Buchdruck und Sprachwandel: Schreibsprachliche und textstrukturelle Varianz in der "Melusine" des Thüring von Ringoltingen (1473/74–1692/93) 9783050065250, 9783050060538

This study examines the Early New High German prose romance Melusine by Thüring von Ringoltingen to explore the relation

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German Pages 422 [421] Year 2014

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Dank
I. Einleitung
1. Zielsetzungen und Fragestellungen
2. Die französische Wiege der Melusine
3. Thüring von Ringoltingens Übersetzung der Melusine
II. Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode
1. Druckersprachen im Gefüge des Frühneuhochdeutschen
2. Der Forschungsstand zu Druck- und Druckersprachen
3. Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache
3.1 Theorien und Hypothesen
3.2 Metasprachliche Reflexion und Buchdruck
4. Der Forschungsstand zum Frühneuhochdeutschen Prosaroman
5. Schriftsprache vs. gesprochene Sprache
6. Methodologie
6.1 Das Korpus
6.2 Erkenntnisse aus der Buchwissenschaft
6.3 Schnittpunkte mit der Kunstgeschichte
6.4 Textauswahl
6.5 Gegenstandsbereiche der sprachlichen Untersuchung
6.6 Computerbasierte Erschließung des Datenmaterials
III. Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme
1. Beginn der Drucküberlieferung
2. Handschriftenüberlieferung der Melusine im deutschsprachigen Raum
3. Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine
3.1 Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)
3.2 Untersuchungszeitraum II (1538–1587)
3.3 Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)
4. Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)
4.1 Bernhard Richel (Basel, 1473/74)
4.2 Heinrich Knoblochtzer, erste Ausgabe (Straßburg, um 1477)
4.3 Heinrich Knoblochtzer, zweite Ausgabe (Straßburg, um 1478)
4.4 Johann Prüss d. Ä. (Straßburg, um 1478)
4.5 Heinrich Knoblochtzer, dritte Ausgabe (Straßburg, um 1482)
4.6 Heinrich Knoblochtzer, vierte Ausgabe (Heidelberg, 1491)
4.7 Johann Bämler, erste Ausgabe (Augsburg, 1474)
4.8 Johann Bämler, zweite Ausgabe (Augsburg, 1480)
4.9 Johann Schönsperger d.Ä. (Augsburg, um 1488)
4.10 Matthias Hupfuff (Straßburg, 1506)
4.11 Johann Knobloch (Straßburg, 1516)
5. Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)
5.1 Heinrich Steiner, erste Ausgabe (Augsburg, 1538)
5.2 Heinrich Steiner, zweite Ausgabe (Augsburg, 1539)
5.3 Georg Messerschmidt (Straßburg, 1539)
5.4 Heinrich Steiner, dritte Ausgabe (Augsburg, 1540)
5.5 Heinrich Steiner, vierte Ausgabe (Augsburg, 1543)
5.6 Hermann Gülfferich, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1549)
5.7 Hermann Gülfferich, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1554)
5.8 Weigand Han, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1556)
5.9 Weigand Han, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., um 1562)
5.10 Georg Rab und Weigand Hans Erben (Frankfurt/a.M., 1564)
5.11 Katharina Rebart und Kilian Han (Frankfurt/a.M., 1571)
5.12 Michael Manger (Augsburg, 1574)
5.13 Paul Reffeler für Kilian Han (Frankfurt/a.M., 1577)
5.14 Christian Müller d. J. (Straßburg, 1577)
5.15 Offizin Christian Egenolffs Erben, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., um 1578)
5.16 Offizin Christian Egenolffs Erben, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., vor 1580)
5.17 Johann Feyerabend für Sigmund Feyerabend (im Buch der Liebe, Frankfurt/a.M., 1587)
6. Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)
6.1 Michael Pfeiffer (Hamburg, 1649)
6.2 Michael und Johann Friedrich Endter (Nürnberg, 1672)
6.3 Unfirmierte Ausgabe (1692)
6.4 David Nicolai (St. Annaberg, 1692/93)
7. Homonymendifferenzierung durch orthographische Eingriffe
7.1 Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)
7.2 Untersuchungszeitraum II (1538–1587)
7.3 Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)
8. Die Entwicklung der Umlautgraphie nach morphologischem Prinzip
8.1 Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)
8.2 Untersuchungszeitraum II (1538–1587)
8.3 Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)
9. Zusammenfassung der Ergebnisse auf graphematischer Ebene
IV. Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache der Melusine-Ausgaben
1. Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum I (1473/74–1516)
1.1 Lautwandel im Bereich des Vokalismus
1.2 Lautwandel im Bereich des Konsonantismus
1.3 Morphologischer Wandel
2. Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum II (1538–1587)
2.1 Lautwandel im Bereich des Vokalismus
2.2 Lautwandel im Bereich des Konsonantismus
2.3 Morphologischer Wandel
3. Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum III (1649–1692/93)
3.1 Lautwandel im Bereich des Vokalismus
3.2 Lautwandel im Bereich des Konsonantismus
3.3 Morphologischer Wandel
4. Zusammenfassung der Ergebnisse des Laut- und Formenwandels
V. Sprachwandel auf Textebene in der Melusine
1. Makrostrukturelle Entwicklungen
1.1 Bild-Text-Relation
1.2 Kapitelüberschriften
2. Mikrostrukturelle Entwicklungen
2.1 Interpunktion
2.2 Textpassageneinleitung
2.3 Transsyntaktische Verknüpfung durch koordinierendes ›und‹
2.4 Sprachliche Gestaltung referenzidentischer Satzglieder
VI. „Alfo hat diß Buchlein ein Ende“. Bewertung der Ergebnisse
VII. Verzeichnisse und Anhang
1. Textstellen
2. Verwendung von Abbreviaturen
3. Standardisierte Benennung der Sinnabschnitte der Melusine
4. Abkürzungsverzeichnis
5. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
5.1 Abbildungsverzeichnis
5.2 Tabellenverzeichnis
6. Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur
7. Personenregister
8. Wortregister
9. Sachregister
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Buchdruck und Sprachwandel: Schreibsprachliche und textstrukturelle Varianz in der "Melusine" des Thüring von Ringoltingen (1473/74–1692/93)
 9783050065250, 9783050060538

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Buchdruck und Sprachwandel

Lingua Historica Germanica Studien und Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Band 6 Herausgegeben von Stephan Müller, Jörg Riecke, Claudia Wich-Reif und Arne Ziegler

Gesellschaft für germanistische Sprachgeschichte e.V.

Martin Behr

Buchdruck und Sprachwandel Schreibsprachliche und textstrukturelle Varianz in der ›Melusine‹ des Thüring von Ringoltingen (1473/74–1692/93)

Die Arbeit wurde im Wintersemester 2011 als Dissertation unter dem Titel „Schreibsprachliche und textstrukturelle Varianz in der Offizin der Frühen Neuzeit. Die Praxis der Drucker der ,Melusine‘ des Thüring von Ringoltingen (1473/74–1692/93)“ an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg eingereicht und für die Drucklegung überarbeitet.

ISBN 978-3-05-006053-8 eISBN 978-3-05-006525-0 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Akademie Verlag GmbH, Berlin / Boston Ein Unternehmen von De Gruyter Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis

Dank ................................................................................................................

9

I.

Einleitung ....................................................................................................... 10

1.

Zielsetzungen und Fragestellungen ................................................................ 10

2.

Die französische Wiege der Melusine ............................................................ 14

3.

Thüring von Ringoltingens Übersetzung der Melusine .................................. 16

II.

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode ..................................... 21

1.

Druckersprachen im Gefüge des Frühneuhochdeutschen ............................... 21

2.

Der Forschungsstand zu Druck- und Druckersprachen .................................. 25

3.

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache ........ 31 3.1 Theorien und Hypothesen ..................................................................... 31 3.2 Metasprachliche Reflexion und Buchdruck .......................................... 38

4.

Der Forschungsstand zum Frühneuhochdeutschen Prosaroman .................... 54

5.

Schriftsprache vs. gesprochene Sprache ......................................................... 59

6.

Methodologie ................................................................................................. 6.1 Das Korpus .......................................................................................... 6.2 Erkenntnisse aus der Buchwissenschaft .............................................. 6.3 Schnittpunkte mit der Kunstgeschichte ............................................... 6.4 Textauswahl ......................................................................................... 6.5 Gegenstandsbereiche der sprachlichen Untersuchung ......................... 6.6 Computerbasierte Erschließung des Datenmaterials ...........................

III.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme ................... 92

1.

Beginn der Drucküberlieferung ...................................................................... 92

2.

Handschriftenüberlieferung der Melusine im deutschsprachigen Raum ........ 93

61 61 66 80 83 85 88

6

3.

4.

5.

6.

Inhaltsverzeichnis

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine .............................. 3.1 Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516) ......................................... 3.2 Untersuchungszeitraum II (1538–1587) ............................................. 3.3 Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93) ....................................... Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516) ....... 4.1 Bernhard Richel (Basel, 1473/74) ...................................................... 4.2 Heinrich Knoblochtzer, erste Ausgabe (Straßburg, um 1477) ............ 4.3 Heinrich Knoblochtzer, zweite Ausgabe (Straßburg, um 1478) ......... 4.4 Johann Prüss d. Ä. (Straßburg, um 1478) ........................................... 4.5 Heinrich Knoblochtzer, dritte Ausgabe (Straßburg, um 1482) ........... 4.6 Heinrich Knoblochtzer, vierte Ausgabe (Heidelberg, 1491) .............. 4.7 Johann Bämler, erste Ausgabe (Augsburg, 1474) ............................... 4.8 Johann Bämler, zweite Ausgabe (Augsburg, 1480) ............................ 4.9 Johann Schönsperger d.Ä. (Augsburg, um 1488) ............................... 4.10 Matthias Hupfuff (Straßburg, 1506) ................................................... 4.11 Johann Knobloch (Straßburg, 1516) ...................................................

99 99 106 113 117 117 122 125 128 131 133 135 139 142 146 149

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587) ........... 5.1 Heinrich Steiner, erste Ausgabe (Augsburg, 1538) ............................ 5.2 Heinrich Steiner, zweite Ausgabe (Augsburg, 1539) ......................... 5.3 Georg Messerschmidt (Straßburg, 1539) ............................................ 5.4 Heinrich Steiner, dritte Ausgabe (Augsburg, 1540) ........................... 5.5 Heinrich Steiner, vierte Ausgabe (Augsburg, 1543) ........................... 5.6 Hermann Gülfferich, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1549) .............. 5.7 Hermann Gülfferich, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1554) ........... 5.8 Weigand Han, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1556) ......................... 5.9 Weigand Han, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., um 1562) ................ 5.10 Georg Rab und Weigand Hans Erben (Frankfurt/a.M., 1564) ............ 5.11 Katharina Rebart und Kilian Han (Frankfurt/a.M., 1571) .................. 5.12 Michael Manger (Augsburg, 1574) .................................................... 5.13 Paul Reffeler für Kilian Han (Frankfurt/a.M., 1577) .......................... 5.14 Christian Müller d. J. (Straßburg, 1577) ............................................. 5.15 Offizin Christian Egenolffs Erben, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., um 1578) ........................................... 5.16 Offizin Christian Egenolffs Erben, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., vor 1580) ........................................ 5.17 Johann Feyerabend für Sigmund Feyerabend (im Buch der Liebe, Frankfurt/a.M., 1587) .........................................

153 153 155 157 160 160 161 166 167 170 172 176 177 180 184 187 192 194

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93) ..... 199

Inhaltsverzeichnis

7

8.

6.1 Michael Pfeiffer (Hamburg, 1649) ...................................................... 6.2 Michael und Johann Friedrich Endter (Nürnberg, 1672) ..................... 6.3 Unfirmierte Ausgabe (1692) ................................................................ 6.4 David Nicolai (St. Annaberg, 1692/93) ............................................... Homonymendifferenzierung durch orthographische Eingriffe........................ 7.1 Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516) .......................................... 7.2 Untersuchungszeitraum II (1538–1587) .............................................. 7.3 Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93) ........................................ Die Entwicklung der Umlautgraphie nach

9.

Zusammenfassung der Ergebnisse auf graphematischer Ebene ..................... 229

IV.

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache der Melusine-Ausgaben ................................................................................... 233

1.

Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum I (1473/74–1516) .............................................................................................. 1.1 Lautwandel im Bereich des Vokalismus ............................................. 1.2 Lautwandel im Bereich des Konsonantismus ...................................... 1.3 Morphologischer Wandel ....................................................................

233 234 264 283

2.

Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum II (1538–1587) ................................................................................................... 2.1 Lautwandel im Bereich des Vokalismus ............................................. 2.2 Lautwandel im Bereich des Konsonantismus ...................................... 2.3 Morphologischer Wandel ....................................................................

296 296 314 318

3.

4.

Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum III (1649–1692/93) .............................................................................................. 3.1 Lautwandel im Bereich des Vokalismus ............................................. 3.2 Lautwandel im Bereich des Konsonantismus ...................................... 3.3 Morphologischer Wandel .................................................................... Zusammenfassung der Ergebnisse des Laut- und Formenwandels .................

324 324 326 327 328

V.

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine ................................................ 335

1.

Makrostrukturelle Entwicklungen .................................................................. 335

7.

morphologischem Prinzip ............................................................................... 8.1 Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516) ........................................... 8.2 Untersuchungszeitraum II (1538–1587) .............................................. 8.3 Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93) ........................................

199 202 206 208 211 211 213 217 217 217 221 227

Inhaltsverzeichnis

8

1.1 1.2

Bild-Text-Relation .............................................................................. 335 Kapitelüberschriften ........................................................................... 339

2.

Mikrostrukturelle Entwicklungen .................................................................. 2.1 Interpunktion ....................................................................................... 2.2 Textpassageneinleitung ....................................................................... 2.3 Transsyntaktische Verknüpfung durch koordinierendes ›und‹ ............ 2.4 Sprachliche Gestaltung referenzidentischer Satzglieder ......................

341 341 343 345 347

VI.

„Alſo hat diß Buͤ chlein ein Ende“. Bewertung der Ergebnisse ........................... 352

VII.

Verzeichnisse und Anhang ............................................................................ 363

1.

Textstellen ..................................................................................................... 363

2.

Verwendung von Abbreviaturen ................................................................... 367

3.

Standardisierte Benennung der Sinnabschnitte der Melusine ......................... 371

4.

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................. 374

5.

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................... 374

6.

5.1 Abbildungsverzeichnis ........................................................................ 374 5.2 Tabellenverzeichnis ............................................................................. 377 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 380

7.

6.1 Quellen................................................................................................. 380 6.2 Literatur ............................................................................................... 380 Personenregister ............................................................................................. 405

8.

Wortregister .................................................................................................... 409

9.

Sachregister .................................................................................................... 418

Dank

Diese Studie ist die überarbeitete Version meiner Dissertation, die im Rahmen des DFG-Projektes „Die Melusine des Thüring von Ringoltingen in der deutschen Drucküberlieferung von ca. 1473/74 bis ins 19. Jahrhundert – Buch, Text und Bild“ entstand. Zunächst gebührt den beiden Kollegen im Projekt aus der Buchwissenschaft und Kunstgeschichte mein herzlicher Dank. Die Stelle des buchwissenschaftlichen Teilprojektes bekleidete Dr. Hans-Jörg Künast, dessen Erfahrung im wissenschaftlichen Betrieb und stete Bereitwilligkeit, sein fundiertes Wissen im Bereich der allgemeinen Geschichtsforschung und der Buchgeschichte weiterzugeben, vieles erleichtert hat, sowohl während der Ausarbeitung als auch bei der Nachbearbeitung und Korrektur. Mit Benedicta Feraudi-Denier war mir eine auskunftsfreudige Kunsthistorikern zur Seite gestellt, die den Erkenntnis- und Leidensweg einer Dissertation mit mir teilte und den Austausch der beiden Fächer Kunstgeschichte und Sprachwissenschaft stets förderte. Beiden gilt in vielen Bereichen des fachlichen, kollegialen und freundschaftlichen Austausches mein besonderer Dank. Ferner stehen am Anfang eines solchen Projektes immer die Antragsteller, durch deren Engagement derartige Projektideen erst entstehen. So ist das Zustandekommen des Projektes dem gemeinsamen Bestreben der Erlanger Professorinnen Ursula Rautenberg, Heidrun Stein-Kecks und Mechthild Habermann zu verdanken. Mein besonderer Dank muss selbstverständlich an die Antragstellerin für meinen Fachbereich, Frau Prof. Dr. Mechthild Habermann, ergehen, die mir die Möglichkeit zur Promotion im Rahmen dieses wundervollen Projektes eröffnet hat. Ihre ständige Bereitwilligkeit dem Entstehungsprozess dieser Schrift kritisch und beratend zur Seite zu stehen, Zweifel auszuräumen und das Vorhaben zu bestärken, erfüllen mich mit tiefster Dankbarkeit. Ein großer Dank ergeht auch an den zweiten Gutachter Herrn Prof. Dr. Peter O. Müller. Für das unermüdliche Korrekturlesen danke ich Sebastian Gagel, den Herausgebern für die Aufnahme des Bandes in die Reihe. Für äußerst professionelle Betreuung, Geduld und Nachsicht von Verlagsseite ergeht ein großes Dankeschön an Frau Dr. Katja Leuchtenberger. Fernab der Erlanger Projekträumlichkeiten gilt besonderer Dank meinen Eltern, die mir den Werdegang ermöglichten, der dazu führte, dieses Promotionsvorhaben in Angriff nehmen zu können. Abschließend danke ich von ganzem Herzen für stets ungebrochenen Beistand und viel Verständnis Stephanie Lucas. Martin Behr, Oktober 2013

I.

Einleitung Le philozophe fut moult sage Qui dist en la premiere page De sa noble Metaphisique Que humain entendement s’aplique Naturelment a concevoir Et a aprendre et a savoir. (Couldrette)

1.

Zielsetzungen und Fragestellungen

Das Einleitungszitat steht zu Beginn des Werkes Le Roman de Mélusine ou Histoire de Lusignan des Couldrette. Als angesprochener Philosoph, auf den sich der Verfasser bezieht, ist unschwer am Titel eines seiner Werke – der Metaphysik – Aristoteles zu identifizieren. Dies teilt uns der Übersetzer der deutschsprachigen Version der Melusine, deren Drucküberlieferung vom 15. bis zum 17. Jh. im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen wird, auch mit. Thüring von Ringoltingen schreibt in seiner im Jahre 1456 vollendeten Prosaübersetzung des Versromans des Couldrette: „(S)Jtt das der groſſe natu̓ rliche / ║ meiſter / Ariſtotiles ſprichet an ║ dem anefāg vnd voɾrede ſines ║ erſten bůchs / Methauiſice / ein ║ ieglich menſche begert von na- ║ ture vil czů wiſſen Harumb ſo ║ hab ich / Thu͛ ring von Ringol / ║ tingē von bern vß u͛ cht lant ein ║ zů mol ſelczene vnd gar wunderliche fremde hyſtorie fun / ║ den in franczoͤ ſiſcher ſprache vn̄ welſcher zungen / Die aber ║ ich [...] zů tu̓ tſcher ║ zungē gemacht vn̄ trāſlatiert noch minē ║ beſten vermu̓ gē...“1

Dieser nach Aristoteles der Natur des Menschen innewohnende Drang nach neuen Erkenntnissen stand auch am Anfang der Überlegungen zu dieser sprachwissenschaftlichen Dissertation. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht stellt der Untersuchungsansatz ein Novum dar, da bisher noch keine Studie zu Druckersprachen vorliegt, die die gesamte Überlieferung eines Textes über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren fokussiert. Dabei kann bei lückenloser bibliographischer Aufarbeitung der Überlieferung vor allem der Umgang der Drucker2 mit ihren Vorlagen, das Wechselspiel zwischen Vor1 2

Das Zitat findet sich in der editio princeps Richel-1473/74 auf Bl. a1a, Z. 12. Die ab hier verwendeten Siglen für die Melusine-Ausgaben sind in Tab. 1 erläutert. Hier gilt es definitorisch einzugreifen, da häufiger die Rede von der Sprache des Druckers sein wird, wobei der Begriff Drucker als Sammelbegriff für die in der Offizin angestellten an der Ausgestaltung der Sprache der Druckerzeugnisse beteiligten Personen aufgefasst werden soll. Dabei ist es unglücklicherweise in den seltensten Fällen möglich, die Sprache einer Druckausgabe auf eine Einzelperson zurückzuführen. Die Setzer, die neben den Korrektoren und Druckern großen Einfluss auf die Sprache der Drucke hatten, sind für frühere Zeiten weitestgehend unbekannt. Bis zur Reformation war die Arbeitsteilung noch nicht in allen Betrieben vollzogen, so dass in den frühen Offizinen des 15. Jhs. Buchdrucker auch selbst das Schriftsetzen beherrschen mussten. Über

Zielsetzungen und Fragestellungen

11

lagenabhängigkeit und -treue und bewusster Veränderung der Vorlage, zwischen Schreibtradition und -innovation, untersucht werden. Überarbeitungen alter Auflagen bei Wahrung des Inhalts bieten die Möglichkeit, bewusste Spracharbeit zu untersuchen, die in der Frühen Neuzeit eine allmähliche Angleichung an Lautung und Schreibung überregionalen Zuschnitts bedeutete und Normierungstendenzen erkennen lässt. Konkret stellten sich zu Beginn aus linguistischer Perspektive zahlreiche Fragen an das Korpus der Drucküberlieferung der Melusine. Welches typographische Material verwendeten die Drucker zur Umsetzung des Melusine-Textes? Welche Lettern bzw. Ligaturen werden den distinktiven Phonempositionen zugewiesen? Wie stark ist dabei die quantitative Abweichung von klaren 1:1-Beziehungen und wie ist die Entwicklung der Varianz geartet? Welche orthographischen Prinzipien werden verfolgt und wie entwickeln sich die Druckersprachen der Drucker der Melusine in teleologischer Sichtweise auf den nhd. Standard? Welche Wandelerscheinungen auf den Ebenen der Lautung und Morphologie treten auf? Was veranlasst die Drucker zu bestimmten Veränderungen der Vorlage? Lassen sich stets klare Vorlagen ausmachen und wie verläuft die Auswahl der Vorlagen durch die Drucker? Wie und nach welchen Prinzipien werden die für die Textsorte obligatorischen Strukturelemente Titulus, Holzschnitt und Textpassage angeordnet und zueinander in Beziehung gesetzt? Basierend auf der Hypothese, dass im Verlauf der Überlieferung eine Reduzierung von nähe-sprachlichen Erscheinungen auftritt, stellte sich die Frage, ob dies der Fall ist und wie dies im Detail vonstattengeht. Bei all diesen Fragestellungen wurde das sprachhistorische Erkenntnisinteresse um die Perspektiven der Buchwissenschaft und Kunstgeschichte auf die Materialität von Buch, Text und Bild ergänzt. Durch die sprachstrukturelle und textlinguistische Untersuchung eines Druckwerkes der longue durée, das eine kontinuierliche Überlieferung vom ausgehenden 15. bis ins 19. Jh. aufweist, können Sprachwandel und die Faktoren für diesen weiter erhellt werden.3 Die Untersuchung mehrerer Textzeugen eines Textes im Zusammenhang seiner Überlieferung ist erst seit kurzem auch für sprachwissenschaftliche Untersuchungen genutzt worden (vgl. Simmler 1985, 1997, 2010, Habermann 2001). Die Phasen der

3

Schriftsetzer der Frühen Neuzeit wissen wir kaum etwas, sie müssen uns in den meisten Fällen allerdings als gebildete, wenn nicht gelehrte Persönlichkeiten gelten. Autobiographische Daten von Setzern, überwiegend aus dem 19. und 20. Jh., und Informationen zur Ausbildung des Schriftsetzers bietet Ritzi (1989). Als möglicher Setzer einer Melusine erscheint erst für die Reutlinger Volksbuchausgabe der Offizin Robert Bardtenschlagers aus dem Jahr 1878 Paul Locher aus Hermatingen nachgewiesen, der 1873 seine Schriftsetzerlehre begann und zum Redakteur und Buchdruckereibesitzer aufstieg. Vgl. Ritzi (1989: 247). Die Melusine zeichnet sich dabei im Vergleich zu Texten wie dem Herzog Ernst oder den Sieben weisen Meistern durch eine ununterbrochene Überlieferung aus. Vgl. Grätz (1988: 88), der durch ungefähre quantitative Angaben die grundlegende Entwicklung der Überlieferung der Volksbücher (15. und 16. Jh.: ca. 75 Titel in ungefähr 720 Ausgaben; 17. Jh.: noch 40 Titel davon; 18. Jh.: noch 20 Titel davon) skizziert.

12

Einleitung

Bearbeitung der jeweiligen Textzeugen im Kontrast zu den Vorlagetexten geben Einblick in sprachliche Modernisierungs- und textuelle Optimierungsprozesse und ermöglichen somit Aussagen zu Sprach- und Textsortenwandelprozessen. Die Beschreibung der gesamten Drucküberlieferung eines Vertreters der Textsorte Frnhd. Prosaroman fehlt bislang. Damit sind die beiden Untersuchungsgebiete umrissen: Sprachstruktureller Wandel und Textsortenwandel in Drucken. Im Bereich des sprachstrukturellen Wandels soll basierend auf der systematischen Beschreibung der Schreibsprache nach den Beschreibungsebenen Phonologie/Graphematik und Morphologie der Sprachwandel auf diesen Ebenen innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine erfasst werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf eventuelle Reflexe lokal-dialektaler Interferenzen in den Druckersprachen gelegt. Die zu jeder einzelnen Ausgabe erarbeiteten sprachstrukturellen Ergebnisse werden diachron-kontrastierend dargestellt und interpretiert. Dafür ist die Bestimmung von Überlieferungssträngen und intereditorialen Beziehungen innerhalb der MelusineTradierung grundlegend. Der Umgang der Drucker mit der Sprache ihrer Vorlagen und die Adaption an Druck- oder Druckersprachen aus anderen Druckzentren stehen besonders im Fokus. Was waren die Faktoren, die einen Drucker in einer Zeit ohne orthographische Norm zur Wahl der einen oder der anderen Schreibvariante verleiteten? Lassen sich verlegerische Strategien in der Gestaltung des Textes und seiner sprachlichen Erscheinungsform erkennen? Zeichnet sich eine bewusste Anpassung an Buchmärkte und Leser ab? Welche Eingriffe in die Textstrukturierung lassen sich beobachten und welchen Strategien folgen diese? Somit ist das Ziel dieser sprachwissenschaftlichen Untersuchung, einen prominenten Strang der erzählenden Prosa unter sprachstrukturellen und textlinguistischen Gesichtspunkten über einen langen Zeitraum zu beschreiben und die Wandelvorgänge zu interpretieren. Dieser Zeitraum endet mit der letzten Ausgabe, die in ihrer Textform in einem direkten Überlieferungszusammenhang mit den Überlieferungssträngen der Inkunabelzeit steht, am Ende des 17. Jhs. Die später erscheinenden Ausgaben weisen eine der alten Tradition sprachlich-stilistisch ungleiche Bearbeitung des Inhalts der Melusine auf, deren Charakter und Unterschiede zur vorhergehenden Textüberlieferung es noch genauer zu erforschen gilt. Für unsere Belange setzt diese Veränderung in der Textüberlieferung im 18. Jh. eine markante Grenze für den Untersuchungszeitraum. In der Frühzeit des Buchdrucks liegt der Schwerpunkt auf der sprachlandschaftlichen Diversifikation der Inkunabeldrucke, die über die Schreibdialekte der Druckersprachen zu fassen ist. Damit stellt diese Arbeit auch einen Beitrag zur Erforschung der frühen Schreibdialekte und der Druckersprachen einzelner Offizinen dar und trägt zur Erhellung der Frage nach der Herausbildung und Standardisierung der nhd. Schriftsprache bei. Auf Ebene der makrostrukturellen Textorganisation stehen Invarianz und Varianz eines Textes gegenüber der/den Vorlage/n im Vordergrund. Die textgliedernden Elemente Titulus, Holzschnitt und Absatzstrukturen werden dabei besonders beachtet. Auch die Beschaffenheit der Titulus-Bild-Text-Relationen, ein Schnittpunkt mit

Zielsetzungen und Fragestellungen

13

der kunsthistorischen Perspektive auf das Werk, wird aufgrund ihres kohäsionsstiftenden Charakters in die textlinguistische Untersuchung einfließen. Auf mikrostruktureller Ebene wurde der Text auf Zunahme von Pronominalisierung anstelle monotoner Rekurrenz, auf Abbau von mit der koordinierenden Konjunktion ›und‹ verknüpfter Parataxe und auf sprachliche Mittel zur Überleitung von Titulus-Bild-Blöcken zur folgenden Textpassage untersucht. So soll die Immunität bestimmter textsortenkonstituierender Merkmale gegen Wandel herausgearbeitet werden, wodurch ein weiterer Baustein zur Klassifikation der Textsorte Frnhd. Prosaroman durch sprachimmanente Charakteristika bereitgestellt wird. Dadurch trägt diese Untersuchung auch zur historischen Textlinguistik und Textsortengeschichte bei. Im Folgenden wird versucht, die aufgeworfenen Fragestellungen auf der Basis des bisherigen Forschungsstandes, der im folgenden Kapitel II dargestellt wird, zu beantworten. Die Forschungsliteratur zur Melusine zeigt, dass bisher vor allem in der Literaturwissenschaft ein reges Interesse an einer literaturwissenschaftlichen sowie -soziologischen Einordnung dieses Frnhd. Prosaromans bestand.4 Die inhaltsbezogene Interpretation und komparatistische Positionierung des Melusine-Stoffs in der Literaturlandschaft der Frühen Neuzeit ist allerdings mit dem hier verfolgten Ansatz, sich auf die durch die äußere Beschaffenheit des Buchs, die typographische Ausgestaltung des Textes und die Ikonographie der Illustrationszyklen (und deren Wechselwirkungen) zu konzentrieren, nicht vereinbar, so dass aus diesem methodologisch und erkenntnistheoretisch bedingten Grund die Literaturwissenschaft ausgeklammert wurde.5 Die Figur der Melusine6 wird im frühneuzeitlichen Text als Meerfee oder Meerwunder bezeichnet, ein Wesen, das sich jeden Samstag aus seiner menschlichen Gestalt in die einer aus Mensch und Schlange bestehenden Chimäre verwandelt.7 Neben diesem typischen Strukturelement der auf einen Fluch zurückgehenden regelmäßigen Verwandlung ist für den Melusine-Roman weiterhin auch die literarisch traditionsreiche 4 5

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Die Melusine wird in dieser Arbeit als Vertreter der Textsorte Frnhd. Prosaroman aufgefasst. Vgl. dazu Kapitel II.4. Aber auch die Literaturwissenschaft erweitert ihren Fokus. Vgl. Kipf (2010: 197): „Die gegenwärtige Sensibilität der Forschung für die Themen Medialität und Medienwandel soll hier zum Anlass genommen werden, gerade die materiellen und technischen Aspekte des literarischen Lebens ernst zu nehmen und Literaturgeschichte nicht nur anhand von Erstdrucken oder kritischen Ausgaben, sondern mit Blick auf die Gesamtheit der Überlieferung zu betreiben.“ Wird von der Melusine als Protagonistin der Erzählung gesprochen, geschieht dies ohne Kennzeichnung. Melusine mit Kursivierung bezieht sich hingegen stets auf das Werk als solches. Auch sonst werden Titel und fremdsprachlicher Text durch Kursivdruck gekennzeichnet. Erst im 17. Jh. tritt die ikonographische Vermischung der Melusine mit Sirenen oder Meerjungfrauen mit Fischschwanz auf, wobei im Text immer noch von einem Wurmſchwantz, Wurm und einer Schlange die Rede ist. Beispielhaft wurden hier die Textbelege der Lexeme aus der Ausgabe Nicolai-1692/93 angeführt, in der die Melusine mit Fischschwanz und Harfe deutliche Züge einer Sirene trägt, jedoch der alte Text überliefert wird.

Einleitung

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Motivkonstellation der Mahrtenehe zentral.8 In ihrer durch Prolepsen9 und Nebenerzählstränge gekennzeichneten erzählerischen Verworrenheit, in ihren Anspielungen auf historische Ereignisse und der Verknüpfung mit dem französischen Adelsgeschlecht der Lusignan und in ihrer Verarbeitung des literarischen Motivs der Mahrtenehe sowie zahlreicher fantastischer Elemente bietet die Melusine des Thüring von Ringoltingen eine Vielfalt an Aspekten, die dem Leser fast wie von selbst die Frage nach der Herkunft dieses Stoffes aufdrängt.10 Die Faszination an diesem Romanstoff ist in den verschiedenen Zeiten sicher in unterschiedlichen Bereichen zu suchen, so in der Anfangszeit der Überlieferung beispielsweise in ihrem historischen Gehalt,11 in den Parallelen zur Türkenbedrohung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in der Episode der Belagerung Prags durch die Türken und auch in dem durch den Berner Patrizier Thüring von Ringoltingen in den von ihm im Vergleich mit seiner Vorlage eingefügten moralisierenden Passagen ausgedrückten Wertesystem. Sie fand auch durch die „vielfältige Ambivalenz“ (Ruh 1985:5)12 der Melusine-Erzählung keinen Abbruch.

2.

Die französische Wiege der Melusine

Das Grundmotiv der Mahrtenehe in der Erzählung um die Meerfee Melusine hat seine Wurzeln in der Zeit vor der schriftlichen Überlieferung dieses lange zuvor in oralen Erzähltraditionen beheimateten Phänomens (vgl. Nolan 1974: 192, Schneider 1958: 30). Für die Entstehung der Vorlage für die deutsche Übersetzung ist die Verbindung der Genealogie des Adelsgeschlechts Lusignan mit dem Motiv der Mahrtenehe entscheidend. Diese findet sich erstmals angedeutet im Reductorium morale des Petrus Berchorius, das zwischen 1340 und 1350 entstand. Lange bevor die uns überlieferten Melusine-Erzählungen verfasst und niedergeschrieben wurden, existierte also bereits „eine Geschichte mit dieser einfachen Schematik auch bezogen auf die Lusignans“ (Mühlherr 1993: 18). Die folgenden beiden französischsprachigen Melusine-Romane 8

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Der Mahrtenehe wohnen zwei Grundkomponenten inne: „Erstens die Beziehung eines übernatürlichen Wesens zu einem menschlichen, und zweitens die Verletzung eines Tabus in dieser Beziehung.“ Tang (2009: 1). Vgl. zu den Prolepsen Drittenbass (2010), die zeigt, dass die für den nhd. Leser zunächst als Aufhebung der Spannungskurve zu wertenden Prolepsen die Hintergründe der Geschichte zu keiner Zeit aufdecken. Zum inhaltlichen Aufbau der Melusine vgl. VII.3. Schnyder (2006,2: 118): „Der Begriff ‚Roman‘ existiert im 15. Jahrhundert nicht; sowohl bei Couldrette wie bei Thüring wird ferner der Anspruch, Fakten, nicht Fiktionen, zu erzählen, erhoben.“ An gleicher Stelle wird das eigentliche Signum der Melusine benannt, „das Faszinosum. Für Männer, muß man hinzufügen, und weil dem so ist, wird die Geschichte für Frauen ein Lehrstück“.

Die französische Wiege der Melusine

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sind damit Fortsetzungen einer Tradition der Legitimation des Herrscherhauses Lusignan durch die Verknüpfung ihrer Geschichte mit dem Auftreten der Meerfee Melusine.13 Durch die von Jean d’Arras am 7. August 1393 (vgl. Harf-Lancner 1991: 161) beendete Prosafassung der Melusine wurde die Ahnherrin des Adelsgeschlechtes Lusignan in die Literatur eingeführt. Für die Popularität der Fee Melusine in Frankreich war in erster Linie die Prosafassung des Jean d’Arras verantwortlich, die bis ins 18. Jh. in zahlreichen Ausgaben in den Druck ging. Dabei unterscheidet sich die Drucküberlieferung der französischen Prosafassung von der der deutschen erheblich in Quantität und zeitlicher Verteilung.14 Eine Besonderheit der Drucküberlieferung der Melusine des Jean d’Arras ist die seit 1525 praktizierte Ausgliederung der Handlung um den Sohn Geoffroy à la Grand’Dent von der Handlung um seine Eltern Reimund und Melusine, die in einem gesonderten Werk gedruckt wird.15 Aus texthistorischer Sicht ist dabei interessant, dass diese Entwicklung in der deutschsprachigen Überlieferung der Melusine keine Parallele findet. Der zweite Roman, in dem Melusine als Ahnherrin des Hauses Lusignan auftritt, stammt aus der Feder des Geistlichen Couldrette16 und wurde von diesem um 1401 in Versform verfasst. Die deutsche Übersetzung des Berner Patriziers Thüring von Ringoltingen geht auf dieses Werk zurück, das den Ausgangstext für die hier untersuchte deutschsprachige Drucküberlieferung der Melusine darstellt.17 Im Gegensatz zu der Prosafassung des Jean d’Arras rückt die „Schilderung höfischer Feste einschließlich des Turniers als eines Ortes domestizierter, ritualisierter Gewalt“ an die Stelle „der Beschreibung ungezügelter militärischer Gewalt“ (Berger 2001: 641) und die MelusineFigur wird einer stärkeren Christianisierung unterzogen.

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Vgl. zum Haus Lusignan den Artikel ›Lusignan‹ in LMA (2000,6: 17–20). Der Name Melusine wird trotz verschiedenster Theorien meist auf die Bezeichnung der Protagonistin als mère des Lusignan zurückgeführt. Vgl. Lecouteux (1979: 84). Zum Prozess der Konstruktion genealogischer Verbindungen eines Herrschergeschlechts zu übernatürlichen möglichst religiös konnotierten Vorfahren vgl. Ertzdorff (1972: 428). Der Erstdruck erschien 1478 in Genf bei Adam Steinschaber. Eine Faksimile-Edition des Druckes liegt in Kaplun (1978: ohne Seitenzählung) vor. Auf den Erstdruck folgten bis zu Beginn des 18. Jhs. 50 Ausgaben, wobei sich die eine Hälfte der Ausgaben auf die Inkunabelzeit und die erste Hälfte des 16. Jhs. beschränkt und die andere Hälfte ab dem Beginn des 17. Jhs. erschien. Vgl. Berger (2001: 639). Vgl. zur Drucküberlieferung dieser Version Harf-Lancner (1988: 349–366). Über die Person Couldrette ist abgesehen davon, dass er in Thürings Übersetzung als Kaplan bezeichnet wird und auch sonst einiges dafür spricht, dass es sich bei ihm um einen Geistlichen handelt, nicht viel bekannt. Auskunft geben lediglich seine Werke, deren Anzahl ihn als „écrivain célèbre“ auszeichnet. Vgl. Mühlherr (1993: 7), Roach (1982: 76) und Pinto-Mathieu (1990: 3). Zu Beginn der Forschung zur Melusine bestand die Annahme, Ringoltingens Übersetzung habe die Prosaversion des Jean d’Arras als Vorlage. Schneider (1958: 31) spricht das Verdienst, diesen Irrtum aus der Welt geschaffen zu haben, Hans Frölicher (1889) zu.

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Einleitung

Ein weiterer Gegensatz zur französischen Prosafassung findet sich in der Überlieferungsgeschichte, da dieser Melusine-Roman weniger virulent verbreitet wurde. Die handschriftliche Überlieferung ist mit 20 Manuskripten noch beachtlich,18 in den Druck wurde Couldrettes Version allerdings erst 1854 durch Francisque Michel (Niort) gebracht. Indirekt wurde sie jedoch durch die Übersetzung Thüring von Ringoltingens in der reichhaltigen deutschen Drucküberlieferung zu einem viel gelesenen Werk der Frühen Neuzeit. Eine textlinguistisch orientierte Untersuchung der Drucküberlieferung der beiden Melusine-Romane aus der Romania wäre aus kontrastiver Sicht ertragreich, um Parallelentwicklungen und Abweichungen der Textsortengeschichte aufzudecken.

3.

Thüring von Ringoltingens Übersetzung der Melusine

Im Jahre 1456 überschreitet der Melusine-Roman mit der Vollendung der Prosaübersetzung des Versromans des poitevinischen Dichters Couldrette durch Thüring von Ringoltingen die französisch-deutsche Sprachbarriere. Der Berner Patrizier setzt damit den Grundstein für die Drucküberlieferung des Melusine-Stoffes im deutschsprachigen Raum.19 Dem Übersetzer kann dabei hohe Vorlagentreue attestiert werden, Thüring „zeigt sich ausgesprochen abhängig“ (Schneider 1958: 33) von Couldrette. Auslassungen erscheinen selten und beschränken sich auf Wortspiele, lokale Ausdrücke, Redundanzen und Flickverse. Undurchsichtige und unmotivierte Handlungen deutet er entweder um oder lässt sie aus. Hinzufügungen beschränken sich auf moralische Reflexionen, die er durch meist lateinische Zitate unterstützt. Die makrostrukturelle Untergliederung des Textes wird durch ihn stark verändert, indem er aus den ursprünglich 15 Kapiteln Couldrettes 67 macht.20 Er bleibt dem Inhalt seiner Quelle treu, weist allerdings selbst darauf hin, dass er „den ſinne der materye nicht gancz noch dem

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Vgl. zur handschriftlichen Überlieferung des Textes von Couldrette Roach (1982: 77–87). Das Originalmanuskript der Übersetzung ist nicht überliefert, die handschriftliche Überlieferung, aus der die ersten beiden Druckausgaben ihren Text schöpfen und anhand derer Karin Schneider (1958) die ihrer Meinung nach dem Originaltext am nächsten stehende Handschrift ermittelt und ediert hat, wird in Kapitel III.2 dargestellt. Hierzu muss jedoch angemerkt werden, dass das Verständnis eines Textkapitels hier nicht angewandt werden kann, da Überschriften zumeist aus ehemaligen Bildbeischriften hervorgehen. Das Verhältnis von Bild, Titulus und Text bestimmt häufig deren Anordnung, die Funktion der Tituli verändert sich erst im Laufe der Textsortenentwicklung hin zu Überschriften, die zusammenfassend auf den folgenden Text verweisen. Vgl. Kapitel E zur makrostrukturellen Entwicklung dieses Vertreters der Textsorte Frnhd. Prosaroman. Zur Definition des Begriffs Titulus siehe Fußnote 1 in Kapitel V.

Thüring von Ringoltingens Übersetzung der Melusine

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welſchen geſetzet hab“,21 jedoch „die ſubſtantz der materye ſo beſt [… er] kunde begriffē“.22 Durch dessen stärkere Fokussierung auf höfische Repräsentationsformen als in Jean d’Arras’ Melusine war der Roman Couldrettes die erfolgversprechendere Übersetzungsvorlage für die kommende Zeit der Inanspruchnahme adliger Lebensformen durch bürgerliche Sozialschichten. Nicht zuletzt durch die Wahl der Vorlage wurde dem Erfolg der Melusine im deutschsprachigen Raum der Weg geebnet und somit die Dichte der Überlieferung dieses Textes für eine ertragreiche sprachwissenschaftliche Untersuchung. Dabei ist der Übersetzer selbst durch den Aufstieg seiner Familie aus dem ländlichen Bauernstand an die höchste politische Stelle der Stadtregierung Berns ein Beispiel für diesen Prozess. Er bringt den kometenhaften Aufstieg seiner Familie mit dem der Lusignan in Verbindung und instrumentalisiert den Melusine-Roman als Ausdruck seiner Geisteshaltung.23 Wer „mit Thürings Augen die Melusine liest, kann klare Bezüge zu dessen eigener Lebensform ausmachen“ (Schnyder 2006,2: 119). Thüring von Ringoltingen wurde zwischen 1410 und 1415 geboren und erfuhr vermutlich in seiner Jugend eine kaufmännische Ausbildung, zu der bereits in dieser Zeit das Studium bestimmter für den Handel relevanter Fremdsprachen zählte. Er war zwischen 1458 und 1467 viermal Schultheiß der Stadt Bern. Den Beginn der Drucküberlieferung seiner Melusine erlebt Thüring von Ringoltingen noch selbst, etwa zehn Jahre später am 8. März 1483 stirbt er. Ob er jemals eine Abschrift oder einen Druck seiner Übersetzung zu Gesicht bekam oder Einfluss auf die handschriftliche oder typographische Verbreitung seines Werkes übte, muss Spekulation bleiben. Es scheint uns ein der Spitze der politischen Oberschicht der Stadt Bern zugehöriger, in Verwaltungsaufgaben geschulter, in Sprachen

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Richel-1473/74, Bl. a1b, Z. 4. Richel-1473/74, Bl. a1b, Z. 5. Den Begriff der Substanz setzt Schneider (1958: 33) mit dem Terminus Stoff gleich. Vgl. zu den Übersetzungsfehlern Pinto-Mathieu (1990: 26–28), Schneider (1958: 34). Der Familie fehlte, wie auch vielen anderen Patrizierfamilien im Berner Rat, die adelige Herkunft. Diesen Makel suchte der Vater Thürings, Rudolf, durch Nachforschungen in der Genealogie der Familie auszumerzen. Wunschgemäß fand sich im alten Jahrzeitbuch von Erlenbach ein ritterliches Geschlecht von Ringoltingen, auf welches Rudolf den Nachweis der adeligen Abstammung der Familie stützte. Von Thüring von Ringoltingen ist belegt, dass er diese Dokumente sehr ernst nahm: „alle diese brief gebend gezügnuß des stammen von Ringoltingen, das wir daher sind.“ Vgl. Türler (1901: 269). Der Hang zum adeligen Lebensstil und ritterlichen Ethos, den er im MelusineRoman wiedererkannte, lässt sich direkt am Vokabular seiner Übersetzung ablesen. In Abweichung von Couldrette verwendet er häufig die Adjektive „edel / adelich, ere / erlich, wol ernampt, wol geboren, tür, (not-) vest“, um „das Erzählte in jeder Phase in einem bestimmten sozialen Bereich zu situieren, und zwar demjenigen, dem er sich selbst zugehörig fühlt“, dem adligen Stand. Vgl. Roloff (1970: 207), Müller (1977: 57–64).

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Einleitung

und der heiligen Schrift bewanderter bodenständiger Bürger entgegen zu treten.24 Festzuhalten ist, dass sich seine Übersetzungstätigkeit zwischen den Polen der Vorlagentreue und der Innovation, die vor allem darauf abzielt, der Vorlage sein Weltbild einzuschreiben, bewegt. Das durch die Einschübe Thürings (vgl. Roloff 1970: 69) entstandene Werk setzt Roloff von Couldrettes Melusine deutlich ab, indem er als Folge der Bearbeitung Thürings feststellt: „Damit erhält die Erzählung gegenüber der Vorlage zwar keinen anderen Verlauf, aber eine andere innere Bedeutung. Sie ist nun eine beispielhafte Geschichte geworden, an der man die menschlich-irdischen Mißverhältnisse und Unzulänglichkeiten ablesen kann. Wir sehen: die Vorlage ist nicht nur in eine andere Stillage, sondern auch in eine andere gedankliche Lage versetzt worden“ (Roloff 1970: 70).

Einerseits folgt Thüring also überwiegend der Vorlage, andererseits verleiht er seiner Übersetzung so viel Eigencharakter, dass sie als eigenständiges Werk gelten darf, deren Erfolgsgeschichte abgekoppelt von ihren Wurzeln betrachtet werden kann. Das Spektrum zwischen Tradition und Innovation, wie es die Übersetzung Thürings veranschaulicht, wird auch im Zentrum der Untersuchung des Umgangs mit dem Text der Melusine durch die Drucker stehen. Dazu wurde am Ende des 17. Jhs. eine Zäsur gesetzt, die durch die Art und Weise der Textüberlieferung und -ausgestaltung deutlich vorgegeben wird. Bis zum Beginn des 18. Jhs. bleibt die Drucküberlieferung der Melusine als ein Textsortenvertreter des Frnhd. Prosaromans relativ stabil.25 Im Laufe des 17. und 18. Jhs. erschloss der Stoff im Zuge einer Umarbeitung neue Leserschichten.26 In der Forschung noch nicht sonderlich wahrgenommen wurden die undatierten und unfirmierten Melusine-Ausgaben des 18. Jhs., im Folgenden durch HWB abgekürzt,27 die Bearbeitungen des traditionellen 24

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Vgl. zur Biographie Thüring von Ringoltingens Bartlome (2006). Die moralisch-reflektierenden Einschübe, die Thüring vornimmt, bezeugen einen gewissen Bildungsgrad des Autors, so begegnen uns die Philosophen Seneca, Boethius und Augustinus, die Thüring zur Unterstützung einiger Aussagen zitiert. Vgl. Richel-1473/74, Bl. d5a, Z.8; Bl. f9b, Z. 9; Bl. e9b, Z. 30. Vgl. hierzu die Beobachtung in Habermann (2007a: 221) zur Textsorte Rezept und rezeptartigen Strukturen, dass diese in der Inkunabelzeit „in ihren Vertextungsstrategien weitaus stärker [...], als dies in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und später der Fall ist“, übereinstimmen. In den Berlinischen Monatsschriften von 1785 (=BM) bietet ein anonymer Zeitgenosse einen Überblick der „Broſchuͤ ren, die er [der gemeine Mann, M.B.] gefalzt von den Tiſchen der Buͤ cherhaͤ ndler, z. B. in Berlin im Durchgange des Schloſſes und auf dem Muͤ hlendamme, fuͤ r ein paar Dreier oder Groſchen kaufen kann“ (296). Unter diesen Schriften zählt er nach der Magelone auch die Melusine auf, die wie die Magelone ein „langweiliges Ding, das jedoch Jungfern und Frauen in vielen kleinen Staͤ dten mit großer Geduld leſen, vermuthlich weil ſie nichts anders zu leſen haben“ (300), sei. Diese Neubearbeitung wird im Verlauf der Arbeit aufgrund des markanten, von der vorherigen Überlieferung abweichenden Titelblatttextes ›Historische Wunderbeschreibung‹ genannt. Zur Geringschätzung dieser Überlieferungsform vgl. Grätz (1988: 89): „Die Produktions- und die Rezep-

Thüring von Ringoltingens Übersetzung der Melusine

19

Textes darstellen und auf deren Text die späteren Volksbuchausgaben basieren. Sie stellen die Brücke zwischen 17. und dem Beginn des 19. Jhs. dar.28 Die Klassifikation der Leserschaft als weiblich und in kleinstädtischem Milieu angesiedelt spiegelt sich in der Entwicklung des Textes und der Druckorte wider. Waren die Melusine-Drucke vom 15. bis zum 17. Jh. in großen Druckzentren angefertigt worden, so ist im 18. und 19. Jh. eine Verlagerung in kleinere Städte wie Reutlingen, Linz oder Burghausen festzustellen. Der anonyme Aufsatz aus den Berliner Monatsschriften (Anm. 26) zeigt deutlich, dass die Melusine vor der romantischen Bewegung, in der Texte wie die Melusine wieder eine rezeptionsästhetische Aufwertung erfuhren, in billigst produzierter Form einen Teil der Lektüre des gemeinen, aus Sicht des anonymen Verfassers aus der niedrigsten Schicht der lesefähigen Bevölkerung stammenden Lesers darstellte.29 Die Rezeptionsgeschichte des Melusine-Romans im deutschsprachigen Raum deutet auf die große Popularität dieses Werkes vom 15. bis ins 19. Jh. hin,30 die auf eine gewisse Wirkungsmächtigkeit der in ihr verwendeten Sprache schließen lässt. Diese erreicht sicherlich nicht die der Bibel oder des Katechismus, ist jedoch aufgrund der stetigen Überlieferung und Erschließung neuer Leserschichten über die Jahrhunderte hinweg nicht zu unterschätzen. Wird in dieser Arbeit zwar nur ein bestimmter Prosaroman behandelt, muss man sich doch bewusst machen, dass die Drucker, die zahlreiche andere Prosaromane auflegten und auch diesen ihren sprachlichen Stempel aufdrü(u)ckten, häufig die gleichen bzw. aus dem Umfeld der Melusine-Drucker waren. Spätestens ab dem 17. Jh. kann man dabei von einer großen Einheitlichkeit der Schriftsprache innerhalb einer Offizin ausgehen.31 Wie die Buchdrucker mit dem Text auf sprach- und textstruktureller Ebene umgingen und ihn gestalteten, ist Gegenstand der folgenden Kapitel. Doch zunächst muss der angewandte Forschungsansatz theoretisch und metho-

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tionsgeschichte des Volksbuchs in der Epoche der Aufklärung kann im folgenden nur angedeutet werden, da durch das gängige Vorurteil, es habe im 18. Jahrhundert ausschließlich eine KryptoTradition in der Form von Jahrmarktsdrucken oder Kolportageheftchen stattgefunden, Untersuchungen über die vielfältigen anderen Vermittlungswege bislang völlig fehlen“. Künast (2013: 58) ermittelt den Beginn der Überlieferung der HWB zwischen 1709–1735 und gibt den Zeitraum der Entstehung mit „um 1710/20 (sicher vor 1735)“ an. Steinkämper deutet das Fehlen literarischer Neubearbeitungen im 17. und 18. Jh. mit der in dem anonymen Aufsatz zum Ausdruck kommenden Wahrnehmung der Melusine als subliterarischem Lesestoff. Vgl. Steinkämper (2007:424). Aber auch Goethe las vermutlich die für ein paar Kreuzer erhältliche HWB-Version der Melusine. Vgl. Bd. 22 der dtv-Gesamtwerkausgabe (1962:31–32). Vgl. zur literarischen Rezeptionsgeschichte der Melusine Steinkämper (2007), Kraß (2010). Vgl. Voeste (2008:217): „Der Korrektheitsanspruch einer einzigen, invarianten Form wird im 17. und 18. Jahrhundert zunächst fakultativ in Wörterbüchern, dann aber autoritativ und nachhaltig in den Köpfen der Schreibenden festgeschrieben. Dieser Vorgang kann als Erstarrungsprozess beschrieben werden“.

20

Einleitung

disch in die bisherige Forschungslandschaft zu Druckersprachen und der Textsorte des Frnhd. Prosaromans eingeordnet werden.

II.

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

1.

Druckersprachen im Gefüge des Frühneuhochdeutschen1

Die Schreibsprache der untersuchten Melusine-Ausgaben lässt sich den gängigen sprachhistorischen Periodisierungen folgend unter dem Überbegriff Frühneuhochdeutsch einordnen.2 In vielen Teilbereichen kann uns die frnhd. Zeit als die heute wohl am besten erforschte Epoche der deutschen Sprachgeschichte gelten, nachdem sie nach langer Vernachlässigung seit den 1970er Jahren auf zahlreichen sprachlichen Ebenen detaillierter erforscht wurde. Eine Darstellung der Detailuntersuchungen zu den verschiedenen Sprachebenen und sprachwissenschaftlichen Teilgebieten entzieht sich durch die Fülle der Arbeiten einer Überblicksdarstellung im Rahmen dieser Arbeit. Die Untersuchung frnhd. Schreibsprachen fußt heute nach jahrzehntelanger Intensivierung der Erforschung dieser Epoche auf soliderem Grund, als dies noch vor dem letzten Viertel des 20. Jhs. der Fall war.3 Die Frage nach der Rolle des Buchdrucks bei der 1

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Eine umfassende Charakterisierung dieser Epoche wird hier nicht angestrebt. Vielmehr soll eine kurze Skizzierung und Einordnung des hier behandelten Themenbereichs in das Spektrum der Heterogenität des Frnhd. geboten werden. Grundlegend zur frnhd. Epoche sind die Artikel des HSK 2.2. (2000: 1513–1745), Besch (1980: 588–597), Hartweg/Wegera (2005), von Polenz (2000), Erben (1970: 386–440), Schirokauer (1952: 1013–1076), Penzl (1984), Moser (1971), Roth (2007), Philipp (1980). Zur Periodisierung des Deutschen vgl. Hartweg/Wegera (2005: 21–28). Die Binnengliederung des Frnhd. in älteres und jüngeres Frnhd. mit der Grenze 1500 erscheint mir aufgrund des Korpus für zu undifferenziert. Die bei Moser (1926: 28) vorgenommene Binnengliederung ›älteres Frühneuhochdeutsch‹ (1350–1520), ›Frühneuhochdeutsch im engeren Sinne‹ (1520–1620) und ›ausgehendes Frühneuhochdeutsch‹ (1620–1760) deckt sich mit der Unterteilung des Untersuchungskorpus in drei Überlieferungszeiträume, so dass diese Einteilung hier übernommen wird. Einen Überblick der Forschungsaktivitäten zum Frnhd. bis Mitte der achtziger Jahre vermittelt besonders Hoffmann (1987: 282–293). Jüngst wurde abermals von Helmut Graser betont: „Die sprachwissenschaftliche Erforschung des Frühneuhochdeutschen, jener Übergangsepoche, die von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Mitte oder auch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts angesetzt wird, hat seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts große Fortschritte gemacht. Dennoch ist die Frage nach der Rolle, die der Buchdruck bei der Herausbildung der neuhochdeutschen

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Herausbildung der nhd. Norm ist jedoch noch nicht abschließend beantwortet. Das Frnhd. stellt eine „Gesamtheit von Varietäten“ dar, die „sich nach den Kriterien ‚sprachlicher Handlungsraum‘, ‚kommunikationsgeschichtlich abgrenzbare Zeiteinheit‘, ‚für das Sprachhandeln relevante soziale Schicht‘, ‚kommunikativ bestimmte Gruppe‘, ‚kommunikativ relevanter Situationstyp‘ und ‚sprachlicher Handlungsspielraum des Individuums‘ überschaubar machen“ (Anderson/Goebel/Reichmann 1989,1: 33) lässt. Von den im Frnhd. bedeutenden Varietäten4 stehen in der vorliegenden Studie die landschaftlichen Schreibsprachen, auch Schreibdialekte genannt, die „als gemäßigt raumgebundene, sozial mittel- bis oberschichtig bestimmte, in schriftlicher Kommunikation gebrauchte Varietäten“ (Anderson/Goebel/Reichmann 1989,1: 33) definiert werden können, und die zunächst von den landschaftlich unterschiedlichen Schreibsprachen geprägten Druckersprachen im Vordergrund. Letztere lösen „sich aber mit dem Fortschreiten der Geschichte zunehmend aus ihren landschaftlichen Bindungen“ (Anderson/ Goebel/Reichmann 1989,1: 33). Dies lässt sich auch anhand der Melusine-Überlieferung bestätigen. Das Frnhd. ist verglichen mit den beiden vorhergehenden Sprachepochen durch einen enormen Anstieg an schriftlichen Quellen ausgezeichnet, der vor allem durch die zweite Medienrevolution, die Erfindung des Buchdrucks,5 begünstigt wurde. Das gedruckte Buch beförderte „die überregionale Verbreitung und Multiplizierung des Geschriebenen“ (Habermann 2010: 452) und eine Verbreiterung des Textsortenspektrums.6 Viele der neuerdings vermehrt volkssprachlich verfassten Textsorten „sind jetzt nicht mehr auf mündliche Vermittlung hin, sondern zum Selbstlesen oder sinnvollen, verständnissichernden Vorlesen konzipiert, oft ohne traditionelle Vorbilder in gesprochener Sprache“ (von Polenz 2000: 115). Die Eigenständigkeit der Schriftsprache gegenüber der gesprochenen Sprache nimmt im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit immer festere Konturen an.7 Im Verlauf der Arbeit wird diese Tendenz anhand zahlreicher Wandelprozesse auf sprach- und textstruktureller Ebene innerhalb der Melusine untermauert

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Schriftsprache gespielt hat, noch keineswegs abschließend beantwortet.“ Graser (2009: Absatz [2]). Siehe auch Bentzinger/Wolf (1993). Anderson/Goebel/Reichmann (1989,1: 33–34) zählen unter die Varietäten, die im Frnhd. von Bedeutung sind, Dialekte, landschaftliche Schreibsprachen, Geschäftssprachen, Druckersprachen, Historiolekte, Soziolekte, Fachsprachen, Sondersprachen, textsortenspezifische Idiome, Ausläufer mhd. und Ansätze frnhd. Literatursprachen, zunehmend vereinheitlichte Schriftsprache (gegen Ende der Epoche) und Idiolekte. Vgl. zur Medienrevolution Eisenstein (1990), Giesecke (1991), McLuhan (1995). Zur zeitgenössischen positiven Wahrnehmung des neuen Phänomens vgl. Giesecke (1991: 146–167), zur Kritik am Buchdruck (1991: 168–191). Vgl. Roth (2007: 14). Generell zum Verhältnis von Schriftsprache und gesprochener Sprache siehe Kapitel II.5. Jüngst verwies Anja Voeste auf das zentrale Ereignis der „Dissoziierung von gesprochener und geschriebener Sprache. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert ist von einer ‚Schriftsprache der Gebildeten‘ auszugehen, die sich strukturell im Laufe der Zeit immer stärker von der gesprochenen Sprache unterschied.“ Voeste (2010: 965).

Druckersprachen im Gefüge des Frühneuhochdeutschen

23

werden können. Auf dem Weg zur nhd. Standardsprache ist die Schriftlichkeit, die im 15. bis 17. Jh. zu einem bedeutenden Teil aus den Offizinen gestaltet wurde, als maßgebend zu erachten,8 sowohl für die Standardisierung der Aussprache des Deutschen (Orthoepie) als auch für die Normierung der Schreibung des Deutschen (Orthographie). Die aus den Offizinen emergierenden Druckersprachen greifen zunächst auf bereits stark konventionalisierte, regionale handschriftliche Schreibtraditionen zurück. Dadurch bestehen anfangs verschiedene städtische Drucksprachen,9 die sich in jeder Stadt in offizininterne Druckersprachen untergliedern. Innerhalb der Werkstätten müssen als Untergliederung der Druckersprachen verschiedene Setzer- bzw. Korrektorensprachen, die für druckinterne Varianz verantwortlich sein können, geltend gemacht werden. Im Verlauf des 16. Jhs. verändert sich das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Druck und Handschrift, die Druck- und Druckersprachen emanzipieren sich, druckersprachliche Varietäten bilden ein weitestgehend homogenes Gefüge von Schreibsprachen, das sich wechselseitig beeinflusst. Häufig lassen sich Graphievarianten auf den Einfluss der Vorlagentexte aus anderen Offizinen zurückführen. In Abb. 1 ist die Einbettung der Schreibsprachen, die mit den Buchdruckern assoziiert werden, ins Gefüge der frnhd. Schreiblandschaft für zwei Offizinen aus zwei Städten dargestellt; das Schema ließe sich mannigfach multiplizieren. Die unterhalb der Druckersprachen dargestellten handschriftlichen Vorlagen verlieren zunehmend an Einfluss. Die Kreisdarstellungen fußen auf der Darstellungsweise der Mengenlehre, so sind Druck-, Drucker- und Setzersprachen Bestandteil der Gesamtheit der frnhd. Schreibsprachen, städtische Drucksprachen setzen sich aus den Druckersprachen in einer Stadt und den Setzersprachen in den Offizinen zusammen usw. Als Einfluss auf die Ausformung der Schreibsprache in Druckwerken dürfen Interferenzen aus Textvorlagen, seien es Druckwerke oder Handschriften, nicht außer Acht gelassen werden (siehe Pfeile).

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Von Polenz (2000: 114–115): „Seit etwa dem 15. Jahrhundert wird in der Geschichte der deutschen Sprache deutlich, daß geschriebene Sprache nicht einfach ein ‚Abbild‘ der gesprochenen Sprache ist […], sondern ein eigenes, von der gesprochenen Sprache weitgehend unabhängiges Kommunikationssystem.“ Wolf (2000: 1537) weist darauf hin, „daß es im Dt. vor allem die Schriftlichkeit ist, die zu einer Einheitssprache führt.“ Zur Unterscheidung der Termini Drucksprache und Druckersprache, Fujii (2007: 12): „Die ‚Drucksprache‘ einer Stadt ist eine Summe der ‚Druckersprachen‘ aller ihrer Offizine [sic!].“

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

24

FSSpr

FSSpr Drucksprachliche Vorlagen

DSpr

DSpr

DrSpr

DrSpr

SSpr

SSpr Handschriftliche Vorlagen

Menge der im frühen Buchdruck relevanten, sich gegenseitig beeinflussenden Schreibsprachen

FSSpr = Frnhd. Schreibsprachen DSpr = Drucksprachen (Stadtvarietäten) DrSpr = Druckersprachen (Offizinvarietäten) SSpr = Setzersprachen (idiolektale Varietäten)

Abb. 1: Druckersprachliche Varietäten im Gefüge professioneller frühneuhochdeutscher Schreibsprachen

In diesem Zusammenhang muss vor allem der Aufstieg der städtischen Zentren im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit fokussiert werden.10 In den großen städtischen Zentren des ausgehenden 15. Jhs. im Südwesten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation entstanden die ersten Druckzentren, die ohne das ausgebildete Städtewesen und ihre Fernhandelsnetze dieser Zeit sowohl in Bezug auf Produktionsbedingungen als auch auf Abnehmer und Förderer nicht denkbar gewesen wären.11 Die dort angesiedelten Buchdrucker kamen z. T. aus Berufsfeldern, die vor Erfindung des Buchdrucks das meiste deutschsprachige Schrifttum, das einen Rezipientenkreis fernab der monastischen Zentren erreichte, produzierten.12 Schreiber in städtischen, fürstlichen 10

11 12

Vgl. die Aufsätze zu den Städten Hamburg, Berlin, Köln, Nürnberg und Wien in HSK 2.3. (2003: 2297–2377). Guchmann (1969,2: 159) hat gar die These aufgestellt, dass „die siegreiche Variante der Literatursprache nicht auf geschlossener Fläche vor[rückt], sondern von einem großen städtischen Zentrum zum anderen“. Für Arno Schirokauer (1952: 1018) ist „die Geschichte des Frühneuhochdeutschen, die Geschichte der Konsolidierung des Städtetums.“ Vgl. StockmannHovekamp (1991: 5), Voeste (2010: 965). Corsten (1983: 9–32). Bei der Einordnung der Inkunabeldrucker in das soziale Gefüge der Stadt gilt es, sich von der Vorstellung des Druckers als Handwerker mit niedrigem Bildungsstand zu lösen. Vgl. Behr (2011a: 56–59). Der Bildungsstand der Drucker differiert dabei von Stadt zu Stadt teilweise erheblich. So waren beispielsweise in Basel mehr gelehrte Drucker als in Straßburg, in Straßburg

Der Forschungsstand zu Druck- und Druckersprachen

25

oder kirchlichen Kanzleien hatten vor der Erfindung des Buchdrucks im Bereich der Orthographie wohl den größten Einfluss und das größte Potential, einen Usus herauszubilden.13 Dabei „ging von der kaiserlichen Kanzlei, von den Kanzleien, von denen aus die großen Territorien verwaltet wurden, und von denen der großen Städte aufgrund ihres Prestiges“ (Hartweg/Wegera 2005: 62)14 am meisten Vorbildwirkung aus.

2.

Der Forschungsstand zu Druck- und Druckersprachen

Von Beginn des Buchdrucks gilt, dass die „Schriftsprache, wie sie in den großen Buchdruckzentren Köln, Mainz, Straßburg, Basel, Augsburg, Nürnberg verwendet wurde [, keine …] phonetische Umschrift irgend eines gesprochenen Dialektes“ war. „Nirgendwo sprach man so, wie gedruckt oder geschrieben wurde“ (Löffler 2003: 12). Dennoch ist Varianz auf allen sprachlichen Ebenen in den Druckwerken der Inkunabelzeit und des 16. Jhs. nicht nur im Vergleich der verschiedenen Druckzentren und Sprachlandschaften ein konstitutives Merkmal der Drucksprachen der Frühen Neuzeit. Dabei tritt häufig ein hoher Grad von Varianz innerhalb einer Stadt, innerhalb einer Offizin sowie innerhalb eines Druckes auf.15 Eben für die beiden unteren Ebenen, die offizin- und druckinternen, gibt es bisher nur wenige Arbeiten, die korpusbasierte Ergebnisse liefern, bei deren Interpretation auch auf Erkenntnisse aus der Buchwissenschaft zum Satz- und Druckprozess, die sich direkt auf den Setzprozess der sprachlichen Einheiten eines Druckes auswirken können, Bezug genommen wird. Bevor auf jüngere Arbeiten, denen ein derartig gewichteter Zugriff auf Druckersprachen zugrunde liegt, eingegangen wird, soll zunächst die Leistung der bisherigen

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14 15

mehr als in Augsburg tätig. Vgl. Chrisman (1982: 14, Anm. 90), Künast (1997a: 72–77). Vgl. allgemein zum Bildungsstand der Drucker Neddermeyer (1998: 347–351), Geldner (1967). Der Begriff Usus wird im Folgenden gemäß der Definition nach Müller (2002: 59) verwendet. Skála (1967), Skála (1985: 1773–1780), Moser (1977), Bentzinger (2000: 1665–1673), Bach (1937/1943), Bansa (1968), Bürgisser (1988), Kettmann (1967). Ab der Mitte des 13. Jhs. nahmen in deutscher Sprache abgefasste Urkunden rapide zu. Vgl. hierzu Wilhelm (1932f.). Vgl. zu den Kanzleien Hartweg/Wegera (2005: 60–63). Fujii (2007: 12): „Um gegenüber der Forschung ein genaueres Bild der Augsburger Druckersprache in ihren Anfängen zu gewinnen, sollten wir […] dreierlei ‚interne Unterschiede‘ differenzieren: 1) stadtinterne Unterschiede, (Stadtinterne Unterschiede bedeuten Unterschiede je nach den Offizinen in Augsburg.) 2) offizininterne Unterschiede, (Offizininterne Unterschiede sind Unterschiede je nach den Druckwerken von derselben Offizin.) 3) satz- und druckinterne Unterschiede.[sic!] (Satzund druckinterne Unterschiede heißen Unterschiede je nach den Lagen / Blättern / Seiten in einem Druck.)“. Vgl. zur Varianz in Druckwerken bereits Henzen (1954: 101). Auch Kettmann (1984: 76) weist bereits auf „einen jeweils druckereieigenen Variantengebrauch“ verschiedener Wittenberger Offizinen hin, wobei „Druckereinfluß im Ganzen dominiert, Autoreneinfluß […] aber keineswegs auszuschließen ist.“ Kettmann (1987: 100).

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Druckersprachenforschung skizziert und gewürdigt werden.16 Eine Grobgliederung der Druckersprachen nach sprachlandschaftlichen Gruppen nahmen dabei bereits die Zeitgenossen in Grammatiken und Schriftspiegeln vor, wobei die Zahl der Gruppen zwischen drei und sechs variieren.17 Im obd. Sprachraum unterscheidet man nach dem Stand der Forschung gemeinhin verschiedene Ausprägungen von Drucksprachen, wobei zwischen den einzelnen Typen viele Überschneidungen auftreten können. Bei diesen handelt es sich um den südostdt. Typ (Wien, Ingolstadt, München), schwäb. Typ (Augsburg, Ulm, Tübingen), oberrh. Typ (Straßburg, Basel), schweizerischen Typ (Bern, Zürich), wmd. Typ (Mainz, Frankfurt, Köln, Worms), ostfrk. Typ (Nürnberg, Bamberg) und den omd. Typ (Leipzig, Wittenberg).18 Zur Sprache einzelner Druckzentren des 15. und 16. Jhs. existieren einige Arbeiten, so zu Augsburg,19 Basel,20 Straßburg,21 Wittenberg22 und Regensburg.23 Die Graphematik und Morphologie österreichischer und bayerischer Drucke hat jüngst Rössler für den Zeitraum 1530–1765 untersucht und dabei festgestellt, dass die Ausgleichstendenzen zum Md. hin bis Anfang des 17. Jhs. auch allmählich dieses Randgebiet des deutschsprachigen Raumes erfassen, wobei ab 1620 allerdings eine Renaissance der typisch oobd. Schreibgewohnheiten eintrat, die mit einem Prozess einhergeht, „den man als implizite Konfessionalisierung des Druckwesens bezeichnen kann“ (Rössler 2005: 365). Diese Entwicklung führt dazu, dass „das Ende der Transformation vom Frnhd. zum Nhd.“ (Rössler 2005:

16 17 18 19

20 21 22

23

Die methodischen Mängel zeigt die Kritik Kettmanns (1990: 215), der die Pauschalisierung des Terminus Druckersprache bemängelt. Vgl. Henzen (1954: 101–102). Hartweg (1981: 60–61). Stopp (1979), Graser (1993), (2000), Fujii (1991), (1992), (1997), (2007). Die Charakteristika der Distanzsprache Augsburgs stellt Reifsnyder (2003: 247, Tabelle 8.1) der Nähesprache dieses regionalen Raumes gegenüber. Die Schreibsprache in den Augsburger Melusine-Drucken ist dem Distanzsprachepol zuzuordnen. Bickel (2000). Bauer (1988), Hartweg (1988), Moser (1920), Stockmann-Hovekamp (1991). Kettmann (1984), (1987), (1996). Für die Drucksprache Wittenbergs in der ersten Hälfte des 16. Jhs. (1509–1547) stellt Kettmann (1987: 46–47) fest, dass im Vergleich mit der handschriftlichen Wittenberger Überlieferung lokal „gängige und prägende Varianten […] ebenso wie nd. Restgut“ in der Drucksprache fehlen und generell „eine relativ starke Restriktion des zum Einsatz kommenden Variantenbestandes“ zu beobachten ist. Aus allen an den Wittenberger Druckersprachen beteiligten Varianten werden vor allem omd. Varianten reduziert, „ohne daß dadurch […] der (o)md. Grundcharakter der Wttbg. Druckersprache aufgegeben werden würde.“ Kettmann (1987: 97). Als möglichen Faktor hält Kettmann (1987: 29) gleich zu Beginn fest, dass keiner der Wittenberger Drucker aus Wittenberg selbst stammte. Thomas Herrnleben untersuchte den Vokalismus gedruckter Regensburger Ratsdekrete des 16. Jhs. und stellt eine Orientierung der Regensburger Schreiber und Drucker an der Schreibsprache md. Sprachlandschaften fest. Herrnleben (2002: 277–279). Zur Prager Druckersprache existiert ein kurzer Beitrag von Boková (1999).

Der Forschungsstand zu Druck- und Druckersprachen

27

368)24 für diesen Sprachraum erst auf die Mitte des 18. Jhs. datiert werden kann. Im Bereich der Syntax obd. Drucke des 16.–18. Jhs. bestätigt Brooks diesen Befund.25 Darüber hinaus begegnen weniger umfangreiche Einzeluntersuchungen zur Sprache bestimmter Druckwerke. Bellmann nimmt einen Vergleich der deutschsprachigen Glossen in den Drucken des Exercitium puerorum grammaticale von 1485 bis 1506 vor, wobei er sich auf die südwestliche Traditionslinie, zu der elf Drucke – sieben Straßburger, drei Hagenauer und einer aus Speyer – gehören, beschränkt. Bei der Untersuchung der Sprache der einzelnen Ausgaben (v. a. der Graphie für wg. /d/ und wg. bzw. mhd. /i:/) arbeitet Bellmann heraus, dass einerseits „gerade bei den frequenteren Erscheinungen deutliche Modernisierungsneigung im Sinne der Öffnung der kleinräumigen Drucksprachen in die überregionale“ (Bellmann 1999: 24) festgestellt werden kann, andererseits werden bei weniger frequenten Erscheinungen „Regionalismen in den deutschen Glossentext eingeführt, die in der lokalen Drucksprache und im oralen Bereich ihre Grundlage haben“ (Bellmann 1999: 24). Dabei ist von besonderem Interesse, dass in der Überlieferung dieses Textes Matthias Hupfuff, der 1506 auch die Melusine druckte, „als Pionier des Neuen herausgestellt werden“ (Bellmann 1999: 24) konnte. Auch in der Überlieferung der Melusine nimmt Hupfuff eine ähnliche Stellung ein. Hartweg unterzieht die Druckersprache dreier Erfurter Ausgaben der Zwölf Artikel der Bauern von 1525 einer Prüfung und kommt zu dem Urteil, dass sich die drei Drucker im Vergleich mit dem Augsburger Erstdruck Melchior Rammingers sehr unterschiedlich verhalten.26 Das Spektrum reicht von starker Vorlagentreue über gemäßigte Anpassung bis hin zur Umgestaltung nach den Maßstäben eines eigenen Graphiesystems.27 Wolf kontrastiert das Vokalgraphiesystem eines Nürnberger und Basler Druckes, beide aus dem Jahr 1545, wobei er feststellt, dass der Basler Druck „ein Graphemsystem oder Teile daraus, die schon weitgehend überregionale Ausgleichstendenzen zeigen“ (Wolf 1988: 81), übernimmt. Im gleichen Sammelband entwirft Lipold eine graphematische Skizze eines Dillinger Druckes des Ritterbüchleins aus dem Jahr 24

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Für die Melusine-Überlieferung ist dieser Teil des Reiches im Untersuchungszeitraum nicht von Belang, da in den bei Rössler untersuchten Druckorten Wien, Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Salzburg, Linz, München und Passau keine Ausgabe der Melusine aus dem 15.–17. Jh. nachgewiesen werden konnte. Während im Omd. der Ausgleichsprozess „stetig voranschreitet, deutet in den oberdeutschen Texten alles darauf hin, dass in dieser Sprachlandschaft im 17. Jahrhundert hinter den im 16. Jahrhundert bereits erreichten Entwicklungsstand zurückgegangen wird.“ Brooks (2006: 228). Die weiteren Publikationen Hartwegs zu Druckersprachen werden im Verlauf der Arbeit zitiert. Zusätzlich untersuchte Hartweg 2007 auf der Jahrestagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung zum Anlass des 550. Geburtstages Sebastian Brants den Nürnberger Druck des Narrenschiffes auf Anzeichen der Entregionalisierung und Entalemannisierung des Textes hin zu einer überregionalen Variante. Vgl. Hartweg (2010). Vgl. Hartweg (1982). Einen Überblick über die Drucke der Zwölf Artikel bietet Ono (2009). Die Aussagen über die Druckersprache darin tradieren die bestehende Lehrmeinung. Vgl. Ono (2009: 85).

28

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

1552. Ihm zufolge trägt die Schreibsprache der etwa 40 km Luftlinie nordwestlich von Augsburg gelegenen schwäbischen Offizin „primär bairische Züge, wobei auch eine entsprechend große Anzahl an schwäbischen Direktanzeigungen zu finden ist“ (Lipold 1988: 110). Lipold führt dies auf den Formwillen „des der kaiserlichen Kanzlei nahestehenden Herausgebers“ (Lipold 1988: 110) Johann Albrecht Widmanstetter zurück. Hier läge demnach Einfluss auf Druckersprachen durch Kanzleiusus vor. Die wechselseitigen Einflüsse zwischen den Schreibsprachenusus der Offizin und der Kanzlei stellen weitestgehend noch ein Forschungsdesiderat dar.28 Ferner zeigt sich bereits in diesem Überblick über Detailstudien zu Druckersprachen, dass die Faktoren, die die Ausformung der Druckersprachen beeinflussen, von verschiedensten Variablen abhängen können. Mit der nd. Drucksprache beschäftigen sich Sodmann, der den Rückgang des Mnd. als Schreib- und Druckersprache analysiert und die große Epoche des mnd. Buchdrucks um 1620 zu Ende gehen sieht,29 sowie Nybøle, der die Druckersprache im 1498 in Lübeck gedruckten Reyncke de Vos untersucht und mit der Druckersprache anderer Lübecker Offizinen vergleicht. Dabei wird in Hinblick auf das „komplexe Herstellungsverfahren eines spätmittelalterlichen Druckes […] vor allem eins deutlich: es besteht eine zum Teil frappierende Übereinstimmung zwischen der verwendeten Druckersprache und der Sprache des Geburtsortes des jeweiligen Druckers. Der gebürtige Hamburger Steffen Arndes druckt seine Bibel in nordniedersächsischer Sprache, während die Druckersprache Matthäus Brandis und Bartholomäus Ghotans eher in ostfälische Richtung weist.“ (Nybøle 1997: 261)30

Dieser Erkenntnis wird durch die Darstellung der Druckerbibliographien in dieser Arbeit Rechnung getragen, auch wenn gleichzeitig deutlich gemacht werden muss, dass die Sprache eines Druckes in den seltensten Fällen auf den Drucker selbst zurückgeht, da Korrektoren und Setzer, über die meist wenig bekannt ist, ebenso großen Einfluss auf die Sprache eines Druckes ausüben konnten. Die Drucksprache des 17. Jhs. ist bisher nur selten Gegenstand der Forschung,31 weswegen in dieser Untersuchung trotz der misslichen Überlieferungslage der Melusine in diesem Zeitraum die Melusine-Ausgaben des 17. Jhs. bearbeitet wurden. Mit vier sicher belegten, aber nicht überlieferten Ausgaben in der ersten Hälfte des 17. Jhs. und 28 29 30 31

Vgl. Behr (2011b). Sodmann (2000: 1291–1292). Kritisch angemerkt werden muss, dass in der Untersuchung Nybøles teilweise Editionen der untersuchten Texte verwendet wurden. Dies liegt mit Sicherheit nicht zuletzt an der in der ersten Hälfte des 17. Jhs. so weit fortgeschrittenen Entstehung überregionaler Sprachformen auf dialektalem Substrat, wodurch die territoriale Begrenztheit, die alle deutschsprachigen Schreibprodukte des Mittelalters charakterisierte, einer überregionalen Reichweite gewichen ist. Besch (1983: 977–983) unterscheidet zwischen den Termini Schreibdialekt, der für alle Ausprägungen deutscher Schriftlichkeit des 8.–15. Jhs. gilt und eine schriftliche Sprachform regionaler Prägung charakterisiert, und Schriftsprache, der die Sprachformen des 16.–18. Jhs., die von stetig wachsender Überregionalität geprägt sind, bezeichnet.

Der Forschungsstand zu Druck- und Druckersprachen

29

lediglich vier überlieferten Ausgaben zwischen 1649 und 1692/93 stellt sich die Überlieferungssituation nicht zufriedenstellend dar. Zur Graphematik der protestantischen und katholischen Druckersprachen des 17. Jhs. stellt Kettmann einen Unterscheidungskatalog für das Omd. und Wobd. auf.32 In einer Untersuchung der Luxemburger Druckersprache des 17. Jhs. wurde festgestellt, dass die Leitgraphien weitgehend dem nhd. Stand entsprechen und grundsätzlich große Nähe zur md. Druckersprache der Zeit aufweisen.33 Abschließend gilt es, die methodische Neuorientierung, die Akihiko Fujii in seinen Publikationen zur Augsburger Drucksprache und besonders zur Druckersprache der Offizin des Augsburger Erstdruckers Günther Zainer etabliert hat, zu würdigen.34 Darin konkretisiert er sein anhand von drei gravierenden Versäumnissen der bisherigen Forschung beschriebenes neues methodologisches Konzept zur Erforschung von Druckersprachen. Dieses steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den drei Gründen für das Fehlen verlässlicher Ergebnisse zum Themenkomplex Druckersprachen. Erstens wird der allgemeine Charakter der bereits erarbeiteten Ergebnisse angemahnt, da noch nie eine Offizin im Zentrum der Forschung stand. Des Weiteren wurden die Werke einer Offizin noch nie in chronologischer Folge analysiert. Der dritte Kritikpunkt und sogleich Neuansatz bezieht sich nicht auf die offizininterne Varianz, sondern auf die druckinterne Varianz und besagt, dass bisher noch nie der Aspekt des lagen- und druckinternen Setzerwechsels beachtet wurde. Im Allgemeinen wurden die Spezifika des Produktionsprozesses im Buchdruck, das Druck- und Verlagsprofil der Drucker und deren Offizin zu wenig beachtet. Vor der Bewertung einer Druckersprache muss ein Profil der Offizin erstellt werden, das die Rekonstruktion von möglichen Setzern/ Korrektoren, die biographischen Daten des Druckers, dessen Typenrepertoire, buchhändlerische Beziehungen und Druck- und Verlagsprogramm beinhaltet. Den Forderungen Fujiis wird im methodologischen Teil dieser Arbeit Rechnung getragen.35 Die materialreiche Studie kann in ihrer Kompaktheit als vorbildlich für die weitere Erforschung von Druck- und Druckersprachen angesehen werden. Ein Faktor, den Fujii in seiner Studie übersehen hat, weil er sich mit einem Frühdrucker befasste, der nur für einige Jahre tätig war (1468–1478), und um den sein Modell für Langzeitstudien ergänzt werden muss, ist jedoch die sprachliche Interferenz aus Vorlagentexten. In der folgenden Untersuchung der Setzersprachen in der Überlieferung der Melusine wird sich zeigen, dass die Vorlagentexte häufig einen mal schwächer, mal stärker gewichteten Einfluss auf die Ausformung der Graphie haben.

32 33 34 35

Vgl. Kettmann (1995: 71). Vgl. Solms/Wegera (1999: 46). Fujii (2007). Siehe Kapitel II.6.2.

30

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Die vorliegende Untersuchung kann nur punktuelle Beiträge zur Erforschung der Druckersprachen einzelner Offizinen leisten, folgt allerdings aufgrund der Beschaffenheit des Korpus, wie bereits erläutert, anderen Erkenntniszielen. Unter Anwendung der methodischen Prämissen Fujiis wird die Sprache der Melusine-Ausgaben von 1473/74– 1692/93 untersucht. Für die beiden ersten Druckausgaben hat dies Habermann aus sprachstruktureller Sicht auf den Ebenen der Graphematik, Phonologie, Morphologie und Syntax im Kontrast zur handschriftlichen Überlieferung bereits dargestellt.36 Außerhalb der Sprachwissenschaft findet sich lediglich das pauschale Urteil über die Schreibsprachanpassung innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine, „daß die südalemannisch-bernische Sprache der ursprünglich handschriftlichen Vorlage in die überregionale oder deutsche Druckersprache Augsburgs umgeformt wurde“ (Schmitt 1999: 63). Dies gilt es im Hauptteil dieser Arbeit auf Basis empirischer Datenerhebung im Detail zu verifizieren oder falsifizieren. Bei der Erforschung der Druckersprachen müssen soziokulturelle, produktionsbedingte und buchhandelsgeschichtliche Komponenten einbezogen werden, da in einer Zeit, in der kaum Normbewusstsein, geschweige denn eine verbindliche orthographische Norm bestand, aus diesen Bereichen Einflüsse auf die Gestaltung der Druckersprachen hervorgehen konnten. Der Einfluss der Drucker auf die Sprache ihrer Drucke und vor allem die dabei vorgenommenen Veränderungen an der Vorlagensprache waren enorm. Als Beleg hierfür dienen häufig Beschwerden prominenter Autoren wie von Johann Geiler von Kaysersberg über die kaum noch wieder zu erkennende Form ihrer Autographen, nachdem sie aus dem Druck kamen.37 Im Bereich des Bibeldrucks führte dies zu dem bekannten Streit zwischen den Wittenberger und Frankfurter Bibeldruckern, der eine für unsere Belange interessante Perspektive auf einen der Verleger der Melusine, Sigmund Feyerabend, eröffnet. Der in der Offizin Hans Luffts arbeitende Korrektor Christoph Walther warf dem Frankfurter Verleger Sigmund Feyerabend vor, die Lutherbibel durch seine Eingriffe im Bereich der Orthographie sprachlich zu verfälschen.38 Feyerabend verteidigte sich gegen die Vorwürfe39 und sah in seinen orthographischen Veränderungen keinen Einschnitt in die Überlieferung des Wortlautes Luthers, der selbst besseres zu tun gehabt habe, als die Orthographie zu überwachen.40 36 37

38 39 40

Vgl. Habermann (2006). Vgl. Huffines (1974: 62). An gleicher Stelle heißt es: „In the sixteenth century the printer was ultimately responsible for the form of the language, and he altered an author's manuscript at will. […] Generally authors paid little attention to the reformulation of their language by printers, and the printers did not hesitate to emend a text as they saw fit.“ Vgl. dazu Wells (1993). Besch (1999: 84) rekonstruiert die Publikationsfolge des Arguments, das zur Hochstilisierung der Orthographie führte. „Die fürtrefflichen Männer [Luther and Caspar Creutzinger] haben anderß zu thun gehabt denn damit vmbzugehen, wenn mans zu der zeit nur läsen können, vnd verstanden hat, ist man zu frieden gewesen.“ Diese Worte Feyerabends zeigen, dass Anfang der zweiten Hälfte des 16. Jhs. die

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

31

Diese Debatte hat sicherlich dazu beigetragen, dass Feyerabend zumindest bei der Herstellung der Bibel im Bereich der Graphie sensibilisiert wurde und hohe Standards anlegte, die, wie sich anhand der Melusine Sigmund Feyerabends zeigen wird, zu einer größeren Einheitlichkeit und grammatischen Grundlegung in der Graphie führte. Daher wird im Verlauf der Arbeit auch der Bezug zu generellen Tendenzen und Fortschritten im Bereich der Grammatikographie des Deutschen hergestellt werden, da diese als externe Einflussfaktoren auf die Druckersprachen von Bedeutung sind. Die Debatte um die Sprache der Bibel leitet zu einem im Zusammenhang mit Druckersprachen relevanten Thema über, der Entstehung der nhd. Schriftsprache.

3.

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

3.1

Theorien und Hypothesen

Die Erforschung der Sprache der Drucküberlieferung der Melusine soll einen Teilbeitrag zu mehr Klarheit in Bezug auf die Frage, welche Sprachträger mit welchem Anteil an der Entstehung der nhd. Schriftsprache beteiligt waren, leisten. Vordergründig geht es dabei um die Beurteilung des Einflusses der am Druckprozess beteiligten Personen und des Vorbildcharakters der Druckersprachen, der in der wissenschaftlichen Diskussion verschieden stark geltend gemacht wurde. Bei der Herausbildung des Nhd. als standardisierter Schriftsprache mit an dieser Schriftsprache orientierter hochsprachlicher Lautung ist aus diachroner Sicht wichtig festzustellen, wann sich die heute „bemerkenswert hohe Konsoziation von Lautung und Schreibung“ (Moser 1987: 381) des Deutschen herausgebildet hat. Wie wichtig hierfür der Medienwechsel zum Buchdruck war, wird an vielerlei Stellen betont.41 In Bezug auf die Vereinheitlichung der Schreibtradition schreibt Moser: „Mit der Erfindung des Drucks und seiner wachsenden Bedeutung im öffentlichen Leben erreichte dieser Prozeß eine neue Qualität“ (Moser 1987: 383).

41

Drucker sowie das Lesepublikum noch keinen großen Wert auf orthographische Einheitlichkeit gelegt zu haben scheinen. Siehe dazu Meiß (1994: 87), Huffines (1974: 63). Dies spiegelt sich auch in der Epochenbezeichnung und -einteilung Virgil Mosers wider, der den Zeitraum 1520–1620 als Frnhd. im engeren Sinn bezeichnet und die Periode als „die Blüte und den Verfall der lokalen Schriftsprachen unter der Herrschaft der Druckersprachen“ bezeichnet. Vgl. Moser (1926: 28). Vgl. ferner Bach (1965: 254), Eggers (1969: 147), Giesecke (1990: 81), Guchmann (1969: 72), Hartweg (2000: 1682–1705), Hartweg/Wegera (2005: 92–95), von Polenz (2000: 171–172), Stockmann-Hovekamp (1991: 33–34). Kritisch zu diesem Themenkomplex Schirokauer (1952: 1051–1055).

32

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Die Suche nach der Wiege des Nhd. machte in der Sprachgeschichtsforschung bereits an einigen Stationen halt.42 Am Anfang der Betrachtungen zu diesem Fragenkomplex steht Rudolf von Raumers Ansicht, dass die kaiserliche Kanzlei die Grundlage einer neuen durch ihre politische Vorbildwirkung aus den Reichstagen des 14. und 15. Jhs. überregional anerkannten und prestigeträchtigen Schreibsprache liefert, deren Usus seine Fortsetzung in den Offizinen der Inkunabelzeit in Augsburg und Nürnberg fand.43 Auch in späteren Darstellungen wird der Vorbildcharakter des sogenannten gemeinen teutsch noch betont.44 In Zusammenhang mit der Augsburger Druckersprache der Inkunabelzeit lohnt es sich an dieser Stelle näher auf das Phänomen des gemeinen teutsch einzugehen. Immerhin sind in Augsburg drei Melusine-Ausgaben vor 1500 und fünf weitere im 16. Jh. erschienen. Der Begriff ist in der Frnhd.-Forschung noch umstritten, da sich die Quellennennungen nur selten eindeutig auf eine reell existierende Schreibsprache zu beziehen scheinen. Durch Adolf Socin45 wurde der vermeintliche Erstbeleg des Begriffes gemeines teutsch zunächst als Beleg für das Existieren einer Prestigevarietät über den Mundarten gedeutet. Hermann Paul schränkte diese Sichtweise ein und postulierte, dass es sich nur um eine Übersetzung des lateinischen Begriffs lingua vulgaris (Volkssprache) handle. In die spätere sprachhistorische Literatur ging allerdings nur Socins These ein. In den 1960er Jahren arbeitete Mirra M. Guchmann die Quellen auf und kam zu dem Schluss, dass kein Zweifel an der Existenz dieser Schreib- und Druckersprache des augsburgisch-nürnbergischen Raumes mehr bestehen könne. Nahezu zeitgleich veröffentlichte Stanley N. Werbow einen neuen Erstbeleg für den Terminus und kam in seiner Detailstudie zu einer anderen Deutung als der allgemein gängigen. Der Begriff referiere schlichtweg auf die einfache, althergebrachte Sprache, die von der kunstvollen, am Latein orientierten Kanzleisprache abgehoben werden sollte. Der heutige Stand der Forschung sieht den Begriff gemeines teutsch zeitgenössisch mehrdeutig verwendet. 42 43 44

45

Zum folgenden Überblick über die Forschungsgeschichte zur Frage der Entstehung der nhd. Schriftsprache vgl. Ernst (1994: 11–16) und Hartweg/Wegera (2005: 45–58). Zur Hypothese der Prestigesprachenwirkung und den Ablauf der Verdrängung einer Variante durch eine Prestigevariante vgl. Mihm (2010: 30–50). Zum Begriff vgl. Werbow (1963), Mattheier (1989) und (1991), Josten (1976: 91–97). Der Vorbildcharakter wird in Guchmann (1969: 53–57) betont. Auch bei Virgil Moser findet sich ein ähnliches Urteil. Moser (1971: 31) zieht das Beispiel der Clara Hätzlerin heran, um zu zeigen, „zu welch hübscher gleichmässigkeit sich der literaturdialekt bereits heraugebildet hatte, gerade in der zeit als die druckerkunst in Augsburg ihren einzug hielt. Dazu kam noch, dass die sprache eine der kaiserlichen kanzlei ganz ähnliche war, wodurch ihr ansehn nicht wenig gehoben wurde.“ Auf S. 32 beschreibt er, wie sich der Augsburger Usus in den schwäbischen Städten, zunächst in den 1480ern in Ulm und Reutlingen, dann zuletzt auch in Tübingen, „das noch über die 20er jahre hinaus an î, û, ǖ und ou festhält“, durchsetzt. Zu Straßburg schreibt er: „Viel früher als die kanzlei vollzogen in Strassburg die drucker ihren anschluss ans gemeine Deutsch. Reine Alemanische drucke erscheinen nur mehr bis zum ende des 15. und noch vereinzelt im 1. jahrzehnt des 16. jh. […] Der eigentlich herrschende typus ist aber schon seit etwa 1480 der gemischte.“ Socin (1888).

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

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Als Begrifflichkeit für eine Prestigevarietät kann er in folgenden Bedeutungen verwendet angetroffen werden: 1.) zur generellen Abgrenzung des Hd. vom Nd., Schweizerdeutschen oder Niederländischen, 2.) zur Bezeichnung der Sprache angesehener Institutionen wie der Kanzleien, Gerichte oder des Kaiserlichen Hofes und 3.) zur Bezeichnung der Schrift- und Druckersprache des obd. Raumes mit dem Schwerpunkt um Nürnberg und Augsburg. Darüber hinaus ist der Begriff gemeines teutsch in den Quellen auch in folgenden Bedeutungen verwendet belegt: 1.) Für die deutsche Sprache in Opposition zum Lateinischen und 2.) für eine syntaktisch-stilistisch einfache Sprache in Opposition zum komplizierten Kanzlei- oder Übersetzungsstil, der sich an der lateinischen Syntax und Stillehre orientiert. In dieser Studie soll der Begriff gemäß der einhelligen Forschungsmeinung, dass es bereits vor der Reformation einen im obd. Raum beheimateten Schreibusus gab, der überregional Verwendung fand und allmählich lokal beschränkte Schreibsysteme partiell verdrängte, für den in den Augsburger Inkunabeldrucken der Melusine auftretenden Usus veranschlagt werden. Die in der Literatur bei Wiesinger und Reiffenstein häufig angesprochene Abwertung des altgläubig-katholischen Schriftsystems infolge der konfessionellen Spaltung des deutschsprachigen Raumes nach der Reformation, Gegenreformation und dem Dreißigjährigen Krieg46 kann im Korpus nicht beobachtet werden, da in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. und im 17. Jh. keine katholischen Druckorte auftreten. Die Versuche der Ergründung der Entstehung des Nhd. sind jedoch von Beginn an durch Monokausalität und Verabsolutierung einzelner sprachlicher Vorbilder geprägt. Die Erklärungsversuche für die Entstehung der nhd. Schriftsprache erstrecken sich von Müllenhoffs Theorie von für jede sprachgeschichtliche Epoche maßgebenden Strahlungszentren, von denen kultureller und somit auch sprachlicher Vorbildcharakter ausging,47 über Konrad Burdachs These, die im durch frühhumanistisches Gedankengut angeregten Schrifttum am Prager Hof Karls IV. die Wiege des Nhd. sah,48 bis hin zu Ernst Schwarz, Theodor Frings und dessen Schülern, die die Wiege des Nhd. in der gesprochenen Mischsprache in dem im 11.–13. Jh. besiedelten Gebiet östlich der Elbe

46 47

48

Vgl. hierzu auch Kapitel IV.4 sowie Wiesinger (1995, 1999, 2000), Reiffenstein (1992, 1993, 1997, 2009a, 2009b). Die ausgerufenen Kulturzentren konnten jedoch durch die Materialforschung nicht bestätigt werden. Auch das auf Karl Lachmann zurückgehende Normalmittelhochdeutsche entpuppte sich als Konstrukt. Zu den wissenschaftlichen Grabenkämpfen um das Normalmittelhochdeutsche, das als Esperantomittelhochdeutsch gebrandmarkte Lachmannsche Konstrukt vgl. Wilhelm (1932,1: I– LXXXIII). Die Breitenwirkung der literarischen Werke war zu dieser Zeit ohne Buchdruck allerdings noch zu gering und wurde von Burdach und seinen Schülern überschätzt. Diese versuchten Burdachs These anhand der Materialgrundlage zu untermauern, konnten dies jedoch aufgrund methodischer Mängel und der Materialbeschaffenheit nicht überzeugend leisten. Letztlich gelang es Ludwig Erich Schmitt nachzuweisen, dass die Schreiber der Prager Kanzlei nur selten aus Böhmen stammten, sondern vielmehr zu einem großen Teil aus dem ost- und mittelfränkischen Raum.

34

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

lokalisierten.49 Dieser Ansatz stellt sogleich den letzten Versuch dar, den Ursprung des Nhd. in einer bestimmenden Sprachlandschaft, die als absolutes Vorbild für das Nhd. angesetzt wird, zu finden. Waren die Sprachhistoriker bei der Erforschung der Entstehung der nhd. Schriftsprache lange Zeit auf der Suche nach einer Schreibsprache, die als Vorbild für die spätere Norm identifiziert werden könne, besteht heute der allgemeine Konsens, dass es sich bei diesem Prozess um einen Ausgleichs- und Mischungsprozess handelt.50 Einen entscheidenden Fortschritt innerhalb dieses Forschungsbereichs stellt Werner Beschs Systematik zu den Ausgleichsvorgängen dar. Die grundsätzliche Frage warf bereits Friedrich Mauer auf: „Wie ist jene eigenartige Mischung von oberdeutschen und mitteldeutschen Elementen zustande gekommen, die sie [=die nhd. Sprache] kennzeichnet?“ (Besch 1979: 131). Als verschiedene Faktoren für den Ausgleichsprozess, an dem vor allem das Omd., Ofrk. und Bair. beteiligt sind, stellt Besch neben der sprachgeographischen Konstellation auch wirkungsmächtige Schriften (Bibeldeutsch) und sprachimmanente Faktoren als bedeutend für die Entwicklung heraus. Als Regulatoren der sprachlichen Ausgleichsprozesse bietet Besch zunächst die drei Erklärungsprinzipien Geltungsareal (=die Verbreitungsfläche einer sprachlichen Form), Geltungsgrad (=die Frequenz einer Variante einer sprachlichen Form) und Landschaftskombinatorik. Besch fügt dem System das Strukturprinzip hinzu. „Damit sind sprachinterne Faktoren gemeint, die im Sprachsystem selbst verankert sind und Momente wie ‚klare Abhebung von Oppositionen‘ und ‚optimale Belastung des Systems‘ meinen“ (Ernst 1994: 16). Mit Blick auf diastratische Varianz führte Hans Moser51 zusätzlich den Begriff der Geltungshöhe ein, um die Rolle des sozialen Prestiges eines Zeichenverwenders bei der Auswahl einer sprachlichen Form im Ausgleichsprozess zu betonen.52 Neben Beschs Ansatz bzw. teilweise auf diesem aufbauend, richten auch Skála, Guchmann, Stopp, Wolf und H. Moser ihr Forschungsinteresse auf den süddt. Raum und weisen diesen als explizit aktiven Partner im Austauschprozess aus, statt ihm nur eine Empfängerrolle und dem Omd. die Spenderrolle zu gewähren.53 Skála schreibt dabei im Gegensatz zu Besch der gesprochenen Sprache „eine temporär begrenzte Bedeutung bezüglich der schreibsprachlichen Konvergenz“ zu. „Der durch den Buchdruck geförderten Vereinheitlichung auf schreibsprachlicher Ebene geht die Mischung der Mundarten voran“ (Kriegesmann 1990: 221). 49

50 51 52 53

„Der Weg geht nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben.“ Frings (1956,3: 9). Konkret nahm man an, dass durch die verschiedenen Einwanderungswellen (vgl. Ernst 1994: 14) aus dem deutschsprachigen Raum ein sprachlicher Schmelztiegel entstand und die zumeist bäuerliche Bevölkerung eine mündliche Ausgleichssprache bildete, auf deren Basis das Meißnische Deutsch zum schriftlichen Vorläufer des Nhd. wurde. Vgl. Mattheier (1981: 277). Moser (1985). Den Ansatz Beschs fasst Kriegesmann (1990: 213–220) zusammen. Vgl. Kriegesmann (1990: 220–237).

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

35

Den Stand der Forschung zur Frage der Entstehung der nhd. Schriftsprache resümierend schreibt Besch bereits 1979: „Am Ende von über 100 Jahren Forschung zu den Ausgleichsvorgängen steht die Forderung: ‚Wir brauchen noch entschieden mehr und besser strukturiertes Material‘“ (Besch 1979: 150). Im Bereich der Druckersprachenforschung besteht die Hoffnung, dieser Forderung an dieser Stelle nachkommen zu können. Unter den verschiedenen Einflüssen und sprachlichen Quellbereichen, aus denen sich der Usus speist, der letztlich als nhd. Norm kodiert wird, finden sich in der Forschung auch mit verschieden hoch angesetztem Anteil die Druckersprachen, was uns zurück zu der bereits angeklungenen Frage nach dem Einfluss der Drucker auf die Herausbildung der nhd. Schriftsprache führt. Zu dieser Frage gibt es nach Hartweg bestenfalls Lösungsansätze.54 Er weist jedoch auf den allgemeinen Konsens der Sprachhistoriker hin, der besagt, dass der Buchdruck den Ausgleich verschiedener regional gebundener Schriftdialekte hin zu einer überregionalen Schreibvarietät beförderte. Als Motiv der Drucker für den Ausgleich wird ins Feld geführt, dass sie durch eine großräumiger verständliche Schreibsprache ihr Absatzgebiet erweitern wollten.55 „Das geschäftliche Interesse, ein außersprachlicher Faktor also, hätte wesentlich den Ausgleichs- und Normierungsprozeß bestimmt“ (Hartweg 1981: 46). Dem „Chor von gelehrten Stimmen“, der uns die Richtigkeit dieser These versichert, tritt Arno Schirokauer in einigen Publikationen entschieden entgegen.56 Darin formuliert er drei Argumente gegen die Auffassung, dass v. a. das „wirtschaftliche Interesse der Drucker an einer Art von Gemeindeutsch“ den sprachlichen Vereinheitlichungsprozess befördert hätte. Hartweg fasst die drei Hauptargumente Schirokauers zusammen: „die weiterhin vorrangige Stellung der lateinischen Drucke, der mangelnde Formsinn des zeitgenössischen Lesepublikums und der geringe Anteil des »Exports« am Buchhandel ermöglichen keinen tiefgreifenden Einfluß auf die Grundtendenzen der Sprachentwicklung“ (Hartweg 1981: 47).57 Die Lehrmeinung wurde dadurch zwar nicht revidiert, doch die materialistische These der absatzmarktsteigernden Intention der 54 55 56

57

Hartweg (2000: 1686–1688, 1697). Vgl. Hartweg (1981: 45–46). V. a. Schirokauer (1951) und (1952). In seinem Abriss über die frnhd. Periode (1952: 1052–1053) stellt Schirokauer seine Argumentation gegen das wirtschaftlich motivierte Bestreben der Vereinheitlichung der Sprache durch die Drucker auf. Zunächst weist er darauf hin, dass „in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle und zumal in der Frühzeit des Buchdrucks der Drucker einen lokalen Markt zu befriedigen gedachte. […] Export spielt da überall keine Rolle.“ Darüber hinaus macht er auf die deutliche quantitative Übermacht lat. Drucke aufmerksam. „Die wirtschaftliche Existenz des dt. Druckers beruht also auf der Produktion lat. Bücher. Im Allgemeinen druckt er dt., wenn ein beliebtes Unterhaltungsbuch sich an Leserkreise wendet, die vor allem Lesestoff suchen.“ Danach spricht er den Offizinen, Autoren und Lesern den nötigen Formsinn ab, „der für das Gedeihen einer Gemein- und Hoch-Sprache unerläßlich ist. Die Offizinen verfahren da lässiger als die Kanzleien.“ Dass Schirokauer den Exportanteil der Buchdrucker deutlich unterschätzt, zeigen beispielsweise das Rechnungsbuch des Speyerer Druckers Peter Drach (1479/80–1504) und die Briefkorrespondenz Peter Amerbachs (1481–1513). Vgl. Duntze (2010: 214–218).

36

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Drucker kann nicht mehr als alleinige Erklärung für Angleichungsprozesse geltend gemacht werden, so dass in Hinblick auf die Frage des Einflusses der Drucker auf die Herausbildung der nhd. Schriftsprache heute noch vieles im Vagen liegt.58 Im Kontext der Entstehung des nhd. Standards und des Einflusses der Druckersprachen muss auch auf die bereits angesprochenen Bibeldrucke Bezug genommen werden, da deren Drucküberlieferung wie die der Melusine in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. durch Frankfurter Offizinen getragen wurde. Die deutschsprachige Bibel war sicherlich einer, wenn nicht der wirkungsmächtigste Text von der Frühen Neuzeit bis zu Beginn des 20. Jhs., als der nhd. Standard kodiert wurde.59 Auf den Ebenen der Syntax, des Stils und der Lexik mag Luther tatsächlich als Person gewirkt haben, da diese im Nachdruck weniger stark variabel behandelt wurden, aber auch hier darf man seinen Einfluss als Einzelperson nicht überschätzen.60 Im Bereich der Orthographie gilt es jedoch, die gesamte Überlieferung der wirkungsmächtigen Luthertexte und den Einfluss der Drucker auf deren sprachliche Gestaltung zu betrachten. In der Zeit zwischen dem ersten Erscheinen des Neuen Testaments Luthers in Wittenberg und dem Anfang des 17. Jhs. ist der graphematische Usus noch maßgebend, nicht eine von Grammatikern diskutierte Norm.61 Im 16. Jh. gilt es, den Usus der Drucker der Bibel zu untersuchen. Für die Wittenberger Drucksprache hat dies Heinrich Bach getan,62 die Wittenberger Schreibsprache und Kursächsische Kanzleisprache hat Gerhard Kettmann erforscht.63 Beim Vergleich der Autographen Luthers mit der Schreibsprache der Kursächsischen Kanzlei und der Offizinen Wittenbergs ergibt sich ein Verhältnis, bei dem Luther eher die aufnehmende Rolle zufällt. Er nimmt keine Sonderstellung ein und auch den Drucken seiner Werke „kommt über Jahre hin kein Sonderstatus zu“ (Besch 1999: 84). Luthers Schreibsprache entwickelt sich im Laufe seines Lebens durch die Zusammenarbeit mit den Korrektoren der Druckereien fort,64 so dass seine Schreibe heute in 58 59

60 61

62 63 64

Mit Schirokauers Worten: „wirr liegen die Dinge.“ Schirokauer (1952: 1054). Vgl. Besch (1999: 89–90). Zur Verbreitung der Bibel vgl. Wolf (1980: 24). Mit den Worten Werner Beschs muss die Forschung heute den Fokus vom Sprachschaffen der Einzelperson Martin Luther zur Überlieferung der Basistexte des christlichen Glaubens verschieben: „Der Bibel kommt die Hauptrolle zu, dann auch dem Katechismus und den Liedern – nicht Luther.“ Besch (1999: 90). Besch formuliert dies nochmals (1999: 91): „Nicht Luther, sondern die Bibel! Ein autoritativer Text sprengt die sprachliche Raumfessel, nicht der Erfurter/Wittenberger Mönch. Er ist nur Werkzeug, Übersetzer.“ Vgl. Wolf (1980: 44). Später ändert sich dies, so verweist Johann Dieckmann in den seit 1690 erscheinenden Stader Bibeln in seiner Vorrede bezüglich der Rechtschreibung auf Bödikers Grammatik. Von diesen Bibeln ging sodann die Überlieferung in Form Hunderttausender Cansteinischer Stehsatzbibeln ab 1713 aus. Bach (1974), (1984) und (1985), auch Kettmann (1987). Kettmann (1967). Wolf (1980: 54) schreibt dazu: „In den Handschriften und mehr noch in den Drucken L.s zeichnen sich im Laufe seiner schriftstellerischen Tätigkeit viele sprachliche Änderungen ab, die zum über-

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

37

drei Stufen gegliedert wird.65 Eine Beschränkung auf die Wittenberger Drucke ist bei der Untersuchung der Sprache der Luther-Bibel allein schon aus quantitativen Gründen unzulässig. Zu Luthers Lebzeiten erschienen mit ca. 260 Nachdrucken im hd. Gebiet fast das Dreifache von den in Wittenberg gedruckten Ausgaben (ca. 90).66 Das Verhältnis md. zu obd. Drucken beläuft sich dabei auf 1:4, da in der ersten Hälfte des 16. Jhs. die größten Druckzentren mit Augsburg, Straßburg, Nürnberg und Basel im obd. Raum lagen. Aufgrund von textsortenspezifischen Umschichtungen in der Produktion dieser Druckzentren67 und dem Übergang der großen Masse der Druckproduktion deutschsprachiger Werke nach Frankfurt/a.M. ab der Mitte des 16. Jhs. treten dann auch Sigmund Feyerabends Bibelnachdrucke ihren Siegeszug an. „Frankfurter Bibeln waren jedenfalls wegen Ausstattung, Format und Beiwerk ohnehin sehr begehrt“ (Wells 1999: 226). Bei der Erforschung der Geschichte der nhd. Schriftsprache plädiert Wells aufgrund der großen Verbreitung der Frankfurter Bibeln und ihres Vorbildcharakters für einen „mehrfachen Paradigmenwechsel“, der sich von der „Überbetonung des Ostmd., die in der Frühphase durch Luther eine gewisse Berechtigung hat, aber dann erst durch Grammatiker des späten 17. Jahrhunderts wieder thematisiert wird“, löst, und sein „Augenmerk auf die drucksprachliche Gestaltung des Mittelstreifens und deren Zentren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“ (Wells 1999: 226) richtet. Der wmd. Raum scheint ihm im Ausgleichsprozess „in mancher Hinsicht der gebende gewesen zu sein“ (Wells 1999: 227).68 Die sprachliche Mischung in Bibeltexten des ausgehenden 16. Jhs. weist „westmitteldeutsch-frankfurtische Züge“ auf, „in der vorderrangigen Textsorte ‚Bibel‘ sind manifest ‚Frankfurter‘ Merkmale aufzuspüren“ (Wells 1996: 8). In Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Forschungsarbeit sind diese Ausführungen eminent wichtig, da auch die Melusine-Überlieferung ab der Mitte des 16. Jhs. nach Frankfurt/a.M. übergeht. Es stellt sich die zentrale Frage, wie die md. Offizinen dabei im Detail mit den obd. Vorlagen umgehen. Da allerdings beispielsweise keine omd., keine aus nd. Gebiet stammenden oder keine Nürnberger Ausgaben der Melusine aus dem 16. Jh. existieren, bleibt der Blick auf das Eindringen grapho-

65 66 67 68

wiegenden Teil in Richtung auf das Nhd. gehen.“ Dies untermauert den Einfluss der Druckersprachen auf die Herausbildung des Nhd. im Gegensatz zum Einfluss der Person Luthers. Vgl. Wolf (1980: 54), dessen Unterteilung v. a. auf den Wittenberger Bibel-Drucken bis 1545 basiert. Vgl. Volz (1962: 235). Vgl. zu Umschichtungen der Druckproduktion der Textsorte der polyglotten Wörterbücher Müller (2010). Auch Schirokauer betont den Anteil der Frankfurter Druckersprache am Nhd.: „Ein Dutzend Jahre später […] hörten die Straßburger und Augsburger Nachdrucke völlig, die Nürnberger nahezu auf, und ab 1560 wurde Feyerabend in Frankfurt der große Bibelverleger, wobei die Wittenberger Lautund Wortformen sich merklich und unaufhaltsam in die der rheinfränk. Druckersprache verwandeln. […] Schon als ein Wittenberger Druck von 1622 behauptet, der authentischen Bibel von 1545 zu folgen, trifft das weder für Wortschatz noch Lautbild zu, sondern einzig und allein für den Inhalt: das Lutherdeutsch hat inzwischen rhein-main. Züge angenommen.“ Schirokauer (1952: 1067).

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

38

taktischer, syllabischer und morphematischer Schreibungen in die Konventionen der Offizinen eingeengt. Bei der Erforschung des diachronen Ausbaus von leserfreundlichen Orthographieprinzipien stellte Voeste das 16. Jh. als den Zeitraum heraus, in dem durch die Professionalisierung der Setzer der Grundstein für innovative Varianz gelegt wurde.69 Zur Verwendung morphembezogener Schreibungen wie etwa der Auslautgraphie oder der morphematisch motivierten -Graphie, der graphischen Markierung von Vokalquantitäten im 16.–18. Jh. und der Durchsetzung der Majuskelschreibung bei Substantiva (1500–1700) liegen Einzeluntersuchungen auf Basis sprachlandschaftlich ausgewogenerer Korpora vor.70 Der Beitrag, den dieses Korpus zur Frage der Herausbildung der nhd. Orthographie liefert, ist daher einzuschränken, der Fokus liegt darauf, den Umgang der Offizinen mit den Vorlagen und ihre Motivation für innovative Eingriffe zu erhellen. Das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung liegt auf den Druck- und Druckersprachen innerhalb der Überlieferung eines Vertreters der populären Unterhaltungsliteratur und wie sich darin die Sprache der Vorlagen und sprachliche Innovationen von außen niederschlagen.

3.2

Metasprachliche Reflexion und Buchdruck

a.

Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

In Kapitel II.1 wurde bereits angesprochen, dass die Buchdrucker häufig gebildete und angesehene Mitglieder der städtischen Gesellschaften waren, die an den intellektuellen Diskursen der Zeit aktiv teilnahmen. Bezüglich der metasprachlichen Diskurse ist es daher für den Zusammenhang zwischen Grammatikschreibung und ihrer Anwendung in den Druckersprachen unerlässlich, in aller gebotenen Kürze aufzuzeigen, in welchem Umfang und Rahmen man im Untersuchungszeitraum die deutsche Sprache didaktisch und grammatikographisch beschrieb und diskutierte. Ferner wurde im vorhergehenden Kapitel deutlich, dass das Prestigedenken in Bezug auf eine schreibsprachliche Vorbildvariante großen Einfluss auf die Ausbildung der Schreibsprache eines Individuums haben konnte,71 so dass es für eine angemessene Einschätzung des Einflusses der Buchdrucker auf die Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache einer Analyse der metasprachlichen Reflexion sowie der Beteiligung der Drucker und Setzer an diesem Diskurs bedarf. Aufgrund fehlender direkter Quellen zu diesem Themenkomplex wird

69 70 71

Voeste (2008) und (2013). Bergmann/Nerius (1997/1998), Rieke (1998), Ruge (2004). Vgl. Josten (1976), Mihm (2013). Auch in Reiffenstein (1992: 483) wird deutlich, dass das Prestigedenken ein wichtiger Einflussfaktor im Bereich Sprachwandel ist. Über Leopold Mozart wird berichtet, dass er in seinen Schriften „in sprachlicher Sicht […] offenkundig dafür sorgen [wollte], „daß im (r. ich) nimmer hören darf, was ich oft gehört hab, daß nämmlich von keinem Orte ein schönes Buch kommen kan, als von Hamburg und Leipzig“ (Nr. 4,57 f.).“

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

39

diese freilich nur indirekt möglich sein, doch lassen sich punktuell Berührungspunkte zwischen Grammatikschreibung und Buchdruck nachweisen. Zunächst muss man sich hierbei vergegenwärtigen, dass selbst das Ausmaß des Einflusses der Grammatiker auf die Ausbildung der nhd. Schriftsprache noch immer umstritten ist. Haben sie lediglich einen bereits bestehenden Usus im Nachhinein kodifiziert und Verbindlichkeit verliehen oder hatten sie direkten Einfluss auf die Schreibgewohnheiten ihrer Zeit?72 Dass metasprachliche und sprachideologische Strömungen die Ausformung der geschriebenen und gesprochenen Sprache beeinflussen können, steht – betrachtet man beispielsweise zeitgenössische Kommentare zum gemeinen teutsch,73 die sprachenpolitische Stigmatisierung des Nd.74 oder die sprachliche Vorbildfunktion des Bibeldeutschen75 – außer Frage.76 In der Sprachgeschichtsschreibung treten dazu meist lediglich pauschale Urteile auf, die auf der Betrachtung nur eines Teils der Grammatiker beruhen.77 Die Grammatikschreibung des Deutschen nimmt nach der heutigen Überlieferungslage mit den gedruckten deutsch-lateinischen Interlinearübersetzungen der lateinischen Grammatik des Aelius Donatus ihre ersten zaghaften Anläufe am Ende des 15. Jhs.78 Auch die beiden Melusine-Drucker Heinrich Knoblochtzer (GW-Nr. 08973) und Johann Schönsperger (GW-Nr. 08975, 08982) haben die Ars minor mit deutscher Interlinearglosse gedruckt. Vollständige Grammatiken des Deutschen entstehen erst später (vgl. 72

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77 78

Zu den noch nicht genügend geklärten Einflüssen der Grammatiker auf die Sprachentwicklung vgl. von Polenz (1994: 168–169), Bergmann (1982). Bergmann (1982: 278) bemängelt, dass in den sprachgeschichtlichen Handbüchern insgesamt ein über allgemeine Vermutungen kaum hinausgehendes Bild vorherrscht. Der Nachweis direkter Einflussnahme durch Grammatiker des 16.– 18. Jhs. auf den zeitgenössischen Schreibusus wird methodisch allerdings als schwer erachtet, da „sich die Grammatiker ihrerseits bereits mehr oder weniger am Gebrauch orientierten.“ (Bergmann 1982: 279). Stetter (1997: 67) sieht die Ausformung der Orthographie in Händen der Autoren und Drucker, die diese im 16. bis 18. Jh. in einem Wechselprozess „ausgeschwitzt“ und kodifiziert haben. Für die katholisch geprägten Lande im Südosten des Reiches macht Rössler eine Steuerung der Schreibpraxis durch „Einzelpersonen bzw. Institutionen (z. B. Grammatikern, Sprachgesellschaften)“ erst für das 18. Jh. geltend. Siehe Rössler (2005: 367). Vgl. Josten (1976: 91–97). Vgl. von Polenz (2000: 267–268). Der alleinige Vorbildcharakter der Sprache Luthers wird erstmals bei Clajus ausgesprochen. Vgl. Jellinek (1913: 76). Als Faktoren der Wirkung grammatischer Schriften sieht Bergmann die Verbreitung (Beispiel: Clajus, dessen Grammatik in 11 Auflagen zwischen 1578–1720 erschien), das Ansehen (Beispiel Gottsched), die Verbreitung der Regeln durch Schriftsteller (einziges Beispiel Goethe, der Adelungs Grundsätze der deutschen Orthographie und dessen Wörterbuch nachweislich benutzte) und die Schule (beispielsweise die Orthographielehren Adelungs und Freyers). Bergmann (1982: 272– 275). So werden 60 von 126 Grammatikern des 16.–18. Jhs. in den deutschen Sprachgeschichtsschreibungen nicht erwähnt. Vgl. Bergmann (1982: 271), Moulin-Fankhänel (1994, 1997). Der GW verzeichnet 13 Ausgaben der Ars minor des Aelius Donatus mit deutscher Interlinearglosse unter den GW-Nr. 08972–08984.

40

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Untersuchungszeitraum II). Weitere im weitesten Sinne grammatische Schriften entstehen vor der Reformation zum Zwecke der praktischen Anwendung in Schule und Kanzlei. Im Bereich des Schulwesens genoss der Klerus bis ins Spätmittelalter Monopolstellung.79 In der städtischen Bildungslandschaft während der Zeit vor der Einführung des Buchdrucks begann seit Ende des 14. Jhs. mit der Profanisierung des Schulwesens80 eine entscheidende Öffnung zur Ausbildung von Leserschichten für volkssprachliche Druckwerke. So entstanden für bürgerliches und weibliches Klientel81 im 13. Jh. zunächst sogenannte kleine Schulen. In diesen wurde als Folge der für zunehmenden Handel und Selbstverwaltung in den Städten benötigten volkssprachlichen Kompetenz82 deutsches Schreiben und Lesen, kirchlicher Gesang (lateinisch und deutsch) vermittelt sowie ein Einstieg in das Lateinische gegeben.83 Die vermehrte Hinwendung zum Deutschen im gewerblichen und administrativen Schriftverkehr der Städte verlangte für die handwerklichen und kaufmännischen bürgerlichen Berufe nach einer anderen Bildungsausrichtung als derjenigen, die in den Lateinschulen vermittelt wurde. Das Bedürfnis nach praktisch orientiertem volkssprachlichem Unterricht wurde sodann von Privatschulen84 gedeckt, deren Schreib- und Lesemeister85 zunftmäßig organisiert waren und die Buchführung, das Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichteten.86 Einen speziellen Grammatikunterricht hat es in den deutschen Schulen allerdings vor der Reformation noch nicht gegeben,87 sehr wohl aber eine bestimmte Schultradition, die durch die Verwendung desselben Syllabierschemas im Modus legendy des deut79

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Die folgende Darstellung bezieht sich aufgrund der Nebenrolle bzw. Stigmatisierung des Deutschen in von der geistlichen Obrigkeit betriebenen Lateinschulen, Rats- und Pfarrschulen, Klosterschulen und Stiftsschulen lediglich auf Schulformen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, in denen das Lesen und Schreiben der Volkssprache vermittelt wurde. Vgl. Reich (1972: 116–122). Die Verweltlichung des städtischen Schulwesens wird an den Schulkämpfen der Übergangszeit zwischen bischöflichem und städtischem Schulpatronat (z. B. Lübeck 1262, Breslau 1267, Hamburg 1289) deutlich. Vgl. Wühr (1950: 145–146). Vgl. Müller (1969: 320). Vgl. zur Entfaltung der deutschsprachigen Schriftlichkeit Hünecke/Jakob (2010), v. a. Übersicht 1. Vgl. Müller (1969: 315–317). Diese wurden als deutsche Schulen, vermengte oder gemaine Schulen, Schreiber-, Küster-, Bei-, Klipp- oder Winkelschulen bezeichnet. Vgl. von Polenz (2000: 125). Die Entwicklung dieser Schulen geht aus verschiedenen Bereichen hervor, siehe Müller (1969: 319). Vgl. auch Hartweg/Wegera (2005: 64). Die Lehrer rekrutierten sich aus verschiedensten Bereichen des Laientums, waren oft fahrende Studenten, aber auch Nonnen oder Beginen und Rats- oder Stadtschreiber, die auf Wunsch Schüler annahmen, „wie wir es namentlich von Niclas von Wyle wissen.“ (Müller 1969: 320). Sie kamen häufig selbst aus dem Handwerk oder der Kaufmannschaft und sorgten so für eine praxisnahe Ausbildung. Vgl. Wühr (1950: 151). Die älteste bisher bekannte Fibel, die vermutlich aus Augsburg stammt, weist Kiepe (1981, 1983) nach. Vgl. Reich (1972: 122,127).

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

41

schen Schulmeisters Kristofferus Hueber zu Landshut88 und in einer um 1486 entstandenen Augsburger Fibel, „ferner an der Übereinstimmung zwischen den Kompositareihen der Augsburger Fibel und dem Anhang zur 2. Ausgabe von Ickelsamers in Rothenburg ob der Tauber konzipierter Rechte weis… (1534)“ (Kiepe 1983: 460) erkennbar wird. Sieht man von diesen im Schulbetrieb verwendeten Schriften ab, beschränkt sich die grammatikographische Überlieferung aus der Zeit vor der Reformation auf metasprachliche Kommentare zur Interpunktion89 und Niclas von Wyles orthographischen Bemerkungen im Brief an den Ulmer Bürger Hans Harscher.90 Dort bemängelt der Berufsschreiber einige neumodische von seinem Gebrauch abweichende Entwicklungen in der Kanzleischreibe, so statt ,91 die Distribution des innerhalb des Wortes,92 das Eindringen bestimmter Formen aus anderen Sprachlandschaften, die Graphie anstelle des schwäb. für mhd. /eɪ/ und die Doppel-n-Graphie.93 Generell kritisiert er die Verwendung von Mischsprachen aus vier bis fünf Sprachlandschaften, die durch die Bereitschaft seines Berufsstandes, jeder neuen Mode zu folgen, bereits zu seiner Zeit existent war.94 Da in dieser Zeit noch keine sprachimmanente Argumentation darüber vorherrscht, wie man die Volkssprache richtig verschriftet,95 gilt es, die zeitgenössischen Sprachvorbilder, die den Schreibenden als Schablone zur Kodierung des Deutschen dienten, zu prüfen. Hierbei ist auffällig, dass im ausgehenden 15. Jh. bis zur Reformation v. a. das gemeine teutsch in den Quellen als vorbildlich erwähnt wird.96 Dabei handelt es sich nicht um eine allseits verbreitete Gemeinsprache, sondern vielmehr um eine auf bestimmte Druck- und Kanzleistätten beschränkte vorbildlich wirkende Schreibspra88 89

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Moulin-Fankhänel (1994: 92–95). Interpunktionslehren sind aus der Zeit von 1473–1515 von Hans Neithart (Moulin-Fankhänel 1994: 143–145), Dietrich von Pleningen (152–154), Friedrich Riederer (155–160), Heinrich Steinhöwel (167–171) und Niclas von Wyle (176–183) überliefert. Dieser findet sich in einer Ausgabe seiner Translationen aus dem Jahre 1478 abgedruckt. Vgl. Müller (1969: 15). Vgl. Müller (1969: 15). Niclas von Wyle bezeichnet dies als gougelspile, das vil cantzlien vnd ſchriberyen pflegen, und führt Beispiele an, bei denen Interferenz mit anderen Lexemen durch Doppelkonsonanzgraphie eintritt: hof – hoff, wil (weil) – will (Wille), las – laſſ, vs – vſſ, ſach (sah) – ſachh (Sache), ſinn – ſin, minn – min. Der Sprachausgleich hat nach diesem Zeugnis in den Kanzleien Ende des 15. Jhs. bereits begonnen. Der Terminus ›Verschriftung‹ bezeichnet nach Koch/Oesterreich (1994: 587) die „rein mediale Umsetzung vom phonischen ins graphische Medium“, währenddessen ›Verschriftlichung‹ „die rein konzeptionelle Verschiebung in Richtung Schriftlichkeit meint.“ Auch wenn der Terminus uneinheitlich verwendet wurde (vgl. Kapitel II.3.1, Josten 1976: 91–97, 216), spricht einiges dafür, dass im Untersuchungszeitraum I eine der Augsburger Druckersprache sehr nahestehende obd. Gemeinsprache das höchste sprachideologische Prestige genoss. Von 1500–1550 weist Josten (1976: 219, Tabelle I) 26 Normthesen zu dieser Variante nach, im Vergleich dazu lediglich 14 zu Luther und 13 zur kaiserlichen Kanzlei.

42

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

che,97 die zunächst v. a. aus der Stadt Augsburg mit ihrem hohen Ausstoß an deutschsprachigen Drucken, ihrer Bedeutung im Bereich des Buchhandels und auch in der Reichspolitik wichtige Impulse erhielt.98 Die wachsende Selbständigkeit der Städte im Spätmittelalter und die damit verbundene Ausbreitung des Handels99 bewirkte eine bildungspolitische Emanzipation der Bürger. Der Abnehmerkreis bleibt dennoch auf einen relativ kleinen Bruchteil der Gesamtbevölkerung beschränkt, denn „Lesenlernen und zum Leser werden ist zweierlei. […] Der Besuch einer deutschen Schule allein schuf noch kein breites Lesepublikum“ (Kiepe 1983: 460). Anhand der Provenienzen der Handschriften der Melusine verdeutlicht Günthart, dass das „Publikum der Handschriften und Frühdrucke […] auf eine verhältnismäßig kleine, sozial und bildungsmäßig herausragende Gruppe beschränkt [ist], die vor allem in den stadtbürgerlichen Ober- und Bildungsschichten bei Hof und im Landadel zu suchen ist“ (Günthart 2007: 250).100 Vor der Reformation war m. E. damit weder ein metasprachliches Bewusstsein geschaffen, das eine Vereinheitlichung der deutschen Schreibsprache in den Fokus rückte, noch eine breite Leserschaft vorhanden. Bei der Gegenüberstellung der Augsburger und alem. Melusine-Ausgaben des Untersuchungszeitraums I ist von Bedeutung, dass gerade eben der alem. Dialektraum „– hier besonders die deutschsprachige Schweiz – der Entwicklung zur neuhochdeutschen Gemeinsprache lange Zeit Widerstand“ (Josten 1976: 72) entgegensetzt. Wie und ob eine Angleichung der alem. Schreibsprache an die Augsburger Schreibsprache vor 1516 stattfindet, wird in den Kapiteln III und IV deutlich werden. Abschließend gilt es zu konstatieren, dass allem Anschein nach vom ausgehenden 15. Jh. bis zur Reformation das gemeine teutsch als oobd. geprägte Schreibsprache Vorbildcharakter genoss und keine breite sprachimmanent-grammatische Diskussion zur Volkssprache unter den gelehrten Sozialschichten vorherrschte, sondern lediglich gesellschaftlich-pragmatische Entwicklungen eine Zunahme der Verwendung des Deutschen bereits vor Luthers Bibelübersetzung zur Folge hatten. Aufgrund der fehlenden genuin deutschen Grammatikschreibung ist die Interaktion zwischen Grammatikern und Buchdruckern in dieser Zeit als gering einzuschätzen.

97

Nach der Unterscheidung der Druckersprachen des Freiburger Lehrers und Notars Sebastian Helber am Ende des 16. Jhs. (1593) (vgl. Josten 1976: 96; Jellinek 1913: 55–56) herrscht zu dieser Zeit scheinbar bereits ein Sprachbewusstsein, das für weite Teile des Md. und Obd. stärker durch Gemeinsamkeiten als Unterschiede geprägte Druckersprachen konstatiert. 98 Ein Kommentar des Großverlegers Johannes Rynmann zur Augsburger Sprache aus dem Jahr 1508 spiegelt diesen Vorbildcharakter wider. Vgl. (Künast 1997b: 5). 99 Vgl. dazu exemplarisch die Darstellungen über den Aufstieg der beiden großen Handelshäuser Fugger und Welser in Häberlein (2002) und (2006). 100 Als Beispiel für Provenienzen fügt sie den Schreibern der Handschriften noch den Nachweis des Besitzes einer Melusine-Handschrift oder eines -druckes für Rudolf Huseneck und den Schuhmacher Konrad Spilman hinzu (248).

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

b.

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Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Durch die Reformation und Luthers Bibelübersetzung wird das Deutsche im theologischen Kontext den heiligen Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein gleichgesetzt.101 Dabei war Luthers besondere Leistung nicht die bloße Übersetzung – deutschsprachige Vollbibeln gab es schon zuvor –102 sondern, im Vergleich mit den Vulgata-Übersetzungen, die sich eng an den Wortlaut des Lateinischen hielten und nicht zur Privatlektüre von Laien, sondern für Kleriker bestimmt waren, die Anwendung „indigene[r] Verknüpfungsregeln in Wortbildung, Satz- und Textsyntax auf die Bibel“ (Schmidt 2000: 116), die Lösung von der Vorstellung, dass es nur eine kanonisierte Textform der deutschen Bibel geben könne, und die daraus resultierende Möglichkeit, einen Text zu schaffen, der von Laien gelesen werden konnte. Wie es die Grammatikschreibung erst noch vollbringen musste, löste sich Luther verglichen mit den Vorgängerübersetzungen entscheidend von der Struktur der lateinischen Sprache. Nicht zuletzt diese Sprachauffassung Luthers führt in Bezug auf die deutsche Sprache dazu, dass in den späten 1520er Jahren einige Personen die Regelhaftigkeit der eigenen Sprache anerkennen und deren Regeln schriftlich zu formulieren beginnen. Es entstanden keine vollständigen Grammatiken, sondern Lese- und Schreiblehren, die vorwiegend die Orthographie und deren Zusammenhang mit der Lautung des Deutschen behandeln. Für die Praxis der Drucker sind diese Ebenen von großem Interesse, weshalb im Verlauf dieses Kapitels die Entwicklung der Orthographievorschriften in der metasprachlichen Diskussion skizziert und mit der Entwicklung des Schulsystems, innerhalb dessen die Orthographielehren Anwendung fanden, verknüpft werden soll. Grundsätzlich hatten die reformatorischen Schulreformen im Rahmen landesfürstlicher evangelischer Kirchenordnungen positive Auswirkung auf die Alphabetisierungsrate der Bevölkerung.103 Die Verwendung des Deutschen in den Lateinschulen „gewann im Unterricht der humanistischen Schule vor der Reformation größeren Raum“ (Reich 1972: 120), was nach der Reformation weiter gefördert wurde, so dass das Deutsche neben dem Lateinischen als Unterrichtssprache in den Lateinschulen an Geltung gewann.104 Anders als bei den Lateinschulen, aber mit ähnlich tiefgreifenden Veränderungen, verlief die Entwicklung im Bereich der deutschen Schulen. Obwohl diese von Luther und Melanchthon abgelehnt wurden, hatte die Reformation durch die Idee des Laienpriestertums und das gesteigerte Lesebedürfnis eine Stärkung dieser Schulform bewirkt. Neben den weltlichen Unterricht trat durch das lutherische Prinzip des Laien101

Vgl. Schmidt (2000: 114). Die erste überlieferte Druckausgabe erschien bei Johannes Mentelin in Straßburg vor dem 27. Juni 1466. 103 Die ersten dieser Kirchenordnungen entstanden in Hessen (1526), Sachsen (1528), Braunschweig (1528), Hamburg (1529), Pommern (1535) und Hannover (1536). Vgl. von Polenz (2000: 142). 104 Durch eine Renaissance der klassischen Sprachen an den Gelehrtenschulen in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. erfuhr diese Entwicklung jedoch ein retardierendes Moment, da die Verwendung der Umgangssprache häufig wieder unter Strafe gestellt wurde. Vgl. Reich (1972: 117). 102

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

priestertums der Religionsunterricht. In der Auseinandersetzung mit den religiösen deutschsprachigen Texten105 wurde durch die dialektalen Unterschiede in Schrift und Sprache der Mangel einer allgemeingültigen Sprachnorm offensichtlich, der sich sodann in der Kritik der Vernachlässigung der deutschen Sprache in der Augsburger Schulordnung des Hieronymus Wolf von 1558 und der Stralsunder Schulordnung von 1591 manifestierte. Vor 1600 führten die Schulreformen allerdings noch nicht dazu, dass es muttersprachlichen Grammatikunterricht gegeben hätte.106 Durch beide Schulformen wurde in verschiedener Weise die deutsche Sprache im 16. Jh. in ihrem Prestige gestärkt,107 ihr Eigenwert erkannt und letztlich dadurch auf weitere Anwendungsfelder ausgedehnt. Der historische Rahmen zwischen den Ausgaben Knobloch-1516 und Steiner-1538 wird durch die Ereignisse, die man gemeinhin unter den Begriffen Bauernaufstände und Reformation subsumiert, aufgespannt. In diesen Jahren stieg die Druckproduktion stark an, was vor allem auf die Nutzbarmachung des Buchdrucks innerhalb der konfessionellen Auseinandersetzung über das Medium politisch-agitatorischer Druckschriften und Flugblätter zurückzuführen ist.108 Als Folge der Kirchenspaltung und der Lehre Martin Luthers wurde von einigen Zeitgenossen die Notwendigkeit erkannt, dass dem gemeinen Mann Zugang zu den Inhalten, die in der alten Kirche vermittelt wurden, ermöglicht werden müsse. 1527 erscheint die uns erste bekannte überlieferte Leselehre Valentin Ickelsamers. Im Zuge des pragmatischen Ansatzes, die Kulturtechnik Lesen zu vermitteln, entwickelte sich erstmals ein metasprachlicher Diskurs über die Volkssprache, das diutisc, die Sprache des Volkes, der nicht mehr direkt auf lateinische Grammatikschreibung zurückzuführen ist. Sicherlich spiegeln sich in Aufbau und Terminologie die in der lateinischen Grammatik tradierten Muster wider, doch das Deutsche wird sprachideologisch in seinem Prestige aufgewertet und in seiner Eigenheit beschrieben. Die prestigeträchtigen Varietäten der Volkssprache verlagern sich im Lauf 105

Zum Kanon vgl. die erste Schulordnung mit detaillierten Anweisungen für den Deutschunterricht, die württembergische Schulordnung von 1559, die vorschreibt, die Kinder sollen „[…] in Christlichen Büchlin, als der Taffel, darinn der Catechismus, Psalmenbüchlin, das Spruchbüchlin Salomonis, Jesus Syrachs, newen Testaments, vnd dergleichen, lernen.“ Zitiert nach Reich (1972: 128). 106 Vgl. Reich (1972: 129). 107 Wie bereits erwähnt, wurde dies in den Lateinschulen am Ende des 16. Jhs. teilweise zurückgenommen. 108 Zu einer Einschränkung des Zusammenhangs der Reformation und des Buchdrucks gelangen Pettegree und Hall, indem sie das deutsche Paradigma des Buchdrucks mit anderen europäischen Herrschaftsbereichen vergleichen. Dabei stellt sich die Buchmarktsituation im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation als Ausnahme dar, da der Buchdruck in den Vergleichsländern entweder unterentwickelt oder auf einige wenige Zentren beschränkt ist, und kann somit keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Dass ein entwickelter Buchdruck während der Reformation einer von mehreren wichtigen Faktoren war, wird nicht abgesprochen, jedoch bleibt die Frage, ob es eine Reformation als Volksbewegung ohne Buchdruck gegeben hätte, mit Verweis auf das Beispiel Schottland, wo dies möglich war, offen. Vgl. Pettegree/Hall (2006).

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

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des 16. Jhs. durch das Auftreten Luthers und den damit in Zusammenhang stehenden Aufstieg Wittenbergs zu einem bedeutenden Druckzentrum, den Übergang eines Großteils der deutschsprachigen Druckproduktion aus dem obd. Raum nach Frankfurt/a.M., die zunehmende Anerkennung der Vorbildhaftigkeit des Meißnischen Deutsch109 und die endgültige Verdrängung des Nd. durch das Hd.110 aus dem obd. Raum in die md. Sprachlandschaften. In Hinblick auf die Grammatikschreibung werden zunächst vor dem Erscheinen der ersten vollständigen Grammatik des Deutschen im Jahre 1573 die oben bereits erwähnten Werke für den Schreib- und Leseunterricht und Kanzlei- und Formularbücher111 mit grammatisch-orthographischen Abschnitten auf ihre Normaussagen überprüft. Die Werke der ersten Klasse stehen mit den gesteigerten Lesebedürfnissen und besonders der Lektüre der deutschen Bibel in Zusammenhang. So betont bereits das erste orthographisch orientierte Werk Valentin Ickelsamers, Die rechte weis auffs kürtzist lesen zu lernen (1527),112 den Wunsch des Autors, dass jeder „Gottes wort / vnd etlicher Gotgelerter menner außlegung / darüber ſelbs leſen / vnd deſto bas darinn vrteylen möge“ (Müller 1969: 53).113 Ein großes Verdienst gebührt Ickelsamer aufgrund der Verbreitung der Lautiermethode.114 In der Rechten weis stellt er den Zusammenhang zwischen Buchstabe und Laut her und erklärt die Artikulationsweise der einzelnen Buchstaben.115 Wichtig für den schreibsprachlichen Prozess des Variantenabbaus erscheint Ickelsamers Kritik an Varianzgraphien für einen Laut.116 Eine umfassendere Orthographielehre legt er allerdings erst 1534 mit der Teutschen Grammatica vor, deren Titel nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass es sich nicht um eine vollständige Grammatik des Deutschen, sondern um eine Leselehre, orthographische Anleitungen, etymologische Anmerkungen zur deutschen Sprache und eine Silbenlehre handelt. Darin 109

Die Thesen zur Vorbildhaftigkeit des Meißnischen nehmen ab der Mitte des 16. Jhs. stark zu. „Die Luthersprache, Meißnischen Deutsch und Kanzleisprachen sind die eindeutig dominierenden Sprachvorbilder im 16. und 17. Jahrhundert.“ Josten (1976: 216). Dies gilt es in Bezug auf das Meißnische zu relativieren, da zunächst dessen Zuwachs an Ansehen mit dem Sprachvorbild Luther einhergeht und im 16. Jh. lediglich generell die Güte dieser Sprachvarietät herausgestellt wird. Vgl. Josten (1976: 20–21). 110 Dabei dürfte v. a. der Kontakt des nd. Sprachraums mit den md. Sprachlandschaften durch die geographische Nähe und den „umfangreichen Bildungsaustausch mit den obersächsischen Kulturzentren“ (Josten 1976: 58) ins Gewicht fallen. 111 Vgl. zu den Formularbüchern insbesondere Götz (1992). 112 Zu den Lebensdaten und den grammatischen Schriften Ickelsamers vgl. Moulin-Fankhänel (1994: 106–116). 113 Ähnliche Motivation bekundet Johann Kolross im Vorwort seines 1530 erschienenen Enchiridion; Ickelsamer stimmt in seiner Teutschen Grammatica (1534) eine Lobeshymne auf die Lesekunst an. Vgl. Müller (1969: 123–124). 114 Vgl. Jellinek (1913: 49). 115 Siehe Müller (1969: 56). 116 „Etlich buchſtaben werden im leſen verwandelt / vnd für andere geleſen / als dz v vor andern lautbuchſtaben für ein f.“ Müller (1969: 58).

