dem Siegel der Gesellschaft. Mitau, den 1sten Junius 1819.“

Abb. 65. Diplom über die Ernennung von Gauß zum Ehrenmitglied der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst zu Mitau vom 1. Juni 1819 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 7.

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Der Guelphenorden war eine Auszeichnung des Königreichs Hannover, die die Erhebung in den persönlichen Adelsstand und den damit verbundenen Zutritt bei Hofe bedeutete. Die erste Inauguration des Ordens fand in Hannover am 1.1.1816 statt, der Orden wurde bis 1866 verliehen. Gauß’ Ritterorden trug die Nummer 41 (Gottschalck 1819, S. 242–247).

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Leider führten Streitereien dazu, dass Paucker nur bis 1821 als Beständiger Sekretär fungierte. Immerhin schaffte er es in dieser Zeit, zwei Bände der „Jahresverhandlungen der kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst“ auf den Weg zu bringen.6 Im ersten Band beginnt das Vorwort mit dem bedeutungsvollen Satz: „So treten denn zum ersten Male an den russischdeutschen Gestaden der Ostsee die Arbeiten eines wissenschaftlichen Vereins an’s Licht“ (Bd. 1, 1819, S. 3). Die Kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst sollte bis 1939/40 existieren (Kurländische Gesellschaft 1997). In Mitau setzte Paucker seine wissenschaftlichen Arbeiten fort, wie dies seine vielen Veröffentlichungen zeigen.7 Er wandte sich nunmehr auch der Mathematik zu. Welch hohes Niveau er dabei erreichte, sieht man daran, dass er Gauß’ „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) nicht nur gelesen, sondern auch tatsächlich verstanden hatte. Damit gehörte er damals zu der ganz kleinen Gruppe von Mathematikern, die dazu in der Lage waren (vgl. Reich 2009a, S. 293–294). Auch hielt Paucker seine Kontakte zur Universität Dorpat weiterhin aufrecht und machte sich, als sein Doktorvater Huth 1818 verstorben war, Hoffnungen, dessen Nachfolger zu werden. Aber an erster Stelle der Berufungsliste stand Heinrich Wilhelm Brandes aus Breslau. Dieser lehnte den Ruf zwar ab, aber Paucker war nunmehr so enttäuscht, dass er die Stelle in Dorpat nicht mehr in Erwägung zog. So wurde dort 1820 Wilhelm Struve Ordentlicher Professor der Astronomie, und zwar nur für Astronomie. Ein Jahr später, 1821, berief man Martin Bartels auf eine Professur für Mathematik, wobei diese Professur nur noch die Reine und nicht mehr die Angewandte Mathematik, nämlich Astronomie, mitumfasste. Im Jahre 1820 wurde Paucker Mitglied der Kaiserlichen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau und 1822 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. 1826 veröffentlichte er in den „Mémoires“ der Akademie eine größere Arbeit über die Lösung der Gleichung dritten Grades (Paucker 1826). Schließlich erhielt Paucker 1831 sogar einen Ruf an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Inzwischen hatte er sich aber in Mitau so gut eingelebt, dass ihn dieser sehr ehrenvolle Ruf von dort nicht mehr weglocken konnte. Paucker stand aber mit der Akademie in St. Petersburg in regem Briefwechsel. Seine Briefe an den Ständigen Sekretär Nikolaus Fuß (20 Briefe von 1812 bis 1825) sowie an dessen Sohn und Nachfolger Paul Heinrich Fuß (16 Briefe von 1824 bis 1834) sind noch erhalten.8 6 7

8

Der erste Band erschien im Jahre 1819, der zweite im Jahre 1822. Pauckers Schriftenverzeichnis siehe: Recke/Napiersky 1831: 3, S. 391–393 und Recke/Napiersky 1861, S. 109–113; ferner: http://dspace.utlib.ee/dspace/bitstream/ 10062/4818/1/paucker.pdf (Stand 1.2.2011). Universitätsbibliothek Leipzig, Teilnachlass von Nikolaus Fuß. Die Autographen werden von Karin Reich ediert.

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Paucker schrieb zahlreiche Lehrbücher. Seine wissenschaftlichen Beiträge veröffentlichte er in angesehenen europäischen Zeitschriften. Astronomische Beobachtungen erschienen vor allem in den Altonaer „Astronomischen Nachrichten“ und im Berliner „Astronomischen Jahrbuch“. Aber auch in speziell im Baltikum verbreiteten Blättern wie „Das Inland“, „Programm des Gymnasium Illustre“ zu Mitau sowie „Jahresverhandlungen der kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst“ erschienen Aufsätze von ihm. Lediglich seine Dissertation veröffentlichte Paucker in lateinischer Sprache, seine späteren Veröffentlichungen erschienen in französischer und in deutscher Sprache, jedoch nicht auf russisch. Seit 1823 beschäftigte sich Paucker mit dem russischen Maß- und Gewichtssystem. Er veröffentlichte mehrere Arbeiten zu diesem Thema. Schließlich schloss Paucker das Manuskript eines monumentalen Werkes zur russischen Metrologie ab, und zwar unter dem Titel „Handbuch der Metrologie Rußlands und seiner deutschen Provinzen“. Dafür wurde er 1832 von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg mit dem ganzen Demidov-Preis ausgezeichnet. Dies war die erste Vergabe des DemidovPreises. Paucker musste jedoch noch die Auflage erfüllen, das Manuskript in den nächsten zwei Jahren ins Russische zu übersetzen und zu veröffentlichen. Mit dem Gebiet der Metrologie in Russland war auch Pauckers früherer Schüler Adolph Theodor Kupffer betraut, der seit dem 14./26. Oktober 1831 der Kommission zur Festlegung der Maße und Gewichte in Russland als Mitglied angehörte. Da Pauckers Werte von denjenigen abwichen, die die Kommission erzielt hatte, begnügte man sich schließlich damit, einen kurzen Auszug von Pauckers Manuskript in deutscher Sprache zu veröffentlichen (Paucker 1835). Kurze Zeit später erschien in Schumachers „Jahrbuch“ eine weitere Kurzversion (Paucker 1836). Am 7./19. August 1839 konnte Paucker als Gast den Feierlichkeiten zur Einweihung der neuen russischen Hauptsternwarte in Pulkowo beiwohnen. Der Direktor der neuen Sternwarte war Wilhelm Struve, der gerade eben von Dorpat nach Pulkowo bei St. Petersburg gewechselt hatte. Nachdem Paucker 1846 sein Lehramt niedergelegt hatte und in Pension gegangen war, übernahm er abermals die Pflichten eines Geschäftsführers der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst. Gleichzeitig wurde er Herausgeber der „Arbeiten der kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst“, von denen zwischen 1847 und 1851 zehn Hefte erschienen. Paucker war Mitglied mehrerer Gesellschaften, vor allem im Baltikum. Als er im Jahre 1855 verstorben war, erschienen zwei umfangreiche Nachrufe, einer im „Inland“ (Paucker 1855b) und einer im „Archiv der Mathematik und Physik“ (Paucker 1856). Sein im Jahre 1822 in Mitau geborener Sohn, German Egorovič Paucker, wirkte in St. Petersburg als erfolgreicher Militäringenieur und stieg bis zum Amt des Ministers der Verkehrswege auf (Amburger 1966, S. 266).

13. Magnus Georg von Paucker (1787–1855)

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13.3. Die Beziehungen zwischen Paucker und Gauß 13.3.1. Veröffentlichungen von Paucker in der Gauß-Bibliothek Der Name Gauß war an der Universität Dorpat mit Sicherheit bereits präsent, als Paucker dort sein Studium aufnahm. Es liegt auf der Hand, dass Paucker im Jahre 1813 oder etwas später Gauß seine in Dorpat gedruckte Dissertation „De nova explicatione phaenomeni elasticitatis corporum rigidorum“ hat zukommen lassen, denn diese ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (Paucker 1813; GB 1278). Vielleicht war Paucker von seinem Doktorvater Huth dazu angeregt worden, der ja bereits vor seiner Ankunft in Dorpat Kontakte zu Gauß unterhalten hatte. Dasselbe gilt für zwei weitere Schriften von Paucker, die in die Gauß-Bibliothek Eingang gefunden haben, ohne dass man Details darüber weiß, wie sie in Gauß’ Hände gelangt sind. Es handelt sich um folgende Titel: „Ueber astronomisch-trigonometrische Landesvermessungen“ (Paucker 1817; GB 1410) und „Ueber die Anwendung der Methode der kleinsten Quadratsumme auf physikalische Beobachtungen“ (Paucker 1819; GB 1279). Zu letzterem Werk lieferte Paucker in der Einleitung einen historischen Rückblick. Ausführlich beschreibt er dort die Ausgangssituation: „Man muß nämlich die beständigen Größen so wählen, daß sie für die gesammte Masse die möglichst kleinste Abweichung von der Wahrheit zulassen, oder daß die Summe der hieraus entspringenden Fehler so gering als möglich sey“ (Paucker 1819, S. 5). Im folgenden weist Paucker darauf hin, dass Legendre der erste gewesen sei, der die Methode der kleinsten Quadrate veröffentlicht, der „berühmte Gauß“ jedoch diese Methode schon vor Legendre besessen, sie aber nicht früher veröffentlicht habe. Nach der Darstellung der Methode behandelt Paucker drei Beispiele aus der Physik. Auch Pauckers Monographie „Die ebene Geometrie der graden Linie und des Kreises, oder die Elemente“ befindet sich in der Gauß-Bibliothek (Paucker 1823; GB 19), siehe Kap. 13.3.4.

13.3.2. Pauckers Beitrag zur Konstruktion des regelmäßigen 17- und des 257-Ecks In der Gauß-Bibliothek befinden sich auch die beiden von Paucker herausgegebenen Bände der „Jahresverhandlungen der kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst“ von 1819 und 1822 (GB 453). Im zweiten Band wurde Pauckers Abhandlung „Geometrische Verzeichnung des regelmäßigen Siebzehn-Ecks und Zweyhundertsiebenundfünfzig-Ecks in den Kreis“ veröffentlicht. Die Arbeit hatte er am 3./15. Dezember 1819 der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst vorgelegt (Paucker 1822). In diesem Beitrag knüpft Paucker direkt an die von Gauß im Jahre 1801 in

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den „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801, § 354) veröffentlichten ErgebErgebnisse über das regelmäßige Siebzehneck an. In der Einleitung lässt Paucker seine Leser wissen: „Seit Euklid bis Gauß, also in einem Zeitraum von 2000 Jahren, glaubte man, daß nur die Konstruktion des regelmäßigen Dreyecks, Vierecks, Fünfecks, Sechsecks, Zehnecks, Fünfzehnecks, und derjenigen, die aus diesen durch fortgesetzte Halbirung gefunden werden, nach den Methoden der Elementargeometrie, oder numerisch durch Quadratwurzelausziehung, möglich sey. Es ist wirklich erstaunenswürdig, wie in einem so langen Zeitraume und in einer scheinbar so leichten Aufgabe so viel angewandter Scharfsinn vergeblich war, ja daß man gleichsam als gewiß annahm, nicht weiter vordringen zu können. Im Jahre 1801 machte der berühmte Gauß sein Werk über die höhere Zahlenlehre: Disquisitiones arithmeticae, bekannt, welches neue Wege in diesem größtentheils noch so dunkeln und unbekannten Felde bahnt, welches die Andeutungen des scharfsinnigen Fermat über die Eigenschaften der Zahlen, deren Beweise oft selbst einem Euler zu schwer waren, wissenschaftlich ergründet, und seinen Verfasser sogleich in die Reihe der ersten Mathematiker seiner Zeit stellte“ (Paucker 1822, S. 161). In dem Werk wird nach einer kurzen Einführung in die Probleme des regulären Dreiecks, des regulären Fünfecks und des regulären Fünfzehnecks in aller Ausführlichkeit und mit mannigfachen Erklärungen, auf Sätzen von Gauß aufbauend, das regelmäßige Siebzehneck behandelt, und zwar sowohl dessen zahlentheoretischer Hintergrund als auch dessen geometrische Konstruktion,9 auf die Gauß nicht eingegangen war (Paucker 1822, S. 163–188). Paucker erläutert seine Konstruktion mit Hilfe folgender elf Figuren:

9

Zur Konstruktion des regelmäßigen Siebzehnecks siehe: Reich 2000.

13. Magnus Georg von Paucker (1787–1855)

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Abb. 66. Geometrische Konstruktionen von Paucker (Fig. 1 bis 11) Aus: Paucker 1822, Tafel 1. Exemplar der SUB Göttingen.

Schon über Gauß hinausgehend, behandelt Paucker mit derselben Ausführlichkeit auch das regelmäßige Zweihundertsiebenundfünfzigeck im Kreise (ebenda, S. 188–217). Dies wird in der Mathematikgeschichte meistens übersehen, gilt doch Friedrich Julius Richelot, der Schüler von Carl Gustav Jacob Jacobi, im allgemeinen als der erste, der sich mit dem 257-Eck beschäftigt habe (Richelot 1832/33; GB 1306). Richelot zitiert jedoch nur Gauß, offensichtlich kannte er Pauckers Beitrag nicht. Dieser oben erwähnten Darstellung Pauckers folgt noch ein Zusatz: „Der Verfasser vorstehender Abhandlung hatte kurze Zeit nach der Vorlesung das Vergnügen, vom Herrn Professor G a u ß zu Göttingen, Ehrenmitgliede der Gesellschaft, folgendes auf seine Arbeit sich beziehende Schreiben zu erhalten“ (Paucker 1822, S. 217). Was dann folgt, ist eine gekürzte Fassung des am 2. Januar 1820 von Gauß an Paucker gerichteten Briefes.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

13.3.3. Gauß’ Antwort an Paucker Paucker muss sein Manuskript noch vor der Drucklegung bekannt gemacht haben, denn Gauß erfuhr von ihm „aus einem öffentlichen Blatte“, welches auch immer dies gewesen sein mag. Gauß’ Antwort ist ein wahres Juwel. Leider hat Paucker diesen Brief nicht vollständig abgedruckt, sondern im Jahre 1822 nur eine gekürzte Version wiedergegeben. Es ist dies der einzige bekannte Brief aus einer Korrespondenz zwischen Paucker und Gauß. Gauß bedankt sich für die Abhandlung und für das Interesse und gerät bezüglich des Themas ins Schwärmen. Er berichtet von seiner Lieblingsbeschäftigung, der Zahlentheorie. Auch spricht er davon, dass er sich bereits 1796 nicht nur mit dem Siebzehneck, sondern auch mit dem 257-Eck beschäftigt habe. Eine explizite Darstellung des 257-Ecks wird jedoch in den „Disquisitiones arithmeticae“ (Gauß 1801) nicht gegeben. Hier hat Paucker, was die Veröffentlichung anbelangt, die Pionierarbeit geleistet. Gauß erwähnt in dem Brief seine erste Tagebucheintragung, die das Datum 30. März 1796 trägt.10 An diesem Tag war er früh morgens aufgewacht und hatte die Lösung gefunden. Dies war dann der letzte Anstoß dafür, dass sich Gauß für das Studium der Mathematik entschloss und für die Folgezeit ein Tagebuch anlegte. Hier sei dieser erste Eintrag aus dem „Notizenjournal“ (Abb. 67), wie Gauß sein Tagebuch nannte, in der Übersetzung aus dem Lateinischen zitiert: „1796. Grundsätze, auf die sich die Teilung des Kreises stützt, und dessen geometrische Zerlegung in siebzehn Teile usw. 30. März, Braunschweig“ (Gauß 1796–1814). Gauß betont in seinem Brief ferner, dass es in Deutschland keinen einzigen Mathematiker gebe, der die Zahlentheorie voranzubringen versuche, und er sei überglücklich darüber, dass mit Paucker die Zahlentheorie einen neuen Freund gefunden habe.

Abb. 67. Erster Eintrag von Gauß in seinem mathematischen Tagebuch vom 30. März 1796 (Gauß 1796–1814) Der Originaltext lautet auf lateinisch: „Principia quibus innititur sectio circuli, ac divisibilitas eiusdem geometrica in septemdecim partes &c. Mart. 30. Brunsv.“ SUB Göttingen, Cod. Ms. Gauß Math. 48 Cim.

10 Gauß war zu dieser Zeit Student in Göttingen und auf Semesterurlaub in seiner Heimatstadt Braunschweig.

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Dem in seiner Abhandlung veröffentlichten Exzerpt aus dem Brief von Gauß fügte Paucker schließlich noch hinzu: „So weit Herr Professor G a u ß . Die Leser werden bey Vergleichung bemerken, daß die Resultate dieser Abhandlung [von Paucker] ganz mit den seinigen [von Gauß] zusammenstimmen, und, mit uns, dem würdigen um die gesammte Mathematik so hoch verdienten Manne für die Mittheilung eines Datums Dank wissen, das in der Geschichte der Geometrie Epoche macht“ (Paucker 1822, S. 219).

13.3.4. „Die ebene Geometrie“ und „Zwei merkwürdige Sätze vom Raum“ von Paucker Im Jahre 1823 erschien in Königsberg Pauckers Monographie „Die ebene Geometrie der graden Linie und des Kreises, oder die Elemente“ (Paucker 1823). Dieses Werk widmete Paucker „Dem Archimedes der Deutschen Dr. Carl Friedrich Gauß [...] in Ehrerbietung und Hochachtung“ (Abb. 68a). Im VI. Kapitel dieses Werkes werden abermals die regelmäßigen Vielecke behandelt. Das regelmäßige Siebzehneck stellt dabei den krönenden Abschluss dar (S. 263–269). Auch dieses Buch ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 19). Auch in seinen späteren Werken erwähnt Paucker Ergebnisse von Gauß oder knüpft an diese an, um eigene weiterführende Untersuchungen vorzustellen. Den Ausgangspunkt für Pauckers im Jahre 1844 veröffentlichte Arbeit „Zwei merkwürdige Sätze vom Raum“ (Abb. 68b) hatte Gauß in seiner „Theoria motus“ (Gauß 1809a) geliefert. Dort formuliert er im § 54 die Aufgabe, aus der bekannten Lage der Bahnebene und einer anderen neuen Ebene gegen die Ekliptik die Lage der Bahnebene gegen diese neue Ebene herzuleiten: „e situ cognito plani orbitae aliusque plani novi ad eclipticam derivare situm plani orbitae ad hoc novum planum“ (Gauß-Werke: 7, S. 66). Gauß veranschaulicht das Problem mit Hilfe einer Figur und benutzt im Folgenden vier Gleichungen aus der sphärischen Trigonometrie, die auch heute noch als „Gaußsche Formeln“ bezeichnet werden. Dabei überlässt er der Kürze wegen den Beweis dieser Sätze dem Leser, da sie sich doch leicht bestätigen ließen. Paucker stellt nun erstmals einen rein geometrischen Beweis dieser von ihm so genannten „Gaußischen Gleichungen“ vor (Paucker 1844, S. 1–15). Auf der Grundlage dieser Formeln beweist er zwei spezielle Sätze aus der Raumlehre (ebenda, S. 15–38), darunter den Satz: „Der sechsfache Inhalt des Raumvierecks mit dem Halbmesser der umschriebenen Kugel verbunden, giebt eine Größe, welche auf dieselbe Art aus den drei Verbindungen der Gegenkanten zusammengesetzt ist, wie der Inhalt eines ebenen Dreiecks aus den drei Seiten“ (ebenda, S. 30–31). Diesen Satz hält Paucker für einen der schönsten in der Raumlehre und gibt an, dass er ihn bereits im Jahre 1813, also zum Antritt seines Lehramtes in Mitau, entdeckt habe.

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Es wäre wohl einer speziellen Untersuchung wert, Pauckers Rezeption des Werkes von Gauß eingehender und genauer zu betrachten.

Abb. 68a. Titelseite von Pauckers Lehrbuch „Die ebene Geometrie“ (Paucker 1823) sowie das Blatt mit der Widmung an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 19.

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Abb. 68b. Titelseite von Pauckers Veröffentlichung „Zwei merkwürdige Sätze vom Raum.“ (Paucker 1844) Exemplar der Russländischen Nationalbibliothek, St. Petersburg.

13.4. Der Brief Gauß an Paucker, 2. Januar 1820, o. O. [Göttingen] Quelle unbekannt. Teilpublikation: Paucker 1822, S. 217–219; Biermann 1990, S. 54–55 (erheblich gekürzt).

Am 2ten Januar 1820 n[euen] St[ils] – Ich sehe mit Vergnügen aus einem öffentlichen Blatte, daß Sie die Entwickelungen, die Kreistheilung in 257 Theile betreffend, zum Gegenstande einer der Gesellschaft vorgelesenen Abhandlung gemacht haben. Die höhere Arithmetik ist von jeher meine ganz besondere Lieblingsbeschäftigung gewesen. In Hinsicht ihres ganz eigenthümlichen Reizes für den Verstand kommt ihr kein anderer Theil der Mathematik gleich, ja ich möchte sagen, auch nur nahe; und wenn ich in andern Theilen später Eignes gearbeitet habe, so verdanke ich dies

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hauptsächlich meiner frühern Beschäftigung mit der höhern Arithmetik, unter äuäußern Verhältnissen, die mich ganz auf meine eignen Meditationen beschränkten. Ich freue mich daher um so mehr, wenn ich sehe, daß diese herrliche Wissenschaft einen neuen Freund gewinnt, da die Anzahl solcher, die sich damit vertraut gemacht haben, äußerst klein ist. In der That kenne ich bisher in Deutschland nicht einen Einzigen. Was übrigens das 257-Eck betrifft, so finde ich unter meinen Papieren von 1796 ein Blatt, wo ich gleichfalls die Resultate dieser Entwickelung aufgezeichnet habe, und schreibe Ihnen hier die Hauptmomente zur Vergleichung mit Ihrer Rechnung her, obwohl ich in diesem Augenblicke nicht Zeit habe, das Einzelne von Neuem zu prüfen. Damals ist übrigens die Entwickelung gewiß richtig gemacht, da ich darnach auch die vollständige Berechnung in Zahlen durchgeführt habe. Die Zahl 3 ist zur radix primitiva gewählt.

Die übrigen Zwischenformeln lassen sich nach den Principien meiner Disquisitiones arithmeticae leicht aus diesen ableiten. Ich bemerke bey dieser Gelegenheit noch, daß in diesem Werk S. 662 ein nicht angezeigter Druckfehler

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sich befindet, indem der letzte Irrationaltheil von cos. 171 P das Zeichen + haben muß. Das – Zeichen würde zu cos. 174 P oder sin. 341 P gehören. Vielleicht ist es Ihnen nicht uninteressant, wenn ich Ihnen das Datum, wo ich mit dem Wesentlichen der Theorie der Kreistheilung ins Klare kam, anzeige; e s w a r d e r 3 0 s t e M ä r z 1 7 9 6 ; so wie ich wenige Tage nachher den ersten Beweis des Fundamentaltheorems, die quadratischen Reste betreffend, zur Vollständigkeit brachte, welches Theorem selbst ich im Anfange des Jahres 1795 durch Induktion fand, ohne zu wissen, daß dasselbe in einer andern Form schon von Legendre durch Induktion gefunden war. Dieser Fund war es hauptsächlich, was mich an die höhere Arithmetik zuerst fesselte. Leider lassen mir nur meine Verhältnisse jetzt zur Beschäftigung mit derselben wenig Zeit übrig, und ich muß mich schon glücklich schätzen, wenn ich Muße gewinne, alles das, was ich aus frühern Zeiten noch vorräthig habe, nach und nach auszuarbeiten.

Abb. 69. Paul Schilling von Canstadt Gemälde von E. D. Tjurin. Aus: Jarockij 1963, Frontispiz.

14. Paul Schilling von Canstadt (1786–1837) ɉɚɜɟɥ Ʌɶɜɨɜɢɱ ɒɢɥɥɢɧɝ ɮɨɧ Ʉɚɧɲɬɚɞɬ /

Pavel L’vovič Šilling fon Kanštadt 14.1. Paul Schilling von Canstadts Lebenslauf im Überblick * 5./16. April 1786 1803–1812 1805

Paul Schilling von Canstadt (Cannstadt oder Canstatt) geboren in Reval Attaché an der Russischen Gesandtschaft in München Beginn der Bekanntschaft mit Samuel Thomas von Soemmerring in München 1812 Vorführung des Telegraphen von Soemmerring in St. Petersburg in Anwesenheit von Kaiser Alexander I. 1814–1837 Tätigkeit im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten in St. Petersburg 1815–1816 Reise nach München und Paris 1816 Bekanntschaft mit Gauß in München 1817 Leiter der Lithographiewerkstatt beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten in St. Petersburg 29.12.1827/10.1.1828 Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Literatur und Altertümer des Ostens um 1830 Erdmagnetische Beobachtungen 1830–1832 Expedition nach Ostsibirien und in die Mongolei im Auftrag der russischen Regierung 9./21. Oktober 1832 Vorführung des Telegraphen von Schilling in St. Petersburg 1835 Besuch bei Gauß und Weber in Göttingen auf dem Wege nach Bonn September 1835 Teilnahme an der Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Bonn und Vorführung seines Telegraphen 1835 Vorführung des Telegraphen von Schilling beim Physikalischen Verein in Frankfurt am Main; Wahl Schillings zum Ehrenmitglied des Vereins 1836 Gemeinsame Versuche in Wien mit Joseph Franz von Jacquin und Andreas von Ettingshausen Vorführung des Telegraphen von Schilling in St. Petersburg in Anwesenheit von Kaiser Nikolaj I. April 1837 Denkschrift von Schilling über seinen elektromagnetischen Telegraphen Juli 1837 Erstes Treffen mit Moritz Hermann Jacobi in Dorpat und gemeinsame Reise nach St. Petersburg † 25.7./6.8.1837 gestorben in St. Petersburg

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14.2. Miszellen zu Leben und Werk 14.2.1. Beginn der Beschäftigung mit Wissenschaft und Technik Baron Paul Schilling von Canstadt gehört zum baltischen Stamm des alten schwäbischen Adelsgeschlechts von Schilling (NDB: 22, S. 767–768; Aschoff 1976, S. 10–13). In Reval geboren, war er russischer Untertan. Zunächst machte Schilling von Canstadt Karriere beim Militär. Bereits als Neunjähriger trat er 1795 dem Musketier-Regiment seines Vaters bei, dieser verstarb jedoch zwei Jahre später. 1803 wechselte er in den diplomatischen Dienst und wirkte im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Im selben Jahr führte ihn sein Weg als Attaché der russischen Gesandtschaft nach München, wo er bis zum Ausbruch des Krieges zwischen Russland und Frankreich im Jahre 1812 blieb. Dort lernte er im Mai 1805 den Arzt Samuel Thomas von Soemmerring kennen, mit dem ihn alsbald eine enge Freundschaft verbinden sollte (Jarockij 1963, S. 148). Soemmerring beschäftigte sich damals mit der Entwicklung eines elektrochemischen Telegraphen. In den Jahren 1809 bis 1810 verfasste er seine denkwürdige Schrift „Ueber einen elektrischen Telegraphen“, die von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht wurde (Soemmerring 1811). Schilling hingegen widmete sich der elektrischen Fernzündung von Pulverminen und Pulverladungen (Jarockij 1963, S. 10–18; Aschoff 1976, S. 8). Aus politischen Gründen musste Schilling 1812 München verlassen, aber er konnte Soemmerrings telegraphische Anlage nach Russland mitnehmen und in St. Petersburg dem Kaiser Alexander I. vorführen. Darüber hinaus zeigte Schilling dem Kaiser im Herbst 1812, wie die von ihm erfundene Zündungsanlage im Wasser funktionierte. Die Pulverminen in den Gewässern der Newa konnten durch Fernsteuerung gezündet werden (Jarockij 1963, S. 16). Seit 1813 diente Schilling in einem Dragonerregiment. Am 31. März 1814 zogen die siegreichen russischen Regimenter in Paris ein, unter ihnen auch Schilling. Nach einem kurzen Intermezzo in St. Petersburg wurde er wieder am Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten angestellt und reiste in dieser Stellung 1815 nach München und Paris. In Paris traf Schilling mit AndréMarie Ampère und mit François Arago zusammen, wobei er seine elektrische Fernzündung von Pulverladungen auch auf der Seine vorführte. Inzwischen widmete er sein Interesse auch der Lithographie, die er 1813 in Karlsruhe während seines Militärdienstes detailliert kennengelernt hatte. Er interessierte sich für die dafür geeigneten Solnhofer Platten,1 deren Erwerb einer der Zwecke seiner Münchner Reise 1815 war. Die Lithographie war damals ein noch ziemlich neues Verfahren, das 1799 patentiert worden war und sich bestens zur Herstellung von Landkarten eignete. Schilling war der erste, der die Lithographie in Russland einführte. Bei diesem Vorhaben wurde er von seinem guten 1

Als Druckträger diente ein Kalkschieferstein, der in Solnhofen in Bayern gefördert wurde.

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Bekannten und Kollegen Friedrich Theodor Schubert d. J. unterstützt. Am 12./24. Juli 1817 wurde Schilling zum Leiter der Lithographiewerkstatt beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten in St. Petersburg ernannt. Bei seinem Aufenthalt in Berlin im Januar 1820 trat Schilling in nähere Beziehung zu Alexander von Humboldt, den er noch aus seiner Zeit in München und wahrscheinlich auch noch von Paris her kannte. Auch während Humboldts Aufenthalt in St. Petersburg im Mai und im November 1829 traf sich Schilling mehrmals mit dem berühmten Forschungsreisenden, der sich unter anderem für Schillings Kenntnisse der Sprachen und der Literatur Asiens interessierte (Jarockij 1963, S. 18–19, 149–150). Möglicherweise ist es Alexander von Humboldt zu verdanken, dass sich Schilling auch mit erdmagnetischen Beobachtungen beschäftigt hat. So kann man einem in den „Annalen der Physik und Chemie“ veröffentlichten Brief von Ivan Michajlovič Simonov an Humboldt aus dem Jahre 1834 entnehmen, dass Schilling im Besitz einer Gambeyschen Bussole war. Simonov war Professor für Astronomie an der Universität Kasan und pflegte wissenschaftliche Kontakte zu Humboldt. Simonov berichtete in dem oben erwähnten Brief: „Am 22. Juni 1830 hatten wir, Hr. Baron S c h i l l i n g v o n C a n s t a d t und ich, mit einem demselben zugehörigen und in Petersburg verfertigten Instrument im ehemaligen botanischen Garten die Inclination = 68° 25´,4 gefunden“ (Simonov 1836b). Diese Beobachtungen wurden angestellt, als Schilling seine Expedition in das östliche Sibirien und in die Mongolei antrat, die ihn auch durch Kasan führen sollte. Die Messung fand auf dem Gelände des alten Botanischen Gartens statt, wo sich die Sternwarte der Universität befand. Laut eigenen Angaben führte Simonov seit dem Jahre 1833 sowohl im Botanischen Garten als auch im magnetischen Pavillon Messungen durch. Man darf wohl annehmen, dass Schilling während der Expedition auch weitere Messungen mit seiner Gambeyschen Bussole angestellt hat. Leider hat Schilling über seine erdmagnetischen Beobachtungen keine einzige Zeile veröffentlicht.

14.2.2. Expedition in das östliche Sibirien und in die Mongolei: 1830–1832 Schilling verfügte über chinesische Sprachkenntnisse und konnte auch tibetische Schriften lesen. Seine Leistungen waren unter den Fachgenossen hoch anerkannt. Im Jahre 1822 wurde er zum Korrespondierenden Mitglied der Societé Asiatique de Paris (gegr. 1821) und 1824 zum Ehrenmitglied der Royal Asiatic Society in London (gegr. 1823) gewählt. Am 29. Dezember 1827/ 10. Januar 1828 wählte ihn auch die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zum Korrespondierenden Mitglied für Literatur und Altertümer des Ostens. Im Jahre 1830 übertrug die russische Regierung Schilling eine Mission in das östliche Sibirien und in die Mongolei, wo er sich mit der Erforschung der Völker Innerasiens beschäftigen sollte. Dieser Auftrag stand nicht zuletzt im

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Zusammenhang mit der Russlandreise von Alexander von Humboldt im Jahre 1829. Durch Humboldts Ergebnisse war das Interesse der russischen Regierung an diesen Gebieten geweckt worden. Auch der Dichter Aleksandr Sergeevič Puškin äußerte am 7./19. Januar 1830 in einem Brief an die Regierung seinen Wunsch, Schilling bei dieser Expedition zu begleiten. Nikolaj I. lehnte diesen Antrag jedoch ab.2 Schilling hielt sich 18 Monate in Kjachta auf, nahe der chinesischen Grenze. Es gelang ihm, zahlreiche wertvolle Handschriften und Bücher zu erwerben; von manchen Werken ließ er Abschriften anfertigen. Schließlich kehrte Schilling mit 2.000 mongolischen Werken und mit ungefähr 4.000 chinesischen und mandschurischen Schriftstücken nach St. Petersburg zurück. Unter diesen Schriften befand sich der „Gandjur“, eines der wichtigsten Werke der tibetisch-buddhistischen Literatur. Schillings Handschriften- und Bücherschätze fanden Eingang in die Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, deren Bestand einer der bedeutendsten war und noch heute ist. Schilling leistete damit einen wichtigen Beitrag zu deren wunderbarer Sammlung von Werken der tibetischen, der mongolischen, der chinesischen und der mandschurischen Literatur (Schilling 1848; Jarockij 1963, S. 36–60, 150–151).

14.2.3. Elektromagnetischer Telegraph Die ersten Telegraphen, die Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgreich eingerichtet wurden und es gestatteten, Botschaften über größere Distanzen zu übermitteln, waren optische Telegraphen.3 An der Errichtung des ersten optischen Telegraphen in Russland im Jahre 1809 in der Nähe von Zarskoje Selo war auch Magnus Georg Paucker beteiligt (Paucker 1855b, Sp. 632). Auf der Strecke St. Petersburg–Schlüsselburg wurde 1824 ein weiterer Versuch unternommen, einen optischen Telegraphen einzurichten. Schließlich wurden Verbindungslinien zwischen St. Petersburg und Kronstadt (1833) sowie zwischen St. Petersburg und Zarskoje Selo (1835) eröffnet. Im Jahre 1839 wurde die längste Linie des optischen Telegraphen St. Petersburg–Warschau (1200 km, 149 Stationen) in Betrieb genommen (Jarockij 1963, S. 64–65; Amburger 1966, S. 275). Zweifellos war für Paul Schilling von Canstadt der elektrochemische Telegraph von Soemmerring der Anlass, sich ebenfalls mit dem Bau eines Telegraphen zu beschäftigen. Dabei setzte er auf das Prinzip des neuentdeckten Elektromagnetismus. Bereits kurze Zeit nach seiner Rückkehr aus Ostsibirien war Schillings elektromagnetischer Telegraph fertiggestellt. Nach einem Zeugnis von Alexander von Humboldt zeigte Schilling „auch in Berlin“ „einige Theile 2 3

Die ablehnende Antwort von Nikolaj I. vom 17./29.1.1830 auf den Antrag von A. S. Puškin in: Jarockij 1963, S. 44. Als erster errichtete der Franzose Claude Chappe während der Französischen Revolution eine optische Telegraphievorrichtung, die auf der Zeichenübermittlung mit Hilfe von schwenkbaren Signalarmen basierte.

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seines Apparates 1832“. In diesem erst im Jahre 1889 publizierten Auszug aus einem Dokument von Humboldt heißt es weiter: „Der Kaiser Nikolaus wohnte den sehr gelungenen Versuchen bei. Drähte von 1½ Meilen Länge waren um ein Haus geführt. Ich selbst regte den Kaiser sehr an, den Telegraphen nach Moskau in dieser Weise zu construiren, und wahrscheinlich hat die Furcht vor Unterbrechung und Nichtankommen der Elektrizität die Ausführung gehindert. [...] Nach Schilling v. Canstadt kamen Gauß und Weber, Steinheil mit selbstschreibender Maschine und Leitung feuchten Bodens etc.“ (Anonymus 1889). Das Original dieses Schreibens von Humboldt ist wahrscheinlich verloren gegangen.4 Der elektromagnetische Telegraph von Schilling war ein Multinadelapparat. Schilling experimentierte mit fünf bis sieben Magnetnadeln und konnte dadurch eine relativ hohe Übertragungsgeschwindigkeit erzielen. Wie das Gerät gebaut war und funktionierte, wird in der Literatur ausführlich beschrieben (Jarockij 1963, S. 80–100; Aschoff 1976, S. 13–18, 38–45). Sicher belegt ist, dass eine der ersten Vorführungen am 9./21. Oktober 1832 in Schillings Wohnung in St. Petersburg stattfand.5 Darüber heißt es in einem Bericht: „Schilling’s Telegraph war ein Gegenstand der Bewunderung in St. Petersburg. Er musste ihn sehr oft einzelnen Individuen, bisweilen aber auch ganzen Partien von Neugierigen, in Thätigkeit zeigen. Späterhin geruhte sogar Seine Majestät der Kaiser Nikolaus sich in Schilling’s Wohnung Experimente mit dem Telegraphen zeigen zu lassen, wobei auch einige hochgestellte Personen zugegen waren“ (Hamel 1860a, Sp. 119; vgl. Aschoff 1976, S. 28). Es sind noch weitere Details über die Vorführungen von Schillings Telegraphen überliefert.6 Im September 1835 fand in Bonn die Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte statt, bei der am 23. September Schillings Telegraph vorgeführt wurde. In dem Bericht über die Versammlung wurde festgehalten:

„Hofr[ath] Muncke setzte die Construktion des electro-magnetischen Telegraphen des Herrn Baron von Schilling auseinander, und besonders die schöne und einfache Verbesserung des Apparates“ (Isis 1836, Heft 9, S. 727). 4

5 6

Es ist unklar, ob es sich bei Humboldts Bericht nur um eine Demonstration des Telegraphen von Schilling im Jahre 1832 in Berlin handelt oder auch um einen der ersten Versuche von Schilling, den Humboldt während seines Aufenthalts in St. Petersburg im Jahre 1829 hatte beiwohnen können. Ob Schilling im Jahre 1832 in Berlin gewesen ist, konnte nicht ermittelt werden. Im Jahre 1886 wurde an diesem Haus (Caricyn lug, heute Marsovo pole, Haus 7) eine Gedenktafel enthüllt (Abb. 71). St. Petersburger Archiv der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 85, op. 3, ʋ 3, l. 15–16.

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Georg Wilhelm Muncke, Professor für Physik an der Universität Heidelberg, ließ damals eine Kopie des Schillingschen Telegraphen anfertigen, die er später vorführte (Aschoff 1976, S. 16, 19, 21). Auf der Reise nach Bonn hatte Schilling Gauß in Göttingen besucht. Sein Rückweg führte ihn über Frankfurt am Main, wo er nunmehr im dortigen Physikalischen Verein das Funktionieren seines Telegraphen demonstrierte. Schilling wurde zum Ehrenmitglied dieses Vereins gewählt. Im Jahre 1836 stellte er zusammen mit Joseph Franz von Jacquin und Andreas von Ettingshausen weitere Versuche an (ebenda, S. 11). Im Jahre 1836 wurde Schilling in seiner Wohnung in St. Petersburg mit einem weiteren Besuch des Kaisers Nikolaj I. beehrt.7 Der Kaiser gab hinterher ein Telegramm auf; es hatte folgenden Wortlaut: „Je suis charmé d’avoir fait ma visite à Mr. Schilling“. Dieser Text wurde dann mit Hilfe des elektromagnetischen Telegraphen dem Empfänger übermittelt (Hamel 1860a, Sp. 303; Anonymus 1886, S. 16). Ein Angebot aus Großbritannien, seine Erfindung dorthin zu verkaufen, lehnte Schilling mit den Worten ab, „er wünsche vor Allem, daß seine Erfindung zuerst im Vaterlande in großem Maaßstabe angewendet werden möge“ (Hamel 1860b, S. 448). Im Jahre 1837 wurde sodann in St. Petersburg ein Komitee eingesetzt, dessen Aufgabe es war, den Schillingschen Telegraphen zu prüfen. Für das Komitee beschrieb Schilling im April 1837 in einer Denkschrift seine Apparatur mit aller Ausführlichkeit und stellte zuguterletzt die Vorteile seines Telegraphen nochmals heraus: 1. Seine Übertragungsgeschwindigkeit ist unvergleichlich größer. 2. Er funktioniert auch bei regnerischem und nebeligem Wetter. Die Telegrafisten werden durch einen speziellen Wecker auf die Nachricht aufmerksam gemacht. 3. Er bleibt während seiner Arbeit von Menschen unbemerkt. 4. Er erfordert keine sehr hohen Türme und kann von einer überaus kleinen Anzahl an Personal in Funktion gehalten werden. 5. Der erstmalige Bau dieses Telegrafen kostet weniger als der, der gewöhnlichen [optischen] Telegrafen (Aschoff 1976, S. 47–52, hier S. 52; vgl. Sotin 1956). In dieser in russischer Sprache verfassten Denkschrift bemerkte Schilling jedoch: „Der berühmte Astronom Gauß in Göttingen möchte diese Eigenschaft [den Elektromagnetismus] beim Bau seines Telegrafen auswerten, aber welche auch immer Mittel man anwenden würde, jedes von ihnen wird gleichermaßen Vorteile und Nachteile haben“ (deutsche Übersetzung in Aschoff 1976, S. 48). Kurze Zeit später erhielt Schilling einen auf den 19./31. Mai 1837 datierten Brief von dem damaligen Dirigierenden Leiter des Marineministeriums, durch den ihm folgendes mitgeteilt wurde: „Seine Majestät der Kaiser [Nikolaj I.] hat in Folge des Beschlusses, welchen das zur Prüfung des von Ew. 7

Manchmal wird 1833 als Jahr des Besuches von Nikolaj I. angegeben.

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Excellenz erfundenen Telegraphen ernannte Comité abgefasst hat, Allerhöchst zu befehlen geruht, zur Probe einen solchen Telegraphen zwischen Peterhof und Kronstadt einzurichten. Indem ich Ihnen diesen Allerhöchsten Willen mittheile, habe ich die Ehre, mich mit der ergebensten Bitte an Sie zu wenden, dass Sie die Mühe übernehmen möchten, einen detaillirten Plan nebst Kostenanschlag zur Herstellung dieses von Seiner Majestät auszuführen beschlossenen Telegraphen zwischen Kronstadt und Peterhof abzufassen“ (Hamel 1860a, Sp. 302). Schillings baldiger Tod vereitelte diese Pläne. Von Schillings Apparatur gibt es heute noch zwei Ausfertigungen aus der Zeit Schillings, und zwar eine in St. Petersburg im A. S. Popov-Zentralmuseum für Kommunikation8 und eine andere in Moskau im Polytechnischen Museum. Die Beschriftung des Apparates im Polytechnischen Museum lautet in deutscher Übersetzung: „Sechsfachmultiplikatortelegrafenapparat des P. Schilling Jahr 1832 Original Erster elektromagnetischer Telegraf der Welt. Die erste Vorführung fand am 9 (21) Oktober 1832 in Petersburg statt“ (Hempel 1999, S. 177).

Abb. 70. Elektromagnetischer Telegraph von Schilling von Canstadt als Exponat bei der internationalen Elektrizitätsausstellung in Paris 18819 Aus: Anonymus 1886, Titelblatt sowie S. 22.

Das Deutsche Museum in München besitzt einen Nachbau von Schillings Apparat. In der dazugehörigen Inventarnotiz ist angegeben: „Nadeltelegraph von Schilling von Canstatt 1832, bestehend aus Tastapparatur mit 16 Tasten, 7 Nadelgalvanometern, Signaleinrichtung“. Der Nachbau wurde im Jahre 1906 von den Russischen Elektrotechnischen Werken Siemens & Halske AG in St. Petersburg dem 1903 gegründeten Deutschen Museum gestiftet (Aschoff 1976, S. 4). 8 9

Das Museum in St. Petersburg wurde im Jahre 1884 als Museum für Post und Telegraphie gegründet. Die erste Elektrizitätsausstellung wurde am 10.8.1881 in Paris eröffnet.

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14.2.4. Schilling und Moritz Hermann Jacobi Kurze Zeit nach der Abfassung seiner Denkschrift über den elektromagnetischen Telegraphen lernte Schilling Moritz Hermann Jacobi kennen. Dieser hatte in Berlin und Göttingen studiert und sein Studium als Architekt abgeschlossen. Zunächst wirkte Jacobi als preußischer Baubeamter in Potsdam, sodann als Baumeister in Königsberg, wo er bereits 1834 seinen ersten Elektromotor entwickelte (Hempel 1999, S. 167–168, 172–175). Im Jahre 1835 folgte Jacobi einem Ruf an die Universität Dorpat, wo er eine Professur für Baukunst übernahm. 1837 erhielt er einen Ruf nach St. Petersburg an die Akademie der Wissenschaften. Kurz bevor er Dorpat verließ, stattete ihm Schilling dort einen Besuch ab. Am 10./22. August 1837 berichtete Moritz Hermann Jacobi seinem Bruder Carl Gustav Jacob Jacobi darüber: „[...] der Baron S c h i l l i n g v o n C a n s t a d t , ein sehr merkwürdiger, interessanter Mann der zugleich eine bedeutende Stellung in der Welt einnahm. […] Während ich nun mit Vorbereitungen zur Reise beschäftigt war erschien mit einemmale der Baron v o n S c h i l l i n g selbst in Dorpat, er hatte keine Ruhe mich kennen zu lernen, und wollte mich antreiben. Diese Bekanntschaft war mir sehr erfreulich, denn in der That ich bedurfte eines gewissen Impulses […]. Ich solle gleich mit ihm reisen meinte der Baron […]. Von Reval reisten wir auf dem Dampfbote nach St. Petersburg […]. Ich wohnte beim Baron S c h i l l i n g , der von der ausgebreitetsten Bekanntschaft, mich sogleich in die bedeutendsten Verhältnisse lancirte, mit der haute volée bekannt machte, und mich den hohen und höchsten Notabilitäten, auf eine Weise empfahl die mir den wohlwollendsten und freundlichsten Empfang vorbereitete. Ich habe durch ihn sehr interessante und in Bezug auf mein weiteres Unternehmen sehr wichtige Bekanntschaften gemacht“ (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 41–43). Leider erkrankte Schilling kurze Zeit später schwer und starb am 25. Juli/6. August 1837, nur acht Tage nach Jacobis Abreise. Moritz Hermann Jacobi schrieb, dieser Tod sei wegen Schillings „Wohlwollenheit, seiner Localkenntniss, und seines practischen Tacts“ ein „unersetzlicher Verlust“ (ebenda, S. 44). In der Zeitschrift „Das Inland“ wurde ein kurzer Nekrolog veröffentlicht, in dem zu lesen war: „Seine Freunde verlieren sehr viel am Freiherrn Schilling von Canstadt, aber auch Rußland verliert an ihm einen treuen und eifrigen Patrioten. Es war ihm bis an sein Lebensende eine hohe Genugthuung, sich der hohen Gnade seines Monarchen bewußt zu sein.“10 Schilling wurde in St. Petersburg auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ begraben (Abb. 72).

10 Das Inland. Eine Wochenschrift für Liv-, Ehst- und Kurland. Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur [Dorpat] 2, 1837, Sp. 535–536, hier Sp. 536.

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Abb. 71. Gedenktafel an dem Hause in St. Petersburg (Marsovo pole 7), in dem der russische Erfinder des elektromagnetischen Telegraphen, Baron Paul Schilling von Canstadt, gewohnt hat und gestorben ist Photographie Oktober 2010.

Abb. 72. Grabdenkmal von Paul Schilling von Canstadt auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg Photographie Oktober 2010.

Moritz Hermann Jacobi trat in der Folgezeit als wirkungsvoller Erfinder hervor. Im Jahre 1838 erfand er die Galvanoplastik, 1838/39 ein Elektroboot (Hempel 1999, S. 175–176).11 Darüber hinaus begann er, Schillings Telegra11 Vgl. den Brief von M. H. Jacobi an C. G. J. Jacobi vom 4.10.1838 über die Erfindung der Galvanoplastik (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 263–266).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

phen weiterzuentwickeln. Im Jahre 1839 war es soweit, und M. H. Jacobi konnte seinen „Elektromagnetischen Telegrafenschreiberapparat mit Elektromagnet im Empfänger“ vorstellen (Hempel 1999, S. 177). In dem bereits erwähnten A. S. Popov-Zentralmuseum für Kommunikation in St. Petersburg befindet sich der Originalapparat von M. H. Jacobi, der dem später entwickelten Apparat von Samuel Morse durchaus ähnelt. 1841 begann M. H. Jacobi seine Versuche mit dem elektromagnetischen Telegraphen zuerst innerhalb der Stadt St. Petersburg (Amburger 1966, S. 275). Im Jahre 1842 veranlasste er den Bau der damals längsten elektromagnetischen Telegraphenleitung, derjenigen von St. Petersburg nach Zarskoje Selo, das heißt über eine Entfernung von 25 km. Diese Leitung wies auch eine Besonderheit auf, sie war nämlich unterirdisch verlegt, auch dies zum erstenmal in der Geschichte (Hempel 1999, S. 168). Den Längenrekord brach nur ein Jahr später die 1843 von Samuel Morse errichtete Telegraphenleitung von Washington nach Baltimore; diese war aber überirdisch ausgeführt. In Russland wurde im Jahre 1846 die nächste elektromagnetische Telegraphenlinie zwischen St. Petersburg und Moskau ausgebaut. Die erste Linie mit Luftleitung wurde 1854 zwischen St. Petersburg und Warschau verlegt (Amburger 1966, S. 275). Im Gegensatz zu Schilling, der praktisch nichts über seine physikalischtechnischen Entdeckungen in Fachzeitschriften publizierte, hat Moritz Hermann Jacobi viel veröffentlicht. Sein Schriftenverzeichnis umfasst 133 Nummern (Briefwechsel C. G. J. Jacobi–M. H. Jacobi 1907, S. 252–262).

14.3. Die Beziehungen zwischen Schilling und Gauß Gauß hatte Schilling bereits 1816 kennengelernt, und zwar in München. Schilling war dort an der russischen Gesandtschaft tätig. Damals wollte Gauß bei dem Münchner Instrumentenmacher Georg Friedrich Reichenbach astronomische Instrumente für seine neu einzurichtende Sternwarte in Göttingen einkaufen. Gauß verfasste später einen Bericht über seine Reise nach München und nach Benediktbeuern, die vom 18. April bis 5. Juni 1816 gewährt hatte,12 aber leider erwähnt er dort nicht seine Begegnung mit Schilling. Als Wilhelm Weber im April 1831 einen Ruf nach Göttingen auf den Lehrstuhl für Physik erhielt und im Herbst desselben Jahres nach Göttingen umzog, wechselte Gauß sein Arbeitsgebiet und widmete sich nunmehr zusammen mit Weber intensivst der Erforschung des Magnetismus. Eine der ersten Früchte dieser Zusammenarbeit war der elektromagnetische Telegraph. Dieser bestand aus einem Zeichengeber in Form einer Induktionsspule, die auf einem Stabmagneten angebracht war, sowie aus einem horizontal aufgehängten Magnetstab zum Zeichenempfang. Dieser Magnetstab wurde durch eine ihn umgebende Spule abgelenkt, wobei die Ablenkungen mit Hilfe eines Fern12 Gauß-Werke: 11,1, S. 305–312; vgl. Gresky 1971, S. 35–39.

14. Paul Schilling von Canstadt (1786–1837)

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rohrs, eines Spiegels und einer Skala beobachtet wurden. Es war ein besonders schwieriges Problem, die elektrischen Leitungsdrähte zu verlegen. Diese Aufgabe erledigte Weber, indem er aus blanken Kupfer- und Stahldrähten eine oberirdische Doppelleitung montierte. Der ca. 1,1 km lange Draht verlief vom Physikalischen Kabinett, das sich damals im Gebäude des Akademischen Museums befand, über den nordöstlichen Turm der Johanniskirche, dann über das Dach der Universitätsapotheke und weiter bis zur Sternwarte. Auf einer am Sternwartengebäude angebrachten Marmortafel heißt es: „Erster elektrischer Telegraph Gauß Weber Ostern 1833“ (Wiederkehr 1967, S. 85–90, 193; Wittmann 2006). Ein zeitgenössischer Nachbau der Originalapparatur kann noch heute in Göttingen in der Physikalischen Sammlung der Universität bewundert werden. Ein in der Lehrlingswerkstatt der Deutschen Post in Braunschweig um 1960 angefertigter und später modernisierter Nachbau ist im Braunschweigischen Landesmuseum zu besichtigen. So waren Gauß und Weber bestens motiviert, als sie im Sommer 1835 Besuch von Paul Schilling von Canstadt erhielten. Bereits wenige Tage danach, am 26. August 1835, berichtete Gauß seinem Freund Christian Ludwig Gerling über diesen so überaus wichtigen Besuch. Gauß erkannte die Vorteile der Anlage von Schilling an, vor allem dessen Erfindung des Systems der Zeichenkodierung: „Ich habe mich dieser Tage über den Gegenstand mit einem russischen Kavalier unterhalten, der selbst auch darüber experimentiert hat, obwohl, wie es scheint, nur im kleinen. Dieser ist von der Idee ausgegangen, immer mehrere Ketten zugleich zu benutzen, z. B. 6, wozu doch nur 7 Stränge nötig sind, und ich überzeuge mich allerdings, daß er dadurch so sehr in Vorteil gegen [die] einkettige Methode kommt“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 447–448). Gauß bedauert, dass die Mittel der Göttinger Sternwarte eine Anlage mit 7 Strängen zu bauen nicht erlauben würden, und fährt fort: „Auch die an sich sehr künstliche Art, wie jener Russe (Baron von Schilling, den ich 1816 als Gesandtschaftssekretär in München kennengelernt hatte) die magnetogalvanischen Bewegungen zu Zeichen macht, würde ich der meinigen vorziehen wegen des Vorteils, daß ganz ordinäre Personen die Manipulationen handhaben können, was bei meinem Verfahren nur unter Zuziehung künstlicherer Maschinerie tunlich wäre. Unter Anwendung von nur einer Kette würde die Schillingsche Art nicht so schnell fördern wie die meinige. Unangenehm bei jener ist freilich, daß nur hydrogalvanische (u[nd] starke) Ströme dabei gebraucht werden können, so daß alljährlich eine große Konsumption von Zink und Kupferplatten nötig wird, und tägliches Scheuern, was alles freilich bei Ausführung im großen Maßstab kein Objekt ist. Da übrigens bei derartigen Ausführungen die Wissenschaft eigentlich gar nicht interessiert ist, so scheint mir in der Ordnung, daß jene, obwohl bona officia zu leisten bereit, doch solche nicht aufdrängt, sondern wartet, bis solche gesucht werden“ (ebenda, S. 448). Darüber hinaus erkannte Gauß, dass mit dem mehrsträngigen Verfahren von Schilling eine größere Geschwindigkeit erreicht werden konn-

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te. Dieser Brief von Gauß ist die einzige Stelle, wo er erwähnt, dass er Schilling bereits 1816 kennengelernt habe. Schilling wird Gauß wahrscheinlich noch weitere Besuche abgestattet haben, denn am 20. November 1838 schrieb Gauß seinem Freund Olbers über eine „Maschine, welche durch Induktion vermittelst einer Rotationsbewegung und einer angemessenen Kommutation einen fortwährenden galvanischen Strom erregt“. Dazu bemerkte er: „Ausführen lässt sich ein solcher Apparat in verschiedenen Formen. Weber brauchte 25 pfündige Stäbe, auf jeder Seite etwa 2, also zusammen 100 ‡. Aehnliches hat Hr. Meierstein13 schon vor ein paar Jahren für den bekannten russischen Staatsrath Schilling v. Canstadt, welcher öfter hier gewesen und dabei u.a. Weber’s Apparat bewundert hatte, ausgeführt, der aber (im Sommer 1837 gestorben) den Empfang des Apparats nicht mehr erlebt hat“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1910: 2, S. 697, 698). Der einzig erhaltene Brief von Gauß an Schilling macht deutlich, dass Gauß mit großer Hochachtung von Schillings Erfindung sprach und dass er in hohem Maße an einem gegenseitigen Gedankenaustausch interessiert war. Schließlich bat Gauß Schilling um Hilfe bei der Beschaffung von Platin, das in Göttingen nur sehr schwer zu bekommen war. Der frühe Tod von Schilling machte jedoch alle Zukunftspläne zunichte.

14.4. Der Brief Gauß an Schilling von Canstadt, 11. September 1835 (Göttingen) Quelle: St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 85, op. 3, ʋ 47, l. 1–2. Publikation: Anonymus 1955 (Faksimile und russische Übersetzung). Teilpublikation: Hamel 1860a, Sp. 299–301 sowie Aschoff 1976, S. 19–20.

Hochwohlgeborner Herr Baron Hochzuverehrender Herr. Die Abreise unseres Freundes Weber nach Bonn14 veranlasst mich, Ihnen nochmals zu bezeugen, wie grosse Freude es mir gemacht hat, Ihre Bekanntschaft zu erneuern und mich mit Ihnen über so manche naturwissenschaftliche Gegenstände zu unterhalten. Nichts könnte mir angenehmer sein, als wenn Sie einmahl auf längere Zeit Ihren Aufenthalt in Göttingen nehmen wollten. Welche Vorzüge auch grosse Oerter in Rücksicht auf andere Genüsse haben mögen, so können Sie doch nirgends eine grössere Wärme für diejenigen Bestrebungen antreffen, die darauf gerichtet sind, der Natur ihre Geheimnisse abzulauschen.

13 Moritz Meyerstein (Meierstein) war seit 1834 Instrumentenhersteller in Göttingen. 14 Wilhelm Weber war ebenfalls bei der Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Bonn zugegen.

14. Paul Schilling von Canstadt (1786–1837)

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Mich soll wundern, wo man zuerst die elektromagnetische Telegraphie praktisch und in grossen Maassstabe ins Leben treten lassen wird. Früher oder später wird dies gewiss geschehen, sobald man nur erst eingesehen haben wird, daß sie sich ohne Vergleich wohlfeiler einrichten lässt, als optische Telegraphen. Die Telegraphie durch Benutzung der Induction bedarf nur einer einfachen Kette, und ich glaube dass man es damit dahin bringen kann 8 bis 10 Buchstaben in der Minute zu transmittiren. Nach einem Überschlage, welchen ich dieser Tage zu machen veranlasst bin, würde man, um Leipzig und Dresden ohne Zwischenstation auf diese Weise zu verbinden, Kupferdraht nur von 1,6 Millimeter Dicke anzuwenden brauchen, ja selbst noch schwächern, wenn man die elektromotorische Kraft von dem Multiplicator noch mehr verstärken will. Wo man die grössern Kosten für eine vielfache Kette (nach Ihrer Idee von 7 Strängen) aufwenden mag, wird Ihr Verfahren theils eine noch etwas grössere Schnelligkeit, theils eine grössere Unabhängigkeit von besonderer Intelligenz an den Employés erreichen können. Doch glaube ich dass man letztere in einem ziemlich hohen Grade auch bei dem Gebrauch des Inductionsverfahrens durch Anwendung einer Maschine erreichen könnte, für welche ich mir in der letzten Zeit die Hauptmomente bereits ausgedacht habe. Bei mir bleibt dies freilich bloss eine Idee, da ich mich auf kostspielige Versuche die keinen unmittelbar wissenschaftlichen Zweck haben, nicht einlassen kann. Näher liegen mir die Versuche über das Leitungsvermögen der verschiedenen Metalle, welches durch die hiesigen Apparate mit so vieler Schärfe sich bestimmen lässt. Silber, Kupfer und Stahldraht habe ich bereits untersucht, auch Quecksilber. Ein Versuch auf Platinadraht mislang, da sich der durch das sich ergebende grosse Leitungsvermögen entstandene Verdacht, der angebliche Platinadraht sei keiner, bei angestellter anderweitiger chemischer Prüfung bestätigte. Da es bei uns sehr schwierig ist sich Platinadraht selbst nur in mässigen Quantitäten zu verschaffen, so möchte ich wohl an Sie die Bitte stellen, mir wenn es ohne zu grosse Belästigung geschehen kann, nach Ihrer Rückkehr nach Petersburg eine Quantität von dorther zu verschaffen, um die interessante Frage über das Leitungsvermögen des Platins ganz ins Klare zu setzen. Die Versuche fallen freilich um so sicherer aus, je grössere Quantitäten man anwenden kann, und bei einer Dicke von c[ir]ca 13 Linie, würden wenigstens mehrere Pfund nöthig sein. Das Verhältniss des Leitungsvermögens von Kupfer und Stahldraht fand ich wie 5 1 2 zu 1; vermuthlich ist der Eisendraht wenig vom Stahldraht in dieser Beziehung verschieden; Die Benutzung von Kupfer, und Eisendraht zu telegraphischen Verbindungen würde also, da man von letzterm 5 12 mal so viel nöthig hat, in Rücksicht der Kosten wenig Unterschied machen; ohne besondern Schutz würde aber Stahldraht einer Beschädigung (Zerschneidung) viel mehr ausgesetzt sein. Mit der Bitte um Erhaltung Ihres freundschaftlichen Andenkens empfehle ich mich angelegentlich und gehorsamst C. F. Gauß Göttingen den 11 September 1835

Abb. 73. Friedrich Theodor Schubert „Bildarchiv Georg von Krusenstjern“ im Bestand des Bildarchivs Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität zu Marburg.

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825) Ɏëɞɨɪ ɂɜɚɧɨɜɢɱ ɒɭɛɟɪɬ / Fëdor Ivanovič Šubert

15.1. Friedrich Theodor Schuberts Lebenslauf im Überblick * 30.10.1758 1773 1776–1779 1779 1780–1783

1783–1785 1785 18./29.9.1786 um 1787 18./29.7.1789 1799 1803

11.2.1804 1805–1806 1813 1824 † 9./21.10.1825

Friedrich Theodor Schubert in Helmstedt geboren Studium der Theologie an der Universität Greifswald Studium der Theologie an der Universität Göttingen Reise nach Schweden Hauslehrerstelle bei Ernst Philipp von Cronhelm in Bartelshagen bei Stralsund Hauslehrer und Landvermesser in Reval Ruf an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Adjunkt für Geographie an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Heirat mit Luise Friederike von Cronhelm; aus der Ehe gehen ein Sohn und vier Töchter hervor Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Mathematik Inspektor der Bibliothek und des Münzkabinetts der Akademie Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Astronomie; Übernahme der Leitung der akademischen Sternwarte Beobachtung einer Sonnenfinsternis in St. Petersburg zusammen mit dem Adjunkten Vincent Wishniewsky Teilnahme an einer russischen Expedition bzw. Gesandtschaft nach China Mitglied des Admiralitätskollegiums in St. Petersburg Vorschlag, Gauß zum Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zu ernennen gestorben in der Nacht vom 9./21. auf den 10./22. Oktober in St. Petersburg

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15.2. Miszellen zu Leben und Werk Friedrich Theodor Schubert und Gauß waren Landsleute. Beide stammten aus dem Herzogtum Braunschweig. Beide hatten an der Universität Göttingen studiert, wenn auch aufgrund des Altersunterschieds – Schubert war fast 19 Jahre älter als Gauß – in entsprechendem zeitlichen Abstand. Schubert ließ sich am 24. April 1776 an der Universität Göttingen für das Studium der Theologie immatrikulieren (Matr. Nr. 10433) und studierte dort bis 1779 (Selle 1937). Fast ein Jahr früher, am 12. Mai 1775, hatte sich in Göttingen der Vater von Wilhelm Struve, Jacob Struve, für das Studium der Theologie immatrikuliert (Matr. Nr. 10179). Er studierte dort bis 1780. In Anschluss an eine Reise nach Schweden konnte Schubert 1780 eine Hauslehrerstelle in Bartelshagen bei Stralsund übernehmen, und zwar bei dem Amateurastronomen Ernst Philipp von Cronhelm. Dieser verstand es, Schuberts mathematische und astronomische Interessen zu wecken. 1783 kam Schubert nach Russland; in diesem Jahr starb Leonhard Euler in St. Petersburg. Schubert wirkte zunächst in Reval als Hauslehrer und Landvermesser und betrieb nebenher autodidaktisch mathematische und astronomische Studien. Von 1785 bis zu seinem Tode wirkte Schubert in St. Petersburg, wo seine Karriere aufs Engste mit der Akademie der Wissenschaften verbunden war. Zunächst war Schubert mit der Restaurierung des berühmten „Gottorfer Globusses“ beschäftigt.1 1786 wurde er Adjunkt für Geographie an der Akademie der Wissenschaften. Er erstellte eine Generalkarte des europäischen und des asiatischen Teils von Russland, die von 1786 bis 1798 erschien. Am 18./29. Juli 1789 wurde Schubert zum Ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Mathematik gewählt. Neben der Mathematik widmete er sich auch der Astronomie. Nachdem Gauß im Jahre 1803 den Ruf als Astronom an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg abgelehnt hatte, übernahm dort Schubert als Ordentliches Akademiemitglied die Stelle für Astronomie. Er war auch als Leiter der akademischen Sternwarte tätig, die vorher, von 1763 bis 1803, unter der Leitung von Stepan Jakovlevič Rumovskij gestanden hatte. Rumovskij war von 1754 bis 1756 in Berlin Schüler von Leonhard Euler gewesen. Schubert sorgte insbesondere für die Anschaffung neuer Instrumente. Am 11. Februar 1804 beobachtete er an der Akademiesternwarte zusammen mit seinem neuen Assistenten Vincent

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Der Gottorfer (Gottorper) Riesenglobus mit einem Durchmesser von 3,1 m wurde zwischen 1650 und 1664 im Auftrag Herzog Friedrichs III. von Gottorf hergestellt. Als Geschenk für den Zar Peter I. kam er 1717 nach St. Petersburg und wurde dort in der Kunstkammer ausgestellt. Bei dem großen Brand im Jahre 1747 wurde der Globus schwer beschädigt. Gegenwärtig sind das Original in St. Petersburg und ein Nachbau im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum in Schloss Gottorf bei Schleswig zu besichtigen.

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)

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Wishniewsky2 eine Sonnenfinsternis. Dabei war die Gemahlin des Kaisers Alexander I., die Kaiserin Elizaveta Alekseevna, anwesend (Schubert, F. T. 1806a, S. 493). In den Jahren 1805 bis 1806 nahm Friedrich Theodor Schubert zusammen mit seinem sechzehnjährigen Sohn Friedrich Theodor d. J. an einer wissenschaftlichen Expedition nach China teil, die einer großen Gesandtschaft angeschlossen war. Bei dieser Gesandtschaft reiste auch Heinrich Julius Klaproth als Sprachforscher mit. Die ca. 500 Mann starke Gesandtschaft gelangte allerdings nur bis an die chinesische Grenze, etwa bei Kjachta: Streitigkeiten mit den Chinesen erzwangen die Umkehr (ADB: 32, S. 629–630). Friedrich Theodor Schubert gelang es unterwegs, zusammen mit seinem Sohn an zehn Orten teils astronomische Ortsbestimmungen durchzuführen, teils magnetische Beobachtungen anzustellen, die er bereits 1806 im Berliner „Astronomischen Jahrbuch“ veröffentlichte. Dort sind zehn Orte genannt, für die geographische Breite und Länge sowie die Deklination der Magnetnadel bestimmt worden waren, und zwar Nishnij Nowgorod, Kasan, Perm, Jekaterinburg, Tobolsk, Tara, Tomsk, Kranojarsk, Nishneudinsk und Irkutsk. Im Falle von Irkutsk wurde auch noch die Inklination ermittelt, sie betrug 67° (Schubert, F. T. 1806b; vgl. ADB: 54, S. 231–232). Diese magnetischen Beobachtungen von Schubert waren von großer Bedeutung. In fortgeschrittenem Alter erfuhr Schubert mannigfaltige Ehren und Auszeichnungen, wie sie damals in Russland üblich waren. Sein Wappen ziert ein lateinisches Motto: „Quo fas et gloria ducunt“ (Wohin Recht und Ruhm führen). Schubert starb in der Nacht vom 9./21. auf den 10./22. Oktober 1825 in St. Petersburg. Sein prunkvolles Grabdenkmal befindet sich dort auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ auf der Wassiljewskij Insel (Abb. 74). Schuberts Schriftenverzeichnis umfasst mehr als 84 Nummern (NDB: 23, S. 604–605; Šibanov 1972, S. 249–253; vgl. Dick 2006, S. 217–218). Der Gelehrte veröffentlichte zunächst in lateinischer Sprache, später auch in französischer und vor allem in russischer Sprache. Seine Lehrbücher schrieb er auf französisch und auf deutsch. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich seine beiden jeweils drei Bände umfassenden astronomischen Lehrbücher „Theoretische Astronomie“ (Schubert, F. T. 1798) und „Populäre Astronomie“ (Schubert, F. T. 1804–1810), die auch beide in der Gauß-Bibliothek vorhanden sind (GB 654 und GB 1001). Daneben gab Schubert als Akademiemitglied zahlreiche Kalender heraus, was damals ein Privileg der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften war: den „St. Petersburger Kalender“ auf deutsch und auf französisch (1788 bis 1825) sowie den „St. Petersburger Taschenkalender“ (1808 bis 1818). Von 1810 bis 1825 redigierte er die deutschsprachige Ausgabe der „St. Petersburger 2

Wishniewsky war im Jahre 1804 Adjunkt an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg geworden.

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Zeitung“, deren Herausgabe sich damals gleichfalls in den Händen der Akademie befand (ADB: 32, S. 630). Noch zu Schuberts Lebzeiten begann der Verleger Johann Friedrich Cotta, Schuberts „Vermischte Schriften“ herauszugeben, die seit 1823 im Cotta-Verlag in Stuttgart und Tübingen erschienen (Schubert, F. T. 1823–1840).

Abb. 74. Grabdenkmal von Friedrich Theodor Schubert auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg sowie Schuberts Wappen „QUO FAS ET GLORIA DUCUNT“ auf der Rückseite des Grabdenkmals Die Grabinschrift lautet: „Hier zwischen seiner Gattin und seiner Tochter ruhen die irdischen Überreste des weyland Russ. Kais. Wirkl. Staatsraths und Akademikers Friedrich Theodor von 9 Schubert geb. zu Helmstaedt d. 19 30 October 1758 gest. zu St. Petersburg d. 21 October 1825 in einem Alter von 66 Jahren 11 Mon. 21 Tagen“. Photographie Oktober 2010.

Schuberts Sohn Friedrich Theodor, der im Februar 1789 in St. Petersburg geboren war, trat in seines Vaters Fußtapfen und wurde Geodät und Militärgeograph. Er war Gauß bekannt, wenn auch kein Briefwechsel zwischen beiden vorhanden ist. Friedrich Theodor Schubert d. J. trat in den Militärdienst ein. Er leitete das Militärtopographische Dépôt, dessen Denkschriften er herausgab. Im Jahre 1827 wurde er zum Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Als im September 1840 Heinrich Christian Schumacher in St. Petersburg und in Pulkowo weilte, um sich ein Bild von der neueröffneten Sternwarte zu machen, übergab Schubert d. J. diesem die fünf Bände der Denkschriften des Militärtopographischen Dépôts,3 um sie Gauß zukommen zu lassen. In der Tat befinden sich diese Bände in der GaußBibliothek (Schubert, F. T. d. J. 1837–1840; GB 1054), sind jedoch nicht aufgeschnitten (Lehfeldt 2011, S. 304–305, Nr. 5). Ferner sorgte Paul Heinrich Fuß dafür, dass Gauß im Jahre 1844 die drei Bände von Schuberts d. J. Werk über die trigonometrische Landesaufnahme der Gouvernements St. Petersburg, 3

Vollständiger Originaltitel: „Ɂɚɩɢɫɤɢ ȼɨɟɧɧɨ-Ɍɨɩɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤaɝɨ Ⱦɟɩɨ, ɩɨ ȼɵɫɨɱɚɣɲɟɦɭ ȿɝɨ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɚɝɨ ȼɟɥɢɱɟɫɬɜɚ ɩɨɜɟɥ࣎ɧiɸ ɢɡɞɚɧɧɵɹ ɞɢɪɟɤɬɨɪɨɦɴ ɨɧɚɝɨ ɞɟɩɨ Ƚɟɧɟɪɚɥɴ-Ʌɟɣɬɟɧɚɧɬɨɦɴ ɒɭɛɟɪɬɨɦɴ“.

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Pleskau, Witebsk und eines Teils des Gouvernements Nowgorod, „Trigonometričeskaja s’’ëmka“,4 zugestellt bekam (Schubert, F. T. d. J. 1842; GB 1003). Gauß’ Briefwechsel mit Schumacher macht deutlich, welch großes Interesse Gauß diesen Bänden zunächst zuwandte (Lehfeldt 2011, S. 323–324, Nr. 30). Aber auch diese Bände sind unaufgeschnitten geblieben. Friedrich Theodor Schubert d. J. starb 1865 in Stuttgart. Er hinterließ gehaltvolle Erinnerungen an sein Leben und seinen Dienst in Russland, die später unter dem Titel „Unter dem Doppeladler“ veröffentlicht wurden (Schubert, F. T. d. J. 1962). Zu erwähnen ist auch, dass die erste russische Mathematikerin und erste Frau überhaupt, der im 19. Jahrhundert eine Professorenstelle zuerkannt wurde, Sof’ja Kovalevskaja, aus der Familie Schubert stammte. Bei der Zulassung zur Promotion an der Universität Göttingen im Jahre 1874 soll ihre Verwandtschaft mit den Schuberts eine Rolle gespielt haben.5 So schrieb am 3. Juli 1874 der Berliner Mathematiker Karl Weierstraß, der sich bei dem Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen und bei den Göttinger Kollegen für seine Schülerin einsetzte: „ihr Urgroßvater mütterlicher Seite war der bekannte Petersburger Astronom und Mathematiker S c h u b e r t , ihr Großvater der General und Geodät gleichen Namens (das mathematische Talent ist in der Familie erblich)“ (Schlesinger 1909, S. 95).

15.3. Die Beziehungen zwischen Schubert und Gauß 15.3.1. Der Briefwechsel Es sind insgesamt fünf Briefe bekannt, drei von Schubert an Gauß, die sich in Göttingen befinden, und zwei Briefe von Gauß an Schubert, die in der Russländischen Nationalbibliothek in St. Petersburg aufbewahrt werden.6 Vier dieser Briefe stammen aus den Jahren 1802 und 1803 und einer aus dem Jahre 1822. In der dazwischenliegenden Zeit wurden keine Briefe gewechselt. Schon der Zeitraum 1802 bis 1803 legt es nahe, zu vermuten, welche Themen in den Briefen angeschnitten wurden. Es ging um die neuentdeckten kleinen Planeten Ceres und Pallas sowie um eine mögliche Berufung von 4

Vollständiger Originaltitel: „Ɍpɢɝoɧoɦeɬpɢɱecɤaɹ cɴɺɦɤa ɝɭɛɟɪɧiɣ: ɋ. ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɨɣ, ɉɫɤɨɜɫɤɨɣ, ȼɢɬɟɛɫɤɨɣ ɢ ɱɚɫɬɢ ɇɨɜɝɨɪɨɞɫɤɨɣ. ɉɨ ȼɵɫɨɱɚɣɲɟɦɭ ɩɨɜɟɥ࣎ɧɢɸ ɩɪɨɢɡɜɟɞɟɧɧɚɹ Ƚɟɧɟɪɚɥɴ Ʌɟɣɬɟɧɚɧɬɨɦɴ ɒɭɛɟɪɬɨɦɴ. ɋɴ 1820 ɩɨ 1832 ɝɨɞɴ“.

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Dies war die erste Promotion einer Frau in Deutschland im 19. Jahrhundert in einem regulären Verfahren. Promoviert wurde Kovalevskaja in absentia. Diese zwei Briefe von Gauß an Schubert wurden schon einmal sowohl in der deutschen Originalsprache als auch in russischer Übersetzung veröffentlicht (Idel’son/ Ljublinskaja/Rubin 1948). In der Russländischen Nationalbibliothek befindet sich ein undatierter Zettel, der von Gauß beidseitig beschriftet worden ist. Dieser Zettel wird hier im Anschluß an den Brief Nr. 2 wiedergegeben.

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Gauß nach St. Petersburg. Was die neuentdeckten Planeten anbelangt, so tauschten beide Wissenschaftler ihre neuesten Beobachtungsergebnisse aus (Briefe Nr. 1, 2). An der Berufung von Gauß an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg war Schubert aktiv beteiligt. St. Petersburg war doch die Stadt Leonhard Eulers, für die Gauß schon aus diesem Grunde „eine besondere Vorliebe“ haben musste und, wie sein Brief vom 20. Januar 1803 zeigt, auch hatte (vgl. Reich 2005). Schubert schilderte Gauß die Situation so ehrlich wie möglich und machte keinen Hehl daraus, wie gerne er Gauß in St. Petersburg sehen würde. Gauß aber musste absagen, weil er sich gegenüber seinem Braunschweiger Landesherrn und Gönner Herzog Carl Wilhelm Ferdinand in höchstem Maße verpflichtet fühlte (Briefe Nr. 3, 4).

Abb. 75. Brief von Gauß an Friedrich Theodor Schubert vom 20. Januar 1803 (Braunschweig) Am Anfang des zweiten Absatzes ist zu lesen: „Von jeher hatte ich eine besondere Vorliebe für Petersburg, für den Ort, den Eulers Manen heiligen [...]“. Russländische Nationalbibliothek, St. Petersburg, f. 965, op. 1, ʋ 1013, l. 1r, 2v.

Anlass für Schuberts letzten Brief aus dem Jahre 1822 war der Wunsch, Gauß eine überarbeitete, im selben Jahr in französischer Sprache veröffentlichte Ver-

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)

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sion seiner „Theoretischen Astronomie“ – „Traité d’Astronomie théorique“ – zukommen zu lassen. Das Werk befindet sich tatsächlich in der Gauß-Bibliothek (Schubert, F. T. 1822; GB 1002). Zu diesem Zeitpunkt war Schubert bereits krank und fühlte sich alt. Es ist anzunehmen, dass Gauß auf diesen Brief geantwortet hat; erhalten hat sich ein solches Schreiben aber nicht. In dem zuletzt genannten, im Jahre 1822 erschienenen Werk „Traité d’Astronomie théorique“ behandelte Schubert unter anderem die Erdabplattung, für die er eine neue theoretische Grundlage gelegt hatte. Schuberts Theorie wurde von Gauß und Schumacher in zwei Briefen vom 25. Januar und vom 2. Februar 1825 diskutiert (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 1, S. 433, 435). Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Schubert im Jahre 1824 den Anstoß dazu gab, dass Gauß zum Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt wurde. Aus seiner Feder stammte der entsprechende Antrag, den dann auch Nikolaus Fuß und Vincent Wishniewsky unterschrieben (siehe Abb. 20). Der Anlass für diesen Wahlvorschlag könnte gewesen sein, dass Gauß der Akademie bzw. Schubert ein Exemplar seines Heliotropen hatte zukommen lassen. In seinem letzten erhaltenen Brief vom 8./20. August 1822 hatte Schubert ihn darum gebeten. Ob Gauß tatsächlich ein Instrument nach St. Petersburg geschickt hat, ist nicht bekannt. Eine ausführliche Beschreibung samt Skizze seines Heliotropen hat Gauß in einem Brief vom 21. Dezember 1821 Wilhelm Struve zukommen lassen (Briefwechsel Gauß– Struve, Brief Nr. 11), der sich mit der Breitengradmessung in den russischen Ostseeprovinzen Russlands beschäftigte und im genannten Jahr an der Basismessung in Braak (östlich von Hamburg) teilnahm. Beim Heliotropen handelt es sich um ein von Gauß um 1821 entwickeltes Messinstrument, das Sonnenlicht mit Hilfe von Spiegeln in eine bestimmte Richtung lenken kann. Bei großen Entfernungen kann man auf diese Weise eine hohe Messgenauigkeit erreichen. Am 7. Juli 1844 ließ Gauß seinen Freund Schumacher wissen, dass er mit Friedrich Theodor Schubert viel korrespondiert habe und dass dieser von sehr liebenswürdigem Charakter gewesen sei. Bei Schumacher erkundigte sich Gauß nach dem Charakter des Sohnes von Schubert, Friedrich Theodor. Der letztere habe Gauß drei starke Bände über die trigonometrische Landesaufnahme mehrerer russischer Gouvernements gesandt (Schubert, F. T. d. J. 1842; GB 1003), und Gauß „würde vielleicht nicht abgeneigt sein, ihm einige Bemerkungen darüber zu schreiben“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1862: 4, S. 266). Schumacher teilte Gauß mit, er habe Friedrich Theodor Schubert d. J. „zuerst bei dem Durchmarsche der Russischen Armée in Man[n]heim kennen lernen [sic], nachher 1833 bei der Russischen Expedition, etwa 14 Tage mit ihm hier und in Lübeck verlebt, zuletzt ihn auch während 14 Tagen im Jahre 1840 täglich in Petersburg gesehen.“ Dann aber fährt er fort: „Ich kann aus meinen Erfahrungen in diesen verschiedenen Zeitpuncten nur ein günstiges Bild von ihm geben. Offen, heiter, dienstfertig, hat er gegen mich n i e An-

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maassungen gezeigt. [...] Das allgemeine Urtheil in Petersburg über ihn, war aber ganz anders. Ich fand ihn dort bei Allen verhasst. Er sollte rauh, stolz, grob, ein unerträglicher Vorgesetzter und ein unangenehmer College seyn, der sich nur dadurch erhielt, dass der Kaiser [Nikolaj I.] ihn leiden mochte. [...] Uebrigens war der Vater, von dem Ihr Urtheil vollkommen durch meine Erfahrung bestätigt wird, (ich habe etwa 10 Briefe von ihm) in Petersburg noch verrufener als der Sohn. Er soll der gröbste, anmaassendste Mann gewesen sein. Wir haben ihn nicht so gefunden“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1862: 4, S. 267–268). Schumacher meinte, dass die harten Urteile in St. Petersburg nur eine Folge von Neid sein könnten. Obwohl Schumacher Gauß versicherte, dass Friedrich Theodor Schubert d. J. „jede Belehrung“ von ihm dankbar aufnehmen würde, ist nicht bekannt, ob Gauß seine Bereitschaft, Schubert d. J. Bemerkungen über dessen Werk zukommen zu lassen, verwirklicht hat. Die Bände sind unaufgeschnitten geblieben (Lehfeldt 2011, S. 323).

