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German Pages [160] Year 2010
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525701263 — ISBN E-Book: 9783647701264
Q FRÜ H E B I LDU N G UN D E R Z I E H U N G Q
Vandenhoeck & Ruprecht
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Helen Knauf
Bildungsbereich Medien
Vandenhoeck & Ruprecht
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Inhalt
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2. Kindheit ist Medienkindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Fallbeispiel: Jana, 4 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2.1 Bedeutung von Medien – Angebot und Nutzung . . . . . . . . . . .
12
2.2 Funktionen von Medien – Wie und warum Kinder und Familien Medien einsetzen
. . . . . .
16
2.3 Kindliche Entwicklung und Medien – Entwicklungspsychologische Voraussetzungen und Verarbeitung von Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2.4 Familie und Kindheit in der Mediengesellschaft: Medienkindheit
24
3. Medienpädagogische Erziehungs- und Bildungskonzepte . . . . .
29
Fallbeispiel: Sabine, 38 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
3.1 Zielperspektive: Medienkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3.2 Medienpädagogische Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
3.3 Strategien der medienpädagogischen Arbeit . . . . . . . . . . . . .
34
4. Medienerziehung im Kindergarten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
Fallbeispiel: Eichhörchen-Gruppe in der Kindertagesstätte „Waldwichtel“
39
4.1 Medieneuphorie und Medienkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
4.2 Erzieherinnen und Medien – ein schwieriges Verhältnis . . . . . . .
43
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INHALT
4.3 Medienerziehung und pädagogische Ansätze . . . . . . . . . . . . .
44
4.4 Medien in den Bildungsplänen der Bundesländer . . . . . . . . . .
47
4.5 Mit den Familien an einem Strang ziehen: Elternarbeit . . . . . . .
49
5. Der Werkzeugkoffer der Medienerziehung: Die Medienpalette . .
53
Fallbeispiel: Kindergarten „Spatzennest“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
5.1 Radio und Hörbuch
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
5.2 Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
5.3 Foto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
5.4 Tageslichtprojektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
5.5 Fernsehen und Video . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
5.6 Computer und Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
5.7 Werbung und Medienmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
6. Fazit und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
7. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
7.1 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
7.2 Links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.
Einleitung
„Jeden Montag dasselbe: Die Kinder sind total aufgedreht und aggressiv, nur weil sie wieder das ganze Wochenende vor der Glotze gesessen haben!“ Für viele Erzieherinnen1 sind solche und ähnliche Wahrnehmungen alltägliche Phänomene. Doch was steckt dahinter: Wie lange sitzen Kinder wirklich vor dem Fernseher? Und: Was gucken sie da eigentlich? Wie schädlich sind Fernsehen und Computer? Gibt es auch einen Nutzen für die Kinder? Welche anderen Medien spielen eine Rolle für Kinder? Mit Fragen dieser Art beschäftigt sich das vorliegende Buch. Medien sind heute selbstverständlicher Bestandteil des Alltags – und auch des Alltags von Kindern. Umso wichtiger ist es, dass das Thema Medien in Bildungseinrichtungen nicht einfach abgetan oder ignoriert wird, nach dem Motto: „Was die da machen, will ich gar nicht so genau wissen, das ist eh alles Mist.“ Fernsehsendungen, Hörspielhelden und technische Geräte sind Kindern wichtig, gehören zur Lebenswelt der Kinder. Umso wichtiger ist es, dass auch wir uns als Pädagoginnen damit befassen, diesen Teil der Lebenswelt ernstnehmen. Das vorliegende Buch möchte die Leserinnen und Leser dazu einladen, die spannende, vielfältige und sinnliche Welt der Medien zu entdecken. Denn wer sich in seiner pädagogischen Arbeit mit Medien befasst, hat weit Interessanteres vor sich, als On-Off-Knöpfe zu drücken, Verbindungskabel richtig ineinander zu stecken oder die richtigen Programme zu laden. Medienarbeit mit Kindern bedeutet im Gegensatz dazu, mit Kindern gemeinsam Medienwelten zu erkunden und sich darüber auszutauschen: Welche Medienhelden lieben die Kinder – und warum? Was 1 Im Folgenden wird der Begriff „Erzieherinnen“ für männliche und weibliche Fachkräfte verwendet.
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1. EINLEITUNG
WAS SIND MEDIEN?
macht den Kindern so viel Freude am Fernsehen? Wie verändert sich Von ihrer Wortbedeutung her sind die Welt, wenn man durch den SuMedien Vermittler, denn sie stamcher eines Fotoapparates guckt? Welmen vom lateinischen Wort „meche Werbung kennen Kinder eigentdium“. Sie stehen zwischen dem lich? Wie kann man mit Fotos eine Sender einer Botschaft und dem Empfänger. Dabei ist davon ausGeschichte erzählen? Was muss man zugehen, dass es keine objektive alles bedenken, wenn man einen Witz Botschaft gibt, sondern dass diese im Film darstellen will? Diese Liste immer von individuellen Deutunließe sich noch lange fortsetzen, denn gen durch Sender und Empfänger moderne Medien sind eine wahre abhängig ist. Fundgrube für Gesprächs-, Spiel- und „Medien sind technische HilfsProjektanlässe. mittel, die Informationen gestalZugleich soll die problematische ten, austauschen oder verbreiten. Seite der Medien in diesem Buch Sie dienen der Kommunikation.“ nicht ausgeklammert werden. Denn (Maier 1998: 14). ohne Frage gehen von der Nutzung Oftmals ist von der Unterscheivon Computer, Fernsehen und Co. dung in „alte“ und „neue“ Medien zu hören. Dabei ist jedoch nicht auch Gefahren aus. Deswegen zieht ganz eindeutig, was mit beiden sich das Anliegen, Kinder zu selbstbeKategorien gemeint ist. Grob bewussten und kompetenten Medienschrieben ist mit „alten“ Medien nutzern zu machen durch das gemeist das Buch gemeint und mit samte Buch. Ziel einer gelingenden den „neuen“ der Computer. Medienerziehung ist es, Kinder in ihMedien können auch unterschierer Medienkompetenz zu unterstütden werden nach den Sinneszen, ohne ihnen den Spaß am Umkanälen, die sie ansprechen: Audigang mit Medien zu nehmen. tive (Kassette, Radio, CD, MP3), Die im Buch vorgestellten Arbeitsvisuelle (Buch, Foto), audiovisuanregungen sollen Impulse sein, die elle (Fernsehen, Video) und interin die jeweilige Konzeption der Kinaktive Medien (Computer, Internet, elektronische Spiele, Handy). dertageseinrichtung integriert werden können. Sie können Bestandteile eines groß angelegten Medienprojektes sein oder aber auch als Ideenpool genutzt werden, auf den man zurückgreifen kann, wenn Kinder von sich aus Medienthemen in den Kindergartenalltag einbringen: Wenn sie Urlaubsbilder mitbringen oder eine CD, die sie gerne hören möchten, wenn eine bestimmte Fernsehsendung immer wieder Anlass für Spielsituationen und Nacherzählungen
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1. EINLEITUNG
der Kinder bietet usw. Im Vordergrund stehen dabei Produktionsorientierte Angebote und Projekte, bei denen Kinder selbst aktiv werden, oft sogar selbst die Regie übernehmen können. Damit wird der schöpferische Aspekt von Medien betont. Hinzu kommen jedoch auch immer wieder Anregungen, die eher den Medienkonsum in den Mittelpunkt stellen: Einerseits den Spaß, der damit verbunden sein kann und andererseits die (kritische) Reflexion des Gesehenen und Gehörten. Mit den verschiedenen Ansätzen zur Reflexion und Anregungen für die praktische Arbeit mit Medien möchte ich Erzieherinnen, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte an Fachschulen, Studierende und andere an Medienarbeit mit kleinen Kindern Interessierte einladen, sich mit Medien und Mediennutzung auseinanderzusetzen und eigene Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Medien zu sammeln. Im Mittelpunkt werden die technisch basierten Medien stehen: Fernsehen und Computer, Hörmedien, Foto, Tageslichtprojektor und Internet. Bielefeld im Januar 2010 Helen Knauf
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2.
Kindheit ist Medienkindheit
Fallbeispiel: Jana, 4 Jahre Jana (4) und ihr Bruder Demian (6) leben mit ihren Eltern in einer Neubausiedlung mit vielen jungen Familien. Demian geht schon zur Schule, Jana besucht den Kindergarten. Janas Vater arbeitet in der Verwaltung eines großen Unternehmens, Janas Mutter ist dort ebenfalls beschäftigt, und zwar in der Personalabteilung. Während Janas Vater Vollzeit arbeitet, hat Janas Mutter eine halbe Stelle. Ein typischer Tag im Leben von Jana sieht folgendermaßen aus: Die Familie frühstückt gemeinsam gegen 7:30 Uhr. Während der Vater zusammen mit Demian schon um kurz vor acht aufbricht, um rechtzeitig in der Schule bzw. im Büro zu sein, kann sich Jana noch etwas Zeit lassen. Während die Mutter den Frühstückstisch abräumt, aufräumt und sich um die Wäsche kümmert, darf Jana im KIKA etwas fernsehen. Dann muss sich auch Jana fertigmachen, sodass sie um 9 Uhr im Kindergarten ankommt – gerade noch rechtzeitig zum Morgenkreis. Im Kindergarten bleibt sie, bis sie um 14 Uhr von ihrer Mutter abgeholt wird. Mutter und Tochter haben jetzt noch zwei Stunden für sich, bis Demian aus der Schule kommt. Jana ist geschafft von den Aufregungen des Kindergartentages und kuschelt sich Zuhause auf das Sofa im Wohnzimmer. Einen Mittagsschlaf macht sie nicht mehr, aber sie hört eine ihrer geliebten Hörspiel-CDs mit „Conni“. Danach kann Jana noch etwas ungestört spielen, manchmal setzt sich Mama dazu und hilft ihr beim Bau eines Hauses für ihre Barbie-Puppe oder beim Malen. Wenn Demian nach Hause kommt, gibt es Kakao und Kekse und danach gucken die beiden, ob die Nachbarskinder draußen sind. Um 18:30 Uhr gibt es Abendbrot, jetzt ist auch Janas Vater wieder da und alle sitzen gemeinsam um den Küchentisch. Aber Jana ist schnell fertig, denn gleich kommt „Das Sandmännchen“. Das möchte auch Demian nicht verpassen, auch wenn er es vor seinen Schulfreunden nicht gern zugibt. Lieber guckt er die Zeichentrick serie, die danach kommt. Die ist Jana zwar manchmal zu unheimlich, aber spannend ist
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
sie doch. Also guckt Jana mit. Meistens dürfen sie dann auch noch die anschließende Sendung schauen. Aber dann heißt es „Ab ins Bett!“. Wenn sie beide bettfertig sind, kuscheln sie sich zu Papa auf das Sofa, der ihnen noch etwas vorliest. Manchmal schläft Jana dabei ein, aber meistens darf sie danach auf Papas Schultern ins Bett reiten. Dort hört sie noch einmal ihre „Conni“-CD, die sie sanft in den Schlaf begleitet.
2.1 Bedeutung von Medien – Angebot und Nutzung 2.1 Bedeutung von Medien – Angebot und Nutzung
Medien sind im Leben von Kindern heute allgegenwärtig. Schon für Babys gibt es CD-Sampler mit Einschlaf-Musik, extra-dicke Bilderbücher und erste Fernseh-Angebote. Im Laufe von Kindheit und Jugend nimmt die Bedeutung von Medien dabei kontinuierlich zu. Ein Blick auf die Freizeitaktivitäten von 8- bis 11-Jährigen zeigt die Bedeutung von Medien: Telefon/SMS Tanz/Ballett/Theater Video/DVD Draußen rumhängen Inlineskate Musik machen Playstation/Computer Unternehmungen mit der Familie malen/basteln lesen Tiere Spielzeug Musik hören Fernsehen Sport Freunde treffen 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Abb. 1: Freizeitbeschäftigungen 8- bis 11-Jähriger, aus: Hurrelmann / Andresen 2007: 193
Die Grafik zeigt, dass soziale Aktivitäten noch immer im Zentrum der Freizeit von Kindern stehen, Fernsehen und Musik hören folgen aber
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2.1 BEDEUTUNG VON MEDIEN – ANGEBOT UND NUTZUNG
dann unmittelbar. Medien, so wird deutlich, sind zu einem selbstverständlichen Bestandteil im Leben der Kinder geworden sind. Dabei sind sie nicht nur einfach vorhanden, sondern sind auch Teil der Sozialisationsumwelt von Kindern, das heißt, sie prägen Lebensgestaltung, Einstellungen und Beziehungen der Heranwachsenden (vgl. 1.3). Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Fernsehen ein. Dazu liegen heute auch die meisten Studien vor, das Rezeptionsverhalten der Nutzerinnen und Nutzer ist hier am besten erforscht. Zugleich ist das Fernsehen auch für Kinder das mit Abstand beliebteste Medium. Gründe dafür liegen sicher in der hohen Attraktivität der bewegten Bilder und der bereits in frühem Kindesalter bestehenden Möglichkeit, das Fernsehen selbstständig zu nutzen. Befragungen mit Kindern zeigen, dass das Fernsehen für über 70 % der 6- bis 13-Jährigen zum regelmäßigen Tagesablauf gehört. Demgegenüber nutzen nur je 23 % täglich Hörmedien und Computer (Feierabend / Klingler 2009: 113). Auf die Frage, welches Medium für sie unentbehrlich ist, geben 68 % das Fernsehen an – zum Vergleich: 12 % nennen den Computer, 8 % das Buch (ebd.). Kurz: Das Fernsehen ist das Leitmedium für Kinder. Die Kinder, die dann auch tatsächlich fernsehen, schauen täglich eine gute Stunde fern, wie die folgende Grafik zeigt: ab 14 Jahre
10–13 Jahre
6–9 Jahre
3–5 Jahre
250 230
225
221
210 195
190 170
201
168
150 130 120
110
97
90
96
113 100
96 88
81
70
117
111
68
80 71
2004
2008
76
66
50 1992
1996
2000
Abb. 2: Fernsehdauer in Minuten, aus: Feierabend / Klingler 2009: 114
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
3- bis 10-Jährige schauen zwischen 70 und 80 Minuten fern. Dies legt die Frage nahe, ab welchem Alter Kinder eigentlich mit dem Fernsehen beginnen. Eine Befragung von 729 Müttern von Kindern unter 5 Jahren zeigt, dass über die Hälfte der Kinder mit 2 Jahren fernsehen, mit 4 Jahren sind es nahezu alle Kinder, die fernsehen dürfen (Götz 2007:13). Das Lesen ist, wie Abb. 1 (vgl. S. 13) zeigt, für ein gutes Drittel der Kinder täglicher Bestandteil der Freizeit. In Bezug auf die Lebensspanne Kindheit muss hier jedoch bedacht werden, dass Kinder mindestens die Hälfte der Zeit bis zum 10. Lebensjahr noch gar nicht selbst lesen können. Eine größere Rolle spielt deswegen das Vorlesen. In einer Studie der Stiftung lesen wurden Jugendliche befragt, ob ihnen im Kindergarten häufig vorgelesen wurde: 2008 bejahten 38 %der Jugendlichen diese Frage, während 1992 noch 56 % angaben, im Kindergarten häufig vorgelesen bekommen zu haben. 31 % der Befragten gaben an, dass es ihren Eltern egal war, ob sie lasen oder nicht (1992: 40 %) (Stiftung lesen 2008: 32). Art und Umfang der Mediennutzung von Kindern (und Erwachsenen) sind dabei stark vom Herkunftsmilieu abhängig. Die folgende Grafik zeigt: Je niedriger das Haushaltseinkommen, desto größer der Fernsehkonsum. KIKA
SuperRTL
Sonstiges
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 < 1000
1001–1500
1501–2000
2001–2500
2501–3000
> 3000
Abb. 3: Fernsehkonsum und Schichtzugehörigkeit, aus: McKinsey 2006
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2.1 BEDEUTUNG VON MEDIEN – ANGEBOT UND NUTZUNG
Bemerkenswert sind auch die Anteile der verschiedenen Fernsehsender, so zeigt sich, dass etwa bei Familien mit hohem Einkommen der Anteil des werbefreien Kinderkanals KIKA im Verhältnis deutlich größer ist als etwa in einkommensschwachen Familien, wo SuperRTL und andere Sender eine größere Rolle spielen. Dazu passt auch ein anderer Befund aus der World Vision Kinderstudie, wonach der Anteil der gesehenen Programmanteile, die nicht speziell für Kinder produziert wurden deutlich höher ist, je niedriger der soziale Status der Herkunftsfamilie ist (Hurrelmann / Andresen 2007: 187). Unterschiede bei der Mediennutzung zwischen Jungen und Mädchen werden erst mit zunehmendem Alter wichtig: Das Fernsehen spielt zunächst für beide Geschlechter eine zentrale Rolle, wobei Jungen etwas mehr fernsehen als Mädchen (vgl. Feierabend / Klinger 2009: 128). Erst ab etwa 8 Jahren gewinnt der Computer für Jungen stark an Bedeutung, während in der Gruppe der 8- bis 13-Jährigen die Mädchen etwas mehr fernsehen als die Jungen (vgl. MPFS 2008: 11). Es ist zu erwarten, dass das Fernsehen gerade bei kleineren Kindern seine Bedeutung auch in Zukunft behält. Ansätze wie die „Teletubbies“ und „Baby-TV“ lassen sogar vermuten, dass sich die Zielgruppe des Fernsehens weiter verjüngt und so zusätzliche Zielgruppen erschlossen werden. Gleichzeitig ist eine stärkere Vermischung von medialen Angeboten zu beobachten, bei der Internet- und Fernsehangebote miteinander verknüpft werden. Dies geschieht etwa durch den Einsatz von Medienfiguren in mehreren Medien (Fernsehen, Internet, Zeitschrift, Computerspiel) und die Etablierung von Medienmarken, also von Figuren, die in den unterschiedlichsten Kontexten (Kleidung, Spielwaren, Lebensmittel) auftauchen. Inwieweit dabei die Nutzung des Internets durch technische Neuerungen und Angebotsinnovationen auch für kleinere Kinder (ohne Lesekompetenz) erschlossen wird, ist offen. Verschiedene Computerspiele und Internetangebote zeigen schon heute, in welche Richtung diese Entwicklung gehen kann: Die Steuerung von Computerspielen wird zunehmend auch ohne die Entzifferung von Schrift möglich sein, weil auditive Begleittexte und visuelle Anker als Wegweiser fungieren. Inwieweit Medien im Kindergartenalltag eine Bedeutung erlangen, wurde in einer Studie aus den frühen 1990ern beobachtet. Dabei zeigte sich, dass „medienbezogene Spiele (…) den Kindergartenalltag keineswegs dominieren, sie sind insgesamt gesehen eher selten.“ (Barthelmes
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
et al. 1991: 94). Auch das damals bereits von Erzieherinnen beklagte „Montagsphänomen“ (verstärkte Medienspiele und Aggressivität nach dem Wochenende) konnten die Forscherinnen und Forscher nicht beobachten. Zu sehen war jedoch, dass die Kinder Habitus, Gesten und Sprechweisen von Medienhelden in ihr Spiel einbauten und Medienmotive gerade in Rollenspiele integriert wurden. Als konträr zur Kultur und den Werten des Kindergartens wurde insbesondere das in diesen Spielen typische Schießen und sein raumgreifender Charakter beobachtet, weshalb es zu Konflikten zwischen Kindern und Erzieherinnen kam. Inwieweit diese Ergebnisse auch heute noch zutreffen, müssen neue Untersuchungen zeigen. Die Integration von Medienmotiven in „normale“ Spielsequenzen wird aber sicher auch heute noch ein zu beobachtendes Motiv und zugleich eine zentrale Verarbeitungsstrategie von Medienerfahrungen von Kindern sein.
2.2 Funktionen von Medien – Wie und warum Kinder und Familien Medien einsetzen 2.2 Funktionen von Medien
Mit der Bedeutung von Medien in der Gesellschaft, ihren Funktionsweisen und Funktionen befasst sich von wissenschaftlicher Seite die Medienwissenschaft. Es gibt dabei verschiedene Ansätze, um die Funktionen von Medien zu beschreiben. Eine Möglichkeit besteht darin, die verschiedenen Bedürfnisse der Mediennutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Bedürfnisse werden von Mediennutzern abhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand unterschiedlich intensiv genutzt. Bereits für Kinder im Vorschulalter spielen diese Dimensionen eine Rolle, etwa wenn sie sich in einer Kindersendung im Fernsehen über die Herstellung von Kaugummi informieren (kognitive Bedürfnisse), wenn sie einer Hörspiel-CD lauschen (affektive Bedürfnisse) oder wenn sie sich die täg liche Kindersendung im Radio anhören, um sich am nächsten Tag mit den Freunden darüber auszutauschen (integrative Funktion). In Erweiterung dieser allgemeinen Funktionsbestimmungen lassen sich für Kinder vielfältige Aufgaben von Medien benennen, die Teil der
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2.2 FUNKTIONEN VON MEDIEN
◆
Kognitive Bedürfnisse
◆ ◆
◆
Affektive Bedürfnisse
◆ ◆ ◆
◆
Integrative / interaktive Bedürfnisse
◆ ◆
Information Wissen Verstehen
Spaß Entspannung Stimmungsregulation Zeitvertreib
Kontakt Beziehungspflege Soziale Orientierung
Abb. 4: Funktionen von Medien nach Katz, Gurewitch und Haas 1973
Entwicklung von Kindern sein können. Dabei sind Medien in einem größeren Zusammenhang zu sehen und werden von den Kindern in ihre Lebenswelt und ihre Spielformen integriert (vgl. Barthelmes 1991). Medien befriedigen offenbar in besonderer Weise die Bedürfnisse von Kindern, und hier insbesondere der Jungen, nach Action und Abenteuer. Barthelmes, Feil & Furtner-Kallmünzer arbeiten heraus, dass die Faszination durch Waffen und Technik, durch den Heldencharakter der Hauptpersonen und ihre besondere („markige“) Ausdrucksweise mehrere für die Kinder zentrale Themen bedient: „narzisstische Größenfantasien, Geschlechtsidentität, Gut und Böse, Freundschaft“ (Barthelmes et al. 1991: 95). Medien – und hier insbesondere das Fernsehen, bei älteren Kindern auch Computerspiele – ermöglichen die Bearbeitung von Themen, die den Kindern wichtig sind, sie laden zur Auseinandersetzung mit diesen Themen ein und tun dies auf eine Weise, die für Kinder faszinierend und anziehend ist. Anders als in vielen Büchern gehen Medien dabei unverkrampft mit diesen Themen um eine Unverkrampftheit, die von vielen Pädagoginnen und Eltern auch als (zu) unkritisch wahrgenommen wird. Medienspiele dienen den Kindern als Ausdrucksform für Themen, die sie beschäftigen: Macht / Ohnmacht, Verlassensein, Geschlechts-
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
Ausleben von Phantasien
◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Anreichern von Spielen
◆
Gestalten sozialer Beziehungen
◆
◆
◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Auseinandersetzung mit der Lebenswelt
◆ ◆ ◆
Erweiterung der Selbstständigkeit
◆ ◆ ◆ ◆
Teilhabe an KinderDiskursen
◆
Neugier
◆
◆
◆
Archetypische Auseinandersetzungen (Gut und Böse) Ausagieren feindseliger Phantasien / Aggressionen Erfüllen grandioser Wünsche Leben in einer Phantasiewelt Rollenlernen / Probehandeln Anreichern traditioneller Spiele Anreichern von Wettkampf- und Rollenspielen Auf sich aufmerksam machen In ein Spiel hineinkommen Abstecken und Ausloten von Grenzen Festigen der Beziehungen Aufrechterhalten der Gruppen-Hierarchie Stärken des eigenen Ansehens Bearbeiten und Verarbeiten kindlicher Grund- und Konfliktsituationen Mitteilen / Andeuten vergangener Erlebnisse / Erfahrungen Ansprechen von aktuellen Erlebnissen und Erfahrungen Aufgeben der Fixierung auf Medien Abgrenzen von den Eltern bzw. Erwachsenen, Ablösen von elterlichen Vorstellungen Entwickeln autonomer Formen des Medienumgangs Erweitern und Verstärken der eigenen Selbstständigkeit Anlass für Gespräche und Aktivitäten Information über Tagesgeschehen, Stil, Trends und Verhaltensweisen Entwickeln und Pflegen von individuellen Interessen Einblicke in unbekannte und ferne Welten
Tab.1: Medien als Strategie zur Befriedigung grundsätzlicher Bedürfnisse (nach: Barthelmes 1991, erweitert um eigene Aspekte)
rollen, Großwerden, Selbstbehauptung usw. Die in Medien angebotenen Figuren und Szenen bieten Kindern ein Instrumentarium, um sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen (vgl. Barthelmes et al. 1991: 242). Die Befriedigung zentraler menschlicher Bedürfnisse ist jedoch nur eine Perspektive auf Medien und Mediennutzung, bei der der Nutzen von Medien für Menschen im Vordergrund steht. Funktionszu-
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2.2 FUNKTIONEN VON MEDIEN
schreibungen können darüber hin- SOZIALISATION aus auch aus der Perspektive der Damit ist die Entwicklung der PerKommunikatoren (z. B. Zeitungsresönlichkeit im Prozess der Auseindaktion, PR-Abteilung eines Unterandersetzung mit der Umwelt genehmens) und aus der Perspektive meint. Dies bezieht sich sowohl auf die Menschen, die das Aufwachder Gesellschaft gesehen werden. Aus sen beeinflussen (soziale Umwelt) Sicht der Kommunikatoren geht es als auch die ökonomischen Rahvor allem darum, eine Botschaft so menbedingungen (materiale Umaufzubereiten, dass sie bei den Rewelt). Diese Rahmenbedingungen zipienten (Empfänger) auch auf die des Aufwachsens nennt man auch beabsichtigte Weise ankommt. Aus Sozialisationsumwelt. Einzelne PerSicht der Gesellschaft geht es darum, sonen und Institutionen nehmen dass Medien Öffentlichkeit herstellen im Prozess der Sozialisation eine und so auch eine Kritik- und Kontzentrale Rolle ein, wie etwa Eltern, rollfunktion haben. Außerdem haben Gleichaltrige, Kindergarten und Medien hier die Funktion von BilSchule oder auch Kirche und Verdung, Erziehung und Sozialisation. eine. Diese werden auch als SoDie Nutzung von Medien ist nicht zialisationsinstanzen bezeichnet. Auch Medien sind heute eine wichlosgelöst von den Rahmenbedinguntige Sozialisationsinstanz. gen des Aufwachsens, sondern geschieht eingebettet in einen vielfältigen und komplexen Alltagskontext. Dies ist in der Regel die Familie als wichtigste (primäre) Sozialisationsinstanz. Medien und Mediennutzung sind Bestandteil dieser Sozialisationsumwelt. Kinder eignen sich mit Beginn ihres Lebens Medien und Mediennutzungsformen an. Dabei spielt die Familie eine zentrale Rolle, denn die hier genutzten Medien und die Formen ihrer Nutzung werden bereits von sehr kleinen Kindern intensiv wahrgenommen. Das Kind kann beispielsweise beobachten: Welche Medien werden von wem genutzt? Zu welchen Tageszeiten? In welchen sozialen Zusammenhängen: Allein oder gemeinsam? In welchem Umfang? All diese Faktoren stehen in engem Zusammenhang mit den soziokulturellen Rahmenbedingungen, in denen sich die Familie bewegt. Bildungsniveau, ökonomische Verhältnisse, herrschende Werte und Normen sowie die ethnische und soziale Herkunft wirken sich entscheidend auf das Nutzungsverhalten in Familien aus. Untersuchungen zur Mediennutzung von Eltern und Kindern zeigen, dass Kinder sich stark
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
MEDIENWIRKUNG – MEDIENNUTZUNG
an den Sehgewohnheiten und Programmvorlieben ihrer Eltern orientieren (vgl. Kuchenbuch 2003). UnterDas Verhältnis zwischen Medien und Rezipienten kann auf verscheidet man zwischen hohem und schiedene Weise beschrieben werniedrigem Bildungsmilieu, so lassen den. Eine Darstellungsweise ist ein sich hier in Bezug auf das Melineares Verhältnis, bei dem die dium Fernsehen entscheidende UnMedien eine bestimmte Wirkung terschiede ausmachen: So unterscheibeim Rezipienten erzeugen. Diese den sich Sehdauer (kurz vs. lang), Beschreibung folgt einem ReizSenderwahl (öffentlich-rechtlichen Reaktions-Modell, wobei der Mevs. privat) und Sendungspräferenzen dienreiz auf die Reaktion des Rezi(Kindersendungen vs. Erwachsenenpienten wirkt. Der Rezipient kann programm) deutlich voneinander dabei lediglich reagieren, nicht (vgl. ebd.). aber selbst agieren. Neuere theoWenn es um die Funktionen von retische Überlegungen zur MeMedien geht, so sollte auch die Perdienwirkung (z. B. Grimm 2008) schlagen eine differenziertere Bespektive der Eltern nicht aus dem trachtung von Reiz- ReaktionszuBlick verloren werden. Für sie haben sammenhängen bei der MedienMedien nicht nur die Funktion, dass nutzung vor. Dazu sind jedoch die Kinder etwas lernen sollen (kogneue und komplexere Forschungsnitive Bedürfnisse), ihren Spaß haben methoden notwendig, die noch sollen (affektive Bedürfnisse) oder einer Weiterentwicklung bedürfen. in die Gleichaltrigengruppe integriert Eine andere Darstellungsweise des sind (integrative Funktion). Hinzu Verhältnisses von Medien und Rekommt, dass gerade das Fernsehen zipienten ist der Uses-and-Gratiauch zur Beschäftigung der Kinder fications-Ansatz, der nach dem eingesetzt werden kann, um anderen Nutzen der Medien für die ReziAufgaben oder der eigenen Entspanpienten fragt und versucht zu erklären, warum bestimmte Personung nachzugehen. Diese Funktion nen bestimmte Medien nutzen von Medien wird oft als „Babyund wie sie davon profitieren. sitterfunktion“ oder „Parken vor dem Fernseher“ negativ beurteilt. Hier können neue Sichtweisen der Medien hilfreich sein, indem etwa die Rolle des Fernsehens neu bewertet wird: Als Entlastung in einem oft herausfordernden Familienalltag (vgl. Lange 2007: 43). An dieser Frage lässt sich die starke Kennzeichnung der Diskussion über Medien im pädagogischen Kontext durch normative Setzungen
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2.3 KINDLICHE ENTWICKLUNG UND MEDIEN
(gut vs. schlecht) und auch durch ideologisch geprägte Grundannahmen verdeutlichen. Wichtig ist, dass gerade Pädagoginnen und Pädagogen sich bewusst sind, dass viele medienpädagogische Überzeugungen (z. B. „Kinder dürfen nicht vor dem Fernseher geparkt werden!“) auch der Abgrenzung gegenüber etwa bildungsferneren Milieus dienen und damit weniger zur Verbesserung der Aufwachsensbedingungen von Kindern sondern eher zur sozialen Diskriminierung bestimmter Milieus beitragen. Es ist jedoch unstrittig, dass es viele Sozia lisationskontexte gibt, in denen ein schädlicher Medienkonsum stattfindet.
2.3 Kindliche Entwicklung und Medien – Entwicklungspsychologische Voraussetzungen und Verarbeitung von Medien 2.3 Kindliche Entwicklung und Medien
Die Bedeutung von Medien für Kinder wird auch gesellschaftlich wahrgenommen. In einer repräsentativen Untersuchung wurde gefragt, was Kinder und Jugendliche heute am meisten beeinflusst. In der Gesamtbevölkerung standen hier an erster Stelle der Nennungen die Medien, erst danach Freunde und an dritter Stelle die Eltern. Auch in der Einschätzung von Eltern von Kindern unter 6 Jahren stehen Medien immerhin an zweiter Stelle, gleich nach ihrem eigenen Einfluss (vgl. Allensbach / Köcher 2009). Oft haben Einschätzungen zur Bedeutung von Medien einen sehr kritischen Ton. Medien – und insbesondere die elektronischen Medien – werden als Ursache von vielen Entwicklungsdefiziten bei Kindern und Jugendlichen verantwortlich gemacht. Wie ist dieser Zusammenhang tatsächlich einzuschätzen? Und: In welchem Alter verarbeiten Kinder welche Medien wie? Die Fähigkeit, Medien wahrzunehmen, sie selbstständig zu handhaben und schließlich auch kreativ und kritisch mit ihnen umzugehen, ist an bestimmte Voraussetzungen beim Kind geknüpft, die mit seiner Reife und seinem Entwicklungsstand zusammenhängen. Der Entwicklungspsychologe Michael Charlton benennt drei Voraussetzungen zur (kompetenten) Nutzung von Medienangeboten. Kommunikative Kompetenz bedeutet zu verstehen, dass Gesten, Sprache, Bilder – also Symbole – etwas repräsentieren bzw. auf etwas
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
Kommunikative Kompetenz
Kognitive Kompetenz
Emotional Kompetenz
Abb. 5: Voraussetzungen zur Rezeption von Medienangeboten (vgl. Charlton 2007)
verweisen. Dies lernen Kinder bereits sehr früh, indem sie die Gesten und später die Worte ihres Gegenübers zu deuten lernen. Die Kommunikation mit einem direkten Gegenüber ist jedoch etwas anderes als die Kommunikation über ein Medium, die weitere Entwicklungsschritte voraussetzt. Die kognitive Kompetenz bezieht sich auf den Sinn des Medienangebotes: Kinder müssen erst lernen, wozu das Medienangebot da ist und wie es funktioniert. Dazu gehört etwa das Verstehen einer über das Medium vermittelten Handlung und das Hineinversetzen in die Protagonisten der Handlung. Bei der emotionalen Kompetenz geht es darum, angemessene Medienthemen auszuwählen, das heißt bedrohliche, ängstigende Themen zu vermeiden und interessante, reizvolle Themen zu wählen. Während die kommunikative und kognitive Kompetenz im Laufe der ersten sechs Lebensjahre relativ vorhersehbar aufgebaut werden, so sind bei der Entwicklung der emotionalen Kompetenz erhebliche Unterschiede zwischen Kindern zu beobachten. Es ist also auf Seiten der Kinder zu berücksichtigen, dass bestimmte Voraussetzungen für eine sinnvolle Mediennutzung erst mit zunehmendem Alter gegeben sind. Dies schließt jedoch keinesfalls aus, dass Kinder auch schon in jüngeren Jahren in hohem Maße fasziniert von Medien und Medieninhalten sein können – Alltagsbeobachtungen von Babys, die fasziniert in den eingeschalteten Fernseher schauen, bestä-
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2.3 KINDLICHE ENTWICKLUNG UND MEDIEN
tigen dies. In jedem Fall ist eine Begleitung der Mediennutzung durch Erwachsene notwendig – nicht umsonst wird das Gespräch über Medien als eine zentrale Strategie der Medienerziehung gesehen. Die Frühpädagogin Fabienne-Becker Stoll geht deshalb davon aus, dass eine zentrale Voraussetzung etwa für das selbstständige Fernsehen die Fähigkeit des Kindes ist, über das Gesehene zu erzählen. Aufgrund der großen Individualität kindlicher Entwicklung kann man kaum präzise Altersangaben machen, die festlegen, in welchem Alter Kinder welche Medien in welchem Umfang nutzen (sollen). Die Medienpädagoginnen Helga Theunert und Kathrin Demmler haben als Orientierungshilfe eine Stufung zum Umgang mit Medien entwickelt (Theunert / Demmler 2007:103). Sie macht deutlich, was Kinder mit welchen Medien in welchem Alter anfangen können.
Medium
1–2
auditiv
Kassetten / CD
visuell
Bücher
3–4
5–6
Fotos audio-visuell Fernsehen interaktiv
Elektronische Spiele Computer Internet Handy
Wahrnehmung
Wünsche Vorlieben Eigenständiger Umgang
Aktives Arbeiten
Abb. 6: Umgang mit verschiedenen Medien nach Altersstufen (nach: Theunert / Demmler 2007: 103)
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
In Bezug auf entwicklungsbedingte Nutzungsmöglichkeiten werden die Vor- und Nachteile verschiedener Medien deutlich: Ein Bilderbuch oder auch Fotos können Kinder schon in sehr jungem Alter eigenständig betrachten und entwickeln auch bald entsprechende Vorlieben und Abneigungen. Auch mit dem Fernsehen können Kinder bereits früh selbst etwas anfangen und sind bei der Rezeption sogar noch unabhängiger von der Bereitschaft eines Erwachsenen beispielsweise vorzulesen. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive wird jedoch gerade für jüngere Kinder die Nähesituation des Vorlesens als besonders günstig hervorgehoben. Hauptproblem des Fernsehens ist neben der „unpersönlichen“ Situation die fehlende Möglichkeit, das Tempo den Bedürfnissen und Interessen des Kindes anzupassen (vgl. Charlton 2007). Mit der zunehmenden zeitlichen Unabhängigkeit des Fernsehens (durch Internet und DVDs) verändert sich jedoch auch dies: Einzelne Sequenzen können mehrfach angesehen, andere übersprungen werden. Interaktive Medien, so wird deutlich, spielen bei Kindern unter 6 Jahren nur eine untergeordnete Rolle. Sie setzen zum großen Teil Lesefertigkeiten voraus, was sie für Kleinkinder unattraktiv macht. Möglicherweise wird sich dies aber im Zuge der technischen Weiterentwicklung des Mediums verändern.
