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German Pages 663 [664] Year 2012
Thomas Szanto Bewusstsein, Intentionalität und mentale Repräsentation
Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Jens Halfwassen, Dominik Perler, Michael Quante
Band 107
De Gruyter
Bewusstsein, Intentionalität und mentale Repräsentation Husserl und die analytische Philosophie des Geistes
von
Thomas Szanto
De Gruyter
Gedruckt mit Förderung der Universität Wien sowie der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften der Universität Wien.
ISBN 978-3-11-027723-4 e-ISBN 978-3-11-027735-7 ISSN 0344-8142 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Danksagung Das vorliegende Buch stellt die berarbeitete Fassung meiner 2010 von der Fakultt fr Philosophie und Bildungswissenschaften an der Universitt Wien angenommenen Dissertation dar. Die Entstehung der Arbeit verdankt sich einer Reihe von Personen und Institutionen. An erster Stelle mçchte ich ganz besonders herzlich meiner Betreuerin und Gutachterin an der Universitt Graz, Sonja Rinofner-Kreidl, danken. Von unserem ersten Arbeitstreffen an hat sie die Konzeptionierung und Entwicklung dieser Arbeit mit beispielhafter Aufmerksamkeit und Genauigkeit, kritischen und zugleich motivierenden Anregungen begleitet. Gleichermaßen habe ich von ihren Publikationen aus dem Umfeld der vorliegenden Arbeit und nicht zuletzt von den produktiven Diskussionsrunden ihrer Grazer Seminare profitiert. Ebenso großer Dank gebhrt meiner zweiten Gutachterin an der Universitt Wien, Herta Nagl-Docekal, die diese Arbeit von Anbeginn an mit Aufgeschlossenheit entgegengetreten ist und sie sowohl fachlich als auch, was die Einbettung in institutionelle Rahmenprojekte betrifft, stets untersttzt hat. Die Arbeit an der Dissertation wurde von mehreren Institutionen und Stipendienprogrammen gefçrdert. Von 2005 bis 2007 konnte ich im Rahmen eines großzgigen DOC-Stipendiums der sterreichischen Akademie der Wissenschaften meine Recherchen und große Teile der redaktionellen Arbeit durchfhren. 2006 erhielt ich ein Junior Visiting Fellowship des Wiener Instituts fr die Wissenschaften vom Menschen (IWM), wo ich als Gastforscher vom stimulierenden interdisziplinren Gedankenaustausch und nicht minder von all den Annehmlichkeiten, die die hervorragende Infrastruktur und Arbeitsatmosphre des Instituts geboten haben, profitierte. Danken mçchte ich dem ganzen IWM-Team und allen Fellows, insbesondere Sophie Loidolt und Michael Staudigl. Zuletzt erhielt ich von 2009 bis 2010 ein Forschungsstipendium der Universitt Wien, das mir bei der Endredaktion den nçtigen Freiraum geboten hat. Bedanken mçchte ich mich fr einen Zuschuss von der Universitt Wien, der die Drucklegung der Arbeit ermçglicht hat. Danken mçchte ich auch den Herausgebern Jens Halfwassen, Dominik Perler und Michael Quante, dass die Arbeit in die Reihe „Quellen und Studien zur Philosophie“ aufgenommen wurde, und Gertrud Grnkorn und Christoph Schirmer vom
VI
Danksagung
Verlag De Gruyter fr die stets professionelle und gute Zusammenarbeit. Hildegard Atzinger und Irene Hoeltl haben große Teile des Endlektorats bernommen, wofr ich ebenfalls Dank schulde. Schreiben und Denken sind zwar meist, wie auch in diesem Fall, individuelle Angelegenheiten – dass die Arbeit an diesem Buch aber keine einsame Ttigkeit war, verdanke ich zahlreichen FreundInnen und KollegInnen, die mir ber die Jahre mit Rat, Motivation und nicht zuletzt intellektueller Inspiration zur Seite standen. Ihnen allen sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Hervorheben mçchte ich den philosophischen Lesekreis im Caf Sperl, dessen einmalige Diskussionskultur mir immer wieder entscheidende Denkanstçße geliefert hat. Allen seinen ehemaligen und aktuellen TeilnehmerInnen sei fr ihr langjhriges Engagement gedankt. Meinen Dank mçchte ich ferner ganz besonders Wolfgang Fasching ausdrcken, dessen Fachlektorat eine unschtzbare Hilfe bei der Revision der Arbeit war, sein außerordentliches kritisches Gespr hat mich direkt oder indirekt vor so manchen Irrwegen bewahrt; Zsolt Novk, der mir einige argumentative Pointen in kurzen, aber umso intensiveren Gesprchen klargemacht hat; meinen KollegInnen und FreundInnen Michael Blamauer, Eva Buddeberg, Steven Crowell, Katalin Farkas, Christopher Erhard, Saskia Haag, Hynek Janousek, Stefan Lang, Stefan Maier, Christian Piller, Ulrike Ramming, Alessandro Salice, Dan Zahavi und noch einmal Dominik Perler fr hilfreiche Gesprche und nicht zuletzt Eva Schwarz, Michael Wallner, Judith Wiener und Harald Wiltsche, die mir nicht nur in fachlichen Diskussionen eine große Hilfe waren, sondern mich stets auch bei meinen Aufenthalten an der Universitt Graz mit ihrer herzlichen Gastfreundschaft verwçhnten. Die Ergebnisse der Arbeit wurden in Graz, Kirchberg am Wechsel, Kopenhagen, Reykjavk, Rom und Wien prsentiert, wobei ich den TagungsteilnehmerInnen ebenso wie den TeilnehmerInnen meiner Lehrveranstaltungen an der Universitt Wien fr hilfreiche Diskussionen danken mçchte. Von ganzem Herzen danken mçchte ich Astrid Peterle, die nicht nur in langwierigen Arbeitsphasen mit ihrer unendlichen Geduld stets an meiner Seite stand und nie um motivierenden Zuspruch verlegen war – ihr Frohsinn und ihr unerschçpflicher Elan waren und sind meine wichtigste und liebste Inspirationsquelle. Den grçßten Dank schulde ich meinen Eltern, Edith und Ervin Szanto, und meiner ganzen Familie, ohne deren uneingeschrnkte Untersttzung dieses Buch wohl kaum entstanden und der ganze Weg dahin wohl kaum gangbar gewesen wre.
Inhalt Einleitung: Welche Wissenschaft vom Bewusstsein? Naturalisierung und ,Re-Transzendentalisierung‘ der Bewusstseinsphilosophie . . . .
I.
Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
1.
Was ist phnomenales Bewusstsein? Oder: Wie ist es, mentale Zustnde zu haben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relationalismus, Objektualismus und Aktualismus . . . . . . . . . Phnomenale Eigenschaften, intentionale Phnomene und die Phnomenologie des Bewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intentionalitt, phnomenales Bewusstsein und die Strategie des Separatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varietten des Phnomenalismus und des Intentionalismus . . . Das Konstitutions- und Determinationsproblem der Intentionalitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. 3. 4. 5. 6.
1
25 35 42 58 76 93
II. Naturalisierung der Intentionalitt? 1.
2.
Reprsentationaler Verifikationismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Mentale Reprsentationen und Reprsentationalismus 1.2. Intentionaler Realismus, intentionale Psychologie und psychologischer Eliminativismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Kognitivismus und Neobehaviorismus . . . . . . . . . . . . . . .
105 105
Kognitivismus und Psychologismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Phnomenologische Psychologie und (Anti-)Psychologismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Starker und schwacher Anti-Psychologismus . . . . . . . . . . 2.3. Phnomenologischer Anti-Psychologismus und Anti-Kognitivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
121 128
147 159 168
VIII 3.
Inhalt
Intentionalitt und Propositionalitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Bedeutungen, propositionale Einstellungen und der Propositionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Bedeutungsintentionen und die Phnomenologie der Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Intentionaler und propositionaler Inhalt . . . . . . . . . . . . . 3.4. Intentionaler Gehalt, Transparenz und der phnomenale Vollzugscharakter intentionaler Erlebnisse . . . . . . . . . . . .
178 178 187 208 236
III. Internalismus und Externalismus 1.
2.
3.
Mentalismus und die Internalismus/Externalismus-Debatte 1.1. Die Lokalisierung und Faktorisierung intentionaler Inhalte 1.2. Bedeutungen im Kopf (I): Methodologische Solipsisten und modale Zwillinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Semantischer und radikaler Externalismus . . . . . . . . . . . .
255 255
Phnomenologie und die Internalismus/Externalismus-Debatte 2.1. Phnomenologischer Cartesianismus oder phnomenologischer Externalismus? . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Das Noema und die analytisch-fregeanische Interpretation der Phnomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Die kognitivistisch-internalistische Interpretation der Phnomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Intentionalitt und Intensionalitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Erfllungsbedingungen, okkasionelle Kontexte und Husserls Zwillingserde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Disjunktivismus und De-re-Externalismus . . . . . . . . . . . . 2.7. Phnomenologie jenseits des ,Henne/Ei-Problems der Intentionalitt‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8. Phnomenologie jenseits von Internalismus und Externalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
Anti-Individualismus und die Phnomenologie der Ersten-Person-Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Anti-Individualismus und Selbstkenntnis . . . . . . . . . . . . . 3.2. Wie autoritr ist die erste Person? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Reflexivitt und Intentionalitt – Die Phnomenologie des Selbstbewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Ich und Selbst – Zur Phnomenologie der Subjektivitt
267 285
295 302 331 345 352 370 381 390 399 399 420 437 452
Inhalt
IX
IV. Reprsentation und Realitt 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Naturalismus, Reprsentationalismus und Realismus . . . . . . . . Wahrheit, Referenz und Verifikation – Umrisse der modernen Realismusdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Semantischer Realismus und Anti-Realismus . . . . . . . . . . . . . . Metaphysischer und interner Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutungen im Kopf (II): Metaphysische Realisten und Gehirne im Tank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transzendentaler Idealismus und phnomenologischer Nicht-Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
465 472 480 491 505 517
Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627
Einleitung: Welche Wissenschaft vom Bewusstsein? Naturalisierung und ,Re-Transzendentalisierung‘ der Bewusstseinsphilosophie Die thematischen Parameter der vorliegenden Arbeit lassen sich im Wesentlichen durch vier Fragen angeben: 1.) Was heißt es, bewusst zu sein? 2.) Was heißt es, dass jemand etwas bewusst hat bzw. sich auf etwas (anderes als sich selbst) bezieht? 3.) Was heißt es, dass jemand sich seiner selbst bewusst ist? Und schließlich 4.) Was ist dasjenige, dessen jemand bewusst ist, wenn sich jemand auf sich selbst und wenn sich jemand auf etwas anderes als auf sich selbst bezieht? Eine der operativen Grundannahmen der Arbeit ist, dass diese Fragen systematisch miteinander zusammenhngen. Diesem Umstand ist sowohl die thematische als auch die methodisch-disziplinre Bandbreite der folgenden Untersuchungen geschuldet. Thematisch gesehen reichen die behandelten Problemfelder von der Erçrterung des phnomenalen und intentionalen Bewusstseins bzw. des Selbstbewusstseins ber das Konzept mentaler Reprsentation und Referenz bis hin zu Fragen nach dem Verhltnis von Reprsentation und Realitt. Was die methodische bzw. (intra-) disziplinre Einbettung betrifft, situiert sich die Arbeit entsprechend an der Schnittstelle von transzendentaler Phnomenologie, analytischer Philosophie des Geistes, Bedeutungs- und Erkenntnistheorie und Philosophie der Psychologie. Fragen nach der Struktur, Funktion und Genese von Bewusstsein, Selbstbewusstsein und mentaler Reprsentation stellen denn auch nicht nur die Eckpfeiler der neuzeitlichen Bewusstseinsphilosophie seit Descartes dar. Ebenso wenig sind das von Descartes vererbte metaphysische Leib/ Seele-Problem und die entsprechenden Fragen nach dem Verhltnis bewusster Erfahrung und einer physikalisch-materiellen, kausal geschlossenen Erfahrungswelt exklusives Thema der Philosophie und insbesondere der neueren Philosophie des Geistes. Diese und angrenzende Fragen sind vielmehr in den letzten Jahrzehnten zusehends in den Mittelpunkt des Interesses unterschiedlichster, empirischer und nicht-empirischer Wissenschaften gerckt und haben im Zuge der technologischen Entwicklung auf dem Gebiet der Gehirnforschung und der experimentellen Neuro-
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Einleitung
wissenschaften heute allgemein an Brisanz gewonnen. So haben die Debatten ber Grenzen und Mçglichkeiten einer naturwissenschaftlichen Reduzierbarkeit des Bewusstseins lngst den wohldefinierten Rahmen akademischer Fachphilosophie verlassen, um sich auf breiter Front unter dem Programm einer Naturalisierung des Geistes im Umfeld der Kognitionswissenschaften disziplinenbergreifend zu organisieren. Vor diesem Hintergrund versteht sich die vorliegende Arbeit als ein kritischer Beitrag aus der Perspektive der transzendentalen Phnomenologie Edmund Husserls zu den gegenwrtigen Diskussionen rund um die methodologischen und konzeptuellen Rahmenbedingungen und Erfolgsaussichten einer Naturalisierung des Mentalen. Die Arbeit ist geleitet von der berzeugung, dass die aktuellen philosophischen und außerphilosophischen Herausforderungen des traditionellen Projekts einer transzendentalphilosophischen Analyse des Bewusstseinsphnomens ernst genommen werden mssen, steht doch dabei unser Selbst- und Weltverstndnis insgesamt, aber auch die Idee ihrer philosophischen Aufklrung zur Disposition. Nun waren bislang vornehmlich die wissenschafts- und erkenntnistheoretischen berlegungen innerhalb der angelschsischen Philosophy of Mind fr die Ausarbeitung der methodischen Grundlagen empirischer Bewusstseinsforschung maßgebend. Hierbei kommt insbesondere der Konzeption des Mentalen als ein funktionelles Reprsentationssystem nach dem Modell komputationaler Informationsverarbeitung eine, nicht nur historisch gesehen, konstitutive Rolle in der theoretischen und institutionellen Etablierung der Neuro- und Kognitionswissenschaften zu. Diese Konzeption beherrschte die Naturalismusdebatte seit der ersten funktionalistischen Euphoriewelle in den 1960er-Jahren ber Jahrzehnte nahezu vollstndig und ist unter konnektionistischen Vorzeichen bzw. in einer gewissen neobehavioristischen Strçmung in den betreffenden Disziplinen immer noch einflussreich.1 Weitgehend unbercksichtigt blieb in diesem Forschungszusammenhang jedoch die im kontinentaleuropischen Raum wohl einflussreichste bewusstseinsphilosophische Tradition, welche vor mehr als einem Jahrhundert ihren Ausgang von der Phnomenologie Edmund Husserls nahm. Trotz der jngst verstrkt einsetzenden, eher einseitigen Annherungs- und Abgrenzungsversuche seitens einiger Phnomenologen2 bzw. phnomenologisch informierter analytischer Philo1 2
Zum Neobehaviorismus siehe mehr unten, Kap. II. 1.3. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass hier und im Folgenden smtliche personenbezogene Ausdrcke geschlechtsneutral aufgefasst sind.
Einleitung
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sophen3 und einer Handvoll phnomenologisch orientierter Kognitionswissenschafter bzw. Philosophen der Kognitionswissenschaften4 besteht hier, insbesondere im deutschen Sprachraum, nach wie vor ein eklatantes Forschungsdesiderat. Wesentliches Anliegen der gegenstndlichen Arbeit ist es von daher, die Mçglichkeiten, aber auch die methodologischen und metatheoretischen Grenzen eines Brckenschlages zwischen der transzendentalen Phnomenologie und zentralen analytischen und kognitionswissenschaftlichen Bewusstseinsmodellen auszuloten. Es soll dabei gezeigt werden, inwiefern der transzendentale Ansatz der Phnomenologie im Dialog mit bestimmten anti-reduktionistischen Positionen der analytischen Philosophie des Geistes sich fr eine Kritik philosophischer Naturalismustheorien und dominanter, insbesondere reprsentationalistischer Paradigmen innerhalb der Kognitionswissenschaften durchaus als produktiv erweisen kann. Nicht zuletzt soll Husserl als ernstzunehmender Diskussionspartner der analytischen Philosophie des Geistes und der Philosophie der Psychologie prsentiert werden. Es gilt dabei, das argumentative Niveau der jeweiligen Traditionen ber die engen und beengenden Grenzen rezeptionsgeschichtlicher Fachdebatten aufseiten der phnomenologischen Forschung 3
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Siehe u. a. in chronologischer Reihenfolge: Dreyfus/Hall 1982; Marbach 1984, 1988, 1993, 1999, 2006, 2010; McIntyre 1986, 1999; Holenstein 1988; Mnch 1991, 2002; Waldenfels 1984; Arp 1994; Petitot et al. 1999; Gallagher 1997, 2003; Kelly 2001; Meixner 2003, 2006, 2007, 2011; Rinofner-Kreidl 2003, 2004a, 2004b; D. W. Smith 2004, 2011; Smith/Thomasson 2005; Lohmar/ Fonfara 2006; Lohmar 2008; Zahavi 2004a, 2005a, 2006; Zahavi/Gallagher 2008; Crowell 2010; Gallagher/Schmicking 2010 und Mayer 2011. Den neuesten deutschsprachigen Beitrag stellt der Sammelband Frank/Weidtmann 2010 mit dem einschlgigen Titel Husserl und die Philosophie des Geistes dar. In diesem Zusammenhang sind auch die Arbeiten zur Vermittlung und/oder kritischen Abgrenzung der transzendentalen Phnomenologie und der analytischen (Sprach-) Philosophie im Allgemeinen zu erwhnen, wie etwa Tugendhat 1970, 1976; Durfee 1976; Mohanty 1982, 1989; Dummett 1988; Cobb-Stevens 1990; Soldati 1994; Beyer 2000, 2010; Huemer 2005; Vallor 2005; Keil/Tietz 2006 und Mattens 2008. Siehe dazu auch die betreffende Literatur aus dem Umfeld der Debatten um die Interpretation des husserlschen Noema bzw. seine Verortung innerhalb der Internalismus/Externalismus-Debatte, unten Kap. III. 2. Siehe u. a. Varela/Thompson/Rosch 1991; Varela 1996; Horst 1996; Petitot et al. 1999; Lloyd 2002; Lutz/Thompson 2003; Grush 2006; Thompson 2007; Gallagher 2010; Morris 2010; Petit 2010; Gallese 2011 und weitere Beitrge im Band Gallagher/Schmicking 2010; einen Abriss zur Phnomenologie und der Knstlichen-Intelligenz-Forschung – seltsamerweise ganz ohne Husserl-Bezug – liefert Andler 2006; vgl. dazu auch Beavers 2002.
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Einleitung
hinaus und jenseits gleichermaßen fruchtloser innerphilosophischer Grabenkmpfe zwischen der analytischen und der sogenannten ,kontinentalen‘ Tradition auszuschçpfen, ohne sie, wie hufig geschieht, jeweils zu nivellieren. Der Erfolg einer solchen kritischen Vermittlungsarbeit steht und fllt freilich mit der Aufklrung bestimmter notorischer konzeptueller Unschrfen. Andernfalls droht stets die Gefahr, dass Debatten zwischen Transzendentalphilosophie und Naturalismus, aber auch Annherungen bzw. Abgrenzungen zwischen Phnomenologie und analytischer Philosophie als bloße Scheingefechte zwischen Beschreibungsmodellen, deren jeweilige Untersuchungsgegenstnde gar nicht die gleichen Phnomene betreffen, ausgetragen werden. Zu fragen ist entsprechend, inwieweit und ob berhaupt die unterschiedlich tradierten Leitbegriffe Bewusstsein und phnomenales Bewusstsein bzw. Phnomenalitt, Intentionalitt und mentale Reprsentation, wie sie in der Philosophy of Mind und den Cognitive Sciences einerseits und der transzendentalen Phnomenologie andererseits vorliegen, miteinander kompatibel sind. Eine solche grundlegende Begriffsklrung ist auch insofern von entscheidender Bedeutung, als viele der prinzipiellen theoretischen und metatheoretischen Missverstndnisse zwischen den beiden heute dominierenden (bewusstseins-) philosophischen Traditionslinien auf einem zu eng oder zu weit gefassten Vorverstndnis eben dieser Grundkonzepte beruhen. Dabei wird es insbesondere darum gehen, gravierende konzeptuelle quivokationen zwischen jenen phnomenologischen, (sprach)analytischen und kognitivistischen Modellen des Mentalen aus dem Weg zu rumen, die durch die Engfhrung von Intentionalitt und Propositionalitt und der korrelativen Begriffe intentionale Zustnde, propositionale Einstellungen bzw. mentale Reprsentationen manifest werden. Es soll auch deutlich gemacht werden, dass und inwiefern es sich hierbei nicht um bloß terminologische Vorlieben handelt – im Gegenteil, die jeweilige Begriffswahl und die Verwendungsweisen spiegeln genuin philosophische Motive wider, die unmittelbare erkenntnistheoretische und ontologische Konsequenzen fr die Problemformulierung des Projekts einer Naturalisierung des Geistes insgesamt haben. Wem ist nun mit solcher konzeptueller Grundlagenkritik bzw. einem solchen Vermittlungsprojekt gedient? Die Aufgabe, philosophische Brcken zwischen verschiedenen bewusstseinsphilosophischen Traditionen zu schlagen, soll keineswegs reiner Selbstzweck sein. Vielmehr verfolgt die Arbeit damit eine doppelte Zielsetzung: Zum einen sollen dabei bestimmte metatheoretische Begrndungsprobleme naturalistischer Forschungsstra-
Einleitung
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tegien, welche jenseits bloßer Solidarittsbekundungen gegenber den Naturwissenschaften den Anspruch auf eine universal gltige Metaphysik erheben, expliziert und der Geltungsanspruch des Naturalismus hinsichtlich einer Theorie des Bewusstseins und der Intentionalitt kritisch untersucht werden. Die Stoßrichtung dieser methodologisch aufgeklrten – und das heißt auch: keineswegs eo ipso anti-naturwissenschaftlichen – Kritik wird wiederum weniger metaphysisch-ontologischer als vielmehr konzeptueller Art sein. Doch bedarf es fr eine solche Kritik der transzendentalen Phnomenologie? Ich denke, dass eine solche Konfrontation umso eher lohnt, als die transzendentale Phnomenologie – verstanden als ein methodologischer ,Nicht-Naturalismus‘5 – eine methoden- und erkenntniskritische Perspektive gewhrt, mittels derer gewisse Ab-ovoSchwierigkeiten, die sich aus bestimmten Problemformulierungen ergeben, wie sie in der analytischen Philosophie des Geistes vorliegen und zumeist als gegeben hingenommen werden, entweder schrfer gefasst werden kçnnen oder gar nicht erst aufkommen mssen. Ein nicht unerheblicher Vorzug der transzendental-phnomenologischen Außenperspektive besteht genauer darin, dass sie erlaubt, anstatt vorschnell pro oder contra bestimmte Bewusstseins-, Intentionalitts- und Reprsentationsmodelle Stellung zu beziehen, zunchst die betreffenden metatheoretischen Rahmenbedingungen und Vorentscheidungen selbst zu przisieren. Im besten Fall kann damit auch eine kritische und systematische Bestandsaufnahme des Status quo der Naturalismus-Debatte in Bezug auf die betreffenden Phnomene gewhrleistet werden, welche auf Grund der ausufernden thematischen und methodologischen Bandbreite rein diskursimmanent jedenfalls kaum noch zu leisten ist. Die zweite Motivation der Arbeit besteht in der komplementren Zielsetzung auf phnomenologischer Seite: So sollen vor der Folie einer Naturalismuskritik die Leistungsfhigkeit transzendentaler Argumentationsmuster (jenseits der ihnen von analytischer Seite typischerweise zugeschriebenen Funktion zur Widerlegung verschiedener skeptischer und/ oder idealistischer Positionen6) und insbesondere das deskriptive bzw. explanatorische Potenzial transzendentaler Analyse husserlscher Prgung einer umfassenden Neubewertung und die entsprechenden Konzeptionen gegebenenfalls einer zeitgemßen Reformulierung unterzogen werden. 5 6
Vgl. dazu auch S. Rinofner-Kreidls Interpretation der husserlschen Phnomenologie als ein „methodologischer Anti-Naturalismus“ (Rinofner-Kreidl 2003, 1 ff.). Reprsentativ fr diese Tendenz sind etwa zahlreiche Arbeiten in Stern 1999; siehe dazu Malpas 2003, 1 f.
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Einleitung
Will nun die Phnomenologie den aktuellen Herausforderungen vonseiten naturalistischer Theorien des Mentalen gerecht werden, sieht sie sich jedenfalls nicht nur vor die Aufgabe gestellt, ihre Konzeption der transzendentalen Subjektivitt, des Bewusstseins und der Intentionalitt strker zu konturieren (und gegebenenfalls zu reformulieren) und sich dabei metaphysisch- oder subjektiv-idealistischer Missdeutungen zu erwehren. Ebenso wenig gilt es, der Versuchung eines dogmatischen AntiNaturalismus bzw. Anti-Objektivismus oder eines undifferenzierten AntiReprsentationalismus zu erliegen – ohne aber auch umgekehrt fr das methodologisch gesehen recht fragwrdige, kognitivistisch orientierte Projekt einer Naturalisierung der Phnomenologie (vgl. Petitot et al. 1999) bzw. Neurophnomenologie (vgl. Varela 1996; Lutz/Thompson 2003) oder gar fr eine Heterophnomenologie (vgl. Dennett 1991, 2003)7 optieren zu mssen.8 Wenn denn auch Husserls Credo von der ,Phnomenologie als strenger Wissenschaft‘ wohl oder bel zu den philosophiehistorischen Akten gelegt werden muss,9 so gilt es doch, die Idee einer transzendentalphnomenologischen ,Wissenschaft vom Bewusstsein‘ noch diesseits der vermeintlich exklusiven Opposition von einer neo-cartesianischen, internalistisch und/oder introspektionistisch gewendeten „Re-transzendentalisierung“ und einer naiv-wissenschaftsglubigen „Re-naturalisierung“ (Frank 1994, 13) der Bewusstseinsphilosophie zu verfolgen. *
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Heterophnomenologie ist eine Konzeption, die D. Dennett (zum ersten Mal in Dennett 1991, 72 ff.) in deutlicher Abgrenzung zu einer rein erst-personalen, introspektionistischen „Autophnomenologie“ (bei der das Subjekt (des Bewusstseins) und der Experimentator identisch sind) als Methode fr die wissenschaftliche Erforschung von Bewusstseinsstrukturen und -daten vorschlgt (vgl. auch die genauere Darstellung in Dennett 2003). Seither hat sich eine rege Debatte darber entwickelt, ob und inwiefern Dennett die klassische, insbesondere die husserlsche Phnomenologie (als introspektionistische) misskonstruiert bzw. was es Phnomenologisches mit der Heterophnomenologie auf sich hat – m. E. nicht sehr viel, und das ist auch der Grund, warum ich im Folgenden auf diese Diskussion nicht nher eingehen werde. Siehe dazu Marbach 1995; Thompson 2000; Dreyfus/Kelly 2007; Drummond 2007; Roy 2007; Tewes 2007; Velmans 2007a und Zahavi 2007; Gallagher 2010 und Schmicking 2010. Zum Instrumentalismus Dennetts siehe mehr unten, Kap. I. 5. und II. 1.2. Siehe dazu auch unten, Kap. II. 2.3. Zu einer differenzierteren (und positiveren) Einschtzung dieses Befundes siehe Rinofner-Kreidl 2000, 755 – 785.
Einleitung
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Dass die Auseinandersetzung mit den Phnomenen Bewusstsein und Intentionalitt mehr als sieben Jahrzehnte nach Husserls Tod (wieder) mit zu den wichtigsten Schaupltzen der Gegenwartsphilosophie zhlen wird, htte wohl selbst den Begrnder der letzten groß angelegten transzendentalen Bewusstseinsphilosophie gewundert. Weniger verwunderlich ist vielleicht, dass Husserls Attacke in seiner Programmschrift Philosophie als strenge Wissenschaft von 1911 sowohl gegen die damalige experimentalpsychologische bzw. psychologistische „Naturalisierung der Ideen“ als auch gegen eine materialistische und monistische „Naturalisierung des Bewusstseins“ (Hua XXV, 12) (aber auch gegen den philosophischen Historismus und die damals populren Weltanschauungsphilosophien) und Husserls Gegenentwurf – die Etablierung einer nicht-psychologischen und freilich auch nicht-psychologistischen „Phnomenologie des Bewußtseins gegenber einer Naturwissenschaft vom Bewußtsein“, verstanden selbst als eine „Wissenschaft vom Bewusstsein“ (Hua XXV, 17) – bei den nachfolgenden Generationen von Philosophen des Geistes, zumindest analytischer Couleur, mehr oder weniger sang- und klanglos verhallt sind. So ruft noch etwa Ende des letzten Millenniums der Physiker und Neurowissenschaftler J. G. Taylor euphorisch und nicht weniger optimistisch, was die (natur-)wissenschaftlichen Erfolgsaussichten betrifft, in der renommierten Philosophy of mind-Reihe Bradford Books der MIT Press den Start fr eine Race for consciousness (Taylor 1999) aus – als htte der Startschuss nicht schon lngst, und bis dato mit recht bescheidenem Erfolg naturwissenschaftlicher Art, stattgefunden. Zwar warnen mittlerweile einige gewichtige Stimmen kognitions- und neurowissenschaftlich orientierter und geschulter Philosophen vor allzu großem Optimismus. Beispielhaft ist hier die lapidare Feststellung des Neurowissenschaflers und Philosophen A. No in seinem neuesten Buch zur ,Biologie des Bewusstseins‘: „After decades of concerted effort on the part of neuroscientists, psychologists, and philosophers, only one proposition about how the brain makes us conscious […] has emerged unchallanged: we don’t have a clue.“ (No 2009, ix) Doch unerachtet einiger weniger naturwissenschaftlich informierter Kritiker scheint die Begeisterung fr Modellierungen des Bewusstseins entlang der neurophysiologischen Grenzen menschlicher Organismen – nicht zuletzt dank immer feinerer technologischer Reprsentationswerkzeuge wie insbesondere der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), der Posi-
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tronen-Emissionstomographie (PET) oder der Elektroenzephalographie (EEG)10 – weitgehend ungebrochen. Bezeichnender vielleicht noch fr den Stil gegenwrtiger Verhandlungen des Bewusstseinsphnomens innerhalb der analytischen Philosophie des Geistes und der Kognitions- oder Neurowissenschaften – und zwar sowohl unter Optimisten als auch Pessimisten – ist jedenfalls die Art und Weise, wie das Phnomen typischerweise formuliert wird: Die Zahl der Autoren, die das Phnomen des Bewusstseins selbst fr ein Rtsel, fr etwas zutiefst Mysteriçses halten oder zumindest das Problem des Bewusstseins als ein Rtsel formulieren, ist Legion.11 Nun sind Rtsel freilich immer nur Rtsel vor einem bestimmten epistemischen Hintergrund. Der allgemeine epistemische Hintergrund, vor dem das Bewusstsein berhaupt erst zu einem Rtsel wird, ist der philosophische Naturalismus bzw. der physikalistische Objektivismus.12 Wie sieht dieses vermeintliche Rtsel dagegen vor dem Hintergrund unseres alltglichen Selbst- und Weltverstndnisses aus und wie wird der Common-Sense-Begriff von Bewusstsein formuliert? In vortheoretischen, alltagssprachlichen, aber auch einigen wissenschaftlichen (etwa klinischmedizinischen, forensischen etc.) Kontexten wird der Begriff des Bewusstseins blicherweise durch eine Reihe mehr oder weniger distinkter Eigenschaften und Manifestationsformen unseres mentalen Lebens bestimmt. Wenn wir etwa wissen wollen, ob jemand ,bei Bewusstsein ist‘, ,jemandem etwas bewusst ist‘ oder ,Bewusstsein von etwas hat‘, rekurrieren wir in alltglichen Erklrungskontexten typischerweise auf (kognitive oder intra-mentale) Eigenschaften wie Aufmerksamkeit oder Wachheit, die wir aus gewissen (nicht- bzw. pr-kognitiven oder sensomotorischen) Manifestationsformen wie responsivem Verhalten und hnlichem abzuleiten 10 Siehe dazu die wachsende Zahl detaillierter kritischer wissenschaftstheoretischer Analysen, insbes. Stufflebeam/Bechtel 1997; Van Orden/Paap 1997; Bogen 2002 und Hardcastle/Stewart 2002. Ein konziser Abriss der methodologischen Probleme der verschiedenen neuro-funktionalen Modellierungen des Gehirns auf der Suche nach neuronalen Korrelaten von Bewusstseins- bzw. Kognitionsprozessen findet sich bei No 2009, 17 – 24. Ein neueres Projekt, Bewusstseinsdaten von fMRT mit den Ergebnissen von Husserls sog. „analytischer Phnomenologie“ zu vergleichen, stellt Lloyd 2002 dar. Siehe dazu auch Grush 2006. 11 Vgl. u. a. Pylyshyn 1986; Flanagan 1992; Bieri 1992; Metzinger 1995; Tye 1995; Chalmers 1996; McGinn 1999; Pauen 1999; Poirier 1999; Levine 2001. 12 Vgl. dazu auch Meixner 2003, 318 ff. Siehe in diesem Zusammenhang auch die treffenden Ausfhrungen zum philosophischen Naturalismus (und Reprsentationalismus) als ein berzeugungssystem bzw. eine bestimmte „epistemische Wissenskultur“ bei Sandkhler 2009, insbes. 68 ff. und 180 ff.
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oder zumindest mit diesen Erscheinungsformen in eine meist nicht nher spezifizierte Korrelation zu bringen versuchen.13 Dieser Beschreibungstypus mentaler bzw. psychischer Zustnde und Vorgnge ist es, den manche analytische Philosophen des Geistes oder auch Vertreter der kognitionsund neurowissenschaftlichen Forschergemeinde gerne als „Alltagspsychologie“ (folk psychology) etikettieren.14 Der vortheoretische Verstndnishorizont unserer alltglichen Beschreibung des Bewusstseins wird vom objektiven Standpunkt einer sich als seriçse Wissenschaft verstehenden Theorie des Mentalen als ein naiver ontologischer Dualismus bezglich des Psychophysischen und in der Folge als Ursache fr die Entstehung des traditionell-philosophischen Leib/Seele-Problems identifiziert. Sprechen wir von Bewusstsein, bewusster Erfahrung oder bewusstem Erleben, tauchen die Begriffe Intentionalitt, Phnomenalitt oder der Begriff der mentalen Reprsentation in unserem alltagssprachlichen Beschreibungsvokabular jedenfalls nicht auf. Diese Begriffe sind originr theoretische bzw. philosophische Begriffskonstruktionen. Das theoretische Spannungsfeld, das sie konstituieren, ist eng mit einem bestimmten kognitionswissenschaftlichen und philosophischen Diskurs konnotiert, dem man immer hufiger unter dem (selbst nicht unproblematischen) Titel Science(s) of Consciousness begegnet.15 Nun stellt sich nicht nur innerhalb unserer vor- oder außerwissenschaftlichen Erklrungsmodelle das Problem einer Art konzeptueller Unterbestimmtheit des fraglichen Phnomenkomplexes. Auch in den um wissenschaftliche Legitimitt konkurrierenden theoretischen und metatheoretischen Diskursen sind wir mit einer zutiefst verwirrenden terminologischen und methodologischen Unbersichtlichkeit konfrontiert, 13 Fr ausfhrliche philosophiehistorische Begriffsklrungen bzw. Abgrenzungen des alltagssprachlichen und des philosophischen Begriffs des Bewusstseins siehe die Arbeiten Krmer 1996; Schleichert 1992; Schleichert 1996 und Kemmerling 1998. 14 Vgl. etwa den reprsentativen Titel des prominenten Buches von S. Stich (Stich 1983). Siehe dazu etwa auch P. M. Churchland 1988, 58 ff. und die Beitrge in Greenwood 1991. Zu dieser Diskussion siehe mehr unten, Kap. II. 1.2. 15 Siehe etwa die Proceedings-Bnde der wohl wichtigsten internationalen Philosophy of Mind-Kongresse, der Toward a Science of Consciousness (u. a. Hameroff/Kaszniak/Scott 1997), vgl. auch P. S. Churchland 1986 oder O. Flanagans Rede von einer „Science of Mind“ (Flanagan 1992, 214). Neuerdings liest man brigens immer hufiger von einer „New Science of the Mind“ (Rowlands 2010) oder auch einer „new neuroscience of consciousness“ (No 2009, xi), wobei damit meist das jngere kognitionswissenschaftliche Paradigma der sog. situated cognition bzw. der extended mind-Hypothese gemeint ist.
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wenn es um die Beschreibung, Erklrung und konzeptuelle Sicherung dessen geht, was wir in alltglich-praktischen Erfahrungszusammenhngen unter dem Begriff ,Bewusstsein‘ subsumieren und zumeist problemlos, wie man gewçhnlich sagt, ,intuitiv‘ erfassen. Diese fr wissenschaftliche, aber auch philosophische Diskurse recht ungewçhnliche Heterogenitt der konzeptuellen Basis der gegenwrtigen Science of Consciousness spiegelt selbstverstndlich nichts anderes als das breite Spektrum miteinander oft konfligierender Erkenntnisinteressen und -perspektiven bezglich des Bewusstseinsphnomens wider. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn T. Nagel – einer der prominentesten Vertreter einer nicht-reduktivistischen Theorie des Bewusstseins und Hauptinitiator der bewusstseinsphilosophischen Renaissance innerhalb der analytischen Philosophie – die vordringliche Aufgabe einer adquaten Bewusstseinstheorie gerade in der Herausarbeitung einer vçllig neuen konzeptuellen Grundlage sieht, welche gerade der notwendigen Relativitt und Relationalitt der jeweiligen Erkenntnisperspektiven in Bezug auf das Phnomen des Bewusstseins Rechnung trgt (vgl. Nagel 1974). So gesehen scheint es, als ließe sich die Debatte um die Naturalisierung/ Naturalisierbarkeit unseres (bewussten) mentalen Lebens auch als eine Grundsatzdebatte um das philosophische Basisvokabular interpretieren. Solche Debatten sind in der Philosophiegeschichte seit jeher ausgefochten worden. Was dabei tatschlich zur Debatte steht, stellt freilich mehr als einen bloß terminologischen Streit dar, den eine zuknftige philosophische Begriffsgeschichte dann nur noch philologisch zu schlichten htte. In der aktuellen Debatte um das philosophische Basisvokabular geht es um nichts weniger als den wissenschaftlichen Geltungsanspruch, den eine Theorie bei der Beschreibung der Welt und der Begrndung unseres Verhltnisses zu ebendieser so und so beschriebenen Welt fr sich reklamieren kann (oder nicht). Es geht also um die Festlegung mçglichst universaler Verifikationsund Evidenzkriterien bezglich der Interpretation unseres Status in einer auf eine bestimmte – nmlich eine physikalisch-materialistische – Art und Weise kodierten Welt. Genau insofern steht in der philosophischen Naturalismusdebatte nicht mehr und nicht weniger als die (natur-)wissenschaftliche Gltigkeit unseres Selbst- und Weltverstndnisses zur Disposition. Mit anderen Worten: Das Kernproblem in der Auseinandersetzung um das angemessene Beschreibungsmodell fr eine Theorie des Bewusstseins betrifft die Begrndung und Rechtfertigung einer bestimmten Konzeptualisierung des Verhltnisses zwischen Bewusstsein, Selbst und Welt.
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Unter dieser ganz allgemeinen metatheoretischen Prmisse kann das Kernproblem der (philosophischen) Naturalismusdebatte in Bezug auf das Bewusstsein und seine wesentlichen Eigenschaften als ein genuin erkenntnistheoretisches Problem betrachtet werden. Entsprechend ist auch eine der operativen Hintergrundannahmen der folgenden Untersuchungen, dass das Problem des ontologischen Naturalismus bzw. des Physikalismus – wie es in der Standardlektre des klassischen Leib/Seele-Problems bei Descartes etwa zum Ausdruck kommt und in den gegenwrtigen Debatten insbesondere im sogenannten Eliminativen Materialismus16 bzw. in anti-cartesianisch motivierten identittstheoretischen Physikalismen ausformuliert ist, unabhngig von den erkenntnistheoretischen Implikationen, die die jeweiligen Naturalismen fr eine Theorie des Bewusstseins mit sich bringen, keinen philosophisch interessanten Sinn hat. Die Arbeit ist denn auch geleitet von der Annahme, dass es im Kontext der philosophischen Naturalismusdebatte – entgegen der starken Tendenz reduktiver Naturalismen – einen relevanten Sinn hat, a.) das Problem des Bewusstseins direkt an das bedeutungs- und insbesondere erkenntnistheoretische Problem des (intentionalen) Verhltnisses zwischen subjektiver Erfahrung (bzw. Sinnkonstitution) und objektiver Welt (bzw. Referenzbestimmung) zu knpfen und b.) dieses Problem unabhngig von der Frage nach dem ontologischen Status des Geistes in einer kausal geschlossenen Welt, wie sie von den Naturwissenschaften beschrieben wird, zu diskutieren – selbst wenn sich herausstellen sollte, dass diese beiden Problemkomplexe sozusagen ,unendlich eng‘ miteinander verwoben bzw. die Grenzen zwischen ihnen aus systematischen Grnden ,porçs‘ sind (vgl. Putnam 1988, 210 f.). In diesem Sinne werde ich nicht nur M. Rowlands’ treffende Behauptung beherzigen, wonach: „One thing is clear: if consciousness is not an epistemological problem, then it is not a metaphysical problem either.“ (Rowlands 2001, 13) Vielmehr soll auch nicht der Eindruck entstehen, als wollten die folgenden berlegungen in irgendeiner bescheidenen oder weniger bescheidenen Weise einen Lçsungsvorschlag zum traditionell metaphysischen Leib/Seele-Problem beisteuern. Dies ist, um es an dieser Stelle dezidiert festzuhalten, kein Teil des vorliegenden Projekts und auch der Grund dafr, dass viele, zum Teil durchaus wichtige und einflussreiche metaphysische Positionen innerhalb der analytischen Philosophie des Geistes (wie logischer oder psychologischer Behaviorismus, identittstheoretischer Materialismus, Emergenz- und Supervenienztheorien, Panpsychismus u. a.) nicht eigens behandelt werden. 16 Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 1.2.