15.3.2. Gauß’ Antrittsvorlesung an der Universität Göttingen Am 9. Juli 1807 wurde Gauß zum Professor für Astronomie an der Universität Göttingen sowie zum Direktor der Sternwarte ernannt und traf am 21. November 1807 an seinem neuen Wirkungsort ein. In seine Antrittsvorlesung ließ Gauß ein längeres Zitat aus einem Werke Friedrich Theodor Schuberts, das er besaß (Abb. 76), einfließen. Schubert hatte nämlich in seinem 1804 in St. Petersburg erschienenen ersten Band der „Populären Astronomie“ ausgeführt: „Die Himmels=Sphäre, mit den unzähligen Bewegungen, die in ihrem Innern verrichtet werden und sich uns nur an ihrer Oberfläche zeigen, ist die grosse Uhr des Universums, eine Maschine aus unzähligen Rädern zusammen gesetzt, die in der That die einzige vollkommen gleichförmige Bewegung darbietet, wodurch wir die Zeit genau messen können: sie ist der grosse Regulator, nach dem alle von Menschen Händen verfertigten Uhren geprüft und berichtigt werden müssen. Die Oberfläche der Sphäre ist das Zifferblatt, die scheinbaren oder sphärischen Bewegungen sind die Zeiger, die durch ihren Umlauf Secunden, Minuten, Stunden, und Jahrtausende anzeigen: die wahren Bewegungen, die im Inneren dieser Maschine vorgehen, sind das Räderwerk, dessen einfachste und zweckmässigste Anordnung zur Erkenntniß des wahren Welt=Systems führt: die physische Kraft endlich, die alle diese Räder treibt, und dadurch die Zeiger in Bewegung setzt, ist die Schwere, der Pendel, oder die Federkraft der Uhr. Die sphärische Astronomie betrachtet bloss das Zifferblatt und den Gang der Zeiger, und lehrt, wie die wahre Zeit dadurch angegeben wird: die theorische nim[m]t die Uhr aus einander, um die Zusammensetzung ihres Räderwerks zu untersuchen: die physische Astronomie findet endlich die erste, alles in Bewegung setzende Kraft der Schwere. Diese Vergleichung scheint am deutlichsten zu zeigen, nach welcher Ordnung der Mechanismus des Weltbaus studiert werden müsse. Wer den Bau einer Uhr untersuchen will, fängt mit dem Zifferblatt und der Bewegung der Zeiger an,

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)

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betrachtet dann die Räder, die den Zeigern am nächsten sind, oder mit ihnen in unmittelbarer Verbindung stehen, und geht nach und nach zu den entfernteren Rädern fort, bis er endlich durch diese analytische Methode zu dem letzten Rade kömmt, das unmittelbar vom Pendel in Bewegung gesetzt wird“ (Schubert, F. T. 1804–1810: 1, S. 152–153). An diese metaphorischen Ausführungen von Schubert knüpfte Gauß in seiner Antrittsvorlesung am 7. November 1808 folgende Betrachtung an:7 „Ich beschliesse diese Auseinandersetzung über die 3 Haupttheile der Astr[onomie] mit einem nicht übel gewählten Gleichnisse von Schubert (Pop[uläre] Ast[ronomie, Theil I], p. 152). Dies Gleichniss ist allerdings ganz glücklich gewählt, indess freilich darf man bei der Ähnlichkeit zwischen der grossen H[immels-]Uhr und unsern Werkzeugen nicht zu sehr ins Einzelne gehn, sonst zeigt sich auch hier das Omne simile claudicat.8 Wir können, wenn ich in Schuberts Metapher mich ausdrücken darf, die grosse Welten-Uhr und ihre einzelnen Räder n i c h t aus einandernehmen, wie unsere TaschenUhren, sondern wenn das Zifferblatt einmal die scheinbare Bewegung vorstellen soll, so ist dieses das einzige, was wir besehen dürfen, und woraus allein wir durch scharfsinnige Combinationen auf die Beschaffenheit der Räder s c h l i e s s e n können. Soll ich nun das Gleichniss weiter fortsetzen, so ist nachdem, was ich vorhin erklärt habe, die sphärische Astronomie nicht sowohl die Kenntniss des ganzen Zifferblattes, als vielmehr die Kenntniss von e i n e m der Zeiger, der am schnellsten und regelmässigsten umläuft und am ersten in die Sinne fällt; die Betrachtung der kleinern und verstecktern Zeiger, deren Bewegung weit künstlicher ist, gehört in die Theorische Astronomie, wo sie gleichsam den Schlüssel zur Enträthselung des Innern geben muss“ (GaußWerke: 12, S. 177–199, hier S. 189–190).

7

8

Als Vorlage gilt das von Gauß eigenhändig verfasste Manuskript. Gemäß den Vorlesungsankündigungen in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ sollte Gauß zum ersten Mal im Sommersemester 1808 eine Vorlesung halten, und zwar über die Astronomie (Gauß-Werke: 12, S. 199; Folkerts 2002, S. 88). Im Sommersemester hatte sich nur ein einziger Hörer gemeldet, während sich für das Wintersemester die Mindestzahl von 3 Hörern eingeschrieben hatte (Biermann 1990, S. 79). Lat. omne simile claudicat = jedes Gleichnis hinkt.

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Abb. 76. Titelblatt der „Populären Astronomie“ von Friedrich Theodor Schubert Erster Teil. St. Petersburg 1804. Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 645.

15.3.3. Schuberts Auseinandersetzung mit Lars Regner in einer Besprechung von Gauß Der schwedische Astronom Lars Regner war von der Unrichtigkeit des damaligen Wertes der Sonnenparallaxe überzeugt. Im Jahre 1807 legte er der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg eine entsprechende Abhandlung vor, die von dem damaligen Ständigen Sekretär Nikolaus Fuß an Friedrich

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)

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Theodor Schubert zur Begutachtung weitergegeben wurde. Schubert lehnte Regners Beitrag ab und führte im Detail aus, welch irrigen und falschen Voraussetzungen in Regners Arbeit Eingang gefunden hätten. Regner war mit diesem Ergebnis nicht zufrieden und versuchte es nun abermals mit einer verbesserten Fassung seines „Supplementum ad historiam de Parallaxeos Solaris inventione“,9 in der er Schuberts Einwände zu widerlegen unternahm. Sein Manuskript reichte Regner jetzt bei der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen ein und bat Gauß um ein Gutachten, das schließlich am 29. Januar 1810 in den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ (Stück 17, S. 161–166) veröffentlicht wurde. Gauß referiert hier zunächst den Inhalt der Regnerschen Arbeit, schildert Schuberts Einwände und bekräftigt deren Richtigkeit. Um nicht scharfe Ausdrücke gebrauchen zu müssen, überlässt es Gauß seinen Lesern, daraus selbst die entsprechenden Schlüsse über die Qualität von Regners Arbeit zu ziehen: „Weder der Raum, noch die Bestimmung dieser Blätter erlauben uns, Etwas weiter, als diese Darlegung zu geben, und unsern Lesern in den Folgerungen, die sie leicht selbst daraus ziehen werden, vorzugreifen“ (Gauß 1810b, S. 166; Gauß-Werke: 6, S. 523–525, hier S. 525).

15.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2 3 4 5

Datum 30.4./12.5.1802 17.7.1802 14./26.11.1802 20.1.1803 8./20.8.1822

Ort

Verfasser / Empfänger

St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg

Schubert an Gauß Gauß an Schubert Schubert an Gauß Gauß an Schubert Schubert an Gauß

Brief 1. Schubert an Gauß, 30. April /12. Mai 1802 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Schubert 1 (4 S. + 2 S. Anlage).

St. Petersburg, d[en] 30 April 1802. Hochzuehrender, Hochgelehrter Herr Doctor, Ich ergreife mit Vergnügen eine Gelegenheit, dem Manne meine aufrichtigste Hochachtung zu bezeigen, dem die Sternkunde die Wiederauffindung des neuen 9

Das Manuskript ist im Archiv der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen vorhanden (Scient. 38,3, Bl. 42).

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Planeten verdankt, u[nd] ich bitte Sie, beyfolgenden Beytrag zur Theorie dieses Planeten als einen Beweis meiner Hochachtung anzunehmen. Die Elemente desselben sind durch Ihre Bemühungen glücklicherweise schon zu solcher Genauigkeit gebracht, daß man vermittelst derselben die Störungen dieses Planeten, den ich einstweilen Juno10 nennen will, ohne merklichen Fehler bestimmen kann. Ich habe daher die Störungen der Juno durch Jupiter mit möglichster Genauigkeit zweymal berechnet, u[nd] eile, Ihnen die daraus erwachsenden sehr beträchtlichen Gleichungen mitzutheilen, damit Sie, zur näheren Berichtigung der Elemente den Gebrauch davon machen, den niemand besser als Sie zu machen im Stande ist. Die von mir bey der Rechnung gebrauchten Elemente sind für Juno Ihre VIIten Elemente (Zachs monatl[iche] Correspond[enz] Martz 1802)11 und für Jupiter, die aus La Place Exposition du Systême du Monde.12 Die Entdeckung dieses Planeten ist unstreitig, in mehr als einer Rücksicht, eine der wichtigsten, die je in der Astronomie gemacht sind, besonders aber wegen der großen Störungen, die er wegen seiner nahen Nachbarschaft beym größten Planeten unsers SonnenSystems leidet. Ich vermuthe, daß es außer den von mir berechneten Gleichungen noch eine sehr beträchtliche gibt, die von der dritten Potenz der Eccentric[ität] und vom Argument (2. Länge Jun[o] – 5. Länge j) abhängt, gerade wie beym j u[nd] S; ich vermuthe ferner, daß die Störungen, die Juno vom S leidet, nicht unbeträchtlich sind. Ich habe aber noch nicht Zeit gehabt, dieselben zu berechnen; auch glaube ich, daß man besser thun wird, damit zu warten, bis Sie die Elemente durch jene ersten Störungen berichtiget haben. Auch die von den zweyten Potenzen der Eccentr[icität] abhängenden Störungen der Juno können nicht geringe seyn; und überhaupt wird dieser Planet die Astronomen mehr beschäftigen, als . Wahrscheinlich werden Sie, beym Empfange dieses Briefes, schon selbst die Störungen der Juno berechnet haben: alsdann kann meine hiebey folgende Rechnung zur Prüfung dienen, u[nd] ich würde mit großem Vergnügen hören, daß unsre Rechnungen übereinstimmen. Sowol ich als unser würdiger Sekretair, Herr Fuß,13 wünschen u[nd] hoffen, daß die Stelle eines Astronomen bey unsrer Akademie durch Sie besezt werden möchte; u[nd] wir werden gewis beyde, was in unsern Kräften steht, anwenden, um diesen Wunsch in Erfüllung zu bringen. Mir persönl[ich] würde es doppelt angenehm seyn, da ich die Ehre habe, Ihr Landsmann zu seyn, indem Helmstädt mein Geburts Ort ist. Ich sehe mit Vergnügen einer Antwort von Ihnen entgegen, die 10 Der hier erwähnte, von Olbers am 23.3.1802 entdeckte kleine Planet erhielt offiziell den Namen Pallas. Die von Schubert vorgeschlagene Bezeichnung „Juno“ ist insofern problematisch, als bereits der am 2.9.1804 von Harding entdeckte kleine Planet als „Juno“ bezeichnet wurde. 11 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten unseres Sonnensystems, Ceres Ferdinandea. Monatliche Correspondenz 5, 1802, S. 263–282 (Maerz). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 267–273, dieser gekürzt in: GaußWerke: 6, S. 205–209. 12 Laplace 1796. 13 Nikolaus Fuß.

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ich an H[errn] Fuß zu adressiren bitte. In dieser Hofnung füge ich unten meine Adresse bey, u[nd] schließe mit der Versicherung von der vollkom[m]enen Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu seyn Ihr gehorsamster Diener F. T. Schubert Mitglied u[nd] Bibliothekar der Kayserl[ichen] Akademie der Wissenschaften, Russischer Kayserl[icher] Collegien-Rath u[nd] Ritter vom Annen-Orden 2ter Klasse.

[Anlage; ein Blatt beidseitig beschrieben]

Brief 2. Gauß an Schubert, 17. Juli 1802 (Braunschweig) Quelle: Russländische Nationalbibliothek, St. Petersburg, f. 965, op. 1, ʋ 1013, l. 3–4. Publikation: Idel’son/Ljublinskaja/Rubin 1948, S. 784–786, 807–809, Nr. 7 (deutsches Original und russische Übersetzung).

Braunschweig den 17ten Jul[i 1802] Ihr werthes am 4ten Jun[i] eingegangenes Schreiben vom 30 April, mein verehrungswürdigster Freund! – erlauben Sie mir mit Vorbeigehung der Kurialien diesen Titel, zu dem mir unser gemeinschaftliches Vaterland, ähnliche Neigungen

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und die edle humane aus Ihrem Briefe hervorleuchtende Denkungsart einige Befugniß gibt – hat mir ungemein viel Vergnügen gemacht. Nicht bloß für seinen wichtigen Inhalt bin ich Ihnen sehr verbunden: die gütigen Gesinnungen, die ein Mann von solchen Verdiensten gegen mich äußert, sind mir der schätzbarste und süßeste Lohn, den mir meine Bemühungen um den neuen Planeten bringen können. Ich würde Ihnen meinen herzlichsten Dank schon viel früher abgestattet haben, wenn ich nicht die Absicht gehabt hätte eine neue Bahnbestimmung der Ceres wobei auf die Störungen von j Rücksicht genommen wäre, beizufügen. Allein theils die neue beträchtliche durch die Entdeckung eines zweiten Neuen Planeten veranlaßte Arbeit, theils, und hauptsächlich die fortdauernde gute Übereinstimmung der VIIten Elemente der . mit den Beob[achtungen] haben mich bewogen, diese Arbeit ganz bis auf den Schluß der dießjährigen Beob[achtungen] zu verschieben. Ich werde sie vornehmen, sobald ich den Schluß der Palermer Meridianbeob[achtungen] erhalte (auf die ich posttäglich warte). Die spätesten Meridianbeob[achtungen] die ich bis jetzt erhalten habe sind die Orianischen; sie gehen bis zum 21 May; die berechneten geraden Aufsteigungen nach den VIIten Elem[enten] sind, diesen Beob[achtungen] zufolge, um diese Zeit 39Ǝ, die berechneten Abweichungen um 28Ǝ zu groß. Nach einem vorläufigen Überschlage den ich gemacht habe scheint indeß daß wir überhaupt von der diesjährigen Erndte eine sehr große Genauigkeit für die Elemente noch nicht hoffen dürfen; wenige Sekunden Aenderungen der zum Grunde zu legenden Beob[achtungen] werden doch noch die Sonnenferne, die Mittelpunktsgleichung und die jährliche Bewegung mehrere Minuten ändern. Ich werde indeß mein Möglichstes thun, und Ihnen die Resultate sogleich übersenden, wenn Sie vielleicht die Berechnung der Störungen nach verbesserten Elementen wiederhohlen wollen. Durch Verbindung der Beob[achtungen] vom künftigen Jahre mit den diesjährigen und vorjährigen werden wir aber gewiß eine sehr beträchtliche Präcision in den Elementen erhalten. Als ich die Resultate meiner ersten Versuche über die Pallas ¥ der Kais[erlichen] Akademie vorlegte,14 bemerkte ich daß ich bald einen 4ten Versuch machen würde. Dieß ist auch geschehen. Ich habe mit Hilfe der mir von Dr. Maskelyne mitgetheilten Meridianbeob[achtungen],15 die bis zum 16ten May gehen, folgende mit (III) bezeichnete Elemente bestimmt.16 Epoche März 31 Mittag in Seeberg Sonnenferne –– | siderisch ruhend vorausgesetzt| –– k –––––– Neigung Excentricität –––––– Log. der halben großen Axe Tägl[iche] tropische Bewegung

162° 25ƍ 46Ǝ 300.58.48 172.28.18 34.39.11 0,2476402 0,4425664 769"547

14 Procès-verbaux 1911, S. 998–999 (§ 159, 26.5./7.6.1802). 15 Brief von Maskelyne an Gauß vom 21.5.1802 (Greenwich). SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Maskelyne 2. Die Daten der Beobachtungen von Maskelyne stehen auf der dritten Seite des Briefes: „Observed places of Ceres Ferdinandea, at Royal Observ. Greenwich“. 16 Vgl. die Daten in dem Brief von Gauß an Nikolaus Fuß vom 18.7.1802 (Briefwechsel Gauß–N. Fuß, Brief Nr. 5).

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)

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Eine Vergleichung dieser Elemente mit den sämmtl[ichen] mir bekannt gewordenen Meridianbeob[achtungen] werden Sie im Julius Heft der M[onatlichen] C[orrespondenz] finden,17 welches schon fertig sein muß und vermuthlich bald nach diesem Briefe in Petersburg ankommen wird. Dr. Olbers hat seine eignen Beob[achtungen] am 9 Jul[i] geschlossen, und der Fehler der IIIten Elemente ist nach denselben – 24Ǝ in AR und etwa – 5Ǝ in Decl[ination]; eine nochmalige Verbesserung werde ich erst unternehmen wenn ich auch die letzten italienischen Beob[achtungen] erhalten habe. Auf die Störungen der Pallas jetzt schon Rücksicht zu nehmen würde meiner Meinung nach die Mühe nicht belohnen; die 1 12 jährigen Beob[achtungen] der . zeigen eigentl[ich] jetzt noch keine sichere Spur von fremden Einwirkungen, sondern würden sich noch recht gut durch eine reine Ellipse darstellen lassen, vielleicht unternehme ich diese Arbeit, da es doch interessant sein muß zu sehen in wie fern 1803 sich schon sichere Spuren der Störungen bei der . zeigen werden. Gewiß werden aber bei der Pallas die Perturbationsrechnungen ein ganz neues Feld eröffnen, und die bisherigen Methoden werden sich hier schwerlich mit Erfolg anwenden lassen. Mein eignes Loos will ich der Vorsehung ruhig anheim stellen. Eine Lage, wie die wozu Sie mir die schöne Prospektion eröffnen, wo ich ganz meinen Lieblingswünschen leben kann, ist immer das Ziel meiner Wünsche gewesen. Fahren Sie fort, mir Ihre gütigen Gesinnungen zu schenken und sein versichert von der aufrichtigsten Hochachtung und Ergebenheit, womit ich bin Ihr ganz eigner C. F. Gauß.

17 [Zach, Xaver Franz von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten unseres Sonnen-Systems, Pallas Olbersiana. Monatliche Correspondenz 6, 1802, S. 71– 96 (Julius). Darin Gauß’ Beitrag auf S. 79–87, 94–95; dieser gekürzt auch in: GaußWerke: 6, S. 217–220.

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Undatierte Anlage zu einem Brief von Gauß an Schubert

Quelle: Russländische Nationalbibliothek, St. Petersburg, f. 965, op. 1, ʋ 1013, l. 5r und v.

Brief 3. Schubert an Gauß, 14./26. November 1802 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Schubert 2 (3 S.)

St. Petersburg, d[en] 14. Nov[ember] 1802 Für die in Ihrem Briefe vom 20. Oct[ober] N[euen] St[ils] enthaltenen astron[omischen] Nachrichten, sage ich Ihnen mein theuerster Freund (erlauben Sie mir diese Benennung, zu der ich dadurch berechtigt zu seyn glaube, daß ich Ihren

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Werth u[nd] Ihre Verdienste zu schätzen weis), den verbindlichsten Dank.18 Der Unterschied zwischen unsern Berechnungen der der Eccentr[icität] proportionalen Gleich[ung] hat mich sehr frappirt, und ich werde, sobald es mir meine jetzigen dringenden Geschäfte irgends erlauben, die Quelle davon aufsuchen. In Wahrheit, mein würdiger Freund, Sie können auf Ihre der Ceres geleisteten Dienste stoltz seyn; u[nd] ich kann Ihnen das Vergnügen nicht beschreiben, das ich empfinde, wenn ich sehe, wie jezt durch den Fleis der Astronomen, durch die verbesserte Beobachtungskunst u[nd] Theorie, u[nd] durch die Vervollkom[m]nung der Analyse, die Theorie eines warlich nicht unter den günstigsten Umständen entdeckten Planeten, in 1 Jahre zu größerer Vollkommenheit gebracht wird, als sonst in Jahrhunderten. Möchte Ihre Zeit es Ihnen doch erlauben, gleiche Sorgfalt auf die Pallas zu wenden! – Ich kom[m]e zu einer Stelle Ihres Briefes, die – darf ich’s Ihnen gestehn! – mich betrübt hat, indem sie mir fast ganz die Aussicht raubt, auf die ich mich so sehr gefreut hatte, Ihre persönl[iche] Bekanntschaft zu machen, u[nd] in Ihrem freundschaftl[ichen] Umgange u[nd] in ihrer nahen Nachbarschaft (denn wir würden wahrscheinl[ich] in Einem Hause wohnen), mein Leben zuzubringen. Darf ich Ihnen das Zutrauen zumuthen, mir mit vollkom[m]ener Aufrichtigkeit zu schreiben, 1) ob es Ihnen wirkl[ich] Ernst sey, den Ruf hieher anzunehmen, wenn Ihnen die Bedingungen conveniren, 2) welche Bedingungen Ihr Minimum sind. Auf meine Ehre verspreche ich Ihnen, daß es ein Geheimnis bey mir bleiben soll, u[nd] daß ich keinen Gebrauch je davon machen werde, als zu Ihrem Vortheil: denn mir ist zu sehr daran gelegen, diese Acquisition für unsre Akad[emie] zu machen. Was Ihnen jezt die Akad[emie] geben kön[n]te, ist Logis in natura, Holtz, [ein Wort ist durchgestrichen] u[nd] 1200 Rub[el].19 Die Verbess[eru]ng Ihrer u[nd] unsre aller Lage hängt von der Kayserl[ichen] Bestätigung des neuen Etats ab, den wir tägl[ich] erwarten. Uebrigens versichere ich Ihnen, daß die Theurung hier [---],20 wie Sie sich vorstellen: die meisten Artikel sind hier wohlfeiler als in Deutschl[and] nur Equipage etc. ist sehr theuer; aber ich habe mich hier nun schon seit 16 Jahren mit Familie, ohne Equipage etc. beholfen. Daß man hier sehr angenehm lebt, werden Sie mir leicht glauben; u[nd] ich werde gewis dafür sorgen, so viel ich kan[n], Ihnen Ihre Lage u[nd] Aufenthalt angenehm zu machen. 18 Dieser Brief von Gauß an Schubert vom 20.10.1802 ist nicht erhalten, sein Inhalt wurde am 7./19.11.1802 in der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg verlesen und wie folgt protokolliert: „Mr. le conseiller de collèges et chevalier Schubert lut une lettre de Mr. le docteur Gauss à Brunsvick contenant diverses notices nouvelles sur l’orbite de Cerès et les perturbations de sa marche, causées par l’attraction de Jupiter. Les dernieres, et nommément les équations de la longitude et du rayon vecteur, s’accordent avec les calculs de Mr. l’Académicien Schubert, à quelques petites différences près. Le nombre des équations déjà très considérable et les corrections dans les élémens qu’amènera l’année prochaine, ont engagé Mr. Gauss à différer encore le calcul des perturbations de Saturne, et des équations de celles de Jupiter qui dépendent des quarrés et des produits de l’excentricité“ (Procès-verbaux 1911, S. 1033, § 336). 19 Nikolaus Fuß bot Gauß in einem Brief vom 5./17. September 1802 „einen fixen Gehalt von tausend Rubel und freye Wohnung“ an (Briefwechsel Gauß–N. Fuß, Brief Nr. 6). 20 Textverlust durch Papierverlust.

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Also – überlegen Sie nochmals alles reifl[ich] u[nd] schreiben Sie mir dann, wenn Sie mich anders mit Ihrem Zutrauen beehren wollen, unter dem Siegel der Verschwieg[enheit] Ihre Meinung aufrichtig. In jedem Fall seyn Sie versichert, daß nichts die große Hochachtung u[nd] freundschaftl[iche] Ergebenheit ändern kann, womit ich stets seyn werde Ihr [gehors]amster Diener [F.] T. Schubert

[Vermerk von Gauß auf dem Briefumschlag]

Brief 4. Gauß an Schubert, 20. Januar 1803 (Braunschweig) Quelle: Russländische Nationalbibliothek, St. Petersburg, f. 965, op. 1, ʋ 1013, l. 1–2. Publikation: Idel’son/Ljublinskaja/Rubin 1948, S. 786–788, 809–811, Nr. 8 (deutsches Original und russische Übersetzung).

Braunschweig den 20 Jan[uar] 1803. Nicht genug kann ich Ihnen, mein Theuerster Verehrungswürdigster Freund, für Ihr Schreiben vom 14 Nov[ember] danken. Ich fühle ganz und lebhaft, wie glücklich ich seyn würde an Ihrer Seite mein Leben zuzubringen, und wie viel ich verliere daß mir unter den jetzigen Umständen dieses Glück nicht zu Theil werden kann. Empfangen Sie jetzt meine aufrichtige Erklärung in dieser Angelegenheit, wobei Sie Sich so warm interessirt haben und fahren Sie fort mir ihr Wohlwollen und das Zutrauen der Akademie ferner zu erhalten. Von jeher hatte ich eine besondere Vorliebe für Petersburg, für den Ort, den Eulers Manen heiligen; lange schon habe ich eine große Neigung zur praktischen Astronomie; was konnte mir also erwünschter sein, als der ehrenvolle Ruf, dessen mich die Akademie werth gehalten hat? Zwar hatte man mir eine übertriebne Vorstellung von der dortigen Theuerung gemacht, aber Ihre Versicherung hat mich darüber vollkommen beruhigt; Habsucht ist kein Zug meines Charakters, und ich bin gewiß, daß ich wegen der Bedingungen sehr leicht mit der Akademie würde übereingekommen seyn, zumal den öffentlichen Nachrichten zufolge die Kayserl[iche] Bestätigung des neuen Etat wozu ich von Herzen Glück wünsche bereits erfolgt ist. Die Aussicht, mein bester Freund, in Ihrer Nähe und in Ihrem Umgange zu leben, mußte vollends eine solche Lage mir äußerst wünschenswerth machen. Allein, unter den gegenwärtigen Conjunkturen ist es mir nicht vergönnt, auf diese Art glücklich zu sein. Meine hiesigen Verhältnisse werden Ihnen zum Theil bekannt sein. Unser großmüthiger Fürst,21 dem ich Alles zu danken habe hat einmal eine Vorliebe dafür gefaßt mich hier zu behalten; bei den Pflichten die ich 21 Herzog Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel.

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)

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gegen diesen vortrefflichen Regenten habe, würde sein bloßer Wille hinreichendes Motiv seyn ihm nicht zuwider zu handeln, und er hat von freien Stücken mir diese Pflicht durch eine abermalige ansehnliche Verbesserung meiner Lage noch heiliger gemacht. Sie sehen hieraus, Theurer Freund, daß es nicht in meiner Macht steht, jetzt über mich zu disponiren. Aber ich wiederhohle meine Bitte, erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, erhalten Sie mir das Vertrauen der Akademie und ihre Überzeugung, daß ich dasselbe von ganzer Seele zu schätzen weiß, und es mein eifrigstes Bestreben sein lassen werde, mich desselben immer würdiger zu machen. Erlauben Sie mir jetzt noch ein Paar Worte von meinen letzten Untersuchungen über die Ceres hinzuzufügen. Ich habe meine letzten Elemente der Bahn nochmals einer strengen Prüfung in der ganzen bisherigen Dauer der Beobachtungen unterworfen und das Resultat gefunden, daß wie ich schon einmal geäußert habe, diese Dauer noch zu kurz ist, um eine sehr scharfe Theorie darauf gründen zu können. Es lassen sich noch zur Zeit Elemente angeben, bei denen Sonnenferne, Jährliche Bewegung, Epoche u[nd] Größte Gleichung mehrere Minuten diferiren, und die doch bei allen bisherigen Beob[achtungen] nur um wenige Sekunden verschiedne Resultate geben. Bei folgenden Elementen sind die Unterschiede der Rechnung von der Beobachtung nach Möglichkeit vertheilt; dennoch wage ich nicht sie eben für viel zuverlässiger auszugeben als die VIIIten im Novemb[er] der M[onatlichen] C[orrespondenz] abgedruckten22 und ich werde sie daher wahrscheinlich gar nicht bekannt machen. Epoche 1801 Seeberg Sonnenferne (1801) Excentricität = k ————— Neigung ————

77.21.33.9 tägl[iche] trop[ische] Bew[egung] 770Ǝ,2108 326.25.31 Log d[er] h[alben] A[xe] 0,4423167 sin 4° 32ƍ 17Ǝ2 80.54.54 10.38.3,8

Diese Elemente geben die Oerter im laufenden Jahre 1803 fast ganz so wie die VIIten wonach die H[erren] Triesnecker u[nd] Bode ihre Ephemeriden berechnet haben, da hingegen die VIIIte zur Zeit der p etwa 10ƍ mehr geben. Die Beobachtungen werden uns nun bald belehren, und wenn sie für dies Jahr geschlossen sind, werden wir schon viel schärfere Elemente bestimmen können. Alsdann denke ich auch die von mir gebrauchten Methoden zur öffentlichen Bekanntmachung auszuarbeiten und mit wirklichen Beispielen zu begleiten. So hoffe ich etwas Vollständigeres liefern zu können, als wenn ich früher damit zu sehr geeilt hätte. Andere Methoden waren nöthig, um bloß aus Piazzis Beobachtungen von 1801 die erste Bestimmung der Bahn zu machen; andere um sie nach den Beob[achtungen] von 1802 zu verbessern, und wieder andere werden angewandt werden müssen, um sie nach den in diesem Jahre zu erwartenden Beob[achtungen] auszufeilen, wo . schon in so verschiedenen Punkten ihrer Laufbahn beobachtet seyn wird. Eine ähnliche Bewandtniß wird es mit der Pallas haben, vor der wir von der p von 1804 auf eine sehr scharfe Theorie schwerlich rechnen dürfen. 22 [Zach, Franz Xaver von]: Fortgesetzte Nachrichten über den neuen Haupt-Planeten unseres Sonnen-Systems, Ceres Ferdinandea. Monatliche Correspondenz 6, 1802, S. 492–498 (November). Darin Gauß’ Beitrag S. 493–498; dieser gekürzt in: GaußWerke 6, S. 227–230.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Leben Sie wohl, mein Theuerster Freund, und halten Sie Sich versichert von der innigen Verehrung und Ergebenheit womit ich ewig bin Ihr ganz Eigner C. Fr. Gauß.

Brief 5. Schubert an Gauß, 8./20. August 1822 (St. Petersburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß-Briefe A, Schubert 3 (3 S.).

Unser Briefwechsel, mein verehrungswürdigster Freund, ist seit so langer Zeit unterbrochen, daß ich mich nicht beklagen könnte, wenn ich ganz von Ihnen vergessen wäre. Daß ich Sie nicht vergessen habe, das heist nicht als Gelehrten – denn der erste Mathematiker Deutschlands muß bey jedem, der die Wissenschaften liebt, immer in ehrwürdigem Andenken seyn – sondern als Freund, das wünschte ich Ihnen durch diesen Brief zu beweisen. Ich habe eben Ihren freundschaftlichen Brief vom 20. Jan[uar] 1803 wieder gelesen, und er hat mich ganz in jene Zeit zurück gesetzt, wo ich die angenehme Hoffnung hatte, in Ihrem lehrreichen Umgange mein Leben zu beschließen. Diese Hoffnung ist wie ein Traum verschwunden, ich bin indeß alt und kränkl[ich] geworden, und darf wol nicht mehr daran denken, mein Vaterland Braunschweig wider zu sehn und einen Mann den ich so sehr verehre, persönl[ich] kennen zu lernen. Aber selbst Ihr Andenken an mich ist mir so theuer, daß ich die erste Gelegenheit die sich darbietet, ergreife, um es zu erneuern. Ich habe mich entschlossen, eine umgearbeitete Ausgabe meiner Theoret[ischen] Astron[omie] in französ[ischer] Sprache heraus zu geben,23 und eile, 24 Ihnen ein Exemplar derselben durch H[errn] in Halle zu schicken. Nehmen Sie es, mein verehrtester Freund, mit Güte und Nachsicht als einen Tribut meiner innigsten Verehrung an. Daß Sie nicht durchgängig damit zufrieden seyn werden, weiß ich sehr wohl, denn ich selbst bin ja nicht damit zufrieden; aber es würde ein großer Lohn meiner Arbeit seyn, wenn Sie das Werk im ganzen Ihrer Aufmerksamkeit würdig fänden, u[nd] wenn es mir das Vergnügen schaffte, einmal wieder einen Brief von Ihnen zu erhalten. Obgleich mein Alter mir nicht mehr erlaubt, an Beobachtungen vielen Theil zu nehmen, so interessire ich mich doch noch lebhaft für alle Verbesserungen derselben u[nd] besonders solche sinnreiche und nützliche Erfindungen, wie Ihr Heliotrop. Ich wünschte daher sehr, nähere Bekanntschaft damit zu machen, und Ew. Hochwolgeb[oren] würden mich sehr verbinden, wenn Sie die Güte hätten, gelegentl[ich] (so daß der Transport nicht zu viel kostet) unsrer Akademie eins zu schicken, oder mir wenigstens Anleitung zu geben, durch welchen Kanal ich es mir verschaffen könnte: es versteht sich, daß im erstem [sic] Fall die Auslagen Ihnen sogleich ersetzt würden.25

23 Das Buch ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (Schubert, F. T. 1822; GB 1002). 24 Die Lesung „Hentschke“ ist unsicher. 25 Gauß hatte am 21.12.1821 Wilhelm Struve in Göttingen eine Skizze seines Heliotropen sowie dessen ausführliche Beschreibung zukommen lassen (Briefwechsel Gauß– Struve, Brief Nr. 11).

15. Friedrich Theodor von Schubert (1758–1825)

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So sehr ich immer überzeugt gewesen bin, daß es zu geodätischen Winkeln kein vortrefflicheres Instrument gibt, als den Multipl[ikations]Kreis, besonders den Mult[iplikations]Theodoliten, so wenig bin ich diesen Instrumenten, besonders wegen der mühsamen Einrichtung der niveaux, bey astronom[ischen] Beobachtungen geneigt gewesen, wo auch in der That, wegen der beständigen Ändrung des Winkels, die Multiplication nur eine Illusion ist, und sich darauf reducirt, aus vielen Beobacht[ungen] die mit verschiedenen Bogen des Limbus gemacht sind, das Mittel zu nehmen. Jetzt sehe ich mit Vergnügen, daß auch B[aron] Zach diese Meinung angenommen hat. Ad vocem „Theodolit“ und „Zach.“ Kennen Sie die Etymologie des erstern Worts? Ich kann Sie nicht errathen. – Ist es Ihnen bekannt, woher der fast bittere Groll des B[aron] Zach gegen die französ[ischen] Astronomen, besond[ers] Delambre kömmt?26 Zach ist ein so gerechter Mann, daß er sehr unartig von ihnen behandelt seyn mus, um so gereizt zu werden. Wenn Sie mir die Freude machen wollen, mir einige Zeilen zu schreiben, so bitte ich Sie, den Brief an mich, unter Couvert an den Secrét[aire] perpétuel unserer Akademie, den H[errn] wirklichen Stats-Rath Fuß,27 zu senden. Der Himmel erhalte Sie, zum Besten der Wissenschaften noch lange gesund, und gebe uns bald Ihr Werk über die transzendenten Größen,28 worauf ich sehr begierig bin. Vergessen Sie mich nicht, u[nd] genehmigen Sie die Versicherung der innigsten Verehrung, womit ich nie aufhören werde zu seyn, Ihr Ihnen von ganzem Herzen ergebener F. T. Schubert St. Petersburg d[en] 208 . August 1822.

26 Es waren damals zahlreiche Gerüchte im Umlauf, die sich nicht belegen lassen. 27 Nikolaus Fuß. 28 Es ist unklar, welches Werk von Gauß Schubert hier meint.

Abb. 77. Ivan Michajlovič Simonov Aus: Zagoskin 1904: 4, zwischen S. 160/161.

16. Ivan Michajlovič Simonov (1794–1855) ɂɜɚɧ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ ɋɢɦɨɧɨɜ

16.1. Ivan Michajlovič Simonovs Lebenslauf im Überblick * 1794 1809

Simonov in Astrachan geboren, das genaue Datum ist nicht bekannt Beginn des Studiums an der Universität Kasan; seine Lehrer sind vor allem Joseph Johann Littrow, Franz Xaver Bronner und Martin Bartels 1811 Littrow, Simonov und Lobačevskij beobachten in Kasan den Großen Kometen 1812 Magisterexamen an der Universität Kasan 1814–1816 Adjunkt an der Universitätssternwarte in Kasan 1816 Ernennung zum Außerordentlichen Professor für Theoretische und Praktische Astronomie, Nachfolger von Littrow 1819–1821 Teilnahme an der russischen Expedition ins südliche Eismeer unter der Leitung von Bellingshausen und Lazarev 1822 Ernennung zum Ordentlichen Professor für Astronomie an der Universität Kasan und zum Direktor der Sternwarte 1823–1825 Dienstreise nach Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und in die Schweiz, zum Teil in Begleitung von Adolph Theodor Kupffer 1823–1824 Aufenthalt in Paris, dort Bekanntschaft mit Alexander von Humboldt und François Arago; Besuch der Astronomievorlesungen von Arago 1826 Heirat mit Marfa Petrovna Maksimovič, vier Kinder 1828 Reise durch das Gouvernement Kasan; zahlreiche astronomische Ortsbestimmungen und barometrische Höhenmessungen 23.5./4.6.–28.5./9.6.1829 Besuch Alexander von Humboldts in Kasan während seiner Russlandreise 29.12.1829/10.1.1830 Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg für Astronomie und Geodäsie 1833–1837 Bau der neuen Universitätssternwarte in Kasan 1842 Reise nach Großbritannien, Frankreich, Belgien und Deutschland 19.–26.9.1842 Teilnahme an der Tagung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Mainz 28.–30.9.1842 Besuch bei Gauß in Göttingen 1843 Errichtung eines neuen Magnetischen Observatoriums in Kasan 1846–1855 Rektor der Universität Kasan † 10./22.1.1855 gestorben in Kasan

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16.2. Miszellen zu Leben und Werk 16.2.1. Studium und Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn Ivan Michajlovič Simonov entstammte einer russischen Kaufmannsfamilie. Er besuchte zunächst das Gymnasium in seiner Geburtsstadt Astrachan und später das Gymnasium in Kasan. Im Februar 1809 nahm er an der Universität Kasan das Studium auf, wo Joseph Johann Littrow, Martin Bartels und Franz Xaver Bronner seine wichtigsten Lehrer waren. Zur selben Zeit wie Simonov studierte dort auch Nikolaj Ivanovič Lobačevskij. Im September 1811 beobachtete Simonov, ebenso wie auch Lobačevskij, unter der Leitung des Professors für Astronomie Joseph Johann Littrow den Großen Kometen.1 Diese Beobachtungen wurden am 6./18. September 1811 in dem Kasaner Nachrichtenblatt „Kazanskija izvěstija“2 veröffentlicht (Modzalevskij 1948, S. 49). Diese Zeitung erschien unter der Aufsicht der Universität. Im Jahre 1811 wurden Simonov und Lobačevskij von dem damaligen Kurator des Kasaner Bildungsbezirks, Stepan Jakovlevič Rumovskij, der selbst als Astronom tätig war, wegen ihrer Erfolge im Studium belobigt. Diese Belobigung beruhte auf einem Gutachten von Martin Bartels, in dem dieser ausführte, dass sowohl Lobačevskij als auch Simonov an jeder deutschen Universität als ausgezeichnete Studenten gelten würden. Auch vom Minister für Volksaufklärung, Graf Aleksej Kirillovič Razumovskij, wurden die beiden Studenten mit einer Belobigung ausgezeichnet (siehe S. 474). Im Juni 1812 lieferte Simonov eine Arbeit über die Attraktion homogener Sphäroide ab,3 die an die Kapitel des ersten und des zweiten Bandes des „Traité de mécanique céleste“ von Laplace (Laplace 1799–1825: 1,2)4 angelehnt war. Gutachter war Bartels, der am 10./22. Juli 1812 bestätigte, dass Simonov „in der höheren Analysis und Mechanik als tüchtig anerkannt werden kann, was um so lobenswerter ist, als er sich ausgezeichnete Mühe um die praktische Astronomie unter Leitung des verehrten Herrn Kollegen Joseph Johann von Littrow gibt“. Darüber hinaus kam Bartels zu dem Ergebnis, dass „Herr Simonov in den mathematischen Dingen wohl erfahren“ sei.5 Diese 1 2 3

4 5

Komet 1811 I (Great comet, Flaugergues) war vom 25.3.1811 bis zum 17.8.1812 sichtbar. Originaltitel: „Ʉɚɡɚɧɫɤiɹ ɢɡɜ࣎ɫɬiɹ“. Originaltitel: „Ɉ ɩɪɢɬɹɠɟɧiɢ ɨɞɧɨɪɨɞɧɵɯɴ ɫɮɟɪɨɢɞɨɜɴ, ɨɝɪɚɧɢɱɟɧɧɵɯɴ ɩɨɜɟɪɯɧɨɫɬɹɦɢ ɜɬɨɪɨɣ ɫɬɟɩɟɧɢ“, Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 92, op. 1, ʋ 511, l. 2. Die beiden Bände erschienen 1799 in Paris. Das Gutachten ist hier vollständig in deutscher Übersetzung wiedergegeben (siehe S. 170–171). Das lateinische Dokument befindet sich im Nationalarchiv der Republik Tatarstan (siehe: Abb. 11), es wurde mehrmals veröffentlicht (Engel 1899, S. 358–359; Modzalevskij 1948, S. 54–55).

16. Ivan Michajlovič Simonov (1794–1855)

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Arbeit über Laplace war ein wichtiger Baustein für das Magisterexamen, das Simonov noch im selben Jahr 1812 ablegte. Im Jahre 1814 wurde in Kasan der Bau einer ersten, von Littrow angeregten provisorischen Sternwarte soweit vollendet, dass dort mit regelmäßig stattfindenden Beobachtungen begonnen werden konnte (siehe S. 433–434). Gleichzeitig wurde Simonov an dieser neuen Sternwarte zum Adjunkten ernannt. Als Littrow 1816 Kasan mit Ofen vertauschte, wurde Simonov Außerordentlicher Professor für Theoretische und Praktische Astronomie und Direktor der Sternwarte. Littrow selbst hatte Simonov als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Im Jahre 1817 hielt sich Simonov sechs Monate lang in St. Petersburg auf, um an der Sternwarte der Akademie der Wissenschaften seine praktischen Kenntnisse der Astronomie zu vervollkommnen. Seine Lehrer in St. Petersburg waren Friedrich Theodor Schubert und Vincent Wishniewsky (Korytnikov 1955a, S. 269–270).

16.2.2. Teilnahme an der ersten russischen Expedition ins südliche Eismeer: 1819–1821 Im Juli 1819 startete die erste russische Expedition ins südliche Eismeer. Dabei gelangten die Expeditionsteilnehmer als erste bis an den Rand des damals noch nicht bekannten Kontinents Antarktika. Die Expedition stand unter dem Kommando von Fabian Gottlieb von Bellingshausen, dem Kapitän der Korvette „Vostok“, und von Michail Petrovič Lazarev, dem Kapitän der Korvette „Mirnyj“. Simonov war auf Vorschlag der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zum Astronomen bestellt worden. Er war unter den an der Expedition Beteiligten der einzige Wissenschaftler und führte während der Reise sämtliche astronomischen, meteorologischen sowie magnetischen Beobachtungen durch. Die Expedition dauerte zwei Jahre, bis Juli 1821. Anschließend blieb Simonov noch bis Februar 1822 in St. Petersburg. Dann kehrte er nach Kasan zurück, wo er anlässlich einer feierlichen Sitzung in der Universität am 7./19. Juli 1822 über den Erfolg der Expedition einen vielbeachteten Vortrag hielt, der sogleich veröffentlicht wurde (Simonov 1822). Simonovs Abhandlung „Beschreibung einer neuen Entdeckungsreise in das südliche Eismeer“ wurde vom Publikum mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Sie erschien auch in französischer Übersetzung im „Journal des voyages“ in Paris sowie in deutscher Übersetzung in Wien mit einer Vorrede von Littrow, der damals Direktor der Wiener Sternwarte war (Simonov 1824). Der bedeutende Astronom Franz Xaver von Zach, der sich damals in Genua aufhielt, bekundete Simonov in einem Brief vom 8. Dezember 1823 sein großes Interesse an den Beobachtungen, die während der Expedition durchgeführt worden waren (Roussanova 2010b, S. 160). In der von Zach herausgegebenen Zeitschrift „Correspondance astronomique, géographique, hydrographique et statistique“ erschienen mehrere Berichte aus der Feder von Simonov, zum Teil

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mit umfangreichen Kommentaren von Zach versehen.6 So wurde zum Beispiel Simonovs Bericht „Sur un nouvel instrument et sur l’université de Kasan“ in Form eines Briefes vom 8. Oktober 1823 veröffentlicht.7 Auch in der Folgezeit beschäftigte sich Simonov mit der Auswertung der auf der Expedition gesammelten Messdaten, die später dann auch publiziert wurden (Simonov 1828).

16.2.3. Simonov und Alexander von Humboldt Im Jahre 1822 erhielt Simonov eine Ordentliche Professur für Theoretische und Praktische Astronomie, die er bis zu seinem Lebensende innehaben sollte. Doch bereits im Juli 1823 ging er wieder auf Reisen. Diesmal fuhr er im Auftrag der Universität nach Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und in die Schweiz. Simonov reiste zum Teil in Begleitung seines neuen Kollegen in Kasan, des Mineralogen und Physikers Adolph Theodor Kupffer. Die Reiseroute ging zunächst über Berlin, Dresden und Prag nach Wien, wo mit Hilfe von Littrow astronomische Instrumente gekauft wurden. Über Salzburg reiste Simonov weiter nach München, wo er den berühmten Instrumentenhersteller Josef Fraunhofer persönlich kennenlernte. Über Stuttgart, Baden-Baden und Strassburg gelangte man schließlich nach Paris, wo Simonov sich fast ein Jahr lang aufhalten sollte. Diese Zeit nutzte er, um sich weiterzubilden. Er ließ sich keine einzige Sitzung der Académie des sciences entgehen und wohnte regelmäßig wissenschaftlichen Vorlesungen und Vorträgen bei. 1824 hörte er in Paris bei François Arago Vorlesungen über Astronomie. Ferner knüpfte er Kontakte zu Alexander von Humboldt an, wobei es vor allem um das Thema Erdmagnetismus ging. Simonov sollte sich später daran erinnern, dass Humboldt ihn oft in der Rue Dauphine abholte, wo der russische Gelehrte wohnte. Auch mit Paul Schilling von Canstadt unterhielt Simonov in Paris freundschaftliche Beziehungen. Von Simonov ist uns eine interessante authentische Erinnerung über einen Abend bei Arago überliefert, bei dem Schilling, André-Marie Ampère und Siméon-Denis Poisson Schach spielten: Schilling spielte aus Spaß mit verbundenen Augen gegen Ampère und gewann (Simonov 1844, S. 134–139). Über die Schweiz und Italien kehrte Simonov schließlich im September 1825 nach Kasan zurück (Korytnikov 1955a, S. 271–273). 6

7

Correspondance astronomique, géographique, hydrographique et statistique 8, 1823, S. 551–561 (Brief von Littrow vom 16.5.1823, Notes von Zach); ebenda 9, 1823, S. 449–457 (Brief von Simonov vom 8.10.1823, Notes von Zach); ebenda, S. 556–574 (Brief von Simonov o.D., Notes von Zach); ebenda 10, 1824, S. 19–45 (Brief von Simonov o.D., Notes von Zach); ebenda 10, 1824, S. 141–154 (Brief von Simonov o.D., Notes von Zach); ebenda 10, 1824, S. 250–273 (Brief von Simonov o.D., Notes von Zach); ebenda 11, 1824, S. 438–445 (Brief von Simonov vom 11.9.1824, Paris); ebenda 14, 1826, S. 217–229 (Brief von Simonov, 1825, Kasan). Correspondance astronomique, géographique, hydrographique et statistique 9, 1823, S. 449–457.

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Noch in demselben Jahr 1825 unterbreitete Simonov dem Universitätsrat in Kasan den Vorschlag, Alexander von Humboldt sowie fünf andere Gelehrte, die er auf seiner Reise kennengelernt hatte, darunter François Arago und Franz Xaver von Zach, zu Ehrenmitgliedern der Universität zu wählen, was auch geschah.8 Ernennungsurkunden wurden jedoch nicht ausgestellt, da ihre Anfertigung für die Universität mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre. Humboldt erhielt sein Ehrendiplom erst im Jahre 1829 aus Anlass seines Besuches in Kasan (siehe S. 485–486). Humboldt schätzte die Veröffentlichungen von Simonov und zitierte sie in seinen Schriften (Humboldt/Bonpland 1826, S. 630). Für Simonov war es sicher von überaus großer Bedeutung, dass Alexander von Humboldts Russlandreise auch über Kasan verlief. Als sich Humboldt vom 4. bis zum 9. Juni 1829 in der Stadt aufhielt,9 traf er mehrmals mit Simonov zusammen. Bei seiner Ankunft wurde Humboldt vom Kurator des Bildungsbezirks Kasan, Michail Nikolaevič Musin-Puškin, vom Rektor der Universität, Nikolaj Ivanovič Lobačevskij, sowie von den übrigen Angehörigen der Universität empfangen. Der Berliner Mineraloge Gustav Rose, der Humboldt während dessen Reise durch Russland begleitet hatte, erinnerte sich in seinem im Jahre 1837 publizierten Reisebericht: „Unter diesen [Personen] befand sich auch der Professor der Astronomie, Herr S i m o n o f f , der Herrn v . H u m b o l d t schon von Paris aus bekannt war, wo er sich einige Zeit aufgehalten hatte, nachdem er von seiner Reise um die Welt mit Capitain B e l l i n g s h a u s e n zurückgekehrt war. Zu dieser Zeit (im Winter 1823–24) hatte auch ich ihn dort kennen gelernt, daher es mir eine grosse Freude machte, ihn hier wiederzusehen“ (Rose 1837, S. 90–91). Humboldt führte in Kasan zusammen mit Simonov und Lobačevskij magnetische Messungen durch, und man schmiedete gemeinsam Pläne für den Bau eines erdmagnetischen Observatoriums. In dem Bericht von Rose ist festgehalten: „Herr v o n H u m b o l d t benutzte den Vormittag um die Inklination der Magnetnadel in Kasan zu bestimmen, welche er (am 8ten Mai [sic, richtig Juni] 1829) 68° 26,´7 fand. Er beobachtete sie im Beisein des Hrn. Curators v o n M u s s i n - P u s c h k i n und des Hrn. S o i m o n o f f [sic, richtig Simonoff], und erhielt bei dieser Gelegenheit von dem erstern das Versprechen, dass in Kasan ein eigenes magnetisches Observatorium erbaut werden sollte, ein Versprechen, das nun schon seit mehreren Jahren in Erfüllung gegangen ist. Ich bemerke hierbei, dass die ersten Resultate gleichzeitiger Perturbationen des täglichen Ganges der Magnetnadel durch correspondirende Beobachtungen der Herren A r a g o und K u p f f e r in Paris und Kasan erlangt wurden, und zu der Erbauung so vieler m a g n e t i s c h e n H ä u s e r Veranlassung gegeben haben,

8 9

Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. FMF, ʋ 234, l. 1–5. Gemäß dem damals in Russland gültigen Julianischen Kalender vom 23. bis zum 28.5.1829.

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welche auf Veranlassung des Hrn. v. H u m b o l d t seit 1828 in Europa und Nord-Asien gegründet worden sind“ (Rose 1837, S. 106–107). Am Ende von Humboldts Reise durch Russland berichtete ihm Simonov: „Ich habe die Ehre gehabt, Ihnen auch nach St. Petersburg zu schreiben und Ihnen die zweite Reihe meiner magnetischen Beobachtungen mitzuteilen: dieser Brief wird Ihnen durch Herrn Kupffer ausgehändigt werden, der auch an unseren entsprechenden Beobachtungen teilgenommen hat; so sind diese auf Ihre Anweisung hin unternommenen Beobachtungen in Paris, in Berlin, in Freiberg, in St. Petersburg, in Nikolaev und in Kazan’ durchgeführt worden.“10 In der Tat wurde dank der Unterstützung des Kurators Musin-Puškin ein „magnetisches Häuschen“ auf dem Gelände des alten Botanischen Garten der Universität gebaut, das 1830 vollendet war (Honigmann 1984, S. 74). In Kasan konnte man nunmehr regelmäßig Beobachtungen des Erdmagnetismus durchführen. Simonov war einer der ersten Wissenschaftler in Russland, die sich zu einem so frühen Zeitpunkt mit dem Erdmagnetismus beschäftigten (Roussanova 2008, S. 78).

16.2.4. Simonovs Tätigkeit in Kasan Die Ausstattung der ersten Universitätssternwarte in Kasan wurde durch die 1824 in Wien bei Joseph Johann Littrow bestellten astronomischen Instrumente, darunter einen Meridiankreis, noch erheblich verbessert. Im Jahre 1833 konnte endlich mit dem Bau einer der Bedeutung der Universität angemessenen Sternwarte begonnen werden. Die Entwürfe hierzu stammten von Simonov und dem Universitätsarchitekten Michail Petrovič Korinfskij. Die Sternwarte wurde 1837 fertiggestellt (Abb. 78) und konnte mit ausgezeichneten Instrumenten ausgestattet werden. So lieferte etwa das Optische Institut in München im Jahre 1837 einen Refraktor mit 9 Zoll Öffnung. Leider fiel die neue Sternwarte bereits am 24. August/5. September 1842 dem schrecklichen Stadtbrand zum Opfer. Aber die kostbaren Instrumente konnten vorher an einen sicheren Ort verbracht werden. Die Beseitigung der Schäden dauerte bis ins Jahr 1848. In diesem Jahr bekam die Sternwarte dann einen neuen Repsoldschen Meridiankreis von 115 cm Durchmesser (Korytnikov 1955a, S. 274, 280; Ventzke 2004, S. 185). Das Gebäude der Sternwarte ist bis heute erhalten geblieben.

10 Brief von Simonov an Humboldt vom 28.10/9.11.1929 (Kasan), fr. Original und dt. Übersetzung in: Briefwechsel Humboldt–Russland 2009, S. 208–210, hier S. 210.

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Abb. 78. Gebäude des von 1833 bis 1837 errichteten Astronomischen Observatoriums in Kasan und dessen Grundriss Lithographie von Charles Beggrow aus: Simonov/Ljapunov 1842. Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 1350.

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Bei seinen Vorlesungen über Astronomie benutzte Simonov die Werke von d’Alembert, Lalande, Littrow und Schubert sowie eigene Scripte (Zagoskin 1899, S. 10–12); Gauß wurde in den Vorlesungsankündigungen nicht explizit genannt.11 Im Jahre 1832 erschien Simonovs Einführung in die theoretische Astronomie: „Rukovodstvo k umozritel’noj astronomii“,12 die als eines der ersten modernen Lehrbücher der Astronomie in russischer Sprache gilt (Simonov 1832). Was die Erforschung des Erdmagnetismus in Kasan betrifft, so verlief diese auch weiterhin in engem Kontakt mit dem seit 1828 in St. Petersburg wirkenden Adolph Theodor Kupffer. Der Briefwechsel zwischen den beiden Gelehrten, der in Kasan13 und in St. Petersburg14 aufbewahrt wird, zeigt, dass solche Themen wie magnetische Beobachtungen, Magnetometer sowie der Bau eines Magnetischen Observatoriums einen beträchtlichen Teil ihres wissenschaftlichen Austausches ausmachten (Ožigova 1977). So informierte Kupffer seinen Kasaner Kollegen Simonov bereits im August 1833 darüber, dass in Göttingen ein neues Magnetisches Observatorium gebaut werden sollte: „Je viens d’apprendre, que le Sénat academique de Gottingue a ordonné la construction d’un petit observatoire magnétique, non loin du grand observatoire astronomique, qui sera placé sous la direction de M. Gauss.“15 Simonov war von 1822 bis 1823, von 1825 bis 1826 und von 1828 bis 1830 Dekan der Physikalisch-Mathematischen Abteilung. Nachdem Lobačevskij im Jahre 1846 das Rektorat der Universität Kasan niedergelegt hatte, wurde Simonov sein Nachfolger in diesem Amt, das er bis zu seinem Lebensende innehaben sollte. Im Jahre 1848 verfasste Simonov eine umfangreiche Autobiographie, die ein Verzeichnis seiner Publikationen enthält (Korytnikov 1955a). Nach langer Krankheit verstarb Simonov in der Nacht vom 9./21. auf den 10./22. Januar 1855 in Kasan im Alter von 60 Jahren (Simonov 1856),16 nur wenige Wochen später verschied Gauß in Göttingen.

11 Angaben bis 1827. 12 Originaltitel: „Ɋɭɤɨɜɨɞɫɬɜɨ ɤɴ ɭɦɨɡɪɢɬɟɥɶɧɨɣ ɚɫɬɪɨɧɨɦiɢ“. 13 25 Briefe von Kupffer an Simonov von 1829 bis 1853 in französischer Sprache, Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 4507/55–79. 14 10 Briefe von Simonov an Kupffer aus den Jahren 1842 bis 1853 in französischer Sprache, St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 150. 15 Brief von Kupffer an Simonov vom 26.8./7.9.1833 (St. Petersburg), Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 4507/63. 16 Der Text des Nekrologs (Simonov 1856) stimmt mit der von Simonov 1848 niedergeschriebenen Autobiographie, die zuerst 1955 veröffentlicht wurde, weitgehend überein (Korytnikov 1955a. S. 268–277).

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16.2.5. Simonovs Reise nach Großbritannien, Frankreich, Belgien und Deutschland: 1842 Im Sommer 1842 trat Simonov eine weitere, vier Monate dauernde Auslandsreise an. Anlass dazu war seine Teilnahme an der Tagung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, die vom 19. bis 26. September in Mainz stattfinden sollte. Die Reise führte ihn von Kasan über St. Petersburg nach Travemünde, Lübeck und Hamburg, wo Simonov kurz nach dem großen, vom 5. bis zum 8. Mai 1842 dauernden Brand eintraf, der beträchtliche Teile der Hamburger Altstadt zerstört hatte. Von Altona aus reiste er nach London, von dort aus besuchte er Greenwich, Woolwich, Kensington, Kew und Windsor. Von Portsmouth aus führte ihn der Weg weiter über Le Havre und Rouen nach Paris. In der Philomathischen Gesellschaft zu Paris erörtete Simonov Probleme des Erdmagnetismus und hielt einen Vortrag über ein neues, von ihm konstruiertes Deklinatorium (Simonov 1844, S. 151–157). Über Brüssel, Brügge, Gent, Antwerpen, Löwen, Lüttich, Köln und Bonn ging es weiter nach Mainz, wo Simonov an der Tagung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte teilnahm (ebenda, S. 301–310) und am 23. September 1842 seinen ersten Vortrag „sur le nouvel emploie du Magnétomètre unifilaire portatif et sur le Magnétisme terrestre en général“ hielt, den er an dem zu diesem Zwecke aufgestellten Instrument erläuterte.17 Bei der nächsten Sitzung berichtete er über die Ergebnisse seiner Arbeiten zum Erdmagnetismus. Sein Vortrag trug den Titel „Sur les principes de ses recherches sur l’action magnétique de la terre et les résultats qu’il a obtenus“.18 Im Tagungsband wurden seine Beiträge nicht publiziert, sondern es wurde lediglich auf Simonovs frühere in Kasan erschienene Publikation (Simonov 1840) hingewiesen; diese ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 660).19 An der Mainzer Tagung nahmen auch Adolph Theodor Kupffer, Andreas von Ettingshausen und Christian Ludwig Gerling teil. Letzterer berichtete rückblickend Gauß in einem Brief vom 28. Dezember 1842: „Mein Aufenthalt in Mainz von ca. 4 Tagen hat mir die Erneuerung einiger alten Bekanntschaften und die Anknüpfung einiger neuen verschafft, die mir recht interessant waren. Namentlich habe ich dort zum erstenmal mit Ettingshausen aus Wien verkehrt, auch Kupffer aus Petersburg […], Simonoff aus Kasan und noch mehrere Leute persönlich kennen gelernt, mit denen ich zum Teil schon früher in irgend welchen Konnexionen gestanden“ hatte (Briefwechsel Gauß– Gerling 1927, S. 651). Am letzten Tag der Versammlung erhielt Simonov die Nachricht, dass in Kasan ein großes Feuer ausgebrochen war, das nicht nur die Stadt, sondern 17 Amtlicher Bericht über die 20. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Mainz im September 1842. Mainz 1843, S. 76. 18 Ebenda, S. 85. 19 Vgl. Simonov 1845.

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auch seine Sternwarte verwüstet hatte (Simonov 1844, S. 308–309). Von Mainz aus fuhr er über Frankfurt am Main, Göttingen, Halle und Leipzig nach Dresden. Nach einem Besuch in Köthen und Magdeburg sowie nochmals in Hamburg und Altona kehrte Simonov über Lübeck nach St. Petersburg und von da aus nach Kasan zurück. Über seine Reise verfasste Simonov einen 333 Seiten langen Bericht: „Zapiski i vospominanija o putešestvii po Anglii, Francii, Bel’gii i Germanii v 1842 godu“ (Aufzeichnungen und Erinnerungen über eine Reise durch England, Frankreich, Belgien und Deutschland im Jahre 1842),20 der ein einzigartiges zeitgenössisches Dokument darstellt (Simonov 1844).

16.2.6. Der große Brand im August 1842 in Kasan und der Wiederaufbau der Sternwarte und des Magnetischen Observatoriums Obwohl die Stadt Kasan schon mehrmals von Bränden heimgesucht worden war, war der Brand, der im August 1842 ausbrach, einer der verheerendsten in der Geschichte der Stadt. Das Feuer hatte für fast alle Bürger schwerwiegende Folgen, und auch die Universität musste schwere Verluste hinnehmen. Simonov berichtete am 5./17. Dezember 1842 Adolph Theodor Kupffer in St. Petersburg, dass in Kasan sowohl das Astronomische als auch das Magnetische Observatorium ganz und gar den Flammen zum Opfer gefallen waren. Nur dank dem persönlichen Einsatz vieler junger Leute – „notre brave jeunesse“ – hatten trotz riesiger Gefahren fast alle Instrumente in Sicherheit gebracht werden können. Auch wurden alsbald Räumlichkeiten gefunden, um die geretteten magnetischen Instrumente vorläufig unterzubringen. Man hoffe, so Simonov, dass am 1./13. Januar 1843 die magnetischen Beobachtungen würden fortgesetzt werden können. Ferner sei man gerade dabei, die teilweise beschädigten astronomischen Instrumente zu reparieren. Auch Simonovs Haus blieb von den Auswirkungen des Brandes nicht verschont. Er lebte nunmehr in einer ziemlich teuren Mietwohnung. Den Studenten war es allerdings gelungen, seine Bibliothek zu retten, doch viele seiner persönlichen Gegenstände waren verloren gegangen. Trotzdem konnte Simonov bereits zu diesem Zeitpunkt von Plänen für den Wiederaufbau des Magnetischen Observatoriums berichten: „Le nouvel Observatoire magnétique sera construit d’après un nouveau plan, très commode et très élégant“.21 Schon kurze Zeit später, in einem am 3./15. Februar 1843 an Kupffer gerichteten Brief, beschrieb Simonov einige Details und legte Kopien der Pläne des Magnetischen Observatoriums bei. Wiederum waren es Studenten gewe20 Originaltitel: „Ɂɚɩɢɫɤɢ ɢ ɜɨɫɩɨɦɢɧɚɧiɹ ɨ ɩɭɬɟɲɟɫɬɜiɢ ɩɨ Ⱥɧɝɥiɢ, Ɏɪɚɧɰiɢ, Ȼɟɥɶɝiɢ ɢ Ƚɟɪɦɚɧiɢ ɜɴ 1842 ɝɨɞɭ ɩɪɨɮɟɫɫɨɪɚ ɋɢɦɨɧɨɜɚ“. 21 St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 150, l. 1–2.

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sen, die dafür gesorgt hatten, dass die Pläne kopiert worden waren, um Kupffer informieren zu können. Auch waren die Pläne bereits vom Minister gebilligt worden, nur bezüglich der Fassade war man sich noch nicht einig. Eine mit gothischen Ornamenten versehene Fassade schien den staatlichen Stellen zu teuer zu sein. Simonov bat Kupffer ferner um Ratschläge, was den Neubau anbelangte. Im folgenden lieferte er eine ziemlich detaillierte Beschreibung der Pläne, allerdings sind die Kopien der gezeichneten Pläne nicht mehr vorhanden: „a est l’entrée, b le cabinet des observations, au-dessus duquel il y a encore un petit cabinet, où on entre par l’escalier c. Ce dernier cabinet est destiné pour y mettre les registres, les livres, les niveaux et d’autres objets, lesquels ne doivent pas être touchés par les observateurs. Le directeur et son aide peuvent s’occuper dans cette chambre de calculs, sans déranger les observateurs. La demeure du consierge sera faite au-dessous du rez-de-chaussée. Au nord du pavillon il y aura un balcon pour y placer les termomètres exterieurs et un psychromètre. Au dessus de la sale principale il y aura une vente sur laquelle en verra la direction de vents. Au dessous des planchers, à l’endroit de l’un et de l’autre magnétomètre, seront posé des fondements très solides et isolés de toutes les parties du pavillon. J’ai l’intention de mettre sur chacun de ces fondements deux piliers, avec une pierre mise sur chaque paire des piliers: c’est sur ces pierres que les suspensions des barreaux seront pratiquées. De cette manière les barreaux seront très solidement suspendus et isolés comme les instruments méridiens dans les observatoires astronomiques. – Les fils de suspension et les barreaux (outre les [sic, la] caisse) seront couverts des haut en bas, d’un côté par les piliers mêmes de l’autre par des cloisons de bois encadrées dans les piliers. Les cloison[s] auront des portes, de chaque côté, qu’on ouvrira en cas de nécessité; mais ordinairement elles seront bien fermée, et même à la clef; pour empecher de toucher aux barreaux et aux fils de suspension, sans besoin. Il s’entend que, dans les directions des miroires, des mires, et pour observer le therm[omètre] du magnetom[ètre] bifilaire, doivent être percé, des petites ouvertures, qu’on puisse fermer et ouvrir à volonté. J’espere que, tout l’appareil d’un magnétomètre étant encaissé de la sorte, l’action des courents d’air sera impossible. – Si Vous approuvez mes idées, je Vous prie, mon cher ami, de me dire quelle hauteur dois-je donner aux piliers, où, ce qui revient au même, de quelle longueure doivent être les fils de suspension? –“22 [Buchstabengetreue Wiedergabe !]

16.3. Simonov und Gauß Simonov hatte mit Sicherheit bereits während seines Studiums an der Universität Kasan durch seinen Lehrer Martin Bartels den Namen von Gauß kennenund schätzengelernt. Was Simonov und Gauß miteinander verband, war na22 Ebenda, l. 3–4.

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türlich die Astronomie, insbesondere aber das Forschungsgebiet Erdmagnetismus. Darüber veröffentlichte Simonov 1837 in dem von Leopold Crelle herausgegebenen „Journal für die reine und angewandte Mathematik“ einen Beitrag „Sur le magnétisme terrestre“ (Simonov 1837). Bereits im Jahre 1836 waren in den „Annalen der Physik und Chemie“ seine Briefe an Alexander von Humboldt aus den Jahren 1833 und 1834 publiziert worden, die die Ergebnisse von Simonovs magnetischen Beobachtungen dokumentieren (Simonov 1836a und b). Erste persönliche Kontakte zwischen Gauß und Simonov sind vielleicht schon im Jahre 1838 geknüpft worden, denn in der Gauß-Bibliothek befindet sich Simonovs Beschreibung des Astronomischen Observatoriums der Kaiserlichen Universität Kasan: „Opisanie Astronomičeskoj Observatorii Imperatorskago Kazanskago Universiteta“23 (Simonov 1838). Das dortige Exemplar (GB 1351) weist allerdings keinerlei Gebrauchsspuren auf (Lehfeldt 2011, S. 319–320, Nr. 25). Es kann natürlich sein, dass Gauß bereits früher etwas über Simonov und dessen Forschungen erfahren hatte, zum Beispiel durch Alexander von Humboldt oder durch Adolph Theodor Kupffer; doch lässt sich dies nicht belegen.

16.3.1. Simonovs Besuch bei Gauß in Göttingen vom 28. bis zum 30. September 1842 Auf seiner viermonatigen Reise durch Europa kam Simonov auch nach Göttingen, wo er selbstverständlich Gauß einen Besuch abstattete. Simonov schenkte Gauß bei dieser Gelegenheit folgende Werke, die sich heute in der Gauß-Bibliothek befinden: „Recherches sur l’action magnétique de la terre“ (Simonov 1840; GB 660) und „Observations astronomiques faites à l’observatoire de l’université impériale de Kazan“ (Simonov/Ljapunov 1842; GB 1350). Die erste Veröffentlichung ist mit folgender in russischer Sprache geschriebenen Widmung versehen: „Ɇɢɥɨɫɬɢɜɨɦɭ Ƚɨɫɭɞɚɪɸ Ƚɨɫɩɨɞɢɧɭ ɇɚɞɜɨɪɧɨɦɭ ɋɨɜ࣎ɬɧɢɤɭ, ɉɪɨɮɟɫɫɨɪɭ ɢ Kɚɜɚɥɟɪɭ Ƚɚɭɫɫɭ ɜɴ Ɂɧɚɤɴ ɝɥɭɛɨɱɚɣɲaɝɨ ɉɨɱɬɟɧiɹ oɬɴ Cɨɱɢɧɢɬɟɥɹ. Ƚɟɬɬɢɧɝɟɧɴ 1842 ɋɟɧɬɹɛɪɶ 18 30 ɞɧɹ.“

Übersetzung: „Dem gnädigen Herrn Hofrat, Professor und Ritter Gauß als Zeichen tiefster Verehrung vom Autor. Göttingen 1842, 18./30. September.“

23 Originaltitel: „Ɉɩɢɫɚɧiɟ Ⱥɫɬɪɨɧɨɦɢɱɟɫɤɨɣ Oɛɫɟɪɜɚɬɨɪiɢ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɚɝɨ Ʉɚɡɚɧɫɤaɝɨ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ“.

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Das zweite Werk ist mit folgender Widmung versehen (Abb. 79): „ȿɝɨ ȼɵɫɨɤɨɪɨɞiɸ Ɇɢɥɨɫɬɢɜɨɦɭ Ƚɨɫɭɞɚɪɸ Ƚɨɫɩɨɞɢɧɭ ɇɚɞɜɨɪɧɨɦɭ ɋɨɜ࣎ɬɧɢɤɭ ɉɪɨɮɟɫɫɨɪɭ ɢ Kɚɜɚɥɟɪɭ, Ɇɧɨɝɢɯɴ Ⱥɤɚɞɟɦiɣ ɢ ɍɱɟɧɵɯɴ ɨɛɳɟɫɬɜɴ ɑɥɟɧɭ Ɂɧɚɦɟɧɢɬɨɦɭ Ƚɚɭɫɫɭ ɍɫɟɪɞɧ࣎ɣɲɟɟ ɉɪɢɧɨɲɟɧɢɟ Ɉɬɴ ɩɪɨɮɟɫɫɨɪɚ ɋɢɦɨɧɨɜɚ Ƚɟɬɬɢɧɝɟɧɴ 1842 ɝɨɞɚ ɋɟɧɬɹɛɪɶ 18 30 ɞɧɹ.“

Übersetzung: „Seiner Hochwohlgeboren, dem gnädigen Herrn Hofrat, Professor und Ritter, Mitglied vieler Akademien und gelehrter Gesellschaften, dem berühmten Gauß, ein beflissenstes Geschenk von Professor Simonov. Göttingen 1842, 18./30. September“ (Reich 2003a, S. 388).

Abb. 79. Titelseite der Abhandlung „Observations astronomiques faites à l’observatoire de l’université impériale de Kazan“ (Simonov/Ljapunov 1842) mit der Widmung des Verfassers an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 1350.

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Selbstverständlich berichtete Simonov in seinem großartigen Reisebericht „Zapiski i vospominanija o putešestvii po Anglii, Francii, Bel’gii i Germanii“ auch über seinen Aufenthalt in Göttingen (Simonov 1844, S. 315–321). Dieser Bericht wurde auf russisch verfasst.24 Im Folgenden werden die Gauß betreffenden Ausschnitte in deutscher Übersetzung vorgestellt: „Göttingen. Meine Gedanken strebten nach Russland,25 jedoch nötigten mich verschiedenartige Verpflichtungen, in Göttingen und in Dresden zu sein. In der ersten dieser Städte sollte ich den berühmten Mathematiker und Astronomen Gauß sehen. Sein Name hatte sich meinem Gedächtnis bereits seit der Zeit eingeprägt, als ich als Student angesichts meines unvergesslichen Professors Bartels die Bank drückte, eines Landsmannes und Freundes von Gauß. Kurz zuvor war Gauß’ vortreffliche Abhandlung Theorie der Bewegung der Himmelskörper26 erschienen. Diese Frucht der tiefen Gedanken von Gauß ist so eng mit der Entdeckung der vier neuen Planeten verbunden, die den Beginn unseres Jahrhunderts ausgezeichnet haben […]. Mit Vergnügen zeigte mir Herr Gauß selbst die schönen Observatorien, das astronomische und das magnetische.27 Er leitet diese beiden, gegenwärtig jedoch beschäftigt er sich mehr mit magnetischen Beobachtungen. Ihm half Professor Weber, der auch selbst viele interessante und wichtige Untersuchungen zum Erdmagnetismus durchgeführt hat. Jedoch blieb er nicht lange in Göttingen, da er schon als Professor für Physik nach Leipzig berufen worden war.28 Ich lernte ihn bei Gauß kennen. […] Das magnetische Observatorium befindet sich in der Nähe des astronomischen: es beherbergt die von Gauß erfundenen Magnetometer. […] Ich hielt mich drei Tage in Göttingen auf und führte jeden Tag Gespräche mit dem berühmten Gauß, nicht nur über die Wissenschaften, die uns beschäftigen, sondern in nicht geringerem Maße auch über die russische Literatur. Es ist erstaunlich, dass der berühmte Mathematiker im siebenten Jahrzehnt seines Lebens begonnen hat, Russisch zu lernen, und soweit gekommen ist, dass er russische Dichter und Schriftsteller versteht. Bei der Lektüre russischer Bücher hat der die Ausdrücke in ihnen bis zur letzten Feinheit erlernt. Er sagt, dass 24 Einige kurze Ausschnitte aus Simonovs Bericht hat bereits Biermann in deutscher Übersetzung publiziert (Biermann 1990, S. 175). Die Übersetzung des gesamten Abschnitts über Göttingen in: Roussanova 2008, S. 85–88. 25 Simonov hatte kurz vor seinem Aufenthalt in Göttingen die Nachricht vom Brand in Kasan erhalten. 26 „Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium“ (Gauß 1809a). 27 Die neue Universitätssternwarte Sternwarte in Göttingen wurde 1816 fertiggestellt. Das magnetische Observatorium wurde 1833 auf dem Gelände der Sternwarte errichtet (Beuermann 2005). 28 Wilhelm Weber gehörte zu den sogenannten „Göttinger Sieben“, die Ende 1837 fristlos entlassen worden waren. Er blieb allerdings noch bis 1843 in Göttingen, wechselte aber dann an die Universität Leipzig, wo er bis 1849 tätig war.

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sein Wunsch, russische Werke im Original zu lesen, eine Folge des Verlangens gewesen sei, sein sechzigjähriges Gedächtnis auf die Probe zu stellen. Die Göttinger Universität konnte ich wegen der Ferienzeit nicht ausführlich sehen, jedoch besuchte ich oft die schöne mechanische Werkstatt von Herrn Meyerstein, in der ausgezeichnete astronomische und physikalische Instrumente hergestellt werden, insbesondere solche, die sich auf den Magnetismus beziehen“ (Roussanova 2008, S. 85–88). Gewiss war für Gauß interessant, was Simonov in seinem Reisebericht über Göttingen schreibt. Er las die entsprechenden Stellen dieses auf russisch verfassten Werkes und machte anschließend Simonov in seinem Brief auf eine Ungenauigkeit aufmerksam: Simonov hatte nämlich geschrieben, dass Harding den Planeten Juno auf der Göttinger Sternwarte entdeckt habe (Brief Nr. 2). Tatsächlich aber hatte Harding die Juno am 1. September 1804 auf der Sternwarte in Lilienthal bei Bremen entdeckt. Der Gauß-Forscher Kurt-R. Biermann erwähnt, dass er aus der Gauß-Bibliothek Simonovs Reisebericht (GB 1060) entliehen und in diesem wahrscheinlich noch von Gauß eingelegte Papierstreifen als Lesezeichen gefunden habe (Biermann 1964b, S. 45). Leider sind diese Papierstreifen jetzt nicht mehr vorhanden.

Abb. 80. Blick auf die Sternwarte und auf das Magnetische Observatorium (links) in Göttingen Zeichnung von Friedrich Adolf Hornemann vor 1854, gestochen von E. Wagner. Privatbesitz von Klaus Beuermann, Göttingen.

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16.3.2. Gauß’ Diplom eines Ehrenmitgliedes der Universität Kasan: 1849 Bereits im Jahre 1814, aus Anlass der feierlichen Eröffnung der PhysikalischMathematischen Fakultät der Universität Kasan, war eine Reihe von bekannten ausländischen Gelehrten zu Ehrenmitgliedern der Universität gewählt worden. Auf der Liste der gewählten Ehrenmitglieder29 stand auch der Name des damals 37-jährigen Carl Friedrich Gauß. Martin Bartels und Joseph Johann Littrow hatten die Liste der Vorschläge mit unterschrieben. Gauß hatte jedoch damals keine Nachricht über diese Auszeichnung erhalten. Auch während des Besuches von Simonov bei Gauß im Jahre 1842 scheint dieser Umstand nicht zur Sprache gekommen zu sein. In einem Brief vom 2. September 1848 aber gestand Gauß Simonov, dass ihn die Anrede als Mitglied der Kaiserlichen Universität Kasan verwirrt habe (Brief Nr. 2).30 Nun setzte sich Simonov in Kasan dafür ein, dass für Gauß ein Diplom als Ehrenmitglied der Universität ausgestellt wurde. In den Archivakten in Kasan ist ein Beschluss des Universitätsrates festgehalten, der in deutscher Übersetzung wie folgt lautet: „In der Sitzung vom 19. März/1. April 1849 teilte der Rektor der Universität Kasan, Simonov, der Versammlung mit, dass der Göttinger Professor Carl Friedrich Gauß, der am 16. Dezember 1814 vom ehemaligen Minister für Volksaufklärung als Ehrenmitglied der Universität Kasan bestätigt worden ist, in einem Brief berichtet habe, dass er bislang noch nicht das Vergnügen gehabt habe, das Diplom eines Ehrenmitglieds zu erhalten, und dass er den Wunsch geäußert habe, ein solches in russischer Sprache von der Universität zugesandt zu bekommen“31 (Abb. 81). Es wurde daher beschlossen, den Direktor der Universitätsdruckerei zu beauftragen, das Diplom eines Ehrenmitgliedes der Universität für Gauß ausführen zu lassen, und zwar, wie gewünscht, auf russisch. Bereits vier Tage später, am 23. März/4. April 1849, war die Urkunde fertiggestellt (Abb. 82). Sicherlich wurde sie Gauß nach Deutschland gesandt, denn sie befindet sich heute im Stadtarchiv in Braunschweig. Das entsprechende Begleitschreiben ist jedoch nicht mehr vorhanden. Man kann nur vermuten, dass es von Simonov verfasst worden war.

29 Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. Sovet, ʋ 117, l. 86–87 sowie f. 977, op. FMF, ʋ 5, l. 2. 30 Der Prorektor der Universität Kasan, Karl Karlovič Fojgt, nannte Gauß in seinem Begleitbrief vom 12./24.7.1848 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Universität Kasan (Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 43 Nr. 40). 31 Kasan, Nationalarchiv der Republik Tatarstan, f. 977, op. Sovet, ʋ 3103, l. 26.

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Abb. 81. Protokoll der Sitzung des Universitätsrates in Kasan vom 19. März/1. April 1849 Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. Sovet, ʋ 3103, l. 26.

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Der Text des Diploms lautet in deutscher Übersetzung: „Unter der Hohen Schirmherrschaft des Durchlauchtigsten, Mächtigsten Großen Herrschers, Nikolaj Pavlovič [Nikolaj I.], Imperators und Selbstherrschers ganz Russlands und so weiter, und so weiter, und so weiter bestätigt die Kaiserliche Kasaner Universität hiermit, dass der Universitätsrat, in Anerkennung der wirklichen Verdienste, die der Autor der unvergänglichen Schriften „Theoria motus corporum coelestium“ und „Disquisitiones arithmeticae“ der wissenschaftlichen Welt erwiesen hat, und in Würdigung seiner unermüdlichen Tätigkeit und aktiven Teilnahme an allen wichtigen Fragen zu den wichtigen physikalischen Erscheinungen der Natur sowie der Wissenschaft des Messens und Berechnens, andererseits in Verehrung der tiefschürfenden Forschungen, die den genialen Carl Friedrich Gauß in den Rang eines erstklassigen Mathematikers in Europa erhoben haben, ihn zum Ehrenmitglied der Universität erwählt hat. Für diese Ernennung wird entsprechend dem Ersuchen des Kurators des Kasaner Bildungsbezirks und der Bestätigung durch den Herrn Minister der Volksaufklärung ihm, dem berühmten Gauß, dieses Diplom mit den entsprechenden Unterschriften und unter Beifügung des [Universitäts-]Siegels gegeben. Kasan, den 23. März 1849“ (Reich 2003a, S. 389).

Das Diplom wurde von Simonov als Rektor der Universität sowie von Pëtr Ivanovič Kotel’nikov als Dekan der Zweiten Abteilung der Philosophischen Fakultät unterschrieben. Der Kurator des Bildungsbezirks Kasan war seit 1847 Vladimir Porfir’evič Molostvov. Das Amt des Ministers für Volksaufklärung hatte von 1833 bis zum 25. Oktober 1849 Sergej Semënovič Uvarov inne.

16.3.3. Inhalt der Briefe Es sind lediglich zwei Briefe erhalten, die zwischen Gauß und Simonov gewechselt worden sind. In Göttingen befindet sich ein Schreiben von Simonov an Gauß und in Kasan eines von Gauß an Simonov. Den einzigen erhaltenen Brief an Gauß schrieb Simonov am 13. Oktober 1842 in Hamburg, als er im Begriff war, Deutschland zu verlassen, um per Schiff wieder zurück nach Russland, genauer gesagt zunächst nach Lübeck und von dort aus nach St. Petersburg zu reisen. Simonov bedankte sich insbesondere für die ihm erwiesene Gastfreundschaft und übersandte Gauß seine auf französisch verfasste Abhandlung „Nouvelle méthode pour déterminer la déclinaison magnétique absolue“, die alsbald in der von Gauß und Weber herausgegebenen Zeitschrift „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins“ zu Göttingen in deutscher Übersetzung erschien (Simonov 1843).

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Abb. 82. Diplom als Ehrenmitglied der Universität Kasan, ausgestellt für Carl Friedrich Gauß in russischer Sprache, vom 23. März/4. April 1849 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 16.

Interessant ist dabei, dass von Simonovs Arbeit nicht nur eine Übersetzung angefertigt wurde, sondern dass auch manche der von Simonov im französischen Original geschriebenen Formeln verändert wurden; es muss also jemand nachgerechnet haben; vielleicht ist dies Gauß selbst gewesen. Auf Simonovs Wunsch wurden seine im Jahre 1844 in Kasan erschienenen Aufzeichnungen und Erinnerungen über die Reise durch England, Frankreich, Belgien und Deutschland im Jahre 1842 (Simonov 1844) am 12./24. Juli 1848 an Gauß geschickt. Der Buchsendung war der folgende Brief des Prorektors der Universität Kasan beigelegt:

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„Ƚ. ɉɨɱɟɬɧɨɦɭ ɑɥɟɧɭ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɚɝɨ Ʉɚɡɚɧɫɤɚɝɨ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ Ƚɚɭɫɭ [sic] ɜɴ Ƚɟɬɬɢɧɝɟɧ࣎ ɋɨɝɥɚɫɧɨ ɠɟɥɚɧiɸ Ƚ. Ɋɟɤɬɨɪɚ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɚɝɨ Ʉɚɡɚɧɫɤɚɝɨ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ, Ɂɚɫɥɭɠɟɧɧɚɝɨ ɉɪɨɮɟɫɫɨɪɚ, Ⱦ࣎ɣɫɬɜɢɬɟɥɶɧɚɝɨ ɋɬɚɬɫɤɚɝɨ ɋɨɜ࣎ɬɧɢɤɚ ɋɢɦɨɧɨɜɚ, ɉɪɚɜɥɟɧiɟ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ ɢɦ࣎ɟɬɴ ɱɟɫɬɶ ɩɪɟɩɪɨɜɨɞɢɬɶ ɩɪɢ ɫɟɦɴ ɜɴ ɞɚɪɴ ȼɚɦɴ ɨɞɢɧɴ ɷɤɡɟɦɩɥɹɪɴ ɟɝɨ, Ƚ. ɋɢɦɨɧɨɜɚ, ɫɨɱɢɧɟɧiɹ ɩɨɞɴ ɧɚɡɜɚɧɿɟɦɴ: „Ɂɚɩɢɫɤɢ ɢ ɜɨɫɩɨɦɢɧɚɧiɹ ɨ ɩɭɬɟɲɟɫɬɜiɢ ɩɨ Ⱥɧɝɥiɢ, Ɏɪɚɧɰiɢ, Ȼɟɥɶɝiɢ ɢ Ƚɟɪɦɚɧiɢ“, ɩɨɤɨɪɧ࣎ɣɲɟ ɩɪɨɫɹ ɨ ɩɨɥɭɱɟɧiɢ ɨɧɚɝɨ ɩɨɱɬɢɬɶ ɉɪɚɜɥɟɧiɟ ɭɜ࣎ɞɨɦɥɟɧiɟɦɴ. ɉɪɨɪɟɤɬɨɪɴ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ [Ʉɚɪɥ Ɏɨɣɝɬ]“.32

Übersetzung: Dem Herren Ehrenmitglied der Kaiserlichen Universität Kasan Gauß in Göttingen Auf Wunsch des Herrn Rektors der Kaiserlichen Universität Kasan, des verdienten Professors, Wirklichen Staatsrats Simonovs, hat die Universitätsverwaltung die Ehre, Ihnen ein Exemplar der Schrift von Simonov mit dem Titel: „Aufzeichnungen und Erinnerungen über eine Reise durch England, Frankreich, Belgien und Deutschland“ als Geschenk zukommen zu lassen, dabei Sie ergebenst bittend, die Verwaltung mit einer Benachrichtigung über deren Empfang zu beehren. Prorektor der Universität [Unterschrift: Karl Fojgt]

Gauß bedankte sich bei Simonov in einem Brief vom 2. September 1848 und berichtete über ein kleines Abenteuer, das sich bei der Zustellung der Sendung ereignet hatte; eine falsche Transliteration des Namens von Gauß hatte für Verwirrung gesorgt. Dieser sehr lesenswerte Reisebericht Simonovs (Simonov 1844) – eine Rarität in deutschen Bibliotheken, ist heute noch in der GaußBibliothek vorhanden (GB 1060).