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richtet sich Ickelsamer in einigen ausgewählten Bereichen der Graphie, wie und dem Dehnungs-h gegen den Usus.117 Darüber hinaus verurteilt er unnötige Doppelkonsonantengraphien, fordert ein Monographem für den Laut /ʃ/ und die Abschaffung der Varianten – , – und – . Einige seiner Forderungen finden sich im Verlauf der Drucküberlieferung der Melusine verwirklicht, der Großteil dessen, was er kritisiert, erhält jedoch im Lauf des 16. Jhs. Eingang in die Druckersprachen innerhalb der Melusine-Überlieferung. Bereits beim Lesen der Forderungen Ickelsamers wird anhand von Varianten wie – , – oder – , die auf dem gleichen Blatt einer Ausgabe seines Werkes erscheinen, deutlich, dass wenige Ansichten der Grammatiker unmittelbar in die für den Druck ihrer Schriften verwendete Druckersprache Eingang fanden. Vielmehr tritt auch hier der starke Einfluss der Drucker auf die Gestalt der Sprache zu Tage, was beispielsweise schreibsprachliche Unterschiede in der Augsburger und Nürnberger Ausgabe der Teutschen Grammatica Ickelsamers belegen.118 Gilt uns Valentin Ickelsamer als erster, der genuin deutsche Grammatikschreibung betrieb, so gebührt dem aus dem alem. Sprachraum stammenden Johannes Kolross, der in Basel ab 1529 als deutscher Lehrmeister und Verfasser von Dramen und Kirchenliedern auftritt, der „Ruhm, der Erste zu sein, welcher in hochdeutscher Sprache die deutsche Orthographie auf systematische, nahezu vollständige Weise behandelt hat“ (Müller 1969: 415). Seinem 40 Bll. umfassenden Werk Enchiridion: ǁ das ist / Handbuͤ chlin ǁ tütscher Orthographi / hăchtütsche ǁ sprăch artlich zeschryben / vnd laͤ sen /[…] kann aufgrund der vier Auflagen, die letzte davon 1564 in Zürich durch Christoph Froschauer herausgegeben, eine Ickelsamer nahekommende Wirkungsmächtigkeit beigemessen werden.119 Neben dem durch Luther angeregten Leseverlangen trieben Kolross auch die Abweichungen seiner Schreibsprache von der durch Ausgleichstendenzen im md.-obd. Grenzgebiet entstehenden Schreibsprache zu seiner Orthographiedarstellung.120 Kolross beharrt dabei nicht auf der Vorbildlichkeit einer Schreibsprache, sondern empfiehlt die auf der Sprechsprache basierende Verschriftung des Deutschen,121 wobei er stets die alem. Schreibweise der Schreibweise in einem größeren Verbreitungsgebiet gegenüberstellt, so beispielsweise gegenüber (Nukleus117

Vgl. Müller (1969: 154). Vgl. Müller (1969: 417). 119 Jellinek (1913: 53) sieht Kolross’ Arbeit als unabhängig von Ickelsamer und nicht für Anfänger konzipiert. 120 Wie später im 17. Jh. die Grammatikschreibung und Normierung der Sprache zu einem großen Teil von Personen aus dem nd. Sprachraum betrieben wurde, für die das Nhd. eine „Art Fremdsprache“ darstellte, so erwächst auch bei dem aus dem alem. Randgebiet stammendem Kolross das Bedürfnis, die fremde Sprache darzustellen, nicht aber sie zu normieren. Vgl. Schmidt (2000: 119). 121 Dies wird beispielsweise bei der Beschreibung der Diphthonge und Umlaute deutlich. Vgl. Müller (1969: 67). Generell lässt Kolross verlauten, dass „darnach ſy dann jr vßſprechen vß dem mund haben / darnach ſol mans ſetzen / Darumb ichs eim yeden heym ſtell / ſyner ſpraach nach die ſelbigen zůſetzen vnd ſchryben.“ Müller (1969: 69). 118

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

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senkung), gegenüber oder gegenüber (Diphthongierung). Auch auf kleinräumiger anzusiedelnde sprachlandschaftliche Eigenheiten wie das schwäb. für mhd. /eɪ/ nimmt er Bezug. Aber neben seinen auf dem phonologischen Prinzip basierenden Ausführungen finden sich auch erste Hinweise auf ein Bewusstsein des etymologischen Prinzips.122 Die Ausführungen zur Langvokalschreibung sind in Bezug auf die in der Melusine untersuchten Graphien besonders interessant.123 Aufgrund der lange Zeit bestehenden Varianz kann für den Untersuchungszeitraum II keine vorbildhafte Normierungswirkung der grammatischen Schriften geltend gemacht werden, das Bewusstsein für die eigene Sprache wurde durch sie jedoch gefördert, einige Innovationen möglicherweise angeregt. Aus dem Reigen der Leselehren des 16. Jhs. soll in diesem Rahmen noch auf die Leyenschůl (1533) des Peter Jordan eingegangen werden. Diese ist im Kontext der Druckersprachen besonders interessant, da mit dem Autor ein Buchdrucker124 selbst eine Lese- und Schreiblehre nach dem Vorbild Valentin Ickelsamers verfasste.125 Einmal mehr zeigt sich, dass der Berufsstand der Buchdrucker durchaus an den Diskursen zur Volkssprache aktiv teilnahm. Eine Beeinflussung der Setzer- und Druckersprachen durch die Grammatikschreibung ist in gewissem Maße sicher vorhanden, doch im 16. Jh. aufgrund des fehlenden sprachideologischen Bestrebens zur Vereinheitlichung der Schreibsprache wenig ausgeprägt. Die Forderung nach einer Einheitssprache findet sich erstmals auf anderem Felde. Der Berufsstand der Schreiber, das zweite berufliche Umfeld, das neben den Schul- und Rechenmeistern die Anfänge der Grammatikschreibung des Deutschen einleitete, bringt in der ersten Hälfte des 16. Jhs. drei Formular- und Kanzleibücher hervor,126 den Schryfftspiegel (1527), Fabian Frangks Orthographia (1531) und Johann Elias Meichszners Handbüchlein (1538), die einen Abschnitt mit orthographischen Bemerkungen enthalten.127 Fabian Frangks Orthographia (Wittenberg, 1531) ist aus der Schreiberperspektive durch das „Bestreben, Vorbilder und Muster für den Schriftver„Der meererntheyl wort / ſo mit nachuolgenden diphthongis / namlich aͤ . oͤ . uͤ . vnd ü geſchriben werden / haben jren vrſprung von anderen worten / welche im anfang a o ou vnnd u haben.“ Müller (1969: 68). Vgl. auch Jellinek (1913: 53). 123 Vgl. Kapitel III.5.10. 124 Zur Druckertätigkeit Peter Jordans vgl. Reske (2007: 592–593), Moulin-Fankhänel (1994: 117– 120). 125 Vgl. Müller (1969: 110–119), insbesondere zur Abhängigkeit von Ickelsamer vgl. Jellinek (1913: 51) und das Vorwort der Leyenschůl, in dem es heißt, der Autor habe unter allen Büchern zum Lese- und Schreibunterricht „keyns gefunden dz des lobs wirdiger iſt / dan eins / ſo Valentin Jckelshamer beſchriben hat“. Müller (1969: 111). 126 Vgl. zur Textsorte Formular- oder Kanzleibuch Götz (1992: 70–74). 127 Die orthographisch-grammatischen Passagen spielten für zeitgenössische Rezipienten sicherlich eine untergeordnete Rolle, andererseits „ist zu vermuten, daß die Formularbücher bei ihrer weiten Verbreitung in den unterschiedlichen Bereichen (von der Kanzlei über den privaten Schriftverkehr bis hin zur Verwendung in den deutschen Schulen) ‚Einfluß auf die deutsche Sprachgeschichte‘ genommen haben“. Götz (1992: 74). 122

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

kehr zu beschreiben“ (Bergmann 1982: 268), motiviert. Jellinek bezeichnet Frangks Leistung als einen Markstein in der Geschichte der Theorie der Schriftsprache, weil er vor der Verwirklichung der Vereinheitlichung der Schreibdialekte das Ideal einer Gemeinsprache sieht und fordert.128 Für Frangk sind sprachlandschaftlich und damit phonologisch bedingte Unterschiede Fehler, die es durch die Kenntnis der verschiedenen Schreibsprachen und deren Missbräuche zu vermeiden gilt. Aber der beste Weg zur angemessenen Schreibung ist, „das man gutter exemplar warnehme“, welche er sodann als „des tewern (hochloͤ blicher gedechtnis) Keiſer Maximilianus Cantzelej vnd dieſer zeit / D. Luthers ſchreiben / neben des Johan Schonsbergers von Augsburg druck“ (Müller 1969: 94) identifiziert. Diese häufig zitierte Aussage ist besonders in unserem Kontext von Bedeutung, denn die Druckersprache des Augsburger Druckers Johann Schönsperger wird als besonders vorbildlich gepriesen. Innerhalb der MelusineTradierung spricht die Übernahme des Augsburger Textes durch Matthias Hupfuff und die Anpassung der oberrh. Schreibsprache an die Augsburger in Knobloch-1516 dafür, dass schon vor Frangks Aussage die oobd. Druckersprachen und hier insbesondere die Augsburger hohes Prestige genossen. In der Frankfurter Ausgabe der Orthographia des Druckers Christian Egenolff aus dem Jahr 1531129 wird der Verweis auf den Vorbildcharakter der Sprache des Augsburger Druckers wohl aus Geschäftssinn und Neid getilgt.130 Das dritte Formularbuch mit Orthographie- bzw. Grammatikteil wurde von Johann Elias Meichszner unter dem Titel Handbüchlin gruntlichs berichts verfasst und erstmals 1538 in Tübingen publiziert. Ohne Forderung nach einer Hochsprache wird darin deutlich, dass in den Kanzleien „das Bedürfnis nach einer grammatischen Belehrung empfunden wurde“ (Jellinek 1913: 44).131 Dass der Frankfurter Melusine-Drucker Georg Rab zwischen 1562 und 1575 vier Ausgaben dieses Werkes herausbrachte,132 beweist die Präsenz der Grammatikographie innerhalb des Erfahrungshorizonts der MelusineDrucker. Der in der Vorrede zur Orthographia gestellten Forderung Fabian Frangks, “das ein gantze Grammatica hierinn [d. i. im Deutschen, M.B.] beſchrieben wuͤ rd” (Müller 1969: 93), wurde – zunächst ausschließlich in lateinischer Sprache, doch mit der Volkssprache als Gegenstandsbereich – erstmals im Jahre 1573 Rechnung getragen. Nur in einer bzw. zwei Auflagen erschienen die beiden ersten vollständigen Grammatiken Laurentius 128

Vgl. Jellinek (1913: 45–46). Frangk steht in Hinblick auf eine Gemeinsprache in Gegensatz zum Schryfftspiegel, der die unterschiedlichen Schreiblandschaften als Gegebenheit hinnimmt. 129 Vgl. Moulin-Fankhänel (1994: 68). 130 Vgl. Müller (1969: 94, Anm. 11). Die Bearbeitung durch Egenolff erstreckte sich auch auf den Inhalt. „Darüber hinaus enthält die Orthographia, besonders die von Christian Egenolff bearbeitete Auflage, Regeln zur Unterscheidung einzelner Wörter, etwa für und vor, nach und noch.“ Götz (1992: 326). 131 Meichszner ist dabei der erste, der „die Notwendigkeit einer theoretischen Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache“ erkennt. 132 Vgl. Götz (1992: 280).

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Albertus’ (Teutsch Grammatick oder Sprach-Kunst, Augsburg 1573) und Albert Ölingers (Vnderricht der Hoch Teutschen Spraach, Straßburg 1573 und 1574), die vor allem zum Zwecke der Vermittlung der deutschen Sprache an Ausländer entstanden.133 Albertus beklagt zwar die Fülle an Schreibdialekten und deren Unterschiede, sieht eine Hochsprache allerdings nur als Ideal, so dass er den Unterschieden gegenüber recht tolerant erscheint und viele verschiedene Drucksprachen als vorbildliche Schreibsprache aufzählt. Dabei sieht er die Offizinen in Mainz, Ingolstadt, Nürnberg, Augsburg, Basel, Frankfurt und Wittenberg als maßgebend an.134 Ölinger kopiert die betreffende Stelle aus Albertus’ Werk und fügt der Aufzählung noch die Städte Leipzig und Straßburg hinzu, wodurch er die Straßburger Drucksprache, derer er sich bedient, mit der Drucksprache der übrigen Städte gleichsetzt. Aufbauend auf diesen und auch beide verwendend, erarbeitet wenige Jahre später Johann Clajus seine Grammatica Germanicae Linguae, „die die Sprache Luthers in lateinischer Terminologie und Beschreibungssprache darstellt“ (Bergmann 1982: 268). Er fertigte seine Grammatik nach dem Vorbild Melanchthons an, so dass sie im sprachsystematischen Teil die beiden Vorgänger übertrifft und die Parallelen zu diesen weniger gewichtig sind. Mit dieser Schrift begann die Etablierung der Luthersprache als Norm für die deutsche Literatursprache, zumal sie mit elf Auflagen zwischen 1578 und 1720 über lange Zeit Einfluss auf das Normbewusstsein ausübte.135 Die Leselehren sind durch ihre Verwendung beim Unterricht des Lesens und Schreibens in der Volkssprache von Bedeutung, da sie einen Drucker auf seinem Bildungsweg beeinflussen konnten. Die Schriften der zweiten Gruppe spielen besonders in Hinblick auf den Einfluss des Kanzleiusus auf die Druckersprachen eine Rolle. Welche Drucker, welche der obigen Schriften kannten und rezipiert hatten, lässt sich nicht rekonstruieren. Dass die Frankfurter Drucker der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Einblick in die grammatische Diskussion der Zeit hatten und sich unter ihnen ein Sprachbewusstsein für die Muttersprache entwickelte – Ickelsamer hatte sich noch beklagt, „daß die Deutschen ihre eigene Sprache nicht verstehen“ (Jellinek 1913: 51)136 – wird einerseits dadurch wahrscheinlich, dass Schriften wie Meichszners Handbüchlin gruntlichs berichts durch Georg Rab mehrmals gedruckt wurden, andererseits auch durch die sprachimmanenten Veränderungen, die die Frankfurter Drucker innerhalb der Melusine-Überlieferung vornehmen, so die Homonymendifferenzierung der Konjunktion ›dass‹ vom Artikel ›das‹ 133

Ölinger gibt an, dass er sich, nachdem er einigen französischen Edelleuten Unterricht in der deutschen Sprache erteilt hatte, veranlasst sah, die Grammatik zu verfassen. Albertus gibt neben dem Bedürfnis der Ausländer weitere Gründe wie Patriotismus, die Heterogenität des Deutschen oder die Erleichterung des Fremdsprachenlernens durch bessere Kenntnis der Muttersprache an. 134 Vgl. Jellinek (1913: 70). 135 Die Frage, was Clajus dabei genau unter Luthersprache verstand bzw. aus welchen Quellen er seine vorbildhafte Sprache bezog, ob letzten Endes statt der Sprache Luthers selbst oder der Sprache der Wittenberger Drucker nicht doch die Sprache der Frankfurter Nachdrucke der Lutherbibel als Vorbild fungierte, bedarf noch einer genaueren Klärung. 136 Zur Textstelle bei Ickelsamer siehe Müller (1969: 147).

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

und des Possessivpronomens ›sein‹ vom Verb ›sein‹, sowie die Verwendung des etymologischen Prinzips.137 Eine Parallele zwischen dem Auftreten bestimmter orthographischer Forderungen in metasprachlichen Werken und deren Umsetzung in Druckersprachen lässt sich mit zeitlicher Verzögerung teilweise erkennen. Viele Forderungen wurden allerdings nicht übernommen. Abschließend gilt es jedoch festzuhalten, dass am Ende dieses Zeitraums nach Virgil Mosers Arbeit zur Straßburger Druckersprache „im letzten Viertel des 16. Jhs. von einer Gemeinsprache, auch nur des Buchdrucks, auch nur am Oberrhein nicht gesprochen werden“ (Schirokauer 1952: 1073)138 kann. Der Ruf nach einer Einheitssprache war erst zaghaft laut geworden und hatte noch kaum Anklang gefunden. Die Bedeutung der Grammatikographie für die Ausformung der Setzersprachen in der Praxis ist im 16. Jh. trotz des Anstiegs an Publikationen als gering, aber ab dem letzten Viertel des Jahrhunderts zunehmend einzuschätzen. c.

Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

Im Gegensatz zum 16. Jh. kann die Sprachgeschichte im 17. Jh. aus einer Vielzahl grammatisch-orthographischer Arbeiten schöpfen.139 Die Zunahme der metasprachlichen Betrachtung der Volkssprache beruht einerseits auf den vorangegangenen Entwicklungen auf diesem Feld, deren Traditionen nach der Jahrhundertwende aufgenommen wurden, andererseits führen außersprachliche kulturhistorische Entwicklungen zu einer „spezifischen Komponente […] der sprachtheoretischen Auseinandersetzung“ (Moulin-Fankhänel 1997: 12) mit der Muttersprache. War man im 16. Jh. gegenüber den verschiedenen Schreibdialekten noch tolerant, so beginnt in der ersten Hälfte des 17. Jhs. die dritte Generation der deutschen Grammatiker, die überwiegend aus nd. oder zumindest diesem Gebiet naheliegenden Territorien stammt, „ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Einheitssprache und für deren Kodifizierung“ (Schmidt 2000: 121)140 zu schaffen. Für die Zeit des landesfürstlichen Absolutismus, der sich nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 verstärkt entwickelte und in der Folge den Boden für die Frucht der Sprachnormierung bildet, kann erstmals von Sprachkultivierungsarbeit aus mehreren Richtungen und Zusammenschlüssen gesprochen werden.141 Primär wird dabei zumeist auf das Entstehen der großen Sprachgesellschaften verwiesen.142 Einher 137

Vgl. Kapitel III.7 und III.8. Das bereits in Kapitel II.3.2.a angeführte Zitat Sebastian Helbers von 1593 weist ebenfalls auf verschiedene Druckersprachen zu Ende des 16. Jhs. hin. 139 Aufgrund der Vielfalt der für die Grammatikographie relevanten Werke und Autoren aus dem 17. Jh. kann im Rahmen dieser Arbeit nur auf grobe Entwicklungslinien eingegangen werden. 140 Das Fehlen der Textzeugen der Melusine aus der ersten Hälfte des 17. Jhs. erscheint vor diesem Hintergrund noch schmerzlicher. 141 Vgl. von Polenz (1994: 169). 142 Zu nennen sind hier v. a. die Fruchtbringende Gesellschaft, später Palmenorden (Köthen, 1617), die Aufrichtige Gesellschaft von der Tannen (Straßburg, 1633), im weitesten Sinne auch die Kür138

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

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mit dieser Entwicklung geht der Verlust des in Sebastian Helbers Darstellung der sprachlandschaftlich unterschiedenen Druckersprachen 1593 noch zum Ausdruck kommenden Sinnes „für die Toleranz gegen die landschaftlichen Schriftsprachen, die Helber mit anderen süddeutschen Theoretikern des 16. Jhs. teilt“ (Jellinek 1913: 56).143 Von Opitz und Schottel bis Gottsched und Adelung konstatiert die Sprachgeschichtsforschung „eine bildungspolitisch langfristig wirkende reale sprachpolitische Bewegung des 17./18. Jahrhunderts“ (von Polenz 1994: 135). Diese erwuchs einerseits aus der Anbahnung eines volkssprachlichen Normbewusstseins seit der Reformation und der daraus resultierenden wissenschaftlichen Erschließung der Muttersprache, andererseits aus den sprachpflegerischen Bemühungen im Zuge der starken Überfremdung des Deutschen. Im 17. Jh. hatten Fremdsprachen – v. a. weiterhin Latein als Wissenschaftssprache und Französisch als Staats- und Standessprache des Adels –144 in sozial gehobenen Kommunikationsbereichen höheres Prestige als das Deutsche, so dass starke Sprachmischungstendenzen vorherrschten, die die Gegenbewegungen des Sprachpurismus und Kulturpatriotismus hervorriefen.145 In direktem Zusammenhang dazu stehen die für den Unterricht des Deutschen eminent wichtigen Bemühungen des Wolfgang Ratke (Ratichius). Er war die bedeutendste Persönlichkeit im Bereich der Neukonzipierung des reformatorischen Schulsystems. Ratke verkündete seit dem Jahre 1610 in Deutschland eine neue Lehrart. Darin wird das Deutsche als mögliche Wissenschaftssprache aufgewertet und der deutschen Sprachlehre eine propädeutische Funktion für den Fremdspracherwerb zugesprochen, da er forderte, dass alle Grammatiken der gleichen Struktur folgen müssen.146 Die Betonung der Notwendigkeit des Unterrichts in der Muttersprache geht bei Ratke mit der Betonung der „Notwendigkeit einer Sprachregelung und Sprachreinigung“ ( Ising 1959: 14) einher, so dass die „neue Wertung von Sprache und Grammatik“ (Ising 1959: XIII) auch auf sein Wirken (1610–1635) zurückgehen.147 In seiner Nachfolge ebneten seine Mitarbeiter den Weg seiner Methode in die Schulpraxis.148 bishütte (Königsberg, um 1640), die Deutschgesinnte Genossenschaft (Hamburg, 1643), der Löbliche Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz (Nürnberg, 1644), der Elbschwanenorden (Wedel bei Hamburg, 1656) und auch die Poetische Gesellschaft (Leipzig, 1677). 143 Zu den Ausführungen Helbers vgl. Jellinek (1913: 55–56). 144 Vgl. von Polenz (1994: 77–106). 145 Daneben wirkten allerdings noch rein praktische Interessen bei der Abfassung von Regelwerken weiter. So setzt Rudolf Sattler in seiner Teutschen Orthographey und Phraseologey von 1607 aus seiner Notariatspraxis die Tradition der Schreiber und Kanzlisten fort. Stephan Ritter (1616) und Heinrich Schöpf (1625) bedienen mit ihren Grammatiken den Markt für Deutsch als Fremdsprache. 146 In der ersten nach den Vorstellungen Ratkes konzipierten Schulordnung (Landgräfliche Hessische Schulordnung von 1618) wird gefordert, dass „man zur Lateinischen Sprach nicht schreiten soll, man habe dann vnsere angeborene Deutsche Sprache zuforderst nach notturfft vnd genugsamb gelernet, […] welche gleichsamb eine Vorbereytung zu andern, höhern sprachen sein soll.“ Zitiert nach Hampel (1980: 132). 147 Selbst hat Ratichius zwar keine deutsche Grammatik zum Druck befördert, er wirkte jedoch wie im Falle Kromayers als Vorbild für die nachfolgende Grammatikschreibung. Direkten Einfluss hatte er

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Die Aussagen zur Grammatik des Deutschen bewegen sich im ersten Drittel des 17. Jhs. in „einer Art Vorstufe zu den sprachimmanenten Thesen“ (Josten 1976: 171).149 Erst danach unternehmen Grammatiker im Umfeld der Fruchtbringenden Gesellschaft aufgrund sprachimmanenten, wissenschaftlichen Interesses an der deutschen Sprache auf der Basis zweier unterschiedlicher Antworten auf die grundlegende Frage, woran man sich in sprachlichen Zweifelsfällen orientieren solle, den Versuch, die deutsche Sprache in ihrer Gesamtheit zu beschreiben. Die beiden Antworten lauteten einerseits einen konkreten Sprachgebrauch, andererseits eine Bezugsgröße, „die aus einem grammatischen Regelsystem bzw. aus analog gelagerten Fällen gewonnen wurden“ (Hundt 2000: 42), als Sprachnorm festzulegen. Die Lager trennten sich in die Anomalisten um Christian Gueintz und Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen, die den „Sprachgebrauch einer qualifizierten Form des Obersächsischen als Muster“ (Josten 1976: 175) setzten, während sich die Analogisten um Philipp Harsdörffer und Justus Georg Schottel gegen den Sprachgebrauch wendeten. Sie argumentierten, der Sprachgebrauch sei „ungeeignet für die Feststellung der sprachlichen Norm, da er nicht grundsätzlich und prinzipiell der Gesetzmäßigkeit folge, die in der Sprache selbst liege“ (Josten 1976: 175). Die Analogisten verhalfen der „These von der ‚künstlichen‘ Art der Entstehung der Hochsprache als schreibsprachlich-gelehrter Auswahlprozeß“ (von Polenz 1994: 154) zu vermehrter Akzeptanz. Schottel nimmt nach der Negativklassifizierung der Norm als Nicht-Dialekt die Beschreibung dieser auf Basis des Prinzips der Grund- und Kunstrichtigkeit, „worunter er möglichst klare, regelhafte Entsprechungen innerhalb des Sprachsystems verstand“ (von Polenz 1994: 155), vor. Somit trat innerhalb der Grammatikschreibung die Regelhaftigkeit des Deutschen, die der in Abgrenzung von der lateinischen Sprache als lingua vulgaris bezeichneten Muttersprache lange Zeit abgesprochen wurde, durch Schottel in den Vordergrund. Auf dem Gebiet der Orthographie wird um die Mitte des 17. Jhs. von Philipp von Zesen eine zum Teil scharf geführte Diskussion um die orthographische Norm hervorgerufen. Zesen fordert dabei die Einbeziehung des etymologischen Prinzips in die Reform, wohingegen Gueintz dies unter Berufung auf das phonetische Prinzip und das Vorbild der Mundart der obersächsischen Länder ablehnt. Schottel sieht in der Etymologie und im Sprachgebrauch die orthographische Norm. Bei ihm wirkt neben dem phonetischen vor allem das etymologische Prinzip, nach dem Stammwörter die Schreibung festsetzen, welche analogisch auf alle anderen Formen übertragen werden muss. Gegen die radikalen Orthographiereformer um Zesen polemisiert Schottel. Harsdörffer folgt auf Gueintz, der 1619 in Köthen am Hof des Fürsten Ludwig von Anhalt an der Einführung der Ratichianischen Lehrart mitwirkte. Vgl. Moulin-Fankhänel (1997: 79). 148 Aus seinem Umfeld geht auch die erste vollständige, in der Volkssprache abgefasste Grammatik des Deutschen hervor. 1618 erscheint Johannes Kromayers Werk Deutsche Grammatica zur Einführung in den grammatischen Unterricht. 149 In dieser Vorstufe wird „auf die Regulierbarkeit der deutschen Sprache, die Notwendigkeit von Grammatiken und in meist vager Formulierung auf das analogische Prinzip hingewiesen“.

Einfluss der Druckersprachen auf die neuhochdeutsche Schriftsprache

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Schottel in der Ansicht, dass die Prinzipien der Rechtschreibung den innersprachlichen Kriterien der Herkunft, der Stämme und der Aussprache folgen müssen. Aber auch er weist auf den Sprachgebrauch, bei ihm die Aussprache der Schlesier und Meißner, als Vorbild in Problemfällen hin. Auch auf den Usus der Kanzleien verweist er als Referenz für Schreibrichtigkeit.150 Doch im Bereich der Orthographienormierung stellt die Vielzahl der Diskutanten im 17. Jh. ein Hindernis dar, so dass in Bezug auf die Vereinheitlichung der Orthographie und die Kriterien, nach welchen diese geschehen solle, am Ende des 17. Jhs. Resignation vorherrscht.151 Das Verhältnis der Grammatiker zu den Drucksprachen ist wohl als gespaltenes Abhängigkeitsverhältnis zu bezeichnen. Gespalten war es, weil die Unzuverlässigkeit der Drucke ein Argument war, „mit dem man jede Abweichung von den Sprachmustern verteidigen konnte;“ (Jellinek 1913: 115) am Beispiel der Majuskelschreibung macht Jellinek jedoch deutlich, dass der Usus der Drucker – nicht mehr der der Kanzleien – für die Grammatiker vorbildlich wurde und diese letzten Endes eher diesen Usus als Norm festlegten, als große Änderungen daran zu bewirken.152 Manche Forderungen der Grammatiker finden sich zwar in den Melusine-Ausgaben des 17. Jhs. erfüllt – so die von Zesen im Hochdeutschen Helikon (1656) geforderte funktionale Trennung von i/j und u/v/w ab Endter-1672 –,153 der Beweis für eine von den Grammatikern auf die Drucker gerichtete Beeinflussung steht dabei allerdings noch aus. Mit Bezug auf die Überlieferung der Melusine erscheint es besonders interessant, dass die Firma Endter nachweislich geschäftliche Beziehungen zum Pegnesischen Blumenorden hatte, da Wolfgang Endter 1645 Harsdörffers Poetischen Trichter druckte. Es findet sich unter den Mitgliedern des Ordens zwar kein Familienmitglied der Endter,154 im VD17 begegnen allerdings mehrere bei Endter gedruckte Schriften aus dem Umfeld des Ordens. Die Manuskriptvorlagen für den Druck könnten dabei von den orthographischen Vorstellungen des Ordens beeinflusst worden sein. Um dies nachzuweisen, bedürfte es einer eingehenderen Untersuchung der Druckersprache der Offizin der Familie Endter und der orthographischen Forderungen des Ordens.

150

„Indem nun beyde Grundseul der Schreibrichtigkeit nicht zu ergreiffen / muß man sich an die in Cantzleyen beliebten Gewonheiten halten.“ Zitiert nach Josten (1976: 204). 151 Vgl. Josten (1976: 192–210). 152 Löffler konstatiert hierzu, dass es den Sprachgesellschaften „um die Pflege der neuen Buchsprache und deren Verbreitung auch in der gesprochenen Rede“ ging. Georg Philipp Harsdörffer verlangte im Specimen Philologiae Germaniae 1646 „Die Schrift soll die Rede bilden“. Löffler (2003: 13). „Die Entwicklung der deutschen Orthographie lag nicht mehr bei der Kanzlei, sondern beim Buchdruck. Und schon Sattler wußte, daß im Gebrauch der Majuskeln die Praxis der Setzer von der der Schreiber abwich. Ritter, ja schon Becherer, deren Blick durch keine Tradition getrübt war, hatten die Großschreibung aller Substantiva gelehrt.“ Jellinek (1913: 104). 153 Vgl. Hartweg/Wegera (2005: 73). 154 Vgl. die Stammliste der einzigen heute noch bestehenden Sprachgesellschaft auf http://www.irrhain .de/index.php?kategorie=pblo&inhalt=stammliste&sub1. (Stand: 03.12.2010).

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Abschließend gilt es festzuhalten, dass das Ansehen der Melusine und ähnlicher Unterhaltungsliteratur, blickt man auf die niederländischen Verhältnisse zu Beginn des 17. Jhs., im Verlauf der Zeit zunehmend zu schwinden scheint. Die niederländische Zensurbehörde versuchte, dem populären volkssprachlichen Schrifttum einen Riegel vorzuschieben, so dass 1621 „auch die Melusine mit anderen harmlosen Volksbücher durch das Edikt des Bischofs von Antwerpen auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt“ (Schorbach 1905/1906: 147) wurde. Dies scheint einherzugehen mit dem Absinken des Textes in soziale Leserschichten, die später das Publikum der Kolportageheftchen des 18. Jhs. bilden. Bereits die überwiegend mit Holzstöcken aus Fremdkontext bewerkstelligte Bildausstattung der letzten beiden Ausgaben des Korpus (1692/93) weist auf billigste Herstellung hin. Auf (ortho-)graphischer Ebene zeugen die Ausgaben des letzten Viertels des 17. Jhs. trotz ihrer mangelhaften Ausstattung allerdings vom Fortschritt der Abkopplung der Schrift von der gesprochenen Sprache, der abstrahierenden Formulierung der Regeln der deutschen Sprache und der Professionalisierung des Setzerhandwerks, so dass unter den Untersuchungsphänomenen nur noch wenig Varianz vorherrscht.

4.

Der Forschungsstand zum Frühneuhochdeutschen Prosaroman

Der Vergleich der Überlieferungsträger eines Textes eignet sich nicht nur für sprachstrukturelle Untersuchungen vorzüglich, sondern auch zur Erforschung der Textsortenentwicklung. Dabei wurde versucht, für die Melusine als Vertreter der Textsorte155 Frnhd. Prosaroman über den „sicherste[n] Zugang“, die „wohl grundlegendsten Textualitätskriterien, die Kohäsion und die Kohärenz“ (Gaberell 2007: 159), empirisch über155

Der Begriff Textsorte und die Textsortenklassifikation finden sich häufig mit verschiedenen Gewichtungen definiert. Bußmann (2008: 727) grenzt ihn vom Begriff Texttyp ab und betont die situative Ebene: „Gruppe von Texten mit gleichen situativen und meist auch sprachlich-strukturellen Merkmalen. […] bezieht man ihn, in Abgrenzung vom weiteren, systematisch definierten Begriff Texttyp (z. B. Informationstext), auf die detaillierteren Handlungsmuster der Alltagssprache und der Fachsprachen, wie sie sich sprach- und kulturspezifisch für wiederkehrende kommunikative Zwecke herausgebildet haben.“ Brinker (2005: 138) beschreibt Textsorten vor allem aus kommunikativer Perspektive als „komplexe Muster sprachlicher Kommunikation […], die innerhalb der Sprachgemeinschaft im Laufe der historisch-gesellschaftlichen Entwicklung aufgrund kommunikativer Bedürfnisse entstanden sind. […] Der konkrete Text erscheint immer als Exemplar einer bestimmten Textsorte.“ In dieser Arbeit wird die Merkmalumschreibung des Begriffs Textsorte bei Heinemann (2007: 19) verwendet, die Textsorten als begrenzte Menge von Textexemplaren mit spezifischen Gemeinsamkeiten sieht, wobei diese auf struktureller, inhaltlich-thematischer, situativer und kommunikativer Ebene zu finden sind und sich wechselseitig bedingen. Die sprachlichen Strukturen und Inhalte sind dabei die prägenden Ebenen. Zur Unterscheidung der Termini Texttype, Textsorte und Textmuster siehe Fix/Poethe/Yos (2003: 24–26).

Der Forschungsstand zum Frühneuhochdeutschen Prosaroman

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prüfbare Ergebnisse zu liefern. „Textsortengeschichte beginnt mit der (synchronen) Beschreibung historischer Textsorten“, wobei für jedes Dokument einzeln die TextsortenKonstitution überprüft werden muss. Zunächst stellt „jedes Exemplar […] potentiell eine Textsorte dar“ (Gaberell 2007: 160). Bei der Bestimmung einer Textsorte unterstreicht Heinemann in seinem retrospektiven Überblick zur Textsortenforschung, dass „es gerade die ‚Unbekannte G‘, die Selektion und Akzentuierung der – die einzelnen Textexemplare verbindenden – Gemeinsamkeiten“ (Heinemann 2007: 11) sind, die zu verschiedenen Auffassungen zum Begriff Textsorte innerhalb der Textlinguistik führen. Es gilt uns heute zwar als Konsens, dass „sowohl textinterne (grammatische und semantisch-inhaltliche) als auch textexterne (situative) Merkmale und ihre Wechselwirkung für Textsorten konstitutiv sind“ (Gansel/Jürgens 2007: 57),156 doch je nach Forschungsausrichtung „werden Textsorten als grammatisch geformte Einheiten, als semantischinhaltlich geprägte Phänomene, als situativ bestimmte Einheiten oder als kommunikative Einheiten beschrieben“ (Gansel/Jürgens 2007: 57).157 Nach Heinemann sollten die vier eben genannten Ebenen bei jeder Textsortenbeschreibung im Rahmen eines Mehrebenen-Modells integriert werden.158 Wir gehen dabei zunächst von der Zugehörigkeit unseres Textes zur Textsorte Frnhd. Prosaroman aus und unternehmen an dem vorliegenden Vertreter dieser Textsorte auf makrostruktureller und mikrostruktureller Textebene den Versuch, weitere Kennzeichen herauszuarbeiten. Es sollen dabei Merkmale des vorliegenden Textes auf der strukturellen Ebene beschrieben werden, um „die Bündelung und Integration solcher Einzelmerkmale“ mit an anderer Stelle zu dieser Textsorte erarbeiteten Merkmalen zu einer charakteristischen Merkmalskomplexion der Textsorte leisten zu können.159 Für das Frnhd. liegt schriftlich überliefert „eine unübersehbar große, weitgefächerte, vielschichtige und einzelne Fachbereiche übergreifende Textmenge“ (Kästner/Schütz/Schwitalla 2000: 1606)160 vor, so dass eine Klassifizierung aller spezifischen Textsorten dieser Sprachepoche in Form eines Gesamtüberblicks aufgrund der Heterogenität der Textzeugen kaum möglich erscheint. Daher wird in der zusammenfassenden Darstellung von Kästner/Schütz/ Schwitalla die besagte Textmenge nach fünf Sinnwelten in die Kategorien alltäglich, institutionell, religiös, wissenschaftlich oder dichterisch eingeteilt. Dabei überschneiden sich diese Text- und Kommunikationsbereiche meist vielfach. 156

Dabei besteht „wenig Konsens in der Frage, wie viele und welche Grundfunktionen denn nun im Einzelnen zu unterscheiden seien“. Heinemann (2007: 14). 157 Vgl. dazu auch Heinemann (2007: 12–14). 158 Vgl. Heinemann (2007: 15–16). 159 Auf eine weitere terminologische Differenzierung in Textsortenklasse, Textsorte und Textsortenvariante wird hier verzichtet, da lediglich ein Vertreter einer möglichen Textsorte im Fokus dieser Untersuchung steht und eine weitere Unterteilung der Texte, die den Frnhd. Prosaromanen zugerechnet werden, lediglich anhand vergleichender Arbeiten geleistet werden könnte. Vgl. zur Terminologie Gansel/Jürgens (2007: 66). 160 Vgl. als Querschnitt durch die Textsortenvielfalt auch die Beiträge in Meier/Piirainen (2007) und Große/Wellmann (1996: Sektion III.).

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Erst im Laufe des 16. Jhs. ist eine Tendenz zur stärkeren Ausdifferenzierung der Textsorten zu verzeichnen. Für das 15. Jh. liegt der „Schwerpunkt im Bereich Religion mit Überschneidungsfeldern“ (Kästner/Schütz/Schwitalla 2000: 1607), während im 16. Jh. zunächst im Zuge der Reformation religiös-sozialpolitische Textsorten überwogen und sich später sachbezogene Wissensgebiete und aktuelle Nachrichten verselbständigten.161 Im Bereich der Dichtung wird im 15. Jh. zunächst an die mittelalterlichen Formen und Gattungen angeknüpft, dann allerdings auch durch die Übersetzung französischer Prosaromane und italienischer sowie lateinischer Literatur neuer Boden betreten. Dabei wurden in allen Funktionsbereichen ältere Werke weiter gelesen. Unterhaltende Literatur erzielte in der Inkunabelzeit und der ersten Hälfte des 16. Jhs. hohe Auflagen.162 Dabei war besonders der Hochadel an der Überlieferung des neuen Prosaromans beteiligt.163 So wurde das Textsortenspektrum durch die Übersetzertätigkeit in Hofkreisen und bei den Humanisten erweitert. Auch die Melusine scheint – zwar nicht von einem Adeligen verfasst, aber durch höfische Kreise angeregt164 – in dieses Schema zu passen. Eine weitere generelle Tendenz der Textsortenentwicklung zur frnhd. Zeit ist der Anstieg des Prosaschrifttums. Zur Erfassung der Wandelvorgänge auf Textebene innerhalb der Melusine-Überlieferung ist es zunächst notwendig, den Text einer klar definierten Textsorte zuzuschreiben. Dabei kann bereits auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden. War es zu Beginn der Etablierung der Germanistik als Wissenschaft gar nicht Ziel, eine Entwicklung und Beschreibung von Textsorten anhand formal-inhaltlicher Kriterien zu erarbeiten, sondern das Wesen der Gattung Volksbuch165 als ahistorischer, überzeitlicher und unverändert überlieferter Gattung zu ergründen,166 fand mit der Kritik der Gattungsbezeichnung Volksbuch in der Literaturwissenschaft ein Paradigmenwechsel statt, der die in der Romantik darunter subsumierten Texte differenzierter zu sehen begann. Noch 1990 schreibt Kästner, dass der Terminus Früher Prosaroman in der Lite161

Vgl. Kästner/Schütz/Schwitalla (2000: 1607). Vgl. Kästner/Schütz/Schwitalla (2000: 1611–1612). 163 „Auf dem Sektor des neuen Prosaromans beteiligt sich der Hochadel selbst produktiv: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken (1394–1456), Eleonore von Innsbruck (1433–1480). Zu Mechthilds von Rottenburg literarischem Kreis gehört u. a. Niclas von Wyle.“ Kästner/Schütz/Schwitalla (2000: 1613). 164 Vgl. zur Rolle Rudolfs IV. von Röteln-Sausenberg in der Entstehung der Übersetzung der Melusine Schnyder (2006,2: 120), Müller (1995: 908). Rudolf und Thüring wird in der Forschung eine lange Freundschaft nahegelegt. Vgl. dazu Bärmann/Prosser (2002: 46–50), Bartlome (2006: 55). 165 Hans Rupprich liefert 1973 eine Definition zum Volksbuchbegriff: „Unter dem Sammelnamen Volksbücher versteht man unterhaltende und belehrende Prosaschriften verschiedener Herkunft, die infolge ihres realen Inhaltes und ihrer allgemeinverständlichen und formelhaften Darstellungsweise in der zweiten Hälfte des 16. Jh.’s Allgemeingut der mittleren und unteren Volksschichten geworden sind.“ Rupprich (1973: 185). Vgl. dazu auch Aust (1984: 60–67), der Volksbuch als „eine in der Muttersprache gedruckte weltliche Prosa, die über einen längeren Zeitraum hinweg einen ziemlich breiten Rezipientenkreis gefunden hat“, definiert. 166 Vgl. Grätz (1988: 1–3). 162

Der Forschungsstand zum Frühneuhochdeutschen Prosaroman

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raturwissenschaft schlichtweg aus Verlegenheit statt aufgrund klarer Kriterien verwendet wird.167 Innerhalb der Sprachwissenschaft ist der Terminus Frnhd. Prosaroman etabliert. Simmler definiert ihn anhand der Überlieferung der Magelone aus sprachwissenschaftlicher Sicht für das erste Drittel des 16. Jhs. wie folgt:168 „Der frühneuhochdeutsche Prosaroman wird extern durch Bürger in adligem Auftrag primär für ein adliges Publikum mit oder ohne primär- bzw. sekundärsprachliches Vorbild im Medium der Handschrift fixiert und im Medium des Drucks verbreitet. Er besteht intern aus einem spezifischen Merkmalbündel mit dem primären Textsinn zu unterhalten. Das interne Merkmalbündel setzt sich aus den Makrostrukturen der Initiatoren (mit teilweise variablen Angaben zur Textklasse, zu Hauptpersonen, ihren Eigenschaften und Eltern, zum Ort der Handlung, zur Übersetzung und Vorlage), des Terminators (mit Angaben zu Drucker, Druckort und Jahr) und der Kapitel (zur Kennzeichnung der Kontinuität der Handlungsabfolge), aus den syntaktischen Merkmalen der Temporalsätze und Temporaladverbien in Spitzenposition, der Teilsätze mit verbum dicendi und direkter Rede in Endposition und der linear und überwiegend parataktisch angeordneten Abfolge von Teilsätzen in Gesamtsätzen (zum Aufbau einer chronologisch geprägten Erzählfolge) und aus den lexikalischen Merkmalen einer besonderen Auswahl und Frequenz von Zeitadverbien und verba dicendi (zur allgemeinen Einordnung in ein Zeitgerüst und allgemeinen Hervorhebung des Gesprochenen) zusammen“ (Simmler 1991: 467).

Simmler konstatiert in der Überlieferung der Magelone einen Textsortenwandel im 18. Jh., der „zu einer neuen Textsorte [führt], die synchron in Opposition zu anderen Textsorten und zum gleichzeitig noch tradierten Prosaroman tritt“ (Simmler 1991: 481).169 Diese Entwicklung ist auch in der Drucküberlieferung der Melusine zu beobachten. Die neue Textsorte manifestiert sich in den HWB-Ausgaben, die im 18. Jh. aufkommen. Eine Binnengliederung der Textsorte Frühneuhochdeutscher Prosaroman nimmt Buschinger nach dem Aspekt der Herkunft der Werke für die Zeit um 1500 vor. Sie unterscheidet dabei fünf Klassen: 167

Ein Anzeichen dafür sei die häufige synonyme Verwendung der Begriffe Volksbuch, frühe Erzählprosa oder Prosahistorie. 1970 schreibt Roloff zum deutschen Prosaroman noch, dass die „Erforschung dieser interessanten literarischen Erscheinung […] noch ganz in den Anfängen“ stecke. Vgl. Roloff (1970: 5–6). „Die Feststellung, daß die unter dem Gattungsbegriff »früher Prosaroman« zusammengefaßten fiktionalen Erzählungen des 15. und 16. Jahrhunderts einen »höchst diffusen Bestand an Texten« repräsentieren, […] ist mittlerweile ein literaturwissenschaftlicher Gemeinplatz geworden.“ Kästner (1990: 207). Kästner selbst sieht den Frnhd. Prosaroman in einer Vorläuferrolle zum modernen Roman, wobei der Fortunatus den Beginn der Gattungsgeschichte des modernen Romans darstelle. Vgl. Kästner (1990: 208). 168 Vgl. Simmler (1991: 461–467). Dabei übernimmt Simmler aus der literaturwissenschaftlichen Gattungsdiskussion den ersten Bestandteil Prosaroman, fügt allerdings, da „die externen und internen Merkmalbündel nur für einen synchronen sprachlichen Zustand innerhalb der Epoche des Frühneuhochdeutschen gelten“, das Attribut frühneuhochdeutsch hinzu. 169 Zusammenfassend schreibt Simmler (1991: 485) dazu: „In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entsteht neben dem Prosaroman die Textsorte ‚Erzählung‘, die den gleichen Stoff mit anderen textuellen Merkmalen und anderer Handlungsstruktur und Erzählchronologie behandelt. Zu dieser Textsorte existieren im 19. Jahrhundert weitere Textexemplare.“

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

58

1. 2. 3. 4. 5.

Prosaromane, die Prosaauflösungen mhd. Versromane sind; Prosaromane ohne direkte Vorlage; Prosaromane, die ein französisches Werk als Vorlage haben; Prosaromane, die ein lateinisches Werk als Vorlage haben; Prosaromane, die ein italienisches Werk als Vorlage haben. (Buschinger 2007: 29–30)

Zufriedenstellend und ausreichend ist diese Klassifikationsweise aufgrund ihrer monokausalen Grundlage allerdings nicht. Auch bleibt unklar, wie und ob sich die Melusine als Text der Subgruppe 3 sprachlich von Prosaromanen der anderen Gruppen überhaupt unterscheidet. Am Ende dieser kurzen Zusammenschau steht die Erkenntnis, dass es für die Vielzahl der dem Frnhd. Prosaroman zugeordneten Texte noch zu wenig allgemein verbindliche Merkmale auf sprachstruktureller Ebene gibt, die einen Text dieser Textsorte auszeichnen, so dass im Bereich der referentiellen Kohärenz170 und Satzverknüpfung weitere mögliche Charakteristika dieser Textsorte anhand des Textsortenexemplars der Melusine vorgestellt werden sollen. Nachdem der Forschungsstand zu den Bereichen Historische Textlinguistik und Druckersprachen umrissen ist, gilt es, die methodisch-theoretische Herangehensweise an den Untersuchungsgegenstand zu erläutern.

170

Vgl. zur Unterscheidung der referentiellen Kohärenz und der relationalen Kohärenz Pörings/ Schmitz (2003: 197).

Schriftsprache vs. gesprochene Sprache

5.

59

Schriftsprache vs. gesprochene Sprache

Bei der Untersuchung historischer Sprachstufen einer Sprache mit Alphabetschrift heißt es stets, zunächst das komplexe, in der Literatur seit langem und noch andauernd diskutierte Verhältnis der Schriftsprache zur gesprochenen Sprache zu reflektieren.171 Durch die Übernahme der lateinischen Schrift bei der Verschriftung des Deutschen beziehen sich die einzelnen Elemente des Alphabets primär auf lautliche Einheiten einer Wortform.172 Dadurch ist „zunächst eine akustische Identifizierung“ gewährleistet, es besteht „aber zugleich die Voraussetzung dafür, dass sich visuelle Assoziationen zwischen Silben, Morphemen oder ganzen Wortbildern entwickeln, die dann das Auffinden des gesuchten Lexems teilweise auch ohne Vermittlung durch die phonisch-akustische Komponente ermöglichen“ (Elmentaler 2003: 82). Die Rekonstruktion der GraphemPhonem-Korrespondenz-Regeln „muss im Mittelpunkt der historischen Graphematik stehen“ (Elmentaler 2003: 82). Dabei muss zunächst das jeweils durch den Schreiber/ Setzer verwendete Graphieninventar (bei Drucken das Typeninventar) ermittelt werden, da dadurch schon die potentiellen Graphie-Laut-Zuordnungen eingeschränkt werden.173 In der Forschungsgeschichte der sprachhistorischen Linguistik war die Schreibung lange Zeit das Trittbrett auf dem Weg zur Erkenntnis im Bereich der Lautung, so dass die Eigenständigkeit der Schrift, die diese in vielen Bereichen besitzt bzw. entwickelt hat, unbeachtet blieb.174 „Das Verhältnis von Schriftsprache zu gesprochener Sprache läßt sich als eines der Fundierung fassen: die Grundkategorien der Schriftpraxis gründen in denen, die mit der gesprochenen Sprache erworben werden; sie haben aber eine spezifische Eigenstruktur, die funktional auf die Aufgabe der geschriebenen Texte zu beziehen ist: einen Text so zu präsentieren, daß er erlesen werden kann“ Maas (1991: 14).

171

Die gleiche Aussage gilt neben den Alphabetschriften auch für Runenschriften. Einen Überblick bietet Betten (2000). Ein Plädoyer für die empirische Untersuchung geeigneter Texte, in denen man „solche Textsequenzen aufsucht, von denen anzunehmen ist, dass sie konzeptuell der Mündlichkeit am nächsten kommen“, um historische Mündlichkeit zu rekonstruieren, wurde jüngst von Schmid (2010) verfasst. Zitat aus Schmid (2010: 643). 172 Dass dies bei der lautlich dem Lateinischen nicht identischen deutschen Sprache zu Problemen führt, formuliert beispielsweise Valentin Ickelsamer in seiner Teutschen Grammatica, in der er sich auf die unzureichenden Mittel des Alphabets bei der Abbildung der gesprochenen Sprache bezieht. Siehe Müller (1969: 142). 173 Darin liegt die explizite Angabe der verwendeten Type in den Kapiteln mit der bibliographischen Beschreibung der einzelnen Ausgaben begründet. Vgl. Kapitel III.4, III.5 und III.6. 174 Eine Kurzcharakterisierung der Forschungsgeschichte in diesem Bereich bietet Maas (1991: 13). Die Substantivgroßschreibung, die Interpunktion oder auch das morphematische Prinzip zeichnen beispielsweise die nhd. Schriftsprache als ein leserfreundliches, tiefes Schreibsystem mit einer Kombination von phonographischen und semantischen Orthographieprinzipien aus. Vgl. Nübling (2008: 176–202).

60

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Bei der eigentlichen Zuordnung von Lautsegmenten zu Zeichensegmenten in historischen Sprachstufen ergeben sich zwei Teilprobleme. Einerseits stellt es sich problematisch dar, den Graphien einen Lautwert zuzuordnen. Beide Bezugspunkte dieser Relation sind für historische Sprachstufen definitorisch schwer erfassbar. Die Definition und Klassifikation der Kategorie der Graphien ist autonomistisch nicht befriedigend zu lösen.175 Andererseits besteht das Problem, dass nicht klar ist, „welche phonischen Strukturen der Bezugsvarietät bei der Verschriftlichung Berücksichtigung finden und welche nicht oder nur schwach“ (Elmentaler 2003: 83). Diese Probleme lassen es plausibel erscheinen, dass Variation in der Linguistik lange Zeit als ein Hindernis bei der Beschreibung der Gesetzmäßigkeiten eines homogenen Systems galt.176 Graphematische Varianz wurde „gewissermaßen geröntgt für die ‚darunterliegenden‘ phonologischen Strukturen“ (Maas 1991: 13).177 Wenn die Grapheme der einzelnen Drucke zunächst mit den Lautpositionen des Normalmhd. in Relation gebracht werden, geschieht dies nicht, um Rückschlüsse auf die damalige Sprechsprache zu ziehen, sondern um den jeweiligen Usus der verschiedenen Offizinen kontrastieren zu können. Die Druckersprachen werden als stark von der Lautung abstrahierte Schreibsprachen aufgefasst, die zunehmend an Autonomie gewinnen.178 Besonders im 16. Jh. kommen vermehrt schreibsprachliche Phänomene in Gebrauch, die den autonomistischen Charakter der Schrift fernab der phonologischen Fundierung in Alphabetschriften bestätigt. So wird besonderes Augenmerk auf die Verwendung des etymologischen Prinzips bei der Graphie des Primär- und Sekundärumlauts des /a/ bzw. /ɑ:/ sowie die Anwendung des lexikalischen Prinzips bei homophonen Lexemen gelegt.

175

Einerseits treten bei der Unterscheidung von Vokal- und Konsonantengraphen bereits Probleme auf, andererseits wird der Sprachwissenschaftler beim Nachweis von Digraphien mit rein distributionsanalytischen Methoden ebenso Schwierigkeiten haben, „so dass auf eine Bezugnahme auf lautliche Einheiten im weitesten Sinne letztlich nicht verzichtet werden kann.“ Elmentaler (2003: 83). 176 Elmentaler (2003: 2–11) sieht vor allem bei den Junggrammatikern und in der historischen Dialektologie und Phonologie eine Abwertung der historischen Schreibsprachen und ihrer Eigenheiten, die sich nicht mit „der junggrammatischen These von der Homogenität von Sprachen und der Gesetzmäßigkeit ihres Wandels“ decken. Milroy (1992: 193) kritisiert, dass Variation in historischen Texten als Hindernis gesehen wurde („an obstacle rather than a resource“). 177 Doch unter den Junggrammatikern erkannte gerade Hermann Paul die graphematische Variation als nicht arbiträr und lohnenswerten Gegenstand der Sprachgeschichtsforschung. Vgl. Elmentaler (2003: 6–29). In Bezug auf die bei Elmentaler genannten Kernprobleme herrscht immer noch Dissens, der aus dem Mangel an diachronisch-graphematischen Detailuntersuchungen zu den verschiedenen orthographischen Prinzipien resultiert. 178 Vgl. zum Unterschied zwischen professioneller und nichtprofessioneller Schreibsprache in Augsburg Graser (2011: 40–45).

Methodologie

6.

Methodologie

6.1

Das Korpus

61

Der hermeneutische Kreis von „Untersuchungsinteresse und Vorverständnis – dadurch strukturierte Datenwahl – fachkompetenz- und interessegeleitete Analyse und Theorie – durch diese beeinflußte Datenkonstitution“ (Bungarten 1979: 49) ist in der Wissenschaft unumgänglich. Mit einem Zitat von Habermas treibt es Bungarten auf die Spitze: „Die Quellen des Wissens sind immer schon verunreinigt, der Weg zu den Ursprüngen ist uns verstellt“ (Bungarten 1979: 49). Dennoch sieht er auf dem Weg zu abgesicherten Ergebnissen den Wert der Korpusanalyse und spricht ihr methodologisch-erkenntnistheoretisch gesicherten Stellenwert in der Sprach- und Literaturwissenschaft zu, da mit einem Korpus die größte Ausprägung von „Objektivierung durch eine größtmögliche methodologisch-wissenschaftstheoretische Distanz zwischen den Daten der Realität und der Theorie der Realität“ (Bungarten 1979: 49) erreicht werden kann. Gerade einer Untersuchung vergangener Sprachstufen muss ohne Zweifel ein Korpus, das bestimmte theoretische in der Korpuslinguistik erarbeitete Voraussetzungen erfüllt, als Materialgrundlage dienen, was „allgemein mit der fehlenden Kompetenz des Forschers für historische Varietäten begründet“ (Hoffmann 1998: 875) wird. Bei der Zusammenstellung eines solchen Korpus sind die Beschaffenheit, Größe und der Inhalt des Korpus zu beachten. Für die Analysearbeit sind die Kodierung des Korpus, die Annotation und die Abfragemöglichkeiten und -werkzeuge entscheidend. Die Größe eines Korpus wird durch Überlegungen zu dessen Repräsentativität geprägt. Die Balanciertheit eines Korpus soll geschaffen werden, indem auf inhaltlicher Ebene auf möglichst große Diversität der eingebetteten Textsorten geachtet wird. Diese Forderung erfüllt das vorliegende Korpus augenscheinlich nicht, da es sich auf die Überlieferung eines Textes über drei Jahrhunderte beschränkt. Es wurde somit nicht artifiziell erstellt, sondern durch den Untersuchungsgegenstand – die Drucküberlieferung der Melusine bis ins 17. Jh. – festgelegt. Per definitionem handelt es sich jedoch trotz dieser fehlenden Balanciertheit des repräsentierten Textsortenspektrums um ein Korpus, das jedoch nicht eine möglichst vollständige Beschreibung eines synchronen Sprachzustandes in einem bestimmten vergangenen Zeitraum anstrebt, sondern seine Fragestellungen gezielt an einen bestimmten Text und dessen Ausformungen während des untersuchten Zeitraums stellt. Bei Texten aus Druckerzeugnissen ist zu beachten, dass die „sprachlichen Anteile des Druckers/Korrektors und die des Autors/Manuskriptschreibers am Text […] nur im seltenen Fall der Erhaltung beider Textversionen getrennt werden“ (Hoffmann 1998: 876–877) können. Für die Korpuslinguistik definieren Lemnitzer/Zinsmeister ein Korpus als „eine Sammlung schriftlicher oder gesprochener Äußerungen in einer oder mehreren Sprachen. Die Daten des Korpus sind digitalisiert, d.h. auf Rechnern gespeichert und maschinenlesbar. Die Bestandteile des Korpus, die Texte oder Äußerungsfolgen, bestehen aus den Daten selbst sowie

62

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode möglicherweise aus Metadaten, die diese Daten beschreiben, und aus linguistischen Annotationen, die diesen Daten zugeordnet sind“ (Lemnitzer/Zinsmeister 2010: 40).

Die Definition greift einige wichtige Aspekte der Korpuslinguistik zur Unterscheidbarkeit verschiedener Korpusstudien, wie sie durch McEnery/Hardie jüngst systematisiert wurden,179 auf: schriftlich/gesprochen, einsprachig/mehrsprachig, Rohdaten/ Rohdaten mit Metadaten und Annotationen. Dieser Ansatz bietet aber noch keine Problematisierung der Korpusarbeit. Zwei wichtige Gedanken fehlen in der Definition, die McEnery/ Hardie weiter ausführen. Die Unterscheidung zwischen corpus-based und corpusdriven studies besteht darin, ob man durch die Korpusdaten eine bestehende oder aufgestellte Theorie bzw. Hypothese überprüfen möchte (corpus-based) oder ob das Korpus selbst Ausgangspunkt für das Aufstellen von Hypothesen sein soll (corpus-driven).180 Die vorliegende Studie versteht sich als corpus-driven. Der zweite problematische Einflussfaktor auf die Forscherarbeit ist die Zusammenstellung der Daten des Korpus (data collection regimes), die nach zweierlei Grundüberlegungen getätigt werden kann. Es stehen sich der monitor corpus-Ansatz, bei dem die Datenmenge mit der Zeit kontinuierlich erweitert wird, und der sample corpus- oder balanced corpus-Ansatz, bei dem ein Ausschnitt aus einer Textmenge zu einem bestimmten Zeitpunkt gemäß der Forschungsinteressen gewählt wird, gegenüber. Das vorliegende Korpus ist, wie oben bereits diskutiert, als sample corpus konzipiert.181 Für ein sprachgeschichtliches Korpus muss man Definitionen synchroner Korpora mit Einschränkungen sehen, da „die Überlieferung historischen Sprachmaterials prinzipiell zufällig ist, […] die Erhaltung dieses Materials defektiv und nicht beliebig ergänzbar ist [und] die Zugänglichkeit dieses Materials für den Forscher begrenzt ist“ (Hoffmann 1998: 876). Die Beschaffenheit und Größe des Korpus wird in den folgenden Kapiteln zur Auswahl der Textausschnitte und Methode der Auswertung des Korpus erläutert. Die durch die Erstellung dieses Korpus erhobenen objektsprachlichen Daten werden durch relevante metasprachliche Daten für den Untersuchungszeitraum und durch außersprachliche Fakten aus dem Bereich der Leseforschung, Buchproduktion und des Buchhandels ergänzt.182 Die folgende Tabelle listet die Druckausgaben der Melusine, die der Untersuchung zugrunde liegen, in chronologischer Reihenfolge auf. Im Verlauf der Arbeit werden die hier vergebenen Kurztitel zur Referenz auf die einzelnen Ausgaben verwendet.

179

Vgl. McEnery/Hardie (2012: 1–21). Vgl. insbesondere die Auflistung von Charakteristika, die Korpusstudien unterscheidbar machen, auf S. 3. Im Bereich mode of communication, der im vorliegenden Korpus aufgrund der sprachhistorischen Perspektive auf die Schriftsprache begrenzt bleiben muss, weisen McEnery/Hardie noch auf Videokorpora hin. 180 Vgl. McEnery/Hardie (2012: 5–6). 181 Vgl. McEnery/Hardie (2012: 6 –13). 182 Siehe Kapitel II.6.2.

Methodologie

Nr.

Kurztitel

63

Druckort, Drucker, Druckjahr

Bibliograph. Nachweis

1

Richel-1473/74

[Basel: Bernhard Richel, 1473/74]

GW 12656, Gotzkowsky (1991:8.2)

2

Bämler-1474

Augsburg: Johann Bämler, 2. November 1474

GW 12655, Gotzkowsky (1991:8.1)

3

Knoblochtzer1477

[Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, um 1477]

GW 12658, Gotzkowsky (1991:8.3)

4

Knoblochtzer1478

[Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, um 1478]

GW 12657, Gotzkowsky (1991:8.4)

5

Prüss-1478

[Straßburg: Johann Prüss d. Ä., um 1478]

GW 12659, Gotzkowsky (1991:8.7)

6

Brandis-1479183

[Lübeck: Lucas Brandis, um 1479]

GW 12664, Gotzkowsky (1991:8.5)

7

Bämler-1480

Augsburg: Johann Bämler, 19. Mai 1480

GW 12660, Gotzkowsky (1991:8.6)

8

Knoblochtzer1482

[Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, um 1481 / 82 (vor 18. März 1483)]

GW 12661, Gotzkowsky (1991:8.8)

9

Schönsperger1488

[Augsburg: Johann GW 12662, Gotzkowsky Schönsperger d. Ä., um 1488] (1991:8.9) [Anton Sorg, um 1485]

10

Knoblochtzer1491

Heidelberg: Heinrich Knoblochtzer, 13. Dez. 1491

GW 12663, Gotzkowsky (1991:8.10)

11

Hamburg-1502

[Hamburg: Drucker des Jegher, um 1502]

Nicht im VD16, Gotzkowsky (1991:8.11)

12

Hupfuff-1506

Straßburg: Matthias Hupfuff, 24. August 1506

VD16 M-4467, Gotzkowsky (1991:8.12)

13

Knobloch-1516

Straßburg: Johann Knobloch, VD16 M-4468=M-4469, 1516 Gotzkowsky (1991:8.13)

183

Die beiden nd. Ausgaben (Nr. 6 und Nr. 11) sind aus der Untersuchung ausgeschlossen. Brandis1479 wird nur in Bezug auf mögliche Vorlagen Erwähnung finden, die Ausgabe von 1502 kann vernachlässigt werden, da sie uns lange Zeit nur als Fragment von zwei Bll. erhalten war, die allerdings ebenfalls verloren gingen, so dass nur noch ein Kapitel des Textes in einer Sekundärquelle überliefert ist. Siehe Seelmann (1921: 48).

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

64

14

Steiner-1538

Augsburg: Heinrich Steiner, 1538

VD16 M-4470, Gotzkowsky (1991:8.14)

15

Steiner-1539

Augsburg: Heinrich Steiner, 1539

VD16 M-4471, Gotzkowsky (1991:8.15)

16

Messerschmidt1539

Straßburg: Georg Messerschmidt, 1539

Nicht im VD16, Gotzkowsky (1991:8.16)

17

Steiner-1540

Augsburg: Heinrich Steiner, 1540

VD16 M-4472, Gotzkowsky (1991:8.17)

18

Steiner-1543

Augsburg: Heinrich Steiner, 1543

Gotzkowsky (1991:8.18), VD16 M-4473

19

Gülfferich-1549

Frankfurt: Hermann Gülfferich, 1549

Gotzkowsky (1991:8.20), VD16 M-4475

20

Gülfferich-1554

Frankfurt: Hermann Gülfferich, 1554

Kein bibl. Nachweis; Exemplarnachweis: Frankfurt am Main StUB, N.libr.Ff. 12125, Nr. 5

21

Han-1556

Frankfurt: Weigand Han, 1556

VD16 M-4476, Gotzkowsky (1991:8.21)

22

Han-1562

Frankfurt: Weigand Han, [vor VD16 ZV 16029, Gotzkow1562] sky (1991:8.22) [um 1558]

23

Han-1564

Frankfurt: Georg Rab und Weigand Han Erben, [1563, geändert zu:] 1564

Gotzkowsky (1991:8.24), VD16 M-4477

24

Rebhart/Han-1571 Frankfurt: Katharina Rebart und Kilian Han, 1571

VD16 M-4478, Gotzkowsky (1991:8.25)

25

Manger-1574

VD16 ZV 26120, nicht in Gotzkowsky

26

Reffeler/Han-1577 Frankfurt: Paul Reffeler für Kilian Han, 1577

VD16 M-4479, Gotzkowsky (1991:8.26)

27

Müller-1577

Straßburg: Christian Müller, 1577

VD16 M-4480, Gotzkowsky (1991:8.27)

28

Egenolff-1578

[Frankfurt: Christian Egenolffs Erben, um 1578]

VD16 M:4474 [Augsburg: Heinrich Steiner, um 1545], Gotzkowsky (1991:8.29)

Augsburg: Michael Manger, 1574

Methodologie

65

29

Egenolff-1580

[Frankfurt: Christian Egenolffs Erben, vor 1580]

Nicht im VD16, Gotzkowsky (1991:8.28) [Augsburg?, um 1579?]

30

Feyerabend-1587

Frankfurt: Sigmund Feyerabend, 1587

VD16 B-8959, Gotzkowsky (1991:1;8.30) (Buch der Liebe, Bll. 262v–284v)

31

Pfeiffer-1649

Hamburg: Michael Pfeiffer, 1649

Kein bibl. Nachweis; Exem-plarnachweis: Hamburg SBUB, Scrin. A/1900

32

Endter-1672

Nürnberg: Michael und Johann Friedrich Endter, 1672

VD17 7:667599Z, Gotzkowsky (1994:7.3)

33

ohne Ort-1692

[o.O.], [o.D.], 1692

Kein bibl. Nachweis; Exemplarnachweis: Krakau BJ, Lit.niem. 370 (unvollst.)

34

Nicolai-1692/93

Annaberg: David Nicolai, 1692/93

Nicht im VD17, Gotzkowsky (1994:7.4)

Tab. 1: Übersicht über die Druckausgaben der Melusine des 15.–17. Jhs.

Für das 17. Jh. muss bei dieser Darstellung, die nur Textzeugen auflistet, von denen mindestens ein Blatt eines Exemplars überliefert ist und die somit in die linguistische Untersuchung Eingang finden können, betont werden, dass aus der ersten Hälfte des 17. Jhs. vier Ausgaben bibliographisch belegt sind, von denen jedoch heute kein Exemplar mehr nachweisbar ist.184 Es ergibt sich damit eine über 60-jährige Überlieferungslücke von 1587 bis 1649. Die Kategorien zur Einordnung eines Textes in ein Korpus sind dabei teilweise stabil, teilweise variabel.185 Die Datierung ist im Untersuchungszeitraum nicht immer für jede Ausgabe präzise möglich, jedoch weitestgehend höchstens um +/- 2 Jahre abweichend. Der Entstehungsort ist nur bei der Ausgabe ohne Ort-1692 nicht bekannt. Als 184

Die Ausgaben mit Druckort, Drucker und Jahr: 1. Köln, Heinrich von Nettesheim, 1601; 2. Augsburg, David Franck, [um 1612]; 3. Straßburg, Marx von der Heyden, 1624; 4. Leipzig, Nikolaus Nerlich, 1626. Das korpustheoretische Problem der Zufälligkeit der Überlieferung wird hier fassbar. 185 Hoffmann (1998: 879) listet folgende Kategorien auf: Zeit/Datierung, Raum/Lokalisierung, Produzent(en)/Biographie, Textsorte (Gattung), Überlieferungsform (Handschrift oder Druck; Sonderfall der Edition), stemmatologischer Ort des konkreten Textzeugen (Autograph bis hin zu Abschrift, Nachdruck), Sprachform (Vers – Prosa), Publikum/Adressaten.

66

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Produzenten sind zumindest die Drucker und teilweise deren biographische Daten bis auf die eben erwähnte Ausgabe bekannt. Diese Kriterien sind variabel. Stabil sind dagegen die Textsorte, die Überlieferungsart im Druck und die Sprachform (Prosa). Der stemmatologische Ort der jeweiligen Ausgaben innerhalb der Überlieferung wird in Kapitel III.3 bestimmt. Das Publikum bzw. der Adressatenkreis ändert sich im Lauf der Zeit.186 Hinweise hierauf liefert die Buchhandelsgeschichte und Leseforschung, deren Ergebnisse zusammen mit anderen für unsere Untersuchung grundlegenden Erkenntnissen aus der Buchwissenschaft im folgenden Kapitel dargestellt werden sollen.

6.2

Erkenntnisse aus der Buchwissenschaft

a.

Das Buch als Kommunikationsmedium

Ohne die parallel zu dieser Forschung erfolgte Erarbeitung einer neuen Bibliographie zur Drucküberlieferung der Melusine durch die Buchwissenschaft wäre die linguistische Erforschung der Drucküberlieferung der Melusine noch lückenhafter vonstattengegangen, als dies ohnehin durch Verluste einiger nachweislich gedruckter Ausgaben der Fall ist.187 Eine rein sprachwissenschaftlich orientierte Arbeit wäre sicherlich auf Basis eines weitaus kleineren Korpus entstanden, auch wenn man die wichtigsten Bibliographien und Publikationsorgane der Buchwissenschaft durchforstet hätte.188 Aus entgegengesetzter Perspektive ist die Buchwissenschaft bei bestimmten Fragestellungen auf die Sprachwissenschaft angewiesen.189 So lassen sich gesicherte Aussagen zur Vorlagenabhängigkeit von Druckwerken und Lokalisierung, Datierung bzw. Druckerzuweisung unfirmierter und/oder undatierter Ausgaben häufig nur im Zusammenspiel der Disziplinen tätigen. Im Bereich der Kommunikationstheorie zeichnet sich das Buch als sekundäres Medium der Sprachkommunikation aus. Buchkommunikation ist dabei eine bestimmte Form der Sprachkommunikation, kann jedoch über diese hinausgehen, da nicht nur Sprach- und Zahlzeichen 186

Vgl. Kapitel II.6.2.a und II.6.2.b. Hier danke ich Hans-Jörg Künast für die Erarbeitung und Zurverfügungstellung der Bibliographie der Melusine-Drucke. Beispielsweise wurde innerhalb der Forschung bereits vermutet, dass zwischen der Ausgabe Gülfferich-1549 und Han-1556 noch eine Ausgabe liegen muss, von der bisher kein Exemplar überliefert war; so bei Gotzkowsky (2002). Auf dem Antiquariatsmarkt konnte im Zuge der Nachforschungen Hans-Jörg Künasts aus dem Erlanger Melusine-Projekt die Ausgabe Gülfferich-1554 ausfindig gemacht werden. Diese stellt gerade im Bereich der Entwicklung der Textstrukturierung und des Holzschnittmaterials einen wichtigen Baustein innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine dar. Weitere Neufunde im Rahmen des Projektes untermauern diesen Aspekt. 188 Zu den wichtigsten Publikationsorganen der Buchwissenschaft vgl. Rautenberg/Wetzel (2001: 20– 21). Grundlegend zur Darstellung der Buchwissenschaft in Deutschland vgl. Rautenberg (2010a). 189 Vgl. das Kapitel ›Anfragen an die Germanistik aus buchgeschichtlicher Perspektive‹ in Künast (1996: 13–15). 187

Methodologie

67

darin enthalten sein können, sondern auch Musiknoten und Bilder. Die Aneignung des vom Sender geäußerten Kommunikationsgehalts läuft dabei über die Kulturtechnik des Lesens ohne den Verfasser, allerdings dadurch in umso engerer Beziehung zum Medium des Buches ab. In der Entwicklung der Druckersprachen wird von großer Bedeutung sein, wann und wie stark sich dekodierungsfreundliche Graphievarianten in den Offizinen nachweisen lassen. Um einen möglichen Zusammenhang mit der quantitativen und qualitativen Entwicklung der Lesefähigkeit der Bevölkerung herstellen zu können, werden im Folgenden grundlegende Erkenntnisse der historischen Leseforschung skizziert. Der Prozess des Lesens wird aus neurobiologischer Sicht als äußerst komplexes Geschehen behandelt, an dem „alle Module der neuronalen Verarbeitung von Information die Wissensgenerierung ermöglichen, beteiligt“ (Pöppel/Wittmann 1999: 224)190 sind. Für das Verständnis der Dekodierung eines geschriebenen Textes ist die Wahrnehmung des Lesens als „kognitiv-aktive (Re-)Konstruktion von Informationen […], in der die im Text enthaltene ‚Botschaft‘ aktiv mit dem Vor- und Weltwissen der Rezipienten/ innen verbunden wird“ (Christmann/Groeben 1999: 146), entscheidend. Die TextLeser-Interaktion hängt dabei immer auch vom speziellen Sprachwissen des Lesers ab. Im lexikalischen Bereich kann sich ein Drucker beispielsweise durch die Annahme, dass die Leserschaft bestimmte Lexeme nicht mehr mit ihrem aktuellen Sprachwissen dekodieren kann, dazu bewegt sehen, ein anderes Lexem einzusetzen. Entscheidend für die Interpretation graphischer Varianz ist die Frage, wie der Leser auf Bedeutung zugreift. Schon früh wurde dabei die Einheit des Wortes, später spezifiziert auf das Morphem, nicht die serielle Addition von Lauten als Zugriffsebene postuliert. Allen Faktoren des Leseprozesses wird diese Sichtweise jedoch nicht gerecht, so dass die verschiedenen Ebenen der visuellen Verarbeitung von Schrift in sog. dual-route-Theorien erfasst wurden.191 Nach neuesten neurolinguistischen Ergebnissen zur Dekodierung des geschriebenen Deutschen wird der Morphemebene in einem derartigen Netzwerkmodell noch eine vermittelnde Ebene in Form eines (Schreib)Silbenlexikons zur Seite gestellt.192 Aus historischer Perspektive waren die Art des Lesens sowie die Lesesituation vielfältigen und bedeutenden Wandelvorgängen unterworfen.193 In der Antike gab es nur selten

190

Vgl. zur Neurobiologie des Lesens Pöppel/Wittmann (1999: 224–239). Vgl. hierzu Ruge (2004: 16–22). Als Beispiel zur dual-route-Theorie siehe Abb. 1 in Ruge (2004). Augst (1986: 33) beispielsweise unterstützt die Spezifizierung der Zugriffseinheit: „The historical development of orthography is a clear proof of the word superiority effect, which I myself would rather call a morpheme superiority effect.“ 192 Vgl. Dohmas/de Bleser/Eisenberg (2001). 193 Eine kurze Geschichte der Geschichte des Lesens im Mittelalter bieten Glauch/Green (2010: 366– 370). Die folgenden Ausführungen zur Geschichte des Lesens folgen Schön (1999), Rautenberg (2003: 330–332). Die Art des Lesens beschreibt man über die Parameter laut/leise, langsam (statarisch)/schnell (cursorisch), wiederholt (extensiv)/einmalig (intensiv). Davon zunächst losgelöst 191

68

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

ein leises, individuelles Lesen, sondern – und das selbst beim einsamen Lesen – „ein mehr oder weniger artikuliertes lautes Lesen […]; diese Gewohnheit dauerte auch im Mittelalter an und z. T. sogar bis in die Neuzeit, d. h. für bestimmte Gattungen (Lyrik, Dramen) bzw. Gelegenheiten, während Prosa schon früh, Romane wohl von Anfang an ‚stumm‘ gelesen wurden“ (Schön 1999: 5). Im 12./13. Jh. „traten die europäischen Volkssprachen auf breiterer Front in die Schriftkultur ein; aber erst im 16. Jahrhundert begann man in Deutschland in der Muttersprache, ohne vorheriges bzw. gleichzeitiges Lateinlernen, lesen oder schreiben zu lernen“ (Schön 1999: 9). Das Lesen im Mittelalter stellte häufig einen körperlichen Vorgang dar, bei dem aufgrund der Erschwernis der Dekodierung durch zahlreiche Abbreviaturen und fehlende Interpunktion häufig mit dem Finger dem Text nachgefahren wurde und ein „mehr oder weniger auswendig gekonnte[r] Text mit lauter Stimme lebendig“ (Schön 1999: 12) wurde. Die Schätzungen zur Alphabetisierungsquote194 in der spätmittelalterlichen Stadt differieren teilweise enorm, heute geht man allerdings gemeinhin von einer Quote von 10– 30 % Lese- und Schreibkundigen in städtischem Milieu aus.195 In extremem Gegensatz zu der Situation in der Stadt steht hingegen die ländliche Bevölkerung, die 90 % der Gesamtbevölkerung ausmachte, allerdings zunächst kaum von der Leseexpansion in der Folge der Reformation profitieren konnte, „oft konnte selbst der Ortsgeistliche nicht richtig lesen. Lesen ist für diese Mehrheit keine Alltagserfahrung“ (Schenda 1981: 17). Dass bereits in der Inkunabelzeit von bestimmten Offizinen, „vor allem in den süddeutschen Druckerzentren, mit der Edition vorrangig deutschsprachiger Unterhaltungsliteratur ein ausgeprägtes Verlagsprofil, das wirtschaftlich tragfähig war“ (Schmitt 1999: 55), geschaffen werden konnte, interpretiert Schmitt jedoch dahingehend, „daß es bereits Leserschichten gab, die über [die …] Zeit verfügten“ (Schmitt 1999: 55), eine ausdauernde und zeitaufwendige Romanlektüre zu betreiben. Für das frühe 16. Jh. kann angenommen werden, „daß in jedem Haushalt wenigstens eine Person lesen konnte“ (Schmitt 1999: 110). Für das späte 16. und das 17. Jh. ist ein Nebeneinander der Lesearten anzunehmen, wobei das laute Lesen stetig abnimmt. Durch den Dreißigjährigen Krieg wird die Entwicklung weit zurückgeworfen. Einerseits geht durch die verheerende Zäsur die allgemeine Lesefähigkeit zurück, andererseits leidet auch die Buchproduktion erheblich.196 Im 17. Jh. war die Leserschaft belletristischer Literatur auf eine kleine klassifiziert man die Lesesituation als z. B. individuelle oder kollektive Rezeption, nach Ort und Zeit und Positionierung des Körpers. 194 Vgl. Schön (1999: 17–18), Rautenberg (2003: 331). 195 Schön (1999: 18): Für „einzelne Städte in entwickelten Regionen werden sogar 40%–50% angenommen: ‚Auch der ‚gemeine Mann‘ konnte also zur Reformationszeit lesen und nicht nur der Gelehrte und humanistisch Gebildete‘.“ 196 Die Buchproduktion sank in Deutschland „von 1239 Titeln als durchschnittlicher Jahresproduktion 1610–1619 auf nur 470 in den Jahren 1632–1642“. Schön (1999: 19), auch Schenda (1981: 17). Die wirtschaftliche Lage der österreichischen Buchdrucker nach dem Dreißigjährigen Krieg skizziert Rössler (2005: 367) wie folgt: „Ressourcen wie Papier werden empfindlich teuer und damit für viele kleinere Offizinen unbezahlbar. So steigt durch die wirtschaftlichen Folgen des Krieges der

Methodologie

69

Gruppe Adliger und Patrizier (und ihrer Frauen) beschränkt, die die Freizeit hatten, Romane zu lesen. Sozial weiter verbreitet war die religiöse, nach Konfession unterschiedlich gewichtete Lektüre, die zwei Merkmale des alten Lesens konservierte: Religiöse Lektüre war erstens Wiederholungslektüre und zweitens exemplarisches Lesen, d.h. die Lektüre des Lesestoffes wurde auf eine Moral oder lebenspraktische Lehre hin ausgerichtet.197 Im untersuchten Zeitraum unterliegt die Größe der Leserschaft innerhalb des urbanen Lebensraumes starken Schwankungen, die z. B. durch Seuchen, Kriege oder Hungersnöte bedingt sind, die Lesearten und -situationen lösen sich trotzdem allmählich vom Typus des mittelalterlichen Lesens, die Formen existieren parallel.198 Die Melusine weist allerdings im gesamten Zeitraum ihrer Überlieferung als gedrucktes Buch kaum Benutzereinträge auf, was Rückschlüsse auf eine Rezeptionskultur dieser Texte in Form von wilder, unreflektierter Lektüre zulässt. In unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschichte des Lesens und der Expansion der Leserschaft scheint auch die Herausbildung orthographischer Prinzipien und Neuerungen zu sein, die die Dekodierungsfunktion unterstützen und so dem Leser entgegenkommen.199 Eine zeitliche Korrelation des Auftretens derartiger orthographischer Bemühungen mit dem Anstieg der Leserschichten ist gegen Ende des 16. Jhs. festzustellen. Druck auf die Offizinen. Dies führt dazu, dass fast nur noch politisch und konfessionell landesfürstlich konformes Material gedruckt werden kann. Kleinere Offizinen […] fallen entweder der Zensur oder dem wirtschaftlichen Druck oder beiden zum Opfer.“ 197 Spuren dieser Art des Lesens zeigen sich in der Melusine-Ausgabe Nicolai-1692/93, in der auf Bl. I1b eine Passage unterstrichen ist, die eine Gottesstrafe für menschliches Fehlverhalten anspricht. Im Text wird die Verbrennung des Klosters Mallezais durch Goffroy auf die fehlende Strenge der Mönche in der Befolgung ihrer Ordensregeln zurückgeführt. Dabei handelt es sich um eine der wenigen Stellen im Korpus der gedruckten Melusine-Ausgaben und ihrer Einzelexemplare, an der Benutzerspuren nachweisbar sind. Die unterstrichene Passage lautet auf Bl. I1b, Z. 8: „daß es GOtt uͤ ber die Muͤ nche verhaͤ nget ǁ hat / wegen ihrer Suͤ nde / dann ſie ihre Regul und ǁ Obſervantz nicht gehalten haben / und mancheʅley ge= ǁ than / das ſie haͤ tten vermeiten ſollen / umb Ergerniß ǁ wegen der Leute / als du zuvor gehoͤ ret haſt / denn um ǁ eines Suͤ nders willen etwan hundert verderben ǁ und Schaden nehmen“. 198 Erst außerhalb unseres Untersuchungszeitraums ist eine tiefgreifende Veränderung des Leseverhaltens in der Ersten Leserevolution am Ende des 18. Jhs. zu konstatieren. Das bürgerliche Lesepublikum wendet sich den relativ neuen Medien Zeitschrift und Zeitung zu, findet in Leihbibliotheken und Lesegesellschaften institutionelle Unterstützung im aufklärerischen Drang nach Bildung und liest in vielfältigeren situationellen Gegebenheiten. Bei der weiblichen Leserschaft konnte der Anstieg belletristischer Literatur zu Lesesucht bzw. -wut führen. Die relativ regelmäßig zum Ende des 18. Jhs. erscheinenden Drucke der HWB-Version der Melusine bestätigen die hohe Nachfrage nach derartiger Literatur zu dieser Zeit. 199 Saito (2010: 134) führt schreibsprachliche Varianz auf den Einfluss der Leserschaft zurück. Seine Hypothese lautet, dass durch eine „liberale Leserschaft“ im Gegensatz zu einer „konservativen Leserschaft“ die „Aufnahme und Etablierung von schriftsprachlichen Neuerungen begünstigt werden konnte.“ Einschränkend plädiert er für die Beachtung einer möglichen Einflussnahme der Leserschaft auf die Ausformung der Graphie in Druckwerken.

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

70

Ein weiteres für die Textlinguistik ertragreiches Teilgebiet der Buchwissenschaft ist die Layoutforschung. Der Text im Buch ist nicht nur Gegenstand der Sprachwissenschaft im Bereich der Textlinguistik, sondern auch der Buchwissenschaft, wobei der Unterschied in der Betrachtung des Textes als solchem (Sprachwissenschaft) und der Verdinglichung des Textes (Buchwissenschaft) liegt.200 Dabei kann die Verdinglichung des Textes im Produktionsprozess des Druckens den Rezeptionsvorgang entscheidend beeinflussen und die mentale Struktur des Textes nachhaltig verändern. Eine Layoutanalyse und Betrachtung der Typographie201 eines Druckwerkes sollte daher mit der textlinguistischen Analyse gekoppelt sein. Es wird sich zeigen, dass in der Tradierung der Melusine nicht zuletzt durch Überlegungen der Drucker zum Seitenlayout die Kohäsion des Textes verändert wird. Die Technik des Buchdrucks bedingt die Form der Schrift zunehmend. Aus anderer Perspektive heißt es allerdings auch: „Ein komplexer Buchbegriff beruht auf der (sprachwissenschaftlichen) Zeichentheorie“ (Rautenberg/Wetzel 2001: 4). Buchwissenschaft und Sprachwissenschaft erscheinen damit untrennbar miteinander verwoben, so dass die sprachwissenschaftliche Untersuchung von Texten in gedruckten Medien für bestimmte sprachliche Ebenen nicht ohne Bezug auf buchwissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse geschehen sollte. Auch die Erkenntnisse der Buchhandelsforschung liefern soziokulturelle Rahmenbedingungen für die Überlieferung der Schreibsprache, die durch das sekundäre Medium des gedruckten Buches gewährleistet ist. b.

Buchhandel

Für die Verbreitung der sprachlichen Zeugnisse, die aus dem Druck hervorgingen und nach einem anfänglichen Nebeneinander von handschriftlicher Tradierung und Drucküberlieferung bald den größten Teil des Schrifttums ausmachten202 – am Ende des 17. Jhs. überwogen dann auch erstmals deutschsprachige Drucke die lateinischen –,203 200

Vgl. Rautenberg/Wetzel (2001: 6). Der Begriff Typographie kann zweierlei Bedeutung annehmen. Aus den Griechischen Wörtern typos (Buchstabe, hier: Bleiletter) und graphein (schreiben) zusammengesetzt, stellt der Terminus eine frühneuzeitliche Bildung dar. Wort und Begriff kommen erst nach Erfindung des Buchdrucks auf und können sich eng auf das Hochdruckverfahren oder im weiteren Sinne auf den Gestaltungsprozess (Schriftentwurf, Anordnung der Schrift bis zur Wahl des Papiers) beziehen. In diesem letzteren Sinne wird der Begriff hier verwendet. Vgl. Rautenberg (2003: 496–499). 202 Eine vollständige Ablösung der Handschrift kann dabei selbstverständlich nie konstatiert werden, wohl aber eine funktionale Differenzierung. Die Loslösung der Druckerzeugnisse vom Vorbild der Handschriften nimmt ab 1480 Kontur an. Carl Wehmer (1940: 226) setzt daher das Ende des mittelalterlichen Buchwesens um 1480 an. Der aufkommende Buchdruck führte einerseits zu einem Rückgang der Handschriftenproduktion, andererseits zu einer funktionalen Differenzierung. Vgl. Künast (1997a: 5). 203 „1518 machten die dt. Titel 10 % der in Deutschland gedruckten Produktion aus, 1570 30 %. Sie überwogen erst ab 1681 (in der Jurisprudenz ab 1752). In der Zeit von 1611–1620 war die Zahl lat. verfasster Bücher noch fast doppelt so hoch wie die der dt.“. Hartweg/Wegera (2005: 118). 201

Methodologie

71

ist die Betrachtung des Buchhandels von größter Bedeutung.204 In der Inkunabelzeit waren die größten Marktanteile an volkssprachlichen Drucken auf wenige Druckzentren beschränkt. Nach Augsburg waren Nürnberg und Straßburg die Druckzentren mit dem höchsten Anteil an deutschsprachigen Drucken. Dass die Melusine ihren Weg nicht nach Nürnberg fand, mag an der Herkunft des Textes aus Bern liegen, mit Augsburg und Straßburg teilen sich zwei der drei größten Marktplätze für deutschsprachige Bücher in der Inkunabelzeit die Melusine. Frühneuzeitliche städtische Handelszentren spielten dabei eine herausragende Rolle, denn hier finden sich „nicht nur Kapital und Abnehmer, sondern auch die wichtigen Handelsbeziehungen“ (Stockmann-Hovekamp 1991: 39). Nicht die Fürstenresidenzen oder die Universitätsstädte wurden zu Mittelpunkten des durch den Buchdruck umstrukturierten Buchmarktes, sondern die Fernhandelsstädte Augsburg, Nürnberg, Straßburg und Frankfurt.205 „Der Vertrieb und die geographische Greifbarkeit von Schrifttum tritt damit als relevant für die Rezeptionsgeschichte der deutschen Sprache in den Vordergrund“ (Stockmann-Hovekamp 1991: 39). Ein Großteil der volkssprachlichen Druckproduktion der Inkunabelzeit kam vor allem aus Augsburg.206 Insgesamt stammen nach Sauer 27,3 % der deutschen Inkunabeln aus Augsburg. Nach Nürnberg mit 11,5 % erscheint bereits Straßburg mit 9,3 % an dritter Stelle.207 Für die Überlieferung der Melusine sind die Vertriebs- und Handelswege der Druckzentren Augsburg und Straßburg im 15. Jh. von Bedeutung, da von neun obd. Ausgaben vier in Straßburg und drei in Augsburg erschienen. In diesem Rahmen soll nach einer kurzen Skizze des Buchhandels in der Frühen Neuzeit v. a. auf die Buchhandelsgeschichte Augsburgs und Straßburgs während dieser Epoche eingegangen werden.208 In der Frühzeit des Buchdrucks findet in den 1480er Jahren der Wandel der Wirtschaftsform vom käuferorientierten zum produktionsorientierten Buchhandel statt. Die Druckerverleger des frühen Buchdrucks, die meist Verlag, Produktion und Vertrieb der Druckerzeugnisse zu stemmen hatten, waren großen Risiken ausgesetzt, die häufig im 204

Für unseren Zeitraum konstatiert jüngst Duntze, dass es um die Erforschung des Verlagsbuchhandels „vergleichsweise gut“ steht, jedoch „die Erforschung des Buchhandels im engeren Sinne, des verbreitenden Buchhandels, immer noch hinter dem Verlagsbuchhandel zurücksteht.“ Duntze (2010: 244). 205 Vgl. Schottenloher (1935: 14). 206 Nur dort überwogen die deutschsprachigen Drucke gegenüber den lateinischen mit 59 %. In den anderen Druckorten der Inkunabelzeit betrug die prozentuale Verteilung deutschsprachiger Werke nur 8 bis 15 %. Von Polenz (2000: 128). 207 Sauer (1956: 69). Schmitt (1999: 76–78): „Insgesamt gibt es nur ein gutes Dutzend Städte, in denen ein oder mehrere Drucker sich der deutschen Literatur zuwenden. An der Spitze steht Augsburg, wo elf Drucker über 20 Erstauflagen herausbringen, gefolgt von Straßburg mit sechs Druckern und mehr als zehn Erstauflagen. Die Städte Nürnberg, Köln, Basel und Lübeck folgen mit Abstand.“ Als Druckort polyglotter Wörterbücher von den Anfängen bis zum Ende des 17. Jhs. werden Augsburg und Nürnberg in Müller (2000) gegenübergestellt. 208 Zu den Grundzügen der Organisationsformen des deutschen Buchhandels innerhalb des Untersuchungszeitraums vgl. Rautenberg/Wetzel (2001: 67–76).

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Konkurs endeten, war doch die Einrichtung einer Druckerei und die Produktion der Drucke selbst sehr kapitallastig.209 Daher konnte sich auch kaum ein Druckerverleger die Beschränkung auf den lokalen Markt leisten. Die weitreichenden Geschäftsbeziehungen von Druckern können beispielsweise durch Buchanzeigen belegt werden.210 Dass die Drucker sprach- und textstrukturelle Eingriffe in ihren Vorlagen vornahmen, um besseren Absatz ihrer Ware zu erreichen, erscheint unter diesem Licht besonders für die Inkunabelzeit und die erste Hälfte des 16. Jhs. plausibel. Der Melusine-Drucker Heinrich Knoblochtzer war aufgrund von finanziellen Nöten dazu gezwungen, von Straßburg nach Heidelberg überzusiedeln. Ein Konkurs konnte in dieser Zeit jede Offizin ereilen, wobei sogar bedeutende Drucker-Verleger wie Günther Zainer in wirtschaftliche Bedrängnis geraten konnten.211 Dieses Schicksal konnte eine Offizin allerdings auch durch Ereignisse, „die mit dem Geschäft überhaupt nichts zu tun hatten, aber zum Stillstand der Produktion führen konnten“ (Künast 1997a: 62), treffen. Ein Beispiel hierzu aus der Reihe der Drucker der Melusine stellt Heinrich Steiner dar, dessen Offizin durch ein „Bündel von Ursachen“ den finanziellen Kollaps erlitt.212 Interessant im Zusammenhang mit der Drucküberlieferung der Melusine ist hierbei die Feststellung Künasts, dass der Frankfurter Drucker Christian Egenolff aus Steiners Konkursmasse u. a. das Holzschnittmaterial für die Melusine-Drucke der Offizin Christian Egenolffs Erben erwarb.213 Die Zeit der Druckerverleger ging im Lauf des 16. Jhs. zugunsten einer Abtrennung des Verlags/Handels von der Produktion zu Ende.214 Um 1480 beginnt sich der neue Berufsstand des Buchführers zu etablieren.215 Diese kauften auf eigene Rechnung Bü209

Künast (1997a: 59): „Es erforderte schon große finanzielle Anstrengungen, um eine Druckerei einzurichten und die erste Auflage zu drucken, bis durch Rückfluß aus dem Verkauf der Bücher die entstandenen Kosten gedeckt werden konnten.“ 210 Vgl. Duntze (2010: 211–214). Bei der Forschung zu graphematischer Varianz erleichtern die Buchanzeigen auch die Auffindung von Vorlagen für Drucke. Dies belegt beispielsweise ein Augsburger Buchführerplakat, auf dem Titel Johann Bämlers, Johann Schönspergers und Anton Sorgs erscheinen. Zu den Beziehungen zwischen Bämler und Schönsperger vgl. Kapitel III.4.8. 211 Künast (1997a: 59). Künast bietet an dieser Stelle für Augsburg eine Übersicht über die Finanzierungsmöglichkeiten und damit zusammenhängenden Schwierigkeiten. 212 Künast (1997a: 70). 213 Künast (1997a: 71). Demnach verfügte der Gläubiger Hans Pittner nach dem Tod Steiners über dessen Druckmaterialen und war „mit großer Sicherheit dafür verantwortlich, daß der größte Teil des Druckapparates und der Holzstöcke Heinrich Steiners an den Buchdrucker Christian Egenolff nach Frankfurt/a.M. verkauft wurden.“ 214 Für Augsburg konstatiert Künast (1997a: 65): „Nach der Jahrhundertwende war in Augsburg das Zeitalter der Drucker-Verleger weitgehend zu Ende. Die Drucker, die zwischen 1500 und 1520 aktiv waren, besaßen wenig Eigenkapital, und waren daher auf die Aufträge und den Kapitaleinsatz der Buchführer angewiesen.“ 215 Die Übernahme des Aufgabenbereiches des Vertriebes von den Druckerverlegern durch die Buchführer ging wohl um 1480 vonstatten, da sich „die archivalischen Belege für den neuen Berufsstand des Buchführers“ zu dieser Zeit häufen. Rautenberg (2003: 94).

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cher und waren für deren Vertrieb verantwortlich. Die Buchführer hatten dabei nicht nur Erzeugnisse eines Druckers im Sortiment, sondern auch Titel anderer Drucker. Das wichtigste Buchhandelszentrum im deutschsprachigen Raum bildete vom 15. bis 17. Jh. Frankfurt.216 Im späten 17. Jh. wurde Frankfurt durch Leipzig als Messeplatz mit Schwerpunkt auf dem Buchhandel im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation abgelöst. In Zusammenhang mit dem Buchhandel muss auch die Frage nach dem Käuferkreis und den diesen teilweise bedingenden Buchpreis gestellt werden. Im Mittelalter ist selbst eine Handschrift ohne Illumination mit dem Wert von zwei Ochsen217 für den gemeinen Mann schlichtweg unerschwinglich. Mit der Steigerung der Auflagenhöhe durch den Buchdruck sanken die Buchpreise,218 so dass die Mentelin-Bibel 1466 12 fl., die Koberger-Bibel wenig später 10 fl. und das Septembertestament von 1522 nur noch 1 ½ fl. kosteten.219 Der Preisverfall ging dabei langsam vor sich, da man für 12 fl. auch eine Bibelhandschrift ohne Buchschmuck anfertigen hätte lassen können.220 Eine Einordnung dieser Beträge in die Unterhaltskosten für den Lebensalltag der damaligen Zeit unternimmt Krieg, indem er dem Wert 1 ½ fl. 59 kg Rindfleisch, 15 Spanferkel, 1300 Eier, 220 Stück Heringe, 4 kg Wachs, 500 g Zimt, 8 kg Rosinen, 150 l Bier, 1500 Dachschindeln oder 6 Pflüge gegenüberstellt.221 Als Käuferschicht kommt damit nach dem Adel lediglich das Patriziat und reiche Bürgertum der Städte in Frage, wobei eine ganze Auflage kaum in einer Stadt oder Region absetzbar gewesen sein wird, weshalb die Fernhandelswege zu Lande und zu Wasser entscheidend waren und sich dort – am Rhein und Oberdeutschland –222 die Zentren des Buchfernhandels befanden.223 In der Inkunabelzeit ist ein Buch wie die Melusine, „reich illustrierte volkssprachliche Literatur für die Bevölkerungsmehrheit unerschwinglich“ (Künast 1997a: 188). Für die Prosaromandrucke Steiners, also in den 1540er Jahren, veranschlagt Künast einen Preis von kaum weniger als 1 fl. „Dafür mußten etwa 90 Prozent der Augsburger Bevölkerung den Bruttolohn von mindestens vierzehn Tagen Arbeit aufbringen“ (Künast 1997a: 188). Innerhalb der Melusine216

Nicht nur für den Buchhandel selbst, sondern auch für den Informationsaustausch innerhalb der Branche war die Frankfurter Buchmesse von höchster Bedeutung. Vgl. hierzu Stockmann-Hovekamp (1991: 45–46). 217 Rautenberg (2003: 120). 218 „Neue Papiersorten erlaubten niedrigere Preise, diese wiederum höhere Auflagen“. Nickel (1976: 483). 219 Vgl. Rautenberg (2003: 120). 220 Vgl. Künast (1997a: 186). 221 Krieg (1953: 20–21). „Der Wochenlohn eines Tagelöhners beträgt bei fünfzehnstündiger Arbeitszeit 15 Kreuzer, der Tagelohn eines Maurer- oder Zimmermeisters etwa 6 Kreuzer; ein Schulmeister bekommt 3 ¾ Gulden (225 Kreuzer) im Jahr und der Jahreslohn einer bedienenden Magd beträgt 1 ½ Gulden (90 Kreuzer)“. Stockmann-Hovekamp (1991: 37). 222 Zu den Fernhandelswegen, die vom oberdeutschen Raum ausgehen, vgl. Künast (1997a: Karte 2). 223 Vgl. Nickel (1976: 482–483).

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Tradierung wird mit dem Übergang der Überlieferung nach Frankfurt/a.M. ein entscheidender Schritt in der Preisreduzierung vollzogen, die Formatänderung von Quart- auf Oktavausgaben. Auch Inflation, höhere Auflagen, andersartige Rationalisierung im Produktionsablauf, Sinken der Papierpreise und eine Verringerung der Gewinnspanne aufgrund stärkeren Konkurrenzdrucks trugen zur Senkung der Buchpreise bei. Aus dem Mess-Memorial des Frankfurter Buchhändlers Michel Harder zur Fastenmesse 1569 lassen sich ungefähre Buchhändlerpreise für eine Melusine berechnen.224 In einer Rechnung über die von Joachim Ebecken aus Kassel von Harder am 2. April 1569 entgegengenommenen Bücher erscheinen 2 Exemplare der Melusine à 14 Bogen das Stück.225 Insgesamt erhält Ebecken 382 Bogen zu 1 Rheinischen Gulden, 3 Schilling und 5 Pfennigen. Setzt man pro Gulden 240 Pfennige und pro Schilling 12 Pfennige an,226 so beläuft sich der Bogenpreis auf 0,74 Pfennige. Bei einer Bogenanzahl von 14 Bogen pro Exemplar der Melusine beträgt der Preis eines Exemplars für den Buchhändler etwa 10,4 Pfennige. Für den Endverbraucher kann man unter Ansetzung einer Gewinnspanne von über 100 % grob auf einen Kaufpreis von bis zu 2 Schillingen schließen,227 womit die Melusine auch beispielsweise Handwerkerkreisen zugänglich wurde. Nach einem Vergleich der Preise bestimmter Druckerzeugnisse mit dem Einkommen und den Lebenshaltungskosten im dritten Quartal des 16. Jhs. kommt Virmond zu dem Schluss, dass Bücher wie die Frankfurter Melusine-Ausgaben „so wenig ein Luxusartikel wie heute“ (Virmond 1981: 86)228 waren.

224

Kelchner/Wülcker (1873). Für den Hinweis auf die Quelle und die Anleitung zur Berechnung danke ich herzlich Hans-Jörg Künast. 225 Die Rechnung findet sich in der unteren Hälfte auf Bl. 24r des Messmemorials. Sie wird hier exemplarisch verwendet, die Melusine findet sich an sechster Stelle der von Harder am meisten geführten Titel. Insgesamt veräußerte er 158 Exemplare der Melusine. Damit erscheinen in vielen Rechnungen Harders Exemplare der Melusine. Die Rangliste der häufigsten Werke bei Harder: 1. Die sieben weisen Meister (233 Exemplare), 2. das Handbüchlein Apollinaris (ein Hausarzneibuch zu 227 Exemplaren), 3. Paulis Schimpf und Ernst (202 Exemplare), 4. Fortunatus (196 Exemplare), 5. Magelone (176 Exemplare). Vgl. Kelchner/Wülcker (1873: VI). 226 Befand sich das deutsche Münzwesen „mit dem Ende der Hohenstaufen vielfach in einem Zustand völliger Zerrüttung […, wird dies] allmählich im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts anders. Der allmähliche Übergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft und der große Aufschwung des Wirtschaftsverkehrs von Italien bis zur Nord- und Ostsee erzwingen Änderungen des bisherigen Zustandes.“ Es „wurden Münzen geschaffen, die nicht bloß dort galten, wo sie geprägt wurden, sondern die darüber hinaus weithin im Fernhandel ihre Bedeutung hatten.“ Suhle (1964: 188). 227 Vgl. Künast (1997a: 196): „Gewinnspannen von 50 bis 100 Prozent dürften durchaus üblich gewesen sein.“ 228 Dort betont Virmond auch, dass dies „noch nicht für die Zeit um 1500“ gelte.

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Titel Aesopus Schimpf und Ernst Flos und Blancheflos Friedrich Barbarossa Pontus und Sidonia Oktavian Eulenspiegel Fortunatus Melusine Sieben weise Meister Magelone Wigalois Apollonius Pfarrer vom Kalenberg Salomon und Markolf

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Bogenzahl 47 36 28 19 ½ 19 17 ½ 17 14 ½ 14 11 10 ½ 10 8 6 3

Pfennige 32,9 25,2 19,6 13,65 13,3 12,25 11,9 (= 1 ß) 10,15 9,8 7,7 7,35 7 5,6 4,2 2,1

Tab. 2: Preis bestimmter Druckerzeugnisse um 1569229

Chrisman weist anhand Straßburger Inventarien aus dem Zeitraum 1500–1580 nach, dass auch Handwerkerkreise und Personen aus anderen niederen Berufen Bücher besaßen. Aus 100 Inventarien führen 40 den Besitz von Büchern auf, wobei davon 11 von Handwerkern oder Arbeitern stammen. Diese besaßen allerdings nur eines oder wenige Bücher, wohingegen nur Personen höheren sozialen Ranges mehr als zehn Bücher besaßen.230 Im Laufe des 16. Jhs. erfährt die potentielle Leserschaft der Melusine damit einen generellen quantitativen sowie einen diastratischen Zuwachs. Dem Buchhandel der beiden für die Melusine-Überlieferung und den Druck deutschsprachiger Werke generell bedeutenden Druckzentren Augsburg und Straßburg gilt hier besonderes Augenmerk, standen beide doch auf diesem Marktsektor in wichtigen Handelsbeziehungen, einerseits „in einem harten Konkurrenzverhältnis zueinander“, andererseits in regem „Austausch, der die Buchkultur in beiden Städten nachdrücklich anregte und beeinflußte“ (Künast 1997a: 121, Anm. 3).231 Augsburg war zur Zeit der Entstehung des Buchdruckergewerbes ein aufstrebender Handelsort auf dem Weg zu einem europäischen Handels- und Bankzentrum, womit für 229

Die Tabelle ist Virmond (1981: 85) entnommen. Vgl. Chrisman (1982: 69–73). 231 Diese Beziehungen werden in den biographischen Kapiteln zu den Druckern und ihren Offizinen noch deutlicher. Beispielsweise hatte der Basler Bernhard Richel Geschäftsbeziehungen zu Johann Bämler nach Augsburg, der Straßburger Johann Knobloch zu Augsburger Verlegern und der Augsburger Erstdrucker Günther Zainer hatte sehr wahrscheinlich in Straßburg bei Johann Mentelin das Druckhandwerk erlernt. 230

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

ein weitreichendes Vertriebssystem im Buchhandel günstige Vorbedingungen vorhanden waren. Die im Zuge dieses wirtschaftlichen Aufschwungs vorhandene Infrastruktur zur Organisation des Fernhandels nutzten auch die Augsburger Frühdrucker.232 In Augsburg gab es keine Zunftpflicht für Drucker und Buchführer, so dass „im Prinzip jedermann das Recht hatte, Bücher zu verkaufen, sofern er dieses Geschäft finanzieren konnte“ (Künast 1997a: 119–120). Dort existierten daher alle Arten von Druckern und Buchhändlern vom kleinen Lohndrucker bis hin zu einem in ganz Europa agierenden Druckerverleger.233 Durch eine relativ zentrale Lage im Netz der Fernhandelswege mit direkten Verbindungen nach Nürnberg im Norden, Frankfurt im Nordwesten, nach Straßburg und Basel im Westen, Wien im Osten und Venedig über Innsbruck und Trient im Süden hatte Augsburg Anschluss an alle wichtigen Handelsorte im Reich und auch außerhalb.234 Besonders eng waren die Buchhandelsbeziehungen der beiden Städte Augsburg und Straßburg während der Reformationszeit.235 Doch wie war im Gegensatz zu Augsburg der Buchhandel in Straßburg, der an der südwestlichen Grenze des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gelegenen freien Reichsstadt, beschaffen? Auch in der 20.000-Einwohner-Metropole im Elsass fanden die Buchdrucker und -führer ein gut ausgebautes Verkehrs- und Handelsnetz vor. Neben dem Landweg spielt in Straßburg auch der Wasserweg über den Rhein eine wichtige Rolle.236 Das umliegende elsässische Gebiet, die Rheinpfalz, der Schwarzwald und v. a. Köln und Basel am Unter- und Oberrhein stellen die ersten Anlaufstellen der Straßburger Buchhändler dar.237 Aber auch mit weiter entfernten Wirtschaftszentren – unter ihnen auch Augsburg – florierte der Straßburger Buchhandel über Land und Wasser.238 Die buchhandelsgeschichtliche Bedeutung Augsburgs und Straßburgs für den 232

Auch die Nachrichtenverbindung der Stadt war exzellent, so dass man stets rasch über die neuesten Entwicklungen am überregionalen Buchmarkt informiert war. Vgl. Künast (1997a: 121). 233 Der Buchhandel nahm Formen zwischen dem Verkauf durch Kolporteure und Hausierer und dem stationären Verkauf aus Buchgewölben und Großsortimenten an. Eine Auflistung aller Augsburger Buchführer und Verleger von 1470–1555 bietet Künast (1997a: 122–128). 234 Künast (1997a: 149):„Schon die Ausbreitung des Buchdrucks war entlang der großen Handelswege erfolgt. Daher kann es nicht verwundern, daß der Buchhandel demselben Muster folgte.“ Die regionalen Märkte boten kaum Überlebenschancen für das kapitalverschlingende Druckgewerbe, so dass die Bedeutung des Fernhandels für den Buchhandel vielerorts herausgehoben wird. Siehe beispielsweise Nickel (1976: 42), Grimm (1967: 1168). 235 Künast weist in Zusammenhang mit der Auswertung der Versteigerungsliste des Buchsortiments des Augsburger Buchführers Simprecht Froschauer von 1523 auf die zahlreichen Straßburger Drucke hin, die Froschauer führte. „Die besonders engen Beziehungen in der Reformationszeit zwischen Straßburg und Augsburg treten gleichfalls hervor. Mindestens fünf, vielleicht sogar zwölf Titel stammten aus Straßburger Pressen.“ Künast (1997a: 136). 236 Zur verkehrsgünstigen Lage Straßburgs siehe Stockmann-Hovekamp (1991: 29). Vgl. zu den Handelswegen Straßburgs Stockmann-Hovekamp (1991: 30, Abb.2). 237 Vgl. Grimm (1967: 1422). 238 So erhielten Straßburger Offizinen Aufträge aus den folgenden Städten: Augsburg, Köln, Leipzig, Nürnberg, Ofen, Pest, Rostock und Wien. Sie unterhielten ferner Beziehungen nach Antwerpen,

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Vertrieb deutschsprachiger Bücher stellt einen wichtigen ökonomischen Hintergrund für die sprachhistorische Erforschung der Druckersprachen dar, da bestimmte Druckund Druckersprachen einen höheren Marktanteil als andere an der deutschsprachigen Druckproduktion hatten und somit potentiell höheren Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Schriftsprache haben konnten. Darüber hinaus spielen das Sozialprestige der Drucker, das Ansehen der Städte, ihre politische Rolle im Reich und nicht zuletzt ihre dialektgeographische Lage eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Vorbildhaftigkeit einer bestimmten Variante. c.

Aspekte der Druckproduktion

Die Unterteilung der aufgenommenen Textausschnitte nach Lagen und Blättern239 folgt der Forderung Akihiko Fujiis, in Druckwerken satz- und druckinterne Varianz zu berücksichtigen. Dazu ist in Folge der Berücksichtigung der Lagenkollation eines Druckes auch die Frage nach dem verwendeten Satz- und Druckverfahren zentral. Severin Corsten klassifiziert drei grundlegende Satz- und Druckverfahren der Frühdruckzeit, die hier näher erläutert werden sollen.240 „Am Anfang stand der Druck Seite für Seite“, so der Anfang des Beitrages Corstens. Bei diesem ersten erwähnten Verfahren, das in der Frühdruckzeit bei den meisten umfangreichen Drucken Verwendung fand, wurde demnach eine Seite nach der anderen gesetzt und dann in den Druck gebracht. Für eine Folioausgabe, bei der ein Papierbogen einmal gefalzt wurde und somit vier Buchseiten umfasste, musste der gleiche Papierbogen viermal unter die Presse. Bei einer aus vier Bögen bestehenden Lage wird beispielsweise der zweite Bogen auf der Vorderseite mit Seite 3 und 14 des Druckes bedruckt und auf der Rückseite mit den Seiten 4 und 13, so dass beim Binden des Buchs schließlich die richtige Seitenreihenfolge vorlag. Bei Beteiligung eines Setzers hätte dieser somit die Textvorlage von Anfang bis Ende Seite für Seite jeweils gesetzt, zum Basel, Frankfurt/a.M., Lyon, Paris, Rom, Speyer, Ulm, Venedig, Wien, Wittenberg und Zürich. Vgl. Chrismann (1982: XXIV), Stockmann-Hovekamp (1991: 41). 239 Bei der Lage handelt es sich um einen Teil der fertig gebundenen Buchausgabe. „Vermutlich wurden anfangs die meisten ›Bücher‹ lagenweise (in Fässern) verpackt aus den Druckereien geschafft, transportiert und verkauft. Erst dem Käufer blieb es also vorbehalten, die Druckererzeugnisse zu binden. Sein Geschmack und Geldbeutel bestimmte somit die endgültige Gestalt des Buches.“ Giesecke (1991: 113–114). Die Seiten der Drucke werden durchgehend durch eine Signatur, die an erster Stelle mit lateinischen Buchstaben die Lage angibt (von a–z durchnummeriert), an zweiter Stelle durch arabische Zahlen das Bl. der Lage und an dritter Stelle durch a die recto-Seite oder b die verso-Seite des entsprechenden Bl. bezeichnet. Beispielsweise bezieht sich die Signatur c8b auf die verso-Seite des achten Bl. der dritten Lage eines Druckwerkes. 240 Diese finden sich graphisch dargestellt und kurz zusammengefasst in Fujii (2007: 14–15). Der Darstellung folgend werden die drei Druck- und Satzverfahren der Frühdruckzeit als Verfahren A, B und C betitelt: Verfahren A: Setzen und Drucken Seite für Seite; Verfahren B: Druck in Formen; Verfahren C: Satz und Druck in Formen. Generell zum Arbeitsgang des Setzens siehe Giesecke (1991: 90–103), insbesondere Abb. 8 (91).

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Druck befördert, das Typenmaterial abgelegt, die nächste Seite gesetzt und diese in den Druck befördert usw. Dies würde zwar Typenmaterial sparen, allerdings sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, so dass eine „Beschleunigung der umständlichen Fertigung […] möglich [wurde], wenn man den Text der Vorlage auf mehrere Setzer verteilte“ (Corsten 1984: 128). Auf eine derartige Arbeitsaufteilung zurückzuführende Setzerabschnitte finden sich nach Corsten „bei nahezu allen umfangreichen Büchern des 15. Jahrhunderts“ (Corsten 1984: 128). Ab den 1470er Jahren kamen Pressen auf, mit denen man ganze Bogenseiten in einem Arbeitsgang drucken konnte. Bei Folioausgaben musste damit ein Bogen nur noch zweimal in die Presse eingeführt werden. Durch diesen sogenannten Druck in Formen wurde der Herstellungsprozess der Druckwerke merklich beschleunigt. Der Satz eines Foliodrucks in Viererlagen musste dabei zunächst bis zur Seite 9 vollendet werden, wollte man sich beim Setzen weiterhin an die Abfolge des Textes der Vorlage halten, bevor die erste Doppelseite in den Druck gehen konnte. Beim dritten nachgewiesenen Druck- und Satzverfahren wurde bereits der Satz nach den nötigen Formen hergestellt. D. h. es wurde zunächst die erste und die letzte Seite der Lage gesetzt und dann in den Druck befördert, danach die zweite und die vorletzte Seite der Lage usw. Dies hat jedoch zur Folge, dass der Vorlagentext nicht mehr in seiner vorliegenden Abfolge gesetzt werden konnte, so dass die Drucker im Voraus berechnen mussten, wie viele Zeichen auf eine Seite passen und dies in der Vorlage markieren mussten. Nach Lotte Hellinga, die nachgewiesen hat, dass diese Praxis in Europa weit verbreitet war, nennt man diesen Prozess Casting-off.241 Dabei stand die Lage als Objekt im Mittelpunkt. Aufgrund des graphischen Variantenreichtums, der Freiheit in der Orthographie und der Möglichkeit der Abbreviatur bildete zunächst die Zeile die Einheit der Berechnungen. Erst später wurde auch nach kleineren Einheiten wie Wörtern, Silben und Buchstaben ausgezählt.242 „Mit der Einführung dieser Praktik wurde die Textverteilung zwar wesentlich umständlicher“, „hinsichtlich der Typenersparnis [war es aber] gewiß ein fortschrittliches Verfahren“ (Fujii 2007: 15).243 Die Frage, welches Druck- und Satzverfahren in welcher Offizin für welches Werk verwendet wurde, muss naturgemäß meist hypothetisch beantwortet werden, beeinflusst allerdings die Auswahl des Linguisten der zu untersuchenden Textausschnitte aus einem Druckwerk entscheidend.

241

Konrad Haebler (1925: 77) hatte diese Technik vor allem mit Italien in Verbindung gebracht. Vgl. hierzu Corsten (1984: 129). Zum Nachweis weiterer Belege für diese Technik in anderen westeuropäischen Ländern vgl. Hellinga/Mare (1978), Hellinga (1982: 44–47). 242 Vgl. Hellinga (1982: 93–97), Corsten (1984: Anm. 20). 243 Dass dieses Verfahren manchen Druckern zunächst zu viel abverlangte und ein Nebeneinander der Satz- und Druckverfahren herrschte, zeigt Corsten (1984: 131).

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1. Papierbogen

Blatt a1a (Seite 1) Falz Blatt a1b (Seite 2) Blatt a8b (Seite 16) Blatt a8a (Seite 15) 2. Papierbogen

Papierbogen (Schöndruck)

Blatt a2a (Seite 3)

Blatt a2b (Seite 4) Blatt a7b (Seite 14)

Blatt a1a (Seite 1)

Blatt a7a (Seite 13) 3. Papierbogen

Blatt a3a (Seite 5)

Blatt a1b (Seite 2) Blatt a8b (Seite 16) Blatt a8a (Seite 15)

Blatt a3b (Seite 6) Blatt a6b (Seite 12) Blatt a6a (Seite 11) 4. Papierbogen mit Blatt a4 und a5 (Seiten 7, 8, 9 und 10) Abb. 2: Herstellung einer Folio-Quaternio (=Lage, die aus vier ineinandergeschobenen Doppelblättern besteht)

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

Für den Fall der Verwendung des Verfahrens A zum Druck einer Folioausgabe kann man nach Fujii von einer lagenweisen Setzerarbeitsteilung ausgehen.244 Folglich muss Text aus allen Lagen aufgenommen werden. Fujii weist allerdings auf die Möglichkeit eines lageninternen Setzerwechsels hin, was zur Folge hat, dass zur Kontrolle dieser Möglichkeit die letzte gesetzte Seite in die Untersuchung einbezogen werden muss. Je nach angewandtem Satz- und Druckverfahren handelt es sich dabei entweder um die letzte Seite der Lage (Verfahren A und B) oder die mittlere Seiten der Lage (Verfahren C).245 Mitunter kann darüber hinaus auch die Größe einer Offizin Auswirkungen auf die Varianz in den aus ihr hervorgegangenen Werken haben. Je mehr Pressen im Einsatz waren, desto mehr Setzer konnten in einer Offizin tätig sein, so dass sich die potentielle Varianz mit jedem beteiligten Setzer erhöht.246 Es zeigt sich, dass der Produktionsprozess bei Druckwerken im Bereich der Erforschung graphematischer Varianz innerhalb der Druckersprachen nicht außer Acht gelassen werden darf.

6.3

Schnittpunkte mit der Kunstgeschichte

Begibt man sich auf die Suche nach möglichen Vorlagen für eine illustrierte Druckausgabe, erweist sich die Koppelung der Ergebnisse zu den Textabhängigkeiten mit denen zu den ikonographischen Abhängigkeiten des Illustrationsmaterials als ertragreich, da der Illustrationszyklus eines Druckes nicht selten anderen Vorbildern folgt als der Text.247 Darüber hinaus zeigte Hespers für die Melusine-Ausgabe Schönsperger1488 mögliche Einflüsse aus der handschriftlichen Überlieferung auf, die anhand des Textvergleiches nur schwer belegbar gewesen wären.248Ein weiterer gewichtiger Schnittpunkt der Sprachwissenschaft mit der Kunstgeschichte findet sich im Bereich der Text-Bild-Relationen,249 der aus textlinguistischer Sicht bei der Feststellung der 244

Fujii (2007: 16, Anm. 65): „In einigen Drucken Bämlers läßt sich übrigens ein Wechsel der verwendeten Drucktypen registrieren, und zwar nach den Angaben des BMC (II) mindestens in sieben seiner Druckwerke. Dort wechselt die Drucktype – außer in einem der Drucke – regelmäßig mit dem Beginn einer neuen Lage. […] Wir könnten also sagen, daß eine ‚Lage‘ genau einer ‚Arbeitseinheit‘ des Herstellungsprozesses in den damaligen Offizinen entsprochen haben muß.“ Vgl. auch Fujii (1996: 397–402). 245 Vgl. Fujii (1996: 400–402), Fujii (2007: 16). 246 Vgl. Kettmann (1990: 216–217). 247 Im Korpus findet sich hierfür als Beispiel die primäre Textabhängigkeit der Ausgaben Heinrich Steiners von der Ausgabe Knobloch-1516 und der durch die mangelhafte Qualität der Holzschnitte Knoblochs bedingte ikonographische Rückgriff auf die Ausgabe Bämler-1474. 248 Hespers (2010: 164–167). 249 „Ein Text-Bild-Bezug läßt sich […] über die Disposition von Schriftraum und Bildfeld herstellen, er kann aber auch dadurch erzeugt werden, daß Schrift in ein Bild integriert wird.“ Braun-Niehr/Ott (2003: 18). Die Text-Bild-Relationen bleiben innerhalb der Melusine-Überlieferung allerdings auf außerhalb des Bildes auftretenden Text beschränkt. Mit Bild sind hier die im Druckprozess durch Holzschnitte erzeugten Buchillustrationen gemeint, die aus der in profanen Handschriften des

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deiktischen Verweisrichtungen und Beziehungen zwischen den grobstrukturellen Textbausteinen Titulus, Text sowie Bild und deren Anteil zur Konstitution der Kohärenz- und Kohäsionsbeziehungen im Text von Bedeutung ist.250 Dabei ist die Frage, welcher der beiden Informationskanäle, Bild oder Text, welche Art von Zugang zum Inhalt eines Werkes gewährt. Den schnelleren, allerdings stärker subjektivemotional geprägten Zugang liefern zunächst die Illustrationen. Aber auch der Text bietet in Zeiten des lauten Lesens in Vortragssituation durch intonatorische und schaustellerisch-gestisch-mimische Nuancierungen emotionalen Zugang.251 In der Kunstgeschichte wird vor allem der Sonderstatus der Buchillustration als Form der Kunst, die „in einem viel stärkeren Maße als andere Kunstwerke im Zusammenhang mit Text“ (Saurma-Jeltsch 1988: 41)252 steht, betont. Dabei konzentriert sich das Forschungsinteresse auf die Funktion der Buchillustration, die lange Zeit als Äquivalenzverhältnis, d. h. Austauschbarkeit der Medien Bild und Text aufgefasst wurde.253 Dass das Verhältnis von Text und Bild in mittelalterlichen Handschriften und später in den Drucken weitaus differenzierter ist, zeigt Ott anhand von vier Fragekomplexen zu diesem Themenbereich.254 Für die Mehrzahl der spätmittelalterlichen Illustrationen gilt bereits, dass sie ohne Kontext und Titulus kaum deutbar sind;255 ein Phänomen, das durch Serialisierung und Austauschbarkeit der Holzstockbestände der Offizinen auch in den Drucken der Melusine häufig zu beobachten ist. Die Frage, ob die Abhängigkeit des Bildmaterials vom Text auch vollständig negiert werden kann, so „daß das Bildmaterial den Deutungsspielraum der Texte im Sinne eines korrespondierenden, relativ

Mittelalters verbreiteten „höchstens leicht kolorierten Federzeichnung […, die] – und das wiederum hat weitreichende Konsequenzen für den Buchdruck um 1450 – in die Holzschnittillustrationen des gedruckten Volksbuchs einmündet.“ Ott (1975: XXVII). An anderer Stelle Ott (1999: 179). Zum Wechselverhältnis zwischen illustrierter Handschrift, Blockbuch und bebildeter Inkunabel vgl. Ott (1999: 165–185). 250 Vgl. generell zum Themenkomplex ›Text und Bild‹ die Publikationen Harms (1990), Meier/Ruberg (1980), Wenzel (1997), Wenzel/Jaeger (2006). Zum Bilderschmuck der Frühdrucke siehe Schramm (1921–1946), zur Augsburger Buchillustration Ott (1997). 251 Vgl. das Schlusswort in Braun-Niehr/Ott (2003: 26), das mit dem Satz „Alles zusammen erst bringt Genuß und Erkenntnis“ schließt. 252 Dabei ist die Buchillustration ein Phänomen, das stark mit den Volkssprachen in Einklang steht. Denn v. a. in volkssprachlichen Texten „geht die Illustration von Literatur eine besonders enge Verbindung mit der Volkssprache ein, ja ist für sie vielleicht sogar ein auslösender Faktor.“ Ott (1999: 178). Vgl. dazu auch Braun-Niehr/Ott (2003: 15); Curschmann (1999: 443) stellt ebenfalls die These auf, „daß Bildlichkeit geradezu ein Signum von Volkssprachigkeit sein kann“. 253 Vgl. Saurma-Jeltsch (1988: 41–44). 254 Vgl. Ott (1984). 255 Ott (1984: 361) weist auf die Serialisierung der Illustrationen in Schreibmanufakturen und Buchdruck und damit Egalisierung der Bildtypen hin, die dazu führt, dass „einerseits die gleichen Druckstöcke innerhalb eines Drucks mehrfach verwendet werden können, andererseits Holzschnitte aus Drucken unterschiedlichster Texte austauschbar sind.“. Vgl. dazu auch Saurma-Jeltsch (2001).

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

eigenständigen Mediums erweitert“ (Wenzel 1997: 234), beantwortet Wenzel mit einer aktiven variableren Rolle des Bildes gegenüber dem Text. In Handschriften erscheint das Bild anpassungsfähiger als der Text,256 so „daß von den Bildern her unterschiedliche Potenzen des [invariablen] Textes aktiviert werden“ (Wenzel 1997: 246).257 Eine interessante Beobachtung bezüglich der Wahrnehmung der Volkssprache durch die im Buchgewerbe tätigen Personen ergibt sich aus der Entwicklung der illustrierten deutschsprachigen Texte. Denn es dauert im Gegensatz zu lateinischen Texten bis ins 15. Jh., bis Texte, die durch Anonymität und frühere Mündlichkeit der Überlieferung geprägt sind, mit Illustrationen versehen werden. Ott folgert daraus, dass die „Dignität der Sprache erst […] die anspruchsvolle Ausstattung“ (Ott 1984: 377) eines Textes mit Illustrationen möglich macht. Saurma-Jeltsch betont in ihren drei Hypothesen258 zum Verhältnis der beiden Medien zueinander zunächst, dass Illustration und Text ein gemeinsames Ganzes bilden, „das den Wandel der Beziehung zur Schriftlichkeit bzw. zum Bildverständnis reflektiert“ (Saurma-Jeltsch 1988: 44). Die weiteren beiden Hypothesen beziehen sich erstens auf die oben bereits erwähnte Anpassungsfähigkeit der Bilder, die eine unmittelbarere direkte Ansprache an den Rezipienten und somit eine leichtere Aufbereitung des Textes für bestimmte Benutzer ermöglicht, und zweitens auf die besondere, von der über den Text vermittelten Verstehensweise unterschiedene Zugangsmöglichkeit über die Bildsyntax sowie das Bildprogramm. Dabei ist „die Effektivität von der Qualitätsfrage unabhängig“ (Saurma-Jeltsch 1988: 46). Auch für die Erforschung der Überlieferung und der Gebrauchssituation von illustrierter Literatur sind die Text-Bild-Zusammenhänge von Bedeutung.259 Aus textlinguistischer Sicht ist die Frage nach der Dependenz zwischen Bild und Text für illustrierte Prosadrucke wie die Melusine eine zentrale, da die Zeichensprache des Bildes in verschieden starker Ausprägung zur Textkohärenz beiträgt. Im Korpus begegnen sowohl Offizinen mit serialisierten Holzschnittvorräten zur Illustration verschiedenster Prosaromane als auch solche mit speziell für den Druck der Melusine hergestellten Holzstöcken. Diese Unterschiede bewirken im Falle, dass ein Drucker qualitativ minderwertige oder nur teilweise spezifische Holzschnitte für die Melusine hat, tendenziell eine stärkere Sorgfalt und Offenheit für Neugestaltungen bei der Einrichtung des Textes. Für den nötigen Absatz der Ausgaben war es im untersuchten Zeitraum für ein Werk wie die Melusine scheinbar obligatorisch, Illustrationen zu bieten. Ohne diese war diese Textsorte nicht denk256

Dies ist insbesondere bei tradiertem Text wie dem der Melusine der Fall. Vgl. Saurma-Jeltsch (1988: 44). 257 Daneben existieren allerdings auch „einige wenige volkssprachliche Bilderhandschriften unter den zirka zweieinhalbtausend, die aus dem Rahmen der spätmittelalterlichen »Massen«-Produkte von Handschriften-»Verlagen« herausfallen“. Vgl. Ott (1984: 365). 258 Zu den drei aufgeführten Hypothesen vgl. Saurma-Jeltsch (1988: 44–46). 259 Vgl. zur früheren Vernachlässigung der Buchillustration innerhalb der Kunstgeschichte Ott (1975: XXVI).

Methodologie

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bar. So bieten auch Ausgaben wie Gülfferich-1549, ohne Ort-1692 oder Nicolai1692/93, für die keine eigens zur Illustration der Melusine angefertigten Holzschnitte vorhanden waren, zahlreiche Illustrationen aus Fremdkontext. Die Dissoziation der Text-Bild-Relationen nimmt dabei im Verlauf der Überlieferung der Melusine stetig zu. Von einer Bildsyntax oder einem durchdachten Bildprogramm kann aufgrund der ökonomischen Drucklegung in solchen Fällen nicht mehr gesprochen werden. Die Eigenständigkeit der Bilder, die in Richel-1473/74 noch postuliert werden kann,260 wird bereits in den Augsburger Inkunabeldrucken durch Verwendung von Druckstöcken aus Fremdkontext unterwandert. Aus textlinguistischer Perspektive wird es interessant sein, wie dieses Illustrationsmaterial mit den Textbausteinen zur Konstitution der Semiotik des Buches interagiert.

6.4

Textauswahl

Aus den in Tab. 1 aufgeführten Ausgaben, die mit mindestens einem (fragmentarisch) erhaltenen Exemplar sicher nachweisbar sind, wurden drei Textausschnitte ausgewählt, die der sprachstrukturellen und textlinguistischen Untersuchung der Melusine-Tradierung als Druckwerk im 15.–17. Jh. zugrunde liegen. Diese wurden neben anderen Gesichtspunkten auch basierend auf korpustheoretischen Überlegungen ausgewählt. Die Auswahl der Teiltexte jeder Ausgabe, die der Untersuchung zugrunde liegen sollen, richtet sich nach Überlegungen zu deren Repräsentativität, inhaltlichen Beschaffenheit und Produktionsbedingungen beim Druck. Der Begriff Teiltext bezieht sich stets auf die Gesamtheit der drei für die Untersuchung aus jeder Ausgabe ausgewählten Textausschnitte. Zunächst sollen die drei ausgewählten Textausschnitte vorgestellt werden. a.

Textausschnitt 1

Anfangskapitel: Wie reymond vnd meluſinē botſchaft kam vō iren zweien ſúnen vriēs vnd gyot das ſy beyde zů ku͛ nig gekroͤ net worent 261 Endkapitel (inklusive): Wye die hochzyt volbʅocht wart doch on tantzē vmb des ku͛ niges todes willē doch wart geſtochē vn̄ hielt ſich reynhart gar ritterlichē 262 Dabei handelt es sich um die Sinnabschnitte 23–36.263 Der Umfang dieser Textpassage beläuft sich auf etwa 6250–6500 Wörter264 im Straßburger Überlieferungsstrang, 7200

260

Vgl. Domanski (2010). Die folgenden Titulusformulierungen sind der editio princeps Richel-1473/74 entnommen. Dieser Titulus findet sich dort auf Bl. c10b. 262 Richel-1473/74, Bl. e7a. 263 Vgl. VII.3. 264 Diese Angabe bezieht sich lediglich auf automatisch generierte Angaben zu Einheiten von Zeichen, die nicht durch Leerzeichen getrennt sind. Ein linguistisch definierter Wortbegriff ist hier nicht 261

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

84

im Augsburger Überlieferungsstrang, 7000 in der Sondergruppe Müller-Egenolff und 6800 in den Ausgaben des 17. Jhs. b.

Textausschnitt 2

Anfang: Der Anfang vom Unglück im Kapitel Wie goͤ ffroy von land ſchied vnd ſin bʅůder froymond do zwuſchē ein mu͛ nch wart zů malliers […] nůn loß ich dis alles ſin vnd můß nůn an vohen zů ſagen vō dem ende…265 Endkapitel (inklusive): Wie melußine von groſſer Amacht vn̄ betruͤ btem iomer nider viel vnd ſie wider zů ir ſelbes kam was ſy do mit reymond ouch etlich=en landes herren rett von yren hin ſcheidem vnd ouch von horribels / irs ſůns wegen der die dʅy ougen hatt 266 Der Umfang dieses Textausschnittes, der die Sinnabschnitte 37 ab dem Augustinus-Einschub bis 43 umfasst, ist etwa ähnlich zu bemessen, wie der des ersten Textausschnittes. Im Straßburger Überlieferungsstrang beinhaltet er 6900 Wörter, im Augsburger Überlieferungsstrang 7200–7600, in der Sondergruppe Müller-Egenolff 7200 und in den Ausgaben des 17. Jhs. 7000–7200. c.

Textausschnitt 3

Dieser Textausschnitt besteht nicht aus durchweg zusammenhängendem Text, sondern aus den ersten und letzten Blättern der Lagen einer Ausgabe. Diese Auswahl ist den Produktionsbedingungen eines Druckerzeugnisses, an dem gegebenenfalls mehrere Setzer und Korrektoren beteiligt sein konnten, geschuldet. Fujii hat bewiesen, dass diese Vorgehensweise zur Feststellung potentieller Setzerwechsel beim Satz eines Druckwerks führen kann, da für diesen Arbeitsgang in den Offizinen häufig die Lage als Arbeitseinheit galt. Weil in den Melusine-Ausgaben des 15.–17. Jhs. nicht sicher nachweisbar ist, welches Satz- und Druckverfahren in den einzelnen Offizinen angewandt wurde, wurden jeweils die Anfangs- und Endblätter transkribiert und annotiert, da damit zwei der drei möglichen Satz- und Druckverfahren abgedeckt sind.267 Zusammen ergeben die drei Textstellen einen Teiltext jeder Ausgabe mit rund 19.000–20.000 Wörtern, was in vergleichbaren Arbeiten und theoretischen Überlegungen zur Repräsentativität von Korpora als ausreichend bezeichnet wird.268 Für die Auswahl der Textausschnitte 1 und 2 war deren inhaltliche Beschaffenheit ausschlaggebend, da sie in der handschriftlichen Überlieferung zwei Sonderfehler enthalten, anhand derer Karin

intendiert, die Angaben dienen ausschließlich der quantitativen Verortung des Umfangs der untersuchten Textausschnitte. 265 Richel-1473/74, Bl. e9b. 266 Richel-1473/74, Bl. g1a. 267 Vgl. die Ausführungen zu den Satz- und Druckverfahren im Kapitel zum Forschungsstand im Bereich der Druck- und Druckersprachen. 268 Vgl. dazu Stockmann-Hovekamp (1991: 92–99), Hoffmann (1998: 880–881).

Methodologie

85

Schneider ihre Klasseneinteilung exemplifiziert.269 Dem gegenüber steht in Textausschnitt 2 die zentrale Badszene und Reimunds Verfehlung, bei der man davon ausgehen kann, dass sie eine der inhaltlich stabilsten Stellen der Überlieferung der Erzählung darstellt. Der Umfang von kohärentem Text, den die Textausschnitte 1 und 2 liefern, stellt auch für textlinguistische mikrostrukturelle Untersuchungen transsyntaktischer Verknüpfungsmittel eine ausreichende Basis dar. Für makrostrukturelle Untersuchungen wie etwa zu den Text-Bild-Relationen, zur Entwicklung der Tituli, zu den Absatzstrukturen und dem Seitenlayout wurde jeweils der gesamte Text der Ausgaben herangezogen.

6.5

Gegenstandsbereiche der sprachlichen Untersuchung

Primär im Fokus der sprachlichen Untersuchung steht die Interdependenz der beiden Ebenen des Sprachsystems, Phonologie und Graphematik. Daneben werden einige morphologische Phänomene beleuchtet, wobei der Fokus auf der Verbmorphologie liegt. Im Bereich der Graphematik soll neben den unter den Kapiteln zu den einzelnen Ausgaben erläuterten graphischen Eigenheiten der jeweiligen Drucker vor allem die Durchsetzung der von Moser aufgelisteten „primär schriftorientierten Prinzipien“ des Variationsverbots, der graphischen Homonymendifferenzierung, der Analogie und des morphologischen Prinzips geachtet werden.270 Nach Auflistung der im jeweiligen Druck nachweisbaren Lettern der verwendeten Type, also dem Repertoire der Graphen, wird der Befund zu einigen variablen Graphemen quantitativ erhoben. Im Fokus stehen dabei – – – – – – – – – – –

die typisch schwäbische -Graphie für den mhd. Diphthong /eɪ/ die Verwendung der Letter die Reduktion der Graphievarianten für die Affrikate /t͜ s/ die Graphie der Phoneme /ʏ/, /y:/ und /ʏə/ die Auslautgraphien und die bis zur Orthographienormierung 1902 weit verbreitete -Graphie die Varianten und im Bereich der Digraphien die Festlegung der Distribution der Grapheme und die Festlegung der Distribution der Grapheme und in Initialstellung die graphische Bezeichnung von Langvokalen die Reduzierung der Abbreviaturen

Da Rückschlüsse auf die Lautung historischer Sprachstufen neben den rezenten Dialekten nur über die Graphie rekonstruiert werden können und im Medium des Drucks der 269

Vgl. Schneider (1958: 19–28). Auch stellt die Episode um Anthoni und Reinhart in Textausschnitt 1 als Nebenstrang der Erzählung einen Teil der Melusine-Geschichte dar, der in Ausgaben des 20. Jhs. ausgelassen wurde. So z. B. in Rüttgers (ohne Jahr). 270 Vgl. Moser (1977: 384–385).

86

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

produktionstechnische Aspekt der verwendeten Type eine wichtige Rolle für die Erscheinung der Sprache im Schriftbild darstellt, wird auch das Typen- bzw. Grapheninventar des jeweiligen Druckes in die Untersuchung eingebunden. Im Unterschied zu den Skriptorien des Mittelalters stellt die „Technisierung des Zeichensystems […] in Form des Setzkastens und seiner Lettern“ (Giesecke 1990: 67) bereits eine erhebliche Reduzierung der Vielfalt von Varianten dar, auf die man in Handschriften trifft. „Das Zeichensystem wird in Blei materialisiert und emergiert damit auf einer anderen Stufe als vor der Einführung des Buchdrucks“ (Giesecke 1990: 67). Trotz der anfänglichen Tendenz der Buchdrucker, den graphischen Usus der Handschriften zu kopieren, zeigt sich in der Gutenberg-Bibel mit 290 Zeichen bereits eine erhebliche Verringerung der Varianten.271 Im Bereich der Schriftlinguistik gilt es aufgrund der typographischen Vielfalt der Inkunabelzeit auch die Erforschung der Schrift innerhalb der Inkunabelkunde zu beachten, da die Wahl der Type das materielle Erscheinungsbild des Mediums Buch mitbestimmt und häufig auch auf eine funktionale Differenzierung zwischen Textsprache und eventuell Textsorte schließen lässt.272 Auch bei der Untersuchung der Lautwandelphänomene bleibt der Sprachhistoriker auf die Graphie verwiesen. Die Graphem-Phonem-Korrespondenzen werden anhand der Folien des normalisierten Mhd. als Ausgangspunkt der Entwicklungen im Frnhd. und des standardisierten Nhd. als Endpunkt konstruiert. Normalisiertes Phoneminventar des Mhd.: Vokale

Konsonanten

271

Kurzvokale: /ɪ/ /ʏ/ /ʊ/ /e/273 /ɛ/274 /œ/ /ɔ/ /ä/275 /a/ Langvokale: /i:/ /y:/ /u:/ /e:/ /o:/ /ø:/ /æ:/ /ɑ:/ Diphthonge: /ɪə/ /ʏə/ /ʊo/ /eɪ/ /œʏ/ /oʊ/ Plosive: /p/ /t/ /k/ (Fortes) /b/ /d/ /g/ (Lenes) Frikative: /f/ /s/ /ʃ/ /x/ [ç] (Fortes) /v/ /z/ (Lenes) Affrikaten: /pf/ /ts/ /kx/ Liquide: /r/ /l/ Nasale: /m/ /n/ /ŋ/ Laryngaler Frikativ: /h/ Halbvokale: /w/ /j/

Vgl. Giesecke (1990: 67–69). Auf S. 80 weist Giesecke auf den Wechsel der Richtung der Beeinflussung ab der Mitte des 16. Jhs. hin, als man begann, nicht mehr Handschriften im Druck zu imitieren, sondern Drucke handschriftlich kopierte und versuchte, die „Strukturen der Drucke zu imitieren“. Vgl. zu wirtschaftlichen Erwägungen Altmann (1976: 65). 272 Interessant im Kontext der Melusine-Drucker ist dabei, dass 1472 die Bastarda, „die gotische Buchschrift der damaligen Schreibstuben, von dem Schreiber Johann Bämler in Augsburg in den Buchdruck eingeführt“272 wurde. Altmann (1976: 62–63). 273 „Es gibt im Mhd. drei kurze e-Laute, die man nach den Kriterien ‚offen – geschlossen‘ […] unterscheidet“ Mhd. Gr. (2007: 87, § L 28). /e/ steht für den Primärumlaut (geschlossene Artikulation). 274 Halboffen aus germ. */e/ oder */i/ entstanden. 275 Sekundärumlaut (offen).

Methodologie

87

Standardisiertes Phoneminventar des Frnhd.276: Vokale

Konsonanten

Kurzvokale: /ɪ/ /ʏ/ /ʊ/ /ɛ/ /œ/ /ɔ/ /a/ Langvokale: /i:/ /y:/ /u:/ /e:/ /ø:/ /o:/ /ɑ:/ Diphthonge: /ae/ /oe/ /ao/ Plosive : /p/ /t/ /k/ (Fortes) /b/ /d/ /g/ (Lenes) Frikative: /f/ /s/ /ʃ/ /x/ [ç] (Fortes) /v/ /z/ /ʝ/ (Lenes) Affrikaten: /pf/ /ts/ Liquide: /r/ /l/ Nasale: /m/ /n/ /ŋ/ Laryngaler Frikativ: /h/

Auf dieser Basis sollen Aussagen über die lautlichen Eigenheiten der jeweiligen Druckersprache gemacht werden. Bei der Auswahl der sprachlichen Einzelphänomene war zunächst die Sichtung des Materials und dessen Ergiebigkeit unerlässlich. Bei einem diatopisch und zeitlich heterogenen Korpus wie dem der Melusine-Ausgaben ist die Möglichkeit der Beschränkung auf sprachliche Besonderheiten, die in einer Sprachlandschaft zu einer bestimmten Zeit variabel sind, nicht gegeben.277 Vielmehr wurden nach Lektüre der Fachliteratur Untersuchungsphänomene, die im Frnhd. variabel erscheinen, aus teleologischer Perspektive – die nhd. Orthographienorm – ausgewählt.278 Vokalismus: – – – – – – – –

Frnhd. Diphthongierung (etwa 1350 annotierte Belege pro Ausgabe) Md. Monophthongierung (etwa 900 annotierte Belege pro Ausgabe) Nukleussenkung der alten mhd. Diphthonge (etwa 250 annotierte Belege pro Ausgabe) Senkung von /i/, /u/ und /ü/ vor Nasal (etwa 300 annotierte Belege pro Ausgabe) Rundung (etwa 50 annotierte Belege pro Ausgabe) Entrundung (etwa 10 annotierte Belege pro Ausgabe) -Graphie für /a:/ (etwa 300 annotierte Belege in Straßburger Inkunabeln) Synkopierungen (etwa 230 annotierte Belege pro Ausgabe)

Konsonantismus: – –

276

-Graphie aus der Medienverschiebung der 2. LV (bei Bämler und Hupfuff) Vom Nhd. abweichende Lenisplosivschreibung statt (etwa 50 annotierte Belege pro Ausgabe)

In Anlehnung an das idealisierte Graphem- und Phonemsystem des Frnhd. in Anderson/ Goebel/Reichmann (1989,1: 69–72). 277 Indessen möglich ist dies z. B. durch die lokale Beschränkung auf Augsburg bei Fujiis Untersuchung der Offizin Günther Zainers (2007: 17–23). 278 Die Vorgangsweise kommt der von Hugo Stopp (1979: 165) skizzierten nahe.

Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

88

– – – – – –

Assimilationsvorgänge (etwa 170 annotierte Belege pro Ausgabe) Kontraktionen (etwa 25 annotierte Belege pro Ausgabe) Auslautverhärtung (etwa 200 annotierte Belege pro Ausgabe) Palatalisierung /s/ > /ʃ/ (etwa 200 annotierte Belege pro Ausgabe) Epithetisches /t/ (etwa 50 annotierte Belege pro Ausgabe) statt vor /r/ (etwa 5 annotierte Belege pro Augabe)

Morphologie: – – – – –

6.6

Präsensformen der Wurzelverben gân/gên und stân/stên Suffix -nis / -nüs Verbales Pluralflexionsmorphem {-ent} (alemannischer Einheitsplural) Negation (doppelte Negation, Negationspartikel nicht / nit) Paradigma des verbum substantivums ›sein‹

Computerbasierte Erschließung des Datenmaterials

Zunächst wurden in einem ersten Arbeitsschritt die ausgewählten Textausschnitte einer jeden Druckausgabe der Melusine unter Verwendung einer Reproduktion eines Exemplars transkribiert.279 Eine Beispielzeile aus der Ausgabe Hupfuff-1506 soll die Vorgehensweise und Darstellung in Unicode verdeutlichen.

Abb. 3: Ausschnitt aus einer Zeile der Melusine-Ausgabe Hupfuff-1506 Transkription: alles das / das ir mir ratent zeton vn̄ zu͛erfüllen

Die bei Hupfuff als Leitgraphie für den Diphthong /ʊo/ verwendete Letter u͛ und der Nasalstrich werden hierbei über die Hexadezimalcodes für die Codeposition der dia-

279

Bei den Reproduktionen handelte es sich zumeist um Scans (jpeg-, tif- oder pdf-Format) oder Papierkopien, wobei einige wenige Ausgaben auch von Mikrofiche oder Mikrofilm aufgenommen wurden. Bei dem ausgewählten Exemplar handelt es sich immer um dasjenige, das die geringsten Textverluste aufweist. Die Kodierung des Textes erfolgte zunächst mit dem Unicode-Font Arial Unicode MS in Microsoft Word, da der Unicode-Standard dem Sprachhistoriker vielfältige Möglichkeiten zur detailgetreuen Abbildung der alten Druckschriften gewährt. Dabei ist auch der Aspekt der Austauschbarkeit und Plattformunabhängigkeit gewichtig. Zum Unicode-Standard siehe http://www.unicode.org, zur neuesten Version Unicode 6.2.0 siehe http://www.unicode.org/ versions/Unicode6.2.0/. Der Unicode-Standard ermöglicht es dem Nutzer allerdings in einem privaten Bereich auch eigens entworfene Zeichen einzuspeisen, so dass die typographische Varianz abgebildet werden kann.

Methodologie

89

kritischen Zeichen im Unicode-Standard angegeben.280 Innerhalb der Typen der Inkunabelzeit tritt gerade im Bereich der diakritischen Zeichen häufig vielfältige Varianz auf, die nicht durch alle Schriftsätze dargestellt werden können. Bei der Transkription wurden abgesehen von den folgenden Normalisierungen keine Eingriffe in das Original vorgenommen: Auf dem Kopf stehende Lettern wurden stillschweigend korrigiert. Sonstige vom nhd. Standpunkt fehlerhaft erscheinende Repräsentationen im Text wurden übernommen. In Ausgaben, die verkürzte Virgeln aufweisen, wurden diese nur als Kommata gewertet und transkribiert, wenn sie die Höhe des Kleinbuchstabens e nicht überstiegen. Graphische Varianten, die innerhalb eines Druckes auftreten, wurden soweit möglich beibehalten (rundes r vs. nhd. r / Stab-s vs. rundes s). Typographische Varianz der Monographen für die Affrikata [ts] wurden stets als dargestellt, da Varianz nur zwischen verschiedenen Ausgaben auftritt. Das graphische Sonderzeichen für den Nasallaut /n/ mit Verlängerung (ŋ) wurde zu normalisiert, da es lediglich eine distributionsbedingte allographische Variante im Auslaut für das Phonem /n/ darstellt. Nach diesem ersten Arbeitsgang wurden die transkribierten Texte in XML (eXtensible Markup Language) überführt und annotiert. Vorteile dieses Formats sind die strikte Trennung von Inhalt und Form sowie die hohe Austauschbarkeit der Daten. Die Ausgabeform des Inhalts wird erst auf zweiter Ebene über Stylesheets bestimmt (XSL=eXtensible Stylesheet Language). Metasprachliche Informationen wurden als positionelle Annotationen im Text über Elemente (z. B. für clause) und Attribute (z. B. ana für analysis) verankert. Über Stylesheet-Transformationen konnten diese Informationen nach der Annotation gefiltert abgefragt werden. In einem ersten Arbeitsgang wurde die Lagenzählung und Textaufteilung auf die Blätter annotiert. Bei den verwendeten Elementen und Attributen wurde der Standard der Text Encoding Initiative (TEI) übernommen bzw. an die speziellen Bedürfnisse der Untersuchung angepasst.281 Dabei wurde ein Textausschnitt durch das Element ausgezeichnet, eine Seite durch das Element

und die Zählung des Textausschnittes bzw. der Seite durch das Attribut n angegeben. Ein Beispiel hierfür wäre die innerhalb der Textpassage 1 befindliche Rückseite des zweiten Blatts der vierten Lage:

Text



Diese Strukturierung war notwendig, um später die annotierten sprachlichen Phänomene den Lagen und Blättern zuweisen und somit eventuelle Setzerwechsel konstatieren 280

Die diakritischen Zeichen finden sich auf der Homepage des Unicode Standards definiert unter http://www.unicode.org/charts /PDF/U0300.pdf. 281 Die TEI hält in Kapitel 7 der Guidelines des P5-Standards auch linguistische Tags bereit. Siehe http://www.tei-c.org/release/doc/tei-p5-doc/en/html/AI.html#AILC.

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Forschungsstand, Gegenstandsbereich und Methode

zu können.282 Danach wurden in einem Arbeitsgang die phonologischen und morphologischen Untersuchungsphänomene im Text annotiert. Als Beispiel soll hier ein Beleg zu Abb. 3 angeführt werden. alles das / das ir mir ratent zeton vn̄ zu͛erfüllen Der Textbeleg zu͛ erfüllen wird durch das Element ausgezeichnet. Das Attribut type gibt den zugrunde liegenden untersuchten Lautwandel an, hier die md. Monophthongierung, während im Attribut ana über die Werte +/- angegeben wird, ob der Lautwandel in der Graphie als durchgeführt oder nicht durchgeführt dargestellt wird. Über Stylesheets kann nach erfolgtem Annotationsdurchgang eine Anfrage gestellt werden, die alle Belege auflistet, in denen Monophthongierung annotiert wurde, unterschieden nach erfolgter und nicht erfolgter Monophthonggraphie und unter Angabe der Seite, auf der sich jeder Beleg befindet. Zusätzlich wurden zu jeder Ausgabe über das OpenSource-Konkordanzprogramm TextSTAT283 nach Belegfrequenz, Alphabet und rückläufig geordnete Wortlisten erstellt. Darüber hinaus wurden zu den Textdateien Subdateien angelegt, die nur die Textausschnitte 1 und 2 beinhalten, da der Kontrolltextausschnitt 3 mit allen Anfangs- und Endblättern der Lagen von Ausgabe zu Ausgabe variabel ist. Die Subdateien mit den Textausschnitten 1 und 2 gewähren daher eine höhere Vergleichbarkeit, da diese beiden Textteile in jeder Ausgabe inhaltlich konstant bleiben. Auf Basis dieser Subdateien wurden ebenfalls Wortlisten erstellt und lemmatisiert. Die textlinguistischen Untersuchungsbereiche zur Erarbeitung charakteristischer Eigenheiten der Textsorte Frnhd. Prosaroman wurden gesondert annotiert und bearbeitet. Auf mikrostruktureller Ebene wurde den Ergebnissen Roloffs Rechnung getragen und versucht, diese anhand des Datenmaterials zu verifizieren. Im Bereich der Para- und Hypotaxe kommt Roloff zu dem Ergebnis, dass „die Parataxe der stilistische Ausdruck einer bestimmten Erzählhaltung ist“, die durch „Einfachheit, Klarheit und Geordnetheit“ der Linie des Berichtens folgt und auf eine „geistige Simplizität des Erzählers“ (Roloff 1970: 157) hindeutet. Charakteristisch für diesen Textsortenvertreter ist ihm, „daß der Hauptsatz den Vorzug genießt“ und die Parataxe „der Hypotaxe nur in der Oratio aus rhetorisch-formalen und nicht aus logischen Gründen weicht“ (Roloff: 1970: 190). Darüber hinaus spricht Roloff die „einfache, wiederholungsreiche Struktur der syntaktischen Einzelglieder“ (Roloff 1970: 190) an. Im Bereich der materiellen Wiederaufnahme einmal eingeführter Textelemente soll überprüft werden, inwiefern die Prosa der Melusine durch Rekurrenz gekennzeichnet ist und wann und wie stark anstelle der rekurrierenden Elemente Pronominalisierung oder 282

Wie bereits erörtert wurde, war die Lage beim Setzen die Arbeitsgröße, nach welcher die Setzer sich die Arbeit an einem Werk aufteilten. Somit kann man aufgrund graphematischer oder phonematischer Besonderheiten in bestimmten Lagen Setzerwechsel erkennen. 283 http://neon.niederlandistik.fu-berlin.de/textstat/.