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Entsprechend werde ich mich auch mit einer tentativen Charakterisierung des (ontologisch-metaphysischen) Naturalismus begngen. Demnach vertritt der ontologische Naturalist die These, dass alle Gegenstnde, Eigenschaften, Ereignisse, Zustnde und Sachverhalte, kurz: alle beobachtbaren und (noch) nicht beobachtbaren Entitten der Realitt in einer einzigen, in sich (kausal bzw. physikalisch) geschlossenen Ontologie, welche nichts anderes als das Gegenstandsgebiet der Naturwissenschaften ist, adquat und vollstndig beschrieben werden kçnnen.17 Eine erkenntnistheoretische und metaphysische Spezifikation wird diese These erst im Kontext der Realismus-Diskussion erfahren.18 Teilt man jedenfalls den ontologischen Naturalismus ohne erkenntnistheoretisch relevante Einschrnkungen bzw. Spezifikationen bezglich des Attributs ,adquat‘, vertritt man trivialerweise eine Art naturwissenschaftlichen Naturalismus. 19 Die Theoriebildung innerhalb des naturwissenschaftlichen Naturalismus dreht sich um die Frage, wie sich die regionalen Ontologien der einzelnen empirischen Wissenschaften nher bestimmen lassen. Sofern dabei die epistemologische Frage nach dem Verhltnis zwischen einem Erkenntnissubjekt und dem (objektiven) Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften ausgeklammert wird, liegt die Entscheidung der Frage nach der richtigen Bestimmung der Ontologie der Naturwissenschaften bei den Naturwissenschaften selbst und bleibt also eine Frage des empirischen Fortschritts ebendieser Wissenschaften. In diesem bestimmten Sinne ist der ontologische Naturalismus der Naturwissenschaften zumindest fr die philosophische Naturalismusdebatte meines Erachtens keine interessante Position. Zu all diesen konzeptuellen Unschrfen und metatheoretischen Begrndungsproblemen kommt nun erschwerend hinzu, dass unter dem Sammeltitel ,Bewusstsein‘ im „Consciousness Boom“ (Petitot et al. 1999, 17 Genauere, mehr oder weniger treffende (metatheoretische) Diskussionen mçglicher Konstruktionen des Naturalismus finden sich u. a. bei Wagner/Warner 1993; Keil/Schndelbach 2000; Koppelberg 2000; Stich 2000; Vollmer 2000; Goebel 2005 und Horst 2007 (Kap. 1). Fr die speziellere Diskussion nach einer mçglichen Przisierung des Physikalismus siehe den kritischen Beitrag von Crane/ Mellor 1990 und dagegen Pettit 1993a. Die bis dato differenzierteste philosophische Bestimmung (und Verteidigung) des Physikalismus hat Melnyk 2003 vorgelegt. 18 Siehe unten, Kap. IV. 19 In diesem Sinne fallen der ontologische Naturalismus und der methodologische Naturalismus la Quine 1969 mit einem solchen ,naturwissenschaftlichen Naturalismus‘ zusammen. Vgl. dazu auch die Unterscheidung von ontologischem und erkenntnistheoretischem Naturalismus bei Hartmann/Lange 2000.
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13) der letzten Jahrzehnte eine nunmehr fast unberschaubare Reihe verwandter Sachprobleme thematisiert wurde – wie etwa die Intentionalitt des Mentalen, der qualitative Erlebnisaspekt von Bewusstseinszustnden und Empfindungen (die sogenannten Qualia), die Irreduzibilitt der Ersten- auf die Dritte-Person-Perspektive oder die Mçglichkeit interner Selbst- bzw. Metareprsentation des Bewusstseins, um nur einige der wichtigsten zu nennen. Entsprechend den verschiedenen Problemgewichtungen divergieren die epistemologischen und ontologischen Erklrungsstrategien zum Teil erheblich. Gleichwohl lsst sich eine mehr oder weniger verdeckte, aber allemal bestimmende Tendenz in der analytischen Philosophie des Geistes ausmachen, wenn es um die Erklrung der Phnomene Bewusstsein, Intentionalitt und mentale Reprsentation und die Analyse der inferenziellen und epistemologischen Zusammenhnge zwischen ihnen geht. So verluft die Adressierung des Problemkomplexes von Bewusstsein, Intentionalitt und mentale Reprsentation innerhalb der analytischen Philosophie des Geistes entlang einem Bndel mehr oder weniger eng verknpfter konzeptueller, explanatorischer, aber auch metaphysischer Dichotomien. Man kann ohne viel bertreibung sagen, dass ein Großteil der gegenwrtigen Auseinandersetzungen in der Philosophy of Mind sich aus nichts oder nicht viel anderem als aus dem Fortschreiben berlieferter fundamentaler metaphysischer Dichotomien bzw. aus der (Re-)Konstruktion einiger zentraler konzeptueller Gegenstze speist. Um Missverstndnissen tunlichst vorzubeugen: Damit soll weder ein allzu billiges Generalverdikt ber die zeitgençssische Philosophie des Geistes oder die Naturalismusdebatte gefllt, noch ganze Diskussionen als bloße Scheingefechte oder Irrwege entlarvt – noch auch in den Kanon postmoderner oder pseudo-postmoderner Globalkritiken an dichotomen Konzeptualisierungen eingestimmt oder gar solchen das Wort geredet werden. Konzeptuelle, explanatorische oder auch metaphysische Dichotomien sind – entgegen einem gerade im nicht-analytischen Philosophenlager weitverbreiteten (Vor-)Urteil – weder an sich problematisch, noch verzerren sie per se irgendwelche Argumentationen. Allerdings sind sie zu vermeiden, insofern, aber auch nur insofern sie sachlich und/oder explanatorisch inadquat sind oder wohlberlegte (methodologische oder sonstige) Grnde fr alternative, angemessenere Konzeptualisierungen sprechen. Bei einer Reihe von Dichotomien in Bezug auf bestimmte Phnomene und Problemlçsungen ist, wie ich argumentieren werde, nun genau dies der Fall.
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Ich werde mich dabei auf vier Hauptklassen zum Teil als exklusiv konstruierter Gegenstze und Gegensatzpaare konzentrieren: 1.) auf den Gegensatz zwischen phnomenalen und intentionalen Aspekten des Mentalen im Allgemeinen und des Bewusstseins im Besonderen; 2.) auf die Unterscheidung von reprsentationalen bzw. propositionalen und den nicht-reprsentationalen bzw. nicht-propositionalen Aspekten intentionaler Bezugnahme; 3.) auf den Gegensatz von intra- und extra-mentalen Aspekten von Referenzfestlegung bzw. der internalistischen und externalistischen Bestimmung intentionaler und psychischer Inhalte und schließlich 4.) auf die metaphysische, erkenntnistheoretische bzw. bedeutungstheoretische Dichotomisierung von (mentaler) Reprsentation und (nicht-mentaler) Realitt. Jeder dieser konzeptuellen Hauptklassen entspricht eine Reihe weiterer methodologischer Dichotomien bzw. einander entgegengesetzter Erklrungsstrategien, wie etwa: Phnomenalismus versus Intentionalismus und entsprechend separatistische versus anti-separatistische Bewusstseinsmodelle; Relationalismus bzw. Objektualismus versus Aktualismus; (semantischer und psychologischer) Internalismus/Individualismus versus Externalismus/Anti-Individualismus; Psychologismus versus AntiPsychologismus bzw. Mentalismus versus Anti-Mentalismus; (semantischer, metaphysischer, epistemischer etc.) Verifikationismus bzw. AntiRealismus versus Realismus. Dem Großteil dieser Dichotomien liegt wiederum die Isolierung zweier Fragerichtungen und Erklrungsstrategien zugrunde, nmlich die Trennung zwischen dem, was ich das Konstitutions-, und dem, was ich das Determinationsproblem der Intentionalitt nennen werde. Zudem haben einige der vier obigen Hauptklassen und die entsprechenden Erklrungsstrategien, um in der Terminologie der ,Klassenverhltnisse‘ zu bleiben, weitere Subklassen konzeptueller Dichotomien zur Folge: So impliziert etwa die Unterscheidung von reprsentationalen und nicht-reprsentationalen Aspekten intentionaler Bezugnahme die Dichotomie von relationalen und nicht-relationalen bzw. intrinsischen Bewusstseinsinhalten. Ferner entspricht der Demarkation von reprsentationalen und meta-reprsentationalen Bewusstseinsprozessen jene von (meta-)reflexivem oder meta-reprsentationalem (Selbst-)Bewusstsein und pr-reflexivem oder phnomenalem (Erlebnis-)Bewusstsein. Daraus resultieren wiederum die entsprechenden Gegenberstellungen von Selbstund Fremdzuschreibung bzw. die oft als unberbrckbar konstruierte epistemische Asymmetrie zwischen Selbst-, Welt- und Fremdkenntnis und die damit verbundenen Schwierigkeiten internalistischer und/oder exter-
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nalistischer Erklrungsmodelle von Selbstbezug. Eine Art Folgeerscheinung der Dichotomie von internen und externen Bestimmungskriterien von intentionaler Bezugnahme und semantischer Referenz und der Dichotomie von Reprsentation und Realitt ist ferner die Gegenberstellung von kausaler und nicht-kausaler Bezugsbestimmung ebenso wie jene von intentionalem und realem Bezugsgegenstand oder von Wahrheit und Referenz, aber auch mittelbar die (selbst nicht-dichotome) Unterscheidung von Intentionalitt und Intensionalitt bzw. intentionalem und sprachlichem Bezug. Ohne hier nun die Zickzacklinien der einander widerstreitenden Argumentationsstrnge im Einzelnen zu verfolgen oder den kaum zu entwirrenden konzeptuellen Verflechtungen genauer nachzugehen – eines scheint jedenfalls klar zu sein: Sind sozusagen die Dichotomisierungen einmal in Gang, sind sie kaum mehr aufzuhalten und man kann dabei schnell die bersicht verlieren. Dem soll die Gliederung der Arbeit, die sich entlang diesem Bndel an Dichotomien Schritt fr Schritt entfaltet, Abhilfe schaffen. * Der Aufbau der Arbeit wird im Wesentlichen durch die eingangs formulierten Leitfragen vorgegeben. Die Organisation der einzelnen Kapitel folgt dabei, wie bemerkt, den konzeptuellen und explanatorischen Dichotomien der jeweiligen Antwortstrategien: Im systematisch einleitenden I. Kapitel der Arbeit werden ausgehend von der Leitfrage, was es heißt, dass jemand bewusst ist, die wichtigsten gegenwrtigen Modelle des phnomenalen und des intentionalen Bewusstseins kritisch expliziert und insbesondere gegenber der Phnomenologie des Bewusstseins la Husserl abgegrenzt. Neben der Diskussion der Mçglichkeiten der Zuordnung der Eigenschaften Bewusstsein und Intentionalitt zu dem Bereich des Mentalen und zentraler (meta-)reprsentationalistischer, objektualistischer bzw. aktualistischer Bewusstseinstheorien werden dabei die unterschiedlichen Konzeptualisierungen der Phnomenalitt bzw. der Intentionalitt des Bewusstseins, wie sie in der analytischen Philosophy of Mind auf der einen und der transzendentalen Phnomenologie auf der anderen Seite vorliegen, im Vordergrund stehen. Anschließend wird es darum gehen, die Motive fr die einflussreiche, titelgebende Dichotomisierung einer Phnomenologie der Intentionalitt und der Intentionalitt der Phnomenologie des Bewusstseins aufzuzeigen und die entsprechenden Strategietypen des (metaphysischen, explanato-
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rischen, heuristisch-pragmatischen etc.) Separatismus bzw. Anti-Separatismus in Bezug auf diese beiden Eigenschaften des Mentalen genauer zu bestimmen. Auf dieser Basis werden die wichtigsten Varianten des Phnomenalismus bzw. Intentionalismus, die aktuell im Umlauf sind, speziell mit Blick auf mçgliche Thesen zur Intentionalitt des Bewusstseins detailliert. Im letzten Abschnitt wird die fr die nachfolgende Auseinandersetzung rund um die Naturalisierung und Naturalisierbarkeit der Intentionalitt des Bewusstseins bestimmende Isolierung der Frage nach der Konstitution der Intentionalitt des Bewusstseins von jener nach der Determination bzw. Individuation intentionaler Bewusstseinsinhalte diskutiert und kritisiert. Argumentativ gesehen, werde ich in diesem Teil der Arbeit gegenber dichotomen Charakterisierungen der Intentionalitt und Phnomenalitt des Bewusstseins und den entsprechenden Strategien des intentionalphnomenalen (Anti-)Separatismus zwei transzendental-phnomenologisch fundierte Leitthesen verteidigen. Zum einen die These der irreduziblen intentionalen Korrelation, wonach jede phnomenologische Gegebenheit notwendig ein intentionales Bewusstseinsphnomen ist und mithin die Intentionalitt des Bewusstseins explanatorisch nicht auf eine rein phnomenale Erlebnissphre hin gleichsam ,unterschreitbar‘ ist. Zum anderen, und komplementr dazu, werde ich fr die transzendental-phnomenologische These der intrinsischen intentionalen Relationalitt des Bewusstseins argumentieren, wonach Intentionalitt eine intrinsische, selbst nicht-reprsentationale Eigenschaft bewusster mentaler Zustnde ist und Bewusstsein wiederum nichts anderes als die Eigenschaft mentaler Zustnde, intentional auf etwas (Bewusstseinstranszendentes) bezogen zu sein. Demzufolge gibt es also – entgegen separatistischen und einem Großteil naturalistisch-reduktionistischer Erklrungsmodelle – eine wesentliche, und d. i. nicht bloß konzeptuelle, quivalenz zwischen den Eigenschaften Bewusstsein und Intentionalitt, sodass Bewusstsein notwendig als intentionales Bewusstsein und Intentionalitt wesentlich als eine Bewusstseinseigenschaft aufzufassen ist. Das II. Kapitel wird die zweite Leitfrage, nmlich, was es heißt, dass sich jemand auf etwas (anderes als auf sich selbst) bezieht, also die Frage der Intentionalitt des Bewusstseins, fokussieren. Diese Frage wird dabei unter dem Gesichtspunkt zweier miteinander korrespondierender methodologischer Problemkomplexe erçrtert: zum einen unter jenem der Naturalisierung bzw. Naturalisierbarkeit der Sphre des Psychischen und der entsprechenden Reduktivismen bezglich der sogenannten intentionalen Psychologie, zum anderen unter dem Gesichtspunkt semantisch-sprach-
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analytischer Konzeptualisierung von intentionalen Erlebnissen und Inhalten. Was das Problem der Naturalisierung der Intentionalitt betrifft, werde ich mich auf das die letzten drei Jahrzehnte dominierende reprsentationalistische (cum komputationalistische) Erklrungsmodell konzentrieren, namentlich auf die Reprsentationalen Theorien der Intentionalitt. Im Zentrum der berlegungen wird dabei insbesondere die Kritik einer bestimmten Tendenz dieser Theorien stehen, welche ich unter dem Titel Reprsentationaler Verifikationismus diskutieren werde. Der Reprsentationale Verifikationismus wird als die These charakterisiert, dass alle mentalen Zustnde reprsentationale Zustnde sind, welche durch ihren Inhalt individuiert werden, wobei die Angabe der empirischen Determinanten dieser Inhalte fr die epistemologische Evaluierung mentaler Zustnde als hinreichend aufgefasst wird. Neben einer detaillierten Darstellung der paradigmatischen kognitivistischen bzw. komputationalistischen Version der Reprsentationalen Theorien des Geistes la J. Fodor wird die der intentionalen Psychologie und der Knstlichen-Intelligenz-Forschung zugrunde liegende, bis heute einflussreiche neobehavioristische Tendenz des Kognitivismus expliziert und kritisch hinterfragt. In diesem Zusammenhang wird auch der Diskussion rund um die Abgrenzung und Abgrenzbarkeit der intentionalen (Alltags-) Psychologie von einer vermeintlich exklusiv wissenschaftlichen Kognitionspsychologie bzw. der Auseinandersetzung mit dem intentionalen (Ir-) Realismus und Instrumentalismus nachgegangen. Vor diesem Hintergrund werden Husserls Argumente gegen den Psychologismus neu kontextualisiert und der klassische Psychologismus als die erste Ausprgung naturalistisch-kognitivistischer Theorien des Mentalen interpretiert. Ich werde dabei starke und schwache Formen des (Anti-) Psychologismus unterscheiden und Husserls deskriptive Phnomenologie als einen schwachen logisch-semantischen Anti-Psychologismus deuten. Diese Relektre wird nicht zuletzt dazu dienen, den phnomenologischen AntiPsychologismus sowohl gegen subjektivistische als auch gegen objektivistisch-logizistische Missdeutungen zu verteidigen und im Kontext der intentionalen (Ir-)Realismus- bzw. Instrumentalismus- und Eliminativismus-Debatten zu evaluieren. Unmittelbar an die phnomenologische Kritik des logisch-semantischen Psychologismus anschließend, und komplementr dazu, bildet die zweite Stoßrichtung dieses Teiles eine Kritik der sprachanalytischen und kognitivistischen bzw. ,krypto-semantischen‘ (vgl. Roy 1999, 113) Engfhrung von propositionalen Einstellungen und intentionalen Akten bzw.
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deren jeweiligen (semantischen und/oder intentionalen) Inhalten. Auf Grundlage ausfhrlicher Analysen zu Husserls frherer Theorie der Bedeutung und Wahrheit und der Aufklrung sprachanalytischer Missdeutungen der husserlschen Bedeutungs- und Intentionalittstheorie werde ich hierbei fr eine deutliche Demarkation von propositionalen und nichtpropositionalen Aspekten der Intentionalitt von Bewusstseinsakten und -zustnden pldieren. (Diese Abgrenzungen werden im Zusammenhang der Internalismus/Externalismus-Debatte im III. Kapitel der Arbeit wieder aufgenommen und verdeutlicht.) Ich werde dabei insbesondere zwischen intentionalen und propositionalen Inhalten, Gegenstnden, Aussagen und Propositionen bzw. intentionalen Inhalten und dem indexikalisch-prsentationale Vollzugscharakter intentionaler Akte unterscheiden. Ich werde dafr argumentieren, dass der phnomenologische Inhalt intentionaler Erlebnisse weder notwendig noch hinreichend durch deren propositionale Struktur bestimmt ist und mithin die Epistemologie intentionaler Erlebnisse weder rein semantisch noch rein funktionalistisch-syntaktisch, noch auch rein wahrheitsfunktional hinreichend evaluiert werden kann. Zudem werde ich darlegen, inwiefern der indexikalisch-prsentationale Gehalt intentionaler Erlebnisse keine unmittelbar reprsentationale Funktion ausbt und daher der reprsentationale Verifikationismus nicht die geeignete Methode fr deren Analyse darstellt. Das III. Kapitel wird sich dem umfassenderen Zusammenhang von semantischen und psychologischen Aspekten mentaler Reprsentation, wie sie in der gegenwrtigen Internalismus/Externalismus-Debatte verhandelt werden, widmen. Das Kapitel ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt wird eine kritische Diskussion der Standardopposition von externen und internen Komponenten kognitiver Bezugnahme bzw. der intern/extern-Dichotomie in Bezug auf die Determinanten intentionaler, semantischer und psychischer Inhalte vorgelegt. Neben einer eingehenden Darstellung des sogenannten methodologischen Solipsismus mentalistischer Konzeptionen von Bedeutung und Bezugnahme bzw. von dessen Widerpart, dem semantischen Externalismus, werden in diesem Zusammenhang auch neuere Anstze eines radikal-externalistischen Anti-Mentalismus bercksichtigt. Im zweiten Abschnitt wird Husserls Theorie der Intentionalitt des Bewusstseins vor der Folie der Internalismus/Externalismus-Diskussion als eine Art dritter Weg neu aufgerollt – eine Aufgabe, die unerachtet der erkenntnis- und bedeutungstheoretischen Brisanz der betreffenden Dis-
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kussion, zumindest im deutschen Sprachraum, weitgehend aussteht.20 Der sachlichen und rezeptionsgeschichtlichen Entwicklung folgend wird dabei eine eingehende kritische Auseinandersetzung mit sprachanalytisch motivierten Interpretationen der husserlschen Theorie des Noema, der fregeanischen Transformation seiner Theorie intentionaler Referenz, der searleschen Theorie intentionaler Erfllungsbedingungen und schließlich der Analogisierung bzw. Identifizierung der Intentionalitt des Bewusstseins mit der Intensionalitt sprachlicher Entitten und propositionaler Einstellungen vorgelegt. Ebenso wird die daran unmittelbar anknpfende proto-kognitivistische, internalistische bzw. methodologisch-solipsistische Lektre der Phnomenologie, aber auch Versuche, Husserl als einen Externalisten und/oder einen Disjunktivisten avant la lettre zu lesen, zurckgewiesen. Demgegenber werde ich die intentionale Korrelationsthese der transzendentalen Phnomenologie starkmachen und argumentieren, dass eine recht verstandene Phnomenologie der Intentionalitt la Husserl die Frage, welche internen und/oder externen Eigenschaften es gewhrleisten, dass der Geist sich auf die Welt beziehen kann und auf welcher Seite der Geist/Welt-Relation die Kriterien zu lokalisieren sind, die darber entscheiden, ob eine mentale Reprsentation veridisch ist, von vornherein unterluft. Im dritten Abschnitt dieses Kapitels wird die obige Leitfrage, was es heißt, dass jemand sich seiner selbst bewusst ist, aus drei unterschiedlichen Perspektiven erçrtert: Erstens werden die Antwortstrategien, wie sie sich aus der Problemformulierung der (semantischen) Internalismus/Externalismus-Debatte ergeben, kritisch dargestellt und zurckgewiesen. Hierbei wird insbesondere das Problem diskutiert, welches der semantische Externalismus bzw. der Anti-Individualismus fr eine radikal-cartesianische/ individualistische Konstruktion von epistemisch autoritativer Selbstkenntnis darstellt. Zweitens werden unter Bercksichtigung paradigmatischer Positionen aus der neueren deutsch- und englischsprachigen Selbstbewusstseinsdebatte die vier zentralen epistemischen Aspekte von Selbstkenntnis genauer expliziert (nmlich: Infallibilitt, Inkorrigibilitt, Immunitt gegen Fehlidentifizierung und die nicht-inferenzielle Zugnglichkeit zu bzw. Selbsttransparenz von okkurrenten Bewusstseinserlebnissen). Schließlich werde ich, drittens, einen an Husserls Phnomenologie des Selbstbewusstseins orientierten Lçsungsansatz vorschlagen, mithilfe dessen man der eigentmlichen epistemischen Asymmetrie zwischen 20 Die einzigen mir bekannten deutschsprachigen Ausnahmen sind die Aufstze Gler 2006 und Staub 2009.
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Selbst- und Weltbezug gerecht werden kann, ohne sich auf einen naiven Cartesianismus bezglich Selbstkenntnis verpflichten, ohne aber auch eine pr-reflexive, oder aber meta-reflexive Theorie von Selbstbewusstsein und Selbstkonstitution vertreten zu mssen. Der Vorschlag wird dabei die im ersten Kapitel vorgebrachte These der intrinsischen intentionalen Relationalitt des Bewusstseins wieder aufnehmen und fr eine Theorie intentionaler Selbstreflexion reformulieren. Das IV. Kapitel wird sich schließlich mit der letzten der obigen Fragen beschftigen, also mit der Frage, welchen (ontologischen und epistemologischen) Status diejenigen Entitten, Sachverhalte etc. haben, deren jemand bewusst ist, bzw. ,was‘ es ist, das jemand (der sich auf etwas anderes als auf sich selbst bezieht) bewusst hat. Dieser Problemkomplex wird vor dem Hintergrund der modernen, im Wesentlichen semantischen Realismus/AntiRealismus-Diskussion behandelt. In einem ersten Schritt wird der systematische Zusammenhang der Problemformulierung des Realismus/Anti-Realismus mit dem Naturalismus in Bezug auf das intentionale Verhltnis von Reprsentation und Realitt kenntlich gemacht. Gezeigt wird hierbei, inwiefern das Problem des Realismus, wie es typischerweise in der gegenwrtigen (semantischen und wissenschaftlichen) Realismus/Anti-Realismus-Debatte formuliert wird, sich gerade aus einer naturalistischen Auffassung von mentaler Reprsentation ergibt und insbesondere, dass der philosophische Naturalismus (cum Szientismus) ber die bloße Geltung einer realistischen Heuristik, die in den Naturwissenschaften operativ ist, weit hinausgeht. Die These, die ich in Anlehnung an H. Putnams Kritik des (wissenschaftlichen und metaphysischen) Realismus verteidigen mçchte, ist, dass der Naturalismus als philosophische Metatheorie ber die Richtigkeit der Beschreibung einer supponierten Wirklichkeit bzw. als Theorie ber die zutreffende Methode der Weltbeschreibung nicht nur einen wissenschaftlichen, sondern vielmehr notwendig einen metaphysischen Realismus impliziert. Es folgen Detailuntersuchungen zu M. Dummetts semantischem Anti-Realismus und Putnams anti-metaphysischem, sogenanntem internem Realismus. Im Zuge einer genauen Rekonstruktion von Putnams berhmt-berchtigtem Gehirn-im-Tank-Argument wird ferner der bisher weitgehend vernachlssigte Zusammenhang zwischen seinem internen (bzw. internalistischen) Realismus und seinem semantischen Externalismus expliziert und damit auch der Bogen zur Internalismus/ Externalismus-Debatte geschlagen. Im letzten Abschnitt der Arbeit wird schließlich Husserls alternative, unmittelbar durch seine radikal neue Intentionalittstheorie bestimmte
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Idealismus-Konzeption sowohl dem semantischen Anti-Realismus als auch Putnams internem Realismus gegenbergestellt und als ein ,Nicht-Realismus‘ gelesen. Die zentrale Pointe dieser Re-Lektre wird die deutliche Abgrenzung des Konzepts der intentionalen Korrelation von verschiedenen mçglichen (subjektivistischen, metaphysisch-ontologischen, erkenntnistheoretischen etc.) asymmetrischen Dependenz-Relationen zwischen Geist und Welt darstellen. Der vieldiskutierte und -kritisierte transzendentale Idealismus der Phnomenologie (bzw. die oft missverstandene Weltvernichtungsthese) wird dabei als eine metaphysisch neutrale, nicht-realistische und nicht-semantische These interpretiert, welche noch diesseits der meist metaphysisch verbrmten, exklusiven Oppositionsstellung von realistischen (Szientismus, Platonismus etc.) und anti-realistischen Positionen (Relativismus, Skeptizismus etc.) eine durchaus gangbare Alternative zu dichotomen Konzeptualisierungen der Geist/Welt-Relation bzw. des Verhltnisses von Reprsentation und Realitt erçffnet. In der Schlussbetrachtung gehe ich noch einmal zusammenfassend die wichtigsten Argumentationslinien, Thesen und (positiven und negativen) methodologischen Ergebnisse durch, expliziere die argumentative Klammer, die die einzelnen Abschnitte zusammenhlt, und gebe schließlich in einem knappen Ausblick Hinweise auf phnomenologische und außerphnomenologische Autoren und Problemfelder, denen ich auf den folgenden Seiten nicht gebhrend Beachtung schenke, die genauer zu behandeln meines Erachtens jedoch fr eine phnomenologisch fundierte Philosophie des Geistes durchaus produktiv sein kçnnte. * Zum Abschluss noch eine kurze Bemerkung zur Handhabe von Husserls Schriften: Husserls Werk wird weder nach chronologischen Aspekten noch unter dem Gesichtspunkt werkgenetischer oder methodologischer Zusammenhnge, sondern vielmehr nach systematischen und problemorientierten Gesichtspunkten behandelt. Ich werde nur dann spezielle werkgenetische Aspekte bercksichtigen, wenn bestimmte Interpretationen von bzw. Kritiken an Husserl dies erforderlich machen. Es werden also zu den jeweiligen thematischen Komplexen und Sachproblemen Schriften aus verschiedenen Phasen der Entwicklung des husserlschen Denkens zu Rate gezogen. Dies erscheint mir umso eher gerechtfertigt, als ich das husserlsche Œuvre, aus Grnden, die im Verlauf der Arbeit klar werden sollten – im Unterschied sowohl zum Mainstream der analytisch orientierten als auch der traditionellen Husserl-Forschung und trotz der zahl-
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Einleitung
reichen Adaptionen und Modifikationen, die Husserl selbst an praktisch allen seinen Grundkonzeptionen vorgenommen hat21 –, wesentlich als eine systematische Einheit betrachte.
21 Siehe dazu auch Zahavi 2003, 142 f. und Ricoeur 1967, 28 bzw. die konzise Darstellung der Entwicklung des husserlschen Denkens bei Mohanty 1995 und ausfhrlicher in Bezug auf den frheren Husserl Mohanty 2008.
I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
1. Was ist phnomenales Bewusstsein? Oder: Wie ist es, mentale Zustnde zu haben? Bewusstsein und Intentionalitt sind Eigenschaften mentaler Zustnde. Die Mçglichkeiten der Zuordnung zwischen Bewusstseinseigenschaften und intentionalen Eigenschaften und dem Bereich des Mentalen sind nicht nur (erwartungsgemß) vielfltig – an der Kombinatorik lsst sich auch mehr oder weniger getreu die Matrix der gegenwrtigen Diskussionslage der Philosophie des Geistes ablesen. Im Folgenden werde ich daher diese Matrix genauer unter die Lupe nehmen. In einem ersten Schritt werde ich mich dem Zusammenhang zwischen Bewusstsein und dem Bereich des Mentalen und in einem zweiten Schritt jenem zwischen den Eigenschaften des Bewusstseins und der Intentionalitt widmen. Nicht zuletzt sollen dabei die notorischen quivokationen, insbesondere, was die Begriffe phnomenal, phnomenales Bewusstsein, Phnomenalitt, aber auch die jeweils zugrunde liegenden Konzeptionen von Intentionalitt betrifft, identifiziert und, wie ich hoffe, weitgehend ausgerumt werden. Zunchst also zum Verhltnis von Bewusstsein und dem Mentalen. Dass alle Bewusstseinszustnde mentale Zustnde sind, ist eine philosophische Trivialitt, die kaum ein Philosoph des Geistes, der nicht von vornherein die Existenz von Bewusstseins- und/oder genuin mentalen Zustnden schlicht leugnet, auch nur der Erwhnung fr wert befindet. Die Eigenschaft des Bewusstseins wird denn auch meist dadurch spezifiziert, dass man eine bestimmte Klasse mentaler Zustnde identifiziert, denen sie zukommt. blicherweise wird die Eigenschaft des Bewusstseins genau jenen mentalen Zustnden zugeschrieben, die ein Subjekt aufweisen, fr das es irgendwie ist, in diesen mentalen Zustnden zu sein. T. Nagels kanonischer und mittlerweile selbst zu einem philosophischen Gemeinplatz geronnener Formulierung zufolge sind mentale Zustnde genau dann bewusst, wenn deren wesentliche Eigenschaft es ist, dass sie ein Subjekt haben, fr das es ,irgendwie ist‘, mentale Zustnde zu haben.1 Mentale Zustnde sind also bewusst, genau sofern sie subjektive Zustnde sind, und 1
Fr meine und andere Kritiken an dieser Bestimmung siehe mehr unten, Kap. II. 3.4.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
sie sind subjektiv genau dann, wenn es ein Individuum gibt, fr welches sie gegeben sind (vgl. Nagel 1974, 436). Diese Eigenschaft mentaler Zustnde, irgendwie fr ein Individuum gegeben zu sein, ist der vielbeschworene ,subjektive‘, ,qualitative‘ bzw. ,phnomenale‘ Erlebnisaspekt bewusster mentaler Zustnde. Es ist auch diese Eigenschaft des Bewusstseins, die unter dem notorisch dehnbaren Sammelbegriff Qualia in der analytischen Philosophie des Geistes eine eigenwillige, um nicht zu sagen dubiose Karriere gemacht hat. Mit dem Begriff Qualia – der substantivierten Pluralform des lateinischen Adjektivs quale fr ,wie beschaffen‘2 – bezeichnet man in der Philosophie des Geistes also den qualitativen Erlebnisaspekt mentaler Zustnde, wobei dieser Aspekt per definitionem eine Eigenschaft von subjektiven Bewusstseinszustnden ist.3 Sofern berhaupt zwischen Bewusstseinszustnden und deren qualitativem Erlebnisaspekt konzeptuell oder ontologisch unterschieden wird, meinen auch manche, dass jede Form von Bewusstsein – also auch etwa nicht-sinnliche Bewusstseinszustnde, wie typischerweise die sogenannten propositionalen Einstellungen – in einem solchen qualitativen Erlebnisgehalt fundiert oder von diesem abhngig ist.4 Die paradigmatischen Kandidaten, die Philosophen fr Qualia anfhren, sind paradoxerweise mentale Zustnde, die man gemeinhin nicht automatisch mit der Eigenschaft des Bewusstseins assoziieren wrde, wie etwa Farbwahrnehmungen, olfaktorische und Geschmackseindrcke oder sonstige kçrperliche Empfindungen, wie Schmerzen, Orgasmen, Juckreize etc.
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Weniger bekannt ist, dass der Begriff Quale bereits Ende des 19. Jahrhunderts in einer praktisch unbeachteten kleinen Schrift (die erst 1935 publiziert wurde) von Ch. S. Peirce zur Kennzeichnung der Art und Weise bewusstseinsmßiger Gegebenheit (einfacher und komplexer) sekundrer sinnlicher Qualitten – das sog. „Quale-Consiousness“ – verwendet wurde, siehe Peirce 1898, 150 – 154; vgl. dazu Flanagan 1992, 62 ff. und Kind 2008. Der Begriff taucht dann 1929 wieder in C. I. Lewis’ einflussreichem Werk Mind and the World Order im Kontext der phnomenalistischen Sinnesdatentheorie auf, siehe Lewis 1929, 60 f. und 124 f. Seine argumentative Relevanz fr die anti-reduktionistische Philosophie des Geistes erlangte der Begriff dann insbesondere durch die Arbeiten Jackson 1982 und Levine 1983. Vor diesen Arbeiten war die alternative – und auf Grund seiner phnomenalistisch-subjektivistischen Konnotationen noch um einiges problematischere – Bezeichnung ,raw feels‘ blicher; siehe etwa Rorty 1979, 24. Autoren, die die Annahme unbewusster Qualia fr sinnvoll halten, sind nicht mehr als die berhmte Ausnahme, die die Regel besttigt, wie etwa Rosenthal 1990 oder Burge 1997. Vgl. etwa Lormand 1996.
1. Was ist phnomenales Bewusstsein?
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Klar zu sein scheint lediglich, dass jede Instanziierung der Eigenschaft des Bewusstseins notwendig eine mentale Instanz (Zustand, Ereignis etc.) impliziert. Ein umgekehrtes (notwendiges) Bedingungsverhltnis scheint jedoch fr viele nicht vorzuliegen. Das heißt, zwar sind trivialerweise alle Bewusstseinsvorkommnisse mentale Vorkommnisse, nicht jeder wrde aber die Behauptung unterschreiben, dass alle mentalen Vorkommnisse notwendig die Eigenschaft des Bewusstseins aufweisen, und noch weniger, dass mentale Vorkommnisse hinreichend durch diese Eigenschaft charakterisiert werden kçnnten. Die Mçglichkeiten der Zuordnung zwischen mentalen Instanzen und Bewusstseins-Instanzen hngen freilich wesentlich auch davon ab, was man unter der Eigenschaft des Bewusstseins versteht. Wenn man Bewusstsein fr die Wie-es-ist-Eigenschaft des Vorliegens bzw. Habens von mentalen Zustnden seitens eines Subjekts dieser Zustnde reserviert, dann ist es natrlich sinnlos zu behaupten, es gebe mentale Zustnde, die nicht bewusst sind. Denn mentale Zustnde sind wesentlich Zustnde von etwas oder jemandem (Personen, Organismen, biologischen oder nicht-biologischen Systemen) und keine realen Vorkommnisse oder Ereignisse, die unabhngig davon existierten, wovon oder von wem sie Zustnde sind bzw. wem oder was sie zugeschrieben werden. Wenn also mentale Zustnde immer Zustnde von jemandem (oder etwas) sind und Bewusstsein wesentlich darin besteht, dass es fr einen Trger von Zustnden irgendwie ist, dieser Trger zu sein bzw. mentale Zustnde zu haben, dann ist jede Rede vom Vorliegen oder Haben von nicht-bewussten mentalen Zustnden schlicht sinnlos. Es gibt aber auch eine andere wichtige Verwendungsweise des Attributs bewusst, nach welcher nicht nur nicht alle mentalen Zustnde Bewusstseinszustnde sind, sondern Bewusstsein berhaupt keine intrinsische und keine exklusive Eigenschaft mentaler Zustnde ist. So unterscheidet D. M. Rosenthal in einem einflussreichen Artikel (Rosenthal 1990)5 zwischen zwei mçglichen, grundlegend verschiedenen Entitten, denen die Eigenschaft des Bewusstseins zugeschrieben werden kann, und entsprechend zwischen zwei verschiedenen Bewusstseinsinstanzen, nmlich zwischen dem sogenannten „kreatrlichen Bewusstsein“ (creature consciousness) und dem „Zustandsbewusstsein“ (state consciousness). Letzteres ist, wie der Name schon sagt, eine Eigenschaft mentaler Zustnde, whrend Ersteres eine Eigenschaft von bewussten Wesen, Organismen oder Systemen ist. Rosenthals Bestimmung zufolge kçnnen zwar nur Wesen mit kreatrlichem Bewusstsein bewusste mentale Zustnde 5
Eine rezentere und klarere Version seiner Theorie findet sich in Rosenthal 2002.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
haben, nicht alle mentalen Zustnde eines bewussten Wesens sind jedoch Bewusstseinszustnde (vgl. Rosenthal 1990, 729 ff.). Gemß dieser Unterscheidung gibt es auch zwei voneinander unabhngige Fragen, die man bei der Erklrung der Eigenschaft des Bewusstseins stellen kann. Die eine Frage ist hnlich jener, die bei Nagel & Co. prominent fungiert, nmlich, was es heißt, dass Wesen Bewusstsein haben bzw. wie es fr jemanden ist, bewusste mentale Zustnde zu haben. Die entscheidende Frage fr Rosenthal ist allerdings eine andere, und zwar jene, wie man den Unterschied zwischen bewussten und nicht-bewussten mentalen Zustnden eines bewusstseinsbegabten Wesens (d. i. eines Wesens mit kreatrlichem Bewusstsein) festlegen kann. Die entscheidende Frage, die durch Antworten auf Wie-es-ist-Fragen fr Rosenthal prinzipiell nicht beantwortet werden, ist also, was es heißt, dass mentale Zustnde bewusst sind (wenn sie bewusst sind) – und nicht, was es heißt, dass Wesen bewusste mentale Zustnde haben (kçnnen) oder wie es fr Wesen (mit kreatrlichem Bewusstsein) ist, Bewusstseinszustnde zu haben. Rosenthals These ist nun, dass man auf diese Frage nur dann eine informative Antwort erhalten wird und mithin nur dann eine nicht-triviale Erklrung der Eigenschaft des (Zustands-) Bewusstseins wird liefern kçnnen, wenn man die Eigenschaft des Bewusstseins nicht allen mentalen Zustnden zuschreibt und/oder sie als eine intrinsische Eigenschaft dieser Zustnde auffasst. Wenn man sie nmlich allen mentalen Zustnden zuschriebe, so msste man trivialerweise annehmen, dass ,mentaler Zustand‘ und ,Bewusstseinszustand‘ koextensive Terme sind. Wenn sie aber koextensiv sind, schließt jede (extensionale) Bestimmung von Bewusstsein eo ipso eine Bestimmung mentaler Zustnde ein. Eine Erklrung dessen, was es heißt, dass mentale Zustnde bewusst sind, kann auf diese Art und Weise nicht nicht-zirkulr erfolgen. Dass wir normalerweise und wohl auch zu Recht die Extension des Attributs ,mental‘ durch Rekurs auf bewusste mentale Zustnde festlegen, heißt Rosenthal zufolge nicht, dass mentale Zustnde an und fr sich bzw. dass alle mentalen Zustnde notwendigerweise bewusst sind. Die Erklrung wre Rosenthal zufolge auch dann uninformativ und zirkulr, wenn man – wie einige prominente Autoren in der Philosophie des Geistes – (intentionales oder phnomenales) Bewusstsein als eine intrinsische Eigenschaft zumindest einiger mentaler Zustnde (wie etwa Erfahrungen, kçrperliche Empfindungen etc.) auffassen wrde.6 Doch was wrde es berhaupt 6
Vgl. etwa Searle 1992, 96 ff.; Chalmers 1996, 153 f.; siehe dazu mehr unten, Kap. I. 4. und I. 5.