2.4 Familie und Kindheit in der Mediengesellschaft: Medienkindheit 2.4 Familie und Kindheit in der Mediengesellschaft
Das Vorhandensein von Medien hat Kindheit und Familienleben verändert. In einer Studie aus den 1990er Jahren etwa zeigten Bettina Hurrelmann, Michael Hammer und Klaus Stelberg, dass das „Familienmitglied Fernsehen“ einen wichtigen Beitrag zum Familienleben leistet (Hurrelmann / Hammer / Stelberg 1999). Die Studie macht auf zwei zentrale Befunde aufmerksam: Erstens verdeutlicht sie, wie stark die Nutzungsweisen des Fernsehens von der Familienkonstellation (Zahl der Erwachsenen und der Kinder in einer Familie, Alter der Kinder) abhängen. Zweitens weisen sie auf die milieuspezifischen Unterschiede in den Familien als wichtigen Einflussfaktor auf die Fernsehnutzung hin. So wird in Familien mit vielen Kindern das Fernsehen oft auch zur Individualisierung genutzt und das Medium wird eher
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2.4 FAMILIE UND KINDHEIT IN DER MEDIENGESELLSCHAFT
getrennt genutzt, während in kleinen Familien das Fernsehen als gemeinsame Aktion inszeniert wird (a. a. O.: 161). Familien nutzen die Möglichkeiten des Fernsehens also höchst unterschiedlich und abhängig von ihren Bedürfnissen: Wo den Familienmitgliedern Abgrenzung wichtig ist, versucht jeder seine eigenen Fernsehvorlieben für sich selbst zu befriedigen, wo Gemeinschaft hergestellt werden soll, kann das Fernsehen als gemeinschaftsstiftendes Ritual genutzt werden. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Andreas Lange, der den Einsatz von Medien als Teil des „doing family“ analysiert: Familie muss durch ihre Alltagsleistungen immer wieder neu „hergestellt“ werden und dabei können Medien eine wichtige Entlastungsfunktion einnehmen: Gemeinsames Fernsehen etwa oder die Beschäftigung der Kinder mit einem Medium kann unter den erschwerten und komplexer werdenden Bedingungen des Familienalltags zu Entkrampfung und Entspannung führen. Lange macht deutlich, „dass gerade Familien mit Vorschulkindern Medien (…) auch gezielt dazu einsetzen, die alltägliche Lebensführung, beispielsweise unter Bedingungen von Zeitnot, zu managen und zu gewährleisten“ (Lange 2007: 43). Diese Argumentation macht deutlich, dass die „Babysitterfunktion“ von Medien nicht nur negativ zu sehen ist, sondern phasenweise die Bewältigung des Familienalltags erst möglich macht. Bei der Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Medien für Kindheit und Familie geht es also immer auch um die Rahmenbedingungen für Familien: Die wachsende Entgrenzung von Arbeit (überall und zu jeder Zeit) wirkt sich auch auf das Familienleben aus: Während die Eltern an Laptop und Mobiltelefon noch ihrer Arbeit nachgehen, nutzen Kinder „ihre“ Medien. Neben der Entgrenzung von Arbeit gibt es noch weitere, womöglich noch tiefgreifendere Auswirkungen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen auf das Familienleben: In verschiedenen Studien wurde der Zusammenhang zwischen Umfang und Art der Nutzung von Medien mit dem sozioökonomischen Milieu der Familien nachgewiesen (z. B. Hurrelmann / Hammer / Stelberg 1999, Kuchenbuch 2003). Wiederum am Beispiel des Fernsehens lässt sich zeigen, dass die Sehgewohnheiten der Eltern von den Kindern oft übernommen werden. In einer Längsschnittstudie von Jürgen Barthelmes und Eckhardt Sander wurden Jugendliche über einen Zeitraum von sechs Jahren hinweg begleitet. Dabei wurde deutlich, dass das Fernsehverhalten der Eltern (nach einer
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2. KINDHEIT IST MEDIENKINDHEIT
kurzen Phase des bewussten Anders-Seins) von den späteren jungen Erwachsenen sich kaum von dem ihrer Eltern unterscheidet. In einer Analyse der Fernsehnutzung nach verschiedenen Milieus konnte Katharina Kuchenbuch zeigen, dass je nach sozialer Lage und Wertorientierung nicht nur unterschiedliche Sehdauern festzustellen sind, sondern auch unterschiedliche inhaltliche Präferenzen. So stellte Kuchenbuch fest, dass „Die Sendung mit der Maus“ als eher bildungsorientiertes Angebot vor allem im Milieu der Intellektuellen von vielen Kindern gesehen wurde, wohingegen in den Unterschichtmilieus deutlich geringere Marktanteile verzeichnet werden konnten (Kuchenbuch 2003: 7). Dieser Befund verweist auf ein weiteres Problem: Bestimmte Medien und Medieninhalte, die für Kinder wissenserweiternd sein können, werden nur von einem Teil der Kinder genutzt. Fernsehen ist nicht gleich Fernsehen: Während sich also in den Mittel- und Oberschichtsmilieus Kinder durch „bildsame“ Medienangebote einen wachsenden Wissensvorsprung erarbeiten, bedeutet in den Unterschichtsmilieus Mediennutzung oft den Konsum wenig persönlichkeitsfördernder Angebote. Hier tut sich also eine wachsende Kluft zwischen Kindern unterschiedlicher Herkunft auf, die durch die Vielfalt der medialen Angebote noch verstärkt wird. Der Aspekt des unterschiedlichen Bildungspotenzials von Medien verweist noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt der Veränderung von Kindheit durch Medien: Der Kompetenzerwerb von Kindern ist bereits heute nicht mehr vor allem von Erwachsenen abhängig, die ihnen etwas zeigen und erklären, sie sensibilisieren und unterweisen. Vielmehr ziehen Kinder heute (und in Zukunft sicher noch in weit stärkerem Maße) Wissen und Impulse aus Fernsehen, Computer, CDs und Kinderzeitschriften. Mit Blick auf die Schule beschreibt Stefan Aufenanger: „Die vielfältigen Medienangebote im Bildungsbereich, bei deren Qualität wir natürlich erst am Anfang stehen, werden den Verselbstständigungsprozess von Kindheit beschleunigen, indem sie Kinder vom Lernort Schule wenigstens teilweise unabhängig machen. Sie werden eigenständiges und zeit- sowie ortsunabhängiges Lernen ermöglichen und damit zu einer Entinstitutionalisierung von Kindheit verstärkt beitragen (…) Die Möglichkeit, sich über die neuen Medien alle Informationen aneignen zu können, lässt somit die traditionelle Aufgabe der Wissensvermittlung in pädagogischen Institutionen obsolet werden.“ (vgl. Aufenanger 2005: 14). Diese Feststellung lässt
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2.4 FAMILIE UND KINDHEIT IN DER MEDIENGESELLSCHAFT
sich, mit Einschränkungen, auch auf die Unter-6-jährigen übertragen: Kinder erschließen sich mithilfe von Medien ihre Welt ein Stück weit eigenständig. Der „Ich-erkläre-dir-die-Welt-Gestus“ vieler Erwachsener ist diesen Gegebenheiten nicht mehr angemessen, denn die von Natur aus wissbegierigen Kinder haben mit 4, 5 oder 6 Jahren schon Informationen aus unzähligen Quellen zusammengetragen und sich daraus ein eigenes Weltbild gezimmert – auch ohne selbst lesen zu können.
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3. Medienpädagogische Erziehungs- und Bildungskonzepte
Fallbeispiel: Sabine, 38 Jahre Sabine arbeitet schon seit fast 20 Jahren als Erzieherin. Im Laufe dieser Zeit hat sie einen reichen Erfahrungsschatz aufgebaut. Außerdem ist es ihr wichtig, neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen zu sein und sich auch fachlich entsprechend auf dem Laufenden zu halten. Sie hat in ihrer Einrichtung, dem Familienzentrum Mühlenstraße, die Funktion einer Gruppenleitung inne und ist zugleich stellvertretende Leiterin der Einrichtung. Das Familienzentrum Mühlenstraße betreut insgesamt etwa 80 Kinder, davon sind zehn unter drei Jahre alt, 15 Kinder besuchen den Hort. Von den Kindern im Kindergartenalter bleibt etwa die Hälfte bis zum Mittag, die anderen werden zwischen 15 Uhr und 17 Uhr abgeholt. Wenn Sabine ihre Zeit als Erzieherin Revue passieren lässt, dann hat sie den Eindruck, dass die Bedeutung der Medien enorm zugenommen hat. Als sie in den 1980er Jahren anfing, gab es erst wenige Kindersendungen im Fernsehen und dies nur zu bestimmten Tageszeiten. Viele Familien konnten noch immer nur die ersten drei Programme empfangen und dort gab es „gute“ Sendungen, wie zum Beispiel „Löwenzahn“. Seitdem, so findet Sabine, hat sich viel verändert. Vor allem gucken die Kinder viel mehr Fernsehen. Gerade montags seien die Kinder vom vielen Fernsehen am Wochenende wie aufgedreht. Und in den letzten Jahren sind noch Computerspiele und die kleinen Spielgeräte, wie den Nintendo DS hinzugekommen. Bücher hingegen werden immer unwichtiger in den Familien, dabei gibt es so viele schöne Kinderbücher. Sabine findet, dass man da gegensteuern sollte. Den Kindern wieder Lust auf Bücher machen, Eltern zum Vorlesen anregen und Fernsehen und Computer eigentlich nicht in den Kindergarten gehören. Außerdem sollten Kinder überhaupt mehr Erfahrungen in der Natur machen und mit anderen Kindern spielen.
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3. MEDIENPÄDAGOGISCHE ERZIEHUNGS- UND BILDUNGS KONZEPTE
Sabine hat manchmal den Eindruck, dass sie bei diesem Thema regelrecht gegen die Eltern ankämpfen muss. Denn viele Eltern nutzen Fernsehen, Computer und Spielkonsolen als einen bequemen Babysitter und gehen ihren eigenen Dingen nach, anstatt sich mit den Kindern zu beschäftigen. Manche Eltern sind auch sehr ehrgeizig und wünschen sich, dass die Kinder mithilfe des Computers schon im Kindergartenalter bestimmte Kompetenzen erwerben, die ihnen in der Schule weiterhelfen können. Sabine fühlt sich hier manchmal sogar unter Druck gesetzt. Grundsätzlich versucht Sabine, die Welt der Kinder nachzuvollziehen, deswegen guckt sie selbst auch manchmal Kindersendungen im Fernsehen, beispielsweise die „Sendung mit der Maus“ am Sonntagvormittag. Auf einer Fortbildung hat sie sich auch einmal Internetseiten für Kinder angeschaut, aber so richtig überzeugt hat sie dieses Angebot nicht.
3.1 Zielperspektive: Medienkompetenz 3.1 Zielperspektive: Medienkompetenz
Medien haben für Kinder von Anfang an eine Bedeutung, die mit zunehmendem Lebensalter immer weiter wächst. Diese Bedeutung der Medien für Kinder und Kindheit liegt außerhalb normativer Vorgaben: Medien sind bedeutsam, unabhängig davon, ob Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern und andere Erwachsene dies für wünschenswert halten oder nicht. Vor diesem Hintergrund müssen Kinder unweigerlich im Laufe ihres Aufwachsens Strategien entwickeln, mit Medien umzugehen und diese auf sinnvolle und angemessene Weise in ihr Leben zu integrieren. Die Unterstützung beim Aufbau dieser Strategien ist ein wesentliches Anliegen der Medienerziehung. Das Vorhandensein sinnvoller Strategien zum Umgang mit Medien wird dabei als Medienkompetenz bezeichnet. Der Begriff der Medienkompetenz wurde 1973 von Dieter Baacke in die Diskussion eingeführt. Er sah Medienkompetenz als Teil einer umfassenden kommunikativen Kompetenz, die in der technisch und industriell organisierten Gesellschaft maßgeblich durch Medien geprägt werden. Baacke unterschied vier Dimensionen von Medienkompetenz (Baacke 1996: 120):
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3.1 ZIELPERSPEK TIVE: MEDIENKOMPETENZ
◆
◆ ◆ ◆
Medienkritik: Die Analyse problematischer Entwicklungen und die Reflexion dieser Entwicklungen in Bezug zu sich selbst. Zur Medienkritik gehört auch die ethische Abstimmung dieser beiden Ebenen Analyse und Reflexion. Medienkunde: Wissen über Medien, sowohl in Bezug auf Strukturen als auch in Bezug auf die praktische Nutzung. Mediennutzung: Einsatz von Medien aus Perspektive des Rezipienten und aus der Perspektive des Produzenten bzw. Anbieters. Mediengestaltung: Als Weiterentwicklung der Medien (innovativ) und als ästhetische Orientierung (kreativ).
Seitdem sind eine Vielzahl von Konzepten und Modellen zur Medienkompetenz entstanden. Dabei lassen sich drei zentrale Dimensionen von Medienkompetenz identifizieren:
◆
Medienwissen
◆ ◆
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Medienbewertung
◆
◆ ◆
Medienhandeln ◆
Welche technischen Fähigkeiten werden zur Mediennutzung benötigt? Welche Strukturen prägen Medien und Medienproduktion? Wie funktionieren Mediensysteme?
Welche Medien und Medieninhalte sind qualitativ hochwertig? Welche Kriterien können an Medien angelegt werden?
Wie können Medien genutzt werden? Wie kann ein Medium zum Ausdruck eigener Botschaften eingesetzt werden? Wie können mit Medien eigene Bedürfnisse befriedigt werden?
Abb. 7: Zentrale Dimensionen von Medienkompetenz (vgl. Schorb 2005: 259)
Ziel (medien-) pädagogischen Handelns sollte es sein, die Entwicklung dieser Kompetenzen zu unterstützen. Dazu eine Konkretisierung am
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3. MEDIENPÄDAGOGISCHE ERZIEHUNGS- UND BILDUNGS KONZEPTE
Beispiel des Computers: Kinder können in der Auseinandersetzung mit diesem Medium lernen, wie ein Computer angeschaltet wird, wie man verschiedene Programme öffnet und schließt, wie man etwas Bearbeitetes speichert, ausdruckt oder verschickt. Auf der Ebene des Medienwissens können sie darüber hinaus einen Computer aufschrauben und (altersabhängig) versuchen zu erfassen, wie ein Computer funktioniert. Bei der Medienbewertung können Kinder verschiedene altersgemäße Computerprogramme vergleichen, indem sie vorher festlegen, was ihnen wichtig ist. Auf der Ebene des Medienhandelns können sie etwa mit einer Präsentationssoftware (z. B. PowerPoint) eigene Geschichten erzählen und für Gleichaltrige publizieren oder in einer Textverarbeitungssoftware mithilfe von Fotos und Symbolen einen Steckbrief für sich selbst erstellen.
3.2 Medienpädagogische Kompetenz 3.2 Medienpädagogische Kompetenz
Medienpädagogik befasst sich mit der Bedeutung von Medien für Bildung, Erziehung und Aufwachsen. Im Mittelpunkt stehen die mit Medien verbundenen Schwierigkeiten und Probleme ebenso wie die Möglichkeiten und Entwicklungsperspektiven. Kernbegriff der Medienpädagogik ist die Medienkompetenz. Medienpädagogik umfasst außerdem die Mediendidaktik (Wie können Medien für Lehr-Lernprozesse nutzbar gemacht werden?) und die Medienerziehung (Wie kann ein kritischer und selbstbestimmter Medienkonsum erlernt werden?). Verbunden mit dem Ziel der Medienkompetenz verfolgt Medienpädagogik auch ein emanzipatorisches Ziel: „Medienpädagogik (…) hat sich als reflexiv-praktische Medienpädagogik zu einer Disziplin entwickelt, die nicht mehr nur auf die Vorgaben der Medienentwicklung reagiert und versucht, im Sinn einer funktional-technologischen Pädagogik zur Aneignung der Medien beizutragen oder dieselben ihrer problematischen Inhalte wegen abzulehnen. Vielmehr versucht sie, die Medien als wesentliche Mitgestalter heutiger Kultur, der bewussten Nutzung der Subjekte unter Beibehaltung ihrer sozialen Verantwortung unterzuordnen.“ (Hüther / Schorb 2005: 275) Medienpädagogik geht es in erster Linie um die Unterstützung des Aufbaus von Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Grund-
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3.2 MEDIENPÄDAGOGISCHE KOMPETENZ
lage hierfür ist jedoch das Vorhandensein medienpädagogischer Kompetenz bei den Pädagoginnen und Pädagogen. Was genau unter medienpädagogischer Kompetenz zu verstehen ist, wurde bislang vor allem für die Schule dargelegt. So legten etwa Sigrid Blömeke (2003) oder Gerhard Tulodziecki (1996) Systematisierungen zum medienpädagogischen Handeln von Lehrkräften vor. Für außerschulische Lernkontexte und den frühkindlichen Bereich hingegen gibt es bislang nur erste Ansätze, etwa von Ulrike Six (2007). Eine Zusammenschau der verschiedenen Annäherungen an medienpädagogische Kompetenz von Pädagoginnen und Pädagogen zeigt, dass insgesamt vier Dimensionen die medienpädagogische Kompetenz kennzeichnen: Kind
Pädagogisches Handeln
PädagogIn
Medien
Abb. 8: Medienpädagogische Kompetenz
Kind: Auf der Ebene des Kindes umfasst medienpädagogische Kompetenz das Wissen über die entwicklungspsychologischen Voraussetzungen bei der Auseinandersetzung mit verschiedenen Medien und auch über die Formen und den Umfang der Mediennutzung von Kindern sowie die damit verbundenen Motive. Schließlich gehört auch das Wissen über die Wirkung von Medien in diesen Bereich. Pädagogen: Pädagogen, die mit Kindern medienpädagogisch arbeiten, sollten insbesondere davon überzeugt sein, dass dieser Bildungs- und Erziehungsbereich wichtig ist (Six 2008: 16). Abwehrhaltungen (Motto: „Es gibt doch viel wichtigere Themen!“) sind hier kontraproduktiv. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Erwachsene ihr eigenes Medien-
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3. MEDIENPÄDAGOGISCHE ERZIEHUNGS- UND BILDUNGS KONZEPTE
nutzungsverhalten reflektieren können und ihre eigene Medienbiografie im Blick haben – kurz: Sie sollten selbst medienkompetent sein. Medien: Teil der medienpädagogischen Kompetenz ist auch ein Wissen über Medien selbst. Dies bezieht sich sowohl auf die technische Seite (Handhabung) als auch auf die inhaltliche Seite: Pädagoginnen und Pädagogen sollten die von den Kindern genutzten Medien und Medieninhalte kennen. Schließlich ist eine mediendidaktische Kompetenz wichtig, also die Fähigkeit, Medien sinnvoll in Lernprozesse einzubinden. Pädagogisches Handeln: Im Zentrum der medienpädagogischen Kompetenz steht das pädagogische Handeln, bei dem Strategien der Medienerziehung bekannt sein sollten. Es geht also darum zu wissen, was man mit der Medienerziehung eigentlich erreichen will (Stichwort: Medienkompetenz) und ein Wissen darum, wie man konkret mit Medien und Kindern arbeiten kann. Medienpädagogische Kompetenz bedeutet also, dass ausgehend von der eigenen Medienkompetenz ein breit angelegtes Wissen über Medien und ihren pädagogischen Einsatz vorhanden ist.
3.3 Strategien der medienpädagogischen Arbeit 3.3. Strategien der medienpädagogischen Arbeit
Auf welche Weise ist medienpädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen möglich? Grundsätzlich lassen sich fünf verschiedene Strategien unterscheiden: ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Gespräch über Medien und Medienerfahrung Kreative Verarbeitung von Medienerfahrungen Produktive Arbeit mit Medien Nutzung und Ausprobieren von Medienangeboten Kritische Beurteilung von Medien
Diese Strategien unterscheiden sich vor allem in Bezug auf den Grad der Aktivität der Kinder. Je nach Umsetzung ist auch die Intensität der Reflexion unterschiedlich. Selbstverständlich spielen die Medienerfah-
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3.3. STRATEGIEN DER MEDIENPÄDAGOGISCHEN ARBEIT
rungen von Kindern auch außerhalb dieser geplanten und absichtsvoll eingesetzten Impulse eine Rolle. Die folgende Vorstellung dieser fünf medienpädagogischen Strategien fokussiert demgegenüber auf das Handlungsspektrum, das Pädagoginnen und Pädagogen in der medienpädagogischen Arbeit zur Verfügung steht.
Gespräche über Medien und Medienerfahrung Bei dieser medienpädagogischen Strategie geht es vor allem darum, ins Gespräch über Medien zu kommen und gemeinsam mit den Kindern über Medienerfahrungen nachzudenken (Reflexion). Hierfür bietet sich eine Situation an, in der die Gruppe zusammen ist und die Kinder an eine Gesprächssituation gewöhnt sind, wie etwa im Morgenkreis. Denkbar ist aber auch eine Situation mit nur einem Teil der Kinder. Dies hat den Vorteil, dass mehr Raum für die Äußerung des einzelnen Kindes besteht und die Pädagogin besser auf die Gesprächsbeiträge eingehen kann. Ziele von Gesprächen als medienpädagogische Strategie liegen vor allem auf zwei Ebenen: Zum einen geht es darum, die Kinder auf ein Thema einzustimmen, eine erste Auseinandersetzung anzuregen und sich Gedanken über Medienthemen zu machen. Zum anderen können die Pädagogen durch Gespräche einen ersten Eindruck von Erfahrungen, Nutzungsverhalten und Interessenschwerpunkten bekommen. Gespräche sind also insbesondere zur Exploration geeignet. Thematisch können sich Gespräche über Medien auf eine Vielzahl von Aspekten im Bereich der Medien beziehen. Sinnvoll ist dabei sicher ein Einstieg über ganz konkrete Inhalte, wie etwa die Lieblingsfernsehsendung, die ideale CD-Hörecke oder die favorisierten Medienhelden. Dabei können sich die Gespräche in ganz unterschiedliche Richtungen bewegen. Wenn es um Medienhelden geht, kann eine Sammlung der Charaktereigenschaften dieser Figur entstehen oder die Gruppe kann überlegen, wo sie ihn oder sie bereits gesehen hat (auf dem Kakaobecher, im Fernsehen, im Spielzeuggeschäft …). Das Gespräch kann sich auch in eine kreative Richtung entwickeln, indem der Frage nachgegangen wird, wie es wäre, dieser Figur einmal zu begegnen. Im Mittelpunkt steht bei Gesprächen der verbale Austausch. Es ist aber auch denkbar, visuelle Mittel zur Unterstützung einzusetzen. So können etwa Bildkarten mit verschiedenen Medienfiguren ein Gespräch
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3. MEDIENPÄDAGOGISCHE ERZIEHUNGS- UND BILDUNGS KONZEPTE
anregen und zu Assoziationen herausfordern. Symbole für verschiedene Medien können helfen, das Gespräch zu strukturieren. Besonders hilfreich ist es, den Gesprächsverlauf oder Ergebnisse zu dokumentieren. Dies können auch Kinder übernehmen, indem sie ein „Visuelles Protokoll“ erstellen. Beim oben geschilderten Beispiel mit den Medienhelden könnten auf ein Plakat alle Orte, in denen die Figur von den Kindern gesehen wurde aufgemalt werden.
Kreative Verarbeitung von Medienerfahrungen Kinder sammeln in Hörbüchern, Zeitschriften und Fernsehsendungen vielfältige Eindrücke und werden zugleich zu Fantasien und Ideen angeregt. Besondere Fähigkeiten, märchenhafte Rahmungen und abenteuerliche Erlebnisse laden zum Weiterspinnen von Geschichten und zur Verknüpfung mit anderen Erfahrungen in der Lebenswelt der Kinder ein. Diese Anregung zur Kreativität kann in verschiedene gestalterische Ausdrucksformen münden. Bilder der tollsten Medienfiguren oder auch von Identifikationsfiguren „Ich als …“ sind hier ein einfacher Einstieg. Die Medienfiguren selbst bieten sich als zentrales Element an: So kann man eine neue Episode mit „Biene Maja“ erdenken („Maja im Kindergarten“) und diese bebildern. Denkbar ist aber auch die Arbeit mit anderen Materialien, um Medienerfahrungen darzustellen, wie etwa die Arbeit mit Stoffen, Holz, Fundstücken, Pappmaché oder Papier. In diesen Bereich fallen auch „vergänglichere“ Formen des kreativen Arbeitens, wie das Nachstellen von Szenen aus Büchern oder Filmen mit einem passenden Bühnenbild. Ziel eines solchen kreativen Umgangs mit Medienerfahrungen ist es vor allem, erste Schritte vom (passiven) Konsumieren von Medien zur (aktiven) Nutzung von Medien zu gehen. Kinder können auf diese Weise das ihnen in den Medien angebotene „Material“ als Fundgrube für eigene Gedankenspiele und neue Fantasien nutzen. Thematisch ist auch hier wieder vieles denkbar. Grundsätzlich sollten die Ideen und Interessen der Kinder im Vordergrund stehen. Wichtig ist es auch, die individuellen Präferenzen zu respektieren, denn trotz der Dominanz bestimmter medialer Leitfiguren, werden die Kinder einer Kindergruppe ihre Sympathien sicher unterschiedlich vergeben.
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3.3. STRATEGIEN DER MEDIENPÄDAGOGISCHEN ARBEIT
Produktive Arbeit mit Medien Noch einen Schritt weiter in der Aktivität der Kinder kann man gehen, wenn man sie zur Produktion eigener Medien anregt. Schon kleine Kinder haben große Freude daran, Bilderbücher zu basteln und zu gestalten. Die Handhabung eines Fotoapparates ist ebenfalls für Kinder im Kindergartenalter gut zu bewältigen. Ältere Kinder können Fotos am Computer weiterbearbeiten oder in eine Präsentationssoftware (z. B. PowerPoint) einbinden. Auch das Drehen von kleinen Videoszenen oder die Produktion eines Hörspiels kann mit Kindern erprobt werden. Ziel dieses handlungsorientierten Ansatzes ist es, selbst zum Gestalter von Medien zu werden. Damit können die Kinder ihre Konsumentenrolle endgültig verlassen, weil sie eigene Ideen, Gestaltungswünsche und Geschichten umsetzen können. Diese medienpädagogische Strategie erfordert natürlich einen höheren Aufwand. Zugleich bekommen die Kinder aber auch einen umfassenden Einblick in die Herstellungsprozesse von Medien, in Möglichkeiten und Restriktionen, in Tricks und Fallstricke der Medienproduktion. Dies gilt als eines der wesentlichen Ziele medienpädagogischen Handelns überhaupt.
Nutzung und Ausprobieren von Medienangeboten Die Rezeption von Medien steht im Mittelpunkt, wenn verschiedene Medienangebote ausprobiert werden sollen. Immer mehr Kindertageseinrichtungen verfügen inzwischen über einen für die Kinder zugänglichen Computer, an dem die Kinder Spiele ausprobieren können oder sogar ins Internet gehen können. Auch andere Medien, wie etwa Hörbücher oder ein Fotoapparat stehen oft zur Verfügung. Die Zugänglichkeit von verschiedenen Medien und Medienangeboten ist sicher ein erster wichtiger Schritt in Richtung Medienerziehung. Doch vielfach wird bereits das Vorhandensein von Medien mit Medienpädagogik gleichgesetzt. Das Ausprobieren und die Möglichkeit, Medien zu nutzen sind aber eher als Rahmenbedingung hilfreich und wünschenswert, alleine jedoch nicht ausreichend. Medienpädagogische Maßnahmen erfordern darüber hinaus vor allem Reflexion und eigenes kreatives Arbeiten mit Medien.
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3. MEDIENPÄDAGOGISCHE ERZIEHUNGS- UND BILDUNGS KONZEPTE
Kritische Beurteilung von Medien Die Nutzung von Medienangeboten ist durch eine systematische kritische Beurteilung von Medien relativ leicht in eine reflexionsorientierte Medienarbeit zu überführen. So können Computerspiele, Kinderzeitschriften oder CDs von den Kindern einem „TÜV“ unterzogen werden. Gemeinsam aufgestellte Kriterien ermöglichen die Vergleichbarkeit der „Testberichte“. Dazu müssen die Kinder festlegen, was ihnen bei der Nutzung eines Mediums wichtig ist. Bei einem Computerspiel könnte das etwa der Spaßfaktor (lustig, spannend, wettbewerbsorientiert …), die Gestaltung, die übersichtliche Menüführung oder die Spielidee sein. Im zweiten Spiel können die Kinder verschiedene Medienprodukte (der gleichen Art) miteinander vergleichen, indem sie die zuvor festgelegten Kriterien darauf anwenden. Am Ende entsteht eine „Hitliste“ der besten Spiele. Ziel dieser Art der Auseinandersetzung mit Medienangeboten ist es, Kinder in die Rolle der Bewertenden zu versetzen. Dazu werden sie zu den Richtern über die Qualität eines Angebots und lernen so, Vor- und Nachteile von Produkten zu beschreiben. Zugleich werden die eigenen Bedürfnisse und Wünsche transparent, die mit der Mediennutzung verbunden sind.
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4.
Medienerziehung im Kindergarten?
Fallbeispiel: Eichhörchen-Gruppe in der Kindertagesstätte „Waldwichtel“ Die Eichhörnchen-Gruppe wird von insgesamt 22 Kindern besucht und von 3 Erwachsenen betreut: Einer Erzieherin, einer Kinderpflegerin und einer Berufspraktikantin im Anerkennungsjahr. In der Einrichtung befinden sich noch zwei weitere Gruppen. Aufgrund des Standorts der Kita und dem ausgeprägten Interesse einiger Teammitglieder hat die Einrichtung einen inhaltlichen Schwerpunkt im Bereich Naturerfahrung und Umwelterziehung. Dies ist auch ein wichtiges Argument für viele Eltern, sich für die Kita „Waldwichtel“ zu entscheiden. Das Team der Eichhörnchen-Gruppe beobachtet seit einigen Wochen mit wachsendem Unbehangen die anscheinend wachsende Bedeutung der „Montags-Krankheit“: Viele Kinder sind montags unausgeschlafen und deutlich aggressiver als an anderen Wochentagen. In den Freispielphasen werden insbesondere von den Jungs ständig Schusswechsel mit ausgedachten Waffen geprobt. Der Wortschatz wird durch markige Sprüche dominiert und es herrscht ein „cooler“ bis ruppiger Tonfall, wie man ihn aus Fernsehsendungen kennt. Die Erzieherinnen Claudia, Nadine und Steffi haben schon auf verschiedenste Arten versucht, dieser „Montags-Kranheit“ zu begegnen: Sie haben die Kinder gebeten, mit dem Geballer aufzuhören, sie haben die Eltern zu geringerem Fernsehkonsum ermahnt, sie haben bestimmte MontagsRegeln mit den Kindern erarbeitet – und sind inzwischen beim entnervten Gewährenlassen angekommen. Darüber hinaus herrschen im Team jedoch unterschiedliche Einstellungen: Claudia ist inzwischen zu einer handfesten AntiFernseh-Aktivistin geworden; sie macht immer wieder deutlich, dass sie davon gar nichts hält und Kinder damit am besten überhaupt nicht in Berührung kommen sollten. Nadine hingegen sieht selbst gerne fern und liebt die entspannten Stunden vor dem Bildschirm – sie kann deswegen Eltern und Kinder ganz gut verstehen. Steffi hingegen erlebt durch ihre eigenen Kinder im
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4. MEDIENERZIEHUNG IM KINDERGARTEN?
Grundschulalter vor allem die wachsende Anforderung an Kinder, sich mit Medien auseinanderzusetzen. Gerade die Heranführung an den Computer sieht sie deswegen als wichtig an.
4.1 Medieneuphorie und Medienkritik 4.1 Medieneuphorie und Medienkritik
Ein Blick in die Diskussionen der letzten Jahrzehnte zeigt, dass die Kritik an Medien und ihren möglicherweise schädlichen Wirkungen stets eine große Rolle gespielt hat. Von dieser Kritik sind insbesondere das Fernsehen und der Computer betroffen. Solche Kritik hat Tradition – so wird auch von Aristoteles berichtet, er habe die Durchsetzung der Schrift kritisiert, weil sie weniger Geistesleistung erfordere als das Auswendiglernen. Die befürchtete geistige Trägheit ist auch ein Bestandteil heutiger Medienkritik, doch es kommen noch weitere Aspekte hinzu. Computer und Fernsehen etwa machen, kurz gesagt, dumm, dick und aggressiv. Diese Argumente sind in der Diskussion und auch insbesondere unter Pädagoginnen und Pädagogen sehr verbreitet. Deshalb sollen die wichtigsten Diskussionslinien um diese Punkte im Folgenden diskutiert werden. Computer und Fernsehen machen dumm. Diese Kritik beruht vor allem auf der Tatsache, dass die Nutzer dieser Medien weitgehend passiv das aufnehmen, was ihnen geboten wird, bzw. bei Computerspielen darauf reagieren. Im Gegensatz zum Spielen mit Bauklötzen oder (noch besser) mit anderen Kindern ist die begrenzte Kommunikation mit einem Bildschirm bei weitem weniger günstig für die Entwicklung von Kindern. Eine wichtige Kritik bezieht sich auch darauf, dass Fernsehen und Computer nur „Wissen aus zweiter Hand“ anbieten würden, Kinder könnten also keine unmittelbaren sinnlichen Erfahrungen mit Medien machen, sondern würden die Welt nur in mundgerechten Häppchen serviert bekommen. Der Medienpädagoge Wolf-Rüdiger Wagner entzaubert mit seiner Analyse jedoch diesen „Mythos Primärerfahrung“. Nach seiner Auffassung gehören Medien selbst inzwischen zur Welt des „Primären“, ganz nach dem Grundsatz des Medienwissenschaftlers Marshal McLuhan:
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4.1 MEDIENEUPHORIE UND MEDIENKRITIK
„Das Medium ist die Botschaft“. Medien dienen also nicht nur dazu, die echte Welt zu übertragen, sie zu transportieren, sondern sie selbst sind ein wichtiger Teil dieser „echten Welt“ (vgl. Wagner 2004:110). Jenseits dieser theoretischen Diskussionen gilt aber für die frühkindliche Bildung ebenso wie für andere Bildungsbereiche und Altersphasen: Medien sollen die unmittelbare sinnliche Erfahrung der Welt und das Spiel mit Gleichaltrigen keinesfalls ersetzen. Vielmehr geht es darum, diesen zentralen Entwicklungstreibern einen weiteren Impuls an die Seite zu stellen. Fernsehen und Computer können dann sogar zu einer wichtigen Ergänzung von Alltagserfahrungen werden, etwa dort, wo das menschliche Sinnessystem und der durchschnittliche Erfahrungshorizont begrenzt ist: Im Kleinen, z. B. bei der Erforschung des Innenlebens von Pflanzen, die mithilfe einer CD-Rom geleistet werden kann und im Großen, z. B. beim Einnehmen neuer Perspektiven auf unseren Nahbereich, das durch Google Earth eine ganz neue Dimension erfahren hat. Mediennutzung ist also etwas, das zusätzlich und ergänzend geschehen soll, nicht etwas, dass bisherige Erfahrungswege ersetzen soll. Computer und Fernsehen machen dick. Dieses Argument zielt vor allem auf den mit der Nutzung von Fernsehen und Computer verbundenen Bewegungsmangel. Tatsächlich geht mit der Nutzung von Fernsehen und Computern eine sehr geringe körperliche Aktivität einher. Deswegen ist es auch wichtig, Regeln für die Dauer der Bildschirmnutzung aufzustellen. Auch hier gilt, dass Mediennutzung nur ein Teil des Kinderlebens und des Alltags in Kindertageseinrichtungen ausmachen sollte. Nebenbei bemerkt: Auch viele andere Tätigkeiten, wie Basteln, Malen und Lesen, die unbestritten als „pädagogisch wertvoll“ gelten, gehen mit wenig Bewegung einher. Computer und Fernsehen machen aggressiv. Dieses Argument wird besonders kontrovers diskutiert. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden. Zum einen der Konsum von Inhalten, in denen Gewalt gezeigt wird und zum anderen inwiefern die eingeschränkte Interaktions- und Kommunikationssituation an sich in eine aggressive Gemütslage führt. Der Aspekt der Gewaltdarstellung kann für die Altersgruppe der Kinder bis zum Alter von sechs Jahren weitgehend ausgeschlossen werden. Relevanter ist aber die Frage, ob die Situation vor dem Computer oder dem Fernseher an sich aggressiv macht und beispielsweise zu dem führt,
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4. MEDIENERZIEHUNG IM KINDERGARTEN?
was viele Pädagoginnen und Pädagogen als die „Montags-Krankheit“ bezeichnen. Eine Studie des Deutschen Jugend Instituts zeigte jedoch, dass „medienbewirkte Ausdrucksformen im Verhalten“ sich an Montagen nicht häufiger zeigen als an anderen Tagen (vgl. Barthelmes / Feil / Furtner-Kallmünzer 1991: 138). Dies kann jedoch nur ein Hinweis sein auf die Wirkungen von Bildschirm-Medien. Ohne Frage geht es auch hier um das Maß und das Finden einer altersangemessenen Nutzungsdauer. Als einer der prominentesten Medienkritiker hat sich in den vergangenen Jahren der Mediziner Manfred Spitzer positioniert. Er hebt insbesondere auf die schädlichen Wirkungen von Gewaltdarstellungen im Fernsehen ab. Ähnlich argumentiert in den öffentlichen Debatten der Kriminologe Christian Pfeiffer, der die desensibilisierende Wirkung von gewaltverherrlichenden Computerspielen („Killerspiele“) hervorhebt. Beide führen eine ansteigende Aggressivität und Gewaltbereitschaft auf Gewaltdarstellungen in Fernsehen und Computer zurück. Diese Kausalbeziehung ist umstritten. So lässt sich kaum eindeutig nachweisen, dass ein bestimmtes gewalttätiges Verhalten auf den Konsum bestimmter Medien zurückzuführen ist. Vielmehr wird heute davon ausgegangen, dass Medienkonsum im Kontext des gesamten Lebens gesehen werden muss: Wer in intakten Sozialbeziehungen lebt und sein Leben gut bewältigt, bei dem werden Gewaltdarstellungen in Fernsehen und Computer keine Gewaltexzesse auslösen. Außer Frage steht jedoch, dass für Kinder im Kindergartenalter Gewaltdarstellungen kein Thema sein sollten. Kinder haben in diesem Alter meist noch ein sehr gutes Gespür dafür, was ihnen gut tut und was sie überfordert und schauen sich für sie unheimliche Inhalte nicht an. Trotz allem kann es passieren, dass Kinder mit gewalthaltigen Sendungen konfrontiert werden – sei es, weil sie in der Familie dabei sind, wenn andere entsprechende Angebote nutzen oder weil eine vermeintliche Kleinkindsendung drastischer ausfällt, als vermutet. Vor solchen Erfahrungen können Erzieherinnen die Kinder nicht bewahren. Medienerziehung kann dabei helfen, mit dem Gesehenen kompetent umzugehen und einzuschätzen, was gut ist und was nicht – gerade weil es dieses problematische Medianangebot gibt, ist es wichtig, es nicht zu tabuisieren sondern Kindern und Jugendlichen zu helfen, damit umzugehen.