Methodologie

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Substitution zur Steigerung der variatio eingesetzt werden. Anhand dieser Parameter kann eine Verschiebung des Konzeptionalität des Textes vom Nähe- zum Distanzpol überprüft werden. Zu diesem Zweck wurden Erstnennungen eines Referenzpunktes über das Element annotiert und mit dem Attribut xml:id spezifiziert. Jede wietere Referenz auf diesen zuvor (oder auch danach) eingeführten Referenten wird als Segment einer Referenzkette durch das Element ausgezeichnet, das über das Attribut corresp mit der Erstnennung verlinkt wird. Zusätzlich dazu erhält jedes Segment ein eigenes xml:id-Attribut, in dem die Art der Wiederaufnahme spezifiziert wird, also Pronominalisierung (Pro), Rekurrenz (Rek), partielle Rekurrenz (parRek), Substitiution (Sub) oder elliptische Wiederaufnahme (Ell). Über XSLT können dann die Kohäsionsketten zu einzelnen Personen oder Gegenständen im Text, wie z. B. dem König von Elsass oder der Stadt Prag, ausgegeben werden und intereditorial miteinander verglichen werden. Die zu verifizierende Hypothese dabei lautet, dass die frühen Textzeugen stark durch Rekurrenz geprägt sind und erst im Verlauf der Textüberlieferung stärkere Pronominalisierung und Substitution eingeführt wird. Das aus dem erarbeiteten Material gewonnene Zahlen- und Belegmaterial, die Zwischenergebnisse und die daraus zuletzt gezogenen Schlüsse im Fortlauf dieser Arbeit beruhen auf den hier skizzierten Vorarbeiten. Direktbelege aus dem Text werden kursiv gesetzt, Verweise auf ein Lexem werden in einfachen Anführungszeichen hervorgehoben. Im folgenden Kapitel III werden zunächst die Drucker, daraufhin die jeweils für die Melusine verwendete Type, die graphematischen Besonderheiten sowie die Abhängigkeitsverhältnisse jeder Ausgabe vorgestellt, bevor in Kapitel IV auf die untersuchten Phänomene des Laut- und Formenwandels innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine eingegangen wird. Kapitel V bespricht ausgewählte Fragestellungen aus dem Bereich des Textsortenwandels. In Kapitel VI wird abschließend ein Resümee der Ergebnisse gezogen.

III. Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

1.

Beginn der Drucküberlieferung

In den folgenden Kapiteln werden die Melusine-Drucke ausgehend von den beiden ersten Ausgaben Richel-1473/74 und Bämler-1474 und der vorherigen bzw. gleichzeitigen handschriftlichen Tradierung zueinander in Beziehung gesetzt, so dass die intereditorialen Beziehungen und Textabhängigkeiten klar etabliert sind, bevor jede Melusine-Ausgabe, der jeweilige Drucker, dessen Verlagsprogramm und verwendetes typographisches Material im Einzelnen vorgestellt werden können. Basierend auf den Kenntnissen über diese graphische Varianz bedingenden Faktoren, also Vorlagenabhängigkeiten, buchhändlerische Beziehungen der Drucker untereinander und das verwendete Typenmaterial, wird für jeden Melusine-Druck das Schriftsystem des jeweiligen Druckers dargestellt. Lange Zeit galt die in Johann Bämlers Augsburger Offizin am 2. November 1474 fertig gestellte Ausgabe der Melusine als Erstdruck. Nachdem zuletzt vom Gesamtkatalog der Wiegendrucke 2004 diese Datierung übernommen wurde, stellte Ursula Rautenberg die Argumente für und wider eine Umdatierung des Richel-Druckes zusammen, wobei sie letztlich auf Basis ikonographischer,1 materieller2 und textlicher3 Indizien zu dem Schluss kommt, dass „die editio princeps der Melusine des Thüring von Ringoltingen aus der Baseler Werkstatt Bernhard Richels […] frühestens auf 1473 zu datieren [ist], spätestens auf Mitte 1474, in jedem Fall aber vor 2. November 1474“ (Rautenberg 2006: 77). Dass Bämler der Richel-Druck während der Planung und Einrichtung seines Druckvorhabens bekannt geworden ist, woraufhin er die Illustrationen als Vorlage verwendete, ist durchaus möglich, wenn „Richel mit der Melusine spä1 2

3

Rautenberg (2006: 72–77). Zur ikonographischen Argumentation vgl. Backes (2004), Butz (1987). 1. Argument: „Die Wasserzeichenanalyse des Freiburger Exemplars spricht für eine Drucklegung 1473/74, wahrscheinlich bereits 1473.“ Rautenberg (2006: 77). Vgl. auch Sack (1985: Nr. 2433). 2. Argument: Um die Schulden, die Richel nachweislich bei Jakob Kungschaher in Nürnberg hatte und die dieser am 16. Januar 1473 fordert, zurückzuzahlen, könnte Richel die Melusine verwendet haben. Vgl. Rautenberg (2006: 77). Richels Vorlage muss dem Originalmanuskript Thüring von Ringoltingens sehr nahe stehen. Sein Druck und die Basler Handschrift von 1471 gehen wohl auf eine im Umkreis der Basler ThüringRezeption verbreitete Vorlage zurück. Vgl. Habermann (2006: 112).

Die Handschriftenüberlieferung der Melusine im deutschsprachigen Raum

93

testens Mitte 1474 auf dem Markt“ (Rautenberg 2006: 76) gewesen wäre. Der Textaufbau und -inhalt der beiden Ausgaben untermauert allerdings die These, dass die Arbeiten an den beiden Ausgaben unabhängig voneinander begonnen wurden.4 Die Textgestalt der beiden ersten Melusine-Drucke speist sich aus zwei verschiedenen Handschriftentraditionen, wobei bei Bämler, der selbst als Autor in Erscheinung trat, eine stilistisch-inhaltliche Bearbeitung einer Vorlage nicht auszuschließen ist. Neben der Hypothese, dass uns die direkte Vorlage sowohl Richels als auch Bämlers nicht überliefert ist, kann dieses Kapitel durch folgende Annahme abgeschlossen werden: „Richel und Bämler werden ihre Melusine-Ausgaben unabhängig voneinander geplant haben“ (Rautenberg 2006: 76).

2.

Die Handschriftenüberlieferung der Melusine im deutschsprachigen Raum

Für die frühe Zeit des Buchdrucks, in der Druck und Handschrift noch parallel auftreten, konstatiert Ott basierend auf den „für Handschriftenillustrationen und Inkunabelholzschnitt gleichen, zumindest vergleichbaren, Produktionsprinzipien“ eine „überlieferungsgeschichtliche Untrennbarkeit von Handschrift und gedrucktem Buch“ (Ott 1984: 362). So gibt es auch bei der Tradierung der Melusine in den 70er und 80er Jahren des 15. Jhs. wechselseitige Beziehungen in Bezug auf Text, Bild und Typographie zwischen der Handschriftentradition und Drucküberlieferung. Die handschriftliche Überlieferung ist angesichts der Tatsache, dass es zur Zeit des Abschlusses der Übersetzung durch Thüring von Ringoltingen im Jahre 1456 nicht mehr lange dauerte, bis sich in den 1470er Jahren der Buchdruck letztlich etabliert hatte und in weiten Teilen Europas Verwendung zur Reproduktion des Schrifttums der Zeit gefunden hatte, mit 16 Handschriften relativ umfangreich.5 Ein Vergleich mehrerer Textstellen, an denen sich Bämlers und Richels Text unterscheiden, zeigt deutlich, dass der Text der vier sicher vor der editio princeps geschriebenen Handschriften nicht als direkte Vorlage für Richels oder Bämlers Druckversion gedient haben kann.

4

5

Für Richels Melusine bestätigt Günthart die nahtlose Fortsetzung der im eidgenössischen Gebiet angesiedelten regionalen Texttradition. „Die Vorlage für den Druck der Melusine, deren Publikation wohl […] auf die Initiative der Richelschen Offizin zurückzuführen ist, kam wahrscheinlich aus der Umgebung von Basel.“ (Günthart 2007: 152). Die folgende Auflistung dieser Handschriften findet sich in Schnyder (2006: 116).

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

94

Aufbewahrungsort

Signatur

Umfang

1

Klosterneuburg, Stiftsbibl.

CCL 747

2

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Basel, Universitätsbibl.

4028

Bl. 38r– 92v Bl. 1r–97v

O. I. 18

Bl. 1r–82v

Berlin, Staatsbibl. Preußischer Kulturbesitz München, Bayerische Staatsbibl. St. Gallen, Kantonsbibl.

mgf 1064

Bl. 6r – 51v Bl. 1r–58v

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Kopenhagen, Königliche Bibl.

59160

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Stuttgart, Württemberg. Landesbibl. Karlsruhe, Badische Landesbibl.7 Berlin, Staatsbibl. Preußischer Kulturbesitz Strasbourg, Bibliothèque nationale et universitaire Gießen, Universitätsbibl. Hamburg, Staats- und Universitätsbibl. München, Bayerische Staatsbibl. Erlangen, Universitätsbibl.

cgm 318 Nr. 454

Bibl. Thottiana 423 in fol. cod.poet.et phil. 2° 10 cod. 143

Bl. 1v– 109r Bl. 1r– 188r Bl. 4v–93v Bl. 1r–68r

mgf 779

Bl. 1r– 132v Bl. 1r–68r

ms. 2265

Bl. 1r–98v

cod. germ. 104 cod. germ. 5

Bl. 134r– 202r Bl. 2r–68v

cgm 252

Bl. 177r– 190v Bl. 148r– 239r

B 10

Entstehungsgeb./ Sprache/Datierung west-schwäb. 5.1.1465 obd. 1468 alem. 29.3.1471 bair. 1471 bair. 16.9.1477 alem. 6./7.4.1478 schwäb. 18.3.1483 alem. Ende 15. Jh. schwäb. Ende 15. Jh. alem. Ende 15. Jh. Nürnberg 2. Hälfte 15. Jh. alem. Ende 15. Jh. alem. 2. Hälfte 15. Jh. alem. Ende 15. Jh. Augsburg 1455–1477 ostfrk., vermutlich Nürnberg, 1471

Sigel6 K, II N, II B, I R, I M, III G, II U, III O, I S, I D, II E, II T, II Gi, II Ha, II m, III er, II

Tab. 3: Handschriftliche Überlieferung der Melusine

Die Handschriften B und R schließt bereits Schneider entschieden als Vorlagen für weitere Abschriften oder Abdrucke aus, da sie zu viele Sonderfehler enthalten (vgl. Schneider 1958: 25). Des Weiteren macht sie auch deutlich, dass für die Ausgabe Bämlers keine direkte Vorlage überliefert ist, sondern es sich dabei um „eine Kontamination aus den Fassungen von U und T“ (Schneider 1958: 25) handeln müsse. Angesichts der Tatsache, dass jede Handschrift ein Unikat darstellt, die Unterschiede und Schreibfehler zwischen den tradierten Handschriften teilweise sehr stark sind und 6 7

Sigel und Überlieferungsgruppenzuordnung nach Schneider (1958). Ehemals Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek.

Die Handschriftenüberlieferung der Melusine im deutschsprachigen Raum

95

selbst bei Druckausgaben die Überlieferung lückenhaft ist bzw. häufig nur ein Exemplar oder nur ein Fragment eines Exemplars erhalten ist, muss davon ausgegangen werden, dass nicht wenige Handschriften verloren gegangen sind. Auch finden sich die zwei von Schneider herausgearbeiteten groben Sonderfehler der handschriftlichen Überlieferung, an denen sie ihre Klassifikation exemplifiziert, in keiner Druckausgabe wieder (vgl. Schneider 1958: 19–28). Die kunstgeschichtliche Erforschung der Melusine bestätigt allerdings, „dass Richels Holzschnitte […] unmittelbar auf der Handschriftentradition fußen“ (Rautenberg 2006: 72). So sind „34 der 67 Holzschnitte Richels ‚mehr oder weniger genaue, seitenverkehrte Abbilder‘ der Handschrift von 1471“ (Rautenberg 2006: 72), doch ist diese sprachlich fortschrittlicher als Richels Ausgabe und weist grobe Fehler auf (vgl. Habermann 2006: 112), die eine monodirektionale Abhängigkeit zwischen Richel und der Handschrift B zweifelhaft erscheinen lassen. Vielmehr muss wohl angenommen werden, dass sowohl für Richels Druck als auch für Niklaus Meyer zum Pfeils8 Handschrift als Vorlage „eine gemeinsame, nicht bekannte oder erhaltene Handschrift mit dem umfangreichen Zyklus vorlag“ (Rautenberg 2006: 72). In Hinblick auf die Tradierung der Melusine des Thüring von Ringoltingen muss also für die beiden ersten Druckausgaben konstatiert werden, dass die direkten Vorlagen nicht überliefert sind bzw. die Drucker so stark aus verschiedenen Vorlagen kompilierten, dass sich dies nicht mehr rekonstruieren lässt. Wir haben es mit zwei neuen Textvarianten zu tun, die sich als eigenständige Tradierungszweige von der Handschriftentradition abgrenzen. Die von Schneider mit den Inkunabeln in Klassen eingeordneten Handschriften U, M und m lassen sich eindeutig als Abschriften von Drucken nachweisen. Schneider stellt bereits die Hypothese auf, dass die Handschrift U eine Abschrift der Ausgabe Knoblochtzer-1482 darstellt. Der Textvergleich hat dies bestätigt, wobei im Folgenden der Beweis anhand eines Abschreibfehlers sowie einer unikalen Eigenheit in Knoblochtzer-1482 und der Handschrift U exemplarisch geführt werden soll. Gleich in der ersten Vorrede unterläuft dem Schreiber der Handschrift ein Fehler, indem er in der Zeile verrutscht. Der Druck bietet ihm folgendes Bild: […] Der ſelb berg leyt in Franckreich • vn̄ wart dyſe merfey alle ſamſtag von dem nabel hinab ein groſſer langer wůrmb dan ſie einhalb ein geſpenſt was • […]

8

„Von rund der Hälfte der erhaltenen Handschriften, die Thürings Text überliefern, sind die Schreiber oder zeitgenössischen Besitzer bekannt.“ Dazu zählen Niklaus Meyer zum Pfeil (Basel), Hans Wissach (St. Gallen), Konrad Beck (Mengen), Hans Gsell (Konstanz), Hieronymus Herbrunner (Burg Luftenstein bei Lofer im Salzburger Saalachtal), Wilhelm von Urbach und Christoph Rüther (Bezirk Kitzbühel; beauftragte einen Tiroler Schreiber und schenkte die Handschrift dem Dominikanerinnenkloster Mariathal im Brandenbergertal am linken Innufer). Vgl. Günthart (2007: 247– 248).

96

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Hier verrutscht der Schreiber in der Zeile, da die Graphemkette in dieser Ausgabe in zwei aufeinanderfolgenden Zeilen fast an gleicher Stelle steht, so dass die Version der Handschrift lautet: […] der ſelb ǁ berg lÿtt Jn franckrich / vnd waɾt ǁ dyſe Merfey̋ e / alle ſamſztag von ǁ dem nabel hinab / ein geſpenſt ǁ was […]. Da der vorliegende Satz in der Handschrift zwei finite Verbformen enthält (waɾt, was), wird deutlich, dass es sich nicht um einen bewussten Eingriff, sondern um einen Fehler handelt. Ein Fehler der dritten Knoblochtzer-Ausgabe im Vergleich mit den Vorgängerausgaben dieser Offizin findet sich ebenfalls in der Handschrift U: Knoblochtzer-1478 (e1b): […] vn̄ do der Kunig vnder dy ǁ ſtat in bodē kam do tet er jn botſchaft das er alſo komen wer […]. Knoblochtzer-1482 (d1b): […] vnnd do der Kúnig vnder die ſtat ǁ in bodem do thet er in botſchafft das er alſo kūmen ǁ wer […]. Handschrift U (68v): […] vnd ǁ do der kũnig vnder die ſtatt Jn bo= ǁ dem / do tett er Jn̄ bottſchafft / das er ǁ alzo komen wer […]. Das Verb des temporalen Nebensatzes fehlt (kam) und der Nasalstrich wird im Vergleich zur vorherigen Tradierung falsch aufgelöst (boden > bodē > bodem). Damit ergibt sich ein weiteres Kriterium zur genaueren Datierung des dritten Melusine-Druckes Knoblochtzers, da die Handschrift von Wilhelm von Urbach am 18. März 1483 vollendet wurde. Somit muss die Vollendung des Druckes spätestens gegen Ende des Jahres 1482 erfolgt gewesen sein. Die Handschrift M hingegen folgt im Wortlaut und makrostrukturellen Aufbau den Augsburger Ausgaben. Sie geht eindeutig auf den ersten Druck der Melusine aus der Offizin Johann Bämlers zurück,9 da Hieronymus Herprunner die Abschrift 1477 vor dem Erscheinen weiterer Augsburger Melusine-Drucke in Lofer (Salzburg) abschloss.10 Dieses Abhängigkeitsverhältnis gibt einen interessanten Einblick in die Buchhandelspraxis. Betrachtet man das damalige Handelsroutennetz, stellt man fest, dass die kleine Marktgemeinde direkt an einer wichtigen Handelsroute von Innsbruck nach Salzburg liegt.11 9 10

11

„Zeitlich besteht die Möglichkeit, daß M eine Abschrift des ersten Druckes ist.“ Schneider (1958: 25). Siehe Schneider (1970: 316–317). Die Abhängigkeit wird durch den Textvergleich untermauert, da Bämler-1480 und Schönsperger-1488 am Ende der Textpassage nach der Tötung des Riesen Gedeon durch Goffroy ein Satzgefüge hinzufügt, das sich in der Handschrift M und dem ersten Druck Bämlers nicht findet. Bämler-1474: vnd als er in ſolcher vnmůß was vnd ſich ǁ zůrichtet v͡ n auff dz meɾ wil ſiczen ~ (Ende der Textpassage) Bämler-1480:vnd als er in ſoͤ llicher vnmůß was vn̄ ǁ ſich zůrichtet vn̄ auff dz mer will ſiczē ~ ſo kumpt im ey̋ n botſchaft durch die er bewegt ward dz er voɾ hin ey̋ n ǁ űbele ſach volbɾacht ~ dar durch ſeinē vatter vn̄ můter ǁ kūmer vn̄ ley̋ d auff erſtůnd als hienach geſchɾibē ſtet ~ Lofer hatte Marktrecht und gehörte seit 1228 zum Fürsterzbistum Salzburg. 1477 ereignete sich ein Brand in Lofer, dem vermutlich alle früheren Urkunden zum Opfer fielen. Vgl. Ecker (1901: 23– 26).

Die Handschriftenüberlieferung der Melusine im deutschsprachigen Raum

97

Abb. 4: Handelsrouten des 16. Jhs.12

Das handschriftliche Fragment m, das sich in einer Sammelhandschrift (Cgm 252) befindet, wurde von dem Berufsschreiber Konrad Bollstatter geschrieben (vgl. Wolf 1996: 59). Dieser war von 1466 bis 1482 Bürger in Augsburg und hatte nachweislich enge Beziehungen zu Johann Bämler (vgl. Wolf 1996: 83–84). Seine bei Wolf anhand chronistischer Texte dargestellte Arbeitsweise mit vielen Quellen und Texten spiegelt sich auch in dem Melusine-Fragment wider, da die einzige ausgeführte Federzeichnung eindeutig auf Richel zurückgeht, wohingegen der Text eine Kompilation der Ausgaben Richels und Bämlers darstellt. So ist das erste Incipit beispielsweise zweimal geschrieben, wobei die erste Version klar der Richels folgt und die zweite Version Bämlers Text näher steht. Bollstatter „verglich, verbesserte, kompilierte und komponierte […] seine 12

Ausschnitt aus einer Handelsroutenkarte, die sich im Ende als Einheftung bei Künast 1997 mit folgender Beschreibung findet: „Bearbeiteter Ausschnitt aus Karte 2: Herbert Krüger: Das älteste deutsche Routenhandbuch. Jörg Gails « Raißbüchlin ». Mit 6 Routenkarten und 272 Originalseiten im Faksimile. Graz 1974.“ Die Tatsache, dass ein Exemplar der Ausgabe Bämlers den Weg in die österreichische Alpenregion des Salzburger Landes gefunden hat, wird durch einen Blick auf die Handelsrouten der Zeit erhellt, was wiederum mehr Licht auf die Wege des frühen Buchhandels wirft.

98

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Vorlagen mit einer bisweilen akribischen Genauigkeit“ (Wolf 1996: 79), so dass „er mehr als ein bloßer Kopist oder Lohnschreiber war“ (Wolf 1996: 79). Was die Verbindungen zu Johann Bämler angeht, mutmaßt Wolf, dass Bollstatter, der scheinbar regelmäßig an Druckexemplare Bämlers gelangte, selbst jedoch nicht finanziell vermögend war, als Berater bzw. Mitarbeiter für Bämler gewirkt haben könnte. Der Befund innerhalb der Melusine-Tradierung untermauert diese Vermutungen, da Bollstatter hier seine Kompilationstätigkeit und sein Streben, eine korrektere, bessere Version des Bestehenden zu erschaffen, sehr deutlich betreibt, indem er mit der Ausgabe Richels die Bildvorlage wählt, die zu jener Zeit die hochwertigste darstellte, und bei der Auswahl des Textes in größerem Ausmaß der Ausgabe Bämlers, die den überregional anerkannteren Schreibusus als die Ausgabe Richels in stilistisch ausgefeilterer Manier verwendet. Die Kompilation aus den beiden Ausgaben wird an einer Stelle sehr deutlich, an der Bollstatter einen Nachtrag als Marginalie einfügt. Auf Bl. 179r der Handschrift m lautet die erste Zeile: hernach hören auff das kürtzeſt Ʌ (W)ann auch ſolich […]. Am oberen Rand über der Schmuckinitiale (W) findet sich der Nachtrag Ʌ begreiffen. Bei Bämler steht an gleicher Stelle die Version ohne Nachtrag, was den Schluss zulässt, dass Bollstatter primär nach der Bämler-Ausgabe geschrieben hat und Ergänzungen oder seiner Ansicht nach akkuratere Wiedergaben der gleichen Textstelle aus der Ausgabe Richels bezogen hat, in welcher sich das Verb mhd. begrîfen an exakt dieser Stelle findet. Was auf dieser Seite unbestreitbar deutlich wird, ist, dass beim Verfassen des Fragments m sowohl Richels, als auch Bämlers Ausgabe verwendet wurden, da der folgende Titulus den Zusatz vnd zū tranſlatieren wiedergibt, der so nur bei Bämler steht, nicht aber bei Richel. Wie im Werk Thürings selber darauf hingewiesen wird, dass Johann von Portenach seinem Kaplan auftrug, aus verschiedenen Chroniken eine Familienchronik zusammenzulesen, so ist auch, wie sich ebenso für die Drucküberlieferung zeigen wird, in der Überlieferung der Melusine die Kompilation aus mehreren Vorlagen keine Seltenheit.13 Eine weitere Beziehung zwischen Handschriftentradition und Drucküberlieferung lässt sich für die Handschrift E nachweisen, wobei diese lediglich um die Vorrede und den Schluss aus dem Straßburger Druck Matthias Hupfuffs aus dem Jahre 1506 ergänzt wird. Diese sind nicht zusammen mit dem Text der Handschrift E geschrieben worden.14 Der Text selbst steht nicht mit der Drucküberlieferung in Zusammenhang, da 13

14

Kompilation stellt „eine weitverbreitete Methode theologischer und fachwissenschaftlicher Textproduktion“ dar. „So berichtet etwa Albrecht von Eyb in der Vorrede zu seinem Spiegel der Sitten um 1474, er habe das deutsche Buch in ähnlicher Weise verfaßt, ‚so ich vormals ains in latein zů samen hab getragen vnd gemacht‘, währen Konrad von Megenberg über die Vorlage seiner Naturlehre ausführt, ‚daz hât Albertus maisterleich gesamnet von den alten‘ und Ulrich von Pottenstein in seiner Katechismus-Vorrede angibt, er habe seinen Text ‚zusammen gechlaubet‘.“ Schneider (2004: 247). Dies geht aus den Lagen hervor. Vgl. dazu Schneider (1958: 15).

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

99

sich darin typische auf die Handschriftenüberlieferung beschränkt gebliebene Fehler finden. Dass bereits relativ früh nach Erscheinen der ersten Drucke der Melusine Abschriften von Drucken entstehen, belegt die frühen Wechselwirkungen zwischen Handschriftenund Drucküberlieferung, die in der Anfangszeit des Drucks nicht auf die Nachahmung der Handschriftentradition im Buchdruck beschränkt bleiben, sondern auch andersgerichtet verlaufen. Dennoch besteht während der Inkunabelzeit parallel zu den Drucken die Handschriftentradition der Melusine fort, die Emanzipation der Drucküberlieferung dieses Textes beginnt jedoch mit ihrem Einsetzen.

3.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

Die Überlieferung der Melusine bis zum Ende des 17. Jhs. ergibt eine klare Dreiteilung des Ausgaben-Korpus, die sich einerseits in historisch-kulturellen Entwicklungen wie der Reformation, der Ausweitung des Lesepublikums in Folge der Reformation und des damit zusammenhängenden Prestigegewinns der Volkssprache, der das Erwachen metasprachlicher Reflexion im Bereich der Muttersprache zur Folge hat, widerspiegelt. Andererseits unterstützen auch Überlieferungslücken, sprachimmanente Wandelerscheinungen und buchhandelsgeschichtliche Faktoren die Dreiteilung. Der erste Einschnitt liegt 1516–1537 vor, als infolge der Reformation neue Impulse in der Schreibung des Deutschen gesetzt wurden, die sich auch im Melusine-Korpus in den Ausgaben Steiners wiederfinden, der zweite durch die Überlieferungslücke 1588–1648. Basierend auf dieser Einteilung, die auch der Untersuchung der sprachlichen Phänomene auf den Ebenen der Graphie, Phonologie und Morphologie zugrunde liegt, werden in den folgenden Kapiteln die Textabhängigkeiten, die Drucker und das Druckprogramm ihrer Offizinen, das verwendete Typenmaterial und die Besonderheiten ihrer Graphiesysteme in ihren Melusine-Ausgaben vorgestellt.

3.1

Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

Befasst man sich mit Schreibsprachen, deren Kodierung nicht auf einer präskriptiven Norm basiert, ist die Feststellung der unmittelbaren Vorbilder, in unserem Falle der Vorlagentexte, die zum Satz der Drucke verwendet wurden, unverzichtbar. Hartweg weist zu Recht darauf hin, dass zur Untersuchung der Sprache eines Druckerzeugnisses unter anderen Faktoren auch die Vorlagenabhängigkeit geklärt sein muss (vgl. Hartweg 2000: 1689), da besonders zu einer Zeit ohne verbindliche orthographische Norm die Sprache potentieller Druckvorlagen die Sprache des Untersuchungsgegenstands un-

100

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

mittelbar beeinflussen kann. Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Vorlagenabhängigkeiten auf Textbasis. Diese weisen nicht immer Parallelen zu den Abhängigkeitsverhältnissen der Illustrationszyklen auf, da vor allem ab dem 16. Jh. verstärkt damit gerechnet werden muss und nachgewiesen werden kann, dass die Drucker nicht immer nur eine Vorlage verwendeten.15 In Kapitel III.1 wurde bereits versucht zu begründen, dass die beiden frühesten Ausgaben (Richel-1473/74 und Bämler-1474) weitestgehend unabhängig voneinander entstanden, was auch anhand eines Vergleichs bestimmter Textstellen bestätigt werden kann. Eine direkte Vorlage ist uns für keinen der beiden Drucke erhalten. Ausgehend von zwei in diesen beiden Ausgaben voneinander stark abweichenden Textstellen innerhalb der ausgewählten untersuchten Textausschnitte sollen zunächst die groben Überlieferungslinien dargestellt werden, bevor anhand weiterer Textstellen die Binnengliederung der Überlieferungsgruppen weiter spezifiziert und nachgewiesen werden soll.16 TS 1 sei hier für die Inkunabelausgaben Richel-1473/74 und Bämler-1474 angeführt und im Detail verglichen: […] Dis er ſach der tu̓ rckiſche keiſer ǁ vnd (a) begunde von zoɾn gar ſere wu̓ ten doɾ vmb das er ſach die ſinen ǁ alſo do (b) vnder gon vnd name ſinē ſchilt zů yme (c) vn̄ zuckete ſin ſwert ǁ vnd ſlůg einen criſten (-) (d) das er dott vff die erden viel / Dis er ſach von ǁ vngeſchicht (e) reynhart vnd der zuckete einen ſoͤ llichē ſtarcken ſchlag ǁ mit ſinem ſwert (f)/ vnd gab dem tu̓ rckiſchen keiſer ein ſo vngefu͛ ges ǁ treff (g) das er ym ſinen helm zerſchriet / […] Richel-1473/74 (Bl. e3a, Z. 5) […] Diſes erſach der Tűrckiſch keyſer / deɾ (a) begund vor ǁ zorn gar ſer wuͤ tten / darumb das er ſach die ſeinen alſo ǁ vaſt (b) vnd’geen / v͡ n eɾ richte ſeinen ſchilt zů der weɾe (c) / v͡ n ǁ zuckte ſein ſchwert v͡ n ſchlůg einen Criſten alſo ſere v͡ n ǁ hartt (d) das er todt auff die erden viel Diß erſach (-) (e) Rein= ǁ hart d’ ſchlůg in ſein pfaͤ rt gar mit frey̋ em v͡ n manlichē ǁ můtt / v͡ n eɾzuckte ſein ſchwert widerumb auß dē pfaͤ rt ǁ wann eɾ dz vaſt v̑ wundet hett (f) / v͡ n gab dem Tűrckiſchē ǁ key̋ ſer einen ſo vngefuͤ gen treffenlichē ſchlag (g) das er jm ǁ ſeinen helm zeɾſchriett […] Bämler-1474 (Bl. e11a, Z. 7) Der augenscheinlichste Unterschied innerhalb dieser Passage ist inhaltlicher Natur (f). Der Zweikampf zwischen Reinhart und dem türkischen Kaiser wird bei Bämler 15

16

Zu den Abhängigkeitsverhältnissen der Illustrationszyklen der Drucke des 15. bis 17. Jhs. vgl. Hespers (2010). Eine Dissertation zu diesem Themenbereich ist durch Benedicta Feraudi in Vorbereitung. Mit dem Vergleich einiger weniger Textstellen zum Beleg der Textabhängigkeiten begibt man sich auf dünnes Eis. Der Rahmen dieser Arbeit lässt allerdings den Abdruck aller verglichenen Textstellen nicht zu. Insgesamt wurden 32 Textstellen, bei denen sich Abweichungen zwischen einzelnen oder mehreren Überlieferungsträgern zeigten, gesammelt, sowie 98 lexikalische Auffälligkeiten, die ebenfalls zur Rekonstruktion der Vorlagenabhängigkeiten beitrugen. Die im Folgenden als Referenz auf die Textstellen gewählten Benennungen (TS 1, 2, 3 etc.) spiegeln die Anordnung der Textstellen in VII.1 wider.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

101

detaillierter geschildert, wohingegen die Verletzung des Pferdes des Kaisers durch Reinhart in Richel-1473/74 überhaupt nicht geschildert wird. Dort wird nur beschrieben, welch starken Schlag Reinhart führte und welch verheerende Wirkung dieser Treffer für den türkischen Kaiser hatte. Bei Bämler werden diese beiden Aspekte – das Führen des Schwerthiebs und das Treffen des Gegners – in einer Nominalphrase mit Nukleus ſchlag und pränominalem Adjektivattribut treffenlichē verbunden (g). Die weiteren Abweichungen (a)–(e) sollen im Fortlauf Kriterien zur Feststellung der Abhängigkeit der einzelnen Ausgaben zueinander sein. Bei Betrachtung derselben Textstelle und den Abweichungen (a)–(e) in den Ausgaben des 15. Jhs. wird augenfällig, dass sich einerseits die drei Augsburger Drucke und andererseits die restlichen Drucke aus Straßburg, Basel und Heidelberg zu je einer Gruppe zusammenfassen lassen. Eine Binnengliederung der Straßburger Ausgaben ergibt eine direkte Abhängigkeit der Ausgaben Knoblochtzer-1477 und Prüss-1478 von Richel-1473/74 und eine von Knoblochtzer-1477 ausgehende, leicht modifizierte Textform in Knoblochtzer-1478, auf der die folgenden beiden Knoblochtzer-Ausgaben basieren.17 Zusätzlich unterstützt eine lexikalische Veränderung an anderer Stelle diese These, da statt schutz glenē (Schuss-, Wurflanze) bei Richel und allen anderen Ausgaben des 15. Jhs. nur in den drei späteren Ausgaben Knoblochtzers abweichend glen (Knoblochtzer-1478), glenen (Knoblochtzer-1482) bzw. glennen (Knoblochtzer-1491) erscheint. Die Version der TS 1 in Bämler-1474 findet sich in den beiden folgenden Augsburger Inkunabeldrucken mit gleichem Wortlaut. Das Ende des der Untersuchung zugrunde liegenden Textausschnitts 1 differiert in den beiden Überlieferungssträngen ebenfalls stark und dient daher zur Veranschaulichung der Binnengliederung der Straßburger Überlieferung im 15. Jh.18 Die beiden Überlieferungsstränge aus Augsburg und dem oberrh. Gebiet können wiederum deutlich voneinander unterschieden werden. Auch hier ist der Text Bämlers umfangreicher und expliziter. In Knoblochtzer-1477 findet sich eine Abweichung von Richel. Es wird die verbale Doppelformel am Ende der Textpassage gekürzt. In Knoblochtzer-1478 wird die gekürzte Version übernommen, es wird syntaktisch jedoch weiter vereinfacht. Diese Version begegnet sodann in den folgenden beiden Ausgaben Knoblochtzers. Aufgrund des Textvergleichs wird die in Tab. 1 festgelegte Chronologie der undatierten Ausgaben aus der Offizin Heinrich Knoblochtzers, die von der Ansetzung im GW abweicht, angesetzt und für den weiteren Verlauf der Untersuchung vorausgesetzt. Am deutlichsten werden die direkte Abhängigkeit der Ausgabe Knoblochtzer-1477 von Richel und die Chronologie der restlichen Knoblochtzer-Ausgaben an der TS 10. Hierbei 17

18

Vgl. neben anderen TS beispielsweise TS 21. Die Nominalphrase der eintige dorechte man apt bei Richel findet sich mit gleichem Wortlaut nur bei Knoblochtzer-1477 und Prüss-1478, wobei in den anderen Knoblochtzer-Ausgaben die Phrase gekürzt erscheint: d’ eintige dorecht abt (Knoblochtzer-1478). Die Augsburger Ausgaben bieten an dieser Stelle eine andere Version: der einige vnd toͤ rete man d’ Abbt (Bämler-1474). Siehe TS 24 unter VII.1.

102

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

handelt es sich um eine Aufreihung von Historien, die der Verfasser selbst gelesen habe, wobei die Titel Sankt Wilhelm und Herzog Wilhelm von Orleans genannt werden. Bei der Anfertigung des Druckes Knoblochtzer-1478 nach der Vorlage Knoblochtzer1477 wanderte der Blick des Setzers während des Setzvorgangs von der ersten Nennung des Namens wilhelm zur zweiten, so dass ab dieser Ausgabe in den KnoblochtzerAusgaben die Wortreihe von pontus von herczog wilhelm fehlt. In Prüss-1478, den Augsburger Drucken und Brandis-1479 begegnet die vollständige Aufzählung. Auf makrostruktureller Text-Bild-Ebene erscheint darüber hinaus außerhalb der untersuchten Textausschnitte eine Folge von illustrierten Tituli innerhalb der Augsburger Texte, die sich im oberrh. Überlieferungsstrang nicht findet.19 Stellvertretend werden hier die Tituli aus Bämler-1474 präsentiert. Die beiden anderen Augsburger Ausgaben und die Handschrift M folgen dieser Textstrukturierung. Der Fließtext ist bei folgender Darstellung ausgeklammert. Wie Meluſina dz ſchloß Luſiniē gar erlich vn̄ koſt ǁ lich zebawen anfieng ~ (Holzschnitt) […] Wie Luſinien dz ſchloß nun ſchoͤ n erbaw̋ en wz ~ vn̑ ǁ Meluſina gebar Vriens iɾen eɾſten ſune ~ (Holzschnitt) […] Wie Meluſina gewan vn̄ gebar den andern ſun dē ǁ ſy̋ nampt Gedes ~ der was rot an dem angeſicht ~ (KEIN Holzschnitt)

Eine Besonderheit, die sich bei Richel nicht findet, ist der letzte der drei Tituli, der nicht mit einem Holzschnitt gekoppelt ist. Die Einheit Titulus-Holzschnitt ist bei Richel zu 100 Prozent repräsentiert. Von den drei Tituli erscheint keiner in den Straßburger Ausgaben. Dort werden die entsprechenden Textpassagen durch Initialen und Paragraphenbildung anstelle der Tituli gegliedert.20 Die Version der nd. Übersetzung deutet auf eine Vorlage aus der oberrh. Überlieferungstradition hin. Durch einen Vergleich der Tituli konnte deutlich nachgewiesen werden, dass die nd. Inkunabel auf die Ausgabe Prüss-1478 zurückgeht. Bei Richel und Knoblochtzer finden sich an dieser Stelle sehr kurze Tituli, die bei Prüss durch einen inhaltlich verschiedenen und auch umfangreicheren Titulus ersetzt werden. An gleicher Stelle im Text steht jeweils: Richel-1473/74 (d5b): Wye der ku͛ nig von elſas die fu͛ rſten vmb genode batt Prüss-1478 (d5b): Hie det der ku̓ nig von elſaß anthonio vn̄ ſeinem bɾůder dz woɾt fu̓ r d’ fu̓ r ǁ ſtin vn̄ iungfrouwen von lu̓ czelburg reten dz ſy doɾ an woͤ lten ſein dz ein ǁ gemahelſchaft geſchech zwu̓ ſchē anthonio vn̄ der fu̓ rſtin vn̄ iungfrowē Brandis-1479 (22v): Hir deit de koninck van Elſas Anthonio ǁ vnde ſineme bɾoder dat wort voɾ der voɾſt ǁ innen van Lutzelboɾch redere dat ſe dar na ǁ wolde weelen dat een vertruwent twiſchen ǁ Anthonio vnde der voɾſtinnē vnde iuncfru ǁ wen ſchege •:

Angesichts der kunsthistorischen Forschungsergebnisse (vgl. Hespers 2010: 171–173) und der Tatsache, dass dieser Titulus in dieser Form nur in Prüss-1478 auftritt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Lübecker Melusine ausgehend von der Ausgabe aus der 19 20

Siehe TS 19. Vgl. dazu Kapitel V.1.1.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

103

Offizin Johann Prüss’ d. Ä. ins Nd. übertragen wurde.21 Folgende Darstellung subsumiert die Abhängigkeitsverhältnisse der Ausgaben des 15. Jhs.: Inkunabelüberlieferung Oberrheinische Überlieferung

Augsburger Überlieferung

Handschriftenüberlieferung

Richel-1473/74

Bämler-1474

Knoblochtzer-1477 (GW: 2. Ausgabe)

Prüss-1478

Knoblochtzer-1478 (GW: 1. Ausgabe)

Brandis-1479 (nd. Übersetzung)

Knoblochtzer-1482

Bämler-1480

Schönsperger-1488

Knoblochtzer-1491

Abb. 5: Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben der Melusine des 15. Jhs. 22

Der an dieser Stelle mit dem Wechsel des 15. zum 16. Jh. vollzogene Schnitt stellt keinen willkürlichen nur temporal oder forschungsgeschichtlich durch das Ende der Inkunabelzeit begründeten dar, sondern basiert auf dem Abbruch der Straßburger Überlieferung. Obwohl der erste Drucker im 16. Jh., der die Melusine 1506 im obd. Raum wieder in sein Druckprogramm aufnahm – Matthias Hupfuff – in Straßburg tätig war, kam die oberrh. Überlieferung zum Erliegen. Denn seine Textversion basiert eindeutig auf dem Augsburger Überlieferungsstrang. Allerdings stellt Hupfuffs Text eine neue

21 22

Vgl. Schlusemann (2004), die bereits die Vorlage auf die von Richel-1473/74 ausgehende oberrh. Überlieferungstradition einengt, allerdings nicht genauer bestimmt. Pfeile mit durchgezogener Linie stehen für primäre Textabhängigkeiten, Pfeile mit gestrichelter Linie für sekundäre Textabhängigkeiten.

104

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Texttradition dar, da er die Vorlage stilistisch bearbeitet und häufig ergänzt. Beispielhaft soll dies für die oben bereits angeführten Textstellen exemplifiziert werden. TS 1: Dis ſahe der Türckiſch keyſer wol der begunde ǁ voɾ zoɾn ſeer wu͛ tten darumb das die ſynen ǁ alſo vaſt ernider gelegt wurden.vnnd richtet ǁ ſinen ſchilt zu͛ der were.vnd zuckt ſin ſchweɾt vnd ſchlu͛ g einen criſten ǁ alſo ſeer vnd ſo hart das er tod vff die erden viel. Das erſahe Reyn / ǁ hart der ſpoɾet ſyn pferd gar mit freyem vn̄ manlichem mu͛ te vn̄ zuck ǁ et auch darmite ſyn ſchweɾt mit grymen vn̄ eylt dar vff dē Türckiſch ǁ en keyſer und gab ym ſo ein vngefügen ſtreich das er ym ſin helm zer ǁ ſchriet Zunächst wird hier deutlich, dass alle oben für die Bämler-Version angeführten Merkmale bei Hupfuff erscheinen. Darüber hinaus hat Hupfuff allerdings die Stelle, an der geschildert wird, wie Reinhart das Pferd des türkischen Kaisers verletzt, inhaltlich umgedeutet und infolgedessen reformuliert. Dem eigenen Pferd Reinharts werden nun von diesem die Sporen gegeben. Auch die TS 10 belegt die bewusst den Text verbessernde bzw. umarbeitende Arbeit Hupfuffs bei seinem Neudruck der Melusine. TS 10: auch von ſant . Wil ǁ helm . vnd von Pontus . von Hertzog Wilhelm von Otlich* vn̄ von ǁ Merlin . vnd vō Hertzog Wilhelm von oͤ ſterich Einerseits spezifiziert Hupfuff den Text dahingehend, dass er die additive Konjunktion vnd einfügt, um deutlich zu machen, dass es sich nicht um Sankt Wilhelm von Pontus handelt, sondern dass ausgesagt werden soll, dass der Verfasser die Historien von Sankt Wilhelm und von Pontus gelesen hat. Darüber hinaus ergänzt Hupfuff die Akkumulation um ein Glied (vnd vō Hertzog Wilhelm von oͤ ſterich). Diese Ergänzung findet sich bei der folgenden Straßburger Ausgabe von Johann Knobloch nicht. Dennoch folgt Knobloch primär dem Text der Ausgabe Hupfuffs, was bei den engen geschäftlichen Beziehungen der beiden Drucker nicht weiter verwundert.23 Doch zeigen diese und die folgende TS exemplarisch, dass Knobloch nicht nur auf die Druckversion Hupfuffs zurückgegriffen hat, sondern auch eine ältere Vorlage gehabt haben muss. Die Textpassage, in der Goffroy den Riesen Gedeon tötet, schließt in der Drucküberlieferung des 15. und 16. Jhs. stets mit dem folgenden Satz, der hier stellvertretend aus der Ausgabe Knobloch-1516 zitiert wird: Vnd alſo ertoͤ dtet Goffroy ǁ den vngefuͤ gen Riſen vff dem plan٠ Hupfuff fügt am Ende dieser Textpassage noch einen Relativsatz hinzu: Vnd alſo ertoͤ tet ǁ goffroy dē vngefu͛ gen Rißen vff dem plane der da dem volck in dem ǁ land gar groſſen ſchaden lange zyt hatt gethon. Diese Ergänzung findet sich in der weiteren Überlieferung nicht mehr, da für den Text der ersten Ausgabe des zweiten Untersuchungszeitraums (Steiner-1538) die letzte 23

Vgl. Kapitel III.4.10 und III.4.11.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

105

Ausgabe des ersten Untersuchungszeitraums als Vorlage diente (Knobloch-1516) und in der folgenden Überlieferungsgeschichte der Druckausgaben der Melusine nicht mehr auf Ausgaben zurückgegriffen wurde, die älter als Knobloch-1516 sind. Knobloch stützt sich also auf die neueste ihm vorliegende Ausgabe von Hupfuff, kompiliert seinen Text allerdings auch mit Hilfe einer oder mehrerer Vorlagen aus dem 15. Jh. Die Verwendung der alten Holzstöcke der Ausgabe Knoblochtzer-1491 in Knoblochs Melusine lässt vermuten, dass er von dieser Ausgabe auch den Text vorliegen hatte.24 Eine weitere Vermutung lässt sich aufstellen, wenn man die Tatsache bedenkt, dass Johann Knobloch wohl die gesamte Offizin Matthias Hupfuffs und das dazugehörige offizininterne Material übernahm. So war Knobloch wohl nicht nur der Druck Hupfuffs selbst, sondern auch dessen Druckvorlage zugängig. Damit ließe sich erklären, dass Knobloch zwar primär Hupfuffs Text folgt, aber nicht alle Ergänzungen, die Hupfuff seiner Vorlage hinzufügt, übernimmt. Knobloch greift auch auf eine ältere Vorlage als die Hupfuffs zurück. Einige der untersuchten TS belegen dies.25 Doch welche der Augsburger Ausgaben hatte Hupfuff für seinen Druck als Textbasis verwendet? Nachdem Goffroy den Riesen Gedeon getötet hat, sucht ihn ein Bote auf, der ihn um Hilfe gegen einen weiteren Riesen bittet. Goffroy trifft seine Reisevorbereitungen, womit das Kapitel endet. Im Vergleich zu Bämler-1474 bieten die beiden späteren Augsburger Ausgaben hier allerdings einen Zusatz, der sich auch bei Hupfuff findet und auch weiter in die Überlieferung eingeht. Hupfuff muss also entweder Bämler-1480 oder Schönsperger-1488 als Vorlage verwendet haben. Diese beiden Ausgaben unterscheiden sich an einer Stelle besonders stark, da hier Schönsperger einen neuen Titulus einfügt, wo die Bämler-Ausgaben nur durch etwa 4 bis 5 Zeilen umfassendes Blindmaterial einen neuen Paragraphen anzeigt.26 Der gleiche Titulus findet sich auch bei Hupfuff. Dieser hatte somit aller Voraussicht nach die Ausgabe Schönspergers als Vorlage für seine Umarbeitung. TS 25 liefert ein weiteres Indiz. Bei Schönsperger heißt es hier: […] Jch lob vn̄ dāck ǁ got vnd ſeiner lieben můter maria d’ ǁ groſſen erbarmunge […]. Die erste Ausgabe Bämlers nennt den Namen der Mutter Gottes nicht und weist auch das Lexem ›Erbarmung‹ in veralteter Form und mit Setzerfehler auf (rrbarmus). Bämler-1480 bietet zwar das Suffix ›-ung‹, allerdings fehlt auch hier der Name Marias. Dieser erscheint an besagter Stelle nur bei Schönsperger und Hupfuff. Letzterer setzt also einerseits die Augsburger Texttradition fort, andererseits durch die Verwendung eines Großteils der 24

25

26

Auffällig bei der Wiederverwendung der Holzstöcke ist besonders die Illustration auf Bl. g7a in Knobloch-1516, die in Knoblochtzer-1491 nicht auffindbar war. Dieser zusätzlich eingefügte Holzschnitt folgt dabei der Ikonographie der drei früheren Ausgaben Knoblochtzers. Möglicherweise waren Knobloch mehrere Ausgaben Knoblochtzers bekannt. Vgl. Hespers (2010: 186). Siehe beispielsweise TS 11. Das einzige Mal in der Überlieferung heißt es bei Hupfuff an dieser Stelle ſpieſſe vnd hellebarten statt meſſer vnd hellebarten. Bei Knobloch heißt es wie stets vor Hupfuffs Bearbeitung Messer und Hellebarten. Vgl. TS 18.

106

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Holzschnitte aus der Ausgabe Prüss-1478 die ikonographische Tradition der von Richels Druckausgabe ausgehenden Überlieferung in Straßburg.27

3.2

Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Zu Hochzeiten der reformatorischen Publikationswelle verschiebt sich im Zuge der religiösen Auseinandersetzung der Fokus der Drucker in der Gestaltung ihres Programms, so dass die Melusine erst wieder nach 22 Jahren gedruckt wurde.28 Viele andere frnhd. Prosaromane fielen der Reformation zum Opfer und wurden danach nicht mehr gedruckt. Der Melusine blieb dieses Schicksal erspart, da der Augsburger Drucker Heinrich Steiner sie 1538 in sein Programm aufnimmt. Der Text der Ausgaben basiert dabei auf der Ausgabe Knobloch-1516.29 Allerdings darf auch bei Steiner nicht von einer Beschränkung auf nur eine Vorlage ausgegangen werden, da in den untersuchten Textausschnitten die Tituli in drei Ausnahmefällen statt Knobloch-1516 der Ausgabe Bämler-1474 folgen. Die Ikonographie der Holzschnitte Steiners weist ebenfalls auf diese Vorlage hin (vgl. Hespers 2010: 188–194). Direkt abhängig von Knobloch-1516 erweist sich auch die Straßburger Ausgabe Messerschmidt-1539, die mit der sprachlichen Form der Vorlage frei umgeht, sich allerdings inhaltlich an die Tradition hält.30 Die chronologisch nächste Ausgabe der Melusine erscheint 1549 in Frankfurt aus der Offizin Hermann Gülfferichs. Der Vergleich der Formulierung der Tituli zeigt, dass Gülfferichs Ausgabe auf eine Ausgabe Steiners zurückgeht. Er kürzt die Tituli Steiners nur aus typographischen Gründen, wenn diese zusammen mit dem Holzstock nicht mehr in den vorgesehenen Satzspiegel passen. Ansonsten hält sich Gülfferich streng an die Titulusformulierungen bei Steiner. Ein Vergleich der Graphie zeigt deutlich, dass Gülfferichs Text auf der letzten Ausgabe Steiners basiert. Eine im DWB als Nebenform zu fürbaz verzeichnete Form erscheint zum ersten Mal bei Steiner-1543 und begegnet genau an gleicher Stelle mit von der Normalgraphie abweichender Schreibung fortbaß. Diese Form findet sich jeweils nur einmal in den untersuchten Textausschnitten der Ausgaben der zweiten Hälfte des 16. Jhs., allerdings bis zur Ausgabe Feyerabends immer genau an der gleichen Stelle.31 27 28 29 30 31

Eine graphische Darstellung der Abhängigkeiten dieses Zeitraums findet sich in Abb. 9. Besonders schön zeigt sich dies beispielsweise in unserem Korpus am Druckprogramm Johann Knoblochs, der nach 1519/1520 keine Prosaromane mehr druckt. Vgl. Kapitel III.4.11. Vgl. v. a. den Setzerfehler in Knobloch-1516 in TS 30, der in den beiden ersten Steiner-Ausgaben unreflektiert übernommen und erst in Steiner-1540 ausgebessert wird. Die Vorlage Knobloch-1516 wird durch die biographischen Daten der Drucker untermauert. Vgl. Kapitel III.5.3. Die Ausgabe Messerschmidt-1539 geht nicht in die weitere Überlieferung ein. Steiner-1540: […] ſo will ich nun ǁ fürtbaß alle meine geſchaͤ fft vnd ſachen […]; Steiner-1543: […] ſo will ǁ ich nun foɾtbaß alle meine geſchaͤ fft vnd ſachen […]; Gülfferich-1549: […] ſo wil ich nun fortbaß ǁ alle meine gſchaͤ fft vnd ſachen […]; Han-1556: […] ſo will ich nu fortbaß alle ǁ meine

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

107

Ein Fehler der Setzer in Steiners Offizin beim Nachsetzen des Knobloch-Textes beweist die unmittelbare Abhängigkeit der Gülfferich-Ausgabe von Steiner (TS 28). Knobloch1516: […] Da ǁ kament zwen lantzherɾē / die nament die zwen bɾuͤ ǁ der vnd fuͤ rten ſie in die burg […]. Bereits in der ersten Ausgabe Steiners taucht der Fehler auf, so dass davon auszugehen ist, dass Steiner sich bei den Neuauflagen auf seine eigenen Vorlagen beschränkt hat. Der Blick des Setzers schweifte hierbei wohl vom ersten die zum zweiten die ab, so dass der oben unterstrichene Teil in Steiner-1538 fehlt: Da kament zwen landsherɾen / die zwen ǁ bruͤ der vnnd fuͤ rten ſie inn die burg. In Gülfferich1549, wofür scheinbar nur diese Version vorlag, wird das Verb vorgezogen, so dass sich eine inhaltlich-stilistische Verbesserung dieser Stelle ergibt: Da kamend zwen Landsherren / vnnd fuͤ = ǁ reten die zwen Bruͤ der inn die Burg […]. Für die weiteren Vorlagenabhängigkeiten der Melusine-Ausgaben ist wiederum TS 1 aussagekräftig.32 In Gülfferichs Drucksetzung schleicht sich ein Fehler ein. Der Setzer rutscht in Z. 4 der TS 1 mit seinem Blick in Z. 5 ab, da / vñ und / vnd in der Ausgabe Steiner-1543 direkt untereinander erscheinen. Somit fehlen in Gülfferichs Ausgabe die beiden Hauptsätze vñ zuckt ſein ſchwer* ǁ vnd ſchlůg einen Chɾiſten alſo ſeer /. Dies wird in allen Frankfurter Ausgaben übernommen, obwohl der Fehler zu einer falschen deiktischen Relation führt, da das Pronomen er seine Bezugsphrase einen Chɾiſten verloren hat und ohne Wissen um diesen Fehler vom Leser logisch-semantisch auf den türkischen Kaiser rückbezogen werden muss. In Rebart/Han-1571 wird in der Präpositionalphrase zu der wehr die Präposition zu durch nach ausgetauscht. Dies findet sich auch bei Reffeler/Han-1577 und Feyerabend-1587. In den drei Ausgaben Müller-1577, Egenolff-1578 und Egenolff-1580 erscheint an dieser seit Gülfferich-1549 fehlerhaften Stelle eine neue Version, die transparente Bezüge im Satz herstellt. Für die diesen Ausgaben zugrundeliegende Textversion muss eine Ausgabe verwendet worden sein, die den Fehler in TS 1, der ab der Ausgabe Gülfferichs belegt ist, enthalten hat, da die Ursprungsversion nicht wiederhergestellt wird, sondern die missverständliche durch den Setzerfehler entstandene Version durch das Einfügen weniger Textelemente wieder sinnvoll gestaltet wird. Das Personalpronomen er bleibt auf den türkischen Kaiser bezogen, doch durch die Wahl des transitiven Kausativums zu dem intransitiven Verb fallen wird der Kaiser der Agens, der vil(e) tötet. Die Eigenständigkeit und Zusammengehörigkeit dieser Gruppe zeigt sich in vielen Belegen, so auch in TS 11, wo es gewöhnlich mit langen meſſern vnd hellebarten heißt. Die beiden Egenolff-Ausgaben und die Ausgabe Müllers kürzen diese Stelle, indem sie die Paarformel zur Beschreibung der Bewaffnung der Krieger durch ein Hypernym ersetzen: Da ſahen ſie gar vil Pa=ǁ nier vnd volcks mit jhɾen wehɾen (stellvertretend Müller-1577).

32

Geſchefft vnd ſachen […]; Han-1562: […] ſo wil ich nun fortbaß alle ǁ meine Geſchefft vnd ſachen […]. Aus Platzgründen ist TS 1 für die jeweiligen Ausgaben nicht zitiert. Unter VII.1 findet sich die Textstelle aus Richel-1473/74.

108

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Die Chronologie der Frankfurter Ausgaben von Gülfferich-Han-Feyerabend spiegelt gleichzeitig die Vorlagenabhängigkeiten wider. Ein Sonderfehler, der in der Ausgabe Rebart/Han-1571 auftritt, verdeutlicht dies. Dort heißt es an einer Stelle (TS 12), an der zuvor stets ſechs ihrer Ritter stand, ſelbs ihrer Ritter. Bei Reffeler/Han-1577 und Feyerabend-1587 heißt es dann jeweils ebenfalls ſelbß. Erhellend ist dabei auch, dass es in Manger-1574 wieder ſechs ihrer Ritter lautet, was darauf hindeutet, dass Manger auf eine Frankfurter Ausgabe vor Rebart/Han-1571 zurückgeht.33 Der moralisierende Einschub Thüring von Ringoltingens, der aus dem Leben des heiligen Ambrosius berichtet, wurde bereits in der handschriftlichen Überlieferung umgedeutet,34 wodurch er als Episode aus dem Leben des heiligen Augustinus in die Drucküberlieferung einging.35 Das lateinische Zitat an dieser Stelle, das in allen Ausgaben bis zum Beginn der Prosaromanproduktion in Frankfurt erscheint,36 findet sich auch noch bei Gülfferich, nicht aber in den restlichen Frankfurter Han-Ausgaben. Egenolff und Müller wiederum bieten das Zitat. Innerhalb der Frankfurter Ausgaben geht Reffeler/Han-1577 auf Rebart/Han-1571 zurück und Feyerabend verwendet für sein Buch der Liebe den Text der Ausgabe Reffeler/Han-1577. Die makrostrukturelle Gliederung des Textes in Manger-1574 zeigt, dass in dieser Augsburger Ausgabe entweder auf die Ausgabe Han-1562 oder auf Han-1564 zurückgegriffen wurde. Der Vergleich der Holzschnittzyklen deutet auf die um 1562 entstandene Ausgabe als direkte Vorlage für den Augsburger Drucker hin. Ein Setzerfehler in Han-1564 dient dabei als weiteres Indiz.37 Der Setzer der Ausgabe Han-1564 lässt dabei eine Zeile aus, da in der Vorlage Han-1562 zwei aufeinanderfolgende Zeilen mit exakt dem gleichen Bild enden: Schwe=. Dass bei allen folgenden Ausgaben dieses Überlieferungsstranges (Rebart/Han-1571, Reffeler/Han-1577, Feyerabend-1587) diese Zeile ebenfalls fehlt, verdeutlicht, dass den Frankfurter Druckern stets nur die aktuellste Ausgabe aus ihrem direkten Umfeld als Vorlage diente. An anderer Stelle steht in der Augsburger Überlieferung das Adverb immer.38 Ab der Ausgabe Han-1562 findet sich an dieser Stelle allerdings das Adverb stets. Die Egenolff-Ausgaben und Müller-1577 greifen wieder auf die ältere Tradition zurück und bieten an dieser Stelle immer. 33 34

35

36 37 38

Bei Manger heißt es in TS 1 auch nicht nach der wehr, wie ab Rebart/Han-1571 der Fall, sondern wie in der Überlieferung zuvor zu der wehr. Allerdings ist der Fehler in der handschriftlichen Überlieferung auf die stark fehlerbehafteten Handschriften B und R beschränkt. Diese Handschriften kommen nicht als Druckvorlagen in Frage. U und M weisen den Fehler ebenfalls auf, stellen allerdings Druckabschriften dar. Schneider (1958: 26–27). „Satz von Augustinus: Successus humanae prosperitatis est verum indicium eternae damnacionis.“ In Gülfferich-1549 erscheint folgende Übersetzung des Zitates: Das iſt zu Teutſch ſo viel / dz die gluͤ ckſeligkeit dieſer Welt iſt ein gwiß zeichen der ewigen verdamnis. Die Ausnahme stellt hier nur der nd. Druck Brandis-1479 dar. Vgl. TS 32. Vgl. TS 15. Bei Richel und den Straßburger Ausgaben inklusive Knoblochtzers Heidelberger Ausgabe fehlt an dieser Stelle das Adverb gänzlich.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

109

Die lexikalischen Wandelerscheinungen unterstützen diesen Befund.39 Dass die hier angesetzte Chronologie der Egenolff-Ausgaben als gegeben vorausgesetzt wird, beruht auf den Beobachtungen von Künast (vgl. Künast 2010: 332–337). Bleibt die Frage nach der Beziehung der Ausgabe Müller-1577 zu den Ausgaben der Erbengemeinschaft Christian Egenolffs. Die Tituli zeigen bei Müller hohe Deckungsgleichheit mit Steiner.40 Das ikonographische Material deutet darauf hin, dass vom Formschneider der Holzstöcke Müllers auf Steiners Holzschnitte, aber auch Holzschnitte Hans Brosamers aus Frankfurter Drucken aus dem Han-Umfeld zurückgegriffen wurde.41 Wie bereits durch TS 1 angedeutet, lag(en) Müller neben der primären Vorlage eines SteinerDruckes auch ein (oder mehrere) Frankfurter Druck(e) vor. Da diese zu dieser Zeit den Markt für deutschsprachige Unterhaltungsliteratur beherrschten, verwundert es einerseits nicht, dass Müller sie bei der Erstellung seiner Melusine-Ausgabe konsultierte, andererseits nimmt es kaum Wunder, dass er sich aus marktstrategischen Gründen durch Verwendung einer älteren Ausgabe von dem Erscheinungsbild der dominanten Frankfurter Ausgaben absetzen wollte. Müller-1577 und Egenolff-1578 hängen direkt voneinander ab, Egenolff-1580 weist hingegen einige Sonderfehler auf,42 die sich bei Müller nicht finden. Der Vergleich der Lemmalisten liefert einen höheren Prozentsatz an deckungsgleichen Graphien zwischen Egenolff-1578 und Müller-1577.43 Bei der Binnengliederung innerhalb dieser Gruppe zeigt der Textvergleich, dass Müllers Ausgabe vor den Ausgaben der Erbengemeinschaft Christian Egenolffs liegt. Somit liegen die beiden Frankfurter Ausgaben dieser Dreiergruppe zeitlich zwischen 1577 und 1580. Folgender Textausschnitt belegt, dass Müller-1577 nicht nach Egenolff-1578 gesetzt wurde, sondern umgekehrt. Müller-1577: […] die andern ſeine ǁ Kinder / deſter baß moͤ cht außſteuren / vnnd be= ǁ rahten. Egenolff-1578/1580: […] die an ǁ dern ſeine kinder deſter baß außſtewren vnd beſtatten. Die Version Müllers begegnet in allen Ausgaben, die ihm als Vorlagen gedient haben könnten. Die Abweichung der Egenolff-Ausgaben bleibt auf diese beschränkt. Die 39

40

41 42 43

Es wurden insgesamt 98 Textstellen mit lexikalischen Besonderheiten oder Veränderungen im Lauf der Überlieferung erhoben. Die Verwendung des Begriffes kraft waſſer anstelle von kalt waſſer, das Melusine nach ihrer Ohnmacht ins Gesicht gespritzt wird, damit sie zu Bewusstsein kommt, bleibt auf die Sondergruppe Müller/Egenolff beschränkt. Nur an einer Stelle fügt Müller einen Titulus ohne zugehörigen Holzschnitt ein, der in keiner möglichen Vorlage so erscheint, so dass in seiner Ausgabe 67 Tituli begegnen, bei Steiner aber nur 66. Müller-1577, Bl. B7a: Wie Gɾaff Bertram ſeinem vettern Rey= ǁ munden vnd der ſchoͤ nen Meluſina mit allem ǁ ſeinem Hoffgeſind / zůr hoch= ǁ zeit erſchein. Freundlicher Hinweis von Benedicta Feraudi aus dem kunsthistorischen DFG-Teilprojekt zur Drucküberlieferung der Melusine. bleſonierung (Müller-1577) > bleſonierung (Egenolff-1578) > loſierung (Egenolff-1580); volck was nicht ferɾ (Müller-1577) > volck was nit ferɾ (Egenolff-1578) > volck was nun ferɾ (Egenolff-1580). TS 22 zeigt nochmals deutlich die Abhängigkeit dieser drei Ausgaben voneinander.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

110

Ausgaben Müllers und der Erben Egenolffs basieren somit wie die restlichen Frankfurter Ausgaben aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs. auf der Texttradition Steiners, welche allerdings stärker als von Gülfferich bearbeitet wird und aus mehreren Vorlagen kompiliert scheint, so dass in den 1570er Jahren eine Kontraststellung dieser Ausgaben zu den kleinformatigeren Melusine-Ausgaben der Gülfferich-Han-Druckerfamilie besteht. Anfang des 16. Jhs. greifen die Straßburger nicht mehr nur auf eine Vorlage aus dem unmittelbaren Umfeld zurück, sondern bedienen sich mehrerer Quellen für ihren Text und die Holzschnitte. Diese neue Textform der Melusine übernimmt Steiner von Knobloch, schöpft aber ebenfalls aus älteren Quellen. In der zweiten Hälfte des 16. Jhs. verschiebt sich der Schwerpunkt der Druckproduktion volkssprachlicher Werke aus den alten Zentren Augsburg und Straßburg nach Frankfurt, wo zwei von Steiner ausgehende Überlieferungsgruppen entstehen. Zur Unterstützung des Befundes wurden zwei Textseiten jeder Ausgabe mit den gleichen Passagen der primären Vorlage verglichen und anhand der lexikalisch-morphologischen Abweichungen zur Vorlage ein Quotient der Vorlagentreue errechnet. Da sich die Ergebnisse zu den beiden Textpassagen nicht signifikant unterscheiden, wird in der Folgetabelle lediglich das Ergebnis eines Vergleiches mit den errechneten Quotienten angegeben (siehe Tab. 4). Überlieferung der Melusine im 16. Jahrhundert Augsburger Inkunabelüberlieferung – Bämler, Schönsperger Oberrheinische Bildtradition

Messerschmidt-1539

Hupfuff-1506 Knobloch-1516 Steiner 1538

Straßburg / Augsburg

Steiner 1539 Steiner 1540 Steiner 1543

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

111

Steiner 1543 Gülfferich-1549 Frankfurt/a.M.

Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562

Straßburg: Müller-1577

Han-1564

Egenolff-1578

Rebart/Han-1571

Egenolff-1580

Augsburg: Manger-1574 Reffeler/Han-1577 Feyerabend-1587

Abb. 6: Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben der Melusine des 16. Jhs.44

Textseite

Primäre Vorlage

Wörter

Abweichungen

Quotient

Knoblochtzer-1477

Richel-1473/74

401

2

0,9950

Knoblochtzer-1478

Knoblochtzer-1477

384

31

0,9226

Prüss-1478

Richel-1473/74

402

4

0,9900

Bämler-1480

Bämler-1474

392

2

0,9948

Knoblochtzer-1482

Knoblochtzer-1478

390

10

0,9743

Schönsperger-1488

Bämler-1480

381

17

0,9553

44

Aufgrund der bemerkenswerten Kombination der oberrh. Bildtradition mit der Augsburger Texttradition durch Straßburger Drucker zu Beginn des 16. Jhs. wird diese ebenfalls dargestellt. Illustrationsabhängigkeiten werden mit Strichpunkt, primäre Textabhängigkeiten mit durchgezogener Linie, sekundäre Textabhängigkeiten mit gestrichelter Linie dargestellt.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

112

Knoblochtzer-1491

Knoblochtzer-1482

389

5

0,9871

Hupfuff-1506

Schönsperger-1488

343

66

0,8075

Knobloch-1516

Hupfuff-1506

371

34

0,9083

Steiner-1538

Knobloch-1516

369

3

0,9918

Steiner-1539

Steiner-1538

367

5

0,9863

Messerschmidt-1539

Knobloch-1516

310

95

0,6935

Steiner-1540

Steiner-1539

370

6

0,9837

Steiner-1543

Steiner-1540

369

0

100

Gülfferich-1549

Steiner-1543

370

5

0,9864

Gülfferich-1554

Gülfferich-1549

368

2

0,9945

Han-1556

Gülfferich-1554

370

1

0,9972

Han-1562

Han-1556

370

0

100

Han-1564

Han-1562

372

1

0,9973

Rebart/Han-1571

Han-1564

370

0

100

Manger-1574

Han-1562

369

4

0,9891

Reffeler/Han-1577

Rebart/Han-1571

377

12

0,9681

Müller-1577

Steiner-1543

360

16

0,9555

Egenolff-1578

Müller-1577

360

0

100

Egenolff-1580

Egenolff-1578

360

0

100

Feyerabend-1587

Reffeler/Han-1577

378

3

0,9920

45

46

Tab. 4: Vorlagentreue der Druckausgaben der Melusine des 15. und 16. Jhs.47

Grundsätzlich fällt auf, dass innerhalb der Überlieferung die Vorlagentreue zu den primären Vorlagen sehr hoch ist, v. a. bei den Ausgaben der zweiten Hälfte des 16. Jhs., den Han-Ausgaben und den Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff. Die beiden stärksten Textbearbeitungen finden sich in den Drucken Hupfuff-1506 und Messerschmidt-1539. Messerschmidts Text bleibt der einzige Zeuge dieser bearbeiteten Textgestalt, wohingegen Hupfuffs Text in Knoblochs Ausgabe aufgenommen wird, 45 46 47

Im Vergleich mit der sekundären Vorlage Bämler-1474 ergeben sich 59 Abweichungen von dieser (Quotient=0,8401). Im Vergleich mit Steiner-1543, der zweiten Vorlage für diesen Druck, ergibt sich mit 16 Abweichungen ein Quotient von 0,9555. In Bämler-1474 beginnt der überprüfte Textabschnitt auf f7b mit den Worten Wie Rey̋ mund Meluſina im pad ſahe […] und endet auf f8b mit daɾumb das er ſeinē průdeɾ ſo gar erzűrnet hett v͡ n ſein huld verloɾē hett ~ dann es dem grafen vom […].

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

113

allerdings auch durch Anleihen aus älteren Ausgaben auf den Textbestand vor Hupfuff zurückgeführt wird. Wie wichtig diese Erkenntnisse für die sprachstrukturelle Untersuchung sind, wird sich in den Ergebnissen in Abschnitt IV zeigen. Der Einfluss der Vorlagentexte auf die Setzersprachen darf zwar nicht überbewertet werden, doch gerade bei Drucken aus Offizinen, die nicht auf die Anfertigung deutschsprachiger Werke spezialisiert sind, darf er gleichzeitig keinesfalls unterschätzt werden.

3.3

Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

Für die vier Ausgaben des 17. Jhs. stellt es sich aufgrund der fehlenden Ausgaben der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts problematisch dar, direkte Vorlagen zu ermitteln. Es lässt sich lediglich der Bezug zu den Überlieferungsgruppen des 16. Jhs. herstellen. Ein Vergleich der Tituli zeigt dabei schnell, dass in Pfeiffer-1649 zum ersten Mal die Unterteilung des Textes in mehrere Subtexte durch Titulus und Holzschnitt von der tradierten Form im 16. Jh. stark abweicht. Die Textpassagen enden an anderen Stellen, Tituli sind neu formuliert eingefügt.48 Demnach stehen Pfeiffer-1649, ohne Ort-1692 und Nicolai1692/93 in direktem Überlieferungszusammenhang, da sie alle diese neue von der Tradition abweichende makrostrukturelle Textanordnung aufweisen. Die einzige Ausgabe, die sich in diesem Punkt eng an die Überlieferung des 16. Jhs. anlehnt, ist Endter-1672. Der Fehler in TS 1 findet sich nur dort, die anderen Ausgaben des 17. Jhs. bieten die verbesserte Version der Müller-Egenolff-Gruppe. Eine direkte Abhängigkeit zu einer der überlieferten Ausgaben lässt sich jedoch für keine der Ausgaben des 17. Jhs. rekonstruieren, da bei den Textstellenvergleichen Charakteristika aus allen Texttraditionen erscheinen. Endter-1672 steht allerdings auch in Beziehung zur Ausgabe Pfeiffer-1649, da die Holzschnitte beim Nürnberger Drucker denen Pfeiffers zum Verwechseln ähnlich sind, jedoch nicht identisch. Auch ist Endter-1672 trotz völlig unterschiedlicher Strukturierung auf Makroebene im Detail an vielen Textstellen mit dem Hamburger Druck konform. Für alle Ausgaben des 17. Jhs. heißt es beispielsweise übereinstimmend, allerdings von der vorherigen Überlieferung abweichend, in TS 14: was ich euch zuge= ǁ ſagt vnd verſprochen habe / ich habe es nit in ǁ Vergeſſenheit geſtellet […] Zum Vergleich Feyerabend-1587: was ich euch verſprochen habe / ich hab es nit vergeſſen […]. Ein Fehler, der in Pfeiffer-1649 erstmals auftritt, findet sich auch in den anderen drei Ausgaben des 17. Jhs. in TS 13: Feyerabend-1587: […] vnnd zu ehren meines Herren ſeligen vnnd ǁ Vatters / deß Erb jr ſeyt; Pfeiffer-1649: […] vnd Ehr / meines Herɾn ſeligen vnd Va= ǁ ters / deß Ehr jhr ſeyd.

48

Dies wird im Kapitel zur Makrostruktur der Ausgaben des Untersuchungszeitraums III noch deutlicher herausgearbeitet werden und soll hier nur als Indiz zur Gruppierung der Ausgaben angeführt werden.

114

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Die beiden Ausgaben zu Ende des 17. Jhs. scheinen dabei unabhängig voneinander zu sein und auf Pfeiffer-1649 bzw. eine verlorene Ausgabe, die auf Pfeiffer basiert, zurückzugehen. Beide Ausgaben weisen Veränderungen und Fehler im Vergleich zu Pfeiffers Text auf, haben diese jedoch nicht gemeinsam. So heißt es an einer Stelle bei Pfeiffer-1649 und ohne Ort-1692 und bitte euch mit Treuen, wohingegen in Nicolai1692/93 statt Treuen Thraͤ nen gesetzt wurde. Nicolai-1692/93 setzt an einer Stelle versetzet werden, wo die Version der beiden anderen versehen werden lautet. Der Eigenname Otenpleg erscheint bei Nicolai als Orenpfleg. Im Kontrast dazu wird der Eigenname Dardonien in der unfirmierten Ausgabe von 1692 als Präpositionaladverb darinnen gesetzt. Auch diese Ausgabe zeigt deutliche Abweichungen von Pfeiffer1649, die sich bei Nicolai wiederum nicht finden. So befindet sich das alte mhd. Wort vâlânt (Pfeiffer-1649:Voland) scheinbar nicht mehr im aktiven Wortschatz und wird daher als Name des Riesen Grimold reanalysiert: Roland. Statt der schutzglenen, durch die der König von Böhmen getötet wird, begegnet in ohne Ort-1692, dass er mit einem (Holzschnitt) vergifften Pfeil in den Leib geſchoſſen wurde.49 Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Vorlagenabhängigkeit der Ausgabe Pfeiffers nicht mehr rekonstruierbar ist und diese Ausgabe hier als Beginn einer neuen Überlieferungsgruppe des 17. Jhs. angesehen werden muss. Die Ausgabe Endter-1672 steht zwar ikonographisch und auf mikrostruktureller Ebene des Textes mit dieser Tradition in Verbindung, folgt allerdings in der makrostrukturellen Gliederung des Textes der alten Frankfurter Texttradition der Gülfferich-Han-Ausgaben. Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine des gesamten Untersuchungszeitraums sind in Abb. 8 dargelegt, so dass im Folgenden die Besonderheiten der Sprache und Textstrukturierung jeder einzelnen Druckausgabe der Melusine des Thüring von Ringoltingen aus dem 15. bis zum 17. Jh. unter Einbezug der sprachlichen und textgestalterischen Einflüsse aus der vorherigen Melusine-Tradition dargestellt werden können. Zunächst soll in chronologischer Reihenfolge dokumentiert werden, welche Lettern in den Offizinen eingesetzt wurden, um dann darzustellen, wie die Setzer diese benutzten, um bestimmte Bereiche des Lautsystems und morphologische Zusammenhänge abzubilden. Die Chronologie wurde lediglich in der Inkunabelzeit unterbrochen, um die beiden relativ eigenständig parallel zueinander entstandenen Inkunabelüberlieferungsstränge nochmals deutlich herauszustellen und kontrastieren zu 49

Weitere Indizien für die Eigenständigkeit der Ausgaben ohne Ort-1692 und Nicolai-1692/93: An anderer Stelle lässt diese Ausgabe die Präpositionalphrase von ſeinem Pferde aus, die aber bei Pfeiffer und Nicolai an dieser Stelle erscheint. Bei Nicolai und Pfeiffer werden die Helme der Feinde zerschroten, in ohne Ort-1692 zerbrochen. Ein Lesefehler scheint Ursache für die folgende Abweichung zu sein: ohne Ort-1692: daß ihr machet / wer euer Koͤ nig werden […] ſoll; Nicolai1692/93: daß jhr in acht habt / wer ewer ǁ Koͤ nig werden […] ſol. Bei schlechter Druckqualität, die für Pfeiffers Ausgabe durch das verwendete Papier durchaus besteht, kann + als fehlgedeutet werden. Es kann sich aber auch lediglich um eine inhaltliche Umformulierung handeln, da beide Versionen semantisch kohärent sind.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Drucke der Melusine

115

können. Denn im verwendeten Typenmaterial und in den Konventionen zur graphischen Abbildung der deutschen Sprache unterscheiden sich die in zwei verschiedenen Sprachlandschaften eingebetteten Drucksprachen der oberrh. Städte und Augsburgs signifikant. Ausgehend von der vermeintlichen editio princeps beginnt die Dokumentation mit dem oberrh. Überlieferungsstrang. Überlieferung der „Melusine“ im 17. Jahrhundert Frankfurter Überlieferung Überlieferungslücke 1587–1648 Verluste Köln: Nettesheim-1601 Augsburg: Franck-1612 Straßburg: Heyden-1624 Leipzig: Nerlich-1626

Pfeiffer-1649 Endter-1672 ohne Ort-1692

Nicolai-1692/93

Abb. 7: Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben der Melusine des 17. Jhs.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

116

Handschriftenüberlieferung Richel-1473/74 Oberrheinische Inkunabelüberlieferung: 6 Ausgaben von 1473/74 – 1491

Bämler-1474 Augsburger Inkunabelüberlieferung 3 Ausgaben von 1474 – 1488 um 1500

Hupfuff-1506 Knobloch-1516 Müller/Egenolff: 3 Ausgaben ca. 1577–1580

Messer schmidt-1539

Steiner 1538 – 1543 (4) Gülfferich-1549

Frankfurter Überlieferung: 9 Ausgaben bis Feyerabend-1587 Überlieferungslücke 1587 – 1648 Pfeiffer-1649 Nicolai-1692/93

Endter-1672

ohne Ort-1692 um 1700 Abb. 8: Übersicht über die Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben des 15.–17. Jhs.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

117

4.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

4.1

Bernhard Richel (Basel, 1473/74)

a.

Der Drucker Bernhard Richel und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Mit Bernhard Richel nimmt sich ein Drucker der Melusine an, in dessen Verlagsprogramm dieser Prosaroman verglichen mit den anderen Melusine-Druckern des 15. Jhs. als regelrechter Exot erscheint.50 Die Erzeugnisse aus der Offizin Richels sind überwiegend dem theologischen und kirchenrechtlichen Bereich zuzuordnen. Unter 50 GWEinträgen zu Druckwerken, die Richel zugeschrieben werden, erscheinen nur wenige deutschsprachige Drucke, wobei die Melusine des Thüring von Ringoltingen den einzigen Prosaroman darstellt.51 Damit nimmt die Melusine unter den fünf großen Illustrationswerken in deutscher Sprache, die in Richels Offizin entstehen, eine funktionalinhaltliche Sonderstellung ein.52 Der Druckerverleger Bernhard Richel53 lässt sich erstmals archivalisch 1472 im Verbotbuch der Stadt Basel fassen, in der er am 4. August 1474 das Bürgerrecht der Stadt Basel erwirbt. Die Zeit davor kann bei dem jetzigen Quellenstand nur spekulativ gefüllt werden, Rautenberg sieht es allerdings aufgrund eines nachgewiesenen Rechtsstreits Richels mit dem Nürnberger Jakob Kungschaher, einer Erwähnung „als ehrbare[m] Meister und Drucker ‚von Nuremberg‘“ „beim Kauf seines Hauses ‚Zum kleinen Blumen‘ am 25. August 1478“ (Rautenberg 2006: 63) und der unikalen Verwendung einer Zierleiste auf dem ersten Blatt der Melusine,54 die sowohl das Wappen der Stadt Basel, als auch das der Stadt Nürnberg nebeneinander stellt,55 als erwiesen an, dass Richel vor seiner Zeit in Basel in Nürnberg gewirkt hatte und dorthin auch bedeutende Beziehungen gehabt haben muss. Richel scheint aus dem Elsass zu stammen, da im

50 51 52 53 54 55

Zur Frage der editio princeps vgl. Kapitel III.1. „Etwa drei Viertel seiner Drucke sind in lateinischer Sprache.“ Rautenberg (2006: 66). Die Titel dieser lauten Spiegel menschlicher Behaltnis, Leben des hl. Fridolin, Jean de Mandevilles Reisen ins Heilige Land, Werner Rolevincks Ein bürdlin der zit. Vgl. Rautenberg (2006: 66). Vgl. Geldner (1968: 114–116), Günthart (2007: 28–29), Rautenberg (2006: 63–66), Voulliéme (1922:21). GW 12656, Bl. a1a. Als weiteres Indiz dafür, dass Richel Beziehungen nach Nürnberg unterhielt, kann das Exemplar aus der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt (Signatur: Inc. IV, 94) angeführt werden, in dem das Baseler Stadtwappen ausradiert und übermalt wurde. Das dortige Wappen verweist auf die fränkische Adelsfamilie Lentersheim, die im Raum Gunzenhausen ansässig war. Es „wurde zeitgenössisch in einer bürgerlichen Nürnberger Werkstatt vor 1485 gebunden“. Rautenberg (2006: 77).

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

118

Offnungsbuch und Roten Buch der Stadt Basel sein Heimatort mit Ehrwiler im Elsass56 bestimmt ist. Damit sind Einflüsse auf seine Druckersprache primär aus dem alemannischen Dialektraum zu erwarten, möglicherweise bedingt durch seine Nürnberger Zeit auch aus dem Grenzgebiet des Ofrk. und Nordbair.57 In der Melusine lässt sich dies nicht nachweisen. Grundsätzlich zeigt sich die Tendenz in den untersuchten Drucken, dass eine Korrelation der in einer Offizin verwendeten Schreibsprache mit der sprachlandschaftlichen Varietät, in der die Drucker ihr Handwerk erlernten und dann auch ausüben, besteht. Der Geburtsort oder temporäre Lebensstationen des Buchdruckers spielen dabei selten eine übergeordnete Rolle. Dies ist nicht zuletzt der Fall, weil die Drucker ohnehin nicht die unmittelbar zuständigen Personen für die Schreibsprache sind. Über diese Personen, die Setzer und Korrektoren, ist allerdings in den wenigsten Fällen genügend bekannt. Dass Drucke wie die Melusine Richels, die in reinster alem. Schreibsprache auf den Markt gebracht wird, nicht nur für die lokale Abnehmerschaft konzipiert waren, beweisen die buchhändlerischen Verflechtungen Richels. Sie zeigen, dass seine „Diener Südund Südwestdeutschland und Österreich bis in die Steiermark“ (Rautenberg 2006: 71) bereisten. Richel ist ein typischer Vertreter des Drucker-Verlegers der Frühzeit des Buchdrucks, der nicht nur von der eigenen Buchproduktion lebte, „nicht nur verlegerisch tätig [war], sondern auch als ‚Buchführer‘, als verbreitender Buchhändler, der […] auch mit der Ware anderer Druckerverleger“ (Rautenberg 2006: 71) handelte, auftrat. Das Argument Schirokauers gegen den Einfluss der Drucker auf die Herausbildung der nhd. Schriftsprache, dass der Anteil des Exports im Buchdruck ohnehin gering gewesen sei, gilt es damit erstmals in dieser Arbeit ernsthaft in Frage zu stellen. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Richel-1473/74

Von Richels für die Melusine sowohl für Tituli als auch Text verwendeter Gothico-Antiqua-Type58 finden in den untersuchten Textausschnitten folgende Graphe Gebrauch: Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abbreviaturen: 56 57 58

59

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ů u̓ u͛ uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJMNORSTVWZ} { / = }59 { ’ dz wz v̓ 60 n̄ ā ē ī ō ū }

Dabei handelt es sich wohl um „Ehenwiler bei Schlettstatt (Elsaß)“. Rautenberg (2006: 63, Anm. 15). Ebenso setzt Günthart (2007: 28) die Ankunft Richels in Basel aus Nürnberg auf spätestens 1471 an, wobei er auch während seiner Baseler Druckertätigkeit noch Beziehungen nach Nürnberg hatte. Die Type ist in den VGT unter Typ. 1:119G. Init. e, r(Leiste) verzeichnet. Bei der Inventarisierung der Type 1 hat man sich anscheinend an lateinischen Drucken Richels orientiert, da die Lettern a, u und o mit Superskript e in der Darstellung fehlen. Vgl. VGT (1918,XII: Tafeln 988, 991). Zahlen werden durch römische Zahlen dargestellt (einmal x, dreimal xv = einzige Verwendung des Graphen x). Richel verwendet keine Alinea, keinen Punkt, kein ɾc.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

c.

119

Besonderheiten der Graphie in Richel-1473/74

In der Basler Ausgabe Richel-1473/74 treten die Diphthonggraphien und genau so wenig wie die konsonantischen Auslautgraphien und auf. Eine graphische Markierung von Langvokalen durch Doppelvokalgraphie oder Dehnungs-h fehlt ebenfalls noch gänzlich. Die Graphie erscheint lediglich in fünf Belegen.61 Diese Merkmale stehen in scharfem Kontrast zu den Augsburger Inkunabeldrucken der Melusine. Die Minuskel wird lediglich in sieben Fällen in der Graphenkombination verwendet.62 Diese Graphievariante erscheint innerhalb des Korpus ausschließlich in dieser Ausgabe. Die Verteilung der -Graphien mit Diakritikum stellt sich bei Richel wie folgt dar: - /ʊo/, /ʊ/63, /u:/ - /ʏ/, /y:/, /ʏə/ - /ʏ/, /y:/, /ʏə/ - /ʏə/, /ʊ/, /y:/, /ʏ/, /ʊo/ Ohne quantifizierende Angaben wirkt die Zuordnung beliebig, es lassen sich jedoch eindeutige Leitgraphien herausarbeiten. steht in 656 Belegen für den mhd. Diphthong /ʊo/, wird allerdings auch in 12 Belegen für /u:/, in 28 Belegen für /ʊ/ und in drei Belegen für /ʏ/ verwendet. Darüber hinaus wird es in Lexemen regelhaft gesetzt, in denen im Normalmhd. der Diphthong /ʊo/ nicht erscheint. Weinhold stellt hier allerdings in seinen Grammatiken zum Bair. und Alem. bei auf Vokal endenden Wörtern oder bei folgendem Nasal die Tendenz /ʊ/ zu /ʊo/ fest: nů(n) (insgesamt 64 Belege) und ſůn (6), ſůns.64 steht in 281 Fällen für den Umlaut, nur 20-mal für den Diphthong /ʏə/. steht in 241 Fällen für den Umlaut, ebenfalls in 20 Belegen für den Diphthong /ʏə/. Die Leitgraphie für den Umlaut des Diphthongs /ʊo/ ist eindeutig die Letter , die in 44 Belegen in dieser Verwendung erscheint. In sieben Belegen steht für /ʏ/, in drei Belegen für /ʊo/. Die Unterscheidung zwischen und scheint damit für die Wird aber auch initial zur Darstellung des Phonems /y:/ verwendet: v̓ bel, v̓ ber, v̓ bung, v̓ ch. Für /e/ in den Belegen raͤ te, raͤ tten ›Räte‹, vnſaͤ glich, für /ɛ/ in haͤ r (2) ›her‹. 62 Belege: allezijt, drij, nu͛ tzijt, nu͛ zijt, vernu͛ tzijt, zijheſt, zijt. 63 mit Superskript-o erscheint auch häufig bei Lexemen, die das normalisierte Mhd. nicht mit Diphthong verzeichnet, so z. B. nůn, kůmber, vnſchůldig, wůnder anstelle des Kurzvokals /ʊ/ und bei můl (Maul), bůch (Bauch) für den Langvokal /u:/. Im Alem. und Bair. tritt dies nach Weinhold (1863, 1883) zu mhd. Zeit regelmäßig auf. 64 Weinhold (1863: 108). „Auch für kurzes u ist uͦ nicht selten. Ziemlich fest sezt [sic!] es sich in nuo“. Weinhold (1863: 48): „So wie i mit ie gereimt ward, so auch u mit uo, ohne daſs an der diphthongischen Aussprache von ie oder uo zu zweifeln wäre, vgl. sun:tuon Nib. A. 102, 9. 332, 1. C. 8333.“ Weinhold (1883: 66–67). „Auch dieses alte u konte in einen Schwebelaut zwischen u und o übergehn, der so ähnlich dem Steigerungsdiphthong uo klang, dass ihn namentlich die bairischösterreichischen Dichter des 13. 14. Jh. mit demselben gern reimten. […] Anhangsweise erwähnen wir auch der Neigung der vocalisch auslautenden Worte du und nu sich bairisch zu duo, nuo zu gestalten.“ 60 61

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

120

Setzer Richels nicht von phonemischer Bedeutung gewesen zu sein (vgl. Behr 2011: 52). Für die Affrikate /ts/ erscheinen die von der Distribution des Lautes innerhalb der Silbe abhängigen Varianten , und . ist dabei auf den Silbenauslaut restringiert, wohingegen im Silbenonset steht. kann beide Stellungen einnehmen, silbeninitial beispielsweise in czů (45). Die -Graphie bleibt in dieser Ausgabe auf Formen des Verbs nhd. ›tun‹ und die Belege thoɾ, gethoͤ ne begrenzt. Die Grapheme , /, sind graphische Varianten mit gleicher Phonemrelation. Bewusste Homonymendifferenzierung durch den Setzer findet sich in dieser Ausgabe nicht. Im korpusinternen Vergleich der Drucke des Untersuchungszeitraums I zeichnet sich die Ausgabe weder durch hohe Einheitlichkeit der Graphie, noch durch übermässige graphische Varianz aus. Im Spektrum von 0,21 bis 0,25, in dem sich die Drucke von 1473/74 bis 1516 bewegen, beträgt die type-token-ratio in Richel-1473/74 0,23 (3035:13023).65 Zum Vergleich findet sich diese Angabe in den weiteren Kapiteln zu den übrigen Ausgaben des Untersuchungszeitraums I, um die Sonderstellung bestimmter Ausgaben im Bereich der graphischen Einheitlichkeit darzustellen. Für die Ausgaben nach 1516 ist die type-token-ratio aufgrund mangelnder Aussagekraft infolge der Vereinheitlichungsprozesse nicht erhoben worden. , , (, , WI für /y:/)

, (, ) , , ( [7]) ,

, , ( [4]) , ( [5])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /œʏ/ /œ/ /ø:/ /ä/ /æ:/

, ( [1])

, (WI für /ʊ/), (, ) , ()

/ʊo/ /oʊ/ /ɔ/ /o:/ /a/ /ɑ:/

, ( [8])





Abb. 9: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Richel-1473/74 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen (bei selten belegten Nebenvarianten in [] quantitative Angabe)

65

In einer type-token-Relation werden nach Bußmann (2008: 758) einzelne sprachliche Äußerungen mit diesen Äußerungen zugrunde liegenden abstrakten Einheiten bestimmter Klassen in Beziehung zueinander gesetzt. Diese Terminologie wird hier uminterpretiert, um einen Indikator für die graphische Einheitlichkeit der jeweiligen Druckersprachen bieten zu können. Als type wird hier die Belegform, z. B. beguntē, begunden oder beginnt, gewertet, die token-Anzahl ist die tatsächliche Häufigkeit der Realisierung des types in den untersuchten Textausschnitten.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

, *, ( (O) [15]), (C)

, (C), ( in ‚Wappen’) , (WM, WE), (WM+O), (WI), ( [wordere, werderben])

/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/



/k/ /g/ /pf/ /ts/

121

(WI), (WM, WE), (C), (O)

, ,

, ( [2], [1])

Abb. 10: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Richel1473/74 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen * Die Geminaten und treten häufig bei scharfem Silbenschnitt auf, allerdings nicht ausschließlich. Eine transparente Verteilungsregel lässt sich nach Betracht aller aufgenommenen Belege nicht ausnahmslos formulieren. Soweit bei den Darstellungen zu den weiteren MelusineAusgaben nichts anderes erwähnt wird, gilt diese Aussage generell im Korpus.

Die Abbildungen subsumieren die am stärksten variierenden Phonem-Graphem-Korrespondenzen im Schreibsystem dieser Ausgabe.66 Es werden primär die Leitvarianten dargestellt, in runden Klammern erscheinen seltener belegte Varianzgraphien. In eckigen Klammern finden sich Angaben zur Häufigkeit einer gering belegten Variante. Die Distribution der Konsonantengraphien wird auf Silbenebene durch (O) für Silbenonset und (C) für Silbencoda veranschaulicht. Auf Wortebene wird durch (WI) darauf verwiesen, dass ein Graphem nur in wortinitialer Position Verwendung findet. (WM) und (WE) beziehen sich auf die Wortmitte und das -ende. Tritt beispielsweise das Graphem für das Phonem /f/ ausschließlich innerhalb eines Wortes im Silbenonset auf, ist es mit dem Zeichen (WM+O) versehen.67

66 67

Die Nasale, Liquide und s-Laute wurden nicht berücksichtigt. Intervokalisches muss noch als bilabiales /w/ angesetzt werden, „wobei fraglich bleibt, inwieweit es sich noch um einen Halbvokal [w] (wie engl. /w/) oder einen (sth.) bilabialen Lenisfrikativ [ß] gehandelt hat; fraglich ist auch, ob bereits in spätmhd. Zeit dialektal der Übergang zu labiodentalem [v] begann, der sich nach Frnhd. Gr., § L 50, 3 jedoch ‚erst in der Endphase des Frnhd. bzw. erst in nhd. Zeit‘ vollzog“ (Mhd. Grammatik 2007: 142, § L 84). Somit muss offen bleiben, ob das Graphem tatsächlich schon für /v/ stand, wobei die beiden Belege für zur Repräsentation des Phonems /f/ darauf hindeuten.

122

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

4.2

Heinrich Knoblochtzer, erste Ausgabe (Straßburg, um 1477)

a.

Der Drucker Heinrich Knoblochtzer und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Heinrich Knoblochtzer68 (geboren um 1445 in Ettenheim im Breisgau; gestorben nicht vor 1501) begann seine Druckertätigkeit 1475/76 in Straßburg, ohne das Bürgerrecht der Stadt innezuhaben. Nach Chrismans Berechnungen führte er eine eher kleine Druckerei („One-Man Shop“).69 1483 geriet er in finanzielle Not. Es ist überliefert, dass er sich 1483 verpflichten musste, im folgenden Jahr seine Schulden beim Basler Michael Tischmacher zu begleichen (vgl. Geldner 1979). 1484/85 verließ Knoblochtzer Straßburg und siedelte nach Heidelberg über. Firmierte Drucke Knoblochtzers, die dort gedruckt wurden, sind allerdings erstmalig aus dem Jahr 1489 belegt.70 Der Ortswechsel spiegelt sich auch in den vier überlieferten Melusine-Ausgaben wider, von denen die letzte in Heidelberg entstand, in der Schreibsprache treten nur in wenigen Bereichen der Graphie Änderungen auf. Auf die Lautung und den Formenbestand innerhalb der Heidelberger Melusine hat der Umzug keinen Einfluss. Durch eine vermutlich 1486 erfolgte Immatrikulation Knoblochtzers an der Heidelberger Universität wird er dort jedoch schon vor 1489 greifbar. Knoblochtzers Universitätsangehörigkeit spiegelt sich in einer Umstrukturierung der Verlagsartikel der Offizin wider, die zunehmend lateinischsprachig und universitätsbezogen werden. Bei deutlicher Bevorzugung deutschsprachiger, mit Holzschnitten geschmückter Werke ist erst gegen Ende seiner Drucktätigkeit ein kleinerer Teil zu theologisch-kanonistischen, klassischen und humanistischen Themen in lateinischer Sprache überliefert. Diese Drucke waren zum Teil für den Universitätsbetrieb bestimmt. Knoblochtzer „interessiert sich vor allem für bereits gängige Titel“ (Schmitt 1999, 2: 93), die nachgefragt waren. Weiter stellt Schmitt fest, dass er keine Erstauflagen herausgibt, „sondern bevorzugt bereits erfolgreiche Vorlagen, die er reich – meist mit Nachschnitten Augsburger Ausgaben – illustriert. So hat er sich, ähnlich wie die Augsburger Drucker, um eine intensive Verbreitung von [volkssprachlicher] Literatur verdient gemacht“ (Schmitt 1999, 2: 93). Seine bevorzugte Verwendung der deutschen Sprache führt Uttenweiler auch darauf zurück, dass Knoblochtzer vermutlich der Sohn eines urkundlich nachgewiesenen Ludwig Knoblotzer, Schulmeister zu Ettenheim war (vgl. Uttenweiler 2000: 150–151). 68 69

70

Vgl. Geldner (1968: 66, 266), LGB (1995,4: 253), Schmitt (1999: 93–97), Voulliéme (1922: 73–74, 149–152), Uttenweiler (2000: 149–170). Die Angaben bei Chrisman beziehen sich dabei allerdings nur auf die Jahre von 1480 an. Siehe Tabelle 1 und Tabelle 2 in Chrisman (1982: 4,6). Die Anzahl der produzierten Bücher gibt Chrisman – sicherlich zu niedrig für die gesamte Druckproduktion Knoblochtzers – mit 23 an, die durchschnittlich per Jahr bedruckten Druckbögen mit 30. Nach Voulliéme (1922: 73–74) und Geldner (1968: 268) werden Knoblochtzer auch die sogenannten unfirmierten Lindelbach-Drucke, die zwischen 1485 und 1489 anonym in Heidelberg erschienen, zugeschrieben.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

123

Zu Ende seiner Tätigkeit druckte Knoblochtzer auch Schriften klassischer und humanistischer Autoren im Auftrag Peter Drachs. Für die Melusine-Ausgabe von 1491 wechselt Knoblochtzer zum zweispaltigen Satz mit kleinen Holzschnitten. Er arbeitete in vielen seiner Ausgaben nach diesem Prinzip, wie Schmitt anhand des Beispiels eines Nachdrucks Knoblochtzers des Pfarrers vom Kalenberg, gedruckt von Peter Wagner in Nürnberg, darstellt. So hielt er seine Druckkosten möglichst niedrig.71 Heinrich Knoblochtzer ist trotz der qualitativen Mängel in der Ausstattung vieler seiner Druckerzeugnisse aus sprachwissenschaftlicher Sicht aufgrund seines volkssprachlichen Druckprogrammes ein wichtiger Vertreter der Frühdrucker.72 Seine gesamte Sozialisation und Ausbildung scheint im alem. Raum erfolgt zu sein, dennoch wird sich im Verlauf der Arbeit zeigen, dass in seiner Offizin starke Schwankungen zwischen oberrh. Schreibtraditionen und fremden Einflüssen vorherrschen. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Knoblochtzer-1477

Die für seine beiden ersten Melusine-Ausgaben verwendete Type Knoblochtzers ist wie in Richel-1473/74 eine Gothico-Antiqua-Schrift (20 Z.=118 mm).73 Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ t u uͤ u͛ ů v w x y z } {ABCDEFGHJMNOPRSTVWZ} {.•/=()} { ’ dz wz v̓ t̄ n̄ m̄ ā ē ī ō ū }

Besonderheiten der Graphie in Knoblochtzer-1477

Die Besonderheiten der Graphie dieser Straßburger Melusine-Ausgabe zeigen stärkere Parallelen zu Richels graphischem Usus als zu dem der Augsburger Ausgaben. In dieser Ausgabe fehlen die Grapheme , und völlig, erscheint nur in merfay (4). Die bei Richel gar nicht verwendete Diphthonggraphie erscheint zwar, allerdings nur auf Belege des Lexems ›Frau‹ begrenzt. Die Auslautgraphie ist 71

72

73

Schmitt (1999: 94). Doch steht diesem negativen Urteil über die Qualität der Knoblochtzer-Drucke der in der Heidelberger Frühzeit Knoblochtzers entstandene Druck des Totentanzes entgegen. Dieser wurde lange Zeit als Druck Johann Zainers angesehen, Knoblochtzer hatte aber lediglich Druckmaterial des in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckenden Zainer übernommen. Der Totentanz hebt sich durch die „typographische und künstlerische Leistung“ vom restlichen Druckprogramm Knoblochtzers ab. Schmitt (1999: 97). In einem Exemplar der Melusine-Drucke Knoblochtzers (SBB-PK, Inc. 2223) finden sich zudem interessante Benutzerspuren. Darin haben zeitgenössische Leser „bisweilen die Personennamen in den Holzschnitten handschriftlich ergänzt“. Becker/Overgaauw (2003: 144). Dadurch wurde durch die Benutzer ein stärkerer Text-Bild-Bezug hergestellt. Vgl. Braun-Niehr/Ott (2003: 18): „Ein Text-Bild-Bezug läßt sich wie gesehen über die Disposition von Schriftraum und Bildfeld herstellen, er kann aber auch dadurch erzeugt werden, daß Schrift in ein Bild integriert wird.“ Type 1 bei Haebler (1905,1: 95), VGT, Tafel 1200.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

124

lediglich in 13 Belegen nachweisbar. Auch die graphische Auszeichnung von Vokallänge fehlt nahezu vollständig. Die Umlautphoneme /ʏ/, /y:/, /ʏə/ werden in dieser Ausgabe durch die Grapheme , und wiedergegeben, wobei lediglich in Ausnahmen nicht für den Diphthong /ʊo/ steht.74 Die Letter u͛ repräsentiert als Leitgraphie den langen und kurzen Umlaut des Monophthongs,75 uͤ stellt die Leitgraphie des Umlauts des Diphthongs /ʊo/ dar.76 Die Verteilung der Varianten , und für /ts/ entspricht dem Befund in Richels Ausgabe. erscheint hier im Gegensatz zu Richel nur leicht ausgeweitet auf das Suffix -thům. Ansonsten stimmt der Befund mit dem aus Richel-1473/74 überein, da nur in den Präsensformen und im Partizip II des Wurzelverbs tuon und in den Belegen thoɾ, vnderthenig erscheint. , / , werden variabel verwendet, Homonymendifferenzierung wird noch nicht betrieben. Die type-token-ratio beträgt 0,25 (3260:12937), was korpusintern für vergleichsweise hohe graphische Varianz spricht. Dies liegt in dieser Ausgabe v. a. an einem von zwei Setzern, der häufiger Abbreviaturzeichen verwendet. , (, , WI für /y:/); (/y:/: [16], [1])

, (, ) , , ,

, , ( [4])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

[13], [5], [4], [4], [1], [1]



, (WI für /ʊ/), ()

, ( [17], [4], [4], [1])

Abb. 11: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1477 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

74

75 76

18-mal für /ʏ/, 3-mal für /y:/ und 3-mal für /ʏə/, dagegen 672-mal für /ʊo/. Auch hier erscheinen die Graphien nů (40), Nů (5), nůn (37) und Nůn (4). In Bämlers erster Ausgabe erscheint lediglich die Graphie nun/Nun. 254-mal für /ʏ/, 92-mal für /y:/, nur zehnmal für /ʏə/. Für den Diphthong /ʏə/ wird mit 35 Belegen am häufigsten gesetzt. Dieses Graphem steht allerdings häufiger als Variante für /ʏ/ (40). Für /y:/ ist es immerhin auch in 21 Belegen bezeugt.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

, (WM, WE), ( (O) [31]), (C)

, (C), (‚Wappen’ [8], vppiger, cappellen)

/p/ /b/ /f/ /v/

, (WM, WE), (WM+O), (WI)

/t/ /d/

/k/ /g/ /pf/ /ts/

125

(WI), (WM, WE), (C), (O)

(O), , (C)

, ( (C) [3])

Abb. 12: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1477 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

4.3

Heinrich Knoblochtzer, zweite Ausgabe (Straßburg, um 1478)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Knoblochtzer-147877 Minuskeln: { a b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ t u ů ū u͛ uͤ ŭ u̇ ú(2) v w x y z }

Majuskeln: {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} Syngrapheme: { • . / ( ) = - .̃ } Abkürzungen: { ’ wz dz n̄ ā ē ō }78 b.

Besonderheiten der Graphie in Knoblochtzer-1478

Abweichend von der ersten Ausgabe dieser Offizin erscheint in dieser Ausgabe das Graphem . Es wird allerdings lediglich in sechs Fällen für mhd. /eɪ/ verwendet (rait, waich, waiſe, waiſen, erzaigte, gezaigt). wird neben den Belegen des Lexems ›Frau‹ hier auch in ›schauen‹, ›hauen‹, ›bauen‹ und ›getrauen‹ gesetzt. Mit sechs Belegen für die Vokallängengraphie ist ebenso lediglich ein geringer Anstieg der Verwendung dieses Graphems zu verzeichnen (fünfmal ee, eerloſer). Im Kontrast zu den 13 Belegen für das Graphem in Knoblochtzer-1477 erscheint hier wie bei Richel kein . Ein auffälliger Unterschied zu den bisher besprochenen Ausgaben ist das Fehlen der Graphievariante für /ts/. Es treten lediglich in distributionell klarer Verteilung (O) und (C) auf. Das Auftreten der Graphie bleibt auch hier auf Formen von mhd. tuon und die wenigen Belege kammerthu̓ re, thůrn und 77 78

Die Type in diesem Druck ist dieselbe, die bereits in Knoblochtzer-1477 verwendet wurde. Vgl. III.4.3.b. findet sich nur zur Umlautkennzeichnung gebraucht.

126

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

vnderthonig beschränkt. Im Bereich der Graphien für /ʏ/, /y:/, /ʏə/ ist eine Variante höchstwahrscheinlich auf die Abnutzung der Typen zurückzuführen, wobei sich in diesen Fällen nicht zweifelsfrei entscheiden lässt, ob es sich ursprünglich um die Letter uͤ oder u͛ handelte, weshalb die Variante u̇ separat angeführt wird. Das Graphem wird nahezu ausnahmslos für den Diphthong /ʊo/ verwendet.79 Für den Kurzvokal /ʏ/ steht in 180 Belegen , wobei es für die Langvariante des Umlauts nie erscheint. In diesen Fällen steht . Allerdings besteht in diesem Bereich keinesfalls eine eindeutige Phonem-Graphem-Zuordnung. Die Verhältnisse sind durch hohe Varianz gekennzeichnet, so steht für den Diphthong /ʏə/ sowohl (34), (3) als auch (11). Auch der Kurzvokal /ʏ/ wird nicht nur durch gekennzeichnet, sondern auch durch (7) als auch (52). Als Leitgraphie für /ʏ/ erscheint damit , für /y:/ , wohingegen für den Diphthong /ʏə/ keine Leitgraphie auszumachen ist. Die Wahl der Letter ist keineswegs beliebig, es besteht allerdings hohe Varianz, die teilweise auf fehlerhaftes Aussetzen und Einordnen der Typen in den Setzkasten oder generell fehlerhaftes Typenmaterial (siehe ) zurückzuführen sein könnte. Übereinstimmend mit der ersten Ausgabe Knoblochtzers ist die fehlende Homonymendifferenzierung, das Fehlen der Grapheme , , und – abgesehen von – sonstiger Graphien zur Kennzeichnung der Vokallänge, sowie einer klaren Unterscheidung der Grapheme , / , in Bezug auf ihre Phonemzuordnung. Wie sich im Verlauf der Arbeit an anderen Stellen noch mehrmals zeigen wird, ist die sprachstrukturelle Beschaffenheit dieser Ausgabe im Vergleich mit den übrigen Melusine-Drucken Knoblochtzers bemerkenswert. Dies deutet sich in obigen Ausführungen bereits an und wird durch die type-token-ratio von 0,21 (2679:12497) unterstrichen. Vieles deutet darauf hin (siehe dazu IV.2.1 und 2.2), dass der Satz dieser Ausgabe durch einen Korrektor oder Setzer besorgt wurde, dessen schreibsprachlicher Usus seine Wurzeln außerhalb des alem. Raumes hat. Es stellt sich die Frage, ob Knoblochtzer diesen Druck relativ zeitnah zu seinem ersten Melusine-Druck gezielt für einen überregionalen bzw. anderen regionalen Markt anfertigen hat lassen oder ob die graphische Varianz lediglich auf den Usus eines Korrektoren/Setzers zurückzuführen ist und nicht marktstrategisch motiviert war. Eine Einschätzung zu dieser Frage verbietet sich allerdings, bevor nicht die schreibsprachlichen Unterschiede im Detail in Kapitel IV. in Betracht gezogen wurden. Festzuhalten ist zunächst, dass Knoblochtzer-1478 durch oben dargestellte Besonderheiten signifikant vom Usus in den übrigen Straßburger Melusine-Ausgaben abweicht.

79

erscheint in Knoblochtzer-1478 lediglich dreimal für /ʏ/, einmal für /y:/ und einmal für /ʏə/.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

/ʏ/: , (, ); /y:/: , (WI), , [30]

[34], ( [11], [3])

, ,

,

, , ( [4])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

(/e:/: [6])

, ( [3], [2])



127

, (WI für /ʊ/); /u:/: ,

, ( [3], [19])

Abb. 13: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1478 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, ( in boͤ ſbicht bůrm)

, (C), (cappellen, cappolon, u͛ ppiger)

/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/

/k/ /g/ /pf/ /ts/

, (WM, WE), (WM+O), (WI), [ in werderbet]

(WI, WM)*, (WM, WE), (C), (O)

(O), (C) , ( (C) [4])

Abb. 14: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1478 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen *: In dieser Ausgabe wird die distributionell klare Trennung der Varianten und nicht aufrecht erhalten. Beispiele: baken, bedeket, erſchɾak (10) vs. erſchrack, geluks, gelu͛ k (2), gelu͛ kes vs. geluckes, ſchikt (4), ſtark (11) vs. ſtarck (4), Turken (6) vs. Turcken (3).

128

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

4.4

Johann Prüss d. Ä. (Straßburg, um 1478)

a.

Der Drucker Johann Prüss d. Ä. und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Johann Prüss d. Ä.80 soll mit dem aus Herbrechtingen in Württemberg (nördl. von Ulm; * 1447) stammenden Johannes Preuß identisch sein. Der Drucker erscheint 1474 als „Johannes Preuß de Herprechting“ in der Ingolstädter Matrikel. Sein erster datierter Druck stammt aus dem Jahr 1483, obwohl wahrscheinlich schon vorher einige undatierte Drucke seine Offizin verließen (so auch die Melusine). Der Beginn seiner Drucktätigkeit ist damit schwer zu bestimmen. Das Straßburger Bürgerrecht erwarb er 1490. Er betrieb seine Druckerei im Haus zum Tiergarten wie vorher Johannes Mentelin. Johann Prüss d. Ä. ist neben Johannes Grüninger im letzten Jahrzehnt des 15. Jhs. der wichtigste Drucker Straßburgs.81 Bei den ca. 180 Druckerzeugnissen aus seiner mit etwa 20 Typenalphabeten ausgestatteten Offizin lässt sich keine klare Konturierung des Verlags- und Druckprogramms erkennen. Prüss war kein Spezialist für deutschsprachige Unterhaltungsliteratur, allerdings vielseitig genug, um auch diese Sparte bedienen zu können.82 Nach seinem Tod am 15.11.1510 führte der Sohn Johann Prüss d. J. die Offizin zusammen mit dem Schwager Reinhard Beck d. Ä. bis 1554 fort. Prüss stammte mit großer Sicherheit aus Schwaben, da er von Jakob Wimpheling in dessen Epistola excusatoria ad Suevos 1506 als Schwabe bezeichnet wurde. Dieser Drucker konnte daher zwischen der oberrh. und schwäb.-augsburgischen Drucksprache sicherlich kompetent wählen. In der Melusine zeigen sich Charakteristika beider Varietäten gemischt. Inwieweit er an der Ausbreitung des am gemeinen teutsch orientierten oobd. Usus im wobd. Gebiet beteiligt war, kann nur eine gründliche offizininterne Untersuchung seiner deutschsprachigen Drucke zu Tage führen. Durch die lange Tätigkeit in Straßburg wäre rein hypothetisch auch eine allmähliche Konsolidierung oberrh. Merkmale in den deutschsprachigen Drucken denkbar. Für die Präzisierung unseres Wissens über Drucksprachenausgleichsprozesse sind weitere Detailstudien zu einzelnen Offizinen wie der des Johann Prüss d. Ä. und deren Druckersprache unverzichtbar.

80 81 82

Vgl. Benzing (1982: 437), Geldner (1968: 76), Grimm (1967: 1428–1429), LGB (2003,6: 122), Reske (2007: 870–871), Voulliéme (1922: 156–157). Chrisman führt ihn unter den major printers mit 177 produzierten Ausgaben und durchschnittlich 181 bedruckten Druckbögen pro Jahr von 1480–1510. Vgl. Chrisman (1982: 4,6). Nach Reske (2007: 870) tat er dies v. a. zu Beginn seiner Drucktätigkeit. Im weitesten Sinne Volksbücher bzw. deutschsprachig-populäre Unterhaltungsliteratur sind im GW unter M11098 (Belial), M09345 (Lucidarius), 09241, 09242 (Die Geschichte vom Ritter Peter Diemringer von Staufenberg), 12857 (Die sieben weisen Meister), 12185 (Heldenbuch) und M20414, M20416 (Jean de Mandeville, Itinerarium). Diese Publikationen beschränken sich auf die Anfangszeit der Drucktätigkeit Prüss’.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

b.

129

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Prüss-1478

Wie die editio princeps und alle anderen Straßburger Melusine-Inkunabeln verwendet auch Prüss eine Gothico-Antiqua. Damit stehen die Straßburger Wiegendrucke der Melusine neben zahlreichen schreibsprachlichen Befunden auch bei der Auswahl der Type in Kontrast zu den Augsburger Frühdruckern, in deren Druckprogramm die Melusine nachweisbar ist. Bämler und Schönsperger verwenden Bastarda-Schriften. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ů u̓ v w x y z } {ABCDEFGHJLMNOPRSTVWZ} {/•=} { ’ wz dz n̄ m̄ ā ē ō ū v̓ }

Besonderheiten der Graphie in Prüss-1478

Die Graphie dieser Straßburger Ausgabe steht einerseits den anderen Ausgaben der oberrh. Inkunabelüberlieferung der Melusine nahe, andererseits in klarem Kontrast zum Graphieusus der Augsburger Inkunabelausgaben. Prüss verwendet die Graphien , und nicht, nur an einer Stelle sowie keine Graphien zur Darstellung von Vokallänge. Zusätzlich finden sich lediglich zwei Belege für in den Belegen waiſe und ſchwaig sowie vier für in ſchɾay, merfay (2) und beſchayden. Diese Merkmale fungieren innerhalb der Melusine-Überlieferung als Abgrenzungsmerkmale zu den Augsburger Inkunabeln. Sie zeigen deutlich, dass Prüss in den Schreibkonventionen der unmittelbaren Umgebung seiner Wirkungsstätte verhaftet ist. Auf anderen sprachstrukturellen Ebenen wird dieses Urteil jedoch nicht so eindeutig ausfallen. Die Verantwortlichen für die Schreibsprache des Druckes betreiben wie in den meisten Ausgaben des Untersuchungszeitraums I weder Homonymendifferenzierung noch distributionelle oder phonemabhängige Verteilung der Varianten , / , . Auch das Auftreten der Graphie bleibt auf den Silbenanfang und die bisher mit dieser Graphie belegten Lexeme beschränkt.83 In einem Punkt unterscheidet sich die Graphie dieser Ausgabe von den zuvor behandelten oberrh. Drucken. Die von Prüss zum Druck der Melusine verwendete Type, beschränkt ihn in der Unterscheidung der Phoneme /ʏ/, /y:/ und /ʏə/, da hierzu ausschließlich die Letter u̓ vorhanden ist: für /ʏ/ (332); für /y:/ (78); für /ʏə/ (52).84 Dass ein Bewusstsein der lautlichen Differenz der zugrundeliegenden Lautsegmente unter den Straßburger Druckern dieser Zeit herrschte, beweisen die Leitgraphien der übrigen Ausgaben. Im Vergleich mit der Vorlage Richels fand hier eine Variantenreduzierung statt, die allerdings die etymologisch-lautliche Herkunft der Phoneme der betroffenen Lexeme verschleiert. 83 84

Dabei handelt es sich um Präsens- und Partizip-Belege des Wurzelverbs tuon, Belege des Suffixes -tuom und die Belege gethoͤ ne, thoɾ, thu̓ re und Thu̓ *. Vgl. Type 1 auf VGT, Tafel 742. Lediglich je einmal tritt in Prüss-1478 für /ʏ/ und /y:/ auf.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

130

, , ; /i:/: ,

, (WI für /y:/ [1]), , ( [29], [2])

,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, , ( [4], [2])

, ( [4], [3], [1])

, (WI); , ( [2])

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/







, , ( [9])

Abb. 15: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Prüss-1478 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in Cippren [3])

/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/

, , ( (O) [37]), (C)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

, (WM, WE), (WM+O), (WI)

(WI), (WM, WE), (C),

(O), (C, O [2]), (C, O [12]) , ( (C) [4])

Abb. 16: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Prüss1478 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen85

85

Die type-token-ratio für Prüss-1478 beträgt 0,23 (2952:12952). Damit ist die Ausgabe weder besonders variantenreich, noch auffällig einheitlich in ihrer Graphie.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

4.5

Heinrich Knoblochtzer, dritte Ausgabe (Straßburg, um 1482)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Knoblochtzer-1482

131

Wie in den beiden vorherigen Ausgaben unterscheidet Knoblochtzer Tituli und Text nicht durch den Einsatz verschiedener Typen voneinander. Beide Textelemente werden mit derselben Type gesetzt. Für diese fällt die Wahl auf eine kleinere Gothico-AntiquaSchrift (20 Z.=95/96 mm) als noch in den beiden Vorgängerausgaben dieser Offizin.86 Minuskeln: { a b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ů uͤ ú v w x y z } Majuskeln: {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} Syngrapheme: { • = } Abkürzungen: { ’ dz wz n̄ m̄ ā ē ī ō ū p̄ v́ 9 (lat. -us) } b.

Besonderheiten der Graphie in Knoblochtzer-1482

In dieser Ausgabe fallen im Kontrast zu Knoblochtzers vorherigen Ausgaben zwei deutliche Unterschiede auf, wohingegen in den ansonsten fokussierten Bereichen Übereinstimmung mit dem in den vorherigen Ausgaben des Straßburger Überlieferungsstranges beobachteten Schreibusus herrscht.87 Erstens werden die Phoneme /ʏ/, /y:/ und /ʏə/ in Knoblochtzer-1482 ausschließlich durch dargestellt, die oben aufgeführte Letter tritt zwar auch in 33 Belegen für /ʏ/ auf, stellt jedoch nur eine durch mangelhaften Druck oder defektes Typenmaterial hervorgerufene Variante der Letter uͤ dar: für /ʏ/ (77), für /y:/ (26), für /ʏə/ (44). Zweitens findet sich im Bereich der Graphie des Affrikatlautes /ts/ eine nahezu völlige Reduktion auf die zwei Varianten und , da lediglich noch in czů (3) vorkommt, obwohl das Typenmaterial zum Satz dieser Variante vorhanden war. In Knoblochtzer-1477 wurden noch alle drei Varianten verwendet, in Knoblochtzer-1478 wurde allerdings setzer- oder korrektorenbedingt abgebaut. Das Fehlen der Variante in Knoblochtzer-1482 ist hingegen vorlagenbedingt zu interpretieren, da sich die Setzersprache hierin in vielen Punkten von der Vorlage Knoblochtzer-1478 unterscheidet, aber bestimmte charakteristische Züge aus dieser übernimmt. Die type-token-ratio beträgt 0,22 (2812:12593).

86 87

Type 3 in Haebler (1905,1:95), VGT, Tafeln 948 und 949. Es tritt hier kein , , , und auf. Die Diphthonggraphie ist auf die Lexeme ›Frau‹, ›bauen‹, ›getrauen‹ beschränkt, erscheint als einzige Vokallängengraphie nur in eer, ee (5) ›ehe‹ (3)/›Ehe‹ (2), eefrowen. bleibt auf die Belege zu ›tun‹, ›Tor‹, ›Tür‹, herzogthum (2) und die Einzelbelege thoten, thurn restringiert. , / , sind graphische Varianten mit gleicher Phonemrelation, Homonymendifferenzierung ist nicht umgesetzt.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

132

, , ; /i:/: ,

, , , (/e:/: [7])

, ()

, ( (WI), ); /y:/: ,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, ( [3], [2])

, (WI für /ʊ/); /u:/: ,

, ()

, ( [47], [47])

Abb. 17: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1482 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), (‚Kapelle’, ‚üppig’, ‚Wappen’, ‚Sippe’ [10]) /p/ /b/ /f/ /v/

, (WM, WE), (WM+ O), (WI), [ in werderben]

/t/ /d/

/k/ /g/ /pf/ /ts/



, (WM, WE), ( (O) [77]), (C) (WI), (WM, WE), (C), (O)

(O), (WM, WE), ( (O) [3]) , ( (C) [5])

Abb. 18: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1482 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

4.6

Heinrich Knoblochtzer, vierte Ausgabe (Heidelberg, 1491)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Knoblochtzer-1491

133

Text und Tituli sind in dieser Ausgabe mit der gleichen Type gesetzt, einer oberrh. Bastarda (20 Z.=94/95 mm).88 Hierin unterscheidet sich die letzte Ausgabe Knoblochtzers von den oberrh. Melusine-Drucken der 1470er- und 1480er-Jahren, in denen Gothico-Antiqua-Schriften verwendet wurden. Neben den kleinformatigen grob gefertigten Holzschnitten, dem zweispaltigen Satz und der Papierreduktion spricht die Feststellung, dass keine Auszeichnungstype verwendet wurde, sondern der gesamte Text aus einer Type gesetzt wurde, dafür, dass Knoblochtzer im Vergleich zu seiner Straßburger Zeit bei der Herstellung dieser Ausgabe finanziell stark eingeschränkt war. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: b.

{ a b c d e f g h i k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ü ů u̎ ŭ ù u̓ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} { . • / ¶ }89 { ’ dz wz n̄ ñ ā ē ō ū }

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Knoblochtzer-1491

Der in Heidelberg entstandene zweispaltig angelegte Druck Knoblochtzers folgt in Bezug auf graphische Besonderheiten durch das Fehlen der Grapheme , und , erkennbarer Ansätze zur Homonymendifferenzierung und der lautlichen oder graphisch distributionellen Unterscheidung der Grapheme , / , den Vorgängerausgaben dieses Druckers. Darüber hinaus erscheinen und ebenfalls nur in drei Belegen,90 Vokallänge wird ausschließlich durch die Graphie 91 repräsentiert, erscheint nur in den Lexemen ›Frau‹, ›bauen‹, ›schauen‹, ›getrauen‹ und dem Einzelbeleg awffenthalt, ausschließlich in Formen von nhd. ›tun‹, ›Tier‹, ›Tür‹ und im Suffix ›-tum‹. Wie in den beiden vorhergehenden Knoblochtzer-Ausgaben fehlt auch hier die Variante . Dennoch unterscheidet sich der Graphieusus dieser Ausgabe in einigen Fällen entscheidend von den vorherigen Ausgaben Knoblochtzers sowie aller anderen. So erscheint hier das Graphem häufig wortinitial, fehlt vollständig und am Wortende erscheint in Anlehnung an die Handschriftentradition häufig die Letter z für /m/.92 Im Bereich der -Graphien mit Diakritikum erscheinen, wie oben dargestellt, zahlreiche Varianten, die allerdings weitestgehend auf defektes Typenmaterial oder mangelhaften Abdruck der Lettern ü und ů zurückgehen. Dabei tritt 88 89 90 91 92

Type 8* in Haebler (1905,1: 48), VGT, Tafeln 1095–1099. Die Virgel wird in diesem Druck nur als Divisor verwendet. Die Belege hierzu sind fründt, todt, ſtūdt, sowie züchtigklich, demütigklichen, gewaltigklich. In Knoblochtzer-1491 ist dies in den Belegen riteer, ri*terlicheẽ, ee (5), eefrawē, eer der Fall. Dies ist zwar auch in den anderen Ausgaben Knoblochtzers zu beobachten, tritt dort allerdings nicht in dem Maße auf, dass es eine charakteristische Erscheinung dieser Drucke wäre.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

134

nur in drei Fällen für Umlautgraphien auf, ansonsten steht für die Phoneme /ʏ/ /y:/ /ʏə/. Die Schriftsprache dieses Druckes zeichnet sich im Vergleich mit den übrigen Inkunabeln durch hohe Varianz aus, die type-token-ratio beträgt 0,25 (3167:12686). Durch die finanziellen Schwierigkeiten und den daraus resultierenden Ortswechsel Knoblochtzers ist eine Umstrukturierung des Personals sehr wahrscheinlich. Ohnehin darf die Fluktuation des Personals in den Offizinen der Frühdruckzeit nicht außer Acht gelassen werden. Die Unterschiede in den Setzersprachen der Melusine-Drucke innerhalb der Druckersprache der Offizin Heinrich Knoblochtzers belegen, dass verschiedene am Satz beteiligte Personen markante graphische Unterschiede im Vergleich zur Vorlage und der ortsüblichen Drucksprache einbringen können.

, ; /i:/: ,

, ( (WI), [2]); /y:/: , ( [25], [18])

, ( [1])

, , (/e:/: [7])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, ( [17], [2])

, () , (WI für /ʊ/); /u:/: , , ( [5]) , , , ( [6])



Abb. 19: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1491 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), (‚Kapelle’, ‚Wappen’ [10])

/p/ /b/ /f/ /v/



/t/ /d/

, (WI (!), WM, WE), (WM+O), (WI), [ in wiel]

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), (O), ( [3]) (O), (O), (C)

, ( (C) [4])

Abb. 20: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1491 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

135

Mit Knoblochtzer-1491 endet die Drucküberlieferung der oberrh. Textvariante. Es folgen die Wiegendrucke aus Augsburg. Als Marktführer und Spezialisten für den Druck deutschsprachiger Werke interessiert das Graphiesystem der Augsburger Drucke besonders. Dass dieses in deutlicher Kontraststellung zum Usus der oberrh. Drucker steht, wurde bereits angedeutet. Wie sich die Unterschiede im Detail in den Druckersprachen manifestieren, zeigen die folgenden Kapitel.

4.7

Johann Bämler, erste Ausgabe (Augsburg, 1474)

a.

Der Drucker Johann Bämler und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Der Augsburger Bürger Johann Kesselmann, genannt Bämler93 (* um 1430 und † 1503 in Augsburg), ist uns neben seiner von 1472 bis 1495 andauernden Drucktätigkeit in Augsburg durch seine Tätigkeit als Rubrikator und Illuminator insbesondere von Straßburger Inkunabeln, aber auch von Handschriften bekannt.94 Seine eigenen Werke rubrizierte und illuminierte er jedoch nie. Zunächst erscheint er in den Steuerbüchern ab 1453 als Schreiber, danach ab 1477 als Drucker. Im Rahmen seiner Drucktätigkeit besaß er von 1483 bis 1487 eine Papiermühle in Augsburg. Er unterhielt bereits vor seiner Drucktätigkeit weite buchhändlerische Verbindungen. So ist beispielsweise nachgewiesen, dass er 1466 erstmals Bücher in Straßburg kaufte. Durch diese frühen Beziehungen zu dem oberrh. Druckzentrum ist es durchaus denkbar, dass Bämler von Richels Melusine wusste. Grimm vermutet Handelsbeziehungen zwischen den beiden: „Das Stehlin-Regest 52, nach dem 1476 Michel Alanse von Schongaw, Diener des Basler Buchführers Bernhart Richel, Bücher »by Meister Hannsen zu Augspurg«, ein Bibel, vier Bibliam aurea und ein Sachsenspiegel, zum Verkauf zurückließ, dürfte sich auf Bämler beziehen“ (Grimm 1967: 1278).

Als Beleg für Bämlers Handel mit Werken fremder Offizinen dienen auch seine Buchhändleranzeigen (vgl. Voulliéme 1923: 47, Burger 1907). Darüber hinaus besuchte seine zweite Ehefrau, Barbara Bämler-Schönsperger, 1484 nachweislich die Frankfurter Buchmesse. Der Buchvertrieb erfolgte in enger Kooperation mit den beiden Augsburger Frühdruckern Anton Sorg und Johann Schönsperger d. Ä., dessen Stiefvater Bämler durch seine zweite Heirat geworden war. Es erscheint daher nicht weiter verwunderlich, dass Schönsperger bei seinem Melusine-Druck auf die Drucke Bämlers zurückgriff. Die Texttradition spiegelt sich in der Augsburger Überlieferung des 15. Jhs. in den persön93 94

Vgl. zu Johann Bämler Geldner (1968: 138–139), Grimm (1967: 1278–1279), Künast (1997b: 1207), Voulliéme (1922: 3–4). LGB (1987,1: 217–218): „Als Buchmaler war Bämler einer der wichtigsten Illuminatoren vorwiegend Straßburger Frühdrucke der 1460er Jahre […]; ein Exemplar der 1462 von Fust und Schöffer gedruckten 48zeiligen Bibel ist die früheste von B. illuminierte Inkunabel (San Marino, Huntington Libr.); von da an war B. ausschließlich für Mentelin und Eggestein tätig, vermutlich in Augsburg, das damit als Umschlagplatz des Straßburger Buchdrucks erwiesen wird.“

136

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

lichen Beziehungen der Drucker wider. Diese engen Beziehungen der am Druckgewerbe tätigen Berufsstände in Augsburg werden ebenso deutlich, wenn man die bei Künast angeführten Verbindungen der Familie Bämler betrachtet: Johann Bämlers „Tochter Felicitas ist mit einem weiteren Drucker, Lukas Zeissenmair, verheiratet. Im Haus von Bämler wohnten zeitweise auch Sixt Sauerloch, Peter Berger, die Witwe von Anton Sorg sowie die Buchbinder Nikolaus Thum und Wolf“ (Künast 1997b: 1207). Selbst als Verfasser eines Werkes kann der vielseitige Frühdrucker nachgewiesen werden. Er erarbeitete die Kompilation Chronik von allen Kaisern, Königen und Päpsten.95 Darin schildert Bämler ein Erlebnis auf einer Wallfahrt nach Rom, das zugleich das erste für uns greifbare Faktum aus dem Leben dieses Frühdruckers darstellt. Bämler unternahm die Wallfahrt 1450, „als auf einer Tiberbrücke wegen einer Panik mer dan zwey hundert menschen ertrungen wurden […]. Da bey bin ich Johannes Bämler selber gewesen / und des morgens auff dem gotzacker habe ich vil todter menschen sehen ligen. Got sey in allen genädig“ (Aigner 2008: 46).96 Im Gegensatz zu Bernhard Richels Verlagsprogramm war das Bämlers von volkssprachlichen, meist illustrierten Werken geprägt. Die beiden Melusine-Drucke stellen dabei nur zwei unter zahlreichen bildgeschmückten deutschen Volksbüchern dar. Bei der Auswahl seiner Druckwerke war er auf Erbauungs- und Unterhaltungsliteratur in der Volkssprache spezialisiert. In den 23 Jahren Drucktätigkeit gingen etwa 130 überlieferte Druckausgaben aus Bämlers Offizin hervor, bevor er 1495 in Konkurs ging. Bis zu seinem Tode im Jahr 1503 betrieb er noch in geringerem Maße als zuvor Buchhandel. Versucht man die Person Bämlers zu greifen, kann man mit Geldner konstatieren, dass man ihm „einen gewissen Bildungsgrad“ (Geldner 1968: 138) nicht absprechen kann, dass er „vielseitig und betriebsam“ (Grimm 1967: 1278) war und wohl eine der wichtigsten Figuren für die Entwicklung des volkssprachlichen Buchdrucks und des Buchhandels im allgemeinen, insbesondere zwischen Straßburg und Augsburg. Trotz dieser scheinbar intensiven Beziehungen zum Buchgewerbe in Straßburg finden sich dennoch kaum Anleihen aus der Drucksprache dieser Stadt bzw. aus der oberrh. Textversion der Melusine. Knape hält zu Bämler fest: „Drucker wie Bämler oder Zainer gehören zur Gruppe derjenigen, die sich in der Regel um Sorgfalt bemühen“ (Knape 1995: 344). Man kann annehmen, dass diese beiden Drucker die Augsburger Druckersprache der Inkunabelzeit geprägt haben, wobei Fujii Bämler im Vergleich zum „Schwergewicht“ Zainer auf95 96

GW 03163–03165. Über die Chronik hinaus stellt Künast die Vermutung auf, dass Bämler auch seinen ersten Druck Ordnung zu reden selbst zusammengestellt haben könnte. Eine Anregung dazu durch die Zusammenarbeit mit Konrad Bollstatter, der sich mit seiner stets kompilierenden Arbeitsweise in die Ägide der Augsburger Chronisten einreihen lässt, erscheint durch das handschriftliche Fragment m der Melusine und auch die darüber hinaus belegten Verbindungen Bollstatters zu Bämler als möglich. Vgl. III.2 und Wolf (1996).

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

137

grund seines Verlagsprogramms mit ca. 80 % deutschsprachigen Drucken als „Mittelgewicht“ und „Meister der deutschen Drucke“ bezeichnet (vgl. Fujii 2007: 13). Beide hatten Beziehungen zu Straßburg, Zainer hatte vermutlich das Handwerk dort erlernt, dennoch entwickelt sich unabhängig von der Straßburger Drucksprache auf Basis oobd. Schreibsprachen ein Drucksprachensystem mit klarem Profil. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Bämler-1474

Die Type 1a:140G (nach Haebler/GW) Bämlers stellt eine Bastardtype obd. Prägung dar, die „von ausgeprägter Eigenart […] anscheinend nur in Augsburg und Ulm Verwendung gefunden hat. Merkwürdig sind die Doppelformen für verschiedene Majuskeln, die doch nicht aus einer Typenmischung herzurühren scheinen“ (VGT, Tafel 91). Bämler „schuf eine lokale Variante der handschriftlichen schwäbischen Bastarda“, die „aus der regionalen, spätgotischen Schreibtradition“ (vgl. Aigner 2008: 46–48) hervorging. Bämler verwendete diese Type während seiner gesamten Schaffensperiode, insgesamt tritt sie nur in Augsburg und Ulm auf. Bereits die Type deutet an, dass Bämlers Druckersprache in der lokalen Schreibtradition verhaftet ist. Die Autorschaft und die typographischen Eigenheiten Bämlers deuten auf einen Buchdrucker hin, dessen Eigenanteil und Innovationspotential gegenüber Vorlagentexten vergleichsweise hoch angesetzt werden kann. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abbreviaturen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ű ů uͤ v w w̋ x y y̋ z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWYZ} {/=-~¶.} { ’ dz wz ā ē ī m̄ n̄ ō ū v̑ ȳ }

Besonderheiten der Graphie in Bämler-1474

Im Gegensatz zur oberrh.-alem. Druckersprache Richels begegnen die Diphthonggraphien (39), (10) und (1) in diesem Druck ausnahmslos für den alten mhd. Diphthong /eɪ/. Auch die Variante für /ao/, die in Richels Ausgabe nicht erscheint, ist hier in 88 Fällen belegt. Die Diphthonggraphie ist als graphisches Relikt des intervokalischen im gesamten Untersuchungszeitraum weitestgehend auf Belege beschränkt, bei denen auf den Diphthong /ə/ folgt. Durch lautetymologische Motive wird die Variante nicht von differenziert, sie ist lexikalisch beschränkt auf die Lexeme ›bauen‹, ›Haus‹, ›Frau‹, ›schauen‹ und ›Trauer‹. Ein weiterer deutlicher Kontrast zur oberrh.-alem. Druckersprache besteht in der Verwendung der Letter aͤ , die in Bämler-1474 125 Belege aufweist. Auch die Auslautgraphien (80) und (49) machen den Unterschied zwischen den Graphiesystemen der ersten beiden Drucke deutlich. ist dabei durchweg auf das mhd. Suffix -ec/-ic beschränkt. Im Bereich der Vokallängengraphien findet lediglich die Doppelvokalgraphie in 49 Fällen in

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

138

den Lexemen ›stehen‹, ›gehen‹, ›Ehe‹ und ›wehe‹ Verwendung. Die Graphien für /ʏ/, /y:/, /ʏə/ beschränken sich hier auf zwei Lettern: = /ʏə/ /y:/ /ʏ/97 = /y:/ /ʏ/ /ʏə/ /u:/ /ʊ/98

Im Bereich der Graphie der Affrikate /ts/ erscheinen lediglich die zwei Varianten und , wobei auf den Silbenanfang beschränkt ist. erscheint insgesamt in 320 Belegen, wobei es auf wortinterne Stellung im Silbenonset und die Silbencoda beschränkt ist. Lediglich einmal tritt diese Variante in czan wortinitial auf. Wie in Richel1473/74 sind auch hier die -Graphien noch selten und beschränken sich auf Formen von nhd. ›tun‹ und die Belege thor, thoɾ. Ebenfalls parallel zu Richels Graphiengebrauch sind , / , hier graphische Varianten mit gleicher Phonemrelation, graphische Homonymendifferenzierung fehlt gänzlich. Die type-token-ratio beträgt 0,25 (3320:13436). Bestimmte graphische Besonderheiten decken sich in beiden schreibsprachlichen Varietäten, einige können allerdings als Spezifika der jeweiligen Drucksprache herausgearbeitet werden. , () , (WI), ; /i:/: , , , ( [17]) , , ( [39], [10], [1])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/ ,

, (); /y:/: ,

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/ , (/e/: )

, (WI); /u:/: , ()

, ()



, (/æ:/: )

, ( [49])

Abb. 21: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Bämler-1474 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

97 98

Primär wird diese Letter für den Diphthong /ʏə/ verwendet, kommt jedoch auch in Lexemen vor, in denen historisch kein Diphthong steht. Die Letter ű verwendet Bämler überwiegend zur Darstellung des Umlauts, aber auch vereinzelt für /u:/ /ʊ/ und /ʊə/. Z. B. pɾűſt vs. pɾuſt, gebrűder, gebrűdern vs. gebruͤ dern (5).

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

, (C), ( in ‚Wappen’, ‚Kapelle’, ‚Zypern’)

, ( (O) [33], (C) [80]*), (C) /p/ /b/ /f/ /v/

, ( [1])

/t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

139

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [41], (WI)) /k/ /g/ /pf/ /ts/

,

, ( (C) [4])

Abb. 22: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Bämler1474 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen *: Analogieformen, in denen nicht in der Silbencoda auftritt, sind ebenfalls vereinzelt belegt. Z. B. redt > redte (2), todt (3) > todten.

4.8

Johann Bämler, zweite Ausgabe (Augsburg, 1480)

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Bämler-148099 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ ſ s ß t u ů ű uͤ v w w̋ w̄ w̑ x y y̋ z } a.

Majuskeln: {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWXYZ} Syngrapheme: { ~ / . ¶ - = } Abkürzungen: { ’ dz wz etwz ā ē ī m̄ n̄ ō ū v̑ ȳ } b.

Besonderheiten der Graphie in Bämler-1480

Diese Ausgabe steht mit 141 Belegformen für die Letter aͤ , 61 Belegen für die Diphthonggraphie in den selben Lexemen wie in Bämler-1474, 44 Belegen der Graphie ausschließlich im Suffix -ic/-ec, 18 Belegen der Auslautgraphie , der gleichen Verteilung der Variante 100 und 38 Belegen für die Vokallängengraphie

99

In seiner zweiten Ausgabe verwendet Bämler dieselbe obdt. Bastard-Schrift mit ausgeprägter Eigenart (20 Z.=140 mm; Type 1a in Haebler (1905,1: 2); VGT, Tafel 91), die er bereits in Bämler1474 verwendet hatte. 100 Diese erscheint in den Belegen thoɾ (3), thumherɾe (2) und überwiegend in Formen von mhd. tuon.

140

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

klar in der Schreibtradition der Offizin Bämlers101 und damit auch deutlich in Kontrast zum Usus der oberrh. Inkunabeldrucker der Melusine. Dennoch lassen sich einige Unterschiede zur Ausgabe Bämler-1474 feststellen. So können nur fünf -Graphien, kein sowie kein nachgewiesen werden. Des Weiteren wird in Bämler1480 bei der Repräsentation der Affrikata /ts/ neben den Graphien und auch von der Variante Gebrauch gemacht, wobei diese bei der niedrigen Beleganzahl 37 sowohl am Silbenbeginn102 als auch -ende auftritt. In Bämler-1474 ist dieses Graphem nicht nachweisbar. Im Bereich der Kodierung der Laute /ʏ/, /y:/ und /ʏə/ verwendet Bämler wie in seiner vorherigen Ausgabe zwei Grapheme, wobei diese mit nur wenigen Abweichungen die Umlaute der Monophthonge /ʊ/ und /u:/ und den Umlaut des Diphthongs /ʊo/ strikt voneinander scheiden. steht für /ʏ/ und /y:/, steht für /ʏə/. Die Konsequenz dieser Unterscheidung durch visuell deutlich voneinander unterscheidbare Lettern ist im Bereich der Graphie ein weiterer prägnanter Kontrastpunkt zu Richel und den Straßburger Inkunabeln. In Bämler-1480 ist damit zwar klar im Rahmen der für die Offizin und die Stadt in der Inkunabelzeit typischen schreibsprachlichen Gepflogenheiten gearbeitet worden, dennoch zeigt sich auch hier anhand der obigen Befunde zu Abweichungen vom Erstdruck Bämler-1474 – wie bei den KnoblochtzerDrucken –, dass innerhalb einer Offizin über einen Zeitraum von sechs Jahren verschiedene Setzer verschiedenste graphische Eigenheiten einbringen konnten. Insgesamt ist der Druck mit einer type-token-ratio von 0,23 (3150:13461) etwas einheitlicher in der Graphie als Bämler-1474, was eventuell der Beteiligung zweier Setzer am ersten Druck der Melusine geschuldet sein könnte. Möglicherweise war am zweiten Druck nur ein Setzer beschäftigt, wahrscheinlicher aber ist aufgrund des Umfangs des Werkes, dass zwei Setzer ihre Setzerabschnitte nach relativ gleichen Graphiesystemen anfertigten.

101

Homonymendifferenzierung und Unterscheidung der Grapheme , / , nach Lautwert sind wie zuvor in Bämler-1474 nicht verwirklicht. 102 Dies ist in den Belegen betzaubert, betzeichnet, betzwang (2), ertzey̋ get, getzeiget, getzelt (2), getzeltē, getzelten (2), getzuckt, hindertziehē, hochtzeit (4) der Fall. Die Belege haben gemeinsam, dass /ts/ stets im Silbenanfang der Silbe mit dem Hauptton auftritt.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

, ()

, , ; /i:/: , ,

, ( [4]) , , , ( [5]) , ()

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, (); /y:/: ,

141

, (WI); /u:/: , ()

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, ()

, ( [38])

, , ( [1])

, ()

Abb. 23: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Bämler-1480 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, ( (O) [43], (C) [18]*), (C) /p/ /b/

, (C), /f/ /v/ ( in ‚Wappen’, ‚Kapelle’, , ‚Zypern’) ( [6], [3])

/t/ /d/

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [44], (WI))

(O), (O)/(C), ( (O) [21], (C) [4]) , ( (C) [4])

Abb. 24: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Bämler1480 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen *: Analogieformen, in denen nicht in der Silbencoda auftritt, sind lediglich in den Belegen redte und ertodte nachweisbar.

142

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

4.9

Johann Schönsperger d.Ä. (Augsburg, um 1488)

a.

Der Drucker Johann Schönsperger d. Ä. und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Johann Schönsperger d. Ä.103 (* um 1455 in Augsburg; † vor dem 25.02.1521) war Buchdrucker, Buchführer, Papiermühlenbesitzer sowie Mitglied der Salzfertigerzunft und des Großen Rates. Nachdem seine Mutter Barbara 1472 den Witwenstand durch Heirat mit dem oben behandelten Buchdrucker Johann Bämler verließ, zog sie mit ihrem Sohn Johann im Hause Bämlers ein. Es ist anzunehmen, dass Schönsperger das Buchdruckerhandwerk bei seinem Stiefvater erlernte.104 1481 richtete er sich zusammen mit dem Goldschmied Thomas Rüger, der kurze Zeit später verstarb, in Augsburg eine Offizin ein. Schönsperger verband sich weiter durch Verheiratung einer Tochter 1501 mit dem Augsburger Buchführer Hans Oswalt, sein Sohn war ab 1502 als Buchführer tätig und machte sich 1510 als Drucker selbständig. Die familiären Beziehungen zu anderen im Buchgewerbe tätigen Personen umschließen auch die Heirat einer Tochter aus dem Hause Bämler, Felicitas, mit dem Drucker Lukas Zeissenmair und die Heirat Annas, der Schwester Schönspergers, mit dem Drucker Peter Berger. Diese von Johann Schönsperger d. Ä. ausgehenden auf familiären Beziehungen beruhenden engen geschäftlichen Verknüpfungen im Bereich des Augsburger Buchgewerbes bezeichnet Künast als das Schönsperger-Netz.105 Über diese Verflechtungen stand Johann Schönsperger d. Ä. in enger Kooperation mit seinem Stiefvater Johann Bämler, Anton Sorg, Johann Schobser, Johann Schaur, Lukas Zeissenmair, Peter Berger und verschiedenen Buchführern. Im Zeitraum von 1478 bis um 1505 avancierte er so zu einem der den Buchmarkt bestimmenden Drucker in Augsburg.106 Mit Beginn des 16. Jhs. verlor das Schönsperger-Netz „durch neue Konkurrenz innerhalb und außerhalb Augsburgs“ seine „überragende Stellung“ (Künast 1997a: 95). Nachdem er 1507 in Teilkonkurs gegangen war, wurde Schönsperger ein Jahr später zum geheimen Buchdrucker Kaiser Maximilians I. auf Lebenszeit (Gebetbuch Kaiser Maximilians, 1513 und Theuerdank, 1517) mit einem Jahresgehalt von 110 fl. bestellt. Aus seiner Tätigkeit gehen etwa 250 Drucke hervor, wobei der Fokus auf deutschsprachiger Unterhaltungs- und Erbauungsliteratur liegt. Geldner bezeichnet ihn als rücksichtslosen Nachdrucker und ausgeprägtesten Vertreter des Massenproduzenten im

103

Vgl. Ader (2010: 60–62), Benzing (1982: 13,354), Geldner (1968: 146–147), Künast (1997b: 1211), Reske (2007: 27–28), Schmitt (1999: 83–88), Voulliéme (1922: 9–12). 104 Vielleicht lernte Schönsperger auch noch bei Günther Zainer. Vgl. Künast (1997a: 92). 105 Vgl. Künast (1997a: 91–95). Die obigen Ausführungen zu den familiären Beziehungen und Handelsbeziehungen sind diesem Kapitel entnommen. 106 Dabei diente er „ganz dem anspruchsvollen Programm, das von Johann Bämler und Johann Zainer [Hierbei handelt es sich wohl um eine Fehlnennung, da Johann Zainer in Ulm druckte. Gemeint ist wohl Günther Zainer. M.B.] begonnen und von Anton Sorg fortgesetzt wurde.“ Schmitt (1999: 85).