1. Was ist phnomenales Bewusstsein?
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heißen, Bewusstsein als eine intrinsische Eigenschaft aufzufassen? Was sind intrinsische Eigenschaften? Eine Eigenschaft ist, in dem hier relevanten Sinn, intrinsisch, wenn sie nicht relational ist.7 Es gibt zwei Weisen, die Relationalitt einer Eigenschaft zu bestimmen. Eine Eigenschaft ist relational, entweder wenn sie von einer anderen Eigenschaft der Entitt, die die betreffende Eigenschaft aufweist, (logisch und/oder metaphysisch) abhngig ist, und/oder wenn die betreffende Entitt selbst von etwas anderem abhngig ist. Das heißt, eine Eigenschaft kommt etwas genau dann intrinsisch zu, wenn deren Existenz weder von einer anderen Eigenschaft der Entitt, die diese Eigenschaft aufweist, abhngt, noch von etwas, das der betreffenden Entitt ußerlich ist, oder berhaupt von einer Beziehung abhngt, die diese Entitt zu etwas anderem hat (vgl. Rosenthal 1990, 736).8 Die Behauptung, dass mentale Zustnde intrinsisch die Eigenschaft des Bewusstseins aufweisen, wre nach dieser Bestimmung quivalent mit der Behauptung, dass alle mentalen Zustnde (notwendig) Bewusstseinszustnde sind. Denn wenn es keine Eigenschaft oder Entitt gbe, die mentale Zustnde aufweisen oder zu der sie in irgendeiner (extrinsischen oder kontingenten) Relation stehen mssen, um mentale Bewusstseinszustnde zu sein, und es entsprechend keinen (einzigen) mentalen Zustand gbe, der in einer Relation zu etwas anderem stehen muss, damit er die Eigenschaft des Bewusstseins aufweist, dann lsst sich diese Behauptung trivialerweise auch positiv reformulieren, wonach jeder mentale Zustand diese Eigenschaft (notwendigerweise) aufweisen muss – wobei diese Behauptung wiederum darauf hinausluft, dass mentale Zustnde intrinsisch die Eigenschaft des Bewusstseins aufweisen. Eine solche Bestimmung des Bewusstseins ist jedoch nach Rosenthal, wenn nicht gar zirkulr, so zumindest uninformativ: Die Behauptung, alle mentalen Zustnde seien bewusste mentale Zustnde (oder alle weisen intrinsisch diese Eigenschaft auf ), lsst nmlich Rosenthals Ausgangsfrage, was es heißt, dass ein mentaler Zustand bewusst ist, unbeantwortet. Um dieser explanatorischen Zirkularitt zu entgehen, schlgt Rosenthal daher vor, die Eigenschaft mentaler Zustnde, bewusst zu sein, durch Zustnde, die mental, aber nicht bewusst sind, zu erklren. Es geht darum, 7
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Diese Bestimmung ist von anderen Verwendungsweisen des Attributs ,intrinsisch‘, wie sie in der Philosophie des Geistes auch gelufig sind und ich selbst auch weiter unten z. T. verwende, etwa im Sinne von ,wesentlich‘ oder auch ,notwendig‘, zu unterscheiden. Vgl. auch Segal 2000, 1 ff. Siehe dazu auch die Erluterungen in Searle 1992, 98 f.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
die Eigenschaft eines mentalen Zustands, bewusst zu sein („a state’s being a conscious state“), durch das Bewusstsein von einem solchen Zustand („our being conscious of that state“) zu erklren (vgl. Rosenthal 2002, 406; 1990, 734 f.). Das positive Erklrungsmodell Rosenthals besteht im Wesentlichen darin, dass Wesen bewusste mentale Zustnde genau dann haben, wenn sie mentale Zustnde haben, die sich auf mentale Zustnde beziehen. Mentale Zustnde, die sich auf etwas beziehen oder Zustnde von/ber etwas sind, sind sogenannte transitive (Bewusstseins-)Zustnde. Bewusste mentale Zustnde sind demgegenber intransitiv, wenn sie kein direktes (Bezugs-)Objekt („direct object“) haben (vgl. Rosenthal 1990, 737). Sie haben kein Objekt, sondern lediglich, so kçnnte man sagen, eine bestimmte Eigenschaft, nmlich bewusst zu sein. Ein mentaler Zustand ist diesem Modell zufolge genau dann (intransitiv) bewusst, wenn es ein Wesen (mit einem kreatrlichen Bewusstsein) gibt, das einen transitiven mentalen Zustand hat, der sich auf jenen Zustand bezieht. Mehr noch, Rosenthal zufolge ist das transitive Bewusstsein von einem mentalen Zustand konstitutiv dafr, dass ein mentaler Zustand (intransitiv) bewusst ist. Die Eigenschaft eines mentalen Zustands, bewusst zu sein, besteht in nichts anderem als darin, dass es jemanden gibt, der sich seiner (d. i. dieses Zustands) bewusst ist (vgl. Rosenthal 1990, 739). Die Eigenschaft des transitiven Bewusstseins, sich auf etwas zu beziehen, und die Eigenschaft eines mentalen Zustands, bewusst zu sein, d. i. die Eigenschaft des Zustandsbewusstseins, sind zwei unabhngige Eigenschaften mentaler Zustnde. Entsprechend ist fr Rosenthal die Erklrung dessen, was es heißt, dass mentale Zustnde bewusste Zustnde sind, und die Erklrung dessen, wie sich ein mentaler Zustand auf etwas bezieht bzw. einen Bewusstseinsinhalt hat, voneinander unabhngig (vgl. Rosenthal 2002, 407). Transitive Zustnde selbst kçnnen, mssen aber nicht Bewusstseinszustnde sein. Sie sind dann nicht bewusst, wenn sie nicht selbst von einem transitiven Bewusstsein (das sich nmlich auf sie richtet) begleitet werden.9 Entscheidend ist, dass mentale Zustnde als solche unter keinen Umstnden etwas zum Objekt haben kçnnen, das heißt mentale Zustnde selbst kçnnen nicht etwas bewusst haben, sondern eben nur (intransitiv) bewusst sein. Etwas (transitiv) bewusst haben kçnnen nur Wesen (die 9
Diesbezglich ist Rosenthal ambivalent, nennt er doch transitive mentale Zustnde stets „transitive consciousness“, gleichwohl ist nicht nur der Sache nach klar, dass transitive Zustnde nicht notwendig Bewusstseinszustnde sind, es gibt auch klare Stellen fr die These, dass transitive mentale Zustnde nicht immer (intransitiv) bewusst sind, vgl. Rosenthal 1990, 737; siehe dazu auch Rosenthal 2002.
1. Was ist phnomenales Bewusstsein?
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Bewusstsein haben) und solche Wesen kçnnen nicht nur Meinungen, Wnsche, Schmerzen etc., sondern eben auch mentale Zustnde (transitiv) bewusst haben. Einer anderen dominanten Strçmung der Philosophie des Geistes zufolge wird Bewusstsein in erster Linie nicht als eine Eigenschaft mentaler Zustnde verstanden, sondern als eine funktionale Eigenschaft reprsentationaler Zustnde. Reprsentationale Zustnde werden dabei als Zustnde gefasst, die die Funktion haben, Eigenschaften oder Tatsachen, die diesen Zustnden extrinsisch sind, zu reprsentieren. Die Theorie, der zufolge das wesentliche Merkmal des Bewusstseins in seiner Funktion, etwas ihm Externes zu reprsentieren, d. i. intern fr das System, das die Eigenschaft des Bewusstseins aufweist, abzubilden, bezeichnet man blicherweise als Reprsentationalismus. Der moderne Reprsentationalismus in der Philosophie des Geistes unterscheidet sich vom klassischen Sinnesdaten-Reprsentationalismus oder Impressionalismus im Wesentlichen durch zwei Charakteristika: zum einen dadurch, dass der moderne Reprsentationalismus die Mçglichkeit mentaler Reprsentation nicht von der faktischen Existenz externer Entitten, Objekte oder Sachverhalte abhngig macht, sondern vielmehr auch inaktueller/potenzieller, aber auch inexistenter Reprsentanden Rechnung trgt, und zum anderen dadurch, dass er mentale Reprsentanten nicht (oder nicht immer) als innere Stellvertreter oder Abbilder ( la Locke etwa), sondern mentale Reprsentation als eine dynamische, genauer, funktionale Eigenschaft von bestimmten (intentionalen) Zustnden konstruiert.10 Der moderne Reprsentationalismus geht meist Hand in Hand mit einer naturalistischen Ontologie des Mentalen, wobei die reprsentationale Erklrung des Bewusstseins den ersten und zugleich entscheidenden Schritt der Naturalisierung des Geistes bildet. Der zweite Schritt besteht dann meist darin, das Reprsentationsmodell in einen kausalen Erklrungsrahmen einzubetten, wonach Reprsentationssysteme in einer kausalen Verbindung zu ihrer Umwelt stehen, welche sie abbilden und von der sie zugleich den relevanten sensorischen Daten-Input beziehen.11 F. Dretske ist einer der prononciertesten Vertreter einer solchen naturalistischen cum reprsentationalistischen Theorie des Mentalen.12 Dretskes Projekt, sein sogenannter „reprsentationaler Naturalismus“, 10 Vgl. Seager/Bourget 2007, 261 f. 11 Auf die spezielleren, sog. Reprsentationalen Theorien der Intentionalitt gehe ich weiter unten ausfhrlich ein, siehe Kap. II. 1.1., II. 1.2. 12 Ein anderer wichtiger Reprsentationalist ist Tye 1995.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
besteht darin, eine naturalistische Beschreibung der Eigenschaft des Bewusstseins zu liefern, indem er zu erklren versucht, worin die reprsentationale Funktion mentaler Zustnde besteht und welchem (evolutionren) Zweck sie fr Wesen mit mentalen Zustnden dient. Naturalistisch ist Dretskes Bewusstseinsmodell, sofern es zum Ziel hat, eine „biologisch plausible Antwort auf Fragen nach der Funktion oder dem Zweck des Bewußtseins“ zu liefern. Die Reprsentationsthese in Bezug auf das Mentale, welche zugleich die Grundannahme des reprsentationalen Naturalismus bildet, besagt nach Dretske zunchst, dass alle mentalen Tatsachen reprsentationale Tatsachen sind und reprsentationale Tatsachen solche sind, die Tatsachen in Bezug auf reprsentationale Funktionen sind (vgl. Dretske 1995, 9). Fr Dretske gibt es keinen explanatorisch relevanten Unterschied zwischen der reprsentationalen Funktion mentaler Zustnde und der Reprsentationsleistung nicht-mentaler Systeme, wie etwa der Funktion von Tachometern, Geschwindigkeit anzuzeigen. Gemß der Reprsentationsthese hat jede Reprsentation, ob mental oder nicht (und ob konventionell oder natrlich, vgl. Dretske 1995, 17 ff.), eine reprsentationale Funktion, wobei eine Funktion relativ zum Zweck eines Systems oder eines Zustands ist. Reprsentationale Funktionen haben den Zweck, Informationen fr das jeweilige System zu liefern (vgl. Dretske 1995, 16 f.). Entsprechend ist jeder Zustand eines Systems, das die Funktion hat, eine Eigenschaft zu reprsentieren, indem es fr das System Informationen ber die Eigenschaft liefert, ein reprsentationaler Zustand. Ein Zustand ist also genau dann ein reprsentationaler Zustand, wenn er ein Zustand eines Systems ist, das die Funktion hat, etwas zu reprsentieren, und etwas hat die Funktion, eine Eigenschaft zu reprsentieren, wenn es genau dafr da ist, eine Information fr das System bezglich der betreffenden Eigenschaft zu bermitteln:13 „Der Grundgedanke [der Reprsentationstheorie; T. Sz.] ist der, daß ein System S eine Eigenschaft F dann und nur dann reprsentiert, wenn S die Funktion hat, das F eines bestimmten Gegenstandsbereichs anzuzeigen (Informationen ber es zu liefern).“ (Dretske 1995, 14)14 13 Der Zusatz ,dafr da ist‘, ist insofern wichtig, als nicht alles, was Informationen fr ein System bermittelt, auch schon die Funktion hat, dies zu tun. 14 Verschiedene brauchbare allgemeine Formulierung der Reprsentationsthese bzw. des Reprsentationalismus finden sich bei Sterelny 1990, 19 ff.; Kemmerling 1991, 48; Heckmann/Esken 1998; Willaschek 2000b, 484; 2003, 105 f. bzw. in den kanonischen Arbeiten von J. Fodor (Fodor 1987; 1990); eine gute berblickdarstellung bietet Schumacher 1997; siehe dazu auch Kap. II. 1.1. und II. 1.2.
1. Was ist phnomenales Bewusstsein?
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Doch wo kommt hier Bewusstseins ins Spiel, und was, wenn berhaupt, unterscheidet mentale Zustnde von bewussten mentalen Zustnden? Fr Reprsentationalisten wie Dretske ist die Eigenschaft des Bewusstseins, wenig erstaunlich, nichts anderes als eine reprsentationale Funktion. Das heißt, die Klasse der reprsentationalen (mentalen) und die Klasse der bewussten (mentalen) Zustnde sind dem Reprsentationalismus zufolge koextensiv. Die Reprsentationsthese ist dabei in einem maximalen Sinne zu verstehen, sie erstreckt sich also auf smtliche Bewusstseinszustnde und auf smtliche Eigenschaften dieser Zustnde, also auch auf die sogenannten Qualia. Dretske ist diesbezglich unmissverstndlich, ja gerade darin besteht die Pointe seines Bewusstseinsmodells (vgl. Dretske 1995, 9): „Die Reprsentationsthese identifiziert die Erfahrungsqualitten – die Qualia – mit den Eigenschaften, mit denen die Gegenstnde reprsentiert werden.“ (Dretske 1995, 73) Die Funktion des Bewusstseins besteht demnach in nichts anderem, als eben darin, etwas fr ein System, das diese (funktionale) Eigenschaft hat, zu reprsentieren oder eben, zu Bewusstsein zu bringen: „Bewusste mentale Zustnde sind diejenigen Zustnde, die einem etwas zu Bewusstsein bringen“ (Dretske 1995, 121). Was einen mentalen Zustand bewusst macht, ist also nicht, dass jemand sich dieses Zustands bewusst ist oder bewusst wird, sondern vielmehr, dass jemand oder etwas (ein Reprsentationssystem) etwas anderes gewahr wird als des Zustands selbst oder dessen, was dem Zustand intern ist, gewahr wird. Das heißt, wie Dretske explizit betont, freilich nicht, dass man seiner eigenen Bewusstseinszustnde nicht gewahr wre, sondern lediglich, dass Bewusstsein eben nicht darin besteht, sich seiner eigenen Zustnde, sondern vielmehr Eigenschaften und Tatsachen, die diesen Zustnden extern sind, bewusst zu sein oder dieser gewahr zu werden (vgl. Dretske 1993, 431 ff.). Neben durchgngig reprsentationalistischen Modellen des Bewusstseins ( la Dretske) finden sich auch Autoren, die lediglich einen kognitiven Teilaspekt des Bewusstseins fr reprsentational halten. So unterscheidet etwa N. Block – einer der wichtigsten Vertreter und zugleich Kritiker des Funktionalismus in der Philosophie des Geistes15 – in einem vielzitierten Artikel (Block 1995) zwei verschiedene Konzeptualisierungen von Bewusstsein, denen zwei grundlegend verschiedenen Typen von Bewusstseinsinstanzen entsprechen, nmlich: das phnomenale Bewusstsein und das (nicht-phnomenale) Zugangsbewusstsein (phenomenal bzw. access-consciousness). Das Zugangsbewusstsein ist jener Bewusstseinstyp, den man 15 Vgl. Block 1978. Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 1.2. und II. 1.3.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
blicherweise mit dem Haben von Bewusstsein im Sinne von Wachheit, Gewahrsein bzw. rationaler Kontrolle und Entscheidungsfhigkeit assoziiert. Jedes Zugangsbewusstsein ist (transitives) Bewusstsein von etwas und besitzt mithin notwendig einen reprsentationalen Gehalt. Das Zugangsbewusstsein kann ferner hinreichend durch seine spezifisch funktionale Rolle, fr ein System Informationen zu verarbeiten und direkten Einfluss auf die Kontrolle von Gedanken und Handlungen ausben zu kçnnen, charakterisiert werden. Was einen Zustand zu einer Instanz von Zugangsbewusstsein macht, ist dessen reprsentationaler Gehalt, der eine gewisse kognitive und/oder verhaltensrelevante Wirkung im System, das es aufweist, ausbt. Demgegenber ist das phnomenale Bewusstsein nicht notwendig transitiv und kann nicht hinreichend durch seine funktionale Rolle fr informationsverarbeitende Systeme oder seinen reprsentationalen Gehalt bestimmt werden (vgl. Block 1995, 383, 389). Der Gehalt phnomenalen Bewusstseins ist nicht reprsentational, sondern eben phnomenal. Der Gehalt eines Zustands phnomenalen Bewusstseins ist nichts anderes als der nagelsche, sinnliche Erlebnisgehalt des Vorliegens oder Habens bestimmter Erfahrungen, wobei Zustnde phnomenalen Bewusstseins selbst Erlebniszustnde sind. Der phnomenale und der reprsentationale Gehalt sind demnach zwei distinkte Eigenschaften von Bewusstseinszustnden, wobei deren Vermengung bzw. die Reduktion der einen Eigenschaft auf die andere Block zufolge die wichtigste Quelle einer Reihe irriger Annahmen ber die Eigenschaft und Funktion des Bewusstseins ist – insbesondere der Annahme, dass man die phnomenale/ intransitive Eigenschaft von Bewusstseinszustnden, bewusst zu sein, durch das transitive Bewusstsein-von Gegenstnden des Bewusstseins bzw. dem (transitiven) Zugang zu Bewusstseinszustnden ( la Rosenthal) erklren kçnnte.16
16 Siehe dazu auch C. Siewerts originelle Kritik an Erklrungsmodellen des Bewusstseins la Rosenthal bzw. seine Rede von der ,Falle des Bewusstseins-von‘ (,consciousness-of‘ trap), bei Siewert 1999, 194 ff.
2. Relationalismus, Objektualismus und Aktualismus Es lassen sich also zunchst zwei dominante Interpretationslinien hinsichtlich des Verhltnisses von Bewusstseins und dem Mentalen identifizieren: Auf der einen Seite positionieren sich all jene, die meinen, dass Bewusstsein eine intrinsische Eigenschaft mentaler Zustnde ist, nmlich jene spezifisch qualitative oder phnomenale Eigenschaft, die darin besteht, dass es fr jemanden, der mentale Zustnde hat, irgendwie ist, solche Zustnde zu haben, oder ein Wesen, das solche Zustnde hat, zu sein. Auf der anderen Seite haben wir das Lager jener, die meinen, dass Bewusstsein keine intrinsische, sondern vielmehr eine relationale Eigenschaft ist, die entweder davon abhngt, dass jemand seiner eigenen mentalen Zustnde bewusst ist, oder davon, dass jemand etwas bewusst hat bzw. sich in einem mentalen (Bewusstseins-)Zustand befindet, der etwas (ein Objekt, eine Eigenschaft, eine Tatsache etc.) reprsentiert. Das zweite Lager – das Lager jener, die man Relationalisten nennen kçnnte – lsst sich wiederum mit einer treffenden Charakterisierung M. Rowlands unterteilen, indem man sogenannte vertikale bzw. horizontale Strategien unterscheidet (vgl. Rowlands 2001, 14 ff.). Vertikale Strategien versuchen zu erklren, was mentale Zustnde zu Bewusstseinszustnden macht, indem sie Bewusstsein als eine Eigenschaft konstruieren, die entweder auf nicht-mentalen (neurophysiologischen, funktionalen, komputationalen etc.) oder auf mentalen, aber nicht-bewussten Eigenschaften, Zustnden oder Ereignissen gleichsam aufbaut.17 (Rosenthal wre gemß dieser Kategorisierung der typische Vertreter jener vertikalen Erklrungsstrategie, welche Bewusstsein als hçherstufige Eigenschaft nicht-bewusster mentaler Zustnde zu erklren versucht.18) Horizontale Versionen des Relationalismus versuchen demgegenber eine Antwort auf die Frage zu geben, was mentale Zustnde bewusst macht, indem sie Bewusstsein 17 Rowlands unterscheidet entsprechend nochmals zwei Typen von vertikalen Strategien, je nachdem, ob sie Bewusstsein als eine Eigenschaft, die auf Mentalem oder aber auf Nicht-Mentalem aufbaut, fassen, wobei die zwei Typen demnach auch den jeweiligen Versuchen korrespondieren, entweder das mind/body- oder das sog. mind/mind-Problem zu lçsen; vgl. Rowlands 2001, 14 – 22. 18 Andere wren u. a. Armstrong 1981; Lycan 1996, 1997 und Carruthers 2000; siehe dazu mehr unten, Kap. III. 3.2.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
gleichsam auf eine Linie mit dem stellen, was nicht-bewusst, oder besser, durch das erklren, was bewusstseinstranszendent ist. In Rowlands’ pointierter Metaphorik gesprochen: Horizontal strategies are characterized by the attempt to explain phenomenal consciousness not by building it up out of neural or functional components [as vertical strategies; T. Sz], but by, figuratively speaking, pulling out consciousness into the world. That is, very roughly, a horizontal strategy will try to show that the principal features of phenomenal consciousness are constituted not by features of neural or functional activity but, rather, by features of the world in which this activity is situated. (Rowlands 2001, 22)
Horizontale Erklrungsstrategien sind typischerweise Versionen des Reprsentationalismus, demzufolge die phnomenale Eigenschaft des Bewusstseins durch reprsentationale Eigenschaften konstituiert wird, wobei reprsentationale Eigenschaften selbst durch dasjenige individuiert werden, was außerhalb des Bewusstseins vorfindlich ist bzw. in irgendeiner relational spezifizierbaren Beziehung zu solchem steht. Die entsprechenden Versuche einer Reduktion des phnomenalen Wie-es-ist-Aspekts bewussten Erlebens auf den reprsentationalen Gehalt von Bewusstseinszustnden und/oder die reprsentationale Funktion von Bewusstseinsakten stellen jedenfalls die dominierende Tendenz der gegenwrtig gelufigen naturalistischen Theorien des Mentalen dar. Und es ist wohl kaum eine bertreibung zu sagen, dass die allermeisten anti- oder nicht-naturalistischen Erklrungsstrategien des (phnomenalen) Bewusstseins nicht viel mehr sind als mehr oder weniger berzeugende Kritiken der betreffenden Reprsentationsmodelle. Was nun jedenfalls alle relationalen Erklrungsstrategien des phnomenalen Bewusstseins teilen (also sowohl die vertikalen als auch die horizontalen), ist die Grundannahme, dass die Wie-es-ist-Eigenschaft des Bewusstseins eine objektive, oder besser, ,objekthafte‘ Eigenschaft bewusster mentaler Zustnde ist, eine Eigenschaft, welche selbst zum Gegenstand des Bewusstseins gemacht werden kann. Rowlands kennzeichnet diese Grundannahme, wiederum sehr treffend, als objectualism (vgl. Rowlands 2001, 136 ff., 149 ff.).19 Der Objektualismus ist – anders als die jeweiligen Reprsentationsmodelle – weniger eine systematische Theorie des Bewusstseins, den irgendjemand explizit vertreten wrde, vielmehr 19 Siehe auch Rowlands 2008, da er mit Blick auf den irreduzibel erst-personalen, transzendentalen Charakter von Bewusstseinserlebnissen den Objektualismus als These bezglich des reprsentationalen Inhalts (und nicht des Objekts) von Bewusstseinserlebnissen reformuliert.
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bildet er gleichsam den metatheoretischen Interpretationsrahmen, innerhalb dessen sich die relationalen Charakterisierungen des phnomenalen Bewusstseins bewegen. Der objektualistischen Interpretation zufolge lsst sich der phnomenale Aspekt von Bewusstseinserlebnissen entweder als ein (reprsentiertes) Objekt – eine Art phnomenale Einzelheit bzw. ein intrinsisches mentales Vorkommnis – oder aber als (reprsentationaler) Inhalt von Bewusstseinszustnden fassen.20 Wofr man aber auch pldiert, die Art und Weise der Gegebenheit eines Bewusstseinsinhalts oder -objekts bzw. das ,Wie‘ des Habens oder Vorliegens eines mentalen Zustands fr das betreffende Individuum wird in ein gegenstndliches ,Was‘ transformiert: Wie es fr jemanden ist, ein Bewusstseinserlebnis zu haben, wird konstruiert als dasjenige, was jemand bewusst hat, wenn jemand ein Bewusstseinserlebnis hat. Die Wie-es-ist-Eigenschaft von Bewusstseinserlebnissen wird also als ein Gegenstand oder Inhalt eines (transitiven) Bewusstseins-von oder als eine spezielle, erst-personale Gegebenheit gedeutet. Das heißt, der Objektualismus interpretiert das phnomenale Bewusstsein als etwas, von dem man selbst ein (transitives) Bewusstsein haben kann bzw. dessen ein Subjekt (introspektiv und/oder transitiv) gewahr werden oder zu dem es einen spezifischen Zugang haben kann – analog dazu, wie man auch zu bewusstseins-externen Gegenstnden Zugang hat, außer dass es sich hier um einen introspektiven und wesentlich erst-personalen Zugang handelt. Der Objektualismus ist immer auch und wesentlich eine reprsentationalistische Interpretation des Bewusstseins, insofern er die Eigenschaft des Bewusstseins mit Bezug auf seine reprsentationalen Eigenschaften und Funktionen (horizontale Strategien) und/oder selbst als ein Objekt von (meta-)reprsentationalen Bewusstseinsakten bzw. von sonstigen reprsentationalen Systemprozessen wie etwa jenen des Gehirns (vertikale Strategien) interpretiert.21 Eine Zurckweisung des Objektualismus impliziert von daher eine Zurckweisung des Reprsentationalismus in Bezug auf das phnomenale Bewusstsein insgesamt. Nun impliziert jedoch eine 20 Fr Letzteres pldiert etwa Tye 1995, 137, 155. 21 Eine alternative Taxonomie schlagen Heckmann/Esken 1998 in ihrer brauchbaren Darstellung der verschiedenen reprsentationalen Theorien des Bewusstseins vor: Sie unterscheiden u. a. zwischen Theorien, die Bewusstsein als „ursprngliche Reprsentation“ (etwa Dretske 1993 und 1995; Tye 1995) und jenen, die es als „metamentale Reprsentation“ (etwa Rosenthal 1990 und 2002; Lycan 1996, 1997; Metzinger 1999) fassen – eine Unterscheidung, die in etwa jener zwischen horizontalen und vertikalen Strategien von Rowlands entspricht; vgl. Heckmann/ Esken 1998, 20 – 35.
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Zurckweisung des Objektualismus mitnichten, dass man leugnen msste, dass Bewusstseinsakte stets auch eine reprsentationale Funktion haben oder dass alle Bewusstseinszustnde reprsentationale Zustnde sind, oder auch, dass Bewusstseinsakte und -Zustnde selbst zum Objekt hçherstufiger Bewusstseinsakte oder nachtrglicher Reflexionen gemacht werden kçnnen (vgl. Rowlands 2001, 209 f.). Was die Zurckweisung des Objektualismus allerdings impliziert, ist die Zurckweisung der Annahme, dass die Eigenschaft des Bewusstseins einzig und allein in seiner reprsentationalen Funktion besteht bzw. dass die Eigenschaft des phnomenalen Bewusstseins selbst – das ,Wie‘ bewusster Erlebnisse oder die Akt-Modalitt des Reprsentierens – zum (reprsentationalen) Gegenstand gemacht werden kann, wie eben jeder andere (reprsentierte oder intentionale) Gegenstand des Bewusstseins. Die Grundannahme, die zur Zurckweisung des Objektualismus cum Reprsentationalismus fhrt, ist, dass das Spezifische der Eigenschaft des Bewusstseins seine Struktur ist und dass diese Struktur wesentlich und intrinsisch eine eigentmliche Dualitt aufweist: Bewusstsein ist demnach eine (bzw. die einzige) Eigenschaft, die sowohl einen Objekt-Charakter als auch einen Akt-Charakter aufweist. Bewusstsein ist also eine Eigenschaft, die als Objekt von Bewusstseinserlebnissen und als der jeweils okkurrente Bewusstseinsakt (welcher entweder ein bewusstseinstranszendentes Objekt oder selbst ein Bewusstseinsvorkommnis zum Gegenstand haben kann) instanziiert werden kann. What is peculiar to consciousness is its structure, in particular, its dual structure. Consciousness can be both object and act of experience. Metaphorically speaking, consciousness can be both the directing of awareness and that upon which awareness is directed. Consciousness can include both experiential features of which we are aware, and experiential features with which we are aware. This bifurcation lies at the core of consciousness; consciousness is essentially hybrid […]. (Rowlands 2001, 122)
Mit anderen Worten, Bewusstsein kann nicht nur zum Gegenstand bewusster Erlebnisse bzw. hçherstufiger mentaler (Bewusstseins-)Akte gemacht werden oder als eine reprsentationale Eigenschaft dessen, wovon man Bewusstseinserlebnisse hat, interpretiert werden; Bewusstsein ist zugleich immer auch und wesentlich selbst jene Eigenschaft von Bewusstseinserlebnissen, vermittels dessen jemandem etwas gegeben ist bzw. bewusstseinsmßig erscheint. Das ist der Kernaspekt des vielbeschworenen phnomenalen Bewusstseins. Dieser Aspekt ist genau insofern kein Objekt oder reprsentationaler Inhalt von Bewusstseinserlebnissen, -zustnden oder -akten, als er selbst
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wesentlich ein Akt-Charakter, genauer, der Vollzugs- oder Erlebnischarakter jeder Instanziierung von Bewusstsein ist. Jedes Bewusstsein – d. i. jede Instanziierung eines Bewusstseinsaktes oder -erlebnisses – ist nicht nur Bewusstsein von einem Gegenstand, sondern jede Instanziierung von Bewusstsein weist darber hinaus das intrinsische Merkmal auf, etwas fr jemanden, der einen Bewusstseinsakt vollzieht, sich in einem bewussten mentalen Zustand befindet oder ein Bewusstseinserlebnis hat, (unter einem jeweils bestimmten Aspekt) zu prsentieren. Entsprechend ist in jedem Bewusstseinsakt das bewusstseinsmßig gegebene Objekt einerseits vom modalen Aspekt der Art und Weise der Gegebenheit des Gegenstandes und andererseits vom (aktbezogen: okkurrenten) Vollzugs- bzw. dem (subjektbezogen: phnomenalen) Erlebnischarakter des Gegebenseins zu unterscheiden. Der springende Punkt der anti-objektualistischen Konzeption des phnomenalen Aspekts des Bewusstseins ist nun, dass diese (re)prsentationale und zugleich phnomenale Eigenschaft von Bewusstseinserlebnissen, vermittels welcher etwas im Bewusstsein berhaupt gegeben ist, weder auf die Art und Weise der Gegebenheit noch auf die Gegebenheit selbst, also auf keine Eigenschaften des bewusstseinsmßig so-und-so-gegebenen Gegenstandes reduziert werden kann. Diese phnomenale Eigenschaft ist vielmehr (transzendentale) Bedingung der Mçglichkeit bewusstseinsmßiger Gegebenheit von etwas und folglich keine (reprsentationale) Eigenschaft der jeweiligen Gegebenheiten und Gegebenheitsweisen. Obwohl es also kein sozusagen ,pures‘ phnomenales Erlebnis, kein reines bewusstseinsmßiges Gegebensein gibt, ohne dass etwas, und zwar jeweils etwas Bestimmtes, erlebt oder gegeben ist (und mithin immer bestimmte reprsentationale Inhalte im Bewusstsein vorliegen), ist der jeweils okkurrente Erlebnis- oder Aktcharakter bewusster mentaler Zustnde dieser anti-objektualistischen Konzeption zufolge weder auf diese Inhalte noch auf die Art und Weise ihrer Gegebenheit reduzierbar.22 Die phnomenale Eigenschaft des Bewusstseins, etwas als etwas fr jemanden erscheinen zu lassen, ist deshalb nicht auf die objektiven Gegebenheiten und Gegebenheitsweisen reduzierbar, weil sie deren konstitutive Bedingung ist. Dass nun phnomenale Eigenschaften in diesem Sinn transzendentale Bedingung bewusstseinsmßiger Gegebenheit von etwas sind, heißt nichts anderes, als dass jede Gegebenheit relativ ist zur Instanziierung eines Bewusstseinserlebnisses, in dem und vermittels dessen berhaupt etwas fr jemanden auf eine je bestimmte Art und Weise (bewusstseinsmßig) ge22 Vgl. dazu auch Rinofner-Kreidl 2004a, 227.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
geben ist (vgl. Rowlands 2001, 215 f.). Der Anti-Objektualismus (cum Anti-Reprsentationalismus) in Bezug auf das phnomenale Bewusstsein – eine Position, die Rowlands mit Blick auf den wesentlich okkurrenten Vollzugs- bzw. Akt-Charakter von Bewusstseinsinstanzen Aktualismus (actualism) tauft – besagt also kurz: Dass etwas in einem Bewusstseinsakt fr jemanden gegeben ist oder erscheint, kann nicht unter dem subsumiert oder auf das reduziert werden kann, wie etwas oder was darin jeweils gegeben ist. Der Anti-Objektualismus in Bezug auf phnomenale Eigenschaften hat aber nicht nur epistemologische und explanatorische, sondern auch weitreichende ontologische und metaphysische Konsequenzen. So ist es der irreduzibel duale oder hybride Aspekt des Bewusstseins – wonach Bewusstsein sowohl ein prsentationaler oder objektgerichteter Aktcharakter von Erlebnissen ist als auch eine objektive Eigenschaft bewusster mentaler Zustnde und Erfahrungen sein oder als solche interpretiert werden kann –, welcher mit Rowlands gesprochen gleichsam die Realitt selbst entzweit oder aufteilt: „Consciousness is the fault line that splits reality asunder. The world now contains not just objects, but also subjects. The world now contains not just items towards which awareness can be directed, it also contains the directing of awareness itself.“ (Rowlands 2001, 123). Bewusstsein teilt die Realitt in Entitten, die bloß Objekte sind und Entitten, die sowohl Objekte sind (bzw. sein kçnnen) als auch Entitten sind, die Objekte bewusst haben kçnnen, sich auf Objekte richten und beziehen kçnnen und, mehr noch, dabei sich selbst als solche Entitten, sprich als Subjekte, bewusst sind. Subjekte sind dieser Konzeption zufolge genau insofern Subjekte, als sie Objekte bewusst haben (und sich selbst bewusst sind), indem sie sich nmlich auf diese beziehen.23
23 Eine hnliche Konzeption legt T. Nagel (1986) mit seiner sog. DoppelaspektTheorie des Bewusstseins (dual aspect theory) vor: Demnach ist, grob gesprochen, Bewusstsein eine Entitt, die neben ihren objektiven, physikalisch beschreibbaren Aspekten und Eigenschaften auch einen, und zwar auf diese irreduziblen, subjektiven bzw. phnomenalen Aspekt aufweist, wobei dieser Aspekt nur mit Rekurs auf den spezifisch personalen Erlebnisbestand von Subjekten mit einem je eigenen Standpunkt innerhalb der objektiven Realitt zu spezifizieren ist. Vgl. Nagel 1986, insbes. 13 ff., 17 ff. und 28 ff. Allerdings sei hier darauf verwiesen, dass Rowlands – durchaus nicht ganz zu Unrecht, wenn auch m. E. etwas zu tendenziçs – auch Nagel (zumindest Nagel 1974) den Objektualisten zurechnet, siehe Rowlands 2001, 141 ff. Eine (informationstheoretische) Version der Doppelaspekt-Theorie vertritt auch D. Chalmers, siehe Chalmers 1996, 284 ff.
2. Relationalismus, Objektualismus und Aktualismus
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Bewusstsein ist demnach nicht nur wesentlich und notwendig Bewusstsein von etwas, sondern stets auch ein perspektivisch bestimmtes Bewusstsein von etwas. Bewusstsein qua Bezugnehmen-auf, oder korrelativ: qua Gegebensein-fr, impliziert immer einen Standpunkt der Bezugnahme. Etwas bewusst zu haben heißt also weit mehr, als etwas bloß zu reprsentieren. Etwas bewusst zu haben heißt vielmehr und wesentlich, einen je bestimmten subjektiven Standpunkt in der Welt einzunehmen.
3. Phnomenale Eigenschaften, intentionale Phnomene und die Phnomenologie des Bewusstseins Phnomenales Bewusstsein ist also wesentlich eine Eigenschaft, die nur Entitten zukommen kann, die eine bestimmte Perspektive vis--vis anderen Entitten einnehmen kçnnen. Solche Entitten sind einzig und allein Subjekte. Phnomenales Bewusstsein kommt also allein Subjekten zu (wobei Subjekte freilich auch als Objekte fungieren kçnnen). Dasjenige Bewusstsein, das man blicherweise ,phnomenales‘ Bewusstsein nennt, ist, so kçnnte man nach dem Bisherigen auch sagen, das Gewahren oder Gewahrsein dessen, was in Bewusstseinserlebnissen und durch sie deren Subjekt gegenwrtig ist, wobei jede Instanziierung eines Bewusstseinserlebnisses selbst nichts anderes als ein Akt der Gegenwrtigung (bzw. ein Zustand des Gewahrseins) von etwas fr jemanden ist. In gelufigerer Terminologie gesprochen, heißt das, dass jedes Bewusstsein immer und wesentlich Bewusstsein-von, Bewusstsein von etwas ist. Demnach besteht Bewusstsein in nichts anderem als im Gerichtet-sein-auf. Die Eigenschaft der bewusstseinsmßigen Gerichtetheit-auf ist bekanntlich wiederum nichts anderes als jener Grundcharakter von Bewusstseinserlebnissen, der unter dem Titel der Intentionalitt Dreh- und Angelpunkt der phnomenologischen Theorie des Bewusstseins bildet. In Husserls Sptwerk, den Cartesianischen Meditationen, findet sich in seltener definitorischer Klarheit eine der zentralen Formulierungen dieses Gedankens: „Bewusstseinserlebnisse nennt man auch intentionale, wobei das Wort Intentionalitt dann nichts anderes als diese allgemeine Grundeigenschaft des Bewußtseins, Bewußtsein von etwas zu sein […] bedeutet.“ (Hua I, 72)24 Mit Blick auf analytische Theorien der Intentionalitt ist dabei folgende allgemeine Einschrnkung zum explanatorisch-methodologischen Horizont der transzendental-phnomenologischen Theorie von Intentionalitt vorauszuschicken: Fr Husserl besteht nicht nur, wie wir noch sehen 24 Vgl. auch exemplarisch die Paragraphen 36 f. und 84 der Ideen I (Hua III/1, 75 ff. bzw. 187ff ). Siehe dazu auch Husserls frhere terminologische Bemerkungen zum Begriffsfeld ,intentional‘ – ,Intention‘ – ,intentionale Akte und Erlebnisse‘ etc. in Hua XIX/1, 391 ff.
3. Phnomenale Eigenschaften, intentionale Phnomene
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werden, eine unauflçsbare (transzendentale) Korrelation zwischen Intentionalitt und Bewusstsein, wonach nmlich der phnomenologische Begriff des Bewusstseins sich nur mit Rekurs auf die Intentionalitt des Bewusstseins explizieren lsst. Mehr noch, eine phnomenologische Erklrung, oder besser, Aufklrung der Intentionalitt des Bewusstseins hat es nicht zum Ziel, das ,von‘ des Bewusstseins von Gegenstndlichkeit durch Rekurs auf weitere bewusstseinsmßige Eigenschaften und/oder nichtmentale bzw. nicht-intentionale Entitten oder Eigenschaften (reduktiv) zu erklren. Die phnomenologische Theorie der Intentionalitt behauptet denn auch im eigentlichen Sinn nicht mehr, als dass Bewusstsein immer intentionales Bewusstsein-von ist.25 Mit anderen Worten: Das ist die ganze Theorie der Intentionalitt – qua Theorie der Intentionalitt des Bewusstseins26 –, die die transzendentale Phnomenologie in explanatorischer Hinsicht zu bieten hat. Das heißt freilich nicht, dass die phnomenologische Bewusstseinsanalyse qua Intentionalanalyse bzw. die phnomenologische Deskription des Phnomens der Intentionalitt des Bewusstseins sich an diesem Punkt erschçpfte. Was also lsst sich zur allgemeinen Struktur der Intentionalitt des Bewusstseins aus phnomenologischer Perspektive noch sagen? Allem voran ist auf folgende grundlegende phnomenologische Binnendifferenzierung innerhalb intentionaler Bewusstseinserlebnisse hinzuweisen: Analog zur anti-objektualistischen Konzeption ist auch im Rahmen der phnomenologischen Theorie der Intentionalitt in jedem intentionalen Bewusstseinsakt, in dem und vermittels dessen etwas fr jemanden gegeben ist, der gegenstndlich-reprsentationale Aspekt, d. i. der jeweils konkrete Gegenstandsbezug und seine jeweilige modale Gegebenheitsweise (sein Phantasiert-/Gewnscht-/Geglaubt-Sein etc.)27, von seinem phnomenalen Erlebnisaspekt, d. h. dem jeweiligen Vollzugscharakter der intentio25 Vgl. dazu die erhellenden Passagen bei A. D. Smith 2003, 64 ff. 26 An dieser Stelle muss betont werden, dass ich mich hier und im ganzen Folgenden – dem thematischen und methodologischen Fokus der Arbeit entsprechend – auf Husserls Theorie der Intentionalitt des Bewusstseins, oder genauer: der Intentionalitt der (im weiteren Sinne) kognitiven Sphre, beschrnke und mithin Husserls subtilen und nicht minder ausfhrlichen genetisch-phnomenologischen Analysen zu affektiver, praktisch-wertender (axiologischer), volitionaler bzw. konativer Intentionalitt oder auch seine Theorie der sogenannten Triebintentionalitt nicht bercksichtigen werde; siehe dazu insbes. die Husserliana-Bnde: Hua XI, XIV, XV, XVI, XXVIII und die Passagen in Hua I, §§ 38 f. und EU §§ 16 ff. 27 Zur Phnomenologie der qualitativen und thetischen Aktmodalitten siehe genauer unten, Kap. II. 3. bzw. III. 2.2. und III. 2.5.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
nalen Beziehung zu unterscheiden.28 Der phnomenale Erlebnisaspekt ist, phnomenologisch gesehen, ein immanenter Akt-Charakter intentionaler Erlebnisse. Immanent heißt hier zum einen, dass es eine intrinsische und wesentliche Eigenschaft intentionalen Bewusstseins von etwas ist, dass etwas fr jemanden im Bewusstsein bzw. in Bewusstseinserlebnissen gegeben ist, d. i. bewusstseinsmßig erscheint. Zum anderen heißt es, dass dieser Aktcharakter nicht etwas ist, das zum intentionalen Erlebnis gleichsam von außen – etwa durch die qualitativen Eigenschaften der intentionalen Gegenstndlichkeiten – hinzukme oder ihm (kontingenterweise) zugeschrieben werden msste. Der Vollzugscharakter ist vielmehr jedem intentionalen Erlebnis (reell) immanent, sofern dieser Charakter eben ein Erlebnis- oder Aktcharakter ist, und sofern und solange ein intentionales Erlebnis vollzogen wird bzw. instanziiert ist, ist er auch ein evident gegebener Erlebnischarakter.29 Es sind nicht zwei Sachen erlebnismßig prsent, es ist nicht der Gegenstand erlebt und daneben das intentionale Erlebnis, das sich auf ihn richtet; es sind auch nicht zwei Sachen in dem Sinne wie Teile und umfassenderes Ganzes, sondern nur eines ist prsent, das intentionale Erlebnis, dessen wesentlicher deskriptiver Charakter eben die bezgliche Intention ist. […] Ist dieses Erlebnis prsent, so ist eo ipso, das liegt, betone ich, an seinem eigenen Wesen, die intentionale „Beziehung auf einen Gegenstand“ vollzogen, eo ipso ist ein Gegenstand „intentional gegenwrtig“; denn das eine und das andere besagt genau dasselbe. (Hua XIX/1, 386).