16.4. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr. 1 2

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Datum 13.10.1842 2.9.1848

Ort

Verfasser / Empfänger

Hamburg Göttingen

Simonov an Gauß Gauß an Simonov

Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 43 Nr. 40.

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Brief 1. Simonov an Gauß, 13. Oktober 1842 (Hamburg) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Simonov (2 S. sowie Abhandlung 5 S.) Publikation des ersten Teils des Briefes in: Lehfeldt 2005a, S. 66–67, Lehfeldt 2011, S. 320– 321 (russischer Originaltext und deutsche Übersetzung). Publikation der Abhandlung „Nouvelle méthode pour déterminer la déclinaison magnétique absolue“ in deutscher Übersetzung „Über eine neue Methode zur Bestimmung der absoluten Declination“ in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1841“ (Simonov 1843).

[Erster Teil in russischer Sprache] Mɢɥocɬɢɜɵɣ Ƚocyɞapɶ ɂɦ࣎ɸ ɱecɬɶ ɩpɢɧecɬɢ Baɦɴ ɦoɸ ɠɢɜ࣎ɣɲyɸ ɛɥaɝoɞapɧocɬɶ ɡa ɛɥaɝocɤɥoɧɧocɬɶ oɤaɡaɧɧyɸ ɦɧ࣎ Baɦɢ ɜo ɜpeɦɹ ɩpeɛɵɜaɧɿɹ ɦoeɝo ɜɴ Ƚeɬɬɢɧɝeɧ࣎. ɉo ɠeɥaɧɿɸ ȼaɲeɦy, ɜecɶɦa ɞɥɹ ɦeɧɹ ɥecɬɧoɦy, ɩocɩ࣎ɲaɸ ɩpeɩpoɜoɞɢɬɶ ɤɴ Baɦɴ oɩɢcaɧɿe ɦaɝɧɢɬɧaɝo ɢɧcɬpyɦeɧɬa, ɢ ɩopyɱaɸ ɜɴ ȼaɲy ɛɥaɝocɤɥoɧɧocɬɶ ɤaɤɴ cɬaɬɶɸ ɦoɸ, ɧacɤopo ɧaɩɢcaɧɧyɸ, ɬaɤɴ ɢ ceɛɹ ɥɢɱɧo.

[Gnädiger Herr Ich habe die Ehre, Ihnen meinen lebhaftesten Dank abzustatten für die mir von Ihnen während meines Aufenthalts in Göttingen erwiesene Wohlgeneigtheit. Auf Ihren, für mich sehr schmeichelhaften Wunsch hin beeile ich mich, Ihnen die Beschreibung des magnetischen Instruments zukommen zu lassen, und empfehle Ihrer Wohlgeneigtheit sowohl meinen in Eile geschriebenen Artikel wie auch mich selbst persönlich.]33

[Zweiter Teil in französischer Sprache; hier buchstabengetreu wiedergegeben] J’avoue franchement que je voudrais que mon article soit publié dans votre édition en langue allemande, et Vous m’obligerai infiniment si Vous voulez bien charger quelqu’un de traduire en allemand ce que j’ai ecrit à la hâte dans la langue, qui m’est étrangère. Monsieur Struve a ecrit à Mr. Schoumacher qu’il a des nouvelles recentes de Kasan, et qu’après l’incendie ma famille se porte très bien: c’est deja une grande consolation pour moi. Je me crois heureux de Vous avoir vu, car dès ma jeunesse j’ai porte le plus grand respect et l’admiration pour Vos sublimes travaux et depuis mon séjour à Goettingue Votre bonté pour moi a attaché pour toujours mon coeur reconnaissant à Votre personne. Je Vous prie d’agréer ces sentiments respectueux avec lesquels j’ai l’honneur d’être Monsieur

33 Die Übersetzung aus dem Russischen stammt von Werner Lehfeldt (Lehfeldt 2005a, S. 66–67, Nr. 26; Lehfeldt 2011, S. 320–321, Nr. 26).

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Votre très humble serviteur Ivan Simonoff Hambourg 1842 ce 13 Octobre Nouvelle méthode pour déterminer la déclinaison magnétique absolue par I. Simonoff Instrument. Une aiguille aimantée, horizontalement suspendue, porte un miroir à son extrémité dirigée vers le sud et un contre-poids à son extrémité opposée. On peut voir si la direction de l’aiguille est horizontale en l’appliquant au niveau à siphon de verre rempli de mercure et faire disparaitre sa petite inclinaison en déplaçant son centre de gravité ou le contre-poids. On met le miroir dans la position perpendiculaire à la direction de l’axe magnétique de l’aiguille de la même manière comme cela se fait dans les magnétomètres unifilaires de Gauss, car jusqu’à présent cet instrument n’en diffère point. Après avoir fait ces corrections préalables on doit observer dans le miroir l’image réfléchi du soleil, mais comme l’aiguille suspendue n’est presque jamais en repos, on la fait descendre et se poser sur la planche inférieure de la boite, dans laquelle elle est encaissée afin de la préserver de l’influence du vent, et l’aiguille deviendra immobile. Pour voir si elle ne s’est déviée du méridien magnétique on place devant le miroir de l’aiguille une règle divisée horizontale avec une lunette de sextant au-dessus. Dans cette lunette on voit, à travers d’un verre enchâssé dans la boite du côté du miroir, les divisions de l’échelle réfléchies dans le miroir, et on remarque si la même division corresponde au fil vertical de la lunette quand l’aiguille est suspendue et quand elle est placée sur la planche inférieure de la boite. Le[s] différences des parties de la division et la distance du miroir à l’echelle étant connues, on peut calculer l’angle de la déviation de l’aiguille au méridien magnétique: c’est la correction de la déclinaison obtenue au moyen de cet instrument. Observations. L’observation consiste dans la mesure de l’angle entre le soleil et son image réfléchi dans le miroir vertical, au moyen d’un sextant, et doit être faite de la même manière comme on observe les hauteurs du soleil prises de l’horizon artificiel. Pour ne pas être incommodé par le verre de la boite on ouvre la boite du côté du miroir et on observe l’image du soleil directement réfléchie par le miroir de l’aiguille. Calcul. Supposons que l’axe magnétique de l’aiguille soit tout à fait horizontale et parfaitement perpendiculaire au plan du miroir et que sa direction coupe le ciel dans le point A au sud et dans le point B au nord de l’horizon ACB. Soit Z le zénith, S le centre du soleil, Sƍ celui de son image réfléchi par le miroir de l’aiguille et désignons par h la hauteur apparente du soleil par a son azimuth, par d la déclinaison magnétique de l’aiguille et par Į l’arc AS. Cela posé, nous aurons l’arc mesuré au moyen d’un sextant SSƍ = 180 – 2Į, par conséquent Į = 90 – 12 SSƍ et cos Į = cos h cos (a–d). Si l’extrémité australe de l’aiguille est élevée au-dessus de l’horizon et fait avec lui un petit angle x, il est claire que la formule précédente deviendra cos Į = sin x sin h + cos x cos h cos (a–d)

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ou bien cos Į = x sin 1Ǝ sin h + cos h cos (a–d) Il suffit de deux observations pour éliminer le petit angle inconnu x. Il est très avantageux de faire ces observations à l’est et à l’ouest du méridien. On peut même y appliquer la méthode analogue à cette des hauteurs correspondentes. L’observation des distances egales du soleil à son image réfléchi par le miroir de l’aiguille nous donnera le temps du passage de cet astre par le cercle de déclinaison du point d’intersection du méridien magnétique avec l’horizon. Le temps du midi vrai étant connu, on aura l’angle horaire de ce point. En désignant cet angle par s, et la hauteur du pôle par ij, nous aurons tang d = sin ij tang s. La méthode des hauteurs circomméridiennes est aussi appliquable aux observations faites avec l’instrument décrit au commencement de cet article. Par cette méthode on peut trouver la plus grande distance du soleil au point A, où la direction de l’aiguille coupe l’horizon du côté du sud. Si, après avoir corrigé ce maximum des distances par l’effet de la réfraction astr[onomique] et de la parallaxe du soleil, on y ajoute la distance du soleil au pôle du monde, on aura l’arc compris entre ce pôle et le point A. Supposons que cet arc soit p, et nous aurons sin d = sin p sin s 1 2

sin2 d = cos

p M 2

· cos

p M 2

.34

Autre manière d’observer. On peut encore mesurer la distance entre le soleil et son image deux fois réfléchi, d’abord par le miroir de l’aiguille et puis par l’horizon aritificiel. Supposons que l’axe magnétique de l’aiguille soit horizontale et perpendiculaire au plan de son miroir. Dans ce cas, le centre Sƍ du premier image du soleil réfléchi par le miroir, et le centre SƎ du second image du soleil vu dans l’horizon artificiel, doivent se trouver sur le même cercle vertical, et la distance du point SƎ au zenith doit être égale à 90°+h. Supposons encore que l’arc mesuré SSƎ soit égale à 2ȕ et nous aurons cos ȕ = cos h sin (a–d). Il est clair qu’il est impossible de rendre parfaitement horizontal l’axe magnétique de l’aiguille, mais il n’y a aucune difficulté de trouver les formules pour les corrections et de déterminer les erreurs par plusieurs observations.

34 Dieser Ausdruck in dem Brief von Simonov wurde in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1841“ korrigiert in:

.

662

Carl Friedrich Gauß und Russland

figure35

Brief 2. Gauß an Simonov, 2. September 1848 (Göttingen) Quelle: Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 4507, Blatt 260 beidseitig. Publikation: Romanov 1940, zwischen S. 84/85 (Faksimile), Dubjago 1956, S. 102–104 (Faksimile und russische Übersetzung); Biermann 1964b, S. 45 (deutscher Originaltext). Teilpublikation Biermann 1990, S. 196.

Hochverehrter Herr Staatsrath. Für das gütige Geschenk, welches Sie mir mit Ihren Reiseerinnerungen aus England, Frankreich, Belgien und Deutschland gemacht haben,36 statte ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank ab. Gleichermaßen bin ich dem Herrn Prorector37 der Universität Kasan, der die Güte gehabt hat mir jenes Werk mit einem verbindlichen Schreiben38 und dem Wunsch eine Empfangsanzeige zu erhalten, zu bestem Danke verpflichtet, welchen ich demselben direct abstatten würde, wenn nicht meine geringe Geschicklichkeit, russische Handschrift zu lesen mich in Ungewißheit wegen Entziferung des Namens ließe, und ich muß daher Sie gehorsamst ersuchen, meine Dankabstattung gütigst zu übernehmen. Überraschend ist mir übrigens die Adresse jenes Schreibens gewesen, da ich darin als Ehrenmitglied der Kasanschen Universität bezeichnet bin. Da mir niemals vorher eine Benachrichtigung über die Beilegung einer so ehrenvollen Auszeichnung zugegangen ist, so muß ich für sehr wahrscheinlich halten, daß ein darauf bezügliches Schreiben verloren gegangen ist, und dann auch hier Sie bitten, die Dankbarkeit von welcher ich dafür durchdrungen bin, der betreffenden Behörde in meinem Namen auszusprechen. Das Verlorengehen eines solchen Schreibens ist desto leichter zu präsumiren, da wenig gefehlt hätte, daß es der gegenwärtig in Rede stehenden Sen35 In den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1841“ ist zwar von einer Figur die Rede, diese fehlt dort aber. 36 Simonov 1844. 37 Prorektor der Universität Kasan war damals Karl Karlovič Fojgt, Professor für Russische Literatur und Allgemeine Geschichte. Simonov war seit 1846 Rektor der Universität Kasan. 38 Das Begleitschreiben von Fojgt an Gauß vom 12./24.7.1848 befindet sich im Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 43 Nr. 40.

16. Ivan Michajlovič Simonov (1794–1855)

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dung eben so ergangen wäre. Brief und Paket waren gleichlautend mit einer russischen Adresse signirt, und darunter von fremder Hand vielleicht durch einen Officianten an einem Grenzpostamte gleichsam als Verdolmetschung beigeschrieben Mr. Hosus, à Göttinguen. Dies konnte um so leichter geschehen da G und H im Russischen nur Ein Zeichen haben und der zweite Buchstabe meines Namens a wenn es (wie auf der Adresse) in zwei etwas getrennten Zügen geschrieben wird a leicht für o c (d. i. deutsch os) genommen werden kann. So ist der Briefträger mehrere Tage lang in allen Gasthöfen und bei der Polizei herumgelaufen, um einen Mr. Hosus ausfindig zu machen, und er war schon daran, den Brief als unbestellbar retour gehen zu lassen, als jemand, der zufällig davon hörte, den Rath gab, man solle doch mich als den einzigen der in Göttingen etwas Russisch versteht, ersuchen, die ganze Adresse zu entzifern, die vielleicht Licht geben könne. Der Titel als ɑɥeɧɴ ɢɦɩepaɬopcɤaɝo Ʉaɡaɧcɤaɝo ɍɧɢɜepcɢɬeɬa39 machte mich allerdings auch erst irre, indessen wagte ich doch, den Brief zu erbrechen, wo ich dann meinen Namen unzweideutiger geschrieben fand, und nicht mehr zweifeln konnte, daß die Sendung für mich bestimmt sei. Obgleich Ihr Werk erst seit wenigen Tagen in meinen Händen ist und ich mich jetzt in einem Gedränge von Geschäften befinde, so habe ich doch nicht widerstehen können, schon jetzt einen Theil desselben zu lesen, was mit um so größerm Vergnügen geschehen ist, da Ihre Erinnerungen so viele mir befreundete Personen berühren. Bei Göttingen fand ich S. 318 eine kleine Ungenauigkeit: nicht auf hiesiger Sternwarte hat Harding die Entdeckung der Juno gemacht, sondern in Lilienthal, wo er damals (1804 Septemb.) noch Observator bei dem seel[igen] Schroeter war. Nach Göttingen kam er erst im Jahre 1805. Prof. Weber dessen Sie in Ihrem Werk freundlich gedenken, wird sehr wahrscheinlich bald wieder in seine hiesige Stellung zurückkehren.40 Unter Bezeugung meiner aufrichtigen Hochachtung empfehle ich mich Ihrem freundlichen Andenken ganz gehorsamst Gauß. Göttingen den 2 September 1848. Hrn. Staatsrath Lobatschefsky41 bitte ich gelegentlich mich bestens zu empfehlen.

39 Russ.: ɑɥeɧɴ ɢɦɩepaɬopcɤaɝo Ʉaɡaɧcɤaɝo ɍɧɢɜepcɢɬeɬa = Mitglied der Kaiserlichen Universität Kasan. 40 Wilhelm Weber ging im Jahre 1843 an die Universität Leipzig. Am 16.4.1848 jedoch wurde er von Hannover aus gefragt, ob er eventuell nach Göttingen zurückkehren würde. Gleichzeitig meldete sich auch Gauß, der nunmehr Weber wissen ließ, wie gerne er ihn wieder in Göttingen in seiner Nähe wüsste. Wilhelm Weber nahm den Ruf nach Göttingen an; seit Ostern 1849 wirkte er dort wieder als Professor der Physik (Wiederkehr 1967, S. 116–118). 41 Nikolaj Ivanovič Lobačevskij.

Abb. 83. Wilhelm Struve, um 1840 Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie Oktober 2010.

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864) ȼɚɫɢɥɢɣ əɤɨɜɥɟɜɢɱ ɋɬɪɭɜɟ / Vasilij Jakovlevič Struve

17.1. Friedrich Georg Wilhelm Struves Lebenslauf im Überblick * 15.4.1793 1799–1808 1808–1813 1813

1814 1815 23.6.1815 1816–1819

1818–1820 1820

1821 1821–1827 29.1./10.2.1822 6./18.6.1822 3./15.11.1824 1826–1832 1827 15./27.–16./28.4.1829

Friedrich Georg Wilhelm Struve in Altona geboren Besuch des Christianeums in Altona Studium an der Universität Dorpat Promotion mit der Arbeit „De geographica positione speculae astronomicae Dorpatensis“ bei Johann Sigismund Gottfried Huth, danach Außerordentlicher Professor der Mathematik und der Astronomie an der Universität Dorpat Reise nach Deutschland; Besuch bei Gauß in Göttingen Reise nach Deutschland; Besuch bei Gauß in Göttingen Heirat mit Emilie Wall in Altona; zwölf Kinder Durchführung der trigonometrischen Vermessung von Livland; Beginn einer Reihe von geodätischen Arbeiten, die sich über ganz Russland erstrecken und insgesamt bis 1855 dauern Nachfolger des verstorbenen Huth auf dessen Professur Ernennung zum Ordentlichen Professor der Astronomie und Direktor der Sternwarte an der Universität Dorpat; Reise nach Deutschland; um Mitte Juli achttägiger Aufenthalt bei Gauß in Göttingen zusammen mit Henrik Johan Walbeck; Reise nach München, Bestellung von Instrumenten bei Georg von Reichenbach; zweiter Aufenthalt in Göttingen und dort am 26. August zusammen mit Gauß, Harding und Walbeck Beobachtung einer partiellen Sonnenfinsternis Teilnahme an der Braaker Basismessung zusammen mit Gauß, Heinrich Christian Schumacher und Johann Georg Repsold Trigonometrische Vermessung der Ostseeprovinzen Russlands Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Ankunft des Reichenbachschen Meridiankreises in Dorpat Ankunft des Fraunhoferschen Refraktors in Dorpat Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Auszeichnung mit der Goldmedaille der Royal Astronomical Society of London Aufenthalt Alexander von Humboldts in Dorpat zu Beginn von dessen Russlandreise

666 1830 September 1830 Dezember 1830 18./30.1.1832 Sommer 1833 3./15.4.1834 Juni 1834 10./22.2.1835 3./15.7.1835 6.11.1835 1838

Juni 1839 7./19.8.1839 1841–1842 1843

1844 1845

1847 1851 1852 1853–1855 1857 1858 1861–1864 1862 18./30.10.1863 † 11./23.11.1864

Carl Friedrich Gauß und Russland Reise nach Altona und Göttingen, Weiterreise nach München, Paris und London, Treffen mit John Herschel und James South Teilnahme an der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg Audienz bei Kaiser Nikolaj I. in St. Petersburg, erste Pläne für Pulkowo Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Chronometrische Ostseeexpedition Audienz bei Kaiser Nikolaj I., Genehmigung des Sternwarteprojekts in Pulkowo Reise nach Königsberg, Berlin, Altona, Hamburg, Bremen, Bonn, Mannheim, München, Wien, Dresden, Leipzig Heirat mit Johanna Francisca Bartels, sechs Kinder Grundsteinlegung der Sternwarte in Pulkowo Wahl zum Auswärtigen Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen gemäß einem Vorschlag von Gauß Zusammen mit seinem Sohn Otto und anderen Reise nach Königsberg, Berlin, Hamburg und Göttingen; Treffen mit Friedrich Wilhelm Bessel in Königsberg; Treffen mit Gauß in Göttingen am 26.9.1838 Übersiedlung nach Pulkowo Eröffnungsfeier der neuen russischen Hauptsternwarte in Pulkowo Populäre Vorlesungen an der Universität in St. Petersburg in deutscher Sprache mit mehr als tausend Zuhörern Chronometerexpedition zwischen Pulkowo und Altona; Reise nach Bonn, dort Treffen mit Friedrich Wilhelm August Argelander; Treffen mit Peter Andreas Hansen in Gotha Fortsetzung der Chronometerexpedition nach Greenwich Mitgründer der Russischen Geographischen Gesellschaft in St. Petersburg, Vorsitzender der Abteilung für Mathematische Geographie (seit 1847) Reise nach Großbritannien; ostindische Gradmessung Auszeichnung mit dem Orden „Pour le Mérite“, Friedensklasse Auszeichnung anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Universität Dorpat Bearbeitung der russisch-skandinavischen Gradmessung Reise ins Ausland; Treffen mit Alexander von Humboldt im Juli in Berlin Wahl zum Auswärtigen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg Pensionierung, Übersiedlung nach St. Petersburg 50-jähriges Doktorjubiläum Gestorben in St. Petersburg, begraben auf dem protestantischen Friedhof auf dem Gelände der Sternwarte Pulkowo

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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17.2. Miszellen zu Leben und Werk 17.2.1. Altona: 1793–1808 Die Familie Struve ist eine weitverzweigte Familie, die unter anderem auch in Altona zuhause war und noch immer ist. Dem Altonaer Zweig entstammte Wilhelm Struve. Altona gehörte damals zum Herzogtum Holstein, das in Personalunion1 mit dem Königreich Dänemark verbunden war und ein bedeutendes Wirtschaftszentrum bildete. Der Vater von Wilhelm Struve, Jacob Struve, wurde in Horst in der Nähe von Elmshorn geboren und besuchte in Altona das Christianeum, ein hochangesehenes Gymnasium. Von 1775 bis 1780 studierte er an der Universität Göttingen,2 wo er insbesondere mit dem Philologen Christian Gottlob Heyne freundschaftliche Beziehungen pflegte. Nach dem Studium war Jacob Struve an Gymnasien in Harburg, Bückeburg und Hannover tätig. Er war sowohl ein guter Altsprachen- wie auch ein guter Mathematiklehrer. Seine Kinder unterrichtete er selbst (Sokolovskaja 1964a, S. 11–12). Im Jahre 1791 erhielt Jacob Struve eine Professorenstelle am Gymnasium in Altona; von 1794 bis 1826 hatte er dort das Amt des Rektors inne (Tomaschek 1960; Elsner 1991). Wilhelm Struve wurde 1793 als fünftes Kind der Familie in Altona geboren und besuchte von 1799 bis 1808 das Christianeum. Hier sei auf ein fundiertes biographisches Werk über Struve hingewiesen (Sokolovskaja 1964a).

17.2.2. Dorpat: 1808–1839 Die während der Napoleonischen Kriege herrschenden unsicheren Verhältnisse erlaubten es Wilhelm Struve nicht, seine Ausbildung am Christianeum zu beenden. Bei einem Spaziergang in Hamburg im Frühjahr 1808 wurde er, kaum 15 Jahre alt, von französischen Werbern aufgefangen und eingesperrt.3 Bevor er zum Militärdienst in der französischen Armee gezwungen werden konnte, gelang es ihm, nach Altona zurückzukehren. Es war aber klar, dass er die Stadt sicherheitshalber zu verlassen hatte. Daher ging er nach Dorpat, wo sein älterer Bruder als Privatlehrer und Universitätsdozent tätig war (Oettinger 1893, S. 3; Sokolovskaja 1964a, S. 12–13). An der Universität Dorpat studierte Struve zunächst Klassische Philologie. Parallel zu dem gelegentlichen Besuch von Vorlesungen nahm er in der Nähe von Dorpat eine Stelle als Privatlehrer an. 1810 reichte er der Universität seine 1 2 3

Der Herzog von Holstein und von Schleswig war König von Dänemark. Jacob Struve immatrikulierte sich am 12.5.1775 an der Universität Göttingen für das Studium der Theologie (Matr. Nr. 10179; Selle 1937). Während Altona von dem neutralen Königreich Dänemark verwaltet wurde, stand das benachbarte Hamburg von 1806 bis 1814 unter französischer Besatzung.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

philologische Abschlussarbeit „De studiis criticis et grammaticis apud Alexandrinos“ ein, die mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde. Unter dem Einfluss von Georg Friedrich Parrot, der Struves Talent erkannt hatte und mit dessen Sohn4 Struve befreundet war, wechselte er 1811 zum Studium der Physik, der Mathematik und der Astronomie. Seit 1811 besuchte Struve die Physikvorlesungen von Parrot. Bereits im Jahre 1808 hatte er bei Johann Wilhelm Andreas Pfaff Vorlesungen über Astronomie gehört (Sokolovskaja 1964a, S. 20, 22). Unter Pfaff, der von 1804 bis 1809 an der Universität Dorpat eine Professur für Mathematik und Astronomie innehatte, wurde die Errichtung einer Sternwarte geplant. Diese war aber erst 1810 einsatzbereit und unterstand später Pfaffs Nachfolger Johann Sigismund Gottfried Huth, der Mitte 1811 nach Dorpat kam. Von diesem wurde Wilhelm Struve im Jahre 1813 mit der Arbeit „De geographica positione speculae astronomicae Dorpatensis“ promoviert (Struve, W. 1813; GB 1370). Im selben Jahr wurde von Huth auch Magnus Georg Paucker promoviert, so dass sich nunmehr gleich zwei Gelehrte in Dorpat um eine Astronomieprofessur bemühten. Struve hatte Erfolg, und Paucker wechselte an das Gymnasium illustre nach Mitau. Struve wurde gemäß einem Vorschlag von Huth zum Außerordentlichen Professor der Astronomie und zum Observator an der Sternwarte in Dorpat ernannt; zusätzlich unterrichtete er auch Mathematik. Nach Huths Tod 1818 vertrat Struve dessen Professur, bis an der Universität Dorpat zwei getrennte Professuren eingerichtet wurden, eine für Reine und Angewandte Mathematik und eine andere für Astronomie. 1820 wurde Struve zum Ordentlichen Professor für Astronomie und zum Direktor der Sternwarte ernannt, so dass er fortan in Forschung und Lehre ausschließlich als Astronom wirkte. Die Professur für Reine und Angewandte Mathematik übernahm 1821 Martin Bartels. Bereits im Jahre 1809 äußerte sich Gauß gegenüber Georg Friedrich Parrot anerkennend über das Potential der Dorpater Sternwarte, dass „[...] Dorpat bereits mit so vortrefflichen Instrumenten versehen ist und die Sternwarte, wenn alles zweckmäßig angewandt würde und in die Hände eines tüchtigen Mannes käme, nicht nur durch die Bildung zu nautischen Kenntnissen für das westliche Rußland von großer Wichtigkeit werden, sondern zugleich zu den berühmtesten in Europa einst gehören könnte“ (Briefwechsel Gauß– G. F. Parrot, Brief Nr. 1). Struve war es, der Gauß’ Worte in die Tat umsetzen und bewirken sollte, dass die Dorpater Sternwarte zur „berühmtesten in Europa“ wurde. Er war der erste, der in Dorpat regelmäßig Beobachtungen durchführte und diese veröffentlichte. In den Journalen der Dorpater Sternwarte finden sich Beobachtungen von Huth lediglich aus dem Jahre 1811; von 1812 bis 1839 folgen lückenlos die Daten von Struve. Von Paucker, der von 1811 bis 1813 in Dorpat eine Observatorenstelle innehatte, sind im Sternwartejour4

Georg Friedrich Parrot hatte zwei Söhne: Wilhelm Friedrich (geb. 1790) und Friedrich (geb. 1791), später Physikprofessor in Dorpat. Struve war wahrscheinlich mit Friedrich Parrot befreundet (Sokolovskaja 1964a, S. 19).

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nal keine Einträge vorhanden (Sokolovskaja 1964a, S. 227). Die in der Sternwarte angestellten Beobachtungen wurden in einer von Struve herausgegebenen Reihe unter dem Titel „Observationes astronomicas, institutas in specula Universitatis caesareae Dorpatensis, publici juris facit Senatus Universitatis“ publiziert. Unter Struves Ägide erschienen von 1817 bis 1839 acht Bände dieser Reihe (Struve, W. 1817–1839). Ferner sorgte Struve für eine ausgezeichnete Instrumentenausstattung der Sternwarte, die 1822 einen Reichenbachschen Meridiankreis und 1824 einen Fraunhoferschen Refraktor erhielt. Struve begann mit Doppelsternbeobachtungen und veröffentlichte dazu zahlreiche Kataloge. Ein besonderer Meilenstein in seiner Karriere bedeutete die erfolgreiche Parallaxenmessung von Į-Lyrae im Jahre 1837 (Struve, W. 1840/41; GB 1364). Bemerkenswerterweise erhob er später keinerlei Prioritätsansprüche gegenüber Friedrich Wilhelm Bessel, dem 1838 eine erfolgreiche Parallaxenmessung von 61-Cygni gelungen war. Struve, der Bessel zu den Messungen veranlasst hatte, sah wahrscheinlich sein Ergebnis zunächst als unsicher an (Lawrynowicz 1995, S. 185–214; Dick 1988, S. 310–311).5 Gleichzeitig beschäftigte sich Struve intensiv und über viele Jahrzehnte hinweg mit der Landesvermessung. Unmittelbar nach Beendigung der Napoleonischen Kriege beschloss die russische Regierung, die westlichen Grenzprovinzen Russlands neu zu vermessen und eine genaue Kartierung vorzunehmen. An der Durchführung dieses Unternehmens war ein ganzer Stab von Mitarbeitern beteiligt. Die Leitung hatten Karl Ivanovič Tenner und Wilhelm Struve inne, die auch beide unmittelbar an der Arbeit im Gelände beteiligt waren. Zunächst vermaßen Tenner von 1816 bis 1822 das Gouvernement Wilna und Struve von 1816 bis 1819 das Gouvernement Livland. Bessel begleitete dieses Vorhaben mit Rat und Tat, später wurde auch eine Verbindung zwischen diesen beiden Gradmessungen und der Besselschen Vermessung von Ostpreußen hergestellt. Im Jahre 1819 beantragte Struve bei der Staatsregierung die Durchführung einer Gradmessung in den Ostseeprovinzen Russlands, die von Kaiser Alexander I. auch bewilligt wurde. Im Sommer 1821 setzten die Arbeiten ein und wurden 1827 abgeschlossen. Im Jahre 1820 begann auch Friedrich Theodor Schubert d. J., der Sohn des Astronomen und Mathematikers Friedrich Theodor Schubert, mit einer Vermessung der Gouvernements St. Petersburg, Pleskau, Witebsk und eines Teils des Gouvernements Nowgorod. Diese Arbeiten dauerten bis 1832 an (Schubert, F. T. d. J. 1842; GB 1003). Ein weiterer Schritt war die Vermessung von West-Sibirien in den Jahren 1832 bis 1834,

5

Struves Parallaxenmessung an dem hellen Stern Wega – Į-Lyrae ergab den Wert 0Ǝ.125, der sich praktisch nicht von dem heutigen Wert unterscheidet. Das Ergebnis teilte Struve in einem Brief an den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Sergej Semënovič Uvarov, mit. Es wurde im Jahre 1837 auch im Struves Katalog veröffentlicht. Nach weiteren Messungen im Jahre 1838 fand Struve jedoch den Wert 0Ǝ.261 (Lawrynowicz 1995, S. 193–197).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

wobei im Auftrag von Struve die Feldarbeiten Vasilij Fëdorovič Fëdorov ausführte (Fëdorov 1838; GB 373).

Abb. 84. „Uebersicht der zur russischen Gradmessung ausgewählten Dreiecke“ Anlage zum „Brief des Herrn Professors Struve an den Herausgeber“ der „Astronomischen Nachrichten“, Heinrich Christian Schumacher, Dorpat, 5./17. April 1823. Astronomische Nachrichten 2 (Nr. 33), 1824, nach Sp. 152.

Was die Kartierung der Ostsee anbelangt, so war Struve im Jahre 1833 für eine groß angelegte internationale chronometrische Ostseeexpedition mitverant-

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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wortlich, die als Große Russische Chronometerexpedition in die Geschichte eingehen sollte. An dieser Expedition, an der sich außer Russland noch Preußen, Schweden und Dänemark beteiligten, nahmen auch Friedrich Theodor Schubert d. J. und Friedrich Wilhelm Bessel teil. Auch Johann Heinrich Mädler war im Auftrag der Berliner Sternwarte an ihr beteiligt (Eelsalu/Herrmann 1985, S. 26–27). Die Expedition dauerte vom 26. Mai bis zum 18. September 1833. In diesem Zeitraum unternahm das russische Expeditionsschiff „Herkules“, das 56 Chronometer an Bord hatte, insgesamt drei Fahrten. Dabei wurden die Längen von 18 Punkten an der Ostseeküste bestimmt (Lawrynowicz 1995, S. 131–132). Alle diese Unternehmungen waren wichtige Meilensteine für die großangelegte Russisch-Skandinavische Gradmessung, die sich noch bis 1855 hinziehen sollte. In den 25 Jahren seiner Lehrtätigkeit an der Universität Dorpat hielt Struve insgesamt 121 Veranstaltungen ab: 80 Vorlesungen zur Astronomie sowie 41 Vorlesungen zur Mathematik und zur Geodäsie. Besonders oft las er über „Praktische Geometrie“, über „Ebene und Sphärische Trigonometrie“ sowie über „Theoretische Astronomie“ und „Geographische Ortsbestimmungen“. Nach den Zeugnissen seiner Schüler war Struves Vortrag „stets klar, belebt und voll Schwung“ (Oettinger 1893, S. 21). Nach seiner mehr als 25-jährigen Tätigkeit in Dorpat wurde Struve emeritiert und wechselte 1839 nach Pulkowo über. Obwohl er gerne Karl Eduard Senff als seinen Nachfolger in Dorpat gesehen hätte, folgte ihm 1840 Johann Heinrich Mädler, dessen Berufung vor allem Gauß unterstützt hatte (siehe S. 537–538). Während seiner Zeit in Dorpat unternahm Struve mehrere Reisen, wobei er auch seine Eltern in Altona besuchen konnte. Zu erwähnen sind die Reisen in den Jahren 1814, 1815, 1820, 1830, 1834, 1838. Im September 1830 nahm Struve an der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg teil, bei der auch Joseph Johann Littrow, Johann Franz Encke, Christian Ludwig Gerling und Johann Georg Repsold anwesend waren. Bei der Reise im Jahre 1815 heiratete Struve in Altona die Kaufmannstochter Emilie Wall, deren Familie in Altona ansässig und mit den Struves befreundet war. Diese Ehe sollte mit insgesamt zwölf Kindern gesegnet sein. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Struve im Jahre 1835 die Tochter des Dorpater Mathematikprofessors Martin Bartels, Johanna Francisca, die noch in Braunschweig, kurz vor der Übersiedlung von Bartels nach Kasan, geboren worden war. Dieser Ehe sollten sechs Kinder entsprießen. Struves wissenschaftliche Verdienste wurden in Dorpat in höchstem Maße anerkannt: im Jahre 1852 wurde er aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums der Universität als würdigster Sohn der alma mater ausgezeichnet.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

17.2.3. Pulkowo und St. Petersburg: 1839–1864 Die Gründung einer neuen Sternwarte bei St. Petersburg, der die Stellung eines russischen Hauptobservatoriums zukommen sollte, war im Jahre 1834 nicht ohne tatkräftige Mitwirkung von Struve beschlossen worden. Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg hatte schon lange den Wunsch nach einer den neuen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Sternwarte gehegt. Das Akademiemitglied Georg Friedrich Parrot, der Struves Laufbahn in Dorpat so tiefgreifend beeinflusst hatte, war seit 1827 mit einem solchen Plan beschäftigt. Als Struve nach Abschluss der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg nach Russland zurückgekehrt war, hatte er im Dezember 1830 während einer Audienz bei Kaiser Nikolaj I. Gelegenheit, das Gespräch auf die Gründung einer modernen Sternwarte in St. Petersburg zu lenken. Im Verlauf einer zweiten Audienz bei dem Kaiser am 3./15. April 1834 nahmen die Pläne für eine Hauptsternwarte auf dem Berg bei dem Dorf Pulkowo6 konkrete Gestalt an. Nikolaj I. genehmigte das Projekt und bestätigte Struve als Direktor mit dem Auftrag, ins Ausland zu reisen und dort für die neue Sternwarte „alles zu beschaffen, was zum Allervollkommensten“ gehöre. Der Grundstein zu dem Hauptgebäude der neuen Sternwarte wurde am 3./15. Juli 1835 gelegt, und vier Jahre später, am 7./19. August 1839, wurde die damals größte und bedeutendste Sternwarte Europas feierlich eröffnet (Oettinger 1893, S. 17–19; Sokolovskaja 1964a, S. 48–79). Struve siedelte im Juni 1839 nach Pulkowo über, wo er das Amt des Direktors der neuen Hauptsternwarte übernahm. Er veröffentlichte am 30. August/11. September 1839 in der „St. Petersburger Zeitung“ einen längeren Bericht „Ueber die wissenschaftliche Bedeutung der Kaiserlichen Hauptsternwarte auf Pulkowa“, in dem er die neue Sternwarte vorstellte; selbstverständlich ließ er von diesem Bericht auch Gauß einen Sonderdruck zukommen (Struve, W. 1839; GB 1372). Sechs Jahre später erschien eine ausführliche, mit vielen Kupferstichen versehene Beschreibung der neuen Hauptsternwarte, ein wahrer Prachtband (Struve, W. 1845a). Im Herbst 1840 besuchte Heinrich Christian Schumacher Pulkowo. Am 3. Oktober kehrte er von St. Petersburg nach Altona zurück und informierte Gauß über seine Eindrücke von der russischen Hauptstadt und der neuen Sternwarte: „Die Reise ist mir in Bezug auf das was ich dort gesehen habe, und auf manche angenehme Bekanntschaft, die ich dort machte, allerdings sehr interessant gewesen. Ich glaube, dass man im Allgemeinen einen sehr inadaequaten Begriff von den wissenschaftlichen und Kunstschätzen hat, die dort zusammengehäuft sind; wenigstens habe ich es gehabt. Alles ist colossal in Dimension und Zahl (was die Zahl betrifft, so hat der Generalstab z. B. 155 Theo6

Als Ortsname hat sich Pulkowo eingebürgert. Die feminine Form Pulkowa bezieht sich auf den Hügel „Pulkowa Gora“. Pulkowo befindet sich ca. 17 Kilometer südlich vom Zentrum St. Petersburgs.

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doliten von Ertel. Ich mag kaum die Zahl hinschreiben, aber ich glaube, dass mein Gedächtniss mich nicht täuscht). Die neue Sternwarte habe ich mit Bewunderung gesehen. Ich kam mit der Idee hin, dass viel dabei eigentlich für unnöthige Pracht gemacht sei. Das ist aber nicht der Fall. Ich wüsste keine Einrichtung, die nicht Sicherheit und Bequemlichkeit der Beobachtungen bezweckte. Dafür ist freilich nichts gespart. Eleganz und Englische Sauberkeit geht durch jeden Theil. Für blos imponirenden Anblick ohne weitere Zwecke sah ich nichts gemacht. Sie werden das Nähere aus einem Bericht7 ersehen, den ich jetzt für die Astronomischen Nachrichten schreibe“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 402–403). In Pulkowo führte Struve seine in Dorpat begonnenen Arbeiten fort. Von diesen seien insbesondere seine Doppelsternbeobachtungen und die Vermessungsarbeiten erwähnt. Letztere fanden im Jahre 1851 einen vorläufigen Abschluss, und Struve veröffentlichte über sie in St. Petersburg einen Rückblick: „Exposé historique des travaux exécutés jusqu’à la fin de l’année 1851 pour la mesure de l’arc du méridien Fuglenaes 70° et Ismail 45° 20ƍ“ (Struve, W. 1852; GB 1368), aus dem hervorging, dass die russischen Meridianvermessungen mehr als 25° 20ƍ umfassten. Der endgültige Abschluss der Russisch-Skandinavischen Gradmessung erfolgte 1855. Das Projekt fand seinen Niederschlag in zahlreichen Publikationen Struves (Sokolovskaja 1964b, S. 150–226; Sokolovskaja 1967, S. 48–55). Die Russisch-Skandinavische Gradmessung war ein gigantisches Unternehmen, bei dem von Fuglenes bei Hammerfest am Nordkap in Norwegen bis Staro-Nekrassowka bei Ismail am Schwarzen Meer eine Kette von Vermessungsdreiecken angelegt wurde.8 Das System aus 34 geodätischen Messstationen, die jeweils durch Eisenkreuze, Steinkegel oder Obelisken gekennzeichnet wurden, erstreckte sich über 2.820 km. Diese Vermessung war für die damaligen Verhältnisse von größter Genauigkeit und diente der möglichst exakten Bestimmung der Erdgestalt. Die Kette von Messpunkten, die als „StruveBogen“ bezeichnet wird, wurde im Jahre 2005 in die UNESCO-Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit aufgenommen. Bereits als junger Dorpater Professor wurde Struve im Jahre 1822 zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt. Am 29. Dezember 1826/10. Januar 1827 erfolgte seine Wahl zum Ehrenmitglied. In einem Ausnahmeverfahren – Struve war nicht in St. Petersburg tätig – wurde er am 18./30. Januar 1832 zum Ordentlichen Mitglied gewählt. Im Jahre 1861 wurde er erneut Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und blieb dies bis zu seinem Tod. Im Jahre 1851 wurde Struve, nachdem Gay-Lussac gestorben war, durch den Orden „Pour le Mérite“ ausgezeichnet. Die Friedensklasse des Ordens, 7 8

Schumacher 1841a und c. Fuglenes (70° 40ƍ 12Ǝ N, 23° 39ƍ 48Ǝ O), Staro-Nekrassowka (45° 19ƍ 54Ǝ N, 28° 55ƍ 41Ǝ O).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

„Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste“, war 1842 von König FriedFriedrich Wilhelm IV. gestiftet worden. Sie war die bedeutendste Auszeichnung, die in Preußen vergeben werden konnte. Die Vergabe dieser Auszeichnung in der Friedensklasse oblag Alexander von Humboldt. Dies war eine großartige Anerkennung, die Humboldt Struve zuteil werden ließ. Im Jahre 1862 musste Wilhelm Struve aus Krankeitsgründen die Leitung der Sternwarte Pulkowo abgeben; sein ältester Sohn Otto wurde sein Nachfolger.9 Am 18./30. Oktober 1863 wurde Struves 50-jähriges Doktorjubiläum und am 7./19. August 1864 der 25. Jahrestag der Eröffnung der Sternwarte Pulkowo gefeiert. Kurz danach, am 11./23. November 1864, verstarb Struve im Alter von 71 Jahren und wurde auf dem protestantischen Friedhof bei der Sternwarte begraben (Abb. 85). Der damalige Sekretär der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Friedrich Wöhler, widmete Struve in einem Nachruf anerkennende Worte: „Ausgerüstet mit seltenem Scharfsinn, eminenter Beobachtungsgabe und vielseitiger Bildung, höchst scrupulös in der Erforschung aller Fehlerquellen in den Instrumenten und den damit angestellten Beobachtungen, und streng consequent in der Durchführung der als richtig erkannten Methoden, hat S t r u v e sich um die Astronomie unvergängliche Verdienste erworben. Wir gedenken hier nur seiner Forschungen über die Doppelsterne und die Einrichtung unseres Sternsystems, und der grossen russisch-scandinavischen Gradmessung, die er mit eiserner Beharrlichkeit durch länger als ein Menschenalter zum Ziele führte.“10 Struves Kollege und Freund, der Astronom Friedrich Argelander, schrieb posthum über ihn: „Als Mensch war St[ruve] einer der edelsten, voll Liebe für seine Mitmenschen, immer geneigt zu helfen, wo er helfen konnte, mild in seinem Urtheil über Andere, streng gegen sich selbst in Erfüllung seiner Pflichten, liebenswürdig im Umgang, ein treuer Gatte, liebender Vater und aufrichtiger Freund. Als Gelehrter zeichneten ihn Scharfsinn, Consequenz und Ausdauer in hohem Grade aus, ein seltenes Beobachtungstalent und eine ungewöhnliche Beweglichkeit des Geistes, die ihn befähigte, eine Menge von oft ziemlich heterogenen Arbeiten und Studien gleichzeitig zu betreiben. Er hat der Nachwelt ein Beispiel von seltener menschlicher Vollkommenheit hinterlassen“ (ADB: 36, S. 695). Wilhelm Struve gilt als Gründungsvater einer ganzen Astronomendynastie. Viele seiner Nachkommen waren sowohl in Russland als auch in Deutschland tätig (Tomaschek 1960). Er war einer der bedeutendsten beobachtenden Astronomen seiner Zeit, in Russland galt er als der „Zar der Astronomie“. Alexander von Humboldt bezeichnete ihn gar als „Tyrann von Pulkowa“ (Briefwechsel 9 Otto Struve war seit 1856 Außerordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, im Jahre 1861 wurde er zum Ordentlichen Mitglied gewählt. 10 Nachrichten von der K[öniglichen] Gesellschaft der Wissenschaften und der GeorgAugusts-Universität zu Göttingen aus dem Jahre 1864. Göttingen 1865, S. 366–367.

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Humboldt–Bessel 1994, S. 199). Struves Schriftenverzeichnis umfasst 272 Nummern11 (Sokolovskaja 1964a, S. 249–273). Obwohl Struve zahlreiche Beiträge in russischer Sprache veröffentlicht hat, beherrschte er diese Sprache nur soweit, dass er Geschriebenes und Gedrucktes leicht verstehen konnte. Hingegen sprach er sowohl Estnisch als auch Lettisch (Struve, O. 1895, S. 76).

Abb. 85. Grabdenkmal von Wilhelm Struve und dessen zweiter Ehefrau Johanna Francisca, geb. Bartels Friedhof auf dem Gelände des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie Oktober 2010.

Abb. 86. Büste von Wilhelm Struve im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo Bildhauer A. N. Teplov, 1965. Photographie September 2008.

11 Vgl. Struves Schriftenverzeichnis in der Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: http://bibliothek.bbaw.de/kataloge/literaturnachweise/ struv-fgw/literatur.pdf (Stand 1.2.2011).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

17.3. Struve und Gauß Zu einer ersten Verbindung zwischen Gauß und der Familie Struve kam es bereits im Jahre 1809. Durch Schumacher in Altona nämlich erfuhr Gauß, dass Jacob Struve, der Vater von Wilhelm Struve, in Gauß’ „Theoria motus“ (Gauß 1809a) eine „kleine Unrichtigkeit“ entdeckt habe.12 Gauß konnte dies nur bestätigen.13

17.3.1. Struves Besuche bei Gauß in Göttingen Wilhelm Struve war 16 Jahre jünger als Gauß. Vielleicht war es seine Doktorarbeit, mit der Struve seinen ersten Kontakt zu Gauß herstellte, denn diese Schrift befindet sich in der Gauß-Bibliothek und trägt die Widmung: „Dem Herrn Professor Gauß hochachtungsvoll der Verfasser“ (Struve, W. 1813; GB 1370). Bereits im Sommer 1814 stattete Wilhelm Struve Gauß einen Besuch ab, und zwar im Rahmen einer privaten Reise durch Deutschland, die dem Kennenlernen deutscher astronomischer Einrichtungen diente – und da durfte natürlich Göttingen nicht fehlen. Struve schloß während dieser Reise auch persönliche Bekanntschaft unter anderem mit Carl Ludwig Harding in Göttingen, Johann Georg Repsold in Hamburg, Wilhelm Olbers in Bremen, Johann Hieronymus Schroeter in Lilienthal, Friedrich Wilhelm Bessel in Königsberg und Johann Elert Bode in Berlin (Oettinger 1893, S. 5). Er besuchte auch die Sternwarte in Gotha, die noch kurze Zeit vorher von den Franzosen besetzt gewesen war. An ihr hatte soeben Gauß’ Schüler Friedrich Bernhard Gottfried Nicolai seine Tätigkeit als Adjunkt begonnen. Struves erster Besuch in Göttingen ist in Gauß’ Briefwechsel belegt. So schrieb Bessel am 7. November 1814 an Gauß: „Struve aus Dorpat, den Sie kennen gelernt haben, war einige Tage bei mir; er scheint ein recht tüchtiger praktischer Astronom zu sein“ (Briefwechsel Gauß–Bessel 1880, S. 201). Noch vor der Ankunft Struves in Göttingen erhielt Gauß einen Brief von Struves Mutter vom 3. September 1814 aus Altona: „Sie entschuldigen Hochgeehrter Herr Professor, daß ich so frei bin die Einlage an Sie zu adressiren; ich ersuche Sie ergebenst diese Einlage so lange zu behalten, bis mein Sohn der Professor Struve aus Dorpat sich die Ehre nimmt persöhnlich ihre Bekanntschaft zu machen, da ich weis, daß der Zweck seiner Reise auch dahin geht, die Ehre ihrer Bekanntschaft zu machen, und ich auf seiner Reise sonst keine bestimmte Adresse hatte, so hoffe ich werden Sie mich gütigst entschuldigen diesen Weg gewählt zu haben.

12 Brief von Schumacher an Gauß vom 2.12.1809 (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1860: 1, S. 15–16). 13 Brief von Gauß an Schumacher vom 14.12.1809 (ebenda, S. 17).

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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Hochachtungsvoll und Ergebenst Marianne Struve, geb Weise Wenn ich nicht irre, so hat mein lieber Mann die Ehre gehabt ihre Bekanntschaft beÿ dem H[errn] Doctor Schmeißer14 hieselbst zu machen.“15

Im Jahre 1815 reiste Struve wiederum nach Deutschland. Diese Reise diente nicht nur wissenschaftlichen Zwecken: Wie bereits oben erwähnt, verheiratete sich Struve in Altona mit Emilie Wall. Aber auch diesmal stattete er Gauß in Göttingen einen Besuch ab. Am 10. Juli 1815 berichtete Gauß seinem väterlichen Freund Olbers über einen gewissen „Struve, Observator in Dorpat, der dieser Tage hier durchreiste“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 602). Struve hielt sich auch in Mannheim auf, besuchte Johann Gottlieb Friedrich Bohnenberger in Tübingen und Wilhelm Gottlieb Benjamin Baumann in Stuttgart. Christian Ludwig Gerling schrieb an Gauß am 24. Juli 1815 aus Kassel: „Prof. Struve ist neulich bei mir gewesen und hat mir viel angenehmes von Göttingen erzählt. Besonders hat er mir auch eine sehr deutliche Beschreibung des Heliometerstativs gemacht, welches Sie, wie Sie mir schreiben, jetzt erhalten haben“ (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 81). Mitte Juli 1820 hielt sich Struve zusammen mit seinem finnischen Kollegen Henrik Johan Walbeck aus Åbo acht Tage lang bei Gauß in Göttingen auf. So konnte er an der Göttinger Sternwarte seine ersten Erfahrungen mit dem Reichenbachschen Meridiankreis machen. Am 23. August 1820 ließ Gauß Olbers wissen: „Die Herren Struve und Walbeck sind acht Tage hier gewesen. Ersterer hatte eine grosse Satisfaktion an der optischen Vollkommenheit meines Passage-Instruments, und nach der Art, wie er sich darüber äusserte, schien es mir, als ob er es doch selbst dem Dorpater überlegen fände“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1910: 2, S. 25). Anschließend reiste Struve nach München zu einem Treffen mit Reichenbach. In München wurde für Dorpat ein Meridiankreis bestellt. Darüber hinaus bestellte Struve bei Ertel und bei Fraunhofer weitere Instrumente für seine Dorpater Sternwarte. Die Rückreise führte ihn wieder über Göttingen, wo er am 7. September zusammen mit Gauß, Harding und Walbeck eine partielle Sonnenfinsternis beobachtete (Briefwechsel Gauß–Olbers 1910: 2, S. 33, Sokolovskaja 1964a, S. 32–39). Im Jahre 1821 nahm Struve an der von Gauß und Heinrich Christian Schumacher gemeinsam vorbereiteten Basismessung in Braak16 teil (Koch 1997a und b). Er besuchte Gauß noch mehrmals, zunächst im Jahre 1830 und dann wieder im September 1838.17 Damals reiste Wilhelm Struve in Begleitung seines Sohnes Otto von August bis November 1838 in Deutschland. 14 15 16 17

Johann Gottfried Schmeißer. SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Struve, M. Heute Kreis Stormarn, östlich von Altona bzw. Hamburg. Bei Struves Auslandsreise im Jahre 1834 wird Göttingen nicht erwähnt.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Wohl am 26. September hielten sie sich beide in Göttingen auf, wo sie Gauß einen Besuch abstatteten (siehe hierzu Brief Nr. 16). Es gibt einen Bericht von Otto Struve über diesen Besuch, der allerdings erst kurz vor Ottos Tod niedergeschrieben wurde (Dick 1992). Darüber hinaus erinnerte sich Otto in einem Brief auch daran, dass Gauß ihn bei einem Besuch in Göttingen für die Erforschung des Erdmagnetismus zu begeistern versucht habe (Briefwechsel Struve–Schiaparelli 2005, S. 226–227). Wilhelm Struve hielt sich auch am 2. September 1844 in Göttingen bei Gauß auf (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1969, S. 159). Vielleicht hat es noch weitere Besuche gegeben, die nicht schriftlich festgehalten wurden und deshalb hier nicht erwähnt werden können.

17.3.2. Struves Bewerbung in Mannheim: 1815 Die im Jahre 1772/74 in Mannheim auf Veranlassung des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor erbaute Sternwarte war gut ausgestattet. In der Folge der Napoleonischen Neuordnungen übernahm das Großherzogtum Baden die Stadt Mannheim und damit die Sternwarte. Zuerst gab es dort keinen kontinuierlichen Forschungsbetrieb. Von August 1813 bis Juli 1815 war dort Heinrich Christian Schumacher tätig. Struve bewarb sich, wie der Brief Nr. 1 zeigt, um die Nachfolge von Schumacher, allerdings vergeblich. Außer ihm bewarben sich auch Johann Kaspar Horner, Ludwig August Seeber, Johann Georg Soldner sowie Gauß’ Schüler Friedrich Bernhard Gottfried Nicolai, der auf der Seeberg-Sternwarte bei Gotha tätig war. Noch ein weiterer Schüler von Gauß, Christian Ludwig Gerling, zeigte Interesse an der Stelle. Es besteht kein Zweifel, dass Gauß in erster Linie Nicolai favorisierte, denn am 10. Juli 1815 ließ er seinen Bremer Freund Wilhelm Olbers wissen: „Unter den jungen Männern, die ich genauer kenne, wüsste ich nur zwei für Mannheim in Vorschlag zu bringen, Gerling und Nicolai. [...]. Beide würden übrigens durch diese Stelle höchst glücklich werden. Nicolai hat den Vortheil zu seiner Empfehlung, dass er zwei Jahre an einer berühmten Sternwarte gestanden hat“ (Briefwechsel Gauß–Olbers 1909: 1, S. 603). Auch mit Gerling korrespondierte Gauß über die Stelle in Mannheim (Briefwechsel Gauß–Gerling 1927, S. 81–85). Gauß schrieb an ihn „im engsten Vertrauen“ und konnte einer Mitteilung von Gerling entnehmen, dass „Hr. Struve an seinem Erfolge selbst zweifelt“ (ebenda, S. 83). Schließlich wurde in der Tat Nicolai, der 1813 zum Adjunkten an die berühmte Seeberg-Sternwarte bei Gotha berufen worden war und dort seine Ausbildung zum Astronomen erhalten hatte, Schumachers Nachfolger in Mannheim. Er wirkte dort von 1816 bis zu seinem Tode im Jahre 1846 als Direktor der Sternwarte. Obwohl Struve im Frühjahr 1818 eine Professorenstelle an der Universität Greifswald angeboten wurde, nahm er diese nicht an, weil er sich schon Hoffnungen auf die Nachfolge von Huth in Dorpat machte. Tatsächlich wurde Struve sogleich nach Huths Tod zum Ordentlichen Professor

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vorgeschlagen und am 1./13. April 1818 auch gewählt. 17 Tage später erhielt er vom Universitätskurator, Graf Carl von Lieven, die Bestätigung der Wahl sowie dessen Versicherung, dass Struve „unverzüglich zu der Professur der astronomischen Wissenschaften vorgestellt werden soll“ (Oettinger 1893, S. 6; Sokolovskaja 1964a, S. 123).

17.3.3. Die Wahl Struves zum Auswärtigen Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen: 1835 Von Johann Friedrich Blumenbach wurde im Jahre 1835 der Ständige Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Paul Heinrich Fuß, zur Wahl als Auswärtiges Mitglied für Mathematik der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen vorgeschlagen (siehe S. 294). Blumenbach war von 1814 bis 1840 Sekretär der Göttinger Societät. Gauß unterstützte diesen Vorschlag und unterbreitete selbst noch weitere drei Vorschläge. Er schrieb: „Ich stimme diesen Vorschlägen mit Vergnügen bei, zugleich aber schlage ich noch zu Mitgliedern vor Herrn Etatsrath Schumacher in Altona Herrn Staatsrath Struve in Dorpat und Herrn Michael Faraday in London, die beiden ersten gehören zu den ausgezeichnetsten Astronomen, der dritte zu den ersten Naturforschern, dessen Entdeckungen eine glänzende Epoche in der Wissenschaft machen. Alle drei sind längst Mitglieder der vornehmsten gelehrten Gesellschaften von Europa. Da überhaupt die mathematische Klasse unserer Societät so unverhältnissmäßig wenige auswärtige Mitglieder zählt und seit geraumer Zeit, bei manchen Verlusten, nur wenig neue erhalten hat, so scheint es mir auch ganz in der Ordnung, und ist auch bei andren gelehrten Gesellschaften sehr gewöhnlich, wenn auf einmahl mehrere Ernennungen Statt finden. Gauß.“18

Alle Vorgeschlagenen wurden am 6. November 1835 zu Auswärtigen Mitgliedern der Mathematischen Klasse der Göttinger Societät gewählt.19 Die Wahl wurde am 16. November 1835 vom Universitätskuratorium in Hannover bestätigt.20 Im Archiv der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen wird aber noch ein früherer Vorschlag von Gauß aus dem Jahre 1830 aufbewahrt: 18 Vorschlag von Gauß aus dem Jahr 1835, kein genaues Datum. Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Pers 19, Bl. 182. Vgl. Krahnke 2001, S. 79, 220, 235. 19 Schumacher und Struve wurden zu Auswärtigen Mitgliedern für Astronomie gewählt, Faraday zum Auswärtigen Mitglied für Chemie und Physik. 20 Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Pers 19, Bl. 183.

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„Zu Mitgliedern der mathematischen Classe bringe ich die Herren Staatsrath Schumacher in Altona, Professor Encke in Berlin und Collegienrath Struve in Dorpat in Vorschlag, welche sich, jeder in seiner Art, bedeutende Verdienste um die Astronomie erworben haben, so wie zum Correspondenten den Herrn Professor Gerling in Marburg. Gauß.“21

Diese Akte trägt kein genaues Datum. Es gibt keinen Hinweis darauf, warum Struve und Schumacher im Jahre 1830 nicht gewählt wurden. Damals wurden nur Johann Franz Encke zum Auswärtigen Mitglied für Astronomie und Christian Ludwig Gerling zum Korrespondierenden Mitglied für Physik in die Göttinger Societät gewählt.22 Struve bedankte sich erst 20 Monate nach der Wahl zum Auswärtigen Mitglied am 6. November 1835, nämlich am 13./25. Juli 1837, sowohl bei Gauß als auch bei dem Sekretär der Societät, Johann Friedrich Blumenbach. Letzterem schrieb er: „Durch Ihr gütiges Schreiben vom 16. März 1836 und das beiliegende Diplom ist mir angezeigt worden, daß die hochgepriesene Koenigliche Societät der Wissenschafften zu Göttingen mir die Ehre erwiesen hat mich zu ihrem Mitgliede zu ernennen. Dieser Beweis der wohlwollenden Gesinnungen und des ehrenvollen Vertrauens Ihrer Societät ist mir so aufmunternd und schmeichelhaft, daß ich derselben mit meinem aufrichtigsten Dancke die Versicherung auszusprechen wage, wie es mein ernstes Bestreben sein wird den Erwartungen der Societät, soweit es meine geringen Krafte [sic] erlauben, durch fortgesetzte Thätigkeit für die Wissenschafft zu entsprechen, sowie durch Mitwirkung für jeden Zweck, wenn die hochverehrte Koenigliche Societät mich zu einer solchen aufzufordern Gelegenheit finden sollte. Wenn ich diesen Dank erst so spät abstatte, so lag einzig der Wunsch zum Grunde mit demselben zugleich der Societät ein Werk übersenden zu können, welches unter dem Titel Stellarum duplicium mensurae micrometricae23 die auf der Dorpater Sternwarte seit 13 Jahren ausgeführten die so merkwürdigen Doppellsterne betreffenden Messungen umfaßt; deßen Druck sich aber länger als ich erwartet hatte verzog. Ich hoffe daß bald nach Eingang dieses Schreibens das der Koeniglichen Göttinger Societät bestimmte Exemplar, durch den beständigen Secretär der Petersburger Akademie abgesandt, eintreffen wird; und bitte daselbe nachsichtig

21 Göttingen, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Pers 12, Bl. 95. 22 Vgl. Krahnke 2001, S. 76, 91. Gerling wurde 1861 zum Auswärtigen Mitglied für Physik gewählt. 23 „Stellarum duplicium et multiplicium mensurae micrometricae per magnum Fraunhoferi tubum annis a 1824 ad 1837 in specula Dorpatensi institutae, adjecta est synopsis observationum de stellis compositis Dorpati annis 1814 ad 1824 per minora instrumenta perfectarum“ (Struve, W. 1837).

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als ein Zeichen meiner Dankbarkeit und Verehrung für die Koenigliche Societät entgegen zu nehmen.“24

Bei Gauß bedankte sich Struve mit einem Brief, in dem er Gauß auch über die Übersendung seines Werkes „Stellarum duplicium mensurae micrometricae“ berichtete (Brief Nr. 15). Dieses Werk ist jedoch nicht, wahrscheinlich nicht mehr, in der Gauß-Bibliothek vorhanden.

17.3.4. Gauß und die Kaiserlich-Russische Geographische Gesellschaft in St. Petersburg Die Kaiserlich-Russische Geographische Gesellschaft wurde im Jahre 1845 in St. Petersburg gegründet und ist eine der ältesten Geographischen Gesellschaften überhaupt.25 Wilhelm Struve war einer von ihren siebzehn Mitgründern.26 Der erste Präsident der Gesellschaft war ein Sohn von Nikolaj I., Großfürst Konstantin Nikolaevič Romanov, der diesen repräsentativen Posten seit der Gründung bis 1892 innehatte. Der Vizeadmiral der russischen Flotte und Weltumsegler Graf Fëdor Petrovič Litke war der erste Vizepräsident der Geographischen Gesellschaft, welches Amt er von 1845 bis 1850 und von 1855 bis 1857 bekleidete.27 Von 1850 bis 1855 war Vizepräsident Graf Michail Nikolaevič Murav’ëv, ein Mitglied des Staatsrates. Die Gesellschaft wurde in vier Abteilungen gegliedert: eine für die physikalische Geographie, eine für die mathematische Geographie sowie zwei weitere für die Ethnographie und die Statistik. Struve war der Vorsitzende der Abteilung der mathematischen Geographie, zu der auch Geodäsie und Kartographie gehörten (Sokolovskaja 1964a, S. 112). Im April 1852 wurde Gauß zum Ehrenmitglied der Gesellschaft gewählt. Ob die Wahl unmittelbar auf Struve zurückzuführen ist, konnte nicht ermittelt werden. Dies ist jedoch durchaus denkbar, weil Struve eines der einflussreichsten Gründungsmitglieder der Gesellschaft war und Gauß persönlich kannte.28 Nach der Wahl wurden Gauß das Diplom eines Ehrenmitgliedes (Abb. 87) sowie die Statuten der Gesellschaft „Règlements et personnel de la Société Géographique Impériale de Russie“ zugesandt. Die „Règlements“ befinden sich heute in der Gauß-Bibliothek (GB 1299). Der Gauß ebenfalls übersandte

24 SUB Göttingen, 4°Cod. Ms. hist. 116 I, Nr. 45. 25 Die Société de Géographie in Paris wurde im Jahre 1821 gegründet, die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1828 und die Royal Geographical Society in London 1830. 26 Zu Struves Tätigkeit in der Russischen Geographischen Gesellschaft siehe: Sokolovskaja 1964a, S. 111–119. 27 Im Jahre 1855 wurde Litke zum Admiral befördert, von 1864 bis 1882 war er Präsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. 28 Auch Adolph Theodor Kupffer war Ordentliches Mitglied der Geographischen Gesellschaft in St. Petersburg.

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Band „Compte rendu de la Société Impériale Géographique de Russie“ von 1851 ist dagegen in der Gauß-Bibliothek nicht, oder nicht mehr, vorhanden. Im Begleitbrief des Vizepräsidenten der Gesellschaft, des Grafen Murav’ëv, heißt es: „Société Géographique Impériale de Russie. St Petersbourg le ... Avril 1852 Monsieur, J’ai l’honneur de Vous communiquer, que la Société Impériale Géographique de Russie Vous a élu membre honoraire dans l’espoir, que Vous ne lui refuserez pas le concours de Votre talent et de Vos lumières. Je joins, Monsieur, à cette lettre: 1° le diplôme qui Vous confère le titre de membre, 2° le compte rendu de la Société pour l’anné 1851, et 3° une brochure intitulée: Règlements et personnel de la Société.29 Agréez, Monsieur, l’assurance de ma parfaite considération. Le Viceprésident M. Mouravieff“.30

In dem in russischer Sprache ausgestellten Diplom über die Wahl Gauß (Abb. 87) heißt es, hier in deutscher Übersetzung: „Die Kaiserlich-Russische Geographische Gesellschaft hat in der Versammlung vom 29. September 1851 Herrn Gauß zum Ausländischen Ehrenmitglied gewählt. Präsident [Großfürst] Konstantin Vizepräsident M. Murav’ëv Siegel Oktober 1851 St. Petersburg Sekretär [Unterschrift]“.

Es hat mit Sicherheit auch später noch Kontakte zwischen Gauß und der Russischen Geographischen Gesellschaft gegeben, denn in der GaußBibliothek befinden sich noch folgende Werke, die die Gesellschaft herausgegeben hat: – Věstnik Imperatorskago Russkago Geografičeskago Obščestva na 1852 god31 (Bote der Kaiserlich-Russischen Geographischen Gesellschaft). Heft 3. Sanktpeterburg 1852. (GB 1037). Insgesamt sind mehrere Hefte für die Jahre 1852, 1853 und 1854 vorhanden (Lehfeldt 2011, S. 304, Nr. 3); – Zapiski Imperatorskago Russkago Geografičeskago Obščestva32 (Denkschriften der Kaiserlich-Russischen Geographischen Gesellschaft). Band 6. 29 Règlements et personnel de la Société Géographique Impériale de Russie. St. Pétersbourg, 1852. 30 SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: Société Géographique. 31 Originaltitel: „ȼ࣎ɫɬɧɢɤɴ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ɋɭɫɫɤɚɝɨ Ƚɟɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤɚɝɨ Ɉɛɳɟɫɬɜɚ ɧɚ 1852 ɝɨɞɴ“. 32 Originaltitel: „Ɂɚɩɢɫɤɢ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ɋɭɫɫɤɚɝɨ Ƚɟɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤɚɝɨ Ɉɛɳɟɫɬɜɚ“.

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Band 6. Sanktpeterburg 1852. (GB 1055). Es sind auch weitere Bände für das Jahr 1853 vorhanden (Lehfeldt 2011, S. 305, Nr. 7); – Sbornik statističeskich svěděnij o Rossii, izdavaemyj Statističeskim Otděleniem Imperatorskago Russkago Geografičeskago Obščestva33 (Sammlung statistischer Angaben über Russland, herausgegeben von der Statistischen Abteilung der Kaiserlich-Russischen Geographischen Gesellschaft). Sanktpeterburg 1854 (GB 996; Lehfeldt 2011, S. 319, Nr. 24); – Ėtnografičeskij Sbornik, izdavaemyj Imperatorskim Russkim Geografičeskim Obščestvom (Ethnographischer Sammelband, herausgegeben von der Kaiserlich-Russischen Geographischen Gesellschaft).34 Sanktpeterburg 1853 und 1854 (GB 995; Lehfeldt 2011, S. 324, Nr. 31).

Abb. 87. Diplom über die Wahl von Gauß zum Ausländischen Ehrenmitglied der KaiserlichRussischen Geographischen Gesellschaft vom 29. September/11. Oktober 1851 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 22.

33 Originaltitel: „ɋɛɨɪɧɢɤɴ ɫɬɚɬɢɫɬɢɱɟɫɤɢɯɴ ɫɜ࣎ɞɟɧiɣ ɨ Ɋɨɫɫiɢ, ɢɡɞɚɜɚɟɦɵɣ ɋɬɚɬɢɫɬɢɱɟɫɤɢɦɴ Oɬɞ࣎ɥɟɧiɟɦɴ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ɋɭɫɫɤɚɝɨ Ƚɟɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤɚɝɨ Ɉɛɳɟɫɬɜɚ“. 34 Originaltitel: „ɗɬɧɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤiɣ cɛɨɪɧɢɤɴ, ɢɡɞɚɜɚɟɦɵɣ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɢɦɴ Ɋɭɫɫɤɢɦɴ Ƚɟɨɝɪɚɮɢɱɟɫɤɢɦɴ Ɉɛɳɟɫɬɜoɦɴ“.

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Struve selbst publizierte in den Denkschriften der Russischen Geographischen Gesellschaft – „Zapiski Imperatorskago Russkago Geografičeskago Obščestva“ – mehrere Arbeiten. Im Jahre 1846 erschien dort seine Übersicht über die geographischen Arbeiten in Russland (Bd. 1, S. 43–58), 1849 veröffentlichte er dort eine Abhandlung über die Manuskripte des Astronomen Louis Delisle de La Croyère, der von 1727 bis 1741 als Außerordentlicher Professor für Astronomie an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewirkt hatte und Teilnehmer an der Zweiten Kamtschatkaexpedition gewesen war (Bd. 3, S. 50–67). Im Jahre 1850 hielt Struve in der Versammlung der Geographischen Gesellschaft einen Übersichtsvortrag über die Arbeiten zur Bestimmung der Erdgestalt. Im Jahre 1853 erschien seine historische Darstellung der Durchführung der Russisch-Skandinavischen Gradmessung (Bd. 8, S. 5–22). Dies war eine russische Fassung des „Exposé historique des travaux exécutés jusqu’à la fin de l’année 1851 pour la mesure de l’arc du méridien“, die 1852 auf französisch erschienen war (Struve, W. 1852; vgl. Sokolovskaja 1964a, S. 117, 265–268). Ein Exemplar der französischen Fassung befindet sich in der GaußBibliothek (GB 1368).

17.3.5. Austausch von Veröffentlichungen In der Gauß-Bibliothek sind gegenwärtig 16 Veröffentlichungen von Struve nachweisbar, wobei einige Bände mit Widmungen versehen und einige nicht aufgeschnitten sind. Mit Sicherheit sind heute nicht mehr alle Publikationen von Struve vorhanden, die dieser Gauß hat zukommen lassen. Hier dürfte ein erheblicher Verlust zu beklagen sein. So hat Gauß etwa die prachtvolle Ausgabe der Beschreibung der neuen Sternwarte „Déscription de l’Observatoire Astronomique Central de Poulkova“ (Struve, W. 1845a) erhalten, wofür er sich in einem Brief bei Struve bedankte (Brief Nr. 22). Dieses Werk ist jedoch nicht mehr in der Gauß-Bibliothek vorhanden. Struve ließ Gauß nicht nur eigene Publikationen, sondern auch Veröffentlichungen anderer russischer Gelehrte zukommen, zum Beispiel von Lobačevskij (Brief Nr. 22). Umgekehrt besaß die Bibliothek in Pulkowo im Jahre 1845 achtzehn Titel von Gauß. Struve, der in Pulkowo eine Bibliothek für Astronomie eingerichtet hatte, stellte 1845 dafür einen Katalog „Librorum in bibliotheca speculae Pulcovensis contentorum Catalogus systematicus“ (Struve, W. 1845b) zusammen. Dieser Katalog ist in der Gauß-Bibliothek vorhanden (GB 680). Hervorzuheben ist, dass die Bibliothek von Struve, die durch den Erwerb von privaten Büchersammlungen, zum Beispiel von Martin Bartels, Wilhelm Olbers und Christian August Friedrich Peters, bereichert wurde, zu den bedeutendsten Bibliotheken des 19. Jahrhunderts zählte. In sie fanden unter anderem auch Handschriften von Johannes Kepler sowie Sammlungen alter astronomischen Bücher aus dem 15. und dem 16. Jahrhundert Eingang. In dem Katalog

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aus dem Jahre 1845 wurden von Struve insgesamt 5.411 Titel verzeichnet: 35 3.869 Titel von Schriften des 15. bis 18. Jahrhunderts und 1.542 Titel von Schriften des 19. Jahrhunderts (Sokolovskaja 1964a, S. 93–94; Oestmann 2001, S. 114–116).36 Am 9. August 1847, nachdem Struve von London zurückgekommen war, ließ er über Schumacher Gauß „ein Exemplar des Prachtwerkes von Everest über die Indische Vermessung“ (Everest 1847; GB 830) zukommen (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 337). Dabei teilte Schumacher Gauß mit, dass Struve sich darüber beschwert habe, dass Gauß’ zweite Abhandlung über Geodäsie schon vergriffen sei, so dass er sie durch den Buchhandel nicht mehr bekommen könne. Darauf sandte Gauß Struve im Gegenzug seine Arbeit „Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Zweite Abhandlung“ (Gauß 1847), und zwar ebenfalls über Schumacher mit der Bitte, diese „(bezeichnete) Herrn Struve mit meinem besten Empfehl zu übergeben“ (Briefwechsel Gaus–Schumacher 1863: 5, S. 340).

17.3.6. Gauß’ Porträt von Jensen in der Sternwarte Pulkowo Dank Struve ist der Nachwelt ein Bild erhalten geblieben, das Gauß im Alter von 63 Jahren zeigt (Reich 2003a, S. 375–376). Nach der Eröffnung der Sternwarte in Pulkowo sorgte Struve nicht allein für deren prachtvolle technische Ausstattung, er wollte sie auch mit Portraits von Gelehrten schmücken. Heinrich Christian Schumacher schrieb am 5. April 1840 an Gauß: „Von Struve habe ich Ihnen eine Bitte vorzutragen. Die Sternwarte in Pulkova soll die Bildnisse der ersten Astronomen enthalten. Nun wünscht er natürlich Ihr Bildniss, und hat mich beauftragt Ihnen seine Bitte vorzutragen, sich malen zu lassen. Ob Sie dazu die Zeit sparen können, und wollen, und ob in Göttingen ein geschickter Maler ist, der ein Ihrer würdiges Bildniss in O e l ausführen kann, sind Fragen, die zuerst erledigt werden müssen. Erst wenn diese Fragen bejahend beantwortet sind, darf ich bemerken, dass er die Dimensionen des Bildes, damit es zu den schon vorhandenen stimme, von 22 Zoll Engl. Breite, und 29 Zoll Höhe (ohne Rahmen)37 wünscht und würde ferner bitten mir den Preis des Malers aufzugeben, um ihn anweisen zu können“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 368). Schumacher brachte sogleich den dänischen Maler Christian Albrecht Jensen in Vorschlag: „Professor Jensen von der Kunst-Academie in Copenhagen hat voriges Jahr hier Bessel vortreflich gemalt, und ihn im Ganzen kaum 3 Stunden sitzen lassen. Käme d e r durch Göttingen, so wäre für Ihre Zeit und 35 Eine weitere Ausgabe des Katalogs wurde 1860 von Otto Struve besorgt, dort sind 18.890 Titel verzeichnet. 36 Bei einem Brand im Jahre 1997 hat die Bibliothek große Verluste erlitten. 37 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprach ein englischer Zoll ca. 25,4 mm. Die Größe des in Pulkowo befindlichen Portraits beträgt 540 x 660 mm.

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für die Güte des Bildes gesorgt. Er ist so fest, dass er gar nicht vorzeichnet, sondern direct malt. Dies ist aber nicht gewöhnlich. Sein Preis ist 50 Species (nahe 14 Louisd’or38)“ (Briefwechsel Gauß-Schumacher 1861: 3, S. 368). Jensen war ein bekannter dänischer Maler und Porträtist; er war zu dieser Zeit als Kopist in der Gemäldesammlung der dänischen Königsfamilie auf Schloss Frederiksborg tätig. Gauß hatte aber zuerst den Göttinger Professor für Kunstgeschichte, Portrait- und Historienmaler Karl Oesterley im Sinn und schrieb an Schumacher: „Wie ich höre setzt der Professor Osterlei sein Honorar des Malens sehr ungleich an [...]. Ich gestehe übrigens, dass ich es etwas undelicat finden würde, einen Künstler dieses Ranges vorher um den Preis zu fragen. Lässt man sich von ihm malen, so muss man sich dem, was er nachher verlangt, unterwerfen“ (ebenda, S. 370). Wie Schumacher Gauß jedoch mitgeteilt hatte, wünschte Struve „sehr Ihr Portrait von demselben Künstler, der Bessel und mich [Schumacher] gemalt hat, nemlich von Professor Jensen, zu erhalten“ (ebenda, S. 389). Schließlich willigte Gauß am 11. Juli 1840 ein: „Heute, mein theuerster Freund, nur zwei Worte in Beantwortung Ihres Briefes, dass ich dem Verlangen des Herrn Struve zu entsprechen bereit sein werde, und dass wenn Herr Jensen hieher kommen will, mir während der nächsten zwei Monate jede Zeit gleich ist“ (ebenda, S. 392). Schließlich wurde das Portrait von Gauß innerhalb kurzer Zeit fertiggestellt, und am 8. August schrieb Gauß an Schumacher, der bald nach St. Petersburg reisen sollte: „So gern ich mit Ihnen die Reise nach Petersburg machte, so sind die Hindernisse zu gross. [...] Sonst befinde ich mich [...] wohl, und nach meinem Portrait, welches, wie die Leute sagen, mir sehr ähnlich sein soll, werden Sie mich für bedeutend jünger aussehend halten als ich bin“ (ebenda, S. 395). Am 13. August 1840 verließ Jensen mit dem Gemälde Göttingen. Während seines Aufenthaltes dort hatte er nicht nur das Gemälde für Pulkowo gemalt, sondern von diesem auch Kopien für Gauß’ Freunde angefertigt (Wittmann/Oreshina 2009). Am 15. August teilte Schumacher aus Altona seine Eindrücke von dem Portrait mit: „Wenn Sie sich nicht, seitdem wir uns sahen, sehr verändert haben, so kann ich Ihr Portrait nicht ganz ähnlich finden. Aber wenn Sie sich auch verändert haben, so werden Ihre Züge doch noch immer den Ausdruck des ruhigen Scharfsinns haben, den ich in dem Portrait vermisse. Ich schreibe Ihnen mein Urtheil nicht ohne Furcht, dass ich bei dem allgemeinen Beifall, den das Bild gefunden hat, als ein Sonderling betrachtet werde. Der schwächste Theil des Bildes sind die Augen“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 400). Für die Sternwarte in Pulkowo bestellte Struve mehrere Portraits von Astronomen und Mathematikern. Bemerkenswert ist, dass Struve auch Portraits von Instrumentenherstellern in Auftrag gab. Für diese Bildersammlung hat 38 Der Preis für das Gemälde entsprach ca. 0,56% des Jahreseinkommens von Gauß (Wittmann/Oreshina 2009, S. 57).

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Jensen mehrere Portraits gemalt, darunter auch eines von Struve selbst (Abb. 83). Im Jahre 1845 veröffentlichte Struve eine erste umfangreiche Beschreibung der neuen Sternwarte: „Déscription de l’Observatoire Astronomique Central de Poulkova“ (Struve, W. 1845a). In diesem Werk werden die 22 Portraits erwähnt, die zu Anfang die Rotunde der Sternwarte schmückten: Von den bereits verstorbenen Astronomen waren dies Portraits von Nicolaus Copernicus, Tycho Brahe, Johannes Kepler, Isaac Newton, Edmond Halley, James Bradley, Friedrich Wilhelm Herschel und Friedrich Theodor Schubert. Von den damals noch lebenden Astronomen und Instrumentenherstellern waren die Bildnisse von Gauß und folgenden Personen zu sehen: George Bidell Airy, Friedrich Wilhelm Bessel, Traugott Leberecht Ertel, Christopher Hansteen, John Herschel, Georg Merz, Adolf Repsold, Georg Repsold, Heinrich Christian Schumacher, James South und Karl August Steinheil. Später kamen noch weitere Portraits hinzu (Reich 2003a, S. 376–377).

17.4. Der Briefwechsel 17.4.1. Die Besonderheiten des Briefwechsels Die hier vorgestellte Korrespondenz umfasst Briefe aus dem langen Zeitraum von 1815 bis 1847. Es handelt sich um 14 Briefe von Struve an Gauß und um 8 Briefe von Gauß an Struve. In die hier vorgelegte Veröffentlichung wurde auch eine von Struve angefertigte Abschrift eines Briefes von Bellingshausen an Krusenstern aufgenommen (Brief Nr. 17), da dieser Brief mit der Korrespondenz zwischen Gauß und Struve in Zusammenhang steht. Der Aufbewahrungsort der Briefe ist die SUB Göttingen, mit Ausnahme von zwei Briefen. Es handelt sich bei letzteren um zwei von Gauß an Struve gerichtete Schreiben (Briefe Nr. 9 und Nr. 18), die bei Auktionen verkauft worden sind. Dank der Auktionskataloge der Autographenhandlung J. A. Stargardt sind zumindest einige Details über ihren Inhalt bekannt, die hier übernommen wurden. Zwischen 1826 und 1837 klafft in dem Briefwechsel eine Lücke, die aber nicht unbedingt so interpretiert werden muss, dass in diesem Zeitraum keine Briefe gewechselt worden seien. Es ist jedenfalls kein Grund bekannt, weshalb in dieser Zeit die Korrespondenz zwischen Struve und Gauß eine Unterbrechung erfahren haben sollte. In der Tat hatte Gauß in den Jahren 1830 und 1835 Struve für die Aufnahme in die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen empfohlen. In dem ersten vorhandenen Brief nach dieser Lücke, nämlich am 13./25. Juli 1837, bedankte sich Struve für diese Ehre (Brief Nr. 15). Hervorzuheben ist, dass der Briefwechsel zwischen Gauß und Struve von verhältnismäßig geringem Umfang ist. Zum Vergleich: Von dem Briefwechsel

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zwischen Struve und Bessel sind 212 Briefe überliefert.39 Otto Struve, der 1898 nur sechs Briefe von Gauß an seinen Vater hatte finden können, um diese der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen zukommen zu lassen, äußerte hierzu seine Meinung: „Vermuthlich sind einige Briefe verloren gegangen, andrerseits erklärt sich ihre geringe Zahl zum Theil gewiß durch den Umstand daß die Richtung der Thätigkeit der beiden vielbeschäftigten Männer eine wesentlich verschiedene war. Bei Gauß prädominirte die Theorie, bei meinem Vater die Praxis.“40 Die Korrespondenz zwischen Gauß und Struve zeigt aber deutlich, dass zwischen den beiden Gelehrten ein freundschaftliches Verhältnis bestand. In den Briefen wurden stets wissenschaftlich relevante Informationen und Forschungsergebnisse ausgetauscht. Im Folgenden sollen einige Themen erörtert werden, die in dem Briefwechsel eine Rolle spielen.