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

143

15. Jh. Er „druckte alles, was guten Absatz versprach“ (Geldner 1968: 147).107 Abgesehen von diesem negativen Urteil kann Schönspergers Bedeutung für den deutschsprachigen Druck aufgrund seiner buchhändlerischen Verflechtungen und seines Produktionsausstoßes nicht unterschätzt werden. Bekanntlich war seine Offizin auf sprachlicher Ebene für Fabian Frangk 1531 die vorbildlichste.108 Zusammen mit den durch Heirat verwandten Partnern im Buchgewerbe wurde in der Inkunabelzeit der Vertrieb deutschsprachiger Werke betrieben und der Markt für derartige Produkte aus Augsburg stark beeinflusst. Das Schönsperger-Netz hatte sicherlich einen großen Anteil an der sprachideologischen Aufwertung der Augsburger Druckersprachen. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Schönsperger-1488

Wie in den Augsburger Ausgaben Bämlers, auf die Schönspergers Druck zurückgeht, wird auch hier eine Bastard-Type (20 Z.=94/96 mm)109 verwendet. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ ſ s ß t u ü ů uͤ v w w̄ x y ÿ z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWYZ} {•=} { ’ dz wz ā ē ī m̄ n̄ ō ū v̓ ȳ }

Besonderheiten der Graphie in Schönsperger-1488

Im Bereich der Graphie des alten Diphthongs /eɪ/ erscheinen wie in Bämler-1480 wenige Belege mit für die erste Lautphase des Diphthongs, wobei in Schönsperger-1488 drei Varianten auftreten: (5) in bain (2), mainung, rait, wainē, (11) in belaytteten, aygnen, ſchray, ſayttenſpyl, gezaygt, layder, erzaygt, maynett, wayſin, faygen, maynen und (6) in waÿßen, zwaÿē, waÿſen, waÿß, beraÿtt, beraÿtten. Für den Diphthong /ao/ tritt (85) in den Belegen der Lexeme ›Frau‹, ›bauen‹, ›hauen‹, ›schauen‹ und in den Einzelbelegen sawmet und blawer auf. In Kontraststellung zu -Schreibung erscheinen bezawbert vs. geczauberet und awg vs. augen (4) / augē 107

Ein populäres Beispiel hierfür, auf dem möglicherweise auch dieses allzu pauschale Urteil beruht, ist der kleinformatige, billigere Nachdruck der Schedelschen Weltchronik. Die Vorgehensweise dabei kann durch Formatverkleinerung, Drucktypenverkleinerung, zweispaltigen Satz und verkleinerte Holzschnitte, die durch billige Handwerker hergestellt wurden, charakterisiert werden. Vgl. Schmitt (1999: 85–86). 108 Vgl. Müller (1969: 94). Fabian Frangk weist zur rechten Schreibung darauf hin, dass es am besten sei, „das man gutter exemplar warnehme“. Diese nennt er als „des tewern (hochloͤ blicher gedechtnis) Keiſer Maximilianus Cantzelej vnd dieſer zeit / D. Luthers ſchreiben / neben des Johan Schonsbergers von Augsburg druck“. In Fußnote 11 fügt Müller hinzu, dass die Frankfurter Ausgabe der Orthographia des Fabian Frangk die Stelle „neben des Johan Schonsbergers von Augsburg druck“ weglässt. Der Drucker Christian Egenolff war dabei sicher weniger durch Neid, als vielmehr durch Marktstrategie motiviert. 109 Type 2 in Haebler (1905,1: 6), VGT, Tafeln 489 und 491.

144

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

(2). Eine Beschränkung auf Lexeme, deren Diphthong auf den alten Diphthong /oʊ/ zurückgeht, ist dabei nicht zu beobachten. Vielmehr scheint durch die wenigen Graphien in Kontrast zu -Graphien eine lexemabhängige schreibtraditionelle Konvention vorzuherrschen, die mit mentalen optischen Bildern von Morphemen bzw. Silben, welche beim Dekodierungsprozess eine große Rolle spielen, korrelieren. Nachdem sich die Schreibung von den zugrundeliegenden Lautstrukturen gelöst hatte, prägte sich das Schriftbild konventionalisierter Schreibformen ein und wurde nachgeahmt. Das intervokalische wurde aus der vorhergehenden Schreibtradition, die bei der Verschriftung noch stärker auf die Lautung zurückgriff, fossilisiert. So wurde z. B. ›Frau‹ unabhängig von der Lautetymologie des Stammvokals mit tradiert, ›Auge‹ nahezu ausnahmslos mit . Die Graphien (43), (53), (53) und (231) erscheinen in Schönspergers Ausgabe in der Frequenz ihrer Verwendung im Vergleich mit den Bämler-Ausgaben noch häufiger. Als Graphien für /ʏ/, /y:/, /ʏə/ verwendet Schönsperger und , wobei die Graphem-Phonem-Zuordnung hier ebenso eindeutig vollzogen wurde, wie dies in Bämlers Melusine-Ausgaben geschah. Für /ts/ herrschen hier noch alle drei Varianten , und vor, wobei durch Assimilationsgraphie bei Genitivformen mit der Variante in den beiden Belegen vallantcz und gotczhauß zusätzlich eine vierte entsteht. Während die -Graphie weiterhin auf die Belege thoɾ (3), thumherɾe (2) und Formen des Wurzelverbs tuon beschränkt bleiben und , , / , , auch hier graphische Varianten mit gleicher Phonemrelation darstellen, lassen sich in Schönsperger-1488 erste Ansätze zur Homonymendifferenzierung erkennen. Damit beginnt eine Entwicklung, die die bewussten Eingriffe der Drucker in die Graphie, welche auf eine weitere Zurückdrängung des phonologischen Prinzips in der Schreibung schließen lassen, besonders plastisch veranschaulicht und daher am Ende des Abschnitts III gesondert dargestellt werden soll.110 Schönspergers Druck ist im korpusinternen Vergleich als sehr einheitlich zu klassifizieren; die type-token-ratio beträgt 0,225 (3057:13068).

110

Siehe Kapitel III.7 und III.8.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

, , , ; /i:/: , ,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, ,

, , ( [11], [6], [5])

, (WI); /u:/: , ()

; /y:/: ,

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/ , ( [53])

,

145

, ()



, ()

, () Abb. 25: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Schönsperger-1488 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, , ( (O) [96], (C) [43]), (C)

, (C), ( in ‚Wappen’, ‚Zypern’) (WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/

, ( (C) [5])

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [53], (WI)) (O), (O)/(C), ( (C) [2], (C) [1])

Abb. 26: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Schönsperger-1488 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

146

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

4.10

Matthias Hupfuff (Straßburg, 1506)

a.

Der Drucker Matthias Hupfuff und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Nachdem in der Inkunabelzeit zwei Überlieferungsstränge klar voneinander unterschieden werden konnten, würde man vermuten, dass die Straßburger Drucker, die im 16. Jh. die oberrh. Melusine-Drucküberlieferung fortsetzen, doch der Drucker Matthias Hupfuff wurde bereits an anderen Stellen als bewusster Bearbeiter von Vorlagentexten herausgestellt (vgl. Bellmann 1999). Matthias Hupfuffs111 Geburtsjahr ist nicht bekannt, nach Duntze aber müsse es vor 1481 liegen (vgl. Duntze 2007: 12). Hupfuff stammt vermutlich aus einer Straßburger Bürgerfamilie. 1497 druckte er wohl im elsässischen Kirchheim zwei unfirmierte Drucke; 1498 erscheinen die ersten firmierten Drucke in Straßburg. Dort betrieb er eine Offizin mittlerer Größe, in der zwischen 1492 und 1520 pro Jahr durchschnittlich 111 Druckbögen gesetzt wurden. Mit 175 hergestellten Ausgaben in 28 Jahren ist Hupfuffs Offizin der des Johann Prüss d. Ä. vergleichbar (vgl. Chrisman 1982: 4, 7). Neuere Ergebnisse zur Offizin des Matthias Hupfuff liefert die Monographie Duntzes, in der deutlich wird, dass Hupfuff auf den Druck volkstümlicher Literatur in deutscher Sprache spezialisiert war. Von den 253 nachgewiesenen Drucken aus der Offizin waren 176 (69,6 %) deutschsprachig. Darunter befanden sich mit Die sieben weisen Meister,112 mit dem Lucidarius,113 der Geschichte vom Ritter Peter Diemringer von Staufenberg,114 dem Tundalus,115 dem Alexander-Roman116 und dem Apollonius von Tyrus117 neben der Melusine etliche weitere Werke, die, wenn auch nicht alle Prosaromane sind, doch im weitesten Sinne zur volkssprachlichen Unterhaltungsliteratur gezählt werden können. Im Jahre 1516 schuldete Johann Knobloch d. Ä., der im selben Jahr die Melusine druckte, seinem Berufskollegen Hupfuff für gelieferte Bücher 1984 Gulden. Kurze Zeit später stellt Hupfuff den Betrieb seiner Offizin ein. Ein 1520 noch mit Hupfuffs Impressum erschienener Druck ist ein Auftragsdruck, den Knobloch für ihn durchgeführt hat. Matthias Hupfuff starb zwischen 1520 und 1522. Knobloch druckt ab 1517 Titel aus Hupfuffs Programm neu und verwendet dabei dessen Holzschnittmaterial. Daher ist zu vermuten, dass Knobloch Hupfuffs Offizin übernahm. Für die Melusine lag Knobloch 111

Vgl. Benzing (1982: 438), Duntze (2007: 10–19), Geldner (1968: 84), Grimm (1967: 1439–1440), Reske (2007: 872–873), Voulliéme (1922: 159). 112 Dieser Titel ist der erste eindeutig Hupfuffs Straßburger Zeit zuzuschreibende Druck aus dem Jahr 1497. Vgl. Duntze (2007: 359). 113 Von diesem sehr beliebten Prosaroman erschienen bei Hupuff vier Ausgaben. Vgl. Duntze (2007: 363, 401, 428, 446–447). 114 Vgl. Duntze (2007: 368). 115 Vgl. Duntze (2007: 370, 414, 449). 116 Vgl. Duntze (2007: 446). 117 Dieses Werk wurde durch Heinrich Steinhöwel übersetzt. Vgl. Duntze (2007: 463).

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

147

zwar der Text Hupfuffs und ein älterer Text vor,118 die Holzstöcke stammen allerdings aus der Ausgabe Knoblochtzer-1491.119 Wie für Augsburg gilt auch für Straßburg, dass die Buchdrucker untereinander in engen vielschichtigen Handelsbeziehungen gestanden haben müssen. Als praktikabelster Weg zur Beschaffung neuer Texte für den Druck liegt der Rückgriff auf Druckausgaben Straßburger Kollegen damit sehr nahe. Diese für die Inkunabelzeit festgestellte Tendenz darf aber gleichzeitig nicht als Regelfall angenommen werden, zeigt doch Hupfuff das Gegenteil. Aus vermutlich marktstrategischen Gründen wählt er den Augsburger Text als Vorlage für seinen MelusineDruck. Mit Johann Prüss d. Ä. muss Hupfuff ebenfalls enge Beziehungen unterhalten haben, da Hupfuff für seine Melusine-Ausgabe 63 der Holzschnitte setzt, die zuvor in Prüssʼ Melusine verwendet worden waren. Darüber hinaus übernimmt er nach Prüss’ Tod dessen Verkaufsladen und später in Nachfolge Prüss’ und Mentelins das Haus zum Tiergarten. Die Beziehungen der Straßburger Drucker der Melusine vor und nach 1500 erscheinen damit ähnlich eng wie die des Augsburger Schönsperger-Netzes, gleichwohl in Augsburg gar familiäre Verknüpfungen vorliegen. Inwieweit das Buchdruckergefüge in der elsässischen Metropole von kollegial-familiären Beziehungen oder eher von Konkurrenzdenken geprägt war, müssen weitere buchhistorische Forschungen konkretisieren. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Hupfuff-1506 Minuskeln: { a ä (2) aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ü u͛ u̇ v w x y z }

Majuskeln: {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} Syngrapheme: { . • / = ¶ } Abkürzungen: { ’ wz dz m̄ n̄ ā ē ō ū } c.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Hupfuff-1506

Die marktstrategische Verwendung des Augsburger Textes für die Drucklegung der Melusine durch Matthias Hupfuff hat nicht zur Folge, dass er auch seine Schreibsprache den Augsburger Drucken anpasst. Vielmehr eliminiert er bestimmte Abweichungen der Vorlage von der Straßburger Drucksprache und bemüht sich dem Vorlagentext den regionalsprachlichen Charakter seines Standortes einzuverleiben. So steht der Einsatz bestimmter Grapheme einerseits in der Tradition der Straßburger Druckersprachen, wie sie in den oberrh. Melusine-Drucken auftritt, da nur zweimal in vaigen und zaicht 118

Wahrscheinlich hatte Knobloch die Augsburger Vorlage Hupfuffs ebenfalls aus dessen Offizininventar erhalten. 119 Über Beziehungen Knoblochtzers zu den anderen Straßburger Melusine-Druckern seiner Zeit geht m. W. aus der Überlieferung nichts hervor. Wie die Holzstöcke Knoblochtzers in Knoblochs Offizin gelangten, ist bisher unbekannt.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

148

auftritt, und nur in wenigen Belegen (mänlichen, beſtä; gezaͤ me, graͤ fin, laͤ ſterlich, veɾmaͤ hlet), nur beim Lexem ›Frau‹ verwendet wird, sowie lediglich in zehn Fällen gesetzt wird. Andererseits werden aber auch in den Augsburger Melusine-Drucken stärker gebräuchliche Graphien gesetzt, so (87) und (151). Zur Darstellung der Phoneme /ʏ/, /y:/, /ʏə/ verwendet Hupfuff in seiner Melusine die beiden Grapheme und , wobei letzteres lediglich als Ausnahmegraphie für diesen Bereich erscheint und als charakteristisches Merkmal der Graphie dieses Druckes ansonsten für den Diphthong /ʊo/ gesetzt wird. Die übliche Graphie hierfür, , tritt nicht auf. Die Variante existiert wie in der chronologisch vorherigen Ausgabe Knoblochtzer-1491, anders aber als in der primären Vorlage Schönsperger1488, nicht mehr.120 , , ; /i:/: , , ( [1])

, ()

, [16] , , ( [1]) , ( [4], [1], [1])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, (WI); /y:/: , ( [3], [1]) /ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/ , ( [151], [1])

, ( [1], [1] )

, (WI); /u:/: , ( [3]) , (, [3])

, (/æ:/: [2], [1]* )

Abb. 27: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Hupfuff-1506 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen * Eindeutig als Dehnungs-h-Graphie können lediglich Belege gewertet werden, in denen das nicht im Silbenonset steht und nicht historisch bedingt ist. Nur derartige Belege werden aufgeführt.

120

Die Variante tritt im weiteren Verlauf der Drucküberlieferung der Melusine nicht mehr auf und wird daher in den Kapiteln zur Graphie der weiteren Ausgaben nicht mehr behandelt werden.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

, , ( (O) [101] + (C) [3], (WE) [10]), (C)

, (C), ( in ‚Wappen’)

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [87], (WI))



/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

149

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(O), (O)/(C)

, ( (WM, WE) [6])

Abb. 28: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Hupfuff-1506 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Im Gegensatz zur Vorlage Schönsperger-1488 sind bei Hupfuff keine Ansätze zu bewusster Homonymendifferenzierung zu erkennen. Zwischen , / , wird auch hier noch nicht nach Lautwert unterschieden. Der auffälligste Aspekt der Graphie dieser Ausgabe ist die Zunahme der -Graphien, die in diesem Druck in den Lexemen ›Abenteuer‹, ›Bett‹, ›geturren‹, ›Tür‹, ›Tor‹, ›Tier‹, ›Türke‹, dem Suffix ›tum‹ und in den Formen von nhd. ›tun‹ auftreten. Die type-token-ratio beträgt 0,23 (2954:13102). In diesem Druck sind keinerlei Bestrebungen des Druckers festzustellen, die Sprache zur Steigerung des Absatzgebietes zu vereinheitlichen oder einem fremden Usus anzupassen. Vielmehr entsteht vorlagen- und setzersprachenabhängig eine Mischung aus zwei verschiedenen Usus, was bei der Untersuchung lautlicher Einzelphänomene noch deutlicher werden wird.

4.11

Johann Knobloch (Straßburg, 1516)

a.

Der Drucker Johann Knobloch d. Ä. und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Johann Knobloch d. Ä.121 arbeitet, wie oben bereits erwähnt, in direkter Nachfolge Matthias Hupfuffs in dessen Offizin. Knobloch wurde vor 1479 in Zofingen in der heutigen Schweiz als Sohn eines Söldners geboren. Er heiratete in die Druckerfamilie Flach ein, erhielt 1501 das Straßburger Bürgerrecht und wurde wie Johann Prüss Mitglied in der Zunft Zur Steltz. Ab 1502 übernahm er nachweislich Flachs Offizin und druckte 121

Vgl. Benzing (1982: 438), Geldner (1968: 85), Grimm (1967: 1440–1442), Reske (2007: 874–875), Voulliéme (1922: 160).

150

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

dort mit zwei Pressen. Nach 1516 hat er vermutlich auch Hupfuffs Offizin übernommen. Er besaß einen der größten Druckbetriebe der Stadt und war während seiner Drucktätigkeit bis 1528 einer der bedeutendsten Druckerverleger Straßburgs.122 Sein Druckprogramm weist dabei mit lediglich 183 deutschsprachigen Drucken gegenüber 358 lateinischen Drucken nur zu einem Drittel der Gesamtproduktion volkssprachliche Drucke auf. Aufgrund der generell hohen Produktionszahl dieser Offizin ist die Druckproduktion volkssprachlicher Werke aus Knoblochs Hand dennoch beachtlich. So finden sich neben der Melusine weitere Prosaromandrucke wie beispielsweise der Wigelois.123 Von einer Spezialisierung auf volkssprachlich-unterhaltende Literatur in dem Maße, in dem es bei Hupfuff oder den Augsburger Inkunabeldruckern der Melusine der Fall ist, kann bei Knobloch nicht die Rede sein. Dennoch erscheint sein Text als bewusste Kompilation aus Hupfuff-1506 und einer älteren Augsburger Vorlage. Knobloch unterhielt weitreichende Geschäftsbeziehungen wie etwa zu Augsburger oder Kölner Verlegern; mit dem Kölner Verleger Franz Birckmann finanzierte er 1526 beispielsweise das Lexicon Adavctvm et Recognitvm denvo, das sie bei Heinrich Gran in Hagenau drucken ließen. An Knoblochs sozialen Kontakten wird auch die teilweise hohe gesellschaftliche Stellung der Drucker in der Gesellschaft deutlich.124 Knobloch war Anhänger der Reformation und pflegte Kontakt zu dem Humanisten Johannes Reuchlin. Damit wird einmal mehr deutlich, dass die Buchdrucker des 16. Jhs. hochgebildete Teilnehmer an den intellektuellen Diskursen der Zeit sein konnten und auch in vielen Fällen waren. Dass ihre Schreibsprachen durch die grammatikographischen Diskurse der Zeit befruchtet wurden, wirkt in diesem Lichte als sehr wahrscheinlich. Die Größe seiner Offizin deutet auf eine hohe Anzahl von Beschäftigten hin, die neben den weitreichenden Handelsbeziehungen Knoblochs sicherlich die Vermittlung zwischen verschiedenen Sprachlandschaften begünstigt hat. Dass in einem derartig bedeutenden Betrieb Korrektoren eingesetzt wurden, erscheint ebenfalls als sehr wahrscheinlich und kann aufgrund der graphematischen Analyse der Ausgabe Knobloch1516 bestätigt werden (siehe unten). Es scheint daher, dass auch die Größe einer Offizin einen Faktor für die druckersprachliche Varianz darstellt.

122

Bei Chrisman (1982: 4) fällt ihm mit 429 Ausgaben die höchste Zahl produzierter Ausgaben aller Straßburger Drucker zu. Das VD16 führt 544 Titel dieses Druckers. 123 VD16 ZV 6386. 124 Vgl. hierzu die einleitenden Worte Chrismans (1982: 1): „Printers were new men in the fifteenth and sixteenth centuries. By traditional definitions they were artisans and craftsmen. In practice, they enjoyed a higher status. Contemporary documents refer to printing as an art, distinctive because its product is uniquely valuable to mankind. Fascinated by the technology and mechanics of printing, their contemporaries recognized the printer’s special achievement – technical mastery over the machine combined with the ability to influence human thought.”

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

b.

151

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Knobloch-1516

Sowohl Tituli als auch Text sind in Knobloch-1516 aus der gleichen Type, einer oberrh. Bastarda (20 Z.=92 mm), gesetzt. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ů uͤ ü v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} { ٠ / // ( ) ¶ }125 { ’ dz wz m̃ n̄ ā ē ī ō ū ⱴ }

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Knobloch-1516

Auch in dieser Straßburger Ausgabe tritt das Graphem nur in wenigen Belegen des Lexems ›Waise‹ (5) auf. Entgegen der Tradition der oberrh. Druckersprachen verwenden die Setzer der Offizin Johann Knoblochs in diesem Druck in 156 Belegwörtern das Graphem und unterscheiden die Phoneme /ʏ/, /y:/, /ʏə/ klar durch für die monophthongischen Umlaute und für den diphthongischen Umlaut. bleibt weiterhin eine lexikalisch bedingte Variante zu , die hier nur in Belegen zu den Lexemen ›Frau‹, ›bauen‹ und ›schauen‹ auftritt. Ebenso treten die Auslautgraphien (43) und (52) häufiger als in den Straßburger Inkunabeln auf. Vokallänge wird auch hier lediglich durch dargestellt, wobei dies ähnlich häufig wie bei Hupfuff gebraucht wird (146). Deckungsgleich mit Hupfuffs Ausgabe sind auch die Verwendung der -Graphie126 und die Varianz zwischen , / , . Die Letter j tritt nicht auf. Wie im Kapitel zur Homonymendifferenzierung näher erläutert wird, treten in dieser Ausgabe nach Schönsperger-1488 wieder Tendenzen zur Etablierung graphischer Homonymenunterscheidung auf. Die Beteiligung von Korrektoren an diesem Druck ist durch die type-token-ratio 0,21 (2688:12740) sehr wahrscheinlich. In den Besonderheiten des Graphiesystems deutet sich bereits an, dass sich diese in Straßburg gedruckte Melusine bereits deutlich von den graphischen Konventionen der Straßburger Inkunabeln entfernt hat und größere Kongruenz mit den Augsburger Inkunabeln aufweist. Zum Abschluss der Ausführungen zu Drucken bis 1516 soll an dieser Stelle nochmals eine Übersicht über die type-token-ratio der Ausgaben bis 1516 geboten werden, um die angesprochene Einheitlichkeit der Graphie in bestimmten Ausgaben im Kontrast zu anderen Ausgaben zu verdeutlichen.

125 126

Das Syngraphem // fungiert als Divisor. erscheint in Knobloch-1516 in Belegen der Lexeme ›Abenteuer‹, ›Bett‹, ›teuer‹, ›Tor‹, dem Suffix -›tum‹, ›Türke‹, ›Tür‹ und überwiegend in Formen von nhd. ›tun‹.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

152

Ausgabe

types

tokens

Quotient

Richel-1473/74

3035

13023

0,233

Bämler-1474

3320

13436

0,247

Knoblochtzer-1477

2952

12952

0,228

Knoblochtzer-1478

3260

12937

0,252

Prüss-1478

2679

12497

0,214

Bämler-1480

3150

13461

0,234

Knoblochtzer-1482

2812

12593

0,223

Schönsperger-1488

3057

13068

0,234

Knoblochtzer-1491

3167

12686

0,25

Hupfuff-1506

2954

13102

0,225

Knobloch-1516

2688

12740

0,211

Tab. 5: Übersicht über type-token-ratio der Ausgaben des Untersuchungszeitraums I

, ; /i:/: ,

, , ( [5]) , () , ( [3])

; /y:/: , ( [4])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/ , ( [146], )

, (WI); /u:/: , ( [2])

, ( [58])

, ()



Abb. 29: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knobloch-1516 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

, , ( (O) [97] + (C) [7], (C) [43]), (C)

, (C), ( in ‚Wappen’)



/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

153

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [52], (WI))

, ( (C) [4])

(O), (C)

Abb. 30: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knobloch-1516 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

5.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

5.1

Heinrich Steiner, erste Ausgabe (Augsburg, 1538)

a.

Der Drucker Heinrich Steiner und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Selbst 50 Jahre nach dem Schönsperger-Druck der Melusine lassen sich zwischen dem Augsburger Drucker Heinrich Steiner und der Augsburger Druckerfamilie Schönsperger Beziehungen nachweisen, da Steiner in der Offizin Johann Schönspergers d. J. (*um 1480 – † 1543) ausgebildet wurde.127 Aus der Zeit zuvor, so z. B. über Herkunft und Geburtsjahr, ist nichts bekannt. Heinrich Steiner war unehelicher Geburt, so dass ihm zeitlebens der Eintritt in die Zünfte verwährt blieb. Nachdem er als Geselle in der Offizin Johann Schönspergers d. J. das Handwerk erlernt hatte, war er als Buchdrucker und -führer sowie als Gastwirt in Augsburg tätig. Seine Drucktätigkeit dort beginnt er im Jahre 1522 als „typischer Flugschriftendrucker“ (Künast 1997b: 1220). Ab 1528 druckte er auch reich illustrierte deutschsprachige Unterhaltungsliteratur, die den

127

Vgl. Künast (2001: 1220), Benzing (1982: 17), LGB (2007,7: 231–232), Reske (2007: 34–35).

154

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Schwerpunkt seines Programms bildete.128 Beispielsweise stammt der Erstdruck der Magelone (1535) aus seiner Offizin. Für die Überlieferungsgeschichte der Melusine ist Steiner von großer Bedeutung, da er sie nach der Reformation wieder auf den Markt brachte. Viele Prosaromane aus der Zeit vor der Reformation wurden nach dieser nicht mehr weiter tradiert und fielen den Umschichtungen der Verlags- und Druckprogramme der Offizinen im Zuge der konfessionell bedingten Publizistik zu Zeiten der Reformation zum Opfer. In den 1530er Jahren hatte Steiner seine Offizin zur größten der Stadt ausgebaut, nachdem er 1531 durch Heirat das Bürgerrecht der Stadt Augsburg erworben hatte. In diese erfolgreiche Zeit fallen die vier Ausgaben der Melusine, die er aufgrund seines wirtschaftlichen Erfolges mit hochwertigen Holzstöcken und verschiedenen Typen anfertigen konnte. Ab Mitte der 1540er Jahre ging seine Offizin jedoch dem Konkurs entgegen. 1545 musste er sein Haus und seine Werkstatt verpfänden. 1547/48 ging er als Folge des Schmalkaldischen Krieges, in dem die Reichsstadt Augsburg in politische Schwierigkeiten geraten war, in Konkurs. Wichtig für die Melusine-Tradierung ist hierbei, dass der Frankfurter Drucker Christian Egenolff aus der Konkursmasse einen Teil von Steiners Illustrationsmaterial erwarb, der sich dann in den Ausgaben der Erben Christian Egenolffs wieder findet. Dies ist allerdings erst rund 30 Jahre später der Fall, so dass die Hypothese, Christian Egenolff habe bereits eine Melusine-Ausgabe besorgt, die nicht überliefert ist, nicht sehr weit hergeholt erscheint.129 Die Größe und Bedeutung der Offizin spiegelt sich in der Anzahl der dort hergestellten Drucke wider. Aus Steiners Offizin sind 930 Drucke nachgewiesen. Sein Programm war zunächst auf Reformationsschriften fokussiert, wobei er es später durch Übersetzungen von Klassikern und spanischen und italienischen Werken,130 Volksbücher, Arzneibücher und Türkenschriften erweiterte. Der Anteil lateinischsprachiger Literatur an der Gesamtproduktion war dabei stets verschwindend gering. Die Offizin ist eindeutig auf die Herstellung deutschsprachiger Werke spezialisiert, so dass Steiners Setzer/Korrektoren als erfahren im Umgang mit dem Deutschen gelten können. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Steiner-1538

Die Texttype der vier Steiner-Ausgaben stellt eine oberrh. Bastarda (M/44; 20 Z.=94 mm) dar. Lateinische Zitate werden durch Satz aus einer Antiqua-Type abgesetzt, die Inhaltsangabe aus einer Fraktur, Titelblatt und jeweils die erste Zeile der Tituli werden durch Verwendung von Auszeichnungstypen von der Texttype hervorgehoben. Steiners 128

Hierzu erwarb er nach Künast (1997b: 1220) die Holzschnitte des sogenannten Petrarca-Meisters aus der Konkursmasse Sigmund Grimms. 129 Vgl. zur Druckerzuweisung der beiden Melusine-Ausgaben an die Offizin Christian Egenolffs Erben Künast (2010). 130 Hierzu berichtet Künast (1997b: 1220), dass Steiner Lehrer des evangelischen Gymnasiums bei St. Anna als Übersetzer und Bearbeiter verpflichtete.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

155

typographische Gestaltung erreicht dadurch im Gegensatz zu den vorhergehenden Melusine-Drucken eine neue qualitative Ebene. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q (lat.) r ɾ s ſ ß t u ü ů uͤ v w w̆ x y z } { A B C D E F G H I(1/lat.) J K L M N O P R S T V W Z } { . .̃ / ( ) = : ,(nur lat.) } { ’ wz dz m̄ m̃ n̄ ā ē ī ō ū }

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Steiner-1538

Typisch für einen schwäb. Druck erscheint im Gegensatz zur Vorlage Knobloch-1516 für mhd. /eɪ/ wieder häufiger (38), (12) oder (4). Erstmalig im Korpus tritt Dehnungs-h auf: in ahn (Präposition ›an‹); in ehr (12), Ehr (2), ehs, geehrt, mehr (4), ſteht, vneehrlichen; nur in Formen des Personalpronomens die mit /i:/ beginnen (81). Daneben begegnet Vokaldoppelgraphie in (155) und für im Beleg ſpraach (Sprache). Konstant bleibt der Usus für (124), / (66) nur in Belegen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹ und ›schauen‹, (77), (52). Erstmalig und einmalig tritt die Graphie im Beleg berhuͤ mpter auf. Für /ʏ/ und /y:/ steht wie in Knobloch-1516 als Leitgraphie , für /ʏə/ das Graphem . Die -Graphie ergreift noch weitere Lexeme, so insgesamt in diesem Druck ›Abenteuer‹, ›Bett‹, ›geturren‹, ›Not‹, ›Rat‹, ›Teil‹, ›teuer‹, ›Tier‹, Suffix ›-tum‹, ›tun‹ und ›Tür‹. kann weiterhin als Variante für gesetzt werden. Homonymendifferenzierung kann hier aufgrund der -Graphie nun auch bei den Formen der 3. P. Sg. Akk. Mask. und 3. P. Pl. Dat. des Personalpronomens nachgewiesen werden.

5.2

Heinrich Steiner, zweite Ausgabe (Augsburg, 1539)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Steiner-1539 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ü ů uͤ ŭ v w w̆ x y z } Majuskeln: { A B C D E F G H I(lat./1) J K L M N O P R S T V W Z } Syngrapheme: { . .̃ / ( ) = ,(lat.) } Abkürzungen: { ’ wz dz m̄ m̃ n̄ ā ē ī ō ū }

b.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Steiner-1539

Die Graphie dieser Ausgabe weist abgesehen von der Zunahme der -Graphien keine signifikanten Abweichungen von der Ausgabe Steiner-1538 auf. Während die Anzahl der Verwendung der Digraphien (66), (2), , (21) insgesamt im Kontrast zur Vorgängerausgabe beinahe verdoppelt erscheint, sind die anderen untersuchten Grapheme in ihrer Frequenz weitestgehend konstant, so z. B. /

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

156

(66) nur in Formen von ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹ und ›schauen‹, (84), (54), (151), (85). , , ; /i:/: *, ,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, , , [38], [12], [4]) , ()

; /y:/: , , , ( [5]) /ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, (, )

, () , ( [6], [1])

, (WI); /u:/: , (, )

, ( [155], [22])

; (/ɑ:/: [7], [1])

Abb. 31: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Steiner-1538 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen * Das Graphem tritt bei Steiner im Korpus erstmals auf und ist auf die Formen des Personalpronomens in den Kasus obliqui beschränkt.

, (C), ( in ‚Wappen’, ‚Kapelle’,

, , ( [121] (O) + (C) [17], (C) [77]), (C)

/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/ (WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [52], (WI))

(WI), (WM, WE) , ( (C) [4])

Abb. 32: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Steiner1538 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

157

Auch die Verwendung von Abbreviaturen deckt sich weitestgehend mit dem Befund in Steiner-1538. Durch die innerhalb kürzester Zeit besorgten zwei Neuauflagen der Melusine 1539 und 1540 sind die drei ersten Ausgaben Steiners in vielen Belangen identisch. Sie können auf Textebene als unreflektierte Nachdrucke eines bewährten Verkaufsschlagers klassifiziert werden. Der Druck von 1543 jedoch fällt aufgrund sprachlicher Merkmale und bewusster Eingriffe in die Textgestaltung aus der Reihe. Möglicherweise hatte sich in der Zwischenzeit das Offizinpersonal geändert, was zu einer Änderung der offizininternen Setzersprachen führte.

5.3

Georg Messerschmidt (Straßburg, 1539)

a.

Der Drucker Georg Messerschmidt und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Georg Messerschmidt taucht zum ersten Mal 1535 als Setzer Johann Albrechts in den Quellen auf. Seine Ausgabe steht dadurch in direktem Zusammenhang mit Knobloch1516, da der Hagenauer Drucker Albrecht 1532 die Witwe Johann Knoblochs d. Ä., Magdalena Vogler, geheiratet hatte und ab diesem Zeitpunkt die Offizin Knoblochs mitbenutzte. Messerschmidt unterhielt gute Beziehungen zur Familie Albrecht.131 Nach Johann Albrechts Tod 1539 wurde ihm vermutlich die Amtsvormundschaft über die Witwe übertragen. 20 Jahre später nennt sich Messerschmidt ihr „geordneter vnnd geschworner Curator vnnd vogt“ (Knape 1988: XII). Ob Messerschmidt zusammen mit Johann Knobloch d. J. die Offizin betrieb, sie selbst besaß oder in einem Pachtverhältnis mit der Witwe Johann Knoblochs d. Ä. stand, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren. Belegt ist, dass ab 1538/39 wieder Drucke mit dem Hinweis „Ex Officina Knobloch“ bzw. „Zů Straßburg / in Hans Knoblochs druckerey“ erscheinen. Die Melusine von 1539 hat diesen Hinweis mit Nennung des Druckers sowohl auf dem Titelblatt als auch im Kolophon: „Gedɾuckt ǁ zů Strasburg / inn ǁ Knoblochs dɾuckerei / durch ǁ Geoɾgen Meſſer= ǁ ſchmid.“ Indem der Name der Offizin Knobloch als Markenname mit werbendem Effekt gebraucht wird, ergibt sich implizit ein Hinweis darauf, welch hohes Ansehen dieser Drucker genoss, denn bei Übernahme einer fremden Offizin ist es nicht die Regel, auf den Vorbesitzer hinzuweisen. Das Qualitätssiegel Knobloch übertrug sich sicherlich auch auf die Wahrnehmung seiner Druckersprache. Zusammen mit dem Prestige und dem quantitativ hohen Ausstoß der Offizin kann dieser schreibsprachlichen Varietät ein gewisser Einfluss nicht abgesprochen werden. Messerschmidt vereinnahmte den Erfolg Knoblochs durch den Hinweis auf dessen Offizin für sich. Das Druckprogramm Messerschmidts ist thematisch breit gefächert und enthält die Werkgruppen Wissenschaft, Bibel/Theologie, Psalmen, Lieder- und Gebetbücher, Reformationsliteratur, Recht, Historiographie und didaktische deutschsprachige 131

Knape (1988: XI): „es wird erwähnt, ‚die Voglerin hab ime ein khindt außer tauff gehept.‘“

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

158

erzählende Literatur (vgl. Knape 1988: XV–XX). Er druckte auch vier französischsprachige Werke und hebräische Drucke für Josias Richel d. Ä. (vgl. Reske 2007: 888). Knape listet insgesamt 56 nachweisbare Drucke Messerschmidts auf. Seine Tätigkeit nimmt mit der zweiten monumentalen Neuauflage des Straßburger Gesangbuchs (erste Auflage 1541) im Jahre 1560 ein Ende. Neben seinen Verdiensten als Drucker ist belegt, dass er auch als Richter im Straßburger Stadtgericht diente (vgl. Knape 1988: XXII–XXVII), Mitglied des Kleinen Rats und selbst vermutlich Autor eines literarischen Werkes, dem Brissonetus, war (vgl. Knape 1988: XXVII–XXXIII). Dabei handelt es sich um einen frnhd. Prosaroman, den Messerschmidt bei Weigand Han 1559 in Frankfurt drucken ließ. Dass der Straßburger Drucker Messerschmidt seinen Prosaroman nicht selbst druckte bzw. in Straßburg drucken ließ, sondern bei Weigand Han in Frankfurt, wirft ein besonderes Licht auf die Reputation der Frankfurter Drucker der zweiten Hälfte des 16. Jhs. aus dem GülfferichHan-Umfeld als Spezialisten für den Druck von deutschsprachiger Unterhaltungsliteratur. Im Brissonetus finden sich sodann auch Holzschnitte, die Han bereits für die Melusine verwendet hatte. Messerschmidt muss uns als selbstbewusster und angesehener Bürger Straßburgs gelten, obwohl trotz der überlieferten Fakten „vieles im Dunkeln [bleibt], und manches nur […] gemutmaßt werden“ (Knape 1988: XXVII) kann. Sein Druckprogramm deutet auf einen umseitig gebildeten, vielseitigen Vertreter seines Faches hin. Im Vorwort eines lateinischen Werkes des römischen Architekten Vitruvius richtet er sich mit den Worten „GEORGIVS MACHAEROPIOEVS TYPOGRAPHVS ad candidum Lectorem“ (Bl. AA2a; VD16-Nr.: V1764) an die Leser. Sein MelusineDruck zeigt, dass er Vorlagen nicht sklavisch nachsetzt, sondern durchaus textgestalterisch eingreift, was die These der Autorenschaft des Brissonetus unterstützt. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Messerschmidt-1539

Der Satz der Melusine Messerschmidts erfolgte aus einer oberrh. Bastarda (M/44; 20 Z.=91 mm). Die typographische Differenzierung funktional verschiedener Textbausteine erfolgt bei Messerschmidt nicht in gleichem Maße wie bei Steiner. Lediglich die erste Zeile der Tituli wird aus einer Auszeichnungstype, der Rest aus der Texttype gesetzt. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen:

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p r ɾ s ſ ß t u ü ů uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} { ¶ . .̃ / ( ) = } { ’ dz wz m̃ ñ ā ē ō ū }

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

c.

159

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Messerschmidt-1539

Messerschmidt verwendet wie Knobloch nur im Lexem ›Waise‹ (3). Im Gegensatz zu Knoblochs Melusine findet das Dehnungs-h in Messerschmidts Druck in 132 und (34) Verwendung. wird nur noch selten anstelle von verwendet, für /ɪ/ nur in daryn (2), für /i:/ nur in nam das yn (›einnehmen‹). Das Graphem als Variante zu tritt nicht mehr auf. Kongruent zu Knobloch-1516 ist der Befund für , das auch hier nur in Belegen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹ und ›schauen‹ gesetzt wird, die Verwendung der Grapheme und , des Graphems , (47), (20), (126) und (55). Die Unterschiede zwischen den Drucken Steiners aus Augsburg und dem zeitgleichen Straßburger Druck Messerschmidts beschränken sich damit auf weitaus weniger Graphien als diejenigen, die noch im 15. Jh. zwischen den beiden Drucksprachen dieser Städte festgestellt werden konnten. Markant tritt hier bei der Kontrastierung der Drucksprachen der Unterschied zwischen / und / für mhd. /eɪ/ hervor. In der Zeit nach der Reformation scheinen sich bestimmte Innovationen wie die Vokallängengraphien flächendeckend auszubreiten. Woher die Impulse dazu kommen, kann mithilfe des vorliegenden Korpus nicht beantwortet werden, es zeigt sich jedoch, dass sowohl der Straßburger als auch der Augsburger Drucker 1538/39 die gleichen Eingriffe in die Graphie der Vorlage (1516) vornehmen. , (WI), ( [3]); /i:/: , ,

, , ( [3]) , ()

, ()

(); /y:/: ,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, ( [17], [3], [1])

, ( [80], [55]) , ()

, (WI); /u:/: , ()

, (, [7])



Abb. 33: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Messerschmidt-1539 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen 132

Die Belege für sind auf Lexeme beschränkt, in deren Grundform die betroffene Silbe einen Liquid- oder Nasallaut in der Silbencoda aufweist: angehn, ehlich, ehɾ (14), ehɾe, ehɾē, ehɾen (15), ehɾlich (11), ehɾlichen, ehɾloſer, gehn (2), mehr, mehɾ (14), Mehɾ, mißgehn, ſtehn (2), ſteht (2), ſtehſt, vnderſtehn, vnehɾ (2), vnehɾlich (3), vnehɾlichen, vnehɾlicher, wehre, zůſtehn.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

160

, , ( [120] (O) +(C) [8], (C) [47]), (C)

, (C), kein

/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [20], (WI))

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

(WI), (WM, WE) , ( (C) [3])

Abb. 34: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Messerschmidt-1539 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

5.4

Heinrich Steiner, dritte Ausgabe (Augsburg, 1540)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Steiner-1540 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p r ɾ s ſ ß t u ü ů uͤ ŭ v w w̆ x y z }

Majuskeln: { A B C D E F G H I(lat./1) J K L M N O P R S T V W Z } Syngrapheme: { . .̃ / ( ) = ,(lat.) } Abkürzungen: { ’ wz dz m̄ m̃ n̄ ā ē ō ū } b.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Steiner-1540

In der Graphie dieser Ausgabe zeigt sich, dass beim Satz der Ausgabe Steiner-1540 als primäre Vorlage der Text der Ausgabe Steiner-1538 diente, da hier weniger -Graphien als in Steiner-1539 auftreten: (39), (2), (16). In den übrigen Bereichen weicht diese Ausgabe nicht signifikant von den beiden vorherigen ab. Die Verwendung von Abbreviaturen bleibt im Vergleich mit den beiden vorigen Ausgaben Steiners ähnlich hoch.

5.5 a.

Heinrich Steiner, vierte Ausgabe (Augsburg, 1543)

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Steiner-1543 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p r ɾ s ſ ß t u ü ů uͤ ŭ v w w̆ x y z } Majuskeln: { A B C D E F G H I(lat./1) J K L M N O P R S T V W Z }

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Syngrapheme: { . .̃ / ( ) , (lat.) = } Abkürzungen: { ’ wz dz m̄ m̃ n̄ ā ē ō ū b.

161

}

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Steiner-1543

Wie bereits angedeutet wurde, unterscheidet sich Steiner-1543 in einigen Aspekten des Graphiesystems signifikant von den drei zuvor aus dieser Offizin hervorgegangenen Melusine-Drucken. Sie deuten auf einen mit den neuesten Entwicklungen innerhalb seiner Profession vertrauten Setzer oder Korrektoren hin. Die hochfrequenten Abbreviaturen und werden in der letzten Ausgabe Heinrich Steiners stark reduziert, sogar mehr als halbiert (siehe VII.2). Dem Setzer dieser Ausgabe scheint es wichtig gewesen zu sein, die Verwendung von Abbreviaturzeichen zu vermeiden. Die Abbreviaturzeichen wurden im Verlauf des 16. Jhs. aufgrund ihrer leserunfreundlichen Komponenten und Behilfsfunktion zum Zeilenausgleich zu einem Stigma innerhalb der Setzerprofession (vgl. Voeste 2008: 80–99). Die Verwendung von für mhd. /eɪ/ ist in dieser Ausgabe mit (296), (85) innerhalb des gesamten Korpus am stringentesten durchgeführt. Sie setzt voraus, dass der Setzer Wissen über dialektale Eigenheiten bzw. lautetymologische Zusammenhänge hatte, um mhd. /eɪ/ von mhd. /i:/ > frnhd. /ae/ unterscheiden zu können. Auffällig ist hier auch das Erproben einiger Vokallängengraphien wie in maal (2), maacht oder ſtroh (2). Es zeigt sich das Profil eines in den orthographischen Diskursen der Zeit bewanderten Setzers/Korrektoren. Ansonsten bietet sich kein stark abweichender Befund zu den Vorgängerausgaben: (165), / (69) nur in Formen von ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹ und ›schauen‹, sowie in den Belegen vrlaw̆ b und wolffshaw̆ t, (110), (65), Graphien zur Darstellung von Vokallänge (154), in ahn, ahnn (Präposition ›an‹), (28), (67), keine Differenzierung zwischen und , und Homonymendifferenzierung in den gleichen Lexemen wie zuvor.

5.6

Hermann Gülfferich, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1549)

a.

Der Drucker Hermann Gülfferich und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Hermann Gülfferich ist für die Fortsetzung der Überlieferung der Melusine eine Schlüsselfigur. Er gilt als Begründer einer Frankfurter Buchdruckerdynastie, die in der zweiten Hälfte des 16. Jhs., ähnlich dem Augsburger Schönsperger-Netz im 15. Jh., den Markt für deutschsprachige Unterhaltungsliteratur beherrscht. Der gebürtige Mainzer Hermann Gülfferich wird erstmals am 24.6.1534 als Buchbinderlehrling bei Bonifacius Rudel in Frankfurt/a.M. greifbar.133 Nach seiner Lehrzeit (24.6.1534–1537) kehrt er zunächst nach Mainz, 1540 jedoch endgültig nach Frankfurt zurück, wo er im gleichen 133

Grimm (1967: 1497), NDB (1966: 255–256), Benzing (1982: 122), LGB (1991,3: 298), Reske (2007: 228), Berz (1970: 20–22).

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

162

, , ; /i:/: , ,

; /y:/: , , , ( [37])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, , , [296], [85]

, (WI); /u:/: , (, )

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, (, ) ; (/o:/: [2])

, ( [154], [28])

, ()

, ()

, ( [10], [2], [1], [1], [1])

; (/ɑ:/: [3], [2])

Abb. 35: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Steiner-1543 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [127] + (C) [17], (C) [110]), (C) /t/ /d/

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [65], (WI))

(WI), (WM, WE) , ( (C) [4])

Abb. 36: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Steiner1543 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

163

Jahr die Witwe des Buchführers Georg Han, Margarethe Han, heiratete. Seine Drucktätigkeit nimmt er 1542 auf und führt sie bis zu seinem Tod 1554 in Frankfurt aus. Seine Erben drucken 1555 und 1556 noch unter seinem Namen, bevor sein Stiefsohn Weigand Han die Offizin selbständig übernimmt. Die Nachkommen dieser Verbindung drucken die Melusine insgesamt fünfmal nach, so dass an dieser Stelle die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Familie GülfferichHan kurz skizziert werden sollen. Die auf Gülfferichs Druck folgenden Ausgaben von 1556 und ca. 1562 werden von seinem Stiefsohn Weigand Han besorgt. „Zur Fastenmesse 1561 verkauften er und seine Mutter das Haus ‚Zum Krug‘ mit der Druckerei an den von Pforzheim übergesiedelten Drucker Georg Rab, mit dem Han bis zu seinem Tod [Anfang 1561] noch 32 Drucke herausbrachte“ (NDB 1966: 256). Die nächste Ausgabe aus dem Jahr 1564 ist sodann mit Georg Rab und Weigand Han Erben firmiert. Katharina Han, die Witwe Weigand Hans, heiratete 1565 den Jenaer Drucker Thomas Rebart, der allerdings bereits 1570 verstarb. Die nächste Melusine-Ausgabe von 1571 besorgt Katharina Rebart zusammen mit Gülfferichs Stiefenkel bzw. Wiegand Hans Sohn Kilian Han. Dieser tritt dann noch als Verleger der letzten MelusineAusgabe der Familie Gülfferich-Han auf, die er durch Paul Reffeler 1577 drucken ließ. Die Erben Gülfferichs bildeten von 1562 bis 1571 auch eine Verlagsgemeinschaft, die sogenannte Cumpanei, mit Georg Rab und Sigmund Feyerabend, der die Melusine 1587 ebenfalls in sein Buch der Liebe aufnimmt. Seine Ausgabe ist auch in den Kreis der Melusine-Ausgaben der Familie Gülfferich-Han zu rechnen, da der Text auf Reffeler/Han-1577 basiert. Gülfferichs Druckprogramm ist prägend für die gesamte Produktion der Erben. Er legt den Grundstein für die Spezialisierung der Buchdruckerdynastie Gülfferich-Han auf volkssprachlich-populäre Druckwerke. Das VD16 listet 169 Drucke aus der Offizin Gülfferichs auf. Sein Programm beinhaltet 14 Prosaromane in 28 Auflagen und ist generell auf deutsche Volksbücher, populäre medizinische und auch theologische Literatur ausgerichtet, wobei bis 1548 noch der Druck von Theologica überwog. Erst ab 1549 wurde das Programm vielfältiger (vgl. Schmidt 1996: 45). Seine Werke sind größtenteils durch Holzschnitte Hans Brosamers ausgestattet, für den ersten Druck der Melusine, der zeitlich mit der thematischen Expansion des Druckprogramms zusammenfällt, hatte er jedoch noch keine speziell für die Illustration der Melusine gefertigten Holzstöcke. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Gülfferich-1549

Nachdem sich die Straßburger und Augsburger Ausgaben der ersten Hälfte des 16. Jhs. durch die Verwendung einer oberrh. Bastarda auszeichneten, die oberrh. Inkunabeln durchweg Gothico-Antiqua und die Augsburger Inkunabeln Bastardtypen verwendeten, wird das typographische Erscheinungsbild der Melusine in den beiden GülfferichDrucken durch die Verwendung einer Frakturschrift erneut verändert. Der Text wurde sowohl hier, als auch in der folgenden Ausgabe Gülfferichs (Gülfferich-1554) aus einer

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

164

Fraktur-Type (20 Z.=64 mm) gesetzt. Die Hochzeit der Fraktur stand jedoch erst noch bevor, in den Han-Ausgaben und in der Sondergruppe Müller-Egenolff wird als Texttype eine Schwabacher verwendet. Die Tituli und der Titelblatttext sind aus verschiedenen Frakturschriften gesetzt. Diese typographische Differenzierung der Paratexte134 vom Fließtext ist seit Steiners Ausgaben innerhalb der Melusine-Tradierung der Regelfall. Lateinische Zitate werden in den beiden Gülfferich-Drucken nicht durch Verwendung einer anderen Type ausgezeichnet. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r s ſ ß t u (ů135) uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} {.?/=} { ’ dz wz m̄ n̄ ē ō }

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Gülfferich-1549

In Gülfferichs Offizin werden grundlegende Eingriffe in das Graphiesystem der Augsburger Vorlage vorgenommen, die obd. Druckersprache wird somit in eine md. basierte Druckersprache überführt. Das für schwäb. Druckersprachen typische / begegnet in dieser Ausgabe nicht, die Verwendung der Grapheme (115), (66) nur in Formen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›schauen‹, ›traurig‹, ›Trauer‹ und im Beleg rinckmawr, (154) und (35) weicht quantitativ nicht stark ab. Im Bereich der Graphien zur Darstellung von Vokallänge wird (25) von (187) als Leitvariante abgelöst. Die Doppelvokalgraphie als eher obd. Phänomen nimmt im md. Druck generell ab, so tritt hier kein auf, der Rückgang von zugunsten von wird anhand des häufig belegten Lexems ›sehr‹ deutlich, das in Steiner-1543 in der Form ſeer (43) wiedergegeben wird, in Gülfferich-1549 als ſehr (43). Erstmalig kann in aussagekräftiger Anzahl in unorganischer Stellung als Längenmarkierung identifiziert werden, so z. B. in viel ›viel‹ (43). Dehnungs-h tritt neben auch in in mahl (2), (115) und in ohren auf.136 Aufgrund der Monophthongierung von /ʏə/ zu /y:/ tritt nur eine -Graphie mit Diakritikum auf, die für die Umlaute /ʏ/ und /y:/ steht: . wird hier eindeutig als fremdsprachliches Graphem ausgezeichnet und tritt nur noch in wenigen Belegen anstelle von auf: für /i:/ nur in Ryſen, wyſmat.

134

Paratexte sind alle Textelemente, die den Basistext begleiten. Beispiele sind Incipit, Vorrede oder Kolophon. Vgl. eingehend zum Begriff Paratext Genette (2011). 135 Das Graphem kommt lediglich in zwei Belegen des Lexems ›Buch‹ vor. Sowohl der Beleg im Vorwort, als auch der Beleg im ersten Titulus sind in einer im Vergleich mit der Texttype größeren Fraktur gesetzt, muss hier also ausgeklammert werden. 136 tritt auch in ſtroh (2) auf. Dabei handelt es sich jedoch um ein organisches Dehnungs-h. Bei den angeführten Belegzahlen sind nur Belege der unorganischen Dehnungs-h-Schreibung erfasst.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

, , ( [10]); /i:/: , , ,

, , ()

; /y:/: ,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, ( [6])

, (WI); /u:/: , ()

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, ( [187], [25])

165

, ( [2]) , () ; (/o:/: [3]) ; (/ɑ:/: [2])

, () Abb. 37: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Gülfferich-1549 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [35], (WI))

/p/ /b/ /f/ /v/

/t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE)

, ( (C) [7])

Abb. 38: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Gülfferich-1549 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Eine graphische Besonderheit bei Gülfferich stellt die häufige Synkope der Präfixe geund be- zu g- und b- dar. Sie ist innerhalb des Korpus ein auf die Druckersprache der Offizin Hermann Gülfferichs beschränktes Spezifikum. Zusätzlich zu den obigen Unterschieden zu Steiner-1543 fällt eine weitere Reduzierung der Abbreviaturen deutlich ins Auge. Der Trend der Stigmatisierung dieses typographischen Mittels setzt sich fort.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

166

5.7

Hermann Gülfferich, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1554)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Gülfferich-1554 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r s ſ ß t u ů (2) uͤ v w x y z }

Majuskeln: {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} Syngrapheme: { . ? / = } Abkürzungen: { ’ dz wz m̄ n̄ ē ō ū ā } Zusätzlich zu Gülfferich-1549 belegt: uͦ ā ū b.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Gülfferich-1554

Die ohnehin starke schreibsprachliche Emanzipation von der Augsburger Vorlage wird in Gülfferich-1554 weiter vorangetrieben. Mit nur noch 87 Belegen für ist der Gebrauch dieser Letter seit dem Übergang der Melusine-Überlieferung nach Frankfurt/a.M. innerhalb des Korpus wieder rückläufig. / wird auch hier nicht verwendet. Die Auslautgraphie wird vollständig beseitigt. Ebenso wird (18) weiter reduziert, tritt nicht auf, dafür werden die Vokallängengraphien mit Dehnungs-h stark ausgebaut. In vielen Fällen wird hierbei ein organisch vorhandenes durch Apokope oder Synkope eines Vokals in die Silbencoda befördert und als Dehnungszeichen reanalysiert und weiterhin kodiert (etwa in gemahel zu gemahl, ſahe zu ſah). Es treten folgende Graphien auf: in erfahren, gemahl(s), gemahlſchafft, gmahl, mahl (2), ſah(n), verſah, widerfahren, in vermaͤ hlen, (191), (117), in ſtroh (2), in fuhr, ruh, ſchuh sowie in fuͤ hreten. , ( [1])

, , ( [11]); /i:/: , , ,

, , ()

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, ( [4])

; /y:/: ,

, (WI); /u:/: , (), ( [3])

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/ , ( [191], [18]) , ()

, ( [2])

, ()

; (/o:/: [2]) ; (/ɑ:/: [11])

Abb. 39: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Gülfferich-1554 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)



, (C), ( in ‚Wappen’) /p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [135] + (C) [14], (C) [133]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

167

(WI), (WM, WE), (C), ( (WI))

(WI), (WM, WE) , ( (C) [4])

Abb. 40: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Gülfferich-1554 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

kommt nicht mehr vor, für /i:/ nur in Tryualtigkeit. Konstant gegenüber Gülfferich-1549 erscheint die Verwendung der Variante (66) nur in Formen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›schauen‹, ›Trauer‹ und ›traurig‹, der Längenmarkierung , z. B. in viel (62) und der Auslautgraphie (133). Die häufige Synkope der Präfixe ge- und be- zu g- und b- tritt in Gülfferich-1554 noch weitaus frequenter als in Gülfferich-1549 auf. In der ersten Ausgabe dieses Druckers war dies in 84 Fällen für ge- zu verzeichnen, hier gar in 108 Belegen.137

5.8

Weigand Han, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., 1556)

a.

Der Drucker Weigand Han und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Weigand Han wurde 1526 oder 1529 als Sohn des Buchhändlers und Buchbinders Georg Han in Frankfurt geboren. Er heiratete am 8.7.1549 Katharina Intz, die Tochter des Weingärtners Peter Intz aus Sachsenhausen. Vermutlich im Frühjahr 1553 zog er mit seiner Familie nach Sennheim im Elsaß, um dort im Auftrage seines Stiefvaters, Hermann Gülfferich, dessen Papiermühlen (in Sennheim und Alt-Thann) zu verwalten. 1555 kam er nach Frankfurt zurück, um mit Jost Gran, dem vierten Mann seiner Mutter – Hermann Gülfferich war 1554 verstorben –, die stiefväterliche Offizin Gülfferichs weiterzuführen. Bis 1556 druckte Han sowohl selbständig als auch für die Erbengemeinschaft Gülfferichs. Am 11.4.1556 leistete er zum zweiten Mal den Frankfurter Bürgereid. Ab diesem Zeitpunkt firmierte er nur noch eigenständig. Seine verwandt137

Vgl. Kapitel IV.4.1.g.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

168

schaftlichen und geschäftlichen Verflechtungen mit den anderen Frankfurter Druckern der Melusine sind bereits im Kapitel zu Hermann Gülfferich dargestellt.138 Etwa sieben Jahre nach der Rückkehr nach Frankfurt starb Weigand Han 1562. Dem Druckereibetrieb tat dies jedoch keinen Abbruch, die Offizin wurde als Erbengemeinschaft weitergeführt, die wie Weigand Han und Hermann Gülfferich für den Druck deutschsprachiger Werke stand. Laut LGB lassen sich in den sieben Jahren seiner Drucktätigkeit 110 Titel nachweisen. Reske verzeichnet 90 selbständig und 31 zwischen 1561 und 1562 mit Georg Rab gemeinsam gedruckte Werke.139 Noch stärker als bei Hermann Gülfferich konzentriert sich das Druckprogramm Weigand Hans auf illustrierte volkssprachige Prosaromanund Ratgeberdrucke. Lateinische Drucke finden sich kaum. Zwischen 1555 und 1561 druckte Han „überhaupt nur sechs Schriften mit religiösem Inhalt, erst nachdem er anfing, mit Philipp Köpfel und Georg Rab zu kooperieren, stieg die Zahl wieder an“ (Schmidt 1996: 45). Nach seinem Tod bildet sich eine Erbengemeinschaft aus der Witwe Katharina mit ihren fünf unmündigen Kindern, der Mutter Margarethe Gülfferich und dem Buchdrucker Georg Rab aus Pforzheim. Mit dieser Gemeinschaft verbindet sich im darauffolgenden Jahr dann auch Sigmund Feyerabend. Die Cumpanei bestand noch bis 1571.140 Weigand Hans Erben treten v. a. als Verleger auf. Katharina Han schied 1565 aus der Erbengemeinschaft aus, da sie den aus Jena geflüchteten Drucker Thomas Rebart geheiratet hatte.141 b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Han-1556

Mit Ausnahme der Inhaltsangabe, die in Fraktur gesetzt ist, wählt Weigand Han im Kontrast zu den Ausgaben seines Stiefvaters Hermann Gülfferich statt einer Frakturschrift eine Schwabacher. Die Tituli sind aus einer oberrh. Bastarda und der Texttype gesetzt. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen:

138

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r s ſ ſz t u ů(5) uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} {./=} { dz wz m̄ n̄ ē ō }

Siehe Kapitel III.5.6. Im VD16 erscheinen 124 Titel. 140 Gruber/Hassencamp (1879,10: 496–497), Benzing (1982: 123), LGB (1991,3: 345), Reske (2007: 229–230). 141 Vgl. Kapitel III.5.11. 139

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

c.

169

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Han-1556

Die Verwendung der gängigen Abbreviaturen wird in Weigand Hans Offizin frappierend verringert, so dass und nicht mehr, und lediglich zwei bzw. zwölfmal erscheinen. (69) wird weiter verringert sowie der Gebrauch von / vermieden. Die Auslautgraphie findet keine Verwendung mehr, dafür nimmt die Variante stärker zu (188). Erstmalig begegnet die Graphie im Anlaut der Präposition ›gen‹ (9). Doppelvokalgraphie zur Bezeichnung der Vokallänge nimmt weiter ab ( (14) und in ſaal). Dagegen wird die Längengraphie mit Dehnungs-h noch weiter ausgebaut, so dass in ſtaͤ hlin (4), Staͤ hlin, vermaͤ hlen, vermaͤ hlet und (128) noch häufiger als zuvor gesetzt werden. Darüber hinaus lässt sich hier erstmals die Variante in zwei Belegen nachweisen, in denen der Graph h nicht im Silbenonset steht: empfihle und ſih. Die diphthongische Varianzgraphie (55) begegnet auch hier nur in Formen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›schauen‹, ›Trauer‹ und ›traurig‹. Die -Graphie breitet sich weiter aus und begegnet in Han1556 in Formen der Lexeme ›Abenteuer‹, ›Atem‹, ›Bett‹, ›Gemüt‹, ›Mut‹, ›Not‹, ›Rat‹, ›Tal‹, ›Tat‹, ›Teil‹, ›teuer‹, ›Tor‹, ›-tum‹, ›tun‹, ›Tür‹, ›Turm‹, ›untertänig‹. , / , sind keine graphischen Varianten mehr. kommt nicht mehr vor, für /i:/ nur in Ryß, Ryſen (2). Die Tendenzen in den Ausgaben Gülfferich werden also fortgesetzt. Einzige Ausnahme stellt die Synkopierung der Präfixe ge- und be- dar, die in Han-1556 rückgängig gemacht wird. , , ( [13]); /i:/: , , ( [2]), ,

, , () , ( [4])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

; /y:/: , [86]

, (WI); /u:/: , ()

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/ , ( [158], [14]) , ()

, ( [5], [5]) , ()

; (/o:/: [9]) ; (/ɑ:/: [19], [1])

Abb. 41: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Han-1556 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

170

, (C), ( in ‚Wappen’)

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [111] + (C) [30], (C) [188]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

(WI), (WM, WE), (C), ( (WI))

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE)

, ( (C) [4])

Abb. 42: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Han1556 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

5.9

Weigand Han, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., um 1562)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Han-1562 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r s ſ ß t u uͤ v w x y z }

Majuskeln: {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} Syngrapheme: { . / = } Abkürzungen: { dz wz m̄ n̄ ē ō ū }142 b.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Han-1562

Trotz des bereits angesprochenen graduellen Rückgangs der Graphie seit den Ausgaben Steiners ist es doch überraschend und charakteristisch für diese Ausgabe, dass die Letter aͤ nur in sieben Fällen belegt ist. Im Vergleich zu Han-1556 werden wieder mehr Abkürzungszeichen gesetzt. Ansonsten ist diese Ausgabe deckungsgleich mit den Entwicklungen im Bereich des Graphemgebrauchs der vorherigen Frankfurter Ausgaben. Die Druckersprachen Weigand Hans und Hermann Gülfferichs sind in sich homogen.

142

Die in dieser Ausgabe verwendete Type ist identisch mit der Schriftwahl für die Vorgängerausgabe. Lediglich die Letter ū, die in den untersuchten Textausschnitten der Ausgabe Han-1556 keine Verwendung fand, erscheint hier einmal.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

, , ( [11]); /i:/: , , ( [1]), ,

,

, ( [5])

; /y:/: , [96]

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, (WI); /u:/: , ()

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, ( [6]) , () ; (/o:/: [13])

, ( [174], [17])

171

, ( [7])

; (/ɑ:/: [16], [2])

Abb. 43: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Han-1562 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)



/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [127] + (C) [33], (C) [207]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (WI))

(WI), (WM, WE)

, ( (C) [5])

Abb. 44: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Han1562 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

172

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

5.10

Georg Rab und Weigand Hans Erben (Frankfurt/a.M., 1564)

a.

Zur Cumpanei um Georg Rab, Weigand Hans Erben und Sigmund Feyerabend und deren Verlagsprogramm

Bei der Druckersprache der Offizin Gülfferich-Han konnte bereits ein relativ homogener Schreibusus festgestellt werden. Bei der Ausgabe Han-1564 liegt der Fokus besonders auf der Frage, ob und wie der aus Scheibenburg in Meißen stammende und bis 1561 in Pforzheim tätige Buchdrucker Georg Rab die Druckersprache aus der Vorlage Han-1562 veränderte. Auch erscheint ein Aufenthalt Rabs in Zürich wahrscheinlich, da sein Sohn Christoph Rab, der nach seines Vaters Tod 1580 dessen Offizin weiterleitete, 1552 in Zürich geboren wurde. Wirken sich die Herkunft und die Ausbildungsstationen dieses Druckers auf die Schreibsprache in der von ihm gedruckten Melusine aus oder behält die ortsansässige Druckersprache, für die die Verleger Weigand Hans Erben einstehen, die Oberhand? Nach dem Kauf des Hauses zum Krug Anfang 1561 von Weigand Han und dessen Mutter Margarethe Gülfferich leistete Georg Rab in Frankfurt/a.M. den Bürgereid und war dort fortan bis zu seinem Tode als Buchdrucker tätig. Zunächst druckte er nur für Weigand Han und dessen Erben, nach Sigmund Feyerabends Eintritt in die Produktionsgemeinschaft auch für diesen. Innerhalb der Cumpanei fungierte Rab als der Lohndrucker. Ausschließlich für diese druckte er bis 1564. Danach war er auch für andere Verleger, beispielsweise Simon Hüter, tätig. Auch nach Auflösung der Cumpanei 1570/71 druckte er bis zu seinem Tode weiter für Sigmund Feyerabend. 1579, ein Jahr vor seinem Tod, wird er dann sogar als Druckerverleger („Typographi et Bibliopolae“) bezeichnet. Er war ein sehr vielseitiger Lohndrucker, der beispielsweise auch Notendrucke für Feyerabend anfertigte oder ab 1568 den Messkatalog Georg Willers druckte (15 Nachweise im VD16).143 Die Auswertung der beinahe 400 Nachweise Georg Rabs im VD16 legt seine vielfältigen Geschäftsbeziehungen offen. In seiner Pforzheimer Tätigkeit war Rab auf volkssprachliche Drucke fokussiert. Es lassen sich 31 deutsche, sieben lateinische und ein italienischer Druck nachweisen. In der Verbindung mit Weigand Hans Erben setzt sich diese Tendenz noch deutlicher fort, da aus dieser Partnerschaft 99 deutschsprachige und lediglich sieben lateinischsprachige Drucke hervorgingen. Zusammen mit Sigmund Feyerabend und Simon Hüter brachte er zwölf deutsche und drei lateinische Drucke auf den Markt, sowie einen zusätzlichen Druck nur in Verbindung mit Hüter. Für die Cumpanei druckte Rab 58 deutsche und 29 lateinische Werke. Nach der Auflösung dieses Dreigestirns druckte Rab in Verlegung Sigmund Feyerabends 31 lateinische und 20 deutsche Drucke. Unter Eigenregie gibt Rab 24 lateinische und nur elf deutsche Drucke heraus.144 143 144

Vgl. Berz (1970: 37–45), Reske (2007: 231–232). Die Drucke der Messkataloge sind in dieser Übersicht ausgeschlossen.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

173

Neben diesen bedeutenden und ertragreichen geschäftlichen Verbindungen druckte Georg Rab in vielen Einzelfällen von anderen Auftraggebern verlegte Werke. So druckte er für die Frankfurter Verleger Hieronymus Feyerabend elf lateinische und vier deutsche, für Johann Feyerabend vier lateinische und einen deutschen, für Nicolaus Bassee zwei lateinische Werke und zusammen mit Sigmund Feyerabend und dem Frankfurter Goldschmied und Maler Heinrich Lautensack eine deutschsprachige Schrift zur Perspektiv- und Proportionslehre. Darüber hinaus fertigte er Auftragsdrucke für den Jenaer Buchhändler Jacob Tröster (7 lat.), den Heidelberger Buchhändler Matthäus Harnisch (2 dt., 1 lat.), den Straßburger Buchdrucker Bernhard Jobin (1 dt.), die Basler Buchdrucker Peter Perna (1 dt.) und Johannes Oporinus (2 lat.), den Leipziger Buchhändler Henning Groß (3 dt.) und für Thomas Rebarts Erben (1 lat.) an. In der Verbindung mit Weigand Hans Erben bringt Rab überwiegend deutschsprachige Drucke auf den Markt. In der Cumpanei nimmt die Zahl der lateinischen Drucke zu, zusammen mit den Mitgliedern der Familie Feyerabend, insbesondere mit Sigmund, überwiegen schließlich die lateinischen Drucke. Auch in Eigenregie verschiebt sich der Fokus im Vergleich zwischen der Zeit in Pforzheim und der folgenden Tätigkeit in Frankfurt/a.M. Nach Schmidt kann man diesen Wandel z. T. dem Einfluss Sigmund Feyerabends zuschreiben, „der immer bemüht war, repräsentative Bücher mit kunstvollen Illustrationen auf den Markt zu bringen. Mit diesen Büchern versuchte er denn auch, ein anderes, zahlungskräftigeres Publikum anzusprechen“ (Schmidt 1996: 47). b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Han-1564

Auch in dieser Ausgabe wird wie in Han-1556 und 1562 eine Schwabacher Schrifttype der Größe 20 Z.=74 mm verwendet. Beim Satz wurde dabei allerdings stärker auf Abkürzungen zurückgegriffen, als dies zuvor der Fall war. So erscheinen hier im Vergleich mit Han-1562 , und . Auch , das in Han-1562 nur einmal, in Han-1556 überhaupt nicht verwendet wurde, erscheint neunmal. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p r ɾ(1) s ſ ß t u uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} {./=} { ’ wz dz m̄ n̄ ā ē ō ū ⱴ }

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Han-1564

Bereits ein Blick auf die Abbreviaturen und deren Frequenz zeigt, dass sich Han-1564 – die durch Georg Rab für Weigand Hans Erben gedruckte Ausgabe – von den beiden vorherigen Ausgaben Weigand Hans graphisch unterscheidet. Im Kontrast zu Han-1562 tritt (34) wieder häufiger auf, auch begegnet vereinzelt in Saitenſpiel, Waiſen,

174

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Waiſin.145 Statt der bisherigen Diphthonggraphievariante wird unter Rabs Führung in den Formen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›schauen‹, ›Trauer‹ und ›traurig‹ durchweg gesetzt.146 Auch die Auslautgraphie (9) tritt wieder auf, die Verwendung des Digraphems (88) ist hingegen rückläufig. Der Überblick über die Graphien zur Darstellung von Vokallänge zeigt ein weiteres Voranschreiten des Dehnungs-h, wohingegen Doppelvokalgraphie seltener wird: (19), kein , in befahl, fahren (2), Gemahl (2), Gemahlſchafft, geſah, geſchah (2), mahl (4), raht (2), rahten, ſah (2), verſah, widerfahren, in ⱴraͤ hterey, (181), (183), in ohn (6), Ohn, ſtroh (2), verargwohnet, in fuhr, ruh, ſchuh, in fuͤ hrt (2), fuͤ hr, fuͤ hren, fuͤ hret, fuͤ hreten, wolberuͤ hmpten, in verlihen, empfihle, ſih. begegnet als Dehnungsgraphie in ghen (2) für die Präposition ›gen‹. Diese Graphie ist in Zusammenhang mit dem Enchiridion des Johannes Kolross, deren vierte und letzte Auflage 1564 erschien, von besonderem Interesse. In seinen Ausführungen zur Langvokalschreibung empfiehlt Kolross sowohl Doppelvokalschreibung als auch Dehnungs-h, nennt dabei allerdings bei aller Freiheit auch Restriktionen. So schreibt er zu /u:/, „das würt nit geduppliert / ſonder wo es hart vnnd ſtarck geeth / da ſchrybt man nach im ein h. oder ouch vor im“ (Müller 1969: 72). Letzterer Teilsatz ist besonders interessant, blickt man auf Graphien aus der Melusine-Überlieferung wie in ghen (nhd. ›gen‹), in berhuͤ mpt oder rath vs. raht ›Rat‹. So scheint das Dehnungs-h anfangs noch nicht auf die Distribution nach dem Vokalgraphem fixiert zu sein, so dass auch obige Schreibungen als Dehnungs-h interpretiert werden können. Diese hier herausgegriffenen seit 1530 durch Kolross diskutierten Bereiche der Graphie – das Dehnungs-h und die etymologischen Schreibungen – wurden innerhalb des Untersuchungskorpus eine Generation später in der Druckersprache der Frankfurter Drucker sukzessiv eingeführt. Allerdings hatten diese Graphievarianten bereits andernorts zuvor ihren Ursprung genommen. Kolross begründet die Einschränkungen, die er macht, nicht, so dass davon auszugehen ist, dass er lediglich einen bestehenden seiner Schreiblandschaft unterschiedlichen Usus beschreibt.

145

Für die Diphthonggraphie bei der Verschriftung des Monats Mai wird in dieser Ausgabe gar gesetzt (Maij). 146 Gleiches gilt im Übrigen auch für die zu bestehende Variante , die in Han-1564 durchweg als gesetzt wird.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

; /y:/: , [92]

, , , ( [56]); ( [7]) /i:/: , , ( /ɪ/ /i:/ [3], [3]), , /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/

/ɛ/ , , ( [4]) , ( [6]) , ()

, (WI); /u:/: , () , ( [4])

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/ , (, [1])

175

, () ; (/o:/: [10])

; (/ɑ:/: [20])

, ( [174], [19])

Abb. 45: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Han-1564 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)



/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [128] + (C) [17], (C) [88]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [9], (WI) [10])

(WI), (WM,

, ( (C) [4])

Abb. 46: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Han1564 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

wird auch in Han-1564 unorganisch als Längenmarkierung verwendet, z. B. in viel (49). Ein weiteres Novum dieser Ausgabe ist, dass abgesehen vom Gebrauch für Fremdwortgraphien und einzelnen Ausnahmen in nhd. ›Riese‹ regelhaft für /i:/ gesetzt

176

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

wird: Ryß (21), Ryſen (16).147 Aufgrund dieses Befundes muss die Frage, ob der auswärtige Drucker fremder Herkunft Einfluss auf die Schreibsprache hatte, eindeutig bejaht werden. Unter Georg Rabs Führung der Drucklegung der Melusine gelten andere graphische Konventionen als in den Frankfurter Ausgaben zuvor.

5.11

Katharina Rebart und Kilian Han (Frankfurt/a.M., 1571)

a.

Katharina Han, Thomas Rebart und Kilian Han

Katharina Han heiratete drei Jahre nach dem Tod Weigand Hans am 10.1.1565 wieder einen Buchdrucker, Thomas Rebart aus Jena. Sie kann neben Margarethe Gülfferich als zweite starke Frau in der Verlags- und Druckerfamilie Gülfferich-Han angesehen werden, die die Firma Weigand Han Erben zusammenhielten.148 Zusammen mit dem Stiefvater Thomas Rebart, der nur noch vier Jahre bis zu seinem Tod am 28.9.1570 in Frankfurt tätig war und dort auch mit Sigmund Feyerabend (1566 und 1570) und Weigand Hans Erben (1567) kooperierte, druckte Kilian Han 1570 den Fortunatus (VD16 F1938). Nach dem Tod des Stiefvaters führte Katharina Rebart mit ihrem ältesten Sohn aus der vorigen Ehe mit Weigand Han, Kilian Han, die Druckerei weiter. 1571 erhielten beide das Bürgerrecht zu Frankfurt. Kilian Han heiratete im selben Jahr und begann unter seinem eigenen Namen zu drucken. Im gleichen Jahr druckten sie zusammen die Ausgabe Rebart/Han-1571. Sein letzter Druck ist aus dem Jahr 1575 belegt, 1577 tritt er nochmals für den Druck der Melusine, den Paul Reffeler besorgte, als Verleger auf. Danach scheint sein Leben aus den Bahnen zu geraten, da er, nachdem seine Frau und mindestens eines seiner drei Kinder gestorben waren, 1577 die Stadt verlässt. Seine Mutter hielt sich zu dieser Zeit wohl schon in Jena auf, um am Prozess um das Erbe Thomas Rebarts teilzunehmen. 1581 ist belegt, dass Kilian Han von der Stadt Mainz das Bürgerrecht verwährt wurde. 1582 immatrikulierte er sich an der Universität Jena, der Eintrag wurde allerdings wieder gestrichen. Über den weiteren Verlauf seines Lebens ist nichts bekannt. Seine Mutter Katharina starb 1606 im hohen Alter von 82 Jahren in Jena, wohin sie während der 1570er Jahre übergesiedelt war (vgl. Schmidt 1996: 31–32). Mit ihr erlischt die Buchdruckerfamilie Han, die sich um den Druck deutschsprachiger Unterhaltungsliteratur verdient gemacht hatte. Auch Kilian Han brachte in der Tradition seiner Vorgänger vornehmlich deutschsprachige Werke heraus. Abgesehen von Sigmund Feyerabends Buch der Liebe ist die Ära der Frankfurter Prosaroman-Fabrik jedoch mit Beginn der 1580er Jahre beendet.

147 148

Ansonsten tritt abgesehen von Fremdwörtern in ſchryen und wy auf. Schmidt (1996: 31). Katharina Intz/Han/Rebart wird während ihrer Zeit in Frankfurt wiederholt in Prozessakten erwähnt.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

b.

177

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Rebart/Han-1571

Auch in dieser Frankfurter Ausgabe aus dem Umfeld der Druckerfamilie GülfferichHan wurde abgesehen von der Inhaltsangabe, die aus einer Frakturschrift gesetzt wurde, für den Satz des Textes eine Schwabacher Schrift verwendet, die allerdings im Vergleich zu den Vorgängerausgaben größer ist (20 Z.=78mm). Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p r ɾ (1) s ſ ß t u uͤ v w x y z } { A B C D E F G H I (1/lat.) J K L M N O P R S T V W Z } {.:/=} { ’ dz m̄ n̄ ā ē ō ū }

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Rebart/Han-1571

In dieser Ausgabe zeigt sich die Abhängigkeit von Han-1564 anhand der graphischen Besonderheiten deutlich, da (15) und in Waiſin (4), Waiſ ähnlich verwendet werden, das Lexem ›Riese‹ weiterhin durchgehend mit für den Stammvokal gesetzt wird149 und die in Han-1564 eingeführte Regelgraphie als Variante neben in Formen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›schauen‹, ›Trauer‹ und ›traurig‹ fortbesteht.150 Die Auslautgraphie tritt hier nur noch in den Belegen Jungkfrauw, Jungkfrauwen (2) und Jungkfraw auf, in 128 Belegen. Die wortinitiale Graphie findet sich nicht, dafür begegnet in mehreren Belegen erstmals (rhaten, rhat, Rhat, gerhaten, berhuͤ mpter). Zum ersten Mal wird in Rebart/Han-1571 auch das Längenzeichen mit dem Dehnungs-h kombiniert (gerieht, mißrieht, rieht, riehten). Die Doppelgraphie erscheint hier mit 44 Nachweisen wieder häufiger, allerdings weiterhin lediglich als Nebenvariante zu (151).

5.12

Michael Manger (Augsburg, 1574)

a.

Der Drucker Michael Manger und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Die Melusine des Michael Manger ist in Bezug auf die Schreibsprache höchst interessant, da Manger einerseits gebürtig dem ostfränkischen Dialektraum (* Datum unbekannt, Opferbaum bei Würzburg) entstammt, andererseits mit Han-1562 eine Vorlage verwendet, deren Schreibsprache von der Augsburger Druckersprache abweicht. Hinterlassen diese beiden Faktoren in der Schreibsprache Spuren oder ist die Druckersprache Mangers in der Melusine durch die ortsüblichen Spezifika gekennzeichnet?

149

Diese Besonderheit tritt im gesamten Korpus erstmals in Han-1564 auf. Ansonsten tritt abgesehen von Fremdwörtern in Rebart/Han-1571 im ſchryen auf. als Diphthonggraphie ist nicht nachweisbar. 150 Gleiches gilt für die Graphie .

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

178

, , ( [58]); /i:/: , , ( [2], [4]), ,

, , ( [5])

, ( [14])

; /y:/: , ( [60], [35])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, (WI); /u:/: , (, )

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, (, ) ; (/o:/: [11])

, ( [151], [44]) , ( [3], [3])

, ( [6])

; (/ɑ:/:

, ( [15], [3])

[29])

Abb. 47: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Rebart/Han-1571 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)



/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [114] + (C) [9], (C) [128]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [4])

(WI), (WM, WE) , ( (C) [3])

Abb. 48: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Rebart/Han-1571 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Michael Manger nimmt kurz nach der am 26.06.1569 vollzogenen Heirat mit Barbara Hofer, der Witwe des Augsburger Buchdruckers Matthäus Franck, seine Drucktätigkeit in der ehemaligen Offizin Francks auf.151 Aus der Zeit vor seiner Hochzeit ist wenig 151

Zu Manger vgl. Künast (1997b: 1228–1229), Reske (2007: 41).

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

179

bekannt, Benzing verweist auf Mangers Beschäftigung als Buchführer. Sein Lehrmeister war vermutlich Matthäus Franck, der bis 1568 nachweisbar ist. Nach Übernahme der Offizin Francks florierte das Geschäft Mangers, da er in seinem Trauzeugen Georg Willer d. Ä. und der von dem Kaufmann und Historiker Markus Welser gegründeten Verlagsgemeinschaft Ad insigne pinus finanzkräftige Auftraggeber hatte. Aufgrund der Steuerbucheinträge schließt Künast darauf, dass die Geschäfte Mangers nach 1600 stark rückläufig gewesen sein müssen, da er ab diesem Zeitpunkt keine Vermögenssteuer mehr bezahlt. Der letzte datierte Druck Mangers stammt aus dem Jahr 1604. Die Offizin führt der Stiefsohn David Franck weiter, aus dessen Presse ebenfalls eine im Jahre 1612 gedruckte Melusine-Ausgabe nachgewiesen ist, von der allerdings kein Exemplar überliefert ist. Es ist jedoch zu vermuten, dass sich diese Ausgabe der offizininternen Ausgabe Mangers als primärer Vorlage bediente. Aus Mangers Offizin gingen in etwa 30 Jahren über 350 Druckwerke hervor (vgl. Künast 1997b: 1228). Der Schwerpunkt Mangers liegt ähnlich den Frankfurter Melusine-Druckern auf deutschsprachigen Drucken, da neben 208 deutschsprachigen Werken lediglich 109 Drucke in lateinischer Sprache und drei lateinisch-griechische Werke erschienen. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Manger-1574

Der Text dieser Ausgabe wurde wie die Frankfurter Han-Ausgaben aus einer Schwabacher (20 Z.=76 mm) gesetzt. Der Titelblatttext und ein Titulus weisen auch Fraktur auf, lateinische Zitate sind in Antiqua vom deutschen Text abgesetzt. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ů ü uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} { . .̃ : / = ,(1/lat.) } { ’ dz wz m̄ m̃ n̄ ā ē ō }

Besonderheiten der Graphie in der Ausgabe Manger-1574

Die von der Frankfurter Ausgabe Han-1562 abhängige Augsburger Ausgabe Manger1574 weist das typisch schwäbische / nur selten auf, so in bain, laiſten, wainet, wayſen, Wayſin (4). (47) ist selten belegt, im Vergleich mit den sieben Belegen in Han-1562 jedoch wieder häufig eingefügt. Wie in den zeitnäher an Mangers Ausgabe gelegenen vorigen Frankfurter Ausgaben erscheinen auch hier und als Varianten des Diphthongs /ao/.152 Die betroffenen Lexeme sind dabei zahlreicher als zuvor und umspannen Belege von ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›grausamlich‹, ›Mauer‹, ›schauen‹, ›Trauer‹, ›traurig‹, ›verhauen‹ und ›Zauberei‹. Eine gewisse Abhängigkeit von der Schreibsprache der Vorlage lässt sich daher durchaus belegen. Aber Mangers Ausgabe zeichnet sich auch durch deutliche Abweichungen von der Frankfurter 152

Gleiches gilt auch für die Varianten und für /ɔʏ/.

180

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Drucksprache aus. So erscheinen die Auslautgraphien (229) und (71) vergleichsweise zahlreich. Die obd. Vokaldoppelgraphie ist stärker als in den md. Texten vertreten (25), v. a. erscheint erstmals in mehreren Belegen (12).153 Dehnungs-h ist ebenso stark wie in den Frankfurter Melusine-Drucken der Zeit bzw. in Han-1562 vertreten: in befahl, (er-)fahɾen, Gemahl, Gemahlſchafft, geſah, gewahn, Mahl (3), ſah (4), in Maͤ hr, Maͤ hɾ, maͤ hɾ, Maͤ hɾen, Staͤ hlin, (169), (106), in noht, ohn (12), ohne, ohnmacht (2), ohnmechtig, ſtroh (2), verargwohnet, in Boͤ hmer, Boͤ hmiſche, in widerfuhr, in ihɾ (2), ſih. Ein grundlegender Unterschied zu den md. Frankfurter Drucken ist das Fehlen der Monophthongierung, das sich durch die Verwendung des Graphems sowie die in diesem Druck noch vorgenommene Unterscheidung zwischen den Graphien und für die Phoneme /ʏ/, /y:/ und /ʏə/ zeigt. Ebenfalls als grundlegend unterschiedlich zu den Frankfurter Drucken aus dem Umfeld der Familie Gülfferich-Han ist der Umgang mit den Graphemen , / , , die bei Manger noch graphische Varianten darstellen. kommt in hye, nye (5), nyemand (5), nyemandt (3) vor, wird auch anstelle von für die Phoneme /i:/, /ɪ/ und /j/ verwendet. Eine Restriktion des auf Fremdwortschatz wie in den Frankfurter Ausgaben besteht nicht. Eine weitere Besonderheit in Manger-1574 liegt in der erstmals im Korpus erscheinenden Schreibung der Präposition ›unter‹ mit (14) bzw. (7) in mehreren Belegen. Damit ist einerseits der Einfluss der Vorlagensprache nachweisbar, andererseits treten aber auch klare distinktive Merkmale der Augsburger und Frankfurter Drucksprachen des ausgehenden 16. Jhs. hervor. Dabei weisen die Abweichungen die Frankfurter Drucksprache als Schreibsprache mit höherem Grad der Konformität mit dem Nhd. als die Setzersprache in Mangers Druck aus. Es zeigt sich wiederum, dass die Schreibsprache in Drucken zumeist primär von den ortsansässigen Konventionen geprägt ist, durch Vorlagenabhängigkeit sowie Herkunft/Ausbildung des Druckers/Setzers jedoch ein gewisser Grad an schreibsprachlicher Mischung entstehen kann.

5.13

Paul Reffeler für Kilian Han (Frankfurt/a.M., 1577)

a.

Der Drucker Paul Reffeler und seine Drucke

Mit Paul Reffeler verlegte Kilian Han, der letzte im Buchdruckgewerbe aktive Vertreter der Buchdruckerfamilie Gülfferich-Han, die Melusine mit einem Drucker, der aus Freiburg im Breisgau stammte und sich in das Familiengeflecht der Frankfurter Drucker eingeheiratet hatte. 1563 hatte er Ermel Intz, eine Schwägerin Weigand Hans, geheiratet und wurde nach dem Tod Hans einer der Vormünder seiner minderjährigen Kinder. Er druckte nachweislich zwischen 1569/70 und 1585 in der Messestadt Frankfurt. In der Melusine sind keine Spuren des Dialektes seines Geburtsortes zu ermitteln, die Ausgabe 153

Gaab (4), maacht (4), Saal (3), ſpɾaach.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

181

folgt in den wesentlichen sprachlichen Aspekten der ebenfalls durch Kilian Han besorgten Vorlage Rebart/Han-1571.

, , ; /i:/: , ( [2]), ,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, ( [14]) , , ( [3], [5]) , ()

; /y:/: , ( [77], [68], [12]) /ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, (WI); /u:/: , (, ) , (, [1]) , (, ) ; (/o:/: [20])

, ( [169], [25]) , (, [6])

, ( [2])

, ( [20], [1])

; (/ɑ:/: [14], [12])

Abb. 49: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Manger-1574 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [137] + (C) [23], (C) [229]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [71])

(WI), (WM, WE) , ( (C) [3])

Abb. 50: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Manger1574 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Aus der Zeit 1569/70–1585 erscheinen unter Reffelers Namen lediglich 44 Titel im VD16. Er muss wohl als Lohndrucker betrachtet werden, der für verschiedene Verleger tätig war. So druckte er hauptsächlich für Sigmund Feyerabend, aber auch für Simon

182

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Hüter, Weigand Hans Erben und Kilian Han. Er ist v. a. am Produktionsprozess der Bücher beteiligt, tritt aber kaum im Zusammenhang mit der Finanzierung und dem Vertrieb der Bücher auf. Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Reffeler/Han-1577154 Minuskeln: { a aͤ b c d e ē f g h i j k l m m̄ n n̄ o ō oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ū uͤ v w x y z}

b.

Majuskeln: { A B C D E F G H I(lat.) J K L M N O P R S T V W Z } Syngrapheme: { . .̃ : / = } Abkürzungen: { ’ dz m̄ n̄ ē ō ū }155

c.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Reffeler/Han-1577

In Reffeler/Han-1577 werden die Veränderungsprozesse, die sich in den Vorgängerausgaben bereits andeuten, weitergeführt. So sind die Varianten und zugunsten der Varianten und nahezu vollständig abgebaut.156 Die Beschränkung dieser Graphievariante auf die oben bereits mehrfach genannten Lexeme besteht weiter. tritt in 89 Fällen auf, lediglich in den Belegen eines Lexems (Waiſen (4), Waiſin). Die Auslautgraphie hat mit 272 Belegen Hochkonjunktur, auch (49) tritt vergleichsweise häufig auf. Die Graphien und erscheinen lediglich in je einem Einzelbeleg (ghen, berhuͤ mpte). Dehnungs-h tritt hier bereits in Verbindung mit allen Vokalen auf, so auch in in Soͤ hn (3), gedoͤ hne, gewoͤ hnlich (2) oder in empfiehle, riehten. Doppelvokalgraphie ist ausschließlich durch belegt, das mit 44 Belegen wieder häufiger auftritt. Wie in Han-1564 und Rebart/ Han1571 tritt in nhd. ›Riese‹ regelhaft für /i:/ auf, ansonsten nur in Ausnahmebelegen und Fremdwörtern: Ryß (17), Ryſen (25), ſchryen. Im Bereich der Homonymendifferenzierung lassen sich in dieser Ausgabe besonders bewusste Eingriffe in die Vorlage feststellen.157 Innovative Graphien werden damit in dieser Ausgabe innerhalb des stabilen Usus der Frankfurter Drucksprache noch weiter ausgebaut.

154

In dieser Ausgabe findet die gleiche Type wie in Rebart/Han-1571 Verwendung (Schwabacher, 20 Z.=78 mm). Im Gegensatz zu der Vorgängerausgabe werden hier die lateinischen Zitate auf Bl. H8b durch Satz aus einer Kursive vom deutschsprachigen Text abgesetzt. Nur in diesen beiden lateinischen Zitaten kommen die Graphen und vor. Im Gegensatz zu Rebart/Han-1571 weist die Interpunktion an einer Stelle die Vorform des Fragezeichens auf. 155 Bezeichnend für die Textabhängigkeit der Ausgaben Rebart/Han-1571 und Reffeler/Han-1577 ist die Tatsache, dass die Abkürzung in beiden jeweils lediglich einmal an exakt gleicher Stelle auftritt. 156 ist nur noch in elf Fällen belegt, gar nur in vier. 157 Vgl. Kapitel III.6.2.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

, , ( [58]); /i:/: , , ( [2]), ,

, , ( [5])

, ( [16])

; /y:/: , (, [3])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

183

, (WI); /u:/: , (, [7]) , ( [4]) , (, [4])

, ( [161], [44])

; (/o:/: [46])

, () , (, [13])

, (, [2], [1])

, ( [6])

; (/ɑ:/: [63])

Abb. 51: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Reffeler/Han-1577 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [122] + (C) [30], (C) [272]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [49])

(WI), (WM, WE)

, ( (C) [6])

Abb. 52: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Reffeler/Han-1577 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

184

5.14

Christian Müller d. J. (Straßburg, 1577)

a.

Der Drucker Christian Müller d. J. und das Verlagsprogramm seiner Offizin

Um das Offizinprofil Christian Müllers d. J. zu erfassen, werden zunächst die Wurzeln dieser Buchdruckerfamilie betrachtet: Der Vater Christian Müllers d. J. druckte in Straßburg seit 1554 in Jakob Fröhlichs Offizin, bei dem er wohl das Handwerk erlernt hatte. Aus einer Ehe Christian Müllers d. Ä. mit einer Tochter Fröhlichs ging vermutlich Christian Müller d. J. hervor. Der Vater druckte nach dem Tod Fröhlichs 1557 oder 1558 in dessen Offizin, in der später auch die Erben nach dem Tod Christian Müllers d. Ä. von 1568–1570 und danach Christian Müller d. J. von 1570–1579 arbeiteten. Das Druckprogramm des Älteren umfasst rund 100 Titel im VD16, wobei der Fokus auf theologisch-dramatischen Werken liegt und die deutschsprachigen Drucke sich mit den lateinischen die Waage halten. An Frnhd. Prosaromanen finden sich der Fortunatus,158 eine Erzählung zu Dietrich von Bern159 und die Historie vom Finkenritter in zwei Ausgaben160 im Druckprogramm des Christian Müller d. Ä. Der Sohn brachte in der Offizin am Kornmarkt rund 50 Titel heraus, bevor er 1579/1580 starb. Von 1580–1586 firmieren seine Erben, von denen etwa 25 Titel im VD16 nachgewiesen sind.161 Das Druckprogramm Christian Müllers d. J. führt überwiegend die in der Romantik unter dem Begriff Volksbuch subsumierten Werke. Neben einem dreisprachigen französisch-lateinisch-deutschen Wörterbuch stehen einige Drucke des Paracelsus, eine Albertus Magnus-Ausgabe, die bereits bei Christian Müller d. Ä. gedruckte Erzählung zu Dietrich von Bern162 und eine weitere Erzählung zum Helden aus der Nibelungensage,163 das Kräuterbuch und eine Praktik des Bartholomaeus Carrichter in mehreren Auflagen und einige theologische und medizinische deutschsprachige Drucke (vgl. Benzing 1982: 450). Die kurze Druckperiode Christian Müllers d. J. ist damit durch volkssprachlichen Druck und v. a. Sachliteratur geprägt. Die beiden Erzählungen zu Dietrich von Bern deuten dabei auch an, dass Texte wie die Melusine im Verlagsprogramm dieser Offizin angedacht waren. Zumindest impliziert das Verlagsprogramm, dass das Offizinpersonal auf den Umgang mit der deutschen Sprache spezialisiert war. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Müller-1577 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ů uͤ v w x y z }

Majuskeln:

158

{ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ}

VD16-Nr.: F 1937. VD16-Nr.: E 463. 160 VD16-Nr.: ZV 5851 und F 1095. 161 Vgl. zu Christian Müller d. Ä. Reske (2007: 891); zu Christian Müller d. J. Reske (2007: 895). 162 VD16-Nr.: E 467. 163 VD16-Nr.: S 6396. 159

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

185

Syngrapheme: { . .̃ : / = ( ) ,(1/lat.) } Abkürzungen: { dz wz m̄ n̄ ē ō } c.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Müller-1577

In der Ausgabe Müller-1577 zeigt sich im Kontrast zur Schreibsprache der Vorlage, Steiner-1543, dass sich gewisse graphische Konventionen wie die Vokallängengraphien unabhängig von den verschiedenen Drucksprachen flächendeckend verbreitet haben. Die in Steiners letzter Ausgabe stark gebräuchliche schriftsprachliche Differenzierung der /ae/-Diphthonge nach lautetymologischer Herkunft ist in Müller-1577 entfernt, das Graphem ist nicht belegt. Im Vergleich mit dem Usus in der zeitgleichen Ausgabe Reffeler/Han-1577 erscheint die Straßburger Ausgabe im Bereich der Graphie trotzdem weniger fortschrittlich als der Frankfurter Druck. Parallel zum Usus der MelusineDrucke Steiners kommt in den Formen der Lexeme ›bauen‹, ›beschauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›hauen‹, ›Mauer‹, ›Trauer‹, ›traurig‹ statt lediglich die Variante vor. wird in 93 Fällen gesetzt, die Auslautgraphien (119) und (40) sind ebenfalls präsent. Das Dehnungs-h wird ebenso gesetzt, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie in der zeitgleich erschienenen Frankfurter Ausgabe Reffeler/Han-1577, da hier beispielsweise kein , , und auftreten. Auch ansonsten sind die Belege des Dehnungs-h geringer bezeugt als in der Frankfurter Ausgabe: in vngefahɾ, raht, zahl, Zahn, in maͤ hɾ (4) , (161), (292), in ohn (10), Ohn, ohnmacht, Sohn (2), ſohn, ſtroh (2), wohnung und in ihɾ (3). Vokaldoppelgraphie tritt in (21) und (maal (4), ſaal, ſaale) vergleichsweise selten auf. Bemerkenswert bei dieser Ausgabe ist, dass nicht an unorganischer Stelle vorkommt und somit in dieser Ausgabe nicht zur Längenmarkierung umfunktionalisiert erscheint. Im Gegensatz zu Steiner unterscheidet Müller wie die Frankfurter Drucker die Phoneme /ʏ/, /y:/ und /ʏə/ nicht mehr, sondern setzt uniform . ist stark und in denselben Lexemen wie allgemein in den Melusine-Drucken dieser Zeit verbreitet. ist als Variante für und getilgt und findet sich lediglich in Fremdwortgraphien und Eigennamen (Bɾytannier, Cypern, Cypɾiſchen, Fryburg, hiſtoɾy, Hiſtoɾy (6), matery). In all diesen Punkten zeigt sich die Schreibsprache in Müller-1577 auf der Höhe der Zeit, wobei man mit Bezug auf die - und /-Graphie einschränkend sagen muss, dass sich das Graphiesystem des Straßburger Druckes von den Frankfurter Drucken doch unterscheidet. Wie sich in den Kapiteln IV und V noch zeigen wird, hier jedoch bereits andeutet, ist die Ausgabe Müller-1577 auf sprach- und textstruktureller Ebene als bewusste Neufassung und Bearbeitung der Vorlage aus dem Jahr 1543 zu bewerten. Vermutlich sah sich der Straßburger Drucker durch die starke Konkurrenz aus Frankfurt zu der Textbearbeitung gezwungen. Dass die Modernisierung der Graphie einer alten Vorlage nicht immer in diesem Maße geschieht, wird sich im folgenden

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

186

Kapitel zur Ausgabe Egenolff-1578, die auf die Ausgaben Steiner-1543 und Müller1577 zurückgeht, zeigen. , , ( [7]); /i:/: , ( [3]), ,

,

; /y:/: , ()

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, (WI); /u:/: , ()

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, () ; (/o:/: [18])

, ( [161], [21])

, ()

, (, [4])

, (, [1])

; (/ɑ:/: [6], [4])

Abb. 53: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Müller-1577 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Wappen’)

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [123] + (C) [23], (C) [119]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [40], (O) [13])

(WI), (WM, WE)

, ( (C) [3])

Abb. 54: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Müller1577 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

187

5.15

Offizin Christian Egenolffs Erben, erste Ausgabe (Frankfurt/a.M., um 1578)

a.

Die Offizin Christian Egenolffs Erben und ihr Verlagsprogramm164

Für eine Verortung der Offizin Egenolffs Erben im Frankfurter Gefüge des buchschaffenden Gewerbes ist es zunächst unverzichtbar, die Wurzeln der Druckerei darzulegen. Auch ist der Begründer der Offizin, Christian Egenolff, für den Erwerb der Holzschnitte Heinrich Steiners für die Melusine verantwortlich, weshalb sich die Vermutung aufdrängt, auch er habe eine heute verschollene Ausgabe der Melusine herausgegeben. Egenolff kam im Jahre 1530 mit seinem Typen- und Druckmaterial aus Straßburg165 als erster Buchdrucker nach Frankfurt/a.M. und erbat das Bürgerrecht der Stadt, das ihm Ende des Jahres gewährt wurde. Ab spätestens 1531 gehen die ersten Drucke aus seiner Frankfurter Offizin hervor.166 Mit einem Darlehen des Rates der Stadt unterstützt, erwarb Egenolff 1533 das Haus Falkenstein in der Großen Sandgasse. Weitere Immobilienkäufe, ein Abriss und Neuaufbau eines großen Wohn- und Geschäftshauses 1543, seine eigene Papiermühle und die Beschäftigung ansässiger Künstler zur Herstellung von Holzschnitten (vgl. Reske 2007: 224–225) verdeutlichen, dass sein Geschäft zu dieser Zeit florierte. Er „legte Wert auf das illustrierte Buch und kaufte ständig Holzstöcke an, so von […] Heinrich Steiner in Augsburg“ (Reske 2007: 225). Als er am 9.2.1555 starb, hinterließ er nicht nur die erworbenen Häuser, sondern „auch Wiesen und Weingärten sowie 1418 Ballen Papier (der Ballen zu 3 fl. bewertet), Holzschnitte zu 250 fl. und 77 Zentner Schriftmaterial“ (Reske 2007: 225). Deutschsprachige und lateinische Drucke halten sich in seiner Offizin die Waage. Von 669 im VD16 gelisteten Titeln aus seiner Drucktätigkeit von 1529–1555 (in Straßburg, Frankfurt und Marburg)167 sind 325 in lateinischer (48,6 %), 341 in deutscher (51 %) und drei in griechischer Sprache gedruckt. Aus der Offizin gingen Werke aus allen Wissenschaftsbereichen hervor. Einen Schwerpunkt auf Unterhaltungsliteratur in der Volkssprache wie Gülfferich oder Han hatte Egenolff nicht gelegt. Vielmehr war er in der Gestaltung des Angebotes aus seiner Druckwerkstatt sehr vielseitig orientiert. Als wegebnenden Faktor für die Ausrichtung der Druckprogramme der nach ihm tätig 164

Grundlegend hierzu Richter (1965). Geboren wurde Christian Egenolff am 26. Juli 1502 wenige Kilometer nördlich von Limburg an der Lahn in Hadamar. 1516 nahm er ein humanistisches Studium an der Universität in Mainz auf. Erst 1528 sind die biographischen Daten wieder durch Quellen gesichert, da er in diesem Jahr zwei Drucke in Straßburg herausbringt. Das Intervall zwischen Studienbeginn und Erscheinen der ersten Drucke kann nur spekulativ gefüllt werden. In Straßburg, wo er das Buchdruckerhandwerk wohl erlernte, war Egenolff Inhaber einer kleinen Offizin, die er bis Ende des Jahres 1530, als er nach Frankfurt übersiedelte, betrieb. Vgl. dazu Berz (1970: 12). 166 Zur Diskussion der Datierung des Frankfurter Erstdruckes Egenolffs vgl. Berz (1970: 13). 167 Die Schätzungen für die Frankfurter Offizin belaufen sich bei Benzing auf über 500 Drucke. In Marburg betrieb Egenolff eine Zweigdruckerei, aus der über 70 Drucke hervorgegangen sein sollen. Vgl. dazu Berz (1970: 14). 165

188

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

werdenden Frankfurter Drucker sieht Berz die Umorientierung Egenolffs von dem Fokus auf lateinische Werke in Straßburg hin zu deutschsprachigen Drucken in seiner Frankfurter Zeit.168 Durch diese Expansion des Druckprogramms, die in der Folge der Reformation und des Ausbaus des Schulwesens einen stetig wachsenden Kundenkreis erhielt, konnte Egenolff auch seinen Wohlstand festigen.

Abb. 55 (links): Bildnis Christian Egenolffs von Johann Friedrich Schmidt169 Abb. 56 (rechts): Bildnis Christian Egenolffs von Monogrammist M170

Im Todesjahr Christian Egenolffs d. Ä. wurde die Offizin unter dem Namen Christian Egenolffs Erben durch die Witwe Margarethe Egenolff wohl mit Hilfe ihres Schwagers Lorenz Egenolff, dem Bruder Christian Egenolffs, weitergeführt.171 Der Verlag verlor in den siebziger Jahren, da man sich auf Neuauflagen alter Verlagserfolge beschränkte, seine führende Stellung. 1572 hatte Margarethe Egenolff eine Erbteilung unter den Kindern und Enkeln veranlasst. Nach ihrem Tode 1577 ging der Verlag und Buchhandel noch weiter zurück, so dass eine Verschuldung nicht verhindert werden konnte. Eventuell erklärt sich daraus der Druck der beiden Melusine-Ausgaben um 1578 und 168

„Egenolffs Verlag zeigte schon sehr früh eine Tendenz zu volkstümlichen Verlagswerken, die ja dann gegen Ende des Jahrhunderts (besonders bei Sigmund Feyerabend) geradezu charakteristisch für Frankfurt/a.M. waren. Denn den vorwiegend lateinischen Drucken Egenolffs zu Beginn seiner Straßburger Zeit stehen die Vielzahl der deutschsprachigen, populärwissenschaftlichen Drucke nahezu aller Wissensgebiete der Frankfurter Tätigkeit gegenüber.“ Berz (1970: 14). 169 Quelle: Bildarchiv Foto Marburg Objekt 67094227 (DNB, Deutsches Buch- und Schriftmuseum Leipzig). 170 Quelle: Bildarchiv Foto Marburg Objekt 07020492 (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg). 171 Zur Entwicklung des Verlags und der Druckerei siehe Richter (1965: 587–770). Einen Überblick über die familiären Beziehungen verdeutlichen die Stammtafeln in Richter (1965: 853–864).

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

189

1580 mit altem Holzschnittmaterial. Es konnte ein zu dieser Zeit auf dem Buchmarkt scheinbar nachgefragtes Werk – man denke an die in regelmäßigen Intervallen erschienenen Frankfurter Ausgaben der Druckerdynastie Gülfferich-Han – kostengünstig gedruckt werden. Die Offizin Christian Egenolffs Erben wurde nachweislich bis 1582, wohl aber bis zum Tode einiger Gesellschafter und des Wegganges Paul Egenolffs – eines Sohnes Lorenz Egenolffs – nach Marburg 1586, betrieben. Den Verlag übernahm 1587 Margarethe Egenolffs Schwiegersohn Wolf Dietrich Caesar. Zu alter Blüte kehrte der Betrieb jedoch nicht mehr zurück, so dass er ab 1605 selbständig vom letzten Erben Vincenz Steinmeyer bis zu dessen Tode weitergeführt wurde.172 Benzings Schätzung für die Offizin Christian Egenolffs Erben zufolge liegt die Zahl ihrer Druck- und Verlagswerke bei ca. 700. Richter listet 779 Drucke aus der Verlagsdruckerei Christian Egenolffs Erben von 1555–1667 auf.173 Im Bereich der deutschsprachigen Populärliteratur kamen Egenolffs Erben den Bedürfnissen des Volkes neben den beiden Melusine-Ausgaben lediglich durch den Druck des Lucidarius in 10 Auflagen entgegen (vgl. Richter 1965: 772–773). Weiterhin merkt Richter zu dieser Programmsparte an: „An den drei Bereichen der deutschen Prosaliteratur, die im 16. Jahrhundert sowohl geschäftlich wie literarisch den größten Erfolg hatten, Teufelsbücher, Schwankdichtung und die eigentlichen Volksbücher (Rittergeschichten), gingen Egenolffs Erben fast ganz vorbei. […] Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in der Spezialisierung von Hermann Gülfferich und seinen Nachfolgern, Weigand Han und Erben, auf diese Gebiete“ (Richter 1965: 790).

Primär scheint die Vernachlässigung deutscher Prosaliteratur in der Offizin Egenolffs Erben allerdings auf den Einfluss neuer durch Heirat in den Verlag involvierter Teilhaber zu sein (vgl. Künast 2010: 336–337).174 Besonders der Theologe Johannes Cnipius und der Jurist Wolf Dieterich Caesar spielten „eine zunehmend wichtige Rolle im Verlag“ (Künast 2010: 336). „Während die Familie Egenolff sich durch Heirat mit Akademikerfamilien verbanden, welche anschließend die Verlagsschwerpunkte Theologie, Recht, Medizin und Naturwissenschaft betreuten, blieben die Hans ihrem sozialen Milieu der Buchbinder und -drucker verhaftet“ (Künast 2010: 337).

Und doch wagten sich Christian Egenolffs Erben trotz der zahlreichen Melusine-Ausgaben der Frankfurter Konkurrenz, deren Marktanteil an der deutschen Prosaliteratur strittig zu machen.175 Dazu stellte man sich in der Gestaltung der Ausgabe gezielt in Kontraststellung zu den Ausgaben der Familie Gülfferich-Han, indem man nicht auf die 172

Der letzte bei Richter nachgewiesene Druck Steinmeyers ist auf das Jahr 1650 datiert. Siehe Richter (1965: 1076). 173 Siehe die Bibliographie zu Christian Egenolffs Erben in Richter (1965: 889–1078). 174 Die Egenolffs verbanden sich mit dem Mediziner Adam Lonicer, dem Schriftgießer Jakob Sabon, dem Goldschmied und Eisenwarenhändler Paul Steinmeyer, der aus Augsburg stammenden Juristenfamilie Caesar und der Theologenfamilie Cnipius. 175 Zur Konkurrenzsituation zwischen Gülfferich und Egenolff vgl. Kipf (2010), insbesondere S. 212.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

190

Frankfurter Ausgaben der zweiten Hälfte des 16. Jhs., sondern auf die Straßburger Ausgabe Müller-1577 und die ältere Texttradition Steiners zurückgriff. Berz schätzt Gülfferichs Betrieb als „etwas kleiner als de[n]jenige[n] Christian Egenolffs“ (Berz 1970: 21) ein. Für Egenolffs Verlagsprofil war der Druck deutschsprachiger Unterhaltungsliteratur im Gegensatz zu Gülfferich allerdings eine Ausnahmeerscheinung.176 Beim jetzigen Stand der Forschung bleiben die Melusine-Ausgaben eine Ausnahmeerscheinung im Druck- und Verlagsprogramm der Erben Christian Egenolffs. Die fehlende Spezialisierung auf deutschsprachige Werke wird in der Schreibsprache der Ausgabe Egenolff-1578 greifbar. b.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Egenolff-1578

Die Texttype der beiden Egenolff-Ausgaben ist eine Schwabacher (20 Z.=89 mm), wobei die Inhaltsangabe aus einer Schwabacher größeren Schriftgrades, die Tituli aus einer Fraktur sowie der Texttype und lateinische Zitate aus einer Antiqua gesetzt wurden. Bis auf die Abkürzungsgraphen , und , die in Egenolff-1580 Verwendung finden, decken sich die Grapheninventare der beiden Ausgaben der Offizin Christian Egenolff Erben. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: c.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p r ɾ s ſ ß t u ü ů uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTVWZ} { . .̃ : / ( ) = - , }177 { m̄ n̄ ē ō ū }

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Egenolff-1578

Neben einigen Übereinstimmungen mit der Vorlage Müller-1577 lassen sich einige Abweichungen von dem dort verwendeten Graphiesystem auf die ältere Vorlage Steiner1543 zurückführen. Wie in der Vorlage Müller-1577 kommt nahezu kein vor (Ausnahmebeleg: allbaid). Als Varianzgraphie zu tritt nur , kein auf. Die Auslautgraphien (142) und (50) treten vergleichsweise häufig auf. Die Vokallängengraphien , , /, sowie das an unorganischer Position gesetzte finden sich in diesem Druck nicht. Im Bereich der Vokallängengraphien decken sich die Zahlen weitestgehend ( (29), in maal (4), (174), in gemahlet, geſchah (3), ſah, verſah, in vermaͤ hlen, naͤ hnen, 176

Dass zwischen 1564 und 1571 scheinbar keine Melusine gedruckt wurde, erklärt sich entweder durch die hohe Auflage der vorigen Ausgaben oder eine Marktsättigung. „Zu den Messen 1568 wurden 301 Exemplare der Melusine verkauft, im Nachlass der Mutter Weigand Hans fanden sich noch 912 Exemplare, davon wurden zur Ostermesse im darauffolgenden Jahr nochmals 159 abgenommen“. Schmidt (1996: 197). 177 Die Syngrapheme {- ,} treten jeweils nur einmal auf. Das Komma begegnet nur aus der Antiquatype in einem lateinischen Zitat.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

191

in ſtroh (2), in verſih), doch die Pronomengraphie ist entgegen den 292 Belegen bei Müller hier weitestgehend getilgt.178 , , ( [1]); /i:/: ( [8], [1]), ,

, , ( [1])

, (WI); /u:/: , ()

; /y:/: , , ( [4])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, () ; (/o:/: [2])

, ( [174], [29])

, () , , ( [2], [1])

; (/ɑ:/: [6], [4])

, (, [2])

Abb. 57: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Egenolff-1578 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in ‚Kapelle’, ‚Wappen’)

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [144] + (C) [20], (C) [142]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM + WE), (O) + (WM), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C), ( (C) [50], (O) [25])

(WI), (WM, WE)

, ( (C) [3])

Abb. 58: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Egenolff-1578 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

178

tritt in Egenolff-1578 lediglich in jhnen (3), Jhr (4) und Jhɾ auf.

192

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

Abweichend von Müller-1577 sind in Egenolff-1578 ebenso die Anzahl der Graphien mit 150 Belegen, in ghen (11), nhd. ›gen‹ und die graphische Unterscheidung der Phoneme /ʏ/, /y:/ und /ʏə/ durch und . Dies geht sicherlich auf die sekundäre Vorlage Steiner-1543 zurück, in der diese Unterscheidung ebenfalls vorgenommen wurde. Das Graphem kommt insgesamt nur in einem Beleg (Bɾytan̄ ier) vor. Insgesamt trägt diese Ausgabe im Vergleich mit den übrigen Frankfurter MelusineDrucken durch den Rückbezug auf eine ältere Textvorlage anachronistische Züge in der Graphie, die in Kapitel IV noch deutlicher zum Vorschein kommen werden.

5.16

Offizin Christian Egenolffs Erben, zweite Ausgabe (Frankfurt/a.M., vor 1580)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Egenolff-1580 Minuskeln: { a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u ü ů uͤ v w x y z }

Majuskeln: { A B C D E F G H I(lat./1) J K L M N O P R S T V W Z } Syngrapheme: { / : . .̃ ( ) - = , } Abkürzungen: { ’ dz n̄ m̄ ā ē ō ū } b.

Besonderheiten der Graphie der Ausgabe Egenolff-1580

Parallel zur ersten Melusine aus dieser Offizin erscheint hier kein , (112), nur , kein in Formen der Lexeme ›bauen‹, ›blau‹, ›Frau‹, ›Mauer‹, ›schauen‹, ›Trauer‹, ›traurig‹, ›verhauen‹, (124) und in ghen (16), nhd. ›gen‹, sowie die Unterscheidung zwischen und . Auch erscheint nur in einem Beleg (Cypern). Die Vokallängengraphien weisen mit fehlender -Graphie an unorganischer Stelle und fehlendem , , /, und ebenso Kongruenz zur Vorlage auf. Dennoch lässt die zweite Ausgabe dieser Offizin eine stärkere Loslösung von der Schreibsprache der Vorlage aus der Offizin Heinrich Steiners erkennen. Der/ die Setzer, die an der Ausgabe Egenolff-1580 arbeiteten, können kaum dieselben Setzer, die die erste Melusine dieser Offizin fertigten, gewesen sein. Abweichend zu Egenolff-1578 tritt nämlich beim Pronomen die Graphie , die in der ersten Ausgabe dieser Offizin lediglich in acht Belegen nachweisbar gewesen war, mit 144 Belegen deutlich hervor. Die Auslautgraphie ist mit 17 Belegen stark reduziert.

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

, ; /i:/: [144], ,

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, , ()

, (WI); /u:/: ,

; /y:/: , ( [108])



/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, () ; (o:/: [3])

, ( [151], [37]

, ( [4], [1], 130), (27 > 40), (163 > 183), (231 > 424), (31 > 69), (6 > 43), (10 > 24), / (14 > 20). , ( [21], [17], [3]) ; /i:/: , , ( [4]), ,

, ( [42], [23]); /y:/:

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

, ( [24], [5], [4])

, ( [183], [46])

, , ( [14]) , ()

; /u:/: , ( [1])

, (, [35])

, ( [3])

; (/o:/: [69])

, ( [43])

; (/ɑ:/: [130], [1])

Abb. 69: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Endter-1672 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen



, (C), (kein ) /p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [111] + (C) [8], (C) [106]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM, WE), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C)

(WI), (WM, WE)

Abb. 70: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Endter1672 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

206

Im Bereich der Graphie der Umlaute des Monophthongs /u/ erscheint in Endter mit dem Graphem (23) eine seltene Variante zu , die allerdings eine rein graphische Variante ohne eigenen Lautwert darstellt.197 Die Ausgabe Endter-1672 weist sich durch ihren Graphiengebrauch als die dem nhd. Standard nahestehendste Ausgabe des Korpus aus.

6.3

Unfirmierte Ausgabe (1692)

a.

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe ohne Ort-1692

Fraktur-, Schwabacher- und Antiqua-Schriften wurden in diesem Druck in verschiedenem Ausmaß sowie in verschiedenen Funktionen verwendet. Während letztere ausschließlich zur Auszeichung lateinischer Zitate gesetzt wurde, findet sich auf dem Titelblatt neben vier verschiedenen Frakturschriften auch eine Schwabacher. Die Paratexte werden durch verschieden große Frakturschriften vom übrigen Text abgesetzt. Auch beim Satz der Überschriften wurden verschieden große Frakturschriftsätze eingesetzt. Der Text, auf den sich folgende Ausführungen beschränken, wurde durchgehend mit einer Frakturschrift der Größe 20 Z.=96 mm gesetzt. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen: b.

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u uͤ v w x y z } { A B C D E F G H I(1/lat.) J K L M N O P R S T U V W Z } { . ! ? / ,(2) = -(lat./2) ( ) : } { m̄ ñ }

Besonderheiten der Graphie in ohne Ort-1692

Trotz der Textabhängigkeit von Pfeiffer-1649 ist der graphische Usus dem der Ausgabe Endter-1672 näher. In der zweiten Hälfte des 17. Jhs. hatten sich unter dem Einfluss von Grammatikern und Sprachgesellschaften neue Konventionen für das Setzen der deutschen Sprache in den Offizinen entwickelt. So wird in dieser Ausgabe für initiales /u/ nicht mehr gesetzt, hat nur noch konsonantischen Wert, erscheint in 309 Belegen, in den Belegen Kaͤ yſer (8), Waͤ yſin (2), Waͤ yſen (2) und Waͤ yſe. Die gängigen Vokallängengraphien werden in nahezu gleichem Maße wie bei Endter, jedoch teilweise etwas seltener gesetzt. Die Grapheme , , , , und finden auch in diesem Druck keine Verwendung mehr. Im Vergleich zu Endter-1672 erscheint auch die Auslautgraphie (57) weiter reduziert. Der Satz des Graphems erstreckt sich über dieselben Lexeme wie bei Pfeiffer und Endter, 197

So tritt die Variante gegenüber den 352 Belegen des Graphems quantitativ deutlich zurück. Sie findet sich auch ausschließlich in Lexemen, die in der Mehrzahl ihrer Belege mit gesetzt erscheinen, so z. B. bekümmert vs. bekuͤ mmert, bekuͤ mmern (2); Brüder (3) vs. Bruͤ der (17); für (3) vs. fuͤ r (15); Gemüth (2) vs. Gemuͤ th (2), Gemuͤ ht (2); Türcken vs. Tuͤ rcken (9).

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

207

bleibt auf die Präteritumsform des starken Verbs ›schreien‹ und Cypern (2) beschränkt. Die bei Endter festgestellte Varianzgraphie zwischen und besteht hier nicht, es erscheint durchweg . , ( [26]) ; /i:/: , , ( [32]), ,

; /y:/:

; /u:/: , ( [8])

/ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, , ( [13])

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

; (/o:/: [60])

, ( [184], [41])

, ( [17])

, ( [35])

, (, [31])

, ()

; (/ɑ:/: [111], [3])

Abb. 71: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in ohne Ort-1692 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), (kein )

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [168] + (C) [28], (C) [57]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM, WE), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C)

(WI), (WM, WE)

, ( [5])

Abb. 72: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in ohne Ort-1692 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Homonymendifferenzierung wurde wie in Endter-1672 für alle untersuchten Konfliktfälle betrieben. Abbreviaturen wurden bis auf drei Ausnahmen nahezu vollständig

208

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

vermieden. Das Berufsbild eines guten Setzers/ Korrektors erforderte es bereits gegen Ende des 16. Jhs. zunehmend ohne Abbreviaturzeichen auszukommen und mit fundierten Grammatikkenntnissen über die deutsche Sprache ausgestattet zu sein. Gleichzeitig war weniger Varianz im Setzkasten und Graphiesystem auch ein erstrebenswertes Ziel, um beides übersichtlicher zu gestalten und somit den Satz generell zu beschleunigen.

6.4

David Nicolai (St. Annaberg, 1692/93)

a.

Der Drucker David Nicolai und das Verlagsprogramm seiner Offizin 198

David Nicolai stammte gebürtig aus Weida im Vogtland, durchlief seine Ausbildung in Jena, bevor er über Schwaben, die Schweiz sowie Kur- und Livland auf Wanderschaft ging, um sich dann in dem im Erzgebirge nahe der deutsch-tschechischen Grenze gelegenen heutigen Annaberg-Buchholz niederzulassen. Zeit seines Lebens bewegte sich Nicolai, abgesehen von seiner Wanderschaft, damit im omd. Sprachraum, zunächst in Weida, dann im rund 50 km nordwestlich gelegenen Jena, um letztlich 1668 im von seinem Geburtsort etwa 100 km östlich gelegenen Annaberg-Buchholz sesshaft zu werden. David Nicolais Offizin hatte unter seiner Führung von 1668, dem Jahr seiner Heirat199, bis 1701 bestand, dann unter Führung des Schwiegersohns Johann Victorin Richter bis 1722. Die im VD17 aufgelisteten 162 Titel aus der Offizin David Nicolais sind zu 66,6 % (108) deutschsprachig, zu 33,3 % (54) lateinisch. Sein Druckprogramm ist durch zahlreiche Leichenpredigten, andere zu besonderen Anlässen benötigte Gelegenheitsschriften, Praktiken und Kalender gekennzeichnet. Ferner druckte er sieben Werke des Juristen und Schriftstellers Ludwig Günther Martini, der zwischen 1677–1682 die Ämter des Syndikus und Bürgermeisters der Stadt Annaberg einnahm. Der Kontakt zum volkssprachlich orientierten Lesepublikum ist dabei nicht zu übersehen, wobei sich neben der Melusine keine Prosaromane finden. Trotz dieses Befundes drängt sich aufgrund des übrigen Druckprogrammes doch der Verdacht auf, dass aus Nicolais Presse auch einige andere Prosaromandrucke hervorgegangen sein könnten, zumal die in der Melusine verwendeten Holzstöcke an andere Prosaromane erinnern.200

198

Vgl. zu den folgenden Ausführung Reske (2007: 20–21), Benzing (1982: 9). Noch im selben Jahr nach der im September stattgefundenen Hochzeit druckte Nicolai „zwei Epithalamia auf sich und seine Frau, die er »Jn des Herrn Bräutigams Druckerey« firmierte (VD17 14:669093L, 14:669094T) und stellte einen Brief von Kurfürst Johann Georg fertig: »In St: Annabergk: Druckts David Nicolai. Anno 1668« (VD17 3:636892Y)“. Siehe Reske (2007: 21). Auch eine vierseitige Hochzeitsgedichtsammlung lateinischer und deutschsprachiger Beiträge geht nach der Heirat aus seiner Presse hervor (VD17 14:669093L), die des Bräutigams Druckertätigkeit teilweise reflektieren und in Verbindung mit dem Ehestand setzen. 200 So z. B. ein Holzschnitt auf Bl. F2b, der eine Schlachtszene illustriert und dabei Kranichmenschen gegen ein Ritterheer kämpfend darstellt, was stark an das Volksbuch Herzog Ernst erinnert. 199

Die Melusine-Ausgaben im Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

b.

209

Das Graphen- / Typeninventar der Ausgabe Nicolai-1692/93

Wie bereits in ohne Ort-1692 werden auch hier verschieden große Frakturschriften zur Kennzeichnung der Paratexte und Überschriften sowie eine Antiqua-Type für lateinische Zitate gesetzt. Der Text wurde allerdings nicht durchgehend mit gleich großer Fraktur-Type gesetzt, vielmehr variiert der Satz zwischen zwei Schriftgraden. Der folgende Typensatz repräsentiert daher beide für den Text verwendeten Schriftsätze. Minuskeln: Majuskeln: Syngrapheme: Abkürzungen:

{ a aͤ b c d e f g h i j k l m n o oͤ p q r ɾ s ſ ß t u uͤ v w x y z } {ABCDEFGHJKLMNOPRSTUVWZ} {.?/=;():} { ē m̃ ñ }

c.

Besonderheiten der Graphie in der Ausgabe Nicolai-1692/93 Bis auf die seltenere Verwendung des Graphems (243) ist der graphische Usus der Ausgabe Nicolai-1692/93 deckungsgleich mit dem der Ausgabe ohne Ort-1692. So wird hier Waͤ iſen, ansonsten in Kaͤ yſer (8) und Waͤ yſin (3), Waͤ yſen gesetzt. Identisch ist die Anzahl der -Graphien mit 57 Belegen. , , , , und fehlen auch hier. Wie in ohne Ort-1692 tritt nur in Cypern (2) und ſchryen auf, wird Homonymendifferenzierung in allen Konfliktfällen durchgeführt und bzw. nicht für vokalische Lautwerte gesetzt. Die Graphie wird mit Haar, Haaren, Haarigen, Saamen, Schaar für dieselben Lexeme gesetzt wie in ohne Ort-1692. Ansonsten wird in ähnlichem Umfang und Dehnungs-h gesetzt.201 tritt hier in einigen weiteren Lexemen auf, so insgesamt in ›Abenteuer‹, ›Blut‹, ›Bote‹, ›gut‹, ›Mut‹, ›Not‹, ›Rat‹, ›rot‹, ›Tat‹, ›Teil‹, ›teuer‹, ›Tier‹, ›Tor‹, ›-tum‹, ›tun‹, ›Tür‹, ›Turm‹, ›wert‹, ›Wirt‹, ›Wohlfahrt‹ und ›untertänig‹. In den Ausgaben der Überlieferungsgruppe des 17. Jhs. ausgehend von Pfeiffer-1649 erreicht die Verwendung des Graphems in Nicolais Ausgabe ihren Höchststand. Die letzten Melusine-Drucke des Korpus, die vermutlich in drei unterschiedlichen Orten entstanden, weisen in den Graphiesystemen ihrer Setzersprachen nur noch wenig Varianz auf, so dass das Ansetzen verschiedener durch distinktive Merkmale ausgezeichneter städtischer Drucksprachen für die zweite Hälfte des 17. Jhs. scheinbar durch das Fortschreiten der graphischen Vereinheitlichung nivelliert wird.

201

Die weiteren Graphien zur Darstellung von Vokallänge: (53), (104), (27), (309), kein , in rieht, (409), (96), in Boͤ hmen (25), Boͤ hmerland (2), Boͤ hmiſche, gewoͤ hnlich (2), Perſoͤ hnlich, Soͤ hne (3), Soͤ hnen (2), in fuhr, fuhren, Muhme, Muhmen, Schuh (3), in anruͤ hret, fruͤ h, fuͤ hren (2), Fuͤ hren, Fuͤ hrer, fuͤ hret (3), fuͤ hrete (3), fuͤ hreten, gebuͤ hret (4), gebuͤ hrlicher, kuͤ hne (2), kuͤ hner, kuͤ hnlich, wolberuͤ hmten, kommt unorganisch für /i:/ vor, z. B. viel (53).

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

210

, ( [23])

; /i:/: , , ( [1]), ,

, , ( [13], [1])

; /u:/:

; /y:/: /ɪ/ /i:/ /ɪə/ /eɪ/ /e/ /e:/ /ɛ/

, ( [7])

/ʏ/ /y:/ /ʊ/ /u:/ /ʏə/ /ʊo/ /œʏ/ /oʊ/ /œ/ /ø:/ /ɔ/ /o:/ /ä/ /æ:/ /a/ /ɑ:/

; (/o:/: [96])

, ( [188], [53])

, ()

, (, [27])

, ( [16])

, ( [36])

; (/ɑ:/: [104], [5])

Abb. 73: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Nicolai-1692/93 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

, (C), ( in 2 von 8 Belegen zu ‚Wappen’)

/p/ /b/ /f/ /v/

, , ( (O) [142] + (C) [43], (C) [57]), (C) /t/ /d/

(WI), (WM, WE), (WI)

/k/ /g/ /pf/ /ts/

(WI), (WM, WE), (C)

(WI), (WM, WE) , ( [2])

Abb. 74: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Nicolai1692/93 mit Bezug auf die mhd. Lautpositionen

Am Ende der Untersuchung der graphematischen Besonderheiten innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine soll zunächst auf die bereits erwähnte Homonymendifferenzierung im Detail eingegangen werden. Im Anschluss wird die Verwendung des Graphems , die bisher nur unter quantitativem Gesichtspunkt angeführt wurde, in Bezug auf die Etablierung des morphematischen Orthographieprinzips näher erläutert werden, bevor eine Zusammenfassung die Darstellung der graphematischen Entwick-

Homonymendifferenzierung durch orthographische Eingriffe

211

lungslinien abrundet. Die graphematischen Erscheinungen, die auf dem morphematischen bzw. lexikalischen Orthographieprinzip beruhen, sind besonders geeignet, um bewusste systemorientierte Eingriffe in die Graphie zu veranschaulichen.

7.

Homonymendifferenzierung durch orthographische Eingriffe

7.1

Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

Im Bereich der Graphie homographer und homophoner, allerdings semantisch unterschiedlicher lexikalischer Einheiten innerhalb des Korpus lassen sich bewusste vereinheitlichende leserorientierte Eingriffe der Drucker in die Graphie besonders deutlich erfassen. Darüber hinaus bemängelt Elmentaler, dass die Homonymendifferenzierung „bisher nicht systematisch anhand der schreibsprachlichen Überlieferung erforscht worden“ (Elmentaler 2003: 13) ist. Zwar führt Wolf an, es seien „erste Versuche einer morphemdifferenzierenden Schreibung bei Luther“ (Wolf 1980: 1) nachzuweisen, betrachtet man jedoch die metasprachliche Literatur zur deutschen Sprache im 16. Jh., war dieses Problem bereits vor Luther Gegenstand der Debatten um die Schreibung der Volkssprache. Bereits bei Niclas von Wyle und später dann auch im Kölner schryfftspiegell, bei Fabritius und bei Meichszner begegnen „Vorschläge einer semantisch gesteuerten schreibsprachlichen Differenzierung homophoner Einheiten“ (Frnhd. Gr. 1993: § L 1, 24).202 Homonymendifferenzierung wird innerhalb der aus der Melusine aufgenommenen Textausschnitte bei einigen Lexemen besonders deutlich greifbar.203 Bei den auf Homonymendifferenzierung untersuchten Beispiellexemen handelt es sich um ›mehr‹ – ›Meer‹ – ›Mär‹, ›man‹ – ›Mann‹, ›dass‹ – ›das‹, ›sein‹ (Verb) – ›sein‹ (Possessivpronomen) und ›in‹ – ›ihn‹. Die Entwicklung eines jeden dieser Homonymenkonfliktbereiche soll nun zunächst für den Untersuchungszeitraum I dargestellt werden.

202

So gibt beispielsweise Niclas von Wyle in seinen Translationen von 1478 im Zuge der Kritik an dem „gougelſpiele […] zeſchriben zway .n. da des ainen gnůg wer“ Beispielsätze an, in denen sich Worte gegenüberstehen, deren Sinn durch Doppelkonsonanz verändert wird: hof – hoff, wil (weil) – will (Wille), las – laſſ, vs – vſſ, ſach (sah) – ſachh (Sache), ſinn – ſin, minn – min. Vgl. Müller (1969: 16). 203 Zusätzlich zum Quotienten aus der Anzahl der types und tokens, wie er bereits in den Kapiteln zu den Graphiesystemen der einzelnen Melusine-Drucke angegeben wurde, kann auch homonymendifferenzierende Graphie als Indikator für die Verwendung eines kohärenten Graphiesystems im Sinne einer Hausorthographie in einem Druck dienen.

212

a.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

›mehr‹ – ›Meer‹ – ›Mär‹

In der Erstausgabe der Melusine – Richel-1473/74 – sind kaum Tendenzen zu einer graphischen Differenzierung der drei Lexeme zu erkennen. Dies ist auch in allen anderen auf Richels Text basierenden Ausgaben der Fall. Es lässt sich lediglich feststellen, dass die Kurzform me ausschließlich für ›mehr‹ steht, ansonsten werden alle drei Lexeme durch mer repräsentiert. In den beiden Augsburger Ausgaben Johann Bämlers hingegen lässt sich Varianz des Stammvokals der drei Homonyme bereits greifen, ist jedoch noch nicht stringent angewandt. Für ›Mär‹ erscheint in beiden Ausgaben vereinzelt die Graphie maͤ r, für ›Meer‹ die Graphie moͤ r in Bämler-1480. Die Leitgraphie mer kann jedoch in beiden Ausgaben noch für alle drei Lexeme stehen. Vollständige Homonymendifferenzierung trifft man dann bereits in Schönsperger-1488 an, da darin für ›Meer‹ moͤ r, für ›Mär‹ maͤ r und für ›mehr‹ mer gesetzt wurde. Diese klar durch die Vokalgraphie unterscheidbaren Graphien erscheinen in Hupfuff-1506 nicht mehr. Er verfolgt andere Strategien zur Homonymendifferenzierung, die allerdings nicht ausnahmslos Anwendung finden. Für ›Meer‹ setzt er in zwei Belegen meer, einmal aber auch mer. Beim Lexem ›Mär‹ begegnen zwei Varianten. Mit neun Belegen ist die Graphie mer nachweisbar, es erscheinen aber auch die Belege meer (2). ›mehr‹ wird weiterhin nach der traditionellen Schreibweise mer gesetzt. Bei Knobloch-1516 findet sich sodann wieder die gerundete Graphie moͤ r für ›Meer‹, die in drei Belegen einer Ausnahme mit gegenübersteht. Die Graphie meer wird in dieser Ausgabe als Leitgraphie für ›Mär‹ umfunktioniert, gilt allerdings ebenfalls nicht ausnahmslos (neunmal meer, zweimal mer). Neben Schönsperger-1488 bietet Knobloch-1516 allerdings trotz der wenigen Varianten das am weitesten ausdifferenzierte Graphiesystem zur Differenzierung der Homonyme ›mehr‹, ›Meer‹ und ›Mär‹, der nhd. Stand kristallisiert sich allerdings in dieser Zeit noch nicht heraus. Neben den oben erwähnten sprachreflektierenden Schriften der frnhd. Zeit findet sich hier bei Schönsperger, dessen Schreibsprache bekanntlich in einer dieser Schriften – Fabian Frangks Orthographia – gerühmt wird, das Bewusstsein um das Problem und dessen vollständige Lösung deutlich vor der Reformation und den wirkungsmächtigen Schriften Luthers. b.

›man‹ – ›Mann‹

Für die Lexeme ›man‹ und ›Mann‹ bildet sich erst in Knobloch-1516 eine erkennbare Differenzierung der Schreibung der beiden Lexeme heraus. Zuvor steht überwiegend man sowohl für das Indefinitpronomen als auch das Substantiv. In Johann Knoblochs Melusine-Ausgabe weichen zwar noch zwei Belege für das Substantiv von der Leitgraphie ab, ansonsten wird allerdings hier erstmals zwischen Substantiv mit Doppelgraphie

Homonymendifferenzierung durch orthographische Eingriffe

213

des silbenschließenden Nasals und Indefinitpronomen mit einfacher Nasalgraphie unterschieden.204 Bei den weiteren drei Untersuchungspaaren ›das‹ – ›dass‹, ›sein‹ (Verb) – ›sein‹ (Possessivpronomen) und ›in‹ – ›ihn‹ ist im Untersuchungszeitraum I noch keinerlei Entwicklung einer Homonymendifferenzierung durch die Graphie erkennbar. Die hier beteiligten Lexeme sind im Gegensatz zu den oben behandelten beiden Bereichen einerseits Funktionswörter, andererseits auch frequenter belegt. Zunächst bleibt die Vereinheitlichung auf die Bereiche beschränkt, an denen seltener belegte Inhaltswörter beteiligt sind. Vor allem Schönsperger und Knobloch weisen sich im Untersuchungszeitraum I durch erste Tendenzen zu systematischer, einmal bei Schönsperger sogar vollständig erfolgter Homonymendifferenzierung aus. Die type-token-ratio der Ausgaben des ersten Untersuchungszeitraums bestätigt, dass gerade Knobloch einen bewussten, vereinheitlichenden, Varianten reduzierenden Umgang mit seiner Schreibsprache an den Tag legt. Schönspergers Vereinheitlichungen beschränken sich auf bestimmte Bereiche bzw. Lexeme wie ›Meer‹, ›mehr‹ und ›Mär‹. Für das Beispiel ›Mann‹ – ›man‹ konnte bei ihm kein bewusstes Eingreifen nach orthographischen Prinzipien belegt werden.

7.2

Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

a.

›mehr‹ – ›Meer‹ – ›Mär‹

Die Graphien der drei Lexeme ›mehr‹, ›Meer‹ und ›Mär‹ zeigen in Steiners Ausgaben ein Nebeneinander von Tradition und Innovation. Für ›mehr‹ erscheinen erstmals Formen mit , wobei die traditionelle Graphie mer in Steiners Ausgaben mit 16:3 Belegen noch deutlich überwiegt. Das Lexem ›Mär‹ wird wie in der Straßburger Vorlage zunächst überwiegend in der Graphie meer gesetzt, wobei bereits in Steiner1538 zweimal Graphien mit auftreten, die im Verlauf der vier Drucke Steiners zur Leitgraphie werden, so dass in Steiner-1543 neun -Graphien nur noch zwei Graphien gegenüberstehen. Bei vier Belegen des Lexems ›Meer‹ stehen anfangs der Überlieferung durch Heinrich Steiner drei mit und einer in der bei Schönsperger noch als Regelgraphie geltenden Variante moͤ r. In Steiner-1543 wird dieser Beleg letzt204

Richel-1473/74: ›man‹ man (9), ›Mann‹ man (9), manne, mannen; Bämler-1474: ›man‹ man (6), ›Mann‹ man (8), mān, mann, manne; Prüss-1478: ›man‹ man (9), ›Mann‹ man (9), mā, mannen, man̄ e; Knoblochtzer-1477: ›man‹ mann (2), man (5), mā (2), ›Mann‹ man (9), mā (3); Knoblochtzer-1478: ›man‹ man (9), ›Mann‹ man (10), mann; Bämler-1480: ›man‹ man (8), ›Mann‹ man (9), mann (3), mānen; Knoblochtzer 1482: ›man‹ man (8) mā, ›Mann‹ man (7), mā (2), mann, mannē; Schönsperger-1488: ›man‹ man (4), mā (4), ›Mann‹ mā (6), man (3), mān (2), mannen; Knoblochtzer-1491: ›man‹ mā (5), man (3), mann, ›Mann‹ mā (5), man (5), mannen; Hupfuff-1506: ›man‹ man (9), mā (2), ›Mann‹ man (5), mā (4), manē, man̄ ; Knobloch-1516: ›man‹ man (8), mā, ›Mann‹ man̄ (6), man (2), mann.

214

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

lich an die übrigen angeglichen. Für ›Meer‹ ist in Steiner-1543 der nhd. Stand vollständig erreicht, für ›Mär‹ nahezu. Die Komparativform von ›viel‹ ist zwar in ihrer Leitgraphie mer ebenfalls deutlich von den anderen beiden Lexemen unterscheidbar, so dass die weitere Entwicklung der Graphie hierbei nicht auf Homonymendifferenzierung zurückzuführen sein wird, der nhd. Stand ist allerdings noch nicht erreicht. In Gülfferichs Ausgaben und in Han-1556 und 1564 begegnen die drei Lexeme in den Leitgraphien maͤ r, Meer und mehr mit Ausnahme der fehlenden Majuskelschreibung für ›Mär‹ in der Form, wie sie sich zum Nhd. hin durchsetzte. Die Großschreibung des Lexems ›Mär‹ erfolgt erstmals durchgängig in der Ausgabe Rebart/Han-1571 und findet sich sodann auch in Reffeler/Han-1577 und Feyerabend-1587, wobei dort noch ein Dehnungs-h eingesetzt wird. Die Graphie Maͤ hr findet sich auch in Manger-1574, im Gegensatz zu Feyerabend allerdings nur als Variante zur Leitgraphie mit . Für die Frankfurter Ausgaben untypisch weist Han-1562 abweichend von Gülfferich und den anderen Han-Ausgaben für das Lexem ›Mär‹ hohe Varianz auf: Mahr, maͤ r (2), Maͤ r, Mehren, mer (4), mehr, Landmer. In der Sondergruppe Müller-Egenolff ist das Bild wiederum sehr viel bunter. Das Lexem ›Mär‹ erscheint in Müller-1577 mit (dreimal mehɾ, mehɾe, mehɾen), (dreimal maͤ r) und (dreimal maͤ hɾ), in Egenolff-1578 in zehn Belegen mit und in einem mit , sowie in Egenolff-1580 sechsmal mit und fünfmal mit . Die beiden Lexeme ›Meer‹ und ›mehr‹ erscheinen allerdings auch in diesen Ausgaben durchweg mit aufs Nhd. vorausdeutender Vokalgraphie, stehen jedoch durch die Varianz beim Lexem ›Mär‹ noch in Homonymie zu diesem. b.

›man‹ – ›Mann‹

Zeigte sich die graphische Differenzierung des Indefinitpronomens ›man‹ von dem Maskulinum ›Mann‹ im Untersuchungszeitraum I in keiner Ausgabe vollständig vollzogen, wird dies in der ersten Ausgabe Heinrich Steiners erstmals erreicht. Dabei geht Steiner allerdings lediglich den in seiner Vorlage von Johann Knobloch bereits beschrittenen Weg zu Ende, da bereits in Knobloch-1516 bis auf zwei Abweichungen für ›Mann‹ man̄ und für das Indefinitpronomen man gesetzt wurde. Messerschmidt-1539, ebenfalls auf Knobloch-1516 zurückgehend, weist man und man̄ auf, wobei parallel zu Knoblochs Usus ersteres für das Indefinitpronomen steht und die zweite Graphie für das Substantiv. Ebenfalls parallel zu Knobloch erscheint hier jedoch eine Abweichung, da einer der neun man-Belege das Substantiv repräsentiert. Die Frankfurter Ausgaben ab Gülfferich-1549 weichen von diesem Usus nicht mehr ab. Sie führen vielmehr als Unterscheidungsmerkmal der beiden Homonyme zusätzlich die Majuskelschreibung des Substantivs ein. In der Sondergruppe Müller-Egenolff hält sich nur Müller-1577 an den seit den Steiner-Ausgaben ausnahmslos geltenden Schreibusus, Egenolff-1578 bietet nur Formen mit Doppelgraphie des : mann (14), man̄ (2). In Egenolff-1580 wird zumindest

Homonymendifferenzierung durch orthographische Eingriffe

215

wieder tendenziell versucht, die beiden Lexeme durch die Graphie voneinander unterscheidbar zu machen.205 Die Orthographie der Ausgaben der Frankfurter Offizin Christian Egenolffs Erben zeigt sich auch hier im Vergleich mit der zeitgleich verwendeten, progressiven und leserorientierten Orthographie der mit dem Druck in der Volkssprache erfahrenen Frankfurter Drucker der Familie Gülfferich-Han als rückständig. c.

›in‹ – ›ihn‹

Die Präposition ›in‹ war bisher graphisch nicht klar von den Formen der 3.P.Sg.Akk. Mask. und 3.P.Pl.Dat. des Personalpronomens unterschieden worden. Am ehesten lässt sich dies noch für Knoblochtzer-1478 feststellen, der jn (58) ausschließlich für das Personalpronomen setzt und in 136 Belegen der Graphieeinheit in neben 116 Belegen der Präposition ›in‹ lediglich 20 Belege für Formen des Personalpronomens aufweist. In allen anderen Ausgaben bis 1516 – auch bei Knobloch – steht in sowohl für nhd. ›in‹, ›ihn‹ und ›ihnen‹. Nach der Reformation erscheinen für das Personalpronomen in Steiner-1538 erstmals Graphien mit . Diese stellen neben der Leitgraphie zwar noch eine selten verwendete Graphievariante dar, von der Präposition werden die Formen des Personalpronomens ab jetzt allerdings deutlich getrennt, da für erstere inn/in̄ und für letztere jn/jhn gesetzt wird. Bei Steiner bleibt die Form jn allerdings Leitgraphie. Dagegen ist in Steiners letzter Ausgabe inn/in̄ als Graphievariante der Präposition ›in‹ bereits zugunsten der Variante in so weit zurückgedrängt, dass sie nicht mehr die Leitgraphie darstellt (64:62). In Rebart/Han-1571 tritt inn erstmals nicht mehr auf. Reffeler/Han-1577 weist die Graphie allerdings wieder in 27 Belegen gegenüber 98 für in auf. In Feyerabends Ausgabe sind die 27 Belege wieder eliminiert. Bis 1587 wird innerhalb des Korpus zur Leitgraphie der Formen des Personalpronomens, ausnahmslos wird diese jedoch in keiner Ausgabe gesetzt. Erstmals treten mehr Belege für jhn als für jn in Reffeler/Han-1577 auf (49:22). Ein ähnliches Zahlenverhältnis bietet Feyerabend-1587 (41:22). In Müller-1577 ist die Durchsetzung der Graphie mit 57:14 Belegen gegenüber am deutlichsten vorangetrieben. Die beiden Egenolff-Ausgaben zeigen hingegen jn als Leitgraphie (1578: 70:0; 1580: 52:22). Aber auch in diesen drei Ausgaben wird die Präposition ›in‹ durch die Graphievarianten in/inn206 deutlich von den Formen des Personalpronomens, die mit jn/jhn gesetzt werden, unterschieden. Die graphische Unterscheidung der Präposition ›in‹ und der Wortformen ›ihn‹ und ›ihnen‹ des Personalpronomens ist nach der Reformation innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine des Thüring von Ringoltingen erreicht. Die nhd. Graphie der Akkusativ- und Dativformen der 3. Person des Personalpronomens mit wird in der Durchsetzung der Graphie als Leitgraphie Ende des 16. Jhs. bereits angedeutet. 205 206

›Mann‹ in Egenolff-1580: mann (3), man (5), man̄ ; ›man‹: mann (7). Graphievariante inn innerhalb der Sondergruppe Müller-Egenolff: Müller-1577 (3), Egenolff-1578 (17), Egenolff-1580 (28).

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

216

d.

›sein‹ (Verb) – ›sein‹ (Possessivpronomen)

Zum Ende des zweiten Untersuchungszeitraums zeigen sich erste Ansätze zu einer graphischen Differenzierung des Infinitivs des Verbs ›sein‹ von den homographen Formen des Possessivpronomens. So wird in Reffeler/Han-1577 in 13 von 28 Belegen des Infinitivs ›sein‹ gesetzt, wobei 15 Belege noch identisch mit 78 Belegen des Possessivpronomens ſein erscheinen. Feyerabend, der die Ausgabe Reffeler/Han-1577 als Vorlage verwendete, baut diese Ansätze dann zu einer systematischen Homonymendifferenzierung aus, so dass bei ihm der Infinitiv des Verbs ›sein‹ durchweg mit erscheint (27), wohingegen das Possessivpronomen mit gesetzt wird (75). e.