Bewusstseinsmßige Prsentation oder erlebnismßiges Gegenwrtig-Sein ist phnomenologisch gesehen nicht gleichbedeutend mit ReprsentiertSein. Das kann angesichts des dominanten reprsentationalistischen Paradigmas der gegenwrtigen, zumal der naturalistischen, Philosophie des Geistes nicht oft genug betont werden. Gemß dem reprsentationalistischen Paradigma liegt, grob gesprochen, eine mentale Reprsentation genau dann vor, wenn es einen mentalen Reprsentanten und ein nichtmentales Reprsentandum (Gegenstnde, Eigenschaften, Ereignisse, Sachverhalte, Propositionen etc.) gibt, die in einer spezifischen Relation zueinander stehen, wobei gilt, dass ein mentaler Reprsentant sich auf ein Reprsentandum bezieht, indem Ersterer Letzteres nmlich intra-mental 28 Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 3.4. 29 Vgl. Rinofner-Kreidl 2000, 441 f.: „Intentionalitt ist ein immanenter Charakter der Erlebnisse, der evident gegeben ist. Deshalb ist Bewußtsein als intentionale Beziehung (Gegenstandsbewußtsein) stets und zugleich Bewußtsein als bewußter Vollzug von Intentionen (Aktbewußtsein).“ Vgl. auch Rinofner-Kreidl 2004a, 226 f.
3. Phnomenale Eigenschaften, intentionale Phnomene
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abbildet – nicht aber umgekehrt von einem Reprsentandum auf einen Reprsentanten geschlossen werden kann. Man spricht hier auch zuweilen von einer asymmetrischen Beziehung, sofern jedem reprsentationalen Zustand, d. i. jedem mentalen Zustand mit einem mentalen Reprsentanten, notwendig (mindestens) ein Reprsentandum entspricht, fr den es stellvertretend steht, umgekehrt jedoch kein Reprsentandum stellvertretend fr einen mentalen Reprsentanten steht.30 Im vorliegenden Zusammenhang ist dazu zunchst nur noch so viel zu bemerken, dass den reprsentationalistischen Standardmodellen der Intentionalitt die zentrale Annahme zugrunde liegt, dass mentale Reprsentationen wesentlich bewusstseinsinterne und deren Reprsentanden wesentlich bewusstseinsexterne Entitten sind, wobei deren Verhltnis wiederum – und darauf kommt es hier vor allem an – als eine meta-intentionale, sprich: nichtbewusstseinsmßige Relation, und zwar als ein extensional-referenzielles Determinations- und/oder kausales (bzw. kausal-kontextuelles) Dependenzverhltnis, interpretiert wird.31 Demgegenber positioniert sich die klassische (transzendentale, aber auch ,proto-transzendentale‘32) phnomenologische Theorie der Intentionalitt. Demnach ist das intentionale Verhltnis zwischen Bewusstseinserlebnissen und den in ihnen und durch sie gegebenen Gegenstndlichkeiten kein kausales und kein reprsentationales und/oder referenzielles Verhltnis. Es ist nicht-kausal, sofern es ein konstitutives Verhltnis ist, und es ist nicht-reprsentational/nicht-referenziell, sofern Bewusstseinsgege30 Siehe dazu die gute Darstellung bei Pauen 2001, 217 ff.; vgl. auch Metzinger 1999, 51 f. Zu beachten ist, dass die hier angesprochene Asymmetrie nicht mit J. Fodors speziellerer Reprsentationstheorie der asymmetrischen kausalen Abhngigkeit gleichzusetzen ist; Fodors These einer Beziehung der asymmetrischen Dependenz betrifft nicht die Relation zwischen einem mentalen Reprsentanten und einem nicht-mentalen Reprsentandum, sondern vielmehr Relationen zwischen veridischen und nicht-veridischen (reprsentationalen) Kausalrelationen; siehe dazu Fodor 1987, 106 ff. bzw. Schrçder 2004, 156 ff.; Crane 2003b, 184 f. und Pauen 2001, 227 ff.; zu Fodor siehe mehr unten, Kap. II. 1.1., II. 1.2. und III. 1.2. 31 Vgl. Dretske 1995, 36; siehe dazu ausfhrlich unten, insbes. Kap. I. 6., II. 3.1. – 3.2., III. 1., III. 2.4., III. 2.6. 32 Ich verwende das Prfix ,proto‘ zur Kennzeichnung der husserlschen Phnomenologie vor seiner explizit transzendentalen Ausprgung (ab ca. 1907) auch zur Abgrenzung von einer bestimmten Interpretationslinie (vgl. u. a. Dreyfus 1982a; Bell 1991; Soldati 1994), wonach es zwischen dem deskriptiven, sprich: nichtoder vor-transzendentalen Husserl (etwa der Logischen Untersuchungen von 1900/ 01) und jenem ab den Ideen I (1913) einen scharfen, methodologisch entscheidenden Bruch gebe; siehe dazu auch unten, Kap. III. 2.3.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
benheiten keine bewusstseinsinternen Reprsentanten bewusstseinsexterner Entitten sind. Das intentionale Verhltnis ist wiederum genau insofern konstitutiv, als bewusstseinsmßige Gegebenheit bzw. ,Erscheinung-fr‘ unabtrennbar mit der Gegebenheit selbst korreliert ist und diese jener – qua intentionale Bewusstseinsgegenstndlichkeit – nicht extrinsisch zukommt bzw. als ihr externer Gegenpart aufgefasst werden kann.33 Eine weniger bekannte, gleichwohl einer der akzentuiertesten Formulierungen des phnomenologischen Anti-Reprsentationalismus liest sich bei Husserl so:34 [Es hat] eigentlich gar keinen Sinn, von Sachen zu sprechen, die einfach da sind […], sondern dieses „einfach dasein“ das sind gewisse Erlebnisse von spezifischer und wechselnder Struktur, als da ist Wahrnehmung, Phantasie, Erinnerung, Prdikation u.s.w., und in ihnen sind nicht die Sachen etwa wie in einer Hlse oder einem Gefß, sondern in ihnen konstituieren sich die Sachen, die reell in ihnen gar nicht zu finden sind. „Gegebensein der Sachen“, das ist sich so und so in solchen Phnomenen darstellen (vorgestellt sein). Und dabei sind nicht etwa die Sachen dann noch einmal fr sich selbst da und „schicken in das Bewusstsein ihre Reprsentanten hinein“ […], sondern die Sachen sind und sind in der Erscheinung und vermçge der Erscheinung selbst gegeben. (Hua II, 12)
Die phnomenologische Konzeption der Intentionalitt des Bewusstseins hat nun freilich entsprechend wichtige Implikationen bezglich der Konzeption dessen, was mit ,Gegenstndlichkeit‘, aber auch was mit ,Phnomenalitt‘ gemeint ist. Eine Klrung dessen, was im Rahmen der Phnomenologie unter ,phnomenal‘, ,Phnomen‘ bzw. ,Phnomenalitt‘ verstanden wird, ist nicht zuletzt entscheidend angesichts der oft plattitdenhaften Verwendungsweise und der damit verbundenen notorischen quivokationen, die mit diesen Begriffen in der post-nagelschen Philosophie des Geistes – unter vçlliger Ignoranz der klassischen Phnomenologie – einhergehen. So bemerkt etwa G. McCulloch nicht von ungefhr – immerhin in einem Buch mit dem Untertitel An essay on phenomenological 33 Siehe dazu auch Meixner 2006, 36 ff. und mehr unten, Kap. I. 3., III. 1.1. und insbes. III. 2. 34 hnlich, und gleichermaßen pointiert, ist auch folgende Formulierung: „[…] das Konstituieren sagt, daß immanente Gegebenheiten nicht […] im Bewußtsein wie in einer Schachtel einfach sind, sondern daß sie sich jeweils in so etwas wie ,Erscheinungen‘ darstellen, in Erscheinungen, die nicht selbst die Gegenstnde sind und die Gegenstnde reell enthalten, Erscheinungen, die in ihrem wechselnden und sehr merkwrdigen Bau die Gegenstnde fr das Ich schaffen, sofern gerade Erscheinungen solcher Art und Bildung dazu gehçren, damit das vorliegt, was da ,Gegenbenheit‘ heißt.“ (Hua II, 71)
3. Phnomenale Eigenschaften, intentionale Phnomene
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externalism: „To talk about the phenomenological is entering a minefield.“ (McCulloch 2003, 23) –, ohne brigens, dass er selbst Wesentliches zur ,Entschrfung‘ dieses konzeptuellen Terrains beitragen wrde, eines Terrains, das von introspektiven, subjektiven oder erst-personalen Daten/ Berichten und von Sinneseindrcken ber Qualia und qualitative Erscheinungsweisen bis hin zu objektiven Qualitten reicht.35 Schließlich ist auch eines der Haupthindernisse einer sinnvollen und fruchtbaren Verstndigung zwischen der analytischen Philosophy of mind und den kognitionswissenschaftlichen Anstzen auf der einen und der klassischen, aber auch der post-husserlschen Phnomenologie auf der anderen Seite, dass meistens ungeklrt bleibt, worber man jeweils spricht, wenn man die Termini ,phnomenal‘ bzw. ,Phnomenologie‘ oder auch den Begriff der Intentionalitt verwendet. Genau Bestimmungen und deutliche Differenzierungen zwischen den verschiedentlich investierten Konzepten von Intentionalitt, (phnomenalem) Bewusstsein und Phnomenalitt entscheiden denn auch ber Erfolg und Misserfolg des vielbeschworenen, aber selten genug produktiv eingelçsten Dialoges zwischen Phnomenologie, Philosophie(n) des Geistes und den Kognitionswissenschaften. Was ist also, phnomenologisch gesehen, ein Gegenstand? Wann ist ein Gegenstand (bzw. eine Eigenschaft) intentional, wann phnomenal? 35 Symptomatisch dafr ist etwa der magere Artikeleintrag „phenomenal/phenomenological“ in Guttenplan 1994, 471, oder auch T. Metzingers Gleichsetzung von ,Phnomenologie‘ und ,Introspizierbarkeit‘ (vgl. Metzinger 1999, 56) – eine hufige und nicht minder irrefhrende Assoziation (siehe dazu mehr unten, Kap. II. 2.2., II. 2.3.). Bezeichnend ist aber auch, wenn Horgan/Tienson in ihrem prominenten Aufsatz mit dem Titel The Intentionality of Phenomenology and the Phenomenology of Intentionality (2002) sich sowohl auf Brentano als auch auf Husserl nur peripher in einer Fußnote beziehen und dazu lapidar bemerken: „We do not know exactly when the phrase ,the intentionality of consciousness‘ first appeared, but one does well remember that this was the phrase that characterized issues concerning intentionality early in the twentieth century.“ (Horgan/Tienson 2002, 531, Anm. 11) Nicht minder mager – und zudem ußerst irrefhrend, wenn nicht direkt falsch – ist auch die Fußnote zu Husserl in dem prominent platzierten Artikel Intentionality bei Segal 2007, 284. Was ausnahmsweise genauere Bestimmung des Attributs ,phnomenal‘ betrifft, vgl. T. Burges (1997) Unterscheidung zwischen phnomenalen (Sinnes-)Qualitten (phenomenal qualities) bzw. der Phnomenalitt (des Bewusstseins) (phenomenality), der Wie-es-ist-Eigenschaft von Zustnden auf der einen und dem phnomenalen Bewusstsein dieser Qualitten auf der anderen Seite; siehe auch die durchaus wertvollen kritischen Klrungen zu den Begriffen ,phnomenal‘, ,phnomenales Bewusstsein‘ und ,phnomenologisch‘ in Georgalis 2003.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
Worin besteht die Phnomenalitt des Bewusstseins und was ist berhaupt ein Phnomen? Etwas ist phnomenologisch gesehen dadurch als Gegenstand bestimmt, dass es mçglicher Gegenstand von intentionalem Bewusstsein ist. ,Gegenstndlichkeit‘ und ,Bewusstsein-von‘ sind phnomenologisch gesehen nicht nur korrelative Begriffe – ,Gegenstand zu sein‘ und ,intentionaler Gegenstand von Bewusstsein zu sein‘ sind im Rahmen der Phnomenologie als quivalente Kennzeichnungen zu verstehen. Ein Gegenstand ist phnomenologisch gesehen genau dann intentional, wenn es eine korrelative Intention gibt, die sich auf je bestimmte Weise auf ihn bezieht. Umgekehrt ist also jeder Akt, Zustand und jedes Erlebnis genau dann intentional, wenn sie einen gegenstndlichen Bezug aufweisen. Das Verhltnis lsst sich auch mithilfe der Feststellbarkeit und Beschreibbarkeit von Differenzen auf der Ebene des intentionalen und der gegenstndlichen Ebene bzw. mithilfe des Identittsprinzips verdeutlichen: Demnach korreliert jeder Differenz auf der Ebene der intentionalen Erlebnisse notwendig eine Differenz auf der Ebene der gegenstndlichen Gegebenheit und der entsprechenden Beschreibung der jeweiligen Gegenstnde. (Zu beachten ist, dass dies kein Supervenienz-Verhltnis, zumindest nicht im blichen Sinne, impliziert. Ein solches wrde nur vorliegen, wenn es (ein eventuell kausal asymmetrisches) (Dependenz-)Verhltnis zwischen einer Menge von Eigenschaften des Typs A – hier: den Akt-Eigenschaften – und jener des Typs B – hier: den gegenstndlichen/referenziellen Eigenschaften – gibt, sodass gilt, dass B genau dann auf A superveniert, wenn jeder BDifferenz eine A-Differenz entspricht.36) Entsprechend beziehen sich nach dem Prinzip der Ununterscheidbarkeit des Identischen zwei Intentionen genau dann auf ein und denselben (intentionalen) Gegenstand, wenn zwei Beschreibungen des (intentionalen) Erlebnisgehalts der jeweiligen Intentionen quivalent sind:37 Der Gegenstand ist ein intentionaler, das heißt, es ist ein Akt da mit einer bestimmt charakterisierten Intention, die in dieser Bestimmtheit eben das ausmacht, was wir die Intention auf diesen Gegenstand nennen. Das sich auf den Gegenstand Beziehen ist eine zum eigenen Wesensbestand des Akt36 Fr eine allgemeine Diskussion des Konzepts der Supervenienz siehe McLaughlin/ Bennett 2005 und, speziell im Kontext der Philosophie des Geistes, Kim 2005 (insbes. Kap. 2.) Siehe auch weiter unten, Kap. I. 5., (Anm. zur IntentionalismusThese (IT 4a)). 37 Warum das – trotz allem gegenteiligen Anschein nach – nicht auf eine internalistische Konzeption intentionaler Inhalte hinausluft, wird unten ausfhrlich in Kap. III. 2. diskutiert.
3. Phnomenale Eigenschaften, intentionale Phnomene
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erlebnisses gehçrige Eigentmlichkeit, und die Erlebnisse, die sie zeigen, heißen (nach Definition) intentionale Erlebnisse oder Akte. Alle Unterschiede in der Weise der gegenstndlichen Beziehung sind deskriptive Unterschiede der bezglichen intentionalen Erlebnisse. (Hua XIX/1, 427)
Demnach sind also die Individuationsbedingungen von (intentionalen) Gegenstnden mit den Individuationsbedingungen von (gegenstndlicher) Bezugnahme-auf, also den Individuationsbedingungen intentionaler Akte und Zustnde gegeben. Das heißt aber auch, dass objektive Gerichtetheit – in und durch intentionale Akte bzw. in und durch intentionales Bewusstsein-von – und gegenstndliche Gegebenheit fr ein Subjekt quivalente Relationen, oder besser, nur zwei Seiten oder Pole ein und derselben intentionalen (Kor-)Relation sind.38 Sofern nun Intentionalitt eine phnomenologische Wesenseigenschaft des Bewusstseins und Phnomenologie die Wissenschaft der Bewusstseinsphnomene ist, ist denn auch Phnomenologie nichts anderes als „Bewusstseins-Analyse als intentionale [Analyse]“ (Hua I, 83), genauer, als intentionale Korrelationsanalyse.39 Die phnomenologische Bestimmung intentionaler Gegenstndlichkeit hat ferner, wie auch U. Meixner aufgezeigt hat, eine grundlegende Implikation hinsichtlich der Individuationskriterien fr die Subjekte intentionaler Bewusstseinserlebnisse (vgl. Meixner 2006, 33 f.). Wenn es nmlich zutrifft, dass die Individuationsbedingungen objektiver (intentionaler) Gegebenheit und die Individuationsbedingungen subjektiver Gerichtetheit-auf quivalent sind, dann gilt auch folgendes Identittskriterium fr Subjekte intentionaler Erlebnisse:40 (IIS) Fr jedes Subjekt intentionaler Bewusstseinserlebnisse (oder Akte der Gerichtetheit-auf bzw. eines Bewusstseins-von) gilt, dass ein Subjekt S und ein Subjekt S* genau dann identisch sind, wenn sie Subjekte desselben (Typs eines) intentionalen Bewusstseinserlebnisses E sind, wobei die Individuationsbedingungen von E durch eine (erleb38 Vgl. Meixner 2006, 32 f.: „An intentional experience, due to its being structured in the two-poled manner […]: an intentional subject being directed in a certain way at an intentional object, displays both directed-at-ness and given-to-ness. This is so because directed-at-ness entails given-to-ness: if an intentional subject is directed in the manner F (intrinsic to the intentional experience at an intentional object, then, necessarily, this object is given in the manner F to that subject.“ 39 Vgl. auch u. a. Hua IV, 168 ff.; siehe dazu mehr unten, Kap. III. 2.7. 40 Das hat wiederum weitreichende Implikationen auf die phnomenologische Evaluierung externalistischer ,Zwillingserde‘-Argumentationen la Putnam, siehe dazu mehr unten, Kap. III. 1.2., III. 2.5.–2.7.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
nismßige) (In-)Differenz in der Gegebenheit eines Objekts fr S bzw. S* festgelegt werden.41 Nun lsst sich jeder Gegenstand, der phnomenologisch gesehen als intentionaler Gegenstand in Betracht kommt, zugleich als ein Phnomen charakterisieren. Mit ,Phnomen‘ bzw. ,Phnomenalitt‘ ist im Rahmen der Phnomenologie nicht die je subjektive Qualitt von Bewusstseinszustnden, ihr qualitativer Charakter des Erlebt-Seins bezeichnet. Das Attribut phnomenal bezeichnet im Rahmen der Phnomenologie nicht bzw. nicht ausschließlich jene Eigenschaft des Bewusstseins, dass es fr ein Subjekt irgendwie ist, Subjekt von Bewusstsein zu sein bzw. bewusste mentale Zustnde zu haben. Phnomenalitt bezeichnet im Rahmen der klassischen (transzendentalen) Phnomenologie also keine sinnliche Erfahrungs- oder Erlebnisqualitt ebenso wenig wie qualitative Eigenschaften der Gegenstnde von Bewusstseinserlebnissen. Entsprechend sind die Phnomene, mit denen sich die Phnomenologie als philosophische (Bewusstseins-)Wissenschaft beschftigt, nicht bzw. nicht allein die Erlebnisqualitten von Bewusstseinsvollzgen oder -zustnden. Phnomene im Sinne der Phnomenologie sind wesentlich intentionale Gegenstndlichkeiten, und zwar alle (wirklichen und mçglichen) intentionalen Gegenstndlichkeiten. Phnomenalitt wiederum ist ein Titel fr die Art und Weise der Gegebenheit dieser Gegenstndlichkeiten, d. i. fr ihre bewusstseinsmßige Gegebenheits- bzw. Erscheinungsweise. Dasselbe drckt aus, wenn man sagt, dass Phnomenalitt die tatschliche oder prinzipiell mçgliche bewusstseinsmßige Gegebenheitsweise von etwas ist.42 Eine der klarsten Stellen, an denen Husserl den wesentlichen Zusammenhang zwischen Phnomenalitt, bewusstseinsmßiger Gegebenheit und Intentionalitt expliziert, findet sich in seinem Encyclopaedia Britannica-Artikel:
41 Beachte, dass in (IIS) nicht von Subjekten simpliciter, sondern von Subjekten intentionaler Bewusstseinserlebnisse die Rede ist und insbesondere nicht von gleichartigen Bewusstseinserlebnissen, also nicht von einer Typen-Identitt. (IIS) steht dementsprechend keineswegs in Widerstreit mit der multiplen Realisierbarkeitsthese (siehe dazu unten, Kap. II. 1.3.) bzw. schließt nicht aus, dass in zwei verschiedenen Subjekten eine erlebnismßig gleichartige Gegenstandsgegebenheit instanziiert sein kann. Ist Letzteres der Fall, sind sie folglich als Subjekte desselben Typs intentionaler Bewusstseinserlebnisse (wenn auch nicht desselben Bewusstseinserlebnisses simpliciter) zu charakterisieren. 42 In diesem Sinne spricht Husserl in der Krisis-Schrift auch von „,Phnomenen‘“ als „Gegenstandspolen und Themen der Rckfrage nach den korrelativen Intentionalitten“ (Hua VI, 186).
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Durch [die Reflexion] erfassen wir statt der Sachen schlechthin […] die entsprechenden subjektiven Erlebnisse, in denen sie „bewusst“ werden, uns in einem allerweitesten Sinn „erscheinen“. Sie alle heißen daher auch „Phnomene“, ihr allgemeinster Wesenscharakter ist es, zu sein als „Bewußtsein von“, „Erscheinung-von“ – von den jeweiligen Dingen, Gedanken (Urteilsverhalten, Grnden, Folgen), von den Plnen, Entschlssen, Hoffnungen usw. Daher liegt im Sinn aller Ausdrcke der Volkssprachen fr psychische Erlebnisse diese Relativitt beschlossen, wahrnehmen von etwas, sich erinnern oder denken an etwas, etwas hoffen, befrchten, erstreben, sich entscheiden fr etwas usw. […] Der terminologisch aus der Scholastik herstammende Ausdruck fr jenen Grundcharakter des Seins als Bewußtsein, als Erscheinung von etwas ist Intentionalitt. In dem unreflektierten Bewußthaben irgendwelcher Gegenstnde sind wir auf diese „gerichtet“, unsere „intentio“ geht auf sie hin. Die phnomenologische Blickwendung zeigt, daß dieses Gerichtetsein ein den betreffenden Erlebnissen immanenter Wesenszug ist, sie sind „intentionale“ Erlebnisse. (Hua IX, 279 f.)43
Phnomenalitt im Sinne der Phnomenologie bezeichnet also keine metaintentionale Bewusstseinseigenschaft, das heißt keine Eigenschaft, die Entitten (und insbesondere Bewusstseinsvorkommnissen) neben ihren intentionalen Eigenschaften zukommen wrde oder von diesen gleichsam ,ablçsbar‘ wre. Sie bezeichnet vielmehr die spezifische (intentionale) Art und Weise der Gegebenheit von Bewusstseinsgegenstndlichkeiten fr ein jeweiliges Subjekt eines intentionalen Bewusstseinserlebnisses. Nach der hier und im gesamten Folgenden vorgeschlagenen Interpretation der husserlschen Phnomenologie ist also die Eigenschaft der Intentionalitt des Bewusstseins nicht nur intrinsisch in dem – gelufigeren – Sinn, dass sie nicht durch andere Eigenschaften des Bewusstseins oder auch nicht-bewusste oder gar nicht-mentale Eigenschaften erklrbar und/ oder auf diese reduzierbar ist. Vielmehr – so eine meiner leitenden Thesen – ist die Eigenschaft der Intentionalitt des Bewusstseins auch explanatorisch gleichsam nicht unterschreitbar, etwa auf eine nicht- oder vor-intentionale, rein phnomenale Sphre des Bewusstseins. Auf Grund der intrinsischen bzw. irreduziblen und unhintergehbaren Korrelation von der Intentionalitt des Bewusstseins und der im Bewusstsein (phnomenal bzw. erlebnismßig) gegebenen Gegenstndlichkeiten schlage ich vor, diese zentrale 43 Man beachte, dass auch Husserl hier die fr die analytische Philosophie der Intentionalitt des Mentalen paradigmatischen propositionalen Einstellungen (wie berzeugungen, Wnsche, Hoffnungen etc.) als Beispiele fr intentionale Phnomene bzw. Erlebnisse anfhrt – wiewohl (intentionale) Phnomene bei Husserl eben nicht ausschließlich solche propositionale mentale Zustnde umfasst. Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 3.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
phnomenologische These die irreduzible intentionale Korrelationsthese zu taufen. Sie besagt: (IIKT) Die (intrinsische) Intentionalitt des Bewusstseins und dasjenige, was in intentionalen Bewusstseinserlebnissen auf eine je bestimmte Art und Weise gegeben ist, stehen in einem irreduziblen, konstitutiven und unauflçsbaren Korrelationsverhltnis. Das heißt, dass diese (intentionale) Korrelation explanatorisch auf keinen der beiden Korrelationspole hin unterschreitbar ist und entsprechend jede phnomenologische Gegebenheit (d. i. jedes Phnomen) notwendig ein intentionales (Bewusstseins-)Phnomen ist.44 Vor diesem Hintergrund ist nun Husserls programmatischer Befund zu verstehen, wonach die Intentionalitt des Bewusstseins nicht nur das „phnomenologische Hauptthema“ sei, sondern vielmehr Intentionalitt genau diejenige Eigenschaft ist, die berhaupt „Bewusstsein im prgnanten Sinn charakterisiert“ (Hua III/1, 187). Und in ebendiesem Sinn ist auch Husserls weitergehende, fr die vorliegende Interpretation der Phnomenologie zentrale Feststellung in den Ideen I zu lesen, wonach „die Intentionalitt […] einem universellen Medium gleich[t], das schließlich alle Erlebnisse, auch die selbst nicht als intentionale charakterisiert sind, in sich trgt“ (Hua III/1, 191).45 44 Zur Korrelationsthese und deren Implikationen fr Husserls Realismus/Idealismus-Konzeption siehe unten Kap. IV. 6. 45 Hier muss etwas weiter ausgeholt werden: Jene Erlebnisse, die nicht bzw. nicht primr intentional sind, gehçren bei Husserl zur Gattung der „sensuellen Erlebnisse“ bzw. der „rein sinnlichen Gefhle“, wobei deren sensuelles „Erlebnismoment“ die „Empfindungsinhalte“ bzw. die sogenannte „sensuelle hyle“ bilden. Husserl fhrt dafr an der zitierten Stelle als Beispiele „Farbendaten, Tastdaten, Tondaten u. dgl.“, aber auch die „sensuellen Lust-, Schmerz-, Kitzelempfindungen usw., und wohl auch sensuelle Momente der Sphre der ,Triebe‘“ an (Hua III/1, 192) – allesamt paradigmatische Qualia. Wenn nun Husserl im § 36 der Ideen I davon spricht, dass nicht nur die hyletischen Empfindungsinhalte fr sich genommen, sondern auch „andere Erlebnisdaten“, wie die besagten rein „sinnlichen Gefhle“, „Trger von Intentionalitt, aber nicht selbst ein Bewusstsein von etwas“ seien (Hua III/1, 75), so ist das nicht so misszuverstehen, als gbe es nach Husserl neben der Gattung der intentionalen Erlebnisse und von diesen isoliert auch noch die Gattung genuin nicht-intentionaler Erlebnisse, die gleichwohl zur Gattung der Bewusstseinserlebnisse im eigentlichen Sinn gehçrten. Vielmehr sind solche sensuellen Erlebnisse, wie Husserl unmissverstndlich festhlt, „Komponenten [bei Husserl unselbstndige Momente; Anm. T. Sz.] in umfassenderen konkreten Erlebnissen, die als Ganze intentionale sind, und zwar so, daß ber jenen sensuellen Momenten […] eine Schicht liegt, durch die aus dem Sensuellen, das nichts von Intentionalitt in sich hat, eben das konkrete intentionale Erlebnis zustande
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Die Eigenschaft der Phnomenalitt ist also von daher phnomenologisch gesehen nicht von der Eigenschaft der Intentionalitt als eine intrinsische Bewusstseinseigenschaft zu trennen.46 Phnomenalitt kommt vielmehr gerade intentionalen Gegebenheiten zu und zwar jedem intentionalen Gegenstand zu, genau sofern und soweit dieser seinem allgemeinen und wesentlichen Typus nach als bewusstseinsmßige Gegebenheit betrachtet wird. Kurz, Phnomenalitt bezeichnet in der Phnomenologie die bewusstseinsmßige Erscheinungsweise intentionaler Gegebenheiten. Entsprechend muss denn auch – sachlich und methodologisch gesehen – die Frage nach der phnomenologischen Mçglichkeit genuin nicht-intentionaler, rein phnomenaler und gleichwohl bewusster Erlebnisse verneint werden. kommt“ (Hua III/1, 192). Bekanntlich wird bereits in den Logischen Untersuchungen ausfhrlich die Frage diskutiert, ob denn alle Bewusstseinserlebnisse bzw. alle Erlebnisaspekte – also auch die rein sensuellen Erlebnisse, Gefhle etc. und die besagten hyletischen Empfindungsdaten – notwendig intentional seien oder hinreichend durch deren Intentionalitt zu charakterisieren oder zumindest mit intentionalen Auffassungsmomenten in einem Verhltnis der Art synthetischer „Komplexion“ stnden (vgl. Hua XIX/1, 382 f. und insbes. 401 – 411). In deutlicher Abgrenzung von Brentano hlt Husserl auch hier unzweideutig fest: „Ich identifiziere hier wie sonst Schmerzempfindungen und ,Inhalt‘ der Schmerzempfindung, da ich eigene Empfindungsakte berhaupt nicht anerkenne“. (Hua XIX/1, 408, Anm. 2) Von daher gibt es fr Husserl auch keine unselbstndigen Gefhlsempfindungen – solche also, die nicht immer auch in ein „konkretes und eo ipso komplexes [und d. h. intentionales; Anm. T. Sz.] Erlebnis“ eingebettet wren und, neben einer sensuellen Gefhlserregung etwa, immer auch „als objektive Eigenschaft aufgefasst und lokalisiert“ (Hua XIX/1, 408) wren. (Eine dieser nicht unhnliche Form des Intentionalismus in Bezug auf Qualia vertritt neuerdings auch T. Crane (2007b); siehe dazu weiter unten, Kap. I. 5.) Auch unerachtet dieser Belegstellen bei Husserl sind vor dem Hintergrund der obigen Ausfhrungen auch sachlich und methodologisch gesehen allzu enge Analogisierungen zwischen dem Konzept der hyletischen Empfindungs- bzw. Bewusstseinsdaten und rein phnomenaler Qualia, wie sie blicherweise in der analytischen Philosophie des Geistes verwendet werden, entschieden zurckzuweisen. So fasst etwa Mensch 2001 – in einer durchaus nicht uninteressanten funktionalistischen Lektre Husserls – Qualia als jene „nonegological data“ (Mensch 2001, 92), welche die Grundlage der kognitiven Leistungen des (egologischen bzw. subjekt-zentrierten) Bewusstseins bilden, und rekurriert dabei u. a. auf Husserls Konzept der sog. ,urimpressionalen‘ Empfindungsinhalte. Siehe auch M. Shims Analogisierung von Husserls „hyletic data“ und dem „quale of experience“ bzw. dem nagelschen „subjective character of experience, the what it is like to experience anything at all“ (Shim 2005, 219 f.). 46 Siehe dazu ausfhrlich unten, Kap. I. 4.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
Zu beachten ist dabei die von Husserl explizit hervorgehobene Doppeldeutigkeit des Begriffs ,Erscheinung‘: Erscheinung kann zum einen die erscheinende bzw. bewusstseinsmßig gegebene Gegenstndlichkeit – dasjenige, was in der zeitgençssischen Versionen des Reprsentationalismus als das Reprsentandum einer mentalen Reprsentation gefasst wird – meinen; zum anderen meint Erscheinung den akt- bzw. erlebnisbezogenen Aspekt der Prsentation eines intentionalen Objekts, das bewusstseinsmßige ,Gewrtigen‘ einer Gegenstndlichkeit – dasjenige also, was Rowlands im obigen Zitat metaphorisch mit directing of awareness (oder auch mit heideggerschen Assoziationen als consciousness as revealing im Gegensatz zu den erscheinenden Gegenstndlichkeiten, as being revealed (Rowlands 2001, 201 ff.)) umschreibt. In Husserls Wortlaut: Das sind also die Probleme der Gegebenheit, die Probleme der Konstitution von Gegenstndlichkeiten jeder Art in der Erkenntnis. Die Phnomenologie der Erkenntnis ist die Wissenschaft von den Erkenntnisphnomenen in dem doppelten Sinn, von den Erkenntnissen als Erscheinungen, Darstellungen, Bewusstseinsakten, in denen sich diese und jene Gegenstndlichkeiten darstellen, bewusst werden […], und andererseits von diesen Gegenstndlichkeiten selbst als sich so darstellenden. Das Wort Phnomen ist doppelsinnig vermçge der wesentlichen Korrelation zwischen Erscheinen und Erscheinendem. Vaim|lemom heißt eigentlich das Erscheinende und ist aber doch vorzugsweise gebraucht fr das Erscheinen selbst, das subjektive Phnomen (wenn dieser grob psychologisch mißzuverstehende Ausdruck gestattet ist). (Hua II, 14)
Doch was besagt hier Konstitution? Phnomenologisch gesehen ist ein Gegenstand x genau dann durch das Bewusstsein konstituiert, wenn die Gegebenheit von x seinem gegenstndlichen Sinn nach – aber auch nur diesem nach – (epistemisch) abhngig ist von einem oder mehreren Bewusstseinsakten, die sich auf x, und zwar als ein und dasselbe identifizierbare Objekt, beziehen. Mit anderen Worten: Das konstitutive Resultat intentionaler Bezugnahme des Bewusstseins auf etwas berhaupt ist nicht mehr und nicht weniger als gegenstndliche bzw. gegenstndlich individuierte Gegebenheit.47 Konstitution, Intentionalitt und (gegenstndliche) Gegebenheit sind demnach phnomenologische Korrelatbegriffe.48
47 Siehe dazu Husserls vielleicht prgnanteste Bemerkungen zum phnomenologisch allgegenwrtigen Begriff der Konstitution in Hua II, 71 f. Vgl. dazu auch A. D. Smith 2003, 68 ff. 48 Zum Konzept und Problem der Konstitution im Kontext der Realismus/Idealismus-Debatte, siehe mehr unten, Kap. IV. 6.
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Nun ist das Phnomen Bewusstsein genau insofern ein ausgezeichnetes Phnomen, als es selbst nicht-gegenstndliches, sondern vielmehr gegenstandskonstituierendes Phnomen ist. Sofern also Phnomenologie die Wissenschaft der Phnomene, und sofern jedes Phnomen zugleich intentionales Bewusstseinsphnomen ist, ist der ausgezeichnete Forschungsgegenstand der Phnomenologie das Phnomen Bewusstsein. In diesem Sinne ist Bewusstsein ein Grundphnomen nicht nur des mentalen Lebens von Subjekten, sondern auch ein (transzendentales) Grundphnomen der Phnomenologie als solcher. Im Hinblick auf die Abgrenzung der phnomenologischen Konzeptualisierung des Verhltnisses von Bewusstsein und Intentionalitt von jener der analytischen Standard-Philosophien des Geistes ist dabei Folgendes zu beachten: Man kann zwei verschiedene Dinge meinen, je nachdem, ob man sagt, dass Bewusstsein notwendig intentional ist, oder ob man sagt, dass intentionale Zustnde notwendig bewusst ist. blicherweise wird mit der Behauptung, dass intentionale Zustnde notwendig bewusst sind, in der analytischen Philosophie des Geistes die These vertreten, dass jeder intentionale Zustand (qua Bewusstseinszustand) einen phnomenalen Erlebnischarakter aufweist. Die fr Phnomenologen gelufigere Behauptung, dass Bewusstsein notwendig intentional ist, bezieht sich demgegenber auf einen anderen (als den phnomenalen) Bewusstseinsbegriff, nmlich auf den intentionalen Bewusstseinsaspekt im Sinne der (gegenstndlichen) Gerichtetheit von Bewusstseinserlebnissen. Wir haben hier also zwei verschiedene Bewusstseinsbegriffe: 1.) Bewusstsein im Sinne der (gegenstndlichen) Gerichtetheit-auf, kurz: intentionales Bewusstsein-von, und 2.) Bewusstsein im Sinne des (intrinsischen) Erlebnischarakters von mentalen Bewusstseinszustnden, kurz: phnomenales Bewusstsein. Zwar gehçren fr den Phnomenologen, zumindest nach der hier vorgeschlagenen Lesart, beide Bewusstseinsbegriffe notwendig und wesentlich zusammen (und entsprechend drcken die beiden obigen Behauptungen im Grunde dasselbe aus) – ein Problem der gegenwrtigen Diskussionen im Kontext der Philosophie des Geistes und auch deren Anschlussmçglichkeit an die Phnomenologie des Bewusstseins ist jedoch, dass diese beiden Bewusstseinsbegriffe notorisch durcheinandergebracht werden.49 Auf der Folie der Diskussionen rund um die Mçglichkeiten der Zuordnung zwischen den Eigenschaften Bewusstsein und Intentionalitt auf der einen und dem Bereich des Mentalen auf der anderen Seite lsst sich 49 Siehe dazu auch unten, Kap. I. 4.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
nun der Leitgedanke einer phnomenologischen Theorie des Bewusstseins folgendermaßen formulieren: Mentale Zustnde sind Bewusstseinszustnde, genau sofern sie durch ihre intrinsische Bezogenheit auf Bewusstseinsgegenstnde gekennzeichnet sind, und die Eigenschaft des Bewusstseins ist nichts anderes als das intentionale Auf-etwas-gerichtet-Sein. Dieser Befund ist nichts anderes als eine Reformulierung der obigen These von der irreduziblen intentionalen Korrelation (IIKT). In Anlehnung an eine Wendung Meixners (vgl. Meixner 2003, 327) kann man dabei auch von der transzendental-phnomenologischen These der intrinsischen intentionalen Relationalitt des Bewusstseins sprechen (wobei zu beachten ist, dass das Attribut ,relational‘ hier nicht das Gegenteil von ,intrinsisch‘ bzw. nicht ,abhngig von‘, sondern vielmehr ,bezogen auf‘ meint). Diese These lsst sich als eine Kombination bzw. Synthese der zwei oben charakterisierten gegenlufigen Tendenzen der gegenwrtigen analytischen Philosophie des Geistes auffassen. Bewusstsein ist demnach eine intrinsische Eigenschaft mentaler Zustnde, gleichwohl sind mentale Zustnde, genau sofern sie intentionale Bewusstseinszustnde sind, wesentlich durch ihre relationale Bezogenheit-auf Bewusstseinsgegenstndlichkeiten gekennzeichnet. Die transzendental-phnomenologische These der intrinsischen intentionalen Relationalitt des Bewusstseins besagt also Folgendes:50 (TIIR) Intentionalitt ist eine intrinsische Eigenschaft bewusster mentaler Zustnde und Bewusstsein ist die (relationale) Eigenschaft mentaler Zustnde, intentional auf etwas (nmlich wirkliche und mçgliche Bewusstseinsgegenstndlichkeiten) gerichtet zu sein.51
50 Dem entspricht deskriptiv-phnomenologisch jener dritte Bewusstseinsbegriff der Logischen Untersuchungen, dem zufolge „Bewusstsein [die] zusammenfassende Bezeichnung fr jederlei ,psychische Akte‘ oder ,intentionale Erlebnisse‘“ ist (Hua XIX/1, 356). Zum Erlebnisbegriff der Logischen Untersuchungen vgl. Hua XIX/1, 361 ff. Die anderen beiden Bewusstseinsbegriffe der Logischen Untersuchungen sind bekanntlich Bewusstsein als „Einheit des Erlebnisstromes“ und Bewusstsein „als inneres Gewahrwerden der eigenen psychischen Erlebnisse“ (Hua XIX/1, 356). Siehe dazu die detaillierte Analyse dieser drei verschiedenen deskriptiv-phnomenologischen Bewusstseinsbegriffe bei Rinofner-Kreidl 2000, 438 – 460. 51 Vgl. auch Meixners elegante und durchaus treffende Formulierung dieser These, die er „die brentano-husserlsche These von der intrinsischen Relationalitt des Bewusstseins“ nennt: „Bewusstsein ist eine Art zweipoliges Medium, in dem der eine Pol (das Subjekt) auf den anderen Pol (die Objekte im allgemeinsten Sinn) durch die Relation des Bewusstseins-von (der Ich-Intentionalitt) bezogen ist.“ (Meixner 2003, 327)
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Es ist entscheidend, diese These im Sinne eines quivalenzprinzips fr die Eigenschaften Intentionalitt und Bewusstsein zu lesen: Bewusstsein ist notwendig intentionales Bewusstsein und Intentionalitt ist wesentlich eine Bewusstseinseigenschaft.52 Das heißt, der phnomenologischen Auffassung zufolge ist Intentionalitt – in deutlichem Unterschied zu praktisch allen naturalistischen Theorien dieser Eigenschaft – eine Eigenschaft, die nur mentalen und auch nur Bewusstseinszustnden zukommt und also keinen nicht-bewussten oder nicht-mentalen Entitten oder Vorkommnissen (etwa Computern, funktionalen Zustnden, neuronalen Gehirnzustnden, Thermostaten und hnlichem) zugeschrieben werden kann. Zudem ist Intentionalitt keine (rein) reprsentationale oder semantische Eigenschaft und auch keine reprsentationale oder referenzielle Funktion irgendwelcher intelligenter oder kognitiver Systeme, denen eventuell auch die Eigenschaft des Bewusstseins zukommt, sondern vielmehr – so kçnnte man die klassisch-phnomenologische Auffassung in einem Satz zusammenfassen – das grundlegende und als solches irreduzible Medium des Weltbezugs bewusster Subjekte.