17.4.2. Vermessungswesen Was die Geodäsie anlangt, so war diese ein Steckenpferd sowohl von Gauß wie auch von Struve. Beide arbeiteten während einer langen Zeitspanne ihres Lebens auf diesem Gebiet. Gauß leitete von 1820 bis 1844 die Vermessung des Königreichs Hannover (Reich 2002), und Struve war mit seinen Kollegen für die von 1816 bis 1855 dauernde Russisch-Skandinavische Gradmessung mitverantwortlich. Über dieses grandiose Projekt unterrichtet eine umfassende Monographie (Sokolovskaja 1964b). Im Jahre 1816 schlug die Kaiserliche Livländische gemeinnützige und ökonomische Societät Struve vor, eine astronomisch-trigonometrische Vermessung Livlands durchzuführen. Struve wandte sich an das Conseil der Universität Dorpat mit dem Ersuchen um Erlaubnis, für dieses Unternehmen die Instrumente der Sternwarte zu benutzen. Die Vermessung Livlands, zu der auch eine Basismessung gehörte, leitete Struve von 1816 bis 1819. Die Basis befand sich auf dem zugefrorenen Wirzsee und wurde im Winter 1818/1819 vermessen (Brief Nr. 4). Am 9. Mai 1820 erhielt Gauß von seinem Landesherrn, König Georg IV., den Auftrag zur Landesvermessung. Fast gleichzeitig stellte Struve dem Conseil der Dorpater Universität sein Projekt der Vermessung der Ostseeprovinzen vor (Sokolovskaja 1964a, S. 31). Dieses Vorhaben wurde vom Kurator der Universität, Graf Carl von Lieven, unterstützt und von Kaiser Alexander I. bewilligt. Struve erhielt circa 3.000 Rubel aus dem Reichsschatz, und er wurde ins Ausland entsandt, um Instrumente zu bestellen (Oettinger 1893, S. 6). In dem Brief Nr. 8 teilte Struve Gauß mit, dass er mit der Vermessung der Ostseeprovinzen hinsichtlich sowohl der Breite als auch der Länge beginnen wolle. We39 Briefe im Nachlass von Friedrich Wilhelm Bessel, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 40 Brief von Otto Struve an Paul Stäckel vom 17.2.1898 (Karlsruhe). SUB Göttingen, Gauß-Briefe B: Struve, Beilage.

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nig später beteiligten sich Gauß und Struve 1820/1821 an der dänischen Basismessung in Braak in Holstein (Brief Nr. 9, 10). Struve hatte von Gauß’ Erfindung des Heliotropen erfahren (Brief Nr. 10) und bat Gauß um Details über dieses Instrument. Voll Begeisterung schilderte Gauß am 21. Dezember 1821 seine Lieblingserfindung, sogar mit Hilfe einer genauen Zeichnung (Brief Nr. 11). Struve entwickelte schnell Pläne für die Lage der Dreiecke, wobei auch Finnland, das damals zu Russland gehörte, miteinbezogen wurde (Briefe Nr. 8, 10). Hierbei stand ihm sein Freund und Kollege Henrik Johan Walbeck aus Åbo zur Seite. Struve arbeitete nunmehr mit vier Heliotropen, wobei einer stets als optischer Telegraph verwendet wurde (Brief Nr. 12). Auch Gauß stellte sein weiteres Programm vor, vor allem den Anschluss an die holländische Vermessung. Gleichzeitig aber klagte er darüber, dass er stets zwischen theoretischen und praktischen Arbeiten hin- und hergerissen sei, während Struve eindeutig vor allem der Praxis zugewandt war. Gauß erwähnte hierbei (Brief Nr. 14) seine im Entstehen begriffenen „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ (Gauß 1828a). Struves damalige Gradmessung fand ihren Niederschlag in dem dreibändigen Werk „Beschreibung der unter allerhöchstem kaiserlichen Schutze von der Universität Dorpat veranstalteten Breitengradmessung in den Ostseeprovinzen Russlands, ausgeführt und bearbeitet in den Jahren 1821 bis 1831“, das im Jahre 1831 in Dorpat erschien und auch in der Gauß-Bibliothek vorhanden ist (GB 1013). Während Gauß zur Längengradbestimmung die Methode der Monddistanzen vorschlug (Brief Nr. 7), war Struve mit den mit dieser Methode erzielten Ergebnissen ziemlich unzufrieden (Brief Nr. 10). Im Jahre 1833 schließlich fand eine von Struve angeordnete Chronometerexpedition statt, bei der Dorpat und Altona miteinander verbunden wurden. In den erhaltenen Briefen fand diese Unternehmung keinen Niederschlag; sie fällt in die Lücke des Briefwechsels zwischen 1827 und 1836. Eine weitere Chronometerexpedition wurde 1843 durchgeführt, wobei nunmehr Pulkowo mit Altona verbunden wurde (Brief Nr. 20). Struve war mit den Ergebnissen sehr zufrieden und ließ Gauß die 1844 in St. Petersburg erschienene, die Chronometerexpedition begleitende Schrift „Expédition chronométrique executée par ordre de sa majesté l’empereur Nicolas Ier entre Poulkova et Altona pour la détermination de la longitude géographique relative de l’observatoire central de Russie“ zukommen (GB 1015). Schließlich erweiterte Struves Sohn Otto diese Verbindung 1844 noch über Altona hinaus bis Greenwich (Briefe Nr. 21 und 23). Auch sollte im Sommer 1845 Pulkowo mittels 40 Chronometer mit Moskau und Warschau verbunden werden (Brief Nr. 21). Die Gauß-Bibliothek legt ferner Zeugnis darüber ab, dass Struve Gauß stets seine neuesten Vermessungsergebnisse zukommen ließ, so zum Beispiel aus den Jahren 1843 und 1845 (Struve, W. 1843a, GB 1371; Struve, W. 1845c, GB 116; Struve, W. 1845d, GB 1016).

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17.4.3. Astronomische Beobachtungen und Instrumente Es war meistens Struve, der Gauß seine Beobachtungen mitteilte, so die der Kometen von 1815 (Brief Nr. 1), 1819 (Briefe Nr. 5, 6), 1839 und 1843 (Brief Nr. 20). Außerdem spielten die Beobachtungen der kleinen Planeten eine größere Rolle (Brief Nr. 1, Vesta; Brief Nr. 23, Astraea), auch mögliche Planetendurchmesser wurden erörtert (Brief Nr. 20). Ferner ging es um Beobachtungen des Uranus (Brief Nr. 20) und des Neptun, wobei Struve eben diesen Namen Neptun für den neuentdeckten Planeten favorisierte (Briefe Nr. 22 und 23). Ferner waren oft Doppelsterne ein Thema für Struve (Briefe Nr. 12, 13 und 20). Aber auch Gauß meldete Beobachtungen (Brief Nr. 7), hatte er doch als erster entdeckt, dass 29 Aquarii ein Doppelstern ist. Für Struve war natürlich der Polarstern ein bevorzugtes Objekt (Briefe Nr. 6 und 20). Was die instrumentelle Ausstattung der Sternwarten anlangt, so meldete Gauß, dass in Göttingen seit April 1818 der Repsoldsche Meridiankreis aufgestellt (Brief Nr. 3) und dass am 22. Februar 1820 der Reichenbachsche Meridiankreis in Betrieb genommen worden sei (Brief Nr. 7). Der von Struve bestellte Reichenbachsche Meridiankreis41 kam erst im Juni 1822 in Dorpat an. Struve unterbrach sogar seine Vermessungsarbeiten, um das neue Instrument intensiv inspizieren zu können (Brief Nr. 12). Leider sind keine Briefe erhalten, die die Ankunft des großen Fraunhoferschen Refraktors42 in Dorpat im Jahre 1824 zum Inhalt hätten. Wahrscheinlich Ende 1825 erhielt Gauß Struves Schrift „Beschreibung des auf der Sternwarte der Kaiserlichen Universität zu Dorpat befindlichen großen Refractors von Fraunhofer“ (Struve, W. 1825; GB 1421). Er bedankte sich für die „Beschreibung des prachtvollen Refractors“ (Brief Nr. 14). Auch über Pulkowo berichtete Struve (Brief Nr. 15), wobei vor allem das von Steinheil gebaute Ocular-Heliometer erwähnt wurde (Brief Nr. 20).

17.4.4. Erdmagnetismus Der Erdmagnetismus beschäftigte Gauß erneut spätestens seit dem Jahr 1828, als er Alexander von Humboldt in Berlin einen Besuch abstattete (Reich 2008). Struve hingegen zeigte kein besonderes Interesse an diesem Thema. Dennoch sorgte er dafür, dass Gauß das in diesem Zusammenhang interessante Schreiben des russischen Weltumseglers Fabian Gottlieb von Bellingshausen an 41 Für die Erwerbung des Reichenbachschen Meridiankreises, der im Juni 1822 nach Dorpat geliefert wurde, wurden im Jahre 1817 von der Universität Dorpat 4.000 Gulden bewilligt (Oettinger 1893, S. 6–7). 42 Utzschneider berichtete aus München, dass der Fraunhofersche Refraktor im September 1824 abgesandt worden sei. Das Instrument, das 10.600 Gulden gekostet hatte, kam am 3./15.11.1824 in Dorpat an (Oettinger 1893, S. 7; Sokolovskaja 1964a, S. 37).

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Adam Johann Krusenstern erhielt (Brief Nr. 17). Die hier übermittelten Daten wurden von Gauß unverzüglich in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1839“ zu Göttingen veröffentlicht. Es ging um die magnetischen Messungen im Bereich des damals gesuchten südlichen Magnetpols. Die Tabelle über die „Abweichungen der Magnetnadel, beobachtet vom Capitaine Bellingshausen in den Jahren 1819–1821“ wird mit einer kurzen Notiz von Gauß wie folgt eingeleitet: „Die nachfolgenden Abweichungsbeobachtungen in hohen südlichen Breiten hat Hr. Admiral B e l l i n g s h a u s e n aus dem Tagebuche seiner Erdumseglungsreise auszuziehen und mitzutheilen die Güte gehabt. Die gedruckte Reisebeschreibung in russischer Sprache,43 die ohnehin nur Wenigen zugänglich ist, enthält nur den kleineren Theil derselben, und die Bekanntmachung dieser zahlreichen Reihe erhält jetzt durch die englische magnetische Expedition44 in das antarktische Meer ein verdoppeltes Interesse“ (Bellingshausen 1840, S. 117). In seinen Briefen teilte Gauß Struve auch einige Details über sein magnetisches Instrumentarium mit (Brief Nr. 19).

17.4.5. Besetzung der Professur für Reine und Angewandte Mathematik in Dorpat Johann Sigismund Gottfried Huth, der in Dorpat seit 1811 die Professur für Reine und für Angewandte Mathematik innehatte, in die auch die Astronomie integriert war, verstarb am 28. Februar/12. März 1818. Nun sollten die Reine und die Angewandte Mathematik in Dorpat getrennt werden. Im Auftrag des damaligen Rektors der Universität, Gustav von Ewers, wandte sich Struve an Gauß und bat ihn um Empfehlung eines Nachfolgers für Huth für Reine und für Angewandte Mathematik (Brief Nr. 2). Gauß schlug zuerst Joseph Johann von Littrow vor (Brief Nr. 3). Aber auch Johann Friedrich Posselt und Heinrich Wilhelm Brandes waren mögliche Kandidaten. Schließlich nannte Gauß noch die Namen Christian von Staudt, August Ferdinand Möbius und Karl Heribert Ignatius Buzengeiger, von denen die beiden ersten seine Schüler gewesen waren (Briefe Nr. 4, 5, 6, 7). Schließlich wurde nach längeren Verhandlungen Gauß’ Freund Martin Bartels nach Dorpat berufen.

17.4.6. Weitere Aspekte des Briefwechsels Struve hatte Gauß sowohl den Astronomen Ernst Christoph Friedrich Knorre als auch den Geodäten Aleksej Pavlovič Bolotov vorgestellt, die kurze Zeit später Gauß in Göttingen einen Besuch abstatteten (Briefe Nr. 13 und 21). Mit 43 Das Reisewerk von Bellingshausen erschien im Jahre 1831 in St. Petersburg in russischer Sprache. 44 James Clark Ross startete am 29.9.1839 mit den Schiffen „Erebus“ und „Terror“ eine Antarktisexpedition, die bis 1843 dauerte.

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großer Anteilnahme informierte Struve Gauß darüber, dass dessen Freund Martin Bartels gestorben sei (Brief Nr. 15). Auch waren mögliche Preisfragen für Studenten ein Thema (Briefe Nr. 19 und 20). Von besonderem Interesse ist ein Brief von Gauß an Struve vom 11. Dezember 1846 (Brief Nr. 22). Struve hatte nämlich Gauß offensichtlich Schriften von Nikolaj Ivanovič Lobačevskij zukommen lassen, für deren Übersendung sich Gauß bedankte. Auch erwähnte Gauß, dass er seit mehr als einem Jahr die Pflege seiner russischen Sprachkenntnisse vernachlässigt habe.

17.4.7. Vermutungen über die vorzeitige Beendigung des Briefwechsels Der letzte Brief, der erhalten ist, stammt vom Anfang des Jahres 1847. Es ist denkbar, dass danach der Briefwechsel abgebrochen wurde, weil es größere Differenzen in Pulkowo gab, die auch Schumacher und Gauß bekannt geworden waren. In diese Auseinandersetzungen waren neben Wilhelm Struve auch dessen Sohn Otto sowie Christian August Friedrich Peters verwickelt, der seit 1839 in Pulkowo als Assistent tätig war. Es ging darum, dass der Vater die Fähigkeiten seines Sohnes Otto möglicherweise überschätzte, so dass daraus Nachteile für Peters erwuchsen. In den von Gauß an Schumacher gerichteten Briefen kann man die Details nachlesen (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 300 und Briefwechsel Gauß–Schumacher 1969, S. 211–213). Ob aber diese Misshelligkeiten wirklich der Grund dafür waren, dass der Briefwechsel nicht mehr fortgeführt wurde, muss dahingestellt bleiben. Eine weitere Ursache für die Abkühlung und schließliche Beendigung des brieflichen Kontakts zwischen Gauß und Struve könnte eine Auseinandersetzung um Johann Heinrich Mädlers Publikation „Die Centralsonne“ gewesen sein, die 1846 in Dorpat erschienen war (Mädler 1846a). Diese Schrift wurde von vielen Zeitgenossen missverstanden und scharf kritisiert (siehe S. 528–529). Carl Gustav Jacob Jacobi verfasste eine böse Rezension über Mädlers Werk, die aber auf Grund eines Verbots des russischen Ministers für Volksaufklärung, Sergej Semënovič Uvarovs, der Mädler unterstützte, nicht veröffentlicht wurde. Struve, der von Mädler nicht viel hielt, sorgte ungeachtet dieses Verbots dafür, dass die Rezension unter den Astronomen bekannt wurde. Darüber hinaus beschuldigten böse Gerüchte Mädler als Struves Nachfolger in Dorpat, den Glanz der dortigen Sternwarte zu verdunkeln. Den Verbreitern derartiger Gerüchte war es auch um eine Kritik an denjenigen zu tun, die Mädler gefördert hatten (Sokolovskaja 1964a, S. 62–63). Es war bekannt, dass Struve gerne Karl Eduard Senff als seinen Nachfolger in Dorpat gesehen hätte, wohingegen Gauß Mädler unterstützte. Solche Angriffe mögen auch Gauß getroffen haben, da dieser Mädler stets wohlgesonnen war. Zu berücksichtigen sind ferner auch die Diskussionen um die im Jahre 1847 in St. Petersburg erschienenen „Études d’astronomie stellaire“ von Struve

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(Struve, W. 1847),45 die dieser den Untersuchungen über den Bau der Milchstraße gewidmet hatte. Die „Études“ befinden sich in der Gauß-Bibliothek (GB 681). Dem eigentlichen Text ist ein Schreiben Struves vorangestellt, in dem dieser Sergej Semënovič Uvarov, dem Minister für Volksaufklärung und Präsidenten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, seine Verehrung bezeugt. Dieses kleine Werk wurde mehrfach angegriffen. Die Kritiker warfen Struve vor allem vor, er habe unbegründete Spekulationen angestellt (Oettinger 1893, S. 11). Wie der Briefwechsel zwischen Gauß und Schumacher zeigt, war auch Gauß an den internen Diskussionen über die „Études“ beteiligt. Johann Franz Encke veröffentlichte in den „Astronomische Nachrichten“ eine ziemlich scharfe Kritik der Abhandlung von Struve, die er mit den folgenden Worten abschloss: „Struve’s große, von Keinem mehr, wie von mir anerkannte Verdienste um das Ganze der Astronomie, die er zuletzt noch durch die Anlage einer Sternwarte gekrönt hat, bei der die Größe der Instrumente, so dankenswerth sie ist, fast zurücktritt gegen die Zweckmäßigkeit der ganzen Anlage, und dem wahren Kennerblick, mit welchem das Vorzüglichste erstrebt worden ist, haben mir es sehr schwer gemacht, bei einer Arbeit der er unverkennbar eine große Liebe und Zeit- und Kraft-Aufwand gewidmet hat, so ganz verschiedener Ansicht zu sein. Jeden Irrthum werde ich bereitwillig zugestehen, wenn er mir nachgewiesen wird, aber so wie ich jetzt die Sache ansehe, scheint es mir von Wichtigkeit für die Astronomie, daß die Annahmen und Parallaxen der Etudes nicht in unsere astronomischen und populären Schriften übergehen.“46 Der Hintergrund der Veröffentlichung der Kritik von Encke ist mit Gauß so eng verknüpft, dass er hier dargestellt zu werden verdient. Der Herausgeber der „Astronomischen Nachrichten“, Heinrich Christian Schumacher, schickte Gauß am 26. Juli 1847 einen Sonderdruck der „Études“ von Struve (Abb. 88) und erkundigte sich bei ihm: „Ich habe Struve’s Etudes d’Astronomie stellaire beigelegt, die mit den Astronomischen Nachrichten ausgegeben werden sollen [...]. Ich bin sehr neugierig was Sie zu seinen Einwürfen gegen die von Bessel gefundene Veränderlichkeit der eigenen Bewegung der Hundssterne47 sagen“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1863: 5, S. 334). Am 23. Oktober informierte Schumacher Gauß: „Encke hatte [...] einen Aufsatz über Struve’s Etudes d’Astronomie stellaire geschrieben, war nachher aber ungewiss, ob er ihn publiciren oder unterdrücken solle, und schrieb mir darüber. Ich antwortete ihm die Publication scheine mir unbedenklich, wenn nichts persönliches, keine 45 Vollständiger Titel: „Études d’astronomie stellaire. Sur la voie lactée et sur la distance des étoiles fixes. Rapport fait a son Excellence M. le Comte Ouvaroff, Ministre de l’Instruction publique et Président de l’Academie Impériale des Sciences“. 46 Astronomische Nachrichten 26 (Nr. 622), 1848, Sp. 337–350, hier Sp. 349–350. 47 Bessel hatte 1844 eine Unregelmäßigkeit in der Eigenbewegung des Sirius bemerkt, die er auf den Einfluss eines Doppelsternpartners zurückführte.

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heftige Sprache darin sei, sondern Alles nur als ruhige wissenschaftliche Untersuchung betrachtet werden könne. Er hat darauf mehrere Stellen ausgemerzt und mir den Aufsatz geschickt mit Erlaubniss zu streichen und zu verändern was ich will. So wie ich ihn erhalten habe, kann ich nach scharfer Prüfung nichts finden, was Struven im geringsten als persönlicher Angriff beleidigen könnte, im Gegentheil die Complimente, die er erhält, scheinen mir mitunter ein wenig zu stark, aber dass der Aufsatz Struven unangenehm seyn wird, ist keine Frage, denn Encke sucht zu zeigen, dass Struve’s ganzes Gebäude ein Kartenhaus sei auf nicht hinlänglich begründeten Hypothesen aufgeführt. [...] Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir bei derselben Gelegenheit sagten, ob ich Recht habe oder nicht, und ob vielleicht etwas, das ich übersehen habe, darin ist, das nicht als rein wissenschaftliche Discussion betrachtet werden kann. Der schon von Dr. Peters bemerkte Fehler bei dem Minimum und Maximum wird Struven allerdings sehr unangenehm seyn, aber es ist ein rein analytischer Schnitzer, und ich sehe nicht, dass Struve verlangen kann, dass man ihn nicht zurecht weisen solle, wenn er Fehler bei Anwendung der Analysis macht“ (Briefwechsel Gauß-Schumacher 1861: 5, S. 379). Gauß antwortete zwei Tage später, am 25. Oktober: „Auf Encke’s Aufsatz bin [ich] neugierig. [...] Möchten Sie nicht Encke auffordern auch einmahl Mädler’s Centralsonne zu beleuchten?“ (ebenda, S. 381–382). Schumacher bat Gauß am 27. Oktober auch noch um dessen Rat, ob die Publikation der Kritik von Encke in seiner Zeitschrift ratsam sei: „In Bezug auf seinen über Struve’s Etudes geschriebenen Aufsatz ist er jetzt ungewiss, ob er nicht vor dem Abdrucke Struven communicirt werden müsse. Ich kann nicht deutlich sehen, was die Communication bezwecken soll. Glaubt er, dass Struve dadurch zu einem Widerrufe gebracht wird, so irrt er sich. Der Kaiserliche Astronom ist in Russland unfehlbar wie der Pabst, und kann nichts widerrufen, ohne seine Stellung schwankend zu machen. Soll es aus Höflichkeit geschehen, so habe ich nichts dagegen, aber diese Höflichkeit wird auch weiter nichts bezwecken. Mag Encke überhaupt nicht sich in eine Discussion mit Struve einlassen, so scheint es das Einfachste, den ganzen Aufsatz zu zerreissen. Ich bin sehr auf Ihre Meinung begierig. So sehr ich Frieden und Eintracht liebe, würde ich doch, wenn es von meiner Entscheidung abhängen sollte, ehe Encken zur Publication rathen, als ihn davon abrathen“(ebenda, S. 383). Gauß antwortete Schumacher: „In dem Aufsatze von Encke habe ich nichts gefunden, was für ein Ueberschreiten der guten Lebensart angesehen werden könnte. Sie wissen, dass ich von jeher kein Freund davon gewesen bin, schwach begründeten Hypothesen einen Platz in der Wissenschaft einzuräumen, und so sehe ich meines Theils gern, wenn jemand Versuchen der Art nachdrücklich entgegentritt. Im Einzelnen würde vielleicht auch Encke’s Argumentation hie und da einer Replik fähig sein, aber jene zu vertreten ist Seine Sache“ (ebenda, S. 384). Gauß teilte Schumacher auch seine Kritik an dem Aufsatz von Encke mit, schloss aber seine Ausführungen mit der Bemerkung: „Dies Alles geht übrigens mich nichts an, und Sie lassen Encke’s Aufsatz ganz ungeändert drucken“

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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(ebenda, S. 386). In dem Brief vom 7. November 1847 äußerte sich Gauß über Struves „Études“ wie folgt: „Auf Struve’s Benehmen, Encke gegenüber, bin ich neugierig. Ich habe jenes [sic] Schrift noch beim Buchbinder und vorher sie nur flüchtig angesehen, da rohe Bücher sich nicht gut lesen lassen. Im Allgemeinen würde ich gegen dergleichen Phantasiespiele nachsichtig sein, und ihnen nur die Aufnahme in die wissenschaftliche Astronomie, die einen ganz andern Character haben muss, nicht einräumen. [...] Ja, ich läugne nicht, dass ich selbst mich zuweilen auf ähnliche Art amusire, nur würde ich dergleichen nie publiciren. Es gehören dahin z. B. meine Gedanken über die Bewohner der Himmelskörper. Ich meinerseits bin (gegen die gewöhnliche Meinung) überzeugt (was man in solchen Dingen Ueberzeugung nennt), dass, je grösser die Weltkörper, desto kleiner die Bewohner und sonstige Producte“ (ebenda, S. 394).

Abb. 88. Titelseite der „Études d’astronomie stellaire“ von Wilhelm Struve (Struve, W. 1847) Sonderdruck für die „Astronomischen Nachrichten“. Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 681.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Struves „Études“ wurden später als so bedeutend eingeschätzt, dass noch hundert Jahre später eine Übersetzung ins Russische veranlasst wurde (Struve, W. 1953).

17.5. Briefe Verzeichnis der Briefe Nr.

Datum

Ort

Verfasser / Empfänger Struve an Gauß Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß Struve an Gauß Bellingshausen an Krusenstern, mit Anmerkung von Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Struve an Gauß Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

12.7.1815 4./16.8.1818 14.9.1818 24.4./6.5.1819 4./16.7.1819 4./16.121819 2.3.1820 4.7.1820 14.7.1820 30.10./11.11.1821 21.12.1821 15./27.9.1822 12./24.6.1825 18.1.1826 13./25.7.1837 21.9.1838 18./30.3.1840

Altona Dorpat Göttingen Dorpat Dorpat Dorpat Göttingen Altona Göttingen Dorpat Göttingen Dorpat Dorpat Göttingen Dorpat Altona Kronstadt

18 19 20 21 22 23

12.8.1840 14.8.1843 10./22.12.1843 10./22.5.1845 11.12.1846 23.1./4.2.1847

Göttingen Göttingen Pulkowo Pulkowo Göttingen Pulkowo

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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Brief 1. Struve an Gauß, 12. Juli 1815 (Altona) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve, 1 (2 S. + 1 S. Anlage)

Altona den 12ten Julius 1815. Hoch zu verehrender Herr Professor. Bey meiner Rückreise war mein Aufenthalt in Göttingen gar zu kurz, als daß ich daß Vergnügen haben konnte Sie wieder zu sehen. Wahrscheinlich wird Ihnen Herr Professor Harding mitgetheilt haben, daß ich mir viele Hoffnung mache den Zweck meiner Reise nach Manheim zu erreichen. Auf jeden Fall entschädigt mich der Aufenthalt in Manheim, die Ansicht der dasigen astronomischen Schätze, und ein Umweg über Stuttgard und Tübingen reichlich für Zeit und Kosten dieser Reise. In Tübingen sah ich den 3 füßigen Reichenbachschen Kreis des Prof. Bohnenberger, das vollkommenste Instrument seiner Werkstätte nach Reichenbachs Aussage, und habe nicht genug bewundern und staunen können. – . Baumann in Stuttgard hat seine Theilmaschine sehr vervollkom[m]net. Die Ramsdensche Schraube ist ihm jetzt nur noch Vehikel zur Drehung der Scheibe, ihre Theilung ist durch bewegliche Microscope geschehen, ganz nach der Art wie Repsold seinen Kreis getheilt hat. Er ist jetzt überzeugt daß die Theilungsfehler seiner Instrumente 5Ǝ nicht übersteigen, und auf den Fall würden die Baumannschen Sextanten den Englischen vorzuziehen sein, da bekanntlich selbst Troughtons Sextanten Theilungsfehler von 30Ǝ wenigstens haben. – . Einliegend theile ich Ihnen einige Beobachtungen der Vesta um die Zeit ihrer Opposition von mir auf der Manheimer Sternwarte angestellt mit. Sie wurden am 6 füßigen vortrefflichen Ramsdenschen Mittagsfernrohr angestellt, und ich hoffe daß Sie durch ihre Genauigkeit einigen Wehrt haben und Ihnen willkommen sein werden. Professor Schumacher beobachtete die Declinationen am Birdschen Mauerquadranten, und wird sie Ihnen bei seiner baldigen Durchreise durch Göttingen selbst überbringen. Professor Gerlings Ephemeride weicht offenbar in der Rectascension beträchtlich vom Himmel ab. Ich sagte ihm dies in Cassel. Die Carlinische Ephemeride ist genauer. Hoffentlich habe ich bald das Vergnügen Sie in Göttingen wieder zu sehen; und dann werde ich wohl einige Tage mich in Ihrem Orte aufhalten. – . Mit der Bitte um ein freundschaftliches Andenken bin ich voll der innigsten Hochachtung Ihr ergebenster Struve . Professor. Ich nehme mir zugleich die Freiheit Ihnen meine Cometenbeobachtungen48 zu überschicken mit der Bitte sie gelegentlich Herrn von Lindenau mitzutheilen, und mich demselben gütigst zu empfehlen. – . Er hatte gewünscht ein Exemplar der Dorpater Beyträge von Pfaff zu erhalten.49 Ich ließ es in den Händen des Herrn 48 Komet 1815 (P/Olbers) war sichtbar vom 6.3. bis zum 25.8.1815. 49 „Astronomische Beyträge“ (Pfaff, J. W. A. 1806/1807).

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Prof[essor] Harding. Vielleicht findet sich eine Gelegenheit dasselbe auch nach Gotha zu befördern, dann bitte ich Sie darum. Beobachtete Culminationen am Mittagsfernrohr auf der Manheimer Sternwarte um die Zeit der Opposition der Vesta

Hieraus erhält man folgendes 1815 Mitlere Manheimer bZeit 12 hor 32ƍ 43Ǝ 27 Jul 12 hor 22ƍ 57Ǝ 29 Jul 12 hor 13ƍ 11Ǝ 31 Jul

Rectascensionen der Vesta 312° 57ƍ 40Ǝ,5 312° 29ƍ 14, 0 312° 0ƍ 24, 3

Die Sternpositionen sind aus Piazzis Libro sesto50 nach der Mayländer Ephem[eriden] 1815. – . Sonderbar daß an allen 3 Tagen ȥ Capricorni eine groeßere Uhrcorrection gibt, als die übrigen Sterne; am 27sten 0Ǝ,38; am 29sten 0,"30 am

50 „Del reale osservatorio di Palermo, libro sesto“ (Piazzi 1806).

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17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

31sten 0",45 mehr; im Mittel 0Ǝ,38 mehr, woraus es scheint als wenn zu der angenommenen AR 6Ǝ im Bogen hinzuzufügen wären. – .

Brief 2. Struve an Gauß, 4./16. August 1818 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 2 (2 S.)

Dorpat den

16 4

August 1818.

Hochzuverehrender Herr Hofrath. Vor einem halben Jahr verlor die hiesige Universität durch den Tod des Professors Huth51 einen ihrer thätigsten Docenten. Seine Stelle ist bis jetzt noch unbesetzt, und ich habe vom Rector der Universität den officiellen Auftrag erhalten, mich an Sie zu wenden mit der Bitte der Universität einen Mann vorzuschlagen, durch den die vacante ordentliche Professur der theoretischen und angewandten Mathematik gut besetzt werden könnte. Von dieser Professur ist die Astronomie gänzlich getrennt, deren Doctrinen so wie die Direction und Arbeiten der Sternwarte mir übertragen sind. Die Bedingungen der Anstellung sind ein Gehalt von 1450 Silberrubel = 510 Ducaten Holländisch jährlich, nebst den Aussichten auf die Pensionen für Wittwen und Waisen. – . Nemlich wer 25 Jahre gedient hat, kann seinen Abschied mit vollem Gehalt nehmen. Stirbt ein Professor: so erhält die Witwe eine Jahresgage des Mannes ein für alle Male, und dasselbe die Kinder; ist der Mann über 5 Jahre im Amte gewesen: so erhält die Wittwe außerdem 15 des Gehalts; ist er über 15 Jahre im Amte gewesen: so erhält sie 14 desselben als lebenslängliche Pension, oder bis zu einer 2ten Verheirathung. Dasselbe wird den Kindern bis zum 21sten Jahre des jüngsten Kindes. Die Pensionen können im Innund Auslande gezogen werden. Das Gehalt ist der Art, daß man hier mit einer Familie mit Anstand und Bequemlichkeit davon leben kann. – . Es ist der Wunsch des Conseils der Universität, daß ein ausgezeichneter jüngerer Mathematiker hieher käme. So sehr es demselben am Herzen liegt einen Mann von vorzüglichen Kenntnißen berufen zu können, ebenso wichtig ist es aber auch, daß die moralischen Eigenschafften desselben mit den wissenschafftlichen in Übereinstimmung sind, und wir bitten Sie mit dem groeßten Zutrauen beÿ jedem Vorschlage auch auf diese Rücksicht zu nehmen. Mit nicht geringer Ungeduld erwarte ich Ihre Antwort hierauf, da das Conseil der Universität die Besetzung der vacanten Stellen zu beschleunigen wünscht. – . Eins muß ich indeß noch hinzufügen, daß da das Wahlrecht bey dem Conseil ist, der Erfolg eines jeden Vorschlages sich im Voraus nicht mit Gewisheit bestimmen läßt. Herrn Professor Harding bitte ich mich bestens zu empfehlen. Für Sie und ihn war ich so frei im vorigen Sommer 2 Exemplare der von mir auf der hiesigen Sternwarte angestellten Beobachtungen52 durch Gelegenheit abzusenden. Ich hoffe 51 Johann Sigismund Huth verstarb am 28.2./12.3.1818. 52 F. G. W. Struve: Observationes astronomicas, institutas in specula Universitatis caesareae Dorpatensis, publici juris facit Senatus Universitatis. Volumen 1. Observationes annorum 1814 et 1815. Dorpat 1817.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

daß Sie sie erhalten haben. Indem ich mich Ihrem geneigten Andenken bestens empfehle bin ich mit der größten Hochachtung Ew. Hochwohlgeborn ergebenster Dr. W. Struve.

Brief 3. Gauß an Struve, 14. September 1818 (Göttingen) Quelle: Göttingen SUB, Gauß, Briefe B: Struve 1 (2 S.)

Wohlgeborner Herr Insonders hochgeehrter Herr Professor. Ewr. Wohlgeboren bezeuge ich zuvörderts meinen verbindlichen Dank für das Zutrauen, welches Ihre Universität mir bewiesen, indem sie mich auffordert, einen Nachfolger des verstorbenen H. H. Huth53 in Vorschlag zu bringen. Nachdem ich diese Angelegenheit reiflich überdacht habe, weiss ich Ihnen Niemanden zu empfehlen, der für die vacante Stelle meiner Meinung nach sich besser qualificirte als Hr. Prof. Littrow, jetzt zweiter Astronom in Ofen. Derselbe ist ein ausgezeichneter Mathematiker, und wird um so eher den Bedürfnissen Ihrer Universität entsprechen können, da er früher bereits Lehrer auf einer anderen Universität im Russischen Reiche gewesen.54 Auch habe ich Ursache zu glauben, dass er diesen Ruf nicht ablehnen würde. Falls man abseiten des Universitätsconseils angemessen findet, auf diesen Vorschlag einzugehen, soll es mich sehr freuen, wenn derselbe realisirt und Ihrer Universität ein verdienter Mann gewonnen wird, dem seine gegenwärtigen Verhältnisse wenigstens nicht in jeder Rücksicht zu conveniren scheinen. Ich hohle bei dieser Gelegenheit noch meinen besten Dank nach für den ersten Band Ihrer Beobachtungen, die eben so sehr die Vortrefflichkeit Ihres Mittagsfernrohrs als Ihre Beobachtungsfertigkeit beweisen, und den Wunsch erzeugen, dass bald ein zweiter Band nachfolgen möge. Nur Ihre Uhr ist des Mittagsfernrohrs nicht ganz würdig, und ich wünsche, dass Sie jetzt bereits eine bessere besitzen oder doch bald erhalten mögen. Der vortreffliche Repsoldsche Meridiankreis ist seit dem April hier aufgestellt, und Sie werden wahrscheinlich einige Proben von Beobachtungen mit demselben in den hiesigen Gel[ehrten] Anz[eigen] gelesen haben.55 Seit ein Paar Tagen habe ich nun auch das Reichenbachsche Mittagsfernrohr aufgestellt, welches in Rücksicht seiner optischen Kraft schwerlich von einem andern Instrumente dieser Art übertroffen wird. Hochachtungsvoll habe ich die Ehre zu beharren 53 Johann Sigismund Gottfried Huth. 54 Littrow war an der Universität Kasan tätig. 55 „Bericht über die neue Göttinger Sternwarte“ (Gauß 1818).

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17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

Ewr. Wohlgeboren ergebenster Diener C. F. Gauß Göttingen den 14 September 1818.

Brief 4. Struve an Gauß, 24. April/6. Mai 1819 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 3 (3 S.)

Dorpat den

6 Mai 1818 24 April

[sic].

Hochwohlgeborner Herr Hochzuverehrender Herr Professor. Verzeihen Sie es wenn ich Ihnen erst jetzt meinen ergebensten Dank für Ihren gütigen Brief sage, mit welchem Sie mich im vorigen Herbste beehrten, und in dem Sie so gütig waren Herrn Littrow zur Wahl an Huths Stelle vorzuschlagen. Leider konnte auf diesen Vorschlag nicht eingegangen werden, weil Littrow selbst, der sich schon früher hieher an einige seiner ehemaligen Collegen in Kasan, die jetzt in Dorpat sind, gewandt hatte, nacher [sic] zurücktrat, da er einen Ruf nach Charkow schon auf eigenes Ansuchen erhalten hatte und nun nicht wieder abreisen konnte. – . Damals hatte unsere Universität Prof. Brandes in Breslau erwählt, und seine Zusage erhalten, als ihn die Preußische Regierung durch eine jährliche Zulage von 500 Thalern und die Einrichtung einer Witwenanstalt für Breslau fesselte. – . Jetzt sind wir also so weit wir waren, und mögten nicht gerne einen Fehlgriff thun; und ich habe daher von unserm Herrn Rector Dr. G. Evers56 abermals den Auftrag erhalten mich an Sie zu wenden, und Sie zu ersuchen uns einen andern Mathematiker für die vakante Stelle vorzuschlagen. Gerne sähen wir einen kräftigen jüngeren Mathematiker aus Ihrer vortrefflichen Schule. – . Bessel erwähnte in einem neulichen Briefe Herrn Posselts für diese Stelle; über den wir gerne Ihre Meinung sowie wo möglich nähere Auskunft haben mögten. Doch ist jeder Vorschlag den Sie thun, wenn Sie denn [sic] vorgeschlagenen bestimmt empfehlen, uns gleich angenehm. – . Recht sehr bitte ich Sie aber, wenn Sie uns jemand vorschlagen können, wenn auch nicht; möglichst bald auf diesen Brief zu antworten. Ich hege jetzt den Wunsch und die Hoffnung, Höheren Orts zur Ausführung einer Gradmessung durch Liefland und die anliegenden Provinzen Curland und Estland, die über 4 Grad faßen würde, beauftragt zu werden. Ließe sich mir es sehr wahrscheinlich wo drein über den finnischen Meerbusen ausdehnen, so könnte diese Arbeit in Zukunft in Finnland fortgesetzt werden, und vielleicht bis an die Lapplandische Arbeit gehen. Dann hätte sie über 10 Grad Ausdehnung, und wäre von der groeßten Wichtigkeit. Sehr wünschte ich es daß mein künftiger College an einer solchen Arbeit wenigstens an einigen Theilen derselben mit Antheil nehmen mögte; und ist die Ausführung derselben in einer Ausdehnung von 10 Graden freilich noch sehr problematisch; so bin ich doch überzeugt daß die Messung von 4 Graden zu Stande kommen wird. Eine Basis von 6700 Toisen habe 56 Gustav von Ewers war von 1818 bis 1830 Rektor der Universität Dorpat.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

ich diesen Winter schon auf dem Eise des Sees Würzjärvs57 für die Triangulierung Lieflands gemessen, und zwar so genau, daß ich sie ohne Bedenken als Basis einer 1 beÿ Gradmessung ansehen kann. Übrigens halte ich eine Genauigkeit von 1000000 einer Basismessung für Chimäre; und glaube nicht daß irgend eine Grundlinie ge1 1 gemessen seÿ. Übrigens entspricht ja 100000 in d[er] Basis auch schon nauer als 100000 vollkommen der Sicherheit den die heutige Winkelmessung zu gewähren vermag. Da Ihre neue Sternwarte jetzt vollständig ausgerüstet ist, und die Beobachtungen ohne Zweifel regelmäßig fortgehen: so werden Sie das astronomische Publikum gewiß baldigst mit einem ersten Bande Göttinger Beobachtungen erfreuen, deren Erscheinung, weil sich ja noch nie so viel für eine Sternwarte vereinigte als in Göttingen, nothwendig eine wichtige Epoche in der Astronomie machen muß. – . Mit Ungeduld erwarte ich die Ankunft des beÿ Reichenbach bestellten Meridiankreises für die hiesige Sternwarte, um vollständige Beobachtungen liefern zu können. Indeß bin ich jetzt am Mittagsfernrohre möglichst thätig und werde bis zum Ende dieses Jahres Material zu meinem 2ten Bande Dorpater Beobachtungen gesammelt haben. Meine Hubertsche Uhr geht jetzt ganz vortrefflich; und das Mittagsfernrohr hat seitdem ich mit seiner vollen Oeffnung beobachte eine bewunderungswürdige Kraft: sodaß es wohl der Mühe wehrt sein mögte zu entscheiden ob Ihr Reichenbachsches ihm in dieser Hinsicht gleich käme, oder es gar überträfe. Ich habe z.B. im vorigen Herbst den auf ȗ Ursae maj[oris] folgenden Alcor häufig um Mittag im Meridian beobachtet, und der Stern ist 5ter Groeße; Ich habe im Januar den Stern Camelop 120 Bode Ur[anographia]58 der gegen 88° Decl[ination] hat und nach Bode 6ter Gr[öße] aber jezt eher 5ter ist nahe am Mittage beobachtet, und hofte į und İ Urs[ae] min[oris] 4ter Gr[öße] ebenso wie Polaris und ȕ während des ganzen Jahrs verfolgen zu können; mit 170facher Vergroeßerung habe ich jetzt Ȗ Leonis häufig beobachtet, und den AR Unterschied dieses Doppelsterns zu bestimmen gesucht. – . Überhaupt mögten wohl Doppelsterne die besten Prüfungen für ein Fernrohr abgeben; und ich mögte als das äußerste was unser Mittagsrohr vermag erwähnen, daß ich den auf Procyon folgenden Stern 7ter Groeße, der I.23 des Herschelschen Doppelsternverzeichniß59 ist, als doppelt sehe. Mit der aufrichtigsten Hochachtung verharre ich Ewr Hochwohlgeboren ergebenster Diener W. Struve. Dorpat den

6 Maj 1819. 24 Apr[il]

57 Der Wirzsee (Wirzjärv) ist der zweitgrößte See im Baltikum. 58 Wahrscheinlich ist hier die „Uranographia“ von Johann Elert Bode gemeint, die 1801 in Berlin erschienen war. 59 „Catalogue of Double Stars“ (Herschel 1782).

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17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

Brief 5. Struve an Gauß, 4./16. Juli 1819 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 4 (2 S.)

Dorpat den

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Jul[i 1819].

Ewr Hochwohlgeborn, danke ich ergebenst für die gütige Zuschrifft, die ich vor ein Par Stunden erhielt.60 Ich habe gleich an Herrn Posselt nach Jena geschrieben, stehe aber in der Besorgniß daß der Brief ihn dort verfehlen mögte, und bin daher so dreist ein zweites Schreiben an ihn hier beÿ zu legen, mit der dringenden Bitte es auf den Fall daß Herr Prof[essor] Posselt noch nicht in Jena sein sollte es schleunigst an ihn zu befördern. – . Den neuen Cometen entdeckte ich hier am 3ten Juli,61 ich habe ihn seit der Zeit 7 Mal im Mittagsrohr und am Baumannschen Wiederholungskreise beobachtet. Die ersten 5 Beobachtungen habe ich so weit reducirt daß nur noch die beobachteten Zenithdistanzen in Abweichungen zu verändern sind mit der Polhöhe 58° 22ƍ 44Ǝ. Indeß bin ich so frei sie Ihnen hier mitzutheilen

Vielleicht haben diese Beobachtungen als frühe Meridianbeobachtungen bedeutenden Werth, da sie vorzüglich genau sind. – . Vielleicht wird es Ihnen auch nicht unlieb sein, nach künftigem Abschluß der Beobachtungen sie alle zu erhalten, weswegen ich nicht ermangeln werde sie Ihnen mitzutheilen. Was den Begleiter von ȕ Cephei betrifft, so vermuthe ich daß er veränderlich ist; ich habe ihn zuletzt beobachtet noch in der Dämmerung, wo die Fäden keine Erleuchtung erfoderten. Vielleicht machen Sie Herrn Prof[essor] Harding, dem ich mich bestens zu empfehlen bitte, darauf aufmerksam. – . Sollte ich Ihnen schon wieder beschwerlich gefallen sein: so bitte ich es der guten Sache wegen zu entschuldigen. Hochachtungsvoll verharre ich Ewr Hochwohlgeborn gehorsamster W. Struve 60 Dieser Brief von Gauß, in dem er Posselt nach Dorpat empfahl, fehlt. 61 Komet 1819 II (Great comet, Tralles) war vom 1.7. bis zum 25.10.1819 sichtbar. Siehe: Struve, F. G. W.: Observationes cometae die 3. Juli detectae per micrometrum annulare. Observationes astronomicas, institutas in specula Universitatis caesareae Dorpatensis, publici juris facit Senatus Universitatis 2, 1820, S. 169–174.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

Brief 6. Struve an Gauß, 4./16. Dezember 1819 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 5 (7 S.)

Dorpat

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Dec[ember] 1819.

Hochzuverehrender Herr Hofrath. Da ich aus dem Jahrbuche ersehe daß die hier angestellten Kometenbeobachtungen die ich Ihnen mittheilte von Herrn Dirksen beÿ Berechnung der ersten Elemente benutzt sind:62 so glaube ich, daß Ihnen die Mittheilung aller hiesigen Cometenbeobachtungen, die vom 3ten Julius bis zum 15 October gehen, vielleicht nicht unwillkommen sein werden. Den 25 October ward der Komet mit vieler Mühe noch ein Mal gesehen, nacher nicht wieder. Beobachtungen am Mittagsfernrohr und am Baumannschen Wiederholungskreise mit steehender Säule

Für die AR wurde der Komet am Mittagsfernrohr immer mit der Capella verglichen, deren Position ich aus Bessels mir im Manuscript mitgetheilten Tafeln der AR der Fundamentalsterne für 1819 nahm, welcher die neue Bestimmung der AR 62 Struve veröffentlichte seine „Beobachtungen des Kometen von 1819 am Mittagsfernrohr und Wiederholungskreise nebst Sternbedeckungen“ im Berliner „Astronomischen Jahrbuch für 1823“ (Berlin 1820, S. 169–170). Die Anspielung auf Enno Heeren Dirksen, der damals an der Universität Göttingen bei Gauß studierte, ist unklar.

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aus den Koenigsb[erger] Beobachtungen zum Grunde liegt, und worin die AR der Capella 0Ǝ,120 Zeit groeßer ist als nach Maskelyne. – . In der ersten Zeit der Erscheinung des Kometen ließ er sich am Mittagsrohr so genau als ein Fixstern beobachten, welche Genauigkeit aber immer geringer wurde, so daß in den letzten AR die Unsicherheit wohl etwas über 1Ǝ in Zeit sein kann. – . Für die Declinationen wurden bis zum 20 Jul. Zenithdistanzen des Kometen mit dem Kreise beobachtet; nacher wurde[n] Höhenunterschiede des Polarsterns und des Kometen durch Wiederholung gemessen, wobeÿ es ein leichtes war den lichtschwachen Kometen ins Fernrohr zu bringen, wenn das Fernrohr erst auf den Polarstern gerichtet ward, dann um den nahe zu bekannten Unterschied der Höhen gesenkt wurde, und durch eine kleine Azimuthalbewegung der festen Säule bald den Kometen erfaßte. – . Letztere Beobachtungen geben also die Declinationen unabhängig von der Polhöhe an, deren Unsicherheit auf die ersten Beobachtungen wohl einen Einfluß von ein Par Secunden haben kann. Kreismikrometerbeobachtungen 13 September der Comet mit 2 Sternen a und b verglichen

15 September Comet mit demselben Stern b verglichen

23 September Comet mit einem neuen Stern c verglichen. Ein kleines Sternchen im Nebel des Kometen am Rande erschwerte die richtige Beobachtung der Mitte des Kometen.

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[Bemerkung am Rande:] Wegen der zu großen Declin. Differenz ist die Decl. nicht sehr sicher. 24 September Mit demselben Stern verglichen

25 September verglichen mit demselben Stern c

12 October Comet mit einem Stern ˜ verglichen

15 October Comet mit meinem Stern e verglichen

[Bemerkung am Rande:]

Knorre. (Die Beobachtung höchst schwierig) Der Stern ist ohngefahr 18ƍ nördlicher als der Comet.

Diese Beobachtungen sind am 5 füßigen Achromat von Troughton von mir, H[err]n Prof. Walbeck aus Abo, der die hiesige Sternwarte besuchte, und Herrn Stud[ent]-Knorre, der ein geübter Beobachter ist, angestellt. Von diesem ist auch die späteste Beobachtung, weil mich eine kleine Reise auf ein Par Tage entfernte. Am 25 Octob[er] suchten wir den Comet zuletzt. Knorre fand ihn zuerst. Aber

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weder mir noch ihm war eine Beobachtung mehr möglich. Da sagten wir ihm Valet. Verglichene Sterne. Zum Theil sind sie in der Hist[oire] Cél[este] Fr[ançaise]63 – . Ihre AR wurden am Mittagsfernrohr bestimmt, (für die Decl[ination] konnte ich nichts thun). Durch Vergleichung mit Ț und ɤ Urs[ae] maj[oris]. Die beobachteten scheinbaren AR sind folgende.

[Bemerkung unten links:] Ich bemerke daß dies nicht der rechte Stern ist, er muß später sein. So viel habe ich für den Komet thun können gerne hätte ich mehr gethan aber bis ich von Reichenbach den bestellten Meridiankreis erhalte, wird meine astronomische Thätigkeit immer einseitig bleiben. – . Mit dem groeßten Interesse habe ich die Nachricht gelesen die Sie von Ihrem Reichenbachschen Mittagsfernrohr gegeben haben, welches in optischer Rücksicht ganz vortrefflich zu sein scheint, und gewiß im Mechanischen vollendet ist. – . Seine optische Stärke scheint mit der des hiesigen, nachdem ich dies mit voller Oeffnung seit einem Jahre gebrauche, fast genau gleich zu sein. Auch ich sehe den Begleiter des Polaris beÿ voller Beleuchtung, ȗ Urs[ae] maj[oris] im Mittag doppelt, was aber nicht so viel sagt da der Begleiter fast 4ter Gr[öße] ist, auch g Urs[ae] maj[oris] (Alcor.), der 5ter Gr[öße] ist. –. Wie herrlich muß Ihre Sternwarte jetzt ausgerüstet sein, da Sie außer dem Repsoldschen Meridiankreise auch den Reichenbachschen schon haben. Mit Ungeduld sehe ich einer näheren Nachricht von diesem Instrumente durch die Göttinger Anzeigen64 entgegen, da ich ein ähnliches Instrument hieher bekomme.

63 „Histoire Céleste française, contenant les observations faites par plusieurs astronomes français“ (Lalande 1801). 64 „Bericht über den neuen Reichenbachschen Meridiankreis“ (Gauß 1820b).

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Daß Herr Posselt65 den Ruf hieher abgelehnt hat, werden Sie wahrscheinlich schon von ihm erfahren haben. So ist denn die Stelle noch immer unbesetzt, die wir so gerne mit einem brauchbaren Manne aus Ihrer Schule besetzt sähen. In Ihrem letzten gütigen Schreiben erwähnen Sie eines jungen Mannes, den Sie vorschlagen mögten, wenn es etwas später wäre. Macht den[n] hier ein Jahr etwa so viel aus. Sollten Sie ihn für die Stelle gewachsen halten, und empfehlen, so würde darauf mehr gesehen werden, als auf einigen schon begründeten literärischen Ruf. Verzeihen Sie hier meine Zudringlichkeit in dieser Angelegenheit, die Ihre Quelle in dem Wunsche hat, daß durch einen tüchtigen Mathematiker das Studium dieser Wissenschaft hier befördert und erleichtert werden möge. Ich bin also so frei Sie zu ersuchen mir hierüber wenn auch nur mit wenigen Zeilen möglichst bald etwas zu schreiben. – . Im Spätherbst schikte ich ein Exemplar einer Polarstern-ephemeride für 1819 bis 1822, aus den Besselschen neuesten Tafeln für jeden Tag berechnet, ab.66 Ich hoffe, daß Sie es erhalten haben. – . Einliegende 2 Briefchen bitte ich gefälligst zu befördern.67 Sie enthalten einen nöthigen Nachtrag zu den hiesigen Cometenbeobachtungen, die durch Freund Bessel an H[er]r[e]n Olbers und Encke mitgeschickt sind. Indem ich mich Ihrem geneigten Andenken und gütigen Freundschafft bestens empfehle bin ich mit der groeßten Hochachtung Ewr Hochwohlgeboren ergebenster Struve Ich bemerke noch, daß in obigen Cometenbeobachtungen, das Zeit Moment, worauf sich die Declination bezieht, immer in der links neben ihr stehenden Spalte aufgezeichnet ist. In derselben steht z B + 6ƍ 4Ǝ anfangs, welches bedeutet, die Declination bezieht sich auf eine Zeit, die 6ƍ 4Ǝ später als die untere Culmination ist.

Brief 7. Gauß an Struve, 2. März 1820 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Struve 2 (4 S.) Teilpublikation in: Gauß-Werke: 12, S. 167–169.

Göttingen 2 März 1820 Recht vielen Dank habe ich Ihnen noch abzustatten für die gefällige Mittheilung Ihrer Cometenbeobachtungen. Der nächste Zweck meines heutigen Schreibens ist 65 Johannes Friedrich Posselt. 66 „Der Ort des Polarsterns für jeden Tag der Jahre 1819, 1820, 1821, 1822, berechnet aus Bessels Tafeln“ (Struve, W. 1819; GB 1369). Mit einer Widmung: „Herrn Hofrath und Ritter Professor Gauß in Goettingen“. „Fundamenta Astronomiae pro anno MDCCLV: deducta ex observationibus viri incomparabilis, James Bradley in Specula astronomica Grenovicensi. Pro annos 1750– 1762 institutis“ (Bessel 1818). 67 Es ist unbekannt, um welche zwei Briefe es sich dabei handelte.

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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Sie zur Theilnahme an gewissen Mondsbeobachtungen einzuladen, die ich mit den Herren Enke, Nicolai und Soldner verabredet habe, und die auch bereits seit einiger Zeit im Gange sind. Wir vergleichen die Rectascension des Mondes mit verabredeten nahe stehenden Sternen um die Längendifferenzen unsrer Sternwarten hiedurch zu bestimmen. Obgleich die Bestimmung von Einem Tage derjenigen die durch eine gut beobachtete Sternbedeckung erhalten wird, an Genauigkeit nicht ganz gleich kommt, so hat doch dagegen jenes Verfahren wieder mehrere bedeutende Vorzüge vor dem andern, die Unabhängigkeit von nicht ganz aufs Reine gebrachten Rechnungselementen und von den doch an vielen Stellen sehr ansehnlichen Ungleichheiten des Mondsrandes, und die Leichtigkeit, womit man, im Besitz eines guten Mittagsfernrohrs, in kurzer Zeit nach jenem Verfahren eine grosse Menge Bestimmungen erhalten kann. Bisher haben wir uns fast ganz auf den ersten Mondsrand beschränkt; in den Sommermonaten werden wir aber auch einige Nächte nach dem Vollmonde hinzunehmen. Um Ihr Vertrauen für diese Methode zu gewinnen, setze ich Ihnen von den bisher berechneten Unterschieden die zwischen Göttingen und Mannheim, und die zwischen Göttingen und Bogenhausen68 her: Längenunterschied Göttingen – Mannheim Bogenhausen – Göttingen

Sie sehen, dass bei Mannheim der grösste Unterschied vom Mittel nur 5Ǝ6, und bei Bogenhausen nur 4Ǝ5 ist; jener setzt einen Unterschied der in Göttingen und Mannheim beobachteten Ascensionaldifferenzen, wenn sie auf Einen Zeitpunct reducirt wären, von 3Ǝ Bogen, voraus, so dass jeder Beobachter nur 0Ǝ75 in Bogen bei Mond und Sternen in entgegengesetztem Sinn gefehlt zu haben braucht, um dies zu erklären. Ich schicke Ihnen beigehend das Verzeichniss der von Herrn Nicolai für die Monate März und April ausgewählten Sterne, und hoffe dass es früh genug in Dorpt ankommen wird, dass Sie wenn Sie anders Lust dazu haben, auch noch die erstern, wenigstens zum Theil werden beobachten können. Auch Bessel schicke ich dieses Verzeichniss. Für May und Junius wird nächstens auch Hr. Enke die Sterne auswählen. Hr. Nicolai hat bisher die Arbeit der Berechnung der gemachten Be-

68 Bogenhausen, später ein Stadtteil von München.

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Carl Friedrich Gauß und Russland

obachtungen über sich genommen, und Sie können demnächst die Ihrigen an ihn, oder an mich oder Hrn. Enke einsenden. Das Verzeichniss ist übrigens von selbst verständlich; die Zahlen der ersten Columne enthalten die ungefähre AR. des ersten Mondsrandes für Göttingen; bei Ihnen wird Sie ein Paar Zeitminuten kleiner seyn. Vielleicht setzen wir ein ähnliches Verzeichniss für alle Monate des Jahrs 1821 in das nächste astronomische Jahrbuch, um die Mühe des öftern Abschreibens zu ersparen, und vielleicht noch einige andere Astronomen zur Theilnahme zu veranlassen. Bei Einsendung Ihrer Beobachtungen können Sie die Reductionen die von der Stellung des Instruments u[nd] dem Gange der Uhr abhängen selbst machen, so dass nur die Unterschiede der wahren Culminationszeiten, nach wahrer Sternzeit angegeben werden: Sie werden aber gebeten, bei jedem Stern u. dem Mond die Anzahl der Fäden anzugeben; beim Mond selbst werden Sie, insofern es irgend möglich ist, suchen, keinen Faden zu verfehlen, weil die Reduction der einzelnen Fäden sonst leicht einige Unsicherheit behält, indem die dazu nöthigen Elemente, mit der Genauigkeit, wie sie hiezu erforderlich sind, nicht ohne einige Weitläuftigkeit erhalten werden können. Mein Reichenbachscher Meridiankreis ist nun seit dem 22 Febr[uar] in Thätigkeit; früher hat er mehrere Monate müssig geruhet, weil Reichenbach erst noch eine veränderte Hemmung gemacht hat. Soviel meine bisherigen Erfahrungen zeigen, geben die Beobachtungen unter sich eine überaus schöne Übereinstimmung. Ich werde bald davon eine etwas ausführliche Nachricht in den hiesigen G. A. geben.69 Die optische Kraft steht der des Mittagsfernrohrs nur wenig nach. Ich bediene mich immer der stärksten (170 m.) Vergrösserung. Sterne 4r. Grösse wie Ț Cephei, į Cephei, ȗ Cephei, c Lacertae u.a. beobachte ich im hellen Mittage. Das Netz war ich gezwungen, selbst zu erneuern, da einige Fäden schlaff geworden waren; es sind jetzt 7 verticale und zwei horizontale Fäden, letztere im Lichten nur 6Ǝ von einander; die Fäden selbst schätze ich 1Ǝ5 dick. Es ist eine Lust, bei Tage die kleinen Sternpünktchen in diesem Netze zu fangen. Bei Nacht bediene ich mich für die hellern Sterne einer Objectivblendung von sehr feinem Papier, die nur 1 Zoll Oeffnung hat, und solche Sterne in sehr schöne scharf begrenzte Scheibchen umschafft. Das Pointiren hat bei ruhiger Luft eine ausserordentliche Schärfe: bei unruhiger Luft, wo die Sterne anweilen 8Ǝ. und darüber auf und abtanzen sollte man lieber gar nicht beobachten, wenigstens keine Beobachtung machen, die sich verschieben lässt. Da, wo es auf vorzügliche Genauigkeit ankommt, ist Eine Beobachtung bei günstiger Luft mehr werth, als 10 bei ungünstiger. Noch bemerke ich, dass mein Mittagsfernrohr mir noch bei allen Herschelschen Doppelsternen 1r. Classe, die ich damit aufgesucht habe seine Dienste nicht versagt hat; immer sehe ich auch die Zwischenräume, nach Sterndurchmessern geschätzt beträchtlich grösser, als Herschel sie selbst mit stärkern Vergrösserungen angibt. Den Kreis habe ich bisher erst auf den biplex 11 Monocerotis gerichtet, welcher einen schönen Anblick gibt. Es scheint noch nicht bemerkt zu seyn, daß 29 Aquarii ein sehr schöner Doppelstern ist. Im Castor steht der vorangehende Stern jetzt schon entschieden südlicher als der andere. Der junge Mathematiker, dessen Sie in Ihrem Briefe erwähnen, (H[er]r von Staudt) hat gewiss ausgezeichnete Talente u[nd] Kenntnisse, aber da er noch nicht 69 „Bericht über den neuen Reichenbachschen Meridiankreis“ (Gauß 1820b).

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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einmal ein volles Jahr auf der Universität ist, scheint es doch noch zu früh, ihn als Prof. anzustellen. Ich möchte daher jetzt eher Sie noch einmahl an H[er]rn Prof. Möbius in Leipzig erinnern. Buzengeiger dürfte auch wol die Stelle jetzt nicht mehr annehmen wollen, da er jetzt als Professor nach Freiburg gekommen. Sollte aber nach Jahr und Tag die Stelle in Dorpat ohnehin noch offen seyn, so könnte dann immer auch auf H[er]rn von Staudt schon reflectirt werden. Hochachtungsvoll Ihr ganz ergebenster C. F. Gauß

Brief 8. Struve an Gauß, 4. Juli 1820 (Altona) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 6 (2 S.)

Altona den 4 Juli 1820. Seit einigen Tagen befinde ich mich nach 5 jähriger Abwesenheit wieder in der Heimath. Theils Familienangelegenheiten, theils vorzüglich der Wunsch die Göttinger Sternwarte, die Münchener Sternwarte und Anstalten in ihrem jetzigen Zustande kennen zu lernen, haben mich die nicht kleine Reise von Dorpat aus unternehmen laßen. Ganz vorzüglich hat mich aber der Auftrag, den ich von unserm Kaiser70 erhalten habe, in den Ostseeprovinzen des Russischen Reichs eine sowohl Breiten- als Längengradmessung auszuführen, zu dieser Reise bewogen, die ich jetzt theils die Absicht habe mit Ihnen, Schumachern, und anderen Astronomen über manches eine solche Arbeit betreffende Rücksprache zu nehmen und mir Rath zu erholen, theils auch die Bestellung der Instrumente zu dieser Arbeit, wozu eine nicht geringe Summe ausgesetzt worden ist, zu besorgen habe. Mit mir wird die Russische Gradmessung Dr. Walbeck in Abo bearbeiten; unsere Absicht ist vom südlichen Ende Curlands an durch die Ostseeprovinzen über den finnischen Meerbusen zu gehen, und die Dreiecke in Fin[n]land soweit als möglich nach Norden fortzusetzen. Unser Wunsch ist es wo möglich den 60sten Breitengrad zum mittleren des Bogens zu machen, und unter diesem vermittelst der Inseln des finnischen Meerbusens eine der Alandsinseln im Botnischen,71 wo möglich, Petersburg mit Upsala zu verbinden und so gegen 13 Längengrade zu erhalten. Dies ist freilich nur noch zum Theil bloß Wunsch, weil die Ausführbarkeit ja von so manchen Umständen in der Natur abhängt. Ich erwarte hier in kleinen 14 Tagen meinen Freund Walbeck aus Abo; wir wollen dann unsere Reise durch Deutschland zusammen machen, zuerst über Bremen, Göttingen und Gotha nach München gehen. Sehr angenehm wurde [sic] es mir sein, wenn Sie mir eine kurze Nachricht geben mögten, damit wir die Überzeugung erhalten Sie in Göttingen nicht zu verfehlen. 70 Alexander I. bestätigte dieses Projekt, nachdem es ihm 1819 vom Kurator der Dorpater Universität, dem Grafen Carl von Lieven, unterbreitet worden war. 71 Åland-Inseln, eine Gruppe von Inseln im Botnischen Meerbusen, wurden 1809 von Schweden an Russland abgetreten.

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Ich bin so frei Ihnen hiebeÿ den 2ten Band der Dorpater Beobachtungen zu überschiken,72 den das Conseil unserer Universität zum Druk befördert und zur unentgeltlichen Vertheilung an die Astronomen bestimmt hat; ich bitte Sie ihn gütig aufzunehmen. Das 2te Exemplar ist für Herrn Prof. Harding. Auch lege ich eine kleine Abhandlung über den von mir gebrauchten Höhenwinkelmesser73 beÿ für Sie. In der Hoffnung Ihnen baldigst persönlich meine innige Hochachtung bezeugen zu können verharre ich Ewr Hochwohlgeborn ergebenster Diener Struve Ich bitte Sie mir gefälligst unter der Addresse meines Vaters des Direktors Struve74 hieselbst, wenn Sie so gütig sein mögen, zu antworten.

Brief 9. Gauß an Struve, 14. Juli 1820 (Göttingen) Quelle: unbekannt Exzerpte in: Stargardt Katalog 647, 1990, Nr. 538, S. 188.

[Struve in Altona hat Gauß seinen Besuch angekündigt.] Indem ich Ihnen für den mir gefälligst übersandten schätzbaren zweiten Band Ihrer Beobachtungen meinen schuldigen Dank abstatte, zeige ich Ihnen Ihrem Verlangen zufolge an, daß Sie vorerst mich noch hier treffen werden; später hin werde ich freilich zu der Basismessung im Holsteinschen abreisen. Ihr trefflicher Kaiser [Alexander I.] verdient für die liberale Unterstützung, welche er in mehr als einer Rücksicht den astronomischen Wissenschaften angedeihen läßt, den Dank aller, denen diese theuer sind [...]. [Im folgenden notiert Gauß die von seinem Schüler, dem Astronomen Friedrich Bernhard Nicolai, ermittelten] Rechnungsresultate über die correspondirenden Mondsbeobachtungen [...] welche die Länge von Dörpt betreffen. [...] Noch hohle ich meinen verbindlichen Dank nach für Ihre mir [...] eingehändigten Tafeln der scheinbaren Oerter des Nordsterns,75 die ein wahres Bedürfniß befriedigen [...]. Ihr ganz ergebenster C. F. Gauß. Göttingen den 14 Julius 1820. 72 F. G. W. Struve : Observationes astronomicas, institutas in specula Universitatis caesareae Dorpatensis, publici juris facit Senatus Universitatis. Volumen 2. Observationes annorum 1818 et 1819. Dorpat 1820. 73 „Beschreibung des bei der trigonometrischen Vermessung Livlands zur Beobachtung der Höhenwinkel gebrauchten Instruments, nebst einigen allgemeinen Bemerkungen über trigonometrisches Höhenmessen“ (Struve, W. 1820; GB 1366). 74 Jacob Struve in Altona. 75 „Der Ort des Polarsterns für jeden Tag der Jahre 1819, 1820, 1821, 1822, berechnet aus Bessels Tafeln“ (Struve, W. 1819; GB 1369). In dem Buch findet sich Struves eigenhändige Widmung: „Herrn Hofrath und Ritter Professor Gauß in Goettingen“.

17. Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864)

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Brief 10. Struve an Gauß, 30. Oktober/11. November 1821 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 7 (3 S.)

Dorpat den

11 Nov[ember] 1821. 30 Oct[ober]

Hochverehrter Herr Hofrath! Ein volles Jahr ist verfloßen, seit dem ich das Vergnügen hatte mit Ihnen bey der Holsteinischen Basismessung gegenwärtig zu seÿn,76 und ich mache mir Vorwürfe Ihnen seit der Zeit gar nicht geschrieben zu haben, und bitte um Ihre gütige Nachsicht mit meiner Nachläßigkeit. Mit dem lebhaftesten Interesse habe ich in den Goett[ingischen] G[elehrten] A[nzeigen] Ihre herrliche Erfindung des Heliotrops77 für terrestrische Signale gelesen, und bin völlig überzeugt daß jezt nur die Krümmung der Erde den Dimensionen der Dreiecke Gränzen setzen kann, nicht mehr die Undurchsichtigkeit der Erdathmosphäre. Der Gebrauch des heliotropischen Lichtes scheint mir daher auch dann nur vorzugsweise stattfinden zu müßen, wo es möglich ist so große Dreiecksseiten zu erhalten. Beÿ kleinern Dreiecken, wie sie in ebenen Ländern nur sein können, scheint mir die Anwendung des Heliotrops zu Zeitraubend zu seÿn, wegen d[er] Abhängigkeit von hellem Wetter; und ich dencke daher für die mir übertragene Gradmessung nicht für alle Dreiecke das Sonnenlicht anzuwenden, sondern nur für die wenigen sehr großen Dreiecke, die vorzüglich beim Übergange über den finnischen Meerbusen Statt finden werden. Zuwenig aber meinem eignen Urtheil hierin trauend, wünschte ich sehr Ihre Meinung hierin zu erfahren, so wie ich Ihnen sehr dankbar sein würde, wenn Sie mir eine kurze Beschreibung des von Ihnen construirten Heliotrops zukommen laßen würden, weil ich gerne diesen Winter für den Gebrauch im nächsten Sommer hier durch unseren geschickten Mechanikus diese Vorrichtungen ausführen laßen wollte. So mal ich weiß, ist Ihr Heliotrop noch nicht gedruckt beschrieben, wenn es nicht in den Schumacherschen Zeitschriften ist, wovon ich aber noch nichts zu Gesichte bekommen habe. In diesem Sommer haben für die Russische Gradmessung nur erst Vorbereitungen getroffen werden können. Die Dreiecke sind von der Düna unter 56° 30ƍ bis nach der Insel Hochland unter 60° 5ƍ ausgewählt, an der Errichtung der Signalpiramiden wird gearbeitet, und im nächsten May denke ich die Messung der Winkel zu beginnen.78 Ich war im August in Finnland, theils um die Möglichkeit der Verbindung von Hochland mit der finnischen Küste zu untersuchen, die sich auch ergeben hat, obgleich noch nicht entschieden ist über welche Scheeren die Verbindung gehen wird; theils um zu untersuchen ob es möglich seÿ, weiter nach 76 Koch 1997a und b. 77 „Über den Heliotrop“ (Gauß 1821a). 78 Ein erster Bericht mit einer Übersicht über die Dreiecke wurde im Jahre 1824 in den „Astronomischen Nachrichten“ unter dem Titel „Brief des Herrn Professors Struve an den Herausgeber, Dorpat 1823, April 17/5“ veröffentlicht (Astronomische Nachrichten 2 (Nr. 33), 1824, Sp. 135–136, 145–148. Dreiecksnetz nach Sp. 152). Siehe Abb. 84.

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Finnland hinein mit den Dreiecken vorzudringen. Diese Untersuchung stellte ich mit meinem Freunde Walbeck gemeinschafftlich an, mit dem ich in Helsingfors, wohin die zur Beförderung dieser Gradmessung beorderte Yacht mich von Reval aus übergeführt hatte, zusammentraf. Unsere Reise ins Innere von Finnland ergab die Möglichkeit des Fortganges, wenn gleich nicht mit sehr großen Dreiecken, längst den großen Seeen im Innern des Landes, vorzüglich dem Päjjane See.79 Nur die Verbindung mit der Küste ist schwierig. Im nächsten Sommer wird Walbeck die genauere Durchforschung vornehmen, und an den ausgewählten Punkten die Signale errichten laßen. Mit dem Mondsculminationen ist es sehr schlecht hier ergangen. Nur der Februar war günstig. Beÿ den niedrigsten Ständen im Sommer ist es gar nicht rathsam eine Beobachtung zu machen. Im October habe ich nur 2 Culm[inationen] erhalten, im Nov[ember] nur eine am 9 Nov[ember], wo beide Mondsränder zu beobachten waren. Daß die Mondsephemeride weiter ausgedehnt ist über den Vollmond hinaus scheint mir sehr wichtig. Von Sternbedekungen ist nur die der Pleiaden im Julius sehr gut gelungen; beÿ der letzten Pleiadenbedeckung ward es gerade ein Par Stunden vorher trübe. Da der Meridiankreis für die hiesige Sternwarte noch nicht angekommen ist (ich erwarte ihn aber mit Zuversicht zum Frühlinge) so gehen die Beobachtungen am Mittagsfernrohr über die Aberrationsconstante und Parallaxen ihren bisherigen Gang fort, und sollen bis zur Aufstellung des Münchner Kreises fortgesetzt werden. Ebenso geht es mit den Doppelsternen, nur daß ich den Beobachtungen eine groeßere Ausdehnung gegeben habe, wenn ich aus den Hardingsschen Charten80 die meisten anonymen Doppelsterne der Herrschelschen Verzeichniße81 ausgemittelt und in einen Catalog gebracht habe, in dem ich ebenfalls alle von anderen Astronomen beobachteten Doppelsterne, soviel mir bekannt sind, eingetragen habe, z.B. den von Ihnen als doppelt zuerst erkannten 29 Aquarii, und vorzüglich alle in d[er] Hist[oire] Cél[este française]82 mit étoile double bezeichneten Sterne, worunter viele Doppelsterne vorzüglich der 2ten und 3ten Classe sind, die nicht in d[en] Herschelschen Verzeichnißen stehen. So ist mein Verzeichniß83 bis auf 700 Doppelsterne gestiegen, worunter aber auch viele nur vermeintlich doppelt sind, z.B. eine große Anzahl von denen Piazzi in seines neuen Catalogs Anmerkungen sezt: duplex videtur.84

79 Der Päijänne ist der längste See Finnlands. 80 „Atlas novus coelestis XXVII tabulis continens stellas inter polum borealem et trigesimum gradum declinationis australis adhuc observatas“ (Harding 1808–1822). 81 „Catalogue of Double Stars“ (Herschel 1782 und 1785) sowie „On the places of 145 new Double Stars“ (Herschel 1822). 82 „Histoire Céleste française, contenant les observations faites par plusieurs astronomes français“ (Lalande 1801). 83 „Catalogus 795 stellarum duplicium, ex diversorum astronomorum observationibus congestus in Specula Dorpatensi“ (Struve, W. 1822a; GB 1367). 84 „Praecipuarum stellarum inerrantium positiones mediae ineunte saeculo XIX ex observationibus habitis in specula panormitana. Ab anno 1792 ad annum 1813“ (Piazzi 1813).

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Mit einem Frauenhoferschen Filarmikrometer, welches ich an den Achromat von Troughton angebracht habe, beobachte ich jetzt auch Decl[inations] Differenzen, ausser den Positionswinkeln; und das Mikrometer leistet unglaublich viel. Ich habe Herrn Prof[essor] Schumacher eine Notiz darüber für seine Blätter gegeben. Indessen setze ich Ihnen als eine Probe meiner Beobachtungen der letzten Abende her, die jedesmal von Wolken gestört wurden.

Die Vergrößerung beÿ diesen Beobachtungen ist 200 Mal. Ich halte das Mikrometer für ein wahres Meisterwerk des trefflichen Frauenhofers. Die Beobachtung mit demselben ist eine wahre Freude. Nur muß man es bloß auf Decl[inations] Diff[erenzen] beschränken, weil sich Distanzen nicht mit der Genauigkeit beobachten laßen, die dem Apparate entspricht, es seÿ denn in der Nähe des Pols. – Zufälliger weise überzeugte ich mich neulich davon, daß es möglich ist die Jupiterstrabanten, d.h. die beiden entfernteren mit bloßem Auge zu sehen. Ich sah ein Par Sternchen mit bloßem Auge links vom Jupiter, und als ich ohne zu denken daß es die Trabanten seÿen, mit d[em] Fernrohr nachsah, ergabs sich, daß ich die Monde gesehen hatte. Mein Amanuensis Stud[iosus] Preuß85 konnte sie auch erkennen. Die Luft war aber auch sehr günstig. Mit groeßter Hochachtung Ihr ergebenster Diener W. Struve 85 Ernst Wilhelm Preuss oder Preuß.

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Brief 11. Gauß an Struve, 21. Dezember 1821 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Struve 3 (3 S.)

Hochzuverehrender Herr Professor Ich bin seit wenigen Tagen von der letzten Reise dieses Jahres zurückgekommen, und habe Ihren werthen Brief vom 11/19 October86 hier vorgefunden. Ich bin den größten Theil des Jahres von hier abwesend gewesen, und habe zuletzt in Altona den Ramsdenschen ZenithSector in Empfang genommen, welchen ich zuerst in der hiesigen Sternwarte aufstellen werde.87 Sie wünschen noch einige Nachrichten über den Heliotrop. Ich habe eigentlich zwei ganz verschiedene Instrumente dieser Art anfertigen lassen, die gar nichts mit einander gemein haben als den letzten Zweck, sichere und bequeme Lenkung des Sonnenlichts in jede beliebige Richtung. Ich werde beide zeichnen lassen und H. P. Schumacher wird sie dann für seine Zeitschrift sofort in Kupfer stechen lassen. Für einen Brief würde die Beschreibung beider viel zu weitläuftig seyn: aber von der Einen Einrichtung (die ich vorziehe) kann ich Ihnen soviel auf das Wesentliche ankommt leicht einen Begriff geben,

der große Spiegel aa ist der welcher eigentlich das Sonnenlicht reflectirt; er hat an den Heliotropen, welche ich für meinen Gebrauch im nächsten Sommer habe verfertigen lassen 6 14 Quadr. Zoll (Par[iser]) reine Fläche. Er hat in seiner Mitte eine Öffnung (genau genommen besteht er aus zwei Spiegeln, wovon der zweite durch 2 Correctionen zur Fortsetzung des ersten gemacht werden kann), durch welche ein kleinerer Spiegel b geht, dessen Ebne zu der des ersten senkrecht ist. Beide Ebnen sind an der mit ihr nun parallelen Drehungsaxe cc befestigt diese hat ihre Zapfenlager in einem Rahmen kkk dessen mittelster Theil von vorn gesehen

86 Das Datum von Struves Brief war der 30.10./11.11.1821, siehe den Brief Nr. 10. 87 Der Zenitsektor kam im Dezember 1821 in Göttingen an und war bereits im Januar 1822 einsatzbereit. Die damit ausgeführte Breitenbestimmung Göttingen – Altona fand aber erst vom 5.4. bis 15.6.1827 statt (Reich 2001).

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und an dem Fernrohr d so befestigt ist, daß die Gesichtslinie diese Gestalt hat des letztern zu der Drehungsaxe cc senkrecht ist. Das Fernrohr dreht sich um seine eigne optische Axe in den Lagern ee welche mit dem Fuß f in Verbindung sind. Die beiden Drehungsbewegung[en] geschehn vermittelst der Stäbe g, h die man immer so stellen kann, daß man sie bequem zur Hand hat. Der Fuß f endigt unten in drei Stützpunkte (dafür welche Stellschrauben haben *),

[Vermerk von Gauß am unteren Rand des Briefbogens] *) Eine, an dem Fuß welcher vom Centrum aus in einer dem Fernrohr parallelen Richtung steht wäre hinreichend. [Vermerk von Gauß am linken Seitenrand] Die Spiegel wenden in der Zeichnung beide Ihnen den Rücken zu. [Fortsetzung des Absatzes] die in runde Teller treten. Azimuthalbewegung des ganzen Instruments habe ich mit Fleiß nicht an der Säule f angebracht, sondern mache sie aus freier Hand durch Verschiebung mit den Tellern, die doch immer auf einer leidlich ebnen Fläche stehen, die Stellung läßt sich auf diese Weise genauer u[nd] feiner machen, als wenn f eine Drehungsaxe enthielte. Zusammen sind am Instrument 8 Correctionszapfen. – Der Gebrauch ist einfach. Die Gesichtslinie des Fernrohrs wird auf den P[un]kt gerichtet, wohin das Licht gelenkt werden soll (indem man entweder den Spiegelapparat heraus nimmt, was immer sehr leicht geschehen kann, oder auch nur die Spiegel um cc so drehet, daß der kleine Spiegel das Objectiv nur mit seiner Schärfe beschattet d.i. daß dessen Ebene in die Richtung der Gesichtslinie kommt, wobei das Fernrohr wenn das Object nicht gar zu scharf ist immer noch Licht genug erhält. Hierauf wird durch Vierung der beiden Drehungsbewegungen das Spiegelsystem in die Lage gebracht, daß b das Sonnenlicht in die Gesichtslinie reflectirt, was man durch das schwarze Glas i, oder auch noch etwas herausgezogenes Ocular durch ein vorgehaltenes Papier beobachtet. Ist das Instrument genau berichtigt, so ist es hinreichend, wenn irgend ein Punkt der Sonnenscheibe auf der Gesichtslinie erscheint, man braucht daher, wenn man zuerst nach Maaßgabe der tägl[ichen] Bew[egung] zuerst auf einen Punkt im sRande gestellt hat erst nach 2 Minuten von neuem zu richten. Für mäßige Distanzen wird die Spiegelfläche zu groß seyn, man kann sie aber leicht nach den Umständen symmetrisch durch Bedeckung verkleinern. – Die andre Einrichtung ist um vieles zusammengesetzter. Vorigen Sommer habe ich nur Einen Heliotrop zu meiner Disposition gehabt, und daher noch lange nicht so viel Nutzen davon ziehen können, als bei dem Besitz mehrerer möglich gewesen wäre. Ich glaube nicht, daß Sie Absicht haben die Anwendung bloß auf große Distanzen deswegen einzuschränken, weil Sie sonst zu viel Zeit zu verlieren fürchten. Im Gegentheil, ich glaube, je mehr Heliotropen, desto mehr Zeitgewinn. Im Sommer ist Sonnenschein häufig genug; zuweilen ist zwar die Luft auch ohne Sonnenschein den Beob[achtungen] günstig, allein umgekehrt ist wenigstens in

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unserm Klima oft an den recht sonnigen Tagen auf Entfernungen die nicht gar zu klein sind, das Sehen terrestr[ischer] Signale äußerst schwierig. Bei ganz kleinen Entfernungen unter 3 geogr[aphischen] Meilen ist es freilich etwas anderes; da würde ich auch die Heliotropen nur ausnahmsweise brauchen. Den zum Viceheliotrop umgerüsteten Sextanten habe ich in vorigem Sommer immer bei mir gehabt, und zum Telegraphiren gebraucht, welches ganz vortrefflich geht. Ich habe die Maniere vor einiger Zeit H[er]rn v. Zach beschrieben, in dessen Journal Sie daher nächstens eine Nachricht darüber finden werden. Die erste Nachricht in diesem Journal über den Heliotrop, welche H[er]r v. Zach aus den hiesigen g[elehrten] A[nzeigen] entlehnt hatte, enthielt mehrere wesentliche Unrichtigkeiten.88 Mich Ihrem freundschaftlichen ferneren Andenken bestens empfehlend Ihr ganz ergebenster C. F. Gauß Göttingen 21 December 1821. PS Dürfte ich um gütige Abgabe der Einlage bitten?89

Brief 12. Struve an Gauß, 15./27. September 1822 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 8 (2 S.)

Dorpat den

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Sept[ember] 1822

Ewr Hochwohlgeborn bin ich so frei den 3ten Band der hiesigen Beobachtungen zu überschicken, dessen Druck kürzlich vollendet wurde.90 Da ich endlich in d[en] Besitz eines Reichenbachschen Meridiankreises gekommen bin: so hoffe ich von jetzt an vollständigere Beobachtungen als die bisherigen liefern zu können, und es ist beabsichtigt dieselben alsdann durch den Druck jährlich bekannt zu machen. Die Aufstellung dieses Instruments ist die Ursache, warum ich die Arbeiten für die Gradmessung mit dem Anfange Julii geschloßen habe, und also nur wenig gefördert habe. Mit dem Reichenbachschen Universalinstrument als Horizontalwinkelmesser bin ich ausnehmend zufrieden, da meine bisherigen Messungen den einfachen Winkel aus nur 4facher Wiederholung einen wahrscheinlichen Fehler von 1Ǝ,3 geben; so daß ich in der Regel nur jeden Winkel durch 8 Mal 4fache Repetition bestimmt habe, wobeÿ ich es mir zur Regel machte nie zu beobachten als wenn ich gut sah. Da ich schon 4 Heliotropen hatte, von einfacher, wenngleich unvollkommener Construction, von denen 3 in den Haenden meiner Gehülfen, das 4te bey mir zur Telegraphie war: so waren wenig Tage, an welchen es nicht 88 „Über den Heliotrop“ (Gauß 1821a) und „Heliotrop“ (Gauß 1821b). 89 Die Einlage ist nicht vorhanden; der Adressat der Einlage ist nicht bekannt. 90 F. G. W. Struve: Observationes astronomicas, institutas in specula Universitatis caesareae Dorpatensis, publici juris facit Senatus Universitatis. Volumen 3. Observationes annorum 1820 et 1821. Dorpat 1822.

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möglich gewesen wäre zu beobachten, wenigstens in einigen Stunden. Die günstigste Tageszeit ist mir immer d[er] Abend gewesen. In d[en] Stunden von 8 bis 1 Uhr Nachmittags der langen Juniustage habe ich das Heliotropenlicht fast immer zu diffuse gefunden, um genau beobachtet zu werden. Wie oft habe ich beÿ Erblickung der herrlichen Heliotropenbilder mich Ihrer dankbar erinnert! Ich hoffe daß die Arbeiten der Gradmessung im nächsten Sommer bedeutender gefördert werden sollen. Vor ein Par Monaten sandte ich Ihnen ein Exemplar eines speciellen Abdrucks des in der Einleitung zu dem 3ten Bande der hiesigen Beobachtung im enthaltenen Catalogs aller bisher bekannten Doppelsterne nach den geraden Aufsteigungen geordnet. Ich hoffe daß Sie es richtig erhalten haben.91 Mich Ihrem freundschaftlichen Andenken bestens empfehlend bin ich mit der aufrichtigsten Hochachtung Ew Hochwohlgeborn ergebenster Diener W. Struve

Brief 13. Struve an Gauß, 12./24. Juni 1825 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 9 (1 S.)