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4.2 ERZIEHERINNEN UND MEDIEN – EIN SCHWIERIGES VERHÄLTNIS
4.2 Erzieherinnen und Medien – ein schwieriges Verhältnis 4.2 Erzieherinnen und Medien – ein schwieriges Verhältnis
Während in Familien der Kontakt mit Medien oft zufällig und nebenbei stattfindet, können Kinder in Kindertageseinrichtungen erstmals eine systematische und zielgerichtete Medienerziehung erfahren. Dies ist vor allem mit Blick auf die unterschiedlichen Herkunftsmilieus wichtig, denn hier besteht die Möglichkeit, Kindern aus bildungsfernen Familien entscheidende Impulse zu geben. Durch Medienerziehung können Kinder die Zuhause gemachten Medienerfahrungen verarbeiten und zugleich lernen, auch andere Medien zu nutzen bei denen etwa die interaktive Auseinandersetzung stärker im Vordergrund steht (vgl. Theunert / Demmler 2007). Die Kindertageseinrichtung hat als erste Institution, die die Kinder besuchen die Chance, erste Ansätze zur Medienkompetenz bei Kindern aufzubauen. Eine empirische Studie zur Medienerziehung in Kindertageseinrichtungen zeigt jedoch, dass viele Erzieherinnen ein distanziertes oder kritisches Verhältnis haben: Ein Drittel der in dieser Studie interviewten Erzieherinnen „versteht unter einem wünschenswerten Medienumgang von Kindern insbesondere ein möglichst geringes Nutzungsquantum und möchte mit Medienerziehung in erster Linie bewirken, dass Kinder elektronische Medien weniger ausgiebig nutzen“ (Six / Gimmler 2007: 209). In Sachen Medienerziehung sehen die befragten Erzieherinnen vor allem die Eltern in der Pflicht, wobei deren Hauptaufgabe darin bestehen sollte, den Medienkonsum zeitlich möglicht gering zu halten (a. a. O.: 211). Im Umkehrschluss bedeutet dies für die Kindertageseinrichtungen, dass sie für dieses Thema nur am Rande zuständig sind. Hauptursache dieser medienkritischen Haltung unter den Erzieherinnen sehen die Medienforscher Ulrike Six und Roland Gimmler im mangelnden Wissen über Medien und Medienerziehung. Medienpädagogische Inhalte spielen in der Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen nur eine Nebenrolle (a. a. O.:152). Deswegen haben viele Erzieherinnen nur sehr vage Vorstellungen von den Zielen und Vorgehensweisen der Medienerziehung. Diejenigen unter den Befragten, die sich in Aus- und Weiterbildung intensiver mit medienpädagogischen Themen beschäftigt hatten, schätzten zugleich auch die Wichtigkeit dieses Bildungsbereichs höher ein. Für viele Erzieherinnen bedeutet Medienerziehung in erster Linie die Aneignung eines sachgemäßen
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4. MEDIENERZIEHUNG IM KINDERGARTEN?
Umgangs mit den Geräten bzw. den Umgang mit der Technik. Gerade hier schätzten die Befragten sich selbst wenig kompetent ein und wünschten sich Unterstützung (ebd.). Bemerkenswerte Ergebnisse wurden auch in Hinblick auf das Wissen über die Mediennutzung der Kinder gewonnen. Die Vermutungen, wie lange Kinder im Kindergartenalter durchschnittlich fernsehen gingen bei den Befragten weit auseinander, lagen aber im Mittel bei fast zwei Stunden pro Tag (112 Minuten) (Six / Gimmler 2007: 172). Gleichzeitig wurden die Erzieherinnen gefragt, wie lange Kinder ihrer Meinung nach täglich fernsehen können, ohne Schaden zu nehmen. Dieser Wert lag bei etwa 45 Minuten (ebd.). Der große Unterschied zwischen vermutetem, tatsächlichem und von den Erzieherinnen als sinnvoll erachtetem Fernsehquantum erklärt möglicherweise die starken Abneigungen der Erzieherinnen gegenüber dem Medium. Die Ergebnisse der Studie von Ulrike Six und Roland Gimmler machen vor allem deutlich, dass viele Erzieherinnen noch immer zu wenig über Medien und Mediennutzung, vor allem aber zu wenig über Ziele und Wege der Medienerziehung wissen. Hier besteht ein deutlicher Nachholbedarf sowohl in der Ausbildung als auch in der Fortbildung. Dieser Hintergrund macht die ablehnende Haltung vieler Erzieherinnen gegenüber Medien – und insbesondere gegenüber Fernsehen und Computer – verständlich. Die (über-) kritische Sicht auf Medien verhindert jedoch oft eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Indem Medien aus Kindertageseinrichtungen verbannt werden, wird eine Chance genommen, Medienerfahrungen produktiv und im Austausch mit anderen (Kindern und Erzieherinnen) zu verarbeiten. Und diese Verarbeitung wäre bereits eine wichtige Grundlage für die Entwicklung eines kompetenten und angemessenen Umgangs mit Medien.
4.3 Medienerziehung und pädagogische Ansätze 4.3 Medienerziehung und pädagogische Ansätze
Medien haben für Pädagoginnen und Pädagogen, die sich mit der frühen Kindheit befasst haben, schon immer eine Rolle gespielt. Bereits einer der Urväter der Vorschulerziehung, der Theologe und Pädagoge Johan Amos Comenius (1592–1670), hatte als wichtiges Instrument das
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4.3 MEDIENERZIEHUNG UND PÄDAGOGISCHE ANSÄTZE
Lehrbuch entwickelt. Für ihn spielte die Veranschaulichung durch Bilder, Symbole und Beispiele eine wichtige Rolle (vgl. Knauf 2010). Später hat der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) die Bedeutung von bestimmten Gegenständen hervorgehoben, in denen sich in vereinfachter Weise komplexe Zusammenhänge zeigen lassen (ebd.). Auch hierbei handelt es sich um Medien im Sinne von „Mittlern“ zwischen Welt und Kind. Spätere Pädagogen haben mit Büchern und Gegenständen versucht, wichtige Elemente der Wirklichkeit für Kinder erfahrbar zu machen. Man denke etwa an die Spielgaben Friedrich Fröbels (1982–1852) oder an die Lernmaterialien Maria Montessoris (1870–1952). Die Frage, ob elektronische Medien, wie wir sie heute kennen, von den genannten Pädagoginnen und Pädagogen für den Einsatz in Kita und Kindergarten befürwortet worden wären, lässt sich heute nicht mehr beantworten. Deutlich wird aber, dass neben der unmittelbaren Erfahrung von und Auseinandersetzung mit der Welt immer auch Medien gesucht wurden, die den Kindern einen ihnen angemessenen Zugang zur Welt ermöglichten. Diese Funktion können neue Medien durchaus einnehmen: Etwa wenn mithilfe eines Videos, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Zellstrukturen eines Apfels untersucht werden, oder wenn moralische Grundfragen (z. B. Angst, Freundschaft oder Gemeinsinn) mithilfe von Hörspielen bearbeitet werden. Für den Einsatz von Medien im Rahmen der heute in Kindertageseinrichtungen umgesetzten pädagogischen Ansätze gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte. Dazu drei Beispiele: ◆
Situationsansatz: Erzieherinnen sollen sich in ihrem pädagogischen Handeln an der Lebenswirklichkeit der Kinder orientieren und die Themen aufgreifen, die für die Kinder wichtig sind. Dazu werden Schlüsselsituationen identifiziert, in denen sich für die Kinder wichtige Themen spiegeln. In Schlüsselsituationen können die Kinder sich dann erproben und so Strategien für ihre Lebensbewältigung entwickeln. Wenn in einer Kindergruppe Medienthemen eine große Rolle spielen, dann kann eine medienbezogene Situation als Schlüsselsituation definiert werden. Im Sinne des für den Situationsansatz wichtigen Ziels der Partizipation können und sollen Kinder ihre Themen einbringen – das sind selbstverständlich auch Themen aus den Medienwelten (z. B. Star Wars, Hexe Lili) oder Themen zum Umgang mit Medien (z. B. „Warum darf ich nur eine halbe Stunde an
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4. MEDIENERZIEHUNG IM KINDERGARTEN?
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den Computer?“). Wichtiger Grundsatz des Situationsansatzes ist es eben auch, dass die für die Erzieherinnen ferner liegenden Themen aufgegriffen werden. Reggiopädagogik: Eine andere Perspektive auf Medien ist in der Reggiopädagogik zu finden. Hier haben Medien ihre Rolle weniger als Thema der Kinder, sondern als Werkzeug für die Arbeit in der Kindertageseinrichtung. In der Reggiopädagogik ist die Dokumentation von Ereignissen, Erfahrungen, Erlebnissen ein zentrales Element. Diese Dokumentationen sollen möglichst authentisch sein, also das Erlebte aus Sicht der Beteiligten darstellen und festhalten. Dokumentationen lassen sich auf verschiedene Weise herstellen. Typisch für die Reggiopädagogik sind Wand- und Heftdokumentationen, die sehr häufig durch Fotos bebildert werden. Video- und Audiomitschnitte können ebenfalls zu Dokumentationszwecken eingesetzt werden. Medien werden damit zu einem zentralen Instrument, mit dem subjektive Perspektiven auf Erfahrenes und Erlebtes festgehalten werden können, sie werden zu einem „zweiten Auge“, dass es auch Dritten ermöglicht, die eigene Perspektive einzunehmen – insbesondere dann, wenn die Kinder bei der Aufzeichnung selbst durch den Sucher gucken durften. Offener Kindergarten: Viele Einrichtungen mit einer offenen Konzeption teilen den Tagesablauf in Freispiel und Angebote. Die Angebote orientieren sich dabei an den Beobachtungen der Kinder und versuchen Themen aufzugreifen, die die Kinder aktuell beschäftigen. Für Angebote zum Thema Medien gibt es sicher genügend Anlässe im Spiel der Kinder. Offene Einrichtungen haben sich zudem meist von der Aufteilung in Gruppenräume gelöst und stattdessen Funktionsräume eingerichtet. In diesem Sinne kann ein Raum (zeitlich begrenzt oder auch dauerhaft) zum Medienraum gemacht werden. Oder ein der Entspannung dienender Raum kann zur Lausch-Oase werden, in der in bequemer Haltung Hörbücher gehört werden können.
Die Beispiele machen bereits an dieser Stelle deutlich, dass es bei Medienerziehung keineswegs (nur) darum geht, in der Einrichtung Medienangebote zu machen – also eine Computerecke einzurichten oder gemeinsam einen Film anzuschauen. Es geht vielmehr vor allem darum, über Medien und die eigene Mediennutzung ins Gespräch zu kommen und sich die Medienpalette als Werkzeuge wie Säge und Bleistift zu eigen zu machen.
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4.4 MEDIEN IN DEN BILDUNGSPLÄNEN DER BUNDESLÄNDER
4.4 Medien in den Bildungsplänen der Bundesländer 4.4 Medien in den Bildungsplänen der Bundesländer
Die wachsende Bedeutung von Medien schon für junge Kinder ist auch bei der Formulierung der Bildungspläne der Bundesländer bedacht worden. Die Bildungspläne sind in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts in allen 16 Bundesländern verfasst worden, um die Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen zu verbessern und weiterzuentwickeln. Die Bildungspläne sind in ihrem Aufbau zwar sehr unterschiedlich, jedoch benennen fast alle Pläne Bildungsbereiche oder Themenfelder, in denen Kinder besonders gefördert werden sollen. Wie die folgende Grafik zeigt, wird dabei das Thema Medien in den meisten Bundesländern genannt – wenn auch in unterschiedlichem Umfang:
Eigener Bildungsbereich
Explizite Nennung und Integration in anderen Bildungsbereich Keine explizite Nennung und Integration in anderen Bildungsbereich
Kein Bestandteil des Bildungsplanes
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Abb. 9: Bedeutung des Themas „Medien“ in den Bildungsplänen der Bundesländer (vgl. Neuß 2008)
In Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz werden Medien als eigenständiger Bildungsbereich genannt. In den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz heißt es: „Wahrnehmung der Welt sollte zunächst mit allen Sinnen, also neben den vornehmlichen Sinnen Augen und Ohren auch über den Geruchssinn, Tastsinn und Geschmackssinn erfolgen. Welterfahrungen sollten medial unterstützt und ergänzt werden. Medien stellen zugleich
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eigene Erfahrungsräume dar. Gerade die Schulung der Sinne, ihr Aufschließen für die Welt, ist ein wichtiger Schritt für die Gesamtentwicklung der Kinder. In einer Lebenswelt, die solch mehrdimensionale Erfahrungen beschert, müssen sich Erzieherinnen in besonderem Maße dieser Aufgabe stellen. Medien in all ihren Ausprägungen gehören zu unserer Kultur und der souveräne Umgang mit ihnen gehört zur modernen Lebensgestaltung.“ (Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend 2004: 35).
Aufbauend auf der Begründung von Medien als selbstverständlicher Bestandteil der Lebenswelt von Kindern nennt der hessische Bildungsplan als Ziel von Medienerziehung: „Medienbildung und -erziehung zielt darauf ab, Risiken entgegenzuwirken, Orientierungskompetenz zu stärken, positive Potentiale nutzbar zu machen sowie der Ungleichverteilung medienbezogener Chancen und Risiken entgegenzuwirken. Die Stärkung von Medienkompetenz geschieht im Wechselspiel von gezielter Unterstützung und selbsttätiger Kompetenzerweiterung.“ (Hessisches Sozialministerium / Hessisches Kulturministerium 2007: 70). Der offene Bildungsplan für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen sieht den Bildungsbereich „Spielen und Gestalten, Medien“ vor (Schäfer 2007: 239). Durch diese Konstruktion wird vor allem die Ausdruckskraft, die ein wichtiges Potenzial neuer Medien sind, in den Vordergrund gestellt. Aufgrund der Allgegenwart von Medien wird die Unterstützung beim Umgang mit ihnen als Ziel festgelegt. Voraussetzung hierfür sei aber das Vorhandensein „sinnlicher Gestaltungsformen“ und „ausreichender ästhetischer Werte“: „Ein durch reale Erfahrungen ausreichend differenziertes Wahrnehmen, Empfinden und Fühlen kann mediale Inszenierungen genießen ohne der Fiktion und der Illusion anheim zu fallen.“ (Schäfer 2007: 246) In Brandenburg, wo Medien ohne explizite Nennung integriert sind, wird das Thema Medien dem Bildungsbereich „Sprache – Kommunikation – Schriftkultur“ benannt. Hier steht zwar das Medium Buch im Mittelpunkt, es werden aber auch Fernsehsendungen und Computer einbezogen. Der Übergang zur Gruppe der Bundesländer, in denen Medien „kein Bestandteil des Bildungsplanes“ sind, ist möglicherweise nicht ganz trennscharf. Im Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt spielt Medienkompetenz jedoch so gut wie keine Rolle. Fernsehen, PC und Spielkonsolen werden lediglich an einer
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4.5 MIT DEN FAMILIEN AN EINEM STRANG ZIEHEN: ELTERNARBEIT
Stelle als „Erscheinungen“ bezeichnet, mit denen sich Erzieherinnen gemeinsam mit den Kindern auseinandersetzen sollen (Ministerium für Gesundheit und Soziales o. J.: 64). Die Auswertung der Bildungspläne macht deutlich, dass die Bedeutung von Medien für Kinder zwischen 0 und 6 weitgehend erkannt worden ist. Jedoch unterscheiden sich die Bildungspläne stark darin, wie sie mit dieser Einsicht umgehen: Während die einen versuchen, das Thema weitgehend aus dem Alltag in Kindertageseinrichtungen herauszuhalten und als Randphänomen zu beobachten, gehen andere Bildungspläne offensiver mit dem Thema um und regen einen produktiven Umgang mit Medien an. Möglicherweise liegt bei den Autorinnen und Autoren ein unterschiedliches Verständnis von Medienerziehung zugrunde, das ähnlich wie bei den von Six und Gimmler befragten Erzieherinnen zwischen „Hilfe bei der technischen Handhabung“ und „Wir machen Medien und denken darüber nach“ changiert. Solange vielerorts einzig die technische Seite der Medienerziehung im Mittelpunkt steht, wird Medienerziehung dort auch ein Randthema bleiben.
4.5 Mit den Familien an einem Strang ziehen: Elternarbeit 4.5 Mit den Familien an einem Strang ziehen: Elternarbeit
Mediennutzung findet vor allem in der Familie statt. Hier sammeln Kinder erste Erfahrungen mit Medien und erobern sich nach und nach die gesamte Medienpalette. Außerdem beobachten Kinder sehr genau, wie ihre Eltern und Geschwister mit Medien umgehen und in welchen Situationen sie selbst Medien nutzen dürfen. Deswegen kann und soll sich die medienpädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen nicht allein auf die Zeit in Kindergarten und Kita beschränken, sondern die Eltern als Partner mit ins Boot holen. Eine wichtige Strategie für die Elternarbeit zum Thema Medien sind thematisch ausgerichtete Elternabende. Hier können Aktivitäten der Einrichtung im Bereich Medien vorgestellt werden und Eltern und Erzieherinnen können gemeinsam über das Thema diskutieren (vgl. z. B. Kramer, o. J.). Andere Wege der medienbezogenen Elternarbeit können auch gemeinsame Aktionen mit Eltern und Kindern sein, wie etwa eine Ausstellung der Kinder zum Thema.
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4. MEDIENERZIEHUNG IM KINDERGARTEN?
Hindernisse für eine gute Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Eltern bestehen auf beiden Seiten: Eltern haben am Thema „Medienerziehung“ oft kein Interesse oder möchten ihre private Alltagsgestaltung nicht zum Gegenstand von Diskussionen mit Erzieherinnen und anderen Eltern machen. Auf der anderen Seite haben viele Erzieherinnen die Eltern in Verdacht, ihre Kinder aus Bequemlichkeit, Desinteresse oder Überforderung unkontrolliert dem Fernsehen oder dem Computer zu überlassen und so zur „Medienverwahrlosung“ (Pfeiffer 2003:12) beizutragen (vgl. Abschnitt 3.2). Beide Haltungen führen zu einem Teufelskreis, in dem gegenseitige Abwehrmechanismen dazu beitragen, das Thema nicht zu bearbeiten und außen vor zu lassen. Dadurch ist jedoch den Kindern nicht geholfen. Soll eine konstruktive und ergebnisträchtige Elternarbeit stattfinden, ist eine Öffnung der Erzieherinnen für die Perspektive der Eltern unabdingbar. Ein hilfreicher Ansatz für diesen Perspektivwechsel ist es, wenn Erzieherinnen die eigene Mediennutzung genauer in den Blick nehmen: ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Welche Medien gab es in meiner Kindheit? Was war mir wichtig? Was sind meine Lieblingsfilme oder -serien? Welche Musik mag ich besonders? Wann schaue ich fern und warum? Welche Medien sind mir besonders wichtig? Usw.
Ziel ist es, sich deutlich zu machen, dass Medien zum Alltag dazugehören und dass sie auch positive Aspekte haben, wie beispielsweise Entspannung, Unterhaltung, Information und Mitreden können. Vor diesem Hintergrund kann möglicherweise offener auf Eltern zugegangen werden und weniger vom „hohen pädagogischen Ross“. Die Grundhaltung besagt dann eher: Wir leben in einer von Medien mitgeprägten Welt, wie können wir unsere Kinder dabei unterstützen zu verantwortungsbewussten Mediennutzern zu werden? Medien sind auch ein Kristallisationspunkt für die Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Insbesondere für Angehörige der Mittelschicht ist die Abgrenzung gegenüber den Unterschichten eine wichtige Strategie zur Festigung der eigenen Identität. Insbesondere das Fernsehen wird oft als „Unterschichtenmedium“ wahrgenommen – das
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4.5 MIT DEN FAMILIEN AN EINEM STRANG ZIEHEN: ELTERNARBEIT
Bekenntnis zu einem geringen Fernsehkonsum dient auch dazu, sich von der Unterschicht abzugrenzen. Problematisch wird dieses meist unbewusst stattfindende Abgrenzungsverhalten dann, wenn die der Mittelschicht angehörenden Erzieherinnen auf Familien herabblicken, in denen viel fern gesehen wird, weil es so zu Stigmatisierungen der Kinder kommt: Die Kinder nehmen sehr genau wahr, dass das, was in der Lebenswelt „Zuhause“ selbstverständlich ist, in der Lebenswelt „Kita“ kritisiert oder auch ignoriert wird. Im Sinne der Medienerziehung wird diese Erfahrung sich als wenig konstruktiv erweisen. Einen vergleichsweise neuen Blick auf Familien hat in den letzten Jahren die Familiensoziologie entworfen: Darin wird weniger auf die Schwachstellen der Erziehungs- und Bildungsleistungen geschaut, sondern es wird der Prozess des alltäglichen Herstellens von Familie genauer untersucht (vgl. BMFSH 2006: 128). Familienleben bedeutet, dass Abläufe, Rituale und Beziehungen jeden Tag aufs Neue gelebt werden müssen. Medien, so der Familiensoziologe Andreas Lange, sind Teil dieses Familienalltags: „Sie bieten Anlässe der Strukturierung und der Entspannung und können so die Akteure entlasten. Sie bieten Stoff für Diskussionen, Streit und Polarisierungen. Medienthemen und der Medienumgang sind Material für die sozialen Beziehungen und die Kommunikation der Familienmitglieder untereinander – entweder für die Herstellung von gemeinsam gemachten Erfahrungen oder für die Austragung von Spannungen und Streitpunkten.“ (Lange 2007: 41 / 42). In dieser pragmatischen Perspektive werden Medien als Teil des Familienlebens akzeptiert und auch gewürdigt, sodass der Weg zu einer sachbezogenen Auseinandersetzung mit dem Thema Mediennutzung in Familien eröffnet wird. Für die Elternarbeit in Kindertageseinrichtungen ist dies ein hilfreicher Zugang, denn eine Aufgeschlossenheit der Beteiligten wird erst möglich, wenn etwaige moralisierende Haltungen und Überheblichkeiten überwunden werden. Ein Grundsatz, der letztlich für jegliche Elternarbeit gilt, weil konstruktive Zusammenarbeit nur auf der Grundlage gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung der jeweils erbrachten Leistungen funktioniert. Bei Elternabenden zum Thema Medien geht es vor allem darum, Eltern in ihrer Medienerziehung zu unterstützen und natürlich auch darum, einen Einblick in die Arbeit der Einrichtung zu geben. Wichtige Voraussetzung für einen gelungenen Elternabend ist es, den Eltern deutlich zu machen, dass es nicht darum geht, ihre Mediennutzung zu
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4. MEDIENERZIEHUNG IM KINDERGARTEN?
kritisieren oder ihnen zu sagen „wie es richtig geht“ (vgl. Neuß 2003: 75). Vielmehr muss von Anfang an deutlich werden, dass der Elternabend zu einer gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Thema Medien „auf Augenhöhe“ dienen soll. Den Einstieg in das Thema Medien kann man auch mit Eltern über die Beschäftigung mit der eigenen Mediennutzung herstellen. Dabei ist ein Blick in die eigene Kindheit empfehlenswert, denn die gegenwärtige Mediennutzung wird oft unter dem Gesichtspunkt der sozialen Erwünschtheit „geschönt“. Natürlich sind die Produkte der Kinder auch wichtige Impulsgeber für einen Elternabend: Bilder, Fotos, Filmproduktionen usw. geben einen guten Einblicke in die Medienarbeit und machen deutlich, worum es bei der Beschäftigung mit dem Thema geht: Um das Ernstnehmen heutiger kindlicher Lebenswelten und darum, Kinder bei der Verarbeitung ihrer Medienerlebnisse und beim Aufbau von Medienkompetenz zu unterstützen – und nicht darum, den Medienkonsum in der Familie kritisch zu beleuchten. Für die konkrete Gestaltung der Einbeziehung von Eltern in die Medienarbeit der Kindertageseinrichtung gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen. Eine für die Erzieherinnen unterstützende und entlastende Integration von Eltern findet dann statt, wenn einzelne Eltern ihre Medienkompetenzen einbringen: Etwa wenn es um die Arbeit mit Computer, Internet, Film- oder Hörproduktionen geht. Oft finden sich im Kreis der Eltern Menschen, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen mit einem Medium besonders gut auskennen und den Erzieherinnen als Experte zur Verfügung stehen können.
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5. Der Werkzeugkoffer der Medienerziehung: Die Medienpalette
Fallbeispiel: Kindergarten „Spatzennest“ Der Kindergarten „Spatzennest“ in einem kleinen Ort in Niedersachsen hat sich auf den Weg gemacht: Seit drei Jahren werden Medien als Querschnittsthema immer wieder in die pädagogische Arbeit eingebaut. Angefangen hat alles mit einer verunglückten Weihnachtsfeier: Die Kinder mehrerer Gruppen hatten ein kleines Theaterstück auf die Beine gestellt – und dann überkam die Läuseplage die Einrichtung und viele Kinder konnten nicht zur Weihnachtsfeier kommen. Marion, eine videobegeisterte Erzieherin, schlug kurzerhand vor, das Ganze mit einer Videokamera aufzuzeichnen. Dass die DVD mit dem Theaterstück von Kindern und Eltern begeistert angenommen wurde versteht sich fast von selbst. Doch aus dem „Notnagel“ wurde mehr: Bei der Aufzeichnung und dem Anschließenden Schneiden des Filmmaterials war Marion erst bewusst geworden, was man alles mit Videos anstellen kann. Gemeinsam mit den Kindern entstand so ein erster kleiner Film, dessen Drehbuch von den Kindern selbst ersonnen wurde. Die Projektidee steckte andere Teammitglieder an: Petra, Gruppenleiterin in einer anderen Gruppe, sah, wieviel Freude die Kinder an der Arbeit mit dem Film und mit dem fertigen Produkt hatten. Andererseits aber scheute sie den technischen Aufwand, der mit der Filmproduktion einherging. Außerdem wollte sie, dass die Kinder etwas machen konnten, ohne in einem so hohen Maße auf die Hilfe von Erwachsenen angewiesen zu sein. Sie entschloss sich deshalb, einen Teil des Sachmitteletats in fünf preiswerte Digitalkameras zu investieren, mit denen die Kinder auf Fotosafari gehen konnten. Die Kinder knipsten zunächst wild alles, was ihnen interessant erschien. Dann wurde gemeinsam am Computer ausgewählt: Welche Bilder sind uns so wichtig, dass wir einen Abzug haben möchten? Während Petra mit ihrer Gruppe den Fokus auf bestimmte Themen legte, um die Bilderflut etwas einzudämmen, regte sich im Team erste Kritik. Brauchen Kinder nicht zunächst die direkte sinnliche Wahr-
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5. DER WERKZEUGKOFFER DER MEDIENERZIEHUNG: DIE MEDIENPALET TE
nehmung bevor sie durch Linsen und Objektive schauen? Und: ist die Medieneuphorie von Marion und Petra nicht etwas zu unkritisch? Martina schlug vor, sich auch einmal kritisch mit dem Thema Medien auseinanderzusetzen und plante einen Elternabend zum Thema „Alles Medien – oder was?“. Wie so oft, war die Resonanz unter den Eltern sehr gemischt und viele mieden den Termin. Mit denen, die aber zum Elternabend kamen, entspann sich eine intensive Diskussion zum Thema Medien. Ein Ergebnis war die Einladung einer Mutter in die Redaktion einer Zeitung, in der sie arbeitet. Das Thema Medien ist für das „Spatzennest“ noch lange nicht abgeschlossen und aus der verunglückten Wehnachtsfeier entsteht gerade so etwas wie ein ganz besonderes Profil.
5.1 Radio und Hörbuch 5.1 Radio und Hörbuch
Definition und Bedeutung Unter den modernen (Massen-)Kommunikationsmedien ist das Radio ein Klassiker. Seit den 1920er Jahren wird in Deutschland ein regelmäßiges Hörfunkprogramm ausgestrahlt. Es richtete sich zunächst an Erwachsene, erreichte durch die Ausstrahlung von Musik aber schon bald insbesondere Jugendliche. Für Kinder im Kindergartenalter wird heute von nahezu allen öffentlich-rechtlichen Hörfunkanstalten ein regelmäßiges Radioprogramm speziell für Kinder ausgestrahlt. Allerdings in sehr unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichen Akzenten. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über aktuelle Radiosendungen für Kinder in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten: Antenne Brandenburg / Radio Berlin Brandenburg (RBB)
Zappelduster, montags bis sonntags 19 Uhr
Bayerischer Rundfunk (BR)
Klaro, Nachrichten für Kinder, freitags 18:30 Uhr, sonntags 7:20 Uhr (Bayern 2) DoReMikro, Klassische Musik für Kinder, sonn- und feiertags, 17–18 Uhr radioMikro, Geschichten, Reportagen, Mitmachaktionen, monatsg bis samstags 18:30–19 Uhr (Bayern 2)
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5.1 RADIO UND HÖRBUCH
Sonntagshuhn, Geschichten, Lieder, Gedichte, sonntags 7:30 Uhr (Bayern2) Betthupferl, Einschlafgeschichte, montags bis sonntags, 19:55 Uhr (Bayern 1) DeutschlandRadio Berlin / DeutschlandRadio Kultur
Kakadu, Hörspiele, Geschichten, Informationen, Mitmachangebot, montags bis samstags, 13:30– 14 Uhr und sonntags 7:30–8 Uhr sowie 14–15 Uhr
Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) / MDR FIGARO
Figarino, samstags und sonntags, 18 Uhr, Hörspiel: sonntags 8 Uhr
Norddeutscher Rundfunk (NDR) / NDR Info
Ohrenbär, montags bis sonntags, 10 Minuten Mikado, Hörspiele, sonn- und feiertags, 8–9 Uhr und 14–15 Uhr Nachrichten für Kinder, samstags 11:40 Uhr und 17:40 Uhr
Hessischer Rundfunk (HR) / Domino, Reportagen, Geschichten, Informationen etc. HR2-kultur montags bis sonntags 14–14:30 Uhr Radio Berlin / Radio Berlin Brandenburg (RBB)
Ohrenbär, Gutenachtgeschichten, montags bis sonntags, 10 Minuten auf Radio Berlin, WDR5 und NDRInfo
Radio Bremen
Kinderzeit, Geschichten, Reportagen, Informationen, sonntags 8–9 Uhr (Nordwestradio) Kindernachrichten, Nachrichten, sonntags 8:30 Uhr (Bremen4)
Saarländischer Rundfunk (SR)
SR2 für junge Ohren, Reportagen, Berichte, Geschichten und Musik, samstags 13–15 Uhr
Südwestdeutscher Rundfunk (SWR)
Aula für Kinder, Vorträge von Wissenschaftlern, Mo-So, 8:30–9:00 (SWR2) SWR2 Spielraum, Reportagen und Features zu einem Thema, Sa 16:00–17:00 und So 8:00–9:00 (SWR2) Minitz, Nachrichten für Kinder, Mo-Fr 19:55 Tim fragt Tom
Westdeutscher Rundfunk (WDR)
Lilipuz, Hörspiele, Mitmachsendung, Nachrichten, Informationen, Gespräche, Mo-So, 14:00–15:00 (WDR5) Bärenbude, Gutenachtgeschichten, Mo-So, 19:30–20:00, darin: Ohrenbär (WDR5)
Tab. 2: Radioangebote der öffentlich-rechtlichen Sender für Kinder (Stand: Dezember 2009). Nur die kursiv gesetzten Sendungen richten sich explizit an Kinder unter 6.