›dass‹ – ›das‹

Ähnlich wie die Entwicklung bei ›sein‹ (Verb) – ›sein‹ (Possessivpronomen) verläuft die graphische Differenzierung der Subjunktion ›dass‹ und des Artikels, Relativpronomens bzw. Demonstrativpronomens ›das‹ innerhalb des Korpus der Melusine-Drucke. Erstmals im Korpus unterscheidet Reffeler/Han-1577 die Subjunktion graphisch vom Artikel bzw. Pronomen. Dabei sind die Graphien das /Das bereits ausnahmslos für den Artikel bzw. die Pronomen reserviert, die Graphie daß /Daß steht in 186 Belegen überwiegend für ›dass‹ (168), aber auch für das Relativpronomen (13) und das Determinativpronomen (5). In Feyerabend-1587 tritt in Folge dieser Entwicklung innerhalb der Vorlage auch bei der Graphie daß keine Abweichung mehr auf. Sie steht ausnahmslos für die Subjunktion ›dass‹. In den beiden Ausgaben Egenolffs Erben – nicht in Müller-1577 – lässt sich die gleiche Entwicklung verfolgen. Während in Egenolff-1578 bereits die Varianten daß und das als Leitgraphien für nhd. ›dass‹ und ›das‹ etabliert sind – das steht bei 111 Belegen nur noch sechsmal für ›dass‹, daß bei 179 Belegen nur noch 15-mal für ›das‹ – gelten sie in Egenolff-1580 als ausnahmslose Regelgraphien zur graphischen Unterscheidung der Subjunktion und des Artikels, Relativ- oder Demonstrativpronomens. Die ansonsten sprachlich konservativen Ausgaben Egenolffs weisen hierin ausnahmsweise eine bewusste Graphieveränderung zur eindeutigen Markierung einer grammatisch-lexikalischen Einheit und Dekodierungshilfe für den Leser auf. Das Gesamtbild der aus dem Korpus ausgewählten Entwicklungen im Bereich der Homonymendifferenzierung in den beiden ersten Untersuchungszeiträumen zeigt, dass in keiner Ausgabe alle homographen Schreibungen auf einmal differenziert werden. Allmählich treten die verschiedenen Homonymenkonflikte nach und nach ins Bewusstsein der Drucker, wobei hochfrequente Synsemantika später ins Blickfeld geraten als vergleichsweise seltener belegte Autosemantika.

Die Entwicklung der Umlautgraphie

7.3

217

Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

In den Melusine-Ausgaben des 17. Jhs. ist die Entwicklung in den Ausgaben des 16. Jhs. vollendet. In Pfeiffer-1649 herrschen jedoch noch nicht in allen fünf untersuchten Homographiekonfliktfällen klare Verhältnisse. So begegnen zwar ›Mann‹ – ›man‹, ›sein‹ (Verb) – ›sein‹ (Possessivpronomen) und ›in‹ – ›ihn‹ in allen Belegen durch die Graphie voneinander unterscheidbar, ›dass‹ und ›das‹ sowie ›Mär‹ und ›mehr‹ erscheinen allerdings noch homograph. In 125 Belegen der Graphenkette das treten noch 21 Belege der Subjunktion ›dass‹, in 151 Belegen der Graphenkette daß noch zwölf Belege für ›das‹ auf. Das Lexem ›Mär‹ wird durchweg mit gesetzt, ist allerdings durch die Majuskelschreibung von der Komparativform ›mehr‹ unterscheidbar. Das Lexem ›Meer‹ erscheint durchweg in der nhd. Schreibung Meer. In Endter-1672 sind letztlich alle Konflikte aufgelöst. Für ›Mär‹ wird Maͤ hr, für ›Meer‹ Meer, für ›mehr‹ mehr, für ›Mann‹ Mann, für ›man‹ man, für ›sein‹ (Verb) ſeyn, für ›sein‹ (Possessivpronomen) ſein, für ›in‹ in, für ›ihn‹ ihn, für ›das‹ das und für ›dass‹ daß gesetzt. Das gleiche Bild zeigt sich für die beiden letzten Melusine-Drucke unseres Untersuchungszeitraums. Im letzten Drittel des 17. Jhs. ist damit systematische, nicht nur auf einzelne Fälle beschränkte Homonymendifferenzierung durch orthographische Eingriffe zu konstatieren.

8.

Die Entwicklung der Umlautgraphie nach morphologischem Prinzip

8.1

Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)

Im Bereich der Pluralformen, in denen im Nhd. die Alternanz – auftritt, wurden beispielhaft die Formen ›Elsässer‹,207 ›Gäste‹ (PrU) und ›Städte‹ (PrU) untersucht.208 Auf Wortbildungs- oder Flexionssuffixe zurückzuführender Umlaut im Kontrast zu anderen Wortformen einer Wortfamilie spiegelt sich in den folgenden Untersuchungslexemen wider: ›Begräbnis‹ (PrU), ›erzählen‹ (PrU), ›gnädig‹ (RU wegen des Langvokals /ɑ:/ in genâde), ›kläglich‹ (SeU wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton), ›mächtig‹ (SeU wegen Lautkombination /xt/ nach dem /a/), ›männlich‹ (SeU wegen Suffix {-lîch} 207

Um welche Art von Umlaut es sich hier handelt, Primär- oder Sekundärumlaut oder morphologisch außerparadigmatischen Analogieausgleich, lässt sich schwer festlegen, da sowohl als auch zugrunde liegen können. Vgl. dazu DWB (1999,3: 417). 208 Bei den Beispielen wird je nach Herkunft des Umlauts (PrU) für Primärumlaut und (SeU) für Sekundärumlaut verwendet. Beim PrU muss aufgrund der obd. Umlauthinderung zwischen obd. und md. Gebiet unterschieden werden. Der Umlaut des Langvokals /ɑ:/ wird zur klaren Unterscheidbarkeit mit (RU) für Restumlaut bezeichnet. Zu den Umlauthinderungen vgl. Schmidt (2000: 200).

218

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

mit starkem Nebenton), ›nächst‹ (RU wegen des Langvokals /ɑ:/ in nâch), ›nämlich‹ (SeU wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton), ›Stärke‹ (PrU, obd. SeU wegen obd. Umlauthinderung bei /r/+Konsonant nach dem /a/), ›unsäglich‹ (SeU wegen Suffix {lîch} mit starkem Nebenton), ›verhängen‹ (PrU), ›vermählen‹ (PrU), die Steigerungsformen von ›alt‹ (PrU, obd. SeU wegen obd. Umlauthinderung bei /l/+Konsonant nach dem /a/) und der Konj. Prät.-Formen von ›haben‹ (PrU). Lexem Graphem Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1478 Knoblochtzer-1477 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

5 1 1 -

gnädig

9 3 8 6 10 5 10 10 10 10 9

2 2 2 -

nächst

1 1 3 1 2 1 2 3 1 1

Tab. 7: Restumlaut im Untersuchungszeitraum I

Lexem Graphem Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1478 Knoblochtzer-1477 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

-

Stärke

3 3 3 3 3 3 3 4 2 6 3

Steigerungsformen von ›alt‹

2 2 2 2 2 3 4 2 2 2 3

Tab. 8: Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut im Untersuchungszeitraum I

Die Entwicklung der Umlautgraphie

Lexem Graphem Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1478 Knoblochtzer-1477 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

219

Elsässer ͤ

2 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 -

Städte ͤ

-

2 2 209 2 2 2

-

Gäste

6 6 5 4 4 5 4 5 3 5 3

Tab. 9: Pluralumlaut im Untersuchungszeitraum I

Lexem Graphem Richel-1473/74 Bämler-1474 Knobl.-1478 Knobl.-1477 Prüss-1478 Bämler-1480 Knobl.-1482 Schönsp.-1488 Knobl.-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

Begräbnis

-

4 4 4 4 4 4 5 4 4 4 4

erzählen

3 4 3 2 2 3 2 2 -

1 3 2 2 1 2 1 1 1 4 4

Konj. II ›haben‹ 31 6 38 32 36 38 45 32 1 43 33 51 43

verhängen

vermählen

-

3(a) 8 5(a) 5(a) 5(a) 6 5(a) 5 8(a) 1 10

1 2 1 1 1 2 1 2 1 2 2

2 1 1 1 2 1 1 4 8 -

Tab. 10: Primärumlaut im Untersuchungszeitraum I

209

Einer der beiden Belege ist mit Rundung gesetzt: ſtoͤ t. Ausgangslaut für die Rundung ist jedoch der mit graphisch umgesetzte Laut, so dass der Beleg hier unter den Belegen mit gezählt wird.

220

Lexem Graphem Richel-1473/74 Bämler-1474 Knobl.-1478 Knobl.-1477 Prüss-1478 Bämler-1480 Knobl.-1482 Schönsp.-1488 Knobl.-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

kläglich 3 1 1 2 1 3 1 3 3 4 1 3 2 -

männlich 14 34 10 18 15 37 16 30 21 1 26 37

nämlich 3(a) 4 3 2(a) 1 3(a) 2(a) 1 4 1 3(a) 1 5 1(a) 1 4 5

unsäglich 1 4 7 1 7 5 1(a) 4 1 3 2 6 1 4 3 -

mächtig 11 11 1 1 12 12 8 6 5 11 14 1 1(a) 9 22 13

Tab. 11: Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ im Untersuchungszeitraum I

Für Richel-1473/74 und die Straßburger Drucke der Inkunabelzeit hat die Untersuchung des Typen- und Grapheninventars sowie der Graphematik deutlich gemacht, dass diese Drucke entweder kein kennen oder es nur spärlich verwenden. In den Lexemen ›Elsässer‹, ›männlich‹, ›vermählen‹ und teilweise ›erzählen‹ wird gesetzt, ansonsten . Die Augsburger Inkunabeldrucke der Melusine weisen ein anderes Bild auf. In Bämler-1474 begegnet zwar bei keinem Lexem in allen Belegen , es wird jedoch in einigen Fällen bereits in der Mehrzahl der Belege verwendet: genaͤ dig (4) – genedig (3) – genadig, maͤ chtig (12) – mechtig (3), naͤ chſt (2) – nechſt, naͤ mlich (4) – nemlich (3), vnſaͤ glich (7) – vnſeglich (2), vermaͤ hlen (8) – vermehlen. Meist wird, wenn dies überhaupt geschieht, der Sekundär- oder Restumlaut durch ausgezeichnet. In Bämler-1480 ist zwar im Kontrast zur Vorgängerausgabe insgesamt ein Anstieg der Verwendung der Letter aͤ zu verzeichnen, bei den untersuchten Lexemen geht die Verwendung allerdings zumeist zurück. Auch hier zeigt sich die Tendenz, dass der Primärumlaut nur selten mit gekennzeichnet wird. In Schönsperger-1488 treten erstmals mehrere Lexeme mit ausschließlicher Umlautgraphie nach morphematischem Prinzip auf, so klaͤ glich (4), naͤ chſt (2), naͤ mlich (5), ſtaͤ hlin (8) und vnſaͤ glich (6). Beim Lexem ›mächtig‹ tritt lediglich ein Gegenbeleg auf: maͤ chtig (14) – mechtig. In den Augsburger Inkunabeln deutet sich somit eine langsame Anbahnung der -Graphie nach Stammprinzip an, die sich nicht nach Primär- oder Sekundärumlaut und der lautlichen Umgebung differenzieren lässt. Doch findet diese Entwicklung Eingang in die Graphie der beiden ersten Ausgaben des 16. Jhs., die in Straßburg gedruckt wurden?

Die Entwicklung der Umlautgraphie

221

Hupfuff-1506 übernimmt in diesem Bereich den Schreibusus der oberrh. Traditionslinie der Drucküberlieferung der Melusine, auch wenn er als Textgrundlage den Text der Augsburger Überlieferungslinie wählt. Zwar beinhaltet seine Type die Lettern ä und aͤ , er verwendet sie allerdings nur in sechs Belegen. Innerhalb der untersuchten Lexeme finden sich daher nur die beiden Einzelbelege mänlichen und veɾmaͤ hlet mit Morphemkonstanzschreibung. In der ebenfalls in Straßburg gedruckten Ausgabe Knobloch-1516 weicht das Erscheinungsbild hinsichtlich dieses Graphieaspektes von Hupfuffs Usus völlig ab. Das Graphem wird in 156 Fällen gesetzt, wobei es im Gegensatz zu den Augsburger Inkunabeln bei Knobloch keine Varianz gibt. Entweder ein Lexem wurde in allen Belegen mit gesetzt oder eben gar nicht.210 Auch wenn unklar bleibt, ob diese Einheitlichkeit auf einen Korrektor, einen Setzer oder eine durch den Drucker vorgeschriebene geregelte Hausorthographie zurückgeht, wird an dieser Stelle deutlich, dass beim Satz des Textes der Ausgabe Knobloch-1516 sehr systematisch verfahren wurde. Eine nach lautetymologischer Herkunft differenzierte Betrachtung führt hierbei zu keinem eindeutigen Ergebnis, da sowohl Primär- als auch Sekundär- oder Restumlaut mit oder ohne auftreten. Innerhalb der Melusine-Überlieferung macht Knobloch damit dem Augsburger Schreibusus ein Zugeständnis und greift nicht – wie Hupfuff noch zehn Jahre zuvor – auf die Konventionen der oberrh. Melusine-Drucke zurück.

8.2

Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Zu Beginn des Untersuchungszeitraums II finden sich in allen Ausgaben bis einschließlich Han-1562 ausschließlich die Lexeme ›kläglich‹ und ›vermählen‹, bei denen durchweg gesetzt wird. In den Drucken Heinrich Steiners liegt für die ersten drei Melusine-Ausgaben der gleiche Befund vor, so dass diese uniform erörtert werden können.211 Bei der Pluralmarkierung durch tritt lediglich eine Form auf: ›Gäste‹ mit (3), Elſaͤ ſſer – Elſaſſer (4), ›Stadt‹ mit (2). Varianz besteht nur bei Sekundär- bzw. Restumlautlexemen: gnaͤ dig (5) – gnedig (3), maͤ chtig (7) – mechtig (9), naͤ chſt – nechſt (2), vnſaͤ glich – vnſeglich (3). Ohne -Graphie erscheinen weiterhin die Lexeme ›älter‹ mit (3), ›Begräbnis‹ mit (4), ›erzählen‹ mit (5), ›hätte‹ mit (119), ›männlich‹ mit (39), ›nämlich‹ mit (4), ›Stärke‹ mit (2), ›verhängen‹ mit (2). In allen Belegen mit erscheinen Elſaͤ ſſer (5), klaͤ glich (2), ſtaͤ hlin (6), vnſaͤ glich (3), vermaͤ hlen (10). Durchweg ohne sind belegt: ›älter‹ mit (3), ›Begräbnis‹ mit (4), ›erzählen‹ mit (4), ›Gäste‹ mit (3), ›gnädig‹ mit (9), ›hätte‹ mit (108), ›mächtig‹ mit (13), ›männlich‹ mit (37), ›nämlich‹ mit (5), ›Städte‹ mit (2), ›Stärke‹ mit (4), ›verhängen‹ mit (2). 211 In der Ausgabe Steiner-1539 bietet sich derselbe Befund mit den folgenden geringfügigen Abweichungen: geſchlecht (11), gnedig (4), maͤ chtig (5). Für die Ausgabe Steiner-1540 liegt ein dem für Steiner-1538 identischer Befund vor. 210

222

Lexem Graphem Steiner-1538 Steiner-1539 Messerschmidt-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562 Han-1564 Rebhart/Han-1571 Manger-1574 Reffeler/Han-1577 Feyerabend-1587

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

5 5 6 7 3 5

gnädig

3 4 6 3 2 5 6 6 7 8 6 7 6 -

1 1 1 -

nächst

2 2 2 3 1

Tab. 12: Restumlaut im Untersuchungszeitraum II

Lexem Graphem Steiner-1538 Steiner-1539 Messerschmidt-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562 Han-1564 Rebhart/Han-1571 Manger-1574 Reffeler/Han-1577 Feyerabend-1587

1

Stärke

2 2 3 2 2 3 2 3 3 3 3 3 3 1

Steigerungsformen von ›alt‹

3 3 1 2 3 3 3 2 2 2 3 3 2 3 2 1

Tab. 13: Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut im Untersuchungszeitraum II

Die Entwicklung der Umlautgraphie

Lexem Graphem Steiner-1538 Steiner-1539 Messerschmidt-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562 Han-1564 Rebhart/Han-1571 Manger-1574 Reffeler/Han-1577 Feyerabend-1587

223

Elsässer ͤ

1 4 1 4 5 1 4 5 1 4 4 1 2 3 2 2 3 1 3(e) 1 2 2 3(e) 1 3 1

Städte ͤ

2 2 2 2 2 2 3 2 2 2 2 2 2 -

1 3 3

Gäste

3 3 5 3 2 4 3 3 3 4 4 5 1 -

Tab. 14: Pluralumlaut im Untersuchungszeitraum II

Lexem Graphem Steiner-1538 Steiner-1539 Messers.-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562 Han-1564 Rebhart/H.-1571 Manger-1574 Reffeler/H.-1577 Feyerabend-1587

Begräbnis

3 2 3 4 4

4 4 1 4 4 4 2 1 4 5 4 5 -

erzählen

-

6 5 5 5 4 2 1 2 2 3 2 4 2 2

Tab. 15: Primärumlaut im Untersuchungszeitraum II

Konj. II ›haben‹ 41 38 26 43 40 54 50 49 48 51 50 48 53 53

verhängen

vermählen

1 1 -

10 10 5 10 10 8 8 8 7 8

2 2 2 2 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2

10 11 8 10 1 -

224

Lexem Graphem Steiner-1538 Steiner-1539 Messers.-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562 Han-1564 Rebhart/H.-1571 Manger-1574 Reffeler/H.-1577 Feyerabend-1587

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

kläglich 1 1 1 1 1 2 1 1 1 1 1 2 1 1 -

männlich 39 39 24 38 33 36 34 31 38 5 31 3 31 38 4 34 1 36

nämlich 4 4 1 2 4 3 1 1(a) 1 1 1 1 2 2 1 2 1

unsäglich 1 3 1 3 1 1 1 3 3 1 6 3 1 4 4 4 3 5 3 2 -

mächtig 7 9 7 9 11 7 9 9 7 5 13 14 16 16 12 19 4 15 19 15 -

Tab. 16: Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ im Untersuchungszeitraum II

In der Setzersprache der Ausgabe Steiner-1543 findet eine bewusste Veränderung des vorigen Usus statt. Die Schreibsprache der Ausgabe steht, wie bereits zuvor angedeutet wurde, auch in diesem Untersuchungsbereich in Kontrast zu den vorherigen Ausgaben dieser Offizin. Erstmals wird im Bereich der Markierung des Plurals beim Substantiv ›Gast‹ die Letter aͤ verwendet. Bei den Lexemen, die Varianz zwischen und aufweisen, nimmt die -Graphie leicht zu: gnaͤ dig (7) – gnedig (2), maͤ chtig (9) – mechtig (7), naͤ mlich (3) – nemlich, verhaͤ ngen – verhengen. Ohne erscheinen im Kontrast zu den vorigen Ausgaben die Lexeme ›nächst‹ mit (3) und ›unsäglich‹ mit (3). Bei den restlichen untersuchten Lexemen bleibt die ausnahmslose Leitgraphie bzw. .212 In der Ausgabe Messerschmidt-1539 zeigen sich einige Abweichungen von Steiners Ausgaben. So erscheinen erstmals die Graphien aͤ lter und begraͤ bnis (3) – begrebnis. Auch setzt der Elsässer Drucker Elſaͤ ſſer (5). Die Lexeme ›gnädig‹ und ›mächtig‹ hingegen treten dem Betrachter in allen Belegen mit -Graphie entgegen. Ansonsten stimmt das Bild mit dem bei Steiner überein. Im Zuge des Übergangs der Melusine-Überlieferung von Augsburg/Straßburg nach Frankfurt/a.M. wird deutlich, dass die Offizinen Gülfferich und Han vom Gebrauch des 212

›älter‹ mit (2), ›Begräbnis‹ mit (4), ›erzählen‹ mit (4), ›hätte‹ mit (118), ›männlich‹ mit (33), ›Stärke‹ mit (2).

Die Entwicklung der Umlautgraphie

225

Graphems immer stärker abkommen, bis es in Han-1562 gar nur noch in sieben Belegen auftritt.213 Die beiden Ausgaben Gülfferichs sind dabei wohl noch stark von der Vorlage Steiners abhängig, lassen jedoch bereits eine Reduzierung der -Schreibung erkennen. Die erste Ausgabe verwendet das Graphem noch in 115 Belegen, die zweite in 87, Han-1556 nur noch in 69. In den folgenden drei Ausgaben nach der Ausgabe Han-1562, die nur sieben Belege für aufweist, bleibt der Gebrauch der Letter aͤ weiter auf wenige Belege beschränkt: Han-1564 (34) – Rebart/Han-1571 (15) – Manger-1574 (47). Bemerkenswert ist dabei lediglich, dass in Han-1564 erstmals die Umlautgraphie im Lexem ›männlich‹ auftritt (Maͤ n̄ lichen, Maͤ nnlich (2), Maͤ nnliche, Maͤ n̄ lich). Ab der Ausgabe Reffeler/Han-1577 wird wieder häufiger verwendet. Im Vergleich zur Vorlage ersetzt Reffeler das durch in Gaͤ ſte (3) – Geſte, Begraͤ bnuß (4), maͤ chtig (19), vermaͤ hlen (7) – vermehlen. Varianz zeigt sich dabei nur selten in den Einzelbelegen zu Geſte und vermehlen. Den Abschluss dieser Überlieferungslinie im 16. Jh. bildet die Ausgabe Feyerabend1587, die mit 142 Belegen für das Graphem auch die meisten unter den Frankfurter Ausgaben aufweist. Dabei wird die Letter in nahezu allen untersuchten Pluralformen verwendet. Das morphematische Prinzip ist in dieser letzten Ausgabe des Untersuchungszeitraums II bereits in großem Umfang umgesetzt. Lexem Graphem Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

4 5 5

gnädig

4 2 2

-

nächst

2 -

Tab. 17: Restumlaut in der Sondergruppe Müller/Egenolff

Lexem Graphem Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

1

Stärke

3 2 1

Steigerungsformen von ›alt‹

2 2 1

Tab. 18: Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut in der Sondergruppe Müller/Egenolff

213

Bei diesen Belegen handelt es sich um beſtaͤ tten, beſtaͤ ttiget, Elſaͤ ſſer (2), maͤ r (2) und Maͤ r.

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

226

Lexem Graphem Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

Elsässer ͤ

1(e) 4 5 5

-

Städte

2 2 2

Gäste ͤ

1 1 2

2 4 2

Tab. 19: Pluralumlaut in der Sondergruppe Müller/Egenolff

Lexem Graphem Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

Begräbnis

4 2 1

2 4

erzählen

-

4 6 5

Konj. II ›haben‹ 49 56 54

verhängen

vermählen

1 1 1

7 9 8

1 1 1

-

Tab. 20: Primärumlaut in der Sondergruppe Müller/Egenolff

Lexem Graphem Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

kläglich 1 1 3 -

männlich 34 34 34

nämlich 1 3 4 3 3

unsäglich 2 4 4 6 -

mächtig 1 16 8 9 6 11

Tab. 21: Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ in der Sondergruppe Müller/Egenolff

Die Ausgaben der Überlieferungslinie Müller-Egenolff weisen durch ihren Rückgriff auf die Texttradition Steiners einen ähnlichen Befund auf wie der für Steiners Ausgaben gestellte. Zunächst stehen sie quantitativ in Kontrast zu den Han-Ausgaben der 1560erund 1570er-Jahre, da Müller in 93, Egenolffs Erben in 150 bzw. 112 Fällen Gebrauch des Graphems macht. Die Lexeme ›kläglich‹, ›vermählen‹ und ›unsäglich‹ (letzteres nur in den beiden Egenolff-Ausgaben) werden in allen Belegen mit Morphemkonstanzgraphie wiedergegeben. Parallel zu Steiner-1543 erscheint je ein Beleg für ›Gast‹ mit , Elſaſſer (5), ›Stadt‹ mit (2) und ohne ›älter‹, ›erzählen‹, ›hätte‹, ›männlich‹, ›nächst‹ und ›Stärke‹. Varianz besteht bei den Lexemen ›Begräbnis‹, ›gnädig‹, ›mächtig‹, ›nämlich‹ und ›verhängen‹.214 214

Abweichungen: ›Begräbnis‹ wird in Müller-1577 durchweg mit gesetzt, ›Stärke‹ wird in Egenolff-1580 als ſtaͤ rcke und ſtercke gesetzt und ›nämlich‹ durchweg mit .

Die Entwicklung der Umlautgraphie

227

Eine Differenzierung nach der Lautetymologie nach Primär-, Sekundär- oder Restumlaut ist in den Melusine-Drucken auch im 16. Jh. zu keiner Zeit greifbar. Es zeigt sich bei der Etablierung der Morphemkonstanzschreibung mit Hilfe der Graphie ein ständiges Hin und Her, das scheinbar erst am Ende des Jhs. in einer systematischen Verwendung der Graphievariante nach morphologischem Orthographieprinzip mündet.215 Die Prosaromanfabrik der Gülfferich-Han-Familie agiert in diesem Bereich der Entwicklung zum Nhd. als retardierendes Moment. Erst durch externen Einfluss wird am Ende des Untersuchungszeitraums II auch in Feyerabend-1587 das morphematische Prinzip zur Umlautverschriftung wieder in größerem Maße angewandt.

8.3

Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

Die quantitativen Angaben zu den Ausgaben des 17. Jhs. haben bereits eine Zunahme der -Graphie gezeigt; doch wie sieht es im Detail aus? Lexem Graphem Pfeiffer-1649 Endter-1672 ohne Ort-1692 Nicolai-1692/93

10 8 9 9

gnädig

-

-

nächst

1 1 -

Tab. 22: Restumlaut im Untersuchungszeitraum III

Lexem Graphem Pfeiffer-1649 Endter-1672 ohne Ort-1692 Nicolai-1692/93

1 2 2 4

Stärke

-

Steigerungsformen von ›alt‹

1 1 2 2 1 -

Tab. 23: Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut im Untersuchungszeitraum III

215

Die morphematisch motivierte /-Schreibung erfährt nach Ruge (2004:261) „ihre entscheidenden Impulse doch erst um die Wende zum 17. Jahrhundert.“

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

228

Lexem Graphem Pfeiffer-1649 Endter-1672 ohne Ort-1692 Nicolai-1692/93

Elsässer ͤ

4 3 4 4

2 2 2 2

Städte

-

Gäste ͤ

4 4 4 3

-

Tab. 24: Pluralumlaut im Untersuchungszeitraum III

Lexem Graphem Pfeiffer-1649 Endter-1672 ohne Ort-1692 Nicolai1692/93

Begräbnis

4 4 4 4

-

erzählen

1 -

4 2 4

Konj. II ›haben‹ 2 43 36 38 35 -

verhängen

vermählen

1 2

8 8 9 8

nämlich 6 4 3 3

unsäglich 5 5 3 2 -

3 1 3 -

-

Tab. 25: Primärumlaut im Untersuchungszeitraum III

Lexem Graphem Pfeiffer-1649 Endter-1672 ohne Ort-1692 Nicolai1692/93

kläglich 1 1 1 1 -

männlich 3 32 4 33 2 32 8 31

mächtig 15 18 16 16 -

Tab. 26: Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ im Untersuchungszeitraum III

Die quantitative Entwicklung zeigt nach der Jahrhundertmitte einen sprunghaften Anstieg der Verwendung des Graphems , da Pfeiffer-1649 noch mit 127 auf dem Niveau des 16. Jhs. liegt, die anderen drei Ausgaben allerdings jeweils im Bereich von rund 250–300 Belegen liegen.216 In allen vier Ausgaben des 17. Jhs. ist bei den Lexemen ›Gast‹ und ›Stadt‹ die Pluralgraphie durch das Morphemkonstanzprinzip gekennzeichnet, wohingegen ›Elsässer‹ stets mit gesetzt wird. Das Lexem ›männlich‹ wird 216

Endter-1672 (295), ohne Ort-1692 (309), Nicolai-1692/93 (243).

Zusammenfassung der Ergebnisse auf graphematischer Ebene

229

bis zum Ende des Untersuchungszeitraums mit der Leitgraphie in jeweils über 30 Belegen realisiert. ›nämlich‹ wird in allen Ausgaben dieses Untersuchungszeitraums durchweg mit gesetzt. ›erzählen‹ erscheint nur in Endter-1672 mit . Das Präfixverb ›verhängen‹ wird in Endter-1672 einmal mit , einmal mit , in Nicolai1692/93 in beiden Belegen mit gesetzt, ansonsten stets mit . In Pfeiffer wird der Konj. Prät. des Verbs ›haben‹ noch in 43 Fällen mit , nur in zwei Belegen mit gesetzt. In den anderen drei Ausgaben ist ausnahmslos haͤ tte gebräuchlich. Bis auf wenige Ausnahmen ist damit ab der Ausgabe Endter-1672 das morphematische Prinzip eine Instanz, an die sich die Setzer bei der Anfertigung der Druckformen halten. Als Gesetzmäßigkeit, die in allen berechtigten Fällen angewandt wird, kann dies zwar noch nicht betrachtet werden, da beispielsweise ›erzählen‹ noch weit ins 18. Jh. mit geschrieben erscheint. Die Setzer/Korrektoren bemühen sich allerdings im Zuge der Zunahme der grammatikalisch-metasprachlichen Reflexion der Muttersprache, paradigmatische Zusammenhänge in der Graphie transparent zu machen.

9.

Zusammenfassung der Ergebnisse auf graphematischer Ebene

Insgesamt kann der in der Forschung festgestellte Trend der Reduzierung stochastischer und graphotaktischer Varianz im Lauf des 16. Jhs. zugunsten silbischer und morphologischer Schreibungen (vgl. Voeste 2008: 100) anhand der Überlieferung der Melusine bestätigt werden. Einige Faktoren spielen hierbei eine bedeutende Rolle. Im 15. Jh. und zu Beginn des 16. Jhs. ist die überregionale Vereinheitlichung der Drucksprachen noch nicht weit fortgeschritten, da klare regionalspezifische Schreibvarianten Verwendung finden. Die oberrh. und Augsburger Drucke der Inkunabelzeit unterscheiden sich nicht nur in der verwendeten Schriftart deutlich, sondern auch in ihrem Graphieusus. Nachdem die Straßburger Ausgabe Hupfuff-1506 trotz Verwendung einer Augsburger Vorlage regionalschreibsprachliche wobd. Spezifika bewahrt, aber auch untypische eher oobd. Merkmale (

-Graphie) aufweist, begegnet mit der Straßburger Ausgabe Knobloch-1516 zehn Jahre später bereits eine deutliche Annäherung an den Usus der Augsburger Melusine-Drucker des 15. Jhs. Dieser Befund geht einher mit den Beobachtungen Voestes, deren Studie auf 30 Exemplaren verschiedener gedruckter Chroniken aus dem Zeitraum 1501–1599 beruht. Ein repräsentatives Bild der gesamten frühneuhochdeutschen Sprachlandschaft wird durch die Streuung der Überlieferungsorte sowie das Erheben von 1500 types aus jeder Chronik, was zu einer Gesamtzahl von 196.000 tokens führte, erreicht (vgl. Voeste 2008: 17–25). Für die für ihre Studie berücksichtigten beiden Drucke aus Straßburg (1513) und Augsburg (1528) stellt sie fest, dass diese beiden Druckzentren als „Innovationszentren autochthone Segment-

230

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

kombinationen schneller zugunsten überregionaler ablegen“ (Voeste 2008: 74). Zuvor bescheinigt Voeste den Buchdruckern allerdings „über die generelle phonographische Kompetenz auf der Grundlage von Phonem-Graphem-Korrespondenzregeln hinaus“ (Voeste 2008: 59) auch „nachweislich ein graphotaktisches Wissen. Es beruht auf der Erfahrung, welche Kombinationen in der jeweiligen tagmatischen Position möglich sind und welche nicht“ (Voeste 2008: 59–60). In Hinblick auf die -Graphie im Auslaut lassen sich zwar laut Voeste graphotaktische Regeln erkennen, so etwa die Verwendung einerseits zur Vergewichtung bei schmalem Rand aber auch bei breitem Anfangsrand zur Erzeugung einer Symmetrie (vgl. Voeste 2008: 66–67), dennoch beinhaltet das „Varianzgebot […] keine Regeln, nach welchen Prinzipien variiert werden soll. Die Varianz des Frühneuhochdeutschen ist daher zunächst als eine stochastische zu interpretieren“ (Voeste 2008: 67). Somit bleibt zu konstatieren: „Bei der Herausbildung der nhd. Orthographie erweisen sich graphotaktische Regularitäten somit nicht als zentrale Größe“ (Voeste 2008: 68). Silbische und morphologische Schreibungen, wie auch in dieser Studie gezeigt werden konnte, gewinnen im Lauf des 16. Jhs. an Bedeutung und sind den graphotaktischen Schreibungen vorrangig. Der Variantenabbau und die „Entregionalisierung des Buchdrucks“ (Voeste 2008: 69) schreiten in der Folge im 16. Jh. voran. Ab der Mitte des 16. Jhs. ist in den Frankfurter Drucken eine vermehrte Leserorientierung der Graphie und bewusster Varianten- bzw. Typenabbau festzustellen. Dies wird anhand der Reduzierung von Varianten wie , , zunehmender Homonymendifferenzierung auch hochfrequenter Synsemantika, zunehmender Majuskelschreibung für Substantive und aufgrund des abnehmenden Polyreferentialismus der Graphem-Phonem-Korrespondenzen bestimmter Grapheme verdeutlicht. Allerdings wird es bei Betrachtung der Morphemkonstanzgraphie in den Frankfurter Han-Ausgaben offensichtlich, dass dieses Urteil nicht für alle Untersuchungsphänomene greift. Die Vollendung der Tendenzen des 16. Jhs. erfolgt innerhalb der Melusine-Tradierung erst in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. Nimmt man die Sondergruppe Müller-Egenolff aus, sind die Vokallängengraphie mit Dehnungs-h und die -Graphie die einzigen untersuchten Graphiephänomene, die stetig ohne Retardierung zunehmen. Die -Graphie nimmt im gesamten Zeitraum kontinuierlich zu und wird schließlich in den Ausgaben des 17. Jhs. am häufigsten verwendet, tritt allerdings von Beginn des Untersuchungszeitraums an auf. Sie ist morpheminitial auf Positionen beschränkt, in denen dem stimmlosen Dental ein Vokal und Liquid oder Nasal folgen (vgl. Voeste 2004: 198–199). In Analogie an die Graphie des Infinitivs thůn scheinen auch Wortbildungen und Flexionsformen dieses Verbs mit kodiert worden zu sein, die diese distributionelle Bedingung nicht erfüllen. Im Silbenauslaut begegnet erstmals in der Graphie beth ›Bett‹ in Hupfuff-1506, dann auch in rath ›Rat‹ und noth ›Not‹ in Steiner-1538, ab Han-1562 erstmals in muth ›Mut‹, zum Ende des Untersuchungszeitraums hin dann auch in Bluth ›Blut‹, Bothe ›Bote‹ und roth ›rot‹. Hierbei ist auffällig,

Zusammenfassung der Ergebnisse auf graphematischer Ebene

231

dass das im Auslaut stets nach Langvokal erscheint.217 Scheinbar wurde zur Signalisierung eines sanften Silbenschnittes verwendet, war dabei allerdings distributionell noch nicht festgelegt. Graphien wie beispielsweise ghen, berhuͤ mpt, Raht vs. Rath, Wohlfahrt vs. Wohlfarth, die in den Melusine-Drucken des 16. Jhs. innerhalb eines Druckes auftreten können, unterstützen diese These. Die Zunahme der Verwendung des Dehnungs-h wird insbesondere ab der Mitte des 16. Jhs. innerhalb der Ausgaben der Buchdruckerdynastie Gülfferich-Han vorangetrieben. Diese Aussage beschränkt sich allerdings lediglich auf die Melusine-Überlieferung. Die initialen Impulse für die Einführung dieser neuen Varianzgraphien kamen aus anderer Richtung. Mit Hilfe eines sprachlandschaftlich breiter angelegten Korpus von Bibelausgaben des 16.– 18. Jhs. hat Rieke gezeigt, dass die omd. Bibeldrucke im Bereich der Vokallängenmarkierung führend gewesen sind (vgl. Rieke 1998). Besonders in der Reformationslücke zwischen Knobloch-1516 und Steiner-1543 wird der Einfluss der omd. Druckersprachen mit dem Aufstieg Wittenbergs zu einem bedeutenden Druckzentrum hoch anzusetzen sein, so dass einige Innovationen wie die Exaption218 des als Bestandteil des Diphthongs oder des Hauchlautes zum Längenmarker in Steiners Graphiesystem und den Frankfurter Ausgaben ihren Ursprung im Omd. haben könnten. Das Korpus dieser Untersuchung ist allerdings nicht zur Klärung derartiger Fragestellungen konzipiert, sondern dient der Darstellung der Entwicklung und Durchsetzung graphischer Konventionen innerhalb der Überlieferung eines Textes. Als Agenten der Verbreitung neuartiger Graphielösungen fungierten die Setzer, Korrektoren und Drucker jedoch allemal. Anhand der Melusine-Drucker und -Drucke zeigt sich der hohe Ausbildungsgrad sowie die hohe soziale Stellung der Buchdrucker, die zum Teil an den metasprachlichen Diskursen zum Deutschen aktiv teilnahmen. Diese Aussage lässt sich sicherlich für den Verlauf des 16. Jhs. zunehmend auch auf die Setzer übertragen. So hat sich denn auch im Graphieusus der Melusine-Ausgaben der zweiten Hälfte des 17. Jhs. ein relativ stabiler Usus ausgebildet. Die Grammatiker haben, wie in II.3.2 skizziert wurde, in diesem Bereich wenig Einfluss auf die Konventionen in den Offizinen.219 Dennoch suggerieren die Parallelen der Grammatikographie mit den Entwicklungen in den Setzersprachen der Melusine-Überlieferung, dass der sprachpuristische und sprachimmanent geführte Diskurs über die deutsche Sprache bewirkt, dass der Berufsstand der Setzer und Korrektoren die Regelhaftigkeit und Systemzusammenhänge in der deutschen Sprache besser durchdringen und vermehrt auf ihre Setzersprachen anwenden. Vereinzelt sind vereinheitlichende Tendenzen in Einzeldrucken im Korpus bereits in der Inkunabelzeit, so in Knoblochtzer-1478, und im frühen 16. Jh. in Knobloch-1516 zu 217

In ›Bett‹, dem einzigen Lexem, das im Auslaut zeigt, aber im Nhd. Kurzvokal führt, wird die -Graphie ab 1570 weitestgehend nicht mehr gesetzt. 218 Zu dem Begriff Exaption vgl. Voeste (2008: 42–46). 219 Voeste (2008: 60): „Auch wenn der Aufbau graphischer Wörter Gegenstand der frühen Grammatikschreibung ist – ausgewählt und festgeschrieben haben die Grammatiker die Graphotaktik jedoch nicht.“

232

Textüberlieferung, Abhängigkeitsverhältnisse und Graphiesysteme

erkennen. In beiden Ausgaben ist die Handschrift eines Korrektors bzw. eine Hausorthographie deutlich greifbar. Für die Varianz der meisten graphematischen Entwicklungen in den untersuchten Drucken können verschiedene Faktoren maßgebend sein. Verantwortlich dafür kann entweder die Herkunft bzw. bei Übersiedelung der vorherige Offizinstandort des Druckers (z. B. Georg Rab aus Pforzheim) oder des Setzers/Korrektors (z. B. in der Ausgabe Knoblochtzer-1478), die Überführung der Schreibsprache aus einer Vorlage in einen anderen Schreibdialekt, die Abhängigkeit von einer älteren Vorlage (Egenolff-Drucke) oder die fehlende Spezialisierung auf den Druck deutschsprachiger Werke (Richel, Egenolffs Erben) sein. Dennoch erscheinen in den meisten Fällen die Drucksprachen der Buchdruckzentren, die aus den lokaltypischen professionellen Schreibsprachen aus der Zeit vor dem Buchdruck hervorgingen, als Ausgangsbasis für die Drucker- und Setzersprachen. Dass dieses Urteil nicht generell geltend gemacht werden darf, zeigen allerdings die Ausgaben der Offizin Egenolffs Erben und Knoblochtzer-1478, die erheblich von den ortsüblichen Drucksprachen abweichen.220 Die Ergebnisse zeigen also wie Voestes Studie, dass die „innovative Expansionsphase und die Erprobung ästhetisch ausgerichteter graphotaktischer Verfahren […] im 16. Jahrhundert durch gegenläufige Entwicklungen eingedämmt werden. Für die Limitierung graphotaktisch möglicher Varianten spielt der Aufschwung des Buchdrucks im Zusammenhang der Reformation eine entscheidende Rolle. Durch die Ökonomisierung des Setzvorgangs und die Anforderungen an ein professionelles Layout nimmt die Verwendung von Abbreviaturen und anderen Zeilenregulierungsmitteln kontinuierlich ab.“ (Voeste 2008: 100).

Auch die Entstehung eines Sprachnormbewusstseins sowie die Entregionalisierung des Buchdrucks werden als Faktoren bei Voeste (2008: 100–101) genannt und ebenfalls in dieser Arbeit als einflussreiche Entwicklungen erachtet. Bei der Betrachtung von Einzeldrucken eines Werkes muss allerdings aufgrund der teilweise nachgewiesenen starken Vorlagenabhängigkeiten auch immer die Einordnung in die Gesamtüberlieferung sowie die Analyse der sprachlichen Gepflogenheiten in der jeweiligen Offizin erfolgen.

220

Glaser (1985: 360) schreibt hierzu Beobachtungen aus der Nachdruckkultur der Luther-Bibel generalisierend, dass „Nachdrucke generell vom Drucker in die ortsübliche Sprache umgesetzt wurden.“ Dies kann anhand des Melusine-Korpus widerlegt werden.

IV. Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache der Melusine-Ausgaben

1.

Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum I (1473/74–1516)

Nachdem im vorhergehenden Kapitel das Graphiesystem und die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Schreibsysteme jeder Melusine-Ausgabe des Korpus analysiert und dargelegt wurden, soll in der Folge anhand bestimmter einschlägig in den Grammatiken angeführter Laut- und Formenwandelphänomene, die im Übergang vom Mhd. über das Frnhd. zum Nhd. von Bedeutung sind, gezeigt werden, wie sich die Laut- und Formenvielfalt des Deutschen in den Melusine-Drucken niederschlägt und wann es zu einer Vereinheitlichung mit dem Endziel der im Nhd. gängigen Schreibweise kommt. Um anzuzeigen, in welchem Untersuchungszeitraum welche Untersuchungsphänomene relevant sind und daher im entsprechenden Kapitel Erwähnung finden, werden tabellarische Übersichten über die Phänomene des Lautwandels im Vokal- und Konsonantenbereich sowie des Formenwandels vorangestellt. Beispielsweise wird die frnhd. Diphthongierung nur für die Untersuchungszeiträume I und II besprochen, da es im Untersuchungszeitraum III in den zu diesem Phänomen annotierten Belegen keine Varianz mehr gibt. Die grauen Spalten zeigen an, dass die frnhd. Diphthongierung in den Kapiteln IV.1.1.a und IV.2.1.a behandelt werden, in IV.3 jedoch nicht mehr. Vokalismus Frnhd. Diphthongierung Md. Monophthongierung Nukleussenkung Md. Senkung Mhd. /ɑ:/ zu /o:/ Rundung Entrundung Synkope im Präfix

1473/74–1516 IV.1.1.a IV.1.1.b IV.1.1.c IV.1.1.d IV.1.1.e IV.1.1.f IV.1.1.g IV.1.1.h

1538–1587 IV.2.1.a IV.2.1.b IV.2.1.c IV.2.1.d IV.2.1.e IV.2.1.f

1649–1692/93

IV.3.1.a IV.3.1.b

IV.2.1.g

Tab. 27: Abschluss des Variantenabbaus im Bereich des Vokalismus in den Untersuchungszeiträumen

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

234

Konsonantismus Palatalisierung Dentalplosiventwicklung Medienverschiebung Assimilationsvorgänge Kontraktion Epithetisches /t/ Auslautverhärtung

1473/74–1516 IV.1.2.a IV.1.2.b IV.1.2.c IV.1.2.d IV.1.2.e IV.1.2.f IV.1.2.g

1538–1587

1649–1692/93

IV.1.2.b IV.1.2.c IV.2.2.a

IV.1.2.b IV.3.2

IV.2.2.b IV.2.2.c

Tab. 28: Abschluss des Variantenabbaus im Bereich des Konsonantismus in den Untersuchungszeiträumen

Morphologie gân/gên und stân/stên Substantivsuffix -nis/-nus Verbale Einheitsplural -ent Doppelte Negation verbum substantivum ›sein‹

1473/74–1516 IV.1.3.a IV.1.3.b IV.1.3.c IV.1.3.d IV.1.3.e

1538–1587 IV.2.3.a IV.2.3.b IV.2.3.c

1649–1692/93

IV.1.3.e

IV.1.3.e

IV.3.3

Tab. 29: Abschluss des Variantenabbaus im Bereich der Morphologie in den Untersuchungszeiträumen

1.1

Lautwandel im Bereich des Vokalismus1

a.

Die frnhd. Diphthongierung im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)2

Als Untersuchungsphänomen zu Ausgleichstendenzen zwischen der augsburgisch-oobd. und der oberrh. Druckersprache ist dieser Lautwandelprozess maßgebend, da sein Ergebnis Bestandteil der bair.-schwäb. Mundart, nicht aber der oberrh.-alem. ist. Der Lautwandel von mhd. /i:/ /u:/ /y:/ zu /ae/ /ao/ /oe/ geht in spätahd. Zeit vom bair. Sprachgebiet aus, die erste Diphthongierungswelle gilt gesamthd. mit Ausnahme des Höchstalem.3 Im 15. Jh. sind das Schwäb., Teile des Rheinfrk. und des Omd. erfasst, wobei die Verbreitung nach Westen hin – also auch Augsburg als wichtigem Dreh- und Angelpunkt für den Vertrieb deutschsprachiger Druckwerke – mit Verzögerung ablief. Erste Belege finden sich in der Grenzstadt des mittelbair. und schwäb. Mundartraumes 1

2 3

Belege aus den Melusine-Ausgaben werden kursiv angegeben. Falls es sich um Einzelbelege handelt, folgt ihnen keine Angabe über die Quantität. Bei Mehrfachbelegen folgt eine quantitative Angabe in runden Klammern, falls es als wichtig für die Interpretation der Belege erachtet wurde, auch die Angabe der Lage, in der der entsprechende Beleg auftritt. Vgl. Frnhd. Gr. § L 31, Mhd. Gr. § L 17. Haasbauer (1973:27) weist für den Zeitraum 1311–1350 in Urkunden des oberösterreichischen Raumes 99 % Digraphien nach, 1282–1311 waren es 53 % der Belege, die Digraphie aufwiesen.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

235

bereits im letzten Viertel des 12. Jhs., dann erst wieder um 1290. Vollständig setzt sich dort die Diphthongschreibung erst im 15. Jh. durch. Die gesprochene Sprache im Straßburger Umfeld kennt die Diphthonge nicht. In den beiden Überlieferungssträngen der Melusine stehen sich Augsburg, das im Diphthongierungsgebiet liegt, und Straßburg (Basel/Heidelberg) gegenüber, das nicht im Diphthongierungsgebiet liegt.4 Die folgende Tabelle zeigt in absoluten Zahlen und prozentualer Angabe, inwieweit innerhalb der untersuchten Textausschnitte von 1473/ 74 bis 1516 die Diphthongierung graphisch markiert ist. Ausgabe Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1477 Knoblochtzer-1478 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

Monograph 1229 11 1304 96 649 13 344 8 405 967 156

Digraph 0 1269 39 1234 620 1187 1046 1381 854 524 1140

Total 1229 1280 1343 1330 1269 1200 1390 1388 1259 1491 1296

% Digraphien 0 99,1 2,9 92,8 48,9 98,9 75,3 99,4 67,8 35,1 88,0

Tab. 30: Die frnhd. Diphthongierung im Untersuchungszeitraum I (grau schattiert erscheint in den folgenden Tabellen zu Untersuchungszeitraum I die Augsburger Überlieferungslinie)

Nun gilt es die bestehende Varianz im Detail zu betrachten und zu interpretieren. Dabei müssen verschiedene Parameter beachtet werden. Zunächst einmal dürfen die drei von der Lautentwicklung betroffenen Langvokale nicht uniform betrachtet werden, da nachgewiesenermaßen die Entwicklung dieser drei Laute unterschiedlich ablief.5 Weiterhin ist auf mögliche durch Setzerwechsel bedingte oder lexembedingte Schreibungen zu achten. Zusätzlich darf eine mögliche Abhängigkeit von Schreibungen in potentiellen Vorlagen nicht außer Acht gelassen werden.

4

5

Vgl. hierzu Bauer (1988: 132): „[...] der Straßburger schrieb zunächst zweifellos elsässisch. Wenngleich HAENDCKE gezeigt hat, daß die typischen Merkmale der elsässischen Mundarten erst allmählich, gegen Ende des 13. Jhs, in den elsässischen Urkunden des Straßburger Urkundenbuches erscheinen, gilt für die Zeit bis ca. 1500 doch im wesentlichen, daß die Straßburger Schreibsprache von der elsässischen Schreibtradition bestimmt wird.“ Vgl. Mhd. Gr. (2007: 75, Anm. 1), Bauer (1988).

236

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Bei den drei Augsburger Inkunabeln ist die Diphthongierung nahezu vollständig durchgesetzt. In Bämler-1474 erscheinen mit monographischer Schreibung elf Belege,6 von denen allerdings nur sieben eindeutig mit unterbliebener Diphthongierung in Verbindung gebracht werden können. Belege des Diminutivsuffixes ›-lein‹ in der Form -lin stellen durch die Distribution in unbetonter Nebensilbe eine Kürzung des alten Monophthongs /i:/ dar. Nicht diphthongiert erscheinen damit die mhd. Lexeme întrac, tiure und ungehiure. Die beiden letzteren treten in demselben Druck auch mit Diphthongschreibung auf: tew̋ r, tew̋ re, tew̋ ren, vngeheűrer, vngehew̋ r, vngehew̋ ren (2), vngehew̋ ɾer (2). In Bämler-1480 zeigt sich mit 13 Abweichungen ein ähnliches Bild.7 In Schönsperger-1488 tauchen acht Belege mit abweichender Monophthongschreibung auf, wobei sich hierunter lediglich ein Infinitiv-Beleg auf fehlende Diphthongierung zurückführen lässt.8 Der Befund aus den Augsburger Melusine-Ausgaben deckt sich mit dem Befund der Grammatiken, dass sich die Diphthongschreibung im 15. Jh. dort durchgesetzt hat. Bei den Straßburger Druckern ergibt sich ein weitaus heterogeneres Bild, das sich v. a. anhand der Melusine-Drucke einer Offizin, Heinrich Knoblochtzers, zeigt. Am Beginn dieser Überlieferungslinie steht jedoch die Ausgabe Richel-1473/74. Darin findet sich in Übereinstimmung mit der Dialektbasis am Druckort Basel kein einziger Beleg mit digraphischer Realisation der mhd. Langvokale /i:/ /u:/ /y:/. Hierin, wie auch in anderen Aspekten, steht dem Sprachstand der Erstausgabe die Ausgabe Knoblochtzer1477 sehr nahe. Sie ist neben Richels Ausgabe die einzige, die über 97 % Monophthongschreibungen aufweist. Dabei sind die 39 Belege mit Digraphie von besonderem Interesse. Diese beschränken sich größtenteils auf Possessivpronomina.9 Speziell das Possessivpronomen der 2.P.Pl. taucht häufig diphthongiert auf, wobei die mhd. Formen mit Monophthongschreibung in diesem Druck mit 29:22 Belegen noch leicht überwiegen.10 Bei den hochfrequenten Pronomina dringt die externe Graphie damit zuerst durch und wird als Folge des Nebeneinanders zweier Varianten von den Setzern si6 7

8

9

10

intragen (e2b), in trag (e2b), Bɾiburg (f3b), troͤ pfflin (f7b), loͤ chlin (f8a), tuͤ chlin (f8a), tűre (a1b), tűren (d1a), tűre (d1a), ſcheflin (k8b), vngehuͤ r (m1b). Kürzung im Nebentonbereich: troͤ pf ǁ lin (f2b), loͤ chlī (f3a), tuͤ chlin (f3a), Setzerfehler: beliebē (e9a) statt beleibē, Eigenname: Bɾiburg (e8b; Freiburg), fehlende frnhd. Diphthongierung: gelichete (e6a), ſin (f2a), vy̋ ent ǁ licheɾ (f2b), vy̋ entlicher (f5a), vnwißlich (f9a), verraͤ tery̋ (g4a), ſy̋ d’ (b1a), rite (h1a). Der Infinitivbeleg ver= ǁ triben (c8a) könnte auch lediglich ein Setzfehler sein. Kürzung: troͤ pflin (h2b), loͤ chlin (h3a), tuͤ chlī (h3a), ſtaͤ blin (k8a), erdtrich (h6a) und ertrich (c8b), Eigenname: Briburg (g6a). ewer (13; a8a, d7a, d7b, g1a, i8b), euwer (5; d7b, i8b), eweren (3; d7b, i8b), eu͛ wer (d7b) / mein (3; g4a, i8b), meyn (2; g1a, d7b) / ſein (5; c1a, c1b, d8b, g1a, g1b, i8b), Sein (c6a). Einzellexeme: fleiſſiglich (e1a), kɾey (e2b), reilich (g4b), reilichen (c6a) weyſzheit (i8b). uwer (e6a, f7b), u̇ wer (a8a), u̇ werē (e6b), u͛ wer (a8b, b1b, d7a, e1a, e2b, e4a, e6b, e7a, f2b, f3b, f7a, f7b, h8b), u͛ werē (e2b, e4a), u͛ wern (f4a, f7b), u͛ wrē (e2b), vwer (e6b, e7b), vwern (zweimal f2a), vwers (e6b), uͤ wer (a8a), uͤ weren (a8b).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

237

cherlich auch als Variante zur Regulierung der Zeilenfüllung beim Satzvorgang eingesetzt. Diese Begründung wird weiter unten noch einer eingehenderen Überprüfung unterzogen werden. Die Setzersprache in Knoblochtzer-1478 weist im Gegensatz zur vorherigen Ausgabe dieser Offizin bereits 92,8%-ige Diphthongschreibung auf. Ohne Diphthongierung sind für mhd. /i:/ Belege der Lexeme ›Feind‹ (2), ›feindlich‹ (7) und der Einzelbeleg richen (g3a) ›reich‹,11 für den Monophthong /y:/ ›Abenteuer‹ (3), ›deutsch‹ (3), ›Freund‹ (10), ›Freundschaft‹ (3), ›freundlich‹ (3), ›(un)getreu(lich)‹ (7), ›greußlich‹ (4), ›Leute‹ (9), ›reuen‹ (3), ›teuer‹ (28), ›Treue‹ (6), ›Untreue‹ (2)12 und die Einzelbelege bezuͤ gt (b8a), uͤ ch (a8b), fuͤ re (g1a) ›Feuer‹, huͤ t (d6b) ›heute‹, tuͤ fel (h1a) und ſtuͤ r (e7a) bezeugt. Die Belege für die von der Leitgraphie abweichenden Variationen finden sich in allen Lagen des Druckes. Von den oben aufgeführten Lexemen erscheinen nur ›Feind‹, ›feindlich‹, ›teuer‹, ›heute‹ und ›Steuer‹ ausschließlich in der monographischen Variante. In Knoblochtzer-1482 überwiegen die digraphischen Schreibungen ebenfalls, wobei ein deutlicher Rückgang im Vergleich mit der zweiten Ausgabe festzustellen ist. Dabei erscheinen die monographischen Schreibungen durchweg in allen Lagen des Werkes verteilt, so dass keine eindeutige Setzerabhängigkeit erkennbar ist. Die Lexeme ›teuer‹, ›Abenteuer‹, ›Feind‹, ›feindlich‹, ›Knäuel‹, ›Hirschhaut‹ und ›Treue‹ sind ausschließlich mit monographischer Schreibung belegt. Für die Mehrzahl der Lexeme mit monographischer Schreibung der mhd. Langvokale lassen sich allerdings auch Digraphieschreibungen nachweisen. Dazu zählen vch (25) vs. euch (43),13 vff (23) vs. auff (103),14 vngeheuer (2; e3b, f8a) vs. vngehuͤ r (d8b), freuntſchafft (e1b) vs. fruntſchafft (5; c7a, c7b, c8a, d1a, h7a), zwyfell (d3a) vs. zweifel (d8b).

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Die Formen des Lexems ›Feind‹ ohne durchgeführte Diphthongierung deuten allerdings auf einen fallenden statt steigenden Diphthong hin, der auf die ursprüngliche ahd. Form fîant zurückgeht. Diese Form wurde in mhd. Zeit allerdings im Md. zu vint gekürzt. Zum Nhd. setzte sich jedoch die Langform durch. Vgl. Mhd. Gr. § L 40. Belege: viend (d4b), viend (d6a); vientlicher (c5b), vientlichen (d4b), vientlichen (e4a), vientlich’ (f2b), vientlicher (f4b), vientlich (f5b), vientlichen (h8a). owentuͤ r (i8a); tuͤ tſch (a3b, e2b), tuͤ tſchen (b8a); fruͤ nd (a8b, d6b, d7b), fruͤ nt (c1b, d5b, d6b, d8a, e6a, e7b), fruͤ nden (d6b); fruͤ ntſchaft (d6b, d8a, e1a); fruͤ ntlichen (a8b), fruͤ ntlich (c1b, e2a); getruͤ en (d6b, d8a, e3a), getruͤ lich (d5b), getruͤ lichen (c1b), truͤ lich (b1a), vngetruͤ lich (f2b); gruͤ ſelicher (e8a, f7b), gruͤ ſelich (f3a), gruͤ ſeliche (h1a); luͤ tes (a3a), luͤ t (b1a, c1b, c6b, d6b, e2b, e6a, e8a), dinſtluͤ t (b8a); ruͤ en (f4a), ruͤ wen (g1b), ruͤ wiges (g1b), růwen (g2a); truͤ e (b1a, d8a), truͤ (b1a, f3b), truͤ en (d7b), truen (d8a); tuͤ r (c1b, d7b, e8a, f1a, f3b), tuͤ re (c5b, d5b, d6b, e8a, f6a), tuͤ rem (e1a), tuͤ ren (c5b, c6b, d1a, d6a, d7b, d8a, e1a, e6a, e6b, f6a), tuͤ rer (d8a, e3a, e7a, e8a); vntruͤ (f4a), vntruͤ en (f3a). vch erscheint auf den Bll. c6b, c7a, d1a, d2a, d5b, d8a, d8b, e1b, e2a, e4b, g1b, g8b, h1a, h1b, h7b; euch auf den Bll. c7a, d1a, d2a, d3a, d5a, d5b, e1a, e1b, e2a, e3b, e5b, g1b, g8a, g8b. Aufgrund der Semantik und Funktion dieses Lexems ist es auf Passagen mit direkter Rede beschränkt. vff erscheint auf den Bll. a2a, a2b, b8a, c1b, c5a, c7b, d2a, d4a, d6a, e1b, e2b, e3a, e5a, e6a, e7b, e8a, f8b, g1a, g8b, h7a, h7b, auff ist auf nahezu allen Seiten, auf denen auch vff erscheint, belegt.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

In der letzten in Heidelberg herausgegebenen Melusine Knoblochtzers (Knoblochtzer1491) geht die Verwendung von Digraphien im Vergleich mit den beiden Vorgängerausgaben noch weiter zurück. Wie bei den beiden vorhergehenden Ausgaben ist keine Lagen- oder Lexemabhängigkeit bei der Wahl der Variante festzustellen. Gleiches gilt für die Ausgabe Prüss-1478, die das extremste Mischungsverhältnis zwischen Digraphie und Monographie darstellt. Die drei Ausgaben Richel-1473/74, Knoblochtzer-1477 und Prüss-1478 sind die einzigen Ausgaben der gesamten Überlieferung, in denen die Monographien überwiegen.15 Die erste Ausgabe im 16. Jh., Hupfuff-1506, bietet in Bezug auf die Schreibung dieses für die oberrh. Sprachlandschaft nicht charakteristischen Lautwandels dialektologisch gesehen keine Überraschung. Vergegenwärtigt man sich allerdings die Annäherung an den fremden Usus in Knoblochtzers und Prüss’ Drucken, so erstaunt das Bild in Hupfuffs Druck doch: nur noch 35,1 % der betroffenen Belege weisen digraphische Realisation des ehemaligen Langvokals auf. Hupfuff verwendet zwar die Textgestalt der Augsburger Ausgaben, bietet mit seiner Schreibsprache allerdings eine Rückbesinnung auf die regionalen graphischen Konventionen Straßburgs, was sich anhand der Diphthongierung deutlich zeigt. So wird diese in 967 Belegen als nicht erfolgt kodifiziert, wohingegen nur 524 Belege mit Diphthongschreibung auftreten. Lagenabhängigkeit bzw. Lexemabhängigkeit für die Wahl der einen oder anderen Schreibvariante ist nicht zu konstatieren. Lediglich ein hochfrequent belegtes Lexem zeigt nur diphthongierte Formen (›Leute‹), drei weitere nur undiphthongierte Formen (by, vff und vß). Bei den von der Diphthongierung betroffenen Formen des Possessivpronomens überwiegt bei /i:/ (Sg.-Formen) die monographische Variante: ›dein‹ (28:5), ›mein‹ (69:1), ›sein‹ (97:3); abweichend: ›euer‹ (1:35).16 Ansonsten besteht ein Nebeneinander der Varianten.17 Anhand der hochfrequenten Lexeme ›euch‹ und ›auf‹ sollen im Folgenden mögliche Gründe für die Varianz in den Straßburger Drucken diskutiert werden. Die jeweiligen beiden Varianten tauchen in unmittelbarer Nähe zueinander auf einem Blatt auf, so dass 15 16

17

Diese beiden Ausgaben stehen der Ausgabe Richel-1473/74 von der Textgestalt, dem Illustrationszyklus und dessen Einbindung in den Text auch am nächsten. din (19), Din, dinem (2), dinen, diner (2), dinner, dins, dyn vs. dein (3), deinnē, deiner; min (19), minem (9), minen (11), miner (4), mins (5), myn (15), mynen (3), mynen̄ , myner, mynes vs. meines; ſim, ſinē (3), ſinem (11), ſinen (15), ſiner (4), ſines (2), ſinner (2), ſins (4), ſyn, ſyne (3), ſynē (2), ſynem (15), ſynen (12), ſyner (12), ſynes (3), ſynnen (2), ſyns (5) vs. ſein (2), ſeinen; eüwer (23), Eüwer (2), eüwerem (2), eüweren (2), eüwerm, eüwern (4), eu͛ wer vs. üwer. ›Zweifel‹: zweifel (C1a, C6b, G2b, H3b, I4a) vs. zwifel (E6b), zwiffel (I5a); ›Freund‹: freund (F4b), freünde (F2b, F3a, F3b, N6b), freünden (F3a), freu͛ nd (F4b), freu͛ nde (F4b) vs. fründ (A6a, B6a, G5b, I6b), fründin (G4b); ›Freundschaft‹: freüntſchafft (F3a, F4a) vs. früntſchafft (F4a, F4b, F6a), fɾu͛ ntſchafft (F4b); ›eilen‹: eylentz (H1b), eylt (G3b) vs. ylent (H4b), ylentz (E6b, F5b, I2a), ylten (E1b, F1b, G1b); ›gleich‹: der gleichē (H5a), des gleichen (G4b, K1b), Des gleichen (B6a) gleich (G5b, 2), gleicht (G5b) vs. des gelichen (I1a), des gelychen (F4b, M1b), Des gelychen (G6b), des glychen (C1a, D1b, D4b), des glychē (C6b), glych (M1b).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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davon ausgegangen werden muss, dass ein und derselbe Setzer beide Varianten gesetzt hat. Für vff/auff lässt sich auch keine funktionale Differenzierung erkennen, da beide orthographischen Formen als Derivationspräfix und Präposition verwendet werden. Eine Unachtsamkeit eines in seine Mundart verfallenden Setzers, der für ihn fremdartige Orthographien setzen muss, scheint bei Belegen wie dem folgenden nicht sehr wahrscheinlich zu sein: wie gehabent ir euch oder wie iſt euch • ſind ir bloͤ d od’ wz gebriſt euch • foɾcht vch noch beſoɾgt euch nit ob ir ioch etwas bloͤ d ſint echt ir euwerē gebreſten wiſſen ſo will ich vch mit der hilff gots ernern (Knoblochtzer-1482, Bl. e2a, Z.1–3)

Vielmehr scheint es sich um austauschbare Varianten eines Lexems zu handeln, wobei der Setzer eine Leitvariante bevorzugt und die andere, kürzere Form verwendet, wenn er sich aus praktischen Gründen wie etwa der Zeilenfüllung dazu gezwungen sieht. Eine weitere an die Beschaffenheit des Setzkastens angelehnte Möglichkeit der Begründung der Variation wurde ebenfalls untersucht. Legt man die älteste überlieferte und traditionell angewandte Strukturierung des Setzkastens zugrunde,18 so kann man die Hypothese, dass ein Setzer mit Hinblick auf die vorher oder nachher zu setzende Letter eine an einer bestimmten Stelle mögliche Variante bewusst wählte, um weite Wege beim Greifen in den Setzkasten zu vermeiden, überprüfen. Am obigen Beispiel veranschaulicht, würde dies bedeuten, dass der Setzer statt euch an einer bestimmten Stelle vch bevorzugte, da die vorhergehende Letter im Setzkasten näher an der Letter v als der Letter e bzw. der Ligatur eu lag. Auf diese Hypothese hin wurden die Belege zur Diphthongierung in den variantenreichen Ausgaben Prüss-1478, Knoblochtzer-1482 und 1491 sowie Hupfuff-1506 überprüft. Die Analyse führte nicht zur Verifizierung der Hypothese. Generell restriktiv wirkt sich auf diesen Erklärungsversuch für die Varianz der Vokalgraphie im Bereich der Diphthongierung die fehlende Sicherheit über die strukturelle Beschaffenheit der Setzkästen der Inkunabelzeit aus. Mit Bezug auf den Setzkasten lässt sich darüber hinaus die Hypothese aufstellen, dass die Varianz auf Typenmangel zurückzuführen sein könnte. Dies lässt sich allerdings nur eindeutig belegen, wenn eine Variante zum Ende einer Lage bzw. Setzerarbeitseinheit ausschließlich erscheint, wohingegen zuvor zwei oder mehrere Varianten gesetzt wurden. In den untersuchten Drucken der Melusine ließ sich allerdings auch diese Hypothese nicht erhärten. Abschließend zu diesen Deutungsversuchen muss – auch wenn sie in unserem Fall nicht erfolgreich waren – betont werden, dass der Blick auf den Setzkasten zur Erklärung der graphischen Varianz in Druckwerken nicht außer Acht gelassen werden sollte. Am Ende des Untersuchungszeitraums I steht die Ausgabe Knobloch-1516, die auf den ersten Blick eine beachtliche Zahl an Monophthongschreibungen aufweist. Diese 18

Die ältesten erhaltenen Setzkästen stammen vom Drucker Christoph Plantin, der ab 1555 in Antwerpen eine Offizin betrieb.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

156 Belege beschränken sich allerdings ausnahmslos auf die beiden Shibboleth-Wörter vff und vß, so dass abgesehen von diesen beiden lexembedingten Ausnahmen eine vollständige Digraphieschreibung und Annäherung an den ostobd. Schreibusus konstatiert werden kann. Dies verwundert bei der Schweizer Herkunft Knoblochs und dem elsässischen Druckort, passt allerdings in die von Bauer skizzierte Entwicklung in der Offizin Knoblochs: „1512 schreibt er [Johann Knobloch, M.B.] eine Quittung (HP 100 A), worin neben zahlreichen Monophthongschreibungen lediglich ein meyn den Einfluß der Diphthongierung verrät. Mehrfach hat er Geilers „Text der Passion“ gedruckt. Während sein Druck von 1506 noch viele Monophthonge enthält, zeichnen sich die beiden Drucke von 1507 und 1509 durch die fast konsequent [sic!] Verwendung der Diphthonggraphien aus. In Knoblouchs ‚Trostspiegel‘-Druck von 1519, ebenfalls mit zahlreichen Diphthonggraphien, erscheinen selbst aus und auff fast regelmäßig. Knoblouchs ‚Granatapfel‘-Druck von 1511 kann geradezu als Musterbeispiel der Orthographiekonvention gelten, welche die ‚gemeine Teutsch‘ auszeichnet“ (Bauer 1988: 144).

Im Bereich der Diphthongierung kann anhand des Korpus der Melusine-Ausgaben die Aussage, dass „sich in Straßburg der Schreibgebrauch der Kanzlei allmählich den Orthographiekonventionen der bedeutenderen Druckoffizinen angeglichen habe“ (Bauer 1988: 145), unterstützt werden. Die Entwicklung verläuft dabei keineswegs geradlinig und ist höchst abhängig von Einzelpersonen.19 Dies wird insbesondere durch den bemerkenswerten Befund aus der Ausgabe Knoblochtzer-1478 bezeugt, deren Schreibsprache auf einen auswärtigen, hervorragend ausgebildeten Setzer oder Korrektor zurückgeht und im Bereich der Diphthongierung deutlich von den übrigen Ausgaben der Offizin Heinrich Knoblochtzers abweicht. b.

Die md. Monophthongierung im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)20

Die in den älteren Sprachstufen noch existenten fallenden Diphthonge /ɪə/ /ʏə/ /ʊo/ werden in bestimmten Dialektgebieten zu den Langvokalen /i:/ /y:/ und /u:/ monophthongiert. Der seit dem 11./12. Jh. aus dem md. Gebiet ausgehende Lautwandel dient für die Inkunabelausgaben als Indikator für md. Einfluss, weil er im Süd- und Mittelbair. sowie Alem. nicht stattfand. Direkt in der Graphie fassbar ist lediglich der Wandel von /ʊo/ zu /u:/, da die Graphie mit der Graphievariante kontrastiert werden kann. Der Wandel von /ʏə/ ist weniger eindeutig greifbar, da Umlautgraphien und Diphthonggraphien nicht immer streng voneinander getrennt werden. Es erscheinen häufig zahlreiche -Graphien mit diakritischem Zeichen, die nicht immer eindeutig einem Phonem zugeordnet zu sein scheinen. Der Wandel von /ɪə/ zu /i:/ ist nur indirekt über Lexeme fassbar, in denen 19

20

Vgl. dazu auch Bauer (1988: 137), der den Schluss zieht, „daß derselbe Schreiber sehr verschiedenen Schreibkonventionen folgen kann, je nachdem ob er eine Reinschrift herstellt oder nur ein flüchtiges Konzept notiert.“ Frnhd. Gr. § L 32, Mhd. Gr. § L 18.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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unorganisch als Dehnungszeichen auftritt. Quantifizierend operationalisierbar ist demnach nur der Wandel des Diphthongs /ʊo/ zu /u:/. Zunächst wird daher auf die graphische Repräsentation des Diphthongs /ʊo/ im Untersuchungszeitraum I eingegangen. Bei den absoluten Zahlen ist zu beachten, dass die Vollform der Präposition bzw. Partikel ›zu‹ nahezu die Hälfte aller Belege ausmacht.21 Ausgabe Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1477 Knoblochtzer-1478 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

656 635 672 580 678 668 573 541 499 646 673

17 8 22 107 17 8 71 85 21 10 1

Total 673 643 694 678 695 676 644 626 520 656 674

% Diphthonggraphie 97,5 98,8 96,8 85,5 97,6 98,8 89 86,4 96 98,5 99,9

Tab. 31: Die md. Monophthongierung im Untersuchungszeitraum I anhand der Graphie des Diphthongs /ʊo/

Richel-1473/74, Knoblochtzer-1477 und Prüss-1478 zeigen keine Anzeichen der Monophthongierung. In Knoblochtzer-1478 begegnen 680 Belege des Diphthongs /ʊo/ mit -Graphie. In 107 Belegen hingegen wird der Diphthong nicht durch Diakritikum ausgezeichnet. Eine Analyse der Belege mit -Graphie zeigt keine lagenabhängige Bevorzugung dieser Variante. Auch lexembedingte Präferenzen sind nicht festzustellen. Nur die Präteritumsform von ›stehen‹ erscheint mit Leitgraphie , bei allen anderen Lexemen treten -Graphien als Ausnahmefälle auf. Wenn es zu diesen Ausnahmen kommt, treten diese allerdings häufig für ein Lexem gebündelt an einer Stelle im Druck auf. Daher könnte die Varianz auf Typenmangel zurückgeführt werden. In Knoblochtzer-1482 erscheint die nhd. Monophthongierung noch wenig im Schriftbild. So stehen 573 -Graphien lediglich 71 -Graphien gegenüber. Ohne Diphthongschreibung erscheinen in allen Belegen ›suchen‹ und das Präteritum von ›stehen‹. Ansonsten sind ohne Diphthongschreibung Belege der Lexeme ›tun‹, ›zu‹, ›gut‹ und des Suffixes ›-tum‹ nachweisbar. Außer bei ›tun‹, das nur zweimal mit -Graphie belegt 21

Das Verhältnis / in ›zu‹ innerhalb der Straßburger Überlieferung: Richel-1473/74: 297/2, Knoblochtzer-1477: 362/2, Prüss-1478: 346/0, Knoblochtzer-1478: 325/38, Knoblochtzer-1482: 320/24, Knoblochtzer-1491: 272/0. Das Verhältnis / in ›zu‹ innerhalb der Augsburger Überlieferung: Bämler-1474: 267/1, Bämler-1480: 230/0, Schönsperger-1488: 183/53, Hupfuff1506: 267/0, Knobloch-1516: 273/0.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

ist, handelt es sich bei den anderen Belegen um Ausnahmen, die auch auf defektes Typenmaterial, Typenmangel oder mangelhaftes Druckbild zurückzuführen sein könnten. In Knoblochtzer-1491 wird der Diphthong /ʊo/ wieder deutlicher gesetzt. Er ist in diesem Druck zu 96 % ausgezeichnet. Der oberrh. Überlieferungsstrang weist damit nur selten Monophthongschreibung für /ʊo/ auf. In den Melusine-Drucken aus der Augsburger Offizin Johann Bämlers ist der Diphthong /ʊo/ ebenso stringent bezeichnet, wie dies in der Mehrzahl der Drucke des oberrh. Überlieferungsstranges der Fall ist. Innerhalb der Ausgabe Schönsperger-1488 wird unter insgesamt 626 annotierten Belegen der etymologisch anzusetzende Diphthong /ʊo/ in 85 Belegen nicht angezeigt. Dabei handelt es sich in 66 Fällen um Belege der Präposition bzw. Partikel ›zu‹.22 Auch wenn der Stand der Schreibung im Bereich dieses Lautwandels noch nicht dem nhd. Standard entspricht, fällt ins Auge, dass die Schreibsprache der Augsburger Melusine-Drucker – v. a. der Bämler-Ausgaben – einheitlicher als die der Straßburger Drucke ist. Die Graphie / tritt außer in Knoblochtzer-1491 nicht an unorganischer Stelle auf. Dies kann als Indiz gewertet werden, dass die Graphie noch diphthongische Repräsentationsfunktion innehatte. In Knoblochtzer-1491 findet sich -Graphie erstmals vereinzelt an unorganischer Stelle, so in viel (6) vs. vil (31), ſeitenſpils vs. ſeitenſpiel, beliben vs. belieben (2) ›bleiben‹. Für den Diphthong /ʏə/ wird mehr oder weniger konsequent die Graphie verwendet. In den einzelnen Drucken werden jedoch , , oder ebenso dafür verwendet, so dass sich zur Monophthongierung dieses Diphthongs aufgrund der Graphie kaum eine gesicherte Aussage treffen lässt. Die Untersuchungen zu den anderen beiden Diphthongen und die Leitgraphie für /ʏə/ weisen jedoch darauf hin, dass die Monophthongierung der mhd. fallenden Diphthonge in den Melusine-Ausgaben des 15. Jhs. nur in geringen Ansätzen greifbar ist. Damit liefern die Ausgaben des 15. Jhs. hinsichtlich der Monophthongierung den durch die dialektale Lokalisierung der Inkunabeldrucke zu erwartenden Befund. Der gleiche Befund gilt für die erste Ausgabe des 16. Jhs. (Hupfuff-1506). Darin wird die Auszeichnung des Diphthongs /ʊo/ durch äußerst konsequent durchgeführt (646/10).23 In Kombination mit der Tatsache, dass weder noch zur Längenmarkierung an unorganischer Stelle erscheinen, lässt sich für diese Ausgabe feststellen, dass die Monophthongierung noch nicht graphisch repräsentiert wird.

22

23

czu (5; f2a, f8a, g4a, g8a), darzu (2; f5b, f7b), zu (52; b1b, c1a, c8b, d1a, d8b, e7a, e8b, f2a, f3a, f3b, f4a, f5a, f5b, f6a, f8a, g4a, g4b, g5b, g8a, h1a, h1b, h2a, h7a, h7b, h8a, i1a, i1b, i2b, i4a, i7b, i8a, k8a, k8b, o7a), zuerſeűfczen (h4a), zuerwerben (g8a), zum (4; e7a, f6a, g6a, h3b), zuſamen (d8b). Die restlichen Belege beschränken sich auf wenige Lexeme: bɾud’ (g3a); fuͤ rſtentumbs (e5b); gutē (g8b), guten (c8a), gutes (2; f2a, i8b), guter (i2a), gut (e7a); reichtumbs (e7a); ſtund (i4b) ›stehen‹; ſucht (2; h2a, o2b), ſuchet (o2b), ſucheſt (k8a), ſuchē (h3a), erſuchet (h1a), zeſuchen (h5b); thun (f4a), zethun (f4a). buch, gut, reichtumbs, ſtund (4), verſtund, verſtunde (2).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

243

Nach den Ausgaben Bämlers werden die drei fallenden Diphthonge bei Knobloch-1516 am einheitlichsten gekennzeichnet. Der Diphthong /ʊo/ ist dermaßen stringent einheitlich durch das Graphem dargestellt, dass sich im gesamten Text nur ein Beleg finden lässt, in dem dies nicht der Fall ist (reychtumbs). Für die Verwendung des Digraphen zur Darstellung des Phonems /i:/ finden sich keine Belege. Hinzu kommt in diesem Druck erstmals eine relativ eindeutige Darstellung des Diphthongs /ʏə/ durch ein Graphem: . In allen Ausgaben bis 1516, also ausnahmslos in Drucken, die im obd. Raum entstanden, in dem die Monophthongierung nicht durchgeführt wurde, ist die Monophthongierung nicht Bestandteil der in den Melusine-Ausgaben verwendeten Druckersprachen. Ein vom Md. ausgehender schreibsprachlicher Ausgleich im Obd. kann in diesem Zeitraum für die Melusine-Drucke nicht konstatiert werden. c.

Die Nukleussenkung der alten mhd. steigenden Diphthonge im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)24

Wie die Diphthongierung eignet sich der hier untersuchte Lautwandel als Indikator für die Adaption der Druckersprachen der oberrh. Ausgaben an einen fremden Usus, da er typisch für den bair. und schwäb. Dialektraum ist. Die mhd. geschlossenen Diphthonge /eɪ/ /œʏ/ /oʊ/ erfahren „seit dem 12. Jh. im Bair. und Schwäb. zunächst eine Öffnung der ersten Diphthongkomponente und darauf eine Senkung zu den Diphthongen /ae/, /oe/, /ao/“ (Mhd. Gr. § L 19).25 Die Ausführungen zur nhd. Diphthongierung in unserem Korpus sollten vermuten lassen, dass auch im Bereich dieses Lautwandels eine Annäherung an den oobd. Usus in den Straßburger Drucker vonstattengeht. Das Material bestätigt diese Vermutung auch, wobei die Reduzierung der Eigenheit der regionalen Schreibsprache hier deutlicher verläuft als bei der Diphthongierung (s. Tab. 32). In den Augsburger Ausgaben ist bereits ein klarer Usus etabliert. Alle Belege für /œʏ/ /oʊ/ zeigen in der Graphie Senkung der ersten Diphthongkomponente, wobei die durch diesen Lautwandel entstandenen Diphthonge nicht von den durch die frnhd. Diphthongierung bedingten Diphthongen graphisch unterschieden werden. Es gibt in allen drei Augsburger Ausgaben keinen Gegenbeleg. Extremster Gegenpol zum Augsburger Usus ist wie bei der Diphthongierung die editio princeps aus Basel. Bis auf einen Beleg (heus) zeigen alle untersuchten Belege 24

25

Vgl. Frnhd. Gr. § L 26–29, Mhd. Gr. § L 19. Die folgenden Zahlen zu diesem Lautwandel beziehen sich lediglich auf den anhand der Graphie nachvollziehbaren Wandel der beiden Diphthonge /œʏ/ /oʊ/ zu /oe/ /ao/. Die Senkung des Diphthongnukleus wird hierbei durch den graphischen Wandel des ersten Teils des Diphthongs von bzw. zu bzw. angezeigt. Der Wandel von /eɪ/ zu /ae/ wird nicht graphisch repräsentiert. Es besteht lediglich seit dem Mhd. der regional beschränkte Usus, den alten Diphthong /eɪ/ durch zu kennzeichnen. Zur Verbreitung dieses Usus vgl. Frnhd. Gr. § L 27. Zum Zusammenhang mit der Diphthongierung vgl. Mhd. Gr. § L 17.

244

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

dieser Ausgabe -Graphien für den ersten Bestandteil der alten mhd. Diphthonge /œʏ/ /oʊ/. Die einzige weitere Ausgabe im gesamten Korpus, in der die alten Schreibungen überwiegen, ist Knoblochtzer-1477. Bei den 88 Ausnahmebelegen mit gesenktem Diphthong handelt es sich überwiegend um Belege der Lexeme ›auch‹, ›Jungfrau‹ und ›Frau‹. Die 40 Belege für auch konzentrieren sich auf die Lagen a (8), c (2), d (8), f (1), g (14), i (7). Die Konkurrenzform ouch erscheint mit 83 Belegen mehr als doppelt so häufig. Diese kommen insbesondere in den Lagen b, e, f, h und k vor. In den Lagen, in denen überwiegend auch steht, treten vereinzelt auch Belege für ouch auf. Anhand der Befunde zum Lexem ›auch‹ und der Ergebnisse zur frnhd. Diphthongierung zeichnet sich bereits ein deutliches Bild ab, das auf die Beteiligung zweier verschiedener Setzer am Satz dieser Ausgabe schließen lässt, wobei einer von beiden die Lagen a, c, d, f, g und i, der andere die restlichen Lagen b, e, h und k setzte. Die Belege zu den Lexemen ›Frau‹ und ›Jungfrau‹ unterstützen diesen Befund ausnahmslos. Ausgabe Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1477 Knoblochtzer-1478 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

alte Schreibung neue Schreibung 210 1 0 272 179 88 19 212 67 162 0 242 99 140 0 274 30 183 4 273 7 268

Total 211 272 267 231 229 242 239 274 213 277 275

Nukleussenkung 0,5 (in %) 100 33 91,8 70,7 100 58,6 100 85,9 98,6 97,5

Tab. 32: Nukleussenkung der alten mhd. steigenden Diphthonge im Untersuchungszeitraum I

Im Vergleich zu Knoblochtzer-1477 ist dieser Lautwandel in Prüss-1478 bereits zu einem großen Teil in der Schreibung repräsentiert (162/67). Noch nicht gesenkt erscheinen alle Belege für die Lexeme ›Frau‹ (39), ›Haupt‹ (2), ›Glaube‹ (2), ›Ungläubige‹ (2) und ›blau‹. Mhd. vrloup erscheint stets mit monophthongischer Schreibung (vrlop/vɾlop).26 Die lexembedingte Schreibung mit altem Diphthong ist nur in drei 26

Diese Schreibung lässt sich auf die intonatorische Besonderheit des Lexems zurückführen. Im Vergleich zum Verbalpräfix, das heute in ›erlauben‹ überliefert ist, wurde das ursprünglich lautgleiche Nominalpräfix nicht abgeschwächt und erhielt den gängigen germanischen Initialakzent (vgl. Mhd. Gr. § E 20). Da die zweite Silbe in ›Urlaub‹ unbetont ist, kann mundartlich die diphthongische Variante zu einer monophthongischen Aussprache reduziert werden. Eine weitere Besonderheit in Prüss-1478 stellen die Varianten des Lexems ›bauen‹ dar. Im Normalmhd. mit /u:/ als Stammvokal angesetzt, tritt es hier graphisch sowohl in dieser Form (buwete), als auch mit nhd.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

245

Fällen durchbrochen, bei denen sowohl die alte als auch die neue Diphthongschreibung erscheinen: auch (81) vs. ouch (3), beſchouwet vs. beſchauwete, verzoubert vs. bezaubert. Die zweite Ausgabe Knoblochtzers (Knoblochtzer-1478) ist auch bei diesem Untersuchungsphänomen unter den Straßburger Ausgaben des 15. Jhs. am weitesten von den übrigen oberrh. Ausgaben entfernt. Der Usus des Setzers/Korrektors unterscheidet sich auch hier diametral von der Vorgängerausgabe und der editio princeps. Lediglich in 19 von 233 Belegen tritt die alte Graphie auf.27 Zwölf Belege des Lexems ›Freude‹ finden sich wie folgt gesetzt: fruͤ den.28 Abgesehen von ›Urlaub‹ kann man das Abweichen von der Leitgraphie / in Knoblochtzer-1478 als lexembedingt erklären. Dies spricht für die Beteiligung eines Korrektors bzw. der Befolgung eines systematischen Graphiesystems.29 In Knoblochtzer-1482 begegnen dem Leser die mhd. Graphien wieder zahlreicher. Bei der Nukleussenkung der alten mhd. Diphthonge ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei der Diphthongierung. Beim Nachsetzen des fremden Usus in Knoblochtzer-1478 bemühte sich der Setzer, den ortsüblichen Usus wieder zu restituieren. So kommt es, dass einerseits Lexeme entweder durchgehend mit alter oder mit neuer Schreibvariante belegt sind, andererseits auch beide Formen für ein Lexem parallel auftreten. Die Zahl der 140 Graphien mit Diphthongwandel muss jedoch relativiert werden, da sich darunter 107 auch-Belege befinden (vs. 19-mal ouch). Die absoluten Zahlen täuschen hier somit über die eigentlichen Verhältnisse hinweg, so dass lexemspezifische Aussagen

27

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Stammvokalismus (gebauwe, gebauwen), als auch abweichend von allen Lautgesetzlichkeiten mit (bouwen) und (bowte) auf. Bei der Form bouwen könnte es sich um eine Hyperkorrektur handeln, die das bewusste Eingreifen des Setzers auf Basis einer ihm noch fremden Norm veranschaulicht. Zusätzlich zu den Verbbelegen erscheint ein Substantivbeleg bouwe ›Bau‹. Die Belege sind: mit blower (f2b), mit vrloub (2; a8b, c1a), erdoubet (f5a), erloufen (f5a), louff (a3b), gloub (a8b), glouben (3; e3b), gloubens (b1a), houbt (2; f4b), ſougete (g8b), verzoubert (2; f2a, f7a), vngeloubens (a8b), vngeloubig (a8b), vngloubigen (e7b). Ohne Gegenbeleg mit neuer Schreibung erscheinen dabei erdoubet, erloufen, louff, ſougete, verzoubert (2). Mit jeweils nur einem Gegenbeleg (vnglaubig; haubt) sind die Lexeme ›Glaube‹ und ›Haupt‹ nachweisbar. Zu ›Urlaub‹ wurden sechs Belege mit vier Varianzgraphien aufgenommen: vrloub (2; a8b, c1a), vrlob (d8b), vrlaub (h1a), vrlab (2; e2a, e2b). Absolute Ausnahmegraphien, die nicht unter diesen Lautwandel fallen, aber auch - bzw. -Graphie aufweisen, stellen ouff (f4a) vs. auff (83), Auff und etliche weitere Belege in Wortbildungen, bowet (e8a) vs. bawen, bawte, gebawen (3), bawe und der Beleg trowte (g1a) ›drohen‹ dar. fruͤ den (d6b), fruͤ d (d7b), fruͤ d (d8b), fruͤ den (e2a), fruͤ ten (e2b), fruͤ d (e2b), fruͤ d (e2b), fruͤ d (e3a), fruͤ den (c1b), fruͤ den (c5b), fruͤ den (d1a), fruͤ ten (c6a), fruͤ de (a8b), fruͤ d (f4a). Ansonsten ist die Leitgraphie freud-. Im Lexer HWB (1992:Bd.III,537) erscheint vriude als eine von 13 Nebenformen dieses Lexems. Die beiden Quellenverweise bei BMZ (1990:Bd.4,416) verweisen für diese Nebenform auf den bair. Dialektraum: vriude Tundal. 59,16. 21. Leys. pred. 15,11. Dies ist freilich eine schwache Indizienführung, um diese Nebenform näher zu lokalisieren. Sie bleibt daher von quantitativen Erhebungen zur Nukleussenkung ausgeschlossen. Zusammen mit Knobloch-1516 hat diese Ausgabe den niedrigsten type-token-Quotienten.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

einen akkurateren Eindruck der Druckersprache Knoblochtzers in Bezug auf die Nukleussenkung gewährleisten. So sind beispielsweise nahezu alle Formen (26) von nhd. ›Frau‹ mit -Graphie belegt.30 Ebenso erscheinen alle Belege des Wortfelds um ›glauben‹ und ›zaubern‹ mit -Graphie. Für nhd. ›Urlaub‹ stehen sich die Formen vrloub (2) und vrlob (2) gegenüber. Das Lexem ›Auge‹ erscheint einerseits mit Graphie (3), andererseits mit (2).31 In den Belegen zu ›hauen‹ besteht ebenfalls ein uneinheitliches Bild: gehouwen (2), gehowen vs. hauwe. Die Mischung kommt durch die Interferenz zwischen regionalschreibsprachlichem Setzerusus und der Vorlage, deren Setzer einem anderen Usus folgten, zustande. Die Ausgabe Knoblochtzer-1491 erreicht beinahe wieder den Lautstand in Knoblochtzer-1478. Es erscheinen 30 Belege mit alter graphischer Realisation der Diphthonge /œʏ/ /oʊ/.32 Es handelt sich um die gleichen Lexeme, die auch in der Vorgängerausgabe Knoblochtzer-1482 alte Graphie aufwiesen. Derart klare lexembedingte Schreibungen wie dort bestehen hier jedoch nicht mehr.33 Typisch für die hohe Varianz dieser Ausgabe ist die Diversität der Schreibungen, die sich für das Lexem ›Frau‹ findet. Es treten mit (16), (16), (6) und (6) vier Varianten für den Diphthong im Lexem ›Frau‹ auf. Die Setzersprache dieser Ausgabe ist durch eine hohe Fehlerrate und graphische Varianz gekennzeichnet. Hupfuff-1506 bietet im Gegensatz zur Diphthongierung bei der graphischen Realisation dieses Lautwandels keine den regionalen Schreibtraditionen verbundene Graphie. Vielmehr zeigt sich hier eine nahezu vollständige Anpassung an den Usus in den Augsburger Drucken. Es wird erstmals deutlich, dass der Setzer die Überführung der Schreibsprache der Augsburger Vorlage nur partiell leistet bzw. leisten kann. Die einzigen Ausnahmen von den Senkungsgraphien // und // / / stellen das Lexem ›Urlaub‹ mit der Form vɾloub (3; D1a, M6a) und der Beleg vngloͤ ubigen dar.34 In Knobloch-1516 besteht wie in der Diphthongierung auch bei der Nukleussenkung weitestgehend Konformität mit dem Lautstand des gemeinen 30 31

32

33

34

Nur der Beleg frawen auf Bl. b8b stellt eine Ausnahme dar. Wie in der Vorlage Knoblochtzer-1478 erscheint auch in Knoblochtzer-1482 beim Lexem ›Freude‹ anstelle von Diphthongschreibung in acht Belegen die Graphie für den Stammvokal als Variante zur Leitgraphie freud-. Die Leitgraphie kann in 15 Belegen nachgewiesen werden. Eine weitere im Lexer HWB als Nebenform zur mhd. Normalform hûfe aufgeführte Schreibweise stellt die -Graphie beim Lexem ›Haufen‹ dar, die einmal in den Textausschnitten belegt ist: houffē vs. hauffen (2). ouch (6; alle auf Lage a, wobei sich auch drei Belege für auch in den untersuchten Teilen der Lage a finden), vɾloub (2), vrloub (alle Belege für ›Urlaub‹ auf Lage c), verzoubert (2), blower, er doubet, frouwē, frouwen (3), koufft, frow, frowen (2), frowe (2), frouwe, iunckfrouwen, iunckfrowē, gloubē, vngloubigen, vngeloubig, vngloubyg. Lediglich blower, er doubet, koufft, verzoubert (2) weisen keinen Gegenbeleg auf, was bei deren niedriger Frequenz im Text wenig Aussagekraft hat. Neben vngloubigen, vngeloubig, vngloubyg und gloubē findet sich auch glauben (2; c5a). Gegenbelege: vnglaͤ ubigē (2), vnglaͤ ubigen (2), vngelaͤ obig; vrlaub (F5a), vɾlaub (3; G1a, K6a, N1a), urlaub (G1a).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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teutsch, da lediglich die Schreibung des Lexems ›Urlaub‹ vɾlob (7) noch auf den alten Diphthong /oʊ/ hinweist.35 Ansonsten ist in 268 Belegen die Nukleussenkung durch , , , oder verdeutlicht. Für diesen Lautwandel lässt sich konstatieren, dass sich die Straßburger Drucker der Melusine im Lauf des Untersuchungszeitraums I dem Usus, den die Augsburger Kollegen bereits vertraten, anpassten. d.

Die md. Senkung im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)36

Bei diesem Lautwandel sind die hohen Kurzvokale /ɪ/ /ʏ/ und /ʊ/ im Falle der distributionellen Bedingung vor Nasal, vor /r/ oder /l/ plus Konsonant und seltener auch vor anderen Konsonanten zu /ɛ/ /œ/ /ɔ/ gesenkt worden. Wie die Monophthongierung dient dieser Lautwandel aufgrund seiner Initiation im 12. Jh. im md. Raum als Indikator für das Eindringen md. Einflüsse in die obd. Inkunabelausgaben.37 Ausgabe Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1477 Knoblochtzer-1478 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

-Graphie 244 331 238 270 271 386 351 438 337 413 300

-Graphie 30 6 46 24 11 0 22 0 9 1 1

Total 274 337 284 294 282 386 373 438 346 414 301

% Senkung 11,0 1,8 16,2 8,2 3,9 0 5,9 0 2,6 0,2 0,3

Tab. 33: Senkung vor Nasal im Untersuchungszeitraum I

In die nhd. Standardsprache ging v. a. der Wandel von /ʏ/ und /ʊ/ vor Nasal ein. Die annotierten Belege beschränken sich auf diese Fälle. Für das 15. Jh. kann anhand bestimmter Lexeme ein deutlicher Kontrast zwischen dem Obd. und Md. festgestellt werden (vgl. Besch 1967: 102–106). In den Melusine-Ausgaben bis 1516 spiegelt sich dies wider. Die größten Ausnahmen von der Regel, d. h. der in obd. Drucken aus dem 15. und Anfang des 16. Jhs. nicht erfolgten Senkung, bilden wie auch schon bei der 35

36 37

Unterstützend für die These, dass in der Ausgabe Knobloch-1516 erstmals im Korpus strikt nach Hausorthographie gesetzt bzw. durch einen Korrektor verbessert wurde, wirkt sich der Befund aus, dass mit vff, vß und vɾlob die einzigen Abweichungen von den mit der Diphthongierung und Nukleussenkung in Verbindung stehenden Leitgraphien der Augsburger Druckersprache stringent ohne Abweichung auftreten. Frnhd. Gr. § L 33, Mhd. Gr. § L 26. Vgl. zur Ausdehnung des Lautwandels Frnhd. Gr. (1993: § L 33).

248

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Diphthongierung und Nukleussenkung die editio princeps und Knoblochtzers erster Druck. Ein differenzierterer Blick auf die Belege zur erfolgten Senkung in Richel1473/74 macht deutlich, dass sowohl auf bestimmte Lexeme beschränkte Senkung nachweisbar ist, als auch auf bestimmte Lagen beschränkte Senkung. So erscheint ſon fünfmal nur innerhalb der Lagen g, h und i, wohingegen die Belege ohne Senkung (ſůn (6), ſůns, ſu͛ ne (2), ſu͛ nen (2), ſúnen) alle auf anderen Lagen erscheinen. Im Gegensatz dazu weisen unter 13 Belegen zum Wortfeld um das Adjektiv nhd. ›fromm‹ elf Belege gesenkten Vokal auf.38 Die Mehrzahl der Belege ohne gesenkten Vokal besteht aus Wortformen der Lexeme mhd. künec (109) und mhd. münech (33). Eine Inkonsequenz der Graphie in Bezug auf die Senkung zeigt sich nur bei wenigen selten belegten Lexemen, die sowohl mit Senkung, als auch ohne auftauchen: gewonnen vs. gewunnen (4).39 In Knoblochtzer-1477, dem zweiten Druck der oberrh. Überlieferungslinie der Melusine, der im Vergleich mit den restlichen Ausgaben bis 1516 einen höheren Prozentsatz an Senkungen aufweist, stößt man in 46 Belegen auf -Graphie als Reflex gesenkter Artikulation. Über die Hälfte dieser Belege fällt auf das Lexem ›König‹ zurück (24). Die Schreibung ist hierbei setzerabhängig und kann einem Setzer 1 zugeschrieben werden, der die Lagen a, c und d anfertigte, da das Lexem ›König‹ nur in diesen Lagen mit gesenktem Vokal auftritt.40 Mhd. vrum erscheint nahezu ausnahmslos in allen Lagen mit gesenktem Vokal. Lediglich frūkeyt und fruͤ meglichē weisen noch Oberzungenvokal auf. Weitere Belege sind rar: ſon, beſonder, ſondag.41 Die übrigen Ausgaben der oberrh. Überlieferung bewegen sich im einstelligen Prozentbereich. Dabei beschränken sich die Senkungsbelege durchweg auf das Lexem ›fromm‹ und dessen Derivate und auf einige wenige Einzellexeme. In Knoblochtzers Ausgaben werden die hohen Anteile an Senkung aus der ersten Ausgabe schrittweise abgebaut. Die variantenärmere Graphie zeigen hier wiederum die Augsburger Inkunabeln, deren Usus sich auch die beiden ersten Drucke des 16. Jhs. aus Straßburg anschließen. Unter den Augsburger Inkunabelausgaben zeigt nur Bämler-1474 wenige Abweichungen von der obd. Norm der nicht gesenkten Vokale.42 Die anderen beiden Augsburger 38

39 40 41

42

Ohne Senkung erscheinen innerhalb der Lage d die beiden Belege frumeglich und fru͛ mkeit. Nicht ins Nhd. eingegangen ist die hier vorkommende Senkung bei mhd. kumber, wobei lediglich vier von 17 Belegen aufweisen: kōmer (2), kommer, kōmers (d4b (3), f2a). Siehe hierzu Gr. d. Frnhd. (1988,4: § 112). Dieser Befund wird durch weitere Setzereigenheiten in diesem Druck unterstützt. Vgl. dazu Behr (2011a: 64). Die Präteritopräsentia-Belege gȯnnē, ver=moͤ gen, wol moͤ gent, wol moͤ gend, wol mogēt fallen nicht unter diesen distributionell festgelegten Lautwandel, werden aber als Senkungsvorgang berücksichtigt. Die Frnhd. Gr. gibt hier nur die vage Auskunft, dass die Entwicklung bei den Präteritopräsentien gönnen, können und mögen anders zu bewerten sei. Vgl. Frnhd. Gr. § L 33, Anm. 3. Wie in Richel-1473/74 erscheint mhd. kumber in vier Belegen gesenkt: kōmers und kōmer (3) in den Lagen d, f und i. Von 331 Belegen zeigen lediglich sechs Belege die Senkung von /ʊ/ zu /ɔ/. Dabei handelt es sich um Belege der Lexeme ›fromm‹ und ›Trompeter‹, die nur innerhalb der Lagen e und f vorkommen:

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

249

Ausgaben sind konsequent in dem Beharren auf dem obd. Sprachstand ohne Senkung und weisen keinen einzigen Beleg für Senkungsgraphie auf. Die wenigen Senkungsbelege im Untersuchungszeitraum sind klar beschränkt auf bestimmte Lexeme: ›fromm‹, ›Kummer‹, Partizip II von ›gewinnen‹, ›kommen‹ und die Präteritopräsentien ›mögen‹, ›gönnen‹ und ›können‹; die einzige Ausnahme stellt dabei Knoblochtzer-1477 mit den 24 Belegen zur Senkung von mhd. künec dar. e.

Mhd. /ɑ:/ zu /o:/ im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)43

Eine regional-dialektale Besonderheit, die Niederschlag in den Ausgaben der oberrh. Inkunabelüberlieferung findet und somit deren Schreibsprache durch dieses Charakteristikum von der der Augsburger Drucker unterscheidet, stellt die Hebung und Rundung von /ɑ:/ zu /o:/ dar.44 Für den Dialektraum, in dem Straßburg und Basel liegen, stuft Virgil Moser diese Schreibvariation als „geradezu regelmäßig“ (Moser 1929: 143) ein. Aufgrund dessen wird dieser Wandel in der mhd. Grammatik auch als oberrh. Verdumpfung bezeichnet (vgl. Mhd. Gr. § E 31,2). Erst im 16. Jh. tritt eine distributionell bedingte Beschränkung auf Stellung vor Nasal ein. Im Bair. ist dies bereits seit dem 14. Jh. der Fall. Im Schwäb. tritt für /ɑ:/ zunächst die schwäb. Diphthongierung zu /ao/ ein, wobei nach folgender Monophthongierung zu /o:/ erst seit dem 16. Jh. -Graphie auftritt. Dieser mundartliche Wandel findet allerdings im akrolektalen Register der Druckersprachen der Augsburger Melusine-Drucker keinen Niederschlag. Im Folgenden wird die Anzahl der Belege, die mhd. /ɑ:/ aufweisen, jedoch in den Drucken unseres Korpus mit kodiert erscheinen, für jede Ausgabe mit lexemspezifischen Angaben und Gegenbelegen für die Ausgaben bis 1516 aufgeschlüsselt. Dabei wird da/do nur unter Vorbehalt berücksichtigt, da dieser Varianz nicht ausschließlich lautliche Entwicklungen in den Mundarten zugrunde liegen, sondern vielmehr gegenseitige Beeinflussung von lokalem da(r) und temporalem do zu dieser Varianz führt.45 Adverbielle Zusammensetzungen mit dar gehen teilweise auf kurzes a, teilweise auf langes a zurück.46

43 44 45

46

Frōmer (e2b), from (e3b), frōmē (e4b), tormetteɾ (e10a), trometteɾ (e10a), frōmen (f1b); Gegenbelege ohne Senkung: frűmer (c8b), frűmen (f1b), frum̄ (f8b), frūme (h2a), frumē (g4b), frūm (k8b), frūmer (l1b), frūmē (l1b); trūmetter (c8b). Es zeigt sich, dass die Senkung auf zwei Lexeme in zwei Lagen beschränkt bleibt, wobei in Lage f auch Belege des Lexems ›fromm‹ erscheinen, die die Senkung graphisch nicht repräsentieren. Vgl. Mhd. Gr. § L 37, § E 31, 2, Frnhd. Gr. § L 22. Die Variation beruht auf dem lautlichen, „in den rezenten Mdaa. im Ergebnis direkt beobachtbare[n] Lautprozeß der Hebung und Rundung von mhd. /ɑ:/.“ Frnhd. Gr. § L 22. Vgl. Feudel (1961: 33). Feudel datiert diesen Vermischungsvorgang ins 14. Jh. Weiter heißt es dort, dass „offenbar die Tendenz besteht, beide Adverbien entsprechend der Wandlung wa > wo vorerst in do zusammenfallen zu lassen“. Vgl. Feudel (1961: 33) und Moser (1929: § 75, Anm. 6).

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Wie bereits aus den Grammatiken hervorgeht, ist für die oberrh. Drucksprache die Verdumpfung des Langvokals /ɑ:/ zu /o:/ typisch.47 In Richel-1473/74 zeigt sich diese in der Graphie sehr prominent. Anhand der editio princeps, die mit am meisten Belege dieses regional bedingten Schreibcharakteristikums aufweist, sollen beispielhaft die betroffenen Lexeme und die Varianten mit -Graphie aufgelistet werden. Es handelt sich hierbei um 398 vom Normalmhd. abweichende -Schreibungen in den untersuchten Textausschnitten. Bei Richel begegnet -Graphie anstelle von mhd. in 22 Lexemen ohne Gegenbeleg.48 Mit nur einem Gegenbeleg erscheinen die folgenden mhd. Ausgangslexeme: ›genâde‹ (20/1),49 ›getân‹ (13/1), ›her nâch‹ (3/1), ›jâr‹ (4/1),50 ›mâl‹ (21/1), ›nâhe‹ (5/1), ›tâten‹ (6/1), ›wâpen‹ (7/1). Die folgenden Fälle, in denen mehrere Belege sowohl mit - als auch -Graphie nebeneinander stehen, werden geordnet nach Anzahl der Abweichungen von der Regelgraphie aufgelistet: ›âventiure‹ (6/2), ›sâhen‹ (5/2), ›sprâchen‹ (8/2), ›stân‹ (18/2), ›dâht-‹ (9/3), ›gân‹ (5/3), ›(dâr) nâch‹ (10/4), ›brâcht-‹ (13/5), ›râten‹ (2/5), ›grâve‹ (24/9). Ein derart heterogeneres Gesamtbild der Belege, das keine Identifizierung einer Leitgraphie zulässt, ergibt sich bei ›dâr‹ und ›wâren‹: ›dâr‹ (42/48), ›wâren‹ (13/11). Hierbei tauchen teilweise beide Varianten auf einem Blatt auf. Lagenspezifische Bevorzugung einer Graphie lässt sich nicht erkennen. In den untersuchten Textausschnitten kommen beide Varianten nebeneinander vor, lediglich in den Lagen a, f, g, h, i und k erscheint nur dar. Stichproben aus nicht transkribierten und annotierten Passagen dieser Lagen haben allerdings gezeigt, dass auch in diesen Lagen vereinzelt die -Graphie für dieses Adverb auftritt. Eine setzerabhängige Präferenz für eine der beiden Varianten ist daher nicht gegeben.51 Dies gilt für alle variierenden Graphien innerhalb dieses Bereiches des Vokalismus. Für ›dâr‹ kann vielmehr der Einfluss der Varianz von 47

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49 50

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Boesch (1946: 72) stellt heraus, dass „in einem grössern Gebiet des Mhd. â in nasaler Umgebung zu ô gewandelt wird.“ Er zeigt weitere Belege, die auf einen „wirklichen Lautwandel ohne Rücksicht auf konsonantische Nachbarschaft“ hinweisen. „Die Fälle weisen ins Elsass und in das Niederalemannische. Haendke (§ 3) gibt für die Strassburger Uk. eine grosse Zahl von Belegen, die nicht nur für Verdumpfung, sondern für Zusammenfall mit ô sprechen“. ›âbent‹, ›âzen‹, ›begâben‹ (3), ›blâsen‹, ›gâbe‹ (4), ›gâben‹ (2), ›jâmer‹ (12), ›lâzen‹ (28), ›mâze‹ (13), ›nâch‹ (50), ›nâchkome‹, ›nâm-‹ (7), ›plân‹, ›sâm‹, ›sâzen‹ (2), ›strâze‹, ›underlâz‹, ›vâhen‹ (6), ›versmaehen‹, ›versmâhen‹, ›vrâgen‹ (12), ›wâr‹ (3), ›wârheit‹ (5). Im Verlauf des Kapitels wird in runden Klammern die Anzahl der Belege mit -Graphie an erster Stelle und die der Belege mit -Graphie an zweiter Stelle angegeben. Dieses Lexem und das Lexem strâze, das in unserem Korpus einmal belegt ist, dienen im Historischen Südwestdeutschen Sprachatlas der Veranschaulichung der Ausbreitung dieser mundartlichen Besonderheit im südwestdeutschen Raum. Vgl. Kleiber/Kunze/Löffler (1979: Karten 38–41). ›dâr‹: doɾ (38; b1b, b10a, c1a, c1b, d1a, d3b, d4a, d4b, d6a, d8a, d10a, e1b, e2a, e3a, e3b, e5a, e7b, e10a, e10b), Doɾ (3; d4a, d4b, d6a), dor (e5b), Gegenbelege: dar (43), Dar (5); worent (9; b1b, b10a, c10b, d8b, e1b, e8a, f6a, f6b, i10b), worēt (d10a), woɾent (f2a, f3a), worentt (f6b), Gegenbelege: warē (d1a), warēd (c1b), warend (2; c1a), warent (5; b10a, e4a, e5a, e10a, f8b), warēt (2; c1b, d10a).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

251

lokal/temporalem ›dâ‹ und ›dô‹, für ›wâren‹ der Einfluss der 3.P.Sg.Prät. was geltend gemacht werden. Die Rekurrenz auf die Sprechsprache lässt dieses Graphiephänomen in den oberrh. Drucken variabel erscheinen, zunächst überwiegt jedoch deutlich die der Mundart nahe -Graphie. In der Ausgabe Knoblochtzer-1477 wird der Stand in Richel-1473/74 meist identisch52 übernommen und teilweise in Richtung der -Graphie vereinheitlicht. So finden sich in dieser Ausgabe 401 -Schreibungen für mhd. . Die wenigen Abweichungen von Richel-1473/74 betreffen sowohl Reduzierung als auch Ausbau der -Graphie. Vereinheitlicht mit erscheinen die Belege zu mhd. ›genâde‹, ›jâr‹, ›sâhen‹ und ›(dâr)nâch‹. Ein Ausbau der Varianz lässt sich bei mhd. ›lâzen‹ mit dem Beleg laſz, ›vrâgen‹ mit den Belegen fraget und fragt, ›sâzen‹ mit den Belegen ſaſſen und ſaſſent und ›stân‹ mit den Belegen ſtan (2) feststellen. Für alle anderen oben für Richel aufgeführten betroffenen Graphien zeigt sich ein ähnliches, wenn nicht gar identisches Bild in Knoblochtzer-1477. In den folgenden Ausgaben der oberrh. Überlieferung zeichnet sich die Schreibsprache wiederum durch einen zunehmenden Mischcharakter aus, der auf die Übernahme bzw. Einflussnahme eines fremden Usus hindeutet. In der Ausgabe Prüss-1478 sind bereits nur noch 258 Belege der -Graphie für mhd. â nachzuweisen. Es ergibt sich wie auch bei der Diphthongierung ein sehr heterogenes Bild in der Benutzung der Varianten. Stark reduziert treten die -Graphien für ›nâch‹ (21/42), ›dâr‹ (18/59), ›nâm-‹ (3/5), ›genâde‹ (2/16), ›vrâgen‹ (4/6), ›sprâchen‹ (1/9) und ›tâten‹ (2/6) auf. Nur noch in wenigen Fällen gilt nahezu ausschließlich die -Graphie: ›wâpen‹,53 ›gâben‹, ›jâmer‹, ›jâr‹, ›vâhen‹, ›vnderlâz‹ und ›gân‹. Bei den restlichen häufiger als einmal belegten betroffenen Lexemen stehen beide Varianten nebeneinander. Für ›wâren‹, ›mâl‹, ›âventiure‹ und ›sâhen‹ hat sich im Vergleich mit Richel zahlenmäßig nicht viel verändert. Bei den weiteren Beispielen ist ein Eindringen der -Graphie in die Setzersprache feststellbar. Beispiele hierfür sind ›grâve‹, bei dem das Zahlenverhältnis mit 10:22 etwa umgekehrt zu Richels ist, ›lâzen‹ (18/5), ›mâze‹ (5/5), ›stân‹ (18/5), ›begâben‹ (1/2). Für mhd. ›gâbe‹, ›dâcht-‹, ›râten‹ und ›sâzen‹ erscheinen gar nur noch Formen mit . In Knoblochtzer-1478 ist, wie nach den Ergebnissen zu den bisher behandelten Lautbzw. Schreibwandelerscheinungen zu erwarten, eine starke Reduzierung dieser Eigenheit der oberrh. Schreibsprache festzustellen. Es treten nur noch 222 Belege mit Graphie für mhd. /ɑ:/ auf:

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ausschließlich mit erscheinen ›âventiure‹, ›wâr‹, ›wârheit‹, ›underlâz‹,

Beispielsweise finden sich die bei Richel von der Leitgraphie abweichenden Belege für mhd. ›wâpen‹, ›her nâch‹, ›dâcht-‹, ›âventiure‹, ›tâten‹ und ›gân‹ an exakt gleicher Stelle in Knoblochtzer-1477: wappen, har nach, gedacht, verdacht, abenture (2), datten, ergan. Ein Beleg erscheint jedoch mit -Graphie: wapen. Es handelt sich um den gleichen Beleg, der auch in Richel-1473/74 und Knoblochtzer-1477 singulär mit erscheint. Die Varianz ist hier vorlagenbedingt.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

›vâhen‹, ›jâr‹, ›jâmer‹, ›nâhe‹ ausschließlich mit ›dâr umbe‹, ›sâhen‹, ›sâzen‹, ›her nâch‹, ›genâde‹, ›gâbe‹, ›gâben‹ mit Leitgraphie ›wâren‹ (20/5), ›mâl‹ (15/6), ›lâzen‹ (20/11), ›mâze‹ (10/3), ›getân‹ (11/4), ›stân‹ (21/2),54 ›gân‹ (5/3)55 mit Leitgraphie ›nâch‹ (41/9), ›dâr‹ (88/16), ›dâht-‹ (10/4), lediglich mit einer Ausnahme mit ›grâve‹ (1/23), ›dâr nâch‹ (1/14), ›râten‹ (1/4), ›sprâchen‹ (1/12) sowie nur mit einer Ausnahme mit ›nâm-‹ (8/1) und ›wâpen‹ (6/1). Ein ausgeglichenes Verhältnis lässt sich für ›tâten‹ (2/2), ›brâht-‹ (11/12), ›vrâgen‹ (6/6) und ›begâben‹ (1/1) konstatieren.

Es zeigt sich ein lexembedingt heterogenes Bild. Im Besonderen treten die beiden hochfrequenten Lexeme ›nach‹ und ›dar‹ weitestgehend mit -Graphie auf, was die im Vergleich mit Knoblochtzers erster Ausgabe niedrige Zahl von -Graphien für mhd. /ɑ:/ erklärt. Gerade für ›nach‹ kann hierfür sicher auch der Einfluss des im Falle der Rundung homographen Lexems ›noch‹ verantwortlich gemacht werden. Dennoch ist dieses dem Dialekt der Region geschuldete schreibsprachliche Charakteristikum in diesem Druck verglichen mit den Augsburger Drucken noch äußerst präsent. Im dritten Melusine-Druck aus dieser Offizin (Knoblochtzer-1482) begegnen 261 Belege, die statt -Graphie für mhd. /ɑ:/ aufweisen. Auch wenn die Anzahl der Belege höher ist als in Knoblochtzer-1478, zeigt sich bei der lexemspezifischen Analyse, dass es dort nur selten Abweichungen von den lexembedingten Entwicklungen gibt. So wird der Variantenabbau für bestimmte Lexeme vorangetrieben. Meist geschieht dies in geringem Maße, in bestimmten Fällen jedoch auch in größerem Ausmaß. Erläuternd hierzu in Klammern der Vergleich mit der Vorlage Knoblochtzer-1478. Zu den Beispielen für die Tendenz zum Variantenabbau gehören ›nâch‹ (9 > 8), ›dâr‹ (16 > 13), ›grâve‹ (1 > 0), ›brâht-‹ (11 > 5), ›lâzen‹ (20 > 16), ›mâze‹ (10 > 8), ›dâht-‹ (4 > 1), ›vrâgen‹ (6 > 2), ›gân‹ (5 > 3). Allerdings begegnet für andere Lexeme ein Abbau der -Graphie: ›getân‹ (4 > 1) und ›wâren‹ (5 > 4). Es zeigt sich, dass die Varianz zumeist zugunsten der -Graphie ausgeglichen wird. Bei den meisten Beispiellexemen tritt jedoch keine Veränderung zu den Verhältnissen im Vorgängerdruck auf.56 Dies gilt ebenso für Knoblochtzer-1491. Hierin weicht die Anzahl der Belege zu diesem 54 55 56

Für mhd. ›stân‹ treten in diesem Druck auch Belege der Konkurrenzform ›stên‹ auf: vnderſten, aufſten, ſtet. Wie bei ›stân‹ findet sich auch für ›gân‹ ein Beleg für die Konkurrenzform mit ê: zergen. Nur mit -Graphie erscheinen weiterhin ›genâde‹, ›gâb-‹, ›dâr umbe‹, ›sâhen‹ und ›hër nâch‹. Ausschließlich steht in den Belegen zu ›blâsen‹, ›jâmer‹, ›jâr‹, ›underlâz‹, ›vâhen‹ und ›âventiure‹. Mit nur einer abweichenden -Graphie erscheinen die Belege zu ›dâr nâch‹, ›râten‹ und ›sprâchen‹. Genau das gegenteilige Verhältnis mit nur einer -Graphie findet sich bei ›nâm‹und ›wâpen‹. Bei ›stân‹ (16/2), ›tâten‹ (1/1) und ›begâben‹ (1/1) liegt das gleiche Zahlenverhältnis wie in der Vorlage vor.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

253

Phänomen kaum von der Vorgängerausgabe ab. Es finden sich 254 Belege, die für /ɑ:/ bieten. Viele der untersuchten Beispiellexeme weisen das gleiche Bild wie in der Vorgängerausgabe auf. Lexem Ausgabe Richel-1473/74 Knobl.-1477 Prüss-1478 Knobl.-1478 Knobl.-1482 Knobl.-1491

brâht 5 13 6 14 13 6 12 11 18 5 17 2

dâht 3 9 2 11 12 0 10 4 13 1 12 3

genâde 1 21 0 21 17 2 23 0 21 0 20 0

grâve 9 24 6 16 22 10 23 1 35 0 18 5

nâch 0 50 0 48 42 21 41 9 46 8 43 7

Lexem Ausgabe Richel-1473/74 Knobl.-1477 Prüss-1478 Knobl.-1478 Knobl.-1482 Knobl.-1491

sprâchen 2 8 3 8 9 1 12 1 9 1 3 9

vrâgen 0 12 2 9 6 4 6 5 10 2 10 3

dâr 57 44 72 20 73 31 86 17 115 15 109 4

âventiure 2 6 2 3 3 11 0 5 0 21 0 14

getân 1 13 7 8 3 9 4 11 1 16 0 12

Lexem Ausgabe Richel-1473/74 Knobl.-1477 Prüss-1478 Knobl.-1478 Knobl.-1482 Knobl.-1491

lâzen 0 28 1 30 5 18 11 20 13 16 4 22

mâl 1 21 1 22 3 19 6 15 10 16 6 15

stân 2 18 5 18 5 18 3 23 2 17 1 20

wâren 11 13 5 19 11 11 5 20 4 19 10 16

Tab. 34: Die am häufigsten belegten Beispiellexeme zum Graphiewechsel von und in den oberrh. Inkunabelausgaben der Melusine

Am Ende der oberrh. Inkunabelüberlieferung tritt das untersuchte regionalschreibsprachliche Phänomen noch stark ausgeprägt auf. Der Abbau der mit weniger Prestige behafteten Variante verlief dabei lexembedingt unterschiedlich. Dies soll anhand der folgenden Diagramme, die die --Varianz in bestimmten Lexemen innerhalb der oberrh. Inkunabelüberlieferung aufweisen, veranschaulicht werden. Die erste Gruppe

254

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

der Darstellung zeigt Lexeme, bei denen ab Prüss-1478 die -Variante überwiegt. Es handelt sich um Lexeme, auf deren Stammvokal entweder ein Frikativ oder Plosiv folgt. Im Kontrast dazu finden sich allerdings auch einige Lexeme, die am Ende der oberrh. Inkunabelüberlieferung der Melusine noch die Leitgraphie aufweisen. In der Mehrzahl dieser Lexeme ist die Silbencoda der Stammsilbe bzw. das Silbenonset der folgenden Silbe mit einem Liquid oder Nasallaut besetzt. In den Augsburger Melusine-Ausgaben des 15. Jhs. ist lediglich eine geringe Zahl von Belegen zur Varianz zwischen und zu finden. Damit ist einer der Hauptunterschiede zwischen der Schreibsprache der oberrh. Melusine und der Augsburger Melusine die sog. oberrh. Verdumpfung. Diese findet sich erwartungsgemäß in den untersuchten Augsburger Druckersprachen nahezu überhaupt nicht. In Bämler-1474 zeigen lediglich zwei Belege für mhd. /ɑ:/ -Graphie: vndeɾloß (h8a) und begoben (h4a). In Bämler-1480 findet sich die Schreibung für mhd. /ɑ:/ bei einigen Lexemen häufiger belegt. Dabei handelt es sich um das Partizip II von ›tun‹, ›Jammer‹, ›nehmen‹ im Prät.Pl. und Einzelbelege für ›Samen‹, ›Wahrzeichen‹, ›damit‹ und ›anstehen‹ (mhd. alem. stân).57 Mit -Graphie für /ɑ:/ kann in Schönsperger1488 das Partizip II von ›tun‹ nachgewiesen werden. Es erscheint in 20 Belegen mit : gethon (13), mißgethon, geton (5), getō. Bei den Belegen der beiden letzten Augsburger Ausgaben ist dabei auffällig, dass sich diese nahezu ausschließlich auf Belege beschränken, in denen der Langvokal in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Nasal erscheint. Dies bestätigt die Aussage in der Frnhd. Grammatik, dass es „im Bair. bereits seit dem 14. Jh. der Fall ist“, dass die Hebung und Rundung von /ɑ:/ zu /o:/ „auf die Stellung vor Nasal“ (Frnhd. Gr. § L 22) beschränkt ist. Abgesehen von diesen seltenen Ausnahmen befinden sich die Augsburger Melusine-Drucke im 15. Jh. im Bereich der --Varianz in deutlicher Kontraststellung zu den wobd. Drucken. Wie sieht die Beleglage nun für den ersten Druck des 16. Jhs. aus, der zwar in Straßburg, allerdings auf Basis des Augsburger Textes, herausgegeben wurde? Benutzt der im Oberrh. angesiedelte Drucker die schreibsprachliche Eigenheit für /ɑ:/, ohne distributionelle Beschränkungen zu setzen, oder übernimmt er die Lautung aus der Augsburger Vorlage und passt sich dieser an? Betrachtet man die absoluten Werte in der Ausgabe Hupfuff-1506, so zeigt sich die oberrh. Verdumpfung in dieser Ausgabe weitaus seltener als noch in den Straßburger Ausgaben des 15. Jhs., ist allerdings noch in 48 Belegen vorhanden. Ein Großteil dieser Formen beschränkt sich auf wenige Lexeme: ›âtem‹, ›âventiure‹, ›blâsen‹, ›begâben‹, ›dâr‹ (2), ›getân‹ (20), ›nâch‹ (18), ›nâm-‹

57

Die insgesamt 25 Belege sind im folgenden aufgereiht: iomer (a10b), jomeɾ (b1b), jomer (b1b), anſton (b10b), nomen (d3b), geton (d3b), woɾczeichen (d10a), jomer (e1b), jo / mer (e2a), gethon (e10b), jomertals (f1a), geton (f3b), jo / meɾt (f3b), jomer (f3b), jomer (f4a), jomer (f4a), v̑ no ǁ men (f5a), gethon (f9a), jomer (g1b), geton (g2a), ſo / me (g3a), gethon (g3a), jomer (g3b), gethon (g5a), domit (i1b).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

255

(3), ›stân‹.58 Es zeigt sich, dass -Graphie für mhd. /ɑ:/ wie in den Straßburger Ausgaben des 15. Jhs. ohne Einschränkung auf die Position vor Nasal relikthaft erscheint, wobei diese regionale Eigenheit im Vergleich mit den alem. Ausgaben der Inkunabelzeit stark zurückgedrängt ist. Neben den -Graphien anstelle von mhd. /ɑ:/ erscheint in 53 Belegen für die Präteritalformen von stân und Infinitivbelege von tuon -Graphie für mhd. /ʊo/.59 Diese Schreibungen (z. B. zeton, zethon) stehen wohl in Zusammenhang mit den verdumpften Formen des Partizips Präteritum des Verbs tuon. Gegen diesen Analogieschluss stehen die vielen präteritalen Formen von stân, die ursprüngliches /ʊo/ mit wiedergeben (z. B. verſtond, verſtonde, ſtond), da -Graphie für stân nur einmal belegt ist.60 Ein Rückbezug auf die Lautung eines Setzers oder Korrektors ist nicht auszuschließen, da /ʊo/ „im Md. im 11. Jh. zu /ū/ [monophthongiert wird], das im Mfrk. und Hess. im 13. Jh. zu /ō/ gesenkt wird“ (Mhd. Gr. § L 49). In Knobloch-1516 findet sich nur noch selten anstelle von . Die Belege bleiben auf ›getân‹ und ›stân‹ beschränkt, wobei ſton (E4a) lediglich einmal an gleicher Stelle wie in Hupfuff-1506 gesetzt wurde. Ausnahmslos mit statt erscheinen die Belege des Partizips II von ›tuon‹: gethon (14), vffgethon, miß//gethon. Durch Interferenz der Vorlage ist auch hier für den mhd. Diphthong /ʊo/ nachweisbar, jedoch nur noch in einem einzigen Beleg: thon (K6b). Damit besteht am Ende des Untersuchungszeitraums I ein klarer Befund. Die Straßburger Drucker haben dieses für die Schreibtradition ihrer Umgebung typische Charakteristikum stetig an die Graphie des gemeinen teutsch angeglichen, wobei bis zum Ende dieses Untersuchungszeitraums noch Relikte dieses schreibsprachlichen Phänomens greifbar bleiben. f.

Rundungsbelege im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)61

Die Rundung der Monophthonge /ɛ/ /e:/ /ɪ/ /i:/ und des Diphthongs /ie/ zu /œ/ /ø:/ /ʏ/ /y:/ ist für die beiden kontrastierten Sprachlandschaften von Interesse, da sich im „Schwäb./Alem. und im Ofrk. und angrenzenden Gebieten [...] häufig Schreibungen mit ü und ö (u. ähnlich) anstelle von mhd. i, î, e und ê“ (Frnhd. Gr. § L 36,2) finden und 58

59

60 61

obenteür (B6a); otems (L1b); begobt (C6b); bloſſen (D4b); Dortzwiſchen (G1a), dorin (H4b); gethon (11; F1b, F2a, F2b, F3b, F6a, E1b, H6a, I2b, K6a, M1b), gethō (G1a), geton (3; D1b, G1b, N6b), getō (4; H4b, I4a, I5a), gethone (B1a); her noch (C6b), hernoch (3; D1b, I1b), darnoch (11; F3a, G1b, H1b, H3b, I3b, I4a, I5b, K6a), noch (3; E1b, M1b, M6a); nomē (G3b), vernomen (F1b), vernomē (H5b); ſton (F2b). Für mhd. : beſtōde (L1b), ſtond (11; H3b, H4b, H5a, H6a, I1a, I2b, K1b, K6a, N6b, O1a), ſtonde (H5b), verſtond (3; I1a, I2a, L1a), ver /ſtonde (4; H4b, H5b, I2a, M1b), ſtōd (I4a), verſtonden (E6b), verſtondē (E6b), vfferſtonde (I1b, I2b), vnderſtondent (N6b). Für mhd. : don (I6b), mißtō (I4a), thon (5; F3b, G5a, H4b, K1a, M6a), thō (2; C6b, I4a), thone (I6b), ton (2; C1a, I3b), tō (I4a), tond (E6b), vbelthon (A6a), zethō (3; C1a, F4b), zethon (F4b), zeton (7; F6a, G1a, H3b, I2a, I2b, N1a). In Hupfuff-1506 gilt bereits weitestgehend die Form stên. Vgl. Mhd. Gr. § L 24, Frnhd.Gr. § L 36.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

diese auch bis ins 17. Jh. in Druckwerken aus dem alem. Raum nachgewiesen werden konnten.62 Dies spiegelt sich in der in alem. Gebiet entstandenen editio princeps (Richel-1473/74). Einerseits findet sich der Wandel von /ɪ/ zu /ʏ/ in den Lexemen ›zwischen‹ (zwu͛ ſchent, zwūschen, zwu̓ ſchen, zwu͛ ſchen), ›nimmer‹ (nu͛ mmer), mhd. ›erbidemen‹ (erbu͛ demete), ›verwirken‹ (verwu̓ rcket) und der 3.P.Sg.Ind.Präs. des st. Verbs ›werden‹ (wu̓ rt (5), wu͛ rt (4)). Andererseits begegnet die Rundung /ɛ/ zu /œ/ in fünf von zwölf Belegen des Lexems ›fremd‹. Eine Setzerabhängigkeit ist dabei wahrscheinlich, da kein Beleg mit gerundetem Vokal gemeinsam mit einem Beleg mit ungerundetem Vokal in ein und derselben Lage nachweisbar ist.63 Die Schreibung , für mhd. knîe in Richels Ausgabe stellt eine als typisch alem. ausgewiesene Nebenform dar. Vom Nhd. abweichend ohne Rundung bleiben die Lexeme ›würdig‹ und ›schwören‹ in allen Belegen der oberrh. Inkunabeltradition der Melusine. Die Beleglage in Knoblochtzer-1477 gleicht wiederum der Richels. Rundung von /ɪ/ bzw. /i:/ findet sich für die gleichen Lexeme wie bei Richel (›Knie‹, ›nimmer‹, ›zwischen‹, ›verwirken‹, 2. + 3.P.Sg.Ind.Präs. von ›werden‹), zusätzlich bei ›sieben‹ und ›Hilfe‹.64 23 Präsensformen von ›werden‹ zeigen ausnahmslos statt -Graphie Graphien. Invariant gilt die Rundung nur für ›verwirken‹, ›Knie‹ und die Präsensformen von ›werden‹. Für ›zwischen‹ gibt es einen Gegenbeleg (d8b: dar zwiſchē), für ›nimmer‹ und ›Hilfe‹ stellt die -Variante die Leitgraphie dar.65 Typisch alem. erscheint auch das Adjektiv mhd. vremde in sieben Belegen mit gerundetem Vokal; kontrastiv dazu nur dreimal mit .66 Somit ist in dieser Ausgabe generell ein Anstieg von Rundungsformen im Vergleich zur editio princeps festzustellen. Der Einzelbeleg hu̓ lffe in Knoblochtzer-1477 ist für den Zeitraum und die Dialektregion ungewöhnlich. Lexer weist die Formen mit Rundung dem Md. zu, das DWB bringt ihre Verbreitung mit Luthers Autorität in Zusammenhang.67 Zusammen mit dem Befund zur Senkung lassen sich in der Setzersprache dieser Ausgabe leichte Einflüsse aus dem Md. konsta-

62

63 64 65 66 67

Frnhd. Gr. § L 36: „Im Alem. sind Belege wie öpfel, schwöster, frömd, gesöl, zwüschen, wüssen, müschen etc. bis ins 17. Jh. hinein auch in Drucken nicht selten, während sie im übrigen Gebiet von der zweiten Hälfte des 16. Jhs. an stark rückläufig sind.“ Vgl. Moser (1929: § 66). Für uns interessant ist die Erwähnung von frömd und zwüschen, beides Lexeme die mit Rundung in der Melusine-Tradierung auftreten. Mhd. vremde mit in Richel-1473/74: fromden (f4b), froͤ mde (3; c1a, f1b, h10b), froͤ mder (k9a); mit : fremde (4; a1a, a1b, e10b), fremdē (d4a), fremden (2; a1b, e7b). verwu̇ rcket, verwurcket, zwuͤ ſchen (e1b), nūmer (d7b; ansonsten niemer (8), nyemer),64 knu͛ , knuͤ we, huͤ lffe (3), hu͛ lffe (5), hu͛ lff, Su͛ ben niemer (8), nyemer; ›Hilfe‹ mit (22). froͤ mde (4; a2a, a2b, f3a), fromdē (f6a), froͤ mden (a2b), froͤ mder (k8a); fremden (2; d7a, e8a), fremde (f2b). Lexer HWB (1992,1: 1229): „...ahd. hilfa, hëlfa, vereinzelt hulfa u. darnach md. auch hulfe...“. Im DWB heißt es, dass die u-Form [...] durch Luthers Autorität im 16. Jh. aufkommt.“ Vgl. DWB (1999,10: 1323–1326).

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tieren, die sich vermutlich auf die Herkunft eines der beiden am Produktionsprozess dieser Melusine beteiligten Setzers zurückführen lässt. Wie in Richel-1473/74 erscheinen auch in Prüss-1478 für das Alem. typische Formen mit gerundetem Vokal: froͤ mde (2), froͤ mder, zwu̓ ſchen (2) zwu̓ ſchē, nummer, nu̓ mer, knu, knuwe, erbudemete, verwu̓ rck=et. Den dialektalen Formen für nhd. ›fremd‹ stehen in diesem Druck mit ungerundetem Vokal die folgenden Formen gegenüber: fremden (2) frembde (3), fremdē. Für ›nimmer‹ sind die labialisierten Schreibungen auch hier die Ausnahme: niemer (13). Alle anderen Belege mit gerundetem Vokal (›Knie‹, ›verwirken‹, mhd. ›erbidemen‹, ›zwischen‹) sind Leitgraphie ohne Gegenbeleg. Die Formen der 3.P.Sg.Ind.Präs. des Verbums ›werden‹ erscheinen mit nur einer Ausnahme (wirt, k1b) mit gerundetem Vokal: wurt (4), wu̓ rt (9). Auch das Substantiv ›Wirt‹ erscheint endungslos zweimal mit gerundetem Vokal wurt (2) und stellt damit ein Homograph zu den Präsensformen des Verbs ›werden‹ dar. Im Genitiv erscheint das Substantiv hingegen einmal delabialisiert (wirtes). In Knoblochtzer-1478 gehen die Rundungsformen im Vergleich zu den oben behandelten Ausgaben leicht zurück. Die dialektalen Formen für nhd. ›Knie‹, ›zwischen‹, ›nimmer‹ und mhd. ›erbidemen‹ sind in diesem Druck durch Formen mit ungerundetem Vokal ersetzt: knie (3), zwiſchen (2), nimer (8), niemer (9), niemmer, nymer, erbidmet, erbidmete. Die Dialektform des Adjektivs ›fremd‹ zeigt sich ebenfalls stark reduziert: froͤ mde (f3a), froͤ mden (f6a); fremd (2, c6b, f2b), fremden (e8a), fremder (k8a). Auch die 3.P.Sg.Ind.Präs. von ›werden‹ tritt in diesem Druck entgegen dem Vorgängerdruck häufiger mit ungerundetem als mit gerundetem Vokal auf, wobei die Formen mit Graphie noch überwiegen: wu͛ rt (3; g4b), wůrt (g4b), wurt (3, d6a, e1a, i8b), wirt (6; b1a, g4a, g4b, i8b). Die Beleglage zur 3.P.Sg.Ind.Präs. des Verbs ›werden‹ in Knoblochtzer-1482 gleicht der Vorgängerausgabe mit beiden Varianten teils auf demselben Blatt, wobei der Umlaut hier nicht gekennzeichnet ist. Interferenz mit den Konjunktivformen ist dabei wohl auszuschließen, da diese graphisch von der Indikativform durch die Auslautgraphie - unterschieden werden: wurd (4; c8b, e1b, e8b). Die Varianten der Indikativformen zeigen eine ähnliche Verteilung wie in Knoblochtzer-1478: wirt (6; e8b, g8b, h1b) vs. wurt (9; a2b, c6b, d1a, e8b, f8b, h1b). Eine Ballung der Belege beider Formen findet sich auf Bl. e8b. Auch die alem. gerundeten Formen des Lexems ›fremd‹ sind parallel zum Vorgängerdruck bis auf einen Beleg ungerundet (froͤ mde). Für ›nimmer‹, ›zwischen‹ und mhd. ›erbidemen‹ treten keine Graphien mit Rundung auf. Beim Lexem ›Knie‹ verhält sich dieser Druck allerdings wieder konservativer und kehrt durchgehend zur regionalen Schreibweise mit gerundetem Vokal zurück: knuwe (2), knwe, knw. Dieser Befund lässt sich ebenso auf Knoblochtzer-1491 übertragen. Es tritt Rundung in der 3.P.Sg.Präs. des Verbs ›werden‹, in einem Beleg des Lexems ›fremd‹ sowie beim Lexem ›Knie‹ durchgehend auf: knüwē, knuwe, knw, knwe. Auch hier zeigt sich in den beiden letzten Melusine-Ausgaben Knoblochtzers eine partielle Rekonstituierung der

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oberrh. Schreibtradition im Vergleich zur Vorlage, in der dieser Schreibusus radikal verändert worden war. Die erste Augsburger Ausgabe (Bämler-1474) zeigt in Bezug auf Rundungen noch einige Parallelen zum Sprachstand der alem. Ausgaben. Wie dort wird wirdig ›würdig‹ und ſchweren ›schwören‹ noch nicht gerundet gesetzt. Die 3.P.Sg.Ind.Präs. von ›werden‹ erscheint bei Bämler ebenso überwiegend mit gerundetem Stammvokal: wűɾt (2), wuͤ rt (2), wuͤ ɾd (2), wűrt vs. wird in Lage f und wiɾt (2) in Lage h. Neben diesen Parallelen besteht jedoch ein deutlicher Kontrast bei den Belegen der Lexeme ›Knie‹, ›zwischen‹, ›nimmer‹ und ›fremd‹, die, ausgenommen eines Beleges (froͤ mder), keine Rundung aufweisen. In Bämler-1480 erscheinen mit gerundetem Vokal wűrt (10), wűrſt, dɾeű, moͤ ɾe ›Meer‹ und erſchɾoͤ ckelich. Den Präsensformen von ›werden‹ stehen neun Belege mit ungerundetem Vokal gegenüber (wirt), meist sogar auf den gleichen Lagen. Ohne erfolgte Rundung sind wiederum wirdig (3), wirdigen (2), wirdigklich und ſchwerē (2) belegt. Die Formen des Adjektivs ›fremd‹ (8) weisen alle den ungerundeten Vokal /ɛ/ auf. Mit der Form geſchwűſterger68 auf Bl. k1a tritt eine schwäb. dialektale Nebenform des mhd. geſwisterde auf.69 Für nhd. ›zwischen‹ verwendet Bämler hier ebenso nur die schwäb.-alem. Nebenform70 mit gerundetem Haupttonvokal: zwűſchen (2). Als Abweichungen vom Vorgängerdruck fallen die Zunahme ungerundeter Präsensformen des Verbums ›werden‹ und die Verwendung von zwüſchen ins Auge. In Schönsperger-1488 ist im Gegensatz zu den Bämler-Ausgaben das Eindringen von Graphien, die auf ein lokal-mundartliches Phänomen zurückgehen, festzustellen. Es handelt sich um die Entrundung von ö zu e, die als Dialektmerkmal und Kennzeichen der Schreibung nicht professionell für den Schriftverkehr ausgebildeter Personen in Augsburg klassifiziert werden kann (vgl. Graser 2011: 42). Im Bereich der Druckersprachen als akrolektalen Registern führt dieses Dialektmerkmal zu hyperkorrekten Schreibungen. Dieses Phänomen zeigt sich in Schönspergers Melusine, die vermehrte -Schreibung für e-Laute ist innerhalb des Korpus charakteristisch für diese Ausgabe. Die Lautetymologie der e-Laute spielt dabei keine Rolle. Es finden sich Belege für ›best-‹, ›Bett‹, ›Felsen‹, ›Heer‹, ›Herberge‹, ›Meer‹, ›verderben‹, ›verheeren‹, ›Wehr‹, ›(sich) wehren‹, und ›welch‹.71 Darüber hinaus wird der Primär- und Sekundärumlaut 68 69

70

71

In Bämler-1474 lautet die Form geſchwiſteɾget (l6a) ohne Rundung, in Schönsperger-1488 geſchwiſtriget (n5b). Der Beleg in Lexer HWB (1992,1: 941) stammt aus der Martina des Hugo von Langenstein, der aus einem schwäb. Geschlecht stammte. Im Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben findet sich das Lexem nicht. Im DWB (1999, 32: 1324) heißt es dazu: „rundung des alten i zu ü vor sch und nach w (zwischen > zwüschen) ist frühneuhochdeutsch auf schwäbisch-alemannischem boden allgemein, besonders früh (13. jh.) und durchgehend bis zum ende des frühnhd. im hochalemannischen;“ vgl. auch Moser (1929: 109–111). boͤ ſt (i3a) vs. beſt (a2b); boͤ tt (i4b) vs. bet (2; h4a); foͤ lſen (3; l1b, m1a) vs. velßen (2; l1a); hoͤ ɾe (e4a), (kein Gegenbeleg); hoͤ ɾberg (g2a), acht Gegenbelege herberg in den Lagen e, f und h; moͤ ɾ

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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gerundet: ›ältester‹, oͤ lteſter (g6a), ›Härte‹, hoͤ ɾtte (i4a), ›Vetter‹, voͤ tter (2; e1b, i4b)72 und ›Städte‹, ſtoͤ t (f5b). Nur für ›Meer‹, ›welch‹ und ›(sich) wehren‹ stellt die Graphie die Leitgraphie dar. Bei den sonstigen oben behandelten Rundungsgraphien ist bemerkenswert, dass die Sg.- Präsensformen des Verbs ›werden‹ durchgehend mit gesetzt wurden und im Vergleich zu Bämler-1480 in ›zwischen‹ erscheint. Ansonsten weicht die Ausgabe nicht von den Ausgaben Bämlers ab. Parallel zu Bämler-1480 treten gerundete Formen des Diphthongs in ›drei‹ auf: dɾew (i6b), dɾeű (i8a). Diese Graphien stellen jedoch die Ausnahme dar, da der Diphthong in zehn Belegen ansonsten mit gesetzt auftritt, wobei dies auch auf Bl. i8a neben der -Form der Fall ist. Die Varianz gerundet/ungerundet zeigt sich als ein Schriftmerkmal, das noch stärker von der Lautung beeinflusst ist als andere auf Lautwandelvorgänge zurückzuführende Varianzgraphien, da sich die Varianten hier nur minimal in einem distinktiven artikulatorischen Merkmal unterscheiden. Im Anschluss an Schönsperger und im Gegensatz zu den restlichen Ausgaben des 15. Jhs. erscheinen in Hupfuff-1506 zahlreiche Rundungen von e-Lauten. Es zeigt sich trotz der Abweichungen im Bereich der Diphthongierung und Verdumpfung die sprachliche Abhängigkeit von der Ausgabe Schönspergers. Dabei erstreckt sich das Phänomen in Hupfuff-1506 teilweise auf andere Lexeme, als dies bei Schönsperger der Fall war. V. a. ›kehren‹ und alle Partikelverben dazu weisen -Graphie auf.73 Aus Schönsperger-1488 bekannt sind die Belege erſchrockenlich (2), erſchrockenlichs, woͤ lichs, woͤ lichs, woͤ licherley, woͤ lcher (2), moͤ ɾ. Der letzte Beleg stellt eine einmalige Abweichung von der Regelgraphie mer dar, die anderen Belege sind ausnahmslose Leitgraphien. Die Formen der 3.P.Sg.Ind.Präs. des st. Verbs werden sind überwiegend ungerundet (12/3). Ohne Rundung erscheinen noch ſchweren (2), wirdig (2), wirdigen, wirdigklich. Die regionalen Varianten der Lexeme ›fremd‹, ›nimmer‹, ›zwischen‹ und ›Knie‹ mit gerundetem Vokal erscheinen nicht.74 In Knobloch-1516 begegnen ›schwören‹ und ›würdig‹ erstmals in nhd. Form: ſchwoͤ ɾn, ſchwoͤ ɾē (2), ſchwoͤ ɾen, geſchworen; ſchweren und würdig (2), würdigklich. Abweichend vom Nhd. findet sich labialisierter Vokal für /e/ zu /ö/ in den gleichen Lexemen wie in Hupfuff-1506. Die Vorlagenabhängigkeit wird hier besonders deut-

72 73 74

(2; h8a, i3a), moͤ re (e1b), moͤ ɾwunder (i5b), moͤ ɾfey (i4b), Gegenbelege nur für ›Meerfee‹: Merfein (2), merfein, merfeye auf a2a, a2b und o7a; verdoͤ ɾbet (3; i3a, i4b, i5a) vs. verderbt (3; h8a, i8a, m1a), verderbet (m8a); verhoͤ ɾet (m1a) vs. ⱴheret (g6b), verherete (h7b), verheret (h8a), verheren (i8a); woͤ ɾe (g1a); (kein Gegenbeleg); woͤ ɾeten (f8b), woͤ re (h5b), woͤ ɾe (h6a), woͤ ɾ (k8a), als Gegenbeleg tritt nur das Adjektiv werlicher auf Bl. f6a auf; woͤ lcher (2; c1b, g3b), woͤ liches (i3b), woͤ lcherley (b8a), woͤ lchē (g8a), (kein Gegenbeleg). Zu ›Vetter‹ finden sich in Lage a fünf Gegenbelege mit . verkoͤ ɾt (3), koͤ ɾt (4), koͤ ɾet (2), köɾet, gekoͤ ɾt, verköɾt, beköɾte, beköɾ, köɾ, koͤ rt, vmkoͤ ɾete, vmkoͤ ɾen. knye (4), zwiſchen, nymer (4), nymmer, nimermer, nymermer, frembden, fremde (2), fremden (3)

260

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

lich.75 /i/ zu /ü/ in ge//würckt, verwürckt, würt (15), würſt (2) und mhd. /i:/ > frnhd. /ae/ zu /oe/ in dɾeü (2), voɾreü//ter.76 Dabei wird deutlich, wie stark vereinheitlicht und bewusst zur Vermeidung von Homonymie die Graphien in Knobloch-1516 gesetzt wurden, da die Singular-Präsensformen von ›werden‹ ausnahmslos mit und das potentielle Homonym ›Wirt‹ stets mit gesetzt wurden. Zum Lexem ›kehren‹ und dessen Wortformen gibt es lediglich zwei Gegenbelege: keret (2). Die Lexeme ›welch‹ und ›(sich) wehren‹ inklusive Wortbildungen dazu zeigen keine Abweichungen von der Leitgraphie in diesem Druck. Die Komposita mit dem Basismorphem ›Meer‹ weisen dagegen Abweichungen von der -Graphie auf: Merfein (4), merwūder. dɾeü (2) ist neben dɾey (12), dɾeyen absolute Ausnahme und erscheint unmittelbar nacheinander auf K5b und K6b. Es zeigt sich einerseits die bewusste vereinheitlichende Leistung in Knobloch-1516, andererseits allerdings auch die unmittelbare Abhängigkeit von der Setzersprache in Hupfuff-1506. Ein Überblick ergibt, dass im Straßburger Überlieferungsstrang zunächst im Alem. typische Rundungserscheinungen auftreten, die in Knoblochtzer-1478 zu einem großen Teil beseitigt und in Knoblochtzers beiden letzten Ausgaben nur teilweise wieder rekonstituiert werden. In den Augsburger Ausgaben fehlen diese Graphien nahezu vollständig, wobei mit Schönspergers Ausgabe die Rundung von e-Lauten vermehrt in die Augsburger Melusine-Tradierung Eingang findet. Dies setzt sich über Hupfuffs und Knoblochs Ausgaben hin fort. Die ins Nhd. eingehenden Rundungsgraphien zeigen sich im gesamten Untersuchungszeitraum I erst in Knobloch-1516. Von den obigen Rundungserscheinungen getrennt läuft die Rundung von /ɑ:/ zu /o:/ ab, da es sich hierbei zugleich um eine Hebung handelt.77 Von der oberrh. Verdumpfung gilt es diesen Prozess aufgrund der distributionellen Beschränkungen in Nachbarschaft von Nasalen und Dentalen, aber auch von Labialen und h zu trennen. Das einzige im Korpus auftretende Lexem, das diesen Lautwandel repräsentiert, ist mhd. âmaht und die Adjektivableitung mhd. âmehtec.78 Sowohl Substantiv als auch Adjektiv sind je zweimal belegt. Dabei erscheint das Adjektiv von Beginn an mit einer Ausnahme in Prüss-1478 in allen Ausgaben mit -Graphie. Die Substantivbelege hingegen weisen in allen Ausgaben der oberrh. Überlieferungslinie und in Bämler-1474 auf. Bis auf Bämlers Erstausgabe der Melusine zeigen alle weiteren Ausgaben, die auf dem Text der Augsburger Inkunabelüberlieferung basieren, durchweg . Die Augsburger Inkunabelüberlieferung zeigt sich auch in diesem Punkt im Gegensatz zur oberrh. Überlieferung mit dem Nhd. konform. 75 76 77 78

bekoͤ ɾ, bekoͤ ɾt, gekoͤ ɾt, koͤ ɾent, koͤ ɾt, verkoͤ ɾe, verkoͤ ɾt (4), vmbkoͤ ɾet, vm̃ koͤ ɾn, erſchɾockenlich, Hoͤ ɾolt, moͤ ɾe, moͤ ɾwunder, moͤ ɾ (2),woͤ lchs, woͤ lcherley, woͤ lcher (4), woͤ ɾlicher, woͤ ɾeten, woͤ ɾ (2), woͤ ɾe (2). Frnhd. Gr. (1993: § L 36, Anm. 3): „Alte Doppelformen sind [...] reiter : reuter “. Vgl. Moser (1929: § 65, Anm. 8). Zu Ursprung und Verbreitung des Lautwandels vgl. Mhd. Gr. § L 24. Die Durchsetzung des Lautwandels wird hierbei durch die semantische Verdunklung des Präfixes â- und die Reanalyse von ô- zu ohn- begünstigt.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

g.