Hochzuverehrender Herr und Freund. Überbringer dieses ist Herr Knorre, Astronom in Nicolajef am schwarzen Meere, mein ehemaliger Schüler. Er wird auf einer wissenschafftlichen Reise, zur Besichtigung der wichtigsten astr[onomischen] Anstalten Europas natürlich Göttingen besuchen, und ich benutze diese Gelegenheit mich durch diesen mir so wehrten Freund Ihrem freundschafftlichen Andencken zu erneuen. Mit Interesse werden Sie von ihm erfahren, daß die Sternwarte in Nicolajef vollendet und mit Instrumenten des ersten Ranges versehen ist, namentlich schon einen Reichenbachschen Meridiankreis erhalten hat. Unter dem herrlichen Himmel jener Gegend beÿ dem Eifer meines Freundes für sein Fach, bei seinem ausgezeichneten Talente für d[ie] Beobachtung verspricht diese Sternwarte der Wissenschafft nicht gewöhnliches. – . Wir haben hier zusammen eine Reihe v[on] Beobachtungen über die constanten Differenzen in d[en] Zeitangaben gemacht, und ich habe meinen Freund aufgefordert dieselben Beobachtungen mit den Astronomen der Sternwarten die er besucht anzustellen, wenn die dazu geneigt sind. Ich bitte Sie diesem Vorschlage Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, weil dies räthselhäfte Phänomen nur durch Vervielfältigung der Beobachtungen genauer erkannt werden kann. Über das hiesige astronomische Treiben wird Ihnen Hr. Knorre manches erzählen können, auch was den herrlichen Achromat v[on] Fraunhofer betrifft, der die kühnsten Erwartungen übertroffen hat. Die große Erndte an neuen Doppelster91 „Catalogus stellarum duplicium a 20° decl. Austr. ad 90° decl. Bor. pro anno 1820“ (Struve, W. 1822b).

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nen, die ich im Nr. 77 der astr[onomischen] Nachr[ichten] bekannt gemacht habe,92 hat sich auch in einem andern Zwölftel des Himmels ergeben, und so erwarte ich noch manche Früchte von diesem Meisterwerk. Indem ich mich Ihrer Freundschafft und Wohlwollen empfehle bin ich mit der größten Hochachtung Ihr ergebenster Diener und Freund W. Struve 24 Dorpat den 12 Juni 1825.

Brief 14. Gauß an Struve, 18. Januar 1826 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Struve 4 (2 S.)

Hochgeschätzter Freund. Schon im vorigen Sommer ist in meiner Abwesenheit der neue Band Ihrer Beobachtungen hier abgegeben, noch vor kurzen habe ich nun auch von Ihrem Herrn Schwiegervater93 das schöne Geschenk erhalten, welches Sie mir mit Ihrer Beschreibung des prachtvollen Refractors gemacht haben.94 Indem ich erst jetzt meinen verbindlichen Dank für diese werthen Geschenke nachhohle wünsche ich Ihnen an dem Besitze eines so unvergleichlichen Instruments herzlichst Glück. Ich weiss nicht ob oder wie bald ich eben so glücklich seyn werde, vor der Hand aber bei meiner nothgedrungen getheilten Thätigkeit weiss ich kaum ob es mich sehr glücklich machen würde. Man muß in solchem Besitzthum ganz leben zu können, und ich habe noch auf mehrere Jahre zu viele andere Dinge die meine Zeit in Anspruch nehmen. Meine trigonometrischen Messungen sind freilich vielleicht beendigt. Ich habe voriges Jahr meine Dreiecke bis Jever fortgeführt und an die Krayenhoffsche[n]95 angeschloßen; doch finden sich in meinen Winkelmessungen in Jever erhebliche Unterschiede von den Krayenhoffschen, und ich muß erst erwarten ob die gehoffte Kenntniß der Originalmessungen solche ausgleichen wird; bis dahin bin ich ungewiss, ob ich nicht noch eine neue Kette durch Westphalen nach Bentheim zu werde führen müßen. Inzwischen habe ich in diesem, der praktischen Astronomie ohnehin höchst ungünstigen Winter viel im Theoretischen meiner Behandlung der Höhern Geodäsie gearbeitet, ohne doch eigentlich schon etwas ausgearbeitet zu haben. In der That ist die allgemeine Theorie der krummen Flächen, womit solche innigst zusammenhängt ein so überschwenglich reichhaltiger Gegenstand, daß wohl noch eine geraume Zeit darüber hingehen kann, bis ich alles zu meiner Zufriedenheit vollendet habe; ja ich fange zuweilen an zu besorgen, daß der Gegenstand zu reichhaltig ist, und ich dadurch genöthigt werde, das 92 „Nachricht von einer auf der Dorpater Sternwarte angefangenen neuen Durchmusterung des Himmels in Bezug auf die Doppelsterne“ (Struve, W. 1826). Es handelt sich um eine Liste von 113 Doppelsternen. 93 Isaac Wall. 94 „Beschreibung des auf der Sternwarte der Kaiserlichen Universität zu Dorpat befindlichen großen Refractors von Fraunhofer“ (Struve, W. 1825; GB 1421). 95 Cornelis Rudolphus Theodorus Krayenhoff vermaß die Niederlande.

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meiste am Ende für künftige Zeit noch zurückzuhalten.96 Sie liebster Freund sind darin glücklich, Ihrer Thätigkeit immer Eine bestimmte Richtung geben zu können, wobei Sie sicher sind immer nützliche Erfolge zu Tage zu fördern, während mich bei den mehrjährigen praktischen Arbeiten oft der Gedanke von theoretischen gleichsam entfremdet zu werden schmerzte, so wie umgekehrt bei ernstlichen theoretischen Arbeiten, die doch ihrer Natur nach nicht immer und nicht schnell darstellbare Resultate geben und gleichwohl die ganze Geistesthätigkeit beschäftigen, es immer ein schmerzliches Gefühl ist, so lange die praktischen Geschäfte nur als untergeordnete Nebensache betrachten zu müßen. Das angenehme Gefühl, welches zuletzt lohnt, etwas vollendet zu haben, muß wahrlich unter solchen Umständen oft theuer genug erkauft werden. Fahren Sie fort ferner Ihr freundschaftliches Andenken zu schenken Ihrem ganz ergebensten C F Gauß Göttingen den 18 Januar 1826

Brief 15. Struve an Gauß, 13./25. Juli 1837 (Dorpat) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 10 (2 S.)

Hochwohlgeborner Herr Hofrath Hochzuverehrender Herr und Freund! Daß die Koenigliche Societät der Wißenschafften in Göttingen mich zu ihrem Mitgliede ernannt hat, kann ich nur dem Wohlwollen zuschreiben, welches Sie für mich hegen. Erlauben Sie mir daher, daß ich Ihnen besonders meinen Dank ausspreche für diese mir so unerwartete und im höchsten Grade aufmunternde Auszeichnung.97 Zürnen Sie mir aber nicht über die Verspätung dieses Dancks. Ich beabsichtigte mit ihm zugleich auch Ihnen ein Exemplar meiner mensurae micrometricae stellarum duplicium98 überreichen zu können, und hoffe daß daßelbe binnen kurzen in Ihre Hände gelangen wird. Nehmen Sie es nachsichtig auf als ein Zeichen der tiefsten Verehrung, die ich für Sie von jeher gehegt habe.

96 Bereits 1825 hatte Gauß eine Vorversion „Neue allgemeine Untersuchungen über die krummen Flächen“ fertiggestellt, aber nicht veröffentlicht (Gauß-Werke: 8, S. 408– 443). Erst im Jahre 1828 erschienen Gauß’ „Disquisitiones generales circa superficies curvas“ (Gauß 1828a). 97 Vgl. Krahnke 2001, S. 99. 98 „Stellarum duplicium et multiplicium mensurae micrometricae per magnum Fraunhoferi tubum annis a 1824 ad 1837 in specula Dorpatensi institutae, adjecta est synopsis observationum de stellis compositis Dorpati annis 1814 ad 1824 per minora instrumenta perfectarum“ (Struve, W. 1837). Das Buch ist nicht in der Gauß-Bibliothek vorhanden.

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Als ich vor 3 Jahren das letzte Mal in Deutschland war, führte mich mein Weg nicht über Göttingen. Im nächsten Sommer werde ich wohl wieder eine Reise nach Deutschland machen um die für die Pulkovaer Sternwarte bestimmten Instrumente vor ihrer Absendung an den Geburtsstätten zu revidiren. Hoffentlich komme ich dann über Göttingen, und eine große Freude wird es mir dann sein, Ihnen persönlich wieder meine Gesinnungen der Dankbarkeit und Hochachtung aussprechen zu können.99 Der Bau der Sternwarte in Pulkova geht rasch vorwärts. Bis zum Schluß 1838 wird er vollendet sein, und im Jahre 1839 werden daselbst die Instrumente aufgestellt werden, und die Sternwarte eröffnet sodann Ihre Arbeiten. Der in München bestellte Refractor von fast 14 12 Pariser Zoll Oeffnung ist jetzt schon seiner Vollendung nahe, und wird gewiß ein Instrument einzig in seiner Art sein.100 Im December des vorigen Jahres starb hier im 67sten Jahre Ihr vieljähriger Freund, der Staatsrath Professor Bartels, mein sehr verehrter und geliebter College und Schwiegervater. Gattin u[nd] Tochter trauern um ihn und in der Ferne ein Sohn,101 der als Arzt sich in Poti am schwarzen Meere aufhält. Ihrer gedachte der verstorbene sehr häufig mit Liebe und Verehrung. Von seinen mathematischen Vorlesungen ist außer dem ersten Bande,102 den er Ihnen zugesandt, nur eine Abhandlung103 gedruckt worden. Im Manuscript ist nichts vorhanden. Bisher ist das Werk gar nicht in den Buchhandel gekommen, indess werde ich jetzt dafür Sorge tragen.104 Mit der aufrichtigsten Verehrung verharre ich Ihr ergebenster Diener und Freund W. Struve Dorpat den 1325 Juli 1837.

99 Wilhelm Struve besuchte in der Tat zusammen mit seinem Sohn Otto Gauß am 26.9.1838. 100 Ventzke berichtet, dass 1839 im Auftrag von Wilhelm Struve für die Sternwarte Pulkowo von dem Münchner Optischen Institut, das Georg Merz unterstand, ein Refraktor mit 14ƍƍ Öffnung, ein Heliometer mit 7 ½ƍƍ Öffnung und ein Kometensucher mit 43ƍƍ Öffnung fertiggestellt waren (Ventzke 2004, S. 177, 185). 101 Martin Bartels starb am 19./31.12.1836 in Dorpat. Er hinterließ seine Ehefrau Anna Magdalena Bartels, geb. Saluz, eine Tochter, Johanna Struve, geb. Bartels, und einen Sohn, Eduard Bartels. 102 „Vorlesungen über mathematische Analysis mit Anwendungen auf Geometrie, Mechanik und Wahrscheinlichkeitslehre“ in kleiner Auflage (Bartels 1833). Das Buch ist nicht in der Gauß-Bibliothek vorhanden. 103 „Aperçu abrégé des formules fondamentales de la géométrie à trois dimensions“ (Bartels 1831). 104 „Vorlesungen über mathematische Analysis“, hrsg. von F. G. W. Struve (Bartels 1837a). Das Buch ist nicht in der Gauß-Bibliothek vorhanden.

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Brief 16. Struve an Gauß, 21. September 1838 (Altona) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 11 (1 S.)

Hochwohlgeborner Herr Hofrath, Hochverehrtester Freund, ich nehme mir die Freiheit Ihnen anzuzeigen, daß ich im Begriff stehe meinen Reiseweg nach München von hier über Göttingen zu nehmen, und so die angenehme Hoffnung hege, Sie baldigst persönlich zu begrüßen. Am Sonntag den 23sten Sept[ember] gehe ich nach Bremen, um unsern ehrwürdigen Senior Olbers zu sehen, und am Dienstag Abend dencke ich in Göttingen einzutreffen.105 Ist meines Bleibens dort auch nur kurz, so wird es meinem Herzen wenigstens genügt haben Ihnen meine innige Verehrung bezeugt zu haben. Ich füge eine Bitte hinzu. Ich habe Herrn Prof[essor] Argelander geschrieben mit mir in Göttingen oder Gotha zusammen zu treffen. Sollte er schon in Göttingen sein, so sind Sie wohl so gütig ihm anzeigen zu laßen, daß ich am Dienstag Abend dort eintreffen werde. Mit der aufrichtigsten Verehrung verharre ich Ihr ganz ergebenster Diener W. Struve Altona den 21sten Sept[ember] 1838

Brief 17. Bellingshausen an Krusenstern, 18./30. März 1840 (Kronstadt) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve, 12 (1 S.) Publikation in: Briefwechsel Gauß–Schumacher 1969, S. 107.

[Anmerkung von Struve] Schreiben des Admirals Bellingshausen an den Admiral Krusenstern106 [Abschrift (?)] Hochgeschätzter Herr Admiral, Hiebei übersende ich Ihnen die für den Herrn Profeßor Gauß jetzt von mir vollbrachte Auswahl aus dem Tagebuche meiner Reise von 1819 bis 1821 in hohen südlichen Breiten. 105 Struve kam zusammen mit seinem Sohn Otto am Dienstag, dem 25.9.1838, in Göttingen an. Der Besuch bei Gauß fand am Mittwoch, dem 26.9.1838, statt. 106 Diesen Brief hat Struve Gauß über Heinrich Christian Schumacher gesandt. Schumacher schrieb Gauß am 2. Juni 1840 aus Kopenhagen: „Von Struve habe ich (sein Brief ist mir hieher nachgesandt) die Einlage für Sie erhalten, die doppelt soviel erhält, als sich in Billingshausen’s [sic] Reise findet. Er empfiehlt sich Ihnen bestens“ (Briefwechsel Gauß–Schumacher 1861: 3, S. 376).

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Da ich damals den Magnetischen Pol garnicht ins Auge gefaßt hatte, so sind auch zu diesem Zwecke keine besondern Beobachtungen angestellt worden. Das Inklinatorium gewährte wegen der großen Masse Eisen auf dem Schiffe keinen Nutzen und auch war das beständige Schwanken des Schiffes in hohen südl. Breiten sehr hinderlich; daher schicke ich blos die geographischen Breiten und Längen mit der Abweichung der Magnetnadel, die ich bei allen möglichen Fällen beobachtet habe, und ich wünsche, daß sie auch dazu beitragen werden um den südlichen magnetischen Pol nahezu zu bestimmen. Dieser Pol scheint mir im 76 südl[icher] Br[eite] und 142°½ Länge zu liegen,107 aber sich durch die horizontale Nadel nicht eben sehr genau bestimmen zu laßen. Das ist alles, was ich Herrn Gauß mittheilen kann, wobei ich wünsche, daß auch dieses Wenige ihm nützlich seÿn möge.108 etc. etc. Bellingshausen. Kronstadt. 1840, am 18 30 März. [Anmerkung von Struve] In fidem copiae et rationis109 Das Datum ist der alte Stil, die Längen sind von Greenwich. W. Struve Pulkova im May 1840.110

107 Gauß hat rein theoretisch den Ort der Magnetpole auf der Erde bestimmt; für den südlichen magnetischen Pol fand er den Wert 72° 35ƍ südlicher Breite und 152° 30ƍ östlicher Länge (Gauß 1839, S. 44). Es war ein Triumph für die Theorie des Erdmagnetismus von Gauß, als im Jahre 1841 die Schiffsexpedition unter der Leitung des US-amerikanischen Marineoffiziers Charles Wilkes den südlichen magnetischen Pol bei 70° 21ƍ südlicher Breite und 146° 17ƍ östlicher Länge auffand, welche Werte nur wenig von den berechneten abweichen (Schaefer 1929, S. 87; vgl. Reich 1977, S. 84– 85). 108 Gauß veröffentlichte unverzüglich die von Bellingshausen übermittelten Daten in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1839“ unter dem Titel: „Abweichungen der Magnetnadel, beobachtet vom Capitaine B e l l i n g s h a u s e n in den Jahren 1819–1821“ (S. 117–119). 109 Lat. in fidem copiae et rationis = für die Zuverlässigkeit der Kopie und des Anliegens. 110 Auf die Rückseite des Briefbogens hat Schumacher gesetzt: „Struve meldet mir dabei, daß das Buch 90 Declinationen enthält, hier also über 100 mehr sind, als bekannt gemacht wurden. Wollen Sie demohnerachtet das Buch haben, so kann er es Ihnen für 15 Thaler Preussisch kaufen. Er empfiehlt sich zugleich Ihnen bestens. S[chumacher]. Der Lieutenant v. Sievers hat das Buch mit diesem Mscr. verglichen und die abgedruckten Declinationen mit den hier gegebenen übereinstimmend gefunden. Die nicht abgedruckten Declinationen konnte er aber nicht mit den OriginalJournalen vergleichen, es ist indessen kein Zweifel, daß Alles richtig copirt ist“ (Briefwechsel Gauß– Schumacher 1969, S. 107–108).

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Brief 18. Gauß an Struve, 12. August 1840 (Göttingen) Quelle: unbekannt Exzerpte in: Stargardt Katalog 628, 1983, Nr. 491, S. 158.

[...] Ich habe [...] noch meinen herzlichen Dank abzustatten für das Geschenk [...] der schönen auf die Einweihung der Pulkowa Sternwarte geprägten Medaille und verbinde damit meinen aufrichtigen Glückwunsch, daß sie dieser einzigen Anstalt vorstehen [...]. [Gauß erwähnt] magnetische Beobachtungen, [die er durch Vermittlung des Weltumseglers Admiral Krusenstern erhalten habe, sowie den gemeinsamen Freund Heinrich Christian Schumacher, den er gern auf der Reise nach Rußland begleitet hätte.111] [...] Dennoch will ich die Hoffnung noch nicht aufgeben, Petersburg und Ihre Sternwarte in Zukunft einmahl selbst zu sehen [...].112

Brief 19. Gauß an Struve, 14. August 1843 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Struve 5 (3 S.)

Hochverehrter Freund. Nach einer mündlichen Aeußerung des Herrn Staatraths Fuß113 hatte ich mir Hoffnung gemacht, daß Sie bei Ihrer [Reise] in diesem Sommer nach Deutschland auch mich mit einem Besuche erfreuen würden, und aus diesem Grunde meine Danksagung für die beiden kleinen Schriften, die mir vor etwa zwei Monaten zugekommen waren, von einer Woche zur andern verschoben. Da ich jetzt wohl für dies Jahr jene Hoffnung aufgeben muß, und Sie vermuthlich bereits wieder auf Ihre unvergleichliche Sternwarte zurückgekehrt sind, so stehe ich nicht an, meinen ergebensten Dank jetzt schriftlich nachzuhohlen. Ihr Verzeichniß der geographischen Positionen aus dem rußischen Reiche114 war mir sehr willkommen; alles was Rußland betrifft hat seitdem ich mich mit der rußischen Sprache zu beschäftigen angefangen habe, einen erhöheten Reiz für mich erhalten. Mit besonderm Vergnügen habe ich auch die Schrift Ihres Hrn. Sohnes über die Praecessionsconstante gelesen,115 vorzüglich aber das was die eigne Bewegung der Sterne betrifft über 111 Heinrich Christian Schumacher reiste im September 1840 nach St. Petersburg, um sich persönlich ein Bild von der neuen Sternwarte in Pulkowo zu machen. Voll Begeisterung berichtete er darüber Gauß am 7.10.1840 (Briefwechsel Gauß–Schumacher 3, S. 402–405). 1841 veröffentlichte Schumacher einen Bericht in den „Astronomischen Nachrichten“ unter dem Titel: „Kurze während meines Aufenthalts in Pulkowa gesammelte Notizen“ (Astronomische Nachrichten 18 (Nr. 411), 1841, Sp. 33–44). 112 Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen, Gauß reiste auch später nicht nach St. Petersburg. 113 Paul Heinrich Fuß. 114 „Table des positions géographiques principales de la Russie“ (Struve, W. 1843a; GB 1371). 115 „Bestimmung der Constante der Praecession mit Berücksichtigung der eigenen Bewegung des Sonnensystems“ von Otto Struve (Struve, O. 1842).

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welchen Gegenstand ich selbst vor 25 und vor 6 Jahren sehr ausgedehnte Rechnungen gemacht habe. Machen Sie doch Ihrem Hrn. Sohne über seine schöne Arbeit mein aufrichtiges Compliment. Der Umstand, daß Sie von einer Anzahl junger rüstiger unterrichteter und geschickter Astronomen umgeben sind, veranlaßt mich noch einen Gegenstand vertraulich gegen Sie zu berühren. Die Preisfragen welche die gelehrten Gesellschaften aufgeben, besonders aus den exacten Wissenschaften, finden nicht oft eine genügende Beantwortung, häufig gar keine. Auch bei unserer Societät ist dies oft der Fall gegeben. Die Preise sind in der That nicht erheblich genug, als daß sie zur Unternehmung einer viel Arbeit kostenden Untersuchung sonderlich anreizen könnten, zu der man nicht schon vorher ehe sie zur Preisfrage gestellt war sich hingezogen fühlte. Wo aber eine solche specielle Hinneigung zu einer bestimmten Untersuchung sich schon vorher vorfindet, kann wohl eine Preisaufgabe den Ausschlag geben. Es würde mir sehr angenehm sein, wenn auf diese Weise die von der mathem[atischen] Classe der hiesigen Societät in kurzem zu stellende Preisfrage irgend eine der Astronomie wichtige Arbeit befördern könnte. Sollten Sie mir also einen oder einige passende Gegenstände vorschlagen können, von denen Sie Ursache hätten anzunehmen, daß einer Ihrer jungen Astronomen sie mit Liebe zu bearbeiten geneigt wäre, so würde ich solche bei den der Societät demnächst zu machenden Vorschlägen mit Vergnügen berücksichtigen. Es versteht sich von selbst, daß Sie mir bloß die Sujets nicht aber die Astronomen nennen, von denen Sie praesumiren, daß sie sich einlassen würden. Doch müßte ich wünschen, Ihre etwaigen Winke bald zu erhalten. Ich genieße, für mein Alter, eine gute Gesundheit, so lange ich meine sehr einfache regelmäßige Lebensweise beibehalte, bei welcher ich zum reisen keinen Muth habe. Erlebe ich es aber daß ich auf Eisenbahn den Weg von Göttingen bis zum Lübecker Dampfschiff ganz oder fast ganz zurücklegen kann, so gebe ich die Hoffnung nicht auf, Sie noch einmahl auf Ihrer prachtvollen Sternwarte zu besuchen. Die Bahn von Hildesheim bis Harburg wird wahrscheinlich in ein Paar Jahren befahren werden können. Meyerstein hat jetzt ein magnetisches Inclinatorium nach einem neuen Princip ausgeführt, welches mir den bisher gebräuchlichen Einrichtungen sehr vorzuziehen scheint. Ich habe heute zum erstenmahle eine Probebeobachtung gemacht, und werde noch einige Abänderungen daran machen lassen, die den bequemen und sichern Gebrauch noch erhöhen werden. Repsold116 arbeitet ein im Wesentlichen ähnliches welches für Weber bestimmt ist, und welches wie ich höre fast vollendet ist. Bei einem bald zu erwartenden Besuche meines Freundes werden wir beide vergleichen und so das was jeder der beiden Künstler ihm Eigenthümliches dabei hat am besten würdigen können. Nach fast 20 Jahren ist bisher meines Wissens eine Aufforderung die anonym, aber ohne Zweifel von dem unvergeßlichen Olbers herrührend in Nro 60 der

116 Die Brüder Georg und Adolf Repsold übernahmen nach dem Tode ihres Vaters Johann Georg Repsold dessen Werkstatt.

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A[stronomischen] N[achrichten] am Schluß steht,117 öffentlich von keinem Astronomen gerügt. Möchten Sie, der Besitzer des besten überhaupt existirenden Sehwerkzeuges, sich nicht einmahl darüber aussprechen. Die gewiß durchaus falschen Angaben Schröters118 über die scheinbaren Größen der 4 kleinen Planeten,119 pflanzen sich noch immer in allen für das größere Publicum bestimmten Büchern fort. Wenn die Durchmesser alle 4 wirklich durchaus unmeßbar sind, so kann man nach photometrischen Gründen nicht zweifeln daß die Vesta (die oft dem bloßen Auge sichtbar ist) bei weiten der grösste unter den kleinen ist. Genehmigen Sie die Bezeugung der unwandelbaren freundschaftlichen Ergebenheit Ihres C F Gauß Göttingen 14 August 1843 Darf ich bitten, durch einen freundlichen Gruß mein Andenken bei Ihrer Frau Schwiegermutter120 zu erneuern.

Brief 20. Struve an Gauß, 10./22. Dezember 1843 (Pulkowo) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 13 (4 S.)

Pulkova den 22/10 Dec 1843 Hochverehrtester Freund, es ist eine meiner schlimmen Gewohnheiten, mit der Beantwortung von Briefen zu zaudern, in der zwar gutgemeinten Absicht recht ausführlich zu schreiben, die aber nie die Versäumniß entschuldigen kann. Soeben lese ich Ihren Brief vom 14 August durch, und gestehe daß der Zeitraum von 4 Monaten, der seit dem Empfange verfloßen ist, mich erröthen macht, und mich zu der Bitte zwingt, daß Sie mir nicht zürnen sondern verzeihen mögen. 117 In dem Aufsatz von Wilhelm Olbers „Bedeckung des Uranus vom Monde am 6ten August 1824“ in den „Astronomischen Nachrichten“ lautet der letzte Absatz: „Bey dieser Gelegenheit möchte ich diejenigen Astronomen, die große Fraunhofersche Fernröhre besitzen, recht dringend bitten, zu erklären, ob auch sie um die Ceres, die Pallas und die Juno, die mir sehr zweifelhaften großen Nebelhüllen sehen, die mein verewigter Freund, der hochverdiente Schröter, um dieselben wahrgenommen zu haben glaubte. Mit meinem Dollond habe ich bey ihnen nichts neblichtes, und, die Lichtstärke ausgenommen, in ihrem äusseren Ansehen keinen Unterschied von der Vesta, der Schröter alle Nebelhülle abspricht, bemerken können“ (Astronomische Nachrichten 3 (Nr. 60), 1825, Sp. 207–208, hier Sp. 208). 118 „Lilienthalische Beobachtungen der neu entdeckten Planeten Ceres, Pallas und Juno, zur genauen und richtigen Kenntniß ihrer wahren Grössen, Atmosphären und übrigen merkwürdigen Naturverhältnisse im Sonnengebiete“ (Schroeter 1805). 119 Schroeter untersuchte nur die drei Planeten Ceres, Pallas und Juno. Im Jahre 1805 war es anders nicht möglich, die Vesta wurde erstmals am 29.3.1807 beobachtet. 120 Anna Bartels, geb. von Saluz.

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Nicht leicht habe ich eine herzlichere Freude empfunden, als bei dem Empfange Ihres Briefes.121 Er enthält so viel aufmunterndes, freundliches und anregendes, daß ich mich gegen Sie zum wärmsten Dancke verpflichtet fühle. Ganz besonders erfreut war ich, daß die Arbeit meines Sohnes über die eigne Bewegung der Fixsterne und die Sonnenbewegung Ihren Beifall gewonnen hat. Es ist des jungen Mannes erste selbständige Arbeit. Ihr Brief enthält zunächst eine Aufforderung, irgend einen Gegenstand in Vorschlag zu bringen, der sich zum Vorwurf einer Preisaufgabe von Seiten Ihrer Societät eignet, und deßsen Bearbeitung von einem oder dem andern der jüngern Astronomen, mit denen ich in Verbindung stehe zu vermuthen ist. Hätte ich einen solchen Gegenstand finden können, so würde ich unverzüglich geantwortet haben. Ein Grund meiner Zögerung lag eben in dem vergeblichen Nachforschen nach einem solchen Gegenstande, und ich sehe mit einiger Begierde der Nachricht entgegen, welchen Gegenstand sie selbst gewählt haben werden. Nicht unmöglich daß einer der hiesigen Astronomen sich an die Bearbeitung macht, wenn er der Auflösung sich gewachsen fühlen sollte, aber nicht sehr wahrscheinlich, da die eignen Arbeiten, welche die Thätigkeit der Pulkovaer Sternwarte heischt, die Kräfte derselben in hohem Maße in Anspruch nehmen. Auch sind die bisher von hier aus gegangenen Untersuchungen im engsten Zusammenhange mit der Wirksamkeit der neuen Sternwarte. Sie betrafen vorzugsweise die 3 Reductionselemente Praecession, Nutation und Aberration. Wenn auch für die erste nicht viel gewonnen werden konnte, so war die Untersuchung der beiden andern Constanten um so wichtiger, da durch sie jeder Fortschritt in Bezug auf Fixsternpositionen bedingt wird, und eine der Hauptaufgaben der Sternwarte die Bearbeitung eines neuen Fixsterncataloges sein muß, der für die Zukunft einen sicheren Vergleichspunct abgibt. Die Constanten der tabulae regiomontanae122 zu gebrauchen schien mir sehr bedenklich, auch hat der Erfolg das unzureichende derselben gezeigt, da sie mit Fehlern behaftet sind, die den Fehlern einer ein Mal beobachteten Position gleichkommen, oder sie gar übertreffen. Unsere nächste Arbeit hätte daher auch die Berechnung neuer Reductionstafeln seit 1840 sein müßen; wenn nicht vielleicht Nicolai uns dieser Mühe überhoben hat. Unser Freund Schumacher schreibt mir nemlich, daß von demselben neue Reductionstafeln, auf den Pulkovaer Elementen beruhend, zur Veröffentlichung durch die Astr[onomische] Nachr[ichten] eingesandt sind. Über ihre Form und Ausdehnung weis ich aber noch nichts. Sie erwähnen des Empfanges zweier Schrifften im Juni. Später habe ich noch eine Abhandlung an Sie abgesandt: sur le Coéfficient constant de l’aberration etc., die das Endresulat der hiesigen 3 jährigen Beobachtungen am Passageinstr[ument] im

121 Der von Wilhelm Struve 1845 in St. Petersburg veröffentlichte Katalog „Librorum in bibliotheca speculae Pulcovensis contentorum Catalogus systematicus“ (GB 680) weist 18 Titel Gaußscher Werke auf. 122 „Tabulae Regiomontanae reductionum observationum astronomicarum ab anno 1750 usque ad annum 1850 computatae“ (Bessel 1830).

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ersten Vertical enthält.123 Ich hoffe daß sie, so wie früher die nouveaux catalogues d’etoiles doubles124 richtig in Ihre Hände gekommen sind, und werde nächstens ein Par neue Abhandlungen absenden, eine von Dr. Peters125 u[nd] meinem Sohne gemeinschafftlich bearbeitete über den vom Dec[ember] 1839 an beobachteten Cometen.126 Die hiesigen Beobachtungen, alle von O. Str[uve] am großen Fernrohr angestellt, und auf genauen Sternörtern durch den Repsoldschen Meridiankreis begründet, haben eine hyperbolische Bahn sehr wahrscheinlich gemacht. Die 2te Abhandlung von O. Struve betrifft mehrere geographische Ortsbestimmungen in Rußland, und ist also eigentlich nur von localem Interesse, aber Ihnen deswegen vielleicht nicht unwillkommen. Gerne wäre ich im Sommer auf eine kurze Zeit nach Göttingen gekommen, und beabsichtigte dies auch. Ich hatte aber unserm trefflichen Freund Schumacher versprochen, ihn nach Copenhagen zu begleiten, um Seinem Koenige127 meinen ehrfurchtsvollen Danck auszusprechen für die kräftige und gnädige Förderung der Chronometer expedition; und eine Unpäßlichkeit Schumachers verzögerte unsere Reise um 3 Wochen, sodaß ich nachher in meiner Zeit zu beschränkt war, und mancherlei Vorsatz aufgeben mußten, unter andern den nach England zu gehen. Unsere Chronometerreisen haben ihren Zweck völlig erreicht. Der Längenunterschied zwischen Pulkova und Altona 1St 21ƍ 32Ǝ,50 kann nur um wenige Hunderttheile der Secunde unsicher sein. Um aber die Länge P – Greenwich ganz so genau zu erhalten, muß der Unterschied Altona – Greenwich wohl von neuem untersucht werden, weil bei der Chronometerexpedition von 1824 die persönliche Gleichung der Englischen Beobachter nicht ermittelt worden ist. Schumacher ist ganz derselben Meinung, und so hoffe ich für den nächsten Sommer eine neue Bestimmung zwischen Altona u[nd] Greenwich veranlassen zu können. Sie machen mir die Hoffnung, daß Sie Pulkova besuchen werden. Wie würde es mich freuen, wenn diese Aussicht in Erfüllung gienge! Verschieben Sie nur die Ausführung nicht zu lange; und ich mache Sie darauf aufmerksam daß schon im Sommer 1844 eine regelmäßige Dampfschiffverbindung zwischen Stettin und Petersburg beginnen wird, und die Eisenbahnen ja von Braunschweig bis Stettin ohne Unterbrechung fortgehen. Sie können also in 4 Tagen von Braunschweig bis Petersburg gelangen. Ich käme Ihnen auf jeden Fall nach Kronstadt entgegen, und führe Sie bis Pulkova wo Sie mit Jubel empfangen werden sollen, und viele die in Verehrung für Sie mit mir gleichgesinnt sind, werden in den Jubel einstimmen.

123 „Mémoire sur le coefficient constant dans l’aberration des étoiles fixes, déduit des observations exécutées à l’Observatoire de Poulkova par l’instrument des passages de Repsold, etabli dans le premier vertical“ (Struve, W. 1843/44). 124 „Catalogue de 514 étoiles doubles et multiples découvertes sur l’hémisphère celéste boréal par la grande lunette de l’observatoire central de Poulkova et Catalogue de 256 étoiles doubles principales où la distance des composantes est de 32 secondes à 2 minutes et qui se trouvent sur l’hémisphère boréal“ (Struve, W. 1843b). 125 Christian August Friedrich Peters. 126 Komet 1840 I (Galle) war vom 3.12.1839 bis zum 10.2.1840 sichtbar. Die oben erwähnten Abhandlungen befinden sich nicht in der Gauß-Bibliothek. 127 Christian VIII. war von 1839 bis 1848 König von Dänemark.

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Vor allem wünsche ich Ihnen zu diesem Unternehmen die Fortdauer Ihrer kräftigen Gesundheit. Möge Ihnen diese noch recht lange von der Vorsehung gewährt werden, zum Heile der Wißenschafft zur Freude Ihrer Verehrer. Die Untersuchung der Größen der kleinen Planeten, ist von mir nicht ganz außer Acht gelaßen und soll jetzt auf Ihre Anregung wieder ernstlich vorgenommen werden. Aber der Gegenstand ist sehr schwierig. Eine Beobachtung und Meßung vom 31 Januar 1843 will ich Ihnen mittheilen. Ceres und Vesta waren damals nahe an der Opposition und also auch in derselben Himmelsgegend bei sehr nördlicher Abweichung. Ceres erschien im Sucher als Stern 7ter Größe, Vesta als 6.7ter, noch eben für ein scharfes Auge ohne Bewaffnung sichtbar. Sohn Otto und ich wir machten die Beobachtung gemeinschafftlich, aber ohne einer dem andern vor der Vollendung der Meßung das Resultat mitzutheilen. Außer den beiden Planeten wurde noch ein Fixstern, der Ceres im Sucher an Hellikgeit und Farbe fast genau gleich, mit der Meßung unterworfen. Hier die Resultate der mit 412 maliger Vergrößerung angestellten Meßungen.

Daß Ceres eine kleine Scheibe hatte, war augenfällig, während dies bei Vesta ohnerachtet sie entschieden lichtstärker war, nicht so bestimmt zu erkennen und ich vielmehr keinen Unterschied zwischen Fixstern u[nd] Vesta anzugeben im Stande war. Es muß also Vesta das Licht viel beßer zurückwerfen als Ceres. Ist meines Sohnes Meßung des Fixsterns genau, so muß meines Erachtens der Fixsterndurchmeßer von dem der beiden Planeten abgezogen werden, und wir hätten für die damaligen Abstände Ceres = 0Ǝ,47 und Vesta = 0Ǝ,16. Leider war damals und späterhin die Luft nicht günstig genug, um stärkere Vergrößerungen anzuwenden. Ich bin sehr begierig Ihr Urtheil über diese Meßungen zu vernehmen. Die nächsten durch nördliche Abweichungen günstigen Oppositionen, werden für Pallas im Mai 1844, für Juno im Februar 1845 und für Vesta im Dec[ember] 1845 eintreten. Sie sollen gewiß nicht versäumt werden. Von 1844 an wird sich endlich auch Uranus nördlich vom Aequator entfernen, und dann wird es thunlich sein auch seinen Durchmeßer vorzunehmen. Mädler in Dorpat hat jezt schon eine Meßungsreihe gemacht, und eine bedeutende Applattung [sic] nahezu parallel mit der Ecliptik gemeßen und für sie den Werth 19 gefunden. Eine solche Abplattung, die die des Jupiters und Saturns übertrifft, müßte meines Erachtens sich ohne Meßung durch den bloßen Anblick kund geben, ja sie muß viel leichter gesehen als gemeßen werden können. Wir haben hier aber den Uranus128 einige Abende, ohne irgend etwas damals von den Mädlerschen Meßungen zu wißen, mit sehr starken Vergrößerungen von 400 bis 1000 Mal betrach-

128 Der Planet Uranus wurde am 13.3.1781 von Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt. Uranus weist eine deutliche Abplattung von 1:44 auf. Siehe auch Brief von Mädler an Gauß vom 7./19.10.1842 (Brief Nr. 7) und vom 29.10./10.11.1843 (Brief Nr. 8) sowie Mädler 1843b und Mädler 1844.

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tet in der Absicht zu untersuchen, ob sich eine Abplattung erkennen ließe, und sind zu einem verneinenden Resultate gekommen. Dr. Peters hat eine 14 monatliche Reihe von Polarsternbeobachtungen, am Ertelschen großen Verticalkreis angestellt, bearbeitet, die ganz ausgezeichnete Resultate gegeben hat. Der wahrsch[einliche] Fehler einer Zenithdistanz eines Abends, die auf 4 Einstellungen beruht, 2 Kr[eis] O[st], 2 Kr[eis] W[est], ist nur 0Ǝ,12. Die Polhöhe und Decl[ination] des Polarsterns haben sich mit merkwürdiger Sicherheit ergeben, die Aberrationsconstante = 20Ǝ,50, also auf 0Ǝ,05 übereinstimmend mit dem von mir im ersten Vertical gefundenen Werthe, endlich hat sich wieder eine kleine positive Parallaxe = 0Ǝ,08 ergeben, fast 5 Mal so groß als ihr wahrsch[einlicher] Fehler. Die Arbeit wird nächstens in den astr[onomischen] Nachrichten erscheinen.129 Seit einigen Monaten besitzen wir Steinheils Ocular-heliometer, das für den großen Refractor ausgeführt ist. Der Apparat ist mechanisch sehr vollkommen, und hat sehr genaue Distanzmeßungen gewährt, wenn mit schwächeren Vergrößerungen beobachtet wird. Es scheint mir aber für die erfolgreiche Anwendung des Heliometer-princips eine [sic] großes Hinderniß in dem mit demselben, wie ich glaube, unvermeidlich verbundenen Verluste der Präcision der Bilder zu liegen. So viel ist gewiß daß unser Fernrohr, mit dem neuen Apparat versehen, nicht im Stande ist zur Meßung so enger Doppelsterne angewandt zu werden, wie die Mehrzahl der hier neuentdeckten im nouveaux catalogues [sic] enthaltenen, ja daß diese gar nicht mehr als Doppelt erkannt werden können. Wir sind daher auch für diese Meßungen zum Fadenmicrometer zurückgekehrt. – . Der jezt im Orion sichtbare Comet130 wird regelmäßig von meinem Sohne beobachtet, bietet sonst aber wenig ausgezeichnetes dar. Nehmen Sie, hochverehrtester Freund, diesen Brief als einen Beweis freundlich auf, daß es mir Ernst gewesen mein Versäumniß einiger Maßen wieder gut zu machen, und sein Sie der unveränderlichen tiefen Verehrung versichert Ihres ergebensten W. Struve

Brief 21. Struve an Gauß, 10./22. Mai 1845 (Pulkowo) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Struve 14 (1 S.)

Hochverehrter Freund, ich wage es mit diesen Zeilen den Herrn Obristen von Bolotoff bei Ihnen einzuführen, einen ausgezeichneten Gelehrten im Fache der Geodäsie, Lehrer des Grosfürsten Constantin.131 Er geht nach Deutschland in wißenschafftlichen Absichten und wünscht vor allen Ihre Bekanntschafft zu machen, als des Mannes aus deßen 129 „Resultate aus Beobachtungen des Polarsterns am Ertelschen Verticalkreise der Pulkowaer Sternwarte“ (Peters 1845). 130 Komet 1843 III (P/Faye) war vom 23.11.1843 bis zum 10.4.1844 sichtbar. 131 Großfürst Konstantin Nikolaevič Romanov.

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Schrifften ihm so viel Belehrung geworden ist. Er ist der Verfaßer des besten Lehrbuchs der Geodäsie,132 das in Rußischer Sprache erschienen ist, eines Werkes, das sich gewiß mit den besten Lehrbüchern anderer Nationen meßen kann. Ich bedaure sehr Ihnen nicht schon mit dieser Gelegenheit ein Exemplar meiner Beschreibung von Pulkova senden zu können. Der Druck ist vollendet, aber von den 40 Kupfertafeln fehlen noch 3. So werden noch einige Wochen hingehen, bis ich zur Versendung der Exemplare komme.133 Inzwischen geht alles in Pulkova seinen geregelten Gang vorwärts. Die vorjährrige [sic] Chronometerexpedition hat sehr befriedigende Resultate gegeben, nemlich 0h 39ƍ 46",14 zwischen Altona und Greenwich,134 was 0",43 weniger ist als sich aus der Chronometerexpedition von 1824 herausstellte, bei der ja die persönliche Gleichung nicht beachtet war. In diesem Sommer verbinden wir Moskwa und Warschau durch 40 Chronometer mit Pulkova. Mit der aufrichtigsten Verehrung, Ihr ergebenster W. Struve 22 Pulkova den 10 May 1845

Brief 22. Gauß an Struve, 11. Dezember 1846 (Göttingen) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe B: Struve 6 (2 S.)

Hochgeschätztester Freund Für das gütige Geschenk, welches Sie mir mit der Beschreibung Ihrer prachtvollen Sternwarte gemacht haben,135 kann ich Ihnen nur meinen innigsten Dank abstatten. Mögen Sie das beneidenswerthe Glück, einer solchen von Ihnen selbst begründeten Anstalt vorzustehen noch eine lange Reihe von Jahren genießen. Gleichermaßen bin ich für die übrigen Zusendungen zu dem verbindlichsten Dank verpflichtet; für die russischen Sachen von Lobatschewsky wahrscheinlich zunächst Ihrem Herren Sohne, gegen den ich vor einigen Jahren bei seinem Hiersein meinen Wunsch ausgesprochen hatte; ich lasse mich seinem freundlichen Andenken angelegentlich empfehlen. Mit meiner russischen Sprachkenntniß werde ich wohl etwas zurückgekommen sein, da ich seit länger als einem Jahre nicht dazu habe kommen können, auch nur einen russischen Buchstaben anzusehen, ich hoffe jedoch in der ersten freien Zeit das Versäumte schnell nachzuhohlen, und werde dann der Lectüre jener interessanten Aufsetze meine besondere Aufmerk-

132 „Ʉɭɪɫɴ ɜɵɫɲɟɣ ɢ ɧɢɡɲɟɣ ɝɟɨɞɟɡiɢ“ – Kursus der höheren und der niederen Geodäsie von Aleksej Pavlovič Bolotov (Bolotov 1845/49; GB 295). 133 „Déscription de l’Observatoire Astronomique Central de Poulkova“ (Struve, W. 1845a). . 134 Im Original: 135 Struve, W. 1845a.

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samkeit widmen. Die kleine deutsche Schrift von Lobatschewsky besaß ich schon vorher selbst.136 Den Adams=Leverrierschen Planeten137 habe ich sechsmahl am Meridiankreise beobachtet; wahrscheinlich ist meine Beobachtung vom 27 Sept[ember] die früheste Meridianbeobachtung die existiert, falls sich nicht in der Hist[oire] Cél[este française]138 oder sonst wo eine frühere finden sollt[e]. Alle meine Beob[achtungen] und auch die beiden frühesten von Challis am 4 und 12 August gemachten lassen sich noch sehr gut durch eine Kreisbahn darstellen, und erst im künftigen Jahre wird es möglich sein die elliptischen Elemente aus den Beob[achtungen] abzuleiten. Es wäre zu wünschen, daß die Astronomen sich bald über einen schicklichen Namen vereinigten; ich sehe durchaus nichts, was gegen den gleich Anfang von unseren Seiten angegebenen Namen Neptun eingewandt werden könnte. Meine Beobachtungen erlaube ich nun auch hieher zu setzen

Rectascensionen am Pass[agge-]I[nstrument] hat Goldschmidt etwa doppelt so viele beobachtet, die letzte

Mich Ihrem freundschaftlichen Andenken bestens empfohlen verharre ich stets in aufrichtigster Hochachtung Ihr treu ergebenster C. F. Gauß Göttingen den 11 December 1846

136 „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840; GB 519). 137 Gemeint ist der Planet Neptun, der am 23.9.1846 erstmals von Johann Gottfried Galle beobachtet werden konnte. Galle war damals Assistent an der Berliner Sternwarte. Diese Beobachtung basierte auf den Bahnberechnungen von Urbain Jean Joseph Leverrier. Auch John Couch Adams hatte die Bahn des Neptun berechnet, aber seine Daten wurden erst nachträglich bekannt. 138 „Histoire Céleste française, contenant les observations faites par plusieurs astronomes français“ (Lalande 1801).

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Brief 23. Struve an Gauß, 23. Januar / 4. Februar 1847 (Pulkowo) Quelle: SUB Göttingen, Gauß, Briefe A: F. G. W. Struve 15 (2 S.)

Hochverehrter Freund, den aufrichtigsten Danck sage ich Ihnen für Ihren freundlichen Brief vom 11 December [18]46. Sie können versichert sein, daß es mein ernstliches Bestreben ist, daß die Pulkovaer Sternwarte der Wißenschafft erspriesliche Früchte trage. Ich sende Ihnen hierbei einen Aufsatz über die Benennung des neuen Planeten, den ich vor einigen Tagen in der öffentlichen Jahressitzung der Akademie vorgetragen habe.139 Nach einigen Aeußerungen Ihres Briefes hege ich die Hoffnung, daß der Inhalt Ihren Ansichten nahezu entsprechen wird. Es schien mir dringend sich auszusprechen über den Gegenstand, und namentlich auch Adams gebührend zu erwähnen. Ich habe den Aufsatz direct auch an Le Verrier140 gesandt, in der Französischen Abfaßung, worin ich ihn141 vorgetragen habe, und ihm zugleich die hiesigen Neptunsbeobachtungen zugesandt. Neugierig bin ich für welchen Namen sich die Englischen Astronomen entscheiden werden, ich denke auch für Neptun. In einigen Tagen werde ich eine Gelegenheit haben zwei neue Schrifften an Sie zu befördern, nemlich den Bericht über unsere Chronometerexpedition zwischen Altona und Greenwich, von meinem Sohne ausgearbeitet,142 und den Weißeschen143 Catalog der Beßelschen Zonensterne zwischen – 15° und + 15° Declination.144 Zu letzterem habe ich eine Praefatio geschrieben, die einige Untersuchungen über die Vertheilung der Sterne und die Milchstraße enthält. Daß mein Sohn die Astraea145 sehr früh nach ihrem Heraustreten aus den Sonnenstrahlen beobachtet hat, werden Sie aus den A[stronomischen] N[achrichten] ersehen haben.146 Sollte er wirklich der einzige sein, der sie damals beobachten konnte. Bis jetzt sind uns keine andre[n] Beobachtungen zu Gesicht gekommen. Aber ich hätte geglaubt daß die großen Fernrohre in Berlin und Cambridge sie auch hätten zeigen müßen.

139 Wilhelm Struves Aufsatz „Ueber die Benennung des transuranischen Planeten“ in der „St. Petersburger Zeitung“ vom 17./29.12.1846 und Sonderdruck (GB 1373). 140 Urbain Jean Joseph Leverrier. 141 Lesung unsicher. 142 „Expédition chronométrique exécutée par ordre de Sa Majesté l’Empereur Nicolas Ier entre Altona et Greenwich pour la détermination de la longitude géographique l’Observatoire central de Russie“ (Struve, W./Struve, O. 1846). 143 Maximilian Weisse. 144 „Positiones mediae stellarum fixarum in zonis regiomontanis a Besselio inter – 15° et + 15° declin. observatarum ad a. 1825 reductae et in catalogum ordinatae“ (Weisse 1846). Siehe hierzu: Lawrynowicz 1995, S. 118–120. 145 Der kleine Planet Astraea wurde am 8.12.1845 von Carl Ludwig Hencke entdeckt, der Postsekretär und Amateurastronom war. 146 „Beobachtungen der Astræa in Pulkowa“ (Struve, O. 1846).

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Mit der aufrichtigsten Verehrung und den innigsten Wünschen für Ihr Wohlsein, empfehle ich mich Ihrem ferneren wohlwollenden Andencken und verharre Ihr ergebenster W. Struve Pulkova den

4 Febr[uar] 23 Jan[uar]

1847.

Soeben bringt mir mein vortrefflicher College Dr. Peters147 die definitive Reduction der hiesigen Neptun-Beobachtungen. 2 Tage sind mit Göttingen identisch und geben

147 Christian August Friedrich Peters.

Schlusswort Den Gegenstand des vorliegenden Werkes bildet die Untersuchung der wissenschaftlichen Beziehungen eines genialen deutschen Gelehrten mit einem Land, das sich in dem hier betrachteten Zeitraum als einziges über drei Kontinente hinweg erstreckte: Russland. Es sind zwar schon bisher zahlreiche Briefwechsel von Carl Friedrich Gauß veröffentlicht worden, diese betrafen aber stets jeweils nur eine Person oder einige wenige Personen. Hier nun wird zum erstenmal Gauß’ Korrespondenz mit zahlreichen Briefpartnern vorgestellt, die in Russland wirkten, die also mit diesem einen Land in Zusammenhang stehen. Bei der Untersuchung und der Druckvorbereitung dieser Briefwechsel stellte sich sehr bald heraus, dass „Gauß und Russland“ ein gewaltiges Thema darstellt, dem für die Wissenschaftsgeschichte eine überragende Bedeutung zukommt. Die hier berücksichtigten Briefe sowie zahlreiche andere Dokumente lassen den beträchtlichen Umfang und die hohe Intensität von Gauß’ wissenschaftlichen Beziehungen zu seinen in Russland wirkenden Kollegen deutlich erkennen. Zahlreiche Beispiele, die in der vorliegenden Arbeit behandelt werden, belegen eindeutig, dass sowohl Gauß für die Wissenschaft in Russland als auch Russland für das Gaußsche Werk eine herausragende Rolle gespielt haben. Diese Erkenntnis erstaunt um so mehr, als in den zahlreichen Gauß-Biographien und Darstellungen von Gauß’ wissenschaftlichem Schaffen das Thema „Gauß und Russland“ wenn überhaupt, so dann nur am Rande erwähnt wird. Es haben sich siebzehn in Russland wirkende Wissenschaftler und Gelehrte ermitteln lassen, mit denen Gauß in Briefwechsel gestanden hat und deren Briefe erhalten sind. Diese Korrespondenten und Kollegen wirkten vor allem in St. Petersburg, in Dorpat, in Kasan, in Mitau und in Reval. Mit ihnen tauschte Gauß in erster Linie wissenschaftliche Ideen auf allen ihn beschäftigenden Gebieten wie Mathematik, Astronomie, Geodäsie und Physik aus. Das bedeutet, dass Gauß mit seinen russländischen Kollegen auf allen Wissensgebieten, auf denen er selbst tätig war, in wissenschaftlichem Austausch gestanden hat. Nur selten wurde in den Briefen Persönliches berichtet, politische Diskussionen wurden so gut wie nie geführt. Wissenschaftspolitische und organisatorische Angelegenheiten wie zum Beispiel Berufungen spielten hingegen in den Briefwechseln eine bedeutende Rolle und zeugen von dem großen Respekt, der Gauß in Russland entgegengebracht wurde. Gauß selbst ist nie in Russland gewesen, auch hat er selbst keine einzige seiner Arbeiten in Russland bzw. in einer russischen Zeitschrift veröffentlicht. Dennoch kann man seine Kontakte zu diesem Land nur als äußerst intensiv

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Schlusswort

und wirkungsvoll charakterisieren. Dies zeigt insbesondere die fruchtbare Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erforschung des Erdmagnetismus. Die meisten der hier vorgestellten 127 Briefe werden in der vorliegenden Edition zum ersten Mal veröffentlicht, bei einigen von ihnen handelt es sich um Neufunde. Herangezogen wurden ferner zahlreiche weitere, mit den ausgetauschten Briefen in Zusammenhang stehende Dokumente und Materialien, die vor allem in russischen Archiven haben aufgespürt werden können. Der von der Briefedition abgedeckte Zeitraum reicht von 1799, dem Beginn von Gauß’ wissenschaftlicher Laufbahn, bis 1855, dem Todesjahr des Gelehrten. Am Anfang steht die Berufung von Gauß an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg als würdiger Nachfolger von Leonhard Euler, eine Berufung, die aber aus unterschiedlichen Gründen schließlich doch nicht dazu führte, dass Gauß tatsächlich nach Russland übersiedelte. Den Abschluss markieren die posthum an Nikolaj Lobačevskij in Kasan und an Thomas Clausen in Dorpat übersandten Medaillen, die dem Andenken an den „princeps mathematicorum“ gewidmet waren. Beide Wissenschaftler hatte Gauß hoch geschätzt. Wie die Briefe zeigen, sandten die in Russland wirkenden Wissenschaftler Gauß ihre eigenen Veröffentlichungen, literarische Werke oder wichtige Abhandlungen anderer Wissenschaftler, die in Russland veröffentlicht worden waren. Viele dieser Werke befinden sich noch heute in der Gauß-Bibliothek, die in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek zu Göttingen aufbewahrt wird. Es ist methodisch völlig neu, dass für die Edition der Briefe auch die Bestände der Gauß-Bibliothek herangezogen wurden. Da sich Gauß in den letzten anderthalb Jahrzehnten seines Lebens mit dem Erlernen der russischen Sprache beschäftigte und dabei bemerkenswerte Erfolge erzielte, stellte für ihn in dieser Zeit die Lektüre russischsprachiger Literatur kein Problem dar. In der Tat legen auch die in der Gauß-Bibliothek vorhandenen Rossica sowie die in anderen Sprachen in Russland veröffentlichte Literatur ein beredtes Zeugnis dafür ab, wie wichtig für Gauß der Gedankenaustausch mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern, die Beschäftigung mit Russland, vor allem mit dessen Sprache, Geschichte und Literatur war. Umgekehrt wurde das Gaußsche Werk in Russland so intensiv rezipiert wie nirgend sonstwo. Dies verdeutlichen nicht zuletzt die zahlreichen Übersetzungen der Werke von Gauß in die russische Sprache, die, von der Vergangenheit bis in die Gegenwart reichend, in Russland publiziert wurden und noch immer publiziert werden. In keinem anderen Land gab es ein so breit angelegtes Programm, das Werk von Gauß durch die Übersetzung von dessen wichtigsten Arbeiten in die Landessprache einem möglichst breiten Publikum, insbesondere der jungen Generation zugänglich zu machen. Ein solches Programm wurde im 20. Jahrhundert einzig in der Sowjetunion verwirklicht. Die vorliegende Arbeit vermittelt ein völlig neues, facettenreiches Bild der fruchtbaren Beziehungen zwischen Gauß und Russland und zeigt auf, dass die schon zu Gauß’ Lebzeiten bekannte Devise „La Russie a été la terre promise“

Schlusswort

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nicht nur für die Rezeption von Gauß’ Ideen für die Erforschung des Erdmagnetismus gilt, sondern dass Russland das „gelobte Land“ war, was die Rezeption des Gaußschen Werkes insgesamt anlangt.

Ɂɚɤɥɸɱɟɧɢɟ ɉɪɟɞɥɚɝɚɟɦɚɹ ɦɨɧɨɝɪɚɮɢɹ ɩɨɫɜɹɳɟɧɚ ɢɡɭɱɟɧɢɸ ɧɚɭɱɧɵɯ ɫɜɹɡɟɣ ɝɟɧɢɚɥɶɧɨɝɨ ɧɟɦɟɰɤɨɝɨ ɭɱɟɧɨɝɨ Ʉɚɪɥɚ Ɏɪɢɞɪɢɯɚ Ƚɚɭɫɫɚ c Ɋɨɫɫɢɟɣ, ɫɚɦɨɣ ɛɨɥɶɲɨɣ ɫɬɪɚɧɨɣ ɦɢɪa, ɩɪɨɫɬɢɪɚɜɲɟɣɫɹ ɬɨɝɞɚ ɧɚ ɬɟɪɪɢɬɨɪɢɢ ɬɪɟɯ ɤɨɧɬɢɧɟɧɬɨɜ. ȼ ɧɚɫɬɨɹɳɟɟ ɜɪɟɦɹ ɨɩɭɛɥɢɤɨɜɚɧɚ ɛɨɥɶɲɚɹ ɱɚɫɬɶ ɛɨɝɚɬɨɝɨ ɷɩɢɫɬɨɥɹɪɧɨɝɨ ɧɚɫɥɟɞɢɹ Ƚɚɭɫɫɚ. Ɉɞɧɚɤɨ ɜɵɲɟɞɲɢɟ ɜ ɫɜɟɬ ɢɡɞɚɧɢɹ ɨɯɜɚɬɵɜɚɸɬ, ɤɚɤ ɩɪɚɜɢɥo, ɩɟɪɟɩɢɫɤɭ ɭɱɟɧɨɝɨ ɬɨɥɶɤɨ ɫ ɨɞɧɢɦ ɤɚɤɢɦ-ɥɢɛɨ ɤɨɪɪɟɫɩɨɧɞɟɧɬɨɦ. ȼ ɞɚɧɧɨɣ ɤɧɢɝɟ ɜɩɟɪɜɵɟ ɜ ɩɨɥɧɨɦ ɨɛɴɟɦɟ ɩɪɟɞɫɬɚɜɥɟɧɚ ɧɚɭɱɧɚɹ ɩɟɪɟɩɢɫɤɚ Ƚɚɭɫɫɚ ɫ ɟɝɨ ɦɧɨɝɨɱɢɫɥɟɧɧɵɦɢ ɤɨɥɥɟɝɚɦɢ, ɤɨɬɨɪɵɯ ɨɛɴɟɞɢɧɹɟɬ ɬɨ, ɱɬɨ ɨɧɢ ɠɢɥɢ ɢ ɪɚɛɨɬɚɥɢ ɜ ɨɞɧɨɣ ɫɬɪɚɧɟ – ɜ Ɋɨɫɫɢɢ. ɍɠɟ ɜ ɫɚɦɨɦ ɧɚɱɚɥe ɢɡɭɱɟɧɢɹ ɷɬɨɣ ɩɟɪɟɩɢɫɤɢ ɫɬɚɥɨ ɨɱɟɜɢɞɧɨ, ɱɬɨ ɬɟɦa „Ƚɚɭɫɫ ɢ Ɋɨɫɫɢɹ“ ɹɜɥɹɟɬɫɹ ɫɭɳɟɫɬɜɟɧɧɨɣ ɢ ɧɟɨɬɴɟɦɥɟɦɨɣ ɫɨɫɬɚɜɥɹɸɳɟɣ ɪɭɫɫɤɨ-ɧɟɦɟɰɤɢɯ ɧɚɭɱɧɵɯ ɤɨɧɬɚɤɬɨɜ ɢ ɩɪɟɞɫɬɚɜɥɹɟɬ ɫɨɛɨɣ ɨɛɲɢɪɧɨɟ ɩɨɥɟ ɞɥɹ ɧɚɭɱɧɵɯ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɣ. ȼɫɟ ɷɬɨ ɢɦɟɟɬ ɛɨɥɶɲɨɟ ɡɧɚɱɟɧɢɟ ɞɥɹ ɢɫɬɨɪɢɢ ɧɚɭɤɢ. Ɉɩɭɛɥɢɤɨɜɚɧɧɚɹ ɡɞɟɫɶ ɩɟɪɟɩɢɫɤɚ ɢ ɦɧɨɝɢɟ ɞɪɭɝɢɟ ɞɨɤɭɦɟɧɬɵ ɨɬɱɟɬɥɢɜɨ ɫɜɢɞɟɬɟɥɶɫɬɜɭɸɬ o ɡɧɚɱɢɬɟɥɶɧɨɦ ɨɛɴɟɦe ɢ ɜɵɫɨɤɨɣ ɢɧɬɟɧɫɢɜɧɨɫɬɢ ɧɚɭɱɧɵx ɫɜɹɡɟɣ Ƚɚɭɫɫa ɫ ɟɝɨ ɪɨɫɫɢɣɫɤɢɦɢ ɤɨɥɥɟɝɚɦɢ. Ɇɧɨɝɨɱɢɫɥɟɧɧɵɟ ɫɜɢɞɟɬɟɥɶɫɬɜɚ, ɤɨɬɨɪɵe ɪɚɫɫɦɚɬɪɢɜɚɸɬɫɹ ɜ ɧɚɲɟɣ ɦɨɧɨɝɪɚɮɢɢ, ɨɞɧɨɡɧɚɱɧɨ ɩɨɞɬɜɟɪɠɞɚɸɬ ɬɨɬ ɮɚɤɬ, ɱɬɨ ɪɚɜɧo ɤɚɤ Ƚɚɭɫɫ ɢɝɪɚɥ ɜɚɠɧɭɸ ɪɨɥɶ ɜ ɪɨɫɫɢɣɫɤɨɣ ɧɚɭɤe, ɬɚɤ ɢ Ɋɨɫɫɢɹ ɢɝɪɚɥa ɡɧɚɱɢɬɟɥɶɧɭɸ ɪɨɥɶ ɜ ɧɚɭɱɧɨɦ ɬɜɨɪɱɟɫɬɜe Ƚɚɭɫɫa. Ɍɚɤɨɣ ɜɵɜɨɞ ɜɨɫɩɪɢɧɢɦɚɟɬɫɹ cɟɝɨɞɧɹ ɧɟɫɤɨɥɶɤɨ ɧɟɨɠɢɞɚɧɧɨ, ɜɟɞɶ ɜ ɦɧɨɝɨɱɢɫɥɟɧɧɵɯ ɛɢɨɝɪɚɮɢɹɯ Ƚɚɭɫɫa ɢ ɬɪɭɞɚɯ o ɟɝɨ ɧɚɭɱɧɨɣ ɞɟɹɬɟɥɶɧɨɫɬɢ ɬɟɦɚ „Ƚɚɭɫɫ ɢ Ɋɨɫɫɢɹ“ ɥɢɛɨ ɜɨɨɛɳɟ ɧɟ ɭɩɨɦɢɧɚɟɬɫɹ, ɥɢɛɨ ɭɩɨɦɢɧɚɟɬɫɹ ɬɨɥɶɤɨ ɜɫɤɨɥɶɡɶ. ȼ ɯɨɞɟ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ ɭɞɚɥɨɫɶ ɜɵɹɜɢɬɶ 17 ɭɱɟɧɵɯ ɢ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɬɟɥɟɣ, ɩɨɫɬɨɹɧɧɨ ɢɥɢ ɜɪɟɦɟɧɧɨ ɠɢɜɲɢɯ ɧɚ ɬɟɪɪɢɬɨɪɢɢ Ɋɨɫɫɢɢ, ɫ ɤɨɬɨɪɵɦɢ Ƚɚɭɫɫ ɫɨɫɬɨɹɥ ɜ ɩɟɪɟɩɢɫɤɟ ɢ ɩɢɫɶɦɚ ɤɨɬɨɪɵɯ ɫɨɯɪɚɧɢɥɢɫɶ. ɗɬɢ ɤɨɪɪɟɫɩɨɧɞɟɧɬɵ ɢ ɤɨɥɥɟɝɢ Ƚɚɭɫɫa ɠɢɥɢ ɢ ɪɚɛɨɬɚɥɢ ɜ ɨɫɧɨɜɧɨɦ ɜ ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɟ, Ⱦɟɪɩɬɟ, Ʉɚɡɚɧɢ, Ɇɢɬɚɜɟ ɢ Ɋɟɜɟɥɟ. Aɧɚɥɢɡ ɩɟɪɟɩɢɫɤɢ ɩɨɤɚɡɚɥ, ɱɬɨ Ƚɚɭɫɫ ɨɛɦɟɧɢɜɚɥɫɹ c ɧɢɦɢ ɧɚɭɱɧɵɦɢ ɢɞɟɹɦɢ ɜ ɪɚɡɥɢɱɧɵɯ ɨɛɥɚɫɬɹɯ ɧɚɭɤɢ: ɷɬɨ ɦɚɬɟɦɚɬɢɤa ɢ ɚɫɬɪɨɧɨɦɢɹ, ɝɟɨɞɟɡɢɹ ɢ ɮɢɡɢɤa. Ɍɚɤɢɦ ɨɛɪaɡɨɦ ɞɢɚɩɚɡɨɧ ɧɚɭɱɧɨɝɨ ɨɛɦɟɧɚ Ƚɚɭɫɫa ɫ ɪɨɫɫɢɣɫɤɢɣɦɢ ɤɨɥɥɟɝɚɦɢ ɨɯɜɚɬɵɜɚɥ ɜɫɟ ɬɟ ɨɛɥɚɫɬɢ ɧɚɭɤɢ, ɜ ɤɨɬɨɪɵɯ ɪɚɛɨɬɚɥ ɫɚɦ ɭɱɟɧɵɣ. ȼ ɩɟɪɟɩɢɫɤɟ Ƚɚɭɫɫa ɜɚɠɧɟɣɲɟɟ ɦɟɫɬɨ ɡɚɧɢɦɚɥɢ ɧɚɭɱɧɵɟ ɩɪɨɛɥɟɦɵ. Ʌɢɱɧɵɟ ɞɟɥɚ ɨɛɫɭɠɞɚɥɢɫɶ ɜ ɩɢɫɶɦɚɯ ɤɪɚɣɧɟ ɪɟɞɤɨ, ɩɨɥɢɬɢɱɟɫɤɢɟ ɬɟɦɵ

740

Ɂɚɤɥɸɱɟɧɢɟ

ɩɪɚɤɬɢɱɟɫɤɢ ɧɟ ɡɚɬɪɚɝɢɜɚɥɢɫɶ. Ɉɞɧɚɤɨ ɧɚɭɱɧɨ-ɨɪɝɚɧɢɡɚɰɢɨɧɧɵɟ ɜɨɩɪɨɫɵ, ɬɚɤɢɟ ɤɚɤ, ɧɚɩɪɢɦɟɪ, ɪɟɤɨɦɟɧɞɚɰɢɢ ɞɥɹ ɧɚɡɧɚɱɟɧɢɹ ɧɚ ɞɨɥɠɧɨɫɬɶ, ɢɝɪɚɥɢ ɜ ɩɟɪɟɩɢɫɤɟ ɞɨɜɨɥɶɧɨ ɡɧɚɱɢɬɟɥɶɧɭɸ ɪɨɥɶ. ɗɬɨ ɫɜɢɞɟɬɟɥɶɫɬɜɭeɬ ɨ ɛɨɥɶɲɨɦ ɭɜɚɠɟɧɢɢ, ɤɨɬɨɪɨɟ ɨɤɚɡɵɜɚɥɨɫɶ Ƚɚɭɫɫɭ ɜ Ɋɨɫɫɢɢ. Ƚɚɭɫɫɭ ɧɟ ɞɨɜɟɥɨɫɶ ɩɨɛɵɜɚɬɶ ɧɢ ɜ ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɟ, ɧɢ ɜ ɤɚɤɨɦ-ɥɢɛɨ ɞɪɭɝɨɦ ɝɨɪɨɞɟ ɷɬɨɣ ɨɝɪɨɦɧɨɣ ɫɬɪɚɧɵ. Ʉ ɬɨɦɭ ɠɟ oɧ ɫɚɦ ɧɟ ɨɩɭɛɥɢɤɨɜɚɥ ɧɢ ɨɞɧɨɣ ɫɜɨɟɣ ɪɚɛɨɬɵ ɜ Ɋɨɫɫɢɢ. Ɍɟɦ ɧɟ ɦɟɧɟɟ ɤɨɧɬɚɤɬɵ Ƚɚɭɫɫa ɫ Ɋɨɫɫɢɟɣ ɦɨɠɧɨ oɯɚɪɚɤɬɟɪɢɡɨɜɚɬɶ ɧɟ ɢɧɚɱɟ ɤɚɤ ɢɧɬɟɧɫɢɜɧɵɟ ɢ ɷɮɮɟɤɬɢɜɧɵɟ. ɗɬɨ oɫɨɛɟɧɧɨ ɨɬɱɟɬɥɢɜo ɜɢɞɧɨ ɧɚ ɩɪɢɦɟɪɟ ɩɥɨɞɨɬɜɨɪɧɨɝɨ ɫɨɬɪɭɞɧɢɱɟɫɬɜa ɜ ɨɛɥɚɫɬɢ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ ɡɟɦɧɨɝɨ ɦɚɝɧɟɬɢɡɦɚ. Ȼɨɥɶɲɢɧɫɬɜɨ ɢɡ 127 ɩɢɫɟɦ, ɩɪɟɞɫɬɚɜɥɟɧɧɵɯ ɜ ɷɬɨɦ ɢɡɞɚɧɢɢ, ɩɭɛɥɢɤɭɟɬɫɹ ɜɩɟɪɜɵɟ, ɩɪɢ ɷɬɨɦ ɧɟɤɨɬɨɪɵe ɩɢɫɶɦɚ ɛɵɥɢ ɥɢɲɶ ɧɟɞɚɜɧɨ ɨɛɧɚɪɭɠɟɧɵ. ɇɚɪɹɞɭ ɫ ɩɢɫɶɦɚɦɢ ɜ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɟ ɛɵɥɢ ɜɨɜɥɟɱɟɧɵ ɢ ɦɧɨɝɢɟ ɞɪɭɝɢɟ ɞɨɤɭɦɟɧɬɵ ɢ ɦɚɬɟɪɢɚɥɵ, ɛɨɥɶɲɭɸ ɱɚɫɬɶ ɤɨɬɨɪɵɯ ɭɞɚɥɨɫɶ ɜɵɹɜɢɬɶ ɜ ɪɨɫɫɢɣɫɤɢx ɚɪɯɢɜɚɯ. ɉɭɛɥɢɤɭɟɦɚɹ ɩɟɪɟɩɢɫɤa ɨɯɜɚɬɵɜɚeɬ ɩɟɪɢɨɞ ɫ 1799 ɝɨɞɚ, ɬ.ɟ. ɫ ɧɚɱɚɥɚ ɧɚɭɱɧɨɣ ɤɚɪɶɟɪɵ Ƚɚɭɫɫa, ɩɨ 1855 ɝɨɞ, ɝɨɞ ɫɦɟɪɬɢ ɭɱɟɧɨɝɨ. ɉɟɪɟɩɢɫɤa Ƚɚɭɫɫa c Ɋɨɫɫɢɟɣ ɧɚɱɚɥɚɫɶ ɫ ɩɨɩɵɬɤɢ ɩɪɢɝɥɚɫɢɬɶ ɝɟɧɢɚɥɶɧɨɝɨ ɦɨɥɨɞɨɝɨ ɦɚɬɟɦɚɬɢɤɚ ɜ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤɭɸ Ⱥɤɚɞɟɦɢɸ ɧɚɭɤ ɜ ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝe ɤɚɤ ɞɨɫɬɨɣɧɨɝɨ ɩɪɟɟɦɧɢɤɚ Ʌɟɨɧɚɪɞɚ ɗɣɥɟɪɚ. Ɉɞɧɚɤɨ ɩɨ ɪɹɞɭ ɩɪɢɱɢɧ ɷɬɨ ɩɪɢɝɥɚɲɟɧɢɟ ɬɚɤ ɢ ɧɟ ɩɪɢɜɟɥo ɤ ɩɟɪɟɟɡɞɭ Ƚɚɭɫɫa ɜ ɝɨɪɨɞ ɧɚ ɇɟɜɟ. Ɂɚɜɟɪɲɚɟɬ ɩɟɪɟɩɢɫɤɭ, ɢ ɷɬɨ ɫɢɦɜɨɥɢɱɧɨ, ɫɨɨɛɳɟɧɢɟ ɨ ɩɚɦɹɬɧɨɣ ɦɟɞɚɥɢ ɜ ɱɟɫɬɶ Ƚɚɭɫɫa – ɤɨɪɨɥɹ ɦɚɬɟɦɚɬɢɤɨɜ – „princeps mathematicorum“. ȼ ɝɨɞ ɫɦɟɪɬɢ ɭɱɟɧɨɝɨ ɜ Ɋɨɫɫɢɸ ɛɵɥɢ ɩɨɫɥɚɧɵ ɞɜɚ ɤɨɦɩɥɟɤɬɚ ɷɬɨɣ ɦɟɞɚɥɢ: ɇɢɤɨɥɚɸ ɂɜɚɧɨɜɢɱɭ Ʌɨɛɚɱɟɜɫɤɨɦɭ ɜ Ʉɚɡɚɧɶ ɢ Ɍɨɦɚɫɭ Ʉɥaɭɡɟɧɭ ɜ Ⱦɟɪɩɬ. ɗɬɢɯ ɞɜɭɯ ɭɱɟɧɵɯ Ƚɚɭɫɫ ɨɫɨɛɟɧɧɨ ɜɵɫɨɤɨ ɰɟɧɢɥ. Ʉɚɤ ɫɥɟɞɭɟɬ ɢɡ ɩɢɫeɦ, ɪɨɫɫɢɣɫɤɢe ɤɨɥɥɟɝɢ ɩɨɫɵɥɚɥɢ Ƚɚɭɫɫɭ ɧɟ ɬɨɥɶɤɨ ɫɜɨɢ ɧɚɭɱɧɵɟ ɬɪɭɞɵ ɢ ɬɪɭɞɵ ɞɪɭɝɢɯ ɭɱɟɧɵɯ, ɧɨ ɢ ɥɢɬɟɪɚɬɭɪɧɵɟ ɩɪɨɢɡɜɟɞɟɧɢɹ, ɜɵɲɟɞɲɢɟ ɜ Ɋɨɫɫɢɢ. Ɇɧɨɝɢɟ ɢɡ ɷɬɢɯ ɤɧɢɝ ɢ ɫɟɝɨɞɧɹ ɧɚɯɨɞɹɬɫɹ ɜ ɛɢɛɥɢɨɬɟɤɟ Ƚɚɭɫɫɚ, ɤɨɬɨɪɚɹ ɯɪɚɧɢɬɫɹ ɜ ɇɢɠɧɟɫɚɤɫɨɧɫɤɨɣ Ƚɨɫɭɞɚɪɫɬɜɟɧɧɨɣ ɢ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɫɤɨɣ ɛɢɛɥɢɨɬɟɤe ɜ Ƚɟɬɬɢɧɝɟɧɟ. ȼ ɧɚɫɬɨɹɳɟɣ ɪɚɛɨɬɟ ɩɪɢɦɟɧɟɧ ɧɨɜɵɣ ɦɟɬɨɞɢɱɟɫɤɢɣ ɩɨɞɯɨɞ ɤ ɢɡɭɱɟɧɢɸ ɩɟɪɟɩɢɫɤɢ Ƚɚɭɫɫɚ, ɤɨɬɨɪɵɣ ɫɨɫɬɨɢɬ ɜ ɩɪɢɜɥɟɱɟɧɢɢ ɤ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɸ ɥɢɱɧɨɣ ɛɢɛɥɢɨɬɟɤɢ ɭɱɟɧɨɝɨ. Ɍɚɤ ɤɚɤ Ƚɚɭɫɫ ɫ 1839-ɝɨ ɝɨɞɚ ɡɚɧɢɦɚɥɫɹ ɢɡɭɱɟɧɢɟɦ ɪɭɫɫɤɨɝɨ ɹɡɵɤɚ ɢ ɞɨɫɬɢɝ ɜ ɷɬɨɦ ɡɧɚɱɢɬɟɥɶɧɵɯ ɭɫɩɟɯɨɜ, ɱɬɟɧɢɟ ɪɭɫɫɤɨɣ ɥɢɬɟɪɚɬɭɪɵ ɧɚ ɩɪɨɬɹɠɟɧɢɢ ɩɨɫɥɟɞɧɢɯ 15 ɥɟɬ ɟɝɨ ɠɢɡɧɢ ɧɟ ɩɪɟɞɫɬɚɜɥɹɥɨ ɞɥɹ ɧɟɝɨ ɩɪɨɛɥɟɦɭ. Ʉɧɢɝɢ ɧɚ ɪɭɫɫɤɨɦ ɹɡɵɤɟ, ɚ ɬɚɤɠɟ ɤɧɢɝɢ, ɢɡɞɚɧɧɵɟ ɜ Ɋɨɫɫɢɢ ɧɚ ɞɪɭɝɢɯ ɹɡɵɤɚɯ, ɢɦɟɸɳɢɟɫɹ ɜ ɛɢɛɥɢɨɬɟɤɟ Ƚɚɭɫɫɚ, ɹɜɥɹɸɬɫɹ ɤɪɚɫɧɨɪɟɱɢɜɵɦ ɫɜɢɞɟɬɟɥɶɫɬɜɨɦ ɬɨɝɨ, ɧɚɫɤɨɥɶɤɨ ɜɚɠɧɵ ɛɵɥɢ ɞɥɹ Ƚɚɭɫɫɚ ɤɚɤ ɧɚɭɱɧɵɣ ɨɛɦɟɧ ɫ ɪɨɫɫɢɣɫɤɢɦɢ ɤɨɥɥɟɝɚɦɢ, ɬɚɤ ɢ ɢɡɭɱɟɧɢɟ Ɋɨɫɫɢɢ, ɩɪɟɠɞɟ ɜɫɟɝɨ ɟɟ ɹɡɵɤɚ, ɢɫɬɨɪɢɢ ɢ ɥɢɬɟɪɚɬɭɪɵ. ȼ ɫɜɨɸ ɨɱɟɪɟɞɶ ɬɪɭɞɵ Ƚɚɭɫɫɚ ɩɪɢɧɢɦɚɥɢɫɶ ɢ ɩɪɢɡɧɚɜɚɥɢɫɶ ɜ Ɋɨɫɫɢɢ ɬɚɤ, ɤɚɤ ɧɢɝɞɟ ɜ ɦɢɪɟ. ɗɬɨ ɩɨɞɬɜɟɪɠɞɚɸɬ ɢ ɦɧɨɝɨɱɢɫɥɟɧɧɵɟ ɩɟɪɟɜɨɞɵ ɟɝɨ ɪɚɛɨɬ ɧɚ ɪɭɫɫɤɢɣ ɹɡɵɤ, ɤɨɬɨɪɵɟ ɩɭɛɥɢɤɨɜɚɥɢɫɶ ɜɩɥɨɬɶ ɞɨ ɧɚɫɬɨɹɳɟɝɨ ɜɪɟɦɟɧɢ. ɇɢ ɜ ɤɚɤɨɣ ɞɪɭɝɨɣ ɫɬɪɚɧɟ ɦɢɪɚ ɧɟ ɫɭɳɟɫɬɜɨɜɚɥɨ ɩɨɞɨɛɧɨɣ ɦɚɫɲɬɚɛɧɨɣ ɢ ɝɥɭɛɨɤɨ ɩɪɨɞɭɦɚɧɧɨɣ ɩɪɨɝɪɚɦɦɵ ɩɟɪɟɜɨɞa ɜɚɠɧɟɣɲɢɯ ɬɪɭɞɨɜ Ƚɚɭɫɫɚ ɞɥɹ ɬɨɝɨ, ɱɬɨɛɵ

Ɂɚɤɥɸɱɟɧɢɟ

741

ɫɞɟɥɚɬɶ ɢɯ ɞɨɫɬɭɩɧɵɦɢ ɞɥɹ ɲɢɪɨɤɨɣ ɩɭɛɥɢɤɢ, ɨɫɨɛɟɧɧɨ ɞɥɹ ɦɨɥɨɞɨɝɨ ɩɨɤɨɥɟɧɢɹ ɭɱɟɧɵɯ. Ɍɚɤɚɹ ɩɪɨɝɪɚɦɦɚ ɛɵɥɚ ɨɫɭɳɟɫɬɜɥɟɧɚ ɬɨɥɶɤɨ ɜ ɋɨɜɟɬɫɤɨɦ ɋɨɸɡɟ. ȼ ɪɟɡɭɥɶɬɚɬɟ ɧɚɲɟɝɨ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɹ ɜɨɫɫɨɡɞɚɧɚ ɤɚɪɬɢɧɚ ɦɧɨɝɨɝɪɚɧɧɵɯ ɢ ɩɥɨɞɨɬɜɨɪɧɵɯ ɧɚɭɱɧɵɯ ɜɡɚɢɦɨɨɬɧɨɲɟɧɢɣ Ƚɚɭɫɫɚ ɫ Ɋɨɫɫɢɟɣ, ɤɨɬɨɪɚɹ ɫɭɳɟɫɬɜɟɧɧɨ ɪɚɫɲɢɪɹɟɬ ɢ ɞɨɩoɥɧɹɟɬ ɧɚɲɟ ɩɪɟɞɫɬɚɜɥɟɧɢɟ ɨ ɧɚɭɱɧɵɯ ɤɨɧɬɚɤɬɚɯ ɜɟɥɢɤɨɝɨ ɭɱɟɧɨɝɨ ɢ ɩɪɢɜɧɨɫɢɬ ɧɨɜɵɟ ɫɜɟɞɟɧɢɹ ɢ ɧɨɜɭɸ ɨɰɟɧɤɭ ɟɝɨ ɧɚɭɱɧɨɣ ɞɟɹɬɟɥɶɧɨɫɬɢ. ɇɚɫɬɨɹɳɚɹ ɪɚɛɨɬɚ ɩɨɤɚɡɵɜɚɟɬ, ɱɬɨ ɢɡɜɟɫɬɧɨɟ ɟɳɟ ɩɪɢ ɠɢɡɧɢ Ƚɚɭɫɫa ɭɬɜɟɪɠɞɟɧɢɟ ɨ ɬɨɦ, ɱɬɨ Ɋɨɫɫɢɹ ɫɬɚɥɚ ɡɟɦɥɟɣ ɨɛɟɬɨɜɚɧɧɨɣ ɞɥɹ ɩɪɢɬɜɨɪɟɧɢɹ ɜ ɠɢɡɧɶ ɟɝɨ ɢɞɟɣ ɩɨ ɢɫɫɥɟɞɨɜɚɧɢɸ ɡɟɦɧɨɝɨ ɦɚɝɧɟɬɢɡɦɚ – „La Russie a été la terre promise“, ɜ ɩɨɥɧɨɣ ɦɟɪɟ ɪɚɫɩɪɨɫɬɪɚɧɹɟɬɫɹ ɧɚ ɜɫɟ ɧɚɭɱɧɵɟ ɬɪɭɞɵ ɢ ɞɨɫɬɢɠɟɧɢɹ ɭɱɟɧɨɝɨ.

Gesamtverzeichnis der Briefe I. Chronologisches Verzeichnis der Briefe Tag/Monat Jahr 22.9. 14./26.2. 11.12. 30.4./12.5. 20.5. 6./18.6. 17.7. 18.7. 5./17.9. 20.10. 14./26.11. 20.1. 4.4. 19./31.5. 1.3. 24.4./6.5. 10.6. 24.11. 6./18.1. 18.3. 17.9. 31.10./12.11. 20.10. 9.11. 11./23.12. 10.10. 7./19.1. 24.3. 29.5./10.6. 15.7. 6./18.7. 20.8. 21.1. 12.7. 29.4. 4.5.