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Die Übersicht zeigt, dass sich nur ein kleiner Teil des Hörangebots an Kinder unter 6 Jahren richtet. Die meisten Sendungen werden für Kinder im Grundschulalter produziert. Radio hören und Radio machen (s. u.) ist also eher für Kinder im Schulalter gedacht. Dies hängt auch damit zusammen, dass im Kinderradio Sachbeiträge eine große Rolle spielen, und zwar in Form von Nachrichten, Reportagen, Vorträgen und Informationsbeiträgen. Und diese werden meist so konzipiert, dass sie für Kinder im Kindergartenalter zu komplex sind und vor allem von den Themen her zu weit weg von ihrer Lebenswelt sind, um sie begeitsren zu können. Eine stärkere Differenzierung der Zielgruppe Kinder findet bei den in den letzten Jahren entstandenen Radiosendern statt, die sich ausschließlich oder schwerpunktmäßig an Kinder richten: Hier werden die Interessen und Wahrnehmungsbedürfnisse von Kindern der verschiedenen Altersstufen in Form von unterschiedlichen Sendungen berücksichtigt. 2003 ging in Berlin „Radijojo“ auf Sendung, gegründet von dem Soziologen und Journalisten Thomas Röhlinger. „Radijojo“ möchte „spannendes, fröhliches, gewaltfreies und pädagogisch sinnvolles Programm für Kinder von 3 bis 13 – und für alle Eltern“ machen (Radijojo 2009) und hat als freier Träger der Jugendhilfe die Geschäftsform einer gemeinnützigen GmbH. Der Sender finanziert sich ausschließlich über Spendengelder und Stiftungen. Das Programm kann nicht nur in Berlin, sondern auch über das Internet gehört werden. Seit 2005 gibt es „Radio Teddy“ das sich an Familien mit Kindern richtet und Musik und Informationen für Kinder und ihre Eltern ab 3 Jahren bietet. „Radio Teddy“ ist in Berlin / Brandenburg und in und um Kassel über UKW zu empfangen, hat aber auch einen Lifestream im Internet. Entsprechend dem Motto „Macht Spaß! Macht schlau!“ bietet der Sender Unterhaltung und Information. Allerdings wird auch Werbung gesendet (6 Minuten pro Stunde). Das vom WDR entwickelte und gestaltete Internetradio „KIRAKA“ sendet täglich die sonst im Radio-Sender WDR 5 gesendeten Kindersendungen „Lilipuz“ und „Bärenbude“ sowie Musik. Der „KIRAKA“ ist damit das einzige öffentlich-rechtliche Radio für Kinder. Ebenso wie bei „Radijojo“ gibt es auch hier keine Werbung. Seit 2009 ist der „KIRAKA“ auch über Kabel zu empfangen. Kindersender erreichen aber nur einen kleinen Teil der Kinder. Die Mehrzahl der Kinder hört das, was Eltern oder ältere Geschwister hören,
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5.1 RADIO UND HÖRBUCH
Abb. 10: Entspannung und Konzentration: Radiohören
also das Jugend- und Erwachsenenprogramm. Nur ein Fünftel der 6- bis 7-Jährigen stellt den Radiosender selbst ein (vgl. MPFS 2009, S. 19). Von den 6- und 7-jährigen Kindern hören immerhin 16 % täglich oder fast täglich Radio – immerhin 31 % dieser Altersgruppe hören nie Radio (ebd.). Radio und CD-Angebote werden von Erwachsenen wie Kindern zudem oft nebenbei genutzt – neben dem Autofahren, Spielen, Frühstücken, Aufräumen usw. Radio ist also für Kinder unter 6 Jahren eher ein randständiges Hörangebot. Reine Kindersender können aufgrund der regionalen Begrenzung nur wenige Kinder erreichen und das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender wird in einem engen zeitlichen Rahmen gesendet und richtet sich schwerpunktmäßig an ältere Kinder. Dieser Befund heißt aber nicht, dass Kinder bis zu ihrem 6. Lebensjahr nicht mit Hörmedien in Berührung kommen. Für sie spielen Hörbücher aller Art eine besonders große Rolle – sei es über Kassettenrecorder, CD- oder MP3-Player. Das Angebot für Kinder (und auch für Erwachsene) hat sich in den letzten Jahren stark verbreitert. Die Wirtschaftszahlen des Börsenvereins
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des Deutschen Buchhandels zeigen das starke Wachstum der Verkaufszahlen von Hörbüchern (Arbeitkreis Hörbuchverlage 2006: 15). In diesem Zusammenhang wird von einem regelrechten „Hörbuchboom“ gesprochen, da Audioangebote bis in die 1990er eher als Anhängsel des Buchmarktes galten, inzwischen aber zu einem eigenständigen, expandierenden Wirtschaftsfaktor geworden sind. Unter den Hörbüchern machen Angebote für Kinder und Jugendliche einen Anteil von 30 % aus – Kinder und Jugendliche sind damit eine der wichtigsten Zielgruppen von Hörbüchern (Börsenverein 2009). Das Hören von Hörbüchern ist besonders für junge Kinder interessant, die selbst noch nicht (oder noch nicht so gut) lesen können (vgl. Börsenverein 2006: 16). Das Angebot beginnt bereits bei den Kleinsten: Klassiksammlungen für Neugeborene und Babys sollen die Stimmung der Kleinen positiv beeinflussen und ihre Intelligenz stimulieren. Andere Verlage bieten als „Einschlafhilfe“ sogar verschiedene Geräuschkulissen wie „Belebter Hinterhof“ und „Waschmaschine“ an. Lesungen und Hörspiele werden für die verschiedenen Altersstufen angeboten. Für Kinder bis zum Alter von 6 Jahren gibt es hier eine sehr breite Spanne, denn die HörGeschichten unterscheiden sich entsprechend der Entwicklung der Kinder in diesem Alterspektrum enorm. Unterschiedliche Faktoren sind: ◆
◆ ◆
Spannung: Von lustigen Geschichten aus dem Alltag (z. B. Markus Osterwälder: Bobo Siebenschläfer) bis zu spannenden Kinderkrimis (z. B. Die drei ??? Kids). Dauer: Kurze Episoden (z. B. Christine Nöstlinger: Geschichten vom Franz) oder mehrteilige CD-Boxen (z. B.: Kirsten Boie: Der kleine Ritter Trenk). Sprache: Von einfacher, am Alltagswortschatz orientierter Sprache (z. B. Jutta Langreuter: Kleiner Bär) bis zu anspruchsvoller Wortwahl in langen Sätzen (z. B. A. A. Milne: Pu der Bär).
Ähnliches gilt für Musik-CDs, die sich im Laufe des Kindergartenalters von klassischen Kinderliedern und Kinder-Folklore (Rolf Zuckowski) bis hin zu am Musikmainstream orientierten Samplern entwickeln. Inhaltlich können zwei verschiedene Arten von Hörbüchern unterschieden werden:
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◆ ◆
Lesungen (Vorgelesene Kinderliteratur und Sachbücher) Hörspiele (als dramatisierte Inszenierung mit verschiedenen Sprechern und Geräuschkulisse)
Das Angebot von Hörmedien (insbesondere in Form von Hörbüchern auf CDs) für Kinder unter 6 Jahren ist also enorm. Oben wurde bereits deutlich, dass der Hörbuchmarkt in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen ist. Auch aus der Perspektive der Kinder spielen Hörbücher für Kinder eine wichtige Rolle: Der CD-Player kann von Kindern schon sehr früh selbstständig bedient werden und im Gegensatz zum Buch erschließt sich dieses Medium auch direkt. Entsprechend hoch sind die Anteile der Kinder, die selbst über ein Radio / CD-Gerät verfügen; laut KIM-Studie 2008 besitzen rund 50 % der Kinder selbst einen CD-Player (MPFS 2009: 9). Die Nutzungsmotive sind für Kinder dabei sehr vielfältig: Sie reichen von Entspannung, Entlastung, Tagträumen über das In-Stimmung-Kommen und Aktivierung bis hin zu Information, Beratung und Orientierung (vgl. Schill 2003, 15). Diese Funktionsvielfalt erklärt – zusammen mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen – auch die Breite des Angebotes. Im Gegensatz zu anderen Medien sind Hörmedien auf einen einzigen Sinneskanal festgelegt: das Ohr. Auch wenn das Hören etwas ist, was automatisch geschieht, etwas, dem wir uns auch nicht entziehen können, so ist das Zu-Hören doch ein aktiver Vorgang. Zuhören verlangt bestimmte Kompetenzen beim Zuhörer, damit das Gehörte auch aufgenommen, also kognitiv verarbeitet werden kann. Diese Kompetenzen sind insbesondere: ◆ ◆ ◆
das Erkennen, Entschlüsseln und Interpretieren des Gehörten, das Einsortieren des Verstandenen in bereits vorhandene Wissensstrukturen, und das Speichern des Gehörten, um es für spätere Verwendungen (Wiedergabe, Handlungen) präsent zu haben.
Bei genauerer Betrachtung ist das Zu- / Hören also nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das Gehör ist eines der wichtigsten Kommunikationsinstrumente des Menschen, denn es ermöglicht die Aufnahme von vielfältigen Informationen: Wissen, Stimmungen, Gefühle,
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Regeln, Gefahren … das Gehör ermöglicht die unmittelbare Teilhabe an allen Facetten des gesellschaftlichen Lebens. Kinder, die in der Lage sind, konzentriert zuzuhören, haben es in den verschiedenen Lebens- und Lernkontexten leichter: Sie können (Schul-) Wissen aufnehmen, wahrnehmen, was andere benötigen oder sich wünschen. Die Fähigkeit des konzentrierten Zuhörens ist eine Querschnittskompetenz. Die Fähigkeit, sich auf einen Gegenstand zu konzentrieren hängt ebenfalls eng mit den Zuhörfähigkeiten zusammen. Eine ganz entscheidende Rolle kommt dem Hören beim Spracherwerb zu. Sprechen und Zuhören sind zwei eng miteinander verbundene Vorgänge – deshalb bedeutet Zuhörförderung immer auch Sprachförderung: „Wichtig sind dabei gute sprachliche Vorbilder und lustbetonte Situationen, die zum Sprechen herausfordern und ermuntern. Durch eine aktive Hörpraxis können: ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
neue Formulierungen gelernt werden, bessere Ausdrucksmöglichkeiten entstehen, Wortschatz und Sprachgedächtnis erweitert werden, rhythmische und melodische Sprache differenziert werden, innere Bilder und Vorstellungen leichter hervorgerufen werden, die dann mit Begriffen zur Sprache kommen.“ (Bernius 2004b: 12)
Mit Blick auf die für Schul- und Lebenserfolg so wichtige Lesekompetenz machen Sandra Niebuhr und Ute Ritterfeld deutlich, dass die Förderung von Lesekompetenzen bereits deutlich vor dem Schuleintritt beginnt (vgl. Niebuhr / Ritterfeld 2003, 101). Zwei Aspekte heben die beiden Forscherinnen hervor: Erstens eine „sprachlich stimulierende Umgebung“ und zweitens den Erwerb einer „metasprachlichen Bewusstheit“ (ebd.). Unter metasprachlicher Bewusstheit versteht man die Fähigkeit eines Kindes, über Sprache zu reflektieren und sprachliche Strukturen zu verstehen. Es geht vor allem darum, die verschiedenen Aspekte eines Textes miteinander in Beziehung zu setzen und so eine Geschichte auch als solche zu verstehen und nicht als eine Aneinanderreihung zusammenhangloser Sätze. Hörbüchern für Kinder werden dabei besondere Potenziale zugetraut, weil sie eine besondere Sprachanregung bieten. Dies wird zum einen erreicht über die von der Alltagssprache abgehobene Wortwahl und die ungewohnten Satzstrukturen. Ähnlich wie bei einem Buch findet hier also eine besondere
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Erweiterung des sprachlichen Repertoires statt. Im Gegensatz zum Buch fordert ein Hörbuch aber die alleinige Konzentration des Kindes auf den auditiven Kanal, um der Geschichte folgen zu können (vgl. a. a. O., 110). In einer eigenen Studie konnten Niebuhr und Ritterfeld zeigen, dass „Kinder mit zunehmender Rezeptionshäufigkeit ihren aktiven Wortschatz erweiterten“ und bestimmte Wortkonzepte und Reimsequenzen übernehmen können (a. a. O., 111). Dabei erweist sich besonders die Wiederholung als wichtig, also das mehrfache Anhören eines Hörbuchs. Während für die Erweiterung des Wortschatzes keine Unterstützung durch Erwachsene notwendig ist, bedarf die Förderung des metasprachlichen Bewusstseins der Begleitung durch Erzieherinnen und / oder Eltern: Durch Nachspielen, Besprechen und Nacherzählen können genau diese notwendigen Fähigkeiten erworben werden (vgl. ebd.). Neben diesem eher leistungsbezogenen Nutzen eröffnet die Fähigkeit zum Zuhören auch besondere Genüsse: Geschichten, die die Fantasie anregen und Musik, die (positive) Stimmungen erzeugen und Hörgenuss vermitteln kann. Diese Aspekte dürfen über aller Wichtigkeit von Lernen und Leistung nicht vergessen werden, denn für Wohlbefinden und Zufriedenheit spielen Freude, Entspannung, Spaß und sinnlicher Genuss eine ganz entscheidende Rolle. Deswegen bedeutet Medienerziehung im Bereich der Hörmedien auch, den Kindern Gelegenheit zu geben herauszufinden, wann Hören besonders genussvoll ist und was sie besonders gerne hören.
Einsatzmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen CDs spielen schon heute in vielen Kindertageseinrichtungen eine Rolle: Musik wird zur Untermalung von Bewegungsangeboten gespielt und in einer ruhigen Ecke gibt es in vielen Einrichtungen die Möglichkeit für Kinder, sich bei einer Geschichte vom CD-Player zu entspannen. Im Folgenden sollen einige Ideen und Projekte vorgestellt werden, die Audiomedien noch intensiver in die Arbeit in der Kindertageseinrichtung einbeziehen.
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Sensibilisierung für das Hören
Ein Einstieg in die Arbeit mit Audiomedien kann über die Beschäftigung mit Geräuschen erfolgen. Am Anfang stehen dabei Fragen zum Hören und zum Hörsinn: ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Welche Geräusche kenne ich? Was empfinde ich als laut, was als leise? Kann ich an einem Geräusch erkennen, wie es entsteht? Welche Geräusche sind ähnlich? Kann ich an einem Geräusch erkennen, woher es kommt? Welche Geräusche sind angenehm, welche unangenehm? Wie wäre die Welt ohne Geräusche? Und wie, wenn ich sie nicht hören könnte?
Geräuschwerkstatt
Die Geräuschewerkstatt ist eine sinnvolle Möglichkeit, mit einer KitaGruppe erste Antworten auf diese Fragen zu bekommen. Dabei wird ein Karton in der Gruppe aufgestellt, der von den Kindern zur Geräuschekiste gemacht werden soll (zu diesem Beispiel vgl. Niedersächsische Landesmedienanstalt 2008, 64f). Dazu werden alle Kinder gebeten nach Gegenständen zu suchen, die ein besonderes Geräusch machen. In jeder Einrichtung gibt es eine Vielzahl von Alltagsgeräten und Spielzeugen, denen sich interessante Töne entlocken lassen: Die Handbürste, ein Luftballon, Papier, zwei Topfdeckel, ein Abakus, Reis in einer Schale und vieles mehr. Die Geräusche werden dann in der Gruppe vorgeführt. Anschließend wird entschieden, welche Gegenstände im Kita-Alltag entbehrlich sind und in der Geräuschekiste aufbewahrt werden. Was nicht in die Kiste kann, wird fotografiert und das Foto wird stellvertretend in die Kiste gelegt. Die Geräuschekiste kann als Material für verschiedene kleine Projekte und Experimente dienen: Ein Hör-Quiz, bei dem mit geschlossenen Augen geraten werden muss, woher ein Geräusch kommt. Oder die Kinder hören mit geschlossenen Augen ein Geräusch und denken sich aus, was dieses Geräusch alles bedeuten kann. Das Bürsten mit
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einer Handbürste kann beispielsweise das Fegen einer Straße sein oder Zähneputzen, vielleicht auch Sägen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit für die Geräuschkiste sind die Geräuschgeschichten (a. a. O., 68): Dabei werden Geschichten nur mithilfe von Geräuschen erzählt – also ganz ohne Worte. Mit einem Aufnahmegerät (Kassettenrekorder, Diktiergerät) und einem guten Mikrofon können typische Alltagsabläufe aber auch ausgedachte Geschichten erzählt werden: Wenn von einem Spaziergang zum nächstgelegenen Spielplatz erzählt werden soll, hört man vielleicht zunächst, wie die Kinder Gummistiefel, Matschhosen und Anoraks anziehen, dann ihre Schritte über Steine und Kies und natürlich durch Pfützen. Und schließlich – angekommen – das Quietschen der Schaukel, das Scheuern der Kleidung über der Rutsche, den Spaten, der in den Sand fährt und das Festklopfen der Sandburg. Später können andere Kinder oder Eltern raten, worum es sich handelt.
Laut und leise
Kindern fallen schnell eine Vielzahl unterschiedlicher Geräusche ein – von Musik über das Klackern von Schuhen bis hin zum Dröhnen der Bohrmaschine. Eine andere Dimension von Geräuschen ist ihre Lautstärke. Die Pädagogin Conny Kufert schlägt vor, dazu ein Gedicht mit den Kindern zu lernen, bei dem sie an den passenden Stellen laut und leise sein können (Kufert 2001: 59): „Laut und leise kann ich sein Dazu fällt mir vieles ein Wenn ich lautstark brüllen kann Hört mich doch ein jedermann Aber wenn ich leise bin Wird es um mich ganz, ganz still Dazu brauch ich keinen Mut, Laut und leise tun mir gut.“
Das Gedicht kann als Anlass genommen werden darüber zu sprechen, wann wir eher laut und wann eher leise sind. Kufert schreibt: „Alle sind sich einig, dass sie so richtig laut sind, wenn sie besonders wütend sind.
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Und wenn wir traurig sind, sind wir eher leise (…) Die Kinder sind der Meinung, laut sein macht viel mehr Spaß, auch wenn sie gerade nicht wütend sind.“ (ebd.)
Geräusche machen die Geschichte!
Handlungen und Stimmungen sind mit bestimmten Geräuschen verbunden. Kinder verfügen bereits über eine breite Palette von Geräuschen. Diese hervorzulocken ist das Ziel der folgenden Aktivität (nach Kufert 2001: 60): Dabei erzählt die Erzieherin eine kurze Geschichte und hält nach jedem Satz inne. Die Kinder überlegen in den Pausen, welche Geräusche zu dem Satz passen und versuchen, diese Geräusche zu erzeugen. Die Geschichte kann folgendermaßen lauten: „Du sitzt auf einem Motorrad und fährst über eine Landstraße. Erst fährst du auf einer geraden Strecke, dann musst du langsamer fahren, weil eine Kurve kommt. Da siehst du eine Wiese und hältst an. Du steigst ab und legst dich ins Gras. Hinten im Wald zwitschern die Vögel. Der Specht klopft an einen Baum. Wir legen uns ins Gras und hören die Bienen summen. Neben uns plätschert ein Bächlein. Auf der Wiese hören wir Schafe blöken. Die Schafe blöken immer lauter. Dann wird es wieder leise. Weil es so schön leise ist, schläfst du ein. Doch plötzlich wirst du wach, weil jemand ganz laut ruft, und du rufst zurück. Der Tag im Wald hat dir gefallen. Du setzt dich wieder aufs Motorrad und fährst los in die Stadt. Dort kommt gerade die Straßenbahn angefahren. Die Autos machen Krach. Die Leute unterhalten sich ganz laut. Und dann fährt noch ein Zug vorbei. Endlich bist du vor deinem Haus angekommen und stellst dein Motorrad aus. Du gehst ein paar Treppen hoch. Dann öffnest du die Tür und lässt sie hinter dir ins Schloss fallen. Alles ist still.“
Die Geschichte kann noch ein zweites Mal vorgelesen werden und die Kinder machen die passenden Geräusche dazu.
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5.1 RADIO UND HÖRBUCH
Hörbücher unter der Lupe
Ein anderer Zugang zum Thema Hören und Hörmedien kann über Hörbücher geschehen. Kinder, die vorher ihr Gehör geschult haben, etwa in der Geräuschwerkstatt, können nun schon ihre Expertise als Geräuschfachleute einbringen. Dafür sind einfache Lesungen weniger geeignet, Hörspiele oder inszenierte Lesungen aber umso mehr. Die Medienpädagogin Sabine Eder vom Verein Blickwechsel und ihre Kolleginnen schlagen vor, die Kinder eine Hörbuch-Sequenz mit einer Länge von etwa 10 Minuten mehrfach hören zu lassen (vgl. Niedersächsische Landesmedienanstalt 2008, 69) und dabei den folgenden Fragen nachzugehen: ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Welche Gefühle entstehen beim Zuhören? In welcher Stimmung sind die Hauptpersonen? Wie wird diese Stimmung erzeugt? Welche Rolle spielen die Stimme der Sprecher und ihre Art zu sprechen? Welche Geräusche werden eingesetzt und womit werden sie erzeugt? Wird Musik zur Untermalung oder zur Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre benutzt?
Zwischen dem ersten und dem zweiten Hören der Hörbuch-Sequenz kann eine Gesprächsrunde eingefügt werden, in der diese Fragen besprochen werden. Ziel ist es dabei, die Machart von Hörbüchern besser zu verstehen – und gegebenenfalls Ideen und Tricks für eine spätere eigene Hörspielproduktion abzugucken.
Lauschinsel
Die „Hörbuch-Analyse“ stellt die Machart von Hörbüchern in den Vordergrund und damit die technischen Aspekte. Andere Einsatzmöglichkeiten von Hörbüchern können den Hörgenuss in den Mittelpunkt stellen: Kinder können mit vorhandenem Baumaterial, die für sie ideale Lauschinsel bauen: Eine Höhle unter dem Tisch, die mit Decken verhüllt wird und deren Boden mit Kissen ausgelegt ist. Eine Hängematte mit Blick ins Grüne. Ein mit Weichböden oder anderen Matten ausgelegter Nebenraum, in dem möglichst viele Kinder gemeinsam Lauschen
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Abb. 11: Abgeschirmt und bequem: Die Lauschinsel
können … Kinder, die daran Spaß haben, können auch mehrere Modelle entwerfen, ihnen Namen geben und sie dann fotografieren. In einer Wanddokumentation werden die verschiedenen Lauschinseln dann der Kita-Öffentlichkeit präsentiert. Durch das Entwerfen der verschiedenen Behausungen wird deutlich, dass bestimmte Aktivitäten auch nach einer ganz eigenen Umgebung verlangen. In diesem Fall sicher für die meisten Kinder nach einer abgeschirmten Räumlichkeit, die Konzentration und Bequemlichkeit ermöglicht.
Hörbuch-Charts
Das Hörbuch-Angebot für Kinder ist enorm. Für die 2- bis 6-Jährigen gibt es bereits eine große Auswahl an Lesungen und Hörspielen. Um einen Ausschnitt aus dieser Vielfalt in die Kindertageseinrichtung zu holen, können Kinder ihre Lieblings-Hörbücher mitbringen und gemeinsam mit anderen interessierten Kindern anhören. Natürlich können
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5.1 RADIO UND HÖRBUCH
Abb. 12: Spaß, Wissen, Herz und Spannung: Bei den Hörbuch-Charts wählen Kinder ihr Lieblings-Hörbuch
auch die Erzieherinnen ihre Favoriten (für Kinder) mitbringen. Wenn eine Liste der beliebtesten Hörbücher (Hörbuch-Charts) erstellt werden soll, ist es möglicherweise besser, wenn die Erzieherinnen verschiedene Hörbücher auswählen.
(Zu-) Hören lernen: Hörclubs
Ein Projekt, in dem Kinder für das Zuhören sensibilisiert werden sollen, sind die in Kindergärten und Grundschulen initiierten Hörclubs. In den Hörclubs wird mit dem Hören und Herstellen von Geräuschen experimentiert: „Einmal in der Woche treffen sich die Kinder in einem zuhörfreundlichen Raum und sind ganz Ohr. Am Anfang werden die Ohren erst einmal durch eine Ohrenmassage oder durch eine Klangreise eingestimmt: Die Kinder legen sich auf den Boden, schließen die Augen, lauschen
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unterschiedlichen Klängen und versuchen, diese zu identifizieren. Diese Übungen machen hellhörig und wach, eine wichtige Voraussetzung für aktives Zuhören.“ „Danach sind die Kinder fit, um sich spannende Hörspiele anzuhören oder Geräuschgeschichten aufzunehmen. Fortgeschrittene Hörclubs stellen eigene Mini-Hörbücher her und lernen das Zuhören beim Hören machen, d. h., sie produzieren selbst für andere Ohren. Was Kinder entdeckt haben, das geben sie gerne weiter: Eltern, Bekannten und Freunden können sie ihre Mini-Hörbücher auf CDs vorführen.“ (Stiftung Zuhören 2009).
Initiator des Projektes ist die Stiftung Zuhören, ein Zusammenschluss verschiedener öffentlicher und privater Medienanstalten (z. B. Bayerischer Rundfunk, Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien). Bei den Hörclubs geht es vor allem darum, sich auf den Hörsinn zu konzentrieren und sensibel zu werden für die Informationen, die das Gehör liefert. Als Grundausstattung für die Hörclubs bietet die Stiftung Zuhören die „HörSpielBox“, in der ein Handbuch in die Arbeit mit dem Hörclub einführt und außerdem Hörmaterial (altersangemessene Hörbücher, Geräusche) mit didaktischem Material bereithält.
„Hör mal, das bin ich!“
Ein Interview selbst zu machen ist für Kinder eine besondere Herausforderung. Gerade für kleinere Kinder erscheint dies zunächst schwierig, weil sie hier die Gesprächsführung übernehmen müssen und selbst die Regie in einer vorgegebenen Struktur („Interview“) übernehmen müssen. Bei einer den Interessen und Fähigkeiten der Kinder angepassten Rahmung, können aber schon Kindergartenkinder spannende Interviews führen. Als Interviewpartner sind besonders geeignet: Sie selber. Kinder können sich gegenseitig interviewen, etwa im Stile eines Steckbriefes (Wie hießt du, wie alt bist du, was machst du am liebsten?). Spannend ist für die Kinder, die eigene Stimme vom Aufnahmegerät zu hören. Zum einen, weil sie so anders klingt, als gewohnt und zum anderen, weil es die Wichtigkeit und das Ernstgenommenwerden der eigenen Person dokumentiert.
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5.1 RADIO UND HÖRBUCH
Hörspiele selber erstellen
Wer mit einer Kindergartengruppe ein eigenes Hörspiel aufnehmen möchte, braucht Unterstützung. Damit ein alle zufriedenstellendes Ergebnis entsteht, ist viel Zeit und Know-how erforderlich. Wer sich aber auf dieses Projekt einlässt kann reich belohnt werden: So berichtet die Erzieherin Silke Glückstein von einem Hörspielprojekt in einer Berliner Kindertageseinrichtung, bei dem es um eine Hörgeschichte zum Klimawandel gehen sollte (vgl. Glückstein 2009). Für einen Wettbewerb zum Thema Klimaschutz des Bundesumweltministeriums machte sich die Erzieherin mit ihrer Gruppe auf den Weg: Ziel war es, dass die Kinder die Geschichte selbst entwickeln und bei der Umsetzung in ein Hörspiel selbst tatkräftig mitwirken. Dazu wurden zunächst durch einen Vater inhaltliche Informationen zum Klimawandel anschaulich dargestellt. Anschließend wurde mit der gesamten Gruppe (im Morgenkreis) die Geschichte entwickelt. Schließlich musste die Geschichte vertont werden und mit Geräuschen und Musik inszeniert werden. Dazu wurden die Kinder zu engagierten Geräuschesammlern. Begleitet wurden die Kinder bei der Geschichtenentwicklung von einem anderen Vater und seinem digitalen Aufnahmegerät. Es entstanden vier Stunden Audiomaterial, was nun zusammengeschnitten werden musste. Glückstein resümiert: „Die Erstellung eines Hörspiels hat sich im Verlauf des Projekts zu einer auf die Interessen, Bedürfnisse und Fähigkeiten aller Kinder ausgerichteten praktischen Medienarbeit entwickelt. Wir waren alle sehr erstaunt, wie kreativ, konzentriert und motiviert bereits Kinder im Vorschulalter an einer Projektidee arbeiten können, ohne dass dabei der Spaß und die Freude zu kurz kommen.“ (a. a. O., S. 19).
Geräusch-Detektive
Mit Aufnahmegeräten ausgerüstet können die Kinder in der Einrichtung und in der Umgebung auf Geräuschesuche gehen. Alltägliches und Außergewöhnliches kann aufgenommen werden. Dabei müssen die Kinder schon beim Aufnehmen genau hinhören. Für die Aufnahme können mehrere Teams gebildet werden. Anschließend können die Teams sich gegenseitig ihre „Eroberungen“ vorstellen und raten, was sich hinter den gesammelten Höreindrücken verbirgt.
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Radio-Philosophen
Ausgangspunkt für die Radio-Philosophen ist ein funktionierendes Radio, an dessen Knöpfen und Schaltern die Kinder drehen dürfen. Vielleicht gibt es sogar ein altes Radio, das die Kinder auseinanderschrauben dürfen. An diese handgreiflichen Erkundungen des Radioempfängers schließen sich Fragen an: Wie funktioniert eigentlich ein Radio? Wie kommen die Stimmen in das Radio – und wieder heraus? Und: Wer spricht da eigentlich? Und zu wem? Kinder können auf diese Frage ihre eigenen Antworten finden. Ihre Ideen und Spekulationen können sie in Zeichnungen und Skizzen darlegen und dazu Geschichten erzählen.
5.2 Zeitschriften 5.2 Zeitschriften
Definition und Bedeutung Kinderzeitschriften sind regelmäßig erscheinende Hefte, die als selbstständige Publikationen auf den Markt kommen – also nicht als Beilagen von „Erwachsenenzeitungen“ oder Kinderseiten in einer Tageszeitung. Sie richten sich an Kinder zwischen 3 und 13 Jahren. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Zeitschriften, die sich an die 3- bis 6-Jährigen richten und den Zeitschriften für ältere Kinder. Die Zeitschriften für die hier interessierende Altersgruppe der Kinder bis zur Einschulung bestehen meist aus einer Mischung aus Unterhaltung und Wissenswertem. Die Zeitschriften bieten Bilder- und Vorlesegeschichten, Rätsel, Bastel- und Kochanleitungen und Malvorlagen. Hinzu kommen Anregungen zum Beobachten und Experimentieren, Bildreportagen über bestimmte Themen (z. B. Tiere und ihr Lebensraum, Technik) und kleine Rechen- und Schreibaufgaben. Comic-Hefte zählen nicht zu den Kinderzeitschriften, der Anteil von Comics darf maximal 10 % betragen, damit ein Heft noch als Kinderzeitschrift und nicht als Comic gilt. Gehören Zeitschriften nicht eigentlich in dieselbe Kategorie wie Bücher? Handelt es sich nicht ebenfalls um ein Printmedium, in dem Bild und Text miteinander verbunden werden? Einerseits stimmt das, denn
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5.2 ZEITSCHRIFTEN
in Zeitschriften geht es ebenso wie in (Bilder-) Büchern darum, mit Geschichten und passenden Illustrationen die Aufmerksamkeit der Kinder zu gewinnen. Dennoch unterscheiden sich Zeitschriften von Büchern, weil sie durch die Einbeziehung verschiedener Elemente aus den audiovisuellen Medien näher an Fernsehen und Computer heranrücken und sich dadurch vom klassischen Buch unterscheiden. Da sind zunächst und ganz offensichtlich die aus dem Fernsehen bekannten Figuren: Kaum eine erfolgreiche Fernsehserie für Kinder wird nicht durch eine passende Zeitschrift begleitet: Biene Maja, Findus und Petterson, Shaun das Schaf, Bob der Baumeister etc. Alle diese Fernsehhelden können Kinder auch in Zeitschriften wiederfinden. Magazine, die keine Fernsehfigur als Paten haben, kreieren dann meist eine Figur, die es von Optik und Eigenschaften her genauso auch im Fernsehen geben könnte – z. B. Bussi Bär. Dass dies möglich ist, liegt auch an den dominierenden Stilmitteln in den Zeitschriften, die vorwiegend denen des Fernsehens ähneln: Die Art der Zeichnungen in Zeitschrift und Trickfilm ist identisch. Beide Medien zeichnen sich durch eine hohe Farbigkeit und Expressivität aus, die Zeitschriftencover sind oft sehr voll und plakativ gestaltet. Schließlich dominieren ähnlich wie beim Fernsehen die Bilder und bunte Schriftzüge. Im Gegensatz zum Buch ähnelt die Zeitschrift auch thematisch vielen Fernsehformaten für die gleiche Altersgruppe: Es gibt kurze Geschichten, oft auch mehrere Episoden mit den gleichen Hauptfiguren. Im Gegensatz zu Zeitschriften für Erwachsene gibt es jedoch nur selten Informationen oder aktuelle Bezüge. Stattdessen wird der Magazincharakter hervorgehoben, der viele kleine Häppchen bietet, die die kurze Aufmerksamkeitsspanne der Kinder ansprechen sollen. Wie bei den meisten Kindermedien geht es auch bei den Kinderzeitschriften im Wesentlichen um drei Funktionen: ◆ ◆ ◆
Unterhaltung und Spaß, Beschäftigung, Lernen.
Der Erfolg von Kinderzeitschriften (vgl. S. 76) liegt vor allem darin begründet, dass diese drei Funktionen in einem besonders günstigen Verhältnis zueinander stehen und Eltern so zu einer Anschaffung gerne be-
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reit sind: Eltern von Kindern im Kindergartenalter wünschen sich vor allem Spielsachen für ihre Kinder, bei deren Gebrauch sie etwas lernen können. Dieses Lernpotenzial wird insbesondere dem Buch zugeschrieben. Das Buch hat aus Elternperspektive jedoch erstens den Nachteil, dass es als wenig Spaß versprechend bewertet wird und zweitens stets einen Erwachsenen erfordert, der mit dem Kind gemeinsam liest (vgl. Ehapa 2006). Spaß und selbstständige Nutzung sind zwei Funktionen, die das Fernsehen in besonderem Maße verspricht. Allerdings wird hier der Lerneffekt von Eltern eher als gering eingestuft (vgl. ebd.). Kinderzeitschriften ermöglichen eine Verbindung der drei Funktionen, da sie stets mit einem Lernversprechen antreten, zugleich selbstständige Beschäftigung ermöglichen und den Kindern aufgrund ihrer Aufmachung Unterhaltung und Spaß ankündigen. Das Spaßversprechen der Kinderzeitschriften wird in den meisten Fällen noch durch einen zusätzlichen Anreiz deutlich erhöht: Vielen Zeitschriften liegt ein kleines Spielzeug bei – der sogenannte Gimmick. Das lustige („Pupskissen“) oder auf sonstige Art attraktive („Spielzeuggitarre“) Spielzeug hat meist einen geringen materiellen Wert, löst aber durch seinen unmittelbar erkennbaren Spielwert einen starken Kaufimpuls aus. Ein entscheidender Vorteil von Kinderzeitschriften liegt zudem in dem im Vergleich zu Büchern oder anderem Spielzeug günstigen Preis. Die Zeitschriften (inklusive Gimmick) kosten zwischen 2 und 4 Euro und werden deshalb beim gemeinsamen Einkauf noch mitgenommen oder als Mitbringsel eingesetzt. Diese Vorteile der Kinderzeitschriften erklären auch ihre relativ starke Verbreitung. Etwa die Hälfte der Kinder im Kindergartenalter beschäftigen sich regelmäßig mit Zeitschriften (Egmont Ehapa 2006). Dabei wächst die Bedeutung von Zeitschriften mit zunehmendem Alter: Kinder zwischen 6 und 7 Jahren lesen zu 61 % regelmäßig Zeitschriften (ebd.), was natürlich auch mit der wachsenden Lesefähigkeit zusammenhängt. Dabei ist der Anteil von Mädchen und Jungen relativ gleich verteilt. Zudem bietet der Zeitschriftenmarkt auch Magazine, die sich jeweils nur an ein Geschlecht richten. Dabei fällt auf, dass es mehr Zeitschriften gibt, die sich ausschließlich an Mädchen richten (z. B. Prinzessin Lillifee, Disneys Prinzessin etc.), was sowohl am Thema, als auch an der Aufmachung unmissverständlich deutlich wird (rosa!).
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5.2 ZEITSCHRIFTEN
Prinzessin Lillifee
161552
Prinzessin Lillifee und das Einhorn
123074
SpongeBob
111572
Winnie Puuh
102986
Bussi Bär
93758
Prinzessin
79921
Benjamin Blümchen
78167
Bob der Baumeister
72124
Olli und Molli
56926
Frag doch mal die Maus
49435
Käpt’n Sharky
48134
Bimbo
47600
Bibi Blocksberg
47128
Benni
45093
Schaun das Schaf
44348
0
20000 40000 60000 80000 100000 120000 140000 160000 180000
Abb. 13: Verbreitung von Kinderzeitschriften für die Altersgruppe 3 bis 6 Jahre im 3. Quartal 2009 (eigene Darstellung auf Basis der Daten PZ-online)
Die eher auf Jungen ausgerichteten Zeitschriften, sind weniger eindeutig aufgemacht und werden auch von Mädchen gelesen: „Käpt’n Sharky“ etwa wird zu einem Viertel von Mädchen gelesen (Blue Ocean 2009). Welche Bedeutung haben nun Zeitschriften für die Altersgruppe der Unter-6-Jährigen? Die oben stehende Tabelle zeigt die Verbreitung von Zeitschriften für diese Altersgruppe. Dabei ist die unterschiedliche Erscheinungsweise der Zeitschriften zu berücksichtigen. Das meistverbreitete Heft „Prinzessin Lillifee“ etwa, erscheint monatlich, während „Der Mondbär“ nur alle zwei Monate erscheint – es gab also für die Käuferschaft auch mehr Möglichkeiten, „Prinzessin Lillifee“ zu kaufen. In jedem Fall sind die Verbreitungs- und Verkaufszahlen beeindruckend – zum Vergleich: „Prinzessin Lillifee“ mit über 160.000 verkauften Exemplaren hat eine fast so hohe Auflage wie „Essen und Trinken“ mit 176.000 (im Quartal 3 / 2009, nach: pz-online). Die im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger organisierten Zeitschriften für Kleinkinder erreichen insgesamt eine Verbreitung von über 1,5 Millionen Exemplaren im Quartal, bei insgesamt 28 verschiedenen Zeitschriften (eigene Berechnungen auf Basis von pz-online).