52 In diesem Sinn ist – weniger aus philologischen als vielmehr aus sachlichen Grnden – S. Crowells Feststellung: „Husserl does not equate ,consciousness‘ with intentionality.“ (Crowell 2008, 347) zurckzuweisen, wobei zu ergnzen ist, dass Crowell sich hier lediglich gegen die Identifizierung von Bewusstsein mit der genuinen Akt-Intentionalitt (im Unterschied etwa zur temporalen ,Lngsintentionalitt‘ und anderen passiven/latenten Formen von Intentionalitt) verwehrt.
4. Intentionalitt, phnomenales Bewusstsein und die Strategie des Separatismus Bewusstsein und Intentionalitt sind nicht nur die zwei zentralen, sondern auch die notwendigen und hinreichenden Merkmale des Mentalen – das wrden nicht nur Anhnger der klassischen Phnomenologie unterschreiben, so lautet auch eine der Grundannahmen vieler zeitgençssischer Philosophien des Geistes. Es sind, so liest man oft, genau diese zwei Merkmale, die Vorkommnisse, Ereignisse und Zustnde zu mentalen Vorkommnissen, Ereignissen und Zustnden machen.53 Dieser Bestimmung korrespondiert meistens eine anti- oder nicht-reduktionistische Auffassung des Mentalen, wonach die Eigenschaften der Intentionalitt und des Bewusstseins jeweils Anfang und Ende der ontologischen Trennlinie markieren, welche zwischen Mentalem und Nicht-Mentalem verluft. Dieser anti-reduktionistischen Standardkonzeption zufolge sind es also gerade diese zwei Merkmale, welche eine lckenlose Integration des Mentalen in jene Ontologie, derer man mit den blichen naturwissenschaftlichen Methoden bisher mehr oder weniger gut habhaft wurde, nicht – oder nicht ohne weiteres – zu erlauben scheint. Und selbst jene naturalistischen und/oder physikalistischen Philosophen des Geistes, die mit dem zumindest unter Philosophen mehr oder weniger verbreiteten ,antireduktionistischen Konsens‘ (vgl. Kim 2005, 151) der letzten Jahrzehnte (wieder) gebrochen haben oder in diesen nie eingestimmt haben, verweisen bei ihrer (Weg-)Erklrung des Mentalen auf die hartnckigen Probleme, die sich gerade auf Grund der einen und/oder anderen ebendieser zwei
53 Vgl. etwa Poirier 1999, 1; Graham/Horgan/Tienson 2007, 468; siehe dazu kritisch Rorty 1979, 22 ff. Vgl. auch die schçne Formulierung bei Schmid/Schweikard 2009, 15: „Intentionalitt ist gewissermaßen die Welt im Geist, und sie definiert – zusammen mit dem Aspekt des Bewusstseins – den Begriff des Geistes, wie er in der gegenwrtigen philosophy of mind gelufig ist.“ Sosehr diese Bestimmung tatschlich gelufig ist, auf durchaus viele Vertreter der philosophy of mind trifft sie – wie wir noch sehen werden – jedenfalls nicht zu.
4. Intentionalitt, phnomenales Bewusstsein und die Strategie des Separatismus
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Eigenschaften stellen und eine vollstndige Naturalisierung des Geistes verunmçglichen oder zumindest erheblich behindern.54 Ob innerhalb oder außerhalb des anti-reduktionististischen Lagers – wenig Konsens besteht allerdings, wenn es um die Spezifikation des Verhltnisses zwischen der Intentionalitt mentaler Zustnde und deren Eigenschaft der Bewusstheit geht. Was dabei typischerweise zur Disposition steht, ist, ob die Begriffe ,intentionaler Zustand‘ und ,Bewusstseinszustand‘ koextensiv sind: In Frage steht also, ob alle Bewusstseinszustnde intentional sind bzw. ob sie wesentlich oder intrinsisch intentional sind und ob sie hinreichend durch diese Eigenschaft erklrt und/oder auf diese reduziert werden kçnnen. Und nicht wenige der Diskussionen in der neueren, postbehavioristischen Philosophie des Geistes lassen sich als eine Diskussion darber auffassen, wie man den Zusammenhang zwischen der Intentionalitt des Mentalen und der Eigenschaft des Bewusstseins konstruiert.55 Eine Klrung dieses Zusammenhanges ist umso dringlicher, als ja auch D. Chalmers – eine der gewichtigsten Stimmen der aktuellen Diskussionen – in einer Aufsatzsammlung mit dem bedeutungsschwangeren Titel The Future of Philosophy feststellt: „I expect that the interface between consciousness and intentionality will be the central topic in the next decade in the philosophy of mind.“ (Chalmers 2004, 178) Die Situation ist jedenfalls noch um einiges komplizierter als hinsichtlich der oben diskutierten Kombinatorik zwischen der Eigenschaft des Bewusstseins und dem Bereich des Mentalen, wenn es nmlich um die 54 Wie etwa Dennett 1981; 1991, 21 ff. Ein neueres, paradigmatisches Beispiel dafr stellt auch Kim 2005 dar, dessen Einschrnkung im Titel seines Buches Physicalism, Or Something Near Enough eben der exklusiven Irreduzibilitt des sog. phnomenalen Bewusstseins bzw. der Qualia geschuldet ist; siehe insbes. Kim 2005, 161 ff. 55 Dessen ungeachtet finden sich erstaunlicherweise relativ wenige Autoren in den betreffenden Debatten, die sich explizit dem Problem des Verhltnisses zwischen Intentionalitt und Bewusstsein widmen. Und auch jene, die sich eingehender mit dieser Frage beschftigen – wie Searle 1992, 1997; Nelkin 1993; Siewert 1998; Seager 1999a, 1999b; Byrne 2001; Gertler 2001; Horgan/Tienson 2002; Georgalis 2003; Wilson 2003; Pitt 2004; Chalmers 2004; Strawson 1994, 2004, 2005; Barz 2004; Williford 2005; Crane 2007b; Graham/Horgan/Tienson 2007 –, gehen allesamt nicht nher auf Husserls (oben skizzierte) Problemfassung ein, wiewohl ja Bewusstsein und Intentionalitt die konzeptuellen Eckpfeiler der husserlschen Phnomenologie sind. Die einzigen mir bekannten Ausnahmen diesbezglich sind die kurzen Darstellungen bei Ch. Siewert (Siewert 2003 und 2011) und etwas ausfhrlicher bei D. W. Smith (2011). Ich komme auf diese Diskussion und die erwhnten Beitrge weiter unten noch ausfhrlicher zu sprechen.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
Eigenschaft der Intentionalitt und ihre Zuordnung zu Bewusstseinszustnden und/oder zu (bewussten oder nicht-bewussten) mentalen Zustnden geht. Zwar akzeptieren die meisten heute die Annahme, dass Intentionalitt – wie eben auch Bewusstsein – eine Eigenschaft (zumindest einiger) mentaler Zustnde ist. Ob die Eigenschaft der Intentionalitt selbst und ob sie wesentlich eine mentale Eigenschaft ist, ob alle Bewusstseinszustnde eo ipso intentional sind und umgekehrt, ob alle intentionalen Zustnde notwendig bewusst sind – darber gehen die Meinungen in der Philosophie des Geistes jedoch stark auseinander. So setzen viele, wenn auch keineswegs, wie zuweilen nahegelegt wird, alle Autoren, die fr eine Naturalisierung des Mentalen eintreten, dieses Projekt gerade bei der Annahme an, wonach auch nicht-mentale Entitten (von Pflanzen ber Stze/Propositionen bis hin zu Thermostaten) die Eigenschaft der Intentionalitt aufweisen, um der Intentionalitt des Mentalen durch eine Beschreibung der intentionalen Funktion solcher nicht-mentalen Entitten Rechnung zu tragen oder jene auf diese zu reduzieren. Obwohl nun eine Einigung auf dieser Linie in absehbarer Zeit kaum zu erwarten ist, fest steht jedenfalls, dass eine der grundlegenden Eigenschaften zumindest einiger mentaler Zustnde deren Intentionalitt ist. Intentionalitt als Eigenschaft mentaler Zustnde wird im Kontext der analytischen Philosophie des Geistes blicherweise zunchst dadurch charakterisiert, dass intentionale Zustnde Zustnde sind, die sich auf etwas beziehen, ber etwas handeln oder auf etwas diesen Zustnden ußerliches gerichtet sind. Diese Relationalitt oder Gerichtetheit des Geistes wird dabei manchmal auch als eine (dispositionale) Fhigkeit des Mentalen verstanden und die Relation zwischen mentalen Zustnden und dem, worauf sie sich beziehen, oft auch mit Bezug auf den Gehalt dieser Zustnde formuliert. Man spricht dann auch davon, dass mentale Zustnde, sofern sie intentional sind, wesentlich einen Gehalt aufweisen, wobei dieser Gehalt wiederum als der reprsentationale und/oder semantische Gehalt mentaler Zustnde gekennzeichnet wird. Ein wesentliches Charakteristikum dieses Gehalts ist die bekannte ontologische/epistemologische Eigentmlichkeit, die sich der Tatsache verdankt, dass sich intentionale Zustnde auf Gegenstnde und Sachverhalte beziehen kçnnen, die nicht existieren bzw. nicht bestehen. Diese Eigenart, wonach nmlich der Referent intentionaler Zustnde (d. i. der intentionale Gegenstand oder Sachverhalt bzw. der epistemologisch evaluierbare Gehalt intentionaler Zustnde) eine wahrheitswertfhige Beschreibung erlaubt, auch wenn dieser Referenzgegenstand nicht existiert bzw. der betreffende Sachverhalt nicht besteht, wird von manchen Autoren auch als das distinktive, sprich:
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notwendige und hinreichende Bestimmungsmerkmal intentionaler Zustnde angesehen.56 Fr viele, die dieses Kriterium nicht als hinreichend auffassen, besteht das wesentliche Charakteristikum des Gehalts intentionaler mentaler Zustnde darin, dass solche Zustnde – im Gegensatz zu allen anderen (physikalischen etc.) Zustnden, Ereignissen und Objekten – einen solchen reprsentationalen Gehalt nicht kontingenterweise besitzen, sondern dieser ihnen vielmehr wesentlich und notwendig zukommt. Unerachtet dessen, ob man nun Intentionalitt als eine (dispositionale) Fhigkeit oder eine (nicht-dispositionale, reprsentationale etc.) Eigenschaft des Mentalen (und als eine solche Fhigkeit oder Eigenschaft von mentalen Zustnden oder aber Akten) konstruiert oder auch ihre Besonderheit eben darin sieht, dass sie einen intrinsischen Gehalt und/oder einen potenziell nicht-existenten Referenten aufweisen – kaum jemand in der gegenwrtigen Philosophie des Geistes rhrt an der Feststellung, dass Intentionalitt zumindest in einer ausgezeichneten Beziehung zum Mentalen steht.57 56 Vgl. etwa Knne 1986, der dieses Kriterium auch und gerade fr Husserls Intentionalittstheorie reklamiert und es so bestimmt: „Ein Erlebnis ist genau dann intentional, wenn es mit einem Satz der Bauart ,Ich (Verb)(Bezeichnung einer Gegenstndlichkeit)‘ so beschrieben werden kann, daß gilt: es ist mçglich, daß die Beschreibung zwar zutrifft, die bezeichnete Gegenstndlichkeit aber nicht existiert (stattfindet, besteht).“ (Knne 1986, 185) Dass diese Zuschreibung zu Husserl nicht nur auf einer irrtmlichen Deutung der phnomenologischen Einklammerung (Epoch) von Seinssetzungen bzw. der phnomenologischen Reduktion insgesamt, sondern vielmehr auf einer fr die analytische Tradition charakteristischen Identifizierung der Semantik intentionaler Stze mit der Epistemologie bzw. Phnomenologie intentionaler Erlebnisse beruht, macht Rinofner-Kreidl in ihrer Kritik an Knne deutlich: „Mit Husserl wre hier einzuwenden: Die mçgliche Nichtexistenz der Gegenstnde ist nicht Kriterium der Intentionalitt, weil Intentionalitt nicht kriterial zu bestimmen ist. […] Das Kriterium der mçglichen (wahrheitswertindifferenten) Nichtexistenz des Gegenstandes eignet sich zwar zur Aussonderung intentionaler Stze, verliert aber im Hinblick auf die intentionalen Erlebnisse, die in solchen Stzen zum Ausdruck kommt, seine Funktion, weil hier Intentionalitt und Bewußtsein der Intentionalitt ursprnglich eins und untrennbar verbunden sind. Das Bewußtsein der Intentionalitt ist nicht von dem Wissen um die mçgliche Nichtexistenz des Gegenstandes abhngig. Wre Wissen um die mçgliche Nichtexistenz des Gegenstandes ein Kriterium intentionaler Erlebnisse, dann msste jedem, der die Existenz des von ihm intendierten Gegenstandes irrtmlich fr gesichert hlt, der intentionale Charakter seines Erlebnisses abgesprochen werden.“ (Rinofner-Kreidl 2000, 174 ff.) Siehe dazu auch unten, Kap. II. 3 und III. 3.4. 57 Eine der ganz wenigen, neueren Ausnahmen stellt Barz 2004 dar, auf den ich noch weiter unten zurckkomme.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
Was die kognitionswissenschaftlichen und kognitionspsychologischen Anstze betrifft, ist zunchst ganz allgemein zu bemerken, dass Intentionalitt primr als jene Eigenschaft charakterisiert wird, die eine verhaltensrelevante Funktion bernimmt und/oder als eine psychologische Kategorie in Frage kommt. Dabei wird blicherweise auf jene Funktion rekurriert, die Intentionalitt als eine Eigenschaft sogenannter propositionaler Einstellungen (oder von Berichten ber solche Einstellungen) auszeichnet, also solcher mentaler/psychischer Zustnde, die in einer bestimmten psychologisch bzw. verhaltensrelevanten Relation zu Propositionen stehen und sprachlich blicherweise durch einen dass-Satz ausgedrckt werden (wie ,Peter glaubt/hofft/frchtet/wnscht etc., dass p‘). Intentionalitt wird folglich als die Art und Weise, wie sich ein mentaler Zustand auf eine Proposition bezieht, gedeutet.58 Trotz aller reduktionistischen Versuche, gerade auch im kognitivistischen Lager, auch hier wird Intentionalitt jedenfalls typischerweise in eine enge, wenn nicht gar notwendige Beziehung zu mentalen (bzw. psychischen) Zustnden gesetzt. Problemgeschichtlich gesehen, bildet den gemeinsamen Bezugsrahmen sowohl der kognitionswissenschaftlichen bzw. -psychologischen Beschftigung mit Intentionalitt als auch jene der Philosophy of mind, aber auch der husserlschen Phnomenologie, die Analyse der Intentionalitt in Gestalt des Demarkationskriteriums zwischen mentalen/psychischen und nicht-mentalen/nicht-psychischen Phnomenen, welches F. Brentano (1874) vorgeschlagen hat.59 Brentano hatte Intentionalitt als das dis58 Ich gehe auf die Charakterisierung propositionaler Einstellungen und der damit einhergehenden Konzeptualisierungen von Intentionalitt in mehreren Kapiteln genauer ein, siehe Kap. II. 1.2., II. 3. und III. 2.4. 59 Was genau Brentano unter ,psychischen Phnomenen‘ versteht und ob er alle Entitten, die heute fr gewçhnlich zum Bereich des Mentalen gezhlt werden, unter dieser Rubrik klassifiziert (wie etwa Sinnesempfindungen und ihre Inhalte etc.), aber auch die Frage, ob bei Brentano Intentionalitt nicht nur eine distinktive, sondern auch eine exklusive Eigenschaft mentaler Phnomene ist, ist umstritten, kann hier jedoch ausgeklammert werden. Fr eine von der blichen abweichende Interpretationsstrategie, welche auf diese Fragen eine negative Antwort liefert, siehe Barz 2004, 24 ff. Vgl. dazu allgemein auch die gute und eingehende Darstellung bei Mnch 1993, 35 ff. Festzuhalten ist mit D. Mnch jedenfalls, dass Brentano den substantivischen Term ,Intentionalitt‘ selbst an keiner Stelle seines Werkes verwendet, sondern lediglich das Attribut ,intentional‘, und dieses auch nur in Zusammenhang mit seiner berhmt-berchtigten These der „intentionalen Inexistenz eines Gegenstandes“ als distinktives und exklusives Charakteristikum psychischer Phnomene, wobei Brentano selbst diese Verwendung – auf Grund der zahlreichen, bereits zeitgençssischen Fehldeutungen – spter zurckgenommen hat. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass
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tinktive Merkmal des Mentalen eingefhrt, um in Abgrenzung zur damaligen physiologisch-experimentellen Psychologie (Wundt, Herbart, Helmholtz, Fechner u. a.)60 das neue Forschungsfeld fr eine „Wissenschaft von den psychischen Phnomenen“ freizulegen. Die Intentionalitt des Mentalen fungierte bei Brentano als Grundpfeiler bei der Etablierung einer empirisch-psychologischen Wissenschaft, die ihrer Erfahrungsgrundlage nach jedoch nicht auf die Logik, Methodik oder Heuristik naturwissenschaftlicher Forschung reduzierbar ist (vgl. Brentano 1874, 5 ff., 27 ff.). Fr die These, wonach Intentionalitt die exklusive und definierende Eigenschaft des Mentalen darstellt, hat sich mittlerweile in der Philosophie des Geistes die Bezeichnung ,Brentano-These‘ eingebrgert.61 Zuweilen wird die These auch zur Qualifizierung von Bewusstseinszustnden verwendet und dementsprechend als die These formuliert, dass alle Bewusstseinszustnde intentional und/oder reprsentational sind (vgl. Rowlands 2001, 198). Ihre eigentliche (ontologische) Schlagkraft verdankt sie der Fassung, die sie im Kontext der Leib/Seele-Problematik oft annimmt. In dieser Fassung besagt die Brentano-These, dass die Erklrung der Eigenschaften, die intentionale Zustnde charakterisieren, nicht auf die Erklrung anderer (natrlicher) Klassen oder Typen von Zustnden reduzierbar ist. Die methodologische Hauptanstrengung naturalistischer Modelle des Bewusstseins richtet sich darauf, diese anti-reduktionistische These mit der empirischen Heuristik der Kognitions- und Neurowissenschaften in Einklang zu bringen. Die Kombination der Brentano-These mit der allgemeinen Heuristik der Naturwissenschaften und dem speziellen reprsentationalistischen Paradigma des klassischen Kognitivismus ergibt das sogenannte BrentanoProblem. Das Brentano-Problem ist in der Philosophie des Geistes verschiedentlich formuliert und interpretiert worden, und wenig entspricht dabei der ursprnglichen Fassung der brentanoschen These von der intentionalen bzw. mentalen Inexistenz der Gegenstnde psychischer PhnoBrentano an der vielzitierten Stelle, an der er diese These zur Unterscheidung der psychischen und physischen Phnomene einfhrt, zum Attribut ,intentional‘ in Klammer das Attribut ,mental‘ ergnzt und auch einige Seiten weiter alternativ zur intentionalen von „mentaler Inexistenz“ spricht (vgl. Brentano 1874, 124 und 127). 60 Siehe dazu auch weiter unten, Kap. II. 2. 61 Siehe u. a. Crane 2007, 23 ff. und Keil 2000, 195, Segal 2007, 283 ff. Eine vorzgliche Darstellung der Brentano-These im Kontext der gegenwrtigen Diskussionen in der Philosophie des Geistes bietet Moran 1996.
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mene (vgl. Brentano 1874, 124), zumal diese oft genug als die These missverstanden wurde, wonach die Objekte, auf die sich intentionale Akte richten, unter Umstnden nicht existierten.62 (Ohne darauf hier nher eingehen zu kçnnen, die These bezieht sich jedenfalls nicht auf die ontologische (Nicht-)Existenz intentionaler Gegenstnde, sondern vielmehr auf deren Qualifizierung als mentale bzw. intentionale. Entsprechend meint ,Inexistenz‘ bei Brentano entsprechend das mentale Enthalten-Sein oder In-mentalen/intentionalen-Akten-Existieren beliebiger – existenter oder nicht-existenter – Gegenstnde.63) Eine Formulierung des Brentano-Problems, die eine weitverbreitete Konzeption abdeckt, kçnnte jedenfalls so lauten:64 Wie ist die Konstitution mentaler Reprsentationen allein aus dem (kausalen) Funktionszusammenhang natrlicher (physikalischer, biologischer etc.) kognitiver Systeme und der physikalischen Welt zu erklren, wenn wir annehmen, dass der Inhalt mentaler Reprsentationen nicht notwendig oder nicht eindeutig mit physikalischen Tatsachen der Welt korreliert oder berhaupt realexistierende Gegenstnde reprsentiert? Im Gegensatz zum intentionalen Irrealismus, fr den das Problem als solches nicht existiert, oder zum Eliminativismus, der das Problem schlicht auflçst,65 besteht das Projekt der 62 Charakteristisch fr dieses gravierende Missverstndnis ist etwa die Interpretation beim prominenten Reprsentationalisten M. Tye (Tye 1994, 123 f. und 1995, 94 f.; siehe dazu die Kritik bei Crane 2007, 27 f.) oder auch in dem neueren Artikel Intentionality von G. Segal (Segal 2007, 283 f.) – immerhin in einem so prestigetrchtigen Kompendium wie der Oxford Handbook of Contemporary Philosophy. Segal geht hier sogar so weit in seiner Fehlinterpretation, dass er Husserl folgende These zuschreibt: „Two of Brentano’s students [Meinong and Husserl] reacted to the problem [of non-existent objects and of what determines the real objects of thought] by going to opposite extremes. […] Husserl held that mental states do not involve relations to objects at all, but rather are characterized by intrinsic properties […]“ (Segal 2007, 284, Anm. 1). 63 Brentano ist diesbezglich unzweideutig, insofern verwundern die gelufigen Missverstndnisse umso mehr. So spricht er von der intentionalen Inexistenz als „die Beziehung auf einen Inhalt, die Richtung auf ein Objekt (worunter hier nicht eine Realitt zu verstehen ist), oder die immanente Gegenstndlichkeit“ und fgt unmissverstndlich hinzu: „Jedes [psychische Phnomen] enthlt etwas als Objekt in sich […]. In der Vorstellung ist etwas vorgestellt, in dem Urteile ist etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe geliebt, in dem Hasse gehaßt, in dem Begehren begehrt usw.“ (Brentano 1874, 124 f.) Das ist die paradigmatische moderne Beschreibung der Intentionalitt. 64 Vgl. u. a. Field 1978; Tye 1994 und Putnam 1988, 22 (Anm. 1); siehe dazu auch weiter unten, Kap. III. 2.7. 65 Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 1.2.
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Naturalisierung der Intentionalitt im Bestreben, eine konstruktive Lçsung des Brentano-Problems zu finden. Brentano selbst hatte, wie bereits bemerkt, Intentionalitt als ein notwendiges und hinreichendes Bestimmungsmerkmal des Mentalen eingefhrt, das heißt als ein Kriterium, welches einzig und allein darber entscheidet, ob ein Zustand zu den psychischen oder physischen Phnomenen zu zhlen ist.66 Brentano zufolge sind alle mentalen oder psychischen Zustnde intentionale Zustnde. Demgegenber meinen viele, wenn auch durchaus nicht alle zeitgençssischen Philosophen des Geistes, dass Intentionalitt keine notwendige, sondern nur eine hinreichende Bedingung fr das Vorliegen eines psychischen oder mentalen Zustandes ist.67 Demnach sind zwar alle intentionalen Zustnde mentale Zustnde, nicht alle mentalen Zustnde sind jedoch intentional. Sofern angenommen wird, dass mentale Entitten entweder zustzlich zum Kriterium der Intentionalitt bestimmte andere Bedingungen erfllen mssen (Bewusstheit etc.), um berhaupt von nicht-mentalen Entitten unterschieden werden zu kçnnen, oder aber – zumindest manche dieser Entitten – berhaupt keine Intentionalitt aufweisen (wie Qualia etc.), impliziert die moderne Fassung der Brentano-These weder ein notwendiges noch ein hinreichendes ontologisches Entscheidungskriterium hinsichtlich des allgemeinen Leib/ Seele-Problems. Denn, selbst wenn gezeigt werden sollte, dass intentionale Entitten auf physikalische reduzierbar oder mit diesen identisch sind, ist das dieser Ansicht nach nicht hinreichend, um zu zeigen, dass alle mentalen Entitten auf Letztere reduzierbar sind, und auch nicht, um eine notwendige Identitt zwischen den beiden ontologischen Bereichen zu postulieren. Manche Autoren, wie etwa C. McGinn (1988), trennen daher auch die Suche nach einer konstruktiven Lçsung des Brentano-Problems von der Suche nach einer Lçsung des Leib/Seele-Problems und pldieren fr den Verzicht auf Letztere. McGinns ,Strategie der Isolierung‘ der beiden Problemlçsungsanstze („insulation strategy“) besteht darin, die Lçsung des Brentano-Problems fr eine Theorie der Individuation intentionaler In66 R. Chisholm (Chisholm 1967, 203) weist zu Recht darauf hin, dass Brentanos Charakterisierung der Intentionalitt als bestimmendes Merkmal des Mentalen weniger den Sinn hat, zu zeigen, dass das Mentale notwendig intentional ist, als vielmehr, dass physische Phnomene diese Eigenschaft nicht aufweisen; d. h. der entscheidende Aspekt von Brentanos Konzeption ist, dass Intentionalitt als ein Demarkationskriterium zwischen Mentalem und Nicht-Mentalem fungiert. Vgl. auch Chisholm 1957, Kap. 11. 67 Vgl. dazu Crane 2007, 24.
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halte zu reservieren und die Frage nach der ,Natur‘ der intentionalen Relation zwischen mentalen Zustnden und nicht-mentalen Naturtatsachen einfach aufzugeben. Solange wir das Brentano-Problem mit dem metaphysischen Leib/Seele-Problem identifizieren, werden nach McGinn alle unsere diesbezglichen Naturalisierungsstrategien versagen und das Phnomen der Intentionalitt – fr uns als Wesen, die intentionale Zustnde haben – notwendig rtselhaft erscheinen mssen. Doch das Programm einer konstruktiven Erklrung der reprsentationalen Funktion intentionaler Inhalte sei nach McGinn unabhngig davon zu verfolgen, ob wir jemals eine umfassende, naturalistisch akzeptable Bestimmung der Wesenseigenschaften der Zustnde, denen diese Inhalte zukommen, erlangen. Wir mssen uns zwar mit dem Umstand bescheiden, dass wir keine konstruktive Erklrung fr das Vorliegen intrinsisch intentionaler Zustnde innerhalb der physikalischen Ontologie der Welt jemals erzielen werden – auch wenn es eine solche Erklrung fr andere kognitive Systeme, als wir es sind, prinzipiell geben mag. Das heißt aber nicht, dass wir nicht immer noch gute Aussichten htten auf eine naturalistisch informative Beschreibung der Art und Weise, wie diese unsere (nicht-physikalischen) Zustnde jene (physikalische) Welt reprsentieren, also auf eine konstruktive Erklrung der Funktionsweise mentaler Reprsentation (McGinn 1988, 298 f., 302 f.). In einer kritischen Evaluierung von McGinns Isolierungsstrategie schlgt auch N. Nelkin in eine hnliche Kerbe und pldiert fr eine Trennung der reprsentationalen von den phnomenalen Merkmalen mentaler Reprsentation: […] even if all image-like representation is phenomenal we can separate out the representational nature of such states from the phenomenal nature. […] Once one understands the representational nature of phenomenal states as separable from their phenomenal nature then the problem of intentionality for those states becomes simply the (very difficult) problem of image-like representations. (Nelkin 1993, 236)
J. Fodor wiederum – selbst einer der Hauptvertreter des Reprsentationalismus cum Kognitivismus der ersten Stunde in Bezug auf die Intentionalitt als das psychologisch relevante Merkmal mentaler Zustnde68 geht in dieselbe Richtung: Er vertritt rundheraus einen (physikalistischen) Materialismus bezglich intentionaler Zustnde und meint folgerichtig, dass die klassische ontologische Problemstellung des Leib/Seele-Problems 68 Ich komme auf Fodor noch ausfhrlich zu sprechen, siehe Kap. II. 1.2., II. 1.3 und III. 1.2.
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ohne weiteres ad acta gelegt werden kann. Relevant fr die Verteidigung unserer nicht-physikalistischen, d. i. intentionalen Alltagspsychologie sei einzig die naturalistische Erklrung unseres „cognitive core“ (Fodor 1987, xii), nmlich des – aus der Sicht des Physikalismus – gleichwohl rtselhaften Phnomens der Intentionalitt:69 The problems I have in mind aren’t the old ontological and epistemological worries: Could beliefs and desires be material? Could they be immaterial? […] I find that I have grown bored with them; perhaps because the answers are so obvious. […] The really interesting problems about commonsense belief/ desire psychology […] are the ones that center around the phenomena of intentionality. (Fodor 1987, x)70
hnlich ußerte sich schließlich auch M. Rowlands nur zwei Jahre vor seiner eingehenden, anti-reduktionistischen – und wie wir gesehen haben durchaus auch konstruktiven – Beschftigung mit dem Problem des phnomenalen Bewusstseins: In order to understand minds it is also necessary to understand how they can do what they can do. That is, it is necessary to understand how they come to possess those features considered essential to them. In recent discussions of mind, two of its features loom large: Consciousness and intentionality. Of consciousness, I shall have nothing to say. My suspicion, for what it is worth, is that the problem of consciousness is one that needs dissolution rather than a constructive solution. […] So, I shall assume that it is possible to understand intentionality, at least to some extent, without understanding consciousness. This assumption can be questioned, but it is by no means idiosyncratic. Indeed, the assumption is fairly standard. (Rowlands 1999, 2)71
Solche und zahlreiche andere hnliche Versuche spiegeln die Annahme wider, dass das Problem der Intentionalitt, wie es von Brentano geerbt 69 Die Auffassung, wonach die Intentionalitt der kognitive Kern von Bewusstseinserlebnissen bzw. des Mentalen allgemein ist, ist weit verbreitet, vgl. dazu u. a. Strawson 2005; Byrne 2001 und Pitt 2004. 70 Lakonisch ußert sich Fodor brigens mehr als 15 Jahre spter auch in Bezug auf das zentrale Problem der neueren Leib/Seele-Diskussionen, nmlich in Bezug auf das Problem der phnomenalen Bewusstheit intentionaler Zustnde: „The really most important thing we know about minds is that their states are often conscious. About this, here as elsewhere, I maintain gloomy silence. Whereof there is nothing to be said…“. (Fodor 1994, 121 (Anm. 1)) 71 Die Art der Problemstellung der Intentionalitt, bei der nach deren Funktionsweise – nach dem, was es ,macht‘ bzw. fr das System (Geist etc.), das es aufweist, leistet, ist typisch fr eine Vielzahl von naturalistischen und insbesondere reprsentationalistischen Theorien der Intentionalitt; neben Dretske 1995 oder Millikan 2004, vgl. etwa Jacob 1997, dessen Titel: What Minds Can Do – Intentionality in a Non-Intentional World diesen Umstand gut illustriert.
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wurde, abgelçst von dem ,eigentlichen‘, oder auch von D. Chalmers sogenannten ,harten Problem des Bewusstseins‘ adquat behandelt werden kann. Dieses harte oder schwierige Problem des Bewusstseins besteht in nichts anderem als in der Erklrung der oben diskutierten spezifisch phnomenalen Wie-es-ist-Eigenschaft des Vorliegens oder Habens von Bewusstseinserlebnissen fr die jeweiligen Bewusstseinssubjekte. Der ,harte Kern‘ des Bewusstseins ist dieser Auffassung zufolge also gerade nicht die intentionale/kognitive Funktion des Bewusstseins(-von), sondern vielmehr der spezifische Erlebnischarakter (intentionaler und nicht-intentionaler) mentaler Zustnde. (vgl. Chalmers 1995 und 1996, xiii)72 Akzeptiert man nun die Auffassung, dass es ein – vom BrentanoProblem unabhngiges – hartes Problem des (phnomenalen) Bewusstseins gibt, so wird die Situation, was die Zuordnungsmçglichkeiten zwischen Intentionalitt, Bewusstsein und Mentalitt betrifft, jedenfalls noch vertrackter, als sie es ohnehin schon ist: Es ließe sich dann nmlich entweder weiter annehmen, dass die Eigenschaft der Phnomenalitt ein wesentlicher Aspekt von (allen) intentionalen Zustnden ist, wobei Phnomenalitt dann auch als ein besonderer Bewusstseinsmodus gefasst werden kann, der intentionalen und nicht-intentionalen mentalen Zustnden zukommt. Oder man nimmt an, dass phnomenales Bewusstsein eine weitere Klasse oder einen weiteren Typ mentaler Zustnde umfasst, die eben nicht-intentional sind (wie Qualia o. .). Wofr man auch immer optiert und ob man nun das Problem des Bewusstseins fr ein interessantes bzw. relevantes oder uninteressantes bzw. irrelevantes, fr das eigentliche, leichte oder schwierige Problem des Physikalismus, oder aber gar fr ein Scheinproblem hlt – entscheidend ist bei all diesen Anstzen die Grundannahme, dass (phnomenales) Bewusstsein und Intentionalitt zwei voneinander unabhngige und mithin separat zu behandelnde oder behandelbare Ei72 Chalmers identifiziert insgesamt sieben Phnomene des Bewusstseins, die allesamt zum ,einfachen‘ oder ,leichten‘ Problem (easy problems) des Bewusstseins gehçrten und, genau sofern sie Erklrung der kognitiven Fhigkeiten und Funktionen eines bewusstseinsbegabten Organismus betreffen, im Unterschied zum harten Problem, im Wesentlichen funktionalistisch und/oder durch die Kognitions- und Neurowissenschaften erklrt werden kçnnten. Die einfachen Probleme reichen Chalmers zufolge von der Erklrung der Reaktion und Integration von Umwelt-Stimuli und Informationen durch ein kognitives System ber dessen Verhaltens- und Aufmerksamkeitskontrolle bis hin zur Erklrung des Unterschiedes zwischen Wachsein und Schlafen; siehe Chalmers 1995, 200 ff. Eine gute Sammlung der wahren Flut von Auseinandersetzungen, die Chalmers’ These vom hard problem initiiert hatte, findet sich in Shear 1997.
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genschaften der mentalen/psychologischen Sphre sind. Diese Grundannahme rckte unter dem Label Separatismus oder auch Separationsthese in den letzten Jahren zunehmend ins Rampenlicht der Philosophy of mind.73 Die Separationsthese und ihre Antipoden tauchen mittlerweile in verschiedenen Varietten, in verschiedenen (ontologischen und metaphysischen) Graden und auch mit Blick auf verschiedene Forschungsprogramme auf. Einmal werden sie in Bezug auf den Gehalt mentaler (Bewusstseins-)Zustnde, seine Determinanten oder Individuationsbedingungen, einmal auch mit Blick auf die Naturalisierbarkeit mentaler Zustnde formuliert. Was die verschiedenen Grade und Heuristiken betrifft, lsst sich mit R. Wilson im Wesentlichen zwischen metaphysischen und pragmatischen Separatismen unterscheiden (vgl. Wilson 2003, 413). Die metaphysische Separationsthese stellt eine starke ontologische Behauptung ber die Natur der phnomenalen und intentionalen Eigenschaften mentaler Bewusstseinszustnde auf. Sie besagt: (ST 1) Die phnomenale Eigenschaft des Bewusstseins ist kein intrinsisches Merkmal intentionaler Zustnde. Vielmehr sind die Eigenschaften Intentionalitt und Phnomenalitt zwei ontologisch 73 Der Begriff der ,Separation‘ bzw. des ,Separatismus‘ in diesem Zusammenhang stammt selbst von Horgan/Tienson 2002 (siehe auch Graham/Horgan/Tienson 2007); doch bereits vor McGinns erwhnter „insulation strategy“ (McGinn 1988) sprach in ebendiesem Zusammenhang einer der prominentesten Kognitivisten, J. Haugeland, von der kognitivistischen Strategie der „segregation“ innerhalb der „psychological phenomena“ zwischen nicht-kognitiven, Qualia-hnlichen und den genuin kognitiven mentalen Zustnden und Prozessen, siehe Haugeland 1981, 270 f. und vgl. auch das obige Zitat bei Nelkin 1993. Andere mehr oder weniger explizite Vertreter des Separatismus sind neben den bereits erwhnten – McGinn 1988; Fodor 1987; Nelkin 1993 (und Nelkin 1989); Chalmers 1996 (im Gegensatz zu Chalmers 2004!); Rowlands 1999 – u. a. Levine 2001; Wilson 2003; Georgalis 2003 und Barz 2004. Freilich ist zu beachten, dass die Grnde, warum diese Autoren jeweils fr den Separatismus pldieren, zum Teil stark variieren; siehe dazu die gute Darstellung der wichtigsten dieser Motive bei Williford 2005, 143 ff. Ich komme darauf auch noch im folgenden Kapitel zu sprechen. Erklrte Gegner des Separatismus, mit ebenso unterschiedlichen Motiven – die vom naturalistisch motivierten Intentionalismus in Bezug auf Qualia bis hin zum AntiReduktionismus in Bezug auf eben diese reichen –, sind neben Haugeland 1981; Horgan/Tienson 2002, Graham/Horgan/Tienson 2007 etwa Searle 1992; Searle 1997; Strawson 1994, 2004 und 2005; Siewert 1998; Seager 1999a und 1999b; Byrne 2001; Gertler 2001; Levine 2008 (im Unterschied zu Levine 2001!); Kriegel 2003; Pitt 2004; Chalmers 2004; Williford 2005; Crane 2007b und Montague 2010. Sonderflle des Anti-Separatismus finden sich auch bei Farkas 2008a und Pautz 2008.
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verschiedene und voneinander unabhngige Eigenschaften mentaler Zustnde. Diese These wird manchmal auch so verstanden, dass paradigmatische phnomenale Bewusstseinszustnde (wie Qualia etc.) berhaupt keinen (quasi ablçsbaren) intentionalen Gehalt htten oder umgekehrt, dass intentionale Zustnde berhaupt keinen genuin phnomenalen Gehalt oder Aspekt aufwiesen. Zu beachten ist jedoch, dass dies nicht ohne weiteres und keineswegs notwendig aus (ST 1) folgt.74 Eine schwchere Behauptung stellt jedenfalls die pragmatische (oder auch konzeptuelle bzw. explanatorische) Separationsthese auf, die da lautet: (ST 2) Die Erklrung des phnomenalen Erlebnisaspekts von Bewusstseinszustnden ist (konzeptuell75) unabhngig von der Erklrung bzw. der Theorie der Intentionalitt mentaler (Bewusstseins-)Zustnde und vice versa. Das luft letztlich auf die fr zahlreiche Naturalisierungsstrategien maßgebliche Feststellung hinaus, dass es fr die Erklrung der Intentionalitt mentaler Zustnde nicht relevant ist, dass sie (auch oder eventuell auch) phnomenal bewusst sind (siehe auch unten (ST 4)). Nun sind freilich auch Kombinationen der ontologischen Behauptung der metaphysischen und der explanatorischen Behauptung der pragmati74 In diesem Zusammenhang ist auch ein Hinweis von Barz 2004 wertvoll: So kann man, wie Barz selbst, meinen, dass Intentionalitt selbst weder begrifflich/konzeptuell noch ontologisch/metaphysisch etwas mit der Eigenschaft des Bewusstseins zu tun hat, und gleichwohl behaupten, dass mentale (propositionale) Einstellungen wesentlich bewusst und auch notwendigerweise intentional sind. Denn, wie Barz bemerkt, folgt daraus keineswegs, dass es eine wesentliche Eigenschaft intentionaler Zustnde ist, bewusst zu sein oder Bewusstsein vorauszusetzen: „Wenn ich sage, daß Intentionalitt kein Bewußtsein voraussetzt, dann behaupte ich natrlich nicht, daß es fr mentale Einstellungen, d. h. berzeugungen, Wnsche, Hoffnungen usw., unwesentlich ist, bewußt zu sein. Ich behaupte lediglich, daß es fr die Intentionalitt irgendeines Zustandes – sei er nun mental oder nicht – unwesentlich ist, ob er bewußt ist oder nicht. […] Es ist zwar wesentlich fr mentale Einstellungen, bewußt zu sein; es ist aber nicht wesentlich fr intentionale Zustnde, bewußt zu sein (obwohl es notwendigerweise so ist, daß mentale Einstellungen intentionale Zustnde sind).“ (Barz 2004, 59) 75 D. Chalmers meint etwa, dass die notwendige Koinstanziierung des phnomenalen Erlebnisaspekts und des sog. ,psychologischen‘ Aspekts des Mentalen (d. i. bei Chalmers jener Aspekt, der u. a. auch die Sphre intentionaler (Meinungs-)Zustnde umfasst; vgl. Chalmers 1996, 19) zwar keine konzeptuell notwendige Implikation ist, allerdings, wie er meint, eine ,Tatsache ber die Welt‘ (fact about the world) (vgl. Chalmers 1996, 17 f.).