1799 1801 1801 1802 1802 1802 1802 1802 1802 1802 1802 1803 1803 1803 1804 1804 1804 1804 1805 1805 1805 1805 1806 1806 1806 1807 1808 1808 1808 1808 1808 1809 1815 1815 1816 1817

Absendeort

Verfasser / Empfänger

Bremen St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Braunschweig Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Aarau Braunschweig St. Petersburg Braunschweig Braunschweig St. Petersburg Braunschweig Braunschweig St. Petersburg Braunschweig St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Göttingen Kasan Göttingen Kasan Altona Kasan Ofen

Bartels an Gauß Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Schubert an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Schubert Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Schubert an Gauß Gauß an Schubert Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Bartels an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Bartels an Gauß Gauß an Parrot, G. F. Littrow an Gauß Struve an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß

744 Tag/Monat 24.1. 4./16.8. 14.9 24.4./6.5. 19.5. 4./16.7. 18./30.8. 7./19.9. 4./16.12 2.3. 4.7. 14.7 14./26.4. 2.6. 30.10./11.11. 21.12. 8./20.8. 15./27.9. 11./23.3. 12./24.3. 1.12. 19.2. 2./14.4. 17.5. 12./24.6. 18.1. 8./20.7. o. D. 28.5./9.6. 13./25.8. 30.9./12.10. 25.5./6.6. 31.7. 3./16.8. 18.8. 23.10./4.11. 18.1. 13./25.7. 4./16.8. 30.10. Dezember 2./14.6. 21.9. Januar 23.5. 16./28.6. Juni

Gesamtverzeichnis der Briefe

Jahr 1818 1818 1818 1819 1819 1819 1819 1819 1819 1820 1820 1820 1821 1821 1821 1821 1822 1822 1823 1823 1823 1824 1824 1824 1825 1826 1826 [1826] 1832 1832 1832 1835 1835 1835 1835 1835 1837 1837 1837 1837 1837 1838 1838 1839 1839 1839 1839

Absendeort Ofen Dorpat Göttingen Dorpat Ofen Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Göttingen Altona Göttingen Dorpat Wien Dorpat Göttingen St. Petersburg Dorpat Dorpat St. Petersburg Wien Wien St. Petersburg Hannover Dorpat Göttingen Pastorat Burthneck [Dorpat] St. Petersburg Reval St. Petersburg St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Wien St. Petersburg Berlin Dorpat St. Petersburg Göttingen Göttingen St. Petersburg Altona St. Petersburg Dorpat St. Petersburg Dorpat

Verfasser / Empfänger Littrow an Gauß Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß Littrow an Gauß Struve an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Struve an Gauß Gauß an Struve Struve an Gauß Gauß an Struve Bartels an Gauß Littrow an Gauß Struve an Gauß Gauß an Struve Schubert an Gauß Struve an Gauß Bartels an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Fuß, N. an Gauß Gauß an Fuß, N. Struve an Gauß Gauß an Struve Parrot, G. F. an Gauß Parrot, G. F. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Fuß, P. H. an Gauß Littrow an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Mädler an Gauß Struve an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Mädler Gauß an Mädler Kupffer, A. T. an Gauß Struve an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Parrot, F. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Parrot, F. an Gauß

I. Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Tag/Monat 8.7. 29.12. 31.12. 2.1. 8.1. 18.2. 20.2./3.3. 19.3. 18./30.3. 12.4./24.4. 1./13.6. 12.8. 13.8. 1./13.9. 3./15.12. 30.6. 13.10. 7./19.10. 6./18.2. 19./31.5. 7./19.6. 14.8. 29.10./10.11. 26.11./8.12. 10./22.12. 7./19.4. 8.5. 15.5. 16.5. 12./24.5. 29.7. 3./15.5. 10./22.5. 12./24.12. 12./24.1. 9.3. 11.12. 30.12./11.1. 23.1./4.2. 25.4./7.5. 2.9. 15./27.2. 25.7./6.8. 11.9. 1./13.1.

Jahr 1839 1839 1839 1840 1840 1840 1840 1840 1840

Absendeort Göttingen St. Petersburg Hannover Göttingen Berlin Göttingen St. Petersburg Göttingen Kronstadt

1840 1840 1840 1840 1840 1840 1841 1842 1842 1843 1843 1843 1843 1843 1843 1843 1844 1844 1844 1844 1844 1844 1845 1845 1845 1846 1846 1846 1846/47 1847 1847 1848 1849 1849 1849 1855

St. Petersburg St. Petersburg Göttingen Göttingen St. Petersburg St. Petersburg Altona Hamburg Dorpat St. Petersburg St. Petersburg Kasan Göttingen Dorpat St. Petersburg Pulkowo St. Petersburg Göttingen Göttingen Göttingen St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Pulkowo St. Petersburg St. Petersburg Göttingen Göttingen St. Petersburg Pulkowo St. Petersburg Göttingen St. Petersburg Michajlovskoe Göttingen Dorpat

Verfasser / Empfänger Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Mädler an Gauß Gauß an Mädler Mädler an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Bellingshausen an Krusenstern Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Struve Gauß an Kupffer, A. T. Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Jaenisch an Gauß Simonov an Gauß Mädler an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Lobačevskij an Gauß Gauß an Struve Mädler an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Struve an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Fuß, P. H. an Gauß Gauß an Fuß, P. H. Kupffer, A. T. an Gauß Struve an Gauß Jaenisch an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Struve Kupffer, A. T. an Gauß Struve an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Gauß an Simonov Kupffer, A. T. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Gauß an Fuß, P. H. Clausen an Gauß

745

746

Gesamtverzeichnis der Briefe

II. Verzeichnis der Briefe nach den Verfassernamen in alphabetischer Reihenfolge Verfasser / Empfänger Bartels an Gauß Bartels an Gauß Bartels an Gauß Bartels an Gauß Bartels an Gauß Bellingshausen an Krusenstern Clausen an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, P. H.

Tag/Monat Jahr

Absendeort

22.9. 10.6. 6./18.7. 14./26.4. 11./23.3. 18./30.3.

1799 1804 1808 1821 1823 1840

Bremen Aarau Kasan Dorpat Dorpat Kronstadt

1./13.1. 14./26.2. 6./18.6. 5./17.9. 19./31.5. 24.4./6.5. 6./18.1. 31.10./12.11. 11./23.12. 7./19.1. 29.5./10.6. 2./14.4. 3./16.8. 6./18.2. 26.11./8.12. 7./19.4. 12./24.5. 25.7./6.8. 11.12. 20.5. 18.7. 20.10. 4.4. 1.3. 24.11. 18.3. 17.9. 20.10. 9.11. 10.10. 24.3. 15.7. 17.5. 8.5.

1855 1801 1802 1802 1803 1804 1805 1805 1806 1808 1808 1824 1835 1843 1843 1844 1844 1849 1801 1802 1802 1802 1803 1804 1804 1805 1805 1806 1806 1807 1808 1808 1824 1844

Dorpat St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg Michajlovskoe Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Göttingen Göttingen Hannover Göttingen

II. Verzeichnis der Briefe nach den Verfassernamen in alphabetischer Reihenfolge

Verfasser / Empfänger

Tag/Monat Jahr

Absendeort

Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Parrot, G. F. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Mädler Gauß an Mädler Gauß an Mädler Gauß an Schubert Gauß an Schubert Gauß an Simonov Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Jaenisch an Gauß Jaenisch an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß

15.5. 16.5. 29.7. 11.9. 20.8. 31.7. 8.7. 18.2. 19.3. 13.8. 9.3. 30.10. Dezember 2.1. 17.7. 20.1. 2.9. 14.9 2.3. 14.7 21.12. 18.1. 12.8. 14.8. 11.12. 30.6. 12./24.12. 12./24.3. 28.5./9.6. 30.9./12.10. 25.5./6.6. 23.10./4.11. 4./16.8. 2./14.6. Januar 16./28.6. 29.12. 20.2./3.3. 12.4./24.4. 1./13.6. 1./13.9. 3./15.12. 19./31.5. 3./15.5. 12./24.1. 30.12./11.1.

Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Braunschweig Braunschweig Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Altona St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg

1844 1844 1844 1849 1809 1835 1839 1840 1840 1840 1846 1837 1837 1840 1802 1803 1848 1818 1820 1820 1821 1826 1840 1843 1846 1841 1845 1823 1832 1832 1835 1835 1837 1838 1839 1839 1839 1840 1840 1840 1840 1840 1843 1845 1846 1846/47

747

748 Verfasser / Empfänger Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Lobačevskij an Gauß Mädler an Gauß Mädler an Gauß Mädler an Gauß Mädler an Gauß Mädler an Gauß Parrot, F. an Gauß Parrot, F. an Gauß Parrot, G. F. an Gauß Parrot, G. F. an Gauß Schubert an Gauß Schubert an Gauß Schubert an Gauß Simonov an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß

Gesamtverzeichnis der Briefe

Tag/Monat Jahr 25.4./7.5. 15./27.2. 18./30.8. 7./19.9. 13./25.8. 21.1. 29.4. 4.5. 24.1. 19.5. 2.6. 1.12. 19.2. 18.8. 7./19.6. 18.1. 31.12. 8.1. 7./19.10. 29.10./10.11. 23.5. Juni 8./20.7. o. D. 30.4./12.5. 14./26.11. 8./20.8. 13.10. 12.7. 4./16.8. 24.4./6.5. 4./16.7. 4./16.12 4.7. 30.10./11.11. 15./27.9. 12./24.6. 13./25.7. 21.9. 10./22.12. 10./22.5. 23.1./4.2.

1847 1849 1819 1819 1832 1815 1816 1817 1818 1819 1821 1823 1824 1835 1843 1837 1839 1840 1842 1843 1839 1839 1826 [1826] 1802 1802 1822 1842 1815 1818 1819 1819 1819 1820 1821 1822 1825 1837 1838 1843 1845 1847

Absendeort St. Petersburg St. Petersburg Dorpat Dorpat Reval Kasan Kasan Ofen Ofen Ofen Wien Wien Wien Wien Kasan Berlin Hannover Berlin Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Pastorat Burthneck [Dorpat] St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg Hamburg Altona Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Altona Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Altona Pulkowo Pulkowo Pulkowo

III. Verzeichnis der Briefe nach den Absendeorten

III. Verzeichnis der Briefe nach den Absendeorten Absendeort Aarau Altona Altona Altona Altona Berlin Berlin Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Bremen Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat [Dorpat] Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Dorpat Göttingen Göttingen

Tag/Monat Jahr 10.6. 12.7. 4.7. 21.9. 30.6. 18.1. 8.1. 11.12. 20.5. 17.7. 18.7. 20.10. 20.1. 4.4. 1.3. 24.11. 18.3. 17.9. 20.10. 9.11. 10.10. 22.9. 4./16.8. 24.4./6.5. 4./16.7. 18./30.8. 7./19.9. 4./16.12 14./26.4. 30.10./11.11. 15./27.9. 11./23.3. 12./24.6. o. D. 13./25.7. 23.5. Juni 7./19.10. 29.10./10.11. 1./13.1. 24.3. 15.7.

1804 1815 1820 1838 1841 1837 1840 1801 1802 1802 1802 1802 1803 1803 1804 1804 1805 1805 1806 1806 1807 1799 1818 1819 1819 1819 1819 1819 1821 1821 1822 1823 1825 [1826] 1837 1839 1839 1842 1843 1855 1808 1808

Verfasser / Empfänger Bartels an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Jaenisch an Gauß Mädler an Gauß Mädler an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Schubert Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Schubert Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N. Bartels an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Struve an Gauß Bartels an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Bartels an Gauß Struve an Gauß Parrot, G. F. an Gauß Struve an Gauß Parrot, F. an Gauß Parrot, F. an Gauß Mädler an Gauß Mädler an Gauß Clausen an Gauß Gauß an Fuß, N. Gauß an Fuß, N.

749

750

Gesamtverzeichnis der Briefe

Absendeort

Tag/Monat Jahr

Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Göttingen Hamburg Hannover Hannover Kasan Kasan Kasan Kasan Kronstadt Michajlovskoe Ofen Ofen Ofen Pastorat Burthneck Pulkowo Pulkowo Pulkowo Reval St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg

20.8. 14.9 2.3. 14.7 21.12. 18.1. 31.7. 30.10. Dezember 8.7. 2.1. 18.2. 19.3. 12.8. 13.8. 14.8. 8.5. 15.5. 16.5. 29.7. 9.3. 11.12. 2.9. 11.9. 13.10. 17.5. 31.12. 6./18.7. 21.1. 29.4. 7./19.6. 18./30.3.

1809 1818 1820 1820 1821 1826 1835 1837 1837 1839 1840 1840 1840 1840 1840 1843 1844 1844 1844 1844 1846 1846 1848 1849 1842 1824 1839 1808 1815 1816 1843 1840

25.7./6.8. 4.5. 24.1. 19.5. 8./20.7. 10./22.12. 10./22.5. 23.1./4.2. 13./25.8. 14./26.2. 30.4./12.5. 6./18.6. 5./17.9.

1849 1817 1818 1819 1826 1843 1845 1847 1832 1801 1802 1802 1802

Verfasser / Empfänger Gauß an Parrot, G. F. Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Struve Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Mädler Gauß an Mädler Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Mädler Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Struve Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Struve Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Fuß, P. H. Gauß an Kupffer, A. T. Gauß an Struve Gauß an Simonov Gauß an Fuß, P. H. Simonov an Gauß Gauß an Fuß, N. Mädler an Gauß Bartels an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Lobačevskij an Gauß Bellingshausen an Krusenstern Fuß, P. H. an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Parrot, G. F. an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Struve an Gauß Kupffer, C. H. an Gauß Fuß, N. an Gauß Schubert an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß

III. Verzeichnis der Briefe nach den Absendeorten

Absendeort St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg St. Petersburg Wien Wien Wien Wien

Tag/Monat Jahr 14./26.11. 19./31.5. 24.4./6.5. 6./18.1. 31.10./12.11. 11./23.12. 7./19.1. 29.5./10.6. 8./20.8. 12./24.3. 2./14.4. 28.5./9.6. 30.9./12.10. 25.5./6.6. 3./16.8. 23.10./4.11. 4./16.8. 2./14.6. Januar 16./28.6. 29.12. 20.2./3.3. 12.4./24.4. 1./13.6. 1./13.9. 3./15.12. 6./18.2. 19./31.5. 26.11./8.12. 7./19.4. 12./24.5. 3./15.5. 12./24.12. 12./24.1. 30.12./11.1. 25.4./7.5. 15./27.2. 2.6. 1.12. 19.2. 18.8.

1802 1803 1804 1805 1805 1806 1808 1808 1822 1823 1824 1832 1832 1835 1835 1835 1837 1838 1839 1839 1839 1840 1840 1840 1840 1840 1843 1843 1843 1844 1844 1845 1845 1846 1846/47 1847 1849 1821 1823 1824 1835

Verfasser / Empfänger Schubert an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Fuß, N. an Gauß Schubert an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Fuß, N. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Fuß, P. H. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Jaenisch an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Kupffer, A. T. an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß Littrow an Gauß

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1. Carl Friedrich Gauß im Jahre 1840 Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie September 2008. Abb. 2. Entwurf eines Pavillons für erdmagnetische Messungen in Kasan aus dem Jahre 1825 Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. FMF, ʋ 141, l. 4. Abb. 3. „Karte für die in den Jahren 1827–1831 beobachteten Werthe der Declination“ von Georg Adolf Erman, Gotha 1841 Aus Berghaus’ Physikalischem Atlas, Gotha 1845. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg. Abb. 4a. Tafeln aus der „Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus“ von Gauß Aus: Gauß 1839, S. 36–39. Exemplar der SUB Hamburg. Abb. 4b. Ausschnitt aus der Karte der isodynamischen Linien mit Eintragungen von Gauß’ Hand SUB Göttingen, Gauß-Nachlass, Phys. 19. Abb. 5. „Karte für die Werthe von V/R“ von Gauß, die später so genannten Äquipotentiallinien Aus: Gauß/Weber 1840, Karte I. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Sign. 4°Kart LS HM My 3677-1. Abb. 6a. Grundriss des Magnetischen Observatoriums in Helsingfors Aus einem Brief von J. J. Nervander an A. T. Kupffer vom 11./23. Februar 1843. St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 32, op. 2, ʋ 115, l. 17. Abb. 6b. Gebäude des Magnetischen Observatoriums in Helsingfors (1845–1920) Aus: Holmberg/Nevanlinna 2005, S. 84. Abb. 7. Generalplan des Geländes der Kaiserlichen Universität Kasan, angefertigt im Jahre 1888 Kasan, N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Sign. 9069. Abb. 8. Gebäude des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, erbaut von 1846 bis 1849 Photographie vom Ende des 19. Jahrhunderts. Archiv des Geophysikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg.

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 9. Die von der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg gesandte Anzeige über den Tod von Gauß St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 2–1855, ʋ 15, l. 15r. Abb. 10. „Carl Friedrich Gauß. Eine biographische Skizze“ von Aleksandr Stepanovič Savel’ev (Savel’ev 1858) Erste Seite der Publikation im „Journal des Ministeriums für Volksaufklärung“. Abb. 11. Martin Bartels Aus: Zagoskin 1902: 2, zwischen S. 424/425. Abb. 12. Gutachten von Bartels vom 10./22. Juli 1812 (Abschrift) Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 92, op. 1, ʋ 511, l. 3. Abb. 13. Titelblatt der „Disquisitiones quatuor ad theoriam functionum analyticarum pertinentes“ (Bartels 1822) und die Widmung des Verfassers an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 1090. Abb. 14. Thomas Clausen „Bildarchiv Georg von Krusenstjern“ im Bestand des Bildarchivs Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität zu Marburg. Abb. 15. Die Sternwarte in Dorpat um 1850, Clausens Wirkungsstätte von 1842 bis 1872 In: Westermann’s Jahrbuch der Illustrirten Deutschen Monatshefte 17, 1864/65, S. 408. Exemplar der SUB Göttingen. Abb. 16. Grab von Thomas Clausen auf dem alten Johannes-Friedhof in Tartu Photographie Oktober 2010. Abb. 17. Schattenriss von Nikolaus Fuß Angefertigt um 1784 von Johann Friedrich Anthing. Aus: Modzalevskij 1908, S. 367, sowie S. VIII. Abb. 18. Fragment des Briefes des Fürsten D. A. Golicyn vom 9. August 1801 an den Präsidenten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Baron von Nicolai St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 3, ʋ 73, l. 128r. Abb. 19. Diplom über die Wahl von Gauß zum Korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vom 31. Januar/12. Februar 1802 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 3. Abb. 20. Vorschlag zur Ernennung von Gauß zum Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 1, op. 2–1824, ʋ 11, l. 1r.

Abbildungsverzeichnis

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Abb. 21a. Die erste Mitteilung von Gauß an Nikolaus Fuß, ohne Datum (vor Ostern 1801) St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, Razrjad V, op. 1–Ƚ, ʋ 44, l. 5r. Abb. 21b. Die zweite Mitteilung von Gauß an Nikolaus Fuß, ohne Datum (vor Ostern 1801) St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, Razrjad V, op. 1–Ƚ, ʋ 44, l. 5v. Abb. 22. Paul Heinrich Fuß Aus: Euler 1849: 2, Frontispiz. Exemplar der Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Abb. 23. Titelseite des „Journal littéraire d’Allemagne“ sowie die erste Seite der dort abgedruckten Abhandlung von Euler Exemplar der SUB Göttingen. Abb. 24. Paul Heinrich Fuß um 1840 Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie Oktober 2010. Abb. 25. Carl Jaenisch Aus: Deutsches Wochenschach 27, 1908, Beilage, zwischen S. 230/231. Abb. 26. Titelblatt von Jaenischs Werk „O načalach ravnověsija i dviženija“ (Jaenisch 1838) und die Widmung des Verfassers an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 455. Abb. 27. Titelseite des ersten Heftes des Journals für Mathematik und Unterricht „Učebnyj matematičeskij žurnal“, Reval 1833 Exemplar der Akademischen Bibliothek der Universität Tallinn, Abteilung Baltica und Seltene Drucke. Abb. 28. Adolph Theodor Kupffer Aus: Rykačev 1900, zwischen S. 56/57. Abb. 29a. Entwurf des Gebäudes des Normalen Observatoriums beim Korps der Bergingenieure aus dem Jahre 1834 Entwurf von I. I. Svijazev. Aus: Paseckij 1984, S. 101. Abb. 29b. Plan eines Magnetischen Observatoriums aus dem Jahre 1835 Aus: Kupffer, A. T. 1835, Anhang. Abb. 30. Entwurf des neuen Magnetischen Observatoriums im Garten des Korps der Bergingenieure, vorgelegt von Adolph Theodor Kupffer am 5./17. November 1837 Aus: Rykačev 1899, nach S. 55*. Abb. 31. Titelblatt des „Annuaire magnétique et météorologique du corps des ingénieurs des mines de Russie [...] Année 1837.“ St. Pétersbourg 1839 Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 742.

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Abb. 32. Gebäude des Physikalischen Hauptobservatoriums in St. Petersburg, erbaut von 1846 bis 1849 nach einem Entwurf des Architekten A. Gel’šer Aus: Schramm 1866, S. 609. Abb. 33. Grabdenkmal von Adolph Theodor Kupffer auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg Photographie September 2008. Abb. 34. Die von A. T. Kupffer zusammengestellte „Anleitung zur Durchführung meteorologischer und magnetischer Beobachtungen“ (Kupffer, A. T. 1835) Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 489. Abb. 35. Titelseite des Sonderdrucks der in St. Petersburg publizierten Preisschrift von A. T. Kupffer (Kupffer, A. T. 1856) Exemplar der SUB Göttingen. Abb. 36. Der erste Band von A. T. Kupffers experimentellen Untersuchungen der Elastizität der Metalle „Ɉpytnyja izslědovanija uprugosti metallov“ (Kupffer, A. T. 1860a) Exemplar der Russländischen Nationalbibliothek, St. Petersburg. Abb. 37. Joseph Johann Littrow Aus: Zagoskin 1903: 3, zwischen S. 68/69. Abb. 38. Die von Littrow im Jahre 1814 auf dem Gelände der Universität Kasan errichtete Sternwarte Photographie aus: Zagoskin 1903: 3, zwischen S. 84/85. Abb. 39. Die astronomischen Instrumente der Universitätssternwarte Kasan aus der Zeit von Littrow Photographie aus: Zagoskin 1903: 3, zwischen S. 88/89. Abb. 40. Nikolaj Ivanovič Lobačevskij um 1839 Gestochen in Leipzig von [H.] Gedan. Aus: Litvinova 1895, Frontispiz. Abb. 41. Titelblatt des „Kasaner Boten“ aus dem Jahr 1830 Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 103. Abb. 42. Die erste Seite des ersten Hefts der „Gelehrten Schriften“ der Universität Kasan mit einem Aufsatz von Lobačevskij (Lobačevskij 1834b) Exemplar der N. I. Lobačevskij-Forschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Kasan. Abb. 43. Lobačevskijs Abhandlung über die Anfangsgründe der Geometrie „O načalach geometrii“ im „Kasaner Boten“ (Lobačevskij 1829/30) 1. Kazanskij věstnik, čast’ 25 (Februar, März 1829), S. 178. Abgedruckt in: Lobačevskij-Werke 1946–1951:1, S. 184. 2. Kazanskij věstnik, čast’ 28 (März, April 1830), S. 251. Exemplar der N. I. LobačevskijForschungsbibliothek, Abteilung Handschriften und Seltene Drucke, Kasan. Abb. 44. Portrait von Nikolaj Ivanovič Lobačevskij in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

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Abb. 45. Anfangsseite der Rezension von Lobačevskijs Abhandlung über die Anfänge der Geometrie „O načalach geometrii“ in der Zeitschrift „Syn Otečestva“ Aus: Syn Otečestva i Sěvernyj archiv 45 (Nr. 41), 1834, S. 407. Abb. 46. Rezension von Lobačevskijs Schrift „Geometrische Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840) Aus: Repertorium der gesammten deutschen Literatur 25, 1840, S. 147–148. Abb. 47. Abschrift von Lobačevskijs Abhandlung „O načalach geometrii“ (Lobačevskij 1829/30) im Gauß-Nachlass Abschrift aus dem „Kasaner Boten“ čast’ 25 (Februar, März 1829), S. 178–187. SUB Göttingen, Gauß-Nachlass, Auszüge 37. Abb. 48. Titelseite der „Geometrischen Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ (Lobačevskij 1840) aus dem Gauß-Nachlass Exemplar der SUB Göttingen. Abb. 49. Carl Friedrich Gauß’ Vorschlag zur Aufnahme Lobačevskijs in die Königliche Societät der Wissenschaften zu Göttingen vom 23. November 1842 Archiv der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Pers. 20, Bl. 325. Abb. 50. Beglaubigte Abschrift des Diploms über die Wahl von Lobačevskij zum Korrespondierenden Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen vom 23. November 1842 Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. Sovet, ʋ 2409, l. 11v–12r. Abb. 51. Schreiben der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vom 1./13. Mai 1856 über den Versand der silbernen und der bronzenen GaußGedenkmedaille an den Universitätsrat in Kasan mit einem Vermerk über den Empfang der Medaillen durch Varvara Lobačevskaja Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. Sovet, ʋ 3897, l. 1. Abb. 52. Gauß-Gedenkmedaille, Bronze, 70 mm Museum für die Geschichte der Universität Kasan. Abb. 53. Johann Heinrich Mädler Nach einer Zeichnung von Lina Günter in Hannover. Aus: Mädler 1885, Frontispiz. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg. Abb. 54. Ausschnitt aus der Mondkarte von Beer und Mädler aus dem Jahre 1834 Aus: Beer/Mädler 1834. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg. Abb. 55. Ausschnitt aus der Mondkarte von Beer und Mädler aus dem Jahre 1834 Aus: Beer/Mädler 1834. Exemplar der Bibliothek Mathematik und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hamburg. Abb. 56. Georg Friedrich Parrot Original von Gerhard von Kügelgen. Aus: Bienemann 1902, Frontispiz.

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Abb. 57. Georg Friedrich Parrots Grabdenkmal auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg Photographie September 2008. Abb. 58. Titelseite des ersten Bandes des sechsbändigen populärwissenschaftlichen Werkes Parrots „Entretiens sur la physique“ (Dorpat 1819) Exemplar der Russländischen Nationalbibliothek, St. Petersburg. Abb. 59. Friedrich Parrot „Bildarchiv Georg von Krusenstjern“ im Bestand des Bildarchivs Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität zu Marburg. Abb. 60. Grab von Friedrich Parrot auf dem alten Johannes-Friedhof in Tartu Photographie von Erki Tammiksaar, April 2009. Abb. 61. Vegetationsstufen des Elbrus (5.642 m) und des Kasbek (5.047 m) Aus: Engelhardt/Parrot 1815. Abb. 62. Der kleine und der große Ararat Aus: Parrot, F. 1834a: 1. Abb. 63a. Parrots Barometer für Höhenmessungen Aus: Parrot, F. 1834a: 2, zwischen S. 4/5. Abb. 63b. Parrots Inklinatorium (1) und Deklinatorium (2) für magnetische Messungen Aus: Parrot, F. 1834a: 2, zwischen S. 4/5. Abb. 64. Parrots Daten aus Nordskandinavien (Auszug) SUB Göttingen, Cod. Ms. Magn. Verein 3: 1837. Abb. 65. Diplom über die Ernennung von Gauß zum Ehrenmitglied der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst zu Mitau vom 1. Juni 1819 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 7. Abb. 66. Geometrische Konstruktionen von Paucker (Fig. 1 bis 11) Aus: Paucker 1822, Tafel 1. Exemplar der SUB Göttingen. Abb. 67. Erster Eintrag von Gauß in seinem mathematischen Tagebuch vom 30. März 1796 (Gauß 1796–1814) SUB Göttingen, Cod. Ms. Gauß Math. 48 Cim. Abb. 68a. Titelseite von Pauckers Lehrbuch „Die ebene Geometrie“ (Paucker 1823) sowie das Blatt mit der Widmung an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 19. Abb. 68b. Titelseite von Pauckers Veröffentlichung „Zwei merkwürdige Sätze vom Raum.“ (Paucker 1844) Exemplar der Russländischen Nationalbibliothek, St. Petersburg. Abb. 69. Paul Schilling von Canstadt Gemälde von E. D. Tjurin. Aus: Jarockij 1963, Frontispiz.

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Abb. 70. Elektromagnetischer Telegraph von Schilling von Canstadt als Exponat bei der internationalen Elektrizitätsausstellung in Paris 1881 Aus: Anonymus 1886, Titelblatt sowie S. 22. Abb. 71. Gedenktafel an dem Hause in St. Petersburg (Marsovo pole 7), in dem der russische Erfinder des elektromagnetischen Telegraphen, Baron Paul Schilling von Canstadt, gewohnt hat und gestorben ist Photographie Oktober 2010. Abb. 72. Grabdenkmal von Paul Schilling von Canstadt auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg Photographie Oktober 2010. Abb. 73. Friedrich Theodor Schubert „Bildarchiv Georg von Krusenstjern“ im Bestand des Bildarchivs Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität zu Marburg. Abb. 74. Grabdenkmal von Friedrich Theodor Schubert auf dem Lutherischen Friedhof „Smolenskoe“ in St. Petersburg sowie Schuberts Wappen „QUO FAS ET GLORIA DUCUNT“ auf der Rückseite des Grabdenkmals Photographie Oktober 2010. Abb. 75. Brief von Gauß an Friedrich Theodor Schubert vom 20. Januar 1803 (Braunschweig) Russländische Nationalbibliothek, St. Petersburg, f. 965, op. 1, ʋ 1013, l. 1r, 2v. Abb. 76. Titelblatt der „Populären Astronomie“ von Friedrich Theodor Schubert Erster Teil. St. Petersburg 1804. Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 645. Abb. 77. Ivan Michajlovič Simonov Aus: Zagoskin 1904: 4, zwischen S. 160/161. Abb. 78. Gebäude des von 1833 bis 1837 errichteten Astronomischen Observatoriums in Kasan und dessen Grundriss Lithographie von Charles Beggrow aus: Simonov/Ljapunov 1842. Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 1350. Abb. 79. Titelseite der Abhandlung „Observations astronomiques faites à l’observatoire de l’université impériale de Kazan“ (Simonov/Ljapunov 1842) mit der Widmung des Verfassers an Gauß Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 1350. Abb. 80. Blick auf die Sternwarte und auf das Magnetische Observatorium (links) in Göttingen Zeichnung von Friedrich Adolf Hornemann vor 1854, gestochen von E. Wagner. Privatbesitz von Klaus Beuermann, Göttingen. Abb. 81. Protokoll der Sitzung des Universitätsrates in Kasan vom 19. März/1. April 1849 Nationalarchiv der Republik Tatarstan, Kasan, f. 977, op. Sovet, ʋ 3103, l. 26.

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Abb. 82. Diplom als Ehrenmitglied der Universität Kasan, ausgestellt für Carl Friedrich Gauß in russischer Sprache, vom 23. März/4. April 1849 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 16. Abb. 83. Wilhelm Struve um 1840 Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie Oktober 2010. Abb. 84. „Uebersicht der zur russischen Gradmessung ausgewählten Dreiecke“ Anlage zum „Brief des Herrn Professors Struve an den Herausgeber“ der „Astronomischen Nachrichten“, Heinrich Christian Schumacher, Dorpat, 5./17. April 1823. Astronomische Nachrichten 2 (Nr. 33), 1824, nach Sp. 152. Abb. 85. Grabdenkmal von Wilhelm Struve und dessen zweiter Ehefrau Johanna Francisca, geb. Bartels Friedhof auf dem Gelände des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo. Photographie Oktober 2010. Abb. 86. Büste von Wilhelm Struve im Museum des Astronomischen Hauptobservatoriums der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Pulkowo Bildhauer A. N. Teplov, 1965. Photographie September 2008. Abb. 87. Diplom über die Wahl von Gauß zum Ausländischen Ehrenmitglied der Kaiserlich-Russischen Geographischen Gesellschaft vom 29. September/11. Oktober 1851 Stadtarchiv Braunschweig, Sign. G IX 21: 44 Nr. 22. Abb. 88. Titelseite der „Études d’astronomie stellaire“ von Wilhelm Struve (Struve, W. 1847) Sonderdruck für die „Astronomischen Nachrichten“. Exemplar der SUB Göttingen, Gauß-Bibliothek 681. Abb. 89a–d. Die von Gauß angefertigte Abschrift von Leonhard Eulers Abhandlung „Démonstration De la somme de cette Suite. 1 + 14 + 19 + 161 + 251 + 361 + &c.“ aus dem „Journal littéraire d’Allemagne“ (Euler 1743) St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 136, op. 3, ʋ 13, l. 60–61. Abb. 90a–b. Brief von Gauß an Paul Heinrich Fuß vom 16. Mai 1844 (Göttingen) und der dazugehörige Briefumschlag St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 136, op. 3, ʋ 13, l. 59r, 62v.

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Imperatorskago Kazanskago Universiteta za pervyja sto lět ego suščestvovanija: 1804– 1904. Tom 2: 1814–1819. Kazan’ 1902. Zagoskin 1903: 3 Ɂɚɝɨɫɤɢɧɴ, ɇ. ɉ.: ɂɫɬɨɪiɹ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ʉɚɡɚɧɫɤaɝɨ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ ɡɚ ɩɟɪɜɵɹ ɫɬɨ ɥ࣎ɬɴ ɟɝɨ ɫɭɳɟɫɬɜɨɜɚɧiɹ: 1804–1904. Tɨɦɴ 3: 1814–1819. – Zagoskin, N. P.: Istorija

Imperatorskago Kazanskago Universiteta za pervyja sto lět ego suščestvovanija: 1804– 1904. Tom 3: 1814–1819. Kazan’ 1903. Zagoskin 1904: 4 Ɂɚɝɨɫɤɢɧɴ, ɇ. ɉ.: ɂɫɬɨɪiɹ ɂɦɩɟɪɚɬɨɪɫɤaɝɨ Ʉɚɡɚɧɫɤaɝɨ ɍɧɢɜɟɪɫɢɬɟɬɚ ɡɚ ɩɟɪɜɵɹ ɫɬɨ ɥ࣎ɬɴ ɟɝɨ ɫɭɳɟɫɬɜɨɜɚɧiɹ: 1804–1904. Tɨɦɴ 4: Ɉɤɨɧɱɚɧɿɟ ɱɚɫɬɢ ɬɪɟɬɶɟɣ: 1819–1827. –

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Kurzbiographien Die kurzen biographischen Angaben zu den hier berücksichtigten Personen sowie die Auflistung von deren Ämtern und Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Gesellschaften erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hervorgehoben sind aussagekräftige Daten, die im Hinblick auf das Thema „Gauß und Russland“ eine Rolle spielen. Achlopkova, Varvara Nikolaevna / Ⱥɯɥɨɩɤɨɜɚ, ȼɚɪɜɚɪɚ ɇɢɤɨɥɚɟɜɧɚ (1843–1904), Tochter von Nikolaj Ivanovič Lobačevskij. Adams, John Couch (1819–1892), Studium am St. John’s College in Cambridge, 1848 Auszeichnung mit der Copley-Medaille der Royal Society, 1851 und 1874 Präsident der Royal Astronomical Society, 1851 Korrespondierendes, 1877 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1858 Professor für Mathematik an der University of St Andrews, 1861 als Nachfolger von James Challis Direktor der Sternwarte in Cambridge; seine Berechnungen der Bahn des Neptun wurden erst nach der Entdeckung dieses Planeten bekannt. Adolph Friedrich, Herzog von Cambridge (1774–1850), Sohn von König Georg III. und dessen Frau Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, Studium an der Universität Göttingen, 1816 Generalstatthalter und 1831 Vizekönig des Königreichs Hannover, 1837 Rückkehr nach Großbritannien, Präsident vieler Wohltätigkeitsvereine, von 1802 bis 1850 Ehrenpräsident der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Airy, George Biddell (1801–1892), Studium am Trinity College in Cambridge, 1826 Lucasian Chair of Mathematics in Cambridge, 1828 Professor für Astronomie und Leiter der neu errichteten Sternwarte in Cambridge, 1835 siebter Astronomer Royal und Direktor des Royal Greenwich Observatory, 1851 Präsident der British Association for the Advancement of Science, von 1871 bis 1873 Präsident der Royal Society of London, 1840 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1851 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Al’fonskij, Arkadij Alekseevič / Ⱥɥɶɮɨɧɫɤɢɣ, Ⱥɪɤɚɞɢɣ Ⱥɥɟɤɫɟɟɜɢɱ (1796–1869), Mediziner, Studium an der Universität Moskau, 1823 Professor für Medizin an der Universität Moskau, von 1842 bis 1848 und von 1850 bis 1863 deren Rektor. Albrecht, Wilhelm Eduard (1800–1876), 1829 Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Königsberg, von 1830 bis 1837 Professor in Göttingen, als einer der „Göttinger Sieben“ fristlos entlassen, 1837 Dozent und 1840 Professor der Rechte an der Universität Leipzig.

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Kurzbiographien

Aleksandra Fëdorovna / Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪa Ɏɺɞɨɪɨɜɧɚ, geb. Prinzessin Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preußen (1798–1860), Tochter von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Königin Luise, Ehefrau von Nikolaj I., Mutter von Alexander II. d’Alembert, Jean-Baptiste le Rond (1717–1783), betrieb theologische, juristische und medizinische Studien, bevor er sich ganz der Mathematik zuwandte, 1741 Mitglied, 1772 Secrétaire perpétuelle der Académie Royale des Sciences de Paris, 1764 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Alexander I. / Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ I. (1777–1825), ab 1801 Kaiser von Russland, ältester Sohn von Kaiser Pavel I. und dessen zweiter Ehefrau Maria Fëdorovna, geb. Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg (1759–1828), Enkel von Katharina II. Alexander II. / Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ II. (1818–1881), ab 1855 Kaiser von Russland, ältester Sohn von Kaiser Nikolaj I. Amburger, Erik (1907–2001), Historiker, geboren in St. Petersburg, Studium in Heidelberg und in Berlin, Tätigkeit in Berlin, Marburg und Gießen, Forschungsschwerpunkt deutsch-russische Wirtschafts- und Wissenschaftsbeziehungen. Ampère, André-Marie (1775–1836), Mathematiker und Physiker, 1801 Professor für Physik und Chemie an der École Centrale in Bourg-en-Bresse, 1804 Répétiteur an der École Polytechnique in Paris, 1814 Mitglied des Institut Impérial de France, 1820 Assistenzprofessor für Astronomie an der Sorbonne, 1824 Professor für Physik am Collège de France, 1830 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Anri, Moris, siehe Maurice, Henry. Anthing, Johann Friedrich (1753–1805), geboren in Gotha, Historiker und Silhouetteur, Sekretär eines russischen Generals, schuf mehrere Schattenrisse von Mitgliedern der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Arago, Dominique François Jean (1786–1853), Studium an der École Polytechnique in Paris, 1805 Sekretär des Bureau des Longitudes, 1809 Mitglied des Institut Impérial de France, von 1809 bis 1830 als Nachfolger von Gaspard Monge Professor für Geodäsie und für Analytische Geometrie an der École Polytechnique, 1825 Auszeichnung mit der Copley-Medaille der Royal Society, 1830 Direktor des Observatoire de Paris, von 1816 bis 1840 zusammen mit Joseph Louis Gay-Lussac Herausgeber der „Annales de chimie et de physique“, 1829 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1835 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Argelander, Friedrich Wilhelm August (1799–1875), geboren in Memel, 1820 Assistent an der Sternwarte in Königsberg, 1823 Leiter der Sternwarte in Åbo, 1832 Leiter der Sternwarte in Helsingfors, 1836 Professor für Astronomie in Bonn, 1826 Korrespondierendes Mitglied für Astronomie und Geodäsie der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1846 Korrespondierendes, 1868 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen.

Kurzbiographien

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Arnim, Bettina von, geb. Brentano (1785–1859), Schriftstellerin und Dichterin, heiratete 1811 den Dichter Achim von Arnim (1781–1831), wirkte in Wiepersdorf und in Berlin. Augustin, Vinzenz von (1780–1859), Freiherr, General und Kartograph, einer der Mitschöpfer der zweiten kartographischen Erfassung des Kaiserreichs Österreich. Baer, Karl Ernst von / Ȼɷɪ, Ʉɚɪɥ Ɇɚɤɫɢɦɨɜɢɱ / Bėr, Karl Maksimovič (1792–1876), Studium der Medizin an der Universität Dorpat, Fortsetzung des Studiums an den Universitäten Würzburg und Königsberg, 1819 Außerordentlicher und 1826 Ordentlicher Professor für Zoologie an der Universität Königsberg, 1834 Professor für Zoologie an der Universität St. Petersburg, 1846 Professor für Vergleichende Anatomie und Physiologie ebenda, 1867 Rückkehr nach Dorpat, 1826 Korrespondierendes und 1828 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1851 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Bagratuni, Gegam Vagramovič / Ȼɚɝɪɚɬɭɧɢ, Ƚɟɝɚɦ ȼɚɝɪɚɦɨɜɢɱ (?–nach 1984), Geodät in Moskau, Fachmann für Sphärische Geodäsie. Bartels, Anna Magdalena, geb. Saluz (1784–1847), geboren in Chur in Graubünden, Tochter von Peter Otto Saluz (1758–1808), dem Gründer einer Lateinschule in Chur, heiratete im August 1803 Martin Bartels. Bartels, Eduard (1803–1837), ältester Sohn von Martin Bartels, russischer Militärarzt. Bartels, Johanna Francisca, siehe Struve, Johanna Francisca. Batjuškov, Konstantin Nikolaevič / Ȼɚɬɸɲɤɨɜ, Ʉɨɧɫɬɚɧɬɢɧ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1787– 1855), bedeutender russischer Lyriker. Baumann, Wilhelm Gottlieb Benjamin (1772–1849), Mechaniker in Stuttgart, Hersteller von astronomischen Instrumenten. Beer, Wilhelm (1797–1850), Bankier und Liebhaber der Astronomie, nahm an den Befreiungskriegen als Kavallerist teil; um 1826 Erwerb einer Villa im Berliner Tiergarten, dort um 1829 Einrichtung einer privaten Sternwarte, an der er zusammen mit Johann Heinrich Mädler beobachtete; er lehnte Rufe nach Pulkowo und nach Paris als Astronom ab, wirkte fortan als Kurator der Preußischen Rentenanstalt, bei der Eisenbahngesellschaft, als Kämmerer, Mitglied des Zentralausschusses der Preußischen Bank. Behaghel von Adlerskron, Hermann Maximilian (1808–1885), Mineraloge, von 1826 bis 1832 Studium an der Universität Dorpat, von 1829 bis 1830 Teilnahme an der Expedition von Friedrich Parrot in den Kaukasus, von 1830 bis 1833 Inspektor des Physikalischen Kabinetts an der Universität Dorpat. Beise, Jakob Georg Friedrich (1789–1865), geboren in Mitau, Pastor und Konsistorialrat in Riga, Redakteur der „Rigaischen Stadtblätter“. Bellingshausen, Fabian Gottlieb von / Ȼɟɥɥɢɧɝɫɝɚɭɡɟɧ, Ɏɚɞɞɟɣ Ɏɚɞ(ɞ)ɟɟɜɢɱ / Bellingsgauzen, Faddej Fad(d)eevič (1779–1852), 1812 Eintritt in die Schwarzmeerflotte, von 1819 bis 1821 Leitung einer Schiffsexpedition in das südliche Polarmeer (Kapitän der Korvette „Vostok“), 1823 Generalzeugmeister für die Marineartillerie, 1826 Teil-

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nahme an einer Schiffsexpedition in das Mittelmeer, 1828 Teilnahme am Feldzug gegen die Türken, 1839 Kommandant des Kronstädter Hafens, 1843 Admiral. Berghaus, Heinrich Karl (1797–1884), Geograph und Kartograph, 1816 Ingenieurgeograph im Kriegsministerium in Berlin, von 1824 bis 1855 Professor für Angewandte Mathematik an der Berliner Bauakademie, gründete 1839 die „Geographische Kunstschule“ in Potsdam, die bis 1848 bestand, stand mit Alexander von Humboldt mehr als vierzig Jahre lang in freundschaftlichem Verkehr und in regem Briefwechsel. Bergsträßer oder Bergsträsser, Benignus Karl (1808–1874), geboren in Hessen, Lehrer am Waiseninstitut in St. Petersburg, von 1865 bis 1874 Diakon der deutschreformierten Gemeinde in St. Petersburg. Bergsträßer, Natalie Helene Susanne, geb. Fuß (1825–1913), Tochter von Paul Heinrich Fuß, Ehefrau von Benignus Karl Bergsträßer, Heirat am 29.6.1849. Bernoulli, Daniel (1700–1782), Mathematiker und Physiker, zweiter Sohn von Johann I. Bernoulli, Studium der Mathematik und der Medizin in Basel, 1725 Professor für Physiologie an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1727 Professor für Mathematik ebenda, 1733 Rückkehr nach Basel, Professor für Botanik, Anatomie und Physiologe an der Universität Basel, 1750 Professor für Physik ebenda, 1733 Auswärtiges Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, wichtiger Briefpartner von Leonhard Euler. Bernoulli, Gelehrtenfamilie in Basel. Bernoulli, Johann I. (1667–1748), Studium der Medizin an der Universität Basel, von 1705 bis 1748 als Nachfolger seines älteren Bruders Jakob I. Professor für Mathematik in Basel, 1724 Auswärtiges Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, stand mit Gottfried Wilhelm Leibniz und Leonhard Euler in engem Briefkontakt. Bernoulli, Nikolaus I. (1687–1759), Neffe von Jakob I. Bernoulli und Johann I. Bernoulli, von 1716 bis 1719 Professor für Mathematik an der Universität Padua, 1731 Professor für Logik und für Lehnsrecht an der Universität Basel, 1713 Mitglied der Königlich Preußischen Societät der Wissenschaften zu Berlin, Briefpartner von Gottfried Wilhelm Leibniz und Leonhard Euler. Berzelius, Jöns Jakob (1779–1848), Chemiker, Mitglied und von 1818 bis 1848 Ständiger Sekretär der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm, 1820 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1826 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Bessel, Friedrich Wilhelm (1784–1846), Astronom, Kaufmannslehrling in Bremen, 1806 Assistent an der Sternwarte in Lilienthal, 1810 Professor für Astronomie an der Universität Königsberg und Direktor der dortigen Sternwarte, 1814 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1824 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Universität Kasan, 1826 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Freund von Gauß.

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Bestužev-Marlinskij, Aleksandr Aleksandrovič / Ȼɟɫɬɭɠɟɜ-Ɇɚɪɥɢɧɫɤɢɣ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪɨɜɢɱ (1797–1837), russischer Offizier, seit 1819 unter dem Pseudonym Marlinskij literarisch tätig, 1825 Teilnahme an der Verschwörung der Dekabristen, 1826 Verbannung nach Sibirien, 1829 Soldat im Kaukasus, 1835 wieder Offizier, gefallen im Kampf gegen die Tscherkessen. Bevan, Benjamin (1773–1833), britischer Ingenieur. Bezborodko, Aleksandr Andreevič / Ȼɟɡɛɨɪɨɞɤɨ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ⱥɧɞɪɟɟɜɢɱ (1747– 1799), Fürst, russischer Staatsmann, 1783 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie in St. Petersburg, stiftete ein Gymnasium für Höhere Wissenschaften in Neshin, das nach seinem Tod eröffnet und nach ihm benannt wurde. Biermann, Kurt-Reinhard (1919–2002), Wissenschaftshistoriker, von 1969 bis 1984 Leiter der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle an der Berliner Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied der Gauß-Gesellschaft in Göttingen. Biot, Jean-Baptiste (1774–1862), 1797 Professor für Mathematik an der École Centrale des Oise-Départements, 1799 Examinateur an der École Polytechnique, 1800 Professor für Mathematische Physik am Collège de France, 1806 Astronom im Bureau des Longitudes, 1808 Professor für Astronomie an der Faculté des Sciences de Paris, von 1840 bis 1849 Dekan ebenda, 1819 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Bird, John (ca. 1709–1776), Hersteller von wissenschaftlichen Instrumenten in London. Biron, Peter von (1724–1800), Herzog von Kurland und Semgallen, Herzog von Sagan, letzter Herzog von Kurland (1769–1795), 1775 Gründer der Academia Petrina in Mitau, Förderer der Einrichtung von Dorfschulen. Bludov, Dmitrij Nikolaevič / Ȼɥɭɞɨɜ, Ⱦɦɢɬɪɢɣ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1785–1864), von 1839 bis 1861 Leiter der Zweiten Abteilung der Eigenen Kanzlei des Kaisers, von 1840 bis 1861 Vorsitzender des Gesetzesdepartements, Mitglied des Ministerrates sowie Inhaber mehrerer Staatsämter, von 1855 bis 1864 als Nachfolger von Sergej Semënovič Uvarov Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1861 bis 1864 gleichzeitig Premierminister. Blumenbach, Johann Friedrich (1752–1840), Studium in Jena und Göttingen, 1776 Außerordentlicher, 1778 Ordentlicher Professor für Medizin an der Universität Göttingen, 1784 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, von 1812 bis 1840 deren Sekretär, 1808 Auswärtiges Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München, 1812 Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1826 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Bobrinskij, Aleksej Alekseevič / Ȼɨɛɪɢɧɫɤɢɣ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ Ⱥɥɟɤɫɟɟɜɢɱ (1800–1868), Graf, Sohn eines illegitimes Sohnes von Katharina II. und Grigorij Grigor’evič Orlov (1734–1783), Staatsmann, Landwirt und Fabrikbesitzer, Besitzer von Gütern im Gouvernement Tula, z.B. von Michajlovskoe.

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Bobynin, Viktor Viktorovič / Ȼɨɛɵɧɢɧ, ȼɢɤɬɨɪ ȼɢɤɬɨɪɨɜɢɱ (1849–1919), bedeutender russischer Mathematikhistoriker, Absolvent der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität Moskau, 1882 Privatdozent ebenda, Verfasser zahlreicher mathematikhistorischer Arbeiten, darunter einer Gauß-Biographie, Mitarbeiter an den „Vorlesungen über Geschichte der Mathematik“ von Moritz Cantor (1829–1920), einem Schüler von Gauß. Bode, Johann Elert (1747–1826), 1772 Astronom an der Berliner Sternwarte, gründete 1774 zusammen mit Johann Heinrich Lambert das „Astronomische Jahrbuch“ in Berlin, 1785 Korrespondierendes, 1794 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1786 Ordentliches Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1787 Direktor der Berliner Sternwarte, 1801 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1808 Auswärtiges Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München. Boguslawski, Palon Heinrich Ludwig Pruß von (1789–1851), 1831 Astronom an der Sternwarte in Breslau, 1836 Außerordentlicher Professor an der Universität Breslau, 1840 Direktor der dortigen Sternwarte. Böhlendorf, Hermann Leopold (1773–1828), Professor für Theologie in Dorpat. Bohnenberger, Johann Gottlieb Friedrich von (1765–1831), Studium der Theologie an der Universität Tübingen und der Naturwissenschaften an der Universität Göttingen, gleichzeitig mit Martin Bartels, Ausbildung an der Sternwarte Seeberg bei Gotha, 1796 Adjunkt an der Sternwarte in Tübingen, 1798 Außerordentlicher, 1803 Ordentlicher Professor für Mathematik und Astronomie an der Universität Tübingen; verantwortlich für die Landesvermessung Württembergs einschließlich einer Basismessung; 1797 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1809 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1826 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Bolotov, Aleksej Pavlovič / Ȼɨɥɨɬɨɜ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ ɉɚɜɥɨɜɢɱ (1803–1853), Geodät, Generalmajor im russischen Generalstab, 1832 Professor für Geodäsie an der Kaiserlichen Militärakademie in St. Petersburg, 1845 Reise nach Deutschland, Frankreich und in die Schweiz, dabei im Juni 1845 Besuch bei Gauß in Göttingen. Bolyai, Farkas / Wolfgang (1775–1856), Mathematiker, geboren in Siebenbürgen, Studium an den Universitäten Jena und Göttingen, wo er Freundschaft mit Gauß schloss, 1799 Rückkehr nach Siebenbürgen, 1804 Professor für Mathematik, Physik und Chemie am evangelisch-reformierten Kollegium in Maros-Vásárhely. Bolyai, János (1802–1860), Mathematiker, Sohn von Farkas Bolyai, Absolvent des evangelisch-reformierten Kollegiums in Maros-Vásárhely in Siebenbürgen, von 1818 bis 1823 Studium an der Militär-Ingenieur-Akademie in Wien, Karriere beim Militär, anschließend Rückzug auf ein ererbtes Landgut. Borenius, Henrik (Heinrich) Gustaf (1802–1894), geboren bei Wyborg, 1834 Dozent für Mathematik, 1835 Lektor für deutsche Sprache und 1846 Adjunkt für Mathematik und Physik an der Universität Helsingfors, 1848 Direktor des dortigen Magnetischen Observatoriums, Schwiegersohn von Johan Jakob Nervander.

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Boscovich, Roger Josep / Bošković, Rugjer Josip (1711–1787), geboren in Ragusa, Mathematiker, Astronom, Universalgelehrter und Diplomat, Dozent für Mathematik und Philosophie am Collegium Romanum. Bradley, James (1693–1762), britischer Geistlicher und berühmter Astronom, 1721 Savilian Chair of Astronomy an der Universität Oxford, 1742 als Nachfolger von Edmond Halley dritter Astronomer Royal und Direktor des Royal Greenwich Observatory. Brahe, Tycho (1546–1601), dänischer Adeliger und berühmter Astronom; seine Beobachtungen bildeten die Basis für Keplers Ableitung der Gesetze der Planetenbewegungen. Brandes, Ernst (1758–1810), von 1791 bis 1805 Geheimer Kabinettssekretär, von 1805 bis 1806 Geheimer Kabinettsrat für Universitätssachen in Hannover, 1806 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Schwager von Christian Gottlob Heyne. Brandes, Heinrich Wilhelm (1777–1834), Studium an der Universität Göttingen, 1811 Professor für Mathematik in Breslau, 1826 Professor für Physik in Leipzig, 1830 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Brockhaus, Friedrich Arnold (1772–1823), 1805 Gründer einer Buchhandlung in Amsterdam, 1814 Fortführung des Unternehmens als Verlag F. A. Brockhaus, 1817 Niederlassung in Leipzig und Einrichtung einer Buchdruckerei; nach seinem Tod führten seine beiden Söhne den Verlag weiter. Brodhagen, Peter Heinrich Christoph (1753–1805), Studium in Göttingen, 1797 Adjunkt, 1800 Professor für Mathematik am Akademischen Gymnasium in Hamburg. Bronner, Franz Xaver (1758–1850), 1783 Priesterweihe, 1785 Flucht aus dem Kloster nach Zürich, von 1786 bis 1793 Aufenthalt in Augsburg, danach wieder in Zürich, Herausgeber der „Zürcher Zeitung“, des „Helvetischen Tagblatts“ und des „Freyheitsfreundes“, 1804 Lehrer an der Kantonsschule in Aarau, 1810 Professor für Theoretische und Experimentelle Physik an der Universität Kasan, 1817 Lehrer an der Kantonsschule in Aarau, 1829 Kantonsarchivar. Brunet, Jacques-Charles (1780–1867), Verfasser von erfolgreichen bibliographischen Werken, insbesondere dem „Manuel du Libraire et de l’Amateur des Livres“, das erstmals 1810 in Paris in drei Bänden erschien und zahlreiche Auflagen erlebte. Buch, Leopold von (1774–1853), Studium der Mineralogie und der Chemie in Freiberg, Halle und Göttingen, 1796 im preußischen Staatsdienst Inspektor des Bergwerkswesens, 1832 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1835 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Bunge, Alexander / Ȼɭɧɝɟ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ⱥɧɞɪɟɟɜɢɱ / Bunge, Aleksandr Andreevič (1803–1890), geboren in Kiew, von 1821 bis 1825 Studium der Medizin und der Naturwissenschaften in Dorpat, 1825 Promotion in Dorpat, von 1825 bis 1830 Arzt in Barnaul und im Kolyma-Gebiet, 1829 Bekanntschaft mit Alexander von Humboldt,

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von 1830 bis 1832 Expedition nach Sibirien und China zusammen mit Georg Fuß, achtmonatiger Aufenthalt in Peking, 1832 weitere Reisen ins Altaigebirge, 1834 Außerordentlicher Professor für Botanik an der Universität Kasan, von 1836 bis 1867 Professor für Botanik und Direktor des Botanischen Gartens in Dorpat, 1833 Korrespondieredes, 1875 Ehrenmitlied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Bunjakovskij, Viktor Jakovlevič / Ȼɭɧɹɤɨɜɫɤɢɣ, ȼɢɤɬɨɪ əɤɨɜɥɟɜɢɱ (1804–1889), Mathematiker, Studium in Paris bei Augustin-Louis Cauchy, 1825 Promotion in Paris, 1826 Rückkkehr nach Russland, 1828 Adjunkt, 1830 Außerordentliches, 1841 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Dozent an mehreren Institutionen in St. Petersburg, von 1846 bis 1859 Professor für Mathematik an der Universität in St. Petersburg, 1858 Beauftragter der russischen Regierung für statistische und Versicherungsfragen, von 1864 bis 1889 Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Buraček, Stepan Anisimovič / Ȼɭɪɚɱɟɤ, ɋɬɟɩɚɧ Ⱥɧɢɫɢɦɨɜɢɱ (1800–1877), General, Schiffsbauingenier, Schriftsteller und Philosoph, Dozent am Seekadettenkorps in St. Petersburg. Burckhardt, Johann Karl (1773–1825), Astronom, Studium an der Universität Leipzig, von 1796 bis 1797 Schüler und Gehilfe Franz Xaver von Zachs an der Sternwarte Seeberg bei Gotha, danach Adjunkt im Bureau des Longitudes in Paris, 1807 als Nachfolger von Lalande Direktor der Sternwarte an der École militaire in Paris, 1799 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Bürg, Johann Tobias (1766–1834), Astronom, bis 1790 Adjunkt an der Sternwarte Seeberg bei Gotha, danach bei Franz Paula von Triesnecker an der Sternwarte in Wien, von 1792 bis 1813 Adjunkt an der Sternwarte in Wien; da er zunehmend an Taubheit litt, war die Zusammenarbeit mit ihm schwierig, 1798 Auszeichnung vom Institut de France in Paris für seine Mondtheorie, 1801 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1802 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Büsch, Johann Georg (1723–1800), Studium der Theologie in Göttingen, 1754 Professor für Mathematik am Akademischen Gymnasium in Hamburg, 1768 Gründer und Leiter der Handlungsakademie in Hamburg. Buzengeiger, Karl Heribert Ignatius (1771–1835), Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Universität Tübingen, Mathematiklehrer in Nürnberg und in Ansbach, 1819 Professor für Mathematik an der Universität Freiburg. Byron, George Gordon (1788–1824), berühmter britischer Dichter. Cacciatore, Niccolò (1780–1841), Lehrer und Astronom, Gehilfe und später Nachfolger von Giuseppe Piazzi als Direktor der Sternwarte in Palermo. Cancrin, Georg von / Ʉɚɧɤɪɢɧ, ȿɝɨɪ Ɏɪɚɧɰɟɜɢɱ / Kankrin, Egor Francevič (1774– 1845), seit 1829 Graf, geboren in Hanau in Hessen, Studium in Gießen und Marburg, seit 1797 in Russland in diversen Staatsämtern tätig, 1813 Generalintendant der russischen Armee, 1820 Mitglied des Reichsrates, von 1823 bis 1844 Finanzminister, 1834

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Direktor des Korps der Bergingenieure, Vorsitzender des Bergrates, 1844 Mitglied des Staatsrates. Carl Wilhelm Ferdinand (1735–1806), ab 1780 Herzog zu Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel, von 1780 bis 1792 Ehrenpräsident der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Förderer von Gauß. Carlini, Francesco (1783–1862), Astronom, 1832 Direktor des Osservatorio Astronomico di Brera bei Mailand, 1851 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Cauchy, Augustin-Louis (1789–1857), Baron, herausragender französischer Mathematiker, 1840 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Čebyšev, Pafnutij L’vovič / ɑɟɛɵɲɟɜ, ɉɚɮɧɭɬɢɣ Ʌɶɜɨɜɢɱ (1821–1894), 1841 Absolvent der Universität Moskau, 1846 Promotion ebenda, von 1847 bis 1882 Professor an der Universität Moskau, 1853 Adjunkt, 1856 Außerordentliches, 1859 Ordentliches Mitglied für Angewandte Mathematik der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1871 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Čevkin, Konstantin Vladimirovič / ɑɟɜɤɢɧ, Ʉɨɧɫɬɚɧɬɢɧ ȼɥɚɞɢɦɢɪɨɜɢɱ (1802–1875), General, Ausbildung im Kaiserlichen Pagencorps in St. Petersburg, von 1834 bis 1845 Stabschef des Korps der Bergingenieure, von 1842 bis 1851 Leiter des Baus der ersten Eisenbahn zwischen St. Petersburg und Moskau, von 1855 bis 1862 Hauptdirigent des Ministeriums für Verkehrswege, 1855 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Challis, James (1803–1882), Studium am Trinity College in Cambridge, 1835 bis 1879 als Nachfolger von George Biddell Airy Plumian Professor of Astronomy an der Cambridge University, von 1835 bis 1861 Direktor der Sternwarte in Cambridge, ihm folgte John Couch Adams. Champollion de Figeac, Jacques (1778–1867), französischer Archäologe. Christian VIII. Friedrich (1786–1848), 1814 als Christian Friedrich Wahl zum König von Norwegen, im selben Jahr erzwungene Rückkehr nach Dänemark, ab 1839 König von Dänemark. Čižov, Dmitrij Semënovič / ɑɢɠɨɜ, Ⱦɢɦɢɬɪɢɣ ɋɟɦɺɧɨɜɢɱ (1785–1853), Mathematiker, Studium zuerst am Geistlichen Seminar in Twer, ab 1803 am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, 1808 Stipendium für ein Auslandsstudium, von 1808 bis 1810 Aufenthalt in Helmstedt und in Paris, 1812 Adjunkt, 1816 Ordentlicher Professor für Reine und Angewandte Mathematik am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, 1819 Professor an der Universität St. Petersburg, 1826 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1841 Ehrenmitglied der Abteilung für Russische Sprache und Literatur ebenda. Claus, Karl Ernst / Ʉɥɚɭɫ, Ʉɚɪɥ Ʉɚɪɥɨɜɢɱ / Klaus, Karl Karlovič (1796–1864), Chemiker, 1810 Apotheker in St. Petersburg, 1826 Inhaber einer Apotheke in Kasan, bis 1835 Studium an der Universität Dorpat, 1844 Ordentlicher Professor für Chemie in

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Kasan, 1852 Professor für Pharmazie in Dorpat, 1861 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Codazzi, Delfino (1824–1873), Mathematiker, Gymnasiallehrer in Lodi und Pavia, 1865 Professor an der Universität Pavia. Colladon, Daniel (1802–1893), Studium der Rechtswissenschaften in Genf und in Paris Studium der Mathematik, 1827 zusammen mit Charles Sturm ausgezeichnet mit dem Großen Preis der Académie des Sciences de Paris, 1829 Professor für Mechanik an der École Centrale des Arts et Manufactures in Paris und 1839 an der Académie de Genève. Copernicus, Nicolaus (1473–1543), Arzt und Domherr in Frauenburg im Ermland, berühmter Astronom. Cotta, Johann Friedrich (1764–1832), Verleger, seit 1787 Inhaber der J. G. Cotta’schen Buchhandlungen in Tübingen, 1811 Umzug nach Stuttgart. Crelle, August Leopold (1780–1855), Bauingenieur und Baubeamter, 1826 Gründer des „Journal für die reine und angewandte Mathematik“ (bekannt als „Crelles Journal“), 1828 mathematischer Fachreferent im preußischen Kultusministerium. Cronhelm, Ernst Philipp von (1738–1798), Gutsbesitzer in Bartelshagen bei Stralsund, Amateurastronom, Schwiegervater von Friedrich Theodor Schubert d. Ä. Dahlmann, Friedrich Christoph (1785–1860), Historiker und Staatsmann, von 1829 bis 1837 Professor für deutsche Geschichte und Staatswissenschaften an der Universität Göttingen, einer der „Göttinger Sieben“, 1842 Professor an der Universität Bonn, 1833 Ordentliches, 1837 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Danilevskij, siehe Michajlovskij-Danilevskij. Daubert, Johann Christian (ca. 1777–?), Schneidermeister in Braunschweig, Vater von Philipp Wilhelm Daubert (1799–1875), Klempnermeister und Konservenfabrikant in Braunschweig. Davydov, Denis Vasil’evič / Ⱦɚɜɵɞɨɜ, Ⱦɟɧɢɫ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1784–1839), Militärhistoriker, Dichter und Schriftsteller, Teilnehmer am Vaterländischen Krieg von 1812. Delambre, Jean-Baptiste (1749–1822), Assistent des Astronomen Lalande, 1787 Auswärtiges Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1792 Mitglied der Académie Royale des Sciences in Paris, von 1792 bis 1798 Vermessung des Meridians zwischen Dünkirchen und Barcelona, 1795 Gründungsmitglied des Bureau des Longitudes in Paris, 1800 Secrétaire, 1803 Secrétaire perpétuelle am Institut de France, 1807 Nachfolger von Lalande am Collège de France, 1809 Auswärtiges Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Delaporte oder de la Port, Ernst August (1806–1885), Uhrmacher, geboren in Göttingen, gestorben in St. Petersburg. Delisle de La Croyère oder De l’Isle de la Croyère, Louis (1690–1741), 1727 Außerordentlicher Professor für Astronomie an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaf-

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ten in St. Petersburg, Teilnehmer an der Zweiten Kamtschatkaexpedition, gestorben auf Kamtschatka. Delone, Boris Nikolaevič / Ⱦɟɥɨɧɟ, Ȼɨɪɢɫ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1890–1980), von 1922 bis 1935 Professor an der Universität Leningrad, von 1935 bis 1958 an der Universität Moskau, 1929 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Arbeitsgebiete: Algebra, Zahlentheorie, Geometrie und mathematische Kristallographie. Deluc, Jean Andrè (1727–1817), Schweizer Naturforscher, wirkte als Physiker, Meteorologe und Geologe, lebte abwechselnd in Genf, Berlin, Hannover, Braunschweig und London. Demidov, Pavel Nikolaevič / Ⱦɟɦɢɞɨɜ, ɉɚɜɟɥ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1798–1840), Ausbildung in Paris, Besitzer von mehreren Bergwerken im Ural, Verwalter des Gouvernements Kursk, stiftete der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg einen hochdotierten Preis, der von 1832 bis 1865 vergeben wurde, 1831 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Deržavin, Gavriil Romanovič / Ⱦɟɪɠɚɜɢɧ, Ƚɚɜɪɢɢɥ Ɋɨɦɚɧɨɜɢɱ (1743–1816), Staatsmann, 1791 Sekretär von Katharina II., 1793 Senator, 1802 Justizminister, bedeutender russischer Dichter. Dielitz, Karl / Charles (1781–1845), Privatgelehrter in Berlin. Diophant (um 250 n. Chr.), griechischer Mathematiker, wirkte in Alexandria. Dirichlet, Lejeune / Gustav Peter (1805–1859), von 1822 bis 1826 Studium in Paris, 1827 Promotion in Bonn, 1831 Außerordentlicher, 1839 Ordentlicher Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, 1855 Nachfolger von Gauß in Göttingen, 1831 Ordentliches Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1837 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Dirksen, Enno Heeren (1788–1850), Studium an der Universität Göttingen, Schüler von Gauß, 1820 Außerordentlicher, 1824 Ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Berlin. Dogel’ / Ⱦɨɝɟɥɶ (?–?), in den 1850er Jahren Studium an der Universität Moskau, Übersetzer von Gauß’ „Theoria motus“ ins Russische. Dollond, John (1706–1761), Optiker und Teleskopbauer französischer Herkunft, Inhaber einer Werkstatt in London, die er zusammen mit seinem Sohn Peter Dollond (1730–1820) betrieb. Donnert, Erich Wilhelm (geb. 1928), Historiker und Slavist, Professor für Geschichte Osteuropas an den Universitäten Jena, Leipzig, Halle-Wittenberg, von 1969 bis 1993 Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Halle-Wittenberg. Dostoevskij, Fëdor Michajlovič / Ⱦɨɫɬɨɟɜɫɤɢɣ, Ɏëɞɨɪ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ (1821–1881), einer der bedeutendsten Schriftsteller Russlands, 1877 Korrespondierendes Mitglied der Abteilung für Russische Sprache und Literatur der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.

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Dove, Heinrich Wilhelm (1803–1879), Physiker und Meteorologe, Promotion und Habilitation an der Universität Königsberg, Dozent an verschiedenen Institutionen in Berlin, 1842 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1845 Professor für Physik an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, 1849 Leiter des neugegründeten Königlich Preußischen Meteorologischen Instituts, 1859 Korrespondierendes, 1864 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Drašusov, Aleksandr Nikolaevič / Ⱦɪɚɲɭɫɨɜ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1816–1890), Studium an der Moskauer Universität, Adjunkt an der dortigen Sternwarte, von 1837 bis 1840 Studienreise ins Ausland (Deutschland, Italien, Schweiz, Österreich), 1839 Besuch bei Gauß in Göttingen, von 1840 bis 1851 Leiter der Universitätssternwarte, von 1851 bis 1855 Ordentlicher Professor für Astronomie an der Universität Moskau, von 1859 bis 1860 Zensor am Zensurkommitee in Moskau, von 1861 bis 1875 im Innenministerium tätig. Drobisch, Moritz Wilhelm (1802–1896), Studium der Mathematik und der Philosophie an der Universität Leipzig, Promotion 1824 ebenda, von 1826 bis 1868 Professor für Mathematik, ab 1842 auch Professor für Philosophie an der Universität Leipzig. Due, Christian (1805–1893), norwegischer Offizier, Hydrograph und Maler, Teilnehmer an den Expeditionen von Christopher Hansteen. Duwe, H. J. (?–1837), Mechaniker in Berlin, dort wohnhaft in der Klosterstraße 60. Eiche, Geb. Fr. Jul. (?–?), 1793 Studienbeginn am Collegium Carolinum in Braunschweig, Studienfreund von Gauß, in Moskau in einem Privatinstitut tätig, dort Gründer einer Schule. Eichhorn, Johann Gottfried (1752–1827), Theologe, 1788 Ordentlicher Professor für orientalische Sprachen an der Universität Göttingen, 1810 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Einbrodt, Peter Eduard (1802–1840), Mediziner, geboren in Moskau, Studium an der Universität Moskau, 1829 Außerordentlicher, 1832 als Nachfolger von Justus Christian Loder Ordentlicher Professor für Anatomie an der Universität Moskau. Elizaveta Alekseevna / ȿɥɢɡɚɜɟɬɚ Ⱥɥɟɤɫɟɟɜɧɚ, geb. Prinzessin Luise Marie Auguste von Baden (1779–1826), seit 1793 Ehefrau des zukünftigen Kaisers Alexander I. Elizaveta I. / ȿɥɢɡɚɜɟɬɚ I. (1709–1761), Tochter von Peter I., ab 1741 Kaiserin von Russland. Encke, Johann Franz (1791–1865), Studium an der Universität Göttingen, Schüler von Gauß, 1816 Assistent, 1817 als Nachfolger von Bernhard August von Lindenau Direktor der Sternwarte Seeberg bei Gotha, 1823 Korrespondierendes, 1825 Ordentliches Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1825 als Nachfolger von Johann Elert Bode Direktor der Berliner Sternwarte, 1829 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, ab 1828 Herausgeber des „Berliner Astronomischen Jahrbuchs“ [Band für 1830], 1830 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen.

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Ende, Ferdinand Adolf von (1760–1817), Freiherr, Jurist und Privatgelehrter der Astronomie und der Geodäsie in Celle und Mannheim, Besitzer einer privaten Sternwarte. Eneström, Gustaf Hjalmar (1852–1923), schwedischer Mathematiker und Mathematikhistoriker, Verfasser des „Eneström-Verzeichnisses“ der Werke von Leonhard Euler. Engel, Friedrich (1861–1941), Mathematiker und Mathematikhistoriker, tätig an den Universitäten Leipzig, Greifswald und Gießen, 1899 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Engelhardt, Moritz von (1779–1842), geboren in Livland, Besuch der Ritter- und Domschule in Reval, Studium der Mineralogie an der Bergakademie in Freiberg sowie der Rechtswissenschaften an den Universitäten Leipzig und Göttingen, Militärdienst, zahlreiche Forschungsreisen, 1812 Niederlassung in Dorpat, 1816 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1820 bis 1830 Professor für Mineralogie an der Universität Dorpat. Erman, Georg Adolf (1806–1877), Sohn von Paul Erman, Studium der Naturwissenschaften in Berlin und in Königsberg, 1828 Teilnahme an der Expedition von Christopher Hansteen nach Sibirien, anschließend bis 1830 auf einer Weltreise, 1839 Außerordentlicher Professor für Physik an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin und Professor für Mathematik am Französischen Gymnasium ebenda, von 1841 bis 1867 Herausgeber des „Archivs für wissenschaftliche Kunde von Russland“. Erman, Marie, geb. Bessel (1816–1902), älteste Tochter von Friedrich Wilhelm Bessel, Ehefrau von Georg Adolf Erman. Erman, Paul (1764–1851), geboren in Berlin als Sohn eines Predigers der Hugenotten-Gemeinde und Direktors des Französischen Gymnasiums, 1791 Professor für Physik am Französischen Gymnasium und an der Académie des Nobles (später Allgemeine Kriegsschule) in Berlin, 1810 Ordentlicher Professor für Physik an der neugegründeten Universität zu Berlin, 1806 Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Ernst August I. (1771–1851), ab 1837 König von Hannover; wenige Monate nach Antritt seiner Regierung hob er aus eigener Machtvollkommenheit das Staatsgrundgesetz von 1833 auf; dieser Willkürakt entzündete den Protest von sieben Göttinger Professoren, den „Göttinger Sieben“. Ertel, Traugott Leberecht (1778–1858), Mechaniker, zuerst Teilhaber und später Inhaber und Leiter des Reichenbachschen Mathematisch-Mechanischen Instituts in München; sein Sohn Georg (?–1863) wurde 1834 Teilhaber und 1858 Besitzer des väterlichen Geschäftes in München. Ettingshausen, Andreas von (1796–1878), Freiherr, 1819 Professor für Physik an der Universität Innsbruck, 1821 Professor für Mathematik, 1834 Professor für Physik an der Universität Wien, 1848 Professor an der Ingenieurakademie in Wien, 1847 Gründungsmitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien, 1864 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen.

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Euklid (ca. 360–280 v. Chr.), griechischer Mathematiker, wirkte in Alexandria, Begründer der axiomatischen Methode in der Geometrie. Euler, Johann Albrecht (1734–1800), geboren in St. Petersburg, ältester Sohn von Leonhard Euler, bekam Unterricht von seinem Vater, 1754 Mitglied der Académie Royale des Sciences et des Belles-Lettres zu Berlin, 1756 Leiter der Berliner Sternwarte, 1766 Professor für Physik an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, ab 1769 Konferenzsekretär bzw. Ständiger Sekretär der Akademie, ab 1776 gleichzeitig Studiendirektor am Seekadettenkorps in St. Petersburg, 1799 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Euler, Leonhard (1707–1783), Studium an der Universität Basel, 1727 Adjunkt, 1731 Professor für Physik, 1733 Professor für Mathematik an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1742 bis 1766 Auswärtiges Ehrenmitglied ebenda, von 1741 bis 1766 an der Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres zu Berlin tätig, von 1766 bis 1783 wieder in St. Petersburg als Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Everest, George (1790–1866), Geodät, 1827 Mitglied der Royal Society in London, im Dienst der britischen Regierung Leiter von Landvermessungsarbeiten in der Himalaya-Region, 1841 notierte er die Lage des Berges, der später nach ihm Mount Everest benannt wurde und sich als höchster Berg der Erde erwies. Ewald, Heinrich Georg August von (1803–1875), Orientalist und Theologe, geboren in Göttingen, Studium an der Universität Göttingen, 1827 Außerordentlicher, 1831 Ordentlicher Professor für orientalische Sprachkunde ebenda, 1837 als einer der „Göttinger Sieben“ fristlos entlassen, von 1838 bis 1848 an der Universität Tübingen tätig, dann Rückkehr auf seine Stelle nach Göttingen, 1833 Ordentliches, 1837 Auswärtiges, 1848 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1867 Verweigerung des Huldigungseides für den preußischen König, 1868 Entzug der venia legendi, Ehemann von Gauß’ ältester Tochter Wilhelmine (1808–1840), Heirat 1830. Ewers, Johann Philipp Gustav von (1781–1830), ab 1799 Studium der Theologie an der Universität Göttingen, 1803 auf Rat seines Lehrers August Ludwig von Schlözer (1735–1809) Annahme der Stelle eines Hauslehrers in Livland, 1808 Professor für Geographie, Statistik und Geschichte, 1826 Professor des Staats- und des Völkerrechts an der Universität Dorpat, von 1818 bis 1830 Rektor der Universität Dorpat. Fallon, Ludwig August, von (1776–1828), Freiherr, österreichischer General und Kartograph, von 1818 bis 1823 Leiter der Katastervermessung der Donaumonarchie. Faraday, Michael (1791–1867), Naturforscher, 1833 Professor für Chemie an der Royal Institution in London, unterrichtete auch an der Royal Military Academy in Woolwich, 1830 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1835 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Ferdinand IV. (1751–1825), ab 1759 König von Neapel, ab 1816 König Ferdinand I. beider Sizilien.

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Fermat, Pierre de (1607/8–1665), herausragender französischer Mathematiker, als Jurist in Südfrankreich tätig. Filippov, Michail Michajlovič / Ɏɢɥɢɩɩɨɜ, Ɇɢɯɚɢɥ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ (1858–1903), Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in St. Petersburg und der Naturwissenschaften an der Universität in Odessa, 1892 Promotion an der Universität Heidelberg. Fincke, Arnold Wilhelm Otto (1805–?), geboren in Göttingen, Sohn von Johann Christoph Fincke. Fincke, Gustav (?–?), Künstler und Übersetzer, von ca. 1840 bis 1850 Inhaber der G. Finckeschen Buchhandlung zu Berlin. Fincke, Heinrich Arnold (1735–1823), Advokat in Göttingen. Fincke oder Finke, Johann Christoph (1775–1813), Jurist, 1798 Privatdozent an der Universität Göttingen, 1809 Professor an der Universität Kasan. Fincke, Sophie Antoinette Philippine (1809–?), geboren in Göttingen, Tochter von Johann Christoph Fincke. Fojgt, Karl Karlovič / Ɏɨɣɝɬ, Ʉɚɪɥ Ʉɚɪɥɨɜɢɱ (1808–1873), Studium orientalischer und asiatischer Sprachen an der Universität Kasan, Dozent für deutsche Sprache und deutsche Literatur, später Professor für russische Sprache und russische Literatur in Kasan, 1853 Wechsel an die Universität Charkow, 1863 Kurator des Bildungsbezirks Charkow. Foncenex, Francois Daviet de (1734–1799), französischer Offizier, Verfasser von Schriften zur Mechanik und über komplexe Zahlen. Franz I. (1768–1835), von 1792 bis 1806 als Franz II. römisch-deutscher Kaiser, ab 1804 als Franz I. Kaiser von Österreich. Fraunhofer, Joseph von (1787–1826), Autodidakt, wirkte seit 1806 am Mathematisch-Mechanischen Institut in München und am Optischen Institut in Benediktbeuren, dessen Teilhaber er ab 1809 war, 1817 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Frenet, Jean Frédéric (1816–1900), französischer Mathematiker, Astronom und Meteorologe. Friedrich VI. (1768–1839), ab 1808 König von Dänemark. Friedrich Wilhelm III. (1770–1840), ab 1797 König von Preußen. Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), Sohn von Friedrich Wilhelm III., ab 1840 König von Preußen. Friedrich Wilhelm (1771–1815), Herzog von Braunschweig-Lüneburg, Sohn und Nachfolger des Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand, der „Schwarze Herzog“, gefallen am 16.6.1815 in der Schlacht von Quatrebas. Fuß, Albertine Benedikte Philippine Luise, geb. Euler (1766–1822), Tochter von Johann Albrecht Euler, Enkelin von Leonhard Euler, heiratete 1784 Nikolaus Fuß.

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Fuß, Georg Albert / Ɏɭɫɫ, ȿɝɨɪ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ / Fuss, Egor Nikolaevič (1806–1854), Sohn von Nikolaus Fuß, von 1830 bis 1832 zusammen mit Alexander Bunge auf einer Expedition in Sibirien und in China, 1836/37 Teilnehmer an der Expedition in den Kaukasus zur Ermittlung des Höhenunterschieds zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer, 1839 Astronom an der russischen Hauptsternwarte Pulkowo, 1848 Direktor der Sternwarte in Wilna. Fuß, Nikolaus d. J. / Ɏɭɫɫ, ɇɢɤɨɥɚɣ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ / Fuss, Nikolaj Nikolaevič (1810– 1867), Sohn von Nikolaus Fuß, jüngster Bruder von Paul Heinrich Fuß, mit dem zusammen er einige Bände mit Werken von Leonhard Euler herausbrachte, Studium an der Universität Dorpat, 1833 Oberlehrer für Mathematik und Physik an der Marinekadettenschule in St. Petersburg, 1837 Lehrer am Larin-Gymnasium ebenda. Fuß, Victor Friedrich (1839–1915), Astronom, von 1871 bis 1905 an der Marinesternwarte in Kronstadt bei St. Petersburg tätig. Fuß, Wilhelmine Dorothea, geb. Holst (1802–1897), Tochter des Kaufmanns Wilhelm Holst und Johanna Ohmanns, seit 1821 mit Paul Heinrich Fuß verheiratet. Fëdorov, Vasilij Fëdorovič / Ɏɺɞɨɪɨɜ, ȼɚɫɢɥɢɣ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ (1802–1855), Studium der Mathematik an der Universität Dorpat, Schüler von Wilhelm Struve, 1825 Assistent an der Sternwarte zu Dorpat, 1829/30 Teilnehmer an der Kaukasusexpedition von Friedrich Parrot, von 1832 bis 1837 astronomisch-geographische Reise in die Gegend zwischen 60° und 70° nördlicher Breite in Sibirien, 1837 Professor für Astronomie an der Universität Kiew (bestätigt im Amt 1839), unterrichtete auch Geodäsie und Sphärische Geometrie. Galle, Johann Gottfried (1812–1910), Studium an der Universität in Berlin, 1835 Assistent bei Johann Franz Encke an der Berliner Sternwarte, ab 1839 Berechnung der Ephemeriden für das „Berliner Astronomische Jahrbuch“, 1845 Promotion, am 23.9.1846 zusammen mit seinem Assistenten Heinrich Louis d’Arrest (1822–1875) Entdeckung des Planeten Neptun, 1851 Professor für Astronomie und Direktor der Sternwarte an der Universität Breslau. Gambey, Henri Prudent (1787–1847), Feinmechaniker und Instrumentenhersteller in Paris. Gauß, Friederica Wilhelmine (genannt Minna), geb. Waldeck (1788–1831), zweite Ehefrau von Gauß, Heirat am 4.8.1810. Gauß, Joseph (1806–1873), ältester Sohn von Gauß, 1824 Eintritt in die Hannoversche Fußartillerie, Mitarbeiter bei der Hannoverschen Landesvermessung, 1834 PremierLieutenant, 1836 Amerikareise (Studium des dortigen Eisenbahnwesens), 1846 Baurat bei der 1843 gegründeten Hannoverschen Eisenbahndirektion. Gauß, Johanna, geb. Osthoff (1780–1809), erste Ehefrau von Gauß, Heirat am 9.10.1805. Gay-Lussac, Joseph Louis (1778–1850), Chemiker und Physiker, Professor für Chemie und für Praktische Chemie an der École Polytechnique in Paris sowie gleichzeitig Professor für Physik und Chemie an der Sorbonne, 1830 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen.