261

Entrundung im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)79

Konträr zur Rundung können Wortformen von mhd. Lexemen, in deren normalmhd. Form die gerundeten Monophthonge /ʏ/ /y:/ /œ/ /ø:/ und die Diphthonge /œʏ/ /ʏə/ rekonstruiert sind, auch mit ungerundetem Vokal gesetzt erscheinen.80 Belege dafür finden sich im 16. Jh. in allen hd. Mundarten mit Ausnahme des Hochalem., Rip. und Ofrk.81 Es stellt sich also die Frage an das Korpus, ob die alem. Inkunabeln den mhd. Lautstand konservieren oder auch Entrundung aufweisen. Die Ausführungen beschränken sich dabei aus mangelhafter Beleglage in den gewählten Textausschnitten auf das mhd. Lexem zöugen (=nhd. ›zeigen‹). In Richel-1473/74 ist die Entrundung der drei belegten Wortformen dieses Lexems noch nicht erfolgt: erzou͛ gete, erzoͤ gete, gezoͤ uget . Knoblochtzer-1477 und Prüss-1478 folgen wie gewohnt dem Usus bei Richel, ab Knoblochtzer-1478 ändert sich der Befund. Es erscheinen entrundete Formen mit als Stammvokalgraphie. Die beiden folgenden auf dieser Ausgabe basierenden Melusine-Drucke Knoblochtzers übernehmen die entrundeten Formen.82 In den Augsburger Ausgaben erscheinen die Belege für mhd. ›zöugen‹ von Beginn an entrundet. In Bämler-1480 findet sich für mhd. ›zöugen‹ von den Entrundungsgraphien abweichende Graphie bei zwei in unmittelbarer Nähe zueinander stehenden Belegen auf Bl. g10b: zeűge, zeűget.83 In vier weiteren Belegen zum Lexem ›zeigen‹ ist die Entrundung allerdings dargestellt: zeiget (a10b), getzeiget (f4b), erzeiget (g1b), gezey̋ get (h1a). Entrundung liegt in Bämler-1480 ebenso bei den Formen für mhd. prüeven, brüeven (=nhd. ›prüfen‹) vor, da in allen drei Belegen der Stammvokalismus mit repräsentiert wird: bɾieff,84 bɾieffen, bɾiefen. Damit stellen diese Belege homographische Formen zu den Belegen des Lexems ›Brief‹ dar. Wiederum zeigt die Setzersprache der Ausgabe Bämler-1480 Abweichungen vom Usus in den beiden anderen Augsburger Inkunabeln, die auf sprechsprachlichen Einfluss auf den Setzer begründet werden kann. Bei Hupfuff und Knobloch sind alle Belege zu mhd. ›zöugen‹ entrundet. Alles in allem tritt Entrundung in unserem Korpus selten zutage, wobei die Entrundung von mhd. ›zöugen‹ wiederum ein weiterer Indikator für die Opposition der oberrh. Drucksprache zur Augsburger ist. Darüber hinaus zeigt sich bei diesem Lexem die Adaption 79 80 81

82

83 84

Vgl. Mhd. Gr. § L 25, Frnhd.Gr. § L 36. Zum Problem mit dem Umgang mit hyperkorrekten Formen vgl. Moser (1929: § 65, Anm. 6–9). Wiesinger nennt hierzu noch eine genauere Eingrenzung des ostfränkischen Raumes ohne Entrundung und weitere kleinere Gebiete. So etwa im nördlichen Moselfränkischen. Vgl. Wiesinger (1983). Knoblochtzer-1477: ge=zouget, erzouͤ gte, zougte, zouͤ ge, zouͤ get, gezouͤ get; erzeygte; Prüss-1478: gezoͤ uget, zoͤ uge, zoͤ ugete; Knoblochtzer-1478: erzaigte (g1b), gezaigt (f4b); Knoblochtzer-1482: erzeigte (2; a2b, e6a), gezeigt (e2a); Knoblochtzer-1491: erzeyte, gezeyget, zeygte. Frnhd. Gr. § L 36, Anm. 3: „Alte Doppelformen sind ... zeigen : zeugen, reiter : reuter“. Bämler-1480 (Bl. e10b): Nun bɾieff vnd achte was dir nū | das liebſte müg ſein […].

262

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

an den mundartfernen Usus in Knoblochtzers letzten drei Ausgaben. Die zeitlich davor liegenden Ausgaben weisen den mhd. Lautstand auf. In Augsburg, der Grenzstadt vom schwäb. zum bair. Sprachraum, ist die im 12. Jh. vom Bair. ausgehende Entrundung bereits von Beginn unseres Untersuchungszeitraums an weitestgehend vollzogen.85 Im restlichen Untersuchungszeitraum begegnet kein weiterer Beleg, der auf den labialen Diphthong /œʏ/ in mhd. zöugen hinweist. h.

Nebentonvokalismus: Synkope im Präfix im Untersuchungszeitraum I (1473/74– 1516)86

Der Ausfall des schwach betonten e-Lautes in den Präfixen ge- und be- soll anhand der Belege einiger Beispiellexeme in den Ausgaben unseres Korpus nachvollzogen werden. Dabei wurden für ge- die Lexeme ›genâde‹, ›genædec‹, ›gelücke‹, ›gelübde‹, ›gelîch‹ und ›geloube‹ ausgewählt. Beim Präfix be- bietet der Text nur für das st. Verb der Ablautreihe I ›blîben‹ eine ausreichende Belegsituation. Die Belege zum Lexem ›genâde‹ zeigen interessante Entwicklungen in den beiden Überlieferungssträngen. In der Erstausgabe Bämlers gilt ausnahmslos die unsynkopierte Form, was sich nur mit einer Ausnahme auch so bei Schönspergers Melusine-Druck wieder findet. Chronologisch zwischen diesen beiden Ausgaben liegt Bämler-1480. Auch hier zeigt diese Ausgabe einen setzerbedingten konträren Befund zu den beiden anderen Augsburger Inkunabelausgaben, da lediglich drei unsynkopierte Formen 15 Belegen mit Ausfall des gegenüberstehen. In den oberrh. Ausgaben herrscht ein heterogenes Bild. Die beiden Ausgaben um die Jahrhundertwende (1491, 1506) tendieren zur Vollform mit ge-. Bei Knobloch letztlich überwiegt wieder die synkopierte Form, die auf den nhd. Standard vorverweist. Beim Lexem ›gelücke‹ können im Vergleich mit den oben besprochenen beiden Lexemen einige Abweichungen dargelegt werden. Die Straßburger Ausgaben zeigen einen deutlicheren Kontrast zu Bämler-1474 und Schönsperger-1488, die nahezu ausnahmslos ge- setzen. Dieser Kontrast findet sich wiederum auch in Bämler-1480. Knoblochtzer-1477 zeigt noch deutlichen Bezug zur Vorlage Richels in der Leitgraphie mit Synkope, wohingegen die zweite und dritte Ausgabe dieser Offizin beide Varianten nebeneinander zeigt. In Knobloch-1516 erscheint letztlich die Form der nhd. Schriftsprache als Leitgraphie. Ebenso in das skizzierte Bild der Variantenauswahl zwischen ge- und g-Präfix in den Drucken des Untersuchungszeitraums I passt der Befund zum Lexem ›gelîch‹. Die ersten drei Drucke der Straßburger Überlieferungslinie haben Leitgraphie mit Synkope, der erste und dritte Druck aus Augsburg und Knoblochtzer-1491 ohne Synkope, Bämler-1480 zeigt Leitgraphie mit Synkope, Knoblochtzers zweite und dritte Ausgabe und Hupfuff weisen ein ausgeglichenes Mischverhältnis der Varianten 85 86

Die Reimverhältnisse im Omd. legen jedoch nach Michels/Stopp (1979: 89–90) eine Polygenese nahe. Vgl. Frnhd. Gr. § L 39, Mhd. Gr. § L 55.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

263

auf. Knobloch-1516 kehrt wieder zum Usus der ersten Ausgaben der Straßburger Überlieferung zurück.

Ausgabe Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1477 Prüss-1478 Knoblochtzer-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

›genâde‹ ›genaedec‹ ge- g- ge- g7 11 4 2 18 0 6 0 2 15 2 4 15 1 6 0 6 11 2 4 3 15 0 6 8 9 4 2 15 1 6 0 12 5 6 0 14 2 5 2 4 12 0 7

Tab. 35: Graphie der Lexeme ›Gnade‹ und ›gnädig‹ im Untersuchungszeitraum I

Ausgabe Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1477 Prüss-1478 Knoblochtzer-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516

›gelücke‹ geg0 14 13 1 1 13 3 11 7 7 1 13 5 8 10 2 2 11 8 5 1 12

›gelîch‹ ge- g1 7 7 0 0 8 1 7 4 4 1 7 5 5 9 0 6 2 3 6 0 9

›belîben‹ beb1 12 13 1 2 10 3 10 2 11 11 3 3 11 14 0 6 7 11 1 12 0

Tab. 36: Graphie der Lexeme ›Glück‹, ›gleich‹ und ›bleiben‹ im Untersuchungszeitraum I

Das Lexem ›gelübde‹, welches das einzige Beispiel darstellt, das zum Nhd. hin das Präfix ge- erhalten hat, zeigt nur wenige Belege mit Synkope. Bei stets sieben Belegen dieses Lexems treten synkopierte Formen nur bei Richel-1473/74 (2), Knoblochtzer1477 (1), Prüss-1478 (1) und Knobloch-1516 (1) auf. Zwei Belege des Lexems ›geloube‹ erscheinen in jeder Ausgabe des Untersuchungszeitraums und runden den bisherigen Befund noch ab. Die einzigen beiden Ausgaben, die das ge-Präfix hierbei erhalten,

264

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

sind Bämler-1474 und Schönsperger-1488. Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass diese beiden Ausgaben durchgängig die schriftsprachliche unsynkopierte Form als Leitgraphie setzen. Genau das Gegenteil gilt für Richel-1473/74, Knoblochtzer-1477, Bämler-1480 und Knobloch-1516 in vollem Umfang. Die anderen Ausgaben zeigen weniger eindeutige Ergebnisse, wodurch der Mischcharakter ihrer Schreibsprache noch deutlicher zu Tage tritt. Für das Präfix be- in ›belîben‹ ergibt sich hingegen ein anderes Bild. Bämler-1480 folgt der Leitgraphie der beiden anderen Augsburger Ausgaben und weicht nur geringfügig von ihnen ab. In Opposition zur Leitgraphie der Augsburger Melusine-Drucker stehen die Ausgaben der oberrh. Tradierungslinie des 15. Jhs. Abweichend vom Befund für ge- ist auch die Beleglage in den beiden ersten Ausgaben des 16. Jhs., die beim Satz der Formen des Verbs ›belîben‹ dem Usus der Augsburger folgen. Nun ist dies in gewissem Maße für Hupfuff-1506 bereits für ge- zu konstatieren, für Knobloch-1516 stellt es jedoch einen deutlichen Kontrast zum Befund bei ge- dar. Eine Opposition und anschließende Annäherung zwischen Augsburger und Straßburger Ausgaben zeigt sich hier nicht derart deutlich wie bei anderen sprachlichen Phänomenen. Die grobe Tendenz im 15. Jh. zeigt jedoch, dass die Augsburger Drucke (ausgenommen Bämler-1480, der hier wie auch im Bereich der Entrundung eine Ausnahme darstellt) die Leitgraphie ge-/be- aufweisen, wohingegen die oberrh. Drucke die Graphie g-/b- bevorzugen. Hupfuff-1506 zeigt stets deutliche Tendenz zur Schreibweise in Schönspergers Ausgabe, wobei keine klare Leitgraphie etabliert ist. Knobloch bietet für ge- den Usus der Straßburger Tradierung und für be- in ›belîben‹ den der Augsburger Ausgaben. Die Augsburger Inkunabeln weisen in diesem Untersuchungsphänomen durch die Rekonstituierung der Vollformen der Präfixe eine größere Distanz zur Sprechsprache, in der die Synkope des Schwa-Lautes im Nebentonbereich den Normalfall darstellt, und damit auch einen höheren Grad an Autonomie der Schrift als die oberrh. Inkunabeln.

1.2

Lautwandel im Bereich des Konsonantismus

a.

Die Palatalisierung der -Laute zu /ʃ/ im gesamten Untersuchungszeitraum (1473/74–1692/93)87

Diesem Graphiewandel liegt der Lautwandel des dorso-präpalatalen mhd. /ṣ/ in den initialen Lautkombinationen /ṣl/, /ṣm/, /ṣn/, /ṣp/, /ṣt/ und /ṣw/ zugrunde.88 Bei der Kontrastierung der alem. und Augsburger Ausgaben ist dabei von besonderem Interesse, dass die Ausbreitung dieses Graphiewandels ihren Ursprung im Oschwäb. zu haben 87 88

Vgl. Frnhd. Gr. § L 54, Mhd. Gr. § L 121, § L 124, Moser (1951) § 147, 1. Für /ṣp/ und /ṣt/ entwickelte sich aus silbenstrukturellen Gründen keine graphische Markierung für den Lautwandel. Diese beiden Lautkombinationen werden daher aus der Untersuchung ausgeschlossen.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

265

scheint.89 Moser gibt mitunter genaue Angaben zur Umstellung auf trigraphische Schreibung in bestimmten Städten an. Für unsere Belange sind die Angaben zu Augsburg, wo der Wandel schon vor 1480 vollzogen war, und Frankfurt/a.M. erhellend, wo in der ersten Hälfte des 16. Jhs. umgestellt wurde, also vor Einsetzen der Melusine-Tradierung in Frankfurt/a.M. Dementsprechend bietet sich uns in allen drei Augsburger Ausgaben des 15. Jhs. zu 100 % -Graphie bei 154–194 Belegen. Auch die Augsburger Ausgaben von Steiner (1538–1543) und Manger (1574) spiegeln diesen Lautstand wider. Alle Ausgaben des 16. Jhs. nach Hupfuff-1506 zeigen bei einer Beleganzahl zwischen 127 und 170 betroffenen Graphemketten zu 100 % trigraphische Repräsentation des Wandels von mhd. /ṣl/, /ṣm/, /ṣn/, /ṣw/ zu /ʃ/+Konsonant.90 Die einzigen Ausgaben in unserem Untersuchungszeitraum, die vom nhd. Standard mit abweichen, sind diejenigen Richels, Knoblochtzers und Hupfuffs. Prüss-1478 verwendet wie die Augsburger Ausgaben zu 100 % . Ausgabe Richel-1473/74 Knoblochtzer-1477 Knoblochtzer-1478 Knoblochtzer-1482 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506

54 140 2 182 171 189

146 38 174 5 8 12

Total 200 178 176 187 179 201

% 27 78,7 1,1 97,3 95,5 94

Tab. 37: Palatalisierung von mhd. /ṣ/ zu /ʃ/ im Untersuchungszeitraum I

In Richel-1473/74 lässt sich die Palatalisierung von mhd. /ṣ/ im Anlaut vor /l/, /m/, /n/, /w/ nur in 54 der annotierten 200 Fälle durch den Trigraph nachweisen. Dabei treten sowohl Varianzen in der Schreibung eines Lexems auf, als auch lexembedingte Schreibung mit Trigraph. So findet sich mhd. snel und snîden stets mit Trigraph gesetzt. Dagegen tritt kein anderes Lexem durchweg mit -Schreibung auf. Die wieteren Belege mit Trigraph können in Ausnahmen von der Leitgraphie und gleichberechtigte Varianten zur Leitgraphie mit unterteilt werden.91 Die Trigraphie ist auf keine der 89

90 91

Dabei gilt es jedoch die Entwicklung in der Handschriften- und Drucktradition zu differenzieren. Auch die Träger der Schriftlichkeit zeigen verschiedenen Umgang mit diesem Graphiewandel, so schreibt Moser beispielsweise, die Kanzleien übten den meisten Widerstand gegen die neue Graphievariante aus. Vgl. Moser (1951) § 147, 1. Einzige Ausnahme stellt ein Beleg in Endter-1672 dar, der unter den 142 annotierten Belegen auftritt: Swerten. In Opposition dazu stehen zwölf Belege mit Trigraph: Schwerd. Ausnahmen: beſchluſſent (i10a) vs. beſlieſſē (b1a), beſlieſſen (2; b1b, d3b), beſloß (f6b), beſloſſe (f8b), beſloſſen (f8b); Partizip II von ›schlagen‹ geſchlagē (3; d8a, e6b), geſchlagen (d8b) vs. geſlagen (d9a); ſchlůgēt (c1a), ſchlůg (i10b); ſlůg (12; e3a, f3a, f3b, f4b, h1a, h1b, i10b), ſlůgent (2; d1b, e3a), ſlahe (f3a); anſchlag (d6a), ſchlag (e3a) vs. ſlag (3; f3b), ſlages (f3b); ſchweren ›schwer‹ (d3b) vs. ſwer (2; g2a, i1a), ſweren (k1b), ſwermu̓ tig (a10b); verſchwigen (d3b) vs. ſwigen (2; f6a,

266

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

vier betroffenen Lautkombinationen beschränkt, wobei nicht auftritt, was allerdings an der Beschaffenheit des Korpus liegt, da die Lautkombination /ṣm/ in den Textausschnitten aus Richel-1473/74 in nur drei Belegen nachweisbar ist: ſmale (2) und verſmohett. Bei /ṣn/ tritt nur der Trigraph auf, wobei lediglich die Lexeme ›schnell‹ und ›schneiden‹ belegt sind. Entgegen der sonstigen Nähe der Ausgabe Knoblochtzer-1477 zum Lautstand in der editio princeps stehen hierin 140 Belegen mit Trigraph nur noch 38 mit monographischer Schreibung gegenüber.92 Die Varianten mit Monograph erscheinen besonders häufig auf den Lagen a, c, d und g. Diese können deckungsgleich mit den Befunden zu anderen Besonderheiten in diesem Druck einem Setzer 1 zugeordnet werden, wohingegen die Lagen b, e, f von einem anderen Setzer gefertigt wurde.93 Isoliert innerhalb der gesamten Melusine-Überlieferung steht die Ausgabe Knoblochtzer-1478, da nur zwei Belege mit erfolgter Palatalisierung nachgewiesen werden konnten: ſchlos (a3a) und geſchlechtes (a3a). Alle anderen 174 Belege weisen auf, so dass die Palatalisierung in diesem Druck zu 98,9 % nicht durch die Graphie dargestellt wird bzw. nicht Bestandteil der Lautung des Setzers war. Folgt man Virgil Mosers Befunden, so ließe sich aufgrund dieser deutlichen Beleglage ein Setzer/Korrektor aus dem bair. oder schwäb. Sprachraum rekonstruieren (vgl. Moser 1951: 222–223). Ebenso wäre ein heimischer Setzer, auch wenn die Diphthonggraphien dieses Druckes dem widersprechen, aufgrund dieses Befundes nicht ausgeschlossen, da die Urbare des 13. bis 15. Jhs. in Straßburg nahezu ausnahmslos die monographische Variante zeigen (vgl. Kleiber 1979,2: Karten 173–177). Die Ausführungen Mosers machen jedoch deutlich, dass dieser Graphiewandel sehr verschieden ausgeprägt und wechselhaft Anwendung fand, so dass ein Rückschluss auf die Herkunft der für die durchgängig

92

93

f9b), ſwigende (f1b). Gleichberechtigte Varianten: erſchluͤ gēt (d10b), erſchlagē (d10b), erſchlagenen (e1a), erſchlůg (e2a), erſchlagen (e2b) vs. erſlagē (d10b), erſlagen (d10b), erſlůg (d10b), erſluͤ g (f4a); geſchlecht (e5b), geſchlechte (3; a1b, b10a, i10a), geſchlechtes (b10a) vs. geſlecht (3; f10b, k1b, k9a), geſlechte (a1a), geſlechtes (3; g2a, i10a); ſthlu͛ ſſel (f9a) vs. ſlu̓ ſſel (f2a). Ausnahmen: erſlůgen (c6b) vs. 13 Gegenbelege, ſlag (c6b) vs. sechs Gegenbelege, ſloſz (3; d4b, g4b) vs. 16 Gegenbelege und ſwert (3; c6b, d5a, f3a) vs. 13 Gegenbelege mit . Gleichberechtigte Varianten: beſlieſſen (d6b), beſloſſen (g1a), beſloſz (g1b) vs. beſchliſſen (b1b), beſchlȯſz (f7b), beſchluͤ ſſent (k1a); ›schwören‹ geſwoɾen (c1b), geſwoɾn (2; c1b, g3a), ſweren (d7b), ſwůr (c1b) vs. geſchworen (f3b), geſchwoɾn (b1a), ſchweren (b1a), ſchwerē (b1a), ſchwur (2; b1a), ſchwůr (e8b); ſwigende (a8a), ſweig (f8b, g1b), ver=ſwigen (d6b) vs. ſchwigē (f7a), ſchwigēde (f3a), ſchwigen (g2a); ſwin (2; a8b) vs. ſchwin (f7a). Durchweg monographische Schreibung zeigen die jeweils nur an einer bestimmten Stelle bzw. nur zweimal im Werk belegten Lexeme ›schmal‹, ›schwanger‹, ›schweben‹, ›schwer‹, ›Schwester‹ und ›Schlange‹: ſmalen (b1b), ſwanger (c1b), ſweben (g4b), ſweren (d6b), ſwer (g4a), ſweſter (5; k1a, k1b) und ſlāg (f2b), ſlange (g2b). Zu den restlichen Lagen lässt sich aufgrund dieses Phänomens aus Mangel an Belegen in den aufgenommenen Textausschnitten keine Aussage machen.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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verwendeten Monographen , , und zuständigen Person problematisch erscheint.94 Knoblochtzer-1482 stellt im Vergleich mit der Vorgängerausgabe eine 180-GradWende dar. 182 Belegen, in denen die Palatalisierung von /ṣ/ vor bestimmten Konsonanten darstellt, stehen nur fünf Belege gegenüber, in denen der Trigraph diesen Lautwandel nicht repräsentiert.95 In Knoblochtzer-1491 ist die Palatalisierung ebenfalls weitestgehend durchgeführt (171:8).96 Die einzige Ausgabe im 16. Jh., die noch Belege mit monographischer Repräsentation des Lautes /ʃ/ in bestimmten distributionellen Bedingungen zeigt, ist Hupfuff1506. Die Palatalisierung ist in Hupfuffs Ausgabe in 189 annotierten Belegen nachweisbar erfolgt, wohingegen lediglich zwölf Graphien noch abweichen.97 Die Straßburger Drucke zeigen auch hier eine Mischform zwischen überregionalem Schreibstandard und Einflüssen aus der regionalen Schreibsprache. Gerade dieses Untersuchungsphänomen zeigt, wie stark die Druckersprache einer Offizin (Knoblochtzer) in der Inkunabelzeit setzerbedingt variieren kann. Ob dies vom Drucker mit Bedacht auf überregionale Marktanteile bewusst gesteuert wurde, lässt sich für den vorliegenden Fall nur schwerlich beweisen. b.

Besonderheiten in der Entwicklung der Graphie der dentalen Plosive im gesamten Untersuchungszeitraum (1473/74–1692/93)98

Zunächst sollen die Fälle besprochen werden, in denen im Korpus statt nhd. gesetzt wurde. In der Verwendung der Lettern d und t zur Repräsentation der dentalalveolaren Plosive unterscheiden sich die Graphiekonventionen der beiden Sprachland94

Betrachtet man den Befund in der Handschriftenüberlieferung, den Moser darlegt, so zeigt sich, dass eine klare Landschaftszuweisung über diesen Graphiewandel kaum möglich ist: „Am ehesten setzte sich die Schreibung sch wohl in den obd. Privathss. durch, wo sie mindestens in bair. und schwäb. der 2. Hälfte des 15. Jh.s scheinbar regelmäßig oder doch überwiegend durchgeführt wurde, während die nürnb. und md. (mit Ausnahme der schles.) noch gewöhnlich das traditionelle s beibehalten, es aber dann im 1. Viertel des 16 Jh.s im wesentlichen zugunsten von sch aufgeben. Indes bedient sich z. B. ein els. Schultheiß unter Kanzleieinfluß noch bis zur Mitte des 16. Jh.s auch bei seiner literarischen Betätigung regelmäßig der alten Schreibung und mfr. schlüpft sie isoliert sogar noch im 17. Jh. durch.“ 95 Die Ausnahmen sind ſmal ›schmal‹ (2; b1a), ſweren ›schwören‹ (c7a), ſlag ›Schlag‹ (e3a) und ſlos ›Schloss‹ (g8a). Nur das Lexem ›schmal‹ erscheint in seinen beiden Belegen ohne . 96 Ausnahmegraphien: ſwerē (c2b), ſnel (c5a), ſwert (3; d2b, d3b, d4a), ſmal (a6b), ſmaler (g1a), ſlos (g3a). 97 Ohne Palatalisierung in Hupfuff-1506: erſlagnē (G1b), ſlu͛ g (G3a), geſlecht (G5b), ſwert (4; H4b, H5b, L1b, L6b), geſwoɾen (H4b), ſloß (I4a), ſwigē (I4b), ſwāger (C6b), ſwerlich (K1b). Eine Setzerabhängigkeit lässt sich dabei nicht etablieren, da beispielsweise zum Lexem ›Schwert‹ Gegenbelege auch auf den gleichen Seiten erscheinen, auf denen die monographischen Varianten erscheinen: ſchwert (16), ſchwerte, ſchweɾt. 98 Vgl. Frnhd. Gr. § L 46, § L 47, Mhd. Gr. § L 63, § L 73, § L 74, 4, § L 112–117.

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schaften, in denen die Melusine im 15. Jh. gedruckt wurde. Mhd. /d/ entstammt dem germanischen Frikativ */þ/, der im 8. Jh. im Obd. positionsunabhängig zu /d/ wurde. Die frk. Dialekte zeigen diesen Wandel im Laufe des 9.–11. Jhs. Das Wmd. weist dabei eine Besonderheit auf, da hier das von den germanischen Mediae (*/đ/) herrührende vorahd. /d/ während der zweiten Lautverschiebung nicht zu /t/ verschoben wird und so mit dem aus dem Frikativ */þ/ entstandenen /d/ zusammenfällt. Im Obd., Omd. und Ofrk. (später auch im Nhd.) sind die Konsonanten klar nach Herkunft durch die Graphien und unterschieden. Zur Entwicklung im Wobd. siehe auch Fußnote 105. Eine weitere Entwicklung im Bereich der dentalen Verschlusslaute ist die Lenisierung des /t/ nach Nasalen, die bereits im Ahd. vonstattengeht. In unserem Korpus spiegelt sich dieser Vorgang in den Präpositionen ahd. untar > mhd. under > nhd. ›unter‹ und ahd. hintar > mhd. hinder > nhd. ›hinter‹ wider. In allen Ausgaben des 15. und 16. Jhs. wird für diese beiden Lexeme die Graphie für den stimmhaften Plosiv gesetzt. Erstmalig in vermehrtem Maße abweichend von dieser Konvention zeigt sich die Ausgabe Manger-1574. Die Präposition ›hinter‹ ist zwar noch stets mit gesetzt, ›unter‹ tritt hier jedoch erstmals in mehreren Belegen99 mit Fortisplosivschreibung auf.100 Dabei ist die Varianz zwischen , und noch hoch. So treten auch zahlreiche Belege auf, die eine stimmhafte Artikulation vermuten lassen.101 Das Auftreten der Varianten innerhalb der Lagen lässt keine Rückschlüsse auf Setzerabhängigkeiten zu, da beispielsweise auf den Bll. G5b und E3a sowohl - als auch -Varianten auftreten. Unter den fünf zeitlich nach Manger liegenden Ausgaben des 16. Jhs. weisen alle bis auf Feyerabend-1587 durchweg -Graphie auf. In Feyerabend-1587 lautet die Leitgraphie vnter (28/2). Diese Entwicklung zeigt sich sodann auch in der ersten uns aus dem 17. Jh. überlieferten Ausgabe Pfeiffer-1649. gilt ausnahmslos ab Pfeiffer1649, ›hinter‹ ab Endter-1672. In dieser Entwicklung verhält sich der gesamte obd. Raum im 15. und bis kurz vor Ende des 16. Jhs. weitestgehend konform. Es ist keine sprachlandschaftliche Opposition festzustellen. Bei anderen Lexemen, in denen ein dentaler Plosiv im Silbenonset erscheint, ist dies in der Inkunabelzeit jedoch durchaus der Fall. Im Straßburger Überlieferungsstrang ist die Verschiebung von /d/ zu /t/ im Rahmen der zweiten Lautverschiebung in bestimmten Lexemen nicht immer graphisch repräsentiert. In Richel-1473/74 ist dies in allen Präterital- und Konjunktivformen von mhd. tuon, bei den Lexemen ›Tod‹ und ›tot‹ z. T. und bei den adjektivischen und verbalen 99

Wenn überhaupt tritt in ›unter‹ innerhalb der chronologisch vorhergehenden Ausgaben nur in Einzelbelegen auf, so z. B. in Steiner-1540 der Beleg vndterſtehen, in Gülfferich-1554 der Beleg vnterſtehen oder in Rebart/Han-1571 der Beleg vnterſtehe. 100 vnter (12, B8a, D5b, E3a, F2b, F3b, F4b, F6b, G5b, G7a, H5b), vndter (3; G7a, H3a, N7a), vndterhalb (A1b), vndterſcheyd (E6a), vnterſich (I8a), vndterſtehen (F5a), vndterwegen (F1a), vnterwegen (F7a). 101 vnder (G5b), vnden (I8a), vnderredt (E3a), vnderrichtet (F4b), vnderſtehe (F4a), vnderſtehet (F5a), vnderſtehn (L8a), vnderſtund (L8b), vnderthenig (2; C8a, D8b), vnderziehen (G4a).

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Derivaten ›töten‹ und ›tödlich‹ nachweisbar. In Prüss-1478 zeigt sich das gleiche Bild. Die Präterital- und Konjunktivformen des Wurzelverbs tuon erscheinen bis auf eine Ausnahme (taten) stets mit wortinitialer -Schreibung. Varianz weisen die Lexeme ›Tochter‹ und ›Tod‹ inklusive Derivaten auf.102 Auch in Knoblochtzer-1477 sind dieselben Lexeme betroffen.103 Eine klare Distributionsregel für die Varianten zum Wortfeld ›Tod‹ ist nicht zu erkennen. Dies ist wie bei Richel und Prüss lediglich für das Verb ›tun‹ feststellbar. Die Präteritalformen und Konjunktivbelege zeigen durchweg den Lenisplosiv , wohingegen die Infinitiv-, Präsens- und Partizip II-Belege bzw. aufweisen.104 In Knoblochtzer-1478 ist dieses in Opposition zu den Augsburger Druckersprachen stehende Merkmal ebenfalls vorhanden, allerdings im Vergleich mit der Vorgängerausgabe stark reduziert. In neun Belegen zu den Lexemen ›Tod‹, ›tot‹ und ›tun‹ erscheint noch initial . Die Abweichungen von der -Graphie gehen auf die Vorlage zurück. In Knoblochtzer-1482 wird der Abbau dieser Varianz nicht weiter vorangetrieben, bleibt allerdings vergleichbar mit dem Befund in Knoblochtzer-1478. Auch in Knoblochtzer-1491 wird die in der zweiten Ausgabe dieses Druckers konstituierte Graphie in diesem Untersuchungsbereich weitestgehend übernommen.105 In den Augsburger Drucken begegnen nur wenige Einzelbelege, in denen das vorahd. /d/ nicht zu /t/ verschoben wurde. Bämler-1474 weist drei Belege auf: erdaubet, gedoͤ nes und dō ›Ton‹. Der letzte Beleg findet sich auch in Bämler-1480, die ersten beiden wurden in ertaubet und getoͤ n geändert. Schönsperger setzt die etymologisch verwandten beiden Belege mit (don und gedoͤ n) und übernimmt die -Graphie für ›ertauben‹ (ertaubet).106 In den Ausgaben des 16. Jhs. erscheinen neben den Belegen zum Lexem ›Ton‹ nur wenige Belege, in denen statt nhd. die Graphie für den stimmhaften Dental gewählt wurde. Bei Hupfuff-1506 begegnen die Belege dantzen, gedoͤ ne, don (2), doɾen ›Tor/

102

datē, datten, det (6), dete, dett (3), dette, doten; dochter (2) vs. tochter (9); todes (2), tode (5), tod (3) vs. doten, doͤ tlich, dotes, dott, dot (5), doͤ ten, gedoͤ t. 103 ›tot‹: doͤ t, dot (3), dott, dȯtten vs. tȯd, toͤ d, tot; ›Tod‹: dȯt, doͤ ttes, doͤ tz, doͤ t vs. tod (3), toͤ de, tode, todes, tȯd (2), toͤ d (3); ›töten‹: doͤ tten, gedoͤ t vs. toͤ d; ›tödlich‹: doͤ tlich. 104 Weitere Einzelbelege: dāzē, diſch, doɾechte, erdoubet, ſondag. 105 Diese Erscheinung belegt auch der Befund des Historischen Südwestdeutschen Sprachatlas, der für Straßburg die Präferenz des stimmhaften dentalen Plosivs für germanisch */đ/ belegt. Linksrhein. von Straßburg nach Norden ins Wmd. gehend ist dies ebenso der Fall, so dass über Einfluss aus dem Wmd., das grundsätzlich das vorahd. /d/ nicht zu /t/ verschoben hat, spekuliert werden kann. Vgl. Kleiber (1979: 250–256) und Karten 154–158. Vgl. dazu auch Mhd. Gr. § L 73, Anm. 2. 106 Beim Lexem ›Ton‹ handelt es sich jedoch um keinen Beleg für unterbliebene zweite Lautverschiebung, da dieses Lexem auf Entlehnung aus dem Lateinischen zurückgeht und in ahd. Zeit noch in der lateinischen Form tonus verwendet wurde. Vgl. Kluge (20011: 920).

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Narr‹ und duſent.107 In Knobloch-1516 sind mit ›tanzen‹ und ›Ton‹ die gleichen Lexeme betroffen wie bei Hupfuff (gedoͤ ne, dantztē, dantz, don). Die weitere Handhabung dieser Belege ist ein aussagekräftiger Indikator für die Vorlagenabhängigkeiten. Während die ersten drei Steiner-Ausgaben weitestgehend die Schreibungen aus Knobloch-1516 übernehmen,108 werden in Steiner-1543 auch einige Neuerungen vorgenommen: gedantzt (in den drei vorigen Steiner-Ausgaben getantzt) und dochter (zwei Belege in unmittelbarer Nähe zueinander auf Bl. V4b und X1a; in den Steiner-Ausgaben zuvor tochter).109 In Gülfferich-1549 erscheinen alle Belege parallel zu Steiner-1543: gedoͤ ne, gedantzt, don, erdaubt. In Gülfferich-1554 wird in erdaubt eingesetzt, in Han-1564 für gedantzt. In den weiteren Ausgaben der Gülfferich-Han-Überlieferungslinie treten stets die beiden Belege gedoͤ ne und gedoͤ n auf. Die Sondergruppe Müller-Egenolff weist eine ähnliche Beleglage auf: gedoͤ ne, gedoͤ ns, don und erdaubet erscheinen hier abweichend vom Nhd. mit . In Egenolff-1580 wird der Beleg don mit thon wiedergegeben. In den Ausgaben des 17. Jhs. tritt keine Abweichung vom nhd. Usus auf. Die Einzelentwicklungen und -belege aus allen Ausgaben überblickend, bleibt festzuhalten, dass mit der Übernahme der Augsburger Texttradition durch einen Straßburger Drucker Anfang des 16. Jhs. das bis zum Ende der Straßburger Texttradition mitgetragene regionale Charakteristikum der ausgebliebenen zweiten Lautverschiebung bei bestimmten Lexemen aus der Drucküberlieferung der Melusine verschwand. Die wenigen Belege des 16. Jhs. zeigen einerseits deutlich die Abhängigkeit und Vorlagentreue bestimmter Drucke, andererseits auch den gezielten Variantenzuwachs bzw. -abbau bei bestimmten Druckern. Die Schreibtradition der Augsburger Drucker des 15. Jhs. ist kongruent mit der Schreibung der hier im Fokus stehenden Lexeme im Nhd. In der Folge sollen Lexeme besprochen werden, in denen innerhalb des Korpus statt nhd. gesetzt wurde. Im Obd. und Omd. gilt eigentlich eine klare Opposition von /t/ und /d/, die jedoch „teils vereinzelte, teils häufige Ausnahmen, und zwar vor allem initial, sehr oft vor r, seltener medial“ antreffen lässt, z. B. in „tach, verterben (vor allem omd.), [...] trohen, trucken“ (Frnhd. Gr. § L 47, Anm. 3). Abweichend vom Nhd. steht in einigen Lexemen des Korpus statt , was auf verschiedenste Einflüsse zurückgeführt werden kann. Allen diesen Belegen liegt westgerm. */þ/ zugrunde, das aus der ersten Lautverschiebung aus dem indogerm. /t/ hervorging und zum Ahd. hin zu /d/ abgeschwächt wurde. Für das Adjektiv zur Bezeichnung der Volkssprache findet sich durchweg . Diese Schreibung wird gemeinhin auf gelehrten Einfluss von 107

Zum letzten aufgeführten Beleg (duſent) ist anzumerken, dass der Initiallaut aus germ. */þ/ entstand, so dass nhd. /d/ zu erwarten wäre. Vgl. Kluge (2011: 909). 108 Steiner-1538: gedoͤ ne, dātzē, don, erdaubet; Steiner-1539: gedoͤ hne, dantzē, don, erdaubet; Steiner1540: gedoͤ ne, dātzē, don, erdaubet; Steiner-1543: gedoͤ ne, dantzen, gedantzt, don, erdaubet, dochter (2). 109 In Messerschmidt-1539 sind lediglich die Belege don und gedoͤ ne überliefert, was der fragmentarischen Form des einzig überlieferten Exemplars dieser Ausgabe geschuldet ist.

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mlat. theo-, teudiscus zurückgeführt. Die heutige Schreibung mit konsolidierte sich erst „nach langem Schwanken zwischen teutsch und deutsch“ (Mhd. Gr. § L 117). Für die Lexeme ›drohen‹, ›drucken‹, ›Drang‹ und ›drängen‹ kann Analogie zu altem unverschobenem germ. */t/ in der Verbindung /tr/ oder dialektaler Einfluss geltend gemacht werden.110 Das Wort ›deuten‹ wurde nach Kluge auf ahd. diot ›Volk‹ bezogen (vgl. Kluge 2011: 194) und könnte aus Analogie zu teutsch mit kodiert sein. Bei ›Drache‹ handelt es sich um ein vor der zweiten Lautverschiebung übernommenes Fremdwort. Bei diesen Lexemen besteht hohe Varianz, wobei der „Fortbestand dieser Schreibungen […] von der immer wieder neu vollzogenen Anlehnung an die fremde Vorlage“ (Frnhd. Gr. § L 47, Anm. 3) abhängt. Die betroffenen Belege ziehen sich durch den gesamten Straßburger Überlieferungsstrang.111 Bei Richel besteht Varianz zwischen und nur für das Lexem ›Dichter‹ (3/1). Diese Variante wird bei Prüss und Knoblochtzers erster Ausgabe an exakt gleicher Stelle übernommen, bevor in Knoblochtzers zweiter ohnehin in vielen Untersuchungsphänomenen von der traditionellen Schreibsprache am Oberrhein abweichenden Ausgabe einheitlich tichter gesetzt wird. Dieser Vereinheitlichungsprozess wird in den letzten beiden Ausgaben dieses Druckers rückgängig gemacht, so dass durchweg die Letter für den dentalen Lenisplosiv im Anlaut des Lexems ›Dichter‹ erscheint. In den beiden letzten Knoblochtzer-Ausgaben erscheinen die beiden Gegenbelege durſtbɾunnē und dɾuckt, ansonsten treten in den Straßburger Ausgaben des 15. Jhs. und bei Richel für diese Lexeme in Bezug auf die Graphie des silbeninitialen Dentallautes keine weiteren Varianten auf. In den Augsburger Ausgaben sind überwiegend die gleichen Lexeme betroffen. Abweichend von den wobd. Melusine-Ausgaben werden die Lexeme ›drohen‹ und ›bedeuten‹ stets mit gesetzt. Die drei Augsburger Ausgaben der Inkunabelzeit zeigen in ihren Belegen zu diesem Schreibcharakteristikum hohe Konformität. Einzige Abweichung stellt das Lexem ›drucken‹ dar, das lediglich in Bämler-1474 in zwei Belegen mit kodiert wurde.112 Bei den beiden in Straßburg gedruckten ersten Ausgaben des 16. Jhs., die an die Augsburger Überlieferungslinie anknüpfen, zeigen sich im Vergleich zu den Vorgän-

110

Vgl. Kleiber (1979: 250–254, 258f.); Karten 154, 165–171. Richel-1473/74: betu̓ tet, getrenget, tach, tachūg, tichter, trache, trach, trang (2), trouͮ wete, trucketent, tu͛ rſt, turſt (2), tu̓ tſche, tu͛ tſche, tu͛ tſchen, tu̓ tſcher, tu͛ ttſche; Gegenbelege: dichter, dryfaltigkeit, dychter (2); Abweichung in Knoblochtzer-1478: tichter (4); Gegenbelege: dɾyfaltikeit; Abweichung in Knoblochtzer-1482: Gegenbelege: dichter (4), dɾuckt, durſtbɾunnē, dyɾfaltickeit; Abweichung in Knoblochtzer-1491: dɾuckt. 112 Bämler-1474: trang, trangs, tach (2), tichter (2), tichteɾ, Tichter, Teutſchē, teűtſch, teűtſche, teűtſchē, teűtſcher, teűtſcheɾ, tew̋ tſch, tuɾſtpɾunnē, Tennmarck, getrenget, getrengt, triualtikey̋ t, track (2), Tracken; Gegenbelege: bedeűttet, dɾoet, druck, Gedruckt, dichter; Abweichung in Bämler-1480: truckten, Getruckt, tichter, Gegenbelege: bedeűtt, dɾoͤ et; Abweichungen in Schönsperger-1488: Gegenbelege: bedeüt, dɾoͤ et, dach, dɾiualtigkeit. 111

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gerausgaben einige Veränderungen.113 Der von Thüring von Ringoltingen fehlerhaft übersetzte Eigenname des Brunnens, an dem sich Melusine und Reimund zum ersten Mal begegnen, erscheint in Hupfuff-1506 erstmals durchgehend mit . Von den drei Belegen des Lexems ›Dichter‹ wird in Knoblochs Ausgabe der dritte Beleg von tichter zu Dichter verändert. Diese beiden Varianten erscheinen sodann an gleicher Stelle auch in Steiner-1538, wie sich ohnehin in den Ausgaben Steiners die Abhängigkeit von Knoblochs Text zeigt; es begegnen nahezu exakt die gleichen Belege wie bei Knobloch.114 Mit Steiner-1543 treten weitere Veränderungen auf. Die Lexeme ›Drang‹ und ›Dichter‹ begegnen nun durchweg konform mit nhd. Schreibung. Die Ausgabe Messerschmidt-1539 steht in der Tradition Knoblochs, weist allerdings als einzige Ausgabe im Korpus die ins Nhd. eingegangene Schreibung (Deutſche, Deutſch) auf. Es zeigt sich, dass in selten belegten variabel kodierbaren Lexemen, die sich nicht auf in der Sprache hochfrequent vorkommende Gesetzmäßigkeiten zurückführen lassen, die Einzelbelege oft von der Vorlage abhängig sind. Die weitere Überlieferung im 16. und 17. Jh. bestätigt dies. Bei den Belegen aus der ersten Frankfurter Melusine wird die Abhängigkeit von Steiners letzter Ausgabe besonders deutlich. Auch hier erscheinen die Belege zu ›Dichter‹ und ›Drang‹ mit stimmhaftem dentalem Verschlusslaut, wobei der letzte verbliebene Beleg mit in Steiner-1543 in Gülfferich-1549 ausgeglichen wird.115 Bemerkenswert ist des Weiteren die Rückkehr zu den Graphien und in Feyerabend-1587, nachdem in allen Ausgaben des Frankfurter Überlieferungsstranges alle fünf Belege des Lexems ›Dichter‹ bzw. alle vier Belege des Lexems ›Drache‹ einheitlich in der auf das Nhd. vorausweisenden Graphie gesetzt worden waren. Bis Reffeler/Han-1577 waren die vom Nhd. abweichenden Graphien bis auf die Belege des Lexems ›deutsch‹ und die Einzelbelege getrenget und Tach abgebaut. Hupfuff-1506: trangs, trange, trucken, getruckt, troͤ wet, trache, trachen (2), trach, Trach (2), Trachen (2), Teütſch, teütſch (2), teütſche (2), teütſcher, Teütſchen, Tenmarck, tichter (5), getrengt (2), trifeltigkeit; Gegenbelege: bedeu͛ t, drang, durſtprunnen, Durſtpɾūnen, durſtpɾunnen, Durſtpɾunnen, dach (2). Knobloch-1516: trangs, trang, getrengt, teütſche, Teütſche, teütſch (2), Teütſcher, troet, Getruckt, Ten̄ marckt, tichter (4), tach (2), tracken (2), track (2), Tracken; Gegenbelege: bedeüt, Durſtbɾunnen (2), Dichter, dɾeyfaltigkeit. 114 Steiner-1538: trangs, trang, getrengt, teüſche, Teütſche, teütſch (2), Teütſcher, Teütſchen, troͤ et, tichter (2), Getruckt, Ten̄ marckt, triualtigkeit, tach (2), track (2), tracken (2), trackenn, Gegenbelege: bedeüt, Durſtbrun̄ en, Durſtbɾun̄ en, dichter (2), Dichter; Abweichungen in Steiner-1543: Dennmarckt, dɾangs, dɾang, dichter (3), Dichter, dracken (3), drack (2). 115 Ab Han-1562 wird der Beleg des Lexems ›drohen‹ mit gesetzt, wobei zwei Ausgaben später in Rebart/Han-1571 eine Fehlinterpretation dazu führt, dass der einzige Beleg des Lexems ›drohen‹ verschwindet. Aus dem Beleg dreuwet in Han-1564 wird in Rebart/Han-1571 rewet, also ein anderes Lexem (›drohen‹ > ›(be-)reuen‹). Der Beleg triualtigkeit aus Steiner-1543 wird zunächst in den beiden Ausgaben Gülfferichs mit Substantivgroßschreibung übernommen, bevor er zunächst Diphthongierung erfährt und dann ab Han-1564 Lenisierung des Anlauts. Wie bei ›deutsch‹ ist hier wohl auch mit Interferenz der lateinischen Form trinitas zu rechnen. 113

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Die Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff sind mit den Graphien der anderen Melusine-Ausgaben der 1570er-Jahre weitestgehend konform, allerdings bei bestimmten Lexemen stärker vom nhd. Standard abweichend als die Ausgaben der Frankfurter Druckerfamilie Gülfferich/Han und deren Erben.116 Die Ausgaben des 17. Jhs. weisen in Bezug auf die hier im Fokus stehenden Belege ebenso wenig wie die des 16. Jhs. vollständig den nhd. Stand auf. ›Deutsch‹ bleibt bis zum Ende des Untersuchungszeitraums mit stimmlosem Dentalplosiv verschriftlicht, wohingegen in den vier Ausgaben jeweils spezifische weitere Abweichungen von den jeweils anderen Ausgaben auftreten. So wird in Pfeiffer-1649 ›Dach‹, in ohne Ort-1692 ›verderben‹ und in Nicolai-1692/93 ›Dichter‹ durchweg mit gesetzt. In Endter1672, der einzigen in Nürnberg gedruckten Melusine-Ausgabe des Korpus, tritt in manchen Belegen mundartbedingte Unsicherheit in der Umsetzung der dentalen Plosive in der Schreibung zu Tage: Bate ›Bad‹, Hinternis, Betraͤ ngnis oder auch weider ›weiter‹.117 c.

Die Folgen der Medienverschiebung im Bairischen im gesamten Untersuchungszeitraum (1473/74–1692/93)118

Ein schreibsprachliches Charakteristikum, das die Augsburger von der Straßburger Druckersprache unterscheidet, ist die

-Graphie im Anlaut für westgerm. */b/, die von der Medienverschiebung im Zuge der zweiten Lautverschiebung herrührt. Sie geht auf den Lautstand des Bair. nach der zweiten Lautverschiebung zurück. Im Bair. und Alem. werden die vorahd. entstandenen Plosive */b/, */d/, */g/ zu /p/, /t/, /k/ verschoben und gelten früh-ahd. in allen Positionen. Während der ahd. Periode kehrt das Alem. in allen Positionen zum stimmhaften Plosiv zurück, wohingegen das Bair. im Anlaut teilweise bis ins Spätmittelalter die stimmlose Aussprache beibehält. Diese dialektale Eigenheit findet sich in Bämler-1474 stark vertreten. Der bilabiale Plosiv ist im Silbenanlaut häufig als Fortis kodiert. Dabei ist ein Setzerunterschied feststellbar, da Lage e durchweg Formen ohne stimmlosen Plosiv aufweist, wohingegen die restlichen Lagen der Textausschnitte 1 und 2 überwiegend Fortisschreibung aufweisen. Auf das ganze Werk bezogen, scheint ein hypothetischer Setzer 1 ohne diesen mundartlichen Einfluss die Lagen a–e gesetzt zu haben, wohingegen Setzer 2 die Lagen f–l gesetzt haben könnte. Zum gleichen Ergebnis kam unabhängig von dieser Studie Mihm, der Lage m näher untersuchte und feststellte, dass die letzte Lage des Druckes unter den beiden Setzern aufgeteilt wurde (vgl. Mihm 2013: 171). Demnach müssten 116

Müller-1577: getrengt, tach (2), Teutſch, Teutſche, teutſch (2), Teutſcher, Teutſchlanden, Trach (2), Trachen (2). Zusätzlich in Egenolff-1578: tegen, türſtigklich. 117 Pfeiffer-1649: Teutſchland (2), Teutſcher (2), Tach (2); Endter-1672: Bate, Betraͤ ngnis, Hinternis, Teutſch=land, Teutſchland, Teutſch, Teuſcher, Teutſchland; ohne Ort-1692: Teutſchland (2), Teutſcher, verterben (6), verterbet (9), vertarb (2), vertorben (3), verterbt; Nicolai-1692/93: Teutſchland (2), teutſcher, Tichter (5). 118 Vgl. Mhd. Gr. § L 62, 2, § L 98; Frnhd. Gr. § L 45.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

abweichend von Fujii (vgl. Fujii 2005: 115–116) bei der Untersuchung von Druckerorthographie nicht nur der Lagenanfang und das Lagenende untersucht werden, sondern eigentlich das gesamte Werk. Für das Lexem ›Bruder‹ stehen 31 -Schreibungen 36

-Schreibungen gegenüber. Weitere Beispiele sind piß (8) – biß (4), pald (10) – bald (6) sowie peſſer (2) – beſſer. Lexeme wie ›barmherzig‹, ›Barmherzigkeit‹, ›Bauch‹, ›Busen‹, ›bücken‹, ›brechen‹, ›Brust‹ und ›Brunnen‹ erscheinen ausschließlich mit Fortisplosiv im Anlaut. Insgesamt treten 90 Belege auf, in denen eine mögliche

-Schreibung nicht realisiert ist. In 259 Belegen ist dies jedoch der Fall. Es zeigt sich, dass diese Eigenheit der bair. Schreibsprache hier in hoher Anzahl nachweisbar ist und in starkem Kontrast zu der Repräsentation der Konsonanten in der Schreibsprache Richels, Knoblochtzers und Prüss’ steht. Ansonsten begegnet dieses Charakteristikum der bair. Schreibsprache im Korpus nur in Augsburger Inkunabeldrucken und in der Straßburger Ausgabe Hupfuff1506, die eine Augsburger Vorlage verwendet. In Bämler-1480 ist dieses dialektale Charakteristikum bereits stark reduziert. Es finden sich nur noch 44 Belege, die

-Graphie statt nhd. aufweisen.119 Im Vergleich mit den Ausgaben Bämlers ist in Schönsperger-1488 die bei Bämler noch frequent auftretende Fortisplosivschreibung im Silbenanlaut für die bilabiale Plosivreihe beinahe vollständig abgebaut. So tauchen bei Schönsperger nur noch die Belege pruſt und helenparten auf. Völlig konträr zur partiellen Rückbesinnung auf die Straßburger Schreibtradition im Bereich des Vokalismus begegnet in Hupfuff-1506 eine partielle Adaption der initialen

-Graphie, die ansonsten im Korpus nur bei Augsburger Drucken nachweisbar ist. Mit 58 Belegen nimmt die Ausgabe quantitativ bewertet sogar den zweiten Rang hinter Bämler-1474 ein. Bei den Lexemen ›bald‹ (21/3) und ›vollbringen‹ (10/1) erscheint

nur als Ausnahmegraphie.

als ausnahmslose Leitgraphie ist für ›(ver-)brennen‹, ›Augenblick‹, ›blasen‹, ›Brunnen‹ und ›bleich‹ belegt. Die

-Schreibung ist damit in dieser Ausgabe nicht global oder relikthaft, sondern gezielt auf Lexeme, in denen dem Plosiv ein Liquid folgt, angewandt worden. In Knobloch-1516 sind nur noch drei Belege anzutreffen: helenparten, plieſent, ynpɾünſtige. Der Befund bei Hupfuff widerspricht der Entwicklung in den Augsburger Drucken deutlich, da in diesen bereits Vereinheitlichungsprozesse in Gange waren, die sich in Schönspergers Ausgabe als nahezu vollzogen zeigen (vgl. Behr/Habermann 2010: 320–321). Im 16. Jh. ist das Phänomen im Korpus nur noch selten belegt. In den vier SteinerDrucken begegnet es relikthaft in wenigen Belegen, was der dialektalen Umgebung und

119

Elf der Belege treten in Formen des Verbs ›verbrennen‹ auf. Die restlichen Belege lauten: augenplicks, Augſpurg, dienſtpeɾkeit, gepawt, gepietet, gepoɾen, gepɾacht, gepɾicht, gepurt, gepűrt, hellenparten, pald (4), palde, parmherczikey̋ t, pat, perg (2), perge, peſſer, pleich (2), pɾacht (4), pɾech, pɾechē, pɾűchig, verpeɾgent.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

275

Herkunft des Druckers und seiner Angestellten geschuldet sein wird.120 In den Frankfurter Ausgaben der Gülfferich-Han-Feyerabend-Gruppierung treten nur bei Gülfferich noch mehrere vom nhd. Standard abweichende

-Graphien im Silbenonset auf: Haͤ llenparten, plieſend, puͤ ſchel, par; 1554: haͤ llenparten, půſchel. Ansonsten wird in allen Ausgaben nur noch das Lexem ›Hellebarte‹ mit

kodiert. Eine Ausnahmeerscheinung liefert wiederum die Sondergruppe Müller-Egenolff, wobei Müller-1577 dieses Phänomen nicht aufweist. Es tritt uns jedoch in Egenolffs erster Ausgabe in einer Hand voll Belegen entgegen. Dies stellt einen weiteren Beleg dafür dar, dass Egenolff-1578 nicht ausschließlich nach Müller-1577 gesetzt wurde, sondern ihm neben den Holzschnitten auch eine Textversion von Steiner vorlag. In Egenolff1578 treten die Belege gepurt, gepürt, gepüret, plieſen, püſchel, peulen, kindtpet auf, die Parallelen zu den Belegen in Steiners Ausgaben aufweisen. In der Folgeausgabe Egenolff-1580 sind diese auf den Beleg plieſen reduziert. In den Ausgaben des 17. Jhs. treten keine Abweichungen vom nhd. Standard auf. d.

Assimilationsvorgänge und deren graphische Repräsentation im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)121

Im Fokus dieses Kapitels stehen drei Assimilationsvorgänge: die totale Assimilation /mb/ > /m/, die partielle Assimilation /ntf/ > /mpf/ und die partielle Assimilation des /d/ zu /t/ in Folge der Enklise des Pronomens ›du‹ an mit /t/ auslautende Verbformen.122 Dabei ist von besonderem Interesse, wie lange zu frnhd. Zeit das konservative Element der Schreibtradition konserviert wurde und ob dies in bestimmten Schreiblandschaften länger der Fall war als anderswo.123 Dabei gilt es zwischen der etymologisch unbegründbaren Schreibvariante und der „unter etymologischem Aspekt eine Phonemfolge“ (Frnhd. Gr. § L 61, Anm. 2) repräsentierenden Schreibung zu unterscheiden.124

120

In den ersten drei Steiner-Ausgaben erscheinen potſchafft, gepurt, hellenparten, gepietent, Augſpurg, gepürt und plieſent; in Steiner-1543: gepurt, haͤ llenparten, hochgepoɾnen, Augſpurg, gepürt, plieſent. 121 Vgl. Mhd. Gr. § L 74, § L 94, § L 99, Frnhd. Gr. § L 44, § L 61, § L 72. 122 Einen ebenfalls als partielle Assimilation klassifizierten Vorgang, der im Korpus häufig belegt ist, stellt die Lenisierung des /t/ nach Nasal dar, die bereits im Kapitel zur graphischen Repräsentation der dentalen Plosive behandelt wurde. Siehe Kapitel D.2.2.2.; Mhd. Gr. § L 74, 4. 123 In der Frnhd. Gr. § L 44 heißt es, dass „für die südlichen Gebiete des Obd. eine gewisse Häufung und längere Erhaltung des mb festzustellen ist.“ 124 Inwiefern dem bei der etymologisch unbegründbaren Schreibvariante ein eigener Lautwert zugeschrieben werden kann, wird in der Forschung verschieden beantwortet. Virgil Moser (1951: 22) spricht vom „Einschub des Übergangslautes b, p“, Rudolf (1973: 84) bei Einschub des labialen Plosivs zwischen /m/ und /t/ von einem „Gleitlaut“, Emil Skála (1967: 144) hingegen bezeichnet die mb-Schreibung als „eine Schreibvariante, die die verweilende Artikulation des m bezeichnet, ehe die Mundstellung geändert wird; b stellt also nur [einen] scheinbaren Einschiebelaut dar“.

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

276

Die Entwicklung der Graphie einiger frequent belegter Lexeme, in denen etymologisches und unetymologisches innerhalb des Korpus auftritt, soll im Folgenden für den Untersuchungszeitraum I nachgezeichnet werden. Etymologisches zeigt sich dabei in der Präposition umbe und in den Substantiven kumber und sambstag.125 Belege für unetymologische -Graphien liefern das Suffix -tuom,126 das Adjektiv vremd127 und die Präsens-Singularformen der st. Verben komen und nemen mit /t/ im Auslaut. Im Untersuchungszeitraum I zeigt sich die -Graphie in umbe bei durchschnittlich 71 Belegen als Leitgraphie mit nur wenigen Ausnahmen. umbe



Richel-1473/74

76

vmfing

Knoblochtzer-1478

64

9128

Bämler-1480

74

vmkūmen

Schönsperger-1488

72

vmgeben

Knoblochtzer-1491

67

vm (4), vmſaſſen

Hupfuff-1506

55

9129

Tab. 38: Abweichungen von der Regelgraphie im Untersuchungszeitraum I

Bei der Graphie des Lexems kumber ist bereits am Ende des Untersuchungszeitraums I die nhd. Graphie in Folge der Assimilation Leitgraphie. erscheint in diesem Lexem von Beginn der Melusine-Überlieferung an lediglich in drei Ausgaben sporadisch. Das Lexem samstag wird innerhalb der Inkunabelausgaben nur selten mit -Graphie umgesetzt. Lediglich Prüss-1478 und Knoblochtzer-1491 haben in drei von vier Belegen - bzw. -Graphie.130 Die beiden Ausgaben des 16. Jhs. zeigen ein 125

Schützeichel (1995: 294) verzeichnet für die Präposition ›um‹ im Ahd. die Formen umbi, umpi, umbe, umba, umb(o), u(n)be. Kluge (2011: 548) weist auf die Herkunft des Wortes ›Kummer‹ hin. Die konkrete Bedeutung ist entlehnt aus vor-rom. comberos »Zusammengetragenes«, die seelische Bedeutung aus der französischen Weiterentwicklung des gleichen Wortes, vgl. afrz. encombrier »Beschwerde, Unglück (u.a.)«. Das Lexem ›Samstag‹ erscheint im Ahd. und Mhd. sowohl mit als auch ohne . Vgl. Lexer HWB (1992,2: 600), Kluge (2011: 785). 126 Nach Kluge (2011: 935) ist das Suffix -tum, das zur Bildung von Abstrakta diente, mit den Formen mhd. -tuom, ahd. -tuom, as. dōm ein ursprünglich selbständiges Wort ohne -Graphie. Bach (1985: 201): „Mehrfach wurde ein geschichtlich nicht berechtigtes -b an die ableitungssilbe -tum, äusserst selten an andere wörter angefügt. Es handelt sich um übertragungen aus wörtern wie vmb, lamb uä.“ 127 Kluge (2011: 317) bietet zu diesem Lemma die sprachhistorischen Formen mhd. vrem(e)de, vröm(e)de, ahd. fremidi, as. fremiđi, g. *framaþja-. 128 darum (5), vm, vmſeſſen, vmfieng, vmkomen. 129 vmſeſſen (2), vmfieng, vmgebē, vmgangſt, vmkamen, vmkumē (3). 130 Prüss-1478: ſampſtag, ſāpſtag (2); Knoblochtzer-1491: ſambſtag (3).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

277

konträres Bild, wobei wiederum die Schreibform in Knobloch-1516 für die weitere Überlieferung von Bedeutung sein wird. Dieser bietet nämlich entgegen der -Graphie in Hupfuff-1506 die -Graphie (Sambſtag), die dann auch im Untersuchungszeitraum II stets in dieser Form tradiert wird. kumber





Richel-1473/74

7

9

1

Bämler-1474

-

9

6

Knoblochtzer-1477

4

9

4

Knoblochtzer-1478

3

1

11

Prüss-1478

-

16

1

Bämler-1480

-

16

-

Knoblochtzer-1482

-

13

2

Schönsperger-1488

-

11

5

Knoblochtzer-1491

-

13

2

Hupfuff-1506

-

1

12

Knobloch-1516

-

12

-

Tab. 39: Graphie des Lexems ›Kummer‹ im Untersuchungszeitraum I

Es folgen die untersuchten Lexeme mit unetymologischer -Graphie. Im Suffix -tuom begegnet die Graphie in den Inkunabelausgaben lediglich als Ausnahmegraphie. Auffällig hierbei ist die Sonderrolle der Ausgabe Schönsperger-1488 in diesem Bereich, die als einzige Ausgabe vor 1500 durchgehend -Graphie im Suffix -tuom aufweist. Hupfuff folgt der Augsburger Vorlage und mit Knoblochs Übernahme der -Graphie für dieses Suffix wird diese für die weitere Überlieferung maßgebend.131 Beim Lexem ›fremd‹ dringt die Graphie mit erst in Knobloch-1516 vollständig durch, nachdem sie zuvor in allen Ausgaben entweder gar nicht oder nur in einem oder zwei Belegen erschien. Knobloch-1516 bietet in allen fünf Belegen die Form frembd-. Bei den Formen der 3.P.Sg.Präs. der st. Verben der Ablautreihe IV komen und nemen begegnet von Beginn der Überlieferung an die Graphie bzw. im Auslaut als Regelgraphie. Die einzige Abweichung stellt Bämler-1474 dar, worin die Leitgraphie kōmt (6) der Schreibung kumpt (3) gegenübersteht. Das etymologisch ge-

131

/-Graphie im Suffix -tum: Richel-1473/74 (2/3), Bämler-1474 (1/3), Knoblochtzer-1477 (1/4), Knoblochtzer-1478 (0/5), Prüss-1478 (1/4), Bämler-1480 (0/4), Knoblochtzer-1482 (0/5), Schönsperger-1488 (3/0), Knoblochtzer-1491 (0/5), Hupfuff-1506 (4/0), Knobloch-1516 (4/0).

278

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

rechtfertigte ist damit in der Regel früher im Korpus vertreten, während das unetymologische in -tuom und vremd erst im 16. Jh. endgültig zur Regelgraphie wird. Auch die partielle Assimilation des /d/ zu /t/ in Folge der Enklise des Pronomens ›du‹ an mit /t/ auslautende Verbformen ist in der Melusine häufig zu beobachten. In Richel1473/74 tritt Enklise des Pronomens ›du‹ an mit /t/ auslautende Verbformen mit Assimilation des /d/ zu /t/ in den Belegen biſtu (3), wu͛ rdeſtu, ſoltu, Soltu, haſtu (2), ſolteſtu auf. In der Ausgabe Prüss-1478 tritt dieses Phänomen in ähnlichem Ausmaße auf: biſtu (3), haſtu (3), ſoͤ lteſtu, u̓ berſeheſtu, wurdeſtu. Knoblochtzer-1477 zeigt einen deutlichen Anstieg der Zusammenschlüsse von Verb und Personalpronomen der 2. Person: biſtu (4), haſtu (3), machtu (2), ſoltu (9), Soltu, ſȯltu, ſolteſtu, wurſtu, wurdeſtu. Im Vergleich zu der ersten Ausgabe dieses Druckers wurden diese Graphien in seinem zweiten Melusine-Druck auf die Belege biſtu (2) und ſoltu (6) reduziert. Die Reduktion schreitet im folgenden Druck Knoblochtzer-1482 fort, in dem lediglich die Belege biſtu (2) und ſoltu begegnen. Diese drei Belege finden sich auch in Knoblochtzer-1491: biſtu, byſtu, ſoltu. Der gleiche Vorgang der Reduktion der enklitischen Verbindungen von Verb und Personalpronomen der 2.P.Sg. tritt auch in den Augsburger Inkunabelausgaben der Melusine zu Tage, wobei diese grundsätzlich weniger derartige Schreibungen als die Ausgaben der oberrh. Inkunabelüberlieferung aufweisen.132 In Hupfuff-1506, einer Ausgabe, in der man sich in der Straßburger Offizin in einigen Untersuchungsphänomenen auf die regionale oberrh. Schreibsprache rückbesann, treten die enklitischen Verbindungen wieder häufiger auf: biſtu (4), ſoltu, haſtu (5), wirſtu (2). In Knobloch-1516 treten keine Belege zu dieser schreibsprachlichen Besonderheit auf. Die auf lautlicher Basis vorgenommene graphische Verschmelzung zweier Wortformen ist damit aufgehoben. Die Druckersprache Knoblochs zeichnet sich auch hier durch einen erhöhten Grad an Autonomie der Schreibung von der Lautung aus. Ein weiterer Assimilationsvorgang, der in den Belegen des Verbs ›empfangen‹, mhd. ›entvâhen‹ auftritt, ist die partielle Assimilation /ntf/ > /mpf/. Dieser wird in Richel1473/74 kein einziges Mal vollständig vollzogen durch die Graphie angezeigt. Die graphischen Realisierungen bieten die Varianten (11) und (5). Prüss1478 zeigt ein vergleichbares Bild zu Richels Druck; die beiden Varianten treten in ähnlichem Zahlenverhältnis auf: (13), (3). In Knoblochtzer-1477 begegnet die gleiche Leitgraphie (19) neben diesmal zwei weiteren seltener belegten Varianten: (3), . In Knoblochtzer-1478 ändert sich das Verhältnis der beiden Varianten und zu 12:9. In Knoblochtzers beiden letzten Ausgaben begegnet in jeweils 17 Belegen als ausnahmslose Regelgraphie. Die Augsburger Melusine-Ausgaben des 15. Jhs. zeigen teilweise bereits die nhd. Graphie, Bämler-1480 durchweg. Dort gilt in allen 21 Belegen als Regel. Bämler-1474 zeigt ein Nebeneinander der drei Varianten (9), (3) und 132

Bämler-1474: ſoltu (4), můſtu, piſtu; Bämler-1480: ſoltu (4); Schönsperger-1488: biſtu, haſtu.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

279

(5), bei Schönsperger stehen sich (15) und (10) gegenüber. In den beiden ersten Drucken des 16. Jhs. wird in Anschluss an den Usus der Augsburger Inkunabeldrucke der Melusine, die alle die Variante als Leitgraphie – Bämler1480 sogar ausnahmslos – aufwiesen, nahezu durchgehend nach diesem gesetzt. Lediglich Hupfuff-1506 weist neben (12) noch vier Belege mit anderen Varianten auf: emfahet, emfangē, enpfingē, entpfahen. Der zweite dieser Belege findet sich in identischer Form auch bei Knobloch-1516, der ansonsten durchweg setzt. Bei diesem Assimilationsvorgang zeigt sich deutlich die Opposition der Straßburger und Augsburger Druckersprache, die zu Ende dieses Untersuchungszeitraums in den Melusine-Ausgaben durch die von den Straßburger Druckern durchgeführte Adaption an den Usus ihrer oobd. Kollegen überwunden wurde. e.

Kontraktionsgraphien im gesamten Untersuchungszeitraum (1473/74– 1692/93)133

Der Schwund von /b/, /d/, /g/ und /h/ zwischen Vokalen mit folgender Vokalkontraktion ist im Mhd. ein häufig anzutreffendes Phänomen, dessen phonetische Voraussetzungen bereits im Ahd. wurzeln. Die Kontraktionen bleiben v. a. auf den Infinitiv und das Präsens beschränkt, was neben der Beschränkung dieses Phänomens auf bestimmte Lexeme dafür spricht, eine morphologische Motivierung anzunehmen. Kontraktionen bei /h/ wie etwa vâhen > vân, slahen > slân, sehen > sên, geschehen > geschên erscheinen in unserem Korpus äußerst selten, Kontraktionen bei inlautenden Medien /b/, /d/, /g/ erscheinen insbesondere in der 2./3.P.Sg.Präs. Die betroffenen Lexeme, von denen im Korpus kontrahierte Formen belegt sind, sind legen, ligen, maget und sagen. Darüber hinaus lassen sich Kontraktionsformen der Verben lâzen und haben nachweisen, die infolge von Schwachbetontheit im Satz entstanden. Die in den Grammatiken postulierte rasche Zurückdrängung dieser Schreibformen in frnhd. Zeit, gilt es anhand der Melusine-Überlieferung zu überprüfen. Gleichzeitig kann auch für dieses Untersuchungsphänomen wiederum ein sprachlandschaftlicher Gegensatz dargelegt werden. Die editio princeps Richel-1473/74 ist in diesem Bereich dem Mhd. noch stark verhaftet. Die Kontraktionsschreibungen des Lexems sagen, die im Bair. auf -saget-, im Alem. jedoch auf ahd. *segit zurückgehen (Mhd. Gr. § L 77, Anm. 2), finden sich bei Richel in 13 Belegen.134 Weitere Kontraktionsformen bei inlautenden Medien sind leit (2), leyt, geleit, leyttent vff zu mhd. legen sowie lit zu mhd. ligen. Ebenfalls nachweisbar ist die Kontraktion über /h/ in den Belegen beſcheen und beſchen zum Lexem ›beschehen‹. Für die Lexeme ›haben‹ und ›lassen‹ erscheinen Kontraktionsformen für die 3.P.Pl.Präs. – hant (13), hand (3) –, den Infinitiv (lon) und die 3.P.Sg.Präs. (enlot). In Prüss-1478 erscheinen Kontraktionsformen des Verbums ›haben‹ ebenfalls nur für den 133 134

Vgl. Mhd. Gr. § E 21, § L 76–80, § M 108–113, Frnhd Gr. § M 150. zů ... geſeit, zů ... geſeyt, ſeit (4), ſeite (2), ſeyt (2), ſeyte, ſeyten, ſeyteſt.

280

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Plural Präsens: hant (15), hand (2), hāt (2). Die übrigen Belege decken sich mit den Belegen Richels.135 In Knoblochtzer-1477 sind auf Kontraktion zurückzuführende Graphievarianten ebenfalls häufig vertreten. Abweichend von Richel und Prüss begegnen zwei Belege der Kontraktionsform hân für den Infinitiv von haben und treit für die 3.P.Sg.Präs. von ›tragen‹.136 In Knoblochtzer-1478 ist der Bestand der kontrahierten Formen im Vergleich zur ersten Ausgabe Knoblochtzers leicht reduziert, wobei diese Aussage nicht auf das Verb ›haben‹ zutrifft, von dem die kontrahierten Formen hant (19), han (3) und hand nachweisbar sind. Ansonsten erscheinen jedoch nur noch die Belege geſeit, ſeyteſt, angeleit, geleit, geleyt, leit (4), leite und enlot. Knoblochtzer-1482 und 1491 weisen nahezu den gleichen Stand auf. Mit diesen Ausgaben nimmt die Überlieferung des Richel-Textes allerdings ihr Ende, und es stellt sich die Frage, wie stark in den Augsburger Inkunabeldrucken kontrahierte Formen auftraten und welchen Effekt der Befund aus der Augsburger Texttradition auf dieses sprachliche Phänomen in den beiden Straßburger Drucken von 1506 und 1516, die den Augsburger Text übernehmen, hatte. Verglichen mit Richels Ausgabe zeichnet sich Bämlers Druckersprache durch wenige kontrahierte Formen aus. So stellen drei kontrahierte Formen der 1.P.Sg. des Verbs ›haben‹ (hân) eher eine Ausnahme dar, wohingegen bei Richel die Kontraktionsformen dieses Verbs sogar überwogen haben. Dabei ist zu beachten, dass Richel nur den Plural Präsens in kontrahierter Form verwendet, die bei Bämler belegte Kontraktionsform han für die 1.P.Sg. ist nicht belegt. Parallel mit Richel erscheinen die Belege leit, ley̋ t ›liegen‹. Anstelle des Beleges enlot bei Richel, trifft man in Bämlers Druck die Form laͤ t an, bei der die proklitisch angeschlossene Negationspartikel en- und Rundung des Vokals fehlen.137 In der zweiten Ausgabe Bämlers treten die gleichen Belege auf, die Form hân tritt allerdings nur noch einmal auf: ley̋ t (2), han, lat, mey̋ de. Ähnlich verhält es sich mit Schönspergers Druck, wobei hier die Kontraktionsform von ›lassen‹ präfigiert und aufgelöst wurde (verlaſſet) und für hân zwei Belege auftreten: leit, ley̋ t, han, hon, meyd. In Hupfuff-1506 spiegelt sich sodann nicht der Sprachstand der Straßburger Drucke des 15. Jhs. wider, sondern der der Augsburger. Kontraktionsformen sind in diesem Druck nur noch rar gestreut. Sie finden sich lediglich für die Lexeme ›liegen‹ und ›geschehen‹: lyte, leyt, lyt (2), geſchen. In Knobloch-1516 ist die Anzahl der Kontraktionen auf die Belege leyt (2) reduziert.138 Über das 15. Jh. hinaus scheinen die kontrahierten Formen einiger Verben (und des Substantives ›Magd‹) damit tatsächlich nur noch 135

beſchen, enlot, geleit, leyt, lon, lyt, ſeit (4), ſeite, ſeiten, ſeyt (2), ſeyte, zů...geſeit, zů...geſeyt. ›haben‹: hant (18), hāt (4), hantt, han (2); ›sagen‹: geſeyt, ſeiten, ſeit (3), geſeit, ſeyteſt, ſeite, ſeyt (4), ſeyte (2); ›legen‹: angeleyt, geleit (2), leyt (2), leit (4); ›liegen‹: lit, lyt; ›lassen‹: enlot, lon; ›tragen‹: treit; ›geschehen‹: geſen. 137 Im Gegensatz zum Text Richels findet das Lexem ›Magd‹ im Text der Augsburger Überlieferung an einer Stelle Verwendung. Bei Bämler wird es in kontrahierter Graphie gesetzt: mey̋ de. 138 Diese erscheinen jeweils an gleicher Stelle, an der bei Hupfuff lyt gesetzt wurde. An den Stellen, an denen Hupfuff leyt und lyte setzt, erscheint bei Knobloch ligt. 136

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

281

vereinzelt als Relikte aufzutreten. Zumindest lässt sich diese Aussage der Mhd. Gr. anhand unseres Korpus unterstreichen, da in den Ausgaben des 16. und 17. Jhs. wie bei Knobloch nur noch singuläre Belege erscheinen.139 Die morphologische Struktur der Wortformen eines Lexems wird zunehmend vereinheitlicht. f.

Epithetisches /t/ im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)140

Im Bereich der Sprosskonsonanten wird anhand der Lexeme ›jetzt‹, ›niemand‹ und ›selbst‹ die Verbreitung des epithetischen /t/ in den Drucken der Melusine bis zum Ende des 17. Jhs. untersucht. In den Ausgaben des oberrh. Überlieferungsstranges erscheint die Schreibung mit Sprosskonsonant zunächst lediglich beim Lexem ›niemand‹. In Richel-1473/74 im Verhältnis 9:6, Knoblochtzer-1477 9:3, Prüss-1478 12:4, Knoblochtzer-1478 14:1, Knoblochtzer-1482 18:3, Knoblochtzer-1491 17:1. Die beiden anderen Lexeme erscheinen nur in Einzelbelegen mit epithetischem /t/ kodiert.141 In den Augsburger Ausgaben tritt beim Lexem ›niemand‹ nur ein Gegenbeleg in Bämler-1480 (nieman) auf. Die Belege der anderen beiden untersuchten Lexeme werden nur spärlich mit epithetischem verschriftet. ›jetzt‹ erscheint in keinem Beleg mit der Auslautgraphie , ›selbst‹ nur in vier Belegen in Bämler-1474 (19/4) und in einem Beleg in Bämler-1480 (28/1). Die Tendenz in den Ausgaben des 15. Jhs. findet sich sodann auch in Hupfuff-1506. Die ausgewählten Lexeme mit Sprosskonsonant zeigen hier ein eindeutiges Bild: yetz (9) und ſelbs (25) haben durchweg keinen Sprosskonsonanten, wohingegen alle 23 Formen von ›niemand‹ mit Sprosskonsonant / erscheinen. In Knobloch-1516 ergibt sich das gleiche Bild wie bei Hupfuff: yetz (5), ſelbs (25) ohne Sprosskonsonant, 21 Formen von mhd. nieman mit Sprosskonsonant /t/: (20), (1). Die der nhd. Graphie zugrundeliegende lautliche Form der Lexeme wird damit am Ende des Untersuchungszeitraums I nur beim Lexem ›niemand‹ schriftlich verwirklicht.

139

In den Steiner-Ausgaben und bei Messerschmidt erscheint jeweils einmal leyt/leit. Die Frankfurter Ausgaben zeigen durchweg keine kontrahierten Formen mehr. Nur die auf Steiner zurückgehende Sondergruppe Müller-Egenolff konserviert Kontraktionsformen bis in die 1570er Jahre. Müller1577 und Egenolff-1578 bieten mit lan und leit zwei Belege. In Egenolff-1580 erscheint nur noch der Beleg lan, der Beleg leit wird in ligt transformiert. Die Ausgaben des 17. Jhs. folgen dem Stand der Frankfurter Überlieferung ausgehend von Gülfferich-1549. 140 Vgl. Mhd. Gr. § L 82, § L 118, Frnhd. Gr. § L 76, § L 47, 4. 141 Richel-1473/74: ſelbes (24), ſelbs; yetz (3), yecz (2); Knoblochtzer-1477: ſelbes (30), ſelbs (3); yetz (5), yecz; Knoblochtzer-1478: ſelbes (4), ſelbs (28) vs. ſelbſt, ſelbeſt; yetz (4); Prüss-1478: ſelbes (21), ſelbs (5); yetz (3), jetz; Knoblochtzer-1482: ſelbes (3), ſelbs (27), ſelbſ vs. ſelbſt; yetz (3) vs. yetzet; Knoblochtzer-1491: ſelbs (30) vs. ſelbſt, yetz (3) vs. yetzet (3).

282

g.

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Die graphische Realisierung der Auslautverhärtung im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)142

Die Plosiv-Alternanzen d – t, b – p und g – k/c/ch, die zumeist unter dem Terminus ›mhd. Auslautverhärtung‹ subsumiert werden (vgl. Mihm 2004), dienen als Gradmesser für die wachsende Autonomie der Schrift. Daher wird die Durchsetzung des morphematischen Prinzips in den Druckersprachen überprüft. Am deutlichsten zeigt sich dieser Lautwandel dabei in der Auslautschreibung , die als einzige der drei Alternanzen durchgängig für das Mhd. gilt. Die anderen beiden Paare variieren regional und schreiberabhängig stark. Für die graphische Alternanz -/- wird die Entwicklung der Schreibung der Lexeme ›Hand‹, ›Land‹ und ›Pferd‹ skizziert, für -/-

die der Lexeme ›Leib‹, ›Urlaub‹ und ›Weib‹ und für -/- die Lexeme ›Burg‹ und ›Tag‹ sowie die Präteritum Sg.-Form von ›schlagen‹. In Richel-1473/74 wird für die Beispiellexeme der Alternanz -/- der Fortis als Leitgraphie verwendet, für ›Hand‹ ausnahmslos, für ›Land‹ im Verhältnis 12:4 und für ›Pferd‹ im Verhältnis 3:1. Für /p/ steht nur im Lexem ›Weib‹ in allen Belegen

, ansonsten gilt die Leitvariante in ›Leib‹ (5:3) und ›Urlaub‹ (2:1). Für /k/ erscheint bereits bei Richel in allen drei Beispiellexemen in allen Belegen . Die beiden Ausgaben Knoblochtzer-1477 und Prüss-1478 zeigen quantitativ und qualitativ nahezu das gleiche Bild.143 Die Ausgabe Knoblochtzer-1478 weicht stark von diesem Usus ab. Lediglich die Lexeme ›Hand‹ und ›Land‹ erscheinen mit Fortisgraphie als Leitvariante.144 In allen Belegen der Alternanz /

und des Lexems ›Pferd‹ wird sth. Konsonant gesetzt. In den beiden folgenden Knoblochtzer-Ausgaben wird dieser Graphieusus übernommen, wobei Knoblochtzer-1482 beim Lexem ›Pferd‹ abweicht, indem drei Belege für dieses Lexem im Auslaut -Graphie aufweisen, nur einer . In Knoblochtzer-1491 wurden alle Belege dieses Lexems mit Lenisplosivgraphie gesetzt. In den Augsburger Inkunabelausgaben begegnet von Beginn an lediglich die Fortisgraphie innerhalb der Beispiellexeme. Vereinzelt tritt bei Bämler für ›Land‹ auch -Graphie auf. In Bämler-1474 gilt als Leitgraphie in allen drei Beispiellexemen, in Bämler-1480 wird ›Pferd‹ durchweg mit im Auslaut realisiert. In erhöhtem Maße herrscht in Schönsperger-1488 unter den Belegen für Auslautverhärtungsgraphie die Variante vor: handt (10), hant, hand (6); landt (4), lant (4), land (21). Am Ende des 15. Jhs. wird also grundsätzlich bei ›Pferd‹ und bzw. in allen Lexemen der anderen beiden Untersuchungsbereiche gesetzt.

142

Vgl. Mhd. Gr. § L 72. Ausnahmen: In den drei Belegen des Lexems ›Urlaub‹ realisieren beide die Auslautverhärtung, in Prüss-1478 wird einmal im Auslaut des Lexems ›Burg‹ gesetzt (lu̓ czelburch), in Knoblochtzer-1477 wird bei jedem der drei Beispiellexeme für / ein Beleg mit gesetzt. Vgl. hierzu Frnhd. Gr. (1993:94–95). 144 Beim Lexem ›Hand‹ ausnahmslos in zwölf Belegen, beim Lexem ›Land‹ im Verhältnis 16:10. 143

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

283

In den beiden ersten Ausgaben des 16. Jhs. treten erstmals vermehrt die graphotaktischen Graphien und auf.145 Während erstere Variante innerhalb der Beispiellexeme bei Hupfuff noch seltener vorkommt, so nur in dem Beleg handt, setzt Knobloch-1516 in allen Belegen, die nicht im Auslaut aufweisen, die Graphie: pferdt (12), handt, landt (2). erscheint in einem Beleg des Lexems ›Burg‹ (burgk). Im Lauf des 16. Jhs. nehmen diese Graphievarianten zunächst stark zu und werden gegen Ende des Jhs. wieder abgebaut.146 Die Auslautverhärtung für /

und / wird im Korpus lediglich in Richel-1473/74, Prüss-1478 und Knoblochtzer-1477 stringent durch die Graphie gekennzeichnet. Hohe Varianz zeigt sich dagegen nur für /. Für auslautendes /k/ wird für die drei Beispiellexeme im gesamten Korpus – von wenigen Einzelbelegen abgesehen – durchweg gesetzt.

1.3

Morphologischer Wandel

a.

Die Wurzelverben gân/gên und stân/stên im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)147

Die sprachlandschaftliche Opposition der alem. und Augsburger Melusine-Ausgaben wird in der Inkunabelzeit auch am Bestand der Präsens- und Infinitiv-Formen der beiden athematischen Verben gân/gên und stân/stên deutlich. Die ê- und â-Formen verteilen sich im Schriftgut des Mhd. und Frnhd. zunächst klar sprachlandschaftlich und funktional differenziert. Im 15. Jh. überwiegen im Indikativ Präsens des Wmd. und Wobd. die â-Formen (teilweise auch im Konjunktiv), die sich dort bis ins 17. Jh. halten. Die ê-Variante herrscht im 15. Jh. im Bair. und im Raum Nürnberg-BambergWürzburg, in den Urkunden auch im Schles., sowie im Rhfrk. und Hess. vor (vgl. Kleiber 1979: 140 und Karten 43–45). Die Druckersprache des Erstdrucks der Melusine aus Bernhard Richels Offizin, die in Basel an der Grenze des Nieder- zum Hochalem. gedruckt wurde, wird durch die Belege der beiden Verben gân/gên und stân/stên eindeutig als alem. ausgewiesen, da bis auf eine Form dieses Verbs, bei der nicht zweifelsfrei zu entscheiden ist, ob es sich um Indikativ oder Konjunktiv handelt, in den untersuchten Textausschnitten alle Präsensbelege mit Stammvokal /ɑ:/ bzw. /o:/ erscheinen.148 In Prüss-1478 begegnet ein vergleichbarer Befund: Die beiden Wurzelverben sind im Präsens und Infinitiv ebenfalls 145

Vgl. zum Nachweis, dass es sich hierbei um graphotaktische Varianten statt Kompromissgraphien handelt, Voeste (2008: 64–68). 146 Vgl. die Kapitel zur Graphie der einzelnen Ausgaben in Abschnitt III, in denen quantitative Angaben zur Verwendung der Grapheme und gemacht werden. 147 Vgl. Mhd. Gr. § E 9, § E 28, 7, § E 32, 7, § M 105, § M 106; Frnhd. Gr. § M 148. 148 Zur -Graphie vgl. die oberrh. Verdumpfung von /ɑ:/ zu /o:/. Belege für ›stân‹ in Richel1473/74: abſton (2), beſton (3), ſtan, ſtant (3), ſton (8), ſtōt, vnder ſtan, vnderſtan, vnderſtande, vnderſtō, vnderſton (3); Ausnahme: vnderſtent; ›gân‹: begon, ergan, gon (2), miſſegan (2), zergan.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

nahezu ausnahmslos mit Wurzelvokal /ɑ:/ bzw. /o:/ belegt. Lediglich eine der 24 Formen weist die Stammvokalschreibung auf.149 Auch in Knoblochtzer-1477 sind die Präsens- und Infinitivbelege der Wurzelverben stân/stên und gân/gên bis auf die Ausnahmen vnderſten und zergen alem. Provenienz,150 insofern sie /-Graphie aufweisen.151 Die bisher besprochenen drei Ausgaben lassen sich wie bei vielen anderen sprachlichen Untersuchungsphänomenen auch hier homogen in einer Gruppe erfassen. Knoblochtzer-1478 weist zwar in zahlreichen Untersuchungsbereichen der Lautung Abweichungen von den oberen drei Ausgaben bzw. von der ersten Ausgabe dieser Offizin auf, im Bereich der Morphologie ist dies jedoch generell in geringerem Ausmaß der Fall. Die beiden abweichenden Belege aus Knoblochtzer-1477 (vnderſten, zergen) tauchen auch in dieser Ausgabe auf. Zusätzlich treten die beiden Belege aufſten (in Knoblochtzer-1477 vff ſton) und ſtet (in Knoblochtzer-1477 ſtat) auf. Der Mehrzahl der Belege liegt allerdings auch hier nach wie vor die alem. â-Form zugrunde. In Knoblochtzer-1482 sind die beiden Abweichungen aufſten und vnderſten dem alem. Lautstand angepasst und erscheinen als vff ſton und vnderſton. Als Abweichungen bleiben die Belege ſtet und zergen bestehen. Die restlichen Belege der beiden untersuchten Wurzelverben bieten - bzw. -Graphie. In der letzten Ausgabe der Straßburger Überlieferungslinie (Knoblochtzer-1491) begegnen neben den zu erwartenden Belegen mit /ɑ:/ bzw. /o:/ ebenfalls nur zwei ê-Formen (ſtet, miſſegen). Die Augsburger Inkunabeldrucke stehen bei den Präsens- und Infinitivformen der Verben gân/gên und stân/stên in klarem Kontrast zu dem oben beschriebenen Bestand innerhalb der Ausgaben der oberrh. Texttradition. Präsensformen des suppletiv aus zwei Stämmen gebildeten Paradigmas des mhd. Verbs stân/stên erscheinen in Bämler-1474 erwartungsgemäß für den lokal-dialektalen Standort der Offizin, in der er hergestellt wurde, nahezu ausnahmslos mit - oder -Graphie.152 Auch in Bämler-1480 weisen die Belege die Druckersprache Bämlers deutlich als dem bair. Sprachraum zugewandt aus, da bis auf eine Ausnahme -Formen auftreten, deren Stammvokalquantität häufig bereits durch Doppelvokalgraphie angezeigt wird.153 In beiden Ausgaben Bämlers an gleicher Stelle erscheint mit dem Infinitiv-Beleg anſtan (1474)/anſton (1480) lediglich eine Ausnahme. In Schönsperger-1488 wird die Vereinheitlichung der Schreibung weiter vorangetrieben. Die hohe Varianz zwischen und in Bäm149

Prüss-1478: abſton, beſtat, beſton (3), ſtāde, ſtan (5), ſtant (3), ſton (3), ſtot, ſtont (2), vnderſtō, vnderſton (6), veɾſtont; begon, ergan, gon, miſſegon (2); Ausnahme: vnderſtē (Infinitiv). 150 Der Infinitivbeleg zergen erscheint eine Zeile nach einem gan-Beleg. 151 Vorkommende tokens sind in Knoblochtzer-1477 abſton, anſtan, beſtat, beſtō, beſton (3), ſtat, ſtan (2), ſtande (2), ſtant, ſtō, ſton (5), ſtot (3), vnderſtād, vnderſtan (2), vnderſtō, vnderſton (3), vnderſtoͤ n; ergan, ergon, gon (3), miſſegan (2), miſſegon, vndergon. 152 Bämler-1474: abſteen, aufferſteen, auffſteen, beſteen (8), beſteet, ſtee, ſteen, ſteet (2), ſten, ſtet, ſtett, verſteen, vnderſtee, vnderſteen, vndeɾſteen (2), widerſteen; begen, ergeen, Gee, geen (2), mißgeen (3), zergeen. 153 Bämler-1480: abſteen (2), beſteē, beſteen (3), beſteet, beſten (4), ſtee, ſteet (2), ſten (2), ſtet (3), vnderſte, vnderſteen, zevnderſte, widerſteen; begen, ergen, Gee, geen, mißgeen, mißgeē, vndergeen.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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ler-1480 findet sich in diesem Druck zugunsten der Doppelvokalschreibung ausgeglichen.154 Die einzige â-Form in den beiden vorigen Augsburger Drucken wird ebenfalls mit gesetzt (anſteen). Eine Abweichung von der Regelgraphie ist dennoch auch in diesem Druck vorhanden: beſtan (1474 beſteen > 1480 beſten; Infinitiv). Diese findet sich an exakt gleicher Stelle auch in Hupfuff-1506, der trotz seines alem. Umfelds überwiegend ê-Formen setzt, was aller Voraussicht nach der Augsburger Vorlage geschuldet ist. Die Belege wiesen als Leitgraphie aus, allerdings nicht derart konsequent, wie dies noch in Schönsperger-1488 der Fall war (21/11). Die Abweichungen bleiben auch hier auf wenige Belege beschränkt: beſtan, beſtā, ſton; ergan.155 In Knobloch-1516 ist bis auf zwei Ausnahmen, die auf die Vorlage Hupfuffs zurückgehen (beſtan, ſton), durchweg die Graphie gewählt. Der Befund in den beiden ersten Melusine-Drucken des 16. Jhs., die beide in Straßburg erschienen, verdeutlicht, dass gleichzeitig mit der Übernahme des Textes aus der Augsburger Überlieferungstradition die Adaption der Präsens- und Infinitivbelege der Verben stân/stên und gân/gên an den Lautstand des Oobd. stattfindet. b.

Das Substantivsuffix -nis/-nus im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)156

Das Derivationssuffix -nisse bewahrt aufgrund der Eigenschaft, in komplexen Wörtern den Nebenakzent zu tragen, weswegen es auch als schweres Derivationssuffix bezeichnet wird, entgegen der Tendenz der Nebensilbenabschwächung im stammbetonten Deutschen den vollen Vokal bis zum Nhd. Im Frnhd. ist dadurch eine regionalschreibsprachlich bedingte Oppositionsstellung zweier Leitvarianten etabliert, die zum Nachweis der Interferenz zwischen verschiedenen Schreiblandschaften dienen kann.157 Im Untersuchungszeitraum besteht die Variabilität aus -nus, -nüs und -nis, wobei zu beachten ist, dass „-nis [...] zunächst mittel-, die Form -nus oberdeutsch“ (Fleischer/Barz 1995: 166) ist. In der einzigen Basler Ausgabe Richel-1473/74 findet das Suffix wenig Gebrauch.158 In den fünf Belegen innerhalb der Korpustextausschnitte wird ausschließlich -nis gesetzt, teilweise noch in der bisyllabischen Form -nisse.159 Auch in Prüss-1478 findet das 154

Schönsperger-1488: abſteen, beſteen (6), beſteet, zebeſteen, ſtee, ſteen (4), ſteet (5), verſteen, vnderſtee, vnderſtē, vnderſteen, zeunderſteen, widerſteen; begeen, ergeen, Gee, geen (3), myßgeen (2), vnder geen. 155 Der Beleg beſtā findet sich an gleicher Stelle bereits in Schönsperger-1488. 156 Vgl. Mhd. Gr. § E 20, § L 57, 1, § M 13. 157 So stellt bereits Habermann diesen Kontrast zwischen Richel und Bämler heraus. Bämler setzt für das Suffix -nisse im Gegensatz zu Richel, „wie im ‚gemeinen teutsch‘, -nuß“. Vgl. Habermann (2006: 109). 158 Im Vergleich mit den quantitativen Verhältnissen in den Augsburger Ausgaben liegt dies an der alem. Variante begrebde (3), begɾebde für nhd. ›Begräbnis‹. 159 Richel-1473/74: verſtantniſſe, verderpniſſe, verdampniſſe, neben beſorgnis und verdāpniß.

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Suffix -nis/-nus wenig Gebrauch. Lediglich vier Belege lassen sich in den Textausschnitten nachweisen: verdēpniße, beſoɾgnis, verdampniſſe, v́ ſtātniſſe. In Knoblochtzer1477 tritt erstmals Varianz der Suffixgraphie auf. Das Suffix -nisse begegnet zwar noch weitestgehend in seiner Vollform -niſſe (4), ein monosyllabischer Beleg und eine Graphie, die auf den gerundeten Vokal /ʏ/ verweist, weichen jedoch ab.160 In Knoblochtzer1478 begegnet eine Vereinheitlichung der Schreibung des Suffixes -nisse hin zu der monosyllabischen Variante -niſz.161 Diese Vereinheitlichung wird sodann auch in den beiden letzten Ausgaben Knoblochtzers übernommen. Für den Straßburger Überlieferungsstrang gilt also abgesehen von einer Ausnahme in Knoblochtzer-1477 durchweg die -Graphie im Suffix -nisse, wobei ab Knoblochtzer-1478 die monosyllabische Form zur Leitgraphie wird. Die Augsburger Inkunabelausgaben weichen auch in diesem Untersuchungsaspekt von den wobd. Melusine-Ausgaben ab. In schreibsprachlicher Kontraststellung zu Richels Schreibusus steht in Bämler-1474 auch der Gebrauch des Suffixes -nis/-nus, weil ausschließlich die für das gemeine teutsch typische Form mit gerundetem Vokal benutzt wird. Auch in Schönsperger-1488 ist nur die Leitvariante des gemeinen teutsch anzutreffen.162 Bämler-1480 rückt von dieser Homogenität ab und setzt sowohl als auch .163 Ein Lexem weist gar beide Schreibungen auf derselben Seite auf: begrebnűß (3; e5b, e6a) – begrebniß (e6a). Wie auch schon bei anderen Untersuchungsphänomenen zeigt sich in Bämler-1480 Interferenz, deren genaue Lokalisation nicht möglich ist, die jedoch auf wobd. bzw. md. Sprachlandschaften verweist. In der Melusine-Ausgabe des Matthias Hupfuff ist in ausgeprägtem Maße die Übernahme der Konventionen aus der Augsburger Vorlage zu konstatieren. Hupfuff-1506 weist in 18 Belegen das Suffix -nüß/-nuß auf, wohingegen nur zwei Schreibungen mit -niß belegt sind: begrebtniß (G5a) und kümerniß (F3b). Zu diesen Lexemen finden sich allerdings jeweils drei Gegenbelege: begrebtnüß (3)164 und kumernuß, kümernuß, kumernüß.

Knoblochtzer-1477: gefengnu͛ ſſe, gefengniſſe, verdāpniſſe, v̓ derpniſſe, v̓ ſtantniſſe, verdampniſz. Knoblochtzer-1478: verderbniſz, betrubniſz, gefengniſz (2), verdamniſz, verſtantniſz. 162 Bämler-1474: betruͤ bnuß, begrebnuß (2), begɾebnuß, begrebnuſſe, ergeɾnuß, veɾderbnuß, v̑ damnuß, verdamnuß, veɾſtentnuſſe. Schönsperger-1488: begrebnuß (2), betruͤ bnuß, betrübnuß, ergernuß, gefaͤ ncknuß, gefaͤ ncknüß, grebnuß (2), hindernuß, verdampnuß, ⱴdampnus, verderbnuß, ⱴſtentnuß. Es offenbart sich eine regional bedingte lexikalische Differenzierung. Während in den alem. Ausgaben stets das frnhd. Lexem begräbde verwendet wird, steht in den oobd. Ausgaben frnhd. begräbnis. Vgl. Frnhd. WB (2002,3: 640–642) zum Lemma ›begräbde‹ und (2002,3: 645–648) zum Lemma ›begräbnis‹. Ersteres wird dabei als „Obd., vor allem alem.“ Lexem ausgezeichnet. 163 Bämler-1480: ergernűß (g5a), grebniß (b1b), gefencknűß (h8b), hinderniß (d10b), v̑ damnűß (f1a), verdamnűß (f1a), veɾderbniß (e2b), verſtentniß (e7a), vinſteɾnuß (h8b). 164 In den Formen des Lexems ›Begräbnis‹ tritt in den Belegen Hupfuffs und Knoblochs Vermischung der frnhd. Lexeme ›begräbnis‹ und ›begräbde‹ auf. Vgl. dazu Frnhd. WB (2002,3:645): „begräbnis (vereinzelt infolge von Beeinflussung durch begräbde: begräbdnis)“. 160 161

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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In Knobloch-1516 sprechen die Belege des Suffixes -nis/-nüs eine deutliche Sprache pro gemeinem teutsch, da alle Belege die Form -nüß aufweisen. Die Adaption der Straßburger Druckersprache an die oobd. Prestigevariante zeigt sich damit am Ende des Untersuchungszeitraums I auch am Suffix -nisse deutlich. Dieses ging allerdings nicht in der Form der Augsburger Druckersprache ins Nhd. ein, so dass mit Blick auf die Entstehung der späteren Norm insbesondere die Entwicklung der Graphien in den wieteren Untersuchungszeiträumen von Interesse sein wird. c.

Der verbale Einheitsplural -ent im Untersuchungszeitraum I (1473/74–1516)165

Die verbale Flexionsendung -ent erscheint im Mhd. regelhaft lediglich in der 3.P.Pl. Ind.Präs., wird allerdings in bestimmten Sprachlandschaften auf weitere Formen des Verbparadigmas übertragen. Hauptsächlich wird zunächst „im Alem. seltener auch im Wmd. (Rhfrk., westl. Hess.) sowie im alem.-bair. Übergangsgebiet und zum späteren Mhd. hin vereinzelt auch im Bair.“ (Mhd. Gr. § M 70, Anm. 8) die 2.P.Pl.Ind.Präs. ebenfalls mit der Endung -ent gebildet. Später lässt sich dieser Angleichungsprozess auch im Präteritum, in der 1.P.Pl.Ind.Präs., im Konjunktiv und Imperativ beobachten. Aufgrund des Ausmaßes und der regionalen Beschränkung dieses Prozesses wird er als alemannischer Einheitsplural bezeichnet. An das Melusine-Korpus stellt sich die Frage, inwieweit die alem. Ausgaben des 15. Jhs. den Einheitsplural aufweisen und wie stark er in den Augsburger Ausgaben aus dem alem.-bair. Grenzgebiet noch vertreten ist. Des Weiteren wird es im zweiten Untersuchungszeitraum von besonderem Interesse sein, wie die Frankfurter Drucker damit umgehen, wenn sie in ihren Vorlagen -ent-Plural vorfinden. Zunächst allerdings werden die Ausgaben aus dem alem. Kerngebiet auf die Präsenz des Einheitsflexivs -ent hin betrachtet. In Richel-1473/74 steht der alem. Einheitsplural -ent im Präsens „nicht selten für alle Pluralpositionen anstelle von -en, -et, -ent und im Präteritum -ent bzw. -en“ (Habermann 2006: 105). Als typisches „Kennzeichen alemannischer Schreibsprache“ (Habermann 2006: 105) lassen sich bei Richel im gesamten Korpus 270 Belege für das verbale Pluralflexiv -ent nachweisen. Das Flexiv tritt in allen Pluralpersonen des Indikativs, in Konjunktivbelegen und Imperativformen auf. Die Endung -ent kann in diesem Druck damit tatsächlich als Einheitspluralflexiv bezeichnet werden, wobei das zahlenmäßige Übergewicht in der 3.P.Pl.Ind.Prät. der Textsorte und deren Erzählduktus geschuldet ist. Ausnahmslos gilt diese Endung jedoch nicht, was durch das Nebeneinander der Verbformen für die frequent erscheinenden Beispielverben ›werden‹, ›haben‹ und ›sollen‹ exemplarisch veranschaulicht werden soll.166 Bei allen drei Beispiellexemen erscheint der Einheitsplural für jede Person des Plurals. Die 18 -en-Belege des Verbs 165 166

Vgl. Mhd. Gr. § M 70, Anm. 8, Frnhd. Gr. § M 94, § M 95. Richel-1473/74, Präsensbelege: werden (15), werdē (3) vs. werdent (8), Werdent; haben (7), habē vs. habent (4), habēt; ſollen (2) vs. ſollent (7), ſollēt (2).

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Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

›werden‹ sind bis auf vier Ausnahmen Infinitivbelege. Die vier Ausnahmen stellen allerdings allesamt Belege der 2.P.Pl.Ind.Präs. dar. Auch beim Auxiliarverb ›haben‹ begegnen unter den acht -en-Belegen sieben Infinitivformen, lediglich einer der Belege drückt die 1.P.Pl.Ind.Präs. aus. Bei den beiden Belegen ſollen handelt es sich um 1. und 2.P.Pl.Ind.Präs.-Belege. Diese drei vergleichsweise hochfrequent belegten Beispiellexeme weisen damit nur wenige Abweichungen von der Leitvariante -ent auf, die in allen drei Personen des Plurals im Präsens regelhaft als Flexionsendung erscheint. Als Kontrollinstanz für das Präteritum wurden die Formen der Verben ›sprechen‹, ›ziehen‹ und ›finden‹ herangezogen.167 Bei den präteritalen Formen von mhd. sprechen und ziehen handelt es sich ausschließlich um Formen der 3.P.Pl., bei finden steht die Form fundent einmal auch für die 1.P.Pl. Die Belege ſprochen, ſprachen und zůgen sind durchweg Formen der 3.P.Pl.Ind.Prät., fūdē und funden stellen Belege des Partizips II ohne ge-Präfigierung dar. Weniger stark als im Präsens überwiegen auch hier deutlich die -ent-Formen gegenüber den -en-Belegen. Die Ausgabe Prüss-1478 bietet mit 279 Belegen ähnlich viele Wortformen der verbalen Flexionsendung -ent. Die Präsens Plural-Belege des Verbs ›werden‹ mit -en-Flexiv (15) sind bis auf zwei Ausnahmen (2. und 3.P.Pl.Ind.Präs.) Infinitivbelege, die des Verbs ›haben‹ (8) ausnahmslos und der einzige Beleg des präterito-präsentischen Verbs ›sollen‹ steht für die 1.P.Pl.Ind.Präs. Sechs -en-Belege der Präteritalformen der Verben ›sprechen‹ und ›ziehen‹ sind Alternativformen zu den elf -ent-Formen der 3.P.Pl.Ind. Prät. Unter den fünf Belegen zu funden sind vier Partizip II-Belege ohne ge-Präfix, einer 1.P.Pl.Ind.Prät. Demgegenüber stehen vier Belege mit -ent. Im Präteritum gilt das Pluralflexiv -ent auch bei Prüss weniger umfassend, stellt allerdings dennoch die Leitvariante dar. In Prüss-1478 ist die Verwendung des Einheitsplurals ebenso stark ausgeprägt wie in der editio princeps. In Knoblochtzer-1477 kommt das Flexiv -ent ebenfalls in den Varianten -ent, -end, -entt, -ēt mit 236 Belegen häufig vor, wobei sich ein quantitativer Rückgang im Vergleich mit Richel und Prüss zeigt, der v. a. bei den Belegen der 3.P.Pl.Ind.Prät. greifbar wird. In Knoblochtzer-1478 ist ein starker Rückgang der verbalen Flexionsendung -ent zu verzeichnen. Typisch für diese Ausgabe ist dabei auch die Variantenreduzierung im Vergleich mit der Vorgängerausgabe, da hier lediglich einmal -entt neben sonstiger -ent-Graphie in 139 Belegen erscheint. Mit dieser Anzahl begegnen knapp hundert Belege des untersuchten Pluralflexivs weniger als in Knoblochtzers erster Ausgabe und nur noch knapp die Hälfte der Anzahl der Belege in Richels und Prüss’ Melusine-Drucken. Es zeigt sich dabei allerdings, dass systematische Reduzierung von Varianten weder nach Tempus, Modus oder Person noch durch einen bestimmten Setzer in bestimmten Lagen vollzogen wurde. Teilweise entfernte/n der/die Setzer, die für ihn/sie 167

Präteritum: ſprachen, ſprochen (2) vs. ſprachent, ſprochent (6), ſprochēt; zůgen (3) vs. zugent (2), zugēt, zůgent (2); funden (3), fūdē vs. fundent (4).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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fremdartigen Formen, teilweise übernahm/en er/sie das Schriftbild der Vorlage. Im Präteritum beschränken sich die Belege weitestgehend auf die 3.P.Pl., was allerdings auch durch die Textsorte bedingt ist, da die 2.P.Pl. im Präteritum nur in bestimmten Redesituationen auftritt. Hier handelt es sich somit um einen relikthaften Einheitsplural, der nicht ausnahmslos angewandt wird, aber in allen Pluralformen aller Tempora auftauchen kann. In Knoblochtzer-1482 ist wiederum eine leichte Zunahme des Phänomens zu erkennen (158). Im Bereich der Präteritalbelege sind im Vergleich zur Vorgängerausgabe keine gravierenden Änderungen festzustellen. Ein Anstieg der ent-Belege ist dagegen in der 2.P.Pl.Präs. und im Imperativ Pl. zu verzeichnen. Auch in Knoblochtzer-1491 findet sich das pluralische Verbalsuffix -ent mit insgesamt 152 Verbbelegen in ähnlichem Umfang wie in der dritten Ausgabe dieses Druckers. Die Verteilung entspricht derjenigen der Vorgängerausgabe. In den Melusine-Drucken der Straßburger Überlieferungslinie ist der alem. Einheitsplural damit anfangs ausgeprägt vorhanden, wird in Knoblochtzers zweiter Ausgabe stark reduziert und in diesem reduzierten Maße in den beiden folgenden Ausgaben übernommen. Präsens 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Konj.

Anzahl 12>10>10>6>3>8 33>43>48>20>30>21 25>21>21>12>13>13 2>3>1>0>1

Imperativ Pl.

15>18>13>2>10>10

Präteritum 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind.

Anzahl 4>2>5>1>1>0 2>2>2>0>1>2 172>173>129>95>95>89

3.P.Pl.Konj.

5>7>7>3>4>5

Tab. 40: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der oberrh. Überlieferung. Reihenfolge: Richel-1473/74 > Prüss-1478 > Knoblochtzer-1477 > Knoblochtzer-1478 > Knoblochtzer-1482 > Knoblochtzer-1491

Im alem.-bair. Grenzgebiet tritt dieses Phänomen laut Grammatiken ebenfalls auf, am ausgeprägtesten erscheint es allerdings im Alem. In Hinblick auf das hier zugrunde liegende Korpus stellt sich die Frage, ob dieser Befund durch die Augsburger MelusineAusgaben gestützt wird oder nicht. Wie Habermann feststellt, findet sich in Bämler1474 der alem. Einheitsplural nur in Präsensformen belegt.168 Die korpusbasierte Untersuchung der Textausschnitte der Ausgabe Bämler-1474 ergibt mit 72 Belegen zunächst eine weitaus geringere Anzahl verbaler Formen mit dem Flexionssuffix -ent als dies in Richels Ausgabe der Fall ist. Bestätigen lässt sich die Aussage, dass bei Bämler die Belege weitestgehend auf Präsensformen beschränkt sind.169 Allerdings bleiben die Belege auch ausnahmslos auf die 2.P.Pl. bzw. den Imperativ Plural beschränkt. Für die 168

Dass sich der alem. Einheitsplural überhaupt in Bämler-1474 findet, sieht Habermann als mögliches Indiz für eine Vorlage aus dem schwäb.-alem. Raum. Habermann (2006: 110). 169 In den untersuchten Textausschnitten begegnet für das Präteritum nur die Pluralform westent.

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

290

1. und 3. P.Pl.Präsens begegnet nur die Endung -en. Es lässt sich bei Bämler also nicht von einem Einheitsplural sprechen, was seinen Schreibusus weiter in starke Kontraststellung zur alem.-oberrh. Schreibsprache rückt. In Bämler-1480 sind 65 von insgesamt 81 Belegen der Pluralflexionsendung -ent auch auf die 2.P.Pl.Ind.Präs. bzw. den Imperativ Pl. beschränkt. Hier erscheinen allerdings im Kontrast zur ersten Ausgabe des Augsburger Frühdruckers vier Belege der 3.P.Pl.Ind.Präs., neun der 3.P.Pl.Ind.Prät. und drei der 2.P.Pl.Konj.Prät. Auch hier lässt sich der Einfluss eines fremden evtl. wobd. Setzers in Bämler-1480 feststellen. Wieder zeigt sich, dass im 15. Jh. kaum übergreifend von Druckersprachen gesprochen werden kann, sondern in jeder Offizin verschiedene Setzersprachen auftreten können. Das rudimentäre Eindringen der Endung -ent in das Präsens und Präteritum der 3.P.Pl. spiegelt sich auch in den vergleichsweise stark reduzierten Belegen in Schönsperger-1488 wider. Dort begegnen lediglich 36 Belege verbaler Formen mit einer Graphievariante der Flexionsendung -ent, wobei nicht nur die 2.P.Pl.Ind.Präs. betroffen ist, sondern die gleichen Kategorien des Verbparadigmas wie in Bämler-1480. Die Abhängigkeit des Textes der Schönsperger-Ausgabe wird hierdurch weiter unterstrichen, da sich zahlreiche Belege mit den der zweiten Melusine-Ausgabe aus der Werkstatt Bämlers decken. Mit der Fortsetzung der Drucküberlieferung der Melusine zu Beginn des 16. Jhs. in Straßburg geht eine partielle Restitution der Einheitspluralendung -ent einher. Diese findet sich in Hupfuff-1506 in 81 Verbformen belegt. Dabei ist allerdings keine funktionale Einschränkung auf eine grammatische Kategorie vonstattengegangen. Das Suffix wird wie in den alem. Ausgaben des 15. Jhs., jedoch in deutlich geringerem Maße als dort, für beide Tempora und für alle drei Pluralpersonen verwendet. Die letzte Ausgabe vor der Reformation, Knobloch-1516, weist eine im Vergleich mit den alem. Ausgaben des 15. Jhs. ähnlich niedrige Zahl (92) wie Hupfuffs Ausgabe auf. Dabei lässt sich wiederum keine funktionale Umdifferenzierung oder Spezifizierung dieses Flexivs feststellen, da es für alle drei Personen des Plurals in Präsens (wie bisher überwiegend 2.P.) als auch Präteritum (wie bisher überwiegend 3.P.) Verwendung findet. Die Zahlen sind mit denen Hupfuffs nahezu deckungsgleich, wobei sich die Belege der 2.P.Pl. Ind.Präs. mit der Endung -ent mit 30 gegenüber 17 Belegen fast verdoppelt haben. Präsens 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind.

Anzahl 1>1 17>30 4>4

Imperativ Pl.

4>5

Präteritum 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Konj. 3.P.Pl.Konj.

Anzahl 2>3 0>0 42>39 3>3 7>8

Tab. 41: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den beiden ersten MelusineDrucken des 16. Jhs. (Straßburg). Reihenfolge: Hupfuff-1506 > Knobloch-1516

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

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Damit tritt im ersten Untersuchungszeitraum in allen im alem. Dialektraum gedruckten Melusine-Ausgaben das verbale Pluralflexionsmorphem -ent in allen Personen des Plurals des Präsens und Präteritums sowohl im Indikativ als auch im Konjunktiv auf. Bämlers erste Ausgabe steht in scharfem Kontrast zu diesem Befund, denn das Morphem -ent begegnet restringiert im Verbparadigma. Dies ändert sich in geringem Maße in den beiden folgenden Augsburger Drucken, wobei die absoluten Zahlen zeigen, dass das Phänomen des Einheitsplurals -ent überwiegend in den alem. Drucken beheimatet ist. So ist es auch bei Hupfuff nachweisbar, der die Textgestalt der Augsburger Drucker teilweise in die Schreibsprache seines ihn unmittelbar umgebenden Absatzgebietes zurück transponiert. Mit letzter Konsequenz betreibt er dies allerdings nicht, so dass der Einheitsplural -ent ab dem 16. Jh. in der Tradierung des Textes der Melusine stark abnimmt. In der Ausgabe Knobloch-1516 wird nicht wie in den meisten phonologisch bedingten Varianzfällen für Einheitlichkeit gesorgt. Zur Vereinheitlichung derartiger morphologisch-paradigmatischer Zusammenhänge bedarf es einer grammatischen Durchdringung des Sprachsystems, die am Ende des Untersuchungszeitraums I noch nicht gegeben gewesen zu sein scheint. d.

Die Morphologie der Negation im gesamten Untersuchungszeitraum (1473/74– 1692/93)170

Die Entwicklung der Graphie und Morphologie der Satznegation soll anhand der beherrschenden Negationspartikeln ahd. ni / mhd. ne und ahd. niwiht, neowiht / mhd. niht, nieht nachgezeichnet werden. Nachdem im Mhd. noch beide Negationspartikeln auftreten, wird das lautschwache ne dann im Verlauf der Sprachgeschichte zugunsten der ursprünglichen Verstärkung der Verneinung als redundanter morphologischer Ballast getilgt. Im Untersuchungszeitraum ist dieses Stadium allerdings noch nicht in allen Textzeugen erreicht, so dass teilweise doppelte Negation auftritt. Die ursprüngliche, im Mhd. noch stark präsente Negationspartikel ne tritt allerdings nur noch selten proklitisch verwendet auf. Die größte Ausprägung innerhalb des Korpus hat dieses Phänomen in den Ausgaben der oberrh. Überlieferung beginnend mit der editio princeps aus Bernhard Richels Basler Offizin. Darin findet sich dieses archaische, im Mhd. sukzessiv abgebaute Element, die historisch gesehen verdoppelte Negation mit negierendem Adverb oder Pronomen und der Negationspartikel ne, als proklitisch an das zu negierende Verb angeschlossen, in 17 Belegen.171 In Prüss-1478 treten dieselben Belege wie bei Richel auf. Zwei inte170 171

Vgl. Mhd. Gr. § E 21, 5, § M 59, 2, § S 143–145, Frnhd. Gr. § S 230, § S 231. Doppelte Negation in Richel-1473/74: (1) „aber ich enmag ǁ noch enkan mir ſelbes nit geziehen ich můß mit vrlop u̓ wer geno= ǁ den frogen wie das kompt“ (a8b); (2) „des enkūdē ſy nit verwundern“ (c1a); (3) „ob er es nit bewendet hatt / Der die ſinen nit enlot“ (e1b); (4) „Die beheme gewunnen groß leit aber ſy enmochten das leider nit gewenden“ (e1b); (5) „Sye enweis villiecht nit ǁ vmb die vntruwe So du ir bewiſet“ (f2b); (6) „Das enſoll yme niemer me wol entſchieſſē“ (f6a); (7) „Ob du ir nicht enhielteſt din glu͛ bde das du ſy wu͛ rdeſt verlierē“ (f10b); (8) „vn̄ der boͤ ſe vigēt die wile der

292

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

ressante Beobachtungen im Vergleich mit der Vorlage stechen dabei hervor. Im Beleg (15) überträgt Prüss die proklitische Negationssilbe analogisch auf das zweite Modalverb. In der Vorlage fehlt es bei der Form des Präterito-Präsentiums mugen.172 Daneben tritt im Vergleich mit Richel in drei Belegen ein Fehler auf, der vermuten lässt, dass für den betreffenden Setzer die Form der doppelten Verneinung mit proklitischem en- und niht nicht mehr Bestandteil seiner parole war. Die Form en- wird vom Verb durch Spatium abgetrennt und homograph mit dem unbestimmten Artikel übertragen. Beispiel: vn̄ ſpɾach ich ein wil kein ander gabe dē euwern ſtoltzen lip (k2a). In Knoblochtzer-1477 tritt doppelte Negation ebenfalls in den gleichen Belegen wie in Prüssʼ und Richels Melusinen auf. Eine weitere Besonderheit der drei ersten Drucke der oberrh. Überlieferung liegt in der Verwendung des mhd. Indefinitpronomens enkein in der Bedeutung ›kein‹ im letzten aufgeführten Beleg (vgl. Mhd. Gr. § M 56, S 128). In Knoblochtzer-1478 tritt doppelte Negation lediglich in drei der 17 Belege der Vorgängerausgabe auf. Es handelt sich dabei stets um Belege, in denen die Negationspartikel ›nicht‹ und die proklitisch mit dem Verb verschmolzene Form direkt nacheinander folgen.173 Die präfixähnliche Form en- wurde vom Setzer nur noch mit Negation in Verbindung gebracht, wenn die Negationspartikel in unmittelbarer Nähe steht, ansonsten war der Zweck der Silbe en- für den Setzer nicht mehr transparent. Die restlichen Belege zeigen, dass die proklitische Negationspartikel in Distanzstellung zu nicht bewusst entfernt wurde. Das in den vorigen Ausgaben erscheinende, aufs Mhd. zurückweisende Indefinitpronomen enkein begegnet ohne die proklitisch angeschlossene Negativpartikel in der nhd. Form. Ebenso finden sich zur doppelten Negation mit proklitischem en- in Knoblochtzer1482 nur noch die in Knoblochtzer-1478 nachgewiesenen drei Belege. Zusätzlich dazu wird jedoch an einer Stelle dreifache Negation eingeführt. An dieser Stelle erscheint erstmals im Korpus proklitisches en-. In Richel-1473/74, Prüss-1478 und Knoblochtzer1477 wurde an dieser Stelle einfache Negation gesetzt (will; Beleg in Knoblochtzeres nit entwuͤ ſte Do ſchatte es doch mir nicht“ (g1b); (9) „So anmocht / in dem gantzen lande vō poytiers von groſſem kriege ſo do wu͛ rde niemer me ǁ korn noch anders gewachſſen“ (g2a); (10) „vnd ſprach lachē ǁ zů dem kuntman lieber fru̓ nt enforchte dich nit“ (g9a); (11) „vnd entbuttēt yme groß gůtt Des er doch gantz nit enwolte“ (h9a); (12) „die ſelbe die kan noch ſol noch enmag u̓ ch nit wer / ǁ den“ (i8a); (13) „Vnd er enkan noch mag hynnā nie niemer komen“ (i8b); (14) „vnd ſprach ǁ ich enwil kein ander gobe dan uwern ſtoltzen lip“ (i8b); (15) „ein ǁ ander gobe můſſen ir vordern dan myn lip enſol noch mag v̓ ch nit / ǁ werden“ (i8b); (16) „Der ku̓ nig ſprach zů ir ſicherlichen kein ander gobe enwil ich niemer den uwern lip gefordern“ (i8b); (17) „Es ſy ein torheit oder ein wißheit enkein ander gobe ſol noch enwil ich niemer gefordern“ (i9a). 172 Prüss-1478: ein ander gab můſſēt jr voɾdern dan mein lip enſol noch enmag euch nit werdē (k2a); Knoblochtzer-1477, neben Prüss der zweite direkte Nachdruck der Ausgabe Richel-1473/74, hält sich an Richel und bietet in diesem Beleg ebenfalls enſol noch mag. 173 Insgesamt tritt diese Distribution in Richel-1473/74 in vier Belegen auf. Die Belege in Knoblochtzer-1478 lauten: „der dy ſeinen nit enlot vnd alle ding vermag“ (e3b); „vnd der boͤ ſe viehent dy weile der es nit enwe= ǁ ſte / do ſchatte es doch mir nicht“ (g4a); „vnd entbůten ǁ jm gros gůt / des er doch gantz nit enwolt“ (i1a).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

293

1482 auf Bl. e2a: vnd ich kum noch enwill vō hin ǁ nen nit ſcheiden). Die doppelte Negation war damit nicht nur ein schriftsprachliches Relikt, sondern noch aktiv im Sprachgebrauch verankert. Dennoch wurde sie in Knoblochtzer-1478 radikal abgebaut, was wohl auf die Herkunft des Setzers dieser Ausgabe zurückzuführen ist. Knoblochtzer-1491 hält sich wie gewohnt an die Vorlage und bietet dieselben vier Belege für die doppelte Negation, die sich auch in Knoblochtzers dritter Ausgabe fanden. In den Augsburger Inkunabelausgaben der Melusine tritt doppelte Negation mit Proklise der Negationspartikel ne in weitaus geringerem Maße auf. In Bämler-1474 begegnet diese Form der Negation nur in zwei Belegen.174 Beide Belege decken sich mit Richels Text, die übrigen in Richel-1473/74 doppelte Negation aufweisenden Textstellen zeigen dieses schreibsprachliche Merkmal in Bämlers Ausgaben nicht. In Schönsperger-1488 sind bereits alle proklitisch an das Verb angeschlossenen Belege der Negationspartikel ne getilgt.175 Im Fortlauf der Drucküberlieferung der Melusine tritt die doppelte Negation mit ne + niht ab Schönspergers Ausgabe nicht mehr auf, da diese die Grundlage für Hupfuffs Bearbeitung darstellt und diese wiederum die Basis für Knoblochs Ausgabe. Auf den Text einer älteren Ausgabe als Knobloch-1516 greift keine der folgenden Ausgaben in großem Umfang zurück. Die früher zur Verstärkung der ursprünglichen Negationspartikel hinzugetretene Form, die sich aus ahd. niwiht bzw. neowiht entwickelte, gilt innerhalb des Untersuchungskorpus im 16. und 17. Jh. als alleinige Negationspartikel, deren Graphie eine interessante Entwicklung durchläuft, die in Tab. 42–44 dargestellt wird.176 Im DWB wird die Form mit Guttural als „mhd. die gewöhnliche“ geführt, deren Schreibung mit entgegen mhd. als „md. schreibung“ bezeichnet wird, die Kurzform nit als „allgemein ober- und mitteldeutsch“ (DWB 1999,13: 690). In der Mhd. Gr. findet sich für die Graphie der Negationspartikel im Mhd. eine stärkere mdal. Differenzierung, indem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass „ihr jeweiliges Verbreitungsgebiet [...] noch nicht genügend scharf umgrenzt“ ist, niht, nicht als „herrschende bair., ofrk. und omd. Form“, die h-losen Formen niet, nit als wmd. herausgestellt werden (Mhd. Gr. § M 59, Anm. 2). Ausgabe Richel-1473/74 Bämler-1474 Knoblochtzer-1477 174

nicht 15 22 16

nit 90 94 116

Gesamt 105 116 132

% Vollform 14,3 19 12,1

Doppelte Negation in Bämler-1474: (1) „ſy̋ ǁ enwey̋ s villeicht nicht vmb die vntrew̋ ſo du ir bewiſē ǁ haſt ~“ (g1b); (2) „ſo en ǁ moͤ cht in dem ganczē lande vō Poitieɾs vō groſſē krieg ǁ ſo do wuͤ ɾde nȳmermeɾ koɾn noch anders gewachſſen“ (h3b). 175 Schönsperger-1488: (1) „ſÿ weÿß ǁ villeicht nit vmb die vntreü ſo du jr beweiſſet ǁ haſt“ (h4b); „ſo moͤ chte in dem gāczen lande ǁ von Potiers von groſſem krieg deɾ do würde ǁ nym̄ er koɾn noch anders gewachſen“ (i8a). 176 Die Varianten nicht und nit wurden stellvertretend für alle Varianten gesetzt, da nur in Knoblochtzer-1491 größere Varianz auftritt (nyt (16), nytt, nitt), ansonsten kommt nitt nur vereinzelt vor.

294

Knoblochtzer-1478 Prüss-1478 Bämler-1480 Knoblochtzer-1482 Schönsperger-1488 Knoblochtzer-1491 Hupfuff-1506 Knobloch-1516 Steiner-1538 Steiner-1539 Messerschmidt-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562 Han-1564 Rebart/Han-1571 Manger-1574 Reffeler/Han-1577 Feyerabend-1587

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

4 8 24 5 15 6 0 0 2 5 10 4 10 101 95 66 70 63 81 72 95 81

125 94 93 122 121 111 138 117 117 116 108 114 108 9 12 39 43 41 26 38 12 12

129 102 117 127 136 117 138 117 119 121 118 118 118 110 107 105 113 104 107 110 107 93

3,1 7,8 20,5 3,9 11 5,1 0 0 1,7 4,1 8,5 3,4 8,5 91,8 88,8 62,9 61,9 60,6 75,7 65,5 88,8 87,1

Tab. 42: Graphie der Negationspartikel ni(h)t in der oberrh. und Augsburger Überlieferung

Ausgabe Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

nicht 57 6 28

nit 51 108 76

Gesamt 108 114 104

% Vollform 52,8 5,3 26,9

Tab. 43: Graphie der Negationspartikel ni(h)t in der Sondergruppe Müller-Egenolff

Ausgabe Pfeiffer-1649 Endter-1672 ohne Ort-1692 Nicolai-1692/93

nicht 114 99 104 97

nit 5 3 0 0

Gesamt 119 102 104 97

% Vollform 95,8 97,1 100 100

Tab. 44: Graphie der Negationspartikel ni(h)t in den Melusine-Ausgaben des 17. Jhs.

Im Korpus der Druckausgaben der Melusine überwiegt zunächst bis zum Übergang der Überlieferung nach Frankfurt deutlich nit, wobei die Ausgaben Bämlers mit jeweils

Die schreibsprachlichen Phänomene (1473/74–1516)

295

etwa 20 % nicht die Spitzenwerte für die nhd. Variante aufweisen, was der Nähe zum bair. Sprachgebiet geschuldet sein könnte. Auffällig in den Ausgaben des 15. Jhs. ist auch der starke Rückgang der Graphievarianz in der zweiten Ausgabe Heinrich Knoblochtzers, der nahezu durchgehend nit setzt. In dieser Ausgabe ist eine generelle Tendenz zum Variantenabbau im Bereich der Graphie zu verzeichnen, weitere sprachliche Besonderheiten dieser Ausgabe im Vergleich mit der Vorlage lassen allerdings auch mdal. Einfluss über Setzer und/oder Korrektoren als Erklärungsversuch für den Rückgang der Varianz plausibel erscheinen. In den beiden ersten Ausgaben des 16. Jhs. gibt es keine Varianz mehr, da ausnahmslos die Variante nit gesetzt wird. Diese bleibt auch bei Steiner mit über 90 % Leitgraphie. Eine ganz bewusste Umkehrung des Zahlenverhältnisses der beiden Graphievarianten nicht und nit wird in der md. Ausgabe Gülfferich-1549 bei der Übernahme des Textes der Ausgabe Steiner-1543 vorgenommen. In den Han-Ausgaben ist im Vergleich mit den beiden Gülfferich-Drucken ein neuerlicher Rückgang der Graphie nicht auf etwa 60%-igen Anteil zu verzeichnen, den Status als Leitgraphie verliert sie allerdings in dieser Überlieferungstradition nicht mehr und steigt bis hin zu Feyerabend-1587 wieder zu beinahe 90 % an. Dass die Sondergruppe Müller-Egenolff auf ältere Textzeugen zurückgeht, zeigt sich anhand der Graphie der Negationspartikel deutlich. Egenolff-1578 geht dabei klar auf die Vorlage Steiners zurück und steht in deutlichem Kontrast zu der etwa zeitgleich und in der gleichen Stadt erschienenen Ausgabe Reffeler/Han-1577. Die Druckersprache der Drucker- und Verlegerfamilie Gülfferich-Han, in deren Druckprogramm volkssprachige Werke überwogen, zeigt auch hier Züge, die auf den nhd. Standard verweisen. Völlig ohne Varianz erscheint die Graphie in unserem Korpus erstmals in den beiden letzten Ausgaben am Ende des 17. Jhs. e.

Das Konjugationsparadigma des verbum substantivum ›sein‹

Am Paradigma des hochfrequenten Verbs ›sein‹ lassen sich aufgrund der anfänglichen Varianz der Formen im Korpus bewusste Eingriffe in ein morphologisches Gesamtparadigma darlegen. Besonders interessant im Konjugationsparadigma des verbum substantivum ›sein‹ erscheint die schreibsprachliche Variation der Formen des Präsens Indikativ Plural. In der oberrh. Inkunabelüberlieferung gilt nahezu ausnahmslos ſint in allen drei Personen. In Prüss-1478 wird in der 2. und 3.P.Pl. in je acht von 13 Belegen ſeint gesetzt. Die Form ſeit für die 2.P.Pl. tritt in zwei Belegen in Prüss-1478 und einem Beleg in Knoblochtzer-1491 auf. Die Interferenzen aus dem Osten sind in minimalem Maße auch hier greifbar. Grundsätzlich gilt allerdings für die oberrh. Überlieferung des 15. Jhs. ein Einheitsplural mit der Form ſint. Ganz im Gegensatz dazu steht wiederum die Augsburger Inkunabelüberlieferung, die sich durch klare Differenzierung der 2. von der 3. Person auszeichnet. In Bämler-1474 wird für die 2.P.Pl.Ind.Präs. ſey̋ t (15), ſey̋ dt gesetzt, für die 3.P. ſeind (12).

296

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Hupfuff-1506 bietet trotz der Augsburger Vorlage den Einheitsplural der Straßburger Vorgänger, wobei ein Eindringen der Form ſeit durch drei von zehn Belegen der 2.P.Pl. beobachtet werden kann. In Knobloch-1516 begegnet das gleiche Bild mit dem Unterschied, dass er die diphthongierte Form der Augsburger Drucke für 1. und 3.P.Pl.Ind.Präs. bietet: ſeind. Für die 2.P.Pl. werden ebenfalls zwei Varianten gesetzt: ſeind (4) / ſeyt (4). Dieser Befund ändert sich abgesehen von der Abweichung, dass ab Han-1556 in je 2 Belegen der 2. und 3.P.Pl. die Form ſind wieder auftritt, nicht mehr bis zum Ende des 16. Jhs. In Feyerabend-1587 wird erstmals in den Melusine-Drucken des 16. Jhs. für die 2.P. Pl.Ind.Präs. durchweg eine Form gesetzt : ſeyt (11). Leitform für 1./3.P.Pl. bleibt ſeynd, wobei unter zehn Belegen der 3.P.Pl. dreimal ſind auftritt. In den Ausgaben des 17. Jhs. begegnet mit wenigen Ausnahmen das nhd. Muster ſind – ſeyd – ſind. Relikthaft treten die Formen ſeind (3.P.Pl.Ind.Präs.; 3 von 11 Belegen), geweſt (Partizip II; 1 von 8 Belegen) und biß (Imperativ Sg.) auf. Das Partizip II lautet stets geweſen (8–9 Belege), erst in Pfeiffer-1649 tritt abweichend ein Beleg der Form geweſt hinzu. Dieser Beleg findet sich in allen drei folgenden Ausgaben des 17. Jhs. Die Form der 3.P.Sg.Ind.Prät. ist bis Reffeler/Han-1577 was. Entgegen den meisten innovativen Entwicklungen im Korpus tritt der Wandel von was zu war zuerst in der Sondergruppe Müller/Egenolff zu Tage: Müller-1577: was (35) / war (48) > Egenolff1578: was (36) / war (53) > Egenolff-1580: war (88); In Feyerabend-1587 zeigen sich noch Anleihen aus der Tradition der Vorlage, allerdings gilt auch hier zeitgemäß die neue Schreibung als Leitgraphie: was (15) / war (67). Im 17. Jh. wird durchweg im Auslaut gesetzt.

2.

Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum II (1538–1587)

2.1

Lautwandel im Bereich des Vokalismus

a.

Die frnhd. Diphthongierung im Untersuchungszeitraum II und III (1538– 1692/93)

Für das Untersuchungskorpus gilt generell, dass die Diphthongierung nur bis 1516 von größerem Interesse ist, da hier ein Nebeneinander der Varianten besteht. In der Folge finden sich mit einer Ausnahme bei durchschnittlich etwa 1250 annotierten Belegen in allen Ausgaben zu über 99 % digraphische Realisationen. Die einzige Ausnahme bildet mit 92,5 % Digraphien die Straßburger Ausgabe Messerschmidt-1539. Dabei sind 85 der 94 abweichenden Belege für das Lexem ›auf‹ zu konstatieren. Diese sind wie in Knobloch-1516 typisch für die Straßburger Druckersprache der ersten Hälfte des

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

297

16. Jhs.177 Drei Belege sind auf Kürzung in der Nebensilbe zurückzuführen (loͤ chlin, ſchaͤ flin, Franckrich). Die übrigen Belege sind Ausnahmen von der Regelgraphie, die auf die Mundart des Setzers zurückzuführen sind: Bɾiburg, hinin (2), daryn, früntlich, vß. Ab Steiner-1540 kann kein Beleg mehr als unterbliebene Diphthongierung interpretiert werden, da es sich nur noch um Kürzungen in unbetonter Silbe der Suffixe -lîn und -rîch handelt bzw. vermutlich Setzfehler.178 Somit muss man trotz der konstatierten monographischen Schreibungen 100%-ig erfolgte Repräsentation der Diphthongierung in den Melusine-Drucken ab 1540 (ausgenommen Sondergruppe Müller-Egenolff) bescheinigen. Darüber hinaus spiegeln sich hier auch die Abhängigkeiten und die sukzessive Dezimierung von Varianten wider.179 Die Sondergruppe Müller-Egenolff weist in allen drei Ausgaben ebenfalls über 99 % digraphische Schreibung auf. Abweichend erscheinen in Müller-1577 die Belege Fryburg, farbtroͤ pflin, loͤ chlin (2), erdtrich, vff (2), kneblin, ſtaͤ blin, buͤ chlin. Mit vff (2) tritt wiederum das Shibboleth der Straßburger Druckersprache auf. Alle anderen Formen lassen sich durch Regionalismus oder Kürzung erklären. Für einen Frankfurter Druck untypisch und als weiteres Indiz für die Vorlagenabhängigkeit von Müller-1577 zeigt auch Egenolff-1578 einmal vff.180 Ansonsten erscheinen ebenfalls nur Kürzungsbelege: farbtroͤ pflin, loͤ chlin (2), erdtrich, erdtrichs, doͤ rflin, buͤ chlin. In der Ausgabe Egenolff1580 finden sich gar vier Belege für vff. Die Kürzungsbelege sind nahezu deckungsgleich mit denen der Vorgängerausgabe: farbtroͤ pfflin, loͤ chlin (2), erdtrich, erdtrichs, ſchaͤ flin, buͤ chlin. In den vier erhaltenen Ausgaben des 17. Jhs. sind auch die letzten auf Kürzung in unbetonter Silbe zurückzuführenden Abweichungen mit Monographschreibung beseitigt. In Pfeiffer-1649 erscheint unter 1168 annotierten Belegen nicht einer mit monophthongischer Schreibung, sei es wegen Kürzung oder unterbliebener Diphthongierung. Gleiches gilt für Endter-1672 (1189), ohne Ort-1692 (1101) und Nicolai-1692/93 (1096). Die Entwicklung der Schreibung der alten mhd. Langvokale /i:/ /u:/ /y:/ zu Messerschmidt-1539: vff (67), vffgehebt (2), daruff (3), vffenthalt, vff hoͤ ɾē, vffgerecktem, vffenthalten, vffs, vffkomen, vfferſtanden, Vff, vff blaſen, hinuff (2), dar vff, vffenthaltung. Die monographische Schreibung gilt allerdings nicht ausnahmslos wie in Knobloch-1516, es tauchen auch fünf Gegenbelege auf: auff (B2a (2), F2b), Darauff (C3a) und darauff (O1a). 178 Beispielweise bei Han-1562: Für gruſamer muss man wohl einen Setzerfehler veranschlagen, da das Lexem ansonsten in drei Belegen mit in der betonten Silbe gesetzt erscheint. 179 Steiner-1538: jntragen, yntrag, Brybrug, buͤ bery, loͤ chlin (2), erdtrichs > Steiner-1539: jntragen, yntrag, Brybrug, loͤ chlin (2), erdtrich, erdtrichs > Steiner-1540: loͤ chlin (2), erdtrich (2) > Steiner1543: loͤ chlin (2), erdtrich, erdtrichs, buͤ chlin > Gülfferich-1549: loͤ chlin (2), erdtrich, erdtrichs (2) > Gülfferich-1554: loͤ chlin (2), erdtrich, Erdtrichs, Buͤ chlin > Han-1556: loͤ chlin (2), erdtrich > Han-1562: Loͤ chlin, loͤ chlin, erdtrich, gruſamer > Han-1564: loͤ chlin, Loͤ chlin, erdtrich, Erdtrichs > Rebart/Han-1571: loͤ chlin (2), Erdrich, doͤ rfflin > Manger-1574: loͤ chlin, Loͤ chlin, Erdtrich, Doͤ ɾfflin, biſſen > Reffeler/Han-1577: Erdtrich, Doͤ rfflin > Feyer-abend-1587: Erdtrich. 180 Dieser Beleg ist jedoch nicht mit der Ausgabe Müller-1577 deckungsgleich, in der sich an der betreffenden Stelle auff findet. 177

298

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

digraphischen Schreibungen ist damit im Korpus bereits als weitestgehend in der ersten Hälfte des 16. Jhs. und vollständig ab 1540 abgeschlossen nachgewiesen. b.

Die md. Monophthongierung im Untersuchungszeitraum II und III (1538– 1692/93)

Mit dem Übergang der Drucküberlieferung der Melusine aus den obd. Städten Augsburg und Straßburg in die im md. Raum situierte Reichsstadt Frankfurt/a.M. Mitte des 16. Jhs. schlägt sich die md. Monophthongierung innerhalb unseres Korpus im Druckbild nieder. Zunächst wird der Befund aus dem Untersuchungszeitraum in den vier Steiner-Ausgaben und der Ausgabe Georg Messerschmidts aus Straßburg bestätigt. In Steiners vier Ausgaben herrscht noch durchgehend -Graphie für mhd. /ʊo/: Steiner-1538 (651 /11 ), Steiner-1539 (659/14), Steiner-1540 (596/13), Steiner-1543 (612/13).181 Auch die deutliche Zuordnung des Graphems zum Diphthong /ʏə/ und dessen Unterscheidung vom Umlautgraphem untermauern diesen Befund. steht in allen vier Ausgaben eindeutig in Opposition zu den Umlautgraphemen (für /y:/ /ʏ/) für den Diphthong /ʏə/. Das Graphem / erscheint nicht zur Darstellung des Langvokals /i:/ an unorganischer Stelle. Die md. Monophthongierung zeigt in Steiners Ausgaben keine schreibsprachlichen Reflexe. Gleiches gilt für die Ausgabe Messerschmidt1539 (558/6).182 Hermann Gülfferich druckt 1549 zum ersten Mal die Melusine in Frankfurt/a.M. Die Ausgabe Steiner-1543 wurde als seine Textvorlage identifiziert. Wie oben dargestellt, weist diese noch die den mhd. fallenden Diphthongen geschuldete Graphie auf, unterscheidet noch deutlich zwischen für den diphthongischen Umlaut von /ʊo/ und dem Umlaut von /u/ und liefert keine Beispiele für unorganisch eingefügtes als Längenmarkierung. Die der letzten Steiner-Ausgabe zeitlich nahestehende erste Ausgabe Gülfferichs (Gülfferich-1549) weist all diese progressiven Phänomene auf. In 632 Belegen steht für den alten Diphthong /ʊo/ das Graphem . Die Letter ů kommt überhaupt nur noch in Bůch (2) vor. Zwischen Umlaut und Diphthong /ʏə/ wird graphematisch nicht unterschieden. Beide historisch unterschiedlich entstandenen Phoneme werden durch die Letter dargestellt. erscheint an unorganischer Stelle als Längenzeichen. Beispielhaft hierzu sind die Schreibungen der mhd. Lexeme begirde, vil und sige. In Steiner-1543 weisen die Belege zu diesen drei Lexemen durchgehend Monographie auf, in Gülfferich-1549 wurde durchweg gesetzt: 181

Die abweichenden Belege in Steiners Ausgaben beschränken sich weitestgehend auf das Amalgam ›zum‹ und das Suffix ›-tum‹. Steiner-1538: zum (6), Fürſtenthum̄ s, Fürſtenthumbs, Fürſtenthumb, fürſtenthum̃ , Hertzogthumb; Steiner-1539: zum (8), Fürſtenthumbs (2), reichtumbs, Fürſtenthumb, fürſtenthumb, Hertzogtthumb; Steiner-1540: zum (7), Fürſtenthumbs (2), reichtumbs, Fürſtenthumb, fürſtenthumb, Hertzogthumb; Steiner-1543: zum (6), Fürſtenthumbs (2), Reichthumbs, geſucht, Fürſtenthumb (2), muſt. 182 Messerschmidt-1539: Fürſtenthumbs, reichthūb, hub, ſchwur (2), ſtund.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

Steiner-1543 Gülfferich-1549

begir5 0

begier0 4

299

ſig- / ſyg11/1 0

ſieg0 12

vil- / vyl53/1 0

viel0 53

Tab. 45: als unorganisches Dehnungszeichen in Gülfferich-1549

Aufgrund dieser Befunde kann festgehalten werden, dass die md. Monophthongierung in dieser Ausgabe erstmals im Korpus nahezu vollständig im Schriftbild erscheint. In diesem Bereich zeigt sich die bewusste Veränderung typischer Merkmale der Vorlagensprache in die ortsübliche Drucksprache besonders deutlich. In Gülfferich-1554 ist die Letter ů vollständig getilgt. In 628 Belegen, die ursprünglich den Diphthong /ʊo/ aufwiesen, steht durchweg . Die Belege der drei obigen Beispiellexeme zeigen nur eine Abweichung von der Vorgängerausgabe: vil – viel (48). Die Monophthongierung spiegelt sich als vollständig durchgeführt in der Graphie wider. Dieser Befund ist für alle durch die Gülfferich-Han-Linie gedruckten Melusine-Ausgaben konstitutiv.183 Die Graphie der Lexeme ›Begierde‹, ›viel‹ und ›Sieg‹ weist in all diesen Ausgaben mit Ausnahme von ›viel‹ durchweg auf.184 Die Augsburger Ausgabe Manger-1574 weicht in Bezug auf die Graphie der von der md. Monophthongierung betroffenen Vokale von der Frankfurter Vorlage Han-1562 deutlich ab. Die Monophthongierung des Diphthongs /ʊo/ zu /u:/ ist in 458 Belegen graphisch angedeutet, in nur 177 steht . Dabei sind eindeutige Lexemabhängigkeiten zu erkennen. Ohne erscheint ›zu‹, das Präteritum von ›schlagen‹, ›heben‹ und ›stehen‹, ›Muhme‹ und ›suchen‹. Durchweg mit erscheinen die Lexeme ›Bruder‹, ›Mutter‹, ›Ruhe‹, ›Fuß‹, ›Schuh‹ und ›Busen‹. Leitgraphie stellt bei den Lexemen ›gut‹, ›tun‹, ›müssen‹ und ›Mut‹ dar. Die wenigen Abweichungen mit -Graphie sind über alle Lagen verteilt und lassen keine Setzerabhängigkeit erkennen. wird größtenteils noch nicht als Längenzeichen verwendet und auch für den Diphthong /ʏə/ gibt es noch ein eigenes Graphem , das vom Umlautgraphem unterschieden wird. Bei der Darstellung des Langvokals /i:/ der ausgewählten drei Beispiellexeme treten in diesem Druck drei Varianten auf: , und . Manger-1574

begir0

begier4

ſyg12

ſieg0

vil50

viel0

Tab. 46: als unorganisches Dehnungszeichen in Manger-1574 Han-1556: (5 /602 ); es könnte sich allerdings auch um defekte -Typen handeln: brůder (Pl.), gelůbt (Sg.), gůrt (3.P.Sg.Präs.), Kůnig (Sg.), můſſen (1.P.Pl.Ind.Präs.); Han-1562: (0/637) > Han-1564 (0/668) > Rebart/Han-1571 (0/599) > Reffeler/Han-1577 (0/623) > Feyerabend-1587 (0/606). 184 Im Gegensatz zu ›Sieg‹ und ›Begierde‹ tritt der palatale Vokal im Lexem ›viel‹ auf suprasegmentaler Ebene häufiger unbetont auf. Belege: Han-1556: viel (40) vs. vil (6); vielleicht (3) vs. villeicht; Han-1562: viel (38) vs. vil (8); vielleicht (4); Han-1564: viel (36) vs. vil (10); vielleicht (4); Reffeler/Han-1577: viel (44) vs. vil (5); vielleicht (4). 183

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

300

Die Sondergruppe Müller-Egenolff unterscheidet sich von den Frankfurter Ausgaben der Druckerfamilie Gülfferich-Han auch bei der graphischen Repräsentation dieses Lautwandels signifikant. In der Straßburger Ausgabe Müller-1577 stehen 581 Belegen mit -Graphie nur 20 ohne gegenüber. Die Abweichungen zeigen große Parallelen zu denen in Steiners Ausgaben.185 Auch die Schreibung findet sich in den drei Beispiellexemen ›viel‹, ›Sieg‹ und ›Begierde‹ nur selten. Für den Diphthong /ʏə/ und /ʏ/ /y:/ wird einheitlich gesetzt. Dass hier nicht differenziert wird, kann entweder aufgrund des abweichenden Befundes für die beiden anderen von der Monophthongierung betroffenen Diphthonge als typenabhängiges Fehlen der geeigneten Lettern interpretiert werden, oder die fallenden Diphthonge des Mhd. wurden bereits als Monophthonge artikuliert, die traditionelle Schreibweise in Straßburg übte jedoch noch zu starken Einfluss auf die Schreibsprache dieser Offizin aus. In Egenolff-1578 präsentiert sich das Verhältnis der Varianten und anders als bei Müller: (520) vs. (132). Bei den 132 abweichenden Belegen handelt es sich bis auf sieben186 durchweg um die Präposition bzw. das Präfix zů. Diesen Belegen stehen in den untersuchten Textausschnitten 214 mit der Graphie gegenüber, die durchgehend auf den gleichen Lagen mit den monophthongierten Schreibweisen erscheinen. In Egenolff-1580 wird die Variante noch stärker abgebaut und findet sich nur noch in 47 Belegen, wohingegen 307 Belege die Graphie aufweisen. Insgesamt erscheint die Letter ů für den Diphthong /ʊo/ in diesem Druck in 341 Wortformen.187 Abgesehen vom Lexem ›zu‹ und wenigen Ausnahmebelegen ist die Monophthongierung in diesem Druck nicht dargestellt. Auch wird noch strikt zwischen der Type für /ʏə/ und für /y:/ bzw. /ʏ/ unterschieden. wird abgesehen von einigen Belegen des Lexems ›Sieg‹ noch nicht an unorganischer Stelle eingesetzt. Egenolff-1578 Egenolff-1580

begir5 5

begier0 0

ſig- / ſyg11 9

ſieg1 3

vil48 49

viel0 0

Tab. 47: als unorganisches Dehnungszeichen in den Ausgaben der Offizin Christian Egenolffs Erben

185

Die Abweichungen von der Leitgraphie betreffen das Suffix ›-tum‹ ohne Gegenbeleg (Fuͤ rſtenthumbs (2), Fuͤ rſtenthumb, Reichthumbs), das Lexem ›suchen‹ mit einem Gegenbeleg (geſucht, erſucht, ſuchen, zůſuchen, ſucheſt, ſuchet, ſucht, ſuch – ſůcht), zumal (4) vs. zůmal (7) und zum (4) vs. zům (2). 186 Fürſtenthumbs, Fürſtenthumb, Reichthumbs, gut, ſuchet, geſucht, ſtund. 187 Von der Leitgraphie abweichend sind in Egenolff-1580 lediglich die Belege Fürſtenthumbs (2), Fürſtenthumb, Hertzogthumb, Reichthumbs, ſuchen, geſucht, wuchß und die Belege der Präposition bzw. Partikel ›zu‹.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

301

Abgesehen von der Sonderentwicklung des hochfrequenten, häufig nicht betonten Lexems ›zu‹ ist die Monophthongierung in der Sondergruppe Müller-Egenolff nicht in der Schreibung fassbar, wobei sie zeitgleich bei den Frankfurter Druckern der Familie Gülfferich-Han, deren Verlags- und Druckprogramm im Vergleich zur Offizin Christian Egenolffs Erben stark auf deutschsprachige Werke konzentriert war, längst fester Bestandteil ihrer Schreibsprache ist. Die Setzer der Frankfurter Offizin Egenolffs Erben, die nicht auf den Druck deutschsprachiger Werke spezialisiert war, waren scheinbar weniger vertraut mit den drucksprachlichen Charakteristika in Frankfurt/a.M. bzw. wendeten weniger Sorgfalt auf die sprachliche Gestaltung an, so dass die fremden drucksprachlichen Merkmale nicht in die ortsüblichen Graphievarianten überführt wurden. Ab der Mitte des 16. Jhs. wird die Monophthongierung im Korpus erstmal greifbar. Dabei ist statt eines graduellen Übergangs eine abrupte nahezu 100%-ige Veränderung beim Wechsel der Drucküberlieferung der Melusine aus dem obd. Raum nach Frankfurt/a.M. zu beobachten. Dass dies neben den lautlichen Grundlagen auch auf eine angestrebte Reduzierung der Lettern einer Type zurückgeht, ist aus ökonomischer Sicht durchaus denkbar. Die obd. Drucke Mangers und Müllers zeigen sich der Schreibtradition ihrer Region verhaftet, wohingegen die Abweichung in den Egenolff-Drucken auf Vorlagenabhängigkeit (Müller-1577 und Steiner-1543) zurückzuführen ist. In den Ausgaben des 17. Jhs. macht bereits die Analyse des Typenmaterials deutlich, dass sich /ʊo/ nicht mehr nachweisen lässt. Auch die sehr frequente Verwendung des Digraphems als Längenmarkierung verdeutlicht, dass dieses Graphem vermutlich nicht länger als Diphthong dekodiert wurde. Der Phonemzusammenfall des Diphthongs /ʏə/ mit dem Umlaut muss für diese Ausgabe ebenso angenommen werden, da in der Graphie nicht nach Herkunft der Laute unterschieden wird. In Pfeiffer-1649 werden 672, Endter-1672 642, ohne Ort-1692 616 und in Nicolai-1692/93 631 Belege, die ehemals den Diphthong /ʊo/ aufwiesen, mit gesetzt. c.