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Abb. 14: Riesige Auswahl: Der Zeitschriftenmarkt für Kinder
Hinzu kommen Werbezeitschriften, also Magazine, die kostenlos von Unternehmen an junge Kunden abgegeben werden. Beispiele hierfür sind etwa das Kindermagazin „Jojo“ der Krankenkasse AOK, KNAX der Sparkassen oder „Eddi Erdmann“ der Schwörer Haus AG. In dieser Kategorie fallen auch die Angebote für Kinder von Vereinen oder Kirchen. Diese Zeitschriften sind meist durch eine indirekte Werbung für ein Produkt gekennzeichnet (vgl. Kurz 2000: 70). Sie richten sich schwerpunktmäßig an Kinder im Grundschulalter. Kinderzeitschriften sind ein vergleichsweise junges Phänomen. In den 1960er Jahren entstanden in Deutschland die ersten Magazine für Kinder. Motor der Entwicklung war der wachsende Vorschulbereich, sodass bei den ersten Kinderzeitschriften Bildung und Schulvorbereitung im Vordergrund standen. Vorreiter war die Zeitschriften „Bussi Bär“ (BRD) und „Bummi“ (DDR), etwas später entstand dann auch die Zeitschrift „Sesamstraße“ passend zur gleichnamigen Sendung (vgl. Geretschlaeger 1974: 284).
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5.2 ZEITSCHRIFTEN
Einsatzmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen Der große Vorteil der Kinderzeitschriften beim Einsatz in der pädagogischen Arbeit liegt an ihrer leichten Zugänglichkeit. Hier ist keine Technik erforderlich, um sie zu nutzen, sie sind relativ kostengünstig zu haben und Kinder finden aufgrund ihrer sinnlichen Komponente schnell einen Zugang zu ihnen.
Zeitschriften-Casting
Es bietet sich an, für die Arbeit mit den Zeitschriften die Kinder zu einer Jury zu erklären: Sie vergleichen verschiedenen Hefte und bewerten sie auf ihre Qualität hin. Dazu kann man in mehreren Schritten Vorgehen: 1. Messlatte: Was ist eigentlich wichtig bei einer Kinderzeitschrift? Was macht eine „gute“ Kinderzeitschrift aus? Es werden einige Kriterien aufgeschrieben und visualisiert (z. B. schöne Bilder, viele Rätsel etc.). Vielleicht gestaltet man mit den Kindern eine Tabelle oder ein Formular, auf dem die Bewertung der Kriterien festgehalten werden kann. 2. Exploration: Kinder schauen sich verschiedene Zeitschriften an und bewerten sie nach den Kriterien. Hier können entweder alle Kinder so viele Zeitschriften anschauen und bewerten, wie sie mögen oder die Kinder teilen sich auf und bewerten zu zweit oder zu dritt jeweils nur eine Zeitschrift. 3. Auswertung: Die Kinder gehen die Zeitschriften durch und küren den „Gewinner“ – die Zeitschrift, die am stärksten die von den Kindern vorgegebenen Kriterien erfüllt.
Mit diesem Vorgehen kann man mehrere Ziele verfolgen. Zunächst werden sich die Kinder beim Entwerfen der Messlatte bewusst, dass es unterschiedliche Qualitätsanforderungen gibt, die von den Zeitschriften unterschiedlich gut befriedigt werden. Für einen Teil der Kinder ist möglicherweise das Rätseln ein wichtiger Bestandteil der Zeitschriften, während anderen Kindern viele Geschichten wichtig sind. Vielleicht sind sich aber alle Kinder einig, dass möglichst viele Bilder in der Zeitschrift sein sollen. Im zweiten Schritt, der Exploration, werden die
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Kinder nun selbst zu Beurteilern. In dieser Rolle treten sie aus der reinen Konsumentenrolle heraus und werden zu denjenigen, die über die Güte einer Zeitschrift entscheiden. Dieser Rollenwechsel ist wichtig, macht er doch einen ganz entscheidenden Bestandteil von Medienkompetenz aus: Aus Konsumenten werden mündige Nutzer des Mediums Zeitschrift, die selbst entscheiden, welche Zeitschriften sie lesen möchten und welche nicht. In der Auswertung kommen die Kinder dann noch einmal miteinander ins Gespräch über die Vor- und Nachteile der Zeitschriften. Auch hier wird eine Reflexion über die Qualität von Medienprodukten angeregt.
Rosinenpicken
Eine andere Zugangsweise, die auch für kleinere Kinder geeignet ist, ist das „Rosinenpicken“. Dabei dürfen die Kinder aus Zeitschriften das auswählen, was ihnen am besten gefällt und dies dann ausschneiden und auf ein eigenes Poster kleben unter der Überschrift: „In den Zeitschriften gefällt mir am besten …“ Die Kinder können dann den anderen Kindern erklären, warum gerade diese Geschichte, dieses Foto, dieses Rätsel … ihnen so gut gefällt. Im Kontrast dazu können auch Dinge ausgewählt werden, die die Kindern nicht ansprechen – etwa unter der Überschrift „Nicht gefallen hat mir in den Zeitschriften…“ „Beim Rosinenpicken“ kommen die Kinder ebenfalls in die Rolle der Bewertenden, sodass sie die Haltung eines kritischen Nutzers einüben können. Da aber bei diesem Vorgehen ohne Kriterien gearbeitet wird, ist der Zugang noch unmittelbarer und praktischer. Hinzu kommt die Möglichkeit, hier selbst Hand anzulegen. Durch das Ausschneiden und Aufkleben können die Kinder sich die Teile der Zeitschrift im buchstäblichen Sinne zu eigen machen. Wichtig ist, dass es genügend Auswahl gibt und eventuell auch kopiert werden kann, damit es keinen Streit um besonders begehrte Zeitschriftenausschnitte gibt.
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5.2 ZEITSCHRIFTEN
Zeitschriftenschmiede
Zeitschriften lassen sich mit geringen technischen Mitteln auch von den Kindern selbst herstellen. Im Idealfall liegen auch hier zur Vorbereitung Zeitschriften aus, auch solche für Erwachsene. Unter der Leitfrage „Was gehört alles in eine Zeitschrift?“ können die Kinder sammeln, was alles in ihre eigene Zeitschrift hineingehören soll. Dazu gehört beispielsweise: ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Titelblatt Inhaltsverzeichnis Impressum Leserpost / Leserfragen Bildergeschichten und Bilder Ausmalvorlagen Rätsel
Und natürlich braucht jede Zeitschrift auch einen Namen! Diesen Überlegungen kann dann die praktische Arbeit folgen. Will die ganze Gruppe eine gemeinsame Zeitschrift erstellen? Oder möchte jedes Kind seine eigene Zeitschrift haben? Es bietet sich an, diese Entscheidung bereits vorab zu treffen, damit das passende Material bereitliegt. Selbstverständlich können die Kinder auch in kleinen Gruppen oder zu zweit an einer Zeitschrift arbeiten. Je nach Alter der Kinder kann auch eine Reportage in der Zeitschrift Platz haben, die von den älteren Kindern mit Unterstützung (beim Aufschreiben) einer Erzieherin durchgeführt wird. Neben den inhaltlichen Fragen ist vorab zu klären, wie die technische Umsetzung stattfinden soll: Low- oder Hightech? Also: Im klassischen Schneide- und Klebeverfahren oder digital mithilfe der Textverarbeitungssoftware eines Computers? Beide Vorgehensweisen haben Vorund Nachteile: So können die Kinder bei einer „handgemachten“ Zeitschrift sicher noch stärker die Erfahrung mitnehmen, die Zeitschrift „ganz allein“ und „selbst“ gemacht zu haben. Bei einer computerunterstützten Lösung wird das Ergebnis hingegen insgesamt perfekter, so gelingt die Einbindung von Bildern und Fotos etwa deutlich besser. Die Entscheidung hängt sicher auch von den Kompetenzen der Erzieherin im Umgang mit dem Computer ab.
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Die handwerkliche Lösung beginnt am besten damit, dass die Kinder ein leeres Heft erstellen, in das dann im zweiten Schritt die Inhalte hineinkommen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten: Erstens können verschiedene Bindemöglichkeiten genutzt werden: Vom Lochen und Heften über Ringelverfahren und Heißklebetechniken. Zweitens sind unterschiedliche Formate und Papierarten denkbar. Diesem Schritt kann unterschiedliches Gewicht eingeräumt werden. So ist es natürlich auch denkbar, dass die Hefte bereits vorbereitet worden sind, damit die inhaltliche Arbeit direkt beginnen kann. Es kann jedoch auch sehr inspirierend sein, viele verschiedene Materialien und Werkzeuge bereitzustellen, mit denen Kinder dann ihr jeweils individuelles Zeitschriftenmodell herstellen können. Bei der Gestaltung der Zeitschrift können die Kinder ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Je nach Alter und Interessen kann jedes Kind hier seine eigenen Vorstellung von der „besten Zeitschrift der Welt“ oder der „Zeitschrift, wie ich sie gerne lesen würde“ umsetzen. Die begleitenden Erzieherinnen können die Möglichkeit des Kopierens nutzen, sodass Inhalte aus vorhandenen Zeitschriften vervielfältigt werden können.
5.3 Foto 5.3 Foto
Definition und Bedeutung Das Medium Foto bietet viele Besonderheiten, die es für den Einsatz in Kindertageseinrichtungen attraktiv machen. Schon kleine Kinder können weitgehend selbstständig mit einem Fotoapparat umgehen, denn die technische Seite ist leicht zu handhaben. Auch das Verhältnis von sinnlich wahrnehmbarer Welt und der durch das Medium Foto aufgenommenen Welt ist für Kinder schon früh nachvollziehbar und kognitiv verarbeitbar. Im Gegensatz zu dieser Einschätzung wurde das Fotografieren noch in den 1960er Jahren als ungeeignet für Kinder unter 12 Jahren eingestuft. Erst ab diesem Alter traute man Kindern den selbstständigen Umgang mit der Kamera zu, zumal sie vorher auch noch wenig Interesse daran zeigen würden (vgl. Loos / Schmolling 2009: 61). Sicher hat auch die technische Entwicklung dazu beigetragen, dass Kinder sich heute
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früher für das Fotografieren interessieren bzw. dieses Interesse wahrgenommen und unterstützt wird. Durch die Weiterentwicklung der analogen Fotografie (Automatik-Einstellungen / Autofokus) und die Neuentwicklung der digitalen Fotografie ist die Technik für Kinder (und Erwachsene) leichter handhabbar geworden. Ein Blick durch die Publikationen zu medienpädagogischen Themen zeigt, dass das Medium Foto deutlich seltener thematisiert wird als andere Medien (vgl. ebd.), in den vorliegenden Statistiken zur Verbreitung von Medien im Kinderzimmer, wird der Fotoapparat nicht berücksichtigt. Dennoch ist davon auszugehen, dass es heute in den meisten Haushalten einen Fotoapparat gibt und viele Kinder regelmäßig Zuhause oder bei besonderen Anlässen mit dem Medium Foto in Berührung kommen. Die Fotofunktion vieler Mobiltelefone trägt ebenfalls dazu bei, dass das Fotografieren heute ein Alltagsmedium geworden ist. Für viele Anwendungen in Kindertageseinrichtungen bietet sich der Einsatz digitaler Kameras an. Dafür sprechen mehrere Gründe: Das einzelne Bild kostet zunächst einmal nichts, sodass die Kinder ein Motiv auch mehrfach fotografieren können, um einzelne Elemente zu verändern oder zu korrigieren. Zudem können die Bilder direkt an der Kamera im Display geprüft werden, sodass – falls notwendig – eine Aufnahme wiederholt werden kann. Bei digitalen Kameras können die Bilder unmittelbar zur Verfügung stehen: Wenn sie über einen Computer mit einem Drucker verbunden werden oder wenn die Speicherkarte des Fotoapparates direkt in einen kleinen Fotodrucker gesteckt wird. Die Kinder halten also „ihr Produkt“ fast sofort in Händen und man kann direkt damit weiterarbeiten. Schließlich besteht ein weiterer Vorteil darin, dass die Kinder die Fotos am Computer weiterverarbeiten können: Durch das Blitzlicht ausgelöste rote Augen lassen sich entfernen, Kontraste schärfen oder mildern, Ausschnitte verändern usw. Und natürlich kann man mit einer Bildbearbeitungssoftware (die meistens den Fotoapparaten beiliegt oder zur Softwareausstattung des Rechners gehört) lustige Effekte erzielen. Während die Verbesserung des Bildes meist etwas für die älteren Kinder ist, haben auch die 4-Jährigen schon Freude daran, ein Motiv zu verfremden, indem sie Farben anders einstellen, Proportionen verzerren oder Schärfegrade verändern. Selbstverständlich ist dabei darauf zu achten, dass Kinder nicht lächerlich gemacht werden.
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Abb. 15: Verzerrtes Foto
Die analoge Fotografie ist technisch anspruchsvoller, bietet aber andere interessante Aspekte des Fotografierens, die für Kinder interessant sind, wie etwa die Arbeit in der Dunkelkammer.
Einsatzmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen Für Kinder im Kindergartenalter sind im Wesentlichen zwei Dimensionen der Fotografie interessant: 1. Der technische Aspekt: Wie entsteht ein Foto? Welche Möglichkeiten gibt es, die Welt fotografisch festzuhalten? Welche Schritte sind für welche Ergebnisse notwendig? 2. Der dokumentarisch-künstlerische Aspekt: Was kann man auf dem Foto sehen? Welche Geschichte erzählt es? Wie ist das Foto arrangiert?
Beide Dimensionen werden mit den folgenden Vorschlägen berührt. Der technische Aspekt ließe sich sicher auch noch über den Bau einer
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Lochbildkamera vertiefen. Wie bei anderen Medien auch wurde hier jedoch bewusst auf solche Angebote verzichtet, bei denen ein Erwachsener die alleinige Regie führt und die Kinder (im besten Fall) in die Rolle der staunenden Zuschauer gelangen. Stattdessen werden im Folgenden Foto-Aktionen vorgestellt, bei denen die Kinder selbst zu handelnden Akteuren werden.
Durch den Sucher schauen
Der Blick durch den Sucher einer Kamera ist ein anderer als der gewohnte Blick auf die Welt. Der Sucher begrenzt den Blick und lenkt damit die Aufmerksamkeit nur auf einen Teil der sichtbaren Welt. Damit ist der Sucher nicht nur eine Einschränkung, sondern er bietet auch die Möglichkeit, sich zu konzentrieren, und die gewohnte Welt anders als bisher wahrzunehmen. Mit Kindern kann man diesen besonderen Blick erarbeiten, indem man einen Passepartout im Sucherformat bastelt und damit die gewohnte Umwelt erkundet. Besonders hilfreich ist ein flexibler Passepartout, der unterschiedlich große Bildausschnitte zulässt. Zwei l-förmige Pappstücke, die mit Büroklammern verbunden werden, eignen sich hier sehr gut zum Experimentieren. Damit kann man, wie auf den folgenden Bildern erkennbar, die gleiche Szene unterschiedlich darstellen. Bilderserien können ausgedruckt bzw. entwickelt werden und zusammen mit den Kommentaren der Kinder auf Tonkarton dokumentiert werden. Heutige Fotoapparate sind sehr leicht zu bedienen. Natürlich kann man Kindern einfach eine Kamera in die Hand drücken, den Auslöseknopf zeigen und sie damit losschicken. Dabei entstehen interessante Bilder. Ein paar Hinweise zum Umgang mit der Kamera und vor allem zur Motivauswahl können die Ergebnisse aber deutlich verbessern – was letztlich die Kinder meist zufriedener mit ihrer Arbeit macht. Ein paar einfache Hinweise erleichtern die Motivauswahl: 1. Das Wichtige aufs Foto: Auf dem Foto sollte vor allem das sein, was man sehen möchte und nicht der Himmel darüber oder die Straße davor. 2. Zoomen: Das, was man aufnehmen möchte, sollte möglichst viel Platz auf dem Bild einnehmen.
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Abb. 16a: Blick durch den selbstgebauten Sucher – weit …
Abb. 16b: … und eng …
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Abb. 16c: … und noch enger.
3. Perspektive festlegen: Man kann sein Motiv von unten (Froschperspektive), von oben (Vogelperspektive) oder auf gleicher Augenhöhe (Normalperspektive) fotografieren. 4. Licht beachten: Die stärkste Lichtquelle sollte möglichst im Rücken des Fotografen liegen. Also möglichst nicht zum Fenster, zur Sonne oder in eine Lampe hinein fotografieren – bei automatischen Kameras wird dann das eigentliche Motiv meist zu dunkel und schlecht erkennbar.
Diese wenigen „Regeln“ kann man mit den Kindern auch experimentell erarbeiten: Indem ein Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlicher Beleuchtung fotografiert wird oder indem verschiedene Ausschnitte einer Szene abgelichtet werden. Eine hilfreiche und gut nachvollziehbare „Einführung in die Fotopraxis“ findet sich bei Bloech 2005. Hier wird sowohl die analoge als auch die digitale Fotografie im Einsatz mit Kindern auf wenigen Seiten vorgestellt.
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Abb. 17 a und b: Weit weg … ganz nah.
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Abb. 18 a und b: Frosch- und Vogelperspektive: Von unten und von oben.
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Abb. 19: Gegenlichtaufnahme: Das Motiv liegt im Schatten
Karla Kolumna und Rudi Reporter: Fotodokumentationen
Beeindruckende und aussagestarke Ergebnisse können im Rahmen einer Fotodokumentation entstehen. Dabei suchen die Kinder Motive unter einem bestimmten Motto oder zu einem bestimmten Thema aus und gehen dann wie ein Reporter los, um Bilder zu diesem Thema zu knipsen. Das Thema kann dabei aus einem Kontext entstehen, der aktuell bereits in der Gruppe oder Kindertageseinrichtung bearbeitet wird. Es kann aber auch gemeinsam mit den Kindern überlegt werden oder von den Erzieherinnen ein Thema eingebracht werden. Hier ein paar Anregungen, wie ein Thema aussehen kann: ◆ ◆ ◆ ◆
Tiere in meiner Umgebung Was ich gerne esse Fröhlich, wütend, nachdenklich: Gefühle Meine Familie
◆ ◆ ◆ ◆
Schmuse- und Kuscheltiere Der schönste Ort in der Kita Alt und jung Alles, was Räder hat: Fahrzeuge
Die folgenden Bilder zum Thema „Müll“ dokumentieren einen Ausflug zum städtischen Wertstoffhof.
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Abb. 20 a bis f: Auf dem Werkstoffhof gibt es viel zu entdecken: Dämmstoffe, Berge alter Reifen, Menschen bei der Arbeit und Gefahr für Menschen. Ausgemustertes und Kaputtes.
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Die Fotoreporter können jeweils mehrere Bilder schießen und das schönste Bild oder die schönsten Bilder werden dann gemeinsam ausgewählt und von dem Kind kommentiert. Mit einer kleinen Vernissage kann schließlich eine Ausstellung der Fotodokumentationen eröffnet werden. Die Fotodokumentationen zeichnen sich durch die Schlichtheit des Arbeitsauftrages aus. Gleichzeitig entstehen wunderbare Einblicke in die Perspektiven von Kindern in ihre Welt.
Spielewerkstatt: Puzzle, Memory und Bilderrätsel
Wenn schon einige Bilder vorliegen, gibt es viele Möglichkeiten, diese weiterzuverarbeiten. Große Ausdrucke und Verfremdungen mit der Bildbearbeitungssoftware sind eine Möglichkeit. Mit gelungenen Bildern können die Kinder auch selbst Puzzle erstellen: Wird das Bild auf dickeren Karton aufgeklebt, kann es zerschnitten werden und wieder neu zusammengesetzt werden. Die Kinder können auch ein Memory herstellen, bei dem immer zwei gleiche Motive auf dicke Pappe geklebt werden und später bei umgedrehten Karten ein Pärchen gefunden werden muss. Hier bietet sich die Arbeit mit digitaler Fotografie an: Die Motivausschnitte sollten möglichst gleich groß sein und üblicherweise sind Memory-Karten quadratisch. Wenn mit digitalen Fotos gearbeitet wird, können diese einfach in ein Textverarbeitungsprogramm hineinkopiert und dort in das richtige Format gebracht werden. Vertraute Dinge aus ungewohnter Perspektive: Das ist die Idee des Bilderrätsels. Dazu können die Kinder Gegenstände in der Kindertageseinrichtung suchen und fotografieren. Froschperspektive und Zoom sind hilfreiche Mittel, um Gegenstände so zu fotografieren, wie man sie sonst nicht kennt: Der Legostein von unten, die Rolle Toilettenpapier von der Seite oder die Spaghetti von oben. Anhand der Ausdrucke bzw. entwickelten Bilder oder auch am Computerbildschirm kann die Kindergruppe raten, um was es sich handelt. Für die Spielewerkstatt kann es sehr hilfreich sein, wenn die Kinder zu Beginn ein vorbereitetes Beispiel sehen können, also ein Puzzle, Memory oder Bilderrätsel, das die Erzieherin zur Veranschaulichung mitbringt.
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5.3 FOTO
Bilderbücher erfinden
Eine weitere Einsatzmöglichkeit für Fotos ist die Erfindung einer Bildergeschichte oder die Illustration einer vorhandenen Geschichte. Einen guten Einstieg kann die Bebilderung eines Märchens oder einer anderen Geschichte bieten, das den Kindern bereits bekannt ist. Szenen des Märchens können von den Kindern nachgestellt werden, wobei einzelne Kinder dann in die Rollen der Figuren des Märchens schlüpfen. Die Kinder haben erfahrungsgemäß viel Freude daran, mit Verkleidungsutensilien, Schminke und Requisiten zu arbeiten. Wenn diese Inszenierungen dann fotografisch festgehalten werden, bekommt das Spiel einen zusätzlichen Reiz. Anschließend kann das Märchen zusammen mit den Bildern in einer Textverarbeitungssoftware zu einem Buch weiterverarbeitet werden. Das Gleiche lässt sich auch mit selbst erdachten Geschichten durchführen. Da es jungen Kindern oft schwer fällt, sich ohne visuelle Anregungen eine zusammenhängende Geschichte auszudenken, können Gegenstände den Ideenfluss unterstützen und die Geschichte veranschaulichen. Puppen oder Playmobilfiguren können etwa als Akteure der Geschichte und zur Anregung der Fantasie verwendet werden. Text und Bild können dann entweder in einem Textverarbeitungsprogramm oder mithilfe einer Präsentationssoftware zusammengebracht werden. Präsentationsprogramme, wie etwa Power Point, ermöglichen eine Vorstellung der Geschichte sowohl als Präsentation mittels Computermonitor oder Beamer, als auch den Ausdruck und damit die Erstellung eines DIN-A4-großen Buches. Ein Beispiel dazu wird im Kapitel zum Thema Computer und Internet vorgestellt (vgl. Kapitel 5.6).
Fotogramme aus der Dunkelkammer
In die Welt der analogen Fotografie kann man (im wahrsten Sinne des Wortes) eintauchen, indem man mit den Kindern eine kleine Dunkelkammer baut. Dazu werden in einem völlig dunklen Raum (vielleicht ein Nebenraum oder eine Abstellkammer ohne Fenster) vier Plastikbecken oder -schüsseln benötigt: In die erste kommt Entwicklerflüssigkeit, in die zweite das Stoppbad, dann Fixierlösung und in die vierte
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5. DER WERKZEUGKOFFER DER MEDIENERZIEHUNG: DIE MEDIENPALET TE
klares Wasser. Grundlage des Fotogramms ist das Fotopapier, auf dem in der Dunkelkammer Gegenstände oder vorbereitete Schablonen angeordnet werden. Dabei darf kein normales Licht angeschaltet werden, sondern lediglich Rotlicht. Die Arrangements werden dann etwa 20 Sekunden belichtet: Dazu wird eine Lampe (z. B. Schreibtischlampe oder eine starke Taschenlampe) angeschaltet. Mit der Dauer der Belichtungszeit kann man auch interessante Experimente machen und so herausfinden, was Über- und Unterbelichtung bedeutet. Anschließend kann wieder das Rotlicht eingeschaltet werden. Nun kommt das belichtete Fotopapier nacheinander in verschiedene Bäder, die bereits in den vorbereiteten Schalen warten: ◆ ◆ ◆ ◆
Entwicklerlösung Stoppbad Fixierlösung Wasser
Anschließend werden die Bilder an einer Leine zum Trocknen aufgehängt. Die Arbeit mit den erwähnten Chemikalien bedarf einer intensiven Begleitung durch Erwachsene, die Kinder sollten niemals unbeaufsichtigt mit den Lösungen hantieren. Deswegen empfiehlt es sich, immer nur mit ein bis zwei Kindern in der Dunkelkammer zu arbeiten.
5.4 Tageslichtprojektor 5.4 Tageslichtprojektor
Definition und Bedeutung Der Tageslichtprojektor findet sich in den wenigsten Beiträgen zur Medienarbeit mit Kindern als ein pädagogisch einsetzbares Medium. Tatsächlich steht er an einer Schnittstelle zwischen Medien und künstlerischem Material. Ohne Frage ist der Tageslichtprojektor jedoch ein Präsentationsmedium. Seine Bedeutung für das vorliegende Buch erlangt er insbesondere wegen seiner guten Einsetzbarkeit für Kinder unter 6. Ein Tageslichtprojektor kann (kinder-) leicht bedient werden und ermöglicht es Kindern, selbstständig vorzugehen. Aufgrund seiner
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5.4 TAGESLICHTPROJEK TOR
Robustheit und der begrenzten technischen Raffinesse kann der Tageslichtprojektor auch für Kinder stets zugänglich sein und seine Bedienung bedarf nicht unbedingt der Unterstützung durch Erwachsene. Der Tageslichtprojektor wird auch Overhead-Projektor oder Polylux genannt. Er funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie Diapositive bzw. ein Diaprojektor: Eine durchsichtige Fläche wird durch eine starke Lampe so beleuchtet, dass auf der transparenten Fläche liegende Gegenstände oder bedruckte Folien über einen Spiegel an die Wand projiziert werden. Der Tageslichtprojektor kann auch als Epidiaskop bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu kann ein Episkop undurchsichtige Gegenstände an die Wand projizieren. Der Tageslichtprojektor kann – wie der Name schon sagt – seine Funktion auch in nicht abgedunkelten Räumen erfüllen. Im Allgemeinen wird der Tageslichtprojektor vor allem dazu eingesetzt, Schrift und Zeichnungen für alle sichtbar an die Wand zu projizieren. Für den Einsatz in Kindertageseinrichtungen können aber vielfältige andere Dinge auf die transparente Fläche gelegt und projiziert werden: Die unterschiedliche „Durchsichtigkeit“ verschiedener Gegenstände erzeugt interessante Motive in der Projektion, durch farbiges Transparentpapier aber auch durch Wasser können faszinierende Farbspiele erzeugt werden. Mit Schatten und Umrissen können am Overheadprojektor Geschichten entstehen. Durch die Verbindung von Projektion und eigener Aktion können die Kinder verschiedene Gestaltungsebenen miteinander verbinden. In konventioneller Verwendungsweise des Tageslichtprojektors können Kinder aber auch Bilder auf Folien malen und so eine große Projektion ihrer Werke herstellen. Für Kinder ist der Overheadprojektor besonders interessant, weil sie hier direkte und bewusste Erfahrungen mit Sinneswahrnehmungen und ihrer Veränderbarkeit machen können. Fährt man etwa mit der Hand über die Fläche zwischen Projektionsfläche und Spiegel verändert sich in der Projektion an der Wand die Größe der Hand und auch die Schärfe der Umrisse verändert sich. In gleicher Weise können Urbild und Abbild miteinander verglichen werden. Eine bunte Feder auf der Projektionsfläche etwa wirkt an der Wand vielleicht viel uninteressanter, denn Farben und Struktur spielen im Abbild an der Wand keine Rolle mehr. Durch die Möglichkeit, leicht und schnell etwas zu verändern werden die Kinder durch den Tageslichtprojektor zum Experi-
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5. DER WERKZEUGKOFFER DER MEDIENERZIEHUNG: DIE MEDIENPALET TE
mentieren angeregt und werden immer neue Möglichkeiten ausprobieren wollen. Durch das gemeinsame Arbeiten stacheln sich die Kinder gegenseitig an bei diesem ästhetischen Erfinden. Der Tageslichtprojektor regt dazu an, auch kleine Phänomene und Phänomenveränderungen wahrzunehmen. Was passiert etwa, wenn man einen Gegenstand dreht? Durch die Arbeit mit dem Tageslichtprojektor kann die Begeisterung an der Vielfalt von Sinneswahrnehmungen geweckt werden – ein wichtiger Teil von Welterkundung. Zudem ermöglicht dieses Medium auch schon kleinen Kindern die Erfahrung, ein technisches Gerät „beherrschen“ zu können und es als ein Werkzeug einzusetzen. Diese „Werkzeugerfahrung“ ist eine grundlegendes medienpädagogisches Anliegen: Medien als Instrumente begreifen, die man zu etwas benutzen kann.
Einsatzmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen Der Tageslichtprojektor sollte vor allem als ein selbstverständlicher Bestandteil der Einrichtung fungieren. Es kommt weniger darauf an, ihn als etwas Besonderes hervorzuholen, sondern als natürliches Instrument an verschiedenen Stellen zu nutzen.
Stimulanz zum ästhetischen Manipulieren
Ein zugänglicher Tageslichtprojektor in der Nähe des Baubereichs oder des Basteltisches kann auf vielfältige Weise zum ästhetischen Manipulieren anregen: Gebautes, Gebasteltes, Baumaterialien und Bastelutensilien können immer wieder auf den Tageslichtprojektor gelegt werden, dort neu arrangiert werden oder in Kombination miteinander neue Bilder an der Wand ergeben. Hier geht es vor allem darum, auszuprobieren, Gegenstände und Materialien in ihren verschiedenen sinnlichen Dimensionen zu ergründen und diese Erfahrungen miteinander zu teilen.
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5.4 TAGESLICHTPROJEK TOR
Abb. 21: Urbild und Abbild
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5. DER WERKZEUGKOFFER DER MEDIENERZIEHUNG: DIE MEDIENPALET TE
Konzentration auf ein Thema
Im Morgenkreis kann der Tageslichtprojektor genutzt werden, um die Aufmerksamkeit der Kinder auf ein bestimmtes Thema zu lenken. Auf Folien kopierte Bilder können auf diese Weise an die Wand projiziert werden und so die gemeinsame Konzentration unterstützen.
Auswertung von Erkundungen
Eine weitere Einsatzmöglichkeit besteht in der Präsentation mitgebrachter Gegenstände. Bei einem Erkundungsgang – ins Krankenhaus, in den Wald, in eine Fabrik – bringen die Kinder oft verschiedene Objekte mit. Auf den Tageslichtprojektor gelegt, sind sie für alle sichtbar. Die unterschiedliche materiale Struktur, ihre Formen und Farben ermöglichen es, neue Dimensionen der Gegenstände zu erkunden („Das sieht aus wie …“). Eine Spritze, ein Spatel oder eine Nuckelflasche können auf dem Tageslichtprojektor ganz neue Dimensionen entfalten und neben ihrer Alltagsfunktion wird auch ihre ästhetische Dimension ins Bewusstsein gebracht.
Perspektivwechsel
Der Tageslichtprojektor lädt zum Experimentieren ein. Kinder können an einem Projektthema durch dieses Medium noch einmal ganz neue Seiten entdecken. Auf dem Bild unten etwa sieht man, wie ein Kind sein Bild zum Thema Bäume neben die mit der Gruppe zuvor gemachten Fotos projiziert. Angeregt durch die Darstellung und sicher auch durch die Größe des Bildes versuchen die Kinder die Projektion nun wieder in die reale, begreifbare Welt zu holen, indem sie das Bild mit Naturmaterialien nachbauen. Der Tageslichtprojektor ist ein sehr vielseitiges Medium, was in hohem Maße zum Manipulieren, Ausprobieren und Gestalten einlädt. Gleichzeitig ist technisches Know-how hier nicht vonnöten. Damit eignet sich der Tageslichtprojektor besonders für den regelmäßigen und eher beiläufigen Einsatz in Kindertageseinrichtungen.
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5.5 FERNSEHEN UND VIDEO
Abb. 22: Ein Bild an der Wand …
Abb. 23: … wird zu einem Objekt im Raum.
In den Kindertageseinrichtungen in Reggio Emilia werden Leuchttische eingesetzt. Bei diesen geht es nicht um großflächige Projektionen, sondern um das Experimentieren mit Formen, Farben und Strukturen, sowie die Anordnung von Gegenständen zueinander.
5.5 Fernsehen und Video 5.5 Fernsehen und Video
Definition und Bedeutung Die große Bedeutung des Fernsehens wurde bereits hervorgehoben. Das Fernsehen ist gerade für kleine Kinder ein wichtiges Medium, weil sie es ohne Hilfe von Erwachsenen und mit wenig Anstrengung nutzen können und es ihnen ein hohes Maß an Unterhaltung verspricht. Kurz: Kinder lieben Fernsehen, weil es ihnen Spaß macht. Deswegen überrascht es auch wenig, welch hohe Bedeutung das Fernsehen hat. Wie oben gezeigt, haben bis zu ihrem vierten Lebensjahr nahezu alle Kinder erste Erfahrungen mit dem Fernsehen sammeln können (vgl. Götz 2007:13). Kinder zwischen 3 und 10 Jahren sehen täglich durchschnittlich zwischen 70 und 80 Minuten fern (vgl. Feierabend / Klingler 2009: 114). Dabei sehen im Allgemeinen ältere Kinder mehr als jüngere, Jungen mehr als Mädchen und Kinder aus armen Familien mehr als Kinder aus reichen Familien (vgl. McKinsey 2006; Hurrelmann / Andresen 2007: 187, Feierabend / Klinger 2009: 128) – wobei es auch hier sicher Ausnahmen und Gegentrends gibt.
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5. DER WERKZEUGKOFFER DER MEDIENERZIEHUNG: DIE MEDIENPALET TE
Das Fernsehen gilt nach wie vor als ein Reizthema in der pädagogischen Diskussion. Dabei gehen Anspruch und Wirklichkeit oft besonders weit auseinander: Während verschiedentlich und publikumswirksam eine fernsehfreie Kindheit als besonders erstrebenswert dargestellt wird (vgl. etwa Spitzer 2007), weist die Empirie darauf hin, welch hohe Verbreitung das Fernsehen tatsächlich hat und wie stark der Fernseher Teil des Alltags in Familien ist (vgl. Lange 2007). In der Diskussion werden dabei teilweise Extrempositionen aufgebaut oder einander unterstellt. Festzuhalten ist ohne Frage, dass der Umfang des Fernsehens dem Alter und dem Entwicklungsstand von Kindern angepasst sein sollte – in der Literatur finden sich nirgendwo Empfehlungen zum ungehemmten Fernsehkonsum von Kleinstkindern. Vielmehr sollte es darum gehen, Kinder dabei zu unterstützen, einen sinnvollen, für ihre Entwicklung förderlichen Umgang mit dem Fernsehen zu entwickeln: „Medienkompetenz statt Medienabstinenz“ (Lauffer / Röllecke 2009). Das Fernsehen hat im Laufe des 20. Jahrhunderts die Entwicklung von einem Nischenthema für Technikbegeisterte zu einem Alltagsmedium für nahezu alle Menschen in Deutschland durchlaufen. Die Entwicklung ist dabei durch eine kontinuierliche technische Weiterentwicklung geprägt, wobei insbesondere vier Meilensteine die Verbreitung vorangebracht haben (vgl. Mikos 2008: 403): ◆ ◆ ◆
◆
1959: Einführung der Magnetaufzeichnung – Fernsehbeiträge können aufgezeichnet werden und müssen nicht mehr „live“ produziert werden. 1969: Einführung des Farbfernsehens – Fernsehbeiträge wirken realistischer, Attraktivität des Fernsehens steigt. 1983: Einführung des Kabelfernsehens in Deutschland, Einführung des Privatfernsehens – deutliche Verbreiterung der Angebotspalette, deutliche Ausdehnung der Sendezeiten. Ende der 1990er: Digitalisierung des Fernsehens – Fernsehbeiträge können zeitlich ungebunden angeschaut werden, zugleich erhöht sich durch neue Datenübertragungswege die Verfügbarkeit von Fernsehbeiträgen („Immer und überall“).
Diese Meilensteine dokumentieren die technische Entwicklung des Fernsehens zum zentralen Leitmedium. Inzwischen verfügen nahezu alle Haushalte in Deutschland über einen Fernseher (MPFS 2009: 8), hinzukommen viele Zweit- und Drittgeräte.