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schen Separationsthese mçglich und gelufig. Zu beachten ist dabei der Unterschied zwischen der explanatorischen Abhngigkeit bzw. reduktiven Ableitbarkeit und der ontologischen Abtrennbarkeit der betreffenden Eigenschaften.76 (ST 3) Die Erklrung der Eigenschaft des phnomenalen Bewusstseins ist unabhngig von jener der Intentionalitt mentaler (Bewusstseins-) Zustnde, genau insofern jene (ontologisch und/oder konzeptuell) nicht auf diese reduziert werden kann. (ST 4) Die Eigenschaft des phnomenalen Bewusstseins ist (konzeptuell und/oder funktional, d. i. was seine reprsentationale Funktion betrifft) abtrennbar von der Eigenschaft der Intentionalitt des Bewusstseins, wobei jene von dieser (explanatorisch) abgeleitet oder auf diese (explanatorisch und/oder ontologisch) reduziert werden kann. Fr (ST 4) argumentieren typischerweise jene Autoren, die sich fr eine (reprsentationalistische) Intentionalisierung des Bewusstseins bei gleichzeitiger Naturalisierung der Intentionalitt einsetzen (wie Dretske 1995; Tye 1995; Lycan 1990 und 1996). Fr (ST 3) wird demgegenber weniger explizit argumentiert, sie liegt jedoch implizit bestimmten Theorien zugrunde, nmlich typischerweise jenen, die einen Anti-Reduktionismus/ Anti-Naturalismus in Bezug auf das phnomenale Bewusstsein vertreten, aber zugleich die eine oder andere Naturalisierungsstrategie in Bezug auf die Intentionalitt fr plausibel halten (wie etwa Nagel 1974; McGinn 1991; Chalmers 1996 oder Levine 2001). Diverse Separatismen werden oft auch hinsichtlich des Gehalts mentaler Zustnde formuliert. Die verschiedenen Ausprgungen und Kombinationsmçglichkeiten der Separationsthese diesbezglich lassen sich in folgender Behauptung zusammenfassen: (ST 5) Bewusste mentale Zustnde weisen einen intentionalen und einen phnomenalen Gehalt auf, wobei die Individuationsbedingungen des einen von Individuationsbedingungen des anderen (ontolo76 Siehe dazu den hnlichen Klassifikationsvorschlag bei Siewert 2003, der vier Kombinationsmçglichkeiten unterscheidet (wobei zwei davon anti-separatistische Thesen sind), nmlich: „a.) Consciousness is explanatorily derived from intentionality. b.) Consciousness is underived and separable from intentionality. c.) Consciousness is underived but also inseparable from intentionality. d.) Consciousness is underived from, inseparable from, and essential to intentionality.“ (Siewert 2003, 16)
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
gisch) unabhngig sind und deren jeweilige Funktionen entsprechend separat erklrbar und zu erklren sind. (ST 5) ist – wie (ST 3) und (ST 4) – eine Kombination der metaphysischen (ST 1) und der pragmatischen (ST 2) Separationsthese. Der intentionale Gehalt mentaler Zustnde ist demnach von deren phnomenalem Erlebnisaspekt (ontologisch) abtrennbar, und sofern er das ist, sollte er auch separat behandelt und erklrt werden. Typischerweise wird (ST 5) mit dem Argument verteidigt, dass paradigmatische intentionale Zustnde – wie etwa die propositionale Einstellung ,Ich bin berzeugt, dass Barack Obama eine erfolgreiche Prsidentschaft absolvieren wird‘ – nichts wesentlich Phnomenales an sich haben (vgl. Wilson 2003, 415 ff.). Und, so Separatisten weiter, selbst wenn ihnen jeweils ein phnomenaler Erlebnisaspekt zukme, trage dieser Erlebnisaspekt (im Beispielfall: das Einnehmen der Einstellung oder das berzeugtsein) nichts Wesentliches zur Erklrung des intentionalen Gehalts bei. Zwei Subjekte mçgen vielleicht etwas anderes erleben, wenn sie denken, dass Barack Obama eine erfolgreiche Prsidentschaft absolvieren wird. Es mag auch ein und dasselbe Subjekt etwas anderes empfinden, wenn es hofft, dass Barack Obama eine erfolgreiche Prsidentschaft absolvieren wird, oder wenn es meint, dass George W. Bush eine katastrophale Prsidentschaft absolviert hat, oder aber berzeugt ist, dass George W. Bush der letzte Prsident der Vereinigten Staaten war. Wie dem auch sei, das jeweilige Irgendwie-zumute-Sein bei diesem oder jenem Gedanken wird nach Ansicht der Separatisten keine relevante psychologische oder epistemologische Rolle dabei spielen, wie jemand auf Grund dieser oder jener berzeugung handeln oder welche Schlsse er aus ihnen jeweils ziehen oder welche anderen berzeugungen er daraus ableiten wird, und vor allem, wie Dritte diese kognitiven und psychologischen Prozesse erklren oder den Wahrheitsgehalt der jeweiligen Propositionen evaluieren werden. Gegner von (ST 1) argumentieren hufig fr die Existenz und explanatorische Relevanz einer sogenannten phnomenalen Intentionalitt (oder umgekehrt: der Intentionalitt des Phnomenalen) bzw. eines phnomenal-intentionalen Gehalts mentaler Zustnde (vgl. Horgan/Tienson 2002, 520 ff.; Horgan/Tienson/Graham 2004, 299, und 2007, 470 ff.).77 Anti-Separatisten meinen entsprechend, dass der intentionale Gehalt jedes mentalen Zustands durch seinen phnomenalen Erlebnischarakter – durch 77 Ein neuer Sammelband wird sich explizit dieser These widmen, siehe Kriegel/ Horgan (forthcoming).
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die Gegebenheit des jeweiligen intentionalen Gehalts fr ein Erlebnissubjekt – berhaupt erst konstituiert wird. Anders formuliert, besagt die Anti-Separationsthese in Bezug auf den Gehalt mentaler Zustnde, dass die Individuationskriterien intentionaler Zustnde durch ihren phnomenalen (Erlebnis-)Gehalt festgelegt werden und unabhngig von ihnen gar nicht vorliegen. Einer starken Version zufolge gibt es gar keinen nicht-phnomenalen (etwa reprsentationalen) Bestandteil oder kein nicht-phnomenales Merkmal intentionaler Zustnde. Alles, was zur Beschreibung des intentionalen Gehalts mentaler Zustnde erforderlich ist, ist demnach eo ipso Bestandteil ihres Erlebnischarakters. [Inseparatism is the thesis that] every paradigmatic mental state is phenomenally intentional in content. A mental state is phenomenally intentional in content just in case the intentional content of the state (viz. what it’s about or represents or is directed at) is determined or constituted by its conscious or phenomenal character or what-it’s-likeness alone. Nothing nonphenomenal is a proper part of a mental state’s intentional content. (Graham/Horgan/Tienson 2007, 470)
hnlich hat auch D. Chalmers (2004) seine frhere Position (in etwa ST 3) (vgl. Chalmers 1996) aufgegeben und eine anti-separatistische cum antireduktionistische Strategie eingeschlagen. Chalmers greift im Wesentlichen (ST 4) an und kommt dabei auf eine Art irreduzible quivalenzthese in Bezug auf phnomenale und intentionale Komponenten bewusster mentaler Zustnde, die einer transzendental-phnomenologischen Theorie der Intentionalitt des Bewusstseins recht nahe kommt. Er meint entsprechend, dass alle Bewusstseinszustnde wesentlich intentionale (mentale) Zustnde sind, wobei die (reprsentationale) Eigenschaft der Intentionalitt und die (phnomenale) Eigenschaft des Bewusstseins ineinander derart verschrnkt sind, dass keine der beiden auf die jeweils andere reduzierbar ist: […] a characterization of my phenomenology that avoids intentional notions entirely would be inadequate. Intentional content appears to be part and parcel of phenomenology: it is part of the essential nature of phenomenology that it is directed outward at a world. If so, we cannot reduce intentionality to something more fundamental; at best, we can locate its roots in the intentionality of the phenomenal. I think, then, that the most attractive view is one on which neither consciousness nor intentionality is more fundamental that the other. Rather, consciousness and intentionality are intertwined, all the way down to the ground. (Chalmers 2004, 179)
Doch wozu das Ganze? So kçnnte man, durchaus zu Recht, fragen, zumal phnomenologisch gesehen sowohl auf Grund des oben formulierten Identittskriteriums fr intentionale Subjekte (IIS) als auch der These der in-
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trinsischen intentionalen Relationalitt des Bewusstseins (TIIR) die ganze Diskussion rund um den Separatismus nicht nur als mßig erscheinen mag, sondern grundstzlich verfehlt ist. Was sind also die Motive dafr, dass jemand berhaupt fr oder gegen den Separatismus argumentiert? Typischerweise geht die Option fr oder gegen den Separatismus Hand in Hand mit der Option Naturalismus/Anti-Naturalismus in Bezug auf die Intentionalitt des Mentalen bzw. mit jener des Reduktionismus/Anti-Reduktionismus in Bezug auf das phnomenale Bewusstsein. Ein Separatist ist typischerweise – wenn auch keineswegs zwangslufig und faktisch durchaus nicht immer – Naturalist in Bezug auf das Intentionale und oft Reduktivist in Bezug auf das Phnomenale (wobei die Reduktion dann oft ber den Umweg der einen oder anderen Form des Intentionalismus in Bezug auf das Phnomenale erfolgt78). Das Motiv dafr, dass jemand fr den Separatismus pldiert, bildet also typischerweise die Annahme, dass man durch eine naturalistische Erklrung der Intentionalitt einem Verstndnis der (reprsentationalen) Funktionsweise der kognitiven Sphre des Mentalen, welches mit unseren naturalistischen Grundintuitionen in Einklang steht, einen wesentlichen Schritt nher komme. Ist dieser Schritt einmal getan, sei es nicht mehr weit zu einem naturalistischen Gesamtmodell des Mentalen und mithin des Bewusstseins. Die Heuristik des Separatismus ist also eine der graduellen Naturalisierung des Mentalen: Man schaffe das schwierige Problem des Bewusstseins zunchst einmal beiseite und nehme sich erst einmal das Problem der Intentionalitt vor, bei dem vermeintlich von vornherein mehr Aussicht auf einen (Naturalisierungs-)Erfolg besteht. Die Hoffnung ist, dass dann entweder berhaupt kein weiteres Problem des Bewusstseins mehr bestehen werde oder dass die Strategien und Methoden, die man bei der (im Wesentlichen reprsentationalen und/oder semantischen) Eigenschaft der Intentionalitt angewandt hat, einfach auf die (phnomenale) Eigenschaft des Bewusstseins bertragbar sein wrden. Und selbst wenn sich das als eine allzu hehre oder gar illusionre Hoffnung erweisen sollte – nach Ansicht der Separatisten hat man dann zumindest das psychologisch relevante Problem des Bewusstseins, nmlich jenes, das fr die Erklrung des Verhaltens kognitiver Systeme ausschlaggebend ist, einer Lçsung zugefhrt.79 78 Siehe dazu das folgende Kap. I. 5. 79 In Wilson 2003 – selbst eine Version des Separatismus – findet sich eine pointierte Beschreibung dieser Heuristik: „Traditionally, post-behaviorist philosophy of mind and cognitive science has proceeded on the assumption that intentionality and phenomenology can most profitably be treated independently or separately
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Gegner des Separatismus gehen freilich davon aus, dass wir mit einer naturalistischen Erklrung der Intentionalitt des Mentalen allein weder eine naturalistische Erklrung des Mentalen noch ein adquates Verstndnis der Natur des Mentalen erlangen werden. Denn, so argumentiert etwa G. Strawson, erstens kommt das Merkmal der Intentionalitt nicht allen mentalen Phnomenen zu; und zweitens sind selbst jene Zustnde, die wesentlich durch Intentionalitt charakterisiert sind, durch eine Naturalisierung ihres intentionalen Aspekts naturalistisch nicht hinreichend erklrt. Strawson vertritt dabei die sogenannte no-problem-thesis der Intentionalitt (vgl. Strawson 1994, 177, 187), wonach es unabhngig vom Problem der Naturalisierung mentaler Phnomene insgesamt kein nichttriviales Problem bezglich der Naturalisierung der Intentionalitt gibt. Intentionalitt ist nur insofern und in dem Maße ein Problem fr den Naturalisten, als das Phnomen des Erlebnischarakters mentaler Zustnde ein Problem ist.80 Fr Strawson jedenfalls – wie fr all jene, die gegen den Separatismus argumentieren – sind, so kçnnte man in Anlehnung an Chalmers’ Terminologie sagen, die leichten Probleme des (intentionalen) Bewusstseins ohne das harte Problem des (phnomenalen) Bewusstseins einfach gar keine Probleme.
from one another. This may be because intentionality is thought to be significantly more tractable than phenomenology; or because a ,divide and conquer‘ strategy in general is more efficient in dealing with difficult-to-understand phenomena; or because the two are metaphysically quite distinct, even if there is a realm in which they are coinstantiated.“ (Wilson 2003, 413) 80 Siehe auch Strawson 2004 und 2005. Zu beachten ist, dass Strawsons Motiv fr den Anti-Separatismus keineswegs sein Anti-Naturalismus oder sein Anti-Reduktionismus ist – ganz im Gegenteil: Strawson ist zum einen erklrter Naturalist, ja erklrter Physikalist, und zum anderen geht es ihm gerade um die Reduktion des Intentionalen auf das Phnomenale – was ungewçhnlich genug ist. Zu beachten ist aber auch die – der herkçmmlichen direkt zuwiderlaufende – ußerst eigentmliche Verwendungsweise des Konzepts des Physikalismus bei Strawson: Strawson zufolge besagt der ,wahre Physikalismus‘ (real physicalism) gerade nicht, dass phnomenale Erlebnisqualitten auf Nicht-Phnomenales (d. i. Physikalisches im Sinne der Physik) reduzierbar seien, sondern vielmehr, dass phnomenales Erleben das einzige sicher existierende physikalische Phnomen berhaupt ist, sofern es das einzige Phnomen ist, dessen wir uns sicher sein kçnnen, und vorausgesetzt der Physikalismus ist eine wahre These, die besagt, dass einzig das im Universum existiert, was physikalisch ist; siehe dazu Strawson 2005, 42 f. Einer der anderen, durchaus wenigen, Anti-Separatisten, die gerade im starken ontologischen AntiSeparatismus den Schlssel zum Erfolg der Naturalisierung des (phnomenalen) Bewusstseins (cum Intentionalitt) sehen, ist Williford 2005.
5. Varietten des Phnomenalismus und des Intentionalismus Die Haltung pro und contra die Separationsthese bzw. deren jeweilige Formulierung hat die Diskussion der letzten zwei Jahrzehnte in der Philosophie des Geistes rund um die Klassifizierung, Evaluierung und Erklrung der mentalen Domne nicht nur entscheidend geprgt. Auch unabhngig von expliziten Stellungnahmen zur Separationsthese hat diese These ihre Wirkung entfaltet, sodass sich in der betreffenden Debatte im Wesentlichen zwei gegenlufige Tendenzen herauskristallisiert haben, die das Mentale gleichsam in zwei Teilbereiche aufspalten: Auf der einen Seite haben wir jene Stimmen, die die Eigenschaft des Intentionalen, auf der anderen Seite jene, die die Eigenschaft des Phnomenalen hinsichtlich der Evaluierung und Erklrung der mentalen Domne im Allgemeinen und des Bewusstseins im Besonderen fr bestimmend erachten. Intentionalismus und Phnomenalismus 81 – wie man die beiden Lager grob simplifizierend nennen kçnnte – sind jedoch nicht mehr als eben Tendenzen und keine systematisch ausgearbeiteten Theorien in der Philosophie des Geistes. Sie variieren untereinander zum Teil erheblich, was die explanatorische Relevanz und die ontologische bzw. metaphysische Gewichtung der jeweiligen Eigenschaften, aber auch was das Verhltnis der beiden Phnomenbereiche zum Mentalen bzw. zum Bewusstsein betrifft. Im Folgenden werde ich die wichtigsten Typen und Varietten des Phnomenalismus und des Intentionalismus, die gegenwrtig im Umlauf sind, fokussieren. Der Deutlichkeit halber werde ich dabei manches, was bereits in den Ausfhrungen zum phnomenalen Bewusstsein, dem Reprsentationalismus und insbesondere dem Separatismus bereits zur Sprache gekommen ist, wieder aufnehmen. Vorausschickend sei noch zu betonen, dass die spezifisch transzendental-phnomenologische Version des Intentionalismus, die in den obigen Formulierungen (IIKT) und (TIIR) ihren Ausdruck findet, mit keiner der unten angefhrten Intentionalittskonzeptionen, geschweige denn mit den Phnomenalismus81 Mit dem Sammelbegriff ,Phnomenalismus‘ sollen jedoch keinesfalls Assoziationen mit dem traditionellen Sinnesdaten-Phnomenalismus geweckt werden.
5. Varietten des Phnomenalismus und des Intentionalismus
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Thesen gleichzusetzen ist. Die Auflistung der mçglichen Varietten des Intentionalismus soll nicht zuletzt gerade dazu dienen, die husserlsche Intentionalittstheorie deutlicher zu konturieren und schrfer von den verschiedenen ,Intentionalismen‘, die unter analytischen Philosophen kursieren, abzugrenzen.82 Schließlich soll mit der Identifizierung und Explikation der in den betreffenden Debatten oft nur vage formulierten oder nur implizit zugrunde liegenden Intentionalittskonzeptionen auch eine Art Fahrplan durch die Wege und Irrwege der aktuellen Philosophie des Geistes erstellt werden. Um die Sache nicht noch mehr zu verkomplizieren, werde ich dabei weder auf die metatheoretischen bzw. metaphysischen Konsequenzen des Phnomenalismus noch auf jene des Intentionalismus nher eingehen.83 Wiederholend sei dazu an dieser Stelle nur so viel bemerkt, dass Intentionalisten typischerweise (reduktive) Naturalisten hinsichtlich des Phnomenalen und/oder Eliminativisten hinsichtlich des harten Problems des Bewusstseins sind, whrend Phnomenalisten sich typischerweise einer lckenlosen Naturalisierung des (phnomenalen) Bewusstseins widersetzen. Die Ausnahmen besttigen, sprichwçrtlich gesprochen, nur die Regel.84 82 Siehe dazu auch Weidtmann 2010, der meines Wissens den einzigen Beitrag in diese Richtung unternimmt. 83 Siehe dazu ausfhrlich Stoljar 2007. Stoljar geht insbesondere kritisch auf das Argument ein, wonach das Zutreffen des Intentionalismus plus die Gltigkeit des Physikalismus in Bezug auf das Intentionale – und unter der Voraussetzung, dass das Phnomenale auf dem Intentionalen superveniert – die Wahrheit des Physikalismus in Bezug auf das Phnomenale implizierte. 84 Die Ausnahme auf Seiten der – anti-reduktionistischen oder anti- bzw. nichtnaturalistischen – Intentionalisten stellt insbesondere Crane 2007 dar; auf Seiten der – physikalistischen bzw. reduktionistischen/naturalistischen – Phnomenalisten sind die prominentesten Ausnahmen Strawson 1994; 2004; 2005 und Loar 1997. McGinn 1988 stellt diesbezglich einen Sonderfall dar, insofern er zwar dem Phnomenalen eine fundamentale und irreduzible Rolle in der Konstitution des Intentionalen einrumt, zugleich aber umgekehrt den intentionalen und objektiven Gehalt phnomenaler Bewusstseinszustnde, d. i. dasjenige, worauf sich diese beziehen, fr das wesentliche Individuationskriterium phnomenaler Bewusstseinsvorkommnisse erachtet: „[…] what the experience is like is a function of what it is of, and what it is of is a function of what it is like. […] The two faces are, as it were, locked together. The subjective and the semantic are chained to each other. But then it seems that any conditions necessary and sufficient for the one aspect will have to be necessary and sufficient for the other.“ (McGinn 1988, 298) Gegen Ende seines Aufsatzes schlgt McGinn dann jedoch eine externalistische cum naturalistische Konzeptualisierung dieses wechselseitigen Konstitutionsverhltnisses zwischen phnomenalem und intentionalem Gehalt von Bewusstseinszustnden vor: „[Objective properties] enter into the identity of contentful states;
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
Was also besagt der Phnomenalismus und welche mçglichen Formulierungen des Phnomenalismus lassen sich unterscheiden? Der Phnomenalismus, wie er hier verstanden wird, ist eine These in Bezug auf die explanatorische Relevanz und/oder die metaphysische Rolle phnomenaler Erlebnisqualitten hinsichtlich des Mentalen im Allgemeinen und intentionaler (Bewusstseins-)Zustnde im Besonderen. Es empfiehlt sich, je nach der Reaktion auf die pragmatische und/oder metaphysische Separatismus-These, zwischen einer starken und einer schwachen Phnomenalismus-These zu unterscheiden, wobei zu betonen ist, dass alle Versionen des Phnomenalismus ipso facto anti-separatistische Theorien sind. Schwache Phnomenalisten (SWP) lehnen entweder die schwchere, pragmatische bzw. konzeptuelle Separatismus-These (ST 2) oder die strkeren metaphysischen oder ontologischen (und meist reprsentationalistischen) Separatismus-Thesen (ST 1), (ST 3) bzw. (ST 4) ab. Der schwchsten Version von SWP zufolge bleibt eine Theorie der Intentionalitt des Bewusstseins, die berhaupt keine Anleihen bei phnomenalen Aspekten, Eigenschaften oder Konzepten85 macht, (explanatorisch) inadquat, wobei keine Behauptung bezglich der ontologischen oder metaphysischen Korrelation bzw. Abhngigkeit zwischen intentionalen Vorkommnissen und ihren phnomenalen Aspekten gemacht wird. Die gelufigere Version von SWP ergibt sich durch eine bestimmte Reaktion auf (ST 3), also auf die These, dass die Individuationsbedingungen des phnomenalen Gehalts unabhngig von jenen des intentionalen Gehalts seien und/oder die beiden unabhngig voneinander zu erklren seien. Demgegenber behaupten schwache Phnomenalisten typischerweise, dass die phnomenalen Qualitten eines Bewusstseinszustands eine konstitutive bzw. individuierende Rolle in Hinblick auf (einige) mentale Zustnde und deren intentionalen Gehalt bernehmen. Wir haben somit folgende Standard-Alternative des schwachen Phnomenalismus:
they occur as ,constituents‘ of content. Thus objective properties penetrate experiences in ways that fix their phenomenology. […] we get a double dependence of the subjective on the objective: objective items figure as ,constituents‘ of subjective states, so shaping their phenomenology, and these states collect those objective ,constituents‘ by way of objective natural relations – say, biological function.“ (McGinn 1988, 305) Zur externalistischen Bestimmung intentionaler/semantischer Inhalte siehe mehr unten, Kap. III. 85 Zur Unterscheidung zwischen phnomenalen Eigenschaften und phnomenalen Konzepten und deren metaphysischen Konsequenzen, siehe den einflussreichen Aufsatz von B. Loar (1997).
5. Varietten des Phnomenalismus und des Intentionalismus
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(SWP 1a) Jedes intentionale (mentale) Vorkommnis ist nur mit Rcksicht auf phnomenale Konzepte bzw. auf die jeweiligen phnomenalen Eigenschaften/Aspekte von Bewusstseinszustnden adquat zu erklren, wobei die jeweiligen phnomenalen Eigenschaften/Aspekte von Bewusstseinszustnden konstitutiv sind fr die Individuierung ihres intentionalen Gehalts. (vgl. Horgan/Tienson 2002; Horgan/Tienson/Graham 2004; 2007) Zuweilen wird diese These auch so gefasst, dass alles (nher zu spezifizierende), was fr den phnomenalen Gehalt von mentalen Bewusstseinszustnden konstitutiv ist, auch konstitutiv dafr ist, dass mentale Zustnde intentionale Bewusstseinszustnde sind, und/oder dieser (phnomenale) Gehalt selbst wesentlicher Teil des intentionalen Gehalts mentaler Zustnde ist (vgl. Montague 2010, 770).86 Diese konstitutive Dependenz- und explanatorische Korrelationsthese hinsichtlich der Eigenschaften der Intentionalitt und Phnomenalitt wird manchmal aber auch etwas anders und etwas genauer, nmlich als ein Verhltnis der Supervenienz zwischen den betreffenden Entitten, formuliert: (SWP 1b) Alle mentalen Zustnde sind intentional, wobei der intrinsische intentionale Gehalt mentaler Zustnde konstitutiv durch ihren phnomenalen Erlebnisgehalt festgelegt wird. Ein konstitutives (und nicht lediglich nomologisches und/oder kausales) Determinationsverhltnis liegt dabei genau dann vor, wenn der phnomenale Erlebnisgehalt den mentalen Zustnden intrinsisch bzw. intern ist, wobei jede Differenz auf der Ebene des intentionalen Gehaltes auf einer (entsprechenden) Differenz auf der Ebene des phnomenalen Gehaltes superveniert. Ipso facto sind alle mentalen Zustnde phnomenale Bewusstseinszustnde. (vgl. Horgan/Tienson 2002, 520 ff.) Einen Sonderfall des schwachen Phnomenalismus stellt Searles Konzeption des Zusammenhangs zwischen Intentionalitt und (phnomenalem) Bewusstsein dar. Einen Sonderfall stellt Searle insofern dar, als er die spezifisch phnomenale (Wie-es-ist-)Eigenschaft des Bewusstseins zwar als ein wesentliches und notwendiges Merkmal von Subjektivitt, weder aber als hinreichendes noch exklusives Strukturmerkmal des Bewusstseins in einem umfassenderen Sinn ansieht (vgl. Searle 1992, 102 ff. und 150 ff.). 86 Vgl. auch Pautz 2008, dessen sog. „restricted priotism“ den Versuch eines alternativen Mittelweges zwischen Intentionalismus und Phnomenalismus darstellt.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
Zudem spricht Searle an keiner Stelle von einem fundierenden bzw. konstitutiven oder reduktiven Verhltnis zwischen den Individuationsbedingungen phnomenaler und intentionaler (Bewusstseins-)Vorkommnisse. Gleichwohl vertritt Searle eine starke Dependenzthese bezglich dieser beiden Vorkommnisse, nmlich: (SWP 2) Nur Entitten (Organismen, Systeme etc.), die tatschlich Bewusstsein aufweisen oder denen prinzipiell die Eigenschaft des Bewusstseins zugeschrieben werden kann, weisen intrinsische Intentionalitt auf, wobei jeder nicht-bewusste mentale Zustand, um berhaupt intentional sein zu kçnnen, zumindest potenziell in einen bewussten mentalen Zustand transformierbar sein muss. (vgl. Searle 1992, 154 f.)87 Searle zufolge gibt es zwar auch nicht-intentionale mentale Bewusstseinsvorkommnisse bzw. bewusste Dispositionen wie Stimmungen, Schmerzen etc. (vgl. Searle 1992, 153, 162 f.). Doch es gilt nach (SWP 3), dass mentale Zustnde nur dann genuin intentional sind, wenn sie Bewusstseinszustnde sind (oder in Bewusstseinszustnde ,transformierbar‘ sind). Das heißt, dass zwar die Eigenschaft der Intentionalitt fr die Instanziierung der Eigenschaft des Bewusstseins nicht notwendig ist, umgekehrt jedoch jedes (genuin) intentionale Vorkommnis notwendig mit dem Bewusstsein eines solchen Vorkommnisses koinstanziiert bzw. korreliert sein muss. Zu beachten ist hierbei, dass die Eigenschaft der Intentionalitt, die nur Bewusstseinswesen zugeschrieben werden kann, nicht eine von anderen Eigenschaften abgeleitete Form von Intentionalitt, sondern wesentlich die intrinsische (Bewusstseins-)Eigenschaft der Intentionalitt ist. Searle unterscheidet entsprechend zwischen drei Formen von Intentionalitt: der ,intrinsischen‘, der ,Als-ob-Intentionalitt‘ und der ,abgeleiteten Intentionalitt‘ (Searle 1992, 96 ff.). Erstere ist intrinsisch, genau insofern sie nur Entitten (Organismen, Systemen etc.) zugeschrieben werden kann, die einen intentionalen Zustand instanziieren bzw. sich in einem intentionalen Zustand befinden kçnnen. Searle spricht auch davon, dass die „Feststellung“, dass bestimmten Entitten eine intrinsische Intentionalitt zukommt, dann „wahr ist, [wenn] es wirklich einen intentionalen Zustand im Zuschreibungsobjekt [gibt]“ (Searle 1992, 97). Die zweite Form, die „Alsob-Intentionalitt“, bezeichnet, wie schon der Name sagt, keine eigentliche 87 Eine ganz hnliche, etwas przisere Version dieser Dependenzthese vertritt auch Kriegel 2003.
5. Varietten des Phnomenalismus und des Intentionalismus
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Form von Intentionalitt, sondern dient lediglich dazu, „metaphorisch oder figurativ“ beliebigen Gegenstnden Intentionalitt zuzuschreiben, wie man etwa sagt: ,Mein Computer ist vollkommen berlastet und will heruntergefahren werden.‘ Die paradigmatische Verwendungsweise der dritten Form schließlich, der abgeleiteten Intentionalitt, besteht in deren Zuschreibung etwa zu Stzen, Karten, Bildern, also primr nicht-mentalen Reprsentationsmedien, aber auch Maschinen (wie Thermostaten, Computern, Vergasern etc.), denen man oft Bedeutungen oder kognitive Leistungen zuschreibt, wie wenn sie von sich aus etwas ,meinten‘, ,bedeuteten‘ oder ,sagen wollten‘ oder etwas wahrnehmen, anzeigen etc. wrden. Die Intentionsfunktion solcher Reprsentanten bzw. Systeme ist zwar nach Searle ,wirklich‘, jedoch parasitr zu bzw. abgeleitet von der (intrinsischen) Intentionalitt von Subjekten, die sie ihnen zuschreiben und als intentionale interpretieren.88 Worin unterscheidet sich nun der starke von dem schwachen bzw. der searleschen Sonderform des Phnomenalismus? Das wesentliche Merkmal des starken Phnomenalismus ist, dass er die strkere, metaphysische (und typischerweise auch die schwache) Separatismus-These (ST 1) ablehnt. Starke Phnomenalisten leugnen also nicht nur, dass man intentionale Vorkommnisse und deren Individuationskriterien ohne Rcksicht auf phnomenale Eigenschaften/Aspekte oder Konzepte adquat erklren kçnnte, sondern auch, dass Intentionalitt und Phnomenalitt berhaupt zwei ontologisch verschiedene oder zu unterscheidende Eigenschaften mentaler Zustnde seien. Dem starken Phnomenalismus zufolge sind einzig und allein jene mentalen Zustnde genuin intentional, die intrinsisch einen genuin phnomenalen Erlebnischarakter aufweisen und, mehr noch, nur jene Entitten sind als mentale Vorkommnisse zu klassifizieren, die ebenfalls diesen Charakter aufweisen. Daraus folgt auch, dass fr den starken Phnomenalisten die paradigmatischerweise als intentionale Zustnde klassifizierten mentalen Vorkommnisse – wie etwa dispositionale oder propositionale Einstellungen, Meinungen, Wnsche etc. – sofern ihnen nicht wesentlich ein phnomenaler Erlebnisaspekt zukommt – weder genuin intentionale noch berhaupt genuin mentale Phnomene sind (vgl. Strawson 2005b, 45 f.). (Konsequenterweise schlgt auch G. Strawson, der einzige mir bekannte Vertreter eines solchen starken Phnomenalismus, vor, die ,mental/nicht-mental‘-Unterscheidung zugunsten der Unterscheidung zwischen ,genuin erlebnishaften‘ und ,nicht genuin erlebnis88 Einen hnlichen Ansatz entwickelt F. Dretske im Kontext intentionaler Handlungserklrungen, siehe Dretske 1999.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
haften‘ (real experiental/non-experiental) zu verabschieden; vgl. Strawson 2005b, 43, 46). Demnach lsst sich der starke Phnomenalismus in folgender Behauptung zusammenfassen: (STP 1) Genuine (oder intrinsische bzw. unabgeleitete)89 Intentionalitt und Phnomenalitt sind (ontologisch) voneinander ununterscheidbare Eigenschaften mentaler Vorkommnisse, wobei das distinktive Klassifikationskriterium eines genuin mentalen (intentionalen oder nicht nicht-intentionalen) Vorkommnisses nichts anderes ist, als dass es eine intrinsische phnomenale Erlebnisqualitt aufweist. (vgl. Strawson 2004; 2005a und 2005b) Neuerdings wird die Debatte zwischen Intentionalisten und Phnomenalisten immer çfter auch als Auseinandersetzung darber gefhrt, welches Konzept von mentalem bzw. kognitivem Gehalt man berhaupt verwendet bzw. wie weit man dieses Konzept fasst. So kann man Gehalt entweder gleichsam ,maximal inklusiv‘ (vgl. Montague 2010, 768) verwenden und meinen, dass mentaler/kognitiver Gehalt alles umfasst, was man epistemisch zur Verfgung hat, wenn man sich in einem Bewusstseinszustand befindet, also sowohl die phnomenalen Erlebnisqualitten des jeweiligen Zustandes als auch dasjenige, was (objektiv) in diesen Zustnden qua intentionalen Zustnden an kognitiver Information enthalten ist. Oder man schrnkt den Begriff mentalen Gehalts auf Letzteres ein und meint also, dass mentaler/kognitiver Gehalt identisch mit intentionalem Gehalt ist und/oder darber auch nicht hinausgeht. Die Auseinandersetzung lsst sich dann auch auf die simple Disjunktion ,Jeder mentale/kognitive Gehalt ist oder ist nicht ein intentionaler Gehalt‘ bringen. Die betreffende Debatte wird gegenwrtig unter dem Label Cognitive Phenomenology intensiv verhandelt.90 Phnomalistische Vertreter der Cognitive-Phenomenology-These sind typischerweise Anti-Separatisten und argumentieren dafr, dass phnomenaler Gehalt sich nicht auf den spezifisch qualitativen bzw. sinnlichen Erlebnisgehalt mentaler Bewusstseinszustnde beschrnkt, sondern vielmehr die Phnomenologie von Bewusstseinszustnden jeglicher Art (wie propositionale Gedanken oder 89 Die Attribute ,genuin‘, ,intrinsisch‘ bzw. ,unabgeleitet‘ (genuine/underived bzw. original/intrinsic) werden – hnlich wie bei Searle – von Strawson selbst synonym verwendet; siehe insbes. Strawson 2005a, 279 f. 90 Siehe dazu Bayne/Montague 2011, deren Introduction einen guten berblick der Debatte und ihre (Vor-)Geschichte bietet. Fr eine gute phnomenologische (insbes. husserlsche) Auseinandersetzung mit der Cognitive Phenomenology siehe D. W. Smith 2011.
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Einstellungen, Gefhle, Wahrnehmungen etc.) gleichsam kognitiv imprgniert ist. Inwieweit diese kognitive Durchdringung zu fassen ist und was sie genau besagt, ist freilich Gegenstand der Auseinandersetzung. Jedenfalls meinen kognitive Phnomenologen, dass die Phnomenologie des Bewusstseins sich wesentlich (auch) auf ihre kognitiven Aspekte und objektiv-intentionalen Inhalte erstreckt.91 Um die nagelsche Wendung einmal mehr zu bemhen: Es ist nicht nur irgendwie, in irgendeinem Bewusstseinszustand zu sein, sondern jeder mçgliche intentionale Bewusstseinszustand ber etwas hat eine je eigene Phnomenologie, die bestimmt oder zumindest wesentlich damit zusammenhngt, wie es ist, ber dies oder das dies oder das zu denken. In seiner strksten Version luft das in etwa auf folgende These hinaus: (STP 2) Der kognitive Inhalt eines Gedankens bzw. einer propositionalen Einstellung und die Art und Weise, wie dieser Inhalt einem Subjekt eines Bewusstseinszustandes Z (epistemisch) gegeben ist, ist wesentlich Teil des phnomenalen bzw. phnomenologischen Gehalts von Z, wobei dieser phnomenale bzw. phnomenologische Gehalt fr die Individuation und/oder Konstitution des jeweiligen kognitiven Gehalts verantwortlich ist. (vgl. Pitt 2004; Horgan/Tienson/Graham 2004, 2007; Montague 2010; Farkas 2008a, 2008b) Eine letzte Sondervariante des anti-separatistischen Phnomenalismus verdient hier umso eher Beachtung, als einige Autoren, die sie selbst vertreten, diese der klassisch-phnomenologischen Tradition und insbesondere Husserl zuschreiben (vgl. Kriegel 2009, 101 ff., 176 ff. und Montague 2010, 769) – wie oben und im Weiteren klar werden sollte92 zwar nicht vçllig zu Unrecht, jedoch aus tiefgreifenden methodologischen Grnden auch durchaus nicht unproblematischerweise. Die Rede ist von einer Variante, die meist im Zusammenhang mit der aktuell viel diskutierten sogenannten Self-Representational Theory of Consciousness auftaucht. Ohne
91 Fr die Existenz von cognitive qualia bzw. phenomenal thoughts mit unterschiedlichen Strken, was die These betrifft, ob alle oder nur manche kognitive/intentionale Zustnde/Prozesse/Einstellungen etc. wesentlich oder nicht einen phnomenalen Gehalt haben, argumentieren etwa Shields 2011; Siewert 2011 und kritisch Levine 2011; inwiefern dieser Gehalt ein qualitativer Empfindungsgehalt ist, untersucht Prinz 2011. 92 Siehe oben, Kap. I. 3. und unten, Kap. II. 3.4. und III. 3.3.
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auf diese Bewusstseinstheorie selbst nher einzugehen,93 lsst sie sich in Bezug auf die Debatte rund um den Separatismus grob mit der folgenden These charakterisieren: (STP 3) Jeder (intentionale oder nicht-intentionale) Bewusstseinszustand Z impliziert notwendig und/oder ist konstitutiv bedingt durch ein (Selbst-)Gewahrsein bzw. eine Selbst-Reprsentation von Z, wobei dieses (Selbst-)Gewahrsein bzw. diese Selbst-Reprsentation wesentlich eine phnomenale (und subjektiv erst-personale) Erlebnisqualitt ist. (vgl. Kriegel 2009; Montague 2010, 769 f.) So weit zu den verschiedenen ,Phnomenalismen‘, die trotz all ihrer zum Teil beachtlichen Unterschiede allesamt Varianten der Auffassung sind, dass der sogenannten ,Phnomenologie‘ von mentalen Zustnden qua Bewusstseinszustnden irgendein (konstitutiver, epistemischer, kognitiver, individuierender etc.) Vorrang vor ihren intentionalen Aspekten zukommt. Den Phnomenalisten steht die Gruppe der Intentionalisten gegenber. Nur wenige Philosophen des Geistes, die eine anti- oder nicht-phnomenalistische Konzeption des Bewusstseins und der Intentionalitt vertreten, zhlen sich explizit zu dieser Gruppe, zumal sie wiederum durchaus inhomogen ist. (Der besseren Orientierung halber werde ich daher die reprsentativsten Autoren der jeweiligen Varietten des Intentionalismus (IT) auch hier in Klammern anfhren.) So wenig explizit Intentionalisten ihre Position auch bestimmen mçgen und so unterschiedlich die einzelnen Konzeptionen des Intentionalismus faktisch sind – was allen Intentionalisten gemeinsam ist, ist der Umstand, dass sie die Eigenschaft der Intentionalitt (und eben nicht jene der Phnomenalitt) fr die Evaluierung der Eigenschaft des Bewusstseins und/oder des Mentalen allgemein starkmachen. Ganz grob lassen sich dabei zwei Haupttendenzen ausmachen: Die einen sehen Intentionalitt und insbesondere die Objekt-Gerichtetheit mentaler Zustnde, Akte etc. als distinktives Merkmal des Mentalen an, 93 Siehe dazu die Beitrge bzw. die Einleitung in Kriegel/Williford 2006. Die bislang systematischste Explikation dieser Theorie stellt Kriegel 2009 dar. Dort findet sich auch eine pointierte Beschreibung dieser Theorie: „[…] what makes something a phenomenally conscious state at all, what constitutes its subjective character, is a certain kind of self-representation: a mental state has phenomenal character at all when, and only when, it represents itself in the right way. All and only phenomenally conscious states are suitably self-representing. Thus, whatever else a conscious state represents, it always represents itself, and it is in virtue of representing itself that it is a conscious state. This is self-representationalism.“ (Kriegel 2009, 13 f.)