Die Nukleussenkung der alten mhd. steigenden Diphthonge im Untersuchungszeitraum II und III (1538–1692/93)

Der in der letzten Ausgabe unseres Korpus im Untersuchungszeitraum I erreichte Stand der Graphie in Bezug auf die alten mhd. Diphthonge /œʏ/ und /oʊ/ verändert sich im Untersuchungszeitraum II nicht mehr. Ausgabe Steiner-1538 Steiner-1539 Messers.-1539 Steiner-1540 Steiner-1543

alte Schreibung neue Schreibung Total 5 258 263 5 259 264 7 218 225 5 258 263 1 262 263

% Nukleussenkung 98,1 98,1 96,9 98,1 99,6

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

302

Gülfferich-1549 Gülfferich-1554

1 0

226 222

227 222

99,6 100

Tab. 48: Die Senkung der alten mhd. Diphthonge /œʏ/ /oʊ/ in den Ausgaben des 16. Jhs.188

Ausgabe Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

alte Schreibung neue Schreibung 3 208 7 228 0 217

Total 211 235 217

% Nukleussenkung 98,6 97 100

Tab. 49: Die Senkung der alten mhd. Diphthonge /œʏ/ /oʊ/ in den Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff

Die wenigen restlichen Belege mit alter Diphthonggraphie betreffen weitestgehend das Lexem ›Urlaub‹, was auf die von der Regel abweichende Betonung des Präfixes und die daraus folgende Unbetontheit des Stammvokals /oʊ/ zurückzuführen ist. In den SteinerAusgaben, die in ihrer sprachlichen Ausformung primär auf Knobloch-1516 zurückgehen, tritt wie bei Knobloch vɾlob auf.189 Die ersten drei Ausgaben Steiners bieten je fünf Belege vɾlob ohne Gegenbeleg. Erst Steiner-1543 beseitigt abgesehen von einem Beleg die von der Augsburger Normgraphie abweichenden Formen: vɾlob, vrlaub (2), vrlaw̆ b, vɾlaub. In Messerschmidt-1539, ebenfalls direkt abhängig von Knoblochs Ausgabe, finden sich wie in Knobloch-1516 sieben Belege, allerdings mit Diphthonggraphie: vɾloub. Durch Gülfferich-1549 wird der Beleg, der auch in Steiner1543 noch die Graphie vɾlob aufweist, tradiert (vrlob), ab Gülfferich-1554 allerdings angeglichen (vrlaub). Die Sondergruppe des Untersuchungszeitraums II geht mit Müller-1577 auf Steiner zurück und weist daher die Form vɾlob auf. Dies ist in drei Belegen der Fall, wohingegen nur ein Beleg mit erscheint. In den Textausschnitten aus Egenolff-1578 finden sich gar sieben Belege für vɾlob, zwei für vɾlaub. Egenolff-1580 bietet einheitlich : vrlaub (4), vɾlaub. Die Frankfurter Drucker, die einen Großteil ihrer Drucke in der Volkssprache druckten, verwenden damit von Beginn an die Schreibweise, die im 15. Jh. in den Augsburger Drucken der Melusine verwendet wurde. Die Reliktform vɾlob zeigt schön, dass innerhalb des Korpus die Vereinheitlichung v. a. durch die Frankfurter Drucker, die den größten Marktanteil an deutschsprachigen Drucken hatten, bewusst vorangetrieben wurde. Im Gegensatz dazu steht zeitgleich mit Christian Egenolffs Erben eine Offizin, die nur wenige deutschsprachige Werke druckte. Dort wurde nicht auf Basis eines relativ uniformen Setzerusus für die deutsche Sprache gearbeitet, vielmehr 188 189

Nach Gülfferich-1554 treten in etwa 230–250 Belegen pro Ausgabe keine Abweichungen mehr auf. Diese Relikte der Straßburger Druckersprache des 15. Jhs. stellen einen interessanten Indikator für die Abhängigkeiten der Ausgaben voneinander dar. Auch wird deutlich, dass eine graphische Variante, die von der Leitgraphie einer Sprachlandschaft abweicht, häufig der Vorlage geschuldet sein kann.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

303

wurden häufig alte Formen aus den Vorlagen übernommen. Ab 1580 wird jedes in der Melusine vorkommende Lexem nach den Leitgraphien gesetzt, so gibt es auch im Untersuchungszeitraum III keine Abweichungen mehr von den Graphien, die auf eine Senkung des ersten Bestandteils des Diphthongs hinweisen.190 d.

Die md. Senkung im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Die Senkung zeigte sich im Untersuchungszeitraum I auf einige wenige Lexeme beschränkt, im Großen und Ganzen jedoch, und das vor allem in den Augsburger Ausgaben, als nahezu nicht durchgeführt. Gleiches gilt im Untersuchungszeitraum II in den in Augsburg gedruckten Melusine-Ausgaben Heinrich Steiners. Die letzte Steiner-Ausgabe aus dem Jahr 1543 unterscheidet sich im Vergleich zu den vorhergehenden drei Ausgaben durch einen Anstieg von unter zehn Prozent auf über zwanzig Prozent der Belege mit Senkung. Der Einfluss eines neuen, auswärtigen Setzers oder Korrektors wird erneut greifbar. Alle anderen Ausgaben dieses Zeitraums, mit Ausnahme der Sondergruppe Müller-Egenolff, weisen mindestens über 70 % Senkungsgraphien auf. Bei den absoluten Zahlen zur Senkung muss immer beachtet werden, dass ein großer Teil der Belege auf die beiden Lexeme ›König‹ und ›Mönch‹ fällt, die in der Melusine hochfrequent Verwendung finden. In der Tabelle und den Erläuterungen zu den Zahlen aus den jeweiligen Ausgaben werden daher die quantitativen Erhebungen sowohl mit den beiden hochfrequenten Lexemen ›König‹ und ›Mönch‹, als auch ohne diese angegeben. Steiner-1538 steht mit 13 Belegen erfolgter Senkung noch deutlich in der Schreibtradition der Augsburger Drucker der Melusine des 15. Jhs. Die Belege betreffen jedoch andere Lexeme als dies in den Ausgaben des 15. Jhs. der Fall war: beſonder (3), from̃ kait, ſontag, ſondern, ſond’, ſonnſt, ſonder (5). In Steiner-1539 finden sich nahezu die gleichen Belege mit Senkung, die auch schon in der Vorgängerausgabe -Graphie aufwiesen: beſonder (5), from̃ kait, ſontag, ſond’, ſonnſt, ſonder (8). Hinzu kommen die Belege beſonder (2), ſonder (3), kom̃ ernuß, from̃ en und beſond’. Ausgabe Steiner-1538 Steiner-1539 Messerschmidt-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 190

-Graphie 293/110 277/92 58/36 271/88 232/46 61/28 57/23 70/24

-Graphie 13/13 20/20 148/39 27/27 63/63 207/72 199/61 183/75

Total 306/123 297/112 206/75 298/115 295/109 268/100 256/84 253/99

% Senkung 4,2/10,6 6,7/17,9 71,8/52 9,1/23,5 21,4/57,8 77,2/72 77,7/72,6 72,3/75,8

In Pfeiffer-1649 wurde dies an 256 Belegen überprüft, in Endter-1672 an 222 Belegen, in ohne Ort1692 an 231 Belegen und in Nicolai-1692/93 an 212 Belegen.

304

Han-1562 Han-1564 Rebart/Han-1571 Manger-1574 Reffeler/Han-1577 Feyerabend-1587

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

56/23 55/22 55/20 59/26 16/16 47/14

210/68 215/79 199/73 210/76 234/71 218/84

266/91 270/101 254/93 269/102 250/87 265/98

78,9/74,7 79,6/78,2 78,3/78,5 78,1/74,5 93,6/81,6 82,3/85,7

Tab. 50: Senkung vor Nasal im Untersuchungszeitraum II mit Gesamtbelegzahl/Belegzahl ohne die hochfrequenten Lexeme ›König‹ und ›Mönch‹

In kleinen Schritten steigt die Anzahl der Belege in Steiner-1540. Unter den 27 Belegen sind from̃ kait (H2a) und ſons (O2a) singulär auftretende Ausnahmen entgegen der Regelgraphie. Für die Lexeme ›sonder‹, ›besonder‹ und ›sonst‹ kann hingegen ein Nebeneinander der Formen konstatiert werden. Dabei lassen sich gewisse Präferenzen in bestimmten Lagen erkennen, eine klare Setzeraufteilung des Druckes kann allerdings aufgrund der niedrigen Belegzahlen nicht rekonstruiert werden.191 In Steiner-1543 nehmen die Belege für durchgeführte Senkung im Vergleich mit den Vorgängerausgaben weiter zu. Dabei sind hier erstmals ›besonder‹ und ›sonder‹ ausnahmslos mit -Graphie belegt. Auch ›sonst‹ zeigt nur noch eine Abweichung von der Leitgraphie .192 Die weiteren Belege beschränken sich auf die Lexeme ›Sohn‹ und ›fromm‹ (und Derivate), wobei hier keine Graphievariante des Stammvokals alleinig vorherrscht. Lagenabhängigkeit ist nicht festzustellen.193 Abgesehen von diesen vier Augsburger Ausgaben lässt sich in den restlichen Ausgaben des 16. Jhs. ein starker Umschwung feststellen, der damit zusammenhängt, dass das Lexem ›König‹ in den betreffenden Ausgaben mit gesenkter Vokalgraphie auftritt.

191

beſonder (9; B4b, E4b, H1a, H3b, I3a, O1b, O3a, O3b, T1a), beſondere (Y3a), Beſonder (Y3a) vs. beſunder (5; C1a, H1b, K1a, L4a, M1b); ſonder (7; A2a, B4b, I3a, N4b, M4b, Q1a), ſonnder (2; H3b, N2a), ſond’ (N3b), ſonderlich (O2b) vs. ſunder (4; C1a, Q1a, L1b); ſonſt (2 ; I2a, O2a) vs. ſunſt (5; I1a, K2b, L1a, L1b, V1a), Sunſt (G1a). Über den Beleg Sontag (M2a) kann aufgrund des einmaligen Erscheinens in den Textausschnitten keine weitere Aussage getroffen werden. 192 ſonſt (6; I2a, K2b, L1a, L1b, O2a, V1a), Sonſt (G1a) vs. ſunſt (I1a). Wie in allen Steiner-Drucken zuvor begegnet hier auch der Einzelbeleg Sontag (M2a). 193 ſon (10; C1a, E4b, G3a, L1b, O1b, O3a), ſons (5; O2a, G1a, P1a), Son (2; E4b) vs. ſun (K3a), ſün (L1a), ſüne (P1a), ſünen (2; G2b); from̄ en (K3b), from̃ e (O1b), Frommer (H2a), fromme (H3a), from̃ en (2; H3b, K3b) vs. frumb (M1a), frümbkayt (K3a), früm̃ kait (H2a). Interessant in diesem und den darauffolgenden Drucken ist die Form foɾtbaß, die im Vergleich zu den restlichen Belegen zu mhd. vürbaz von der ansonsten ausnahmslos geltenden Graphie mit // etc. abweicht. In Steiner-1543 erscheint diese Form erstmals auf der Vorderseite des ersten Bl. der Lage H und wird an exakt gleicher Stelle in den nachfolgenden Frankfurter Ausgaben so übernommen.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

Ausgabe Steiner-1538 Steiner-1539 Messerschmidt-1539 Steiner-1540 Steiner-1543 Gülfferich-1549 Gülfferich-1554 Han-1556 Han-1562 Han-1564 Rebart/Han-1571 Manger-1574 Reffeler/Han-1577 Feyerabend-1587

-Graphie Lexem ›König‹ 150 151 0 149 152 0 1 14 1 0 1 0 0 0

-Graphie Lexem ›König‹ 0 0 109 0 0 135 138 108 142 136 126 134 128 134

305

Total 150 151 109 149 152 135 139 122 143 136 127 134 128 134

% Senkung 0 0 100 0 0 100 99,3 88,5 99,3 100 99,2 100 100 100

Tab. 51: Die Senkung des Stammvokals des Lexems ›König‹ in den Ausgaben des 16. Jhs.

Mit dem Übergang der Melusine-Überlieferung nach Frankfurt/a.M. wird mit Ausnahme von Han-1556 die Graphie mit gesenktem Wurzelvokal verwendet. In Han-1556 liegt das Verhältnis von zu beim Lexem ›König‹ bei 108:14 Belegen. Diese Abweichungen treten nur innerhalb der Lagen D und E auf,194 wobei parallel auf diesen Lagen auch Formen mit auftauchen. Erstmals findet sich die -Graphie des Lexems ›König‹ teilweise in der Ausgabe Knoblochtzer-1477, vollständig durchgeführt in der Ausgabe Messerschmidt-1539.195 In der Sondergruppe Müller-Egenolff tritt dem Leser in Müller-1577 und Egenolff1580 ein für die Zeit in unserem Korpus typisches über 70 % Senkungsbelege aufweisendes Bild entgegen. Völlig aus dem Rahmen fällt jedoch die erste Ausgabe der Verlagsgesellschaft Egenolffs Erben, die nur knapp 20 % Senkung aufweist. Der zuvor häufig festgestellte Einfluss der Vorlage Steiner-1543 auf Egenolff-1578 kann anhand dieses Untersuchungsaspektes besonders stark geltend gemacht werden.

194 195

Kuͤ nig (10; D5b, D6a, D7b, D8b, E3a, E4b), kuͤ nig (D6a), Kůnig (D6a), Kuͤ nigs (3; D8a, E1b, E3a). Dadurch bietet dieser Druck 148 Belege mit durchgeführter Senkung gegenüber 58 Belegen ohne Senkung. Diese Belege sind auf bestimmte Lexeme beschränkt: gewunnen (4), günnen (2), münch (15), münchen (6), müchē, münchē, ſun, ſůn (9), ſuͤ n (3), ſůns (3), ſunſt (6), trummeter (3), vergünnen. Ausnahmegraphien sind hierbei lediglich beſunder, Frumer und ſundern. Die übrigen Belege des jeweiligen Lexems und dessen Derivaten zeigen Senkung: beſonder (10), beſonders, Beſonder (2), beſond’ ; ſonder (11), ſond’, ſonderlich, ſonderheit; fromen (3), fromer (2), fromkeit (2), fromme, from̃ (2).

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

306

Ausgabe Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

-Graphie 75/42 209/57 50/17

-Graphie 185/52 50/50 197/76

Total 260/94 259/107 247/93

% Senkung 71,2/55,3 19,3/46,7 79,8/81,7

Tab. 52: Senkung vor Nasal in den Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff mit Gesamtbelegzahl und Belegzahl ohne die hochfrequenten Lexeme ›König‹und ›Mönch‹

Ausgabe Müller-1577 Egenolff-1578 Egenolff-1580

-Graphie Lexem ›König‹ 1 120 0

-Graphie Lexem ›König‹ 132 1 121

Total 133 121 121

% Senkung 99,2 0,8 100

Tab. 53: Die Senkung des Stammvokals des Lexems ›König‹ in den Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff

Neben dem Lexem ›König‹ finden sich im Korpus zwischen 32 und 35 Belege des Lexems ›Mönch‹, deren Entwicklung gesondert dargestellt werden soll. Es zeigt sich ein von der Entwicklung des Lexems ›König‹ unterschiedlicher Verlauf. Nahezu alle Ausgaben des 16. Jhs. weisen stets -Graphie für dieses Lexem auf. Die einzigen Ausnahmen stellen die Ausgaben Müller-1577 und Reffeler/Han-1577 dar. Im Untersuchungszeitraum tritt die nhd. Graphie nur in der Ausgabe Reffeler/Han-1577 in allen Belegen (35) mit auf. Die Sonderstellung der Ausgabe in diesem Untersuchungsbereich kann u. U. auf die Herkunft des Setzers zurückgeführt werden, der Drucker stammte gebürtig aus dem alem. Raum. Die Version des Buches der Liebe, die auf dem Text der Ausgabe Reffeler/Han-1577 basiert, kehrt zur traditionell in den Frankfurter Melusine-Ausgaben bestehenden Graphie ohne Senkung zurück. Alle 33 Belege weisen -Graphie auf. In Müller-1577 hingegen tritt nur ein Ausnahmebeleg von der Regel mit -Graphie auf. e.

Mhd. /ɑ:/ zu /o:/ im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Der Untersuchungszeitraum I hat gezeigt, dass das für den oberrh. Überlieferungsstrang typische Merkmal der Rundung von /ɑ:/ zu /o:/ Anfang des 16. Jhs. weitestgehend ausgeglichen wurde, wobei in der Vorlage zu den ersten Ausgaben des Untersuchungszeitraums II noch wenige Formen mit -Graphie für mhd. /ɑ:/ erschienen. Diese finden sich sodann auch in Heinrich Steiners auf Knobloch-1516 zurückgehenden Ausgaben. Steiner-1538 weist parallel zu Knobloch nur einen Beleg für ›stân‹ (ſton) sowie Belege für ›getân‹ auf, wobei diese nicht als ausnahmslose Graphie gelten, wie dies in Knoblochs Melusine der Fall war: auffgethon, gethon (9), gethō, miſſethon, mißge=thon vs. gethan (3). Drei Belege weisen auf -Graphie für mhd. /ʊo/ hin:

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

307

zethon, thon (2).196 In Steiner-1543 findet sich der Beleg ſton nicht mehr, er wird dort zu ſtehn geändert. Die -Graphie des Stammvokals des Infinitivs von tuon dagegen wird ausgebaut: thon (2), zethon, zůthon (5). Bei den Belegen des Partizips II des Verbs tuon ändert sich hingegen nichts: auffgethon, gethon (10), miſſethon, mißgethon. Auch Messerschmidt-1539 zeigt ein ähnliches Bild wie Knobloch-1516. Schreibungen mit statt für /ɑ:/ kommen nur noch selten vor, allerdings bei den bereits gewohnten Lexemen: beſton, gethon (13), ſton (2). Für den Infinitiv von tuon steht wie in Knobloch-1516 nur einmal thon. Mit dem Übergang der Melusine-Überlieferung nach Frankfurt/a.M. schwinden auch die letzten Relikte der oberrh. Verdumpfung aus den Texten des Korpus. In Gülfferich1549 zunächst noch präsent, werden die Reliktformen in Gülfferich-1554 bereits auf nur zwei Belege reduziert.197 Ab der Ausgabe Han-1556 ist keine Abweichung mehr vom nhd. Standard zu verzeichnen. Gesondert zu betrachten ist hierbei erneut die Sondergruppe Müller-Egenolff. Ihr Rückgriff auf Steiner-1543 zeigt sich auch am Befund zur Hebung und Rundung von /ɑ:/ und dem graphischen Reflex . In der Ausgabe Müller-1577 erscheinen wiederum einige Belege für dieses Phänomen: gethon (7), mißgethon, ſton; parallel dazu Egenolff-1578: gethon (7), auffgethon, mißgethon, miſſethon. Deutlich abgebaut erscheint dieses Schreibmerkmal in der zweiten Ausgabe der Offizin Christian Egenolffs Erben: gethon (2), auffgethon, miſſethon. Diese Belege stellen sogleich die letzten für dieses Untersuchungsphänomen dar, da dieser Regionalismus in den Ausgaben des 17. Jhs. gänzlich ausgeglichen ist. f.

Rundungsbelege im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Die Varianz zwischen ungerundetem und gerundetem Vokal ist aufgrund der geringen artikulatorischen Differenz zwischen den Varianten ein Lautwandelphänomen, das bis zum Ende des Untersuchungszeitraums variabel ist. Dennoch werden die Varianten in den Steiner-Ausgaben nicht frei, sondern abhängig von der Vorlage gewählt, denn auch in diesem Bereich zeigt der Überblick über die Belege mit gerundetem Vokal in Steiner-1538 deutliche Übereinstimmungen mit Knoblochs Druck.198 Diese Rundungsgraphien gelten allerdings nicht mehr wie noch bei Knobloch absolut, sondern befinden sich im Abbau. So treten ohne Rundung sechs Belege zu ›kehren‹ mit auf, ein Beleg zu ›welch‹ (welcher). Bei den Formen des Sg. Präs. des Verbs ›werden‹ ist im 196

Die Belege in Steiner-1539 und 1540 hierzu sind nahezu deckungsgleich. Steiner-1539: gethon (8), gethō, mißgethon, miſſethon, ſton, thon (3), zethon; Steiner-1540: auffgethon, gethon (9), gethonn, gethõ, mißgethon, miſſethon, ſton, thon (3), zethon. 197 Gülfferich-1549: gethon (5), mißgethon; zuthon; Gülfferich-1554: gethon, mißgethon. 198 Steiner-1538: /e/ zu /ö/: erſchɾoͤ ckenlich, koͤ rt, koͤ ɾent, koͤ ɾt, verkoͤ ɾt (2), verkoͤ ɾen, Moͤ rfein, moͤ ɾe, moͤ r, ſchwoͤ ren (2), ſchwoͤ ɾē, woͤ lchs, woͤ lcherlay, woͤ rlicher, woͤ retē, woͤ re (2), woͤ ɾe (2); /i/ zu /ü/: hulff, künder, verwürcket, würdig (2), würdigklich, würdigen; mhd. /i:/ > frnhd. /ae/ zu /oe/: reüten, vorɾeüter.

308

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Vergleich mit Knobloch eine Veränderung festzustellen. Es gelten nicht mehr ausnahmslos die Formen mit (würt (9), würdt (2), würſt), Belege mit treten an ihre Seite: wirt (5), wirdt (2). Regionale alem. Formen mit Rundung erscheinen nicht mehr.199 Die zuvor in Knobloch-1516 erreichte Standardisierung der gerundeten Schreibung einiger Lexeme tritt in Steiner-1539 noch stärker zurück. würdig/würdigē und würt/würdt/würſt stehen wirdigkliche, wirt (6) und wirdt (2) gegenüber. Beim Lexem ›kehren‹ treten sechs Gegenbelege mit -Graphie auf, für ›Meerfee‹ erscheint Merfein (4) und auch beim mhd. Pronominaladjektiv welîch findet sich ein Gegenbeleg (welcher). Die aus Knobloch-1516 übernommenen Formen werden sukzessive abgebaut.200 In Steiner-1543 weisen die Formen mit labialisiertem Vokal im Vergleich mit den drei vorherigen Ausgaben dieses Druckers einige bemerkenswerte Entwicklungen auf. So kommt nur noch eine Form mit gerundetem Vokal für die 3.P.Sg.Präs. von werden vor. Die Anzahl der gerundeten Formen nimmt generell ab, so finden sich für ›kehren‹ und ›Meer‹ nur noch Einzelbelege mit . Ausnahmslos gilt die - bzw. Graphie für die mit mindestens zwei Belegen nachweisbaren Lexeme ›welch‹ (hier wurde der Beleg welcher zu woͤ lcher rekonstituiert, so dass für dieses Lexem keine Varianz mehr auftritt), ›(sich) wehren‹, ›schwören‹ und ›würdig‹.201 Zeitgleich zu den Steiner-Ausgaben in Augsburg erschien in Straßburg die Ausgabe Messerschmidt-1539. Da diese mit Knobloch-1516 die gleiche Vorlage wie Steiners Ausgaben hat, lassen sich hier einige Parallelen feststellen. Mit Rundung erscheinen folgende Formen: Hoͤ ɾolt, moͤ ɾ, moͤ ɾs, moͤ ɾfein, Moͤ ɾfein (2), ſchwoͤ ɾen, voɾreuter, woͤ ɾe, woͤ ɾlicher, würt (11), würſtu, würſt (3). Die Formen Hoͤ ɾolt und voɾreuter erscheinen in ihren Einzelbelegen so auch in Knobloch-1516. Abweichend von Knobloch sind die -Formen für nhd. ›schwören‹ (ſchweren (2) ſchwerent, Gegenbeleg ſchwoͤ ɾen) und ›kehren‹ (hierfür erscheint kein einziger Beleg gerundet). Gegenbelege zu den Leitgraphien mit Rundung sind Merfein, wirt (5) und werlicher. Das Lexem ›welch‹ ist in Messerschmidts sprachlich neu formulierter Ausgabe stärker als im traditionellen Text vertreten, tritt allerdings durchweg mit -Graphie auf: welche (5), welchem, welchen, welcher, welches (2). Auch in dieser Ausgabe der ersten Hälfte des 16. Jhs. finden sich 199

Beispielhaft seien hierzu die Belege zum Lexem ›fremd‹ in Steiner-1538 angeführt: frembden (3), fremde (5), frembd, frembdere, frem̃ de. 200 Die Belege zur Rundung in Steiner-1540 entsprechen weitestgehend dem Befund aus den beiden vorherigen Ausgaben. Interessant dabei sind besonders die Belege würdigklich und Moͤ rfein, die Abweichungen von Steiner-1539 darstellen. Sie erklären sich dadurch, dass die dritte Ausgabe Steiners nach der ersten gesetzt wurde, nicht nach der unmittelbar vorhergehenden Ausgabe. In Steiner1538 finden sich beide Formen ebenfalls mit Rundung. 201 Rundung in Steiner-1543: /e/ zu /ö/: erſchɾockenlich, erzoͤ let, erzoͤ lt, koͤ ɾt, Moͤ ɾfein, ſchwoͤ ɾen (2), ſchwoͤ ren, woͤ lchs, woͤ lcherlay, woͤ lcher, woͤ rlicher, woͤ ɾe (2), woͤ re; /i/ zu /ü/: beſchürmen, verwürckt, würdig (2), würdigen, würdigklich, würdt, würſt; mhd. /i:/ > frnhd. /ae/ zu /oe/: reütten, voɾreüter. Belege des Singular Präsens des Verbs ›werden‹ mit -Graphie in Steiner 1543: wirt (15), wirdt (3). Für ›erzählen‹ bietet die Ausgabe Steiner-1543 aber auch vier Gegenbelege mit -Graphie: erzelen, erzelet (2), erzelete.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

309

keine dialektalen Nebenformen mit labialem Vokal, wie es in den alem. Ausgaben des 15. Jhs. noch typisch war. Mit dem Übergang der Melusine-Tradierung und des Druckes eines Großteils volkssprachlicher Werke von Augsburg nach Frankfurt ändert sich auch die Beleglage zur Rundung von /e/ und /i/. Die ersten in Frankfurt/a.M. gedruckten Melusine-Ausgaben Gülfferichs verdeutlichen dies. Die Rundung ist im Vergleich mit der Vorlage in vielen Lexemen beseitigt.202 Für das md. Gebiet typisch erscheinen wieder vereinzelt Umlaut-Graphien beim Lexem ›Hilfe‹, stellen jedoch die Ausnahme dar.203 Die einzige noch aus der Vorlage erhaltene Form mit labialem Vokal ist erſchrockenlich. Die immer auf der letzten vorher herausgebrachten Ausgabe beruhenden Drucke der Frankfurter Verlegerfamilie Gülfferich-Han werden im Folgenden nacheinander mit Bezug auf die Veränderungen gegenüber der Vorgängerausgabe behandelt. In Han-1556, Han-1562 und Han-1564 haben die Belege ohne Rundung im Vergleich mit Gülfferichs Ausgaben Bestand. In Han-1562 zeigt sich eine interessante Entwicklung hinsichtlich der Schreibung des Appelativums ›Böhmen‹. In der Überlieferung zuvor wurde dieser Eigenname bis auf wenige Ausnahmen mit gesetzt. In Han-1562 erscheint auf den Lagen E und F teilweise auf den gleichen Blättern sowohl Behem (11) als auch Boͤ hem (19). In Han-1564 findet sich dieses Nebeneinander der Graphien Behem und Boͤ hem ebenfalls, wobei das Verhältnis von - und -Graphie ausgeglichen erscheint (16:16).204 Im Gegensatz zu Han-1562 lässt sich hier jedoch eine klare Opposition dieser beiden Formen nach Blättern nachzeichnen. Die -Graphie erscheint auf den Lagen F und M sowie in Lage E auf den Bl. E1a–E3a. Von E3b–E8b und in Lage D wird gesetzt. Somit ließe sich die Varianz hier auf zwei verschiedene Setzer zurückführen, wobei diese sich die Arbeit nicht strikt nach Lagen aufgeteilt haben, sondern im Falle der Lage E auch innerhalb einer Lage wechselten. Für die methodische Vorgehensweise bei der Untersuchung schreibsprachlicher Varianz in Druckwerken hat dies weitreichende Folgen. Die Aufteilung des Satzes eines Druckwerkes nach Lagen ist abhängig vom angewandten Satz- und Druckverfahren.205 In der Inkunabelzeit wurde sicherlich in den meisten Fällen nach Lagen aufgeteilt. In der Folgezeit darf 202

Die folgenden Belege aus Gülfferich-1549 verdeutlichen diesen Eingriff: bekere, bekert, erzelet (2), kere, kerend, kert (2), ſchweren, verkeren, verkert (4), verwirckt (Gegenbeleg gewuͤ rckt auf A7b), vorreiter, wehr (3), wehre, wehreten, wehrten (ein Gegenbeleg: woͤ rlicher), welchem, welches, welchs, wirdig (2), wirdigen, wirdigklich (ein Gegenbeleg: wuͤ rdig). Gülfferich-1554 weicht bei den Rundungsformen kaum von der ersten Ausgabe dieses Druckers ab. Einzig bemerkenswerte Abweichung ist das Fehlen von Rundungsbelegen für das Substantiv ›Hilfe‹ im Gegensatz zu Gülfferich-1549. 203 Gülfferich-1549: behuͤ lfflich, huͤ lfflich, huͤ lff vs. hilff (25), hilffe, hilfflich. 204 -Graphie des Lexems ›Böhmen‹ (und Derivaten) in Han-1564: Behem (15; E1a, E2b, E3a, F1a, M1a, M3a), Behemer (E3a); -Graphie: Boͤ hem (13; D3a, D8a, D8b, E3b, E4b, E6a, E7a, E7b, E8a), Boͤ hemen (E3b), Boͤ hemiſch (E7a), Boͤ hemerland (E8b). 205 Die in Corsten (1984) dargestellten verschiedenen Druck- und Satzverfahren sind in Kapitel II.6.2 dargelegt.

310

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

diese Annahme jedoch nicht zu stark generalisiert werden. Es muss mit lageninterner Varianz, die auf Setzerwechsel zurückzuführen ist, gerechnet werden. Die stemmatologisch auf Han-1562 zurückgehende Augsburger Ausgabe Manger1574 übernimmt nur teilweise den Lautstand der Frankfurter Ausgaben: wirdig (3), wirdigklich, wirdigkeit, wirdigen, verwircket sowie mit Rundung erſchɾockenlich und gewuͤ rckt. Abweichend von den Frankfurter Ausgaben erscheint Boͤ hem (26), Boͤ hemer, Boͤ hmiſche, Boͤ hemerland nur mit einem Gegenbeleg (Behem). Auch nhd. ›schwören‹ ist im Gegensatz zu den Han-Ausgaben gerundet: ſchwoͤ ɾen. Ohne Rundung erscheinen alle Belege des Substantivs ›Hilfe‹ und des Adjektivs ›(be-)hilflich‹. Damit zeigt sich die Rundung noch in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. variabel und abhängig von der Lautung bzw. dem Druckort. Die Frankfurter Ausgaben Rebart/Han-1571 und Reffeler/Han-1577 folgen im Gegensatz zu Manger-1574 dem Usus der Vorlagen.206 In Reffeler/Han-1577 ist das Eindringen der md. Form hülfe auffällig.207 Die Verteilung der Belege legt eine Setzerabhängigkeit nahe, da ausnahmslos huͤ lff in der Lage H erscheint und hilff in den Lagen D–G, wobei auf dem letzten Blatt der Lage G der erste Rundungsbeleg auftritt. Wie bei der Senkung des Lexems ›Mönch‹ zeigt sich auch hier verstärkter omd. Einfluss in Reffeler/Han-1577. Feyerabend-1587 setzt schließlich in Anschluss an Reffeler/Han1577 ausnahmslos -Graphie in den Belegen des Lexems ›Hilfe‹.208 Die Sondergruppe Müller-Egenolff zeigt keine auffälligen Besonderheiten sowie keine weiteren von der Rundung betroffenen Lexeme. In Egenolff-1578 wird wiederum die Abhängigkeit von der Ausgabe Steiner-1543 besonders deutlich, bevor die relikthaften Formen in Egenolff-1580 abgebaut erscheinen. In Steiners Ausgaben wird die vermehrte Rundung von /e/ zu /ö/ zunächst aus der Vorlage Knobloch-1516 übernommen, jedoch in der Folge sukzessive abgebaut. Die in der Schriftsprache des Nhd. übernommenen Rundungsvorgänge sind zu Beginn des Untersuchungszeitraums II vollzogen, werden allerdings in den Frankfurter Ausgaben, die kaum Rundungsgraphien aufweisen, rückgängig gemacht. Einen leichten Kontrast zeigt die in Augsburg erschienene Ausgabe Manger-1574. Es zeigt sich ein druckersprachlich-regional bedingtes Hin und Her zwischen den Graphien. Deutlich wird anhand dieses Phänomens auch der häufig starke Einfluss der Schrifttradition, hier der direkten Vorlage, für die Wahl einer bestimmten Graphie. Dennoch schlägt sich der Ein-

206

Weiterhin ohne Rundung bleiben ›würdig‹ und ›schwören‹. Die Graphie des Lexems ›Böhmen‹ wird in beiden wieder durchweg mit gesetzt. 207 Reffeler/Han-1577: behuͤ lflich (E7a), behuͤ lfflich (E7a), huͤ lffe (B1a), huͤ lff (7; G8a, H1a, H1b, H2a, H2b, H4a, I8b). Dagegen stehen 19 Belege für hilff (19; D7b, E1a, E3a, E6b, F2b, F3a, F7a, F7b, G1a, G7a, G7b) und einer für behilfflich (F6a). 208 ›Hilfe‹ und ›behilflich‹ in Feyerabend-1587: huͤ lff (16), Huͤ lff (2), huͤ lffe (8), behuͤ lfflich (3). Ohne Rundung erscheinen weiterhin: Behem (22), Behemen (2), Behmerland (2), Behmen (2), Behemiſche, wirdig (3), wirdigen, wirdiglich, verwircket, ſchweren.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

311

fluss der gesprochenen Sprache innerhalb der Graphien, die mit diesem Lautwandel in Zusammenhang stehen, in starker graphischer Varianz nieder.209 g.

Nebentonvokalismus: Synkope im Präfix im Untersuchungszeitraum II (1538– 1587)

Im Untersuchungszeitraum II werden einerseits die Schreibungen der Beispiellexeme konsolidiert, andererseits weitet sich die Anwendung der Synkope auf die Präfixe geund be- weiter aus.210 Die Varianten bekommen gleichwertigen Status zugesprochen, werden nicht mehr auf die Lautung bezogen und daher vermutlich auch von Setzern zur Zeichenersparnis sowie zum Zeilenausgleich verwendet. In einer Ausgabe wird es derart häufig gebraucht, dass sich dieser Verdacht zumindest für diese Ausgabe bestätigen zu lassen scheint. Doch zunächst zur Entwicklung der im Untersuchungszeitraum I zwischen den Varianten mit oder ohne Ausfall des schwankenden Beispiellexeme. Für ›genâde‹, ›genædec‹, ›gelîch‹ und ›gelücke‹ ist bereits zu Beginn dieses Zeitraums die Schreibung ohne gängig. Vereinzelt abweichende Belege werden im Lauf der Tradierung des Textes allmählich angeglichen. Das bereits zuvor relativ konstant ohne Synkope kodierte ›gelübde‹ bleibt bei 7–8 Belegen weiterhin konstant bei vollem Präfix ge-. Einzige Ausnahmen stellen die beiden Gülfferich-Ausgaben dar, in denen die Synkopierung der Präfixe ge- und be- am stärksten auftritt. So treten neben sechs Belegen mit ge- in Gülfferich-1549 erstmals zwei Belege mit g- auf. In Gülfferich-1554 begegnen bei nur drei Gegenbelegen sogar fünf synkopierte Schreibungen für ›gelübde‹. Die beiden Belege zum Lexem ›geloube‹ erscheinen in allen Ausgaben dieses Untersuchungszeitraums mit Synkope. Bei ›belîben‹ vollzieht sich der Wandel später. So stehen die ersten fünf Ausgaben dieses Untersuchungszeitraums noch deutlich in der Tradition der Vorgängerausgaben und bieten folgendes Bild: belîben blîben

Steiner-1538 8 4

St.-1539 8 4

Messers.-1539 6 1

St.-1540 8 4

St.-1543 7 5

Tab. 54: Synkope des be-Präfixes im Lexem ›bleiben‹

209

Die Rundung von /ɑ:/ zu /o:/, bei der zugleich eine Hebung vorliegt, ist im Beispiellexem ›Ohnmacht‹ von Beginn des Untersuchungszeitraums an in allen Ausgaben vollzogen. Der Graphiewandel von mhd. ›betriegen‹ und ›liegen‹ zu nhd. ›betrügen‹ und ›lügen‹ ist nur in einer Ausgabe vollzogen. Der Beleg für ›lügen‹ erscheint stets mit , wobei nur die Ausgaben Han1556, 1562 und 1564 statt aufweisen. Der Beleg für ›betrügen‹ zeigt in der Ausgabe Steiner-1539 einmal . Ansonsten wird stets betriegen gesetzt. 210 Im Enchiridion des Johannes Kolross wird die Synkope von be- und ge- explizit als eine von drei Arten der Wortverkürzung angeführt. Vgl. Müller (1969: 79–80).

312

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

In Gülfferich-1549 jedoch begegnet unter insgesamt 13 Belegen des Lexems ›bleiben‹ der letzte Beleg mit be- (1/12). Alle folgenden Ausgaben bieten den nhd. Stand. Die Sondergruppe Müller-Egenolff zeigt nur in der Ausgabe Egenolff-1578 für be- signifikante Abweichungen vom obigen Befund. Dort besteht dasselbe Zahlenverhältnis der Variantenbelege wie in Steiner-1543 (7/5). Unabhängig von den dargebotenen Beispiellexemen ist im Untersuchungszeitraum II eine Ausbreitung der Synkope der Präfixe ge- und be- festzustellen. In Knobloch-1516 begegnen lediglich die beiden Einzelbelege gwan und gmein. In Steiners erster Ausgabe treten sodann zehn Belege für ge-Synkope und einer für be-Synkope auf.211 Die Anzahl der Belege zu ge- steigert sich in den folgenden drei Ausgaben Steiners stetig: 19 > 20 > 36.212 In Gülfferichs Ausgaben finden diese Graphievarianten besonderen Anklang. Für be- bleiben die Belege in der ersten Ausgabe dieser Offizin zwar selten (bſchickt, bſchwaͤ rung, bſonder), beim Präfix ge- ist jedoch mit 84 Belegen im Vergleich zu Steiners Ausgaben ein starker Zuwachs an derartigen Schreibungen zu verzeichnen.213 Zur Leitgraphie wird dabei lediglich gmahel (9). Ansonsten sind diese Varianten gegenüber den Vollformen stets in der Minderzahl. In Gülfferich-1554 nehmen diese Varianzgraphien weiter zu. Synkopierung von be- zu b- ist in 16 Einzelbelegen nachweisbar.214 Für die Synkope des Präfixes ge- gibt es in Gülfferich-1554 kaum mehr distributive Beschränkungen. Es erscheint sogar einmal bei folgendem Vokal (goffenbart). Insgesamt sind 108 Belege zu dieser schreibsprachlichen Erscheinung nachweisbar.215 211

Synkope von ge- in Steiner-1538: gmahel (2), gſchahe, gſchlecht, gſchlechts, gſtalt, gſtirn, gſtochen, gwan, gweſen. Synkope von be- in Steiner-1538: btruͤ bt. 212 Synkope von ge- in Steiner-1539: gdacht, glegēheyt, gmahel (3), gſagt, gſchahe, gſchlecht, gſchlechts, gſchribē, gſchwoɾn, gſehē, gſell, gſtalt, gſtochen, gwan (2), gweſē, gweſen. Synkope von ge- in Steiner-1540: gbürt, gdacht, glegenheyt, gmahel (4), gſchahe, gſchehē, gſchlecht, gſchlechts, gſchwoɾn, gſtalt, gſtochen, gwalt, gwaltig, gwan, gweſen (3). Synkope von ge- in Steiner-1543: gbɾeſten, gfallen, gfangen, gfaͤ cht, gflohen, ghoɾſam, glaſſen, glegenheit, gmacht, gmahel (3), gmuͤ t, gſchach (2), gſchahe, gſchehē, gſchehen, gſchlecht, gſchlechts, gſchwoɾen, gſchwoɾn, gſchɾiben, gſehen, gſpenſt (2), gſtallt (2), gſtalt (2), gwalt (2), gwaltig, gwan, gweſen (2). 213 Synkope von ge- in Gülfferich-1549: gfallen, gfangē, gfangen (2), gfecht, glaſſen, gmacht (2), gmahel (9), gmehel, gmuͤ t (3), gnant (4), gnanten, gnennt, gnommen, gnom̄ en, gſagt, gſchahe, gſchahen, gſchaͤ fft, gſchehē, gſchehen (3), gſchicht, gſchlecht (2), gſchlechts, gſchoͤ pff, gſchrey, gſchrieben, gſchworen, Gſegen, gſegnet, gſehen (2), gſein, gſellſchafft, gſpenſt (3), gſtalt (2), gſund, gwachſſen, gwalt (3), gwaltig, gwaltiger, gwaltiglich, gwan (3), gwendet, gweſen (6), gwinnen (2), gwin̄ en, gwiß, gwißheit, gwiſſe (2), gwonlich, gwunnen (2). 214 Synkope von be- in Gülfferich-1554: bfolhn, bgert, bgund, bgunden, bhalten, bkert, bkuͤ mmern, bſchickt, bſchirmen, bſond’, bſonder, bſorgt, bſorgtē, bſtan, bſtaͤ tigt, bweißt. 215 Synkope von ge- in Gülfferich-1554: gbewen, gbews, gboren, gbricht, gdacht (2), gdantzt, gfallen (3), gfangē, gfecht, gfragt, gfunden, ghabē, ghaben, ghalten, ghorſam, glaſſen (2), gleſen, globt, gmacht (3), gmahel (12), gmahl, gmuͤ t (2), gnanten, gnan̄ t (2), gnennt, goffenbart, gſagt (2), gſchahe (3), gſchefft, gſchehen (3), gſchehn (2), gſchicht, gſchlagen, gſchlechts, gſchoͤ pff, gſchrey, gſchwallen, gſchworen (2), gſegnet, gſehen, gſehn, gſellſchafft, gſendet, gſetzt, gſipten, gſpenſt (3),

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

Steiner1538



Steiner1539 +

Steiner -1540 +

Steiner1543 +

313

Gülfferich1549 +

Gülfferich1554 +

Tab. 55: Die Entwicklung der Distribution der Synkopierung des Präfixes ge- ausgehend von Steiner1538

In Tab. 55 treten zunehmend Lautcluster in Folge der Synkopierung auf, die nur schwer zu artikulieren sind, so ab Steiner-1539 , ab Steiner-1540 , ab Gülfferich1554 . Das Ausgreifen dieser ursprünglich lautsprachlich motivierten Graphie auf derartige Kombinationen stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass die Schriftsprache zunehmend autonom aufgefasst wurde und die Setzer bestimmte Mechanismen wie die Varianz zwischen ge-/be- und g-/b- als Hilfestellungen zum Zeilenausgleich inventarisierten. Innerhalb der Melusine-Überlieferung tritt diese Mittel allerdings in der ersten Hälfte des 16. Jhs. vermehrt auf und wird dann – vielleicht als Folge der Stigmatisierung solcher Verfahren innerhalb des Setzerhandwerks – wieder eliminiert. Nach der Ausgabe Gülfferich-1554 ist in den Frankfurter Ausgaben dieser Überlieferungslinie ein stetiger Abbau der synkopierten Formen festzustellen. In Han-1556 treten noch sechs Einzelbelege zu be->b- und 18 Belege zu ge->g- auf.216 In Han-1562 sind es nur noch drei bzw. 13.217 Ab der Ausgabe Han-1564 tritt dieses Phänomen außer in den anfangs besprochenen Beispiellexemen nicht mehr signifikant auf.218 Die Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff stellen wiederum eine Ausnahme dar, wobei sich diese Aussage nur auf die beiden Frankfurter Ausgaben dieser Gruppe beschränkt.219 In Egenolff-1578 tritt in geringem Maße sowohl Synkopierung von be(bſon***, bſonder), als auch von ge- auf (10): gflohen, gſchaͤ fft, gſchehen, gſchlechts, gſpenſt, gſtirn, gwaltig, gwan, gwinnen, gwiſſe. In der zweiten Ausgabe dieser Offizin

gſtalt, gſtorben, gſund, gthan (3), gtrewen, gwachſen, gwalt (2), gwaltig, gwaltiger, gwaltiglich, gwan, gwerb, gweſē, gweſen (6), gwinnen (3), gwin̄ en, gwiß, gwißheit, gwißlich (2), gwiſſe, gwiſſt, gwonlich, gwunnen. 216 Synkope von be- in Han-1556: bgangen, bgund, bgunden, bſorgt, bſorgten, bzwang. Synkope von ge- in Han-1556: gberd, gborne, gdacht, gfragt, ghoͤ rt, gmahl, gnant, gſchoß, Gſegen, gſprochen, gſtifft, gthan (3), gtrieben, gwan (2), gwunnen. 217 Synkope von be- in Han-1562: bgunden, bweißt, bzwang. Synkope von ge- in Han-1562: gdacht, gfang, gmacht, gmeinglich, gnant, gſchickt, gſchlagen (2), gſchoß, gſprochen, gſtifft, gthan, gwunnen. 218 Lediglich Han-1564 (gthan) und Manger-1574 (gſchoß) weisen noch einzelne Abweichungen auf. 219 Müller-1577 weist lediglich die beiden Einzelbelege ghaben und gmůt auf.

314

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

nimmt die Beleganzahl sogar weiter zu: be-Synkope (3), ge-Synkope (16).220 Auch in diesem Bereich zeigen sich die Egenolff-Ausgaben stark abhängig von der Vorlage Steiners. Die Schreibung der Lexeme, in denen die Synkope eines der beiden Präfixe ge- und be- ins Nhd. übergegangen ist, ist im Korpus spätestens Mitte des 16. Jhs. in der Form, die später den orthographischen Standard darstellen wird, konsolidiert. Alle erst zu Beginn des Untersuchungszeitraums II eintretenden Synkopierungen setzen sich jedoch nicht durch und wurden zum größten Teil ab der Ausgabe Han-1556 rückgängig gemacht. Dieser bewusste Prozess zeigt sich an dem Beispiel eines Beleges des Lexems ›prüfen‹ beim Übergang von Gülfferich-1554 zu Han-1556. In Gülfferich-1554 heißt es auf Bl. F7a: Vnd gdacht auch / es iſt ein gſpenſt vmb ǁ diß Weib / das mag ich wol bruͤ ffen… In diesem kurzen Beispiel erkennt man bereits an den Formen gdacht und gſpenſt das augenfällige oben dargestellte Charakteristikum dieser Ausgabe. Diese Formen sind, wie oben ebenfalls dargestellt, in Han-1556 zu einem großen Teil wieder aufgelöst und erscheinen mit - bzw. -. Die gleiche Passage lautet in Han-1556 demnach wie folgt: Vnd gedacht auch / es iſt ein ge ǁ ſpenſt vmb diß Weib / das mag ich wol beruͤ ffen… (Bl. H3b). Dabei unterlief dem Setzer der Fehler, dass er eine vorherige Synkope annahm, diese reanalysierte und ausmerzte. Das Beispiel zeigt deutlich den bewussten Prozess der Umgestaltung des Textes in Hinblick auf bestimmte schreibsprachliche Eigenheiten durch bestimmte Setzer/Korrektoren.

2.2

Lautwandel im Bereich des Konsonantismus

Nachdem die in der Graphie repräsentierten konsonantischen Lautwandelerscheinungen weitestgehend mit dem Ende des ersten Untersuchungszeitraums abgeschlossen sind und in den Ausgaben des 16. und 17. Jhs. jeweils nur wenige Belege zu den einzelnen Untersuchungsphänomenen nachzuweisen waren, wurden die meisten untersuchten Sprachphänomene aus dem Bereich des Konsonantismus bereits unter IV.1.2 abgehandelt. Lediglich auf Assimilationsvorgänge zurückgehende Graphievarianten werden erst später endgültig abgebaut, so dass hier im Anschluss an die Ausführungen zur Assimilation im Untersuchungszeitraum I gesondert die Beobachtungen aus diesem Bereich für den zweiten Untersuchungszeitraum dargeboten werden sollen. Zusätzlich dazu sind aus dem Bereich des Konsonantismus die Graphie der Plosivlaute im Auslaut sowie die Addition eines auslautenden Dentalplosivs im Untersuchungszeitraum II noch nicht invariant.

220

Synkope von be-/ge- in Egenolff-1580: bſchirmen, bſchɾiebē, bſonder; gfangen, gfunden, gmacht (2), gnanten, gſandt, gſchahen, gſchaͤ fft, gſchlecht, gſpenſt, gſtochen, gwaltiger, gwerb, gwiſſe, gzelten, gzogen.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

a.

315

Assimilationsvorgänge und deren Repräsentation innerhalb der Graphie im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Für das Lexem umbe mit etymologischem /mb/ gilt im gesamten Überlieferungszeitraum II nahezu ausnahmslos die Graphie .221 Bei der Graphie des Lexems samstag wird in Knobloch-1516 die Schreibung mit maßgebend, so dass durchweg als Leitgraphie gilt. Nur im Lexem kumber gilt bereits die assimilierte Schreibung . Für die beiden untersuchten Beispielmorpheme -tuom und vremd- mit unetymologischem /mb/ gilt im Untersuchungszeitraum nahezu ausnahmslos die Graphie . Lediglich einer von fünf Belegen des Lexems vremd erscheint in den ersten drei Steiner-Ausgaben und in Rebart/Han-1571 abweichend mit -Graphie. Auch die Formen der 3.P.Sg.Ind.Präs. der st. Verben komen und nemen weisen durchweg bzw. auf. Grundsätzlich kann man damit resümieren, dass die Graphie / im 16. Jh. Hochkonjunktur hat, sei es in etymologisch berechtigten oder unberechtigten Fällen. Die partielle Assimilation des /d/ zu /t/ in Folge der Enklise des Pronomens ›du‹ an mit /t/ auslautende Verbformen kommt zunächst in den Ausgaben des zweiten Untersuchungszeitraums nicht vor. Als Folge der relativ vorlagentreuen Übernahme des Textes der Ausgabe Knobloch-1516 durch Heinrich Steiner erscheinen in seinen ersten drei Drucken der Melusine keine enklitischen Zusammenschlüsse von Verbformen und dem Personalpronomen der 2.P.Sg. in einer graphischen Einheit. Gleiches gilt für Messerschmidt-1539. In Steiner-1543 treten allerdings wiederum einige dieser Schreibungen auf: haſtu (2), hetſtu, ſoltu. Diese durch die Lautung motivierten Graphien bleiben das ganze 16. Jh. über in den Melusine-Drucken gebräuchlich.222 Bezüglich der partiellen Assimilation von /ntf/ zu /mpf/ beim mhd. Verb entvâhen bieten die Ausgaben Heinrich Steiners in Anschluss an die Entwicklung in den Melusine-Ausgaben des ersten Untersuchungszeitraums ebenfalls als Leitgraphie (19– 20 Belege), wobei sich in Steiner-1538 zwei, in den anderen drei Ausgaben je ein Beleg mit der Variante finden. Alle anderen Ausgaben des Untersuchungszeitraums II und III zeigen bei 16–27 Belegen durchweg .223 Einzige Ausnahme bildet die 221

Es treten insgesamt lediglich vier Abweichungen bei durchschnittlich etwa 70–75 Belegen pro Ausgabe auf. 222 Gülfferich-1549: biſtu, haſtu, hettſtu, ſoltu (2); > Gülfferich-1554: biſtu, haſtu, hetſtu, ſoltu (2), wirſtu; > Han-1556: biſtu, haſtu, hetſtu, ſoltu, wirſtu; > Han-1562: biſtu, haſtu, hetſtu, ſoltu, wirſtu; > Han-1564: biſtu (2), haſtu, hettſtu, muſtu, ſoltu (3), wirſtu ; > Rebart/Han-1571: haſtu (3), hetſtu, muſtu, ſoltu, wirſtu; > Reffeler/Han-1577: ſoltu; > Feyerabend-1587: haſtu (2), ſoltu, wirſtu; Manger-1574: wirſtu. Die Sondergruppe Müller-Egenolff zeigt in ihrem Formenbestand zu diesem Assimilationsvorgang große Nähe zu Steiner-1543: Müller-1577: biſtu, haſtu, hetſtu, ſoltu; > Egenolff-1578: haſtu, hetſtu, ſoltu (3); > Egenolff-1580: biſtu (2), haſtu (3), hetſtu, ſoltu. 223 in den Belegen des st. Verbs ›empfangen‹ in den Ausgaben des Untersuchungszeitraums II und III: Messerschmidt-1539 (27), Gülfferich-1549 (23), Gülfferich-1554 (21), Han-1556 (24), Han-1562 (23), Han-1564 (22), Rebart/Han-1571 (23), Manger-1574 (26), Reffeler/Han-1577 (23),

316

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Ausgabe Egenolff-1580, in der im Vergleich zur Vorlage Egenolff-1578, die in 21 Belegen des Verbs ›empfangen‹ durchweg bietet, in acht von 24 Belegen bewusst das ursprüngliche Präfix ent- wiederhergestellt wird. Dies kann auf den Usus eines Setzers zurückgeführt werden, da keine der beiden Varianten zusammen in einer Lage erscheint. In unmittelbarer Nähe zueinander wird stets ausschließlich eine der beiden Varianten gesetzt. Die acht Belege mit der Graphie und die zusätzlichen Belege entpfunden und entpfiehle finden sich in den Lagen K (3), L, M (3), N, R und T, erscheint innerhalb der Lagen C (2), D (2), F (2), G (4), H (5) und I. b.

Epithetisches /t/ im Untersuchungszeitraum II und III (1538–1692/93)

In den Ausgaben Steiners wird der Usus aus Knobloch-1516 – jetz, ſelbs, niemant – übernommen. Abweichend wurde jedoch in Steiner-1539 für das Lexem ›jetzt‹ in zwei Belegen auslautend gesetzt.224 Ab der Ausgabe Han-1564 erscheint das Lexem ›jetzt‹ in allen Belegen mit epithetischem /t/ in Form des Graphems , wobei die Sondergruppe Müller-Egenolff von dieser Aussage wiederum ausgenommen werden muss, da die Ausgaben dieser Überlieferungsgruppe sowohl die Graphien jetz als auch jetzt aufweisen. Die Schreibung des Lexems ›niemand‹, das bereits im Untersuchungszeitraum I überwiegend die Sprosskonsonantengraphie aufwies, weicht von diesem erreichten Usus nicht mehr ab. Beim Lexem ›selbst‹ wird bis zum Ende des Untersuchungszeitraums II keine klare Durchsetzung der -Auslautgraphie erreicht. Die Graphie ſelbs wird zugunsten der Variante ſelbst stetig abgebaut, erreicht allerdings selbst in der letzten Ausgabe des 16. Jhs., Feyerabend-1587, nicht den Status der Leitgraphie (9:11). In Pfeiffer-1649 überwiegen erstmals die Belege der Graphie ſelbst gegenüber ſelbs (16:7). In den drei weiteren Ausgaben des 17. Jhs. ist die nhd. Graphie ausnahmslos umgesetzt. c.

Die graphische Realisierung der Auslautverhärtung im Untersuchungszeitraum II und III (1538–1692/93)

Die Alternanzen /

und / zeigen im gesamten 16. und 17. Jh. für die untersuchten Beispiellexeme keine markanten Abweichungen von der Lenisgraphie.225 In den Steiner-Ausgaben herrscht lediglich beim Lexem ›Pferd‹ signifikante Varianz zwischen und vor. Der Setzer/Korrektor der Ausgabe Steiner-1540 tilgt die letzten beiden Belege landt und handt. In den Frankfurter Belegen wird die -GraFeyerabend-1587 (16); Müller-1577 (21), Egenolff-1578 (21); Pfeiffer-1649 (20), Endter-1672 (25), ohne Ort-1692 (23), Nicolai-1692/93 (18). 224 In Steiner-1540 wird dies nicht übernommen, was erneut darauf hinweist, dass in Steiners Offizin für den Druck der Melusine aus dem Jahr 1540 die Ausgabe Steiner-1538 als Vorlage verwendet wurde. 225 Vgl. hierzu Ruge (2004: 252–254), besonders Tab. 3 zur Verbreitung der -Graphie von 1500– 1620.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

317

phie auch in ›Land‹ und ›Hand‹ wieder gebräuchlicher. Die folgende Tabelle zeigt die Beleganzahl für - und -Graphien im Frankfurter Überlieferungsstrang, beginnend mit Gülfferich-1549 und endend mit Feyerabend-1587.226

Lexem ›Pferd‹ ›Hand‹ ›Land‹ ›Pferd‹ ›Hand‹ ›Land‹

10 1 0

1 9 32

6 3 2

5 8 29

3 5 13

6 6 17

5 3 15

6 8 14

1 0 0

0 1 10

11 11 30

11 10 18

5 0 15

6 11 15

2 10 13

9 1 17

10 1 3

0 10 24

Tab. 56: Varianz zwischen und im Auslaut innerhalb der Frankfurter Überlieferung des 16. Jhs.

Nach nahezu vollständiger Reduzierung der -Graphie durch Steiner in ›Hand‹ und ›Land‹ steigt die Zahl der -Graphien in den ersten vier Frankfurter Ausgaben wieder an, bevor in der Ausgabe Han-1564, die durch den aus Pforzheim übergesiedelten Drucker Georg Rab gedruckt wurde, in allen drei Lexemen eine starke Reduzierung der -Graphie vorgenommen wurde. In den folgenden drei Ausgaben wird die Graphie lexemabhängig rekonstituiert. Innerhalb der Sondergruppe Müller-Egenolff tritt in Müller-1577 nur durch die drei Belege pferdt (2) und landt Varianz auf. In Egenolff-1578 begegnet wieder häufiger, so in pferdt (4) – pferd (7) und handt (7) – hand (4). Auch ist in Lützelburgk (4) nachweisbar. In Egenolff-1580 gilt lediglich beim Lexem ›Pferd‹ als Regelgraphie in sieben Belegen. In handt (2) stellt es nur noch die Ausnahmegraphie dar, in ›Lützelburg‹ erscheint nicht mehr. Der Befund für den Untersuchungszeitraum II spricht dafür, dass grundsätzlich nach dem Stammprinzip verschriftet wurde, wobei die graphotaktischen Schreibungen und als Varianten zu und offizin- bzw. setzerabhängig auftreten. Diese Varianten scheinen im md. Gebiet gebräuchlicher gewesen zu sein als im obd. Raum. Steiner, Müller und Georg Rab verwenden als obd. Drucker kaum ,227 wohingegen es von den wmd. Frankfurter Druckern stärker gebraucht wird. Erst mit den drei Ausgaben der zweiten Hälfte des 17. Jhs. tritt die -Graphie in den drei untersuchten Lexemen vollständig zurück.228 226

Siehe zur Graphie Tab. 2 in Ruge (2004: 253). Georg Rab stammt gebürtig aus dem omd. Raum, arbeitete aber vor seiner Frankfurter Zeit in Pforzheim. 228 Pfeiffer-1649 weist noch die Belege Pfeɾdt und Handt auf. 227

318

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

2.3

Morphologischer Wandel

a.

Die Wurzelverben gân/gên und stân/stên im Untersuchungszeitraum II (1538– 1587)

Im zweiten Untersuchungszeitraum herrschen die oobd. ê-Formen in der Graphie der Wurzelverben ›gehen‹ und ›stehen‹ vor. Es treten erstmals Belege für die nhd. zweisilbigen Formen auf, die in Anlehnung an die übrigen Verben zunächst von gên > *gêen, stên > *stêen angeglichen wurden und dann nach dem Muster von se(h)en, gesche(h)en, bei denen die etymologisch vorhandene Bisyllabität restituiert wurde, weiterentwickelt wurden (vgl. Kolb 1972: 140). In Steiner-1538 findet sich ein reges Nebeneinander zwischen - und -Graphien für die Präsens- und Infinitivformen der Verben ›gehen‹ und ›stehen‹.229 An gleicher Stelle wie in Knobloch-1516 stehen die von der regelhaft verwendeten -Graphie abweichenden auf die oberrh. Druckersprache zurückzuführenden Belege beſtan und ſton. Die Ausgaben Steiner-1539 und Steiner1540 zeigen keine gravierenden Abweichungen vom Befund aus der ersten MelusineAusgabe dieser Offizin.230 Vereinzelt werden -Graphien an die Leitgraphie angeglichen. Diese bewusste Anpassung nimmt in Steiner-1543 systematische Züge an. Es treten nur noch wenige Belege mit -Graphie auf.231

229

Steiner-1538: beſteē (L1b), beſteen (4; L1b, N1a, N2a), ſtee (H2a), ſteen (2; H2a, M2b), ſteet (N1a), vnderſteenn (I1b), verſteen (A1b) vs. abſtehen (N3b), beſtehē (T1a), beſtehen (2; Q1a, T1a), ſtehe (H2b), ſtehen (H1a), ſtehet (2; N1a, O3b), ſteht (K3a), vnderſtehe (K3a), vnderſtehen (2; K4b, X4b), vnderſtehet (K4a), verſtehe (S4b), widerſtehen (I4a); begeen (K2b), ergeē (O3b), geē (D1a), mißgeen (B4b), zůgeen (P1a) vs. gehe (2), mißgehen (2; O2b, O3a), zergehen. 230 Steiner-1539: beſteē, beſteen (4), ſtee, ſteen (3), ſteet, verſteen vs. beſtehē, beſtehen, beſtehenn, ſtehe (2), ſtehē, ſtehen, ſtehet (3), ſteht, vnderſtehen (3), vnderſtehe, verſtehe, widerſtehen; begeen, ergeen, geē, mißgeen vs. ergehen, gehe (2), mißgehē, mißgehen, zergehen; beſtan, ſton. Steiner1540:beſteē, beſteen (4), ſteen (2), ſteet, verſteen vs. abſtehen, beſtehen, beſtehn (2), ſtehe (3), ſtehē, ſtehen, ſtehet, ſtehn, ſteht (2), vnderſtehe, vnderſtehen (2), vnderſtehet, vndterſtehen, verſtehe, widerſtehen; begeen, ergeē, geē, mißgeen vs. ergehen, gehe (2), mißgehen, mißgehn, zergehen; beſtan, ſton. 231 beſteen (3), verſteen; begeen, ergeen, mißgeen. Eine der beiden bisher mitgetragenen Reliktformen wird ebenfalls angeglichen: ſton > ſtehn. Diese Form findet sich an gleicher Stelle in Gülfferich1549, was wiederum den Rückgriff durch den Frankfurter Drucker auf den Text der Ausgabe Steiner-1543 verdeutlicht. Restliche Belege mit -eh- in Steiner-1543: abſtehn, beſtehen (2), beſtehn (2), zůbeſtehn, ſtehe (3), ſtehen (3), ſtehet (3), ſtehn (3), ſteht (2), vnderſtehe, vnderſtehen, vnderſtehn (2), verſtehe, widerſtehn, zůbeſtehn; gehe (2), gehen, ergehen, mißgehen, zůgehen, zergehen; beſtan. Das letzte bestehende Relikt der alem. Formen für ›stehen‹ übernimmt Gülfferich im Beleg beſtan aus Steiner-1543.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

319

In Messerschmidt-1539 zeigt sich deutlich, dass der Annäherungsprozess an den Graphieusus der oobd. Schreibsprache, der bereits in den beiden Straßburger Ausgaben der ersten zwei Jahrzehnte des 16. Jhs. konstatiert werden konnte, auch noch Bestand hat.232 Mit Beginn der Drucküberlieferung der Melusine in Frankfurt gilt für die Wurzelverben ›gehen‹ und ›stehen‹ mit Ausnahme der Abweichung beſtan in den Ausgaben Hermann Gülfferichs durchweg die Graphie .233 Die Belege weisen dabei häufig Synkope des /ə/ der Endsilbe auf.234 Ab Rebart/Han-1571 ist die Synkope des /ə/ der Endsilbe stringent aufgelöst, so dass alle Belege zweisilbig repräsentiert erscheinen. Die morphologische Struktur der Wortformen wird unabhängig von der Lautung /n̩ / im Schriftbild profiliert. Die Sondergruppe Müller-Egenolff weicht von diesem Bild des Variantenabbaus ab. Müller-1577 bietet konform mit Steiner die Belege beſtan und ſton, sowie zahlreiche einsilbige Belege mit .235 In Egenolff-1578 und 1580 steht der Beleg beſtan an gleicher Stelle wie in Müllers Ausgabe, der Beleg ſton erscheint aufgrund von Textkürzung nicht.236 Bei den regelmäßig mit für den Stammvokal gesetzten Belegen stehen wie bei Müller zweisilbige neben einsilbigen.237 In dieser Nische des Systems der Verbalmorphologie, deren Entwicklung gleichzeitig auch an dialektal-lautliche Gegebenheiten gekoppelt war, zeigen wiederum die Ausgaben der Druckerfamilie Gülfferich-Han und deren Erben die größte Einheitlichkeit sowie die höchste Konformität mit dem Nhd. In den vier Ausgaben des 17. Jhs. ist bis auf den Beleg beſtehn in ohne Ort-1692 und den Beleg ergehn in Nicolai-1692/93 durchweg -- für alle Infinitiv- und Präsensformen der Verben ›gehen‹ und ›stehen‹ gesetzt. Dieser Stand war jedoch bereits um 1570 in den Frankfurter MelusineAusgaben der Verleger- und Druckerfamilie Gülfferich-Han erreicht. 232

Es zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei Steiner, da -eh(e)- und -ee-Graphien nebeneinander stehen: beſteen, vnderſtee; abſtehen, beſtehen (2), ſtehet, ſteht, ſtehn (2), vnderſtehn, widerſtehen; angehn, einzůgehen, gehn (2), mißgehn; ergeen; ſton, beſton. 233 Der Beleg findet sich mit Synkope auch in Gülfferich-1554: bſtan. Ab Han-1556 findet sich auch diese letzte alem. Form vereinheitlicht: bſtan > beſtehn. 234 Gülfferich-1549: abſtehn, aufferſtehen, auffſtehn, beſtehn (4), beyſtehn, ſtehe (2), ſtehen, ſtehet (2), ſtehn (2), ſteht (2), verſtehn, vnderſtehe, vnderſtehen, vnderſtehn, vnderſteht, widerſtehn, zubeſtehn; angehn, ausgehn, begehn, ergehn (2), geh, gehn (2), mißgehn (2), zergehn. 235 Müller-1577: beſtehn (2), ſtehn (2), ſteht (2), verſtehn (2), vnderſtehn (2), widerſtehn vs. abſtehen, beſtehen (3), zůbeſtehen, ſtehe (2), ſtehen (3), ſtehet (2), vnderſtehe, vnderſtehen (2); ergehn, mißgehn (2) vs. begehen, gehe. 236 Der Hauptsatz „ich wil euch gern darumb bůß ſton“ (Müller-1577, Bl. A8b, Z. 22) wird bei Egenolff komplett ausgelassen. 237 Egenolff-1578: auffſtehn, beſtehn (5), ſtehn, ſteht (2), vnderſtehn (2) vs. abſtehen, anſtehen, beſtehen (2), zubeſtehen, ſtehe (2), ſtehen (4), ſtehet (2), verſtehe, vnderſtehe, vnderſtehen, widerſtehen; auffgehn, geh, mißgehn vs. begehen, ergehen, gehe, gehen, mißgehen. In Egenolff-1580 weicht der Befund nicht entscheidend ab: beſtehn (4), ſtehn, ſteht, vnderſteh, vnderſtehn (2), zubeſtehn vs. abſtehen, beſtehen (3), ſtehe (2), ſtehen (2), ſtehet (3), widerſtehen, zůſtehen; mißgehn vs. begehen, ergehen, Gehe, mißgehen.

320

b.

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Das Substantivsuffix -nis/-nus im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

In den Drucken Heinrich Steiners ist die Varianz der Graphien für das untersuchte Substantivsuffix mit vier bis fünf Graphievarianten im Vergleich zu den Ausgaben des Untersuchungszeitraums I relativ hoch. In Steiner-1538 begegnen mit -niß (4), -nis, -nüß (11) und -nuß (3) vier Varianten, wobei die Form des gemeinen teutsch mit 14:5 Belegen überwiegt.238 In Steiner-1539 tritt in einem Beleg mit -nus (begrebtnus) eine fünfte Variante hinzu. Es wurden im Vergleich mit der Vorgängerausgabe zwei Veränderungen vorgenommen: hinderniß > hindernuß; gefencknüß > gefenckniß. Das Zahlenverhältnis zwischen - und -Graphie bleibt mit 14:5 bestehen. Die Leitvariante -nüß wird allerdings zugunsten von -nuß abgebaut. Sind es in Steiner-1538 noch elf Belege mit -nüß, erscheinen 1539 sieben, 1540 neun und 1543 letztlich nur noch zwei.239 In Steiner-1543 herrscht in elf Belegen die Leitvariante -nuß vor.240 Messerschmidt-1539 weist im Gegensatz zu Steiners Drucken als Leitgraphie -nis (13:2) auf, was auf die dialektale Umgebung und Herkunft des Druckers zurückzuführen ist.241 Wie wirkt sich nun der Übergang der Melusine-Überlieferung in den md. Dialektraum nach Frankfurt/a.M. auf die Graphie des Suffixes -nisse aus? In Gülfferich-1549 ändert sich im Vergleich mit der Augsburger Vorlage Steiner-1543 wenig. Es wird lediglich die -Variante in ihren letzten beiden Belegen restlos beseitigt, die sonstigen Belege decken sich allerdings mit jenen des Steiner-Druckes. Die Leitgraphie -nuß erscheint in elf Belegen, -nus in zwei, -niß in drei und -nis in einem Beleg. Gülfferich1554 zeigt eine weiter voranschreitende Vereinheitlichung der Graphien, da die Variante -nus durch -nuß ersetzt wird und einer der -Belege ebenfalls zu -nuß geändert wird. So erscheint das Suffix -nis/-nus auch hier überwiegend in der Form des gemeinen

Steiner-1538: küm̃ niß, gefenckniß, hinderniß, verſtentniß; verdamnis; begrebtnüß (3), betruͤ btnüß, betruͤ bnüß, ergernüß, gefengnüß, gefencknüß, kum̃ ernüß, kümmernüß, verdamnüß; begrebnuß, verderbnuß, küm̃ ernuß. 239 Die Ausgabe von 1540 stellt hierin ein retardierendes Moment dar, was darauf zurückzuführen ist, dass sie nach der Ausgabe Steiner-1538 gesetzt wurde. Dies zeigt sich wie bereits an anderen Stellen auch an den Belegen zum Suffix -nisse, da diejenigen mit -Graphie sich nicht mit denen der Ausgabe Steiner-1539, sondern mit denen von 1538 decken: küm̃ niß, gefenckniß, hinderniß, verſtentniß; verdamnis. 240 Steiner-1543: begrebnuß (2), begrebtnuß, betruͤ btnuß, ergernuß, gefengknuß, hindernuß, küm̄ ernuß, kümmernuß (2), verderbnuß. -Varianten in Steiner-1543: -niß (3; gefenckniß, gefengkniß, verſtentniß), -nis (verdamnis). Die drei Belege des Lexems ›Gefängnis‹ sind dabei besonders interessant, da diese in unmittelbarer Nähe zueinander erscheinen. Auf Bl. R4b begegnet -niß (2), auf dem nächsten Bl. S1a dann -nuß. Möglicherweise ist diese Alternanz durch einen Setzerwechsel zustanden gekommen. Diese Formen werden in Gülfferich-1549 so übernommen, erscheinen dort allerdings auf einer Seite und lassen sich somit nicht mehr auf einen Setzerunterschied zurückführen. Hierfür muss Varianz durch Vorlagentreue konstatiert werden. 241 Messerschmidt-1539: begraͤ bnis (3), geluͤ bnis, betruͤ bnis, begrebnis, verderbnis, verdamnis, ergernis, kuͤ mmernis, kümernis (2), finſternis; betruͤ bnus, beſoɾgnus. 238

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

321

teutsch gerundet.242 In der weiteren Überlieferung innerhalb dieser Gruppe werden zwei Belege mit stets übernommen, Feyerabend-1587 passt einen an die Leitgraphie an,243 so dass am Ende des Überlieferungszeitraums II mit der Graphie die Schreibvariante dieses substantivischen Derivationssuffixes als Leitgraphie gilt, die häufig als typisch für das gemeine teutsch mit auf oobd. Schreibtradition beruhender Basis bezeichnet wird. Einzige Ausnahme in diesem Überlieferungszeitraum bildet die Ausgabe Messerschmidt-1539, die zu 86,7 % -nis setzt. Auch die Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff zeigen kein gravierend unterschiedliches Ergebnis der Auswertung der Belege zu diesem Wortbildungsmorphem.244 In der zweiten Hälfte des 16. Jhs. gilt innerhalb der Tradierung der Melusine des Thüring von Ringoltingen im Medium des Buchdrucks nicht die nhd. Schreibform dieses Suffixes als Leitgraphie, sondern die Form mit gerundetem Oberzungenvokal. c.

Der verbale Einheitsplural -ent im Untersuchungszeitraum II (1538–1587)

Der verbale Einheitsplural -ent war bereits zu Ende des Untersuchungszeitraums I im Abbau begriffen, dennoch in nicht zu vernachlässigendem Maße präsent. Dass nun Heinrich Steiner nach der Reformationslücke die Drucküberlieferung der Melusine unter Rückgriff auf Knobloch-1516 fortsetzt, zeigt sich auch am Befund zu diesem Untersuchungsphänomen, da die Anzahl und Verteilung der -ent-Belege sehr ähnlich sind. Steiner-1538 weist im Vergleich zu Knoblochs 92 Belegen nur noch 78 Belege für das verbale Pluralflexiv -ent auf. Der partielle Abbau der Belege beschränkt sich dabei hauptsächlich auf das Präteritum. Die folgenden drei Ausgaben Steiners zeigen quantitativ nur einen leichten Rückgang auf jeweils 71 Belege. Präsens 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind.

Anzahl 1/1/1/1/1 30/37/32/30/25 4/3/4/4/6

Imperativ Pl.

5/7/7/8/9

Präteritum 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Konj. 3.P.Pl.Konj.

Anzahl 3/0/0/0/0 39/25/23/21/24 3/3/1/3/3 8/3/3/3/3

Tab. 57: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der ersten Hälfte des 16. Jhs. Reihenfolge: Knobloch-1516 > Steiner-1538 > Steiner-1539 > Steiner-1540 > Steiner-1543

242

Diesen 15 Belegen stehen lediglich drei Belege mit -niß gegenüber: gefengniß, verdam̄ niß, verſtendtniß. 243 Reffeler/Han-1577:Gefengkniß, verſtaͤ ndtniß > Feyerabend-1587: Gefengkniß. 244 Müller-1577: -nuß (11), -nus (2) vs. -niß (2); Egenolff-1578: -nuß (13) vs. -niß, -nis; Egenolff1580: -nuß (12), -nus (2) vs. -niß, -nis.

322

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Qualitativ treten leichte Schwankungen auf, der Großteil der Belege bleibt allerdings identisch. In Steiner-1543 ist durch die vermehrte Verwendung der Graphie eine Variantenzunahme in der Schreibung der Flexionsendung -ent zu verzeichnen. Unter 71 Belegen sind 26 mit -end gesetzt, einer mit -endt, 44 mit der Leitgraphie -ent/ēt. Eine funktionale Differenzierung der Verwendung der verschiedenen Varianten ist nicht festzustellen, da sie in beiden Tempora und in verschiedenen Personen auftreten. In der ersten Frankfurter Ausgabe Gülfferich-1549 erscheint das Flexionssuffix mit neuer Leitgraphie.245 Die bisherige Leitvariante -ent wurde nur in zwei Belegen gesetzt, ansonsten gilt -end. Insgesamt kommt die Endung in diesem Druck mit 66 Belegen noch ähnlich häufig wie in Steiner-1543 vor. In Gülfferich-1554 wird die Zahl der Verwendungen dieser Endung geringfügig von 66 auf 59 reduziert. In Han-1556 sind die Belege mit 31 bereits auf etwa die Hälfte reduziert, wobei 29 davon mit im Auslaut erscheinen. Die Pluralendung -ent ist in Han-1562 in den drei Varianten -end (17)/-endt (3)/-ent (3) noch in 23 Belegen anzutreffen. Präsens 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind.

Anzahl 1/1/1/0/0/0 25/22/19/12/10/9/10/12/1 0 6/3/5/2/2/3/2/2/2

Imperativ Pl.

9/8/6/3/3/3/2/3/2

Präteritum 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind.

Anzahl

3.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Konj. 3.P.Pl.Konj.

24/27/23/8/5/6/4/7/3 3/3/3/3/3/1/2/2/1 3/2/2/1/0/0/0/0

Tab. 58: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Reihenfolge: Steiner-1543 > Gülfferich-1549 > Gülfferich-1554 > Han1556 > Han-1562 > Han-1564 > Rebart/Han-1571 > Manger-1574 > Reffeler/Han-1577

In Han-1564 begegnet das verbale Pluralflexiv -ent in 22 Belegen: -end (19), -ent (3). In Rebart/Han-1571 bleiben die Anzahl der Belege mit 20 und deren Schreibung nach der Leitgraphie -end (19/1) weiterhin relativ konstant. Der Augsburger Druck Manger-1574 zeigt im Vergleich mit Rebart/Han-1571 einen leichten Anstieg der Belege (26), was auf die Vorlage Han-1562 zurückgeht. In Reffeler/Han-1577 ist das verbale Pluralflexiv -ent innerhalb der Texttradition der Frankfurter Drucke zum letzten Mal in 18 Verbformen mit den Graphievarianten -end (14) und -endt (4) nachweisbar. Die Anzahl der Belege zu diesem morphologischen Phänomen nimmt in den Frankfurter Ausgaben der Drucker- und Verlegerfamilie Gülfferich-Han und deren Umfeld 245

Bei der Straßburger Ausgabe Messerschmidt-1539, die in Knoblochs ehemaliger Werkstatt gedruckt wurde, ist eine einwandfreie Vergleichbarkeit der Einzelbelege, wie sie für die übrigen Drucke vorgenommen wurde, durch die fragmentarische Überlieferung der Ausgabe nicht gewährleistet. Es zeigt sich jedoch bei ähnlichem Umfang an aufgenommenen Wortformen aus diesem Druck, dass im Vergleich zur Vorlage Knobloch-1516 die -ent-Belege stark abgebaut wurden (41).

Die schreibsprachlichen Phänomene (1538–1587)

323

stetig ab, bis in der letzten Ausgabe des Untersuchungszeitraums II kein Beleg mehr auftritt. In den Ausgaben des 17. Jhs. fehlt es ebenso, so dass das verbale Pluralflexionsmorphem -ent seit dem ausgehenden 16. Jh. in den Melusine-Ausgaben nicht mehr auftritt. Die Belege zu den Frankfurter Ausgaben zeigen, dass der Abbau der Formen funktional undifferenziert vonstattenging. Präsens 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind.

Anzahl 1/0/1/0 (0) 25/13/16/12 (10) 6/1/1/1 (2)

Imperativ Pl.

9/3/9/10 (2)

Präteritum 1.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Ind. 3.P.Pl.Ind. 2.P.Pl.Konj. 3.P.Pl.Konj.

Anzahl 24/5/13/6 (3) 3/1/1/3 (1) 3/1/3/1

Tab. 59: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der Überlieferungsgruppe Müller-Egenolff. Reihenfolge: Steiner-1543 > Müller-1577 > Egenolff-1578 > Egenolff-1580 (zum Vergleich Reffeler/Han-1577)

Etwa zeitgleich zur Ausgabe der Offizin Paul Reffelers entstehen die Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff, die wie in nahezu allen Untersuchungsbereichen vom Befund in den Frankfurter Ausgaben der Gülfferich-Han abweichen. Dies bezieht sich hierin allerdings weniger auf die Ausgabe Müller-1577, die mit 23 Belegen der Ausgabe Reffeler-1577 vergleichbar ist,246 als vielmehr auf Egenolff-1578. In dieser Ausgabe begegnet -ent in 44 Belegen. Dies ist in Anbetracht der allgemeinen Tendenz des Abbaus dieser Flexionsform im Verlauf des 16. Jhs. der 35 Jahre alten Vorlage Steiner1543 geschuldet. Wäre für die Setzer/Korrektoren die Endung in ihrer Umgangs- oder Schreibsprache regelhaft gewesen, müsste sie viel häufiger und funktional stringent angewandt erscheinen. So scheint die erhöhte Zahl der Belege auf Interferenz aus der Vorlage zurückzuführen zu sein, zumal die Belege sich häufig mit denen Steiners decken. Die Graphie ist in der Sondergruppe Müller-Egenolff generell variantenreicher als in der Frankfurter Überlieferung. Hier begegnet -ent neben den Varianten -end (12) und -endt (2) mit 30 Belegen als klare Leitgraphie; ein weiteres Untersuchungsphänomen, das eine Oppositionsstellung der Egenolff-Ausgaben zu den übrigen Frankfurter Ausgaben der Melusine konstatieren lässt. In Egenolff-1580 ist im Vergleich mit der Vorgängerausgabe ein Rückgang der Belege von 44 auf 33 zu verzeichnen. Die graphische Variantenvielfalt ist auf zwei Graphievarianten reduziert, wobei -ent leicht überwiegt (19 -ent/14 -end). Im Verlauf des 16. Jhs. werden die -ent-Belege im Widerstreit zwischen Tradition und Innovation nach und nach stetig abgebaut, aber auch lange tradiert. Mit Blick auf das Nhd. ist auch hier die Überlieferung der Frankfurter Drucker um Gülfferich, Han 246

Die Graphie zeigt hier größere Variantenvielfalt als in den Drucken der Frankfurter Überlieferung: -end (11), -endt (2), -ent (10).

324

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

und Feyerabend maßgebend. In deren Melusine-Ausgaben wird zunächst die Leitgraphie -end standardisiert, die dann in Konflikt mit den Partizip Präsens-Formen gerät und letztlich – als Relikt der Überlieferung klassifiziert – entfernt wird. An diesem Phänomen wird ebenso deutlich, dass morphologische regional-schreibsprachliche Besonderheiten länger als phonologisch bedingte in der Überlieferung erhalten bleiben. Mit dem Übergang von den reinen Schreib- und Leselehren, die weitestgehend auf die Ebenen Graphie und Phonologie beschränkt blieben, zu metasprachlichen Werken des Deutschen, die auch auf den Formenbestand des Deutschen und dessen Konjugation und Deklination eingehen, trägt die Grammatikschreibung der zweiten Hälfte des 16. Jhs. sicherlich ihren Teil dazu bei, dass morphologische Vereinheitlichungen wie in Feyerabends Ausgabe bewusst vorgenommen wurden.

3.

Die schreibsprachlichen Phänomene im Überlieferungszeitraum III (1649–1692/93)

3.1

Lautwandel im Bereich des Vokalismus

a.

Die md. Senkung im Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

In der Ausgabe Pfeiffer-1649 lässt sich die Durchführung der Senkung in 220 Belegen nachweisen, in lediglich 38 Belegen ist sie graphisch noch nicht realisiert. 22 dieser Belege betreffen das Lexem ›Mönch‹: Muͤ nch (5), Muͤ nchen (5), Muͤ nche (12) vs. Moͤ nch (5), Moͤ nche (3), Moͤ nchen (3). Die Belege erstrecken sich über die Lagen H und I, wobei auf Lage H sowohl gesenkte als auch nicht gesenkte Belege auftreten, auf Lage I ausschließlich nicht gesenkte. Die übrigen Belege treten seltener auf, konkurrieren allerdings zumeist mit der Senkungsgraphie. Vermutlich sind die Belege mit fehlender Senkung auf Vorlagenabhängigkeit zurückzuführen.247 In Endter-1672 ist der Vorgang der Senkung größtenteils durchgeführt. Die beiden hochfrequenten Lexeme ›Mönch‹ und ›König‹ tauchen in diesem Druck durchgehend mit nhd. Lautung auf.248 Bei den Belegen zur Senkung zeigt sich der Überlieferungszusammenhang der drei Ausgaben Pfeiffer-1649, ohne Ort-1692 und Nicolai-1692/93. In ohne Ort-1692 erscheinen die Senkungsbelege einheitlicher als in Pfeiffer-1649. Sie weisen lediglich geringe Varianz auf. Neben 198 Belegen mit erfolgter Senkung erscheinen 35 Belege, bei denen die Senkung nicht erfolgt ist: Muͤ nch (6), Muͤ nche (20), Muͤ nchen (8), Guͤ ldenen, gewunnen. Abweichungen gibt es außer gewonnen (2) und Moͤ nche keine. Dieser Graphieusus gewun̄ en vs. gewonnen (4); guͤ ldenen vs. Gold, Golds; verguͤ n̄ en vs. Goͤ nnern, goͤ nneſt; gekundt (2), kundte (5), kundt (3) vs. kont; beſunnen, Trummeter (2). 248 Lediglich zwei Abweichungen treten unter 240 Belgen auf: gewun=nen (D7b), gewunnen (H5b) vs. gewonnen (G8b). 247

Die schreibsprachlichen Phänomene (1649–1692/93)

325

weist darauf hin, dass diese unfirmierte Ausgabe im obd. Raum entstanden sein könnte. Aber auch in der md. Ausgabe Nicolai-1692/93 sieht die Beleglage ähnlich aus. Dort tritt in 183 Belegen -Graphie auf, 38 Belege weisen dagegen noch hohen Vorderzungenvokal auf: Muͤ nch (7), Muͤ nche (19), Muͤ nchen (8), gewunnen, verguͤ nnen, Trummeter, Trummeten. Abweichungen gibt es abgesehen von den Belegen gewonnen (3) keine. Damit zeigt sich die einzige Nürnberger Ausgabe des Korpus nahezu deckungsgleich mit dem nhd. Schriftstandard, wohingegen in den anderen Ausgaben des 17. Jhs. bis zum Ende des Untersuchungszeitraums v. a. für das Lexem ›Mönch‹ die Schreibung noch vom späteren Standard abweicht. b.

Rundungsbelege im Untersuchungszeitraum III (1649–1692/93)

Der Lautwandel der Rundung ruft auf Ebene der Graphie große Schwankungen hervor, so auch im Untersuchungszeitraum III, in dem noch kein eindeutiger, variantenfreier, geschweige denn ein mit dem nhd. Standard konformer Befund gestellt werden kann. In Pfeiffer-1649 ist die Rundung in sieben Belegen noch nicht erfolgt: ſchweren (2), veɾwircket, wirdig (3), wirdiglich; Gegenbeleg: wuͤ rdigen. Schreibung mit labialisiertem Vokal findet sich in den Belegen behuͤ lfflich (3), Huͤ lff (6), Huͤ lffe (22), Vorreuter; Gegenbeleg: hilffſt.249 In Endter-1672 begegnet die Verwendung gerundeter Vokale anstelle der entlabialisierten Variante stark ausgeprägt, so dass lediglich zwei Belege erscheinen, die nicht erfolgte Rundung zeigen. Dabei handelt es sich um die Belege ſchwe=ren (E3b) und wir=digen (H4a). Für das Lexem ›schwören‹ gibt es keinen Gegenbeleg, für nhd. ›würdig‹ hingegen ist überwiegend der gerundete Vokal belegt: wůrdig, wuͤ rdig (3), wuͤ rdiglich. Auch hier sind einige vom nhd. Standard abweichende Rundungsformen anzutreffen: behuͤ lflich (3), erſchroͤ cklich, Huͤ lffe (10), Huͤ lfe (7), Reutern, Vorreuter. Zu diesen Graphien gibt es keine Gegenbelege mit ungerundetem Vokal. In der Ausgabe ohne Ort-1692 begegnet nicht erfolgte Rundung nur noch in ſchweren (2). Im Vergleich zum Untersuchungszeitraum I und II und den ersten beiden Ausgaben des 17. Jhs. ist die Rundung in ›würdig‹ durchgehend erfolgt: wuͤ rdig (3), wuͤ rdigen, wuͤ rdiglich. Ansonsten finden sich noch einige Formen mit labialisiertem Vokal, die vom nhd. Standard abweichen, aber bereits in den Vorlagen zu dieser Ausgabe in dieser Form erscheinen: behuͤ lfflich, Huͤ lffe (27), huͤ lfflich, Reutern. Die Beleglage in Nicolai-1692/93 ist deckungsgleich.250 Wie in ohne Ort-1692 gibt es zu den betroffenen Lexemen keine Gegenbelege. Somit besteht keine graphische Variation mehr. Generell zeigt sich bereits hier, dass Varianz nur noch in Bereichen vorherrscht, in denen die sprechsprachlich-lautliche Distanz zwischen den Varianten sehr gering ist. Bei der Senkung werden lediglich die distinktiven Merkmale der horizontalen und verti249 250

Das Appelativum ›Böhmen‹ wird in den Ausgaben des 17. Jhs. stets mit gesetzt. Rundung ist in Nicolai-1692/93 nicht erfolgt in ſchweren (2). Ansonsten zeigen folgende Belege Rundung: Huͤ lffe (26), Huͤ lff (2), huͤ lffe, behuͤ lfflich (2), Reutern, Vorreuter, wuͤ rdig (3), wuͤ rdiglich, wuͤ rdigen.

326

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

kalen Zungenlage minimal verändert, bei der Rundung bzw. Varianz zwischen -nis/ -nüs nur das distinktive Merkmal der Lippenrundung. Auch die variablen Konsonantengraphien der Ausgaben des 17. Jhs. beschränken sich auf ein Phänomen, bei dem zwei artikulatorisch sehr ähnliche Laute aneinander angeglichen werden.

3.2

Lautwandel im Bereich des Konsonantismus

In den Ausgaben des 17. Jhs. tritt Varianz innerhalb der untersuchten Phänomene lediglich unter den Assimilationsvorgänge und deren Repräsentation innerhalb der Graphie auf. So ist die -Graphie der Beispiellexeme zur etymologisch berechtigten Schreibung nur in Endter-1672 vollständig getilgt. Während Pfeiffer-1649 in allen 71 Belegen aufweist, tritt dem Leser in Endter-1672 in allen 70 Belegen die Graphie entgegen. Die beiden letzten Ausgaben des Korpus folgen Pfeiffer-1649. Ohne Ort-1692 weist lediglich in zwei Belegen -Graphie auf (darum, umgebracht), Nicolai-1692/93 in neun Belegen (darum (2), um (3), Umſaͤ ſſen, umgeben, umkommen, wiederum). Auch beim Lexem ›Samstag‹ zeigt sich dieses Bild. Während die überlieferungsgeschichtlich in einen Kontext gehörenden drei Ausgaben des 17. Jhs. Graphie aufweisen, wird in der Offizin Endter Samſtag (3) gesetzt. Wie schon im Bereich des etymologischen /mb/ ist auch bei der Graphie des unetymologischen /mb/ die Ausgabe Endter-1672 die einzige, die die -Graphien beseitigt hat. Während Pfeiffer-1649 in diesem Punkt noch der alten Schreibtradition des 16. Jhs. folgt, werden die Beispiellexeme in der Nürnberger Offizin stets mit (in -tuom und vremd) oder (koͤ mmt (5), kommt (2) / nimmt) kodiert. Die Ausgabe ohne Ort-1692 folgt in den Fällen -tuom, kommt und nimmt Endters Graphieusus. Das Lexem vremd wird noch durchgehend mit gesetzt. Nicolai-1692/93 setzt wie Pfeiffer in allen Fällen als Leitgraphie. Die enklitische, graphische, auf sprechsprachlich assimilatorische Vorgänge zurückzuführende Verbindung des Personalpronomens der 2.P.Sg. in der Form -tu mit verbalen Wortformen erscheint mit Ausnahme des Druckes ohne Ort-1692 noch in allen Ausgaben des 17. Jhs. In Pfeiffer-1649 und Nicolai-1692/93 zeigt sich dabei die Abhängigkeit der beiden Drucke, da der chronologisch frühere Hamburger Druck haſtu (2), der Annaberger haſtu (3), haͤ tteſtu aufweist. In Endter-1672 erscheinen die Graphien biſtu (2), wirſtu, brichſtu. Am Ende des Untersuchungszeitraums wird, nachdem die Tilgung dieses sprechsprachlichen Merkmals bereits in Knobloch-1516 und den ersten drei Steiner-Ausgaben erreicht war, in Steiner-1543 derartige Graphien allerdings wieder etabliert worden waren, dieser sprechsprachliche Einfluss auf die Schreibsprache lediglich in einer Ausgabe vollständig vermieden. Die Varianten zeigen dabei stets, dass bei fehlender Regelgraphie auch in den Ausgaben des 17. Jhs. die Wahl der Variante durch die Vorlage bestimmt wird.

Die schreibsprachlichen Phänomene (1649–1692/93)

3.3

327

Morphologischer Wandel

Im Bereich der Morphologie sind die untersuchten Phänomene bereits im zweiten Untersuchungszeitraum so weit vereinheitlicht, dass es kaum noch Varianz in den Ausgaben des 17. Jhs. festzustellen gibt. Lediglich die Graphie des Suffixes -nis/-nüs liefert noch Anhaltspunkte für eine sprachgeographische Zuordnung der Schreibsprache der Ausgaben, was besonders für die unfirmierte Ausgabe ohne Ort-1692 von Interesse ist. Auch im Untersuchungszeitraum III hat sich noch keine Variante eindeutig durchgesetzt, wobei die textinterne Variation gering bleibt. Vielmehr sind interessante Abweichungen zwischen den einzelnen Ausgaben zu beobachten. Die drei in einen direkten Textüberlieferungszusammenhang gehörenden Ausgaben dieses Zeitraums – Pfeiffer1649, ohne Ort-1692 und Nicolai-1692/93 – unterscheiden sich dabei maßgeblich. Die beiden firmierten Drucke aus Hamburg und St. Annaberg weisen die -Graphie auf. Die unfirmierte 1692 gedruckte Ausgabe hingegen setzt ausnahmslos -nuͤ ß, was den Entstehungsort dieses Druckes im obd. Raum vermuten lässt. Die Belege sprechen in ihrer orthographischen Homogenität eine deutliche Sprache.251 Leitgraphie bei Pfeiffer und Nicolai ist hingegen -niß, wobei beide Drucke auch Varianzgraphien aufweisen;252 Pfeiffer im Beleg Begraͤ bnuͤ ß, Nicolai in Bekuͤ mmernuͤ ß (2) und Gefaͤ ngnis. Wie in ohne Ort-1692 tritt auch in Endter-1672 in der Repräsentation des Vokals des Suffixes keine Variation mehr auf, wohingegen im Kontrast zu ohne Ort-1692 bei Endter stets gesetzt wurde: -nis (14), -niß (2). Nimmt man an, dass die Ausgabe ohne Ort-1692 im bair. oder alem. Raum entstanden ist, so zeigt sich auch in den Melusine-Ausgaben des 17. Jhs. noch ein scharfer schreibsprachlandschaftlicher Kontrast zwischen der Suffixvariante mit gerundetem Vokal und der mit ungerundetem. Selbst ohne diese spekulative Hypothese mit einzubeziehen, muss deutlich festgehalten werden, dass in Bezug auf die Graphie des substantivischen Derivationssuffixes -nisse auch am Ende des Untersuchungszeitraums keine landschaftlich übergreifende, einheitliche Vorstellung von der Richtigkeit der graphischen Umsetzung dieses Morphems vorherrschte.

ohne Ort-1692: Bedraͤ ngnuͤ ß (2), Begraͤ bnuͤ ß (4), Bekuͤ mmernuͤ ß (2), Betruͤ bnuͤ ß, Bildnuͤ ß, Erbarmnuͤ ß, Ergernuͤ ß, Hindernuͤ ß, Kuͤ mmernuͤ ß, Verdamnuͤ ß. 252 Pfeiffer-1649: Bedraͤ ngniß (2), Begraͤ bniß (3), Bekuͤ mmerniß (2), Betruͤ bniß, Bildniß, Erbarmniß, Ergerniß, Hinderniß, Kuͤ mmerniß, Verdamniß. Nicolai-1692/93: Bedraͤ ngniß (2), Begraͤ bniß (4), Betruͤ bniß, Erbarmniß, Ergerniß, Gefaͤ ngniß (2), Hinderniß, Kuͤ mmerniß, Verdammniß. 251

328

4.

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Zusammenfassung der Ergebnisse des Laut- und Formenwandels

Am Ende dieses Abschnitts gilt es, die aus den Detailstudien und der Beleglage hervorgehenden Interpretationsansätze und Ergebnisse nochmals zu sammeln. Augenscheinlich ist, dass die Untersuchungsphänomene aus Laut- und Formenlehre in den Ausgaben der zweiten Hälfte des 17. Jhs. weitestgehend Befunde liefern, die einen einheitlichen Graphieusus anzeigen. Der Variantenabbau wird in dieser Phase der MelusineÜberlieferung endgültig vollendet. Somit kann für diese Zeit die Aussage getroffen werden, dass grammatische Kenntnisse über Formenparadigmen, Wortarten etc. in der Graphie umgesetzt werden sowie lautliche Interferenzen der gesprochenen Varietäten kaum mehr eine Rolle beim Satz der deutschen Sprache spielen. Es gibt eine klare Vorstellung davon, wie die deutsche Sprache in Regeln gefasst werden kann und wie das Schriftbild eines jeden Lexems auszusehen hat. Die Schriftsprache hat einen höheren Grad an Autonomie in Relation zur gesprochenen Sprache erlangt. Auf dem Weg zu diesem Zustand lassen sich allerdings in den Untersuchungszeiträumen I und II einige interessante Beobachtungen anstellen. Erstens wird deutlich, dass sich die Melusine-Drucke auf Basis der Analyse der jeweils verwendeten Schreibsprache bis Ende des 16. Jhs. in den meisten Fällen einer Sprachlandschaft zuordnen lassen. So wird z. B. ersichtlich, dass es sich bis Mitte des 16. Jhs. um eine rein obd. Überlieferung handelt, da die aus dem Md. ausgehenden Lautwandelphänomene der Monophthongierung der mhd. fallenden Diphthonge und der Senkung der hohen Kurzvokale /ɪ/ /ʏ/ und /ʊ/ im Falle der distributionellen Bedingung vor Nasal, vor /r/ oder /l/ plus Konsonant und seltener auch vor anderen Konsonanten zu /ɛ/ /œ/ /ɔ/ in dieser Periode weder in der Graphie der Augsburger noch der alem. Drucke sichtbar sind. Bei der fehlenden Umsetzung der Senkung zeigt sich jedoch bereits, dass die Augsburger Drucker mit nahezu 100 % der Belege konsequenter und einheitlicher in ihrem Graphieusus vorgehen als die oberrh. Ausgaben, in denen sich stärkere Varianz findet. Ein Paradebeispiel ist die Ausgabe Knoblochtzer-1477, in der die Graphie des mhd. Substantivs künec setzerbedingt mal auf /ʏ/, mal auf /œ/ schließen lässt. Andererseits muss man bei der sprachlandschaftlichen Zuweisung eines Druckes auch Vorsicht walten lassen, da herausgearbeitet werden konnte, dass die Druckersprache einer Offizin in der Inkunabel- und Frühdruckzeit noch sehr variabel sein kann. Die Beteiligung verschiedener Setzer mit punktuell verschiedenen Vorstellungen der Umsetzung der deutschen Sprache in den Druck konnte beispielsweise in Richel-1473/74, Bämler-1474, Knoblochtzer-1477, Knoblochtzer-1478, aber auch später noch in Egenolff-1580 nachgewiesen werden. Da es zu dieser Zeit noch keine allgemeingültige Regelung für die Graphie des Deutschen gab, und somit auch keine festen Schriftbilder der Wörter im mentalen Gedächtnis verankert sein konnten, bestand Interferenz durch

Zusammenfassung der Ergebnisse des Laut- und Formenwandels

329

die Ausformung der deutschen Sprache im Bereich der Mündlichkeit. Da die einzelnen Setzersprachen einer Offizin, deren Summe die Druckersprache dieser Offizin ausmacht, basierend auf ideolektalen Eigenheiten der Setzer, die aus dialektalen Interferenzen, bedingt durch Herkunft und Ausbildungsort, herrühren, sehr unterschiedlich sein können, kann eine Druckersprache letztendlich nur vollends erfasst werden, indem ein breit angelegter Querschnitt der Erzeugnisse der Offizin untersucht wird. Bei der Untersuchung von Einzeldrucken muss es daher immer darum gehen, die Setzersprache bzw. die Setzersprachen in dem jeweiligen Druck zu identifizieren und zu beschreiben. Es hat sich auch gezeigt, dass der Nachweis der Beteiligung verschiedener Setzer – insbesondere nach der Inkunabelzeit – nur selten eindeutig zu führen ist. Die Hypothese, dass die Varianz aufgrund von marktstrategischen Überlegungen entstand, die darauf abzielten, ein bestimmtes Absatzgebiet durch eine darauf zugeschnittene Schreibsprache zu erreichen, kann aufgrund der hier gesammelten Daten nicht bestätigt werden. Dazu sind die Schreibsprachen der Inkunabeln zu heterogen. Sicherlich kann so etwas vereinzelt vorgekommen sein, jedoch ist es kein zulässiger Erklärungsversuch für die in Inkunabeln vorgefundene graphische Varianz. Ferner kann für eine von den Erwartungen für einen Druckort oder eine Offizin abweichende festgestellte Schreibsprache in einem Druckerzeugnis auch der Faktor Vorlagenabhängigkeit verantwortlich gemacht werden. Gerade im Frankfurter Druck Egenolff-1578 tritt aufgrund der Abhängigkeit vom älteren Augsburger Druck Steiner-1543 eine für Frankfurt und die Zeit untypische Setzersprache auf. Auch zeigen viele Einzellexemuntersuchungen, dass bestimmte graphische Nebenvarianten häufig lange Zeit einfach von Ausgabe zu Ausgabe nachgesetzt werden, bevor sie einer neuen Graphievariante angeglichen werden. So konnte nachgewiesen werden, dass in der MelusineÜberlieferung selten belegte variabel kodierbare Lexeme, die weder hochfrequent in der Sprache vorkommen, noch in ihrer Graphie auf klare Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt werden können, häufig als Relikte eines eigentlich schon überholten Graphieusus über längere Zeit weitertradiert werden. Des Weiteren deuten viele der Ergebnisse zu den Untersuchungsphänomenen darauf hin, dass die Augsburger Drucker einen gefestigteren und vermutlich angeseheneren Usus pflegten als die Drucker im Oberrheingebiet. Es besteht zunächst zu Beginn des Überlieferungszeitraums ein klarer Kontrast zwischen den beiden Schreibsprachen. Die Straßburger Drucker passten sich im Lauf der Überlieferung in zahlreichen Bereichen – etwa der Diphthongierung, dem Diphthongwandel, der Morphologie von ›gehen‹ und ›stehen‹, dem Substantivsuffix -nis/-nüs, der Konjugation des Verbs ›sein‹ – einem von den Augsburgern bereits relativ einheitlich vertretenen Graphieusus an, so dass in den alem. Ausgaben des 15. Jhs. zunächst Mischsprachen entstanden, bevor in Knobloch1516 eine nahezu vollständige Anpassung an die Augsburger Gepflogenheiten zu beobachten ist. Der Augsburger Usus ist insgesamt sehr einheitlich, doch entspricht er nicht immer den nhd. Formen. Dem Augsburger Usus ist zwar noch „nicht unbedingt […] eine besondere Nähe zur späteren Schriftsprache“ (Glaser 2003: 73) zu attestieren,

330

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

die Augsburger Drucker Bämler und Schönsperger sind aber auffallend „um die Vermeidung bestimmter einheimischer Varianten“ (Glaser 2003: 74) wie der Entrundung und der schwäb. Diphthongierung bemüht. Die Beschreibung der Augsburger Drucksprache der Inkunabelzeit und des 16. Jhs. durch Glaser (2003: 72– 73) deckt sich weitestgehend mit den Befunden des Melusine-Korpus. So sind die schwäb. Diphthongierung nicht und die Entrundung nur schwach belegt, „die graphische Trennung von mhd. /i:/ und /ei/ in und ist vorhanden, aber nicht konsequent durchgeführt“ (Glaser 2003: 72–73). Auch die ê-Formen für ›gehen‹/›stehen‹ können deckungsgleich mit Glaser als Leitvariante beobachtet werden. Ebenso zeigt sich in Heinrich Steiners Drucken zum Teil „die vorübergehende Wiedereinführung der regelmässigen [sic!] graphischen Distinktion ai vs. ei“ (Glaser 2003: 73). Die „Distinktion der alten Diphthonge uo/üe von den Monophthongen u/ü“ (Glaser 2003: 73) geht allmählich zurück, begegnet jedoch noch in Manger-1574. Glasers Vergleich der Drucksprache mit Handschriften (vgl. Glaser 2003: 69–75) macht deutlich, dass die Augsburger Frühdrucker eine von den mundartlichen Verhältnissen ihrer Umgebung abstrahierte Schreibsprache verwenden, die dem gemeinen teutsch, das vor der Reformation hohes Prestige hatte, nahe steht. Die oobd.-bair. geprägte schreibsprachliche Varietät, die häufig als gemeines teutsch bezeichnet wird, verlor allerdings nach der Reformation zunehmend an Prestige und wurde im Zuge der Gegenreformation, die durch Kaiser Ferdinand I. „1552 mit der Berufung des Jesuiten Petrus Canisius“ (Wiesinger 2000: 156) eingeleitet wurde, und in Folge der „Festigung der schon im 16. Jh. ausgebildeten konfessionellen Gebiete und […] Verstärkung kultureller Gegensätze im Gefolge der Konfessionen“ (Wiesinger 2000: 157) nach dem Dreißigjährigen Krieg zunehmend als altgläubig-katholisch abgewertet (vgl. Müller 2002: 69). Aufgrund der Zentrierung der Überlieferung der Melusine auf den mitteldeutschen und protestantischen Raum in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. und im 17. Jh. lassen sich die von Wiesinger (2000: 160–161) beschriebenen typischen Charakteristika der katholischoobd. Schreibsprache, die nach der Gegenreformation zunehmend in Kontrast zur protestantischen omd. meißnisch-obersächsischen Schriftsprache stand, nicht beobachten. Bezeichnend ist etwa, dass die typisch süddeutsche Graphie / innerhalb des Korpus nicht auftritt. Wiesinger merkt dazu an: „Merkwürdig ist nun, daß die Hofkanzlei Maximilians in Innsbruck zunächst auch nur k/ck schrieb, aber ab etwa 1505 zunehmend anfing kh/ckh zu schreiben. Diese Gewohnheit griff dann immer mehr um sich, zunächst im Westen und dann im Osten. Die Druckersprache machte davon nur geringen Gebrauch, zeigt aber teilweise kh/ckh bis um 1620.“ Wiesinger (2000: 161).

Diese Beobachtung deckt sich voll und ganz mit den anhand des Korpus erhobenen Daten. Obwohl also nach den Ergebnissen Wiesingers (2000, 1999, 1995) und Reiffensteins (1993, 1997, 2009a: 54–56)253 erst 1750 in Österreich und 1760 in Bayern 253

Reiffenstein (1993: 367): „Der ältere oberdeutsche Schreibgebrauch, der bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts noch gut nachweisbar ist, ist in den 70er Jahren schon weitgehend vom neuen

Zusammenfassung der Ergebnisse des Laut- und Formenwandels

331

durch die Sprachreformen „über 200 Jahre getrennte sprachliche Wege zwischen Mittel- und Norddeutschland und dem oberdeutschen Süden, die der Konfessionsgegensatz von Protestantismus und Katholizismus bewirkt hat“ (Wiesinger 2000: 162), beendet werden, lässt sich innerhalb der Melusine-Ausgaben dieser retardierende Faktor auf dem Weg zur nhd. Schriftsprache nicht nachweisen. Konfessionalität als Faktor für den Sprachwandel kommt für die Melusine-Überlieferung nur dahingehend zu tragen, dass der Text in überwiegend protestantisch geprägten Städten gedruckt wurde und wenig vom katholisch-altgläubigen fremden Usus beeinflusst wurde. Zunächst ist jedoch der oobd.-bair. Usus nicht zuletzt durch die Augsburger Drucker vorbildlich und äußerst prestigeträchtig. Dies zeigt sich auch anhand der Graphiesysteme der beiden Straßburger Ausgaben von 1506 und 1516. Der Befund zur Ausgabe Knobloch-1516, die sich von der Straßburger Drucksprache in den Ausgaben zuvor abhebt, kann anhand der Studie Stockmann-Hovekamps (1991), die fünf Straßburger Flugblattdrucke aus dem Zeitraum 1524–1548254 untersucht hat, besser eingeordnet werden. Im ersten Druck, einer 1524 in der Offizin des Johann Schott gedruckten Flugschrift, begegnet für die Diphthongierung ein ähnlicher Befund wie bei Knobloch. Insbesondere die Lexeme ›auf‹ und ›aus‹ sind nicht diphthongiert, initial ist mhd. û nur zu 2,5 % diphthongiert (vgl. Stockmann-Hovekamp 1991: 186). In den weiteren untersuchten Drucken bis 1548 werden allmählich 100 % Diphthongierungen erreicht (vgl. Stockmann-Hovekamp 1991: 335), wobei vff und vß noch in dem Druck von 1538 Ausnahmen bilden. Das Lexem ›auf‹ widersetzt sich dabei der Diphthongierung länger als ›aus‹ (vgl. Stockmann-Hovekamp 1991: 291). Dieser Befund deckt sich mit den Verhältnissen in den Straßburger Melusine-Drucken, wo ebenfalls diese beiden Lexeme als Shibboleth-Wörter der Straßburger Drucksprache herausgestellt werden konnten. Für die Monophthongierung zeigt sich für den ersten Druck von 1524 „kein deutlicher Reflex der Monophthongierung“ (StockmannHovekamp 1991: 187). Und auch bis zum Ende des Untersuchungszeitraums 1548 bleiben „ und schriftsprachlich nicht reflektiert“ (Stockmann-Hovekamp 1991: ‚Hochdeutschen‘ abgelöst worden.“ Reiffenstein (1997: 139) beschreibt den Übergang von der alten katholischen Schriftsprache zur protestantischen anhand von Beobachtungen zu Einzelpersonen: „Während die beiden älteren Tiroler in ihrem deutschen Schreibusus noch eindeutig am oberdeutschen Typus festhalten, hat sich der um eine Generation jüngere Joseph von Spergs (*1725) zur gleichen Zeit jedenfalls auf der formalen Ebene (Graphemik, Morphologie) völlig davon gelöst und die von Gottsched propagierte Norm übernommen.“ Dies geht einher mit „Bemühungen des Wiener Hofes um eine Modernisierung des Deutschen in den österreichischen Erbländern, in enger Anlehung an die sich im protestantischen Deutschland (Gottsched, Leipzig) ausbildenden Normen.“ (Reiffenstein 1997: 139). 254 Stockmann-Hovekamps Korpus besteht aus Flugschriftendrucken von Texten Martin Bucers. Text 1 wurde 1524 durch Johann Schott gedruckt, Text 2 1530 durch Johann Knobloch d. J., Text 3 1538 durch Wendelin Richel, Text 4 1548 durch Wolfgang Köpfel. Als Kontrollkorpus fungiert ein Bibeldruck der Wittenberger Bibel durch Wendelin Richel aus dem Jahr 1535. Vgl. StockmannHovekamp (1991: 87–101).

332

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

335). wird zumindest im Druck von 1538 medial zu 43 % als Monophthong gesetzt, im Druck von 1548 medial zu 41 % (vgl. Stockmann-Hovekamp 1991: 291, 335). Morphologische Phänomene wie Einheitsplural, Formen der Verben ›gehen‹ und ›stehen‹ sowie kontrahierte Verbformen der Verben ›lassen‹ und ›haben‹ zeigen ebenfalls ähnliche Ergebnisse, die die Korpusanalyse für die Straßburger Drucksprache in den Melusine-Ausgaben ergab. Es werden die typischen Formen des verbalen Einheitsplurals -ent, gân und stân und Kontraktionen wie lân oder hân abgebaut und finden sich zum Teil im Druck von 1548 nicht mehr (vgl. Stockmann-Hovekamp 1991: 189, 192– 194, 244, 250, 295–297, 300, 338, 340). In dem untersuchten Druck von 1530 aus der Offizin des Johann Knobloch d. J. ist eine „Ausdehnung der Majuskelschreibung auf Nomen im allgemeinen […] deutlich zu erkennen“ (Stockmann-Hovekamp 1991: 220), aber noch auf metaphorisch-abstrakte Substantive beschränkt. Im Melusine-Korpus beginnt diese Entwicklung zeitgleich einzusetzen, doch wird sie sehr viel später erst stringent angewendet. Gleiches gilt für die graphische Repräsentation der Vokallängen. Diese werden ab den Steiner-Ausgaben Ende der 1530er-Jahre vermehrt gekennzeichnet. Zuvor wird dies lediglich vereinzelt durch Doppelvokalgraphie vorgenommen, ab den Steiner-Ausgaben nimmt die Dehnungs-h-Graphie zu. Erste Anzeichen hierzu findet auch Stockmann-Hovekamp im Druck aus dem Jahr 1530. In der Flugschrift von 1538 ist dann die „Bezeichnung der Längen […] außerordentlich gut und vielfältig ausgeprägt“ (Stockmann-Hovekamp 1991: 292), im Druck von 1548 erscheint bereits Dehnungs-h mit , und . Eine ähnliche Entwicklung konnte auch im Melusine-Korpus verfolgt werden. Typisch für den Straßburger Usus bleibt in allen fünf untersuchten Drucken, dass die md. Senkung selten durchgeführt wird. So kann auch anhand dieser Studie herausgestellt werden, dass im 16. Jh. in der Straßburger Drucksprache trotz der Angleichung an fremde Konventionen und Reduzierung von Regionalismen gerade im Bereich von Lautwandelphänomenen, die im md. Gebiet ihren Ursprung hatten, ein Rest von lokaltypischen Graphien bestehen bleibt, die den Straßburger Usus ausmachen. Knobloch-1516 erscheint im Kontrast zu den von Stockmann-Hovekamp untersuchten Drucken als sehr fortschrittlich. Im 16. Jh. kann eine klare Opposition zwischen Augsburger Drucksprache und Frankfurter Drucksprache konstatiert werden. Beide Drucksprachen lassen sich durch die An- bzw. Abwesenheit bestimmter schreibsprachlicher Charakteristika wie beispielsweise der graphischen Umsetzung der alten mhd. fallenden Diphthonge oder der Senkung unterscheiden. Dabei werden allerdings stets regional beschränkte dialektale Eigenheiten, die in der Graphie ihren Niederschlag fanden, sukzessive getilgt. So wird in den Augsburger Drucken die Medienverschiebung im Bairischen, die zur Opposition –

führt, bis zu ihrer Tilgung reduziert, in den oberrh. Drucken wird die graphische Repräsentation der Verdumpfung von /a:/ zu /o:/ kontinuierlich abgebaut. In den Frankfurter Drucken tritt die Rundung von /e/ zu /ö/ und /i/ zu /ü/ stark zurück, auch werden die Graphien und für die Auslautverhärtung häufig gesetzt.

Zusammenfassung der Ergebnisse des Laut- und Formenwandels

333

Am Beispiel der

-Graphie des Bairischen kann auch die These belegt werden, dass der Abbau von Varianten und die Etablierung einer Leitvariante nicht geradlinig und chronologisch verlaufen, da in der Ausgabe Hupfuff-1506 wieder vermehrt

Graphien gesetzt werden, obwohl diese innerhalb der Augsburger Inkunabeln bereits stark rückläufig waren. Die „Wechsel-Schreibungen mit

bzw. “ führt Müller (2002: 62) neben zahlreichen anderen schreibsprachlichen Phänomenen auch für das Druckerzentrum Nürnberg als „auffällige[s] Charakteristik[um] mit sprachräumlicher Prägung auf“ (Müller 2002: 62). In Endter-1672, der einzigen Nürnberger Melusine-Ausgabe im Korpus, ist diese Eigenheit sowie die meisten bei Müller (2002: 62–63) angeführten Charakteristika bereits vereinheitlicht. Insgesamt kann das Graphiesystem in Endter1672 als sehr modern bezeichnet werden. Doch woran liegt das? Korpusintern lässt sich diese Frage aufgrund der Überlieferungssituation nicht beantworten, doch gibt Müller (2002) eine Antwort. Basierend auf der Analyse von vier handschriftlich überlieferten Nürnberger Texten wird in dessen Studie herausgestellt, dass „seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts“ (Müller 2002: 65) bereits ein stadtspezifischer Schreibusus besteht, in dem mundartliche Charakteristika des Obd-(Nord)bair. und Ostfr.-Md. fehlen. Dieser Usus hat zu Beginn „ganz überwiegend oberdeutsch-bairische“ (Müller 2002: 63) Prägung. Als bedingende Faktoren für die Entstehung dieses Usus nennt Müller die „überregional ausgerichtete Nürnberger Kanzlei- und Geschäftssprache“ (Müller 2002: 65) sowie „das seit dem 14. Jahrhundert entwickelte Schulwesen“ (Müller 2002: 66) mit den sogenannten ›Teutschen Schulen‹. Doch „im Verlauf der Frühen Neuzeit [verliert der Nürnberger Schreibusus] seine oberdeutsch-bairischen Konturen“ (Müller 2002: 68), was Müller auf die konfessionellen Verhältnisse in Nürnberg ab 1525 und die daran anschließende Orientierung an Luther zurückführt. Diese Entwicklung wird zwar durch den Augsburger Religionsfrieden von 1555 abgemildert, doch galt das „Bairisch-Oberdeutsche […] nun als altgläubig-rückständige Sprachform, und dies führte zum allmählichen Abbau bairischer Schreibtraditionen in Nürnberger Texten“ (Müller 2002: 69). So lässt sich dann auch die Modernität in Endter-1672 ins rechte Licht rücken. Der Endter-Druck der Melusine ist zugleich eine Bestätigung dieses von Müller beschriebenen Sprachwechsels in Nürnberg und zugleich der weit verbreiteten Annahme, dass Nürnberg einen bedeutenden Anteil an den sprachlichen Ausgleichsvorgängen des 15. und 16. Jhs. hatte (vgl. Müller 2002: 57). Nürnberg fungierte „[a]ls kultureller Mittelpunkt, der auf dem Gebiet der Buchdruckerkunst […] überragende Werke hervorbrachte“ (Müller 2002: 57), doch gibt es bis jetzt weder eine eingehende Beschreibung der Nürnberger Schreibsprache des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit noch der Drucksprache Nürnbergs aus dieser Zeit. Des Weiteren konnte anhand des verbalen Einheitsplurals -ent dargelegt werden, dass morphologische regional-schreibsprachliche Besonderheiten länger als phonologisch bedingte in der Überlieferung erhalten bleiben. Während typisch alemannische Lautelemente aus der Schreibsprache der oberrh. Druckorte innerhalb der Melusine-

334

Reflexe des Laut- und Formenwandels in der Schreibsprache

Tradierung ab Knobloch-1516 weitestgehend entfernt worden waren, wurde der alemannische Einheitsplural bis weit ins 16. Jh. gesetzt. Dies spricht dafür, dass die Systematik in der grammatischen Beschreibung und Verschriftung der eigenen Muttersprache zuvor noch fehlte und auch nicht als relevant genug erachtet wurde. Doch wie sich gegen Ende des Untersuchungszeitraums in den Ausgaben der zweiten Hälfte des 17. Jhs. belegen lässt, wird dieser Blick auf die eigene Sprache geschärft und zunehmend vereinheitlichend angewandt. Erste Zeichen finden sich bereits in den letzten Ausgaben des 16. Jhs. Parallelen zu dieser Entwicklung und somit auch weitere Indizien für die These der zunehmenden Autonomie der Schriftsprache finden sich auf textlinguistischer Ebene. Auf deren Suche begibt sich die Studie im folgenden Abschnitt V. Im Vordergrund stehen dabei die Entwicklung der Text-Bild-Relationen auf makrostruktureller Ebene, die in direktem Zusammenhang zur Konstitution von Textkohäsion und -kohärenz stehen, sowie bestimmte Veränderungen auf mikrostruktureller, transsyntaktischer Ebene, die – und hier liegt eine wichtige Parallele zu den Entwicklungen im Bereich der Graphie – Rückschlüsse auf den wachsenden Grad an Autonomität der Schriftsprache zulassen.

V. Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

1.

Makrostrukturelle Entwicklungen

Im Bereich der Makrostruktur des Textes, die durch Textblöcke, Illustrationen und Kapitelüberschriften geprägt ist, gilt es aus sprachwissenschaftlicher Perspektive zwei Fragen zu beantworten, um einerseits weitere Indizien für die Autonomisierung der Schriftsprache und andererseits die Emanzipierung des Textes von den Illustrationen zu gewinnen. Eine zentrale Frage ist dabei, wann die ehemaligen Bildbeischriften sich zu Kapitelüberschriften entwickeln. Dabei wird als definitorischer Maßstab für eine Kapitelüberschrift ihr summarisches Wesen in Blick auf den folgenden Text zugrunde gelegt. Die Tituli der Melusine-Überlieferung haben lange Zeit mal kataphorische, mal anaphorische Verweisrichtung auf den Text.1 Es stellt sich die Frage, wann und unter welchen Umständen sich die Funktion der Tituli innerhalb der Melusine-Tradierung wandelt. Ferner muss bei der Untersuchung eines illustrierten Textes die Frage erhoben werden, ob, wann und unter welchen Umständen sich die Bild-Text-Beziehungen verändern.

1.1

Bild-Text-Relation

Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive soll an dieser Stelle „unter pragmatischen Gesichtspunkten […] nach den Formen der Bezugnahme, des Zeigens, vom Text zum Bild und vom Bild zum Text gefragt“ (Nöth 2000: 492) werden sowie unter semantischen Gesichtspunkten nach dem Beitrag des Bildes an der Gesamtbotschaft des Buches (vgl. Nöth 2000: 492). Die erste Ausgabe, Richel-1473/74, stellt die Dualität Titulus-Illustration durch das große Format der Holzschnitte, die zusammen mit dem zugehörigen Titulus eine Seite 1

Anaphorisch bedeutet dabei rückverweisend, d.h. dass die anaphorischen Tituli inhaltlich bereits Erzähltes betreffen. Kataphorisch hingegen meint in diesem Kontext, dass der Inhalt der Tituli im Text noch folgt. Vgl. zur Deixis Redder (2000).

336

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

ausfüllen, in den Vordergrund. Die durch Richel verwendeten Holzstöcke wurden speziell für diese Melusine-Ausgabe in Auftrag gegeben und gefertigt. Es treten weder Doppelverwendungen auf, noch werden Holzschnitte aus Fremdkontexten verwendet. Der Druck beinhaltet 67 Tituli und 67 Illustrationen von 67 Holzstöcken. Dieses Primat der Holzschnitt-Titulus-Beziehung wird einerseits deutlich, wenn man die Text-BildRelationen genauer betrachtet, da die Deiktik des Bildes keine einheitliche Richtung aufweist, sondern wechselnd kataphorisch und anaphorisch auf den Text verweist. Andererseits ist der Bezug Titulus-Bild meistens enger als der Bezug Titulus-Text bzw. Text-Bild. Anleihen aus dem Text sowie aus der Ikonographie der Zeit bei der Bildgestaltung sowie die Eigenwertigkeit der Illustrationen als Interpretationsangebot sollen damit nicht in Frage gestellt werden (vgl. Domanski 2010). Im Vordergrund steht der intereditoriale Vergleich der Textkohäsion schaffenden Bezüge zwischen Text, Bild und Titulus, der zeigt, dass bei Richel die Einheit Titulus-Bild in erhöhtem Maße im Vordergrund der Gestaltung der Ausgabe steht. Die Bilderfolge ist bei Richel noch unabhängig vom Text als eigene Geschichte zu lesen, über die der Buchinhalt erschlossen werden kann. Das Primat des Titulus in Verbindung mit einem großformatigen Holzschnitt auf einer Seite als makrostrukturelle Grobgliederung findet sich in dieser Stringenz nur noch in Prüss-1478.2 Auch dort korreliert mit jedem Titulus eine Illustration und beide erscheinen stets auf einer Seite ohne zusätzlichen Text. In den Ausgaben Knoblochtzers wird diese Einheit aufgrund produktionstechnischer Ökonomisierungstendenzen aufgebrochen. In Bezug auf die Text-Bild-Semantik unterscheiden sich die oberrh. Inkunabeln nur marginal.3 „Wie Prüß zeigt auch Knoblochtzer gegenüber Richel einen freien Umgang mit Motivik und Komposition, allerdings lassen sich seine Varianzen nur sehr bedingt als inhaltliche Korrekturen begreifen“ (Hespers 2010: 175). In den oberrh. Inkunabeln erzählt der Illustrationszyklus einerseits also eine in sich schlüssige, nachvollziehbare Geschichte, die im Text eingebettet auf diesen vorund rückverweist. Bei Bämler lassen sich im Gegensatz zu den oberrh. Drucken „bereits sehr früh Ansätze von Rationalisierung beobachten“ (Domanski 2013: 296), die den Illustrationszyklus in seiner Semantik beeinträchtigen. Insgesamt finden sich bei Bämler 72 Illustrationen, die durch 64 Holzstöcke vervielfältigt wurden. Sechs Holzstöcke werden 2 3

Dabei nimmt Prüss häufig große Leerräume auf den einzelnen Seiten in Kauf, da seine Holzstöcke kleineren Formates als die Richels sind. Der Illustrationszyklus weist wie Richels Zyklus 67 Illustrationen von 67 Holzstöcken auf. Die Grundaussage der Holzschnitte wird nicht verändert, jedoch arbeitet Hespers (2010:175) eine Fokussierung auf die Interaktion zwischen den Handlungsträgern in den Holzschnitten heraus. Damit erscheint der Zyklus Knoblochtzers dynamischer als der Richels. Die Text-Bild-Relation wird dadurch dezent unterwandert, da der Illustrationszyklus mehr Eigenleben gewinnt. Aufgrund der sprach- und makrostrukturellen Nähe dieser Ausgabe zu Richel ist es aus sprachwissenschaftlicher Sicht eher unwahrscheinlich, eine zweite Vorlage bzw. Einflüsse aus der Ausgabe Prüss’ zu vermuten, wie dies Hespers (2010:174–175) vorsichtig tut.

Makrostrukturelle Entwicklungen

337

je einmal wiederholt, ein Holzschnitt wird zweimal wiederholt. 56 der Holzstöcke wurden speziell für die Melusine entworfen, der Rest findet sich in anderen vor der Melusine gedruckten Ausgaben Bämlers wieder.4 Vier Holzschnitte korrespondieren nicht mit einem Titulus.5 Überwiegend ist die Einheit von Titulus und direkt folgendem Holzschnitt gewahrt, sie erscheint jedoch verschiedentlich auf der Seite positioniert. Ein stringent durchgehaltenes Layoutideal für die Gestaltung der Seiten mit Holzschnitt besteht im Gegensatz zu Richel-1473/74 und Prüss-1478 nicht, insgesamt zeigt sich für die Titulus-Holzschnitt-Relation ein weniger homogenes Bild. Richel hatte den gesamten Illustrationszyklus speziell für die Melusine schneiden lassen, so dass keine Wiederverwendungen auftreten und speziell für das Format passende Maße der Holzschnitte in Auftrag gegeben werden konnten. Bämler konnte acht Holzstöcke einsparen, indem er bereits aus anderen Drucklegungen vorhandene Stöcke in die Melusine einpasste. Dies führt jedoch zu einer völlig anderen Qualität der Inhaltsvermittlung. Während die Illustrationen in den oberrh. Drucken durchweg spezifische im Text beschriebene Szenen abbildeten und teilweise auch Details darüber hinaus lieferten, die eine „eigenständige Lesart des Romans“ (Domanski 2010: 277) anhand des Bildzyklus zulassen,6 werden in Bämlers Ausgaben häufig allgemeine Szenen gezeigt, durch die der Bildzyklus an Eigenständigkeit einbüßt. Nun stellt sich die Frage, wie Hupfuff, der die Holzschnitte von Prüss mit dem Text von Schönsperger vereinen musste, die Bild-Text-Beziehungen gestaltete. Hierzu bediente sich Hupfuff verschiedener Strategien. Wo nötig, nimmt er es in Kauf, Titulus und Holzschnitt auf zwei verschiedenen Seiten zu setzen.7 Er kürzt Tituli, wo nicht genügend Platz ist, damit er Titulus und Bild auf einer Seite unterbringt.8 Er unterbricht den Fließtext und setzt ihn auf der übernächsten Seite im Satz fort, um dazwischen auf einer Seite Titulus und Holzschnitt setzen zu können. Im Gegensatz zu den Augsburger Inkunabeln bietet Hupfuff mit den Melusine-spezifischen Holzschnitten aus der Offizin des Johann Prüss wieder einen in sich schlüssigen und aussagekräftigen Bildzyklus. Durch Umstellungen von Holzschnitten gelingt es ihm auch den Augsburger Text und die Straßburger Bilder in Einklang zu bringen. Das Zeitalter der opulenten Ausstattung des Melusine-Romans geht damit jedoch langsam zu Ende, da eine stete Formatverkleinerung und Illustrationsreduzierung eintritt.

4

5 6 7 8

Dabei handelt es sich um die „Hystori wie Troya die kostlich stat erstoret ward“ (von Bämler nach dem 24. April 1474 beendet) und den „Alexander“ des Johannes von Quedlinburg (von Bämler am 23. Januar 1473 beendet). Vgl. Hespers (2010:148). Auf Bl. e1a, Bl. i6b und den Übergangen von Bl. d4a zu d4b sowie von Bl. e12a zu e12b. Vgl. zu dieser eigenständigen Lesart Domanski (2010). Insgesamt tritt dies in zehn Fällen auf den Bll. F3b, F5b, G1b, G6b, H6a, L1b, M2a, N1a, N3b und N4b auf. Wenn der Titulus vom Holzschnitt getrennt steht, setzt ihn Hupfuff zentriert in Blocksatz. Dem entgegengesetzt feilt er, wo er dazu Raum hat, Tituli sprachlich aus und erweitert sie.

338

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

Zehn Jahre nachdem Matthias Hupfuff eine neue dritte Textgestalt zusammen mit der Augsburger und Straßburger Tradition des 15. Jhs. geschaffen hatte, verwendet Johann Knobloch Elemente aus allen drei Überlieferungsformen, um seine Melusine-Ausgabe zu kompilieren. Dabei legt er noch größeren Wert auf die Bezüge der Holzschnitte zu Text und Titulus als Hupfuff zuvor. Da die Holzschnitte sehr grob geschnitten und kleinformatig sind, sind sie sicher nicht zur eigenständigen Lesart konzipiert, sondern bedürfen der Ergänzung durch den Texten. Durch die bewusst einheitliche Graphie, Homonymendifferenzierung und die Verwendung der alten, qualitativ eher als minderwertig anzusehenden Holzschnitte der Heidelberger Melusine-Ausgabe Knoblochtzers ist in Knobloch-1516 eine Fokussierung auf die Textgestaltung festzustellen. Dieser Abkehr vom Bild tritt Steiner mit qualitativ hochwertigen, erstmals wieder neu angefertigten Illustrationen und typographisch ausgefeilter Textgestaltung entgegen. 57 Holzschnitte werden direkt nach Bämler-1474 nachgeschnitten, auch diejenigen, die ikonographisch unpassend sind. Hespers beschreibt das Bild-Text-Verhältnis bei Steiner wie folgt: „Die ikonographische Kongruenz von Holzschnitten und Text scheint bei der illustrativen Ausstattung nicht vordergründig gewesen zu sein und es darf angenommen werden, dass die Visualisierung inhaltlicher Rahmenparameter vollkommen ausreichend war, womit der Reißer Steiners in der Tradition Bämlers steht“ (Hespers 2010: 193).

Ab diesem Zeitpunkt wird die Gesamtaussage des Textes immer weniger durch die Bilder mitgetragen, da die Text-Bild-Beziehungen in den Frankfurter Gülfferich-HanDrucken durch den Mangel an Melusine-spezifischen Holzstöcken zur Illustration des Werkes sowie deren Reduzierung gekennzeichnet sind. Gülfferichs erster Druck weist im Vergleich mit Steiners 67 Illustrationen lediglich 38 Illustrationen (von 25 Holzstöcken) auf. Die Motive der Holzstöcke stellen durchweg universal verwendbare Standardthemen wie ›Vermählung‹, ›Turnier‹, ›Festmahl‹ oder ›Überbringung einer Botschaft durch einen Boten‹ dar, wobei die dargestellten Personen die typischen Merkmale der Protagonisten des Werkes vermissen lassen. Die Frankfurter Prosaromanspezialisten Gülfferich-Han bedienen sich eines Fundus an Holzschnitten, die in den thematisch häufig ähnlichen Prosaromanen mehrfach verwendet werden können. „Die eigenständige Wirkung der Bildsprache ist [im 16. Jh. …] verringert“ (Feraudi-Denier 2013: 285). In Feyerabend-1587 letztlich hat sich „der Stellenwert der Illustrationen […] gewandelt. Die Bilder agieren in einer anderen, neuen Funktion: Sie sind weniger Verständnishilfe zum Text […] als Buchschmuck“ (Feraudi-Denier 2013: 286). Im 17. Jh. setzen die beiden letzten Ausgaben des Korpus überwiegend unillustrierte Tituli und Holzstöcke aus Fremdkontexten.9 In der Überlieferungsgruppe um Pfeiffer wird der Bezug zwischen Bild und Text stark geschwächt. Im Gegenzug oder als Folge 9

Ohne Ort-1692 setzt 42 von 76 Tituli ohne Holzschnitt, Nicolai-1692/93 43 von 76 Tituli.

Makrostrukturelle Entwicklungen

339

der fehlenden finanziellen Mittel zur Ausstattung mit qualitativ und quantitativ passenden Holzschnitten wurde der ›Textkitt‹ gestärkt. Illustrationen bleiben zwar bis weit ins 19. Jh. konstitutiv für Druckausgaben der Melusine, doch ihre Zahl nimmt stetig ab. Auch diese Entwicklung untermauert, dass die ehemaligen Tituli nicht mehr als Gegenpart zu den Bildern bewertet wurden, sondern als Bestandteil des Textes. Es kann anhand der Melusine-Überlieferung beobachtet werden, dass immer dann, wenn die Illustrationen keine eigene Geschichte erzählen bzw. weniger qualitätvoll und inhaltlich zum Text passend sind, der Text in den Fokus rückt. Dies trifft auf die Augsburger Inkunabeln, auf Knobloch-1516, auf die Gülfferich-Han-Drucke sowie die Ausgaben des 17. Jhs. zu. Generell treten die Bildzyklen als eigenständige Kanäle der Informationsübermittlung bereits früh in der Überlieferung zurück und werden zu textergänzendem, häufig allgemeine Szenen darstellendem Beiwerk. Am Ende des Korpus besteht durch die Holzschnitte aus Fremdkontext nur noch ein vager Bezug zwischen Bild und Text. Die Notwendigkeit der Illustration dieses Romans blieb jedoch im gesamten Zeitraum bestehen. So wurde im 17. Jh. bei Fehlen der Mittel für die Anfertigung spezifischer Holzstöcke sogar auf mehr oder weniger passende Holzstöcke aus Fremdkontext zurückgegriffen. In direktem Zusammenhang mit den Illustrationen steht die Entwicklung der Tituli zu Kapitelüberschriften.

1.2

Kapitelüberschriften

Die Tituli haben im gesamten Zeitraum des Korpus die typische grammatische Form eines durch die Subjunktion ›wie‹ eingeleiteten Modalsatzes, wobei der Hauptsatz fehlt und sich als ›Das Bild stellt dar, wie...‹ bzw. bei Kapitelüberschriften als ›Der folgende Text erzählt davon, wie...‹ hinzudenken ließe. In Richels Ausgabe weichen z. B. unter 67 nur drei Tituli von diesem Schema ab. In Richel-1473/74 stehen die Tituli, wie oben beschrieben, noch deutlich in der Tradition der Bildbeischriften. Doch bereits in den Ausgaben Knoblochtzers beginnt die Separation der Textelemente Bild und Titulus. Dies ist in Zusammenhang mit der Entwicklung der Kapitelüberschriften wichtig, denn durch die räumliche Trennung der Elemente Titulus und Bild, die primär noch aufeinander bezogen sind, wird die Emanzipierung des Titulus vom Bild begünstigt. Durch die Entfernung zum Bild ist eine Disposition der makrostrukturellen Elemente gegeben, die es Textbearbeitern ermöglicht, die Phorik der Tituli stärker auf den folgenden Text auszurichten. Den Augsburger Inkunabeln ist im Gegensatz zu den oberrh. Ausgaben gemein, dass Tituli auch ohne Holzschnitt erscheinen können. In den Offizinen, die für ihre Prosaromane nicht für jeden Text speziell alle Holzschnitte anfertigen ließen, sondern in gewissem Maße aus ihrem bereits bestehenden Bestand an Holzstöcken schöpften, wurde mit der Makrostruktur der Vorlagen freier umgegangen. Die Augsburger Prosaromanspezialisten leiten durch die Formulierung eigenständiger, von den Bildern abgekop-

340

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

pelter Überschriften die Entwicklung der Tituli zu Kapitelüberschriften in diesem Textexemplar der Textsorte Frnhd. Prosaroman ein. Trotz dieser Beobachtungen kann allerdings noch nicht von einer durchweg kataphorischen Verweisrichtung der Titulus-Holzschnitt-Einheiten auf die folgende Textpassage gesprochen werden.10 Von der heutigen Funktion und Form einer Kapitelüberschrift sind die Tituli der Melusine-Drucke bis 1516 noch weit entfernt, was wohl ihrer Herkunft aus der Handschriftentradition und der folgenden relativ starren Überlieferung des Textes geschuldet ist. Sicher hatten sie dabei nicht mehr die Funktion von Bildbeischriften im Sinne einer Anleitung an den Reißer, sehr wohl scheinen allerdings die Tituli der handschriftlichen Vorlagen teilweise diese Funktion eingenommen zu haben. Selbst bis gegen Ende des 16. Jhs. weist die textgliedernde Funktion der Tituli keine klare phorische Beziehung zum Text auf. In den Ausgaben der Offizin Christian Egenolffs Erben werden die phorischen Bezüge zwischen Titulus und Text in Egenolff1578 jedoch derartig umgedeutet, dass die ehemaligen Bildbeischriften erstmals durchgehend kataphorische Verweisrichtung in Bezug auf den Text haben. Sie nehmen den Charakter von Kapitelüberschriften an. Zuvor stehen sie in einem Mischverhältnis zur Illustration und dem Text, wobei sie anaphorisch und kataphorisch auf den Fließtext verweisen können. Ihre Bindung an das Bild, die aus der Verwurzelung der Tituli in der Handschriftentradition, in der sie häufig als Bildbeischriften mit Anweisungscharakter für die Ausführung der Federzeichnung dienen konnten, lockert sich im Lauf der Überlieferung. In einem Schritt der Reanalyse und Umfunktionierung werden sie primär auf den Text bezogen. Im 17. Jh. begegnet mit Pfeiffer-1649 eine neue Textgestalt, die sich durch Straffung der Textkohärenz auf makrostruktureller Ebene auszeichnet. Von den vier überlieferten Ausgaben des 17. Jhs. hat lediglich Endter-1672 nur 64 Tituli, die anderen drei Ausgaben setzen 76 Tituli. Die neugestalteten Tituli sind dabei stets Summarien des Textes mit kataphorischer Verweisrichtung. Die alten Tituli werden, wenn nötig, im Text versetzt, um ihnen die Funktion von Kapitelüberschriften zuzuweisen.

10

Drittenbass bekräftigt in ihrer Untersuchung des Drucks Richel-1473/74, „dass die Tituli in der Melusine keinesfalls Kapitelüberschriften sein können. Vielmehr greifen sie gewisse Aspekte des Romans heraus, die entweder auf den Illustrationen ins Bild gesetzt werden oder welche die Bilder um Informationen ergänzen. Damit übernehmen sie eine Vermittlerrolle zwischen Text und Bild. Dass sich umgekehrt die Holzschnitte bei der Bildkomposition nicht ausschliesslich an den Tituli orientieren, sondern detailreich auf den Romantext Bezug nehmen, konnte ebenfalls nachgewiesen werden.“ Drittenbass (2011: 318).

Mikrostrukturelle Entwicklungen

2.

Mikrostrukturelle Entwicklungen

2.1

Interpunktion

341

Auf mikrostruktureller Textebene stellt sich die Frage, ob ein höherer Grad der Verschriftlichung des Textes, d. h. eine Verschiebung vom Nähe- zum Distanzpol, eintritt.11 Bleiben die Kohäsionsmerkmale der Wiederaufnahme und parataktischen Verknüpfung konstant? Wird zunehmend pronominalisiert und Rekurrenz vermieden? Wird durch Substitution das Stilideal der variatio angestrebt? Mit der Verschriftung der Melusine-Erzählung wurde die mediale Überführung des vermutlich oralen Erzählstoffes in die Schriftlichkeit, lange bevor der Text durch Thüring von Ringoltingen 1456 ins Deutsche übertragen wurde, geleistet.12 Bei der Aufzeichnung verändert sich sodann neben der medialen Komponente auch das konzeptionelle Profil der Diskurstradition, die durch „schriftgestützte Elaborierung“ (Koch/Oesterreicher 1994: 593) an sprechsprachlicher Dynamik verliert. Die zentrale Hypothese dieses Abschnittes nimmt den Wandel des konzeptionellen Profils der Drucküberlieferung der Melusine von 1473/74–1692/93 auf textueller Ebene in den Fokus.13 Als konzeptionell schriftlich gilt einerseits das Betreiben „einer planungsintensiven Textphorik“, sowie „erhebliche Variation bei der Substitution koreferenter Ausdrücke“ (Koch/Oesterreicher 1994: 590). Begibt man sich von der Ebene der Graphie über die Ebene der Syntax auf die Ebene des Textes, so können die Syngrapheme als Schaltstelle zwischen Wort, Satz und Text gelten. Die in den Vorkapiteln dargestellte Autonomisierungstendenz der Schriftsprache lässt sich auch hier beobachten. Auch in der Interpunktion ist eine klare Entwicklung nachvollziehbar, die auf eine Emanzipation der Schriftsprache von der gesprochenen Sprache hinweist. Gleichzeitig zielen die Neuerungen in der Interpunktion darauf ab, die Drucktexte leserfreundlicher zu gestalten. Voeste beobachtet anhand einer Auswahl von Melusine-Drucken aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs. einen „verstärkte[n] Einsatz von Interpunktionsmitteln zur Markierung von Satzgrenzen (z. B. durch Fragezeichen, Punkt und Doppelpunkt)“ (Voeste 2013: 147). Für das gesamte Untersuchungskorpus gilt, dass zunächst auf quantitativer Ebene die Interpunktionsmittel zunehmen. Während in der Inkunabelzeit mit Richel-1473/74, Knoblochtzer-1482 und Schönsperger-1488 11

12 13

Koch/Oesterreicher (1994:587) definieren Verschriftlichung als „rein konzeptionelle Verschiebungen in Richtung Schriftlichkeit“, die im Gegensatz zum Terminus Verschriftung steht, der sich auf die „rein mediale Umsetzung vom phonischen ins graphische Medium“ bezieht. Zur Definition konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit bzw. des Nähe- und Distanzpols vgl. Koch/ Oesterreicher (1994:587–588). Zu Würdigung und Kritik des Koch/Oesterreicherʼschen Nähe-Distanz-Modells vgl. Ágel/Hennig (2006:11–15). Die durch Ágel/Hennig (2006:15) aufgestellten Bedingungen zur Charakterisierung mündlicher kommunikativer Praktiken treffen für den gedruckten deutschsprachigen Melusine-Roman nicht zu. Zur konzeptionellen Dynamik von Diskurstraditionen vgl. Koch/Oesterreicher (1994:593–594).