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Georg IV. (1762–1830), ab 1820 König von Hannover und Großbritannien, verheiratet mit seiner Cousine Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel (1768–1821). Georg V. (1819–1878), von 1851 bis 1866 letzter König von Hannover, die letzten Lebensjahre im Exil in Gmunden, seit seinem 13. Lebensjahr erblindet. Geppert, Harald (1902–1945), von 1935 bis 1940 Ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Gießen, von 1940 bis 1945 an der Universität Berlin, Verfasser von gründlichen Untersuchungen über das Lebenswerk von Gauß. Gerling, Christian Ludwig (1788–1864), Studium an den Universitäten Helmstedt und Göttingen, Schüler von Gauß, Promotion 1812 in Göttingen, 1812 Lehrer für Mathematik am Lyzeum in Kassel, 1817 Professor für Mathematik, Astronomie und Physik an der Universität Marburg, leitete die Triangulierung von Kurhessen; gehörte zum engen Freundeskreis von Gauß, 1830 Korrespondierendes, 1861 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Gersdorf, Ernst Gotthelf (1804–1874), Studium der Theologie an der Universität Leipzig, bibliothekarische Tätigkeit in Dresden, Oberbibliothekar in Leipzig, Herausgeber von 106 Bänden des „Repertoriums der gesammten deutschen Literatur“. Gervinus, Georg Gottfried (1805–1871), Historiker, Studium an den Universitäten Gießen und Heidelberg, 1835 Professor für Geschichte und Literatur in Heidelberg, 1836 Berufung nach Göttingen, 1837 einer der „Göttinger Sieben“ und daher fristlos entlassen, 1844 Honorarprofessor in Heidelberg, 1861 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Geßner oder Gessner, Georg (1765–1843), Pfarrer in Zürich, ab 1799 über 33 Jahre lang Pfarrer am Fraumünster in Zürich, 1798 zugleich auch Professor für Pastoraltheologie. Gilbert, Ludwig Wilhelm (1769–1824), Studium der Mathematik, der Physik und der Geographie in Halle, Promotion 1794 in Halle, 1801 Ordentlicher Professor für Physik in Greifswald, 1811 Professor für Physik in Leipzig, seit 1798 Herausgeber von 25 Jahrgängen der „Annalen der Physik und Chemie“, 1805 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Girgensohn, Theodor / Ƚɢɪɝɟɧcɨɧ, Ɏɺɞɨɪ ɏɪɢɫɬɨɮɨɪɨɜɢɱ / Girgenson, Fëdor Christoforovič (?–1848), Instrumentenhersteller der Mechanischen Kammer und des Physikalischen Kabinetts der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Gmelin, Johann Georg (1709–1755), Botaniker, Chemiker und Forschungsreisender, geboren in Tübingen, Studium an der Universität seiner Heimatstadt, von 1727 bis 1747 Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1727 Adjunkt, 1831 Professor für Chemie und Naturgeschichte ebenda, seit 1749 Professor für Botanik und Chemie in Tübingen, 1751 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Godunov, Boris Fëdorovič / Ƚɨɞɭɧɨɜ, Ȼɨɪɢɫ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ (ca. 1551–1605), 1584 Regent für den geistig zurückgebliebenen Zaren Fëdor I. (1557–1598), den Sohn und Nachfolger des Zaren Ivan IV./I. des Schrecklichen, von 1598 bis 1605 Zar Russlands;

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wird für die Ermordung des Zarevič Dmitrij (1582–1591), des jüngsten Sohns Ivans IV./I., verantwortlich gemacht, was umstritten ist. Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832), geadelt 1782, Dichter, Naturforscher und Staatsmann, 1823 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1826 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Gogol’, Nikolaj Vasil’evič / Ƚɨɝɨɥɶ, ɇɢɤɨɥɚɣ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1809–1852), Sohn eines ukrainischen Gutsbesitzers, herausragender russischer Schriftsteller. Goldbach, Christian von (1690–1764), Studium in Königsberg, von 1725 bis 1728 Konferenzsekretär der neugegründeten Akademie der Wissenschaften und Künste in St. Petersburg, ab 1727 Lehrer des jungen russischen Kaisers Peter II. (1715–1730), von 1728 bis 1732 Aufenthalt in Moskau, von 1732 bis 1742 wieder in St. Petersburg als Konferenzsekretär der Akademie, 1737/38 Geschäftsführer der Akademie, 1742 Umzug nach Moskau im Dienst des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten, längere Aufenthalte in St. Petersburg, 1754 entgültiger Umzug nach St. Petersburg, 1760 Geheimer Rat, pflegte Beziehungen mit Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff (1679–1754), wichtiger Gesprächs- und Briefpartner von Leonhard Euler. Goldbach, Christian Friedrich (1763–1811), Kalkulator in der Ratseinnahmestube zu Leipzig, als Astronom durch seinen 1799 erschienenen Himmelsatlas bekannt geworden, von 1804 bis 1811 Professor für Astronomie an der Universität Moskau. Goldhammer, Carl R. (?–?), übersetzte in den 1820 bis zu den 1840er Jahren russische literarische Werke ins Deutsche. Goldschmidt, Benjamin Karl Wolfgang (1807–1851), geboren in Braunschweig, 1828 an der Universität Göttingen Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften, unter anderem bei Gauß, 1834 Observator an der Göttinger Sternwarte, 1844 Außerordentlicher Professor in Göttingen. Golicyn, Aleksandr Nikolajevič / Ƚɨɥɢɰɵɧ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1773–1844), Fürst, von 1816 bis 1824 Minister für Volksaufklärung (dieses Amt war von 1817 bis 1824 mit dem Ministerium für geistliche Angelegenheiten vereinigt), 1826 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Golicyn, Dimitrij Alekseevič / Ƚɨɥɢɰɵɧ, Ⱦɦɢɬɪɢɣ Ⱥɥɟɤɫɟɟɜɢɱ (1734–1803), Fürst, Diplomat und Schriftsteller, 1754 an der russischen Botschaft in Paris, 1768 im Haag, 1778 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, verbrachte sein Lebensende in Braunschweig, wo er ein wichtiger Freund von Eberhard August Wilhelm von Zimmermann war, gestorben am 21.3.1803 in Braunschweig. Golovin, Michail Evseevič / Ƚɨɥɨɜɢɧ, Ɇɢɯɚɢɥ ȿɜɫɟɟɜɢɱ oder ȿɜɫɟɜɶɟɜɢɱ (1756– 1790), Neffe von Michail Vasil’evič Lomonosov, Studium am Akademischen Gymnasium in St. Petersburg, 1776 Adjunkt für Mathematik an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1786 Ehrenmitglied ebenda. Grässe oder Graesse, Johann Georg Theodor (1814–1885), deutscher Bibliograph, Sagenforscher und Literaturhistoriker.

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Greč, Nikolaj Ivanovič / Ƚɪɟɱ, ɇɢɤɨɥɚɣ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1787–1867), Journalist und Philologe, sein Großvater Johann-Ernst Gretsch war um 1750 als Lehrer einer Militäranstalt nach Russland gekommen; Studium am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, Herausgeber mehrerer Zeitschriften, darunter des „Syn Otečestva“, 1827 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie in St. Petersburg, 1841 der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ebenda. Grejg oder Greigh, Aleksej Samuilovič / Ƚɪɟɣɝ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ ɋɚɦɭɢɥɨɜɢɱ oder ɋɚɦoɣɥɨɜɢɱ (1775–1845), Admiral, von 1816 bis 1833 Oberkommandierender der Schwarzmeerflotte und der Häfen Nikolajew und Sewastopol, 1822 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Griboedov, Aleksandr Sergeevič / Ƚɪɢɛɨɟɞɨɜ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɋɟɪɝɟɟɜɢɱ (1795–1829), russischer Diplomat, Schriftsteller und Dramatiker. Grimm, Jacob Ludwig Carl (1785–1863), Sprach- und Literaturforscher, erlernte um 1815 auch slavische Sprachen, 1830 Ordentlicher Professor an der Universität Göttingen und Bibliothekar, 1837 einer der „Göttinger Sieben“ und deshalb fristlos entlassen, 1841 Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, 1825 Korrespondierendes, 1830 Ordentliches, 1837 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1854 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Grimm, Wilhelm Carl (1786–1859), Sprach- und Literaturforscher, Bruder von Jacob Grimm, 1831 Außerordentlicher, 1835 Ordentlicher Professor an der Universität Göttingen, 1837 einer der „Göttinger Sieben“, 1841 gemeinsam mit seinem Bruder Jacob Übersiedlung nach Berlin, 1825 Korrespondierendes, 1830 Ordentliches, 1837 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Gustav II. Adolf (1594–1632), ab 1611 König von Schweden, 1632 Gründer der Academia Gustaviana in Dorpat. Hadley, John (1682–1744), britischer Astronom und Mathematiker, stellte in Zusammenarbeit mit seinem Bruder George Hadley (1685–1768) hochwertige astronomische Instrumente her, darunter den so genannten Hadley-Quadranten. Halley, Edmond (1656–1742), berühmter englischer Astronom, Mathematiker und Physiker, 1720 zweiter Astronomer Royal und Direktor des Royal Greenwich Observatory. Hansen, Peter Andreas (1795–1874), 1821 Mitarbeiter bei der dänischen Gradmessung, 1825 Assistent bei Heinrich Christian Schumacher in Altona, 1825 Direktor der Sternwarte Seeberg bei Gotha, 1832 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1833 Korrespondierendes Mitglied für Astronomie und Geodäsie der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, ab 1839 Leiter der Interimssternwarte in Gotha in seinem eigenen Wohnhaus, 1849 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1853 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1858 Direktor der neuen Herzoglichen Sternwarte in der Jägerstraße in Gotha, 1866 Auswärtiges Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

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Hansteen, Christopher (1784–1873), Studium der Physik in Kopenhagen im Umkreis von Hans Christian Oersted, 1814 Dozent, von 1816 bis 1861 Professor für Mathematik und Astronomie an der Universität in Christiania, 1821 Auswärtiges Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1827 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1830 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1840 Korrespondierendes, 1862 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen; von besonderer Bedeutung war Hansteens Sibirienexpedition in den Jahren von 1828 bis 1830, in deren Verlauf er er zahlreiche erdmagnetische Messungen durchführte. Harding, Carl Ludwig (1765–1834), Astronom, geboren in Lauenburg, 1786 Immatrikulation für ein Theologiestudium an der Universität Göttingen, aber auch Besuch von Mathematikvorlesungen, 1796 Anstellung in Lilienthal an der Schröterschen Sternwarte, Entdeckung des kleinen Planeten Juno am 2.8.1804, 1805 Außerordentlicher, 1812 Ordentlicher Professor für Praktische Astronomie an der Universität Göttingen, 1803 Korrespondierendes, 1806 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Hassler, Ferdinand Rudolph (1770–1843), Mathematiker und Geodät, geboren in Aarau, Studium an der Universität Göttingen gleichzeitig mit Martin Bartels, 1805 Auswanderung in die USA, Professor für Mathematik an der Militärakademie in WestPoint, Professor für Naturphilosophie am Union College in Schenectady (New York), Leiter der US-amerikanischen Küstenvermessung. Hausmann, Johann Friedrich Ludwig (1782–1859), Mineraloge, Studium am Collegium Carolinum in Braunschweig und an der Universität Göttingen, 1805 Kammersekretär beim Bau- und Hüttendepartement in Braunschweig, 1809 Generalinspektor der Berg-, Hütten- und Salzwerke des Königreiches Westphalen in Kassel, 1811 als Nachfolger von Johann Beckmann (1739–1811) Professor für Mineralogie und Technologie an der Universität Göttingen, 1804 Korrespondierendes, 1811 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1838 Direktor, von 1840 bis zu seinem Lebensende Sekretär der Societät. Haüy, René Just (1743–1822), Studium der Theologie, 1770 Priester, 1802 Professor für Mineralogie am Musée d’Histoire Naturelle in Paris, 1807 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1809 Professor für Mineralogie an der Sorbonne, Begründer der kristallographischen Mineralogie. Heeren, Arnold Hermann Ludwig (1760–1842), 1787 Außerordentlicher, 1797 Ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Göttingen, 1801 zusätzlich Professor für Geschichte, 1797 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1827 Übernahme der Redaktion der „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“. Hehn, Julius Friedrich Adolph (1807–1889), von 1825 bis 1832 Studium der Medizin an der Universität Dorpat, von 1829 bis 1830 Teilnahme an der Expedition von Friedrich Parrot in den Kaukasus. Heine, Heinrich Eduard (1821–1881), Mathematiker, Studium der Mathematik, der Naturwissenschaften und der Philosophie in Göttingen, Berlin und Königsberg, Pro-

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motion 1842 in Berlin, Habilitation 1844 in Bonn, 1848 Professor in Bonn, ab 1856 Professor in Halle, 1865 Korrespondierendes, 1878 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Hell, Maximilian (1720–1792), Astronom, 1738 Eintritt in den Jesuitenorden, Studium an der Universität Wien, von 1755 bis zum Lebensende Direktor der Universitätssternwarte in Wien, 1774 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Hellwig, Johann Christian Ludwig (1743–1831), Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Universität Frankfurt/Oder, 1770 Lehrer an den Gymnasien Martineum und Catharineum in Braunschweig, Promotion 1773 an der Universität Helmstedt, 1802 Professor für Mathematik und Naturwissenschaften am Collegium Carolinum in Braunschweig, 1812 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Helmling, Peter (1817–1901), Studium in Heidelberg, Hauslehrer und Lehrer in Kurland und in Dorpat, Promotion 1850 in Heidelberg, 1851 Magisterexamen in Dorpat, 1852 Privatdozent, 1854 Außerordentlicher, von 1856/59 bis 1887 Ordentlicher Professor für Reine Mathematik an der Universität Dorpat. Hencke, Carl Ludwig (1793–1866), Postsekretär und Amateurastronom, am 8.12. 1845 Entdecker des kleinen Planeten Astraea. Henry Maurice, siehe Maurice, Henry. Hermann, Jacob (1678–1733), geboren in Basel, Studium in Basel bei Jakob I. Bernoulli, 1707 auf Empfehlung von Johann I. Bernoulli und Gottfried Wilhelm Leibniz Berufung auf Galileo Galileis (1564–1642) einstigen Lehrstuhl an der Universität Padua, 1713 Professor für Mathematik und Physik an der Universität Frankfurt/ Oder, von 1725 bis 1730 Ordentliches Mitglied für Mathematik, 1731 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1731 Professor für Ethik, Natur- und Völkerrecht an der Universität Basel. Herschel, Caroline Lucretia (1750–1848), Astronomin, Schwester und Mitarbeiterin von Friedrich Wilhelm Herschel, 1822 Rückkehr nach Hannover, 1828 Auszeichnung mit der Goldmedaille der Royal Astronomical Society, 1846 mit der Goldmedaille der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Herschel, Friedrich Wilhelm (1738–1822), geboren in Hannover, 1757 Auswanderung nach England, 1762 Konzertleiter in Leeds und in Bath, Amateurastronom und Fernrohrbauer, am 13.3.1781 Entdecker des Uranus, danach Königlicher Hofastronom in Slough bei Windsor, 1786 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1789 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Herschel, John (1792–1871), Astronom und Physiker, Sohn von Friedrich Wilhelm Herschel, Studium am St. John’s College in Cambridge, von 1820 bis 1827 Foreign Secretary of the Astronomical Society und mehrfach deren Präsident, von 1824 bis 1827 Secretary of the Royal Society, Direktor der Königlichen Münze in London, 1815 Korrespondierendes, 1840 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der

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Wissenschaften zu Göttingen, 1826 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Hesperus, eine Gestalt der frühen griechischen Mythologie, angeblich ein grosser Astronom, zu seinen Ehren wurde der Abendstern, die Venus, nach ihm benannt. Heyne, Christian Gottlob (1729–1812), klassischer Philologe, Studium an der Universität Leipzig, von 1763 bis 1809 Professor für Poesie und Beredsamkeit an der Universität Göttingen und Bibliothekar, 1763 Ordentliches Mitglied, von 1770 bis 1812 Sekretär der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Redakteur der „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“, 1805 Auswärtiges Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Hezel oder Hetzel, Johann Wilhelm Friedrich (1754–1824), Theologe, 1802 Professor an der Universität Dorpat. Himburg, Christian Friedrich (1733–1801), Berliner Buchhändler, gab 1775 „Goethes Schriften“ in einer dreibändigen Ausgabe ohne Wissen Goethes als Raubdruck heraus. Himly, Karl Gustav (1772–1837), Ophtalmologe, geboren in Braunschweig, seit 1801 Professor für Chirurgie und Augenheilkunde an der Universität Göttingen, 1793 Korrespondierendes, 1804 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Hoff, Carl Ernst Adolf von (1771–1837), Studium der Fächer Jura, Physik und Naturgeschichte an der Universität Göttingen, ab 1791 im diplomatischen Dienst des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, Kurator der Sternwarte Seeberg bei Gotha sowie der wissenschaftlichen und der Kunstsammlungen in Gotha, 1826 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Holst, Georg Daniel (1765–1829), Pfarrer in Nübel, Schleswig. Homann, Johann Baptist (1664–1724), Kartograph und Kartendrucker in Nürnberg. Horner, Johann Kaspar (1774–1834), Astronom und Mathematiker, Studium der Physik und der Astronomie in Göttingen, 1798/99 Adjunkt Franz Xaver von Zachs an der Sternwarte Seeberg bei Gotha, auf Zachs Empfehlung von 1803 bis 1808 als Astronom Teilnehmer an der Weltumseglung von Krusenstern, von 1806 bis 1808 Adjunkt für Astronomie an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, beschäftigt mit der Bearbeitung der Reiseergebnisse, von 1809 bis 1829 Lehrer für Mathematik, Logik und Rhetorik am Collegium Humanitatis in Zürich, von 1812 bis 1829 am Carolinum (Vorgängerinstitution der Universität Zürich), seit 1823 beschäftigt mit der Umarbeitung des Gehlerschen Physikalischen Wörterbuchs, u.a. an dem Kapitel über Magnetismus, 1806 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, von 1808 bis 1834 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Hoüel, Guillaume-Jules (1823–1886), französischer Mathematiker. Hubert (?–?), Uhrmacher.

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Humboldt, Alexander von (1769–1859), berühmter Naturforscher und Forschungsreisender, Studium in Frankfurt/Oder, Hamburg, Göttingen und Freiberg, Tätigkeit im preußischen Bergdienst, von 1799 bis 1804 Reise nach Süd-, Mittel- und Nordamerika, 1800 Auswärtiges, 1805 Ordentliches Mitglied der Académie Royale des Sciences et des Belles-Lettres zu Berlin, 1803 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, von 1807 bis 1827 Aufenthalt in Paris, 1808 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1818 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, ab 1827 in Berlin im Dienste der preußischen Könige, 1827/8 „Kosmos-Vorlesungen“ in Berlin; am 27.9.1826 auf der Reise von Paris nach Berlin Besuch bei Gauß in Göttingen, 1828 Organisation der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, an der Gauß teilnahm, 14.–23.9.1837 erneut Besuch bei Gauß in Göttingen. Huth, Johann Sigismund Gottfried (1763–1818), Studium und Promotion an der Universität Halle, 1789 Professor für Mathematik und Physik in Frankfurt/Oder, 1808 Professor für Reine Mathematik in Charkow, 1811 Professor für Reine und Angewandte Mathematik in Dorpat. Huygens, Christiaan (1629–1695), niederländischer Astronom, Mathematiker und Physiker. Ide, Johann Joseph Anton (1775–1806), ab 1796 Studium der Mathematik an der Universität Göttingen, einer von Gauß’ engsten Studienfreunden, Privatgelehrter in Göttingen, 1803 Professor für Mathematik an der Universität Moskau, 1805/6 hielt er Vorlesungen in lateinischer Sprache über die Höhere Geometrie. Inochodcev, Pëtr Borisovič / ɂɧɨɯɨɞɰɟɜ, ɉɺɬɪ Ȼɨɪɢɫɨɜɢɱ (1742–1806), Studium am Akademischen Gymnasium in St. Petersburg und an der Universität Göttingen, 1768 Adjunkt für Astronomie an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Angehöriger des engen Mitarbeiterkreises um Leonhard Euler, zusammen mit Georg Moritz Lowitz von 1769 bis 1773 Reise durch Mittelrussland, 1779 Außerordentliches, 1783 Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1797 bis 1799 Zensor in Riga, ab 1799 wieder Ordentliches Mitglied der Akademie in St. Petersburg. Ivan IV. Vasil’evič / ɂɜɚɧ IV. ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1530–1584, reg. ab 1533), Großfürst von Moskau, genannt der Schreckliche, 1547 als Ivan I. Krönung zum ersten Zaren von Russland. Jacobi, Carl Gustav Jacob (1804–1851), Studium an der Universität Berlin, 1826 Privatdozent, 1827 Außerordentlicher, 1829 Ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Königsberg, 1844 als Staatspensionär Übersiedlung nach Berlin, hier als Akademiemitglied Vorlesungen an der Universität, 1848/9 mannigfache politische Aktivitäten, 1849 Berufung an die Universität Wien, aber auf Grund einer Kabinettsorder Verbleib in Berlin, 1830 Korrespondierendes, 1833 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1840 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Jacobi, Moritz Hermann (1801–1874), Physiker und Ingenieur, Bruder von Carl Gustav Jacob Jacobi, Architekturstudium an der Universität Göttingen, 1835 Außerordentlicher Professor für Baukunst an der Universität Dorpat, 1837 Übersiedlung nach St. Petersburg, dort 1838 Korrespondierendes, 1839 Ordentliches Mitglied der Kaiser-

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lichen Akademie der Wissenschaften, 1864 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Jacquin, Joseph Franz von (1766–1839), Freiherr, Medizinstudium an der Universität Wien, 1788 Promotion, von 1797 bis 1838 Professor für Botanik und Chemie an der Universität Wien. Jaenisch, Andreas (?–?), Kommerzienrat in Wyborg, Vater von Carl Jaenisch. Janiševskij, Ėrast Petrovič / əɧɢɲɟɜɫɤɢɣ, ɗɪɚɫɬ ɉɟɬɪɨɜɢɱ (1829–1906), Schüler von N. I. Lobačevskij, 1865 Professor für Mathematik an der Universität Kasan, von 1871 bis 1881 Statthalter in Kasan. Janovskij, Boris Michajlovič / əɧɨɜɫɤɢɣ, Ȼɨɪɢɫ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ (1894–1967), von 1913 bis 1916 Studium an der Universität in St. Petersburg bzw. Petrograd, von 1918 bis 1926 Teilnehmer an der Untersuchung der Magnetischen Anomalie von Kursk, ab 1930 Mitarbeiter bei der Erstellung eines magnetischen Generalatlasses der UdSSR, von 1944 bis 1967 Professor für Geophysik an der Universität in Leningrad, darüber hinaus von 1946 bis 1948 Direktor des Allunionforschungsinstitutes für Metrologie ebenda. Jaworsky, Andreas (1783/4–1829), Mechaniker, Schüler von Georg von Reichenbach, Leiter der Werkstätten des Wiener Polytechnikums. Jazykov, Nikolaj Michajlovič / əɡɵɤɨɜ, ɇɢɤɨɥɚɣ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ (1803–1847), russischer Dichter, Studium am Berg-Kadettenkorps in St. Petersburg und an der Universität Dorpat, ab 1829 in Moskau tätig, Freund von Puškin und Gogol’. Jensen, Christian Albrecht (1792–1870), dänischer Maler und Porträtist, von 1818 bis 1823 Italienreise, ab 1832 Kopist in der Gemäldesammlung der dänischen Königsfamilie auf Schloss Frederiksborg, schuf 1840 das Gauß-Portrait für die Sternwarte in Pulkowo. Jérôme Bonaparte (1784–1860), jüngster Bruder Napoleons I., von 1807 bis 1813 als Jérôme Napoleon König von Westphalen. Joseph Anton Johann, Erzherzog von Österreich (1776–1847), Sohn des Kaisers Leopold II., in erster Ehe verheiratet mit Aleksandra Pavlovna (1783–1801), einer Tochter des Kaisers Pavel I., 1796 Palatin von Ungarn. Kämtz, Ludwig Friedrich (1801–1867), 1822 Promotion an der Universität Halle, 1827 Außerordentlicher, 1834 Ordentlicher Professor für Physik an der Universität Halle, 1842 Professor für Physik an der Universität Dorpat, 1865 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und Direktor des dortigen Physikalischen Hauptobservatoriums. Kant, Immauel (1724–1804), Studium der Naturwissenschaften, der Mathematik und der Philosophie an der Universität Königsberg, 1770 Professor für Logik und Metaphysik an der Königsberger Albertina, 1794 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Karamzin, Nikolaj Michajlovič / Ʉɚɪɚɦɡɢɧ, ɇɢɤɨɥɚɣ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ (1766–1826), Schriftsteller und Historiker, von 1782 bis 1783 im Militärdienst, von 1789 bis 1791

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Europareise, Herausgeber mehrerer Zeitschriften, 1803 Ernennung zum Reichshistoriographen durch Kaiser Alexander I. Karl Theodor (1724–1799), ab 1742 als Karl IV. Kurfürst von der Pfalz sowie Herzog von Jülich-Berg, ab 1777 als Karl II. Kurfürst von Bayern, Aufklärer, Mäzen, 1763 Gründer der Mannheimer Akademie der Wissenschaften und 1780 der Societas Meteorologica Palatina. Karl XI. (1655–1697), ab 1660 König von Schweden. Karl XII. (1682–1718), ab 1697 König von Schweden. Kästner, Abraham Gotthelf (1719–1800), Mathematiker, 1739 Privatdozent für Philosophie, Mathematik und Physik an der Universität Leipzig, 1746 Außerordentlicher Professor in Leipzig, 1756 Professor für Mathematik und Physik an der Universität Göttingen, 1786 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Kater, Henry (1777–1835), britischer Kapitän und Physiker, Teilnehmer am Survey of India, Erfinder des Reversionspendels. Katharina I. / ȿɤɚɬɟɪɢɧɚ I., geb. Martha Elena Skawronska (1684–1727), Tochter eines litauischen Bauern, zweite Ehefrau von Zar Peter I., Heirat 1712, regierte ab 1725 als Kaiserin von Russland. Katharina II. / ȿɤɚɬɟɪɢɧɚ II., geb. Prinzessin Sophie Auguste Friederike von AnhaltZerbst (1729–1796), 1745 Ehefrau des zukünftigen Kaisers Peter III. (1728–1762), regierte ab 1762 als Kaiserin von Russland. Kepler, Johannes (1571–1630), berühmter Mathematiker und Astronom, Entdecker der Gesetze der Planetenbewegung. Klado, Tat’jana Nikolaevna / Ʉɥɚɞɨ, Ɍɚɬɶɹɧa ɇɢɤɨɥɚɟɜɧa (1899–1972), Übersetzerin, Wissenschaftshistorikerin, 1955 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Leningrad. Klaproth, Heinrich Julius (1783–1835), Orientalist, Sinologe und Forschungsreisender, von 1804 bis 1817 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1812 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Klinger, Friedrich Maximilian (1752–1831), Dichter und Dramatiker, geboren in Frankfurt am Main, Jugendfreund von Johann Wolfgang Goethe, ab 1780 Laufbahn in Russland, von 1803 bis 1817 Kurator des Lehrbezirks Dorpat. Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724–1803), Dichter, einer der Begründer der Erlebnisdichtung. Klügel, Georg Simon (1739–1812), Studium der Theologie und der Mathematik in Göttingen, 1767 Professor für Mathematik an der Universität Helmstedt, 1787 Professor für Mathematik und Physik in Halle. Kmeth, Daniel Matej (1783–1825), geboren zu Bries in Ungarn, von 1807 bis 1809 Studium der Theologie und von 1810 bis 1812 der Astronomie an der Königlichen

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Ungarischen Universität in Pest, von 1812 bis 1823 Assistent von Johann Pasquich auf der Stenwarte auf dem Gellertberg in Ofen, 1823 Professor für Mathematik an der Academia Cassoviensis in Kaschau (Košice). Knorr, Ernst / Ʉɧɨɪɪ, ɗɪɧɫɬ Ⱥɜɝɭɫɬɨɜɢɱ / Knorr, Ėrnst Avgustovič (1805–1879), Physiker, Studium, 1830 Promotion an der Universität Berlin, 1827/28 Assistent Alexander von Humboldts bei dessen „Kosmos-Vorlesungen“ in Berlin, von 1832 bis 1846 Professor für Physik und Physikalische Geographie an der Universität Kasan, 1840 im Auftrag der russischen Regierung neunmonatige Reise in die Schweiz, nach Deutschland, England und Frankreich zum Kauf von physikalischen Instrumenten, von 1846 bis 1858 Professor in Kiew, die letzten Lebensjahre in Dresden. Knorre, Ernst Christoph Friedrich (1759–1810), Astronom, geboren zu Neuhaldensleben bei Magdeburg, Studium der Theologie an der Universität Halle, 1789 Direktor der Höheren Töchterschule in Dorpat (ADB: 16, S. 328), 1803 Außerordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Dorpat und zugleich Observator an der Sternwarte. Knorre, Karl Friedrich / Ʉɧɨɪɪɟ, Ʉɚɪɥ ɏɪɢɫɬɨɮɨɪɨɜɢɱ / Knorre, Karl Christoforovič (1801–1883), geboren in Dorpat, Sohn von Ernst Christoph Friedrich Knorre, Studium an der Universität Dorpat, Teilnehmer an der Vermessung Livlands, 1821 auf Empfehlung von Wilhelm Struve Direktor der Sternwarte in Nikolajew, die er über 40 Jahre lang leitete, um 1825 Reise nach Deutschland, dabei Besuch bei Gauß in Göttingen und bei Bessel in Königsberg, 1828 Auswärtiges Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1871 Übersiedelung nach Berlin. Konstantin Nikolaevič Romanov / Ʉɨɧɫɬɚɧɬɢɧ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ Ɋɨɦɚɧɨɜ (1827–1892), Großfürst, Sohn von Kaiser Nikolaj I., 1844 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1845 erster Präsident der Russischen Geographischen Gesellschaft. Konstantin Pavlovič Romanov / Ʉɨɧɫɬɚɧɬɢɧ ɉɚɜɥɨɜɢɱ Ɋɨɦɚɧɨɜ (1779–1831), Großfürst, Sohn von Kaiser Pavel. I. und älterer Bruder von Kaiser Nikolaj I., 1826 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Korinfskij, Michail Petrovič / Ʉɨɪɢɧɮɫɤɢɣ, Ɇɢɯɚɢɥ ɉɟɬɪɨɜɢɱ (1788–1851), Dozent für Architektur an der Universtität Kasan, seit 1825 auch Universitätsarchitekt. Kosegarten, Friedrich Franz von (1772–1849), Dichter, Pädagoge und Herausgeber, geboren in Grevesmühlen, Studium der Theologie an der Universität Rostock, Schriftsteller, von 1802 bis 1803 in Dorpat, von 1814 bis 1837 in Reval. Kotel’nikov, Pëtr Ivanovič / Ʉɨɬɟɥɶɧɢɤɨɜ, ɉɺɬɪ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1809–1879), Mathematiker, Studium an den Universitäten Charkow und Dorpat, Promotion 1832 in Dorpat, von 1833 bis 1835 Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, Besuch von Vorlesungen bei Lejeune Dirichlet und Jakob Steiner, 1835 Außerordentlicher, 1839 Ordentlicher Professor für Angewandte Mathematik an der Universität Kasan. Kotel’nikov, Semën Kirillovič / Ʉɨɬɟɥɶɧɢɤɨɜ, ɋɟɦɺɧ Ʉɢɪɢɥɥɨɜɢɱ (1723–1806), Mathematiker, Besuch des Gymnasiums und der Universität bei der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Schüler von Leonhard Euler in Berlin, 1751 Adjunkt, 1757 Professor für Mathematik an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1760 bis 1797 Professor für Höhere Mathematik und 1797 Ehrenmit-

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glied ebenda, von 1771 bis 1797 Betreuer der Kunstkammer und des Mineralogischen Kabinetts der Akademie. Kotzebue, Otto von (1787–1846), zweiter Sohn des Dichters August von Kotzebue (1761–1819), dreifach Weltumsegler, zuerst von 1803 bis 1806 mit Adam Johann von Krusenstern, dann von 1815 bis 1818 sowie von 1823 bis 1826 unter eigenem Kommando. Kovalevskaja, Sof’ja Vasil’evna, geb. Korvin-Krukovskaja / Ʉɨɜɚɥɟɜɫɤɚɹ, ɋɨɮɶɹ ȼɚɫɢɥɶɟɜɧɚ, ɭɪɨɠɞɺɧɧɚɹ Ʉɨɪɜɢɧ-Ʉɪɭɤɨɜɫɤɚɹ (1850–1891), Mathematikerin, Studium an der Universität Heidelberg und bei Karl Weierstraß in Berlin, 1874 Promotion in absentia an der Universität Göttingen, 1884 als erste Frau im 19. Jahrhundert Inhaberin einer Professur für Mathematik an der Universität Stockholm, 1889 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Kovan’ko, Aleksej Ivanovič / Ʉɨɜɚɧɶɤɨ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1808–1870), Bergingenieur und Hüttenverwalter, der erste in Russland in diesem Amt, Teilnehmer an der russischen Geistlichen Gesandtschaft nach Peking im Jahre 1830. Krafft, Georg Wolfgang (1701–1754), 1727 Adjunkt, 1731 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1731 Professor für Mathematik, 1733 Professor für Theoretische und Praktische Physik ebenda. Krafft, Wolfgang Ludwig / Ʉɪɚɮɬ, Ʌɨɝɢɧ ɘɪɶɟɜɢɱ / Kraft, Login Jur’evič (1743– 1814), 1768 Adjunkt für Physik, 1769 Reise nach Orenburg am Ural zur Beobachtung des Venusdurchgangs, 1771 Professor für Experimentalphysik an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, verantwortlich für das Physikalische Kabinett der Akademie, Angehöriger des engen Mitarbeiterkreises um Leonhard Euler. Krasnov, Andrej Nikolaevič / Ʉɪɚɫɧoɜ, Ⱥɧɞɪɟɣ ɇɢɤɨɥaɟɜɢɱ (1862–1914), älterer Bruder von Platon Krasnov, Absolvent der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität St. Petersburg, 1894 als erster Russe Inhaber eines Doktorgrads in der Geographie, einer der Begründer der Geobotanik, Freund und Kollege des herausragenden Biogeochemikers Vladimir Ivanovič Vernadskij (1863–1945). Krasnov, Pëtr Nikolaevič / Ʉɪɚɫɧoɜ, ɉɺɬɪ ɇɢɤɨɥaɟɜɢɱ (1869–1947), jüngerer Bruder von Platon Krasnov, General der zaristischen Armee, führende Figur der Bewegung gegen die Revolution und gegen die UdSSR, von 1920 bis 1945 im Exil in Deutschland, Frankreich und Österreich, Politiker und Schriftsteller, hingerichtet in Moskau. Krasnov, Platon Nikolaevič / Ʉɪɚɫɧoɜ, ɉɥɚɬɨɧ ɇɢɤɨɥaɟɜɢɱ (1866–1924), geboren in St. Petersburg, Sohn eines Generals und Militärhistorikers, Studium an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität St. Petersburg, als Schriftsteller und Übersetzer tätig. Kratzenstein, Christian Gottlieb oder Amadeus (1723–1795), Studium der Medizin und der Naturlehre an der Universität Halle, von 1748 bis 1753 Ordentliches Mitglied und Professor für Mechanik an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Reise um Skandinavien herum mit Ausgangspunkt am Weißen Meer sowie größere Reise nach Sibirien, 1753 Professor für Experimentalphysik an der Universität Kopenhagen, 1753 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.

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Kurzbiographien

Krayenhoff, Cornelis Rudolphus Theodorus (1758–1840), Arzt in Amsterdam, danach Militärkarriere als Ingenieur, Geodät bei der Vermessung Hollands. Krusenstern, Adam Johann von / Ʉɪɭɡɟɧɲɬɟɪɧ, ɂɜɚɧ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ / Kruzenštern, Ivan Fëdorovič (1770–1846), Admiral, von 1803 bis 1806 Erdumsegelung, 1811 Inspektor, 1827 Direktor des Seekadettenkorps in St. Petersburg, 1803 Korrespondierendes, 1806 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1815 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1832 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie in St. Petersburg. Krusenstern, Julius von / Ʉɪɭɡɟɧɲɬɟɪɧ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɂɜɚɧɨɜɢɱ / Kruzenštern, Aleksandr Ivanovič (1808–1888), Sohn von Adam Johann Krusenstern, Diplomat, Mitglied des Staatsrates im Königreich Polen, später Senator in St. Petersburg, Briefpartner von Alexander von Humboldt. Krusenstjern, Georg von (1899–1989), deutsch-baltischer Historiker und Genealoge, Gründer des „Baltischen Heimatbildarchivs Georg von Krusenstjern“, das sich seit 1990 an der Philipps-Universität Universität Marburg als „Bildarchiv Georg von Krusenstjern“ befindet. Krutikova, Marija Vladimirovna / Ʉɪɭɬɢɤɨɜɚ, Ɇɚɪɢɹ ȼɥɚɞɢɦɢɪɨɜɧɚ (1889–1974), wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften in Leningrad. Krylov, Aleksej Nikolaevič / Ʉɪɵɥɨɜ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1863–1945), Mathematiker, Mechaniker, Schiffsbauingenieur, 1916 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und später der Nachfolgeinstitution, der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, von 1916 bis 1917 Direktor des Physikalischen Hauptobservatoriums in Petrograd, von 1928 bis 1932 Direktor des Physikalisch-Mathematischen Institutes der Akademie der Wissenschaften in Leningrad (Vorgänger des V. A. Steklov-Instituts für Mathematik), Übersetzer mehrerer historischer wissenschaftlicher Werke, darunter von Gauß und von Newton. Krylov, Ivan Andrejevič / Ʉɪɵɥɨɜ, ɂɜɚɧ Ⱥɧɞɪɟɟɜɢɱ (1768–1844), bedeutender Fabeldichter und Übersetzer, von 1812 bis 1841 Bibliothekar der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek in St. Petersburg, 1811 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie in St. Petersburg, Verdienste als Sprachschöpfer, viele seiner Verse sind zu Sprichwörtern geworden. Kukol’nik, Nestor Vasil’evič / Ʉɭɤɨɥɶɧɢɤ, ɇɟɫɬɨɪ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1809–1868), Schriftsteller, Russischlehrer in Wilna, Tätigkeit im Finanzministerium und im Kriegsministerium in St. Petersburg. Kunowsky, Georg Karl Friedrich (1786–1846), Rechtsanwalt und Astronom in Berlin, Besitzer des besten damals in Berlin vorhandenen Fernrohres, Beobachtungen des Mondes und der Oberfläche des Mars, Anreger der Arbeiten von Beer und Mädler. Kupffer, Cathérine, geb. Riboulet (?–1835), erste Ehefrau von Adolph Theodor Kupffer.

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Kupffer, Friederike, geb. Bruhns (?–?), zweite Ehefrau von Carl Heinrich Kupffer, Schwester von Marie Henriette Bruhns. Kupffer, Ludwig (1801–1888), jüngerer Bruder von Adolph Theodor und Carl Heinrich Kupffer, kaufmännische Lehre, 1823 Handlungsangestellter in Moskau, 1825 Kaufmann Erster Gilde, von 1846 bis 1848 Ältester an der Börse, von 1844 bis 1855 Konsul der Freien Stadt Frankfurt in Riga, auch als Bildhauer hervorgetreten. Kupffer, Marija Fëdorovna, geb. Macdonald (?–?), zweite Ehefrau von Adolph Theodor Kupffer, Tochter des in Reval ansässigen Hofrats Dr. Macdonald. Kupffer, Marie Henriette, geb. Bruhns (?–1829), erste Ehefrau von Carl Heinrich Kupffer. Kušelev-Bezborodko, Aleksandr Grigor’evič / Ʉɭɲɟɥɟɜ-Ȼɟɡɛɨɪɨɞɤɨ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ƚɪɢɝɨɪɶɟɜɢɱ (1800–1855), Graf, von 1820 bis 1855 Ehrenkurator des Gymnasiums für Höhere Wissenschaften des Fürsten Bezborodko in Neshin. Küssner, Martha (1902–1982), Studium der Mathematik in Danzig, seit 1934 in Göttingen wohnhaft, Verfasserin von Forschungsarbeiten über Gauß, Mitglied der GaußGesellschaft in Göttingen. La Fontaine, Jean de (1621–1695), französischer Schriftsteller und Fabeldichter. La Hire, Philippe de (1640–1718), französischer Mathematiker und Astronom, 1678 Mitglied der Académie Royale des Sciences in Paris. Lagrange, Joseph-Louis (1736–1813), Mathematiker, geboren in Turin als Giuseppe Ludovico Lagrangia, 1752 Mathematiklehrer, 1755 Professor für Mathematik an der Königlichen Artillerieschule in Turin, nach kurzem Aufenthalt in Paris Annahme eines Angebots König Friedrichs II. von Preußen (1712–1786, reg. ab 1740) und 1766 als Nachfolger Leonhard Eulers Übersiedlung nach Berlin, Direktor der Mathematischen Klasse der Akademie, 1776 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1786 Rückkehr nach Paris, Aufnahme in die Académie Royale des Sciences, Lehrtätigkeit an der École Normale und an der École Polytechnique, 1801 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Lahire, siehe de La Hire, Philippe. Lalande, Joseph Jérôme Le Français de (1732–1807), berühmter Astronom, 1760 Professor für Astronomie und Direktor der Sternwarte am Collège de France in Paris, 1764 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1764 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, von 1794 bis 1807 Herausgeber der „Connaissance des temps“. Lambert, Johann Heinrich (1728–1777), Spross einer hugenottischen Flüchtlingsfamilie, 1746 Sekretär bei einem Juristen in Basel, von 1748 bis 1759 Hauslehrer in Chur, nach Zerschlagung der Hoffnung auf eine Professur in Göttingen auf Reisen, 1757 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1759 Mitglied und und besoldeter Professor an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1761 Mitglied der Académie Royale des Sciences et des Belles-Lettres

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zu Berlin (1765 bestätigt), 1770 Oberbaurat, Gründer des Berliner „Astronomischen Jahrbuchs“, dessen erster Band für das Jahr 1776 im Jahre 1774 erschien. Lamé, Gabriel (1795–1870), Studium an der École Polytechnique und an der École des Mines in Paris, 1820 Begleiter von Benoît Clapeyron (1799–1864) nach Russland, Tätigkeit am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege in St. Petersburg, 1829 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1832 Rückkehr nach Paris, Professor für Physik an der École Polytechnique, 1844 Mitglied der Académie des Sciences de Paris. Lamont, Johann von (1805–1879), geboren in Schottland, 1827 Gehilfe, 1828 Adjunkt an der Sternwarte in Bogenhausen bei München, nach Johann Georg Soldners Tod 1833 kommisarischer, 1835 offizieller Direktor der Sternwarte, dort 1840 Einrichtung eines erdmagnetischen Observatoriums, 1853 auch Professor für Astronomie an der Universität München. Langlois, Claude (?–?), bekannter Hersteller astronomischer Instrumente in Frankreich, von ca. 1730 bis 1750 im Dienste der Académie Royale des Sciences. Laplace, Pierre-Simon de (1749–1827), berühmter Mathematiker und Astronom, Studium der Theologie und der Philosophie am Jesuiten-Kolleg in Caen, durch Vermittlung Jean-Baptiste d’Alemberts Mathematiklehrer an der École Militaire in Paris, 1773 Mitglied der Académie Royale des Sciences, 1795 Vizepräsident, 1796 Präsident des Institut de France, 1795 Gründungsmitglied des Bureau des Longitudes, Prüfer an der École Polytechnique und Lehrer an der École Normale, 1799 Innenminister, 1801 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1802 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1808 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sowie der Académie Royale des Sciences et des Belles-Lettres zu Berlin. Lapšin, Vasilij Ivanovič (1809–1888), Studium an der Universität Dorpat, Schüler von Martin Bartels, 1835 Dozent am Lehrstuhl für Physik an der Universität Charkow, dort von 1841 bis 1849 magnetische Beobachtungen, von 1865 bis 1870 Professor an der Universität Noworossijsk. Lazarev, Michail Petrovič / Ʌɚɡɚɪɟɜ, Ɇɢɯɚɢɥ ɉɟɬɪɨɜɢɱ (1788–1851), Absolvent des Seekadettenkorps in St. Petersburg, von 1803 bis 1808 Weiterqualifikation in Großbritannien, Teilnehmer an drei Weltumsegelungen: von 1813 bis 1816, von 1819 bis 1821 und von 1822 bis 1825, 1832 Oberkommandierender der Schwarzmeerflotte, 1833 Gouverneur der Häfen Nikolajew und Sewastopol, Nachfolger des Admirals Grejg (Greigh), 1843 Admiral. Legendre, Adrien-Marie (1752–1833), bis 1770 Besuch des Collège Mazarin, von 1775 bis 1780 auf Empfehlung Jean-Baptiste d’Alemberts Lehrer an der École Militaire, von 1799 bis 1815 Prüfer ebenda, 1782 Korrespondierendes Mitglied der Académie Royale des Sciences, 1795 Mitglied des Institut de France in Paris, 1813 Mitglied des Bureau des Longitudes. Lenin / Ʌɟɧɢɧ, (?–?), Mitbeobachter von Adolph Theodor Kupffer um 1835 in St. Petersburg.

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Lenz, Emil / Ʌɟɧɰ, ɗɦɢɥɢɣ ɏɪɢɫɬɢɚɧɨɜɢɱ / Lenc, Ėmilij Christianovič (1804–1865), Studium an der Universität Dorpat, von 1823 bis 1826 Teilnehmer an der Weltumsegelung unter dem Kommando von Otto von Kotzebue, 1828 Adjunkt an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1829/30 Teilnehmer an einer Expedition in den Kaukasus, Besteigung des Elbrus, 1834 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg sowie ab 1835 gleichzeitig Professor für Physik an der Universität, von 1851 bis 1859 am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, 1864 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Lermontov, Michail Jur’evič / Ʌɟɪɦɨɧɬɨɜ, Ɇɢɯɚɢɥ ɘɪɶɟɜɢɱ (1814–1841), bedeutender russischer Schriftsteller und Dichter. Leverrier, Urbain Jean Joseph (1811–1877), Mathematiker und Astronom, Studium u.a. an der École Polytechnique, Zusammenarbeit mit Gay-Lussac, 1832 Beschäftigung mit Astronomie, 1837 Lehrer an der École Polytechnique, auf Grund seiner Berechnungen konnte am 23.9.1846 von Galle und d’Arrest in Berlin der neue Planet Neptun aufgefunden werden, 1846 Auszeichnung mit der Copley-Medaille der Royal Society, Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1848 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1853 bis 1870 als Nachfolger von François Arago Direktor des Observatoire de Paris. Lexell, Andreas Johann (1740–1784), Professor für Mathematik in Upsala, 1769 Adjunkt, 1771 Professor für Astronomie an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Angehöriger des engen Mitarbeiterkreises um Leonhard Euler. Liboschitz, Josef (1783–1824), um 1820 als Kaiserlicher Hofarzt in St. Petersburg tätig. Libri, Guillaume (1803–1869), Professor für Mathematik in Pisa, von 1830 bis 1848 als Bücherliebhaber in Paris wohnhaft und Inhaber einer Professur für Mathematik an der Sorbonne, 1850 Flucht nach London, da man ihm in Paris wegen des Diebstahls von Handschriften und Büchern den Prozess gemacht hatte. Lichtenberg, Georg Christoph (1742–1799), von 1763 bis 1766 Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Universität Göttingen, 1770 Professor für Mathematik und Experimentalphysik ebenda, 1794 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1774 Außerordentliches, 1776 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Lie, Marius Sophus (1842–1899), norwegischer Mathematiker, 1872 Professor in Christiania, von 1886 bis 1898 als Nachfolger von Felix Klein (1849–1925) an der Universität Leipzig tätig, 1872 Korrespondierendes, 1892 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1898 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Liebherr, Joseph (1767–1840), Instrumentenhersteller in München, 1802 zusammen mit Georg Friedrich von Reichenbach Gründer einer mechanischen Werkstätte in München.

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Liesganig, Joseph (1719–1799), Jesuit, Theologe und Astronom, 1742 Mathematiklehrer in Graz, 1744 Professor für Rhetorik in Linz, von 1756 bis 1773 Leiter der Wiener Sternwarte, zugleich Professor für Mathematik an der Universität Wien, in den 1760er Jahren Leiter der Gradmessungen des Wiener und des Ungarischen Meridians. Lieven, Carl von (1767–1844), Graf, ab 1826 Fürst, seine Mutter wurde von der Kaiserin Katharina II. zur Erzieherin ihres Enkels, des zukünftigen Kaisers Nikolaj I., ernannt, nach einer militärischen Karrierre 1817 von Kaiser Alexander I. zum Kurator des Dorpater Lehrbezirks und der Universität Dorpat berufen, in diesem Amt bis 1828 tätig, von 1828 bis 1833 Minister für Volksaufklärung, 1826 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Lindenau, Bernhard August von (1780–1854), Jurist und Astronom, von 1808 bis 1817 an der Sternwarte Seeberg bei Gotha als deren Direktor tätig, danach Übernahme diverser Staatsämter, 1810 Korrespondierendes, 1837 Ehrenmitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1840 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Listing, Johann Benedict (1808–1882), Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Universität Göttingen, Mitarbeiter von Wolfgang Sartorius von Waltershausen bei dessen erster Italienreise, 1837 Lehrer für Maschinenkunde in Hannover, 1839 Außerordentlicher, 1849 Ordentlicher Professor für Physik an der Universität Göttingen, 1861 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen; gehörte zum Freundeskreis von Gauß. Litke, Fëdor Petrovič / Ʌɢɬɤɟ, Ɏɺɞɨɪ ɉɟɬɪɨɜɢɱ oder Lütke, Friedrich Benjamin (1797–1882), Graf, deutschbaltischer Offizier, zunächst Freiwilliger in der englischen Marine, danach in russischen Diensten, von 1817 bis 1819 Weltumsegelung, von 1821 bis 1824 Expedition nach Kamtschatka, weitere Expeditionen in den Norden Russlands, 1843 Vizeadmiral, 1856 Admiral und Mitglied des Staatsrates, von 1864 bis 1882 Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, einer der Gründer der Russischen Geographischen Gesellschaft sowie von 1845 bis 1850 und von 1855 bis 1857 deren erster Vizepräsident. Littrow, Carl Ludwig von (1811–1877), Astronom, geboren in Kasan, Sohn von Joseph Johann Littrow, Studium an der Universität Wien, Promotion in Krakau, 1842 als Nachfolger seines Vaters Direktor der Universitätssternwarte in Wien. Littrow, Caroline, geb. von Ulrichsthal (1792–1833), Ehefrau von Joseph Johann Littrow. Ljapunov, Michail Vasil’evič / Ʌɹɩɭɧɨɜ, Ɇɢɯɚɢɥ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1820–1868), Astronom, Studium an der Universität Kasan, von 1842 bis 1845 Weiterbildung bei Wilhelm Struve in Pulkowo, von 1850 bis 1855 als Nachfolger von Ivan Michajlovič Simonov Direktor der Universitätssternwarte in Kasan. Lloyd, Humphrey (1800–1881), Studium am Trinity College in Dublin, 1824 Junior Fellow, 1831 Professor für Experimentalwissenschaften ebenda, 1837 Errichtung des Magnetischen Observatoriums in Dublin mit Ausbildungsfunktion, was zum Aufbau eines britischen magnetischen Beobachtungsnetzes beitrug, 1843 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, von 1846 bis 1851 Präsident der Royal Irish Academy.

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Lobačevskaja, Varvara Alekseevna, geb. Moiseeva / Ʌɨɛɚɱɟɜɫɤɚɹ, ȼɚɪɜɚɪɚ Ⱥɥɟɤɫɟɟɜɧɚ, ɭɪɨɠɞɺɧɧɚɹ Ɇɨɢɫɟɟɜɚ (1812–1885), Tochter des Gutsbesitzers Aleksej F. Moiseev, Ehefrau von Nikolaj Ivanovič Lobačevskij. Lobačevskaja, Varvara Nikolaevna, siehe Achlopkova. Loder, Justus Christian von (1753–1832), Mediziner, geboren in Riga, von 1773 bis 1777 Studium der Medizin an der Universität Göttingen, 1778 Professor an der Universität Jena, 1803 Professor an der Universität Halle, 1810 Leibarzt des Kaisers Alexander I., von 1819 bis 1830 Professor für Anatomie an der Universität Moskau, 1801 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen; gehörte zum Freundeskreis um Johann Wolfgang von Goethe und Alexander von Humboldt. Lohrmann, Wilhelm Gotthelf (1796–1840), bis 1814 Besuch der Bauschule an der Kunstakademie in Dresden, Teilnehmer an der Sächsischen Landesvermessung, 1827 Oberinspektor des Königlichen Mathematisch-Physikalischen Salons in Dresden, 1828 Leiter der Technischen Bildungsanstalt in Dresden, befasste sich mit der Topographie des Mondes. Lomonosov, Michail (Michajlo) Vasil’evič / Ʌɨɦɨɧɨɫɨɜ, Ɇɢɯɚɢɥ (Ɇɢɯɚɣɥo) ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1711–1765), russischer Universalgelehrter. Lottin, Victor Charles (1795–1858), französischer Navigationsoffizier, 1836 Teilnehmer an einer Expedition nach Island zu erdmagnetischen Beobachtungen, 1852 Korrespondierendes Mitglied der Académie des Sciences in Paris, Sektion für Geographie und Navigation. Lowitz, Georg Moritz (1722–1774), Astronom, Physiker und Kartograph, Schwager von Tobias Mayer, 1751 Leiter der Sternwarte in Nürnberg, 1755 Professor für Praktische Mathematik an der Universität Göttingen, 1755 Außerordentliches, 1759 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1867 Professor für Astronomie an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Reise nach Russland zu wissenschaftlichen Zwecken, z.B. zur Beobachtung des Venusdurchgangs von 1769, 1774 von aufständischen Wolga-Kosaken brutal ermordet. Lumiste, Ülo (geb. 1929), Mathematiker und Mathematikhistoriker in Estland. Lütke, Friedrich Benjamin, siehe Litke. Mädler, Minna, geb. Witte (1804–1891), Tochter von Wilhelmine Witte, Dichterin und Schriftstellerin, Ehefrau von Johann Heinrich Mädler, Heirat am 4.6.1840. Magnickij, Michail Leont’evič / Ɇɚɝɧɢɰɤɢɣ, Ɇɢɯɚɢɥ Ʌɟɨɧɬɶɟɜɢɱ (1778–1855), Studium an der Universität Moskau, Tätigkeit im Außenministerium, von 1819 bis 1826 Kurator des Bildungsbezirks Kasan. Mainardi, Gaspare (1800–1879), italienischer Mathematiker, Studium in Mailand und Pavia, 1822 Assistent, später Professor an der Universität Pavia. Malus, Étienne Louis (1775–1812), Studium an der École Royale du Génie in Mézières und an der École Polytechnique, von 1798 bis 1801 Teilnehmer an Napoleons Expedi-

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tion nach Ägypten und Syrien, in verschiedenen Städten als Ingenieur tätig, Prüfer an der École Polytechnique in Paris, 1810 Mitglied des Institut Impérial de France. Maria Theresia (1717–1780), Gemahlin des römisch-deutschen Kaisers Franz I., Herrscherin über den Vielvölkerstaat Österreich. Marija Fëdorovna / Ɇɚɪɢɹ Ɏɺɞɨɪɨɜɧɚ, geb. Prinzessin Sophie Dorothee Auguste Luise von Württemberg (1759–1828), seit 1776 zweite Ehefrau des Kaisers Pavel I., Mutter der Kaiser Alexander I. und Nikolaj I. Maser, Hermann (1856–1902), deutscher Mathematiker, wirkte vor allem als Übersetzer. Maskelyne, Nevil (1732–1811), Studium am Trinity College in Cambridge, 1759 Mitglied der Royal Society, 1765 fünfter Astronomer Royal und Direktor des Royal Greenwich Observatory, 1771 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Teilnehmer an zahlreichen astronomischen Expeditionen, seit 1767 Herausgeber des „Nautical Almanac and Astronomical Ephemeris“. Matthiessen, Erhard Adolf (1763–1831), Jurist, Kaufmann und Mathematiker, Besuch der gelehrten Schulen in Altona, Otterndorf, Verden, von 1784 bis 1788 Studium der Jurisprudenz an den Universitäten Kiel und Göttingen, Vorsteher eines Handelshauses in Altona und Inhaber diverser Ämter im Handelsbereich, seine freie Zeit widmete er der Mathematik und unterhielt Kontakte zu Heinrich Christian Schumacher. Maurice, Henry (1763–1825), Geistlicher und Astronom in Mannheim, von 1795 bis 1800 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1800 bis 1825 Auswärtiges Ehrenmitglied ebenda. Mauvais, Felix Victor (1809–1854), 1841 Assistent an der Pariser Sternwarte, 1843 Mitarbeiter im Bureau des Longitudes und Mitglied der Académie des Sciences in Paris, 1848 Mitglied der Nationalversammlung, bekannt als Entdecker der Kometen 1843 II, 1844 II und 1847 III. Mayer, Johann Tobias (1752–1830), ältester Sohn von Tobias Mayer, 1805 Ordentlicher Professor für Physik an der Universität Göttingen, 1799 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Mayer, Tobias (1723–1762), berühmter Göttinger Astronom, 1751 Ordentlicher Professor für Ökonomie, Mathematik und Astronomie an der Universität Göttingen, Leiter der dortigen Universitätssternwarte, 1751 Außerordentliches, 1753 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Mendeleev, Dmitrij Ivanovič / Ɇɟɧɞɟɥɟɟɜ, Ⱦɦɢɬɪɢɣ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1834–1907), berühmter russischer Chemiker, von 1867 bis 1890 Professor für Chemie an der Universität in St. Petersburg, 1893 Direktor des Russischen Amts für Maße und Gewichte, des 1842 von A. T. Kupffer gegründeten Dépôts für Maß- und Gewichtsmuster in St. Petersburg. Mendelssohn Bartholdy, Jakob Ludwig Felix (1809–1847), bedeutender Komponist des Zeitalters der Romantik, Bruder von Rebecca, die seit 1831 mit dem Mathematiker Lejeune Dirichlet verheiratet war. Mercator, Gerhard (1512–1594), Mathematiker, Geograph, Theologe sowie bekannter Kartograph und Globenhersteller.

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Merz, Georg (1793–1867), Optiker und Instrumentenhersteller, 1808 Mitarbeiter in der von Joseph von Utzschneider in Benediktbeuern für die Herstellung optischer Gläser errichteten Glashütte, Assistent von Joseph Fraunhofer, später einer der Leiter und Teilhaber der Glashütte in Benediktbeuern sowie des Instituts in München. Merz, Sigmund (1824–1908), Sohn von Georg Merz, nach dessen Tod Leiter des Unternehmens in Benediktbeuern. Merzbach, Uta Caecilia (geb. 1933), geboren in Deutschland, Studium an der University of Texas in Austin und an der Harvard University, US-amerikanische Mathematikhistorikerin. Meyerbeer, Giacomo (1791–1864), Opernkomponist, Bruder des Amateurastronomen Wilhelm Beer. Meyerstein oder Meierstein, Moritz (1808–1882), von 1822 bis 1825 Lehre bei dem Göttinger Instrumentenhersteller Philipp Rumpf (1791–1833), Tätigkeit bei der Firma Breithaupt in Kassel sowie am Mathematisch-Mechanischen Institut in München, Studium an der Polytechnischen Schule und an der Universität München, Übersiedelung nach Stockholm, seit 1834 Instrumentenhersteller in Göttingen, 1863 Verleihung eines Ehrendoktorats durch die Universität Göttingen. Michajlovskij-Danilevskij, Aleksandr Ivanovič / Ɇɢɯɚɣɥɨɜɫɤɢɣ-Ⱦɚɧɢɥɟɜɫɤɢɣ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1790–1848), General, Militärhistoriker, Studium an der Universität Göttingen, im Herbst 1808 Harzreise,Teilnehmer am Krieg gegen Napoleon, 1831 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie sowie 1841 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1835 Senator, 1839 Mitglied des Militärrates. Middendorf, Aleksandr Fëdorovič / Ɇɢɞɞɟɧɞɨɪɮ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ (1815– 1870), Studium der Medizin und der Zoologie in Dorpat, Berlin, Erlangen, Breslau und Wien, 1839 Außerordentlicher Profesor für Zoologie an der Universität Kiew, zahlreiche Forschungsreisen, 1845 Adjunkt, 1850 Außerordentliches, 1852 Ordentliches Mitglied sowie 1865 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1855 bis 1857 Ständiger Sekretär der Akademie, Mitgründer und Vizepräsident der Russischen Geographischen Gesellschaft, 1868 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Miller, William Hallowes (1801–1880), britischer Mineraloge, Kristallograph und Physiker, Studium und Lehre am St. John’s College in Cambridge, 1832 als Nachfolger von William Whewell (1794–1866) Professor für Mineralogie am Trinity College, 1838 Mitglied der Royal Society, 1849 Teilnehmer an der Feier zu Gauß’ Goldenem Doktorjubiläum, 1860 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Minding, Ferdinand (1806–1885), Studium der Fächer Philologie, Philosophie und Physik an den Universitäten Berlin und Halle, Promotion in Halle mit einer mathematischen Arbeit, von 1830 bis 1843 Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität und an der Bauschule in Berlin, von 1843 bis 1883 Professor für Mathematik an der Universität Dorpat, 1864 Korrespondierendes, 1879 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.

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Kurzbiographien

Mitscherlich, Eilhard (1794–1863), Studium der orientalischen Sprachen sowie der Fächer Medizin, Physik und Chemie, 1821 Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1822 Außerordentlicher, 1825 Ordentlicher Professor für Chemie und Mineralogie an der Universität Berlin, 1829 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1857 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Möbius, August Ferdinand (1790–1868), ab 1813 Studium an der Universität Göttingen bei Gauß, 1816 Außerordentlicher, 1844 Ordentlicher Professor für Astronomie an der Universität Leipzig, 1848 Direktor der dortigen Sternwarte, 1846 Korrespondierendes, 1864 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Molostvov, Vladimir Porfir’evič / Ɇɨɥɨɫɬɜɨɜ, ȼɥɚɞɢɦɢɪ ɉɨɪɮɢɪɶɟɜɢɱ (1794–1863), ab 1847 Kurator des Bildungsbezirks Kasan. Mongredien, Augustus (1807–1888), britischer Schachspieler. Morse, Samuel Finley Breese (1791–1872), Ausbildung zum Maler in London, einer der Mitgründer der National Academy of Design in New York, entwickelte ab 1837 einen elektromagnetischen Schreibtelegraphen, errichtete 1843 die erste Telegraphenlinie von Washington nach Baltimore. Müller, Johannes von (1752–1809), Staatsmann und Historiker, Theologiestudium in Göttingen, von 1781 bis 1783 Professor für Statistik am Collegium Carolinum in Kassel, 1792 Historiograph im österreichischen und 1804 im preußischen Dienst, 1807 Wechsel nach Kassel, der Hauptstadt des neugegründeten Königreichs Westphalen, 1808 dort Generaldirektor des Unterrichtswesens, 1808 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen; befreundet mit Alexander von Humboldt. Muncke, Georg Wilhelm (1772–1847), von 1810 bis 1817 Professor für Physik an der Universität Marburg, von 1817 bis zu seinem Lebensende an der Universität Heidelberg, 1826 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1830 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Murav’ëv, Michail Nikolaevič / Ɇɭɪɚɜɶɺɜ, Ɇɢɯɚɢɥ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1796–1866), Graf, von 1850 bis 1855 Vizepräsident der Russischen Geographischen Gesellschaft. Musin-Puškin, Michail Nikolaevič / Ɇɭɫɢɧ-ɉɭɲɤɢɧ, Ɇɢɯɚɢɥ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1795– 1862), von 1827 bis 1845 als Nachfolger von Michail Leont’evič Magnickij Kurator des Bildungsbezirks Kasan, von 1845 bis 1856 Kurator des Bildungsbezirks St. Petersburg. Müürsepp, Peeter (1918–1999), estnischer Wissenschaftshistoriker, Mitarbeiter am Institut für Physik und Astronomie der Estnischen Akademie der Wissenschaften. Napoleon I. (1769–1821), Napoléon Bonaparte, General, Staatsmann, von 1804 bis 1814 sowie 1815 Kaiser der Franzosen. Nasse, Johann Friedrich Wilhelm (1780–nach 1826), Chemietechnologe, Adjunkt für Technologie, 1805 Außerordentliches, von 1810 bis 1817 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.

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Nervander, Johan Jakob (1805–1848), Studium in Åbo, 1829 Promotion und späten Habilitation in Helsingfors, von 1832 bis 1836 Reise zu den Wissenschaftszentren in Europa, 1838 Gründung eines Magnetischen Observatoriums in Helsingfors, 1845 Ordentlicher Professor für Physik an der Universität Helsingfors. Nesselrode, Karl Robert von / ɇɟɫɫɟɥɶɪɨɞɟ, Ʉɚɪɥ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ / Nessel’rode, Karl Vasil’evič (1780–1862), Graf, russischer Diplomat, Außenminister und von 1845 bis 1856 Kanzler, 1833 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Neumann, Franz Ernst (1798–1895), Studium an den Universitäten Berlin und Jena, 1825 Promotion in Berlin, 1826 Privatdozent, von 1829 bis 1873 Professor für Mineralogie und Physik an der Universität Königsberg, 1838 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1856 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Newcomb, Simon (1835–1909), US-amerikanischer Astronom und Mathematiker, 1884 Professor für Mathematik und Astronomie an der Johns Hopkins University, 1874 Auszeichnung mit der Goldmedaille der Royal Astronomical Society, 1888 Korrespondierendes, 1907 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Newton, Isaac (1642–1726), berühmter englischer Mathematiker und Physiker, Begründer der klassischen theoretischen Physik. Nicolai, Friedrich Bernhard Gottfried (1793–1846), geboren in Braunschweig, um 1811 an der Universität Göttingen Studium zuerst der Theologie, dann der Astronomie bei Gauß, 1813 Adjunkt an der Sternwarte Seeberg bei Gotha, von 1816 bis zu seinem Lebensende Direktor der Mannheimer Sternwarte. Nicolai, Heinrich Ludwig von (1737–1820), Baron, von 1798 bis 1803 Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Nikol’skij, Grigorij Borisovič / ɇɢɤɨɥɶɫɤɢɣ, Ƚɪɢɝɨɪɢɣ Ȼɨɪɢɫɨɜɢɱ (1785–1844), Mathematiker, von 1803 bis 1808 Studium am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, 1808 Magister, 1811 Adjunkt für Mathematik, 1814 Außerordentlicher, 1817 Ordentlicher Professor für Angewandte Mathematik an der Universität Kasan, von 1820 bis 1823 Rektor ebenda, 1839 Ehrenmitglied der Universität Kasan. Nikolaj I. / ɇɢɤɨɥɚɣ I. (1796–1855), ab 1825 Kaiser von Russland. Norden, Aleksandr Petrovič / ɇɨɪɞɟɧ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɉɟɬɪɨɜɢɱ (1904–1993), Studium der Mathematik an der Universität Moskau, 1945 Lehrstuhlinhaber für Geometrie an der Universität Kasan, Herausgeber der Werke von N. I. Lobačevskij, 1992 Auszeichnung mit der Lobačevskij-Medaille der Universität Kasan. Norov, Avraam Sergeevič / ɇɨɪɨɜ, Ⱥɜɪaɚɦ ɋɟɪɝɟɟɜɢɱ (1795–1869), Staatsmann und Schriftsteller, von 1853 bis 1858 Minister für Volksaufklärung, 1840 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie, 1841 Ehrenmitglied, 1851 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie Wissenschaften in St. Petersburg. Nöschel, August (1809–1877), Physiker, von 1828 bis 1833 Studium an der Universität Dorpat, Inspektor des Physikalischen Kabinetts ebenda, 1837 Begleiter von Fried-

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Kurzbiographien

rich Parrot auf dessen Nordkap-Expedition, von 1840 bis 1841 Dozent an der Universität Dorpat, später als Hydrograph tätig, u.a. im Kaukasus. Novosil’cev, Nikolaj Nikolaevič / ɇɨɜɨɫɢɥɶɰɟɜ, ɇɢɤɨɥɚɣ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1762–1838), Vertrauter von Kaiser Alexander I., 1801 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1806 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie, von 1803 bis 1810 Präsident der Akademie der Wissenschaften und Kurator des Bildungsbezirks St. Petersburg, von 1834 bis 1836 Premierminister. Oersted oder Ørsted, Hans Christian (1777–1851), dänischer Physiker und Chemiker, Studium an der Universität in Kopenhagen, 1806 Professor für Chemie und Physik ebenda, um 1820 stellte er einen Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus fest, 1826 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1830 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Oesterley oder Österley, Karl Wilhelm Friedrich (1805–1891), Sohn eines Göttinger Universitätsinspektors, Kunststudium in Dresden und Rom, 1831 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Göttingen. Oken oder Okenfuß, Lorenz (1779–1851), Mediziner und Naturforscher, in Würzburg und in Göttingen (Habilitation, Privatdozent 1805–1807) tätig, 1807 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1807 Außerordentlicher Professor für Medizin, von 1812 bis 1819 Ordentlicher Professor für Naturgeschichte in Jena, rief 1822 die Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte ins Leben, deren erstes Treffen in Leipzig stattfand, 1827 Ordentlicher Professor für Physiologie in München, 1833 Professor für Naturgeschichte und erster Rektor der neugegründeten Universität Zürich. Olbers, Heinrich Wilhelm Matthias (1758–1840), Studium der Medizin und der Naturwissenschaften an der Universität Göttingen, seit 1781 Arzt in Bremen, Amateurastronom, seit 1799 Besitzer einer Sternwarte in seinem Wohnhaus in der Sandstraße, am 29.3.1807 Entdeckung des kleinen Planeten Pallas und am 28.3.1802 der Vesta, 1796 Korrespondierendes, 1802 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1812 Korrespondierendes, 1830 Auswärtiges Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1820 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; väterlicher Freund von Gauß. Oriani, Barnaba (1752–1832), 1777 Astronom am Osservatorio di Brera bei Mailand, 1802 dort Direktor der Sternwarte, 1802 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, seit 1778 Herausgeber der „Effemeridi astronomiche di Milano“. Orlov, Vasilij Ivanovič / Ɉɪɥɨɜ, ȼɚɫɢɥɢɣ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1792–1860), Militärarzt und Schriftsteller. Ostrogradskij, Michail Vasil’evič / Ɉɫɬɪɨɝɪɚɞɫɤɢɣ, Ɇɢɯɚɢɥ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1801– 1862), von 1816 bis 1820 Mathematikstudium in Charkow, jedoch ohne Abschluss, von 1822 bis 1827 weitere Studien in Paris unter Laplace, Fourier, Legendre, Poisson, Binet und Cauchy, im Frühjahr 1828 Rückkehr nach St. Petersburg, 1828 Adjunkt für Angewandte Mathematik, 1830 Außerordentliches, 1831 Ordentliches Mitglied für Angewandte Mathematik sowie 1855 Ordentliches Mitglied für Reine Mathematik an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1831 ferner Dozent

Kurzbiographien

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am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege, 1832 am Pädagogischen Hauptinstitut und 1836 am Seekadettenkorps in St. Petersburg. Ozerskij, Aleksandr Dmitrievič / Ɉɡɟɪɫɤɢɣ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ⱦɦɢɬɪɢɟɜɢɱ (1814–1880), Bergingenieur und Mineraloge, Studium am Berg-Kadettenkorps in St. Petersburg, 1831 Lehrer für Chemie und Mineralogie ebenda, 1836 Europareise und Studienaufenthalt bei Franz Ernst Neumann in Königsberg, 1848 Inspektor am Institut des Korps der Bergingenieure, 1857 Generalleutnant und Oberleiter der Bergwerke im Altai und im Gouvernement Tomsk, 1864 Mitglied des Gelehrten Bergkomitees am Bergdepartement. Ožigova, Elena Petrovna / Ɉɠɢɝɨɜɚ, ȿɥɟɧɚ ɉɟɬɪɨɜɧɚ (1923–1994), Mathematikhistorikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Leningrad. Panaev, Ivan Ivanovič / ɉɚɧɚɟɜ, ɂɜɚɧ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1812–1862), russischer Dichter und Schriftsteller. Parrot, Amalie Helene, geb. von Hausenberg (1777–1850), seit 1796 zweite Ehefrau von Georg Friedrich Parrot. Parrot, Caroline, geb. Fahl (?–?), dritte Ehefrau von Georg Friedrich Parrot, nahe Verwandte von dessen zweiter Ehefrau, Heirat um 1850. Parrot, Emilie, geb. Krause (?–?), zweite Ehefrau von Friedrich Parrot, Heirat um 1830. Parrot, Henriette (?–1825), Cousine und erste Ehefrau von Friedrich Parrot. Parrot, Susanne Wilhelmine, geb. Lefort (?–1794), seit 1789 erste Ehefrau von Georg Friedrich Parrot, Mutter von Wilhelm Friedrich und Friedrich Parrot. Pasquich, Johann (1753–1829), 1786 Adjunkt für Physik an der Universität Pest, Besuch bei Karsten, Kästner und Lichtenberg in Göttingen, 1789 Observator an der Sternwarte, von 1792 bis 1797 Professor für Höhere Mathematik in Pest, von 1797 bis 1802 Auslandsaufenthalte, darunter 1801 in Gotha bei Franz Xaver von Zach, 1798 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1803 Mitarbeiter und 1809 zweiter Astronom an der Sternwarte in Buda, von 1813 bis 1824 Direktor der neuen Sternwarte auf dem Gellertberg in Ofen. Pastorff, Johann Wilhelm (1767–1838), Amateurastronom, preußischer Gutsbesitzer, im Staatsbaudienst tätig. Paucker, Anna Christina Wilhelmine, geb. von Baggehufwudt (?–1835), erste Ehefrau von Magnus Georg Paucker. Pauker, German Egorovič / ɉɚɭɤɟɪ, Ƚɟɪɦɚɧ ȿɝɨɪɨɜɢɱ / Paucker, Hermann Julius Georg (1822–1889), Sohn von Magnus Georg Paucker, geboren in Mitau, Studium an der Hauptingenieurschule in St. Petersburg, 1847 Weiterbildung in Deutschland und Frankreich, 1853 Professor an der Hauptingenieurschule (ab 1855 Ingenieurakademie) in St. Petersburg, von 1872 bis 1879 auch Dozent am Technologischen Institut ebenda, 1883 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1888 Minister für Verkehrswege. Paucker, Theodosie Trotta, geb. von Treyden (?–?), zweite Ehefrau von Magnus Georg Paucker.

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Pavel I. / ɉɚɜɟɥ I. (1754–1801), ab 1796 Kaiser von Russland. Pavlova, Karolina Karlovna, geb. Janiš / ɉɚɜɥɨɜɚ, Ʉɚɪɨɥɢɧɚ Ʉɚɪɥɨɜɧɚ, ɭɪɨɠɞɺɧɧɚɹ əɧɢɲ (1807–1893), russische Dichterin, Tochter des Moskauer Mediziners Karl Ivanovič Janiš (1776–1854), Verwandte von Carl Jaenisch. Perevoščikov, Dimitrij Matveevič / ɉɟɪɟɜɨɳɢɤɨɜ, Ⱦɢɦɢɬɪɢɣ Ɇɚɬɜɟɟɜɢɱ (1788– 1880), Astronom, von 1802 bis 1805 Besuch des Gymnasiums in Kasan, Studium an der Universität Kasan, 1818 Dozent für transzendentale Geometrie an der Universität Moskau, von 1826 bis 1851 Professor für Astronomie an der Universität Moskau, zeitweise Dekan der Physikalisch-Mathematischen Fakultät, Prorektor und Rektor, 1830 Gründer der Universitätssternwarte in Moskau, 1852 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Perthes, Friedrich Christoph (1772–1843), Verlagsbuchhändler, 1796 Eröffnung einer Buchhandlung in Hamburg, 1822 mit seinem Verlag „Friedrich Perthes“ Übersiedlung nach Gotha. Peter I. / ɉɺɬɪ I. (1672–1725), ab 1682 Zar und ab 1721 Kaiser von Russland. Peters, Christian August Friedrich (1806–1880), von 1826 bis 1830 Assistent an der Altonaer Sternwarte bei Heinrich Christian Schumacher, 1833 Studium an der Universität in Königsberg, Assistent an der Hamburger Sternwarte, 1839 Assistent an der Sternwarte in Pulkowo, 1849 Ordentlicher Professor an der Universität Königsberg, 1854 Direktor der Sternwarte in Altona und Herausgeber der „Astronomischen Nachrichten“, 1872 Verlagerung der Sternwarte von Altona nach Kiel, 1873 Ordentlicher Professor an der Universität Kiel, von 1842 bis 1849 Ordentliches, 1849 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1851 Korrespondierendes, 1874 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1853 Korrespondierendes, 1859 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1866 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Peterson, Karl Michajlovič / ɉɟɬɟɪɫɨɧ, Ʉɚɪɥ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ (1828–1881), geboren in Riga, Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Universität Dorpat, Schüler von Ferdinand Minding, als Mathematiklehrer an diversen Schulen in Moskau tätig, Mitgründer der 1864 ins Leben gerufenen Mathematischen Gesellschaft in Moskau, 1879 Ehrendoktor der Universität Odessa. Pfaff, Christoph Heinrich (1773–1852), Bruder von Johann Friedrich Pfaff, 1802 Professor für Medizin sowie für Physik und Chemie an der Universität Kiel. Pfaff, Johann Friedrich (1765–1825), von 1774 bis 1785 Besuch der Hohen Carlsschule in Stuttgart, von 1785 bis 1787 Studium an der Universität Göttingen, danach Weiterbildung in praktischer Astronomie bei Johann Elert Bode in Berlin, 1787 Professor für Mathematik an der Universität Helmstedt (1799 Promotion von Gauß in Helmstedt), 1810 Professor für Mathematik an der Universität Halle, 1793 Korrespondierendes, 1798 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1793 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen.

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Pfaff, Johann Wilhelm Andreas (1774–1835), Bruder von Johann Friedrich Pfaff, Studium der Theologie am Evangelischen Stift in Tübingen, 1804 Professor für Reine und Angewandte Mathematik an der Universität Dorpat, dort auch Vorlesungen über Astronomie und Geodäsie, 1807 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1808 Korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1809 Professor am Realinstitut in Nürnberg, 1817 Professor für Mathematik an der Universität Würzburg und 1818 an der Universität Erlangen. Piazzi, Giuseppe (1746–1826), 1780 Professor für Mathematik an der Akademie in Palermo, 1790 Direktor der neuen Sternwarte in Palermo, erste Entdeckung des kleinen Planeten Ceres am 1.1.1801, 1804 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1805 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1808 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1812 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1817 gleichzeitig auch Direktor der Sternwarte in Neapel, 1824 Präsident der Akademie in Neapel. Pluchart, Alexander / ɉɥɸɲɚɪ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɂɜɚɧɨɜɢɱ / Pljušar, Aleksandr Ivanovič (1777–1827), kam 1806 nach St. Petersburg, um beim Außenministerium einen Verlag zu leiten, um 1813 in St. Petersburg Gründung eines eigenen Verlags, dort Einführung der lithographischen Methode von Paul Schilling von Canstadt, Zusammenarbeit u.a. mit Charles Philipp Reiff und Nikolaj Ivanovič Greč. Pluchart, Henriette / ɉɥɸɲɚɪ, Ƚɟɧɪɢɟɬɬɚ (?–nach 1833), Ehefrau von Alexander Pluchart. Poggendorff, Johann Christian (1796–1877), Physiker, 1834 Außerordentlicher Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, seit 1824 Herausgeber der „Annalen der Physik und Chemie“ , 1854 Korrespondierendes, 1864 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1868 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Poisson, Siméon-Denis (1781–1840), Baron, Studium an der École Polytechnique, 1802 Stellvertretender, 1806 Titularprofessor ebenda, 1808 Astronom im Bureau des Longitudes, 1809 Professor für Mechanik an der Faculté des Sciences, 1812 Mitglied des Institut Impérial de France, 1820 Mitglied am Conseil Royal de l’Université, 1826 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1837 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Popov, Aleksandr Fëdorovič / ɉɨɩɨɜ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ (1815–1878), Schüler von N. I. Lobačevskij an der Universität Kasan, 1845 Promotion in Kasan mit einer Arbeit über die Integration von Differentialgleichungen in der Hydrodynamik, die von Lobačevskij ausführlich besprochen wurde, 1846 als Nachfolger von Lobačevskij Ordentlicher Professor für Reine Mathematik in Kasan, 1866 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Popov, Aleksandr Stepanovič / ɉɨɩɨɜ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɋɬɟɩɚɧɨɜɢɱ (1859–1906), Erfinder des Radios, Studium an der Universität St. Petersburg, von 1901 bis zu seinem Lebensende Professor für Physik am Elektrotechnischen Institut in St. Petersburg.

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Posse, Konstantin Aleksandrovič / ɉɨɫɫɟ, Ʉɨɧɫɬɚɧɬɢɧ Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪɨɜɢɱ (1847–1928), Mathematiker, 1873 Promotion an der Universität St. Petersburg, 1880 Dozent, 1883 Außerordentlicher, 1886 Ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität St. Petersburg, von 1871 bis 1895 gleichzeitig Dozent für Höhere Mathematik am Institut der Ingenieure des Korps der Verkehrswege, 1916 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Petrograd. Posselt, Johannes Friedrich (1794–1823), Studium in Kopenhagen und in Göttingen, 1819 Professor für Mathematik an der Universität Jena und Leiter der dortigen Sternwarte. Poullet-Delisle, Antoine-Charles Marcel (1778–1849), Mathematiker in Orléans, übersetzte 1807 auf Anraten von Laplace Gauß’ „Disquisitiones arithmeticae“ ins Französische. Preuss oder Preuß, Ernst Wilhelm (1796–1839), von 1821 bis 1823 Studium der Philosophie an der Universität Dorpat, gleichzeitig Gehilfe an der dortigen Sternwarte, Teilnehmer an der Weltumsegelung Otto von Kotzebues, 1827 Observator an der Sternwarte in Dorpat. Pugačëv, Emel’jan Ivanovič / ɉɭɝɚɱɺɜ, ȿɦɟɥɶɹɧ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (ca. 1742–1775), Anführer des nach ihm benannten Bauernaufstandes in der Wolgaregion in den Jahren von 1773 bis 1775. Puškin, Aleksandr Sergeevič / ɉɭɲɤɢɧ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɋɟɪɝɟɟɜɢɱ (1799–1837), Dichter und Schriftsteller, gilt als der russische Nationaldichter. Pytheus (um 350 v. Chr.), Baumeister des Mausoleums von Halikarnas. Quételet, Lambert Adolphe Jacques (1796–1874), belgischer Astronom, 1828 Direktor des unter seiner Leitung errichteten Observatoire Royal de Belgique in Brüssel, 1836 gleichzeitig auch Professor für Astronomie und Mathematik an der Kriegsschule in Brüssel, 1837 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Ramsden, Jesse (1735–1800), Hersteller wissenschaftlicher Instrumente in London, Schwiegersohn des berühmten Optikers Dollond. Razumovskij, Aleksej Kirillovič / Ɋɚɡɭɦɨɜɫɤɢɣ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ Ʉɢɪɢɥɥɨɜɢɱ (1748–1822), Graf, Sohn von Kirill Grigorjevič Razumovskij, 1807 Kurator der Universität Moskau, 1808 Ehrenmitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, von 1810 bis 1816 Minister für Volksaufklärung. Razumovskij, Kirill Grigorjevič / Ɋɚɡɭɦɨɜɫɤɢɣ, Ʉɢɪɢɥɥ Ƚɪɢɝɨɪɶɟɜɢɱ (1728–1803), Graf, 1750 Hetmann der Ukraine, 1764 Feldmarschall, von 1746 bis 1798 Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1748 Auswärtiges Mitglied der Académie Royale des Sciences et des Belles-Lettres zu Berlin, 1788 Auswärtiges, 1811 Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Regnault, Henri Victor (1810–1878), Studium an der École Polytechnique und an der École des Mines in Paris, 1836 Assistent von Joseph Louis Gay-Lussac an der École Polytechnique, 1840 Mitglied der Académie des Sciences, 1841 Professor für Physik am Collège de France, 1854 Direktor der Porzellan-Manufaktur in Sèvres, 1848 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Peters-

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burg, 1859 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1848 Auszeichnung mit der Rumford-Medaille und 1869 mit der CopleyMedaille der Royal Society. Regner, Lars (1746–1810), 1785 Adjunkt für Physik, 1789 für Astronomie an der Universität Uppsala, 1796 Professor für Physik, 1799 Professor für Astronomie ebenda. Reichenbach, Georg Friedrich von (1771–1826), Artillerieoffizier, Salinenrat, Ingenieur und Instrumentenhersteller, von 1791 bis 1793 Studienreise nach England, 1802 zusammen mit Joseph Liebherr Gründung einer mechanischen Werkstätte in München, diese 1804 durch den Beitritt von Joseph von Utzschneider erweitert zum Mathematisch-Mechanischen Institut in München, von 1809 bis 1813 Teilhaber am Optischen Institut in Benediktbeuern, mit seiner Unterstützung wurde um 1819 am Polytechnischen Institut zu Wien eine mechanische Werkstätte für die Anfertigung geodätischer und astronomischer Instrumente eingerichtet. Reiff, Charles Philipp / Ɋɟɣɮ, Ʉɚɪɥ Ɏɢɥɢɩɩ / Rejf, Karl Filipp (1792–1872), Lexikograph, geboren in Neuchâtel in der Schweiz, Übersiedlung nach Russland, in St. Petersburg Lehrer für moderne Sprachen, Veröffentlichung einer Reihe von Werken, 1834 ausgezeichnet mit dem Demidov-Preis für sein als Handschrift eingereichtes großes etymologisches Lexikon „Dictionnaire russe-français“, um 1840 Wechsel nach Karlsruhe, dort Eröffnung einer eigenen Druckerei und eines Verlages, u.a. für seine eigenen Werke. Reinke oder Reineke / Rejneke, Michail Francevič / Ɋɟɣɧɟɤɟ, Ɇɢɯɚɢɥ Ɏɪɚɧɰɟɜɢɱ (1801–1859), Hydrograph, Seeoffizier, 1826 Leiter einer Expedition nach Lappland, von 1827 bis 1832 Leiter einer Expedition zu den Küsten des Weißen Meeres, von 1833 bis 1852 Erforschung der Ostee, 1855 Vizeadmiral, 1856 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Renner, Kaspar Friedrich / Ɋɟɧɧɟɪ, Ʉɚɫɩɚɪ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ / Renner, Kaspar Fëdorovič (1780–1816), von 1802 bis 1805 Studium an der Universität Göttingen, von 1805 bis 1807 Privatdozent in Göttingen, von 1808 bis zu seinem Lebensende Professor für Angewandte Mathematik in Kasan. Repsold, Adolf (1806–1871), Bruder von Georg Repsold. Repsold, Georg (1804–1885), Sohn von Johann Georg Repsold, 1830 zusammen mit seinem Bruder Adolf Übernahme des Betriebs seines Vaters. In der Firma A. & G. Repsold wurden noch mehr optische und astronomische Instrumente als früher hergestellt. Repsold, Johann Georg (1770–1830), Feinmechaniker, 1799 Gründer der Werkstatt für astronomische Instrumente in Hamburg, 1802 Errichtung eines privaten Observatoriums in Hamburg, dieses 1812 abgerissen, 1828 Fertigstellung der neuen Sternwarte in Hamburg. Riccioli, Giovanni Battista (1598–1671), italienischer Priester, Mathematiker und Astronom, einer der Pioniere der Selenographie. Richelieu, Armand du Plessis, Graf von Chinon, Herzog von Fronsac, Herzog von Richelieu (1766–1822), französischer und russischer Staatsmann, von 1803 bis 1814 Statthalter von Odessa, 1816 Mitglied der Académie Française in Paris.