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ohne dabei notwendig eine spezifische These bezglich des Bewusstseins zu vertreten. Die andere Gruppe, namentlich die bereits mehrfach erwhnten Reprsentationalisten, erachtet den reprsentationalen Gehalt und/oder die reprsentationale Funktion intentionaler Zustnde, Akte etc. fr das Wesensmerkmal von mentalen Zustnden, Akten etc. und identifiziert dann dieses typischerweise mit der Wesenseigenschaft des (phnomenalen) Bewusstseins. Die strkste, expliziteste und zugleich auch umstrittenste Formulierung des Intentionalismus des ersten Typs findet sich bei T. Crane und sieht vereinfacht so aus: (IT 1) Alle mentalen Zustnde (inklusive kçrperlicher Empfindungszustnde bzw. Qualia) haben Objekte bzw. sind auf Objekte gerichtet und weisen als solche die Eigenschaft der Intentionalitt auf. Die Eigenschaft der Intentionalitt stellt dabei das distinktive Merkmal des Mentalen dar. (vgl. Crane 2007a, 11) Zu beachten ist dabei zweierlei: Erstens stellt (IT 1) keine Behauptung ber Bewusstseinszustnde auf, sondern ist lediglich eine These ber mentale Zustnde. Ob alle mentalen Zustnde auch bewusst sind, steht hier nicht zur Diskussion und lsst sich auch durch (IT 1) allein nicht begrnden. Zweitens ist aber (IT 1) eine starke ontologische Behauptung ber mentale Zustnde, insofern sie ausschließt, dass es Arten, Typen oder Vorkommnisse von mentalen Zustnden gbe, die von keinem Objekt handelten und mithin nicht intentional wren. Demnach sind etwa kçrperliche Empfindungszustnde (wie Schmerzen, Mdigkeit etc.), Gefhle, Stimmungen etc., d. i. all jene qualitativen Zustnde von Organismen, die gemeinhin unter der Rubrik Qualia subsumiert werden, genau sofern sie unter die Klasse mentaler Zustnde fallen bzw. als Eigenschaften von mentalen Zustnden gefasst werden, wesentlich intentionale Zustnde und haben (IT 1) zufolge auch Objekte zum Gegenstand (vgl. Crane 2003a, 51 ff.). Diese These ist freilich gerade aufgrund dieser Konsequenz ußerst umstritten. Was nmlich eine auf den ersten Blick phnomenologisch hçchst inadquate Folgeerscheinung von (IT 1) ist, ist die Annahme, dass qualitative Zustnde nicht nur Zustnde sind, deren Wesen es ausmacht, dass deren jeweiliger Trger sie hat oder sich in ihnen befindet, sondern sie gleichermaßen intrinsisch auf etwas gerichtet sind. Doch worauf sollen etwa kçrperliche Empfindungen (wie Schmerzen, Orgasmen etc.) oder der phnomenale Charakter von Sinneswahrnehmungen (wie der Geruch oder die subjektiv empfundene Frbung von etwas etc.) gerichtet sein und wovon gar sollen sie handeln? (IT 1) ist genau in dem Maße unplausibel, in dem
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diese Fragen keine sinnvollen Fragen zu sein scheinen.94 Eine Mçglichkeit, (IT 1) vor dieser Sinnlosigkeit zu bewahren, wre zu sagen, dass die betreffenden qualitativen Empfindungszustnde gar keine genuin mentalen (Bewusstseins-)Zustnde sind, was allerdings kaum jemand behaupten wrde. Eine andere Mçglichkeit wre zu sagen, dass Qualia neben ihrem intentionalen Aspekt zustzlich auch noch einen nicht-intentionalen, rein qualitativen Aspekt aufweisen. Mit Crane kçnnte man diese Option auch schwachen Intentionalismus nennen (vgl. Crane 2003a, 56 f., 70 ff.). Will man sich aber damit nicht zufrieden geben und einen starken Intentionalismus vertreten, so bleibt die dritte, von Crane selbst vorgeschlagene Mçglichkeit, Qualia als die intentionale „Prsentation eines Objekts“ unter einem bestimmten Aspekt bzw. Modus aufzufassen. Die mentale Prsentation eines intentionalen Objekts unter einem bestimmten Aspekt ist, was Crane als den „intentionalen Gehalt“ (Crane 2003a, 68) des jeweiligen mentalen Zustands fasst. Demnach ist etwa im Falle einer Schmerzempfindung der mentale Zustand insofern intentional, als er ein Gewahrsein eines Schmerzes in einer bestimmten Kçrperregion (als das intentionale Schmerz-Objekt) ist. Der intentionale Modus des Schmerzzustandes ist das Schmerzempfinden (wie der Modus einer visuellen Wahrnehmung das Sehen ist), whrend der intentionale Gehalt des Schmerzzustandes der Schmerz als schmerzend in diesem oder jenem Kçrperteil ist. Das Objekt des Schmerzzustandes, der schmerzende Kçrperteil, ist zwar selbst nicht intentional, der Schmerzzustand qua Gewahrsein/Bewusstsein des jeweils mehr oder weniger bestimmten schmerzenden Kçrperteils ist es jedoch nach dem Intentionalismus la Crane – wie eben alle mentalen Zustnde – sehr wohl. Der starke Intentionalismus wird allerdings von manchen sozusagen weniger stark formuliert, nmlich als das Gegenbild zum (schwachen) Phnomenalismus (SWP 1) und (SWP 2). Eine alternative Formulierung des starken Intentionalismus lautet demnach so: 94 Siehe dazu Searle 1992, 103: „Bewußtseinszustnde haben immer einen Inhalt. Man kann nicht einfach bloß Bewußtsein haben, vielmehr muß es – wenn jemand Bewusstsein hat – immer eine Antwort auf die Frage geben ,Wovon hat er Bewußtsein? Wessen ist er bewusst?‘ Doch ist das ,von‘ in ,Bewußtsein von‘ nicht immer das ,von‘ der Intentionalitt. Wenn ich Bewußtsein von einem Klopfen an der Tr habe, dann ist mein Bewußtseinszustand intentional, weil er sich auf etwas jenseits seiner selbst bezieht: auf das Klopfen an der Tr. Wenn ich Bewußtsein von einem Schmerz habe, dann ist der Schmerz nicht intentional, weil er ja nichts jenseits seiner selbst reprsentiert.“ Auf diesen Einwand Searles geht Crane explizit ein, siehe Crane 2003a, 67 f.
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(IT 2) Die Domne des Phnomenalen beinhaltet (auch) intentionale Objekte und/oder nicht nur rein phnomenale Qualia, wobei Letztere allein durch ihren intentionalen Gehalt individuiert werden. (vgl. McCulloch 2001, 25)95 Eine dritte Mçglichkeit, den Intentionalismus als eine These zu konstruieren, die Bewusstseinszustnde betrifft – und sich also nicht nur auf deren (Sub-)Domne des Phnomenalen wie (IT 2) und auch nicht auf mentale Zustnde im Allgemeinen erstreckt wie (IT 1) –, ist jene Form des Intentionalismus, der zufolge alle Bewusstseinszustnde wesentlich intentional sind. (IT 3) Alle Bewusstseinszustnde sind wesentlich intentional, wobei ein Zustand dann intentional ist, wenn er auf ein intentionales Objekt gerichtet ist. (vgl. Seager 1999a, 181, 190 f. und 1999b, 33, 36) Zu beachten ist hierbei zweierlei, nmlich erstens, dass diese These, wie W. Seager, deren Hauptvertreter, selbst bemerkt, nicht notwendig den Umkehrschluss impliziert, wonach Bewusstsein selbst eine wesentliche Eigenschaft intentionaler Zustnde wre – eine These, die wir etwa bei Searle vorfinden (SWP 3); zweitens setzt diese These zumindest implizit voraus, dass – pace G. Strawson (2004, 2005a, 2005b) – die Domne des Bewusstseins und die Domne des phnomenalen Erlebnisbewusstseins und/ oder des Mentalen nicht koextensiv sind. Demzufolge kann es also genuin bewusste (intentionale) Zustnde (wie etwa propositionale Einstellungen) geben, die eventuell von keinem spezifisch phnomenalen Erlebnisbewusstsein begleitet werden (wie etwa Schmerzzustnde). So weit zu den drei wichtigsten Varianten der ersten Gruppe der Intentionalisten, also jener Gruppe, welche die Objekt-Gerichtetheit intentionaler Zustnde fr das distinktive bzw. wesentliche Merkmal mentaler Zustnde und/oder Bewusstseinszustnde erachtet. Die zweite Gruppe von Intentionalisten umfasst all jene Varianten, die weniger den Objekt-Charakter als vielmehr den reprsentationalen Gehalt und/oder die reprsentationale Funktion intentionaler Zustnde fr die Wesenseigenschaft mentaler (Bewusstseins-)Zustnde starkmachen. Nachdem der Reprsen95 McCulloch selbst schlgt eine moderatere Version des Intentionalismus vor, der zufolge (auch) intentionale Objekte Teil der Domne des Phnomenalen sind; McCulloch bleibt also neutral hinsichtlich der Frage, ob es rein phnomenale Entitten berhaupt gibt – was der starke Intentionalismus (IT 1) und auch (IT 2) leugnen –, und pldiert auch nicht fr ein einseitiges Dependenzverhltnis zwischen den intentionalen und den phnomenalen Individuationsbedingungen (zugunsten der intentionalen Faktoren); siehe McCulloch 2001, 25 ff.
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tationalismus ohne Zweifel die dominante Theorie der Intentionalitt des Bewusstseins der letzten Jahrzehnte war und immer noch ußerst einflussreich ist, sind zahlreiche Varianten des reprsentationalistischen Intentionalismus im Umlauf. Ich werde mich im Folgenden auf die drei wichtigsten und zugleich prominentesten Typen beschrnken, die ihre Anziehungskraft allem Anschein nach fr viele Philosophen des Geistes immer noch nicht eingebßt haben. (Die klassische Variante, nmlich J. Fodors sogenannte Reprsentationale Theorie des Geistes, in welcher die meisten der aktuellen reprsentationalistischen Intentionalismen wurzeln – sei es, indem sie sich davon kritisch absetzen oder sie nur mehr oder weniger umfassend reformulieren –, werde ich eigens, in den folgenden Kapiteln II. 1.1. und II. 1.2., ausfhrlicher behandeln.) Die drei meines Erachtens wichtigsten Varianten des reprsentationalistischen Intentionalismus sind nun die folgenden: (IT 4a) Alle mentalen Zustnde werden durch ihren intentionalen Gehalt individuiert, wobei der intentionale Gehalt eines mentalen Zustands identisch ist mit dessen reprsentationalem Gehalt. Und/ oder: Jeder Differenz auf der Ebene der phnomenalen (Erlebnis-) Qualitten eines mentalen (Bewusstseins-)Zustands korreliert eine entsprechende Differenz auf der Ebene des intentionalen/reprsentationalen Gehalts (d. h. das Phnomenale superveniert auf dem Intentionalen). (vgl. Harman 1990, 38 f.; Tye 1995, 137 f.; Byrne 2001, 199 ff.)96 96 Siehe dazu auch die Bestimmung bei Stoljar 2007, 247. Bezglich der Supervenienz-Formulierung sind folgende Punkte zu beachten: 1.) Die SupervenienzRelation ist eine asymmetrische Dependenz-Relation von der Supervenienzbasis zur supervenierenden Ebene. Das impliziert, dass zwar jeder phnomenalen Differenz (supervenierende Ebene) notwendig entsprechende intentionale Differenzen (Supervenienzbasis) korrelieren mssen, nicht aber jede phnomenale Differenz eine entsprechende Differenz auf der intentionalen Supervenienzbasis bedingt bzw. nach sich zieht (andernfalls msste man annehmen, dass zwei verschiedene oder verschiedenartige qualitative Erlebnisse automatisch zwei verschiedene intentionale Inhalte bedingten, was ja letztlich auf einen Psychologismus hinausliefe). Die Asymmetrie der Dependenz-Relation impliziert aber – entgegen allem Anschein – auch, dass nicht notwendig jeder intentionalen Differenz eine entsprechende phnomenale Differenz korreliert (sondern eben nur umgekehrt jeder phnomenalen eine intentionale Differenz korreliert). So kçnnen etwa zwei verschiedene intentionale Inhalte – innerhalb eines Subjektes oder zweier verschiedener Subjekte – von einem phnomenal gleich(artig)en Erlebnis begleitet werden. 2.) Es gilt dementsprechend auch hier die sog. multiple Realisierbarkeit intentionaler Inhalte: Ein und derselbe intentionale Inhalt kann phnomenal verschieden oder in
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(IT 4b) Alle mentalen Ereignisse, Zustnde und Tatsachen sind intentional, genau insofern sie reprsentationale Tatsachen sind (wobei alle mentalen Ereignisse, Tatsachen und Zustnde reprsentationale Tatsachen, aber nicht umgekehrt alle reprsentationalen Tatsachen mental sind). Reprsentationale Tatsachen sind a.) extra-mentale Tatsachen, die festlegen, was als Mentales klassifiziert werden kann und b.) Tatsachen in Bezug auf reprsentationale Funktionen eines Systems, Organismus etc. (vgl. Dretske 1995, 9 ff., 47)97 (IT 4c) Die Menge der mentalen (inklusive der qualitativen, phnomenalbewussten) und jene der intentionalen Vorkommnisse sind identisch, wobei intentionale Vorkommnisse durch ihre reprsentationalen cum (neurophysiologisch-)funktionalen Eigenschaften hinreichend spezifiziert und erklrt werden kçnnen (was jedoch nicht zwangslufig die Behauptung impliziert, dass Intentionalitt fr mentale Reprsentationen hinreichend ist). (vgl. Lycan 1996, 11, 160) Die Implikationen dieser reprsentationalistischen Theorien des (phnomenalen) Bewusstseins und insbesondere deren intentionalistische Varianten werden in den folgenden Kapiteln noch eingehend behandelt. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass eo ipso keine der drei Varianten von (IT 4) naturalistische oder reduktionistische Implikationen bezglich der Eigenschaften des Bewusstseins oder der Intentionalitt haben – auch wenn sie de facto den Reprsentationalismus in Bezug auf diese Eigenschaften gerade mit Blick auf eine umfassende Naturalisierung des Geistes mobilisieren. Zum Abschluss der Liste der Intentionalismen sei noch auf einen Sonderfall zwischen der ersten und zweiten Gruppe von Intentionalisten hinzuweisen, zumal dieser der klassisch-phnomenologischen Konzeption der Intentionalitt la Husserl wohl am nchsten kommt. Die Rede ist von M. Rowlands’ kongenialer Adaption einer genuin transzendentalen Theorie der intentionalen Geist/Welt-Beziehung, wie sie bereits im Zuverschiedenen Subjekten gegeben/realisiert sein. 3.) Die Supervenienzthese ist – zumindest in der Standard-Formulierung – eine logisch-konzeptuelle und/oder metaphysische These und hat nicht notwendig epistemologische Konsequenzen: Das heißt im gegebenen Fall, dass Subjekte phnomenaler Erlebnisse nicht notwendig wissen mssen, ob bzw. dass oder welche phnomenale Qualitten ihrer Erlebnisse mit welchen intentionalen Inhalten korreliert sind, um ein Supervenienz-Verhltnis zwischen den beiden Ebenen annehmen zu kçnnen. (Siehe dazu allgemein auch McLaughlin/Bennett 2005.) 97 Siehe dazu genauer oben, Kap. I. 1.
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sammenhang mit dem Anti-Objektualismus in Bezug auf das phnomenale Bewusstsein diskutiert wurde. In intentionalittstheoretischer Hinsicht lsst sich seine Theorie nun so formulieren: (IT 5) Jeder mentale (Bewusstseins-)Zustand hat einen intentionalen Kernaspekt, welcher weder auf die objektiv-reprsentationalen Aspekte (d. i. das reprsentierte/intentionale Objekt, dessen Eigenschaften oder dessen Gegebenheitsweise) reduziert, noch selbst zum (intentionalen/reprsentationalen) Objekt gemacht werden kann, sondern vielmehr in der (transzendentalen) objekt-(re-)prsentierenden Funktion bzw. der Objekt-Gerichtetheit mentaler Bewusstseinszustnde als solcher besteht. (vgl. Rowlands 2008, 293 f., 295)98 In direktem Gegensatz dazu – aber auch in Abgrenzung zu den Intentionalismen (IT 1) bis (IT 4) und zu allen Varianten des Phnomenalismus – stehen schließlich und endlich zwei weitere wichtige Theorien der Intentionalitt, nmlich D. Dennetts Instrumentalismus und eine Theorie, die man mangels eines besseren Titels Intensionalismus nennen kçnnte. Zu beachten ist dabei, dass zwar beide Theorien explizite Behauptungen ber die Eigenschaft der Intentionalitt aufstellen und dieser auch eine jeweils wichtige explanatorische Rolle beimessen, doch weder Instrumentalismus noch Intensionalismus Formen des Intentionalismus sind. Dennetts Instrumentalismus ist eine viel diskutierte und nicht minder viel kritisierte Theorie,99 deren Hauptstoßrichtung in der ontologischen Eliminierung bei gleichzeitiger Anerkennung und Bewahrung der psychologisch-explanatorischen Relevanz des Phnomens der Intentionalitt liegt. Kurz zusammengefasst,100 besagt er Folgendes: (IT 6) Intentionalitt ist keine (reale) Eigenschaft mentaler Zustnde, sondern ein bestimmtes Merkmal von (mentalen oder nicht-mentalen) Systemen, wobei ein System nur relativ zu einer bestimmten Einstellung bzw. in Bezug auf eine bestimmte Beschreibungs- und Erklrungsstrategie als intentional qualifiziert werden kann. Ein System ist dabei genau dann intentional (d. i. genau dann relativ zu einer ,intentionalen Einstellung‘), wenn man ihm Meinungen/ berzeugungen (beliefs) und Wnsche (desires) zuschreibt, auf 98 hnliche, aber in intentionalittstheoretischer Hinsicht weniger przise Thesen finden sich auch in Rowlands 2001 und 2003. 99 Eine der scharfsinnigsten Kritiken liefert Baker 1989. 100 Ich komme darauf noch genauer zurck, siehe Kap. II. 1.2.
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Grund derer (und unter Annahme bestimmter Rationalittskriterien) man das Verhalten des (intentionalen) Systems erklren und/ oder voraussagen kann. (vgl. Dennett 1971; 1981; 1991, 76) Die andere, gewissermaßen noch radikalere, Intentionalittskonzeption, der Intensionalismus, wird zwar von wenigen vertreten, darf aber allein schon deshalb nicht verschwiegen werden, weil darin ein oft hervorgehobener Aspekt der Intentionalitt zum Tragen kommt,101 der uns auch im weiteren Verlauf wiederholt beschftigen wird.102 Es handelt sich dabei um die Engfhrung, oder besser: Identifizierung, der Eigenschaft der Intentionalitt mit bestimmten logisch-semantischen Eigenschaften bestimmter Klassen von mentalen und nicht-mentalen Entitten. Unter die betreffende Klasse der mentalen Entitten fallen all jene mentalen Zustnde, die man blicherweise propositionale Einstellungen nennt, d. i. mentale Zustnde, die Einstellungen zu Tatsachen bzw. Propositionen (ber Tatsachen) sind und typischerweise durch Stze des Typs ,X glaubt/frchtet/hofft etc., dass p‘ ausgedrckt werden. Zur Klasse der nicht-mentalen intentionalen Entitten gehçren dem Intensionalismus zufolge die sogenannten Einstellungsberichte, d. i. Berichte oder Stze ber intentionale Zustnde bzw. propositionale Einstellungen. Der Intensionalismus in Reinform, wie er zwar selten auftritt, in der Philosophie des Geistes und Psychologie der letzten Jahrzehnte allerdings eine nicht zu unterschtzende, oft unterschwellige Breitenwirkung entfaltet hat, behauptet nun Folgendes: (IT 7) Intentionalitt ist berhaupt keine mentale Eigenschaft bzw. keine exklusive Eigenschaft mentaler Zustnde (und ipso facto auch nicht bewusster mentaler Zustnde), sondern vielmehr und wesentlich eine semantische Eigenschaft von (mentalen und nicht-mentalen) Zustnden oder Vorkommnissen, wobei ein Vorkommnis genau dann intentional ist, wenn es eine Beschreibung aufweist, die 101 Der prominenteste Autor, der – unter anderen Merkmalen, wie etwa der Ungltigkeit des logischen Prinzips der Existenzverallgemeinerung (s. dazu mehr unten, Kap. III. 2.4.) – auf das wesentliche Merkmal der Intensionalitt intentionaler Zustnde bzw. propositionaler Einstellungen und Einstellungsberichte hingewiesen hat, ist bekanntlich R. Chisholm (1955/56 und 1967). (Siehe dazu auch Sellars 1958.) Als Erster hat R. Carnap die Intensionalitt intentionaler (Glaubens-)Stze (sentences about beliefs) systematisch ausgearbeitet; vgl. Carnap 1947, 53 ff. Zu Chisholms und Carnaps Kriterium der Intensionalitt siehe die konzise Darstellung bei Mnch 1993, 20 – 23 und genauer – insbesondere mit Blick auf eine Abgrenzung Chisholms von Husserls Intentionalittskonzeption – Carr 1975. 102 Siehe unten, Kap. II. 3.1. und III. 2.4.
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mindestens einen intensionalen Teilausdruck (singulren Term, Prdikat, Teilsatz etc.) enthlt. (vgl. Barz 2004, 24, 45, 59)103 So problematisch diese These auch sein mag, zu beachten ist jedenfalls, dass sie nicht besagt, dass mentale Zustnde als solche nicht intentional sein kçnnen oder dass kein mentaler Zustand die Eigenschaft der Intentionalitt aufweist. Sie trifft auch keine Entscheidung ber die Realitt oder Irrealitt mentaler Zustnde oder Einstellungen, also darber, ob nun Personen mentale Zustnde bzw. Zustnde, die sich auf etwas Mentales oder NichtMentales beziehen, haben oder nicht. (IT 4) besagt lediglich, dass Intentionalitt keine mentale, sondern wesentlich eine logisch-semantische Eigenschaft, nmlich jene bestimmter Arten von Beschreibungen ist. Diese Beschreibungen kçnnen Beschreibungen von mentalen Zustnden, also Einstellungsberichte, sein. Sie mssen aber nicht Beschreibungen von mentalen Zustnden, ja gar nicht von irgendwelchen Zustnden von Personen sein (vgl. Barz 2004, 47). Was dieser These zufolge einzig und allein ausschlaggebend dafr ist, dass ein Vorkommnis X als intentional qualifiziert wird, ist, dass es a.) mindestens eine Beschreibung gibt, die auf X zutrifft, und b.) diese Beschreibung mindestens ein intensionales sprachliches oder logisch artikulierbares Element aufweist. Dass etwas (eine logische oder sprachliche Entitt) intensional ist, ist wiederum eine rein logisch-semantische Eigenheit, die bekanntlich darin besteht, dass ein betreffender Ausdruck nicht salva veritate durch einen extensional gleichen Ausdruck ersetzt werden kann.104
103 In dieser Extremform wird die These heute, soweit mir bekannt, von niemandem, außer Barz 2004 selbst, vertreten. Moderatere Versionen von (IT 7) finden sich allerdings, wie bereits erwhnt, bei Chisholm (1955/56 und 1967) und Smith/ McIntyre (1982b); siehe zu Letzteren mehr unten, Kap. III. 2.2., III. 2.4. 104 Siehe dazu ausfhrlich unten, Kap. III. 2.4.
6. Das Konstitutions- und Determinationsproblem der Intentionalitt Eines der gewichtigsten, immer wiederkehrenden Probleme in den Debatten um die Mçglichkeiten und Grenzen einer naturalistischen Philosophie des Geistes ist jenes der Naturalisierung und Naturalisierbarkeit von Intentionalitt. Von den Erfolgsaussichten, die intentionale Eigenschaft, Struktur und Funktion des Bewusstseins im Rahmen einer Theorie, die mit bestimmten naturwissenschaftlich/experimentell erprobten Modellen zumindest ,vertrglich‘ ist, adquat beschreiben zu kçnnen, scheint fr viele der Erfolg einer naturalistischen Theorie des Geistes insgesamt abzuhngen.105 Notorische Unklarheiten bestehen jedoch nicht nur bezglich der Kriterien, die die ,Vertrglichkeit‘ einer Theorie der Intentionalitt des Bewusstseins mit naturwissenschaftlich plausiblen Kriterien und der spezifischen Logik naturwissenschaftlicher Forschung nher bestimmen sollen. Ebenso wenig ist man sich bezglich der Kriterien einig, die darber entscheiden sollen, ob hier berhaupt zwei autonome Seinsbereiche vorliegen. Letztere Entscheidung hngt wesentlich mit der Entscheidung zwischen dem sogenannten intentionalen Realismus und deren verschiedenen Antipoden, namentlich dem intentionalen Anti-Realismus/Irrealismus bzw. Eliminativismus und dem Instrumentalismus zusammen. Whrend intentionale Realisten, je nach heuristischer Gewichtung und metaphysischer Strke, dem Intentionalen eine autonome ontologische Region und eine explanatorisch-psychologische Relevanz zuerkennen, streiten intentionale Anti-Realisten und insbesondere deren metaphysisch strkste Gruppe, die sogenannten Eliminativisten la Churchland (vgl. Churchland 1981), die ontologische Autonomie und psychologische Relevanz intentionaler Entitten und der entsprechenden intentional-(volks-)pyschologischen Theorien rundheraus ab. Die metaphysisch moderatere Version des intentionalen Anti-Realismus, der Instrumentalismus la Dennett (vgl. Dennett 1971, 1981) rumt intentionalen Vorkommnissen zwar keinen 105 Vgl. exemplarisch Fodor 1987, 97 ff. oder Tye 1994; siehe dagegen Stich/Laurence 1994. Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 1.2.
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Platz in der (physikalischen) Realitt ein, misst ihnen aber zumindest eine instrumentell-heuristische Rolle hinsichtlich der Erklrung bestimmter kognitiver und psychologischer Verhaltensmuster bei (dies entspricht der obigen These (IT 6)).106 Die Frage, ob und wie sich Intentionalitt naturalisieren lsst, kann jedenfalls nur dann sinnvoll gestellt werden, wenn man sich entweder einer ontologischen Grundlage fr die Existenz und/oder der explanatorischen Relevanz intentionaler Entitten im Rahmen einer Theorie des Geistes einmal versichert hat. Nun kann man aber der ontologischen Frage nach der Existenz intentionaler Zustnde, Eigenschafen und Vorkommnisse – verstanden als eine von nicht-intentionalen, ,natrlichen‘ Eigenschaften, Zustnden, Vorkommnissen und Ereignissen unterschiedene Klasse von Entitten – nur dann einen Schritt nherkommen, wenn man einigermaßen przise angeben kann, was eine Theorie der Intentionalitt denn eigentlich erklren soll. Die ontologische Frage nach der Existenz distinktiver Merkmale von intentionalen Zustnden kann gleichsam nur ber den Umweg der Frage nach dem Erklrungsanspruch des Konzepts der Intentionalitt im Rahmen der jeweiligen Theorie des Mentalen gestellt werden.107 Anders ausgedrckt: Die Auseinandersetzung zwischen intentionalen Realisten und Anti-Realisten/Irrealisten kann stets nur auf dem Feld der umfassenderen Theorie des Mentalen ausgetragen und nur mit Rcksicht auf die Erklrungskraft des jeweiligen Modells der intentionalen Struktur und Funktion des Bewusstseins entschieden werden. Was muss nun eine Theorie der Intentionalitt nach Ansicht eines Naturalisten berhaupt erklren? Im Kontext der gegenwrtigen Naturalismusdebatte in der Philosophie des Geistes lassen sich mit Bezug auf die Intentionalitt mentaler Zustnde im Wesentlichen zwei Fragen ausmachen, auf die der Naturalist eine Antwort schuldig ist, wenn denn seine Theorie der Intentionalitt erfolgreich und/oder naturalistisch plausibel und adquat sein soll. Die beiden Fragerichtungen werden in der Literatur meistens nicht scharf genug auseinandergehalten, was – wie so oft in der Philosophie des Geistes – zur Folge hat, dass entweder berzogene (explanatorische, metaphysische, epistemologische etc.) Forderungen an die 106 Eine Art Zwischenstellung zwischen Eliminativismus und Instrumentalismus nimmt Stich 1983 ein (siehe insbes. Kap. 10, 11). Zum intentionalen Eliminativismus bzw. (Ir-)Realismus siehe mehr unten, Kap. II. 1.2. 107 In diesem Zusammenhang ist folgende – wenn auch aus dem erluternden Zusammenhang gerissene – Feststellung von J. N. Mohanty erwhnenswert: „A study of consciousness and its intentional contents provides no direct route to ontology.“ (Mohanty 1989b, 88). Siehe dazu mehr unten, Kap. III. 2.6.
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jeweiligen Theorien der Intentionalitt gestellt werden oder im schlimmsten Fall die Intentionalittsmodelle die falschen Fragen zu beantworten trachten oder Scheinprobleme zu lçsen vorgeben.108 Die Unterscheidung dieser beiden Problemstellungen hinsichtlich der Intentionalitt ist von daher, auch fr alles Nachfolgende, von entscheidender Bedeutung. (1) Zum einen geht es um die grundlegende metaphysische Frage nach der Konstitution intentionaler Zustnde, Akte und Inhalte innerhalb einer als gegeben vorausgesetzten naturalistisch-physikalistischen Ontologie. Die Leitfrage, die es dabei vermeintlich zu beantworten gilt, ist: Was macht bestimmte ,natrliche‘/physikalische Zustnde, Ereignisse und Vorkommnisse zu intentionalen Zustnden? Das heißt, welche Eigenschaften besitzen intentionale Zustnde, die eine eigenartige und/oder eigenstndige (epistemische) Realitt konstituieren – eine Realitt, welche eine andere Beschreibung und Erklrung zu fordern scheint als die Beschreibung und Erklrung der Entitten, Ereignisse und kausalen Relationen, welche den Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften konstituieren? Dem Konstitutionsproblem der Intentionalitt, wie es sich in der naturalistischen Philosophie des Geistes typischerweise stellt, liegt nicht nur eine als gegeben vorausgesetzte oder physikalistisch konstruierte universale Ontologie der Welt, sondern auch eine fundamentale ontologische Grundannahme hinsichtlich intentionaler Vorkommnisse zugrunde: nmlich die Annahme, dass intentionale Eigenschaften und Zustnde Eigenschaften und Zustnde natrlicher Systeme sind, wobei etwas genau dann ,natrlich‘ ist, wenn es nicht-intentional ist und/oder nicht-intentional beschreibbar bzw. erklrbar ist. Die Frage nach der Konstitution des Intentionalen ist gleichsam an der Schwelle zwischen der Frage nach der Epistemologie subjektiver mentaler Zustnde, berzeugungen und Wnsche und jener nach der ontologischen Verfasstheit der Realitt, in der diese Zustnde eingebettet sind bzw. auf die sie sich beziehen, angesiedelt. Die Frage ist also, ,wie es kommt‘ bzw. ,was es macht‘, dass bestimmte Relationen zwischen (physikalischen) Entitten nicht (oder nicht nur) kausal spezifizierbar sind, sondern eine genuin reprsentationale Fhigkeit von Wesen anzeigen, die auf (physikalische und evtl. nicht-physikalische bzw. nicht-existente) Entitten und Sachverhalte Bezug nehmen, diese beschreiben, benennen, von ihnen Kenntnis haben 108 Der einzige mir bekannte Autor, der eine solche Unterscheidung zwischen Konstitutions- und Determinationsfragen der Intentionalitt wie die hier vorgeschlagene vornimmt, ist Schrçder 2004, 133 ff. und 218 ff.
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I. Phnomenologie der Intentionalitt und die Intentionalitt des Phnomenalen
und nehmen kçnnen etc. Eine epistemologische Wendung bekommt das Konstitutionsproblem durch die Frage, was es macht, dass manche Reprsentationen, Bezugnahmen oder Beschreibungen wahr und manche falsch sind, manche (genuin oder veridisch) referieren und manche nicht, bzw. wie es kommt, dass mentale Reprsentationen berhaupt einen wahrheitsfhigen (semantischen oder reprsentationalen) Gehalt besitzen. Wenn wir eine Antwort auf die Konstitutionsfrage erhalten wollen, so mssen wir – einer insbesondere im kognitionswissenschaftlichen Lager weit verbreiteten Auffassung zufolge – die spezifisch reprsentationale Funktion und Struktur des Geistes untersuchen, welche die Bezugnahme auf natrlich-physikalische (evtl. nicht-existente) Gegebenheiten mçglich macht. Was wir also dieser Auffassung zufolge brauchen, wenn wir die Konstitution der Intentionalitt erklren wollen, ist eine Theorie mentaler Reprsentation – und das heißt eine Theorie, die erklrt, wie mentale Reprsentationen in einer nicht-mentalen Realitt Platz haben. Eine klassische Formulierung des (naturalistischen) Konstitutionsproblems der Intentionalitt finden wir bei R. Stalnaker: The problem of intentionality is a problem about the nature of representation. Some things in the world […] represent, or stand for, or are about other things […]. Some philosophers have suggested that the capacity to represent, and to confer representational properties, is a distinctive and essential capacity of thinking things. Persons can represent because they have minds; inanimate objects can represent only because of the way people use and regard them. For various familiar reasons, intentional or representational relations seem unlike the relations holding between things and events in the natural world: causal interactions, spatiotemporal relations, various relations of similarity and difference. […] Some philosophers have used these distinctive features to argue that they are irreducible to natural relations. From this conclusion it is argued that mental phenomena cannot be a species of natural phenomena. Any account of thinking things as natural objects in the material world, these philosophers argue, is bound to leave something out. The challenge presented to the philosopher who wants to regard human being and mental phenomena as part of the natural order is to explain intentional relations in naturalistic terms. (Stalnaker 1984, 6)109 109 Siehe auch exemplarisch den Auftakt von P. Jacobs Buch What Minds Can Do – Intentionality in a Non-Intentional World: „This book is about semanticity or intentionality – about how semanticity and intentionality fit in a non-semantic and non-intentional world. Intentionality is one important feature of minds – of human minds if not of other minds. It is what allows some of a human being’s states of mind – the so called ,propositional attitudes‘ (such as beliefs and desires) – to be about (or represent) non-mental and mental things and states of affairs, some actual, some possible, and some impossible. In other words, having inten-
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(2) Neben der Konstitutionsfrage impliziert jedoch eine Theorie der Intentionalitt, welche mit dem Paradigma der mentalen Reprsentation operiert, eine weitere Frage – die Frage nmlich, welche Eigenschaften, Ereignisse, Vorkommnisse, Relationen etc. fr die Individuation intentionaler Zustnde verantwortlich sind. Intentionale Zustnde werden – so die Standardauffassung in der Philosophie des Geistes – durch ihren (semantischen oder reprsentationalen) Inhalt und nicht durch die (realen oder irrealen) Objekte, auf die sie gerichtet sind, individuiert. Die Frage nach der Individuation intentionaler Zustnde ist demnach gleichbedeutend mit der Frage nach den Kriterien fr die Bestimmung des (jeweiligen) Inhalts dieser Zustnde. Das Paradigma mentaler Reprsentation vorausgesetzt, stellt sich also die Frage, welche Eigenschaften, Ereignisse, Vorkommnisse, Relationen etc. die sogenannten reprsentationalen Inhalte mentaler Zustnde determinieren. Kurz, die Frage ist: Wie kommen mentale Zustnde zu ihrem Inhalt bzw. was macht einen intentionalen Zustand genau zu diesem oder jenem intentionalen Zustand, zu einer Reprsentation genau von diesem oder jenem Gegenstand? Das ist also die zweite und fr die gegenwrtigen Naturalisierungsmodelle der Intentionalitt bei weitem wichtigere Fragerichtung. Zusammenfassend lautet also die Konstitutionsfrage der Intentionalitt: Was macht prima facie nicht-mentale und nicht-intentionale Entitten zu mentalen Zustnden mit Intentionalitt? Demgegenber lautet die Individuations- bzw. Determinationsfrage der Intentionalitt: Was unterscheidet intentionale Zustnde und deren Inhalte voneinander und wie sieht die Beziehung zwischen diesen und den nicht-intentionalen Entitten, auf die sie (qua intentionale Gegenstnde) jeweils gerichtet sind, aus? Wenn man nur ein wenig mit der Philosophie des Geistes vertraut ist, ist offensichtlich, dass diese beiden Fragen sinnvollerweise nicht vçllig unabhngig voneinander beantwortet werden kçnnen – auch wenn manche der gegenwrtig verfgbaren Intentionalittstheorien genau dies nahezulegen scheinen. Wie hngen also die beiden Fragerichtungen nach der Konstitution intentionaler Zustnde und nach der Determination intentionaler bzw. reprsentationaler Inhalte und der korrespondierenden (intentionalen) Gegenstnde zusammen? Und inwiefern hngt von ihrer Beantwortung die Beantwortung der allgemeineren Frage nach der Existionality or being representations, an individual’s states of mind have semantic properties. In particular, an individual’s states of mind have truth-conditions: they can be true and they can be false (as the case may be).“ (Jacob 1999, 1)
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tenz bzw. (epistemischen) Realitt des Intentionalen als eine Domne der sogenannten ,natrlichen Ordnung‘ bzw. als eine von dieser distinkten Klasse von Entitten ab? Ein dominanter naturalistischer Antworttypus kann in einer ersten Annherung folgendermaßen rekonstruiert werden: Ließe sich zeigen, dass die Inhalte mentaler Zustnde kausal determiniert werden, bzw. dass die Individuation intentionaler Zustnde ber eine funktionale Beschreibung der (intra- oder extramentalen) Distribution reprsentationaler Inhalte oder Eigenschaften erklrt werden kann, dann stnde dem Projekt einer Naturalisierung der Intentionalitt nichts mehr im Wege. Es lge an den Kognitionswissenschaftern, mçglichst brauchbare Modelle der internen Architektur unserer kognitiven Bezugnahme auf die externe Welt zu entwickeln, die dann ihrerseits mit Hilfe neurowissenschaftlicher Forschung empirisch zu berprfen bzw. zu verfeinern wren. An solchen Modellen mentaler Reprsentation mangelt es denn auch nicht in der gegenwrtigen Forschungslandschaft. So unterschiedlich sie auch immer die Determinanten mentaler Reprsentation beschreiben (kausal, funktional bzw. teleofunktional, komputational, informationstheoretisch, evolutionsbiologisch etc.), teilen all jene kognitionswissenschaftlichen Modelle, die das Projekt einer Naturalisierung der Intentionalitt verfolgen, die Grundannahme, dass eine naturalistische (d. i. nicht-intentionale) Erklrung der Determination reprsentationaler Inhalte eine adquate Antwort auf die Frage nach der Konstitution mentaler Zustnde und ihrer epistemischen Qualitten liefern wird. Um mit einer treffenden Formulierung von S. Kelly zu sprechen, ist die Grundprmisse naturalistischer Standardtheorien der Intentionalitt die Annahme, dass die Beschreibung der „Maschinerie der Individuation“ intentionaler/reprsentationaler Inhalte fr die Frage nach Konstitution von Intentionalitt – der Frage also, was es heißt, dass mentale Zustnde berhaupt ber etwas handeln – hinreichend ist (vgl. Kelly 2001, 4 f.).110 110 Kelly 2001 bezieht sich zwar nicht auf naturalistische Theorien der Intentionalitt im engeren Sinn, sondern auf eine grundlegende, der hier behandelten aber strukturell ganz hnliche Asymmetrie zwischen sprachanalytischen und phnomenologischen Theorien der Intentionalitt: „What an assertion means (what I call its ,meaning‘) and that it means whatever it does (what I call its ,meaningfulness‘) are easily conflated; the standard explanation of intentionality – that it is the ,aboutness‘ of an assertion – fails to distinguish between the two. We can distinguish between these approaches to intentionality by saying that an account of meaning of a sentence tells you what it’s about, while an account of the meaningfulness of a sentence tells you what it is for it to be about. […] Because these two
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Die ganze Pointe des Projekts einer Naturalisierung der Intentionalitt, so unterschiedlich die einzelnen Modelle im Detail auch sein mçgen, besteht meines Erachtens darin, diese zwei – wesentlich korrelativen – Probleme voneinander zu trennen und das Problem der Konstitution mentaler Zustnde ber die Frage nach der naturalistischen Bestimmung der Individuationskriterien reprsentationaler Inhalte abzuhandeln. Wenn wir – so die Grundannahme – empirisch plausibel beschreiben kçnnen, wie bestimmte natrliche Entitten (physikalische Informationen, Sinnesdaten etc.) zu Inhalten von Reprsentationen werden bzw. in einem materiellen Reprsentationstrger zu mentalen Reprsentationen transformiert werden, kurz: wenn wir die reprsentationale Funktionsweise unserer kognitiven Apparate (Gehirn, Nervenssystem, Sinnesorgane etc.) mçglichst genau beschreiben, wird es keine weiteren Rtsel bezglich der epistemischen Qualitten unserer Bezugnahme auf die Welt, die anderen oder auf uns selbst mehr geben. Es bleiben dann freilich auch keine weiteren Fragen bezglich der Konstitution intentionaler Zustnde offen. Der intentionale Zustand, in dem sich ein Reprsentationssystem jeweils befindet, lsst sich einem solchen „reprsentationalen Naturalismus“ (vgl. Dretske 1995) zufolge durch die Funktion, durch welche sich die reprsentationalen Inhalte auf die reprsentierten Gegenstnde beziehen, adquat beschreiben. Wenn wir wissen, was ein System seiner Funktion nach reprsentieren soll und wie dies vorgeht, wissen wir demzufolge nicht nur, welche reprsentationalen Inhalte es hat, sondern kçnnen ebenso seine jeweils aktuellen intentionalen Akte hinreichend genau beschreiben und mithin den Zustand, in dem sich das Reprsentations- bzw. intentionale System befindet, epistemologisch adquat evaluieren. Anders ausgedrckt: Wenn wir angeben kçnnen, welchen bestimmten Gegenstand ein System jeweils reprsentiert und wie die jeweilige Reprsentation vor sich geht, kennen wir auch seinen epistemischen (qua reprsentationalen) Zustand. Theorien, welche die Frage nach der Intentionalitt des Mentalen speziell ber eine kausale und/oder funktionalistische/komputationalistische Beschreibung der Determination reprsentationaler Inhalte verhandeln, kçnnen in Anlehnung an R. Cummins (1989, 14 ff.) mit dem aspects of intentionality are not often clearly distinguished, the history of analytic philosophy of language has been filled with attempts to account for the entire problem of intentionality by addressing only the problem of what sentences mean. I think that this approach is certain to fail, because the machinery of individuation is insufficient to answer the question of possibility.“ (Kelly 2001, 4) Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 3.