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5.5 FERNSEHEN UND VIDEO
Die wachsende Bedeutung gerade des Fernsehens hat auch den Alltag von Familien nachhaltig verändert. Insbesondere seit der Einführung des Kabelfernsehens und des privaten Fernsehens hat eine starke Entgrenzung des Fernsehen stattgefunden: Eine Vielzahl von Programmen sendet rund um die Uhr. Die ständige Verfügbarkeit wird noch durch Aufzeichnungsmöglichkeiten und die Verbreitung von DVDs verstärkt. Im Medienverbund mit dem Internet sind insbesondere Spielfilme jederzeit und in Minutenschnelle verfügbar geworden. Einerseits kann diese Entwicklung beängstigend sein, weil die ständige Verfügbarkeit auch zu einer starken Nutzung einlädt. Andererseits befreit diese Verfügbarkeit auch von den durch Sendepläne vorgegebenen Strukturierungen, sodass der Alltag sich immer weniger an den Sendeplätzen beliebter Sendungen orientieren muss. Auch die Geschichte des Fernsehangebots für Kinder ist von Entgrenzung geprägt: Quantitative und qualitative Ausdehnung sind die zentralen Kennzeichen seiner Entwicklung. In den ersten Jahren des Fernsehens war der Anteil der Sendungen für Kinder am Gesamtangebot vergleichsweise gering. Dennoch ist es bemerkenswert, dass es bereits in der Frühphase des Mediums überhaupt Beiträge speziell für Kinder gab. Bereits seit Ende der 1930er Jahre sendete der damals einzige Sender Kindergymnastik und Märchendarbietungen (vgl. Hickethier 1995: 129). Bekannt wurden die „Spielund Beschäftigungsstunden“ Ilse Obrigs, die bereits in der NS-Zeit ein Unterhaltungsprogramm mit und für Kinder brachte. In diesem Angebot für Kinder sang und bastelte eine Gruppe Kinder unter Anleitung einer Erwachsenen, wobei die verschiedenen Sender im Laufe der Jahre mehrere „Tanten“ nach dem Vorbild Obrigs arbeiten ließen (vgl. ebd.). In den 1960er Jahren erweiterte sich das Spektrum: Hase Cäsar und Produktionen der Augsburger Puppenkiste bereicherten das Programmangebot für Kinder. Hinzu kamen verschiedene Serien aus US-amerikanischer Produktion (z. B. „Bonanza“, „Fury“, „Flipper“ oder „Lassie“). Die Verfilmungen der Astrid-Lindgren-Romane (z. B. „Wir Kinder aus Bullerbü“) und Serien aus deutscher bzw. deutsch-tschechischer Produktion (z. B. „Pan Tau“) richteten sich ebenfalls an Kinder. Zwei ganz formale Einschränkungen sorgten dafür, dass das Kinderprogramm bis in die 1960er Jahre relativ eindimensional blieb: Erstens war der für das Kinderprogramm zur Verfügung stehende zeitliche Rahmen sehr gering (wenige Stunden pro Woche). Zweitens gab es durch das Ju-
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gendschutzgesetz von 1957 erhebliche Einschränkungen: Kinder unter 6 Jahren durften nicht ins Kino gehen und gehörten nicht zu den von den Programmmachern anvisierten Zielgruppen (vgl. Müller 2000). Zu Beginn der 1970er brachte ein neues Verständnis von Kindheit auch neue Sendeformate hervor. Vereinfachend wirkte sich die Aufhebung des Fernsehverbotes für Kinder unter 6 Jahren aus und die zeitliche Ausdehnung des Programms. Am meisten diskutiert wurde über den amerikanischen Import „Sesamstraße“. Deutsche Produktionen gingen in eine ähnliche Richtung: „Die Sendung mit der Maus“, die „Rappelkiste“, „Neues aus Uhlenbusch“ und „Löwenzahn“ etwa. Mit diesen Sendungen wurde in hohem Maße ein aufklärerisches und emanzipatorisches Ziel verfolgt. Kinder sollten im Kinderfernsehen nicht mehr über bestimmte Sachverhalte belehrt werden, sondern sie sollten zum eigenständigen Denken angeregt werden, sollten Sachverhalte und Zusammenhänge begreifen. Bärbel Lutz-Saal, eine Kinderprogramm-Redakteurin der „ersten Stunde“ beschreibt den neuen Anspruch der damaligen Zeit in Bezug auf die „Rappelkiste“: Die „Rappelkiste“ „vermittelte kein vorbereitetes Schulwissen, sondern erzählte von Menschen und der Art, wie Menschen miteinander umgehen. Es waren Geschichten vom alltäglichen Leben so, wie Kinder ihre Umwelt sehen und fühlen. Die „Rappelkiste“ wollte Lernprozesse zwischen Kindern und Erwachsenen, aber auch zwischen Kindern untereinander in Gang bringen und helfen, Sinnzusammenhänge zu erkennen. Pädagogen nennen das soziales Lernen. Dem fühlte sich das Team der Senderreihe verpflichtet. Um Kindern Orientierung und damit Selbstbewusstsein zu vermitteln wurden, kleine Geschichten erzählt wurden, in denen sich Kinder selbstsicher, flexibel und der Situation angemessen verhielten. Der emanzipatorische Ansatz war verbunden mit Modellen partnerschaftlichen und kooperativen Handelns. In diesem Sinne verstand sich die „Rappelkiste“ dezidiert als Programm für Kinder aus nicht privilegierten Schichten.“ (Lutz-Saal 1995: 145) Auch den Machern der „Sendung mit der Maus“ ging es um Aufklärung und die Kompensation sozialer Ungleichheiten. Durch die „Lach- und Sachgeschichten“ sollten in Fortsetzung der Dokumentarfilm-Tradition Einblicke in sonst für Kinder nicht erfahrbare Bereiche gesellschaftlichen Lebens geboten werden (vgl. Saldecki 1995: 21). „Löwenzahn“ und „Karfunkel“ waren weitere Sendungen mit diesem Anspruch. Der neue Impuls der 1970er Jahre – kurz gesagt – lag in der Idee, dass bereits Kinder sich durch das
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5.5 FERNSEHEN UND VIDEO
Fernsehen Wissenswelten erschließen können und das Fernsehen so zu einer gerechteren Gesellschaft und einer Anhebung des Bildungsniveaus im Allgemeinen beitragen könnte. Deswegen war es wichtig, im Kinderprogramm nicht „irgendwas“ zu zeigen, sondern Qualitätsfernsehen zu machen. Neben den genannten Formaten, in denen Wissen und Werte auf unterhaltsame, kindgerechte Weise präsentiert werden sollten, erweiterte sich in den 1970er und 1980er Jahren das Angebot an Kinderserien enorm: „Biene Maja“, „Wickie“ und „Heidi“ waren die TV-Zeichentrick-Serien dieser Zeit, „Timm Thaler“ oder „Die rote Zora und ihre Bande“ sind Beispiele für Realserien dieser Zeit. Der nächste wichtige Impuls für das Kinderfernsehen lag nicht in einer inhaltlichen Innovation, sondern in der Einführung eines eigenen Kinder-Spartenkanals und in der damit verbundenen massiven Ausdehnung des Fernsehangebotes für Kinder. 1997 ging der „Kinderkanal von ARD und ZDF“ auf Sendung, der heute als „KI.KA“ zwischen 6 und 21 Uhr Fernsehprogramm für Kinder zwischen 3 und 13 Jahren sendet. Neben diesem öffentlich-rechtlichen Kindersender gibt es derzeit noch zwei private: „Nick“ (seit 2006, früher „Nickelodeon“) und „Super RTL“ (seit 1995). Auf allen drei Sendern spielen Zeichentrickserien eine zentrale Rolle, wobei „Nick“ und „Super RTL“ ausschließlich im Zeichentrick senden, während „KI.KA“ auch Realserien und -filme ausstrahlt (z. B. die Soap „Schloss Einstein“). Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen dem öffentlich-rechtlichen Kanal und seinen privaten Mitbewerbern ist, dass auf „KI.KA“ keine Werbung gesendet wird. Bei „KI.KA“, „Nick“ und „Super RTL“ gibt es im Vormittagsprogramm ein Angebot, dass insbesondere Vorschulkinder ansprechen soll: „Kikaninchen“, „Nick jr.“ und „Toggolino“. Die Einführung eigener Sender für Kinder ist Mitte der 1990er Jahre kontrovers diskutiert worden. Wird Fernsehen durch einen eigenen Kinderkanal zu einer stets erreichbaren Verführung und so die Kinder zu Dauerguckern erzogen? Wird in einem Kindersender nur Billigware angeboten und der Qualitätsanspruch aufgegeben? Oder ist das Gegenteil der Fall: Kann ein qualitätvolles Programm mit ausreichendem Sendeplatz zu den für Kinder relevanten Zeiten überhaupt erst seine positiven Potenziale entfalten? Verliert das Fernsehen vielleicht für Kinder durch seine ständige Verfügbarkeit an Bedeutung und wird uninteressant? Heute zeigt die Fernsehnutzungsforschung, dass man diese Fragen nur sehr differenziert beantworten kann: Für den Großteil der Kinder ist das Fern-
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sehen heute alltäglicher und selbstverständlicher Bestandteil ihrer Lebenswelt, ohne dass sie unentwegt und ausschließlich „vor der Glotze“ sitzen. Ein kleiner Teil der Kinder sieht – auch aufgrund des überbordenden Angebots – deutlich mehr Fernsehen, als gut für sie wäre. Erziehungsstil und Herkunftsmilieu der Eltern sind hier die entscheidenden Einflussfaktoren. Unabhängig von diesen Fragen sind für die Unter-6-Jährigen die Kindersender Super RTL und KI.KA die deutlichen Favoriten: 56,7 % der Fernsehnutzung der 3- bis 6-Jährigen findet auf den Sendern Super RTL und KI.KA statt (vgl. Feierabend / Klingler 2009: 120). Die heutige Entwicklung lässt neue Formate und vor allem einen neuen Habitus der Fernsehmacher erkennen: So sind etwa die noch Mitte der 1990er Jahre totgesagten Dokumentationen und Nachrichten für Kinder heute fester Programmbestandteil des Kinderprogramms, jedenfalls im Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Etwa die schon klassische Nachrichtensendung „logo!“ wird täglich auf KI.KA gesendet. Zwar informieren heute noch die „Sendung mit der Maus“ und „Löwenzahn“ über Welt und Gesellschaft, haben aber durch neue Formate Konkurrenz bekommen: „Wissen macht Ah!“ etwa hat den pädagogischen Gestus der 1970er Jahre völlig abgelegt, vielmehr wird anspruchsvolles (vor allem naturwissenschaftliches) Wissen zwar von Erwachsenen aber in höchst verspielter Weise angeboten. Andere Dokumentationsreihen wie „Willi will’s wissen“ und „Fortsetzung folgt“ sind fester Programmbestandteil. Diese Entwicklung ist sicher als positiv zu bewerten, weil das Medium Fernsehen in diesen Dokumentationen in besonderem Maße dem Anspruch an gesellschaftliche Partizipation, Aufklärung und Bildung gerecht wird. Deswegen ist die Weiterentwicklung dieses Genres ein Gewinn für das Fernsehprogramm für Kinder. Trotz dieser begrüßenswerten Entwicklung wird jedoch eines deutlich: Die Altersgruppe der Kinder, an die sich diese Sendungen richten, liegt vor allem im Grundschulalter. Für die Altersgruppe der Unter6-Jährigen werden – mehr als noch in den 1970er Jahren – vor allem Zeichentrickserien und Märchenfilme angeboten. Während sich also „Löwenzahn“ durchaus auch an Kinder im Vorschulalter richtete, ist „Willi will’s Wissen“ für ältere Kinder gedacht. Das bedeutet sicher nicht, dass jüngere Kinder sich die Sendung nicht anschauen. Explizit für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren produzierte Dokumentations- und Informationssendungen würden jedoch anderen Leitlinien (in Bezug auf Tempo, Sprache und Themenwahl) folgen. Im Bereich der Unter-
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5.5 FERNSEHEN UND VIDEO
6-Jährigen hat sich die Diskussion im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts jedoch eher auf die Frage des Fernsehens für Kleinstkinder konzentriert. Einer der Auslöser für diese Diskussion war die seit 1999 auf dem KI.KA ausgestrahlte britische Serie „Teletubbies“, die sich explizit an Kleinstkinder richtet. Eingebettet in eine Rahmengeschichte mit vier Fantasiefiguren (=Teletubbies) wird dabei eine kurze Geschichte eingeblendet und dann wiederholt, um so die Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit der zuschauenden Kinder zu unterstützen. Die Teletubbies sprechen in einer Art Babysprache („Nomal“ für „noch mal“ oder „Winke, winke“ zur Verabschiedung.) Ein noch breiteres Angebot für Kinder von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr bietet der Sender Baby TV: Der aus Israel stammende Sender bietet ein 24-Stunden-Programm für Babys und Kleinkinder, bestehend aus Liedern und kurzen Programmsequenzen, die das Lernen der Zuschauer anregen sollen. Die Idee von Baby TV ist, dass fernsehen für die gewünschte Altersgruppe vor allem dann schädlich ist, wenn ein nicht altersangemessenes Programm gesendet wird, also mit Gewalt, Werbung und einem hohen Tempo. Im Gegensatz dazu bietet Baby TV langsame, kurze Programmbeiträge, einfache Inhalte, minimale Information, positive Charaktere und keine Werbung (vgl. Talit 2007: 39). Heute ist Baby TV als Pay-TV-Sender zu sehen. Baby TV und Teletubbies werden sicher auch in Zukunft immer wieder zum Thema werden, auch wenn bei Experten unterschiedlicher Disziplinen die Meinung vorherrscht, dass Babys und Kleinkinder vom Medium Fernsehen in keiner Weise profitieren können (vgl. etwa Becker-Stoll 2007: 20). In dieser Diskussion sollte jedoch bedacht werden, dass man noch in den 1960er Jahren das Fernsehen für Unter-6-Jährige für ungeeignet, ja schädlich hielt, während heute 3-Jährige ganz selbstverständlich Teil der amtlichen Zuschauerstatistik geworden sind. Ob das Alter von 3 Jahren also auch in Zukunft eine feststehende Grenze in der Fernsehnutzung ist, bleibt fraglich. Bislang wurde ausschließlich über Kinderfernsehen gesprochen. Es ist jedoch klar, dass Kinder nicht nur ausdrücklich für sie produzierte Sendungen sehen. Auch wenn es für viele Eltern und Pädagogen wünschenswert erscheint, dass Kinder ausschließlich ein geprüftes Kinderprogramm nutzen, so sollte in der medienpädagogischen Arbeit berücksichtigt werden, dass Sportsendungen, Casting-Shows, Daily-Soaps, Quiz-Sendungen und auch Spielfilme für Ältere, Teil der Fernseherfah-
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5. DER WERKZEUGKOFFER DER MEDIENERZIEHUNG: DIE MEDIENPALET TE
rungen vieler Kinder sind. Erste Anhaltspunkte zu den Sehgewohnheiten der Kinder gibt die Nutzung verschiedener Programmsparten. Die folgende Grafik zeigt, wie sich die Sehdauer von Kindern auf die unterschiedlichen Programmsparten verteilt. Das faktische Sehverhalten mag dabei von dem von Pädagoginnen und Pädagogen gewünschten Sehverhalten abweichen. Eine Studie der Medienforscherinnen Sandra Fleischer und Julia Haas zeigt jedoch, dass Fernseherziehung durch Eltern 2- bis 6-Jähriger durchaus stattfindet und Eltern meist keineswegs gleichgültig der Fernsehnutzung ihrer Kinder gegenüber stehen. Fleischer und Haas differenzieren in ihrer qualitativen Untersuchung Familien mit hohem Anregungsniveau von solchem mit niedrigem: „Die Eltern aus niedrigem Anregungsmilieu begleiten ihre Kinder nicht weniger häufig beim Fernsehen, rezipieren mit ihnen gemeinsam verschiedene Programme und reden mit ihren Kindern darüber. Wie auch in Familien aus höherem Anregungsmilieu wird über das im Fernsehen Gesehene diskutiert. Diese Eltern bemühen sich, genau wie Eltern aus hohem Anregungsmilieu, ihren Kindern die Bilder zu erklären, Fragen zu beantworten und durch
Sport Sonstiges 5% 3% Unterhaltung 9%
Werbung 13% Fiction 57%
Information 13%
Abb. 24: Aufteilung der Fernsehzeit von 3- bis 5-Jährigen auf die unterschiedlichen Programmsparten (nach: Feierabend / Klingler 2009: 125)
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5.5 FERNSEHEN UND VIDEO
das Bildschirmgeschehen eventuell hervorgerufene Ängste zu beseitigen.“ (Fleischer / Haas 2007: 38) Es besteht also durchaus eine gewisse Sensibilität bei vielen Eltern gegenüber den Ängsten, die das Fernsehen auslösen kann und den Gefährdungen eines zu intensiven Fernsehkonsums. Zugleich betonen Eltern aber auch den Nutzen des Fernsehens, den sie vor allem in den mit ihm verbundenen Bildungsangeboten und der Partizipation mit Gleichaltrigen sehen (ebd.). Doch wie sieht es mit dem tatsächlichen Bildungspotenzial des Fernsehens aus? Im Bereich des Spracherwerbs gibt es widersprüchliche Forschungsergebnisse: Einerseits wird die monologische Struktur des Fernsehens kritisiert, was zum eigenen sprachlichen Ausdruck der Kinder wenig anregt. Andererseits liegen Untersuchungen vor, die belegen, dass durch das Fernsehen eine Erweiterung des Wortschatzes stattfindet, Sprachroutinen gefestigt werden und die Fähigkeit zunimmt, eine Geschichte zu verstehen (vgl. Deutsches Jugendinstitut o. J.: 13). Was den allgemeinen Wissenszuwachs betrifft, so zeigt sich, dass das Fernsehen ebenfalls über ein gewisses Bildungspotenzial verfügt. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang von Forscherinnen und Forschern betont, dass sich dieses Potenzial vor allem dann entfaltet, wenn eine inhaltliche Begleitung und „Nachbereitung“ des Gesehenen durch erwachsene Bezugspersonen stattfindet (Götz 2007: 15). In den letzten Jahren hat sich, nicht zuletzt durch die eigenen Spartensender, eine nahezu unübersichtliche Vielfalt von Fernsehsendungen für Kinder entwickelt. Um Orientierung in dieser Vielfalt zu bieten, haben die Medienanstalten verschiedene Preise erarbeitet, mit denen besonders gelungene Sendungen ausgezeichnet werden, so beispielsweise: ◆
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Erich-Kästner-Fernsehpreis für das beste deutschsprachige Kinder- und Jugendfernsehprogramm. Dieser Preis wird gestiftet von der Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrecht (GWFF). EMIL – Preis für gutes Kinderfernsehen, gestiftet von der Fernsehzeitung TV Spielfilm. Goldener Spatz – Preis für die besten Filme und Fernsehprogramme der Deutschen Kindermedienstiftung (MDR, RTL, ZDF und der Stadt Gera). Medienpreis der Evangelischen Kirche für die beste Kinderfernsehsendung.
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Bei diesen Preisen werden einzelne Programmbeiträge herausgehoben, die von der jeweiligen Jury als besonders wertvoll erachtet werden. Eine Durchsicht der Preisträger der letzten Jahre zeigt jedoch, dass vor allem Programmbeiträge für Kinder im Grundschulalter ausgezeichnet werden, während Sendungen für Kinder unter 6 Jahren keine Rolle spielen. Eine praktische Orientierungsmöglichkeit bietet die Internetseite „Schau hin! Was Deine Kinder machen.“, eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Partnerschaft mit Vodafone, ARD, ZDF und TV Spielfilm (www.schau-hin.info). Die Seite gibt Informationen zu Medienangeboten für Kinder im Fernsehen und auf DVD, im Internet, bei Computerspielen, Handys, Hörbüchern und Büchern. In Bezug auf das Fernsehen werden tagesaktuelle Empfehlungen zu Fernsehsendungen für Kinder gegeben. Neben einer Inhaltsangabe wird jeweils eine Altersempfehlung abgegeben.
Einsatzmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen Das Medium Fernsehen bietet zahlreiche Möglichkeiten für die Arbeit mit Kindern. Ein besonderer Vorteil liegt dabei natürlich in der Begeisterung, die die meisten Kinder für dieses Medium hegen, das schließlich das beliebteste aus der Medienpalette für Kinder dieser Altersgruppe ist. Wichtig ist, diese Begeisterung nicht durch abwertende Äußerungen zu dämpfen oder als etwas Unerwünschtes darzustellen. Die oben zitierten Forschungsergebnisse zeigen vielmehr, dass die positiven Potenziale des Fernsehens insbesondere dann genutzt werden können, wenn Gespräche über das Gesehene stattfinden, wenn es einen Raum gibt, die Geschichten und Bilder aus dem Fernsehen zu verarbeiten. Diesen Raum kann die Kindertageseinrichtung bereitstellen.
Fernsehhelden
Kinder entwickeln schon sehr früh Vorlieben für bestimmte Sendungen. Eine Bildergalerie mit den liebsten Fernsehhelden kann ein guter Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Thema Fernsehen sein. Kinder können die Hauptdarsteller ihrer liebsten Fernsehsendung ma-
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len. Vertieft werden kann die Charakterisierung dieser Helden durch eine Auflistung der Eigenschaften dieser Figur: Die Biene Maja ist pfiffig, mutig, hilfsbereit. Bob der Baumeister ist zupackend, aktiv und ein guter Freund. Vielleicht gibt es auch Fernsehhelden mit schlechten Eigenschaften? Oder die Kinder kennen echte Menschen, die ihren Fernsehhelden ähneln? Einen Impuls können Erzieherinnen setzen, wenn sie bei dieser Auseinandersetzung auch die Fernsehhelden ihrer Kindheit vorstellen. Vielleicht sind es ja sogar die gleichen, wie die heutiger Kinder? Oder sie haben die gleichen Eigenschaften? Und wenn nicht: Was ist anders? Fernsehhelden sind ein guter Ausgangspunkt für die medienpädagogische Arbeit zum Thema Fernsehen, weil sie Identifikationsfiguren sind und ein Stück weit auch die Wünsche und Träume der Kinder spiegeln. Normalerweise sind sie Teil der Welt Zuhause bei der Familie. In den Kita-Alltag hineingeholt werden sie zu einer Brücke zwischen Kindertagesstätte und Familie.
Benjamin Blümchen als Vulkanforscher
Die Fernsehvorlieben der Kinder sind bestimmten Moden unterworfen. Das aktuelle Fernsehprogramm beeinflusst dies ebenso wie eine gewisse Gruppendynamik – ganz nach dem Motto: „Wenn Julia immer Au Schwarte! guckt, will ich das auch sehen!“. Das Fernsehangebot für Kinder unter 6 Jahren hat seinen Schwerpunkt, wie oben dargestellt, vor allem bei Zeichentrickserien. Diese spielen sich meist nach einem wiederkehrenden Muster ab: Die Hauptfigur und ihre Freunde sind bereits mit ihren Eigenschaften bekannt und erleben in jeder Folge ein Abenteuer oder müssen eine Aufgabe lösen. Warum sollten die Kinder sich nicht eine neue, eigene Folge überlegen? Eine Geschichte, in der der Serienheld etwas erlebt, was der Erfahrungswelt der Kinder entspricht – oder etwas tut, das die Kinder selbst gerne einmal tun würden. So entstand z. B. die Geschichte „Benjamin Blümchen als Vulkanforscher“: „Benjamin und Otto entdecken in Neustadt einen Vulkan. Sie kaufen sich einen Anzug gegen die Hitze und gehen in den Vulkan. Es ist gefährlich, weil es so heiß ist. Otto fällt in die Lava aber Benjamin rettet ihn mit seinem Rüssel.“ (Tim, 6 Jahre)
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Die Geschichte kann von einem Erwachsenen aufgeschrieben werden und das Kind malt ein Bild dazu.
Nachrichten aus der Igelgruppe
Fernsehen ganz einfach – und ohne viel Technik: Aus einem alten Fernsehgehäuse (zu bekommen im Elektrohandel als Rest in Zahlung genommener Altgeräte) oder auch einem entsprechend zugeschnittenen Karton wird ein Nachrichtenstudio, aus dem Kinder ihre eigenen Nachrichten senden. Nicht alle Kinder im Kindergartenalter werden Nachrichten kennen. Gemeinsam können Fernsehnachrichten geschaut werden, um allen Kindern einen Eindruck von Nachrichten zu vermitteln. Dabei ist es sinnvoll, eine Nachrichtensendung aufzuzeichnen, da Beiträge etwa aus Krisen- oder Kriegsgebieten für Kinder wenig geeignet sind. Natürlich bietet es sich auch an, die Kindernachrichtensendung „logo!“ (KI.KA) als Vorbild zu nutzen. Nun kann gesammelt werden: Was sollte die Welt über unseren Kindergarten wissen? Was sind neueste Nachrichten aus unserer Gruppe? Geburtstage, Krankheiten, Anschaffungen, Projekte, Feste … All das können Beiträge für eine Nachrichtensendung sein. Jedes Kind, das Lust dazu hat, steckt seinen Kopf in den Bastelfernseher und spricht seine Nachricht. Das Ganze kann natürlich auf Fotos oder mit der Videokamera festgehalten werden.
Fernsehen spielen
Eine weitere Möglichkeit, sich mit dem Fernsehen auseinanderzusetzen ist die Umsetzung von Fernseherfahrungen in einem Rollenspiel (vgl. dazu ausführlich: Neuß 2007). Dazu wird ähnlich wie bei den „Nachrichten aus der Igelgruppe“ ein Fernseher nachgebaut. „In“ diesem Fernseher spielen Kinder eine Fernsehgeschichte nach. Dazu müssen sich die Kinder zunächst an Fernsehgeschichten (oder Teile davon) erinnern und sich auf bestimmte Charaktere einigen. Wichtig ist dabei die Festlegung bestimmter Rollen, die auch äußerlich sichtbar sein sollen, vor allem durch Verkleidung und Schminke. Dann wird eine Geschichte vorgespielt, deren Handlung die Kinder im Moment des Spiels erfinden
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5.5 FERNSEHEN UND VIDEO
(als Improvisation). Der Teil der Kinder, der gerade nicht spielt, begibt sich in die Rolle der (Fernseh-) Zuschauer. Im Projekt „Erlebnisland Fernsehen“, das die Bearbeitung von Medienerlebnissen im Kindergarten zum Ziel hatte, entwickelten die Projektmitarbeiter den Methodenbaustein „Wunschprogramm“. Dabei können die Kinder in kleinen Gruppen ihre Lieblingssendungen aus dem Fernsehen nachspielen, einen eigenen Schluss zu einer Geschichte entwickeln und eigene Episoden erfinden. Ziel ist es, die Kinder bei der Verarbeitung des Gesehenen zu unterstützen: „Die Kinder werden unterstützt, ihre Fernseherlebnisse nachzuerleben, ausgelöste Gefühle auszuleben und sich ihren inneren Themen zu nähern.“ (Greschitzek / Neuß 2003: 55). Außerdem können die Kinder die Bearbeitbarkeit und Gestaltbarkeit von medial vermittelten Geschichten erleben: „Die Kinder erleben, dass das Fernsehen mit dem Ausschalten nicht beendet sein muss. Dadurch sollen die Fernsehnutzungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten der Kinder erweitert werden.“ (ebd.)
„Kita ist die Abkürzung von KInoTAg“ – Filmvorführung in der Einrichtung
Bei der Beschäftigung mit Film und Fernsehen stoßen Erwachsene und Kinder leicht auf wahre Film-Schätze. Einen ganz alten Trickfilm oder die frisch prämierte Folge einer Dokumentationsserie – es gibt viele begeisternde Fernsehbeiträge. Und die kann man sich wunderbar gemeinsam ansehen. Viele Filme kann man inzwischen im Internet für wenig Geld ausleihen. Bei vielen Sendern kann man auch Mitschnitte von Sendungen bekommen, das bedarf allerdings eines gewissen zeitlichen Vorlaufs. Dazu gehört natürlich eine gute Inszenierung: Die Kinder können einen Raum zum Kinosaal umbauen, Eintrittskarten gestalten und Popcorn herstellen. Vielleicht haben einige Kinder auch Spaß daran, alle Sitze zu nummerieren. Das Besondere an der Filmvorführung ist neben der Inszenierung das gemeinsame Fernseherlebnis. Aufgrund dieser miteinander geteilten Erfahrung können die Kinder sich über einzelne Szenen unterhalten, sich gegenseitig auf etwas besonders Lustiges aufmerksam machen und miteinander unklare Sequenzen zu deuten versuchen.
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Nach der Filmvorführung sollte das Gesehene weiterverarbeitet werden. Hier bietet sich eine inhaltliche Anknüpfung an: Vielleicht ging es in der Biene-Maja-Folge darum, wie Freunde sich streiten und wieder vertragen. Die Kinder können erzählen, wie sie sich selbst mit ihren Freunden schon einmal gestritten haben und wie der Streit dann beigelegt wurde. Auf diese Weise kann auch ein Thema aufgegriffen werden, dass in der Gruppe oder in der Einrichtung gerade eine Rolle spielt bzw. zu dem in einem anderen Zusammenhang gerade gearbeitet wird.
Fernsehwelten
Ein weiterer Baustein aus dem Projekt „Erlebniswelt Fernsehen“ ist der Bau einer Fernsehlandschaft. Dabei können die Kinder in einem frei gestaltbaren Bereich (z. B. Bauteppich) mit verschiedenen Materialien eine Landschaft zu einer ihrer Lieblingssendungen erstellen. Dies eignet sich besonders für Sendungen, zu denen im Rahmen des Merchandising auch Spielfiguren zur Verfügung stehen. Aber auch ausgeschnittene Pappfiguren können in den Medienlandschaften agieren. Dazu wird die aus dem Fernsehen bekannte Kulisse nachempfunden und je nach Szenario Bäume, Gebäude, Steppen oder Weltraumlandschaften nachgebaut. Die Landschaften können dann den Hintergrund für – von den Kindern selbst erfundene – Geschichten bilden (vgl. Pohl 2003: 105).
Wir werden Kameraleute!
Zur Auseinandersetzung mit Fernsehen und Video kann selbstverständlich auch der eigene Blick durch die Kamera gehören. Das ist mit dem inzwischen erreichten Stand der Technik viel einfacher, als es klingt. Notwendig ist eine möglichst aktuelle Grundausstattung, zu der für die ersten Schritte erst einmal eine digitale Videokamera notwendig ist. Ein Stativ und ein Mikrofon sind für das Kennenlernen des Mediums ebenfalls sinnvoll. Damit später alle Kinder die Aufnahmen sehen können, ist eine Verbindungsmöglichkeit zum Fernseher oder Computer (via Verbindungskabel oder Kartenlesegerät) wichtig. Eine Ka-
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mera ist für Kinder sehr faszinierend, damit hantieren zu dürfen ist für sie etwas ganz Besonderes. Deswegen wird der Platz hinter der Kamera heiß begehrt sein und es kann sinnvoll sein, einen Plan aufzustellen, der deutlich macht, dass jeder einmal in Ruhe mit der Kamera arbeiten kann. Je nach Alter der Kinder können sie unter Anleitung der Erzieherin nun verschiedene Dinge ausprobieren: ◆ ◆
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Heranzoomen und Wegzoomen: Wann wird das Bild unscharf und wann kann ich nichts mehr erkennen? Bewegungen der Kamera: Schnell und langsam, von oben nach unten, von rechts nach links. Wie schnell darf ich sein, damit einem beim Zusehen nicht schwindelig wird? Schwenk in dunkle Ecken und Richtung Fenster: Wo ist die Bildqualität am besten? Drinnen und Draußen: Welche Vor- und Nachteile haben beide Orte (Helligkeit, Geräuschkulisse etc.)? Aufnehmen von Kindern, die spielen: Wie nah muss ich herangehen, damit die Kamera aufnimmt, was gesagt wird? Ein Gespräch mit einem anderen Kind mit und ohne Mikrofon: Wann ist der Ton besser und wie muss man das Mikrofon halten, damit es funktioniert? Aufnahmen mit und ohne Stativ: Wofür ist welche „Technik“ geeignet?
Die Medienpädagoginnen Christiane Orywal und Sabine Eder schlagen vor, die Kamera direkt mit einem Fernseher zu verbinden, sodass die aufgenommenen Bilder direkt übertragen und für alle sichtbar gemacht werden (Orywal / Eder 2007: 19): „Die Kinder können sich auf dem Fernsehmonitor sehen und haben Zeit, vor der Kamera zu agieren: Grimassen werden geschnitten, es wird getanzt und gezappelt, gewinkt und vor allen Dingen probiert, gleichzeitig in die Kamera und in den Fernseher zu schauen – was niemals klappt!“ (ebd.) Bei diesem Experimentieren mit der Kamera wird es – wie bei den meisten Aktivitäten – Kinder geben, die schnell das Interesse verlieren und andere, die voller Begeisterung immer wieder hinter die Kamera möchten. Beim Ansehen der Aufnahmen am Bildschirm kann die Gruppe dann wieder zusammengeführt werden, wenn alle gemeinsam Tipps für „Gutes Filmen“ aufstellen. Auch wenn der Film also nur we-
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nige Momente geschaut werden kann und dies auch nur mithilfe eines Fernsehers oder Computers, bleibt durch die grafisch dokumentierten Tipps etwas im Raum zurück, das für das weitere Arbeiten mit der Kamera genutzt werden kann.
Filmrätsel
Ähnlich wie bei den mit der Fotokamera gemachten Bilderrätseln, können auch mit der Kamera durch ungewohnte Bildausschnitte visuelle Rätsel gestellt werden: Filmteams von 3 bis 4 Kindern (und einer Erzieherin) machen sich in und um die Einrichtung auf die Suche nach interessanten Motiven. Das kann die Halterung der Schaukel sein oder die Gläser auf dem Frühstückswagen, die Pinsel von oben oder das Handtuch im Bad. Zunächst wird an den Gegenstand ganz nah herangezoomt und etwa drei Sekunden gefilmt – vielleicht kann eines der Kinder gut sichtbar aber lautlos mit den Fingern bis drei zählen. Dann wird durch die Betätigung des Zooms langsam ein größerer Bildausschnitt zugelassen und so das Filmrätsel aufgelöst (vgl. Orywal / Eder 2007: 20). Später können alle Filmrätsel gemeinsam vor dem Bildschirm, an den die Kamera angeschlossen wird, angeschaut und aufgelöst werden. Durch die Betätigung der Pause-Taste kann die Ratezeit beliebig verlängert werden.
Zaubern mit der Kamera
Ein einfacher und immer wieder beschriebener Trick mit der Kamera ist der Stopp-Trick. Er kann von Kindern sehr leicht durchgeführt werden und hat trotzdem einen beeindruckenden Effekt. Das Grundprinzip ist dabei, dass beim Filmen einer Szene oder einer Person die Kamera angehalten wird, eine Kleinigkeit verändert wird und dann läuft die Kamera weiter. Wichtig ist, dass bis auf die veränderte Kleinigkeit alles andere so bleibt wie zuvor, sodass beim Abspielen der Eindruck entsteht, die Veränderung sei durch Zauberhand entstanden: Ein Kind steht vor der Kamera und spricht, beispielsweise erzählt es, das es sich gleich einen Hut aufzaubern wird oder eine Banane in seine Hand zaubert. Dann wird die Kamera angehalten und das gefilmte Kind
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5.5 FERNSEHEN UND VIDEO
„gefriert“ in seiner Position. Ein anderes Kind setzt ihm einen Hut auf oder legt eine Banane in die ausgestreckt Hand. Dann wird die Kamera wieder eingeschaltet und weiter gefilmt. Wird der Film später am Bildschirm angeschaut, entsteht der Eindruck, das Kind hätte tatsächlich gezaubert. Als „geheimes“ Kommando können Zaubersprüche dienen: Bei dem letzten Wort des Zauberspruches drückt das filmende Kind auf den Pauseknopf. Ganz entscheidend für das Gelingen des StoppTricks ist, dass sich Kamera und Kinder bzw. Szenerie nicht verändern. Dazu sollte die Kamera möglichst auf einem Stativ angebracht sein. Für die zu filmenden Kinder kann es hilfreich sein, wenn sie auf einem Stuhl sitzen, damit sie ihre Position nicht verändern (vgl. Orywal / Eder 2007a: 20).