342

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

einige Ausgaben mit lediglich zwei Interpunktionszeichen auskommen, bringt bereits Bämler das Zeichen ¶ zur Textgliederung ein. Es wird verwendet, um durch typographisches interpungierendes Material eine stärkere Strukturierung des Textes zu erzielen. In textgliedernder Funktion verwendet Bämler in 18 Fällen im Fließtext das Rubrumzeichen ¶, um einen neuen inhaltlichen Sinnabschnitt anzuzeigen.14 Während die oberrh. Ausgaben, insbesondere Richel-1473/74, den Text in seiner räumlichen Ausprägung kaum unterbrechen und damit dem zeitlich ausgeprägten sprechsprachlichen Kontinuum gleichstellen, nehmen die Augsburger Inkunabeln durch Interpunktionsmittel eine stärkere Strukturierung des Textes vor. Eine räumliche Untergliederung durch Absatzeinzüge und Leerzeilen findet jedoch noch nicht statt. Der Text ist bis weit ins 16. Jh. fast wie eine Nachahmung der gesprochenen Sprache im Blocksatz gesetzt. Messerschmidt-1539 verwendet neben Bämler als einziger Rubrumzeichen zur semantisch-optischen Gliederung des Textes. Erst ab Han-1562 werden Absätze zur Textstrukturierung eingesetzt.15 Ab den Steiner-Ausgaben tritt eine stärkere Differenzierung der Syngrapheme ein, da eine Vorform des Fragezeichens zur Markierung einer bestimmten Art Sprechakt eingesetzt wird. Ab Rebart/Han-1571 wird der Doppelpunkt zum festen Bestandteil des Inventars der Syngrapheme. Erst ab Endter-1672 begegnet das Ausrufezeichen. Markierung direkter Rede durch Interpunktionsmittel erfolgt innerhalb der Ausgaben des Korpus nicht. Bereits diese quantitativen Beobachtungen verdeutlichen, dass das System der Syngrapheme ausdifferenziert wurde, um die Texte leserfreundlicher gestalten zu können. Ab wann aber wurden diese Mittel zunehmend einheitlich syntaktischgrammatisch angewandt? Die qualitative Untersuchung der Interpunktion hat ergeben, dass in den oberrh. Ausgaben – und hier insbesondere bei Richel – die Satzzeichen noch keine klare Abbildung syntaktischer Realisationen liefern, sondern eher noch in Zusammenhang mit dem Vorlesen der Texte stehen. Der Beweis hierfür ist allerdings schwer zu führen.16 Allerdings muss konstatiert werden, dass eine klare einheitliche syntaktisch-grammatische Funktion der Syngrapheme weit bis ins 16. Jh. nicht realisiert wird. Voeste zeigt auf, dass in Han-1564 und Feyerabend-1587 „die einheitliche Verwendung der Grenzsignale als auch die umfassendere Abgrenzung von Satzeinheiten in Satzverbindungen und Satzgefügen“ (Voeste 2013: 158) im Gegensatz zu Gülfferich-1549, Müller-1577 und Egenolff-1580 geleistet wird (vgl. Voeste 2013: 155–158). Erst in den späteren Ausgaben der Frankfurter Gülfferich-Han-Dynastie ist eine stärkere syntak14

15 16

Im Darmstädter Exemplar von Richels Druck finden sich zwar durch einen Rubrikator hinzugefügte textgliedernde Syngrapheme, aber beim Satz des Druckes wurde noch wenig Augenmerk auf die funktionelle Verwendung der Typographie zur Textgliederung gelegt. Vgl. zu den typographischen Innovationen der Frankfurter Melusine-Drucker Rautenberg (2010b). Der Übergang von einem rhetorisch-prosodischen zu einem syntaktisch-grammatischen System soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Vgl. dazu Besch (1981), Günther (2000).

Mikrostrukturelle Entwicklungen

343

tisch-grammatische Orientierung der Zeichensetzung zu beobachten. Dies geht einher mit den Ergebnissen zur Homonymendifferenzierung. Auch dort konnte beobachtet werden, dass innerhalb der Frankfurter Überlieferung zunehmend auf die grammatischen Systemzusammenhänge geachtet wurde bzw. dass die Setzer vermehrt grammatische Regelungen der deutschen Sprache anwandten. Somit liegt auch hier ein weiterer Beweis vor, dass im 16. Jh. „eine selbstbewusste Ablösung von der Skriptographie und somit auch von der lateinischen Tradition erfolgte“ (Voeste 2013: 145). In den Ausgaben aus der zweiten Hälfte des 17. Jhs. ist bereits wieder eine sprunghafte Entwicklung hin zu neuhochdeutschen Standards zu beobachten. Der gegen Ende des 16. Jhs. in den Han-Ausgaben begangene Pfad wird fortgesetzt und ausgebaut.

2.2

Textpassageneinleitung

Ein weiterer Aspekt, der Indizien für eine Loslösung der Schriftlichkeit von der Mündlichkeit liefern kann, ist das narrative Vertextungsmuster und dessen Umsetzung.17 Die Verknüpfung der Erzählstränge und die Wiederaufnahme einmal eingeführter Aktanten sind hierzu zuverlässige Gradmesser, da sie sich in gesprochener Sprache und Schriftlichkeit stark unterscheiden. Zunächst steht die Art der Wiederaufnahme des Erzählstrangs nach Unterbrechung durch den Titulus im Fokus. Auch hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied der beiden Überlieferungsstränge der Inkunabelzeit. In beiden Texten treten in den untersuchten Textausschnitten 20 Textpassageneinleitungen auf. In beiden Textvarianten wird in sieben Fällen der Textanschluss ohne konjunktionale Verknüpfung aufgenommen. Die häufigste Variante zur Überleitung ist temporales do bzw. do […] nun, das bei Richel als Subjunktion oder Konjunktionaladverb zu Beginn der Textpassagen in neun, bei Bämler in zehn Fällen Verwendung findet. Diese treten in beiden Textfassungen nicht immer an gleicher Stelle auf, stellen jedoch quantitativ die gängigste Form der Textpassageneinleitung dar. Bei Richel erscheint neben diesen Regelfällen an drei Stellen die Konjunktion ›und‹ als Überleitung, wobei es sich lediglich um die Fortsetzung einer durch Titulus und Holzschnitt unterbrochenen Satzreihe handelt. Dies erscheint in allen Ausgaben der oberrh. Inkunabelüberlieferung, lediglich Knoblochtzer-1491 nimmt an zwei der drei Stellen Veränderungen vor. Die Umformulierungen durch Knoblochtzer markieren formal und semantisch den Neubeginn der Textpassage und stellen Titulus und Holzschnitt in Bezug zu diesen, statt sie als satzunterbrechende Elemente zu markieren. Knoblochtzer erzielt durch seine Eingriffe an diesen Stellen eine deutliche Verbesserung der Textkohäsion. Es zeigt sich auch hier, dass in einer Ausgabe, deren Bildmaterial geringe Qualität aufweist, bewusst am Text gearbeitet wird. 17

Vgl. zum Vertextungsmuster Narration Gülich/Hausendorf (2000).

344

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

In den beiden Bämler-Ausgaben erscheint neben der typischen Überleitung durch do an einer Stelle semantisch äquivalent ›als nun‹ als Subjunktion und ›also‹. Diese formale Varianz ändert jedoch nichts daran, dass überwiegend versucht wird, im Sinne eines chronologisierenden Vernetzungsmusters, das für narrative Texte typisch ist, temporale Beziehungen auszudrücken. Johann Schönsperger d. Ä. verstärkt diese Tendenz, indem er an drei Stellen, die bei Bämler keine adverbielle oder konjuktionale Verknüpfung aufweisen, das Temporaladverb ›nun‹ einfügt. Bämlers Varianten ›als‹ und ›also‹ tilgt Schönsperger. Dennoch zeigt sich bei ihm durch die Verwendung des Adverbs ›nun‹ das bewusste Bestreben nach variato, auch wenn sich am semantischen Konzept der Verknüpfung nichts ändert. In Hupfuff-1506 und Knobloch-1516 wird nichts Grundlegendes an Schönspergers Konzept verändert, so dass die Art der Textpassageneinleitung am Ende des Untersuchungszeitraums I auf die durch variatio und Verstärkung des chronologisierend-temporalen Vernetzungsmuster charakterisierte Bearbeitung dieser Textstellen in der Ausgabe Schönsperger-1488 zurückgeht. In den Steiner-Ausgaben und den auf diese zurückgehenden Ausgaben von Müller und Egenolff wird das narrative, chronologisch-temporale Vertextungsmuster aus der Inkunabelzeit nicht verändert. Anders verhält es sich mit den Textpassageneinleitungen bei der Übernahme der Texttradition Steiners durch Hermann Gülfferich in Frankfurt/a.M. Das häufige, formal monotone da (nun) wird an fünf Stellen verändert: Da nun > Als nun (2), Da nun > Wie nun (2), Da hůbe ſy an […] > Sy hůb an […]18 Hierbei handelt es sich um vier Belege der temporalen Subjunktion da, die durch die temporalen Subjunktionen als und wie ersetzt werden. Eine semantische Veränderung ist dabei nicht feststellbar, das Motiv des Druckers liegt im rhetorischen Ideal der variatio. Eine Veränderung des Verknüpfungsmusters erscheint bei Gülfferich allerdings auch, als er an einer Stelle durch die Kürzung des Konjunktionaladverbs da auf explizite junktionale Verknüpfung verzichtet.19 An einer weiteren Stelle verfährt Gülfferich nach dem gleichen Muster, indem er das temporale Adverb nun auslässt und das Vorfeld mit es besetzt.20 Das lokaldeiktische Adverb ›hier‹, das in den Vorgängerausgaben einmal verwendet wird und 18

19 20

Steiner-1543: (D)A nun der Künig an die Fürſtin gnad het ge=ſucht / […] > Gülfferich-1549: (A)LS nun der Koͤ nig an die Fuͤ rſtin gnad hett ge=ſucht / […]; Steiner-1543: (D)A nun das alles geſchach / […] > Gülfferich-1549: (A)LS nun das alles geſchach / […]; Steiner-1543: (D)A nun der Künig von Elſaß die bɾieff auffthet […] > Gülfferich-1549: (W) Je nun der Koͤ nig von Elſaß die Brieff auff=thet […]; Steiner-1543: (D)A nun Goffroy ſeinen zoɾn verɾicht / vnd ſeinen boͤ ſen willen verbɾacht het […] > Gülfferich-1549: (W) Je nun Goffroy ſeinen zorn verricht / vnd ſeinē boͤ ſen willen verbracht het […]. Steiner-1543: (D)A hůbe ſy gar erbaͤ rmklich an […] > Gülfferich-1549: (S)Je hub gar erbaͤ rmlich an / […]. Steiner-1543: (N)Vn ruͤ ffet der Künig bald Reynharten von Luſinien […] > Gülfferich-1549: (E) S ruͤ fft der Koͤ nig bald Reynharten von Luſi= nien / […].

Mikrostrukturelle Entwicklungen

345

auch temporalen Nebensinn trägt (=hier an dieser Stelle in der Erzählchronologie), wird bei Gülfferich durch das kausal-deiktische ›also‹ ersetzt. Die unmittelbare Teilnahme und Einbeziehung des Lesers am Geschehen durch ›hier‹, die gleichzeitig wenig Rückbezug auf den vorhergehenden Text vermittelt, wird durch die phorisch-deiktische, kausale Verknüpfung mit ›also‹ aufgehoben.21 Für die restliche Frankfurter Überlieferung sind die Veränderungen Gülfferichs im Kontrast zu Steiners Text maßgebend. Bei den vier Ausgaben des 17. Jhs. muss zwischen Endter-1672, der im Textaufbau auf der Frankfurter Texttradition basiert, und den restlichen drei Ausgaben, die die Textstrukturierung neu gestalten, differenziert werden. Endter-1672 weicht lediglich an zwei Textpassageneinleitungen von den Frankfurter Ausgaben seit Han-1562 ab. Dabei werden die Adverbien ›nun‹ und ›da‹ mit chronologisierend-temporaler Bedeutung entfernt. Auf adverbielle oder konjunktionale phorisch-deiktische Verweise wird an diesen beiden Stellen verzichtet. Diese Tendenz zeigt sich auch in Pfeiffer-1649, ohne Ort-1692 und Nicolai-1692/93. In zwölf Fällen wird zu Beginn einer Textpassage nach einem Titulus auf konjunktionale oder adverbielle Bezugnahme auf den Erzählkontext verzichtet. Die hohe Anzahl und der Verzicht auf eine explizite Anbindung an den Vortext machen deutlich, dass in diesen Ausgaben das Kapitel als eigenständiger Teiltext zunehmend etabliert ist. Im Bereich der Textpassageneinleitungen, die zur Textgliederung nicht nur aufgrund grammatisch-funktionaler phorisch-deiktischer Bezüge zu den vorhergehenden Textbausteinen wichtig, sondern auch durch ihre Darstellung mit Initialen im Bereich der visuellen Textgliederung von Bedeutung sind, begegnet erstmals bei Schönsperger der Wille zur Variation des temporal-chronologisierenden Grundmusters der Verknüpfung. Diese Variation der formalen Mittel zum Ausdruck des narrativen Verknüpfungsmusters wird bei Gülfferich verstärkt, wobei seitdem auch eine im 17. Jh. voranschreitende Tendenz zur Entfernung adverbieller und konjunktionaler temporaler (Rück-)Bezüge auf Tituli und somit zur Stärkung des eigenständigen Kapitels zu beobachten ist. Auch die Einfügung neuer Tituli in den Ausgaben des 17. Jhs. weist darauf hin, dass die Kapitel zunehmend als eigenständige Subtexte des Gesamttextes etabliert wurden.

2.3

Transsyntaktische Verknüpfung durch koordinierendes ›und‹

Quantitativ ist die koordinative Konjunktion ›und‹22 innerhalb der gesamten Textüberlieferung der Melusine das mit Abstand am häufigsten verwendete Lexem, das in allen 21 22

Steiner-1543: (H)Je kompt jm ain bott mit aim bɾieff von ſeinē vatter […] > Gülfferich-1549: (A) Lſo kam jm ein bott mit eim brieff von ſeinem Vater […]. Für diesen Konnektor wird wie im Handbuch der deutschen Konnektoren (2003) eine Zweistelligkeit der Relation angenommen. Vgl. zur Diskussion Mehrstelligkeit – Zweistelligkeit von ›und‹ HdK (2003:3). Zu koordinativer Verknüpfung vergleiche Fabricius-Hansen (2000: 333–335).

346

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

Ausgaben als einziges stets über 1000 Belege aufweist. An zweiter Stelle folgen Formen des bestimmten Artikels mit etwa 300–350 Belegen. Da bereits in früheren Untersuchungen zum Prosastil der Melusine (vgl. Roloff 1970) auf die überwiegend parataktische Satzkonstruktion hingewiesen wurde, wurden im Bereich der Konnektoren die Wandelvorgängen innerhalb des Verwendungsbereiches des koordinativen additiven Konjunktors ›und‹ untersucht. Als wesentliches Ergebnis des Textvergleichs kann hier bereits darauf verwiesen werden, dass die Koordination durch ›und‹ innerhalb des Untersuchungszeitraums nur wenigen Veränderungen unterliegt und somit als Textsortenspezifikum gewertet werden kann. Der Vergleich der Augsburger und der oberrh. Texttradition anhand der Ausgaben Richel-1473/74 und Bämler-1474 in der Inkunabelzeit ergibt lediglich Abweichungen, die den Verzicht auf den Konnektor ›und‹ in Bämlers Text belegen. In elf Fällen wird er ausgelassen, in vier Fällen fehlt er aufgrund von Textdifferenzen zwischen den beiden Textausformungen und an 20 Stellen wird die Relation zwischen den Teilsätzen durch andere sprachliche Mittel zum Ausdruck gebracht.23 Wie bereits deutlich wurde, liegt eine weitere Schnittstelle innerhalb der Textüberlieferung bei der Übernahme des Augsburger Textes durch den Straßburger Drucker Matthias Hupfuff, was sich auch in der Verwendung der Konjunktion ›und‹ widerspiegelt. Im Vergleich zum Text Schönspergers wählt Hupfuff in 22 Fällen Asyndese und verkürzt in elf Fällen die Satzreihen, indem er die Hauptsätze voneinander abtrennt. In jeweils zwei Fällen setzt Hupfuff statt ›und‹ das Konjunktionaladverb ›da‹, ›auch‹, ›so‹ sowie ›nun‹. Jeweils einmal wird durch ›darum‹, wann im Sinne von nhd. ›denn‹ und ›oder‹ ersetzt. In Hinblick auf die Frequenz der Konjunktion ›und‹ innerhalb der untersuchten Textausschnitte handelt es sich allerdings nur um eine geringe Reduktion der parataktischen Verknüpfung mit ›und‹. Variable Verknüpfungsmittel kommen nur spärlich zum Einsatz.24 Im zweiten Überlieferungszeitraum ist im Bereich der transsyntaktischen Verknüpfung durch ›und‹ zwischen Knobloch, Steiner und den Gülfferich-Han-Ausgaben nur in wenigen, vernachlässigbaren Einzelfällen eine Differenz zu konstatieren. Im Text der Sondergruppe Müller-Egenolff wird eine klare Strategie verfolgt, da in 47 Satzreihen die Konjunktion ›und‹ ausgelassen wird, ohne dass formal an der Satzkonstruktion et23

24

Dabei wird jeweils dreimal das Relativpronomen ›der‹/›die‹, ›auch‹ und ›wann‹ in der Bedeutung von nhd. ›denn‹ verwendet, jeweils zweimal ›oder‹ und das Konjunktionaladverb ›da‹. Die Einzelfälle umfassen die Belege vnd nit > noch, vnd > Auch ſo, vnd > Darumb, Syt dem mol vnd > Wann, vnd > Aber, vnd > darzů auch. Vgl. hierzu Habermann (2007b), die für gedruckte Gebrauchstexte der Inkunabelzeit nachweist, dass deren Syntax bevorzugt parataktisch unter Ermangelung klar logisch-grammatischer Anordnung der Informationen strukturiert ist. Verantwortlich dafür macht sie die „starke Situationsgebundenheit“ an die konkrete, sprechsprachliche Unterweisungsfunktion zwischen Schüler und Lehrer, die in den untersuchten Gebrauchstexten (1475–1500) zu „einer aus dem Situationskontext pragmatisch indizierten Syntax“ (264) führen.

Mikrostrukturelle Entwicklungen

347

was verändert wurde. Die Zunahme der asyndetischen Verknüpfung spricht für eine Verschiebung der Konzeptionalität des Textes zum Distanzpol. Sonstige Differenzen durch Lexemersatz treten in diesem Zeitraum nicht auf. Für die Ausgaben des 17. Jhs. ist es konstitutiv, dass in Satzreihen, die nach dem Muster „X tat Y und Z und […]“ aus mehreren Teilsätzen bestehen, zu „X tat Y, Z und […]“ vereinfacht wird. Also tritt hier wie in der Sondergruppe Müller-Egenolff das Merkmal der Asyndese als Charakteristikum der geschriebenen Sprache weiter in den Vordergrund. Derartige Entwicklungen im Sektor der Textkohäsion können parallel zur Ausbreitung von nicht phonologisch motivierten Graphievarianten als Gradmesser für die zunehmende Autonomie der Schriftsprache gewertet werden. Als weiteres Anzeichen dafür kann die Erweiterung des Spektrums der parataktischen Verknüpfung eingeordnet werden. So zeigt Pfeiffer-1649 im Vergleich mit Han-1562 statt vnd die Konjunktionaladverbien derhalben (2), demnach, das Präpositionaladverb darvmb (4) und die pronominale Genitivform deſſen. An den Nahtstellen in der Überlieferung, die für bewussten Umgang mit den Textvorlagen stehen, ist damit einerseits die Reduktion des Gesamtaufkommens der Konjunktion ›und‹ als Folge einer konzeptionellen Verschiebung zum Distanzpol zu konstatieren, andererseits spiegelt sich auch in geringem Maße die Entwicklung neuer Möglichkeiten zur differenzierteren Bezeichnung der Beziehung zwischen koordinierten Konnekten. Für die Form des Textes der Melusine, wie sie von 1473/74 bis 1692/93 überliefert ist, bleibt die Parataxe mit Koordination durch ›und‹ der Regelfall und konstituiert diesen Vertreter der Textsorte Frnhd. Prosaroman.

2.4

Sprachliche Gestaltung referenzidentischer Satzglieder

Bei Referenzidentität innerhalb der untersuchten Textausschnitte wurde die Wiederaufnahme eines einmal eingeführten Inhaltswortes bzw. Textelements und dessen Wandel im Fortlauf der Drucküberlieferung der Melusine untersucht.25 Die Ausgangshypothese war, dass zunächst ein hoher Grad an Rekurrenz26 vorherrsche, der allmählich durch Pronominalisierung abgebaut werde. Dazu wurden alle im Text auftretenden

25

26

In der Duden-Grammatik werden Rekurrenz und Substitution als Merkmale der Kohärenz eines Textes (§ 1900–1901), Pronominalisierung als Kohäsionsmittel (§ 1818–1831) behandelt. Der Einfachheit halber folgt die Darstellung hier der Anschauung der Zusammenfassung dieser Bereiche der Textlinguistik unter dem Überbegriff der Kohäsion, wie dies in Averintseva-Klisch (2013:7– 17) der Fall ist. Gansel/Jürgens (2008:60) betonen, dass Kohäsion „die Beziehungen zwischen Oberflächenelmenten“ signalisiert, während Kohärenz „auf die Textwelt Bezug“ nimmt. „Mit Rekurrenz ist […] das Phänomen der Wiederholung, des Rückverweisens bzw. des Ersetzens gemeint.“ Linke/Nussbaumer (2000: 305).

348

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

Verbergänzungen, beginnend bei ihrer Erstnennung im Textausschnitt 1, annotiert und ausgewertet.27 Im Straßburger Überlieferungsstrang treten in diesem Untersuchungsbereich keine gravierenden Eingriffe auf. In der Augsburger Inkunabelüberlieferung der Melusine hat bereits die bisherige textlinguistische Untersuchung ergeben, dass die Ausgabe Schönsperger-1488 von Bämlers Ausgaben abhängt, aber auch abweicht. Schönsperger erhöht an vier Stellen die Dichte der Kohäsion, indem er Pronomina einfügt, wo sie formal und semantisch nicht notwendig wären. So wird der Inhalt (R) Ey̋ mundē v͡ n Meluſina ſeinē gemahel bei Schönsperger durch das Pronomen den aufgenommen, bei Bämler nicht: (R) Ey̋ munden vn̄ ſeinem gemahel Me=luſina (den) kamen bottſchafft. Ebenso wurden in Schönspergers Druck in Teilsätzen komplexer Sätze Pronomina in Subjektfunktion eingefügt, die bereits zuvor realisiert sind und nicht mehr explizit genannt werden müssten. Dies spricht für einen zunehmenden Grad der Aggregation, was einer Bewegung vom Distanzpol zum Nähepol der Kommunikation entspricht.28 Derartige Konstruktionen weisen Ágel/Hennig in ihrer auf dem Nähe-Distanz-Modell von Koch/ Oesterreicher basierenden Weiterentwicklung der Theorie des Nähe- und Distanzsprechens auf den Ebenen der universalen Diskursverfahren und -merkmale für den Zeitparameter als aggregative Strukturierung bzw. aggregative Satzstrukturen dem Nähesprechen zu (vgl. Ágel/Hennig 2006: 18–23). Andererseits nimmt Schönsperger auch gegenteilige Veränderungen vor, indem er Proformen entfernt, wo sie nicht zwingend notwendig sind. Abgesehen von diesen Veränderungen wird lediglich an einer Stelle statt Rekurrenz Pronominalisierung verwendet. Bei der Textbearbeitung Matthias Hupfuffs wird neben der bei Schönsperger bereits angedeuteten Tendenz, Formen des bestimmten Artikels als Proformen einzuschieben, erstmals auch bewusste Pronominalisierung in größerem Maße erkennbar. Sowohl bei der Auslassung der Nominalphrase der Tűrckiſch key̋ ſer (f5b), die bereits zuvor erschien und an zweiter Stelle nicht mehr nötig ist, als auch bei der Substitution der Nominalphrase die heiden vn̄ die tűrck=en (f6a) durch die vnglaͤ ubigē (G1b) wird darüber hinaus ebenso Rekurrenz vermieden. Lediglich an einer Stelle setzt Hupfuff statt einer Proform eine rekurrierende Nominalphrase (der > der egenant künig von Elſaß). 27

28

Vgl. zum Annotationsschema Kapitel II.6.6. Aufgrund des Arbeitsaufwandes bei der Annotation und Auswertung wurde auf Basis der Vorlagentreue eine Vorauswahl von Ausgaben getroffen, bei denen Wandel zu erwarten war. Untersucht wurden die Ausgaben Richel-1473/74, Bämler-1474, Knoblochtzer-1478, Schönsperger-1488, Hupfuff-1506, Steiner-1543, Han-1562, Egenolff-1580, Feyerabend-1587, Pfeiffer-1649 und Endter-1672. Zum Terminus Aggregation vgl. Ágel/Hennig (2006:26–30) sowie Ágel (2007). In Ágel/Hennig (2006:28) wird die Gegensätzlichkeit von Integrativität/Systemraum und Aggregativität /Aggregatraum durch ein den in Schönsperger-1488 beobachteten Syntagmen ähnliches Beispiel veranschaulicht. Als aggregatives Beispiel wird das Syntagma mein vatter der hat früher angeführt, wohingegen mein Vater hat früher das Gegenstück am Pol der Integrativität darstellt. Vgl. zur syntaktischen Diskussion des Phänomens der Linksversetzung Altmann (1981), Selting (1993).

Mikrostrukturelle Entwicklungen

349

Bei der Umarbeitung des Textes durch Hupfuff ist im Vergleich zu den Inkunabelausgaben eine Tendenz zu stärkerer Pronominalisierung zu erkennen.

1 2 3 4 5 6 7

Schönsperger-1488 Anthonius (e5b) den heiden tűrcken vnd ſchlauen (f8a) die zwen gebruͤ der (g3a) Der kűnig (g4a) dē kűnig (g5a) „die junckfrawē Eß= glantine“ (g5a) Reinhart d’ new kűnig (g5b)

Hupfuff-1506 er (F1b) yn (G2b) die (G5b) Er (G6a) im (G6b) „ir“ (G6b) der (H1a)

Tab. 60: Pronominalisierung in Hupfuff-1506

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Schönsperger-1488

Hupfuff-1506

vnd griffen (e4b) vn̄ begūden (e5a) baten (e7a) vnd bereitet ſich (g5a) -

ſy (E6b) Die (F1b) Die (F2b) der (F5a) ſy (G2b) der (G3b) „d’“ (G6a) der (G6b) der (H1b)

Tab. 61: Einfügen einer Proform in Hupfuff-1506

1 2 3

Schönsperger-1488 er (e4a) die (e7b) er (f3a)

4 5 6 7 8 9

die (f8a) ſy (g3b) er (g6a) er (g6a) er (g6b) d’ ſelb ry̋ ſe (g6b)

Tab. 62: Tilgung einer Proform in Hupfuff-1506

Hupfuff-1506 vnd het (E6b) ſagten (F3a) vnd erſeüfftzet.vn̄ ſaget (F6a) vnd ſprachen (G2b) vn̄ ſprachen (G5b) vn̄ ſchickt (H1b) vn̄ het (H1b) vn̄ wolt (H1b) vnd verwu͛ ſt vnd verhert (H1b)

350

Sprachwandel auf Textebene in der Melusine

Da die Texte der Ausgaben Knoblochs und Steiners nicht nur auf Hupfuffs Bearbeitung zurückgehen, finden sich nicht alle Veränderungen, die Hupfuff bei der Wiederaufnahme referenzidentischer Bezugsgrößen vorgenommen hatte. Abgesehen von einigen wenigen Abweichungen, die auf die Bämler-Schönsperger-Tradition rückverweisen, begegnet jedoch größtenteils das Kohäsionsmuster des Hupfuff-Textes in Steiner-1543. Bewusste Setzung von Pronomina zur Vermeidung von Rekurrenz kommt lediglich an einer Stelle vor. Ansonsten wird die bei Schönsperger und Hupfuff stark gebräuchliche, grammatisch-funktional überflüssige, sprechsprachliche Setzung von fokussierendem pronominal gebrauchtem Artikel wie im Beispiel (R) Eymunden vnnd Meluſina ſeynem gemahel den kam botſchafft an einigen Stellen wieder zurückgenommen. Diese Tendenz lässt sich auch in den Egenolff-Ausgaben erkennen. Die Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff weichen von den Kohäsionsketten in Steiner-1543 nur in seltenen Fällen (4), die durch Textkürzung bedingt sind, ab. An einigen Stellen der koordinierten, parataktischen Reihung mit Subjektaussparung wird bewusst eine Proform zur Verdeutlichung der Bezüge eingesetzt.29 Bewusste Pronominalisierung zur ökonomischeren Textgestaltung und Steigerung der variatio tritt nicht auf. In der weiteren auf Steiners Text beruhenden Überlieferung wird in der formalen Wiederaufnahme eingeführter Inhalte ebenso wenig geändert. Zum Vergleich wurden die Ausgaben Han-1562 und Feyerabend-1587 herangezogen, die hohe Kongruenz mit den Referenzformen in Steiner-1543 aufweisen. Statt des einfachen Artikelworts der wird häufiger derſelbig eingefügt. Abgesehen davon erweist sich der Text und dessen Kohäsion im Bereich referenzidentischer Bezugsgrößen allerdings auch am Ende des 16. Jhs. noch als sehr stabil und von weiteren Pronominalisierungen seit Hupfuff-1506 nicht betroffen. Neben Endter-1672 wurde von der neuen Textgruppe im 17. Jh. Pfeiffer-1649 mit der Texttradition der zweiten Hälfte des 16. Jhs.30 auf zunehmende Pronominalisierung untersucht. In Pfeiffer-1649 tritt dies nur an zwei Stellen auf: der genannte Tuͤ rckiſche Keyſer (Xxx4b) > er (F3b), Anthonius vnd die Jungfraw Chriſtina > ſie beyde. Darüber hinaus wird der als Demonstrativpronomen gebrauchte bestimmte Artikel in drei Fällen getilgt. Alle anderen Abweichungen vom Kohäsionsmuster bei Feyerabend sind auf die Neugestaltung des Textes durch Hinzufügen neuer Tituli und die neue Textpassagenunterteilung zurückzuführen. In Endter-1672 wird schließlich eine bewusste Verdichtung der transsyntaktischen kohäsiven Beziehungen deutlich. Die pronominale Aufnahme eingeführter Referenten statt elliptischer Satzreihung mit ›und‹ kann an sieben Stellen beobachtet werden.

29 30

vnd fuͤ rten (H1b) > ſie (G2a), vñ zuckt (K1b) > er (H4b), vnd namen (K2b) > Anthonius vn̄ Reynhart (I1b), vnd ſchwůr (L1b) > jm (I4b). Wenn nicht anders genannt, stellt die Ausgabe Feyerabend-1587 die Vergleichsgröße dar.

Mikrostrukturelle Entwicklungen

351

Abschließend lässt sich sagen, dass durch die Übernahme des Textes der Augsburger Inkunabeltradition durch Matthias Hupfuff der kohärentere der beiden im Druck vorliegenden Texte Grundlage für die weitere Überlieferung wurde. Diesen bearbeitet Hupfuff sodann, indem er in größerem Maße Pronominalisierung bereits eingeführter Textelemente anwendet. Erst im 17. Jh. wird der „Textkitt“ durch weitere Pronominalisierungen und eine neue Texteinteilung mit mehr Überschriften erneut entscheidend gestärkt. Die Verdichtung des Textes durch Pronominalisierung, die Tilgung redundanter Proformen sowie die Reduktion des Konnektors ›und‹ weisen darauf hin, dass konzeptionelle Mündlichkeit durch konzeptionelle Schriftlichkeit zurückgedrängt wird. Auf der Makroebene werden die Tituli zahlreicher und in ihrer Verweisrichtung disambiguiert. In der Konzeption des Textes findet eine Verschiebung vom Pol der Mündlichkeit zum Pol der Schriftlichkeit statt. Vermeidung syntaktischer Stereotypie sowie eine Zunahme des Stilprinzips der variatio sind allerdings kaum festzustellen. Dies ist erst nach dem 17. Jh. zunehmend erkennbar. Zuvor sind die Drucke der Melusine stabile und konstante Vertreter der Textsorte Frnhd. Prosaroman. Die Diskursart wird nicht durchbrochen, da die Drucker den „universalen Parametern und kulturellen und (idiomatisch geprägten) einzelsprachlichen Traditionen der Textgestaltung“ (Ágel/Hennig 2006: 6) verhaftet bleiben.31 Dennoch zeigen sich Parallelen zwischen lautlich-graphischen, morphologischen und textlinguistischen Untersuchungsergebnissen, die die zunehmende Autonomie der Schriftsprache belegen. Im abschließenden Kapitel sollen die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und in Bezug zueinander gesetzt werden.

31

Zum Terminus ›Diskursart‹ für die Ebene der Produktions- und Rezeptionstätigkeit im Gegensatz zum Terminus ›Textsorte‹ für Produktebene vgl. Ágel/Hennig (2006: 5).

VI. „Alſo hat diß Buͤ chlein ein Ende“. Bewertung der Ergebnisse

Die innovative Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Metalllettern hatte durch die Veränderung der Buchproduktion und des Buchmarktes verschiedentlich Einfluss auf die Ausformung der frühneuzeitlichen Schreibsprachen.1 Im Fokus dieser Untersuchung stand der Schreibsprachen- und Textsortenwandel innerhalb der Drucküberlieferung eines Vertreters der Textsorte Frnhd. Prosaroman vom 15. bis ins 17. Jh. Nachdem in Kapitel I die Genese des untersuchten Textes und dessen Rezeptionsgeschichte im Untersuchungszeitraum erläutert wurden, wurde in Kapitel II der Forschungsstand zu den fokussierten Themenbereichen sowie die methodische Herangehensweise dargelegt sowie Bezug auf Entwicklungen in der Grammatikographie, im Schulwesen, im Leseverhalten, auf dem Buchmarkt und auf dem Feld der Sprachideologie genommen. Bestimmte sprachliche Entwicklungen sind maßgeblich durch Faktoren aus diesen Bereichen bedingt. In Kapitel III folgte eine Darstellung der Graphiesysteme der einzelnen Melusine-Ausgaben. In Kapitel IV wurden graphische Reflexe von Laut- und Formenwandel untersucht, Kapitel V befasste sich zur Stützung der Thesen aus III und IV mit Phänomenen des Textsortenwandels. Die untersuchten Wandelvorgänge auf graphematischer, phonologischer und morphologischer Ebene sowie auf textstruktureller Ebene lassen abschließend im Spannungsfeld zwischen Varianz durch Innovation und Tradition einige Schlüsse zu. Betrachtet man das jeweils verwendete typographische Material, lässt sich in der Inkunabelzeit eine klare Oppositionsstellung zwischen den oberrh. Druckorten und Augsburg feststellen. Die gegossenen Typen weisen Anleihen aus verschiedenen handschriftlichen Traditionen auf. So tritt nur in Straßburger bzw. Basler Melusine-Drucken auf, bzw. und bzw. hingegen in den Augsburger Drucken. Die Letter bleibt in der Inkunabelzeit weitestgehend auf den oobd. Raum beschränkt.2 Das in einem Druck verwendete Typenmaterial und die daraus gesetzten Grapheme sind noch 1 2

Vgl. zur Charakterisierung dieser Innovationen die Termini Anastase, Neoplasie und Exaption im Rahmen der Typologie des innovativen Wandels in Voeste (2008:40–41). Diesen Befund bestätigt Ruge (2004:CD-ROM 1500.pdf), in dessen Korpus die Drucke aus Bamberg, Basel, Leipzig, Mainz, Nürnberg und Straßburg weitestgehend keinen Gebrauch der Letter aͤ machen. Die oobd. Drucke (Augsburg, München) hingegen weisen diese graphische Variante auf.

Bewertung der Ergebnisse

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stark durch die Handschriftentradition beeinflusst und können offizinspezifisch und sprachlandschaftlich große Unterschiede aufweisen. Bei unfirmierten Drucken kann die Analyse derartiger typographischer Offizinspezifika sowie schreibsprachlicher Besonderheiten eines Druckes in Verbindung mit buchwissenschaftlichen und – bei illustrierten Werken – kunsthistorischen Methoden zur Lokalisierung und Druckerzuschreibung dienen. Auch bei den graphischen Reflexen sprechsprachlicher Wandelvorgänge zeigt sich anfangs eine klare Oppositionsstellung der beiden Überlieferungsgruppen der Inkunabelzeit, wobei die Straßburger Drucker bereits Ende der 1470er beginnen, sich einem fremden Usus anzupassen.3 Ob dieser Usus speziell die Augsburger Druckersprache darstellt oder als diatopisch weiter zu fassender oobd. Usus bezeichnet werden muss, wird in zukünftigen, breiter angelegten Korpusstudien zu Druckersprachen des 15. und 16. Jhs. geklärt werden müssen. Die schreiblandschaftliche Opposition wird anfangs noch deutlich durch die stark von lokal-mundartlichen Einflüssen gekennzeichneten Druckersprachen in Richel-1473/74 und Knoblochtzer-1477 einerseits, sowie Bämler1474 andererseits untermauert. Im 15. Jh. treten lautliche Reflexe der lokal-dialektalen Varianten in den Druckersprachen noch stark zum Vorschein. Der Rückgriff auf die Lautung bleibt zwar relikthaft bis zum Ende des Untersuchungszeitraums erhalten, doch gewinnt die Schreibsprache durch den Ausbau graphotaktischer, silbischer und morphologischer Prinzipien beim Setzvorgang zunehmend autonomen Status. Denn als segmentale Schablone für die Schrift wird die Dialektlautung stark zurückgedrängt. Der Zeitpunkt der Vereinheitlichung der mit Lautwandel in Verbindung stehenden Graphien innerhalb der Melusine-Überlieferung hängt von der Beschaffenheit und dem Ausgangsgebiet des Lautwandels ab. Aus dem oobd. Raum emergierende, in der Sprache hochfrequent vertretene und mehrere Aspekte der Artikulation betreffende Lautwandelphänomene wie die Diphthongierung oder Nukleussenkung sind bereits zu Beginn des 16. Jhs. im Korpus weitestgehend vereinheitlicht. Gegen ähnlich beschaffene Lautwandelvorgänge, die im md. Dialektraum ihren Ursprung nehmen, verhalten sich die obd. Drucksprachen im 16. Jh. lange Zeit partiell konservativ. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums hinterlässt die Rekurrenz auf die Mündlichkeit lediglich in Bereichen Unsicherheit, in denen Laute interagieren, die sich nur durch ein distinktives Merkmal der Artikulation unterscheiden. So die -Graphien, die Rundung/Entrundung und die Varianz zwischen sth. und stl. Plosiven im Anlaut.

3

Vgl. hierzu Guchmann (1969:59): „Für die Straßburger Sprachverhältnisse ist charakteristisch, daß zahlreiche Bücher in der Augsburger literatursprachlichen Variante gedruckt wurden. So erschien 1485 bei Grüninger eine Bibel, die sich sprachlich fast gar nicht von den Augsburger Drucken unterschied.“

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Bewertung der Ergebnisse

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oobd. Ausgangsgebiet + hochfrequent + Änderung in mehr als einem Beschreibungsmerkmal der Artikulation des Lautes = ab 1516 md. Ausgangsgebiet + hochfrequent + Änderung in mehr als einem Beschreibungsmerkmal der Artikulation des Lautes = nach 1577 kein Ausgangsgebiet + weniger frequent + Änderung in einem Artikulationsmerkmal = bis zum Ende des Untersuchungszeitraums variabel

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Es zeigt sich, dass die Lautung im Verlauf des 16. Jhs. nur noch Einfluss auf die Schreibung nimmt, wenn die phonologische Distanz zwischen den sprechsprachlichen Varianten sowie deren Auftreten sehr gering sind. Als Referenz zur Auswahl der Graphievariante werden der ortstypische drucksprachliche Usus bzw. die Graphie der Vorgängerausgabe(n) und zunehmend deren Wortbilder gewählt. Der Buchdruck bewirkt, dass die Schreibungen bestimmter Wörter nicht mehr segmental gespeichert, sondern bereits als „optische Einheit“ wahrgenommen werden (vgl. Voeste 2008: 213–214). Besonders prägnant tritt dies beispielsweise bei den Varianten und hervor. Auch wenn die Schreibung v. a. bei folgendem Vokal auftritt und vom mhd. intervokalischen herrührt, wäre -Graphie, nachdem keine lautliche Basis mehr für das vorhanden war, möglich. Die Lexeme ›Frau‹ und ›bauen‹ beispielsweise, deren Stammvokale etymologisch unterschiedlicher Herkunft sind, werden jedoch vom 15. Jh. bis weit ins 16. Jh. stets mit gesetzt. Die Schreibungen für diese Lexeme hatten sich als Wortbilder und gefestigt. Diese Entwicklung nimmt im 16. Jh. durch die zunehmende Alphabetisierung, die Reduzierung der Buchpreise, das zunehmende metasprachliche Wissen der im Buchdruck Beschäftigten und die damit zusammenhängende Professionalisierung des Setzerhandwerks zu.4 Die Offizinen fungierten als Multiplikatoren für innovative Wandelerscheinungen. Die Drucküberlieferung der Melusine lehrt dabei, dass diese Aussage zumeist auf bestimmte Offizinen eingeschränkt werden muss. So stellen Ausgaben wie Hupfuff-1506, Manger1574, Müller-1577 oder Egenolff-1578 in bestimmten Bereichen retardierende Elemente beim Abbau von graphischer Varianz bzw. bei der Einführung neuer, leserfreundlicher Schreibungen dar. Nicht jeder Drucker erscheint gleichermaßen als Agent der Vereinheitlichung und Weiterentwicklung der Graphie des Deutschen. Innerhalb der Melusine-Überlieferung können jedoch insbesondere die Offizinen, die sich auf den Druck deutschsprachiger Unterhaltungsliteratur spezialisiert hatten, als solche bezeichnet werden. Die zunehmende Dekodierungsperspektive in der Entwicklung der Graphie des Deutschen im 16. Jh. ist eine Auffälligkeit in der deutschen Schreibsprachgeschichte. Pa4

Voeste (2008:218) bezeichnet das 16. Jh. als entscheidende Epoche für die Entwicklung der deutschen Orthographie, deren Signatur „die Verschränkung von Variantenausbau und Variantenabbau, von Innovation und Selektion“ ist.

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rallel dazu konnte gezeigt werden, dass sich auch im Bereich der Textstrukturierung durch typographische Mittel leserfreundliche Entwicklungen wie die Entzerrung des Satzspiegels durch größeren Durchschuss, größere Typen und weniger Zeilen pro Seite, die Bildung von Absätzen oder die Umfunktionierung der Tituli zu Kapitelüberschriften entwickeln. Die Lesefähigkeit nahm zu dieser Zeit nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu. Doch die Leserschaft wird kaum aktiv für den Ausbau leserfreundlicher Orthographieprinzipien gesorgt haben.5 Vielmehr geht der Schreibwandel aus den Offizinen hervor. In einigen Melusine-Drucken ist schon früh die Anwesenheit von Korrektoren oder hervorragend geschulten Setzern erkennbar, so in Knoblochtzer-1478 oder Knobloch-1516. Die Anpassung morphologisch bedingter Varianten an eine Leitgraphie geht innerhalb der Melusine-Überlieferung grundsätzlich später als die Vereinheitlichung phonologisch bedingter Varianzgraphien vonstatten. Auffällig ist dabei, dass sie erst gegen Ende des 16. Jhs. parallel zur Expansion der Grammatikschreibung des Deutschen eintritt. Die Ausgaben Reffeler-1577, Egenolff-1580 und Feyerabend-1587 bestechen im Bereich der Homonymendifferenzierung und Morphologie erstmals durch konsequente Umsetzung grammatischen Wissens über paradigmatische Systemzusammenhänge.6 Besonders die Offizinen, die auf die Verbreitung deutschsprachiger Drucke spezialisiert waren, zunächst das Bämler-Schönsperger-Sorg-Netz in Augsburg, danach die Gülfferich-Han-Familie in Frankfurt/a.M., treten dabei durch Innovationen und Variantenabbau in ihren Druckersprachen hervor.7 Es zeigt sich, dass systematischer Abbau von Varianzgraphien in verstärktem Maße besonders in Drucksprachen auftritt, die in sich stabil, quantitativ stark verbreitet und prestigeträchtig sind. So werden in den Augsburger Inkunabeln innerhalb eines variantenarmen Usus dialektale Reflexe wie die bair.

-Anlautgraphie für mhd. abgebaut, während die Frankfurter Ausgaben der zweiten Hälfte des 16. Jhs. die Schreibsprache der Vorlage in ihre Druckersprache transponieren – so z. B. durch die graphische Umsetzung der md. Monophthongierung oder die Entfernung zahlreicher Rundungsgraphien – und innerhalb dieses einheitlichen 5 6

7

Jüngst stellte Saito (2010) diese Hypothese in den Raum. In größtem Maße trifft diese Aussage auf die Ausgabe Sigmund Feyerabends zu. Interessant wäre hier eine Folgeuntersuchung zum Graphieusus der Feyerabend-Bibeln, denen ein hoher Wirkungsgrad zugesprochen werden kann. Möglicherweise sah sich Feyerabend einerseits durch die Auseinandersetzung mit dem Wittenberger Korrektor Christoph Walther über die zu verwendenden Graphiekonventionen beim Druck der Bibel, andererseits durch die hohe Dignität des Textes dazu bewegt, seiner Druckersprache neue, vereinheitlichende Akzente zu verleihen. Siehe Kapitel II.2. Der größte Anteil an der Produktion deutschsprachiger Prosaromandrucke konzentriert sich im 15. und 16. Jh. auf wenige Druckorte und auf diese Druckerzeugnisse spezialisierte Offizinen. Besonders interessant hierbei ist der Befund in Müller (2010: 223), dass sich in Bezug auf den Druck polyglotter Wörterbücher, die bis 1650 v. a. in Augsburg und Nürnberg gedruckt wurden, nach 1650 „eine textsortenspezifische Umorientierung des Augsburger Druckergewerbes“ zeigt. Augsburg wird „als Druckort polyglotter Wörterbücher […] bedeutungslos.“

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Bewertung der Ergebnisse

Usus im Laufe der Überlieferung bis Feyerabend-1587 leserfreundliche Orthographie ausbauen. Anfängliche Variation wie die be- und ge-Synkope werden schnell und radikal eliminiert. Dabei muss betont werden, dass die Entwicklung nur selten geradlinig und für alle schreibsprachlichen Phänomene parallel verlief. Einzelne Setzer/Korrektoren und/oder die verwendeten Vorlagen spielen eine gewichtige Rolle in der Erklärung von druckersprachlicher Variation. Die Ausgabe Bämler-1480 wurde sicherlich von anderen Setzern als Bämler-1474 gefertigt, da die Schreibsprache in einigen Untersuchungsbereichen, so der be- und ge-Synkope, der Rundung von /ɑ:/ zu /o:/, der Entrundung des Lexems ›zeigen‹ oder des Gebrauchs der Grapheme und , auffällig von den stadt- und offizininternen Konventionen abweicht. Knoblochtzer-1478 weicht durch die Herkunft des Setzers bzw. Korrektors stark vom Usus der übrigen Ausgaben der oberrh. Inkunabelüberlieferung ab. Wie die Buchdrucker selbst waren Setzer im Zuge ihrer Berufsausbildung und -ausübung häufig zu Ortswechseln gezwungen, wodurch beständig fremde schreibsprachliche Gepflogenheiten auf die stadtspezifischen Druckersprachen einwirkten.8 Aus der Melusine-Überlieferung lassen sich als Buchdrucker, die nicht im Umfeld ihres sprechsprachlichen Dialektes druckten, einige Beispiele nennen: Heinrich Knoblochtzer in Heidelberg, der Schwabe Johann Prüss d. Ä. in Straßburg, der aus dem Aargau stammende Johann Knobloch in Straßburg, der aus dem omd. Raum stammende Georg Rab in Pforzheim und danach in Frankfurt, der aus dem ofrk. Raum stammende Michael Manger in Augsburg. Für diese Argumentation ist jedoch sicher von größerem Interesse, wo die Drucker ihre Ausbildung absolvierten und ihre schreibsprachlichen Muster erwarben, doch die genannten Beispiele verdeutlichen die Fluktuation und Mobilität im Buchgewerbe. Dabei versammelten sich Buchschaffende aus allen Teilen des Reiches in den großen städtischen Zentren des Buchdrucks, deren Schreibsprachen als Ausgangsbasis für die Drucksprachen fungierten. In Egenolff-1578 zeigt sich aufgrund der Augsburger Vorlage von 1543 in der Graphie eine starke Diskrepanz zur Druckersprache in den zeitgleich in derselben Stadt entstandenen Han-Ausgaben. Die drei Parameter der stadt-, offizin- und druckinternen Varianz in gedruckten Texten müssen daher stets mit der überlieferungsinternen Varianz gekoppelt werden, da sich in vielen Fällen die Varianz innerhalb eines Druckes durch Interferenz aus der Vorlage erklären lässt. Eine weitere Relation lässt sich aufgrund der Untersuchung zwischen der Beschaffenheit des Verlags- bzw. Druckprogramms einer Offizin und der Druckersprache annehmen. Die Offizinen, in deren Profil deutschsprachige Drucke einen hohen Anteil der Produktion einnehmen, verwenden Druckersprachenvarietäten des Deutschen, die in sich stark vereinheitlicht auftreten und höhere Kongruenz mit der nhd. Schriftsprache aufweisen als die Druckersprachen von Offizinen, in deren Druckprogramm deutsch8

Zum Berufsbild des Setzers vgl. Ritzi (1989).

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sprachige Werke eine Nebenrolle spielen. Im Gegensatz zu diesen waren Setzer und Korrektoren in den Werkstätten, die sich auf volkssprachliche Drucke spezialisiert hatten, z. T. sicher besser ausgebildet für den Satz der deutschen Sprache und näher an den Diskussionen der Zeit zur Grammatikographie und Orthographie des Deutschen. Im Vergleich der Ausgaben der Melusine hat sich gezeigt, dass sich durch derartige Studien Aussagen über die Beteiligung von Korrektoren und den Ausbildungsgrad des metasprachlichen Wissens der beteiligten Setzer machen lassen. Erst im Vergleich mit Drucken des gleichen Textes tritt die Einheitlichkeit der Graphie der Lexeme und ihrer Wortformen in bestimmten Drucken besonders hervor. Mit Bezug auf die druckinterne Variation lässt sich festhalten, dass das von Fujii vorgeschlagene Vorgehen der Aufteilung der untersuchten Textausschnitte nach Lagen praktikabel ist. So konnten beispielsweise für Richel-1473/74, Bämler-1474, Knoblochtzer-1477 und Egenolff-1580 relativ klare Aussagen über Setzerwechsel getroffen werden. Allerdings führt die Methode einerseits durch die voranschreitende Vereinheitlichung der Graphie im 16. Jh. immer seltener zu klaren Ergebnissen über mögliche Setzerabschnitte, andererseits konnte in manchen Drucken eine Arbeitsteilung innerhalb einer Lage als wahrscheinlich festgestellt werden. Darüber hinaus ist über die in den Offizinen angewandten Arten der Druck- und Setzvorgänge zu wenig bekannt, um sicher vorauszusetzen, dass bei Beteiligung mehrerer Setzer am Satz eines Druckes diese sich die Arbeit nach Lagen aufteilten. Wie gezeigt wurde, führt nur bei zwei von drei möglichen Druck- und Setzverfahren die Auswahl des ersten und letzten Blattes eines Druckes zum gewünschten Ergebnis. Klar wird allerdings, dass die Sprache in Druckwerken niemals nur einem bestimmten Autor, Drucker, Korrektor oder Setzer zugeschrieben werden darf. Beliebige Passagen eines Druckwerkes sprachlich auszuwerten und die Ergebnisse zu generalisieren, führt aufgrund der druckinternen und offizininternen Varianz zu verfälschten Ergebnissen. Mit Blick auf die Emergenz der nhd. Schriftsprache lässt sich konstatieren, dass innerhalb des Korpus der Drucküberlieferung der Melusine des Thüring von Ringoltingen die Drucksprachen der Städte, die den höchsten Ausstoß deutschsprachiger Druckwerke hervorbrachten, die höchste Konformität mit dem Nhd. aufweisen: Augsburg im 15. Jh. und Frankfurt/a.M. ab der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Doch nicht nur der quantitative Faktor war maßgebend, sondern auch die Herausbildung einer möglichst einheitlichen, stabilen Schreibsprache, innerhalb derer die Voraussetzungen für den Abbau von dysfunktionaler Varianz einerseits und funktionaler Innovationsgraphien andererseits besonders fruchtbar gewesen zu sein scheinen. Das Korpus lässt leider keine genauen Aussagen über den Einfluss aus dem omd. Raum nach der Reformation zu, da aus dieser Zeit und dieser Region keine MelusineDrucke überliefert sind. Die Neuerungen in Steiners Ausgaben, so z. B. die -Graphie oder die Senkungsbelege, mögen auch auf den starken Einfluss der omd. Druckersprachen im Zuge der Reformation zurückgehen. Zur Beantwortung der Frage nach dem Einfluss der Druckersprachen auf die Herausbildung der nhd. Schriftsprache kann

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Bewertung der Ergebnisse

diese Studie nur einen begrenzten Beitrag leisten. Die Drucker fungieren zwar als Multiplikatoren von schreibsprachlichem Wandel, aber ihr geschäftliches Interesse als hauptsächlichen oder alleinigen Faktor für die Ausgleichs- und Normierungsprozesse anzusetzen, geht m. E. an der Sprachwirklichkeit vorbei. Zwar war der Anteil der Buchproduktion für den Export mit Sicherheit deutlich höher, als dies Schirokauer in seiner Kritik der geltenden Lehrmeinung anerkennen will, doch ist auch die Toleranz gegenüber den verschiedenen Usus der Schreiblandschaften so hoch anzusetzen, dass die Drucker sich sicherlich nicht durch Absatzzwänge zu sprachlichen Eingriffen gezwungen sahen. Vielmehr müssen dafür in einer Zeit, in der weder die gesprochene Sprache – und das vermutlich seit langer Zeit – , noch ein präskriptives Regelwerk als Referenzwerk für die Schreibung der Volkssprache dienten, sprachideologische Vorbilder verantwortlich gemacht werden. Die zumeist hoch gebildeten Druckerherren sahen sich primär durch das hohe Prestige bestimmter Schreibsprachen dazu veranlasst, diesen zu folgen. Sekundär wurde die Verwendung einer Prestigevariante dann sicherlich auch zu einem Marktfaktor, mit dem die Offizin werben konnte. Mit der allmählichen Ergründung und Durchdringung der deutschen Grammatik und der sprachideologischen Aufwertung des Deutschen im Zuge der Reformation wurde im 16. Jh. allmählich ein Bewusstsein im buchschaffenden Gewerbe erzeugt, das bestimmte graphische Varianten und Setzerpraktiken stigmatisierte. Dadurch wurde die Kenntnis etymologisch-grammatischer Zusammenhänge in der deutschen Sprache für Setzer und Korrektoren verstärkt zu einem Bestandteil ihres Berufsideals.9 Im Bereich des Textsortenwandels lassen sich trotz der großen Stabilität dieses Textsortenvertreters einige Veränderungen auf Ebene der Makro- und Mikrostruktur des Textes konstatieren. Auf der Makroebene wurde dabei besonders auf die Interaktion zwischen Illustrationen, Tituli und Text sowie die visuelle Unterteilung und Gestaltung des Fließtextes Bezug genommen, während auf Mikroebene zentrale Phänomene der transsyntaktischen Kohäsionsbildung im Zentrum standen. Für Eingriffe in die Makrostruktur können im Gegensatz zur sprachstrukturellen Varianz primär marktorientierte auf Absatzsteigerung abzielende Strategien geltend gemacht werden. Im Bereich der transsyntaktischen kohäsiven Mittel werden Merkmale der gesprochenen Sprache reduziert. Zusammen mit der Zunahme von Graphievarianten, die dem morphologischen, lexematischen oder silbischen Orthographieprinzip folgen und das phonologische Prinzip unterwandern, spricht dieser Befund für eine stetige Abkopplung der Schrift von der Lautung. Die Text-Bild-Relation als kohäsionsstiftendes Element tritt in der Inkunabelzeit gestärkt v. a. in den Offizinen auf, in deren Verlagsprogramm Prosaromane eine Ausnah9

In diesem Punkt schließe ich mich der bereits in Voeste (2008) vertretenen Meinung an, die m. E. durch die Eingriffe der Setzer in den Ausgaben der späten 1570er und 1580er, die von vermehrten grammatischen Kenntnissen der Setzer zeugen, unterstützt wird.

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me bzw. eine Textsorte unter vielen darstellen und somit nicht aus einem bestehenden Repertoire an Holzstöcken gewählt werden konnte, sondern speziell für die Drucklegung der Melusine ein neu konzipierter oder nachgeschnittener Holzschnittzyklus angefertigt werden musste. Als eigenständige Lesart des Romans treten die Holzschnittzyklen durch den Verlust an Spezifik immer stärker zurück, bis in den letzten beiden Ausgaben des Untersuchungszeitraums eine starke quantitative Reduktion der Holzschnitte und der Einsatz unspezifischer Illustrationen aus Fremdkontexten die Relation zwischen Text und Bild radikal beschneiden.10 Ein retardierendes Moment stellen im 16. Jh. die Holzschnittzyklen der Ausgaben Steiners und die Holzschnitte Hans Brosamers in den Frankfurter Ausgaben ab Gülfferich-1554 dar. Die Augsburger Inkunabeldrucker, die Frankfurter Gülfferich-Han-Dynastie sowie Michael Manger waren auf deutschsprachige Unterhaltungsliteratur spezialisiert und hatten für textsorteninhärent typische Szenen einen Pool an Illustrationen. Mit abnehmender Präzision der semantisch-inhaltlichen Text-Bild-Bezüge treten die Tituli als eigenständige Teile des Textes hervor. Ihre Loslösung von den Illustrationen und Umfunktionierung zu Kapitelüberschriften im heutigen Sinne ist ein langer Prozess, der, wie für die Überlieferung der Melusine gezeigt werden konnte, in Zusammenhang mit Wandelvorgängen innerhalb der Druckproduktion und der Layoutgestaltung steht. Die deiktische Interaktion zwischen ehemaligem Titulus, Illustration und Text ändert sich im Untersuchungszeitraum in direktem Zusammenhang mit ökonomisch motivierten Entscheidungen der Drucker. So stehen die Vermeidung von Freiräumen im Seitenlayout, die Formatverkleinerung, das Verwenden bereits vorhandener unspezifischer Holzstöcke bzw. das Anlegen eines Holzstockvorrats für typische Prosaromanszenen für eine Kostenminimierung der Drucklegung eines Werkes, durch welche auch der Umfunktionierung der ehemaligen Tituli zu summarisch-kataphorischen Kapitelüberschriften die Basis gelegt wurde. Denn erst nach der räumlichen Trennung von Titulus und Illustration im Satzspiegel infolge oben aufgezählter produktionsökonomischer Entwicklungen nahmen sich die Drucker der Melusine einer Reanalyse der deiktischen Beziehungen zwischen Titulus, Text und Illustration und als Konsequenz dieser einer Reformulierung und Umstellung der Tituli an. Doch konnten auch Überlegungen zum Layout mögliche Konzeptionen der Relation des Titulus zum Textinhalt überlagern, so etwa in der Ausgabe Han-1564, in der aufgrund eines Layoutideals beim Satz der Ausgabe der Holzschnitt niemals am Ende der Seite erscheint. Die enge deiktisch-semantische Beziehung zwischen Titulus und Bild wurde nach Richel-1473/74 zunehmend durch Aufbrechen der Titulus-Bild-Einheit und Verwendung unspezifischer Holzschnitte bzw. Holzschnitte aus Fremdkontexten unterwandert. Erstmals werden die althergebrachten Titulusformulierungen in der Offizin Egenolffs Erben mit Bezug auf den folgenden Text semantisch angepasst und/oder positionell ver10

Vgl. zur Eigenständigkeit des Illustrationszyklus’ in Richel-1473/74 Domanski (2010).

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schoben, so dass sie die Funktion von Kapitelüberschriften einnehmen. Eine Motivation für dieses Vorgehen liegt wohl in der Frankfurter Konkurrenzsituation der Offizin zur Prosaroman-Fabrik der Gülfferich-Han-Erben (vgl. Kipf 2010). In der Folge werden bei der neuen Makrostrukturierung des Textes des 17. Jhs., die erstmals in Pfeiffer-1649 überliefert ist, ebenfalls kataphorische Summarien verwendet. Innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine werden die auf ehemalige Bildbeischriften zurückgehenden Tituli damit um 1578 erstmals zu Kapitelüberschriften umfunktionalisiert; im 17. Jh. scheint diese textstrukturelle Funktion etabliert zu sein. Eine optische Unterteilung des Fließtextes erfolgt zwar bereits in Bämlers und Messerschmidts Ausgaben durch Setzen des Rubrumzeichens, doch fehlen bis Han-1556 Absätze. Aus Leserperspektive als Dekodierungshilfe zu werten, nehmen die Absätze in der Frankfurter Überlieferungsgruppe Gülfferich-Han parallel zu bestimmten Graphiephänomenen, die ein tieferes, leserfreundlicheres Graphiesystem des Deutschen entstehen lassen, zu. Auch die sprachlich-stilistische Ebene unterliegt in einigen Fällen innerhalb der Drucküberlieferung der Melusine Faktoren, die durch Überlegungen zum Layout gesteuert sind. So werden in Han-1562 an einigen Stellen bewusst Paarformeln gekürzt, um Figurendreiecksatz am Ende einer Seite setzen zu können. In Hupfuff-1506 wird in Beachtung eines Seitenlayoutideals Text gekürzt, reformuliert oder gänzlich neu formuliert. Auf mikrostruktureller Ebene wird der Text nur punktuell in bestimmten Drucken verändert. Dabei treten einerseits Ausgaben wie Hupfuff-1506 und Endter-1672 hervor, die nach längerer Überlieferungspause den Text neu aufbereiten müssen, um ihn marktwirksam vertreiben zu können. Andererseits tritt Wandel der mikrostrukturellen Ebene auch in Ausgaben wie Messerschmidt-1539 oder Egenolff-1578 auf, die sich von anderen zeitgleich vertriebenen Ausgaben auf dem Markt abheben müssen. Dabei werden innerhalb des Korsetts der Textsorte nähesprachliche Elemente wie Mehrfachverwendung von koordinierenden Konjunktionen bei Parataxe, ein hoher Grad an Rekurrenz und wenig ausgeprägte Pronominalisierung oder das chronologisierend-narrative Vertextungsmuster zwar geringfügig, aber impulshaft in oben erwähnten Ausgaben stetig abgebaut. Die typischen Merkmale der Textsorte bleiben dabei jedoch erhalten. Ein Textsortenwandel tritt erst außerhalb des Untersuchungszeitraums ein. Den weiteren Gang der Melusine durch die Offizinen des deutschsprachigen Gebietes näher zu erforschen, bleibt, wie viele bei der Arbeit mit der Melusine aufgekommene Anknüpfungspunkte, zukünftiger Forschung überlassen. Im Bereich der Druckersprachen gilt es weitere Studien zur Drucküberlieferung eines bestimmten Textes anzustellen. Aber auch Forschungsarbeiten zu einzelnen Offizinen, wie sie Fujii für den Augsburger Erstdrucker Günther Zainer erarbeitet hat, müssen zur Charakterisierung von offizininterner Variation vermehrt vorgenommen werden. Aus dem Melusine-Korpus bieten sich einige Drucker an, so etwa Heinrich Knoblochtzer, dessen vier Drucke der Melusine sich sprachlich teilweise frappierend unterscheiden oder Johann Prüss d. Ä., der aus Schwa-

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ben stammende Drucker, dessen Melusine-Druck eine Mischschreibsprache aufweist. Für das druckersprachliche Varietätengefüge bleibt festzuhalten, dass wir schlichtweg nicht von dieser oder jener Druckersprache sprechen können, ohne zu wissen, welche verschiedenen Setzersprachen in einer Offizin auftreten. Erst wenn ein sprachliches Profil einer Druckerei erstellt ist, ist auch die Druckersprache der Offizin charakterisierbar. Gleiches gilt auf der nächsten Ebene für die stadttypischen Drucksprachen, die erst zufrieden stellend beschrieben werden können, wenn zumindest zu einigen Druckwerkstätten der betreffenden Stadt Untersuchungen vorliegen, die die Beschaffenheit der Druckersprache der Offizin offen legen. Die Außenperspektivierung der Untersuchung durch Einbezug überlieferungsexterner Ergebnisse zu den Druck- und Druckersprachen in den Zusammenfassungen zu den Kapiteln III. und IV. hat gezeigt, dass sich einerseits zahlreiche Detailergebnisse dieser Studie mit allgemeineren Darstellungen und anderen Detailuntersuchungen in der Forschung decken und diese ergänzen, andererseits die konfessionelle Spaltung der Schreibsprachlandschaft des Deutschen im Zuge der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges in der Überlieferung der Melusine nicht widerspiegelt, da sich die Überlieferung dieses Textes weitgehend im protestantischen Raum vollzieht. Damit stellt sich aber in Anschluss an die Untersuchung auch die Frage, wie Drucker des 16. und 17. Jhs. in Städten wie Wien mit einer Vorlage für den Druck der Melusine umgegangen wären. Am Ende bleiben trotz der Fülle der Daten aufgrund der Beschränkung auf die Überlieferung eines Textes offene Fragen. So bleibt die Frage, ob und inwieweit die Melusine-Überlieferung wegen der starken Vorlagenabhängigkeit und des alten Überlieferungsstoffes besonders konservativ geprägt ist und einen Sonderfall darstellt. Zur Klärung muss in Folgeuntersuchungen ein Vergleich der Befunde für die MelusineDrucke mit anderen Drucken der Offizinen der Melusine-Drucker unternommen werden. Zur Absicherung der Ergebnisse zu den graphischen Innovationen in den Frankfurter Drucken des 16. Jhs. und im 17. Jh., könnte ein Vergleich der Drucke Feyerabends und Endters mit deren Bibeldrucken zusätzliche Klarheit bringen. Wie bereits angesprochen gibt es auf dem Feld der Druck-, Drucker- und Setzersprachenforschung noch zahlreiche Desiderate die für zukünftige Studien lohnenswert erscheinen. Von dieser Arbeit hoffe ich, dass sie einen Beitrag zur weiteren Erforschung der urbanen Drucksprachen und der im städtischen Raum angesiedelten verschiedenen Druckersprachen leisten sowie generelle Einblicke in die Mechanismen des frühneuzeitlichen Schreibsprachwandels bieten kann. Während die Makrostrukturierung des Textes häufig infolge verlegerischer Strategien zur Absatzsteigerung Veränderungen ausgesetzt ist, spielen derartige materialistische Motive für den Ausgleichsprozess auf der Ebene der Graphie eine untergeordnete Rolle. Für das Voranschreiten der Wissenschaft wird es nach wie vor einerseits wichtig sein, Detailstudien wie die vorliegende in einen größeren Kontext einzubetten, andererseits auch die gewonnenen Ergebnisse in ähnlichen Untersuchungen zu überprüfen, zu hinterfragen und kritisch zu diskutieren. Daher

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bietet es sich an dieser Stelle an, mit den Worten Thüring von Ringoltingens, die er am Ende seiner Übersetzung an die Leserschaft richtet, zu schließen: „desgleichen bitte ich auch einen ieglichen / ǁ der ſich denn weiß darnach zu richten und ǁ dieſem Buch zu helffen / daß er es cor- ǁ rigiren und beſſern wolle / wo es noth= ǁ wendig ſey.“11

Abb. 75: Vignette aus Nicolai-1692/93 (Bl. N8a)

11

Zitiert nach der Ausgabe Nicolai-1692/93, Bl. N7a.

VII. Verzeichnisse und Anhang

1.

Textstellen

Die folgende Auflistung zeigt alle zur Feststellung von Vorlagenabhängigkeiten verglichenen Textstellen aus der Melusine. An dieser Stelle wird, falls nicht anders angegeben, jeweils lediglich die Anfangszeile der Textstelle in Richel-1473/74 zitiert, der Originalzeilenumbruch ist beibehalten. Insgesamt wurden für die Ermittlung von Vorlagentexten die folgenden Textstellen jedoch für alle Druckausgaben und Handschriften erhoben. Die im Text vor allem in Kapitel III.3 verwendeten Abkürzungen TS 1, TS 2, TS 3 usw. referieren auf die hier angeführten Textstellen. Ferner wurden auf die gleiche Weise 98 Textstellen mit lexikalischen Besonderheiten in allen Druckausgaben und Handschriften verglichen, die hier aus Platzmangel nicht angeführt werden können. Textstelle 1: Der türkische Kaiser wird erschlagen Dis er ſach der tu̓ rckiſche keiſer vnd begunde von zoʅn gar ſere wu̓ ten doʅ vmb das er ſach die ſinen alſo do vnder gon vnd name ſinē ſchilt zů yme vn̄ zuckete ſin ſwert vnd ſlůg einen criſten das er dott vff die erden viel / Dis er ſach von vngeſchicht reynhart vnd der zuckete einen ſoͤ llichē ſtarcken ſchlag mit ſinem ſwert / vnd gab dem tu̓ rckiſchen keiſer ein ſo vngefu͛ ges treff das er ym ſinen helm zerſchriet (Bl. e3a, Z. 8)

Textstelle 2: Gefangenschaft des Königs von Elsass Die fu͛ rſtin antwurt ſchnel vnd gancz vnbedocht den ſy wiſe vn̄ wol ku̓ nēt wz vnd ſprach gar zu̓ chteglich lieben vnd getru̓ wen fru̓ nd ſo ir mir hilf geton hant des ich vch nu͛ mmer kan noch mag gedancken / har vmb ich mich des gefangenen gancz verzyhe in u̓ wer hant dē er u͛ wer ge fāgner vn̄ nit d’ min ſin ſol ſyt mich u͛ wer adel vn̄ tu͛ re ritterſchaft vff diſen tag von groſſer not erloͤ ſet hat / Doʅ vmb ich ſine ſchaczunge vnd erloͤ ſung vch gancz in u͛ weren gewalt gybe on intrag (Bl. d4b, Z. 8)

Textstelle 3: Der Bau der Kammer der Melusine er vor nie kommen was den meluſina die ir ſelhes zů ir heimlichheit gebůwen hett vnd kam an ein yſene tu͛ re do ſtůnd er vnd gedochte (Bl. e10b, Z. 14)

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Verzeichnisse und Anhang

Textstelle 4: Bestaunen der Brüder Anthoni und Reinhard do by / Ouch beſchowete das heydiſche volck die zwē ge bruͤ der gar ſere / Vnd ſprochent das anthoni den louwen (Bl. e5a, Z. 3)

Textstelle 5: Maul und Zähne Reymond ſpʅach ir liegent durch u͛ wer můl vnd zene ir ſint ein ſchemlicher mā (Bl. f1b, Z. 17)

Textstelle 6: quit, ledig und los So ſprechen wir hin angendes in aller ſchaczunge gancz quid ledig vnd loß (Bl. d4b, Z. 19)

Textstelle 7: Ach Gott, Reimund Ach got / Reymond wie haſtu dich do voʅ aller vernůnfft / verloſſen vnd lieſt / vmb ſchentlicheit / in dir ſo ge= waltlichen richen was ſolteſtu der verwiſſē der es alles leit / was als dir (Bl. f10b, Z. 10)

Textstelle 8: Thüring von Ringoltingen Harumb ſo hab ich / Thu͛ ring von Ringol/ tingē von bern vß u͛ cht lant ein zů mol ſelczene vnd gar wunderliche fremde hyſtorie fun/ den in franczoͤ ſiſcher ſprache vn̄ welſcher zungen (Bl. a1a, Z. 17)

Textstelle 9: Sankt Augustinus denn ob das nit geſchicht / So iſt es do ein gewiſſenheit der ewigē verdāpniß alſo vns dz bezeichet d’ hohe lerer ſāctus auguſtiuſ (Ende des Bl. e9b) Der do ſprichet Suſceſſus humane pʅoſperitatis eſt verum iudicium eterni dampnacionis Das ſprichet zů tu͛ ttſche alſo das die glu̓ ckſeli keit diſer welt iſt ein gewiſſes zeichen der ewigen verdampniſſe (Bl. e9b, Z. 30)

Textstelle 10: Wilhelm von Orleans licher beſunder ſin hyſtorie vn̄ leſen hatt / dar zů vō ſant wilhelm vō pontus von hertzoge wilhelm von orliens vnd von merlin vnd be= (Bl. k9a, Z. 9)

Textstelle 11: Messer und Hellebarden do ǁ die zwen bʅu͛ der von luſinien die mere verſtůndent do ſantent ſy vff ſtunt ir abſagē dem benāpten ku̓ nige gar erlich by irem eigen herol (Ende des Bl. d1a) vnd wurffē ir banier vff vnd zůgen gegē dem leger do ſahen ſy gar vil baner vnd volck vnd mit langen meſſeren vnd helembartē (Bl. d1a, Z. 29)

Textstelle 12: sechs / selbs Ritter da ſchickten die zwen Bruͤ der den Koͤ nig von Elſaß jren Gefangnen gehn Luͤ tzelburg in

Textstellen die Statt / vnd lieſſen jn durch ſechs jhrer Ritter preſentieren vnd antworten der Hochgebornen Edlen Fuͤ rſtin vnd Jungfrauwen (Bl. D4a, Z. 15 aus Han-1564)

Textstelle 13: Erbe / Ehre meines Herren ſeligen vnnd Vatters / deß Erb jr ſeyt (Bl. Xxx4b, Sp. 1, Z. 13 aus Feyerabend-1587)

Textstelle 14: vergessen / Vergessenheit was ǁ ich euch verſprochen habe / ich hab es nit vergeſſen (Bl. Yyy2a, Sp. 1, Z. 24 aus Feyerabend-1587)

Textstelle 15: immer / stets Ach min liebſter herre vnd vetter ſo můß doch min hercz trurig vmb myn lieben herren vnd vater ſin vnd vaſt betru͛ bet (Bl. e4a, Z. 17)

Textstelle 16: Gespött / spät Do begunde in ſin groſſe ſu͛ nde vnd miſſetat ſere ruwen Das ſelbe aber dem apt vnd andern dē mu͛ nchē vil zů ſpotte was vnd alſo ſchei (Bl. f8a, Z. 5)

Textstelle 17: Ungeschicht / Angesicht Reymond do wir czů ǁ ſamen von vngeſchicht koment (Bl. g2b, Z. 7)

Textstelle 18: Fehlende Tituli bei Bämler ſelbes libe vnd perſone ym helfen die ſach zů vnderthon ſton des dāk ete yme der ku̓ nig mit gůtem herczen (Ende des Bl. d8a) Wie der ku̓ nig von elſas mit ſinem volck kam vnd die gezelt vff geſchlagen worent vnd Reynhart in gar fru̓ ntlich entpfienge vnd fůrt in in die ſtatt (Holzschnitt bis zum Ende des Bl. d8b) (D) er ku͛ nig ſchied von dannen vnd beſampt alles ſin volck vnd ſin macht ſo ſchnelle er mocht vnd zoch do wider gē lu̓ czelburg do zwūſchen hatten ſich beyde gebruͮ der von lußinien beſamlet mit den iren vnd mit andern beſunder allen denn vſſer dem fu͛ rſtentům von lu̓ czelburg / Vnd do der ku̓ nig vnder die ſtat in den boden kam do dett er in botſchaft das er alſo kō men were / Do hatten ſy yme vor hin vor der ſtat ſchoͤ n gezelt vff geſlagen das ſy yme herberge gobent allem ſinem volck vn̄ enpfiēg in reynhart gar ſchoͤ n mit zucht (Ende des Bl. d9a) Wie der ku͛ nig von eylſas vnd anthoni vnd ſin brůder vn̄ alles ir volck von dannen ſchiedent vnd anthonis gemahel ſy ſegnote (Holzschnitt bis zum Ende des Bl. d9b) (R) einhart der fůrte den ku͛ nig hin in die ſtat dornoch in die veſten zů ſinē brůder antoniē nůn ſoſſen ſy zů tiſche vnd do der ymbes mit froͤ dē ergieng die gebru̓ der ruſtēt ſich ſchnelle zů vnd hies antoni ſich alle die bereitē die ſtritt

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366

Verzeichnisse und Anhang

bar warēt vff dē fu̓ rſtē tůmb ſo verre das die zwene gebru̓ der by dryſig tůſent mānen zů ſamē brochtē do zugēt ſy mit erlichē ſchalle zů des ku̓ niges volck vō eilſas fu̓ r die ſtat hinvſ alſo nůn beide deſ ku̓ niges volck vnd ouch d’ zweyer bruͤ der volck geſamelet worēt vnd antoni vnd reynhart beyde vff ſiczē (Bl. d8a, Z. 32)

Textstelle 19: Fehlende Tituli in Richel-1473/74 () Reymond kam wider czuͦ meluſinen kuſte die lieplichen... (Bl. c1b, Z. 24) warē vnd alle czuͦ komēde geſte kūdētē () Eluſina gewan des ſelbē iares noch einē ſuͦ n der wart... (Bl. c1b, Z. 32) das ſloſ vn̄ ſtat zuͦ poʅtenach (Bl. c2a, Z. 1) () oʅnoch gewan ſy den dritten ſuͦ n der gar vß der moſſen... (Bl. c1a, Z. 1)

Textstelle 20: Satzunterbrechung durch Titulus und Holzschnitt Har vmb ſo hůb er an voʅ allem volck den herren von luſinien zů eren vnd zů danck Vnd ſprach zů ſtund voʅ in allē wolte got das ein ſoͤ licher tru̓ wer ritter als diſe bʅuͤ der von luſinien beyde vnſer byſas werent (Ende des Bl. d5a) Wye der ku͛ nig von elſas die fu͛ rſten vmb genode batt (Holzschnitt bis zum Ende des Bl. d5b) (V) nd herre dis fu͛ rſtentůms ſin ſolt dz beduchte mich diſem land vnd allen vmbſeſſen ein groſſe ſelde vn̄ ein michel glu̓ cke vnd groſſe ere ſin

Textstelle 21: Der törichte Abt der eintige dorech te man apt (Bl. f6b, Z. 15)

Textstelle 22: Diener und Mägde vnd verdarb der wirt / Vnd alles ſin hußgeſinde kinde vnd diener vnd ſicht man noch (Bl. e10a, Z. 14)

Textstelle 23: tot nieder von seinem Pferd das eʅ todt nideʅ von ſeinem pfaͤ rt můſt vallen (Bl. e11a, Z. 17 aus Bämler-1474)

Textstelle 24: Ende des Textausschnitts 1 Goͤ ffroy der was ſo manlich das yme niemant vß gerotten kunde das er von ſinem fu͛ rnemen ſton / Vnd den ritt in das lant garande zů dem riſen vnder wegen loſſen woͤ lte denn dz er ſich vff ſtunde zů ruſte vnd reyt balde von lande ſo erſt er das zů bringē vnd geru͛ ſten mochte (Bl. e8a, Z. 11)

Textstelle 25: Maria die junckfraw antwurt gar zűchtiklich vnd ſprach Jch lob vnd danck got vnd ſeiner lieben můteʅ d’ groſſen rrbarmus vnd genade die ſy̋ mir zů troſt

Verwendung von Abbreviaturen

367

heʅ geſaut haben ~ (Bl. e1b, Z. 1 aus Bämler-1474)

Textstelle 26: Hand und Arm vnd ſlůg dem ri/ ǁ ßen die hant vnd ein arme abe von dem libe (Bl. f3b, Z. 18)

Textstelle 27: entschießen / erschießen Das er ritterlichen orden verſmohett / hatt vn̄ ein mu̓ nch worden iſt Das enſoll yme niemer me wol entſchieſſē (Bl. f6a, Z. 18)

Textstelle 28: Steiner-Fehler Da ǁ kament zwen lantzherʅē / die nament die zwen bʅuͤ der vnd fuͤ rten ſie in die burg (Bl. F1a, Z. 28 aus Knobloch-1516)

Textstelle 29: Die Herren von Lützelburg Der künig von Elſaͤ ß irs herʅē ſe ligē bʅůder vnd der herʅ vō Lützelburg / vnd mit im ſein bʅů (Bl. G3a, Z. 28 aus Knobloch-1516)

Textstelle 30: Segel vnd fu͛ ren von lande mit vffgerecktem ſegel. (Bl. I3b, Z. 12 aus Hupfuff-1506)

Textstelle 31: Mit Streiten… (D) A hielten ſie die zwen bruͤ der gar zemal Ritter lich / vnnd volbʅachten groſſe gethat mit jrem ritterlichen můt vnd ſtarckem gfaͤ cht (Bl. G4a, Z. 1 aus Steiner-1543)

Textstelle 32: Gyot, der dein Vater ist vnd iſt Gyot der dein Vatter iſt / meiner Schwe= ſter Son geweſen vnd vnſer ſeindt drey Schwe= ſtern / die von der ſuͤ nd wegen / die wir an Hel= (Bl. M2a, Z. 3 aus Han-1562)

2.

Verwendung von Abbreviaturen

Während bestimmte Abbreviaturzeichen konstant für ein einziges Graphemcluster stehen, können andere hingegen verschieden aufgelöst werden. Zur ersten Gruppe zählen im Korpus für -, für , für , für -, für - und für -. Der Nasalstrich wird für verschiedene Graphemverbindungen mit Beteiligung eines Nasallautes gesetzt. für -, , für , , für , , für , sowie vereinzelt für die Endsilbe - in Knoblochtzer-1478, für , , für , , für , und ausschließlich in den Augsburger Inkunabeldrucken für oder

Verzeichnisse und Anhang

368

.1 Die folgenden Tabellen spiegeln die Entwicklung der Verwendung der im Korpus nachweisbaren Abbreviaturen. Es fehlen die Abbreviaturen und , die lediglich vereinzelt in zwei Drucken Heinrich Knoblochtzers auftreten.2 Das Zeichen tritt lediglich in den Augsburger Inkunabeldrucken auf: Bämler-1474 (42), Bämler1480 (36) und Schönsperger-1488 (53). Die Abkürzungszeichen , , , für - treten vor allem in der Inkunabelzeit auf, vereinzelt auch noch darüber hinaus. Insgesamt werden diese Abkürzungen in den untersuchten Textausschnitten nur in neun Ausgaben verwendet: Richel-1473/74 (3), Bämler-1474 (49), Knoblochtzer-1477 (78), Prüss-1478 (1), Bämler-1480 (91), Knoblochtzer-1482 (10), Schönsperger-1488 (34), Knobloch-1516 (3) und in Han-1564 (4). Ausgabe

ā

ē

ī

ō (vō)

ū

Richel-1473/74

87

635

15

136 (89)

37

Bämler-1474

101

881

1

194 (103)

101

Knoblochtzer-1477

156

946

3

189 (102)

68

2

240

0

57 (54)

0

Knoblochtzer-1478

117

905

0

171 (78)

35

Bämler-1480

73

1172

36

128 (118)

225

Knoblochtzer-1482

80

364

4

81 (58)

127

Schönsperger-1488

230

703

17

104 (98)

203

Knoblochtzer-1491

179

479

0

206 (146)

231

Hupfuff-1506

104

439

0

157 (125)

111

Knobloch-1516

31

591

6

90 (81)

43

Prüss-1478

Tab. 63: Auftreten des Nasalstriches auf Vokalen im Untersuchungszeitraum I

1 2

Ausgabe

ā

ē

ī

ō (vō)

ū

Steiner-1538

20

488

1

36 (31)

70

Steiner-1539

22

482

2

49 (44)

67

Messerschmidt-1539

5

264

0

8 (8)

8

Steiner-1540

19

441

0

30 (25)

65

Steiner-1543

8

218

0

23 (22)

46

, , , können auch für stehen, das den Laut /ŋ/ repräsentiert. in Knoblochtzer-1477 in den Belegen vatt̄ (2), vat̄ und můt̄ . in Knoblochtzer-1482 in drei Belegen des Lexems ›präsentieren‹.

Verwendung von Abbreviaturen

369

Gülfferich-1549

0

93

0

3 (3)

0

Gülfferich-1554

4

101

0

6 (6)

3

Han-1556

0

12

0

2 (2)

0

Han-1562

0

29

0

2 (2)

1

Han-1564

3

56

0

9 (9)

9

Rebart/Han-1571

2

82

0

2 (2)

1

Manger-1574

1

20

0

2 (2)

0

Reffeler/Han-1577

0

17

0

1 (1)

1

Müller-1577

0

24

0

2 (2)

0

Egenolff-1578

0

14

0

2 (0)

11

Egenolff-1580

1

62

0

11 (10)

8

Feyerabend-1587

0

17

0

15 (15)

0

Tab. 64: Auftreten des Nasalstriches auf Vokalen im Untersuchungszeitraum II

Ausgabe

ā

ē

ī

ō (vō)

ū

Pfeiffer-1649

13

107

0

0

11

Endter-1672

0

6

0

0

0

Ohne Ort-1692

0

0

0

0

0

Nicolai-1692/93

0

2

0

0

0

Tab. 65: Auftreten des Nasalstriches auf Vokalen im Untersuchungszeitraum III

Ausgabe

n̄ (vn̄ )



’ (er)

dz

wz

Richel-1473/74

202 (200)

0

28

84

18

Bämler-1474

973 (972)

1

162

152

43

Knoblochtzer-1477

640 (569)

32

32

177

51

Prüss-1478

374 (367)

0

91

11

2

Knoblochtzer-1478

787 (456)

5

97

126

37

Bämler-1480

1113 (957)

2

265

211

44

Knoblochtzer-1482

264 (264)

6

59

39

14

Schönsperger-1488

567 (486)

24

209

140

29

Knoblochtzer-1491

740 (730)

0

286

197

86

Verzeichnisse und Anhang

370

Hupfuff-1506

860 (740)

1

12

38

4

Knobloch-1516

635 (457)

131

133

124

1

Tab. 66: Auftreten des Nasalstriches und weitere Abkürzungszeichen im Untersuchungszeitraum I

Ausgabe

n̄ (vn̄ )



’ (er)

dz

wz

Steiner-1538

678 (286)

182

63

79

21

Steiner-1539

753 (369)

177

63

77

24

Messerschmidt-1539

469 (321)

17

33

48

9

Steiner-1540

622 (284)

176

63

82

23

Steiner-1543

490 (234)

189

25

65

12

Gülfferich-1549

160 (107)

47

6

34

5

Gülfferich-1554

192 (131)

37

14

29

8

Han-1556

49 (18)

7

0

9

8

Han-1562

72 (43)

10

0

17

12

Han-1564

243 (162)

84

8

27

5

Rebart/Han-1571

138 (101)

22

4

4

0

Manger-1574

206 (133)

64

1

34

12

Reffeler/Han-1577

74 (47)

16

3

1

0

Müller-1577

81 (70)

26

0

4

1

Egenolff-1578

167 (92)

43

0

0

0

Egenolff-1580

269 (221)

50

2

16

0

Feyerabend-1587

126 (88)

29

1

29

0

Tab. 67: Auftreten des Nasalstriches und weitere Abkürzungszeichen im Untersuchungszeitraum II

Ausgabe

n̄ (vn̄ )



’ (er)

dz

wz

Pfeiffer-1649

144 (86)

21

0

1

0

Endter-1672

18 (10)

5

0

0

0

Ohne Ort-1692

2 (2)

1

0

0

0

Nicolai-1692/93

10 (0)

9

0

0

0

Tab. 68: Auftreten des Nasalstriches und weitere Abkürzungszeichen im Untersuchungszeitraum III

Standardisierte Benennung der Sinnabschnitte der Melusine

3.

371

Standardisierte Benennung der Sinnabschnitte der Melusine 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.

Auftrag zur Übersetzung Hochzeitsmahl beim Grafen von Poitou Aufnahme von Reimund bei Emmerich Emmerich und Reimund verirren sich / Sternenbetrachtung / Tod Emmerichs Klage Reimunds Erste Begegnung mit Melusine am Durstbrunnen / Trost und Versprechen Melusines / Reimunds Schwur / Verhaltensanweisungen Melusines für Reimund Reimunds Rückkehr an den Hof / Beerdigung Emmerichs Lehnsvergabe durch Bertram / Abmessung des Landes mit Hirschhautriemen Bertrams Verwunderung / Zweite Begegnung von Melusine und Reimund in Kapelle Reimunds Zweifel an Melusines Herkunft / Heiratsversprechen / Bitte um Heiratserlaubnis bei Bertram / Bertrams Fragen zur Herkunft Melusines und Zusage Anreise zum Hochzeitsfest Vorbereitungen zur Hochzeit Vermählung Festmahl Feierlichkeiten am Abend und Segnung durch einen Bischof Reimund erneuert seinen Schwur in der Hochzeitsnacht Ende der Feierlichkeiten und Abreise der Hochzeitsgäste / Beginn der Bautätigkeit an Schloss Lusignan / Geburt Uriens / Geburt Gedes / Geburt Gyots / Geburt Anthonius / Geburt Reinharts Geburt von Goffroy, Freimund und Horribel / Uriens und Gyots Abreise nach Zypern Kampf um Famagusta Sieg über den Sultan von Babylon Empfang durch den sterbenden König von Zypern / Uriens wird König von Zypern durch Heirat mit Hermine Tod des Königs und Heirat / Geburt von Griffon / Gyot wird zum König von Armenien eingesetzt / Heirat mit Florie Überblick über die Taten von Uriens und Gyot im Kampf gegen die Heiden Benachrichtigung der Eltern über die Taten ihrer Söhne / Gedeon heiratet die Tochter des Grafen von der Mark / Reinhart und Anthonius ziehen nach Luxemburg / Kampf gegen den König von Elsass Übergabe des gefangenen Königs an die Herzogin Christine von Luxemburg

372

Verzeichnisse und Anhang

25. Einladung von Reinhart und Anthonius in die Burg / Festmahl / Verhandlungen um Lösegeld für den König von Elsass / Freisprechung des Königs durch Eidesleistung gegenüber der Herzogin Christine 26. Beratungen über eine Eheschließung zwischen Anthonius und Christina 27. Hochzeit von Anthonius und Christina 28. König von Böhmen bittet den König von Elsass um Hilfe im Kampf gegen die Türken / Reinhart erhält Aussicht auf die Krone von Böhmen für Beistand 29. Kriegsvorbereitungen 30. Diskussion zwischen Anthonius und Christina um das Luxemburger Wappen / Schlacht um Prag / Tod des Königs von Böhmen / Verbrennung des Königs von Böhmen 31. Klage der Tochter Esglantine / Bote bringt Nachricht über Entsatz / Kampf vor Prag 32. Reinhart tötet türkischen Kaiser / Verbrennung des Kaisers 33. König von Elsass tröstet Esglantine 34. Begräbnis des Königs von Böhmen / Arrangement der Heirat von Reinhart und Esglantine 35. Hochzeitsvorbereitungen für Reinhart und Esglantine 36. Hochzeit von Reinhart und Esglantine / Vita des Anthonius und seiner Nachfahren / Goffroy erhält Nachricht über den Riesen Gedeon in Garande 37. Freimund möchte Mönch werden / Reimund und Melusine gestatten dies / Bericht über das Schicksal der Söhne / Augustinus-Einschub / Reimunds Bruder, der Graf von Forst, sät Zweifel an Melusines Treue / Reimund spioniert Melusine nach (Badszene) 38. Reimunds Erschrecken / Zorn auf seinen Bruder und die Verjagung dessen / Reimunds Selbstanklage und Reue / Reimund und Melusine übergehen das Geschehene / Goffroys Kampf gegen den Riesen Gedeon 39. Goffroy berichtet Reimund über seine Taten in Garande / Goffroy hört vom Riesen Grimmolt in Northumberland 40. Reimund berichtet Goffroy über Freimunds Klostereintritt / Aufbruch des zornigen Goffroy nach Malliers / Zerstörung des Klosters 41. Goffroys Aufbruch nach Northumberland / Nachricht über Goffroys Greueltat an die Eltern / Reimund zieht sich zurück nach Reise nach Malliers / Rat Melusines, wie Reimund mit seiner Trauer umgehen soll 42. Reimunds öffentliche Anklage von Melusine / Melusines Ohnmacht 43. Melusines Wehklage über Reimunds Verrat / Vorbereitung des Abschieds 44. Fortsetzung der Wehklage Melusines 45. Melusines Abschiedsworte 46. Melusines Ausflug / Reimunds Abschiedsworte

Standardisierte Benennung der Sinnabschnitte der Melusine

373

47. Reimunds Klage über Verlust Melusines / Landesherren führen Melusines Anweisung aus, Horribel zu töten / Melusine besucht und säugt ihre Kinder bei Nacht 48. Goffroy wird von einem Führer zum Riesen Grimmolt gebracht 49. Kampf zwischen Goffroy und Grimmolt / Verwundung und Flucht Grimmolts 50. Rückkehr Goffroys zu seinem Gefolge / Goffroy erfährt von König Helmas von Albanien und seinen drei Töchtern 51. Den Riesen Grimmolt suchend, findet Goffroy das Grab von König Helmas 52. Goffroy liest die Grabinschriften (Genealogie seiner Vorfahren) / Auf der Suche nach Grimmolt findet er ein Gefängnis / Kampf zwischen Goffroy und Grimmolt und Tod des Riesen 53. Goffroy befreit die Gefangenen Grimmolts 54. Der tote Grimmolt wird auf einem Karren dem Volk gezeigt / Goffroys Abreise nach Garande und Treffen mit dem Vater / Goffroy bricht auf zum Grafen von Forst und stellt ihn 55. Graf von Forst stürzt zu Tode / Reimunds Entschluss nach Rom zu pilgern / Abschied von Goffroy / Einsetzung Goffroys als Erbverwalter von Reimunds Besitz 56. Goffroy und Dietrich begleiten den Vater eine Tagesreise lang / Schicksal von Dietrich 57. Goffroy baut das Kloster Malliers wieder auf / Reimund beim Papst 58. Aufbruch Reimunds nach Monserrat / Wiederkehr von Melusine ans Stammschloss / Goffroy beim Papst 59. Goffroy reist nach Monserrat und besucht Reimund 60. Schicksal der Söhne Reimunds / Gis, König von Armenien, reist zum Sperberschloss 61. Gis wacht drei Tage im Schloss / Gis besteht auf Meliora als Siegespreis 62. Meliora erzählt Gis die Geschichte seines Geschlechts (Melusine ist seine Großmutter) 63. Ein Gespenst wirft Gis aus dem Schloss / Niedergang des Königsgeschlechts von Armenien 64. Ritter aus England will Palestine den Schatz von König Helmas entreißen / Kampf des Ritters aus England mit einem Drachen 65. Kampf mit einem Bären und Ungeheuer / Tod des Ritters 66. Bote berichtet vom Tod des Ritters in seiner Heimat / Bericht, dass kein Ritter das Abenteuer je bestanden hat / Goffroy hört vom Schicksal des Ritters und will selbst das Abenteuer bestehen / Goffroys Tod 67. Nachrichten über die Nachfahren von Goffroy im 15. Jahrhundert / Schlussschrift von Thüring von Ringoltingen von 1456

Verzeichnisse und Anhang

374

4.

Abkürzungsverzeichnis

ahd. alem. bair. Bl. Bll. C frnhd. hd. Ind. Konj. md. mhd. mnd. nd. nhd. O obd. oberrh. ofrk. omd.

althochdeutsch alemannisch bairisch Blatt Blätter Silbencoda frühneuhochdeutsch hochdeutsch Indikativ Konjunktiv mitteldeutsch mittelhochdeutsch mittelniederdeutsch niederdeutsch neuhochdeutsch Silbenonset oberdeutsch oberrheinisch ostfränkisch ostmitteldeutsch

5.

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

5.1

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:

oobd. ostoberdeutsch oschwäb. ostschwäbisch P. Person Pl. Plural Präs. Präsens Prät. Präteritum PrU Primärumlaut RU Restumlaut rip. ripuarisch SeU Sekundärumlaut Sg. Singular st. Verb starkes Verb SU Seitenumbruch WI wortinitiale Position WE Wortende WM Wortmitte wmd. westmitteldeutsch

Druckersprachliche Varietäten im Gefüge professioneller frühneuhochdeutscher Schreibsprachen ......................................................................... Abb. 2: Herstellung einer Folio-Quaternio (=Lage, die aus vier ineinandergeschobenen Doppelblättern besteht) ............................................................ Abb. 3: Ausschnitt aus einer Zeile der Melusine-Ausgabe Hupfuff-1506 .............. Abb. 4: Handelsrouten des 16. Jhs. ......................................................................... Abb. 5: Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben der Melusine des 15. Jhs. Abb. 6: Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben der Melusine des 16. Jhs. Abb. 7: Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben der Melusine des 17. Jhs. Abb. 8: Übersicht über die Abhängigkeitsverhältnisse der Druckausgaben des 15.–17. Jhs. ................................................................................................ Abb. 9: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Richel-1473/74 ........ Abb. 10: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und

24 79 88 97 103 111 115 116 120

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

375

Affrikaten in Richel-1473/74 ..................................................................... Abb. 11: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1477 . Abb. 12: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1477 ............................................................... Abb. 13: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1478 . Abb. 14: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1478 ............................................................... Abb. 15: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Prüss-1478............... Abb. 16: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Prüss-1478 ............................................................................ Abb. 17: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1482 . Abb. 18: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1482 ............................................................... Abb. 19: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knoblochtzer-1491 . Abb. 20: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knoblochtzer-1491 ............................................................... Abb. 21: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Bämler-1474 ........... Abb. 22: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Bämler-1474 ......................................................................... Abb. 23: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Bämler-1480 ........... Abb. 24: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Bämler-1480 ......................................................................... Abb. 25: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Schönsperger-1488 . Abb. 26: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Schönsperger-1488 ............................................................... Abb. 27: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Hupfuff-1506 .......... Abb. 28: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Hupfuff-1506 ........................................................................ Abb. 29: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Knobloch-1516 ....... Abb. 30: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Knobloch-1516 ..................................................................... Abb. 31: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Steiner-1538 ............ Abb. 32: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Steiner-1538 ......................................................................... Abb. 33: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Messerschmidt-1539.............................................................................................. Abb. 34: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Messerschmidt-1539 ............................................................ Abb. 35: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Steiner-1543 ............ Abb. 36: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Steiner-1543 .........................................................................

121 124 125 127 127 130 130 132 132 134 134 138 139 141 141 145 145 148 149 152 153 156 156 159 160 162 162

376

Verzeichnisse und Anhang

Abb. 37: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Gülfferich-1549....... Abb. 38: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Gülfferich-1549 .................................................................... Abb. 39: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Gülfferich-1554....... Abb. 40: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Gülfferich-1554 .................................................................... Abb. 41: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Han-1556 ................ Abb. 42: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Han-1556 .............................................................................. Abb. 43: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Han-1562 ................ Abb. 44: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Han-1562 .............................................................................. Abb. 45: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Han-1564 ................ Abb. 46: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Han-1564 .............................................................................. Abb. 47: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Rebart/Han-1571 ..... Abb. 48: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Rebart/Han-1571 .................................................................. Abb. 49: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Manger-1574 ........... Abb. 50: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Manger-1574 ........................................................................ Abb. 51: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Reffeler/Han-1577 .. Abb. 52: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Reffeler/Han-1577 ................................................................ Abb. 53: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Müller-1577 ............ Abb. 54: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Müller-1577 .......................................................................... Abb. 55: Bildnis Christian Egenolffs von Johann Friedrich Schmidt ....................... Abb. 56: Bildnis Christian Egenolffs von Monogrammist M ................................... Abb. 57: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Egenolff-1578 ......... Abb. 58: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Egenolff-1578 ....................................................................... Abb. 59: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Egenolff-1580 ......... Abb. 60: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Egenolff-1580 ....................................................................... Abb. 61: Bildnis des Sigmund Feyerabend ausgeführt von Jost Ammann ............... Abb. 62: Bildnis des Sigmund Feyerabend ausgeführt von Johann Sadeler ............. Abb. 63: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Feyerabend-1587..... Abb. 64: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Feyerabend-1587 .................................................................. Abb. 65: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Pfeiffer-1649 ...........

165 165 166 167 169 170 171 171 175 175 178 178 181 181 183 183 186 186 188 188 191 191 193 193 194 194 197 197 201

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 66: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Pfeiffer-1649 ........................................................................ Abb. 67: Bildnis Michael Endters von Georg Wolfgang Knorr (Stecher), Friedrich Roth-Scholtz (Verleger) ............................................................................. Abb. 68: Porträttafel: Buchdrucker- und Verlegerfamilie Endter. Christian Friedrich Gessner (Verleger)...................................................................... Abb. 69: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Endter-1672............. Abb. 70: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Endter-1672 .......................................................................... Abb. 71: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in ohne Ort-1692 ......... Abb. 72: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in ohne Ort-1692....................................................................... Abb. 73: Phonem-Graphem-Relationen des Vokalbereichs in Nicolai-1692/93 ...... Abb. 74: Phonem-Graphem-Relationen der bilabialen Frikative, der Plosive und Affrikaten in Nicolai-1692/93 .................................................................... Abb. 75: Vignette aus Nicolai-1692/93 (Bl. N8a) ....................................................

5.2 Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14: Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17:

377

201 203 203 205 205 207 207 210 210 362

Tabellenverzeichnis Übersicht über die Druckausgaben der Melusine des 15.–17. Jhs. ............ Preis bestimmter Druckerzeugnisse um 1569 ............................................ Handschriftliche Überlieferung der Melusine ............................................ Vorlagentreue der Druckausgaben der Melusine des 15. und 16. Jhs. ....... Übersicht über type-token-ratio der Ausgaben des Untersuchungszeitraums I ....................................................................................................... Entwicklung der Vokallängengraphie mit in den Ausgaben des 16. Jhs. (relativ zum Höchstwert innerhalb des Korpus) ........................... Restumlaut im Untersuchungszeitraum I ................................................... Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut im Untersuchungszeitraum I ........... Pluralumlaut im Untersuchungszeitraum I................................................. Primärumlaut im Untersuchungszeitraum I ............................................... Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ im Untersuchungszeitraum I............................. Restumlaut im Untersuchungszeitraum II .................................................. Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut im Untersuchungszeitraum II .......... Pluralumlaut im Untersuchungszeitraum II ............................................... Primärumlaut im Untersuchungszeitraum II .............................................. Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ im Untersuchungszeitraum II ........................... Restumlaut in der Sondergruppe Müller/Egenolff .....................................

65 75 94 112 152 199 218 218 219 219 220 222 222 223 223 224 225

378

Verzeichnisse und Anhang

Tab. 18: Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut in der Sondergruppe Müller/ Egenolff...................................................................................................... Tab. 19: Pluralumlaut in der Sondergruppe Müller/Egenolff................................... Tab. 20: Primärumlaut in der Sondergruppe Müller/Egenolff ................................. Tab. 21: Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ in der Sondergruppe Müller/Egenolff............... Tab. 22: Restumlaut im Untersuchungszeitraum III ................................................ Tab. 23: Primärumlaut, obd. Sekundärumlaut im Untersuchungszeitraum III ......... Tab. 24: Pluralumlaut im Untersuchungszeitraum III .............................................. Tab. 25: Primärumlaut im Untersuchungszeitraum III ............................................. Tab. 26: Sekundärumlaut wegen Suffix {-lîch} mit starkem Nebenton / Lautkombination /xt/ nach dem /a/ im Untersuchungszeitraum III .......................... Tab. 27: Abschluss des Variantenabbaus im Bereich des Vokalismus in den Untersuchungszeiträumen ............................................................................... Tab. 28: Abschluss des Variantenabbaus im Bereich des Konsonantismus in den Untersuchungszeiträumen .......................................................................... Tab. 29: Abschluss des Variantenabbaus im Bereich der Morphologie in den Untersuchungszeiträumen .......................................................................... Tab. 30: Die frnhd. Diphthongierung im Untersuchungszeitraum I ......................... Tab. 31: Die md. Monophthongierung im Untersuchungszeitraum I anhand der Graphie des Diphthongs /ʊo/ ..................................................................... Tab. 32: Nukleussenkung der alten mhd. steigenden Diphthonge im Untersuchungszeitraum I .................................................................................... Tab. 33: Senkung vor Nasal im Untersuchungszeitraum I ....................................... Tab. 34: Die am häufigsten belegten Beispiellexeme zum Graphiewechsel von und in den oberrh. Inkunabelausgaben der Melusine .................. Tab. 35: Graphie der Lexeme ›Gnade‹ und ›gnädig‹ im Untersuchungszeitraum I . Tab. 36: Graphie der Lexeme ›Glück‹, ›gleich‹ und ›bleiben‹ im Untersuchungszeitraum I ................................................................................................... Tab. 37: Palatalisierung von mhd. /ṣ/ zu /ʃ/ im Untersuchungszeitraum I................ Tab. 38: Abweichungen von der Regelgraphie im Untersuchungszeitraum I ................................................................................................... Tab. 39: Graphie des Lexems ›Kummer‹ im Untersuchungszeitraum I ................... Tab. 40: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der oberrh. Überlieferung .................................................... Tab. 41: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den beiden ersten Melusine-Drucken des 16. Jhs. (Straßburg) ..................................... Tab. 42: Graphie der Negationspartikel ni(h)t in der oberrh. und Augsburger Überlieferung ............................................................................................. Tab. 43: Graphie der Negationspartikel ni(h)t in der Sondergruppe Müller-Egenolff .........................................................................................

225 226 226 226 227 227 228 228 228 233 234 234 235 241 244 247 253 263 263 265 276 277 289 290 294 294

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

379

Tab. 44: Graphie der Negationspartikel ni(h)t in den Melusine-Ausgaben des 17. Jhs. ....................................................................................................... 294 Tab. 45: als unorganisches Dehnungszeichen in Gülfferich-1549 ................... 299 Tab. 46: als unorganisches Dehnungszeichen in Manger-1574 ....................... 299 Tab. 47: als unorganisches Dehnungszeichen in den Ausgaben der Offizin Christian Egenolffs Erben .......................................................................... 300 Tab. 48: Die Senkung der alten mhd. Diphthonge /œʏ/ /oʊ/ in den Ausgaben des 16. Jhs. ....................................................................................................... 302 Tab. 49: Die Senkung der alten mhd. Diphthonge /œʏ/ /oʊ/ in den Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff .................................................................. 302 Tab. 50: Senkung vor Nasal im Untersuchungszeitraum II mit Gesamtbelegzahl/ Belegzahl ohne die hochfrequenten Lexeme ›König‹ und ›Mönch‹ .......... 304 Tab. 51: Die Senkung des Stammvokals des Lexems ›König‹ in den Ausgaben des 16. Jhs. ....................................................................................................... 305 Tab. 52: Senkung vor Nasal in den Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff mit Gesamtbelegzahl und Belegzahl ohne die hochfrequenten Lexeme ›König‹ und ›Mönch‹ ................................................................................. 306 Tab. 53: Die Senkung des Stammvokals des Lexems ›König‹ in den Ausgaben der Sondergruppe Müller-Egenolff ............................................................ 306 Tab. 54: Synkope des be-Präfixes im Lexem ›bleiben‹............................................ 311 Tab. 55: Die Entwicklung der Distribution der Synkopierung des Präfixes geausgehend von Steiner-1538 ...................................................................... 313 Tab. 56: Varianz zwischen und im Auslaut innerhalb der Frankfurter Überlieferung des 16. Jhs. .......................................................................... 317 Tab. 57: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der ersten Hälfte des 16. Jhs. ............................................... 321 Tab. 58: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der zweiten Hälfte des 16. Jhs. ............................................ 322 Tab. 59: Quantitative Angaben zum verbalen Pluralmorphem -ent in den Melusine-Drucken der Überlieferungsgruppe Müller-Egenolff. ........................ 323 Tab. 60: Pronominalisierung in Hupfuff-1506 ......................................................... 349 Tab. 61: Einfügen einer Proform in Hupfuff-1506 .................................................. 349 Tab. 62: Tilgung einer Proform in Hupfuff-1506 .................................................... 349 Tab. 63: Auftreten des Nasalstriches auf Vokalen im Untersuchungszeitraum I ..... 368 Tab. 64: Auftreten des Nasalstriches auf Vokalen im Untersuchungszeitraum II.... 369 Tab. 65: Auftreten des Nasalstriches auf Vokalen im Untersuchungszeitraum III .. 369 Tab. 66: Auftreten des Nasalstriches und weitere Abkürzungszeichen im Untersuchungszeitraum I ........................................................................... 370 Tab. 67: Auftreten des Nasalstriches und weitere Abkürzungszeichen im Untersuchungszeitraum II .......................................................................... 370

Verzeichnisse und Anhang

380

Tab. 68: Auftreten des Nasalstriches und weitere Abkürzungszeichen im Untersuchungszeitraum III ......................................................................... 370

6.

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6.1

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7.

Personenregister

Adelung, Johann Christoph 39, 51 Alanse, Michel 135 Albertus, Laurentius 49 Albrecht, Johann 157 Ambrosius 108 Amerbach, Peter 35 Arndes, Steffen 28 Aristoteles 10 Augustinus 18, 108 Bämler, Felicitas 136, 142 Bämler, Johann 72, 75, 80, 86, 92–94, 96–98, 100–101, 105–106, 129, 135–137, 139–144, 212, 220, 236, 242, 248, 254, 258–264, 269, 271, 273, 336–338, 342–344, 346, 348, 350, 353, 355–356, 360 Bämler-Schönsperger, Barbara 135, 142 Bardtenschlager, Robert 11 Bassée, Nicolaus 195 Beck, Konrad 95

Beck, Reinhard d. Ä. 128 Berchorius, Petrus 14 Berger, Peter 136, 142 Biondi, Giovanni Francesco 203 Bircher, Martin 203 Birckmann, Franz 150 Bödiker, Johann 36 Boethius 18 Bollstatter, Konrad 97–98, 136 Brandis, Matthäus 28 Brant, Sebastian 27 Brosamer, Hans 109, 163, 359 Caesar, Wolf Dietrich 189 Camus, Jean Pierre 203 Clajus, Johannes 39, 49 Cnipius, Johannes 189 Couldrette 10, 15–18 Creutzinger, Caspar 30 Dackh, Heinrich 195 d'Arras, Jean 15, 17 Dieckmann, Johann 36

406

Donatus, Aelius 39 Drach, Peter 35, 123 Ebecken, Joachim 74 Egenolff, Christian d. Ä. 48, 72, 154, 186, 187–193 Egenolff, Christian d. Ä. Erben 109– 110, 301, 359 Egenolff, Lorenz 189 Egenolff, Margarethe 188–189 Egenolff, Paul 189 Eggestein, Heinrich 134 Endter, Georg d. Ä. 202 Endter, Georg d. J. 202 Endter, Johann Friedrich 202 Endter, Michael 202 Endter, Wolfgang d. Ä. 54, 202 Eyb, Albrecht von 98 Fabritius, Hans 211 Ferdinand III. 202 Fernández de San Pedro, Diego 200 Feyerabend, Aegidius 194 Feyerabend, Hieronymus 173 Feyerabend, Johann 173, 194–195 Feyerabend, Karl Sigmund 196 Feyerabend, Sigmund 30–31, 37, 106– 108, 163, 168, 172–173, 176, 181, 194–196, 198, 200, 205, 214–215, 310, 316–317, 324, 338, 342, 350, 355–356, 361 Fischer, Peter 195 Flach, Martin 149 Franck, David 65, 179 Franck, Matthäus 178 Frangk, Fabian 48–49, 143, 212 Freyer, Hieronymus 39 Fröhlich, Jakob 184 Froschauer, Christoph 46 Froschauer, Simprecht 76 Fust, Johannes 135 Ghotan, Bartholomäus 28 Goethe, Johann Wolfgang von 19, 39

Verzeichnisse und Anhang

Gottsched, Johann Christoph 39, 51 Gran, Heinrich 150 Gran, Jost 167 Grimm, Sigmund 154 Groß, Henning 173 Grüninger, Johannes 128 Gsell, Hans 95 Gueintz, Christian 52 Gülfferich (Han), Margarethe 163 Gülfferich, Hermann 106–108, 110, 114, 158, 161–170, 172, 187, 189– 190, 198, 202, 214, 224, 270, 272– 273, 275, 295, 298–302, 307, 309, 311–315, 317, 319–320, 322–323, 338–339, 342, 344–346, 355, 359– 360 Gülfferich, Margarethe 172, 176, 195 Gutenberg, Johannes 86 Han, Georg 163, 167 Han, Kilian 163, 176, 180–182 Han, Weigand 158, 163, 168–170, 172–173, 176, 180, 182, 189, 195 Harder, Michael 74 Harnisch, Matthäus 173 Harscher, Hans 41 Harsdörffer, Georg Philipp 52–54 Hätzlerin, Clara 32 Helber, Sebastian 42, 50–51 Herprunner, Hieronymus 95–96 Heyden, Marx von der 65 Hofer, Barbara 178 Hueber, Kristofferus 41 Hüter, Simon 172, 182, 195 Hupfuff, Matthias 27, 48, 88, 98, 103– 105, 112–113, 146–151, 212, 221, 229–230, 238–239, 242, 246, 254– 255, 259–262, 264–265, 267, 269, 271, 274, 276–278, 280, 284, 293, 337–338, 344, 346, 349–351, 354, 360 Huseneck, Rudolf 42

Personenregister

Ickelsamer, Valentin 41, 45–47, 50, 59 Innsbruck, Eleonore von 56 Intz, Ermel 180 Intz, Katharina 167, 176 Intz, Peter 167 Jobin, Bernhard 173 Jordan, Peter 47 Karl IV. 33 Kaysersberg, Johann Geiler von 30 Knobloch, Johann d. Ä. 75, 80, 104– 105, 110, 112, 146, 149–150 , 157, 159, 213–215, 221, 281, 302, 306– 308, 338, 346, 350, 355–356 Knobloch, Johann d. J. 157, 332 Knoblochtzer, Heinrich 39, 72, 96, 101–102, 122–126, 131–135, 140, 147–148, 336, 338–338, 343, 353, 355–357, 360 Koberger, Anton 73 Köpfel, Philipp 168 Kolross, Johannes 46–47, 174, 311 Kromayer, Johannes 52 Kungschaher, Jakob 92, 117 Kurfürst Johann Georg von Sachsen 209 Langenstein, Hugo von 258 Lautensack, Heinrich 172 Locher, Paul 11 Lonicer, Adam 188 Ludwig von Anhalt-Köthen 52 Lufft, Hans 30 Lusignan 14–15, 17 Paracelsus 184 Perna, Peter 173 Petrarca-Meister 154 Pfeiffer, Lorenz 199 Pfeiffer, Michael 113–114, 199–200 Pittner, Hans 72 Plantin, Christoph 239 Pleningen, Dietrich von 41 Portenach, Johann von 98

407

Luther, Martin 30, 36–37, 43–46, 48– 49, 143, 212 – 213, 232, 256 Mandeville, Jean de 117, 128 Manger, Michael 108, 177–180, 354, 356, 359 Marini, Giovanni Ambrogio 203 Martini, Ludwig Günther 208 Maximilian I. 48, 142 Megenberg, Konrad von 98 Meichszner, Johann Elias 48–50, 211 Melanchthon, Philipp 44, 49 Mentelin, Johannes 43, 73, 75, 128, 135, 147 Messerschmidt, Georg 112, 157–160 Meyer zum Pfeil, Niklaus 95 Michel, Francisque 16 Montemayor, Jorge de 203 Mozart, Leopold 38 Müller, Christian d. Ä. 184 Müller, Christian d. J. 107–109, 184– 186, 226, 230, 317, 319 Nassau-Saarbrücken, Elisabeth von 56 Neithart, Hans 41 Nerlich, Nikolaus 65 Nettesheim, Heinrich von 65 Nicolai, David 114, 208–210 Niemann, Anna 199 Ölinger, Albert 49 Opitz, Martin 51 Oporinus, Johann 173, 196 Oswalt, Hans 142 Pallavicini, Ferrante 203 Pottenstein, Ulrich von 98 Prüss, Johann d. Ä. 102–103, 128–129, 146–147, 149, 336–337, 356, 360 Prüss, Johann d. J. 128 Queck, Paulus 196 Quedlinburg, Johannes von 337 Rab, Christoph 172 Rab, Georg 49–50, 163, 168, 172–173, 176, 195, 232, 317, 356

408

Ramminger, Melchior 27 Rasch, Johann 194 Ratke, Wolfgang 51–52 Rebart (Han), Katharina 163, 176 Rebart, Thomas 163, 168, 173, 176, 195 Reffeler, Paul 163, 176, 180–182 Reuchlin, Johannes 150 Richel, Bernhard 75, 92–93, 95, 97– 98, 101–102, 106, 117–121, 123– 125, 129, 135–138, 140, 212, 232, 336–337, 339, 342–343, 353, 357, 359 Richel, Josias d. Ä. 158 Richter, Johann Victorin 208 Riederer, Friedrich 41 Ringoltingen, Rudolf von 17 Ringoltingen, Thüring von 10, 14–18, 56, 92–93, 95, 108, 114, 117, 215, 272, 321, 341, 362 Ritter, Stephan 51, 53 Rolevinck, Werner 117 Röteln-Sausenberg, Rudolf IV. von 56 Rottenburg, Mechthild von 56 Rudel, Bonifacius 161 Rüger, Thomas 142 Rüther, Christoph 95 Rynmann, Johannes 42 Sabon, Jakob 189 Sattler, Rudolf 51, 53 Sauerloch, Sixt 136 Schaur, Johann 142 Schobser, Johann 142 Schöffer, Peter 135 Schönsperger, Anna 142 Schönsperger, Johann d. Ä. 40, 48, 72, 105, 129, 135, 142–143, 212–213, 330, 337, 344–346, 348, 350, 355 Zainer, Johann 123, 142 Zeissenmair, Lukas 136, 142

Verzeichnisse und Anhang

Schönsperger, Johann d. J. 153 Schöpf, Heinrich 51 Schottelius, Justus Georg 51–52 Scudéry, Madeleine de 203 Seneca 18 Sorg, Anton 72, 135–136, 142 Spilman, Konrad 42 Steiner, Heinrich 72, 74, 80, 106–107, 109–110, 153–161, 164, 170, 185, 187, 190, 213–215, 224–226, 231, 272, 295, 300–303, 312–326, 338, 342, 344 – 346, 350, 357, 359 Steinhöwel, Heinrich 41, 146 Steinmeyer, Paul 189 Steinmeyer, Vincenz 189 Steinschaber, Adam 15 Stubenberg, Johann Wilhelm von 203 Thum, Nikolaus 136 Tischmacher, Michael 122 Tröster, Jacob 173 Urbach, Wilhelm von 95 Vogler, Magdalena 157 Volckerts, Henrich 199 Wagner, Peter 123 Walther, Christoph 30, 355 Welser, Markus 179 Widmanstetter, Johann Albrecht 28 Willer, Elias 196 Willer, Georg 172 Willer, Georg d. Ä. 179 Willer, Ruland 196 Wimpheling, Jakob 128 Wissach, Hans 95 Wolf (Augsburger Buchbinder) 136 Wolf, Hieronymus 44 Wyle, Niclas von 40–41, 56, 211 Zainer, Günther 29, 72, 75, 136–137, 142, 360 Zesen, Philipp von 53 Zöpfel, David 194

Wortregister

8.

409

Wortregister

Abend 250 Abenteuer 149, 151, 155, 169, 200, 209, 237, 250, 251, 252, 253 abstehen 284, 285, 318, 319 allbeide 190 allzeit 119 als 344 also 344–345 alt 218, 221, 222, 225, 227, 259 an 155, 161 angehen 159, 319 anrühren 209 anstehen 254, 284, 285, 319 Apfel 256 Ärgernis 286, 320, 327 Atem 169, 254 auch 244, 245, 246 auf 237, 238, 240, 245, 247, 296, 297, 331 Aufenthalt 133 auferstehen 319 aufstehen 284, 319 Auge 143, 246 Augenblick 274 Augsburg 274, 275 aus 238, 240, 247, 297, 331 backen 127 Bad 273 Bahre 275 bald 274 barmherzig 274 Barmherzigkeit 274 Bauch 119, 274 bauen 125, 131, 133, 137, 143, 151, 155, 156, 159, 161, 164, 167, 169, 174, 177, 179, 185, 192, 197, 200, 244–245 bedecken 127 bedeuten 271

Bedrängnis 273, 327 befehlen 174, 180, 198, 312 begeben 250, 251, 252, 254 begehen 284, 285, 313, 318, 319 begehren 312 Begierde 298, 300 beginnen 120, 312–313, Begräbnis 217, 219, 221, 223, 225, 226, 228, 285–286, 320, 327 begrîfen 98 behalten 312 behilflich 309, 310, 325 bei 238 Bein 143, 179 beistehen 319 bekehren 309, 312 bekümmern 206, 312 Bekümmernis 327 beleiten 143 bereiten 143 Berg 274 berühmt 155, 174, 177, 182, 198, 209, 231 beschauen 185, 245 bescheiden 129 beschicken 312 beschirmen 308, 312, 314 beschließen 265 beschreiben 314 Beschwerung 312 besondern 305 besonders 248, 303, 304, 312, 313, 314 besonnen 324 besorgen 312 Besorgnis 286, 320 besorgt 313 besser 274 best- 258

410

bestätigen 225, 312 bestehen 148, 284, 285, 312, 318, 319 Betrübnis 320, 327 betrübt 312 betrügen 311 Bett 149, 151, 155, 169, 200, 230, 258 Beule 275 beweisen 312, 313 bezaubern 140, 143, 245 bezeichnen 140 bezeugen 237 bezwingen 140, 313 Bildnis 327 bis 274 blasen 250, 252, 254, 274 blau 143, 155, 156, 159, 161, 164, 167, 169, 174, 177, 179, 185, 192, 197, 200, 204, 244–246 bleiben 236, 242, 262, 263, 264, 311 bleich 274 Blut 209, 230 Boden 96 Böhme 180 Böhmen 209, 309–310, 325 Böhmerland 310 böhmisch 180, 209, 310 Bote 209, 230 Botschaft 274 brechen 274, 326 brennen 274 bringen 250, 252, 253 Britannier 185, 192 Bruder 206, 242, 274, 299 brüchig 274 Brunnen 274 Brust 138, 274 Buch 242, 298 Büberei 297 Büchlein 297 bücken 274 Büschel 275

Verzeichnisse und Anhang

Burg 282, 283 Busen 274, 299 dâ 251, 344–346 dâ/dô 249 Dach 270, 271, 272 damit 254 danach 251, 252 Dänemark 271 dar 249, 250 dâr 250, 251, 252, 253, 254 Dardonien 114 darin 159, 297 darum 252, 276, 326, 346–347 das 211, 213, 216, 217 dass 211, 213, 216, 217 dazu 242 Degen 273 dein 238 demnach 347 demütiglich 133 denken 250, 251, 252, 253, 312, 313 denn 346 der 346, 350 derhalben 347 derselbig 350 dessen 347 deuten 271 deutsch 237, 271, 272 Dichter 271, 272 die 346 diot 271 dô 251, 343 Dörflein 297 Drache 271, 272 Drachen 271 Drang 271, 272 drängen 271, 272 drei 119, 259–260 Dreifaltigkeit 167, 271 drohen 270, 271, 272 drucken 270, 271

Wortregister

du 275, 278, 315, 326 Durstbrunnen 271, 272 durstig(lîch) 273 ehe 125, 131, 133 Ehe 131, 133, 138 ehelich 159 Ehre 113, 131, 133, 155, 159 ehren 155 ehrlich 159 ehrlos 125, 159 eigen 143 eilen 248 eingehen 319 einnehmen 159 Eintrag 236, 297 Elsässer 217, 219, 220, 221, 223, 224, 226, 228 empfangen 278, 279, 315 empfehlen 169, 174, 182, 316 empfinden 316 -ent 287, 288, 289, 291, 321, 322, 323, 332, 333 er 155 Erbarmen 105 Erbarmnis 327 Erbe 113 erbidemen 256, 257 Erdreich 236, 297 erfahren 166 ergehen 284, 285, 318, 319 erlauben 244 erlaufen 245 erschlagen 266, 267 erschrecken 127 erschröcklîch 258, 259, 307, 309, 310, 325 ertauben 245, 269 ertöten 141 erzählen 217, 219, 220, 221, 223, 226, 228, 308 erzeigen 125, 140, 143

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es 155 essen 250 euch 119, 237, 239 fahren 166, 174, 180, 198, 209 fangen 250, 251, 252, 279 Farbtröpflein 297 feige 143, 147 Feind 237 feindlich 236, 237 Felsen 258 Feuer 237 finden 288, 312, 314 Finsternis 286, 320 fleißig(lîch) 236 fliehen 312, 313 fragen 250, 251, 252, 253, 312, 313 Frankreich 297 Frau 123, 125, 131, 133, 137, 143, 148, 151, 155, 156, 159, 161, 164, 167, 169, 174, 177, 179, 185, 192, 197, 200, 244, 246 Freiburg 185, 236, 297 fremd 256, 257, 259, 276, 277, 278, 308, 315, 326 Freude 245, 246 Freund 133, 237–238 freundlich 237, 297 Freundschaft 237, 238 froh 198 fromm 248, 249, 303, 304, 305 Frömmigkeit 248, 303 früh 209 führen 166, 174, 198, 209 für 206 Fürstentum 242, 298, 300 Fuß 299 Gabe 180, 250–252 Gast 217, 219, 221, 223, 225, 226, 228 Gebärde 313 Gebäude 312 geben 250, 252

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gebieten 275 geboren 275, 312, 313 gebrechen 312 gebresten 312 Gebrüder 138 gebühren 209, 275, 312 gebührlich 209 Geburt 200, 274 gefallen 312 gefangen 312, 313, 314 Gefängnis 286, 320, 327 Gefecht 312 gehen 138, 159, 250, 251, 252, 283, 284, 285, 318, 319, 329, 332 gehören 313 gehorsam 312 Gelegenheit 312 Gelöbnis 320 Gelübde 262, 263, 299, 311 Gemahl 166, 174, 180, 312–313 gemein 312 gemeinîclîch 313 Gemüt 169, 198, 206, 312 gen 169, 174, 182, 192, 231 geraten 177, 198 Geschäft 312–314 geschehen 174, 190, 279, 312, 313, 314, 318 Geschichte 312 Geschlecht 221, 266, 312, 313, 314 Geschöpf 312 Geschoss 313 Geschrei 312 Geschwister 258 gesehen 174, 180 Geselle 256, 312 Gesellschaft 312 gesipt 312 Gespenst 312, 313, 314 Gestalt 312 Gestirn 312, 313

Verzeichnisse und Anhang

gesund 312 Getöne 120, 129, 182, 198, 269 getreu 237, 313 geturren 149, 155 Gewalt 312 gewaltig 312, 313, 314 gewaltiglich 133 Gewerbe 313, 314 gewinnen 248, 249, 305, 312, 313, 324 gewiss 312, 313, 314 Gewissheit 312 gewöhnlich 182, 198, 209, 312 Gezelt 140, 314 Glaube 244, 245, 262, 263, 311 glauben 246 gleich 238, 262, 263, 311 gleichen 236 Glück 127, 262, 263, 311 Gnade 250, 251, 252, 253, 262, 263, 311 gnädig 217, 218, 220, 222, 225, 226, 227, 262, 263, 311 golden 324 gönnen 248–249, 305 Gotteshaus 144 Graf 250–253 Gräfin 148 grausam 197, 200 grausamlich 179 grauslich 200 greußlich 237 Gurt 299 gut 209, 241, 242, 299, 300 Haar 209 haarig 209 haben 218, 219, 221, 223, 226, 228, 229, 278, 279, 287, 312, 315, 326, 332 halten 312 Hand 282, 283, 316, 317 Härte 259

Wortregister

hauen 125, 143, 185, 200, 246 Haufen 246 Haupt 244–245 Haus 137 heben 298, 299 Heer 258 helfen 325 Hellebarte 274 her 119 Herberge 258 hernach 250, 251, 252 Herold 308 Herzogtum 131, 298, 300 Heu 243 heute 237 hier 180, 344 Hilfe 256, 307, 309, 310, 325 Hindernis 273, 286, 320, 327 hinein 297 hinter 268 hinterziehen 140 Hirschhaut 237 Historie 185 Hochzeit 140 Hof 211 hoffen 211 ihn 211, 213, 215, 217 ihnen 191 ihr 180, 185, 191 immer 108 in 211, 213, 215, 217 inbrünstig 274 Jahr 250, 251, 252 Jammer 250, 251, 252, 254 jetzt 281, 316 Jungfrau 177, 244, 246 Kaiser 204, 206, 209 kaltwasser 109 Kammertür 125 kaufen 246 kehren 259, 260, 307, 308

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kein 292 Kind 307 Kindbett 275 kläglich 217, 220, 221, 224, 226, 228 Knäblein 297 Knäuel 237 Knie 256, 257, 259 kommen 96, 249, 276, 277, 315, 326 König 248, 249, 299, 303, 304, 305, 324, 328 können 248, 249, 324 kraftwasser 109 krî 236 kühn 209 Kümmernis 286, 303, 320, 327 Kummer 119, 248, 249, 276, 315 Land 282, 283, 316, 317 lassen 211, 250, 251, 252, 253, 279, 281, 312, 332 lästerlich 148 laufen 245 legen 279, 280, 281 Leib 282 leider 143 -lein 297 leisten 179 lesen 211, 312 Leute 200, 237–238 liegen 279, 280 loben 312 Löchlein 236, 297 lügen 311 Lützelburg 197, 317 machen 278, 312, 313, 314 Macht 161, 180, 312 mächtig 217, 220, 221, 224, 225, 226, 228 Magd 279–280 Mahl 164, 166, 174, 180, 185, 190 Mai 174, 200 mal 161, 250–253

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man 211, 212, 213, 214, 217 Mann 211, 212, 213, 214, 217 männlich 148, 217, 220, 221, 224, 225, 226, 228 Mär 180, 185, 198, 211, 212, 213, 214, 217, 225 Maß 250–252 Mauer 179, 185, 192, 197, 200 Maul 119 Meer 211, 212, 213, 214, 217, 258, 259, 260, 308 Meerfee 123, 129, 260, 308 Meerwunder 260 mehr 155, 159, 211, 212, 213, 214, 217 mein 211, 236, 238, 240 meinen 143 Meinung 143 Minne 211 mischen 256 missegehen 159, 284, 318, 319 missraten 177, 198 mögen 248, 249, 292 Mönch 248, 303, 306, 310, 324 müssen 278, 298, 299, 315 Muhme 209, 299 Mut 169, 198, 200, 209, 230, 299 Mutter 299 nach 250–254 Nachkomme 250 nächst 218, 220, 221, 222, 225, 227 nahe 250, 252 nahen 190 nämlich 218, 220, 224, 226, 228 nehmen 250, 251, 252, 254, 276, 312, 315, 326 nennen 312, 313, 314 nicht 291, 292, 293, 294 nichts 119 nie 180 niemand 180, 281, 316

Verzeichnisse und Anhang

nimmer 256, 257, 259 -nis 285, 286, 287, 320, 326, 327, 329 noch 252 Not 155, 169, 180, 198, 200, 209, 230 nun 119, 124, 344–346 oder 346 offenbaren 312 ohne 174, 180, 185, 198 Ohnmacht 180, 185, 198, 260, 311 ohnmächtig 180, 260 Ohr 164, 198 Otenpleg 114 Partei 200 persönlich 209 Pferd 282, 283, 316, 317 Plan 250 prüfen 261, 314 Rat 119, 155, 169, 174, 177, 185, 198, 200, 209, 230, 231 raten 177, 182, 198, 209, 250–252 reden 139, 141 reich 237 -reich 297 reichlich 236 Reichtum 243, 298, 300 reiten 125, 143, 236, 307, 308 Reiter 325 reuen 237 Riese 164, 169, 176, 177, 182, 198 Ringmauer 164 Ritter 133 ritterlich 133 rot 200, 209, 230 Ruhe 166, 174, 299 Saal 169, 180, 185 Sache 211 sagen 279–280, 312 Saitenspiel 143, 173, 242 Samen 209, 250, 254 Samstag 276, 315, 326 säugen 245

Wortregister

säumen 143 Schäflein 236, 297 Schar 209 schauen 125, 133, 137, 143, 151, 155, 156, 159, 161, 164, 167, 169, 174, 177, 179, 192, 197, 200 schicken 127, 313 Schlag 101, 267 schlagen 265, 267, 279, 282, 299, 313 Schlange 266 Schloss 266, 267 Schlüssel 266 schmal 266, 267 schneiden 265 schnell 265, 267 schreiben 312 schreien 129, 143, 176, 177, 182, 198, 205, 207, 209 Schuh 166, 174, 198, 209, 299 schutzglene 101, 114 schwanger 266–267 schweben 266 schweigen 129, 265, 267 Schwein 266 schwer 265, 266 Schwert 265, 266, 267 Schwester 256, 266 schwören 256, 258, 259, 266, 267, 307, 308, 310, 312, 325 Schwur 298 segnen 312, 313 sehen 166, 169, 174, 180, 190, 211, 250, 251, 252, 279, 312, 318 sehr 164 sein (Possessivwort) 211, 213, 216, 217, 236, 238 sein (Verb) 211, 213, 216, 217, 250, 251, 252, 253, 278, 295, 312, 315, 326, 329 seither 236 selbst 281, 316

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senden 312, 314 setzen 312 Sieg 298, 300 Sinn 211 sitzen 250–252 so 346 Sohn 119, 182, 185, 198, 209, 248, 304, 305 sollen 278, 287, 315 sonderlich 305 sondern 303, 304, 305 Sonntag 248, 269, 303 sonst 303, 304, 305 Sprache 155, 180 sprechen 250, 251, 252, 253, 288, 313 Stäblein 236, 297 Stadt 217, 219, 221, 223, 226, 228, 259 stählern 169, 180, 198, 220 stark 127 Stärke 218, 221, 222, 225, 226, 227 stechen 312, 314 stehen 133, 138, 155, 159, 241, 242, 250, 251, 252, 253, 255, 283, 284, 285, 298, 299, 300, 306, 318, 319, 329, 332 sterben 313 stets 108 Steuer 237 stiften 313 Straße 250 Stroh 161, 164, 166, 174, 185, 191, 198 suchen 241, 242, 298, 299, 300 Tag 282 Tal 169, 200 tanzen 269, 312 Tat 169, 200, 209 tausend 270 Teil 155, 169, 200, 209

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teuer 151, 155, 169, 200, 209, 236– 237 Teufel 237 Tier 133, 149, 155, 200, 209 Tisch 269 Tochter 269–270 Tod 133, 268 tödlich 269 Ton 269 Tor 120, 124, 129, 131, 138, 139, 144, 149, 151, 169, 200, 209, 270 töricht 101, 269 tot 139, 268 töten 269 tragen 280 translatieren 98 trauen 125, 131, 133 Trauer 137, 164, 167, 169, 174, 177, 179, 185, 192, 197, 200 traurig 164, 167, 169, 174, 177, 179, 185, 192, 197, 200 treffenlich 101 treiben 313 Treue 237 Trompete 325 Trompeter 305, 325 Tröpflein 236 Tüchlein 236 Tür 129, 131, 133, 149, 151, 155, 169, 200, 209, 236 Türke 127, 149, 151, 206 -tum 124, 129, 133, 149, 151, 155, 169, 200, 209, 241, 276, 277, 278, 298, 300, 315, 326 tun 120, 124, 125, 129, 131, 133, 138, 139, 144, 149, 151, 155, 169, 200, 209, 230, 241, 242, 250, 251, 252, 253, 254, 268, 299, 306, 307, 313 Turm 125, 131, 169, 200, 209 Turmherr 139, 144 Übel 119

Verzeichnisse und Anhang

über 119 übersehen 278 Übung 119 um 276, 315, 326 umbesâzen 276 umbringen 326 umfangen 276 umgeben 276, 326 umkommen 276, 326 umsâzen 326 und 343, 345–347, 351 Unehre 159 unehrlich 155, 159 ungefähr 185 Ungeheuer 236–237 Unglaube 245 ungläubig 245 Ungläubige 244, 246 Unmut 198 unsäglich 119, 218, 220, 221, 224, 226, 228 unschuldig 119 unter 180, 268 untergehen 284 Unterlass 250, 251, 252, 254 unterstehen 159, 284, 318–319 untertänig 124, 126, 169, 200, 209 Untreue 237 unwîslîch 236 Urlaub 161, 244–247, 282, 302 vâlânt 114, 144 verargwöhnen 174, 180, 198 verbergen 274 Verdammnis 286, 320, 327 verderben 258, 270, 273 Verderbnis 286, 320 vergönnen 324 verhängen 218, 219, 221, 223, 226, 228 verhauen 179, 192 verheeren 258

Wortregister

verheiraten 200 verleihen 174 vermählen 148, 166, 169, 190, 198, 218, 219, 220, 221, 223, 225, 226, 228 vermögen 248 Verräterei 174, 198, 236 verschmähen 250, 266 versehen 166, 174, 190, 191 Verständnis 286, 320 verstehen 242, 285, 318, 319 vertreiben 236 verwirken 256, 257, 260, 307, 308, 310, 325 verzaubern 245, 246 Vetter 259 viel 164, 167, 175, 198, 209, 242, 298, 300 vielleicht 299 vollbringen 274 Vorreiter 260, 307, 308, 325 vürbaz 106, 304 wachsen 300, 312, 313 wahr 250, 251 Wahrheit 250, 251 Wahrzeichen 254 Waise 125, 129, 143, 151, 159, 173, 177, 179, 182, 196, 200, 204, 206, 209 wann 346 Wappen 250, 251, 252 wehe 138 Wehr 159, 258, 308 wehren 258, 260, 308 Weib 282 weich 125 weil 211 weinen 143, 179 Weisheit 236 weiter 273 welch 258, 259, 307, 308

417

wenden 312 werden 256, 257, 259, 260, 278, 287, 307, 308, 315, 326 wert 209 Wert 200 widerfahren 166, 174, 180 widerstehen 284, 285, 318, 319 wie 176, 339, 344 wiederum 326 Wiesmat 164 Wille 211 Wirt 200, 209, 257, 260 wissen 256, 289, 313 wohlmögend 248 Wohlfahrt 209, 231 Wohnung 185, 198 Wolfshaut 161 Wunder 119 würdig 256, 258, 259, 308, 310, 325 Zahl 185 zähmen 148 Zahn 138, 185 Zauberei 179 zaubern 143, 246 zeigen 125, 140, 143, 261 Zeit 119 zerbrechen 114 zergehen 284, 318 zerschroten 114 ziehen 288, 314 zîhen 119, 147 zu 120, 131, 241, 242, 299, 300 zucken 140 züchtiglich 133 zugehen 318 zum 298, 300 zusammenlesen 98 zustehen 159 zwei 143 Zweifel 237, 238 zwischen 256, 257, 258, 259

Verzeichnisse und Anhang

418

Zypern 185, 192, 205, 207, 209

zyprisch 185

9. Sachregister Abbreviaturzeichen 161, 169, 173, 232 Abhängigkeitsverhältnisse 93–116 Affrikatgraphie für /ts/ 120, 124, 125, 131, 138, 140, 144, 356 Alphabetisierung 68–69, 354 Analogisten 52 Anomalisten 52 Assimilation 275–279, 315–316, 326 Augsburger Drucksprache 29, 32–33, 48, 142, 177, 234–236, 242–243, 246, 248–249, 254, 258–262, 264– 265, 269–271, 273, 277–287, 289– 291, 295, 299, 302–304, 310, 328– 332, 352–353, 355, 357 Auslautverhärtung 282–283, 316–318, 332 Autonomie der Schriftsprache 22, 60, 264, 278, 282, 313, 328, 334–335, 341, 347, 351, 353, 358 Bibeldrucke 30–31, 36–37, 39, 361 Buchdruckerbeziehungen 142–143, 146–147, 149–150, 153–154, 157– 158, 161, 163, 167–168, 172–173, 176, 178–179, 184, 187, 194–196 Buchanzeigen 72 Buchführer 73, 118, 135, 142–143, 163, 179, 194–195, 202 Buchhandel 70–77, 96–97, 118, 135– 136, 173, 188, 195, 202 Buchillustration 81–82 Buchpreise 73–75, 354 Dekodierungsperspektive 354–355 Dentalplosivgraphie 267–273 Deutsche Übersetzung 17

Dialektaler Einfluss (Druckerherkunft) 118, 126, 128, 172, 176, 177, 180, 231–232, 240, 246, 252, 266–267, 273, 353, 356 Diphthonggraphie / 119, 123, 125, 129, 133, 137, 140, 143, 147, 151, 155, 159, 160–161, 164, 166, 169, 173, 177, 179, 182, 185, 190, 192, 196, 200, 204, 206, 209, 330, 356 Diphthonggraphie 119, 123, 125, 129, 133, 137, 139, 143–144, 148, 151, 155, 159, 161, 164, 167, 169, 174, 177, 179, 182, 185, 190, 192, 197, 200, 204, 206, 209, 230, 354 Diphthonggraphie 182, 185, 204, 206, 209, 230 Doppelte Negation 291–293 Drucksprachen 23–26, 29, 36, 49, 53, 136, 229, 232, 353, 361 Druckersprachen 22–24, 29, 118, 134, 170, 231, 295, 328–330, 353, 360 Druckprogramm 117, 122–123, 128, 136, 142–143, 146, 150, 153–154, 157–158, 163, 168, 172–173, 176, 179, 181–182, 184, 187–188, 195– 196, 199–200, 202–203, 208, 356 -Graphie 119, 123–125, 129, 133, 137, 139, 144, 148, 151, 155–156, 159, 161, 164, 167, 169, 174, 177, 180, 182, 185, 190, 192, 197, 205, 206, 209, 230, 268, 316–318, 332 Editio princeps 92–93

Sachregister

Eingriffe der Drucker 30–31, 46–47, 144, 159, 164, 295, 313–314 Einheitsplural -ent 287–291, 321–324, 332–334 Enklise der Pronomens du 275, 315, 326 Entrundung 258, 261–262, 264, 330 Entstehung des Neuhochdeutschen 31– 38, 357–358 Epithetisches /t/ 281, 316 Erfindung des Buchdrucks 22, 31–32 Etymologisches Prinzip 47, 50, 53, 60 Frankfurter Drucksprache 37, 179– 180, 182, 298–301, 305, 309–310, 319, 323–324, 332 Französische Überlieferung 15–16 Frühneuhochdeutsch 21–23 Frühneuhochdeutsche Diphthongierung 234–240, 243–244, 259, 296–298, 331 Frühneuhochdeutscher Prosaroman 54–58, 90, 117, 146, 150, 154, 158, 184, 195–196, 202–203, 208, 347, 351, 352 Genealogie zur Herrschaftslegitimation 15, 17 gemeines teutsch 32–33, 39, 41–42, 246–247, 255, 286–287, 320–321, 330 -Graphie 169, 174, 177, 182, 192, 200, 204, 206, 209 -Graphie 119, 123, 126, 129, 133, 137, 139, 144, 148, 151, 155–156, 159, 161, 164, 166, 169, 174, 177, 180, 182, 185, 190, 192, 197, 204 206, 209, 283, 316–317, 332 Grammatikschreibung 39–41, 45–52, 172 , 204, 206, 208, 231, 324, 352, 355, 357 Graphotaktische Graphien 229–230, 232, 283, 317

419

Handschriftliche Überlieferung 16, 93–99 Historische Wunderbeschreibung 18 Homonymendifferenzierung 50, 120, 124, 126, 129, 133, 138, 144, 149, 151, 155, 161, 182, 193, 198, 200, 207, 209–217, 230, 257, 355 Hyperkorrektion 258 -/-Graphie 120, 124, 126, 129, 133, 149, 151, 155, 159, 161, 164, 167, 169, 175, 177, 180, 182, 185, 192, 198, 205, 206–207, 209 Innovation 18, 159, 182, 353, 355, 357, 361 Interpunktion 341–343 Kanzleiwesen, -sprache 25, 28, 32–33, 36, 41–42, 48, 50, 53, 240, 333 Kapitelüberschriften 335, 339–340, 355, 359–360 Kompilation 95–98, 105, 110 , 136 Konfessionalisierung der Schreibsprachen 26–27, 29, 330–331, 333, 361 Kontraktionsgraphien 279–280, 332 Koordinierendes und 345–347, 351 Korpuslinguistik 61–62 Korrektor 126, 131, 150–151, 161, 208, 229, 231–232, 240, 245, 266, 356–358 Kürzung in der Nebensilbe 236, 297 Layoutforschung 70 Leseforschung 67–69 Lesepublikum 67–68, 75 Literaturwissenschaft 13 Luthersprache 36–37, 43–45, 49, 211– 212, 256, 333 Mahrtenehe 14 Marktstrategische Druckgestaltung 147, 189, 267, 329, 358 Medienverschiebung im Bairischen 273–275, 333, 355

420

Mitteldeutsche Monophthongierung (u-Graphien) 119–120, 124, 126, 129, 131, 133, 138, 140, 144, 151, 155, 159, 164, 180, 240–243, 247, 298–301, 328, 331, 355 Mitteldeutsche Senkung 247–249, 303–306, 324–325, 332 Morphologische Schreibungen 217– 229 Nachdrucke(r) 142, 157 Negation 291–295 Negationspartikel nicht 293–295 Niederdeutsche Drucksprache 28, 39, 45 Nukleussenkung der alten mhd. steigenden Diphthonge 243–247, 301–303 Oberrheinische Drucksprache 42, 234, 242, 250, 261, 264, 268–269, 283– 285, 287, 289, 296, 331–332, 352, 356 Oberrheinische Verdumpfung 249– 255, 259–260, 306–307, 332 Ostmitteldeutsch 208, 231, 268, 270, 310, 356–357 Palatalisierung 264–267 Prestigesprache 32–34, 38, 45, 48, 51, 287, 330, 355, 358 Produktionsprozess im Buchdruck 29, 77–80 Pronominalisierung 347–351, 360 Reformation 33, 40–44, 99, 106, 150, 154, 188, 212, 215, 231–232, 330, 357–358 Rekurrenz 348, 350, 360 Rezeptionsgeschichte 19 -Graphie 155, 174, 177, 182 Rundung 255–260, 307–311, 325–326, 332, 353, 355 Schulwesen 40–44, 51–52, 188, 333 Schwäbische Diphthongierung 330

Verzeichnisse und Anhang

Setzerfehler 107–109, 114, 297 Setzersprachen 23–24, 134, 231–232, 237, 246, 256, 260, 329, 361 Setzerwechsel, -abhängigkeit 29, 124, 140, 232, 244, 248, 256, 266, 268, 273, 305, 306, 309, 316, 320, 328– 329, 357 Setzkasten 239 Shibboleth 240, 297, 331 Silbische Schreibungen 229 Sprachlandschaft 255, 267–268, 279, 283, 286–287, 327–328 Sprachausgleich (Adaption, Vereinheitlichung) 27, 34–36, 47– 48, 151, 211–212, 227, 229–232, 237–238, 243, 245–247, 251, 255, 262, 270, 274–275, 280, 285, 329 Sprachgesellschaften 51–52, 54, 203, 206 Sprachpurismus 51, 204 Substantivsuffix -nis/-nus 285–287, 320–321, 327 Synkope von ge-/be- 165, 167, 169, 262–264, 311–314, 356 Text-Bild-Relation 80–83, 102, 336, 338, 358–359 Textkohäsion 336, 341, 343, 347–348, 350, 358 Tituli 335–340, 345, 350 – 351, 355, 358–360 -Graphie 120, 124–125, 129, 133, 138–139, 144, 149, 151, 155, 159, 161, 169, 185, 200, 205–206, 209, 230 Überlieferungslücke 65, 99, 114–115, 199 Umlautgraphie 119, 123, 126, 129, 133, 137, 139, 144, 148, 151, 155, 159, 161, 164, 166, 169–170, 173, 177, 179, 182, 185, 192, 200,

Sachregister

204, 206, 209–210, 213–214, 217– 229, 352 Unorganisches 241–242, 298– 300 Verbum substantivum sein 295–296 Vertextungsmuster 343–344, 360 Vokallängengraphien 119, 126, 129, 133, 139–140, 144, 148, 151, 155, 159, 161, 164, 166, 169, 174, 177, 180, 182, 185, 190–191, 192, 198– 199, 205, 230–231, 332 Volksbuch 57, 136, 154, 163, 184, 189, 208

421

Vorlagenabhängigkeit 18, 27, 29, 113, 149, 179, 190, 192, 206, 213, 229, 232, 246, 259–260, 269, 270, 285, 295, 297, 301, 310, 315, 324, 329, 356, 361 Vorlagenbearbeitung 146–147, 185 Wittenberger Drucksprache 30, 36–37, 231 Wortinitiales 133 Wurzelverben stân/gân 283–285, 318– 319, 330, 332 Zeilenausgleich 161, 237, 239, 311, 313 Zensur 54