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Kurzbiographien

Richelot, Friedrich Julius (1808–1875), 1832 Außerordentlicher, 1844 Ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Königsberg, Schüler und Nachfolger von Carl Gustav Jacob Jacobi. Riepenhausen, Otto (1676–1750), seit 1718 Bürgermeister von Göttingen, seine Tochter Dorothea Riepenhausen (1723–1765) 1756 verheiratet mit Georg Moritz Lowitz. Rose, Gustav (1798–1873), Mineraloge, Schüler von Jöns Jakob Berzelius, 1826 Professor für Mineralogie an der Universität Berlin, 1829 zusammen mit Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) Begleiter Alexander von Humboldts auf dessen Russlandreise, 1829 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1856 Direktor des Mineralogischen Museums in Berlin, 1856 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Ross, James Clark (1800–1862), Marineoffizier und Polarforscher, seit 1812 in der britischen Marine, von 1839 bis 1843 große Forschungsreise in die Antarktis. Roze, T. N. / Ɋɨɡɟ, Ɍ. ɇ. (?–?), Geophysikerin, war im Labor für Erforschung des Geomagnetismus an der Universität in Leningrad tätig. Rudolphi, Karl Asmund (1771–1832), Naturforscher und Mediziner schwedischer Abstammung, Studium in Greifswald und Jena, 1797 Adjunkt an der Universität Greifswald, 1801 Leiter der neuen Veterinärschule ebenda, 1803 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1810 Professor für Anatomie und Physiologie an der Universität Berlin, 1826 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Rümcker, Carl Ludwig Christian (1788–1862), von 1819 bis 1821 Leiter der Navigationsschule in Hamburg, als Astronom an der Sternwarte in Paramatta in Australien tätig, 1831 Rückkehr nach Hamburg, dort wieder Leiter der Navigationsschule und Direktor der Sternwarte, 1854 Auszeichnung mit der Goldmedaille der Royal Astronomical Society, 1854 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, seit 1857 in Lissabon. Rumovskij, Stepan Jakovlevič / Ɋɭɦɨɜɫɤɢɣ, ɋɬɟɩɚɧ əɤɨɜɥɟɜɢɱ (1734–1812), Astronom, 1753 Adjunkt an der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1754 bis 1756 in Berlin bei Leonhard Euler, der für seine mathematische Ausbildung sorgte, 1763 Außerordentlicher, 1767 Ordentlicher Professor und von 1800 bis 1803 Vizepräsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1766 als Nachfolger von Lomonosov Direktor des Geographischen Departments ebenda, ab 1803 Kurator des Bildungsbezirks Kasan. Rykačev, Michail Aleksandrovič / Ɋɵɤɚɱɺɜ, Ɇɢɯɚɢɥ Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪɨɜɢɱ (1840–1919), Absolvent des Seekadettenkorps und der Marineakademie in St. Petersburg, Weiterbildung am Greenwich Observatory, 1867 Assistent von Ludwig Friedrich Kämtz am Physikalischen Hauptobservatorium in St. Petersburg, 1868 stellvertretender Direktor, von 1896 bis 1913 Direktor ebenda, 1892 Korrespondierendes, 1896 Außerordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Sabine, Edward (1788–1883), Studium an der Royal Military Academy in Woolwich, Teilnehmer an mehreren Expeditionen, sorgte ab 1830 zusammen mit Humphrey

Kurzbiographien

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Lloyd für den Ausbau des britischen magnetischen Beobachtungsnetzes, 1839 Generalsekretär, 1852 Präsident der British Association for the Advancement of Science, 1845 Sekretär, 1850 Schatzmeister und von 1861 bis 1871 Präsident der Royal Society, 1823 Korrespondierendes, 1862 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1826 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Sabine, Elizabeth Juliana, geb. Leeves (1807–1879), Ehefrau von Edward Sabine, Übersetzerin von Werken von François Arago, Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß ins Englische. Sabler, Georg / ɋɚɛɥɟɪ, ȿɝɨɪ ȿɝɨɪɨɜɢɱ / Sabler, Egor Egorovič (1810–1865), Studium an der Universität Dorpat, Schüler und Assistent von Wilhelm Struve an der dortigen Sternwarte, 1836/37 Teilnehmer an der Expedition zur Ermittlung des Höhenunterschiedes zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer sowie an mehreren Chronometerexpeditionen, von 1839 bis 1854 Astronom in Pulkowo, von 1854 bis 1865 Direktor der Sternwarte in Wilna. Saltykov, Michail Aleksandrovič / ɋɚɥɬɵɤɨɜ, Ɇɢɯɚɢɥ Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪɨɜɢɱ (1767–1851), Graf, von 1812 bis 1818 Kurator des Bildungsbezirks Kasan, 1828 Senator in St. Petersburg. Sartorius von Waltershausen, Wolfgang von (1809–1876), Freiherr, Studium in Göttingen, Forschungsreisen nach Sizilien, Island und Großbritannien, 1847 Honorar-, 1848 Ordentlicher Professor für Geologie und Mineralogie an der Universität Göttingen sowie Direktor der mineralogisch-paläontologischen Sammlungen der Universität, 1856 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, Mitglied der Kaiserlich-Russischen Mineralogischen Gesellschaft zu St. Petersburg; enger Weggefährte von Gauß in dessen letzten Jahren. Savart, Félix (1791–1841), Arzt und Physiker, 1827 Mitglied der Académie des Sciences de Paris, 1828 Professor für Experimentalphysik am Collège de France in Paris. Savel’ev, Aleksandr Stepanovič / ɋɚɜɟɥɶɟɜ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɋɬɟɩɚɧɨɜɢɱ (1820–1860), Studium an der Universität St. Petersburg, 1841 Forschungsreise an die Küste des Weißen und des Nördlichen Eismeeres, 1846 Adjunkt für Physik, 1852 Außerordentlicher Professor für Physik und Physikalische Geographie an der Universität Kasan, Promotion 1852 ebenda, 1854 Wahl zum Ordentlichen Professor in Kasan, nach der Nichtbestätigung dieser Wahl Übersiedlung nach Moskau, 1857 Dozent an militärischen Lehranstalten in St. Petersburg. Savič, Aleksej Nikolaevič / ɋɚɜɢɱ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ ɇɢɤɨɥɚɟɜɢɱ (1811–1883), Studium an der Universität Charkow, von 1833 bis 1839 Weiterbildung an der Sternwarte in Dorpat, 1836/37 Teilnehmer an der Expedition zur Ermittlung des Höhenunterschiedes zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer sowie an mehreren Chronometerexpeditionen, von 1839 bis 1880 Professor an der Universität St. Petersburg, 1852 Korrespondierendes Mitglied für Mathematik und Astronomie, 1862 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Schardius, Friedrich Ludwig (1795–1855), Archivar am Archiv der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und Konservator an der Kaiserlichen Eremitage in St. Petersburg, schenkte 1852 der Universität Dorpat eine Sammlung von Autographen, die 1856 den Dorpater Beständen einverleibt wurde.

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Kurzbiographien

Schiemann, Karl Friedrich (1805–1845), von 1825 bis 1831 Studium der Medizin an der Universität Dorpat, von 1829 bis 1830 Teilnahme an der Expedition von Friedrich Parrot in den Kaukasus. Schiller, Johann Christoph Friedrich von (1759–1805), Dichter, Philosoph und Historiker, einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker. Schinkel, Karl Friedrich (1781–1841), berühmter Architekt des Klassizismus in Preußen. Schlözer, Karl von (1780–1859), jüngster Sohn August Ludwig von Schlözers (1735– 1809, geadelt 1803), der an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg tätig gewesen war, sowie Bruder von Dorothea Schlözer (1770–1825), Absolvierung einer Kaufmannslehre in Lübeck, 1806 Reise ins Baltikum und Aufenthalt in St. Petersburg, 1810 russischer Konsul, 1834 russischer Generalkonsul in Lübeck, 1857 Ehrendoktor der Universität Göttingen. Schmeißer, Johann Gottfried (1767–1837), Physiker und Chemiker, Apothekerlehrling in Braunschweig und Hamburg, Aufenthalt in London, Mitglied der Royal Society, Reisebegleiter von Baron Caspar von Voght und Johann Georg Büsch, längerer Aufenthalt bei Voght in Flottbeck, dort Einrichtung eines Laboratoriums, Vortragstätigkeit in Hamburg und in Kopenhagen, um 1805 Besitzer einer Apotheke in Altona. Schmidt, Johann Adolph Erdmann (1769–1851), Philologe, von 1817 bis 1847 Dozent für Russisch und Neugriechisch an der Universität Leipzig, Verfasser mehrerer Wörterbücher. Schmidt, Johann Carl Eduard (1803–1832), Mathematiker und Astronom, von 1819 bis 1822 Studium an der Universität Leipzig, 1822 Studium, 1823 Promotion an der Universität Göttingen, 1824 Privatdozent, 1831 Außerordentlicher Professor in Göttingen. Schramm oder Schramm-Macdonald, Hugo (1837–1914), Journalist in Dresden, Biograph von Adolph Theodor Kupffer. Schroeter oder Schröter, Johann Hieronymus (1745–1816), Studium der Theologie in Erfurt, in Göttingen Studium der Fächer Jurisprudenz, Mathematik und Astronomie, 1781 Amtmann in Lilienthal bei Bremen, als Amateurastronom Besitzer einer Privatsternwarte in Lilienthal, 1788 Korrespondierendes, 1792 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1792 Dr. h.c. der Jurisprudenz der Universität Erfurt, 1794 Auswärtiges Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1800 Mitgründer der „Vereinigten Astronomischen Gesellschaft“ in Lilienthal, 1808 Korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1813 Plünderung seiner Sternwarte durch französische Truppen. Schuberszky oder Schubersky, Ernst Johann (1795–1871), von 1812 bis 1816 Studium an der Universität Dorpat, von 1819 bis 1821 Studium der Mathematik an der Universität Göttingen, von 1823 bis 1871 in Russland und in Polen bei der Verwaltung der Verkehrswege tätig.

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Schubert, Friedrich Theodor d. J. von (1789–1865), Geodät und Topograph, Sohn von Friedrich Theodor Schubert d. Ä., von 1806 bis 1818 Teilnehmer an den Feldzügen gegen Napoleon, 1818 Leiter der Vermessung des Gouvernements St. Petersburg, 1819 Leiter der 3. Abteilung des Militärtopographischen Dépôts, 1822 Leiter des neugegründeten Korps der Militärvermessungsingenieure, 1825 Leiter des gesamten Militärtopographischen Dépôts, 1827 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1833 bis 1840 Leiter der Herstellung einer Spezialkarte Russlands. Schubert, Luise Friederike, geb. von Cronhelm (1764–1819), Ehefrau von Friedrich Theodor Schubert d. Ä., Mutter von Friedrich Theodor Schubert d. J. Schumacher, Heinrich Christian (1780–1850), Jurastudium in Kiel und Göttingen, 1804 Hauslehrer in Livland, 1805 Dozent für Rechtswissenschaften an der Universität Dorpat, 1806 Promotion in absentia an der Universität Göttingen, 1808 Studium der Astronomie an der Universität Göttingen bei Gauß, 1810 Außerordentlicher Professor für Astronomie in Kopenhagen, 1813 Hofastronom und Direktor der Sternwarte in Mannheim, 1821 Kauf eines Hauses in Altona, Einrichtung einer Privatsternwarte, 1823 Gründer und Herausgeber der „Astronomischen Nachrichten“, 1824 Korrespondierendes Mitglied für Astronomie und Geodäsie der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1826 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1834 Korrespondierendes, 1846 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1835 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen; gehörte zum engen Freundeskreis von Gauß. Schwarz, Ludwig (1822–1894), 1846 Assistent an der Sternwarte in Dorpat, von 1849 bis 1858 Ortsbestimmungen in Sibirien, 1865 Observator in Dorpat, 1872 als Nachfolger von Thomas Clausen Direktor der dortigen Sternwarte. Schweikart, Karl Ferdinand (1780–1859), Rechtswissenschaftler, Studium an der Universität Marburg, 1798 Promotion an der Universität Jena, 1809 Außerordentlicher Professor für Rechtswissenschaft in Gießen, 1812 Ordentlicher Professor in Charkow, 1816 in Marburg, 1821 in Königsberg. Scott, Walter (1771–1832), schottischer Schriftsteller. Secchi, Pietro Angelo (1818–1878), Jesuitenpater und Astronom, Sonnenforscher und Wegbereiter der Spektralanalyse, Studium am Collegio Romano, Exiljahre in England und in den USA, Tätigkeit an den Sternwarten am Stonyhurst College in Lancashire sowie am Georgetown College in Washington, 1850 Leiter der Vatikanischen Sternwarte des Collegio Romano. Seeber, Ludwig August (1793–1855), Mathematiker, von 1822 bis 1834 Ordentlicher Professor für Physik an der Universität Freiburg i. Br., danach bis 1840 Professor für Physik in Karlsruhe. Segelbach, Christian Friedrich (1763–1842), geboren in Erfurt, Studium an den Universitäten Erfurt und Jena, Promotion in Erfurt, anschließend Privatdozent ebenda, Vorlesungen über historische, philologische und mathematische Gegenstände, 1796 Lehrer an der Deutschen Hauptschule zu St. Petri in St. Petersburg, 1810 Professor für

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Kurzbiographien

Kirchengeschichte und theologische Literatur an der Universität Dorpat, 1837 Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Seidel, Philipp Ludwig von (1821–1896), Mathematiker, Optiker und Astronom, 1847 Privatdozent, 1851 Außerordentlicher, 1855 Ordentlicher Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 1851 Außerordentliches, 1861 Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1854 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Senff, Karl Eduard (1810–1849), Studium an der Universität Dorpat bei Martin Bartels, 1832/33 Deutschlandreise, Aufenthalt in Königsberg, 1837 Außerordentlicher, 1839 Ordentlicher Professor für Reine und Angewandte Mathematik in Dorpat, 1841/42 Dekan, von 1842 bis 1845 sowie von 1846 bis 1849 Prorektor ebenda. Senff, Karl Julius (1804–1832), Bruder von Karl Eduard Senff, ebenfalls Studium an der Universität Dorpat bei Martin Bartels. Šestakov / ɒɟɫɬɚɤɨɜ (?–?), um 1830 Mitarbeiter von I. M. Simonov in Kasan. Severgin, Vasilij Michajlovič / ɋɟɜɟɪɝɢɧ, ȼɚɫɢɥɢɣ Ɇɢɯɚɣɥɨɜɢɱ (1765–1826), Chemiker und Mineraloge, Studium an der Universität Göttingen, 1789 Adjunkt für Mineralogie, 1793 Ordentliches Mitglied an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Vorgänger von Adolph Theodor Kupffer, 1795 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Shakespeare, William (1564–1616), berühmter Dramatiker und Lyriker. Simonova, Marfa Petrovna, geb. Maksimovič / ɋɢɦɨɧɨɜɚ, Ɇɚɪɮɚ ɉɟɬɪɨɜɧɚ, ɭɪɨɠɞɺɧɧɚɹ Ɇɚɤɫɢɦɨɜɢɱ (1809–1840), Tochter des Adelsmarschalls von Astrachan, Ehefrau von Ivan Michajlovič Simonov. Širinskij-Šichmatov, Platon Aleksandrovič / ɒɢɪɢɧɫɤɢɣ-ɒɢɯɦɚɬɨɜ, ɉɥɚɬɨɧ Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪɨɜɢɱ (1790–1853), Fürst, von 1849 bis 1853 als Nachfolger von Sergej Semënovič Uvarov Minister für Volksaufklärung, 1828 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie, 1837 Ehrenmitglied, 1841 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Šiškov, Aleksandr Semënovič / ɒɢɲɤɨɜ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɋɟɦëɧɨɜɢɱ (1754–1841), Seeoffizier und Staatsmann, Admiral, von 1824 bis 1828 Minister für Volksaufklärung, 1800 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Sisson, Jonathan (1690–1749/60), britischer Optiker und Hersteller von astronomischen und geodätischen Messinstrumenten, 1725 baute er als erster einen Theodoliten, der statt eines Visiers ein Messfernrohr aufwies, seine Londoner Werkstatt übernahm nach seinem Tod sein Sohn Jeremiah Sisson (1736–1788). Slavinskij, Pëtr / ɋɥɚɜɢɧɫɤɢɣ, ɉɺɬɪ (1795–1891), Schüler von Jan Baptist Sniadecki, 1823 Professor an der Universität Wilna, von 1825 bis 1843 Direktor des Observatoriums in Wilna. Smirdin, Aleksandr Filippovič / ɋɦɢɪɞɢɧ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ɏɢɥɢɩɩɨɜɢɱ (1795–1857), Buchhändler und Verleger in Moskau.

Kurzbiographien

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Sniadecki, Jan Baptist (1756–1830), 1781 Leiter der Sternwarte in Krakau, von 1807 bis 1824 Leiter der Sternwarte in Wilna, 1811 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Soemmerring, Samuel Thomas von (1755–1830), Medizinstudium an der Universität Göttingen, 1779 Lehrer der Anatomie am Collegium Carolinum in Kassel, 1780 Korrespondierendes, 1793 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1819 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1784 Professor für Anatomie und Physiologie an der Universität Mainz, Arzt in Frankfurt am Main, 1805 Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, 1820 als praktizierender Arzt Rückkehr nach Frankfurt am Main. Sokolov, Dmitrij Vasil’evič / ɋɨɤɨɥɨɜ, Ⱦɦɢɬɪɢɣ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1834–1861), Naturwissenschaftler, Schriftsteller und Übersetzer, Studium an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität Moskau. Sokolov, Ivan Dmitrievič / ɋɨɤɨɥɨɜ, ɂɜɚɧ Ⱦɦɢɬɪɢɟɜɢɱ (1812–1873), Studium am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, Professor für Mechanik an der Universität Charkow, 1864 Wechsel an die neugegründete Universität Odessa, dort eine Zeitlang Rektor. Soldner, Johann Georg von (1777–1833), Schüler von Johann Elert Bode, Tätigkeit im Bayerischen Vermessungswesen, 1815 Direktor der Bogenhausener Sternwarte bei München. South, James (1785–1867), britischer Astronom, von 1821 bis 1824 zusammen mit John Herschel Durchführung von systematischen Doppelsternbeobachtungen, 1831/ 32 Präsident der Astronomical Society of London. Spasskij, Michail Fëdorovič / ɋɩɚɫɫɤɢɣ, Ɇɢɯɚɢɥ Ɏɟɞɨɪɨɜɢɱ (1809–1859), Physiker und Meteorologe, Studium am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, das er 1836 mit einer Silbermedaille absolvierte, Schüler von Adolph Theodor Kupffer; bei seiner zweijähriger Weiterbildung im Ausland im Jahre 1836 zusammen mit Aleksandr Abramovič Voskresenskij Aufenthalt in Königsberg bei Friedrich Wilhelm Bessel, Carl Gustav Jacob Jacobi und Franz Neumann; 1839 Adjunkt, 1848 Außerordentlicher, 1849 Ordentlicher Professor für Physik und Physikalische Geographie an der Universität Moskau, übersetzte 1835 die „Anleitung zur Durchführung meteorologischer und magnetischer Beobachtungen“ von Adolph Theodor Kupffer und 1841 die „Vorlesungen über die Meteorologe“ von Ludwig Friedrich Kämtz ins Russische. Stahl, Konrad Dietrich Martin (1771–1833), Mathematiker und Physiker, geboren in Braunschweig, von 1799 bis 1802 Außerordentlicher Professor für Mathematik und Physik in Jena, danach in Coburg, Würzburg, Landshut (München), 1799 Fürsprecher bei Martin Bartels’ Promotion in Jena. Staudt, Karl Georg Christian von (1798–1867), Mathematiker, Studium an der Universität Göttingen bei Gauß, 1822 Promotion in Erlangen, Mathematiklehrer in Würzburg und in Nürnberg, 1835 Professor für Mathematik an der Universität Erlangen. Staunton, Howard (1810–1874), britischer Schachspieler, galt von 1843 bis 1851 als stärkster Schachspieler der Welt.

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Kurzbiographien

Steimker (?–?), Schulkamerad von Gauß. Steiner, Jakob (1796–1863), Mathematiker, Ausbildung an einer von Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) in Yverdon gegründeten Schule, Studium der Mathematik an der Universität Heidelberg, 1821 Lehrer in Berlin, von 1822 bis 1824 Studium an der Universität Berlin, 1829 Oberlehrer an der Gewerbeschule in Berlin, 1832 Dr. h.c. der Universität Königsberg, 1834 Außerordentlicher Professor für Geometrie an der Universität Berlin und Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Steinheil, Karl August (1801–1870), Studium der Jurisprudenz und der mathematischnaturwissenschaftlichen Fächer in Erlangen, Göttingen und Königsberg, 1825 Promotion in Königsberg, 1832 Ordentlicher Professor für Mathematik und Physik an der Universität München, 1849 Chef des Telegraphendepartements im Handelsministerium in Wien, 1854 Gründung einer optischen und astronomischen Werkstatt in München, 1835 Außerordentliches, 1837 Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1837 Korrespondierendes, 1862 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1835 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1866 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Steklov, Vladimir Andreevič / ɋɬɟɤɥɨɜ, ȼɥɚɞɢɦɢɪ Ⱥɧɞɪɟɟɜɢɱ (1864–1926), Mathematiker, 1912 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1919 bis 1926 Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, 1926 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Mitgründer und erster Direktor des Physikalisch-Mathematischen Institutes in Leningrad, des Vorgängers des V. A. Steklov-Instituts für Mathematik. Stern, Moritz Abraham (1807–1894), Mathematiker, Studium in Heidelberg und in Göttingen, dort vor allem bei Gauß (seine Doktorprüfung am 5.3.1829 in Göttingen war das erste von Gauß abgehaltene Rigorosum), Privatdozent in Göttingen, 1848 Außerordentlicher, von 1859 bis 1884 Ordentlicher Professor ebenda (der erste Professor jüdischen Glaubens in Deutschland), 1859 Korrespondierendes, 1880 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1862 Ordentliches, 1893 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Stieda, Wilhelm (1852–1933), Nationalökonom, geboren in Riga, Studium an den Universitäten Dorpat, Berlin, Paris und Straßburg, von 1876 bis 1898 Lehrstuhlinhaber in Straßburg, Dorpat und Rostock, 1898 Professor für Nationalökonomie an der Universität Leipzig. Stromeyer, Friedrich (1776–1835), Studium der Fächer Medizin und Chemie an der Universität Göttingen, Promotion und Habilitation ebenda, Studienreise nach Frankreich und in die Schweiz, 1805 Außerordentlicher, 1810 Ordentlicher Professor für Medizin in Göttingen, 1817 zusätzlich Nominal-Professor für Chemie und Pharmazie, zugleich Inhaber des Amts des Generalinspekteurs sämtlicher Apotheken im Königreich Hannover, seit 1806 Direktor des Chemischen Universitätslaboratoriums, 1804 Assessor, 1806 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen.

Kurzbiographien

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Struve, Emilie, geb. Wall (1796–1834), seit 1815 erste Ehefrau von Wilhelm Struve. Struve, Heinrich Christoph Gottfried von (1772–1851), Diplomat und Naturforscher, Studium der Staatswissenschaften in Erlangen, 1795 Wechsel nach St. Petersburg in den russischen Staatsdienst, 1796 Sekretär der russischen Gesandtschaft in Hamburg, 1810 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1816 Korrespondierendes, 1828 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1815 bis 1850 russischer Ministerresident in Hamburg, Präsident der naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Hamburg und Gründer des naturwissenschaftlichen Museums ebenda, 1843 Ehrenbürger der Stadt Hamburg. Struve, Jakob (1755–1841), Vater von Wilhelm Struve, geboren bei Uetersen in Holstein, Vorbereitung auf den Besuch des Gymnasiums zu Altona durch den Pastor Vasmer in Elmshorn, Studium an den Universitäten Kiel und Göttingen, 1780 Beginn einer Laufbahn als Lehrer, Tätigkeit in Harburg und Bückeburg, von 1791 bis 1827 Professor am Christianeum in Altona, von 1794 bis 1826 dessen Rektor. Struve, Johanna Francisca, geb. Bartels (1807–1867), Tochter von Martin Bartels, seit 1835 zweite Ehefrau von Wilhelm Struve. Struve, Maria (Marianne) Emerentia, geb. Weise (1764–1847), Tochter des Pastors J. H. L. Weise in Steinbek bei Hamburg, 1783 Heirat mit Jacob Struve, Mutter von Wilhelm Struve. Struve, Otto Vasil’evič / ɋɬɪɭɜɟ, Ɉɬɬɨ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1819–1905), Astronom, Sohn von Wilhelm Struve, Studium an der Universität Dorpat, 1839 Fortsetzung der Laufbahn an der Sternwarte Pulkowo, 1862 Direktor der Sternwarte Pulkowo, von 1847 bis 1862 beratender Astronom des Generalstabes, 1852 Adjunkt, 1856 Außerordentliches, von 1861 bis 1889 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1866 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1868 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, in den letzten Lebensjahren in Karlsruhe. Sturm, Charles-François (1803–1855), Studium der Mathematik und der Physik an der Académie in Genf, Privatlehrer bei Mme de Staël in Coppet, zusammen mit Daniel Colladon Besuch von Vorlesungen in Paris, 1827 zusammen mit Colladon ausgezeichnet mit dem Preis der Académie des Sciences, 1830 Professor für Mathematik am Collège Rollin, 1840 an der École Polytechnique in Paris, 1840 Auszeichnung mit der Copley-Medaille der Royal Society. Sudakov, Sergej Grigor’evič / ɋɭɞɚɤɨɜ, ɋɟɪɝɟɣ Ƚɪɢɝɨɪɶɟɜɢɱ (1904–1992), Geodät und Topograph, 1934 Absolvent des Geodätischen Instituts in Moskau, 26 Jahre lang stellvertretender Leiter des Hauptamtes für Geodäsie und Kartographie der UdSSR, Leiter mehrerer großer kartographischer Projekte, Initiator der Einführung eines einheitlichen Koordinaten- und Bezugssystems von Pulkowo bis zum Pazifik, Verfasser von wissenschaftshistorischen Arbeiten und Herausgeber der Werke von L. Euler, C. F. Gauß und W. Struve über Geodäsie und Kartographie. Šumov, Il’ja Stepanovič / ɒɭɦɨɜ, ɂɥɶɹ ɋɬɟɩɚɧɨɜɢɱ (1819–1881), russischer Marineoffizier, führender Schachmeister, Mitgründer der St. Petersburger Schachgesellschaft.

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Kurzbiographien

Svjatskij, Daniil Osipovič / ɋɜɹɬɫɤɢɣ, Ⱦɚɧɢɢɥ Ɉɫɢɩɨɜɢɱ (1881–1940), Astronom, Meteorologe, Philosoph, Verfasser von wissenschaftshistorischen Arbeiten, auch politisch engagiert, in den 1930er Jahren verhaftet und später nach Alma-Ata verbannt. Tamsen, Claes Friedrich (?–?), Kaufmann, Angehöriger eines Handelshauses in Hamburg. Tappe, August Wilhelm von (1778–1830), geboren in Markoldendorf bei Einbeck, Studium in Erfurt, Göttingen und Dorpat, Hauslehrer in Livland, Gymnasiallehrer in Wyborg, 1810 Lehrer an der Deutschen Hauptschule zu St. Petri in St. Petersburg, von 1819 bis 1828 Professor für deutsche Sprache, Moral und Naturgeschichte in Tharandt, Mitglied der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst in Mitau, der Kaiserlich-Russischen Mineralogischen Gesellschaft zu St. Petersburg, 1824 Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, übersetzte die Geschichte Russlands von Nikolaj Michajlovič Karamzin ins Deutsche. Taurinus, Franz Adolf (1794–1874), Jurastudium an den Universitäten Heidelberg, Gießen und Göttingen, 1822 Privatgelehrter in Köln. Tenner, Karl Ivanovič / Ɍɟɧɧɟɪ, Ʉɚɪɥ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1783–1860), Astronom und Militärgeodät, von 1816 bis 1855 einer der wichtigsten Leiter der Russisch-Skandinavischen Gradmessung, 1858 Senator in Warschau, 1832 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Thénard, Louis Jacques (1777–1857), Professor für Chemie an der École Polytechnique und am Collège de France, 1826 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1830 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Thibaut, Bernhard Friedrich (1775–1832), Mathematiker, Studium an der Universität Göttingen, 1799 Assessor, 1804 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1805 Ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Göttingen, von 1829 bis 1832 im Nebenamt Nominal-Professor für Mathematik. Thillot / Tillo, Aleksej Andreevič / Ɍɢɥɥɨ, Ⱥɥɟɤɫɟɣ Ⱥɧɞɪɟɟɜɢɱ (1839–1899), Spross einer nach Kiew ausgewanderten Hugenottenfamilie, Besuch des Seekadettenkorps in Kiew und der Artillerieakademie in St. Petersburg, Promotion auf dem Gebiet der Physikalischen Geographie an der Universität Odessa, später erfolgreiche militärische Laufbahn, 1893 Korrespondierendes Mitglied für mathematische Wissenschaften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Mitglied der Russischen Geographischen Gesellschaft, beschäftigte sich mit der Erforschung des Erdmagnetismus. Tichomandrickij, Aleksandr Nikitič / Ɍɢɯɨɦɚɧɞɪɢɰɤɢɣ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ɇɢɤɢɬɢɱ (1808–1888), Mathematiker, Studium am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, 1836 Studienaufenthalt an der Universität Königsberg, Adjunkt für Reine Mathematik an der Universität Kiew, Ordentlicher Professor für Angewandte Mathematik ebenda, von 1848 bis 1859 Inspektor am Pädagogischen Hauptinstituts in St. Petersburg, von 1860 bis 1865 Direktor von zwei Gymnasien in St. Petersburg, Inhaber diverser Ämter.

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Timocharis (ca. 300 v. Chr.), griechischer Astronom und Philosoph, wirkte in Alexandria. Tittel, Peter Paul (1784–1831), Studium der Theologie und der Astronomie in Erlau, Pest, Wien und Göttingen, in Göttingen Schüler von Gauß, 1807 Priesterweihe, 1818 Leiter des Observatoriums in Erlau, 1824 als Nachfolger von Johann Pasquich Direktor der Sternwarte in Ofen. Tol’, Karl Fëdorovič / Ɍoɥɶ, Kapɥ Ɏɺɞɨɪɨɜɢɱ / Toll, Karl Wilhelm (1777–1842), Graf, geboren in Reval, 1796 Eintritt in die russische Armee, seit 1805 im Generalstab, kämpfte bei Austerlitz und in der Völkerschlacht bei Leipzig, 1823 Generaladjutant des Kaisers, 1825 General der Infanterie, 1833 Hauptdirigent des Korps der Verkehrswege und der öffentlichen Gebäude, 1836 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Triesnecker, Franz Paula von (1745–1817), Astronom, Mathematiker, Jesuit und Theologe, Theologiestudium in Graz, nach der Aufhebung des Jesuitenordens Weltpriester, 1782 Adjunkt an der Wiener Sternwarte, 1792 Direktor der Sternwarte und Professor für Astronomie an der Universität Wien, 1794 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1812 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Troughton, Edward (1783–1835), Optiker und Instrumentenhersteller in London, 1779 ging er eine Partnerschaft mit seinem Bruder John ein und wurde bald einer der führenden Hersteller von Navigations-, Vermessungs- und astronomischen Instrumenten. Tschebyschev, siehe Čebyšev Tschi(s)chow, siehe Čižov Turgenev, Ivan Sergeevič / Ɍɭɪɝɟɧɟɜ, ɂɜɚɧ ɋɟɪɝɟɟɜɢɱ (1818–1883), bedeutender russischer Schriftsteller. Tychomandritskij, siehe Tichomandrickij Tzschischoff, siehe Čižov. Ulrich, Georg Karl Justus (1798–1879), Mathematiker, 1818 Promotion an der Universität Göttingen, 1821 Außerordentlicher, 1831 Ordentlicher Professor in Göttingen, 1845 Ordentliches Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Utzschneider, Joseph von (1763–1840), Studium der Kameralwissenschaften, 1784 Hofkammerrat bei der General-Forstdeputation, 1789 Präsident des Oberforstkommissariats, von 1795 bis 1798 Direktor des Bayerischen Hauptsalzamtes, von 1799 bis 1801 im Finanzdepartement tätig, 1804 zusammen mit Georg Friedrich von Reichenbach und Joseph Liebherr Gründung eines Mechanischen Instituts, in Zusammenarbeit mit Joseph Fraunhofer entstand das Optische Institut in Benediktbeuern, von 1818 bis 1821 Bürgermeister von München, 1819 Mitglied der zweiten Kammer der Ständeversammlung, ab 1827 im Vorstand der neuerrichteten Polytechnischen Zentralschule. Uvarov, S. / ɍɜɚɪɨɜ, ɋ. (?–?), Maler.

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Uvarov, Sergej Semënovič / ɍɜɚɪɨɜ, ɋɟɪɝɟɣ ɋɟɦëɧɨɜɢɱ (1786–1855), Graf, russischer Gelehrter und Staatsmann, Studium an der Universität Göttingen, von 1818 bis 1855 Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1833 bis 1848 Minister für Volksaufklärung, 1811 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Russländischen Akademie, 1811 Korrespondierendes, 1820 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen in der Klasse für Alte Literatur und Kunst, 1821 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Varnhagen von Ense, Karl August (1785–1858), Diplomat und Schriftsteller, Offizier in österreichischen und in russischen Diensten, preußischer Vertreter in Karlsruhe, Niederlassung in Berlin, wo seine Gattin Rahel einen literarischen Salon führte. Vasil’ev, Aleksandr Vasil’evič / ȼɚɫɢɥɶɟɜ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1853–1929), Mathematiker, geboren in Kasan, Absolvent der Universität St. Petersburg mit Auszeichnung, in Berlin Besuch von Vorlesungen von Karl Weierstraß und in Paris von Charles Hermite, 1887 Ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Kasan. Vernadskij, Vladimir Ivanovič / ȼɟɪɧɚɞɫɤɢɣ, ȼɥɚɞɢɦɢɪ ɂɜɚɧɨɜɢɱ (1863–1945), Geowissenschaftler, Kristallograph und Mineraloge, 1885 Absolvent der PhysikalischMathematischen Fakultät der Universität St. Petersburg, von 1898 bis 1911 Professor an der Universität Moskau, 1906 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, später der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Veselovskij, Konstantin Stepanovič / ȼɟɫɟɥɨɜɫɤɢɣ, Ʉɨɧɫɬɚɧɬɢɧ ɋɬɟɩɚɧɨɜɢɱ (1857– 1890), 1852 Adjunkt für Statistik und Politische Ökonomie, 1855 Außerordentliches, 1859 Ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, von 1857 bis 1890 Ständiger Sekretär der Akademie, beschäftigte sich auch mit Meteorologie, Klimatologie und Geographie. Vinogradov, Ivan Matveevič / ȼɢɧɨɝɪɚɞɨɜ, ɂɜɚɧ Ɇaɬɜɟɟɜɢɱ (1891–1983), Zahlentheoretiker, von 1910 bis 1914 Studium an der Universität St. Petersburg, Professor in Perm und in Leningrad, von 1934 bis zum Lebensende Direktor des von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR neugegründeten V. A. Steklov-Instituts für Mathematik in Leningrad, Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Visnevskij, Vincent, siehe Wishniewsky. Vladimir der Heilige / ȼɥɚɞɢɦɢɪ ɋɜɹɬɨɫɥɚɜɢɱ / Vladimir Svjatoslavič (ca. 960– 1015), Großfürst von Kiew, 988 Christianisierung der Kiewer Rus’ anlässlich seiner Vermählung mit einer Tochter des byzantinischen Kaisers, nach seinem Tod Erhebung in den Stand eines Heiligen der orthodoxen Kirche. Vogel, Kurt (1888–1985), Mathematikhistoriker, von 1936 an bis in sein hohes Alter an der Universität München tätig. Voronkovskij, Nikolaj / ȼɨɪɨɧɤɨɜɫɤɢɣ, ɇɢɤɨɥɚɣ (?–?), gebürtig aus der Umgebung von Kiew, 1808 und 1811 an der Universität Göttingen als Student der Mathematik eingeschrieben. Voskresenskij, Aleksandr Abramovič / ȼɨɫɤɪɟɫɟɧɫɤɢɣ, Ⱥɥɟɤɫɚɧɞɪ Ⱥɛɪɚɦɨɜɢɱ (1809–1880), 1836 Absolvent – mit Auszeichnung – des Pädagogischen Hauptinstituts

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in St. Petersburg, Weiterbildung im Ausland, von 1838 bis 1866 Professor für Chemie an der Universität und am Pädagogischen Hauptinstitut in St. Petersburg, 1864 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1867 Kurator des Bildungsbezirks Charkow. Voskrisensky, siehe Voskresenskij Voß, Leopold (1793–1868), Buchhändler und Verleger in Leipzig und Hamburg, 1818 Übernahme der Buchhandlung seines Vaters, seit 1832 Kommissionär der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Walbeck, Henrik Johan (1793–1822), finnischer Geodät, 1816 Dozent an der Universität Åbo, 1817 Observator an der dortigen Sternwarte, um 1820 Aufenthalt in München, Königsberg und Dorpat. Wall, Isaac (1761–1837), Fabrikant und Hausbesitzer in Altona, Besitzer der so genannten Wallmühle. Weber, Wilhelm Eduard (1804–1891), Physiker, lernte 1828 in Berlin Gauß kennen, 1831 Professor für Physik an der Universität Göttingen, 1837 einer der „Göttinger Sieben“ und deshalb fristlos entlassen, bis 1843 in Göttingen, 1843 Professor in Leipzig, 1849 Rückkehr nach Göttingen als Professor für Physik, 1831 Ordentliches, 1843 Auswärtiges, 1849 wiederum Ordentliches Mitglied, 1887 Ehrenmitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1840 Korrespondierendes, 1857 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1834 Korrespondierendes, 1863 Auswärtiges Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1853 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg; Mitarbeiter und enger Freund von Gauß. Weierstraß, Karl Theodor Wilhelm (1815–1897), Mathematiker, 1856 Außerordentlicher, 1864 Ordentlicher Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, 1856 Korrespondierendes, 1865 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1864 Korrespondierendes, 1895 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Weiß, Christian Samuel (1780–1856), Mineraloge und Kristallograph, 1808 Professor für Physik an der Universität Leipzig, 1810 Professor für Mineraloge an der neugegründeten Universität Berlin, Direktor des Mineralogischen Museums ebenda, 1851 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen. Weisse, Maximilian (1798–1863), Astronom, geboren in Niederösterreich, 1823 Assistent an der Wiener Sternwarte, 1825 Professor für Astronomie und Direktor der Sternwarte in Krakau, 1849 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien. Wettstein, Johann Kaspar (1695–1760), Basler Theologe, Kaplan des Prinzen von Wales, Briefpartner von Leonhard Euler. Willigerod, Johann Conrad Philipp (1779–1848), Altphilologe, geboren in Göttingen, Studium an der Universität Göttingen bei Christian Gottlob Heyne, ab 1804 im Baltikum tätig, 1806 Kreisschullehrer in Pernau, von 1806 bis 1814 Lehrer am Gouvernementgymnasium in Reval, seit 1837 Mitarbeiter bei der Zeitschrift „Das Inland“,

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1824 zusammen mit Carl Heinrich Kupffer Errichtung einer privaten Lehranstalt in Reval, die bis 1830 existierte. Wishniewsky, Vincent / ȼɢɲɧɟɜɫɤɢɣ, ȼɢɤɟɧɬɢɣ Ʉɚɪɥɨɜɢɱ / Višnevskij, Vikentij Karlovič (1781–1855), gebürtiger Pole, von 1800 bis 1803 Astronom bei Johann Elert Bode an der Akademiesternwarte in Berlin, 1804 Adjunkt, 1807 Außerordentliches, 1815 Ordentliches Mitglied für Astronomie an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1819 gleichzeitig Professor für Astronomie an der Universität St. Petersburg. Witte, Minna, siehe Mädler. Witte, Wilhelmine, geb. Böttcher (1777–1854), Amateurastronomin, Ehefrau des Hof- und Konsistorialrates Christian Friedrich Witte (1771–1841) in Hannover, Mutter von Minna Mädler. Sie schuf drei mit Reliefs versehene Mondgloben. Wöhler, Friedrich (1800–1882), Chemiker, Studium in Marburg und Heidelberg, Forschungsaufenthalt bei Jöns Jakob Berzelius in Stockholm, von 1836 bis 1882 als Nachfolger von Strohmeyer Ordentlicher Professor an der Universität Göttingen, 1837 Ordentliches Mitglied, von 1860 bis 1882 Sekretär der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1853 Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Wollaston, William Hyde (1766–1828), Studium der Fächer Medizin, Chemie und Astronomie, 1793 Mitglied, von 1804 bis 1816 Sekretär der Royal Society, 1802 Auszeichnung mit der Copley-Medaille der Royal Society, 1818 Member of the Board of Longitude. Woronkovsky, siehe Voronkovskij. Wrangel, Ferdinand von / ȼɪɚɧɝɟɥɶ, Ɏɟɪɞɢɧɚɧɞ ɉɟɬɪɨɜɢɱ / Vrangel’, Ferdinand Petrovič (1796–1870), Baron, Admiral, Absolvent des Seekadettenkorps in St. Petersburg, Studium an der Universität Dorpat bei Wilhelm Struve, von 1817 bis 1819 Teilnehmer an einer Weltumsegelung, von 1820 bis 1824 Erkundung der Nordküste Sibiriens und des Eismeeres, von 1825 bis 1827 Teilnehmer an einer Expedition nach Kamtschatka, 1827 Auswärtiges Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, Generalgouverneur von Russisch-Amerika, von 1836 bis 1849 Direktor der russisch-amerikanischen Kompagnie. Zach, Franz Xaver von (1754–1832), von 1783 bis 1786 Hauslehrer in London, von 1786 bis 1804 im Dienste von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745– 1804, reg. ab 1772), 1788 Grundsteinlegung der Sternwarte Seeberg bei Gotha, 1789 Direktor der Sternwarte, 1789 Korrespondierendes, 1792 Auswärtiges Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1794 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg mit Pensionszahlungen, nach dem Tod des Herzogs 1804 diverse Tätigkeiten in Eisenberg, Marseille, Genua, Frankfurt am Main und Paris, 1812 Ehrenmitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1808 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1826 Ehrenmitglied der Universität Kasan. Zaliznjak, Andrej Anatol’evič / Ɂɚɥɢɡɧɹɤ, Ⱥɧɞɪɟɣ Ⱥɧɚɬɨɥɶɟɜɢɱ (geb. 1935), Slavist und Allgemeiner Sprachwissenschaftler, 1987 Korrespondierendes Mitglied der Aka-

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demie der Wissenschaften der UdSSR, 1991 Korrespondierendes, 1997 Ordentliches Mitglied der Russländischen Akademie der Wissenschaften, 1998 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Zavadovskij, Pëtr Vasil’evic / Ɂɚɜɚɞɨɜɫɤɢɣ, ɉɺɬɪ ȼɚɫɢɥɶɟɜɢɱ (1739–1812), Graf, von 1802 bis 1810 Minister für Volksaufklärung. Zelenyj, Semën Il’ič / Ɂɟɥɟɧɵɣ, ɋɟɦëɧ ɂɥɶɢɱ (1810–1892), Admiral, Studium an der Universität Dorpat, von 1837 bis 1839 an der Universität St. Petersburg Vorlesungen über Astronomie und Geodäsie, Leiter des Geographischen Departments, Verfasser von populären astronomischen Abhandlungen, 1873 Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Zernov, Nikolaj Efimovič / Ɂɟɪɧɨɜ, ɇɢɤɨɥɚɣ ȿɮɢɦɨɜɢɱ (1804–1862), Studium der Mathematik an der Universität Moskau, 1834 Dozent, 1835 Außerordentlicher, 1840 Ordentlicher Professor für Reine Mathematik in Moskau, von 1845 bis 1850 Zensor. Zimmermann, Eberhard August Wilhelm von (1743–1815), Studium der Fächer Medizin, Mathematik und Physik an den Universitäten Leiden, Halle und Göttingen, in Berlin Schüler von Leonhard Euler, von 1766 bis 1815 Professor für Mathematik und Naturlehre am Collegium Carolinum in Braunschweig (Gauß war von 1792 bis 1795 sein Schüler), 1778 Korrespondierendes Mitglied der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, 1786 Ablehnung eines Rufes an die Akademie in St. Petersburg, 1794 Auswärtiges Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, 1808 Auswärtiges Mitglied der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1812 Korrespondierendes Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

Personenregister In dem Personenregister sind nur die Personen erfasst, deren Namen im Text vorkommen, und nicht die, die im Hilfsapparat oder in den Fußnoten erwähnt sind. Nur gelegentlich wurden Ausnahmen gemacht. A Achlopkova, V. N., geb. Lobačevskaja 488, 489 Adams, J. C. 733, 734 Adolph Friedrich, Herzog von Cambridge 510, 511 Airy, G. B. 202, 687 Al’fonskij, A. A. 514 Albrecht, W. E. 144 Aleksandra Fëdorovna, geb. Charlotte von Preußen 25, 72 d’Alembert, J.-B. 229, 303, 646 Alexander I. von Russland 19, 20, 21, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 35, 42, 47, 57, 99, 208, 218, 221, 290, 547, 549, 589, 603, 604, 619, 669, 688, 712 Alexander II. von Russland 25, 114 Amburger, E. 4, 29 Ampère, A.-M. 331, 604, 642 Anthing, J. F. 204 Arago, F. 67, 68, 79, 294, 343, 348, 349, 350, 370, 486, 604, 639, 642, 643 Argelander, F. W. A. 44, 666, 674, 723 Arnim, B. 521 Augustin, V. 469

B Baer, K. E. 294 Bagratuni, G. V. 119 Bartels, A. M., geb. v. Saluz 165, 174, 177, 178, 180, 182 Bartels, E. 174, 180, 184 Bartels, M. 15, 31, 32, 33, 35, 36, 38, 46, 60, 112, 164–187, 225, 228, 277, 278, 280, 290, 334, 336, 429, 435, 441, 445, 448, 454, 473, 474, 475, 476, 477, 478, 498, 525, 538, 552, 591, 639, 640, 649, 652, 654, 668, 671, 684, 691, 692, 722

Batjuškov, K. N. 157 Baumann, W. G. B. 433, 449, 677, 697, 703, 704 Beer, W. 521, 522, 523, 524, 526, 527, 528, 529, 531, 536, 537, 539, 540, 541 Behaghel von Adlerskron, M. B. 574 Beise 340 Bellingshausen, F. G. 65, 639, 641, 643, 687, 690, 691, 696, 723, 724 Berghaus, H. K. 76, 77 Bergsträßer, K. B. 318 Bergsträßer, N. H. S., geb. Fuß 318 Bernoulli, D. 64, 304 Bernoulli, Gelehrtenfamilie 206 Bernoulli, J. I. 193, 304 Bernoulli, N. I. 304 Berzelius, J. J. 362 Bessel, F. W. 44, 58, 60, 74, 76, 83, 114, 189, 193, 196, 197, 200, 201, 202, 285, 362, 437, 443, 447, 450, 454, 461, 525, 526, 528, 529, 543, 544, 563, 666, 669, 671, 676, 686, 687, 688, 693, 701, 704, 708, 709, 734 Bestužev-Marlinskij, A. A. 75, 147, 150, 151, 156, 157 Bevan, B. 413, 416 Bezborodko, A. A. 333, 335 Biermann, K.-R. 152, 175, 375, 653 Biot, J.-B. 66, 349, 366, 570 Bird, J. 434, 697 Biron, P. 589 Bludov, D. N. 293 Blumenbach, J. F. 294, 397, 590, 679, 680 Bobrinskij, A. A. 318 Bobynin, V. V. 162 Bode, J. E. 39, 208, 209, 217, 225, 255, 279, 280, 399, 430, 431, 433, 435, 440, 441, 446, 635, 676, 702 Boguslawski, P. H. L. 155, 389

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Personenregister

Böhlendorf, H. L. 186 Bohnenberger, J. G. F. 166, 432, 437, 697 Bolotov, A. P. 53, 111, 691, 731 Bolyai, F. 500, 504 Bolyai, J. 500, 515, 516 Borenius, H. G. 45, 99, 201 Boscovich, R. J. 532 Bradley, J. 687 Brahe, T. 687 Brandes, E. 228 Brandes, H. W. 172, 462, 466, 557, 691, 701 Brockhaus, F. A. 292, 310 Brodhagen, P. H. C. 167 Bronner, F. X. 35, 36, 39, 112, 435, 473, 474, 476, 477, 639, 640 Brunet, J.-C. 310 Buch, L. 294, 348 Bunge, A. 83 Bunjakovskij, V. Ja. 111, 293, 376, 488, 490, 497, 506 Buraček, S. A. 492 Burckhardt, J. K. 240, 551 Bürg, J. T. 452 Büsch, J. G. 167 Buzengeiger, K. H. I. 172, 691, 711 Byron, G. G. 152, 155

677,

Crelle, A. L. 197, 480, 486, 487, 488, 502, 503, 650 Cronhelm, E. P. 617, 618

D

591,

454,

403,

C Cacciatore, N. 544 Cancrin, G. 37, 72, 74, 80, 100, 102, 106, 324, 353, 354, 358, 369, 392, 393 Carl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig 11, 23, 117, 165, 167, 175, 176, 215, 223, 224, 225, 227, 622, 634 Carlini, F. 437, 459, 697 Cauchy, A.-L. 109, 196 Čebyšev, P. L. 293, 488 Čevkin, K. V. 47, 73, 100, 105, 145, 152, 354, 356, 369, 370, 373, 376 Challis, J. 202, 733 Champollion de Figeac, J. 303 Christian VIII. von Dänemark 729 Čižov, D. S. 59 Claus, K. E. 350 Clausen, T. 15, 31, 32, 34, 46, 188–203, 329, 521, 526, 544 Codazzi, D. 174 Colladon, D. 425 Copernicus, N. 687 Cotta, J. F. 620

Dahlmann, F. C. 144 Daubert, J. C. 182 Davydov, D. V. 157 Delambre, J.-B. 451, 452, 460, 637 Delaporte, E. A. 386 Delisle de La Croyère, L. 64, 684 Delone, B. N. 120, 121 Deluc, J. A 573 Demidov, P. N. 37, 40, 53, 99, 104, 291, 337, 338, 385, 493, 587, 592 Deržavin, G. R. 157 Dielitz, K. 310 Diophant 523 Dirichlet, L. 62, 318 Dirksen, E. H. 74, 704 Dogel’ 114, 119, 124 Dollond, J. 284, 433, 434, 534 Donnert, E. 31 Dostoevskij, F. M. 151 Dove, W. 374 Drašusov, A. N. 41, 51, 89, 92, 114, 115, 124, 154, 155, 298, 440 Drobisch, M. W. 553, 562 Due, C. 71, 343, 350 Duwe 540

E Eiche, G. F. J. 39, 181, 263, 266, 347 Einbrodt, P. E. 80 Elizaveta Alekseevna, geb. Luise von Baden 24, 619 Elizaveta I. von Russland 28, 35, 57 Encke, J. F. 70, 147, 193, 436, 443, 501, 508, 521, 522, 533, 539, 540, 541, 580, 671, 680, 693, 694, 695, 708, 709, 710 Ende, F. A. 253 Eneström, G. 6, 294 Engel, F. 485, 486, 490, 508, 516 Engelhardt, M. 569, 572, 574 Erman, G. A. 15, 71, 72, 74, 75, 76, 77, 89, 156, 316, 329, 332, 343, 350 Erman, M., geb. Bessel 76 Erman, P. 70, 72, 348 Ernst August I. von Hannover 144 Ertel, T. L. 589, 673, 677, 687, 731 Ettingshausen, A. 603, 608, 647

Personenregister Euklid 483, 491, 497, 594 Euler, J. A. 46, 65, 205, 207, 210, 211, 290 Euler, L. 35, 46, 52, 65, 83, 179, 205, 206, 207, 212, 213, 229, 231, 265, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 300, 303, 304, 305, 306, 307, 309, 310, 311, 312, 313, 317, 318, 319, 460, 523, 557, 594, 618, 622, 634 Everest, G. 685 Ewald, H. G. A. 144 Ewers, J. P. G. 186, 338, 339, 691, 701 F Fallon, L. A. 469 Faraday, M. 294, 679 Fëdorov, V. F. 31, 89, 95, 574, 670 Ferdinand IV. von Neapel 239 Fermat, P. 199, 594 Filippov, M. M. 116, 126 Fincke, A. W. O. 185 Fincke, G. 502, 503, 504 Fincke, H. A. 185, 186 Fincke, J. C. 177, 185, 186 Fincke, S. A. P. 185 Fojgt, K. K. 658, 662 Foncenex, F. D. 229 Franz I. von Österreich 436, 442, 457, 463 Fraunhofer, J. 31, 191, 349, 436, 438, 523, 525, 538, 539, 540, 642, 665, 669, 677, 690, 719 Frenet, J. F. 174 Friedrich VI. von Dänemark 190 Friedrich Wilhelm III. von Preußen 23, 25, 522 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 144, 525, 674 Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig 184 Fuß, A., geb. Euler 205, 207, 290 Fuß, G. A. 43, 83, 89, 577 Fuß, N. 15, 46, 47, 110, 172, 176, 181, 204–287, 290, 291, 294, 295, 296, 306, 309, 433, 437, 473, 490, 591, 623, 626, 628, 629, 637 Fuß, N. d. J. 292, 293, 296 Fuß, P. H. 43, 46, 52, 83, 110, 150, 151, 153, 154, 162, 165, 172, 173, 192, 205, 207, 288–319, 405, 477, 492, 591, 620, 679, 725 Fuß, V. F. 294 Fuß, W. D., geb. Holst 289, 290

887

G Galle, J. G. 733 Gambey, H. P. 67, 68, 71, 82, 83, 84, 96, 99, 102, 349, 350, 391, 396, 401, 605 Gauß, F. W., geb. Waldeck 11, 12, 185, 187 Gauß, J. 11, 144, 182, 185, 187, 224, 437, 461 Gauß, J., geb. Osthoff 11, 182, 224 Gay-Lussac, J. L. 673 Georg IV. von Hannover und Großbritannien 348, 688 Georg V. von Hannover 194, 514, 525 Geppert, H. 377 Gerling, C. L. 42, 58, 59, 148, 365, 370, 373, 436, 441, 443, 500, 501, 502, 504, 579, 580, 613, 647, 671, 677, 678, 680, 697 Gersdorf, E. G. 498, 502 Gervinus, G. G. 144 Geßner, G. 454 Gilbert, L. W. 557 Girgensohn, T. 86, 372 Gmelin, J. G. 64, 83 Godunov, B. 146, 156 Goethe, J. W. 152 Gogol’, N. V. 151 Goldbach, C. 120, 292 Goldbach, C. F. 39, 40 Goldhammer, C. R. 151, 153, 315 Goldschmidt, B. K. W. 73, 89, 316, 389, 402, 405, 733 Golicyn, A. N. 27 Golicyn, D. A. 213, 214 Golovin, M. E. 206 Grässe, J. G. T. 297 Greč, N. I. 147, 150 Grejg, A. S. 48 Griboedov, A. S. 151 Grimm, J. 144 Grimm, W. 144 Gustav II. Adolf von Schweden 29

H Hadley, J. 433 Halley, E. 687 Hansen, P. A. 202, 203, 525, 666 Hansteen, C. 15, 71, 72, 73, 74, 83, 89, 105, 343, 350, 362, 370, 395, 687 Harding, C. L. 185, 187, 216, 227, 252, 253, 255, 258, 267, 281, 284, 454, 653,

888

Personenregister

663, 665, 676, 677, 697, 698, 699, 703, 712, 714 Hassler, F. R. 166 Hausmann, J. F. L. 159, 160, 198, 377, 385, 397, 401, 509, 511, 512, 515 Haüy, R. J. 348, 349, 366 Heeren, A. H. L. 590 Hehn, J. 574 Heine, H. E. 41 Hell, M. 437, 438, 442 Hellwig, J. C. L. 187 Helmling, P. 32, 33 Hencke, C. L. 734 Hermann, J. 206 Herschel, C. L. 521 Herschel, F. W. 247, 248, 259, 260, 284, 430, 687, 702, 710, 714 Herschel, J. 362, 371, 372, 666, 687 Hesperus 443 Heyne, C. G. 143, 205, 208, 225, 226, 227, 228, 334, 667 Hezel, J. W. F. 186 Himburg, C. F. 308 Himly, K. G. 185, 187 Hoff, C. E. A. 578, 579 Holst, G. D. 190, 191 Homann, J. B. 153 Horner, J. K. 678 Hoüel, G.-J. 497, 516 Hubert 702 Humboldt, A. 13, 34, 36, 37, 40, 44, 48, 56, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 70, 71, 74, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 85, 86, 89, 99, 100, 101, 102, 106, 152, 324, 343, 349, 350, 351, 352, 353, 355, 357, 362, 367, 369, 370, 373, 473, 485, 486, 498, 521, 522, 525, 527, 536, 570, 571, 573, 574, 575, 577, 579, 580, 583, 584, 605, 606, 607, 639, 642, 643, 644, 650, 665, 666, 674, 690 Huth, J. S. G. 31, 33, 41, 42, 171, 334, 337, 442, 552, 587, 588, 589, 591, 593, 665, 668, 678, 691, 699, 700, 701 Huygens, C. 540

I Ide, J. J. A. 39, 551 Inochodcev, P. B. 206 Ivan IV./I. von Russland 34

J Jacobi, C. G. J. 60, 61, 112, 289, 291, 297, 304, 318, 374, 521, 527, 536, 537, 595, 610, 692 Jacobi, M. H. 61, 111, 150, 374, 603, 610, 611, 612 Jacquin, J. F. 603, 608 Jaenisch, A. 321 Jaenisch, C. 15, 46, 111, 320–332 Janiševskij, Ė. P. 516 Janovskij, B. M. 118, 119 Jaworsky, A. 463 Jazykov, N. M. 157 Jensen, C. A. II, 48, 288, 300, 664, 685, 686, 687 Jérôme Bonaparte 282 Joseph Anton Johann, Erzherzog von Österreich 435, 448

K Kämtz, L. F. 32, 33, 344, 361, 569 Kant, I. 331 Karamzin, N. M. 151, 152, 153, 157, 298, 303, 308, 313 Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz 678 Karl XI. von Schweden 29 Karl XII. von Schweden 29, 155 Kästner, A. G. 166, 460 Kater, H. 416 Katharina I. von Russland 45 Katharina II. von Russland 21, 23, 29, 45, 57, 354 Kepler, J. 557, 684, 687 Klado, T. N. 362 Klaproth, H. J. 619 Klinger, F. M. 30 Klopstock, F. G. 529 Klügel, G. S. 175, 180 Kmeth, D. 442, 443, 444, 456, 462 Knorr, E. 36, 39, 51, 52, 473, 477, 483, 486, 487, 488, 501, 506, 508, 512, 518 Knorre, E. C. F. 30, 33, 50, 587, 589, 691, 706, 719 Knorre, K. F. 31, 32, 48, 49, 50, 369, 387, 404 Konstantin Nikolaevič, Großfürst 49, 53, 681, 682, 731 Konstantin Pavlovič, Großfürst 25 Korinfskij, M. P. 644 Kosegarten, F. F. 333, 334

Personenregister Kotel’nikov, P. I. 31, 36, 39, 42, 62, 110, 174, 509, 656 Kotel’nikov, S. K. 206 Kotzebue, O. 65 Kovalevskaja, S. V. 621 Kovan’ko, A. I. 84 Krafft, G. W. 64 Krafft, W. L. 206 Krasnov, A. N. 116 Krasnov, P. N. 115, 116, 120, 126 Krasnov, Pr. N. 116 Kratzenstein, C. G. 65 Krayenhoff, C. R. T. 286 Krusenstern, A. J. 47, 65, 104, 439, 687, 691, 696, 723, 725 Krusenstern, J. 439 Krusenstjern, G. 188, 568, 612 Krutikova, M. V. 121, 135 Krylov, A. N. 49, 116, 117, 118, 119, 126, 346 Krylov, I. A. 46, 151, 154, 155, 157, 298 Kukol’nik, N. V. 157 Kunowsky, G. K. F. 539 Kupffer, A. T. 15, 36, 37, 38, 39, 43, 45, 46, 47, 48, 50, 52, 55, 58, 60, 62, 64, 68, 69, 70, 71, 77, 78, 79, 80, 82, 86, 94, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 105, 106, 107, 110, 111, 112, 117, 126, 145, 146, 149, 152, 162, 333, 334, 337, 338, 342–427, 478, 483, 486, 549, 586, 589, 592, 639, 642, 643, 644, 646, 647, 648, 649, 650 Kupffer, C. H. 43, 46, 173, 333–341, 343, 344, 345, 385, 483 Kupffer, C., geb. Riboulet 343 Kupffer, F., geb. Bruhns 333 Kupffer, L. 384 Kupffer, M. F., geb. Macdonald 344 Kupffer, M. H., geb. Bruhns 333 Kušelev-Bezborodko, A. G. 335 Küssner, M. 152

L La Fontaine, J. 154 La Hire, P. 523, 533 Lagrange, J.-L. 109, 229, 303, 444 Lalande, J. J. 431, 437, 646 Lambert, J. H. 64, 523, 533 Lamé, G. 362, 415 Lamont, J. 344, 370, 542 Langlois, C. 434

889

Laplace, P.-S. 109, 170, 196, 200, 227, 452, 454, 475, 557, 558, 573, 640, 641 Lapšin, V. I. 174 Lazarev, M. P. 65, 639, 641 Legendre, A.-M. 109, 116, 196, 476, 593, 601 Lenin 386 Lenz, E. 32, 37, 43, 47, 96, 104, 343, 351, 386, 549, 577 Lermontov, M. Ju. 151, 157 Leverrier, U. J. J. 362, 733, 734 Lexell, A. J. 44, 206 Liboschitz, J. 348 Libri, G. 303 Lichtenberg, G. C. 166 Lie, M. S. 518 Liesganig, J. 469 Lieven, C. 27, 30, 184, 186, 187, 340, 679, 688 Lindenau, B. A. 53, 432, 437, 454, 462, 697 Listing, J. B. 388, 396, 399, 536, 538 Litke, F. P. 65, 104, 681 Littrow, C. L. 429, 438, 461, 467 Littrow, C., geb. Ulrichsthal 429 Littrow, J. J. 15, 35, 36, 38, 39, 42, 46, 54, 112, 170, 172, 183, 349, 428–471, 473, 474, 476, 487, 526, 639, 640, 641, 642, 644, 646, 654, 671, 691, 700, 701 Ljapunov, M. V. 645, 650, 651 Lloyd, H. 97, 370, 395, 398, 399, 401 Lobačevskaja, V. A., geb. Moiseeva 473, 515, 517 Lobačevskij, N. I. 15, 36, 37, 38, 40, 46, 55, 62, 111, 112, 116, 120, 126, 129, 147, 148, 154, 162, 170, 171, 205, 208, 209, 435, 472–519, 504, 639, 640, 643, 646, 663, 684, 692, 732, 733 Loder, J. C. 80 Lohrmann, W. G. 522, 523, 532, 538 Lomonosov, M. V. 96 Lottin, V. C. 395 Lowitz, G. M. 153, 154 Lumiste, Ü. 32, 174

M Mädler, J. H. 15, 31, 46, 110, 189, 193, 195, 196, 520–545, 671, 692, 694, 730 Mädler, M., geb. Witte 521, 525, 529, 536, 538, 539, 540, 544 Magnickij, M. L. 38, 208, 348, 384, 490 Mainardi, G. 174

890

Personenregister

Malus, É. L. 366 Maria Theresia, Herrscherin von Österreich 437 Marija Fëdorovna, geb. Sophie Dorothee von Württemberg 24 Maser, H. 120, 121 Maskelyne, N. 246, 258, 461, 630, 705 Matthiessen, E. A. 197 Maurice, H. 222, 223, 249 Mauvais, F. V. 300, 316, 330 Mayer, J. T. 347 Mayer, T. 153, 215, 225, 522, 523, 533 Mendelssohn Bartholdy, F. 70 Mercator, G. 89 Merz, G. 36, 687 Merz, S. 36 Merzbach, U. C. 110, 114, 122, 123 Meyerbeer, G. 522 Meyerstein, M. 54, 73, 86, 97, 372, 396, 399, 400, 401, 403, 404, 614, 653, 726 Michajlovskij-Danilevskij, A. I. 46, 57, 151, 152, 315 Middendorf, A. T. 293 Miller, W. H. 366 Minding, F. 31, 32, 33, 174, 488 Mitscherlich, E. 348 Möbius, A. F. 172, 191, 691, 711 Molostvov, V. P. 656 Mongredien, A. 325 Morse, S. 612 Müller, J. 283 Muncke, G. W. 607, 608 Murav’ëv, M. N. 681, 682 Musin-Puškin, M. N. 37, 38, 79, 477, 485, 495, 643, 644 Müürsepp, P. 215

N Napoleon I. 20, 21, 24, 40, 157, 224, 324, 431, 667, 669, 678 Nasse, J. F. W. 228 Nervander, J. J. 44, 45, 50, 97, 98, 99, 104, 406 Nesselrode, K. R. 379 Neumann, F. E. 50, 60, 61, 362 Newcomb, S. 438 Newton, I. 213, 295, 504, 687 Nicolai, F. B. G. 676, 678, 709, 712, 728 Nicolai, H. L. 46, 208, 213, 214, 217, 218, 219 Nikol’skij, G. B. 36, 38

Nikolaj I. von Russland 20, 25, 28, 30, 48, 49, 72, 78, 100, 101, 106, 290, 292, 305, 358, 526, 549, 603, 606, 607, 608, 624, 656, 666, 672, 681 Norden, A. P. 129 Norov, A. S. 28 Nöschel, A. 586 Novosil’cev, N. N. 46, 208

O Oersted, H. C. 362 Oesterley, K. 686 Oken, L. 56 Olbers, W. 14, 59, 67, 109, 167, 175, 179, 189, 191, 215, 216, 217, 222, 223, 225, 228, 240, 243, 244, 245, 247, 252, 253, 258, 261, 265, 441, 443, 447, 521, 540, 552, 580, 614, 631, 676, 677, 678, 684, 708, 723, 726 Oriani, B. 246, 267, 269, 459, 630 Orlov, V. I. 154 Ostrogradskij, M. V. 42, 47, 48, 61, 62, 111, 292, 299, 303, 321, 322, 323, 324, 327, 328, 329, 330, 331, 332, 351, 385, 473, 488, 490, 491, 492, 493, 497, 506, 577 Ozerskij, A. D. 50, 51 Ožigova, E. P. 121, 135

P Panaev, I. I. 157 Parrot, A. H., geb. von Hausenberg 547, 550 Parrot, C., geb. Fahl 550 Parrot, E., geb. Krause 569 Parrot, F. 32, 33, 46, 82, 95, 110, 335, 361, 568–586 Parrot, G. F. 30, 32, 33, 46, 110, 344, 351, 359, 546–566, 569, 570, 587, 588, 668, 672 Parrot, H. 569 Parrot, S. W., geb. Lefort 547 Pasquich, J. 270, 432, 435, 436, 437, 441, 442, 443, 448, 449, 461 Pastorff, J. W. 523, 539 Paucker, A. C. W., geb. von Baggehufwudt 587 Paucker, G. E. 592 Paucker, M. G. 15, 31, 33, 46, 110, 334, 335, 338, 345, 362, 488, 587–601, 606, 668

Personenregister Paucker, T. T., geb. Treyden 587 Pavel I. von Russland 23, 25, 29, 57, 208, 211, 589 Pavlova, K. K., geb. Janiš 324 Perevoščikov, D. M. 40, 41 Perthes, F. C. 109 Peter I. von Russland 29, 45, 155, 439 Peters, C. A. F. 178, 189, 197, 684, 692, 694, 729, 731, 735 Peterson, K. M. 32, 174 Pfaff, C. H. 59 Pfaff, J. F. 11, 59, 166, 168, 175, 180, 209, 221, 222, 223, 245, 247, 248, 307, 308, 548, 551 Pfaff, J. W. A. 30, 32, 33, 551, 587, 588, 668, 697 Piazzi, G. 11, 215, 216, 217, 226, 239, 240, 241, 246, 635, 698, 714 Pluchart, A. 271 Pluchart, H. 271 Poggendorff, J. C. 85, 100, 113, 198, 353, 367, 386 Poisson, S.-D. 377, 415, 642 Popov, A. F. 36, 38, 478, 479, 481 Popov, A. S. 609, 612 Posse, K. A. 115, 116, 126 Posselt, J. F. 172, 691, 701, 703, 708 Poullet-Delisle, A.-C. M. 109, 265 Preuss, E. W. 31, 715 Pugačëv, E. 153, 154 Puškin, A. S. 46, 146, 147, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 298, 315, 324, 606 Pytheus 523, 533

Q Quételet, A. 362

R Ramsden, J. 434, 697, 716 Razumovskij, A. K. 27, 474, 640 Razumovskij, K. G. 46 Regnault, H. V. 425 Regner, L. 626, 627 Reichenbach, G. F. 50, 315, 366, 435, 436, 438, 449, 456, 463, 464, 468, 589, 612, 665, 669, 677, 690, 697, 700, 702, 707, 710, 718, 719 Reiff, C. P. 147, 149, 150, 376, 396, 401 Reinke, M. F. 89, 104 Renner, K. F. 35, 36, 38, 112, 168, 182, 185, 279, 281, 282, 435, 446, 454

891

Repsold, A. 687 Repsold, G. 687 Repsold, J. G. 54, 665, 671, 676, 690, 697, 700, 707 Repsold, Werkstatt 36, 644, 726, 729 Riccioli, G. 533, 534 Richelieu, Herzog von 28 Richelot, F. J. 595 Riepenhausen, O. 153 Rose, G. 34, 37, 78, 79, 485, 643 Ross, J. C. 394, 396 Roze, T. N. 85, 119 Rudolphi, K. A. 222, 223 Rümcker, C. L. C. 198, 316 Rumovskij, S. Ja. 35, 37, 46, 181, 206, 208, 218, 219, 281, 430, 431, 435, 474, 618, 640 Rykačev, M. A. 64, 107

S Sabine, E. 362, 370, 394, 395, 406 Sabine, E. J., geb. Leeves 370, 371 Sabler, G. 31, 43, 577 Saltykov, M. A. 37, 476 Sartorius von Waltershausen, W. 143, 146, 148, 149, 151, 152, 161, 365, 371, 372, 388, 500, 515 Savart, F. 377 Savel’ev, A. S. 36, 37, 39, 43, 96, 97, 111, 161, 162, 515, 516 Savič, A. N. 31, 111, 577 Schardius, F. L. 251 Schiemann, K. 574 Schiller, F. 152 Schilling von Canstadt, P. 15, 46, 82, 83, 84, 478, 602–615, 642 Schinkel, K. F. 70 Schlözer, K. 302 Schmeißer, J. G. 677 Schmidt, J. A. E. 149, 200 Schramm, H. 363 Schroeter, J. H. 209, 247, 259, 260, 522, 523, 530, 531, 532, 533, 663, 676, 727 Schuberszky, E. J. 347 Schubert, F. T. 15, 46, 65, 72, 110, 208, 219, 224, 248, 249, 251, 259, 279, 281, 290, 291, 437, 462, 557, 612, 616–637, 641, 646, 669, 687 Schubert, F. T. d. J. 65, 111, 147, 156, 299, 311, 313, 314, 351, 605, 619, 620, 621, 623, 624, 669, 671 Schubert, L. F., geb. Cronhelm 617

892

Personenregister

Schumacher, H. C. 14, 41, 48, 51, 53, 54, 57, 71, 92, 143, 144, 145, 146, 147, 150, 156, 177, 178, 189, 190, 191, 192, 193, 197, 220, 294, 299, 321, 325, 326, 327, 328, 330, 332, 344, 366, 375, 378, 403, 442, 443, 444, 497, 500, 503, 504, 515, 524, 527, 529, 544, 552, 555, 556, 592, 620, 621, 623, 624, 659, 665, 670, 672, 676, 677, 678, 679, 680, 685, 686, 687, 692, 693, 694, 697, 711, 713, 715, 716, 725, 728, 729 Schwarz, L. 196, 526 Schweikardt, F. K. 42, 500, 501, 503, 504 Scott, W. 144, 146, 152, 156 Secchi, P. A. 362 Seeber, L. A. 366, 678 Segelbach, C. F. 186 Seidel, P. L. 198 Senff, K. E. 31, 33, 60, 110, 173, 174, 525, 671, 692 Senff, K. J. 173 Šestakov 99 Severgin, V. M. 343 Shakespeare, W. 152 Simonov, I. M. 36, 37, 38, 39, 40, 46, 52, 68, 69, 79, 94, 99, 100, 111, 112, 119, 146, 147, 162, 170, 171, 343, 344, 349, 359, 369, 375, 387, 433, 434, 435, 436, 440, 474, 475, 476, 477, 483, 485, 488, 504, 516, 605, 638–663 Simonova, M. P., geb. Maksimovič 639 Širinskij-Šichmatov. P. A. 27 Šiškov, A. S. 27 Sisson, J. 589 Slavinskij, P. 58, 59 Smirdin, A. F. 157 Sniadecki, J. B. 43, 58, 429, 430 Soemmerring, S. T. 603, 604, 606 Sokolov, D. V. 114, 115 Sokolov, I. D. 61, 62 Soldner, J. G. 222, 678, 709 South, J. 666, 687 Spasskij, M. F. 43, 60, 61, 364, 386 Stahl, K. D. M. 166, 185 Staudt, K. G. C. 172, 691, 710, 711 Staunton, H. 325 Steimker 187 Steiner, J. 62 Steinheil, K. A. 370, 371, 607, 687, 690, 731 Steklov, V. A. 120 Stern, M. A. 297, 313 Stieda, W. 215

Stromeyer, F. 346, 347 Struve, E., geb. Wall 665, 671, 677 Struve, H. C. G. 57, 394, 395 Struve, J. 618, 667, 676, 712 Struve, J. F., geb. Bartels 172, 174, 177, 184, 666, 671, 675 Struve, M. E., geb. Weise 677 Struve, O. 31, 54, 145, 148, 189, 193, 197, 293, 299, 499, 504, 508, 666, 674, 677, 678, 688, 689, 692, 729, 732, 734 Struve, W. 16, 31, 32, 34, 46, 48, 49, 50, 53, 54, 95, 110, 145, 148, 162, 171, 172, 173, 174, 177, 187, 193, 196, 288, 293, 294, 299, 334, 340, 417, 442, 504, 521, 525, 526, 527, 538, 543, 544, 556, 562, 574, 577, 583, 588, 589, 591, 592, 618, 623, 659, 664–735 Sturm, C.-F. 425 Sudakov, S. G. 119 Šumov, I. S. 325 Svjatskij, D. O. 117, 215

T Tamsen, C. F. 269, 279 Tamsen, Handelshaus 225, 280 Tappe, A. W. 149 Taurinus, F. A. 500 Tenner, K. I. 669 Thénard, L. J. 349 Thibaut, B. F. 347 Thillot, A. A. 115, 120 Tichomandrickij, A. N. 61 Timocharis 523 Tittel, P. P. 437, 458, 460, 461, 463 Tol’, K. F. 324 Triesnecker, F. P. 429, 437, 438, 442, 635 Troughton, E. 260, 390, 434, 697, 706, 715 Turgenev, I. S. 151

U Ulrich, G. K. J. 380 Utzschneider, J. 192, 197, 436 Uvarov, S. 489 Uvarov, S. S. 27, 30, 46, 57, 106, 162, 219, 290, 291, 293, 305, 335, 478, 486, 495, 549, 590, 656, 692, 693

Personenregister

V Varnhagen von Ense, K. A. 315 Vasil’ev, A. V. 516 Vernadskij, V. I. 116 Veselovskij, K. S. 293 Vinogradov, I. M. 120, 121 Vladimir der Heilige 28, 43, 335 Vogel, K. 175 Voronkovskij, N. 57, 58 Voskresenskij, A. A. 60, 386 Voß, L. 153, 297, 303, 305, 311, 313, 317, 406

W Walbeck, H. J. 44, 665, 677, 689, 706, 711, 714 Wall, I. 720 Weber, W. 12, 41, 44, 50, 51, 54, 55, 56, 63, 64, 74, 85, 86, 89, 92, 96, 97, 102, 105, 144, 295, 344, 356, 362, 367, 370, 371, 372, 377, 378, 379, 380, 396, 399, 401, 402, 404, 405, 603, 607, 612, 613, 614, 652, 656, 663, 726 Weierstraß, K. 621

893

Weiß, C. S. 345, 348, 349 Weisse, M. 400, 734 Wettstein, J. K. 303 Willigerod, J. C. P. 333, 334, 335 Wishniewsky, V. 39, 208, 219, 282, 617, 619, 623, 641 Witte, W. 520, 521, 524, 525, 529, 536, 537, 538, 541 Wöhler, F. 674 Wollaston, W. H. 365, 366 Wrangel, F. 65, 104

Z Zach, F. X. 53, 179, 209, 212, 215, 217, 222, 226, 239, 241, 243, 246, 255, 258, 267, 270, 430, 431, 436, 450, 485, 628, 637, 641, 643, 718 Zaliznjak, A. A. 150 Zavadovskij, P. V. 27, 223 Zelenyj, S. I. 492 Zernov, N. E. 111 Zimmermann, E. A. W. 166, 167, 180, 209, 210, 211, 212, 213, 223, 241, 245, 248, 249, 251, 552

216, 250, 443,

175, 226,

Anhang Abb. 89a–d. Die von Gauß angefertigte Abschrift von Leonhard Eulers Abhandlung „Démonstration De la somme de cette Suite. 1 + 14 + 19 + 161 + 251 + 361 + &c.“ aus dem „Journal littéraire d’Allemagne“ (Euler 1743) St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 136, op. 3, ʋ 13, l. 60–61. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

Abb. 90a–b. Brief von Gauß an Paul Heinrich Fuß vom 16. Mai 1844 (Göttingen) und der dazugehörige Briefumschlag St. Petersburger Filiale des Archivs der Russländischen Akademie der Wissenschaften, f. 136, op. 3, ʋ 13, l. 59r, 62v. © ɋɚɧɤɬ-ɉɟɬɟɪɛɭɪɝɫɤɢɣ ɮɢɥɢɚɥ Ⱥɪɯɢɜɚ Ɋɨɫɫɢɣɫɤɨɣ Ⱥɤɚɞɟɦɢɢ ɧɚɭɤ

896

Anhang

Abb. 89a. l. 60r.

Anhang

Abb. 89b. l. 60v.

897

898

Anhang

Abb. 89c. l. 61r.

Anhang

Abb. 89d. l. 61v.

899

900

Anhang

Abb. 90a. l. 59r.

Anhang

Abb. 90b. l. 62v.

901

Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Neue Folge

Wer kauft Liebesgötter? Metastasen eines Motivs Dietrich Gerhardt, Berlin/New York 2008 ISBN 978-3-11-020291-5 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 1

Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III Hrsg. von Jochen Johrendt und Harald Müller, Berlin/New York 2008 ISBN 978-3-11-020223-6 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 2

Gesetzgebung, Menschenbild und Sozialmodell im Familien- und Sozialrecht Hrsg. von Okko Behrends und Eva Schumann, Berlin/New York 2008 ISBN 978-3-11-020777-4 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 3

Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit I. Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien (Heiden, Barbaren, Juden) Hrsg. von Ludger Grenzmann, Thomas Haye, Nikolaus Henkel u. Thomas Kaufmann, Berlin/New York 2009 ISBN 978-3-11-021352-2 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 4

Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia Hrsg. von Klaus Herbers und Jochen Johrendt, Berlin/New York 2009 ISBN 978-3-11-021467-3 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 5

Die Grundlagen der slowenischen Kultur Hrsg. von France Bernik und Reinhard Lauer, Berlin/New York 2010 ISBN 978-3-11-022076-6 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 6

904 Studien zur Philologie und zur Musikwissenschaft Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin/New York 2009. ISBN 978-3-11-021763-6 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 7

Perspektiven der Modernisierung. Die Pariser Weltausstellung, die Arbeiterbewegung, das koloniale China in europäischen und amerikanischen Kulturzeitschriften um 1900 Hrsg. von Ulrich Mölk und Heinrich Detering, in Zusammenarb. mit Christoph Jürgensen, Berlin/New York 2010 ISBN 978-3-11-023425-1 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 8

Das strafende Gesetz im sozialen Rechtsstaat. 15. Symposion der Kommission: „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart‘‘ Hrsg. von Eva Schumann, Berlin/New York 2010 ISBN 978-3-11-023477-0 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 9

Studien zur Wissenschafts- und zur Religionsgeschichte Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin/New York 2011 ISBN 978-3-11-025175-3 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 10

Erinnerung --- Niederschrift --- Nutzung. Das Papsttum und die Schriftlichkeit im mittelalterlichen Westeuropa Hrsg. von Klaus Herbers und Ingo Fleisch, Berlin/New York 2011 ISBN 978-3-11-025370-2 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 11

Erinnerungskultur in Südosteuropa Hrsg. von Reinhard Lauer, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-025304-7 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 12

Old Avestan Syntax and Stylistics Hrsg. von Martin West, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-025308-5 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 13

905 Edmund Husserl 1859-2009. Beiträge aus Anlass der 150. Wiederkehr des Geburtstages des Philosophen Hrsg. von Konrad Cramer und Christian Beyer, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-026060-1 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 14

Kleinüberlieferungen mehrstimmiger Musik vor 1550 in deutschem Sprachgebiet. Neue Quellen des Spätmittelalters aus Deutschland und der Schweiz Hrsg. von Martin Staehelin, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-026138-7 Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge 15