Video als Dokumentationswerkzeug
Wenn die Kinder bereits ein paar Erfahrungen mit der Kamera gesammelt haben, können mithilfe der Videokamera viele Aktivitäten aus dem Kita-Alltag festgehalten werden: Die Aufführung eines Theaterstücks, die Aktivitäten auf dem Sommerfest, der Ausflug zum Bauernhof, oder, oder, oder. Die Kamera soll dabei von einem Kinder-Film-Team geführt werden, denn auf diese Weise wird in besonderem Maße die Perspektive der Kinder aufgenommen. Besonders begeistert werden die Kinder sein, sich diese Aufnahmen später noch einmal anzuschauen. Wie bei allen Dokumentationen können sie sich hier selbst sehen, vielleicht auch Veränderungen und Besonderheiten erkennen. Für die Identitätsbildung und Auseinandersetzung mit dem Ich ist dieses Sich-SelbstVon-Außen-Betrachten ein wichtiger Baustein. Aber auch die Gruppe profitiert davon: Die gemeinsamen Aktivitäten stärken die Gruppenidentität – sich jetzt noch einmal alles gemeinsam anzuschauen, unterstützt diese Erfahrung unter dem Motto „Das haben wir gemeinsam erlebt und gemacht!“.
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Selbst einen Film drehen?
In der medienpädagogischen Literatur finden sich verschiedene Vorschläge zur Erstellung eigener Filme (z. B. Orywal / Eder 2007a und 2007b, Anfang / Demmler / Lutz 2005). Insbesondere die Erstellung von Trickfilmen wird als eine gute Strategie vorgestellt, um mit Kindern das Medium Film zu erkunden. Mit einer engagierten Begleitung ist dies sicher auch für Kinder im Kindergartenalter ein reizvolles Projekt. Auf diesen Seiten findet sich jedoch keine ausführliche Darstellung des Vorgehens bei der Erstellung eigener Filme, denn für Kinder unter 6 Jahren ist die Produktion eines Filmes nur mit einem starken Eingreifen Erwachsener möglich. Die Kinder sind dann zwar bei der Produktion dabei, können aber selbst recht wenig gestalten und steuern. Wer sich jedoch für die (Trick-) Filmarbeit mit Kindern interessiert, findet bei Christiane Orywal und Sabine Eder (2007 und 2008) sowie im Band von Günther Anfang, Karin Demmler und Klaus Lutz (2005) wichtige und interessante Anregungen.
5.6 Computer und Internet 5.6 Computer und Internet
Definition und Bedeutung Seit den 1990er Jahren ist der Computer aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Auch der Freizeitbereich wird heute durch den Computer geprägt: Computerspiele, Kontakt- und Einkaufsmöglichkeiten im Internet, Foto- und Videobearbeitung und zunehmend auch Fernsehen über das Internet machen den Computer zu einem zentralen Medium der Gegenwart. Bis in die 1980er Jahre war der Computer mehr oder weniger eine anspruchsvolle Rechenmaschine, erst durch die von Apple eingeführte grafische Benutzeroberfläche wurde der Computer zu einem Massenmedium (vgl. Sesink 2008:419). Im Jahr 2008 verfügten 76 %der Haushalte über mindestens einen Computer (Computer, Laptop, Palm, PDA), 69 % hatten Internetzugang (vgl. Statistisches Bundesamt 2009: 115). Die folgende Grafik zeigt, dass jedoch ein enger Zusammenhang zwischen Einkommen und Computer- und Internetzugang besteht: Je ge-
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5.6 COMPUTER UND INTERNET
ringer das Haushaltseinkommen, desto seltener gibt es einen Computer und einen Internetanschluss.
120%
100%
80%
Computer 60%
Internetzugang
40%
20%
0% unter 1.100
1.100 bis 1.700
1.700 bis 2.600
über 2.600
Abb. 25: Ausstattung von Haushalten mit Computer und Internetzugang 2008 (vgl.Statistisches Bundesamt 2009: 115)
Für den Bildungsbereich hat der Computer bereits früh Bedeutung erlangt. Bereits in den 1980er Jahren wurden Strategien computerunterstützten Lernens entwickelt und inzwischen wird elektronische Unterstützung des Unterrichts immer wichtiger. Aber auch das außerschulische Lernen und informelle Lernkontexte werden zunehmend von Computern geprägt (Fortbildung, Online-Tutorials, Lernprogramme). Entsprechend der allgemeinen Entwicklung spielt der Computer auch im Leben von Kindern eine wachsende Rolle: Ein Viertel der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren verfügt über einen eigenen Computer, 78 % verfügen über Computererfahrungen (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2009: 25). Dabei unterscheidet sich die Nutzungshäufigkeit stark nach Alter und Geschlecht. Mädchen nutzen den Computer seltener als Jungen, jüngere Kinder seltener als ältere:
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Gesamt
29%
Mädchen
24%
Jungen
35%
6–7 Jahre
13%
8–9 Jahre
23%
10–11 Jahre
30%
12–13 Jahre
43%
0%
56%
15%
59%
17% 52%
13%
60%
28% 53%
24% 60%
20% 51%
10%
20%
30%
jeden/fast jeden Tag
40%
50%
6%
60%
70%
ein-/mehrmals in der Woche
80%
90%
100%
seltener
Abb. 26: Nutzungshäufigkeit von Computern nach Geschlecht und Alter (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2009: 26)
Bereits die 6-Jährigen nutzen offenbar regelmäßig einen Computer, wobei Computerspiele (allein und mit anderen) und Internetsurfen als Hauptbetätigungen angegeben werden (a. a. O.: 27). Doch welche Bedeutung hat der Computer für Kinder, die noch nicht zur Schule gehen? Ist der Computer als in hohem Maße sprachbasiertes Medium für leseunkundige Kinder nicht von Interesse? Der Computer ist – wir sehen es an der Verbreitungsstatistik – auch für kleine Kinder allgegenwärtig: Sie sehen wie Eltern und ältere Geschwister ihn bedienen, wie die Erzieherinnen oder die Einrichtungsleiterin damit arbeitet und in den Spielzeuggeschäften werden Kindercomputer als Unterhaltungs- und Lernmedien für die Kleinsten angeboten. Diese geheimnisvolle Kiste, in die die Großen so oft hineinschauen übt auch auf kleine Kinder Faszination aus. Die natürliche Neugier der Kinder auf die Welt schließt selbstverständlich auch den Computer mit ein. Das bedeutet aber für Kindertageseinrichtungen keineswegs, dass sie nun kindgerechte Einführung in die Computerarbeit liefern sollen – womöglich zur optimalen Vorbereitung auf Schule und Arbeitswelt. Vielmehr geht es, wie in allen in diesem Buch vorgestellten Ansätzen darum, die Medienwelt zu entdecken, erste Schritte darin zu
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5.6 COMPUTER UND INTERNET
Buchstaben, Wörter, Sätze, Texte schreiben und gestalten
Fotos und Bilder erstellen und ansehen, bearbeiten, und anordnen
Videoaufnahmen ansehen, schneiden, kürzen, wiederholen und zu einem Film verarbeiten
Musik, Hörbücher und Geräusche anhören und miteinander verbinden Kombination all dieser Elemente miteinander
CDs und andere Speichermedien bespielen und so Informationen aller Art vervielfältigen
Informationen aus aller Welt und über alles sammeln
Spiele von einer CD oder aus dem Internet gemeinsam oder alleine spielen
Kontakt mit anderen Menschen aufnehmen – per E-Mail, Chat oder Videokonferenz
Abb. 27: Spektrum der Erkundungsfelder im Bereich Computer und Internet
gehen und möglichst handlungsorientiert mit dem Medium zu arbeiten. Ziel bei der Arbeit mit dem Medium Computer und mit dem mit ihm verbundenen Internet ist es, einen ersten Eindruck von den vielfältigen Möglichkeiten, die damit verbunden sind zu ermöglichen: Der Computer ist ein spannendes Spielzeug – aber er ist noch viel, viel mehr. Die folgende Grafik zeigt das Spektrum von Erkundungsfeldern im Bereich Computer und Internet.
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Der Anspruch der Medienarbeit in einer Kindertageseinrichtung kann und soll es nicht sein, dieses Spektrum der Möglichkeiten voll abzudecken oder systematisch zu erarbeiten. Das Spektrum macht vielmehr deutlich, dass es für die verschiedenen Interessengebiete jeweils angemessene Handlungsbereiche gibt. Die Beschäftigung mit dem Computer bedeutet also keineswegs, dass nur technische Fragen im Mittelpunkt stehen. Stattdessen handelt es sich beim Computer eben nur um ein technisches Instrument, mit dem bestimmte Aufgaben bewältigt und vor allem kreative Projekte angegangen werden können. Der Computer kann als ein vielfältiger Erfahrungsraum gesehen werden. Doch inwiefern können Kinder im Kindergartenalter überhaupt einen Apparat wie den Computer begreifen? Ist diese „Wundermaschine“ nicht viel zu komplex für Kinder dieses Alters? Eine ehrliche Antwort darauf lautet wohl: „Nein, Kinder bis zum sechsten Lebensjahr können die Funktionsweise des Computers nicht verstehen.“ Aber bedeutet diese Antwort zugleich, dass Kinder dieser Altersgruppe nicht mit dem Computer arbeiten sollten? Wohl kaum, denn wenn Technikverständnis Voraussetzung für die Nutzung ist, dann dürfte auch ein Großteil der Erwachsenen von der Nutzung des Computers ausgeschlossen werden. Wie bei vielen anderen Medien auch haben Kinder hier die Möglichkeit, die Technik zu „beherrschen“, Experten zu sein für den Umgang mit dem Computer – vielleicht sogar bei einem Computerspiel den Erwachsenen etwas vorauszuhaben. Eine Erfahrung, die Kinder mit Stolz und Selbstbewusstsein erfüllt. Dennoch bleibt die Frage, welche Vorstellungen von der Funktionsweise des Computers Kinder entwickeln. Der Medienpädagoge Norbert Neuß hat in Interviews mit Kindern im Vorschulalter drei Dimensionen herausgearbeitet, die das kindliche Verständnis des Computers in besonderem Maße kennzeichnen (Neuß 2002: 102 f.): 1. Vermenschlichung (Anthropomorphisierung): Kinder schreiben dem Computer menschliche Eigenschaften zu. Der Glaube an die Beseeltheit der Umwelt (von Kuscheltieren über Blümchen bis hin zum Auto) gehört zum natürlichen Entwicklungsverlauf bei Kindern dazu – auch der Computer wird in diese Weltsicht einbezogen. Dem Computer werden Gefühle und Eigenschaften zugeordnet, die die Funktionen (das „Verhalten“) des Computers erklären können.
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5.6 COMPUTER UND INTERNET
2. Vergleiche und anschauliche Erklärungen: Kinder übertragen ihnen bekannte Verfahren und Techniken auf den Computer. Die im Computer gespeicherte Musik etwa ist, wie bei einer Tonbandkassette „aufgenommen“ worden und das Band steckt im Computer. Oder die Farbigkeit der Bilder stammt aus einem großen Farbtopf im Computer und im Drucker ist ein „Malstift“ eingebaut (vgl. Neuß 2002: 103). Diese Erklärungsansätze zeigen, dass Kinder versuchen, die Funktionen des Computers mit dem eigenen Erfahrungshintergrund zu erklären und so die (komplizierte) Welt für sie begreifbar zu machen. 3. Kausale Verknüpfungen und magisches Denken: Das magische Denken ist ebenfalls eine normale Entwicklungsphase im Laufe der Kindheit. Kennzeichnend dafür ist, dass allgemeingültige Regeln von Ursache und Wirkung in diesem Denken keine Rolle spielen, sondern bestimmte Aktivitäten oder Gedanken lösen „durch Zauberhand“ bestimmte Ereignisse aus. Das magische Denken wenden Kinder auch auf den Computer an und setzen dabei ihre Fantasie ein. Eigene Wünsche und Handlungsmotive werden auf den Computer übertragen. So entstehen (im wahrsten Sinne des Wortes) eigenartige Erklärungen für die Ursachen einer bestimmten Funktionsweise des Computers.
Alle drei Dimensionen zeigen, dass Kinder sehr schnell Strategien entwickeln, um ihnen unverständliche Vorgänge mit ihren eigenen Erfahrungen und Fantasien zu erklären und Unverständliches so für sich selbst nachvollziehbar machen. Neuß rät davon ab, diese kindlichen Erklärungsansätze kurzerhand durch die „richtigen“ Erklärungen zu ersetzen. Vielmehr können die Erklärungen der Kinder zum Anlass genommen werden, in philosophische Erörterungen einzusteigen – denn wie der Computer „wirklich“ funktioniert, eignen sich Kinder schnell selbst an, wenn sie dieses Wissen benötigen (vgl. Neuß 2002: 107). Der Blick in den Computer selbst kann dennoch eine spannende Entdeckungsreise sein, die es den Kindern ermöglicht, selbst herauszufinden, was in einem Computer geschieht. Ein zentraler Kritikpunkt am Einsatz des Computers für Kinder vor dem Schuleintritt ist die mangelnde Anregung zur Reflexion (z. B. Neuss / Tiedtke 2002: 29) und das Fehlen echter Interaktion. Klaus Lutz etwa beschreibt die Gefahr, dass der Computer als ein Automat genutzt wird, der mit Informationen gefüttert wird, um bestimmte Er-
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gebnisse „auszuspucken“ (Lutz 2009: 75). Diese Kritikpunkte machen auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam: Wenn (kleine) Kinder mit dem Computer arbeiten, sollten sie ihn als Instrument erleben können. Zugleich ist der Computer aber auch ein attraktives Spiel-Medium – und wird als solches im Verlauf der weiteren Kindheit mit hoher Wahrscheinlichkeit an Bedeutung gewinnen. Hier ist es wichtig, die Kinder zu bewussten und kritischen Spielenutzern zu qualifizieren. Dabei ist die Zahl der Angebote auch für Kinder im Kindergartenund Vorschulalter in den letzten Jahren enorm gewachsen. Wie bei anderen Medienangeboten für Kinder auch, gibt es für Computerspiele und Internetseiten ebenfalls Preise und Auszeichnungen, die Orientierung bieten können. Der bekannteste Preis in diesem Bereich ist der „Tommi“ als Deutscher Kindersoftwarepreis. Dabei werden zunächst Computer- und Konsolenspiele von einer Jury ausgewählt und diese dann von Kindern getestet (www.kindersoftwarepreis.de). Zudem gibt es einen „Tommi-Sonderpreis“ für die Altersstufe der Kindergartenkinder. Ein anderer Preis ist der „Pädi“, der von dem Freien Träger „Studio im Netz – SIN“ verliehen wird. Mit dem „Pädi“ werden Spiele für Computer, Internet oder Spielkonsolen ausgezeichnet, die sowohl für Kinder attraktiv sind, als auch Spaß und Lernen in gelungener Weise verbinden.
Einsatzmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen Der Einsatz des Computers in der Kindertageseinrichtung soll in erster Linie die sonstigen Aktivitäten unterstützen und begleiten. Die Mehrzahl der im Folgenden vorgestellten Einsatzmöglichkeiten des Computers können und sollen deshalb als Bestandteil der üblichen Arbeit in der Einrichtung gesehen werden. Den Einstieg bildet jedoch das Ergründen des Computers selbst:
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5.6 COMPUTER UND INTERNET
Zaubermaschine Computer
Was kann ein Computer eigentlich alles? Und was wissen wir über ihn? Diese Fragen können am Anfang einer ganz praktischen Entdeckungsreise stehen. Vielleicht sammeln die Kinder zunächst zusammen mit den Erzieherinnen, was man mit einem Computer so alles machen kann. Aber wie macht der Computer das eigentlich? Neuß schlägt folgende Impulsfragen für eine philosophische Runde zum Computer vor (Neuß 2002: 107): ◆ ◆ ◆ ◆
„Ist ein Computer lebendig?“ Kann sich ein Computer freuen? Und woran erkennt man etwas Lebendiges? „Kann ein Computer denken?“ Wenn ja, was? „Woher weiß ein Computer, was er tun soll?“ „Manche Menschen mögen Computer nicht. Woran könnte das liegen?“
Die Kinder können in einem Bild darstellen, wie sie sich das Innenleben eines Computers vorstellen. Vielleicht sitzt drinnen ein kleines Männchen, das die Buchstaben auf den Bildschirm schiebt oder von der Maus sausen Murmeln durch das Kabel in das Computergehäuse. Um die „Zaubermaschine“ noch genauer zu ergründen, ist es natürlich besonders anschaulich, wenn ein Computer aufgeschraubt werden kann. Vielleicht gibt es sogar einen ausgemusterten Computer, der richtig auseinandergenommen werden kann. Ziel ist es hier nicht, genaue technische Abläufe zu erklären, das wäre sicher eine Überforderung. Vielmehr soll sinnlich erfahrbar werden (durch sehen und anfassen), was in so einem Computer drinsteckt – und das ist sicher weniger und nüchterner, als es sich viele Kinder vorstellen. Doch auch die schlichte Bestückung des Innenlebens eines Computers kann Anlass für neue „Theorien“ bieten. Kleine Bestandteile der Platinen können Elemente neuer Kunstwerke werden, bei denen die Computer-Stücke ein Ausgangspunkt sind. Um der Funktionsweise des Computers näher zu kommen, kann vielleicht ein Experte (z. B. aus dem Elternkreis) eingeladen werden, der den Computer erklärt und beim Auseinandernehmen der Maschine sein Wissen einbringt. Die verschiedenen Bestandteile des Computers können auch zu einer Ausstellung weiterverarbeitet werden: Tastatur, Maus, Monitor und Ge-
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häuse als sichtbare Teile und Arbeitsspeicher, Motherboard, Grafikkarte, Prozessor, CD-Laufwerk und Breitbandkabel als Innenleben des Rechners können fotografiert oder aufgeklebt bzw. festgetackert werden. Die Kinder können vielleicht in einer Zeichnung festhalten, wo am Computer das Teil steht.
Das Computer-Diplom
In vielen Kindertageseinrichtungen gibt es inzwischen eine Computer-Ecke. Ein Computer, ein kleiner Tisch und Stühle (manchmal auch ein „echter“ Schreibtischstuhl) genügen, um einen für Kinder attraktiven Arbeits- und Spielplatz zu schaffen. Der Computer sollte nach Möglichkeit über die grundlegenden Programme (vor allem Textverarbeitung, Präsentation, Bildbearbeitung) sowie einen Internetanschluss verfügen. Nun reicht es aber nicht, den Computer einfach in einem den Kindern zugänglichen Raum zu positionieren wie eine Kiste Bauklötze. Sinnvoll ist es, mit den Kindern ein Computer-Diplom, einen Computer-Führerschein oder einen Computer-Pass zu erarbeiten. Nur, wer diese „Prüfung“ absolviert hat, darf den Computer selbstständig nutzen. Durch das Diplom werden die Fortschritte der Kinder dokumentiert, zugleich erfahren die Kinder durch diese Auszeichnung ihrer Fortschritte eine starke Motivation. Die für das Computer-Diplom zu erfüllenden Aufgaben können sehr verschieden sein. Ihre Auswahl hängt von den pädagogischen Zielen, der technischen Ausstattung und den Fähigkeiten der Kinder ab. Folgende Tätigkeiten sollten die Kinder, die ein Computer-Diplom bekommen jedoch in jedem Fall beherrschen (vgl. Müller 2005: 78): ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Computer ein- und ausschalten bzw. herauf- und herunterfahren, Spiel starten und beenden, in einem Spiel navigieren, Grundbegriffe kennen (z. B. Maus, Tastatur, Eingabe-Taste, Scrollen), den eigenen Namen am Computer schreiben, Malprogramm am Computer starten und beenden, Bild am Computer malen.
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Je nachdem, was in der Gruppe am Computer gemacht wurde und was die Kinder von Zuhause mitbringen, können auch Aufgaben hinzukommen wie Dokumente und Bilder speichern und drucken oder eine Seite im Internet aufrufen. Da der Erwerb des Computer-Diploms in einer Kindertagesstätte natürlich nicht im Rahmen eines „Kurses“ stattfinden kann und soll, wie man es beispielsweise von der Volkshochschule kennt, sind andere Strategien notwenig. Die Kunst- und Medienpädagogin Stephanie Müller empfiehlt deshalb, eine Liste am Computerarbeitsplatz anzubringen, in der die Kinder für alle sichtbar ihre verschiedenen Kompetenzen und ihren Kompetenzfortschritt selbst markieren können (a. a. O.: 79):
Name
PC einschalten
PC ausschalten
Damit die Kinder die Spaltenüberschriften verstehen können, sollten sie nicht nur durch Schrift, sondern auch durch Symbole dargestellt werden. Wenn alle notwendigen Spalten mit einem Haken ausgefüllt wurden, kann das betreffende Kind in einer kleinen Prüfung sein Können unter Beweis stellen. Das Computer-Diplom kann dann als richtiges Zertifikat überreicht werden. Schön ist natürlich, wenn das Diplom durch Stempel und Unterschriften einen offiziellen Charakter erhält. Nun kann das Computer-Diplom für alle sichtbar am Computer-Arbeitsplatz aufbewahrt werden. Oder es kommt in das Portfolio des Kindes, sodass es einen sicheren, persönlichen Ort für diese Auszeichnung gibt.
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Kinder, die das Computer-Diplom haben, dürfen ohne einen Erwachsenen an ihrer Seite den Computer bedienen. Kinder, die noch kein Diplom haben, können mit einem „diplomierten“ Kind zusammen am Computer arbeiten. Darin liegt ein besonderes Potenzial des ComputerDiploms, weil die erfahreneren Kinder so in die Rolle der Lehrenden gelangen können und unerfahrenere Kinder beim Umgang mit dem Computer qualifizieren können.
Computer-Regeln
Ein Computer in Reichweite der Kinder übt auf viele Kinder eine große Faszination aus. Probleme können entstehen durch eine unsachgemäße Behandlung der Technik, durch Streitereien unter den Kindern („Ich will auch mal!“) und durch eine starke zeitliche Ausdehnung der Computernutzung. Eine bewährte Hilfe stellt die Aufstellung von Computerregeln dar. Folgende Regeln können festgelegt werden (vgl. Henneberg 2007: 21): ◆
◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Computerzeiten werden festgelegt. Z. B. kann der Computer um 10 Uhr eingeschaltet werden, wobei eine gemalte Uhr mit einer daneben hängenden echten Uhr verglichen werden kann, sodass die Kinder selber sehen können, wann es 10 Uhr ist. Die Zahl der Kinder, die gleichzeitig am Computer arbeiten dürfen, wird begrenzt, z. B. maximal vier Kinder. Die Dauer, die ein Kind am Computer spielen darf, wird begrenzt, z. B. auf 10 Minuten. Eine Sanduhr hilft, die Zeit einzuhalten. Die Hände müssen sauber sein. Am Computer ist Essen und Trinken verboten, Stifte und Bastelmaterial sind ebenfalls nicht erlaubt. Mindestens ein Kind am Computer muss ein Computer-Diplom haben, ansonsten muss ein Erwachsener dabei sein. Mitgebrachte Spiele und Programme müssen erst von einem Erwachsenen „zugelassen“ werden.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenige Regeln aufzustellen und den Kindern einen möglichst großen eigenen Verantwortungsbereich zu überlassen. Ziel ist es, den Kindern den selbstständigen und zugleich ver-
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antwortungsbewussten Umgang mit dem Computer zu ermöglichen. Wenn der Computer neu in die Gruppe kommt, ist seine Anziehungskraft oft sehr groß und deswegen kann es notwendig sein, zunächst mehr Regeln aufzustellen, etwa, dass die Kinder sich an- und abmelden müssen. Bei starker Konkurrenz um die Computernutzung ist auch die Einführung einer Liste hilfreich, in die sich die Kinder eintragen können, die als nächstes an den Computer wollen.
Auf die Mäuse, fertig – los!
Die Maus zu bedienen ist für viele Kinder nicht ganz leicht. Ein MausTraining zum Einstieg kann deshalb sehr hilfreich sein. Eine gute Unterstützung dafür kann eine langsame Einstellung der Mausbewegungen bieten: Je nach Betriebssystem kann in der Systemsteuerung (MS-DOS) bzw. in den Systemeinstellungen (OS) die Geschwindigkeit der Mausbewegungen reguliert werden, ebenso kann der Abstand zwischen den Klicks beim Doppelklick reduziert werden. Für Kinder eine große Hilfe! Nun kann man ein Programm öffnen, vielleicht das Textverarbeitungsprogramm Microsoft Word. Die Kinder können untersuchen, was passiert, wenn man die Maus bewegt und wenn man auf die Tasten der Maus klickt. Sie können auch mit der Tastatur ein paar Buchstaben tippen und ein Stück markieren. Wiederum mit der Maus können sie andere Schriftarten, -farben und -größen einstellen. Genaueren Einblick in die „Geheimnisse der Maus“ kann man bekommen, wenn man sie vorsichtig aufschraubt: Die zwei Rädchen, die dann sichtbar werden, kann man drehen und beobachten, was auf dem Bildschirm passiert: Ein Rädchen ist für die waagerechten, ein Rädchen für die senkrechten Bewegungen verantwortlich. Mit der wieder zusammengesetzten Maus können dann erste Zeichenversuche gemacht werden, etwa in Microsoft Paint, aber auch in Word selbst lassen sich Linien zeichnen und färben. Andere Malprogramme bieten zusätzliche Funktionen. Das Programm „Plopp“ von Terzio ist ein 3-D-Malprogramm, bei dem die gemalten Bildelemente dreidimensional „aufgeblasen“ werden. Außerdem können vorgefertigte Bildelemente und Bildhintergründe weiterbearbeitet werden.
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Das erste Computerprodukt der Kinder sollte idealerweise ausgedruckt werden – ein wichtiger Baustein für das Portfolio des Kindes oder für eine Wanddokumentation in der Einrichtung.
Namen gestalten
Kinder im Vorschulalter entdecken oft mit großer Begeisterung Buchstaben und vor allem die Buchstaben ihres Namens. In einer Textverarbeitungssoftware können sie ihren Namen in unterschiedlichen Schriften und Größen schreiben und so mit den Buchstaben experimentieren. Eine einfache Sache, die den Kindern viel Spaß macht – besonders, wenn das Ergebnis später ausgedruckt werden kann.
Computerspiel-Jury
Ähnlich wie bei Hörbüchern auch, können die Kinder auch verschiedene Computerspiele miteinander vergleichen und so ein Gespür für die Qualität und für unterschiedliche Ansprüche von Computerspielen entwickeln. Grundlage für diese Aktivität sind mehrere Computerspiele. Sie können entweder von den Erzieherinnen vorgegeben werden oder
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5.6 COMPUTER UND INTERNET
auch von den Kindern eingebracht werden. Wichtig ist, dass die Computerspiele dem Alter der Kinder entsprechen. Die Auswahl der zu begutachtenden Software kann auch für die Pädagoginnen ein guter Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Medium sein, denn sie sollten die Spiele selbst einmal ausprobiert haben, bevor sie sie den Kindern zur Verfügung stellen. Um die Computerspiele zu bewerten, werden die Kinder zu „Experten“ ernannt: „Experten zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre eigene Meinung haben und diese auch kundtun.“ (Neuß / Tiedge 2002: 26). Damit die Kinder die zu begutachtenden Spiele systematisch analysieren können, werden zunächst Kriterien festgelegt, nach denen sie bewertet werden können. Diese können – je nachdem, was die Erzieherinnen der Kindergruppe zutrauen – entweder vorgegeben oder gemeinsam mit den Kindern erarbeitet werden. Als Bewertungskategorien schlagen Norbert Neuß und Margarete Tiedge vor (vgl. ebd.): ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆ ◆
Wie war das Spiel gestaltet? Wie haben mir Farben und Bilder gefallen? Was konnte man hören? Wie waren Töne, Musik, Geräusche, Sprache gestaltet? Gab es eine Geschichte und wie hat sie mir gefallen? Kann man das Spiel ohne die Hilfe von erwachsenen Spielen? Kann man das Spiel mit anderen gemeinsam spielen? Konnte man etwas lernen? Was konnte man lernen? Konnte man sich im Spiel leicht zurechtfinden?
Für die Arbeit mit den Kindern sollte es für jedes dieser Kriterien ein Symbol geben, das die leseunkundigen Kinder verstehen und sich merken können. In einer großen Tabelle können die Kinder dann ihre Bewertungen zu den einzelnen Spielen eintragen, vielleicht als Smileys, vielleicht auch mit Plus- und Minuszeichen. Je nachdem, wie viel Zeit in diese Aktion investiert werden soll, kann jedes Kind ein oder mehrere Spiele ausprobieren und bewerten. In jedem Fall sollten immer mehrere Kinder gemeinsam ein Spiel ausprobieren, damit sie sich untereinander über das Spiel austauschen können. Wenn nur ein Spiel ausprobiert wird, können die Kinder einander im Anschluss die Spiele vorstellen und dann auch eine Empfehlung abgeben: „Das Spiel solltet ihr unbedingt einmal ausprobieren“ oder auch:
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„Das lohnt sich nicht!“. Die Spiele sollten den Kindern nach der JuryAktion auf jeden Fall weiter zur Verfügung stehen, sodass alle Kinder, die möchten, die Spiele ausprobieren können.
Die Welt von oben: Google Earth
Mit dem frei verfügbaren Programm Google Earth hat die Firma Google ein wunderbares Entdeckungswerkzeug für Erwachsene und Kinder bereitgestellt. Wenn das Programm aus dem Internet heruntergeladen wurde, können immer mehrere Kinder zusammen die Welt erkunden. Mit den Zoomwerkzeugen können sie ihre Stadt, ihre Kita, ihre Wohnhäuser aus der Nähe und von Oben betrachten. Kinder mit Wurzeln in anderen Ländern können dorthin „reisen“ und mit den anderen Kindern untersuchen, was es dort zu entdecken gibt.
Präsentation und Bilderbuch: Die Fotostory
Die Nutzung des Computers geht jedoch, wie bereits gesagt, weit über das Spielen von Computerspielen hinaus. Eine sinnvolle Verbindung von Foto und Computer kann mithilfe eines Präsentationsprogramms (z. B. PowerPoint) erstellt werden: Dazu denken sich die Kinder zunächst eine Geschichte aus und fotografieren diese mit einer Digitalkamera. Die Fotos werden dann in den Computer übertragen und in PowerPoint eingebunden. Die Kinder diktieren dann den Text dazu, sodass eine echte „Fotostory“ entsteht. Jungen Kindern fällt es oft schwer, sich zunächst eine Geschichte auszudenken und diese dann erst im zweiten Schritt visuell zu inszenieren. Bei der Erstellung des hier vorgestellten Beispiels wurde deshalb den typischen Mustern kindlichen Spiels gefolgt: Hauptpersonen der Geschichte sind Playmobilfiguren, es könnten aber genauso gut Puppen, Barbiepuppen, Holztiere oder Kuscheltiere sein. Zunächst wollten die Kinder die Rollen der Hauptpersonen festlegen. Danach konnte die Geschichte ihren Lauf nehmen, wobei der weitere Verlauf nicht vorher festgelegt wurde, sondern ein Schritt nach dem nächsten entschieden und geplant wurde. Die Kinder verständigten sich zunächst über die Interessen der Akteure.
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+ Vorstellung Cru Tscha 20 Jahre alt General Sehr klug Kann gut überlisten Chef der Wilden Südländer
Abb. 28a: In den Geschichten gibt es die Guten …
+ Vorstellung James Rha Crus Diener 21 Jahre alt Fast so klug wie Chef
Abb. 28b: … ihre Helfer …
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+ Vorstellung Sven Viereck 25 Jahre alt Chef der Nordlandbande Gerissener Bösewicht Will Cru zerstören
Abb. 28c: … und andererseits die Bösen,
+ Vorstellung Runer Spitzkopf 24 Jahre alt Ist Sven Viereck treu ergeben Kann auch im Dunkeln kämpfen
Abb. 28d: … und deren Helfer
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+ 1. Kapitel Cru hat die Fahne seines Stammes in der Hand. Es ist ein Drache drauf. Er will einen Schatz finden. Er hat von Boten von Königen vom Zauberschwert „Balnar“ gehört. Wer dieses Schwert besitzt, ist der Mächtigste auf der Welt.
Abb. 28e: Die Ausgangssituation wird erklärt …
+ Sven Viereck lebt im hohen Norden und bewacht das Zauberschwert „Balnar“. Er kann es nicht benutzen, weil er ein schwarzes Herz hat. Nur wer ein reines Herz hat, kann das Schwert benutzen. Sven will aber nicht, dass ein anderer Mensch, das Schwert besitzt.
Abb. 28f: … und ausgeschmückt.
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+
Unten sehen sie etwas glänzen. Deswegen landen sie mitten im Urwald. Sie sehen das Zauberschwert auf einer Pflanze gebettet liegen. Aber wie sollen sie es erreichen?
Abb. 28g: Nach einigen Verwicklungen bahnt sich Dank des mutigen Heldens eine Lösung an …
+
„Ich weiß es nicht“, sagte James. „Ich hab die Lösung und klettere einfach rauf. Das ist doch babyleicht.“ Und schon kletterte der tapfere Cru in die Bäume hinauf.
Abb. 28h: Klassische Requisiten werden verwendet.
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5.6 COMPUTER UND INTERNET
+ 5. Kapitel Tatsächlich gelang es Cru, das Schwert zu bekommen. Da er ein reines Herz hatte, konnte er es mühelos tragen. James war begeistert und rief: „Das ist ja cool!“ – „Das ist nicht nur cool, das ist obercool!!“
Abb. 28i: Den Abschluss bildet natürlich ein Fest der siegreichen Guten.
Wenn die Fotos in den Computer und das Präsentationsprogramm übertragen wurden, ist es für viele Kinder besonders wichtig, eine der zahlreichen Formatvorlagen auszuwählen und mit Schrift und Farben zu experimentieren. Bei unterschiedlichen Interessen in der Kindergruppe ist es technisch auch leicht möglich, mehrere Gestaltungsversionen der gleichen Geschichte zu erstellen, sodass jedes Kind die Variante bekommt, die ihm gefällt. Das Ergebnis kann nun zweifach genutzt werden: Jedes beteiligte Kind kann eine ausgedruckte Version bekommen, die als Bilderbuch auf dickem Papier ausgedruckt und im Querformat gebunden ein Dokument der Arbeit darstellt. Außerdem kann das Ergebnis natürlich gemeinsam am Monitor angeschaut werden oder sogar per Beamer im Großformat an die Wand projiziert werden. Eine schöne Präsentation für Morgenkreise, Versammlungen, Feste oder Elternabende. Eine Variante dieses Vorgehens kann mit der Software „Comic Life“ von Apple erarbeitet werden. Dabei können Fotos mit Sprech- und Denkblasen bestückt werden. Das Programm hilft dabei, die Seiten in
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der gewohnten Comic-Optik zu gestalten und macht zudem bei der Erstellung lustige Geräusche. Bei einer guten Fotoauswahl wird Text überflüssig und das Produkt kann als Comic-Strip ohne Worte auskommen.
Einladungen, Kinokarten, Urkunden machen wie ein Profi
Kinder haben große Freude an Perfektion: Kinokarten so zu gestalten, dass sie „echt“ aussehen oder die Urkunde für einen sportlichen Wettbewerb ganz professionell zu gestalten, macht Kindern viel Spaß. Der Computer liefert das Instrumentarium dazu. Allerdings gilt auch hier: Ein Erwachsener ist zur Unterstützung unerlässlich, sonst endet die mit viel Eifer begonnene Aktion in Frustration. Erwachsene Perfektionsansprüche unterscheiden sich dabei stark von den kindlichen, deswegen ist es wichtig, dennoch den Kindern die Regie zu überlassen!
World Wide Web: Ein weltumspannendes Netz
Was ist eigentlich das Internet? Die Erklärung, dass es sich um die Vernetzung von vielen Computern rund um die Welt handelt, ist ganz schön abstrakt. Die Pädagogin Jutta Eichhorn hat eine schöne Methode entwickelt, um das WWW zu veranschaulichen (vgl. Eichhorn 2002: 34): Dazu stellen sich die Kinder mit einem Wollknäuel ausgerüstet im Kreis auf. Das Kind mit dem Knäuel nennt seinen Namen und wirft die Wolle dem nächsten Kind zu, behält aber den Faden fest in der Hand. Dabei kann es beispielsweise sagen: „Ich bin der Tim und wer bist du?“ Lara fängt das Wollknäuel auf, behält den Faden ebenfalls in der Hand („Ich bin die Lara und wer bist du?“) und wirft es dann weiter an das nächste Kind. So entsteht mit der Zeit ein Netz zwischen den Kindern, das die Kinder miteinander verbindet. Und wenn ein Kind nicht direkt mit einem anderen verbunden ist, so doch über ein, zwei oder drei andere Kinder. Diese Veranschaulichung des Netzes kann mit den Kindern besprochen werden. Sie können sich vorstellen, dass jedes Kind ein Computer ist, der mit anderen verbunden ist. Um deutlich zu machen, dass sich dieses Netz über die ganze Welt erstreckt, schlägt Eichhorn vor, in einem zweiten Schritt einen Globus bereitzustellen. Auf diesem können
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5.6 COMPUTER UND INTERNET
die Kinder ihren Wohnort, ihr Herkunftsland und Reiseziele entdecken. An diesen Stellen werden Klebepunkte angebracht: „Nun bringt die Erzieherin ein großes Netz. Sie legt es über den Globus und zeigt noch einmal, wie die Welt mit dem großen Netz umspannt ist. Die Klebepunkte, aber auch die anderen Knotenpunkte des Netzes sind die Menschen, die überall auf der Welt an ihren Computern sitzen und durch das Internet verbunden sind.“ (ebd.).
Im Netz unterwegs – klicken und surfen
Um für Kinder die Orientierung im Internet zu erleichtern, sind in den letzten Jahren verschiedene Portale und Suchmaschinen für Kinder entstanden. Die renommierteste darunter ist sicher die Seite www. blindekuh.de. Sie ist ein guter Ausgangspunkt für Reisen durch das Internet, weil hier auf viele für Kinder interessante und angemessene Internetangebote verwiesen wird. Natürlich ist es für Kinder spannend, „einfach so“ im Netz herumzuklicken. Es sollte aber auch deutlich werden, dass das Internet eine hilfreiche Wissensquelle sein kann und so Leben und Lernen bereichert. Die Fundstücke vom letzten Waldausflug können mithilfe des Internets zugeordnet werden (z. B. www. baumkunde.de), der Besuch bei der Feuerwehr kann vorbereitet werden (z. B. www.wasistwas.de) oder die Kinder suchen neue Mandalavorlagen (z. B. www.kidsweb.de). Das Internet kann so zu einer ganz alltäglichen Informationsquelle werden. Bei der Nutzung ist jedoch die Unterstützung durch einen Erwachsenen fast immer erforderlich – einerseits um den Besuch nicht altersangemessener Seiten zu verhindern und andererseits um die Inhalte zu entschlüsseln, die größtenteils das Lesen voraussetzen.
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5.7 Werbung und Medienmarken 5.7 Werbung und Medienmarken
Definition und Bedeutung Kauf- und Konsumangebote spielen heute eine große Rolle. Werbung ist heute etwas Allgegenwärtiges und wird von Kindern ebenso aufgenommen wie von Erwachsenen. Ein Großteil der Werbung wird dabei über Medien vermittelt, deren vorrangiger Zweck in Unterhaltung und Information liegt: Fernsehen, Zeitschriften und Radio sind voller Werbung und sich ihr zu entziehen ist nahezu unmöglich. Werbung kann beschrieben werden als „beabsichtigte Beeinflussung von marktrelevanten Einstellungen und Verhaltensweisen ohne formellen Zwang unter Einsatz von Werbemitteln und bezahlten Medien.“ (Schweiger / Schrattenecker 1995: 9). Für Werbung wurden laut Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft im Jahr 2008 gut 30 Milliarden EUR ausgegeben (ZAW 2010). Gerade Kinder sind eine wichtige Zielgruppe von Werbung, wobei kleine Kinder besonders durch die nicht schriftgebundene Werbung in Fernsehen und Radio erreicht werden. Am Beispiel Fernsehen wird die erhebliche Bedeutung von Werbung deutlich: „Beachtlich ist darüber hinaus auch der jeweilige Werbeanteil. So entfielen 14 Prozent der Zeit, die Kinder bei Sat 1 oder RTL verbringen, auf Werbung, gleiches galt für die Werbung bei RTL II und Super RTL (je 13 %). In Stunden ausgedrückt heißt das für den Marktführer Super RTL , dass von den 106 Stunden, die Kinder pro Jahr alleine bei diesem Sender verbringen, 14 Stunden auf Werbung entfallen.“ (Feierabend / Klinkner 2009: 126). Für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr sind neben der unmittelbaren Werbung und ihren Botschaften die kinderspezifischen Medienmarken von besonderer Bedeutung. Darunter werden Figuren oder ein Figurenensemble gefasst, das die Kinder in verschiedenen Medien finden können und das ihnen in Kombination mit Kinder-Produkten begegnet. Die Beispiele dafür sind ständig wechselnden Trends unterworfen. „Prinzessin Lillifee“ etwa können kleine Mädchen nahezu überall finden: Bücher, Freunde-Bücher, Puzzles, Spiele für die Spielkonsole, Stifte und Geschirr, Tattoos und eine Zeitschrift. Und im Internet hat Prinzessin Lillifee eine eigene Homepage, auf der die Kinder ins Lillifee-
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5.7 WERBUNG UND MEDIENMARKEN
Musical eingeladen werden oder sich als Stimme für das neue WiiSpiel bewerben können. Und natürlich gibt es auch T-Shirts, Socken und Haarspangen mit der Prinzessin. Während Prinzessin Lillifee sich nahezu ausschließlich an weibliche Kinder richtet, sind viele Medienmarken für Kleinkinder eher geschlechtsneutral aufgebaut. Der kleine Kuschelhase Felix etwa kann zum ideellen Freund von kleinen Jungen und Mädchen werden. Keimzelle dieser Medienmarke sind Bücher mit Briefen von Felix gewesen, aber inzwischen findet man Felix auch im Fernsehen, auf CDs, auf Koffern, T-Shirts, Schreibwaren und Kleidungsstücken. Andere Medienmarken suchen und finden starke Kooperationspartner in Fast-Food-Ketten oder Spielzeugherstellern: So findet sich die Zeichentrickfigur Spongebob längst nicht mehr nur im Fernsehen sowie auf T-Shirts und Kindertellern – es gibt ihn auch als Spielzeug von Lego zu kaufen und als Gimmick zum Kindermenü von McDonalds. Umgekehrt bietet Lego selbst wiederum eine eigene Kleidermarke („Lego wear“) an und versucht, sein positives Markenimage auf andere Produktbereiche auszudehnen. Welche Rolle spielen diese Marken in der kindlichen Lebenswelt? Warum sind sie bei vielen Kindern, auch bei den 3- und 4-Jährigen, so beliebt? Medienmarken bieten Kindern in einer auch für sie unübersichtlichen Welt Orientierung und Identifikationsmöglichkeiten. Die Medienforscher Hardy Dreier, Michelle Bichler und Alois Pluschkowitz beschreiben die Anforderungen, die an eine erfolgreiche Medienmarke gestellt werden, folgendermaßen: Eine solche Fernsehsendung „sollte den Kindern zudem entweder eine einzigartige, sehr universal konzipierte Identifikationsfigur oder aber eine Reihe an unterschiedlichen, periodisch auftretenden Identifikationsfiguren mit jeweils unterschiedlichen Charakterausprägungen“ anbieten (Dreier u. a. 2004). Doch der Charakter der Protagonisten und ihr Identifikationspotenzial bilden nur einen Teil der Attraktivität einer Marke: Für Kinder ist das „Dazugehören“, das sich in der Begeisterung für eine Marke ausdrückt, ein enorm wichtiger Aspekt. Mit anderen Worten: Die Medienmarke wird nicht um ihrer selbst willen genutzt, sondern weil sich in ihrer Nutzung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Gleichaltrigen ausdrückt. Die Marke wird zur Marke aufgrund ihrer starken Integrationsfunktion. Kinder können sich bei einer Fernsehserie über die neueste Episode austauschen, das Tragen eines Kleidungsstücks der Marke drückt Zugehörigkeit aus und Spielfiguren oder Spielzeug einer
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bestimmten Marke kann gemeinsames Spiel stiften. Die kindliche Begeisterung für bestimmte Marken und das hartnäckige „Unbedingthaben-wollen“ von Kindern ist also nicht nur als ein Zugeständnis an die Konsumgesellschaft zu sehen, sondern auch als der Wunsch nach Identität und Zugehörigkeit. Dennoch ist eine zunehmend kommerzialisierte Konsumkultur für Kinder zu beobachten. Neumann-Braun u. a. nennen verschiedene Faktoren, die diese in den letzten Jahren gewachsene Kinderkultur von vorhergehenden Phasen abgrenzen (Neumann-Braun u. a. 2004: 15f). Die Medien- und Konsumangebote … ◆ ◆
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… werden globaler: Kulturelle und nationale Unterschiede werden durch die weltumspannenden, einheitlichen Angebote aufgehoben. … werden allgemeiner: Soziale Unterschiede spielen kaum eine Rolle, denn die (Massen-) Medien führen auch eine Demokratisierung herbei – beispielsweise erreichen bestimmte Fernsehsendungen fast alle Kinder. … werden intensiver: Es findet eine Entgrenzung der Angebote statt, sie sind immer und überall erreichbar, gleichzeitig stoßen Kinder in den verschiedensten Kontexten auf Medienangebote (es gibt keine „klonsumfreie Zone“). … sprechen jüngere Kinder an: „Erwachsene“ Konsuminteressen und „Dress Codes“ spielen für immer jüngere Kinder eine Rolle, die eigentliche Kindheit endet früher. Zugleich werden auch immer jüngere Kinder, spätestens ab dem Kindergartenalter als potenzielle Kunden und Konsumenten wahrgenommen und umworben. … sprechen Kinder direkt an: Eltern verlieren zunehmend ihre Rolle als Vermittler der Medien- und Konsumkultur, weil Kinder direkt angesprochen werden und sich selbst auch autonom in der Medienwelt bewegen. … werden nur scheinbar durch Nutzer gestaltet: Themen und Ausdrucksformen der Medien- und Konsumwelt werden weiterhin durch die sie produzierenden Unternehmen festgelegt, auch wenn die Interaktivität von Medien und Kommunikationsformen den Eindruck der Partizipation suggerieren. … werden zu einer eigenen Erfahrungswelt: Dies betrifft zunächst vor allem die Teenserien und Reality-Soaps der älteren Kinder, die Teil der Lebenswelt werden können. Inwieweit sich dieser Trend in die durch Zeichentrick- und Animationsfilme geprägte Kleinkindwelt ausdehnbar ist, ist fraglich.
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5.7 WERBUNG UND MEDIENMARKEN
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… bieten eine informelle Lernwelt: Die Ausdehnung von Lern- und Leistungsanforderungen in die frühe Kindheit ist unübersehbar. Spaßversprechende und mit bekannten Identifikationsfiguren ausgestattete Lernangebote auf CD, CD-ROM und im Fernsehen unterstützen die Weiterentwicklung informellen und (scheinbar) entpädagogisierten Lernens.
Insgesamt wirkt sich die Medien- und Konsumkultur in immer stärkerem Maße auf Kinder und Kindheit aus. Die Entwicklung verläuft aber abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren: Je nach sozialem Herkunftsmilieu, Alter und Geschlecht der Kinder erlangen Werbung und Medienmarken eine unterschiedliche Bedeutung. Soziales Herkunftsmilieu: Die im Kontext von Familie angebotenen Medien- und Konsumprodukte werden von Medienforschern in zwei Gruppen eingeteilt: Elternmarken und Kindermarken. Elternmarken sind solche Produkte, deren Nutzer zwar die Kinder sind, die aber in erster Linie Eltern ansprechen sollen und die von den Eltern unterstützt (=gekauft) werden sollen. Dieses Vermarktungsstrategie findet sich sowohl bei Medienangeboten (z. B. „Sendung mit der Maus“) als auch im Spielzeugbereich (z. B. Lernspiele) und bei den Lebensmitteln (z. B. Bio-Kinderprodukte, „Landliebe“). Bei Elternmarken handelt es sich um Angebote und Produkte, die als „pädagogisch wertvoll“ wahrgenommen werden. Kindermarken hingegen sind solche, die die Kinder unmittelbar ansprechen und von ihnen selbst gewählt werden. Inwieweit Eltern- oder Kindermarken die Mediennutzung von Kindern beeinflusst hängt in hohem Maße vom Grad der Steuerung der Mediennutzung (und des sonstigen Konsums) durch die Eltern ab: Greifen die Eltern sehr stark regulierend ein (etwa bei der Wahl des Fernsehprogramms), machen sich die Kinder auch Elternmarken zu eigen und identifizieren sich mit diesen – und umgekehrt: „Je weniger die Eltern die Mediennutzung ihrer Kinder regulieren, desto mehr sind die Kinder herausgefordert, sich in der Fülle des Medienangebots Orientierung zu verschaffen und sich eigene Orientierungsvorlagen bzw. Kindermarken zu suchen.“ (Dreier / Lampert 2005: 26). Das hat auch Auswirkungen auf die Wahl der Fernsehsender: Der „Kinderkanal“ mit seinem vollkommenen Verzicht auf Werbung und seinen klassischen Kindersendungen ist eine typische Elternmarke. Der Konkurrenzsender „SuperRTL“ hin-
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gegen kann als Kindermarke beschrieben werden, gleichzeitig spielen hier Werbung und Inhalte für ältere Kinder eine große Rolle. Kinder, die also weitgehend selbst entscheiden dürfen, was sie sich anschauen, schalten wahrscheinlich eher „SuperRTL“ ein. Erziehungsstil (Wie stark greifen die Eltern ein?) und Wertehierarchie (Wie wichtig ist es den Eltern, was die Kinder schauen?) haben also ganz entscheidenden Einfluss darauf, wie stark die Kinder mit Werbung und kommerzielle Medienfiguren in Berührung kommen. Alter: Im Laufe der Kindheit verändert sich der Umgang mit Medienmarken (die folgenden Ausführungen basieren auf Lampert 2004: 43). Zunächst spielt das Sammeln eine entscheidende Rolle, weswegen Kinder in diesem Alter besonders durch Sammel- und Merchandisingprodukte angesprochen werden. Später ist die Positionierung gegenüber anderen wichtiger, wobei Medienmarken zu Abgrenzung und Herstellung von Identität dienen. Für Kinder im Kindergartenalter bedeutet dies also, dass die Identität und Zugehörigkeit stiftende Rolle von Marken weitgehend unbedeutend ist. Eine Forschergruppe von Medien- und Kommunikationswissenschaftlern um Ingrid Paus-Hasebrink kommt nach einer Untersuchung zu dem Schluss, dass Kinder zwar mit zahlreichen vermarkteten Produkten in Berührung kommen und diese auch besitzen, dass ihr Markencharakter aber eine geringe Bedeutung für sie besitzt: Viele der vermarkteten Angebote „bleiben den Kindern aber eher äußerlich, d. h., die Kinder messen ihnen kaum Bedeutung für ihre Ich-, Selbst- und Sozialauseinandersetzungsprozesse bei.“ (Paus-Hasebrink et al. 2004: 182). Diese geringe Bedeutung von Medienmarken für die Altersgruppe der Kindergartenkinder sollte jedoch nicht zu dem Schluss verleiten, Werbung über Medien sei generell ohne Einfluss auf Kinder unter 6 Jahren. Vielmehr fällt es vor allem kleinen Kindern schwer, Werbung als solche zu identifizieren und beispielsweise von redaktionellen Programminhalten im Fernsehen zu unterscheiden. Die Distanzierungsfähigkeit gegenüber den Angeboten der Produktvermarktung ist gerade bei noch medienunerfahrenen, jungen Kindern gering. Die Fähigkeit zu erkennen, dass eine werbliche Darstellung nicht unbedingt eine realitätsgetreue Darstellung ist, fällt gerade ihnen schwer. Und insbesondere dann, wenn diese Produkte von Figuren vorgestellt werden, die ihnen aus Kinderserien bekannt sind.
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5.7 WERBUNG UND MEDIENMARKEN
Geschlecht: Unterschiedliche Wahrnehmung und Bedeutung von Werbung und Medienmarken für Jungen und Mädchen werden mit zunehmendem Alter der Kinder immer wichtiger. Für Kinder bis zum 6. Lebensjahr werden insbesondere Figuren angeboten und genutzt, die für beide Geschlechter attraktiv sind: Im Fernsehbereich etwa „Kleiner roter Traktor“, „Macius“ oder „Pocoyo“. Doch bereits im Kindergartenalter sind unterschiedliche Präferenzen zu beobachten. Die Medienpädagogin Claudia Lampert konnte in einer qualitativen Untersuchung beobachten, dass Kinder vor allem jeweils gleichgeschlechtliche Hauptpersonen bevorzugen. Weibliche Figuren sind eher „alltagsnah“, während die männlichen Protagonisten eher in „fernen Welten“ agieren (Lampert 2005: 41). Ein Blick auf die bei (Klein-) Kindern beliebten Medienhelden zeigt, dass es deutlich mehr männliche Figuren gibt. Sie scheinen eher als weibliche Helden auch Kinder des anderen Geschlechts, also Mädchen, als Identifikationsfigur dienen zu können. Hier ist es allerdings schwer zu unterscheiden, ob dies eher an den tatsächlichen Bedürfnissen der Kinder liegt, oder ob das Angebot einfach vor allem männliche Protagonisten vorsieht und die Mädchen dann aufgrund fehlender Alternativen auf männliche Medienfiguren ausweichen.
Thematisierung in Kindertageseinrichtungen Die komplexen Fragen von Konsumverhalten und Werbeeinfluss sind mit Kindergartenkindern nicht leicht zu bearbeiten. Schließlich soll es nicht das Ziel sein, mit erhobenem pädagogischen Zeigefinger vor der „bösen“ Werbung zu warnen und den schädlichen Einfluss überall auftauchender Medienfiguren zu geißeln. Helden und Produkte, die den Kindern Freude bereiten und zu ihrer Lebenswelt dazugehören als „etwas Schlimmes“ zu brandmarken und so vielleicht noch der im Elterhaus gelebten Konsumkultur entgegenzuwirken wird wenig Erfolg versprechen. Vielmehr sollen die Interessen und Vorlieben der Kinder ernst genommen werden und nicht diffamiert werden. Einige Möglichkeiten, wie man mit Kindern das Thema Werbung und Medienmarken aufgreifen kann und auch diesen Teil der Welt entdecken zu können, werden im Folgenden vorgestellt.
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Werbung erkennen
Untersuchungen zeigen, dass es gerade kleinen Kindern schwerfällt, Werbung und Programminhalte zu unterscheiden. Ausgerüstet mit ein paar Kinderzeitschriften mit Werbeanteil können Kinder als „Werbedetektive“ ihre Spürnasen einsetzen: Auf welchen Seiten entdeckt ihr Werbung? Die Werbung kann dann ausgeschnitten und zusammengetragen werden. Gemeinsam kann in der Gruppe herausgefunden werden, woran man Werbung erkennt – das ist gar nicht so einfach!
Werbung auf dem Prüfstand
Produkte und Sendungen für Kinder werden oft massiv beworben. In Kinderzeitschriften und im Kinderfernsehsendern kann man leicht eine entsprechende Werbeanzeige oder einen Werbespot finden. Diese kann man zusammen mit den Kindern anschauen und dann anhand des Produktes überprüfen. Am besten geht dies mit Lebensmitteln. Dazu wird das Produkt gekauft und dann wird getestet: Ist der Joghurt wirklich so sahnig? Sind die Chips wirklich lecker? Und: Wie sieht die Nährwertbilanz aus? Wievielmal muss man Seilspringen, um die Kalorien eines Stücks Schokolade zu verbrauchen? Und: Was kostet diese Sorte Schokoriegel im Vergleich zu anderen Schokoriegeln – und welcher schmeckt (vielleicht blindverkostet) besser? Hier schließen sich eine Menge Fragen an, die aus dem Bereich „Verbraucherschutz – Verbraucheraufklärung“ stammen. Der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn und der Wunsch nach Ehrlichkeit von Kindern sind wichtige Bausteine, auf denen dieser Ansatz aufbauen kann.
Medienhelden überall
Erfolgreiche Medienfiguren begegnen uns an den verschiedensten Stellen: Im Fernsehen, im Supermarkt, im Kleiderschrank, beim Frühstück, in Zeitschriften, im Spielzeuggeschäft und noch an vielen anderen Orten. Diese Omnipräsenz erkennen auch die Kinder. Um sie dabei zu unterstützen, kann man zunächst ein oder zwei besonders beliebte Figuren auswählen. Eine Umfrage im Morgenkreis bringt Klarheit über die
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5.7 WERBUNG UND MEDIENMARKEN
derzeitigen Favoriten. Und dann können die Kinder ihrer Sammelleidenschaft nachgehen: Sie bringen alles mit, was sie Zuhause zu „Bob der Baumeister“, „Hello Kitty“ und Co. finden. Wenn das Mitbringen schwierig wird, kann man auch ein Fotoprojekt zu diesem Thema starten und gemeinsam mit den Kindern die Medienhelden an ihren verschiedenen Einsatzorten fotografieren. So entsteht eine umfangreiche Galerie, die in ihrer Vielfalt schon einen Eindruck von der Verbreitung von Medienmarken vermittelt. Darüber hinaus sollte die Produktoder Fotogalerie mit den Kindern ausgewertet werden: Die Medienfiguren begegnen euch an ganz verschiedenen Stellen – wie findet ihr das? Würdet ihr sie euch noch an anderen Stellen wünschen, oder irgendwo nicht, wo sie jetzt sind? Warum sind sie eigentlich überall? Mit der Diskussion dieser Fragen kann ein erster Schritt in Richtung Reflexion von Werbung und Vermarktungsstrategien stattfinden.
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6.
Fazit und Perspektiven
Medienerziehung spielt in Kindertageseinrichtungen nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Der insbesondere durch die Bildungspläne der Bundesländer entstandene Fokus auf verschiedene Bildungsbereiche sieht das Thema Medien – wenn überhaupt – als einen eher unwichtigen Bereich an. Dabei sind verschiedene Medien in der Lebenswelt der Kinder sehr präsent und prägen ihren Alltag in hohem Maße. Deswegen ist die Unterstützung von Kindern bei der Entwicklung selbstbestimmter Strategien im Umgang mit Medien unerlässlich. Kinder sollen lernen, durch einen kompetenten Umgang mit Medien diese zu beherrschen und nicht von ihnen beherrscht zu werden. Medien – und hier insbesondere das Fernsehen – bieten Kindern wichtige Regulationsräume. Sie finden hier wichtige Themen, für die im „normalen Leben“ oft kein Raum ist: Konflikte und Konfliktlösung, Machtdemonstration und Dominanz. Mediennutzung – ob Fernsehen, Hörbuch, Radio, Fotografie oder Computer – macht Kindern einfach Spaß. Allein das sollte ein Grund sein, Kindern die Möglichkeit dazu zu geben. Hinzu kommt, das Medieninhalte Gesprächs- und Spielthemen für die Interaktion unter Kindern liefern und so zu Partizipation und Integration in der Kindergruppe beitragen. Nicht zu vergessen ist, dass über Medien auch viele für Kinder interessante Sachthemen vermittelt werden, sodass Kinder mithilfe von Medien Neugier und Schaulust befriedigen können. Schließlich können Kinder sich mithilfe von Medien entspannen, auch das ist ein wichtiges Anliegen. Gerade am unterschiedlichen Mediennutzungsverhalten zeigt sich das starke Auseinanderdriften der Gesellschaft. Holzschnittartig können dabei zwei Verhaltensstrategien gegenüber gestellt werden: Auf der einen Seite stehen die gut gebildeten Eltern, die insbesondere den Fernsehkonsum ihrer Kinder stark reglementieren, sie vor nicht alters-
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6. FAZIT UND PERSPEK TIVEN
angemessenen Programmbeiträgen und Werbung schützen und zugleich den Umgang mit Büchern und dem Computer als alternative und „pädagogisch wertvolle“ Medien Unterstützen. Auf der anderen Seite stehen Eltern in prekären Lebenslagen, die den Kindern einen weitgehend selbstbestimmten und damit ungefilterten Medienkonsum zutrauen bzw. zumuten, wobei das Fernsehen das maßgebliche Medium ist, ergänzt durch Spiele für Computer und Spielkonsole. Diese (hier sehr zugespitzt formulierte) Schere in der Mediennutzung verfestigt die milieuabhängige Nutzung von Medien. Wichtig ist es, gerade Kindern aus der letzteren Gruppe den Zugang zu anderen Medien und andere Zugänge zu den ihnen vertrauten Medien zu ermöglichen. Kinder haben Freude an der Herstellung von Medienprodukten – sie lieben die neue Perspektive auf sich selbst und auf ihre Umwelt, das professionelle Ergebnis und den technischen Aspekt der Herstellung. Zugleich ist es ein wesentliches Ziel medienpädagogischer Arbeit, Kinder zu einem produktiven Umgang mit Medien anzuregen. Medien sind dann kein passiv zu konsumierender Kommerzartikel mehr, sondern als solche erst einmal Instrumente für eine kreative Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt. Mit Kindern produktorientiert an und mit Medien zu arbeiten ist deswegen eine der zentralen Strategien der Medienerziehung (nicht nur) im Kindergarten. Medien sind einer der entscheidenden Bildungsbereiche für Kinder: Sie können sich über Medien Wissen aneignen und durch sie zu Reflexionen angeregt werden. Zugleich sind Medien durch ihre Allgegenwärtigkeit ein fester Bestandteil der kindlichen Lebenswelt und dürfen deswegen nicht ignoriert oder als „bildungsfern“ diffamiert werden. Pädagoginnen und Pädagogen in Kindertageseinrichtungen sollten deshalb die Arbeit mit und an Medien als eine reizvolle Herausforderung wahrnehmen, der Lebenswelt „ihrer“ Kinder näherzukommen und zugleich den Kindern zu einem (selbst-) bewussten Umgang mit Medien zu verhelfen.
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gungen und Handlungsformen der Medienerziehung. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Band 57, Berlin. Statistisches Bundesamt (2009): Statistisches Jahrbuch 2009, Wiesbaden. Stiftung Lesen (2008): Lesen in Deutschland 2008, Mainz (verfügbar im Internet unter http://www.stiftunglesen.de/default.aspx?pg= eea4349c-bbd2–4fa3–82a1-a30d7bbaf481). Stiftung Zuhören (2009): Was sind Hörclubs? Frankfurt / Main (verfügbar im Internet unter http://www.zuhoeren.de/projekte/kinder-undjugend/hoerclubs/keyfacts.html) Strick, Rainer (1996): Projekt „Flimmerkiste“. Medienerziehung zum Thema Fernsehen und Video im Kindergarten, herausgegeben von der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V., München. Talit, Maya (2007): BabyTV – ein Programm für altersgerechte und entwicklungsfördernde Unterhaltung. Interview mit Maya Talit, in: merz. media+ erziehung 1 (2007), S. 39–41. Theunert / Demmler (2007): (Interaktive) Medien im Leben Null- bis Sechsjähriger. Realitäten und Handlungsnotwendigkeiten, in: Herzig, Bardo / Grafe, Silke: Digitale Medien in der Schule. Standortbestimmung und Handlungsempfehlungen für die Zukunft. Studie zur Nutzung digitaler Medien in allgemein bildendenden Schulen in Deutschland, herausgegeben von der Deutschen Telekom AG, Bonn. Tulodziecki, Gerhard (1996): Unterricht mit Jugendlichen. Eine handlungsorientierte Didaktik mit Unterrichtsbeispielen, Bad Heilbrunn. Wagner, Wolf-Rüdiger (2004): Medienkompetenz revisited. Medien als Werkzeuge der Weltaneignung: ein pädagogisches Programm, München. ZAW (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft) (2010): ZAW-Bilanz: Werbemarkt kämpft mit Rezession, unter: www.zaw.de/index. php?menuid=33, Abruf am 08.01.2010.
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525701263 — ISBN E-Book: 9783647701264
7.2 LINKS
7.2 Links 7.2 Links
www.schau-hin.info: Seite für Eltern und Pädagogen, die auf Initiative des BMBF eingerichtet wurde. Hier finden sich vielfältige Hinweise auf interessante Medienangebote, zur Medienerziehung und aktuelle Diskussionsthemen. www.flimmo-fachportal.de: Seite der Bayerischen Landeszentrale für Medien, die sich an Erzieherinnen und Erzieher wendet. Umfangreiche Informationen zu theoretischen und praktischen Aspekten der Medienerziehung. Vernetzung auch zu www.flimmo.tv mit medienpädagogischen Hinweisen zum aktuellen Fernsehprogramm. www.mekonet.de: Homepage des Medienkomptenz-Netzwerks NRW, die Beratung, Orientierung und Information für Pädagogen und andere Multiplikatoren bereitstellt. Hier finden sich auch Hinweise auf aktuelle Veranstaltungen zum Themenbereich Medienkompetenz. www.kita-nrw.de: Diese Seite der Landesanstalt für Medien NRW und der Gesellschaft für Medienpädagogik (lfm) und Kommunikationskultur (GMK), die sich speziell mit Medienerziehung in Kindertageseinrichtungen und Horten befasst. Texte, Praxisbeispiele und Hinweise auf Fortbildungen. www.mec-rlp.de: Seite des rheinland-pfälzischen medienpädagogischen Erzieher / innen Clubs, die in erster Linie Hinweise auf Fortbildungsmöglichkeiten und Vernetzung der Clubmitglieder. www.medienpaed.de: Homepage der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, einem Fachverband für Medienpädagogik. www.mpfs.de: Homepage des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest, Studien zu medienpädagogischen Themen und andere Materialien sowie Hinweise auf Termine. www.jff.de: Seite des Instituts für Medienpädagogik in Forschung und Praxis: Informationen über überregionale und regionale Projekte, Forschungsergebnisse, Publikationen und Termine.
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www.bibernetz.de: Internetpräsenz des Projektes „BIBER“, das als „Netzwerk frühlindliche Bildung“ vom Verein „Schulen ans Netz“ betrieben wird und vom BMBF gefördert wird. www.blindekuh.de: Portal und Suchmaschine für Kinder. Sowohl Suchfunktion auf kindgerechten Seiten als auch Einstieg ins Netz zu Seiten mit Spielen und Informationen für Kinder. www.fragfinn.de: Suchmaschine für Kinder, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. betrieben wird und sicheres Surfen für Kinder im Netz ermöglichen soll.
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Wenn Sie weiterlesen möchten: Miriam Stiehler
Mit Legosteinen Rechnen lernen Mathematisches Verständnis kindgerecht fördern Aufgaben mit Legosteinen bieten motivierende und effiziente Möglichkeiten ein grundlegendes Zahl- und Mengenverständnis zu entwickeln. Eltern, Erzieherinnen und Erzieher lernen, welche Aspekte für das Rechnenlernen entscheidend sind und wie man sie angemessen fördern kann. Das Programm kann als Training über mehrere Wochen durchgeführt werden. Besser nutzt man es als Grundlage, um Logik und Rechnen dauerhaft zu fördern. Weil es nach Entwicklungsschritten aufgebaut ist, eignet sich das Buch auch für Kinder mit Dyskalkulie, für den Unterricht der ersten zwei Grundschuljahre sowie für Förderschulen und hochbegabte Vorschulkinder.
Franziska Perels
Mit Kindern Lernen lernen Selbstreguliertes Lernen im Kindergarten anleiten Das eigenverantwortliche Lernen von Kindern im Vorschulalter fördern und sie auf das lebenslange Lernen vorbereiten: Wie Eltern und ErzieherInnen ihr eigenes Lernverhalten optimieren können und so ihre Schützlinge auf den Weg zum effizienten, kompetenzorientierten Lernen bringen, erfahren sie mit diesem zielgerichteten Ratgeber. Sie lernen verschiedene Strategien des Selbstregulierten Lernens kennen und erhalten Hinweise zum Einsatz der Bildergeschichte von »Bernie-Bär«, die den Lernprozess der Kinder empathisch und kindgerecht begleitet und stützt.
André Frank Zimpel
Mia, Max und Mathix Auf dem Weg zum Zahlbegriff Das Fördermaterial schult ein sicheres Zahlverständnis und bedient sich dabei einer alten und einfachen Grundidee: Ursprünglich entwickelten sich Zahlen und Zahlbegriffe als Merkhilfen und Gedächtnisstützen beim Erzählen. Mit Mia, Max und Mathix schulen Kinder das Zahlverständnis kreativ, spielerisch und fantasievoll. Insbesondere der Übergang vom Abzählen zum Nachzählen legt vielen Kindern Stolpersteine in den Weg zu einem sicheren Zahlverständnis. In der einen Situation zählt nur die Reihenfolge: »Ich bin auf dem dritten Platz!« In einer anderen Situation zählt nur die Menge: »Wir sind zu dritt!« Wie soll man sich da zurechtfinden? Unsicherheiten bei dieser elementaren Unterscheidung sind folgenschwer.
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Wenn Sie weiterlesen möchten: Rita Woll
Partner für das Kind Erziehungspartnerschaften zwischen Eltern, Kindergarten und Schule Wie sorgen wir dafür, dass alle Kinder ihre Ressourcen optimal ausschöpfen; dass sie gefördert und gestärkt werden und sich nach Kräften entwickeln? Rita Woll plädiert dafür, dass Kindergarten, Schule und Eltern gemeinsam auf der Seite des Kindes stehen.. Wenn sie sich als Verbündete verstehen, als Partner für das Kind, dann gibt es niemanden mehr, dem man die »Schuld« für ein Versagen zuschieben kann, dann wird jede Chance ergriffen, die sich bietet: zum Wohle des Kindes. Der Band enthält zahlreiche praxisnahe Anregungen für Interventionen und Förderpläne.
Ornella Garbani Ballnik
Schweigende Kinder Formen des Mutismus in der pädagogischen und therapeutischen Praxis In Kindergärten und Schulen nimmt die Zahl schweigender Kinder zu. Dieses Buch erklärt die verschiedenen Formen des Schweigens und gibt Sicherheit für die pädagogisch-therapeutische Arbeit damit. Kinder mit selektivem Mutismus fordern Pädagogen und Therapeuten auf besondere Art heraus. Wie kann man das Schweigen von Kindern ertragen? Welche Gefühle werden dabei ausgelöst? Arbeiten ohne Antworten des Gegenübers verlangt einiges an Durchhaltevermögen und Achtsamkeit, damit der Dialog dennoch aufrechterhalten werden kann. Es geht darum, das Schweigen als Teil der Sprache zu verstehen und die Schwierigkeiten schweigender Kinder zu erkennen. Die Autorin gibt eine fundierte Einführung in den selektiven Mutismus und andere Formen des Schweigens, zeigt wirksame pädagogische und therapeutische Vorgehensweisen und geht explizit auf die schwierige Behandlersituation ein.
Matthias Franz
PALME – Präventives Elterntraining für alleinerziehende Mütter PALME ist ein präventives Elterntraining, das sich an psychosozial belastete alleinerziehende Mütter mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter richtet. Ziel ist es, das Befinden von Mutter und Kind und ihre Beziehung zueinander zu verbessern. Die emotionszentrierten und bindungsorientierten Gruppensitzungen werden von geschulten Erzieherinnen und Erziehern geleitet. Wirksamkeit des Programms, theoretische Grundlagen sowie Inhalte und Ablauf der 20 Sitzungen sind in dem didaktisch sorgfältig aufbereiteten Manual ausführlich beschrieben. Auf der beiliegenden CD finden sich Druckvorlagen für Arbeitsmaterialien.
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Erfolg für Kinder und ErzieherInnen
Margarita Hense (Hg.)
Fachberatung für Kindertageseinrichtungen Erfolgschancen erhöhen Frühe Bildung und Erziehung 2010. 192 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-70127-0
Bei der Umsetzung der neuen Bildungspläne und der qualitativen Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen kommt dem bewährten Unterstützungssystem »Fachberatung« neue Bedeutung zu. Die frühe Kindheit als bildungsintensivste Zeit erfährt gegenwärtig die Beachtung, die ihr aus entwicklungspsychologischer und neurobiologischer Sicht zukommt. Alle Beiträge aus Wissenschaft, Fachberatung, aus Sicht der Kita-Träger wie der Erzieherinnen und Erzieher zeigen die hohe Qualität und Wirksamkeit der Fachberatung und damit Wege zur Steigerung der Erfolgschancen.
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Zwischen Innensicht und Außensicht
André Frank Zimpel (Hg.)
Zwischen Neurobiologie und Bildung Individuelle Förderung über biologische Grenzen hinaus 2010. 192 Seiten mit 13 Abbildung, kart. ISBN 978-3-525-70125-6
Bildung ist an (neuro)biologische Vorgänge gebunden. Ihre Nichtbeachtung provoziert herausforderndes Verhalten. Die Fallbeispiele gehen bewusst von extremen biologischen Bedingungen aus: Autismus, Trisomie 21, Tourette-Syndrom, Epilepsie, ... André Frank Zimpel zeigt, dass der Schlüssel zu einem nachhaltigen Erfolg darin besteht, sich der Innensicht der scheinbar versagenden Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen anzunähern. Für weniger einschneidende Lernschwierigkeiten gilt erst recht: Biologische Grenzen stellen eine Herausforderung, aber kein unüberwindliches Hindernis dar.
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