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bergreifenden Sammeltitel Reprsentationale Theorien der Intentionalitt (RTI) bezeichnet werden.111 blicherweise werden RTI durch folgende These charakterisiert:112 (RTI) Mentale Zustnde sind intentional, genau insofern sie reprsentationale Zustnde sind, wobei reprsentationale Zustnde Zustnde sind, die (zum Teil oder vollstndig) aus mentalen Reprsentationen (d. i. aus mindestens einem semantisch evaluierbaren, funktional oder komputational spezifizierten mentalen Reprsentanten und einem physikalisch realisierten mentalen Reprsentat) bestehen. RTI sind nichts anderes als (d. h. wesentlich reduktive) Erklrungen dessen, wie sich physikalische Reprsentate zu semantischen Reprsentanten verhalten bzw. wie mentale Reprsentationen semantisch evaluierbar sind.113 RTI bilden die ontologische und epistemologische Grundlage und zugleich die explanatorische und strategische Hauptader der gegenwrtigen Naturalisierungsmodelle des Mentalen insgesamt. Gemeinsam ist ihnen nicht nur die Ausgangsfrage: Was macht gewisse Ereignisse und Verhaltensformen zu prima facie nicht-natrlichen Vorkommnissen, d. i. mentalen/intentionalen Zustnden in der natrlichen Matrix einer vermeintlich kausal geschlossenen Welt? Unabhngig von ihrer internalistischen oder externalistischen Ausrichtung114 bzw. von den unterschiedlichen Konzessionen, die sie an eine physikalistische Ontologie machen, haben die verschiedenen Reprsentationalen Theorien der Intentionalitt auch einen gemeinsamen metatheoretischen Fluchtpunkt: Die berzeugung nmlich, dass die Antwort auf die Konstitutionsfrage letztlich von der Art und Weise abhngen wird, wie man die Determinanten des reprsentationalen bzw. 111 Diese Bezeichnung entspricht in etwa jenen Theorien, die J. Fodor wiederholt als Representational Theory of Mind (RTM) beschrieben hat, siehe u. a. Fodor 1981, 26 f.; Fodor 1987, 97ff; Fodor 1990, 5 ff. (siehe dazu auch mehr unten, Kap. II. 1.1.). Eine systematische Weiterentwicklung und Verteidigung von RTM hat Sterelny 1990 vorgelegt. 112 Fr eine genaue Analyse der Prmissen und der Implikationen von RTI siehe das folgende Kap. II. 1. 113 Vgl. die treffenden Charakterisierungen von RTI bei Poirier 1999, 2 f. bzw. Rowlands 1999, 2: „[Representational theories of intentionality] assume that the intentionality of mental states reduces to the representationality of mental representations […] and consequently, that the project of accounting for intentionality reduces to the project of accounting for how representations represent; how physical states can have semantic properties.“ hnlich auch Jacobs Charakterisierung der intentionalittstheoretischen These des Representationalism, siehe Jacobs 1999, 9 ff. 114 Siehe dazu ausfhrlich unten, Kap. III.
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semantischen/referenziellen Inhalts (den sogenannten ,mentalen Reprsentanten‘), der zwischen einem Reprsentationssystem und dessen (internen) Bestandteilen und Funktionen auf der einen und der reprsentierten (externen) Umwelt auf der anderen Seite gleichsam die Brcke schlgt, spezifiziert.
II. Naturalisierung der Intentionalitt?
1. Reprsentationaler Verifikationismus 1.1. Mentale Reprsentationen und Reprsentationalismus Der Naturalismus in Bezug auf die Intentionalitt des Mentalen ist ein methodologisches Projekt. Wenn in naturalistischen Theorien des Geistes das Projekt, die Intentionalitt des Mentalen empirisch zu erklren, unter dem Slogan ,Naturalisierung der Intentionalitt‘ auftritt, dann ist damit zumeist ein bestimmtes kognitionspsychologisches Programm gemeint. Dieses Programm wird oft als ,Kognitivismus‘ etikettiert. Der Kognitivismus bildet gleichsam das programmatische Modell eines Diskurses, in dem sich der philosophisch relevante Problembestand der diversen aktuellen empirischen Disziplinen, die sich mit dem Phnomen menschlicher und knstlicher Kognition beschftigen, artikuliert. Die Knstliche-Intelligenz-Forschung (KI) bildet die technisch-angewandte Seite dieses Programms. Sofern die empirischen Wissenschaften von den Kognitionen immer auch eine Wissenschaft von der Technik kognitiver Funktionen, d. i. Kognitionstechnik ist, stellt die KI-Forschung ein wesentliches Element dieses Programms dar. Die theoretischen Grundannahmen der Kognitionswissenschaften hinsichtlich der Psychologie menschlichen Verhaltens sind von den technischen Implikationen fr die Selbstauffassung des Menschen nicht zu trennen. Umgekehrt bilden die Beschreibungsmodelle und technischen Konstruktionen, welche die KI-Forschung entwerfen, den maßgeblichen Referenzrahmen fr die kognitionspsychologischen Modelle des Geistes (so etwa fr das lange Zeit dominierende Computermodell des Geistes).1 Die kognitivistische Version des Programms einer Naturalisierung der Intentionalitt ist ein heuristisch gesehen graduelles und ontologisch gesehen regionales Unternehmen;2 sie ist weder eine systematische philoso1
2
Diese Ansicht ist etwa bei F. J. Varela, einem der prominentesten neueren Kognitionswissenschaftler und Kritiker des klassischen Kognitivismus, klar formuliert. Varela fasst daher die grundlagentheoretische und die angewandt-technische Seite dieses „Mischgebildes“ aus Kognitionswissenschaft, Kognitionstechnik/KI-Forschung unter dem Krzel KWT zusammen; siehe: Varela 1988, 17 und 25 f.; vgl. auch Wheeler 2005, 1. G. Keil weist in diesem Zusammenhang treffend auf den „dynamischen Aspekt der Naturalisierung“ hin (Keil 2000, 196).
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II. Naturalisierung der Intentionalitt?
phische noch eine voll ausgearbeitete empirische Theorie ber einen bestimmten, klar definierten Gegenstandsbereich. Sie impliziert auch nicht notwendig eine ontologische Globalthese hinsichtlich der Naturalisierbarkeit des Mentalen als solchen. Trifft es zu, dass „Naturalismus die programmatische These [ist], daß Naturalisierung berall mçglich ist“ (Keil 2000, 197), dann ist die Naturalisierung der Intentionalitt lediglich als ein Teilprojekt dieses Programms anzusehen. Nichtsdestotrotz wird, wie bereits bemerkt, das kognitivistische Programm einer Naturalisierung des Intentionalen von zahlreichen Autoren mit dem Projekt der Naturalisierung des Geistes, ja von einigen gar mit dem philosophischen Naturalismus insgesamt gleichgesetzt.3 Wenn das naturalistische Projekt ein graduelles Unternehmen ist, dann stellt sich freilich die Frage, wo die Naturalisierung beginnt und wo sie aufhçrt. Nun ist nach den philosophischen Grabenkmpfen um die richtige Abschtzung der metaphysischen Tragweite verschiedener Naturalismus-Konzeptionen (wie analytischer, ontologischer oder methodologischer Naturalismus, Szientismus etc.4) die Suche nach einem unumstçßlichen naturalistischen Universalkriterium von vielen mittlerweile aufgegeben worden. So sind zwar nach Verebben der behavioristischen, kybernetischen und der diversen spteren kognitivistischen Euphoriewellen (wie Funktionalismus, Komputationalismus, Konnektionismus etc.) und einiger gewichtiger selbstkritischer Stimmen aus dem Lager der KIForscher seit den 1970er-Jahren (etwa Dreyfus 1972/79) mittlerweile selbst manche hartgesottene Neurowissenschaftler oder selbsterklrte Neurophilosophen in der Formulierung der erkenntnistheoretischen Konsequenzen ihrer empirischen Befunde etwas vorsichtiger geworden.5 Man spricht neuerdings nicht nur von einem „gemßigten“ (Flonta 2000; Koppelberg 2000)6, „liberalen“ (Brntrup 2005) oder dem notwendigen Abschied von einem „puritanischen Naturalismus“ (Stich 1996a). Solche Selbstbeschrnkungen seitens mancher naturalistischer Forschungspro3 4 5
6
Vgl. Fodor 1981, 1985, 1987, 1990 und 1994; Tye 1994 und kritisch dazu Stich/ Laurence 1994 bzw. Stich 1996a. Vgl. dazu die hilfreichen Klassifizierungen bei Koppelberg 2000 und Keil/ Schndelbach 2000. Aufschlussreich fr diese Tendenz ist etwa die methodologisch-erkenntnistheoretische Einschrnkung, die gerade ein selbstbekennender neurobiologisch-physikalistischer Konstruktivist cum Neurowissenschaftler und Philosoph in Personalunion wie G. Roth in Roth 1996, 350 f., 363 formuliert. Vgl. die Kritik an Koppelbergs gemßigtem Naturalismus bei Rinofner-Kreidl 2003, 14 f.
1. Reprsentationaler Verifikationismus
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gramme gehen oft auch mit der Einsicht einher, dass man – hnlich den enttuschten Erwartungen der logischen Positivisten, ein „haltbares empiristisches Sinnkriterium“ ausfindig machen zu kçnnen – auf die Hoffnung verzichten sollte, nach einem „haltbaren naturalistischen Kriterium“ Ausschau zu halten (Stich 1996a, 107 ff.). Diese und hnliche Verzichterklrungen hinsichtlich des globalen Erklrungsanspruches naturalistischer Theorien haben jedoch wenig an der grundlegenden Entscheidung der allermeisten Kognitivisten gendert, die Ebene der mentalen Reprsentationen als genau dasjenige Forschungsfeld hervorzuheben, mit dessen naturalistischer Beschreibung das Projekt einer Naturalisierung der Intentionalitt und in Folge die endgltige Etablierung einer naturalistischen Wissenschaft kognitiver Systeme steht und fllt. Kaum ein Naturalist, der die Hoffnung (noch) nicht aufgegeben hat, eine naturalistische ,Rundum-Erklrung‘ des Menschen zu liefern, scheint daran zu zweifeln, dass diese die relevante Beschreibungsebene fr das Verstndnis unserer kognitiven Leistungen ist. Die Unbeirrbarkeit, mit der man sich dem explanatorischen Paradigma des Reprsentationalismus verschrieben hat, ist ein seit nunmehr einigen Jahrzehnten wiederkehrendes Grundmuster naturalistischer Theorien des Mentalen. So stellt die Forderung nach einer Naturalisierung des reprsentationalen Gehalts intentionaler Zustnde nach wie vor die Minimalbedingung einer erfolgreichen Naturalisierung des Mentalen als solchen dar. Die Unbeirrbarkeit und Beharrlichkeit, mit denen man eine informative Erklrung des komplexen Phnomenbereichs des Mentalen an die umfassende empirische Beschreibung der reprsentationalen Funktion des Mentalen knpft, bildet denn auch die eigentliche Motivgrundlage jedes naturalistischen Theorieentwurfs innerhalb der Kognitions- und Neurowissenschaften, aber auch weiter Teile der Philosophie des Geistes. Der methodologische Leitfaden dieses Programms ergibt sich aus der Bndelung dreier Grundannahmen, nmlich: 1.) dass Intentionalitt das Wesensmerkmal des Mentalen darstellt; 2.) dass die Intentionalitt des Mentalen durch seine reprsentationale Funktion hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar ist und 3.) dass man mit einer naturalistischen Erklrung dieser Funktion zugleich ein adquates Verstndnis der Natur des Mentalen erlangen wird. Dreh- und Angelpunkt der kognitivistischen Theoriebildung bildet die zweite Annahme, whrend die genuin philosophischen Diskussionen ber die Mçglichkeiten und Grenzen dieser Theoriebildung selbst auf die dritte Annahme fokussieren und zu bestimmen versuchen, worin die geforderte naturalistische Erklrung der fraglichen Eigenschaft denn berhaupt bestehe. Es sei nur am Rande bemerkt, dass eine der
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II. Naturalisierung der Intentionalitt?
Hauptschwierigkeiten, sich ein kohrentes Bild von der Diskussionslage zu machen, genau aus der notorischen Vermischung dieser beiden Fragestellungen und ihrer respektiven disziplinren Grenzen resultiert. Mit Blick auf das erkenntnistheoretische Problem des Naturalismus kann der methodologische Leitfaden des Kognitivismus mit dem zunchst vielleicht etwas befremdlich klingenden Titel Reprsentationaler Verifikationismus (RV) gekennzeichnet werden. Der Reprsentationale Verifikationismus stellt ebenso wenig eine systematische Theorie oder These hinsichtlich der Natur des Mentalen dar wie der Kognitivismus selbst. In einer ersten Annherung kann er als der metatheoretische Rahmen gedeutet werden, innerhalb dessen das Programm des Kognitivismus qua naturalistische Theorie des Mentalen operiert. Genauer gesagt geht der Reprsentationale Verifikationismus davon aus, dass eine Beschreibung des intentionalen Gehalts mentaler Reprsentationen, die keinerlei Anleihen beim sogenannten intentionalistischen Idiom nicht-physikalistischer Theorien macht, eine erschçpfende naturalistische Beschreibung der distinkten Eigenschaften des Mentalen bzw. seiner epistemischen relevanten Funktionen ermçglichen wird. RV ist der Rahmen, in dem das intentionalittstheoretische Pendant der kognitiven Psychologie, nmlich die Reprsentationalen Theorien der Intentionalitt (RTI) das Problem der Naturalisierung der Intentionalitt verhandeln. Das gemeinsame Wesensmerkmal der verschiedenen RTI stellt, wie gezeigt wurde,7 die berzeugung dar, dass die Frage nach der Konstitution intentionaler Zustnde durch die Frage nach der Determination ihrer jeweiligen reprsentationalen Inhalte bzw. der Individuation der Akte mentaler Reprsentation zu beantworten ist. RV und RTI basieren zudem typischerweise auf der (starken oder schwachen) Separationsthese, wonach nmlich die Intentionalitt und die Phnomenalitt mentaler (Bewusstseins-)Zustnde sozusagen zwei paar ontologische Schuhe sind und/oder die Erklrung der einen Eigenschaft von jener der anderen unabhngig ist und mithin separat verfolgt werden sollte.8 Entlang des Leitfadens der kognitivistischen Methodologie (die mit den obigen drei Grundannahmen charakterisiert wurde) vertreten die verschiedenen RTI die These, dass es der reprsentationale Inhalt ist, auf den es bei der Erklrung der epistemisch relevanten Funktion intentionaler Zustnde ankommt. Naturalistisch sind RTI-Modelle insofern, als sie die reprsentationalen Inhalte typischerweise hinsichtlich ihrer empirischen 7 8
Siehe dazu oben, Kap. I. 6. Siehe dazu oben, Kap. I. 4. und I. 5.
1. Reprsentationaler Verifikationismus
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Evaluierbarkeit beschreiben. Die Mçglichkeit der Zuschreibung intentionaler Zustnde zu einem natrlichen Reprsentationssystem basiert gemß RTI auf der Mçglichkeit, ihre reprsentationale Funktion naturalistisch zu beschreiben und das heißt, ihre epistemische Funktion empirisch zu evaluieren. Diese Evaluierung wiederum besteht zumeist in der Analyse der kausalen Relation zwischen intentionalen Zustnden bzw. diesen und nicht-intentionalen Sachverhalten, Eigenschaften etc. und/oder ihrer verhaltensrelevanten Funktion. RTI reduzieren also die Frage nach der Konstitution intentionaler Zustnde auf die Frage nach der empirischen Bestimmung der (reprsentationalen) Funktion des Inhalts dieser Zustnde. Sofern die funktionale oder kausale Rolle, die der reprsentationale Inhalt bei der Determinierung des jeweiligen Referenzobjekts einer mentalen Reprsentation spielt, empirisch plausibel beschrieben werden kann, kann RTI zufolge die Frage nach der Konstitution intentionaler Zustnde – d. i. ihre epistemisch ausgezeichnete Rolle im Bewusstseinsleben eines Subjekts bzw. ihre ausgezeichnete Stellung innerhalb einer naturalistisch konzipierten Ontologie – unbeantwortet bleiben. RV ist Titel fr den erkenntnistheoretischen Kern dieser reduktiven Heuristik. Die zentralen Thesen von RTI, die RV zugrunde liegen, lassen sich grob wie folgt formulieren: (RTI 1a) Mentale Zustnde sind reprsentationale Zustnde. (RTI 1b) Mentale Zustnde haben eine reprsentationale Funktion. (RTI 2) Reprsentationale Zustnde werden durch ihren (reprsentationalen und/oder semantischen) Inhalt individuiert. (RTI 3) Die Determinanten des Inhalts geben Aufschluss ber die reprsentationale Funktion mentaler Zustnde. Nimmt man nun (RTI 1a) bis (RTI 3) als Prmissen einer bestimmten erkenntnistheoretischen Haltung in Bezug auf das Konstitutions-Problem des Intentionalen bzw. als Behauptungen bezglich der Frage nach der Epistemologie intentionaler Zustnde, fhren sie zum Reprsentationalen Verifikationismus: (RV) Die Kenntnis der empirischen Determinanten des reprsentationalen und/oder semantischen Inhalts ist fr die Evaluierung der epistemischen Funktion mentaler Zustnde notwendig und hinreichend. Entscheidend fr den verifikationistischen Ansatz von RV ist die empiristische Einschrnkung: Es sind demnach nicht irgendwelche, sondern empirische Faktoren, die die Individuationsbedingungen von reprsentatio-
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II. Naturalisierung der Intentionalitt?
nalen bzw. semantischen Inhalten festlegen bzw. anhand deren das Vorliegen solcher Inhalte berhaupt verifiziert werden kann. Verifikationistisch ist RV zudem noch in zweierlei Hinsicht: 1.) insofern jede Aussage ber mentale Zustnde entweder direkt durch Aussagen ber die (empirischen) Determinanten des reprsentationalen/semantischen Gehalt dieser Zustnde besttigt oder entkrftet werden oder zumindest in solche Aussage bersetzbar sein muss und 2.) insofern jeder mentale Zustand (qua reprsentationaler Zustand mit einem semantischen/reprsentationalen Gehalt) sich wahrheitsfunktional evaluieren lassen muss kçnnen: Der propositionale Gehalt reprsentationaler Zustnde, d. i. der in einem mentalen Zustand reprsentierte Sachverhalt, ist entweder zutreffend oder nicht und die mentalen Zustnde reprsentieren die betreffenden Gegenstnde oder Eigenschaften entweder veridisch oder nicht.9 – So weit zur Methodologie von RTI bzw. deren metatheoretischem berbau, dem Reprsentationalen Verifikationismus. Ungeklrt ist jedenfalls noch, was denn eigentlich mentale Reprsentationen sind und wie sich berhaupt Reprsentationen zum Mentalen verhalten. Nun bilden die Begriffspaare ,Mentales/Reprsentation‘ auf der einen und ,Naturalisierung der Intentionalitt/Wissenschaft von Kognition‘ auf der anderen Seite die scheinbar unauflçsbare konzeptuelle und methodologische Allianz an den aktuell verlaufenden Frontlinien der sich als naturalistisch verstehenden ,Wissenschaften vom Bewusstsein‘. Angesichts der Ubiquitt des reprsentationalistischen Paradigmas innerhalb des kognitivistischen Lagers ist es denn auch wenig verwunderlich, dass es bis dato keine Klarheit darber gibt, was man mit dem ußerst dehnbaren ClusterKonzept mentale Reprsentation jeweils meint, und nicht alle wrden J. Searle beipflichten, wenn er feststellt, dass „der Begriff der Reprsentation angenehm vage“ ist.10 Searle selbst verwendet den Begriff der Re9 Siehe dazu auch unten, Kap. II. 3.1. und III. 2.5. 10 hnlich neuerdings auch W. Ramsey (2007) in seiner detaillierten Studie zur Reprsentationstheorie des Geistes. Ramsey versucht gerade dadurch mehr Klarheit in die „current state of disorder regarding representation“ (Ramsey 2007, 7) zu bringen, dass er (mentale) Reprsentation als ein vages theoretisches „cluster concept“ beschreibt, welches nicht nur disziplinr gesehen ein ußerst weites Gegenstandsgebiet umfasst, sondern auch eine Klasse von Entitten, die zwar nominell eine Reihe gemeinsamer Merkmale teilen, als Klasse jedoch nicht mit Rekurs auf irgendwelche wesentliche, reale Eigenschaften eindeutig definierbar ist. Siehe dazu J. Haugelands (1991) Versuch, ein generisches ,Familien-Konzept‘ von Reprsentation zu bestimmen (Representational Genera), die verschiedene Subspezies von (Typen von) Reprsentationen (nmlich sprachlich-logische, bildlichikonische und sog. ,distribuierte‘ Reprsentationen) unter sich befasst.
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prsentation in einem ontologisch laxen, aber epistemologisch genau bestimmten Sinne zur Kennzeichnung der intentionalen Funktion der Gerichtetheit mentaler Zustnde, weist aber darauf hin, dass an diesem Konzept „ontologisch gesehen nichts [hngt]“. Intentionale Zustnde beziehen sich nach Searle auf etwas genau dann, wenn sie – analog zur Struktur propositionaler Einstellungen (wie berzeugungen, Wnsche etc.) bzw. der searleschen Sprechakte – einen (propositionalen) Gehalt und einen „psychischen Modus“ haben, der „die Ausrichtung ihres propositionalen Gehalts fest[legt]“. Sofern intentionalen Zustnden diese Funktion der Gerichtetheit zukommt, haben sie einen „Reprsentationsgehalt in einem gewissen psychischen Modus“ (Searle 1983, 28 ff.). Searle ist ambivalent, was den Zusammenhang zwischen der Intentionalitt propositionaler Einstellungen und der Intentionalitt mentaler Zustnde betrifft. Er bekrftigt zwar wiederholt, dass die Analogie zwischen der seiner Sprechakt-Theorie entlehnten semantischen Struktur propositionaler Einstellungen und der reprsentationalen Struktur intentionaler Zustnde nicht mehr als eine Analogie, wenn auch eine paradigmatische, ist. An einer Stelle meint er sogar, dass die Analogie einem rein heuristischen bzw. ,pdagogischen‘ Zweck dient und, sobald dieser Zweck erfllt ist, man nicht nur auf die Analogie verzichten kann, sondern sie gar dafr heranziehen kann zu zeigen, dass die referenzielle Funktion von Sprache von der intrinsischen Intentionalitt des Mentalen abgeleitet und von ihr abhngig ist und nicht umgekehrt.11 Die Tendenz jedoch, die Struktur und Funktion intentionaler Zustnde/mentaler Reprsentationen nach dem Modell einer wahrheitsfunktionalen Semantik zu beschreiben, ist bei Searle (ebenso wenig wie bei den meisten anderen Autoren) nicht von der Hand zu weisen. Searles Leitgedanke zur Interpretation der Funktionsweise intentionaler Zustnde basiert – trotz all seiner ausdrcklichen Abgrenzungsversuche gegenber kognitivistischen und sprachanalytischen Intentionalittstheorien (vgl. Searle 1983, 29, 43) – auf der Grundkonzeption von RTI: „Der Schlssel zum Verstndnis von Reprsentation sind Erfllungsbedingungen; jeder intentionale Zustand 11 Vgl. Searle 1982, 260: „The analogy between speech acts and Intentional states is drawn as an expository device, as a heuristic for explaining Intentionality. Once I have tried to make the nature of Intentionality clear, I will argue that the direction of dependence is precisely the reverse. Language is derived from Intentionality, and not conversely. The direction of pedagogy is to explain Intentionality in terms of language. The direction of analysis is to explain language in terms of Intentionality.“ Siehe dazu auch Searle 1983, 20 f. und 46 f. Ich gehe auf diesen Punkt und allgemein auf Searles Intentionalittstheorie genauer im Kap. III. 2.5. ein.
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mit einer Ausrichtung ist eine Reprsentation seiner Erfllungsbedingungen.“ (Searle 1983, 30) Searle zufolge sind „die Erfllungsbedingungen des intentionalen Zustandes dem intentionalen Zustand intern“ (Searle 1983, 27). Analog zur klassischen fregeschen Auffassung, wonach die Bedeutung einer Proposition eine Funktion seiner Wahrheitsbedingungen ist, ist auch Searle zufolge der reprsentationale Gehalt eines intentionalen Zustandes eine interne Funktion seiner Erfllungsbedingungen.12 Die Erfllungsbedingungen selbst werden durch den intentionalen Gehalt festgelegt und die Art und Weise, in der die Erfllungsbedingungen reprsentiert werden, d. h. die Art und Weise der intentionalen Ausrichtung auf einen gegebenen Gegenstand/bestehenden Sachverhalt, wird durch den psychischen Modus bestimmt (vgl. Searle 1983, 40 f.). Nun geht Searle zwar nicht so weit zu behaupten, dass das Vorliegen mentaler Reprsentationen von empirischen Verifikationskriterien abhngig sei. Doch sein quasi-semantisches Konzept intentionaler Erfllungsbedingungen, die einem mentalen Zustand intern sind und an denen man die reprsentationale Funktion bzw. den epistemischen Gehalt dieser Zustnde gleichsam direkt ablesen kann, macht seine Theorie der Intentionalitt zu einer Version des oben skizzierten Reprsentationalen Verifikationismus. Was mit den unterschiedlichen Konzepten mentaler Reprsentation jeweils gemeint ist und welche die beste Interpretation ihrer Funktion ist, lsst sich jedenfalls nur klren, wenn die Rolle feststeht, welche die jeweiligen Theorien mentaler Reprsentation innerhalb einer Wissenschaft des Bewusstseins spielen sollen. So hat S. Stich zu Recht darauf hingewiesen, dass wir zwar keinen Mangel an Diskussionen ber die Vorzge und Nachteile der verschiedenen Theorien mentaler Reprsentationen haben – die Frage jedoch, welche Erklrungsfunktion eine solche Theorie
12 Searle bekennt sich explizit zu einer – wenn auch naturalistisch/biologistisch modifizierten – fregeschen Theorie des intentionalen Bezugs, vgl. Searle 1983, Kap. 8. Zum Verhltnis von (intentionalen) Erfllungsbedingungen und (semantischen) Wahrheitsbedingungen siehe auch Stich/Warfield 1992, 4: „The satisfaction-condition of a belief is its truth-condition. […] Philosophers and cognitive scientists often use the term propositional attitude as a general label for those mental states that have conditions of satisfaction […]. According to the most widely held theory in this area, what it is for a person to have a propositional attitude is for the person to stand in an appropriate sort of relation to a special kind of internal state – a mental representation.“ So auch Fodor 1985, 5: „Common sense has it that beliefs and desires are semantically evaluable; that they have satisfactionconditions.“
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haben sollte bzw. wozu wir berhaupt eine solche Theorie brauchen, ußerst stiefmtterlich behandelt wird (Stich 1992, 347).13 Eines der wenigen Kriterien fr die Akzeptierbarkeit der Psychologie als legitime Einzelwissenschaft unter anderen Naturwissenschaften, auf das sich die meisten nicht-reduktiven Naturalisten einigen kçnnen, ist, so viel steht jedenfalls fest, ihre Kompatibilitt mit einem Naturalismus in Bezug auf jene Zustnde, die wesentlich durch Intentionalitt charakterisiert sind. J. Fodor hat diesem Minimalkriterium seine kanonische Form verliehen: Was wir Fodor zufolge brauchen, ist eine Theorie, die in nicht-semantischen und nicht-intentionalen Kategorien hinreichende Bedingungen fr das Vorliegen einer Reprsentationsbeziehung zwischen einem Teilstck oder einem Zustand der natrlichen Welt durch einen anderen angibt: „I want a naturalized theory of meaning: a theory that articulates, in nonsemantic and nonintentional terms, sufficient conditions for one bit of the world to be about (to express, represent, or to be true of ) another bit.“ (Fodor 1987, 98) Dieses Minimalkriterium ist freilich ebenso erklrungsbedrftig wie der Gegenstandsbereich (die mentalen Reprsentationen), den es spezifizieren – und mithin naturalisieren – soll, notorisch konturlos ist. Was ist also eine mentale Reprsentation, wann liegt eine solche vor und was soll eine Theorie mentaler Reprsentation berhaupt erklren? Zunchst ist es entscheidend, genau zu unterscheiden zwischen dem Singularetantum-Begriff ,mentale Reprsentation‘ und jenem Begriff ,mentale Reprsentation‘, der auch in der Mehrzahl verwendet werden kann: Das Singularetantum ,mentale Reprsentation‘, also jener Begriff, der ausschließlich in der Einzahl verwendet werden kann, bezeichnet ganz allgemein das geistige (wahrnehmende, denkende etc.) Bezugnehmen auf etwas (Mentales oder Nicht-Mentales, Abstraktes oder Konkretes etc.). Demgegenber werden mentale Reprsentationen als jene realen, selbst nicht-mentalen Entitten, oder besser: Vorkommnisse, konstruiert, die ,im Geist‘ (daher das Attribut ,mental‘) lokalisiert werden kçnnen.14 Der Begriff ,mentale Reprsentation‘, der auch in der Pluralform verwendet werden kann, bezeichnet nun innerhalb des klassischen Kognitivismus genauer a.) ein System-internes Vorkommnis, das b.) physi13 So auch Gardner 1985, 130 und 383 f. 14 Siehe dazu Kemmerling 1991, insbes. 47 f. Kemmerling liefert hier eine berzeugende und fundierte Kritik an Fodors Theorie mentaler Reprsentation, die darauf hinausluft, dass die Existenz mentaler Reprsentationen – im Gegensatz zum Singularetantum ,mentale Reprsentation‘ – ußerst zweifelhaft ist. Kemmerlings pointiertes Fazit lautet entsprechend: „Mentale Reprsentation findet ohne mentale Reprsentationen statt.“ (Kemmerling 1999, 57)
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kalisch realisiert ist, c.) eine formal interpretierbare Symbol-Struktur und d.) eine reprsentationale Funktion aufweist. Mentale Reprsentationen sind jene Vorkommnisse innerhalb eines kognitiven Systems, auf Grund deren sich das betreffende System auf eine Gegebenheit seiner Umwelt beziehen kann und die mithin eine Reprsentationsbeziehung konstituieren. Mentale Reprsentationen sind genau insofern mental, als sie interne Vorkommnisse eines Reprsentationssystems sind, und sie sind genau insofern reprsentational, als sie eine (kognitive und letztlich verhaltensrelevante) reprsentationale Funktion fr das betreffende System bernehmen. Entscheidend fr die naturalistische Stoßrichtung des Kognitivismus ist, dass mentale Reprsentationen physikalische Entitten sind (und von daher ist das Attribut ,mental‘ eigentlich irrefhrend15). Doch nicht minder entscheidend ist die im weitesten Sinn funktionalistische Einschrnkung (und dies gilt nicht nur fr den klassischen, funktionalistischen Kognitivismus): Physikalische Entitten sind genau insofern kognitiv relevante reprsentationale Entitten, als sie eben eine bestimmte, nher zu spezifizierende kognitive Funktion haben. Struktur und Funktion mentaler Reprsentationen sind dementsprechend – anders als im Fall nicht-mentaler Reprsentationsformen – wesentlich verschrnkt. Denn eines scheint, selbst wenn man sich einem naturalistischen Erklrungsrahmen verschreibt, zumindest intuitiv klar zu sein: Wenn irgendetwas, so wird nicht (allein) die physikalische oder mechanische Struktur, sondern vielmehr die kausale oder sonstige Rolle mentaler Reprsentationen in und/ oder fr ein (physikalisches) Reprsentationssystem bzw. allgemeiner: ihre kognitive Funktion, Aufschluss darber geben, was mentale Reprsentationen berhaupt sind.16 Eine der bis dato subtilsten naturalistischen Globaltheorien mentaler Reprsentation hat Fodor selbst ausgearbeitet. Fodor hat das Konzept der mentalen Reprsentation als das kognitivistische Pendant zu traditionellen philosophischen Konzepten der ,Vorstellung‘, ,Idee‘ oder ,Perzeption‘ 15 Vgl. auch Beckermann 2001, 279. 16 Das ist, was W. Ramsey treffend als „the job description challenge“ einer jeden Theorie mentaler Reprsentation beschreibt: „There needs to be some unique role or set of causal relations that warrants our saying some structure or state serves a representational function. These roles and relations should enable us to distinguish the representational from the non-representational and should provide us with conditions that delineate the sort of job representations perform, qua representations, in a physical system. I’ll refer to the task of specifying such a role as the ,the job description challenge‘. What we want is a job description that tells us what it is for something to function as a representation in a physical system.“ (Ramsey 2007, 27)
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eingefhrt.17 Er bestimmt mentale Reprsentationen als „syntactic structures in the Language of Thought that play [a] semantical role“ (Fodor 1994, 24).18 Von dieser seiner frheren These einer sogenannten ,Sprache des Geistes‘ (Language of Thought; oft auch als LOT abgekrzt) ist Fodor trotz aller Kritik nie abgerckt. Sie besagt im Wesentlichen, dass das Mentale eine rein formal zu interpretierende Syntax aufweist und mentale Reprsentationen eine sprachartige bzw. propositionale Struktur haben.19 Doch auch unabhngig von Fodors spezieller LOT-These in Bezug auf die sprachliche Verfasstheit des Mentalen – seine Theorie mentaler Reprsentation hngt jedenfalls entscheidend mit seinem Verstndnis der Relation zwischen der Semantik und der Syntax von Reprsentationen zusammen. So liegt nach Fodor eine mentale Reprsentation genau dann vor, wenn die zwei Relata der Reprsentationsbeziehung, der Reprsentant und das Reprsentandum, in einer (asymmetrischen) Beziehung der Referenz zueinander stehen. Ist das der Fall, so hat die Beziehung semantisch evaluierbare Eigenschaften und die mentalen Zustnde, die etwas reprsentieren, einen semantischen Gehalt.20 Mentale Zustnde (qua reprsentationale Zustnde bzw. mentale Reprsentationen) haben also genau dann intentionale Eigenschaften, wenn sie einen semantischen evaluierbaren Gehalt aufweisen. Von daher wird auch verstndlich, warum Autoren, die sich mit dem Problem der Intentionalitt im Rahmen einer naturalistischen Psychologie beschftigen, immer wieder betonen, dass es das Problem der Bedeutung ist, welches das Phnomen der Intentionalitt des Mentalen so hartnckig einer empirischen Behandlungen entzieht. So sind denn auch die beiden Kriterien fr eine erfolgreiche naturalistische Erklrung intentionaler Ei17 Vgl. Fodor 1981, 26: „[…] mental representations (often called ,Ideas‘ in the older literature).“ 18 Vgl. auch Fodor 1981, 26: „Mental representations are symbols: they have both formal and semantic properties.“ 19 Vgl. etwa Fodor 1987, 135 ff. Die erste systematisch ausgearbeitete Theorie dieser These findet sich in Fodors gleichnamigem Buch, The Language of Thought (Fodor 1975); eine neuere Version, die sogenannte LOT 2, liegt mit Fodor 2008 vor. Siehe dazu Beckermann 1997 und kritisch Saporiti 1997. 20 Der Begriff ,semantischer Gehalt‘ in Zusammenhang mit der fodorschen Theorie bezeichnet streng genommen eine Tautologie, da fr Fodor dem Begriff des ,Gehalts‘ per se das Attribut ,semantisch‘ zukommt: „content is a semantic notion par excellence“ (Fodor 1980, 280). Semantische Eigenschaften (semantic properties) wiederum beinhalten nach Fodor „the property of being true, of having referents, or indeed, the property of being representations of the environment“ (Fodor 1980, 283).
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genschaften, nmlich nicht-semantisch und nicht-intentional zu sein, wesentlich korrelativ; und entsprechend sind auch eine Theorie der Bedeutung, eine Theorie mentaler Reprsentation und eine Theorie der Intentionalitt hinsichtlich ihres Gegenstandsbereichs koextensive Theorien. Doch nicht allein hinsichtlich ihres Gegenstandsbereichs sind sie koextensiv – eine psychologische Theorie der reprsentationalen Grundlagen der kognitiven Architektur und eine semantische Theorie der formalgesetzlichen Grundlagen der Intentionalitt des Mentalen sind Fodor zufolge auch aus methodologisch-systematischen Grnden korrelative Theorien. Das Ziel einer psychologisch relevanten Theorie der kognitiven Architektur ist nmlich nach Fodor, generalisierende Aussagen ber die kausalen Interaktionen zwischen kognitiven Zustnden zu machen, die mit den (volks-)psychologischen Gesetzmßigkeiten vereinbar sind. Intentionale Inhalte sind wiederum genau jene semantisch evaluierbaren Inhalte, welche durch die kausalen Relationen und Interaktionen zwischen einzelnen mentalen Zustnden konstituiert werden: „the intentional contents of mental states are constituted – or anyhow, constrained – by their causal interrelations“ (Fodor 1990, ix). Nun sind nach Fodor die Individuations- bzw. Determinationsbedingungen intentionaler Zustnde einerseits durch den (propositionalen) Gehalt dieser Zustnde, andererseits durch die Relation, die der Trger eines mentalen Zustandes (bzw. das Subjekt einer propositionalen Einstellung) zu diesem Gehalt einnimmt, festgelegt: „[…] mental states are distinguished by the content of the associated representations […] and by the relation that the subject bears to the associated representation […]“ (Fodor 1980, 278). Nachdem die Konstitutionsbedingungen der jeweiligen Inhalte gemß der fodorschen RTI ihren jeweiligen kausalen Determinanten entsprechen, ist folglich eine „theory that says what kinds of causal relations among mental states are possible […] ipso facto […] a theory of the (or of one of the) determinants of content“ (Fodor 1990, ix). Die kausalen Relationen zwischen den jeweiligen mentalen Zustnden selbst bzw. die kausale Rolle, die mentale Reprsentationen in der kognitiven Architektur eines Reprsentationssystems spielen, verdankt sich der fodorschen Theorie zufolge wiederum ihren rein formal-syntaktischen Eigenschaften.21 Eine Theorie, die die formale Analyse der kognitiven Architektur mentaler Zustnde mit jener der Bestimmung ihrer kausalen Determinanten und der semantischen Evaluierung ihrer intentionalen 21 Vgl. Fodor 1981, 26: „Mental representations have their causal role in virtue of their formal properties.“
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Funktion leistet, ist der Funktionalismus: „functionalism proposes a bridge from cognitive architecture to semantics […]“ (Fodor 1990, ix). Diejenige Version des Funktionalismus freilich, die Fodor im Auge hat und deren Namensgeber er schließlich ist, ist nichts anderes als die sogenannte Computational Theory of Mind, kurz, der Komputationalismus.22 Fodors Komputationalismus stellt eine der einflussreichsten Versionen einer naturalistischen Theorie mentaler Reprsentation dar.23 Zwar ist sein Einfluss bis heute keineswegs ungebrochen und es scheinen sich neue Paradigmen (wie etwa der Teleofunktionalismus F. Dretskes oder R. G. Millikans) durchzusetzen. Der implizite Einfluss des Komputationalismus fodorscher Prgung auf das allgemeine Bild bzw. auf das reprsentationalistische Globalmodell, welches die Diskussionen nach wie vor dominiert, ist jedoch nach meiner Einschtzung weitgehend ungebrochen. In seiner ursprnglichen Fassung sollte der Komputationalismus nach Fodors Dafrhalten jedenfalls nicht mehr und nicht weniger, als den Weg ebnen „from the intuitive belief/desire explanations that common sense gives us to the rigorous and explicit intentional psychology that is our scientific goal“ (Fodor 1987, xii). Dabei geht es Fodor um die Verteidigung desjenigen psychologischen Erklrungsmodells, welches das intelligente Verhalten kognitiver Systeme am besten, d. i. am (natur)wissenschaftlich plausibelsten, beschreibt. Nach Fodor ist die beste psychologische Erklrung kognitiver Systeme diejenige, die gesetzmßige Aussagen ber das Verhalten dieser Systeme auf der Grundlage ihrer Meinungen/berzeugungen und Wnsche macht. Sofern mentale Zustnde wie Meinungen und Wnsche etc. genuin intentionale Zustnde sind, sind solche Erklrung Erklrungen einer intentionalen Psychologie. Entsprechend dem spezifisch psychischen Gegenstandsbereich, auf den sich Erklrungen einer intentionalen Psychologie beziehen, wird diese in der angelschsischen Philosophie des Geistes und der analytischen Handlungstheorie blicherweise 22 Siehe auch das einflussreiche Buch Consciousness and the Computational Mind von R. Jackendoff (1987). Jackendoff weist darauf hin, dass Computermodelle des Gehirns bzw. kognitiver Prozesse im Allgemeinen bereits seit den 1950er-Jahren im Umlauf sind, die explizite Analogie zwischen Computer und dem Mentalen sich jedoch zum ersten Mal in einem der Grundlagentexte des Funktionalismus, nmlich in H. Putnams Artikel „Mind and Machines“ (Putnam 1960) findet. Fr Jackendoff sind denn auch – anders als fr Fodor – Computermodelle des Geistes im Wesentlichen funktionalistisch; vgl. Jackendoff 1987, 15 f. 23 Neben Fodors (und Jackendoffs) sind insbesondere noch Z. Pylyshyns Arbeiten zu einer systematisch Komputationalen Theorie des Geistes zu nennen, siehe sein Hauptwerk Pylyshyn 1984.
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auch belief/desire-psychology genannt. Die paradigmatischen Kandidaten intentionaler Zustnde, die im Rahmen der belief/desire-psychology eine zentrale Rolle spielen werden, sind jene, die die relationale Struktur propositionaler Einstellungen aufweisen. Propositionale Einstellungen – Fodor nennt sie auch propositional attitude states (Fodor 1981, 26) – sind relational, sofern sie sich auf mentale Reprsentationen beziehen: „[according to the representational theory of mind] propositional attitudes are relations that organisms bear to mental representations“ (Fodor 1980, 277). Mentale Reprsentationen kçnnen demnach als der propositionale Gehalt propositionaler Einstellungen spezifiziert werden, das heißt, syntaktisch gesehen, als die propositionale Teilaussage ,dass p‘ von Stzen des Typs ,x meint, wnscht etc., dass p‘. Propositionale Einstellungen sind demnach Relationen zwischen einem Trger X eines mentalen Zustandes (mit einem reprsentationalen Gehalt, der in einen solchen Satz semantisch bersetzt werden kann) und einem nicht-mentalen Zustand, nmlich der Proposition, auf die sich X mittels seiner intentionalen Einstellung richtet bzw. auf die sich die propositionale Teilaussage ,dass p‘ bezieht. Propositionale Einstellungen sind mentale Zustnde, sofern diese Relation selbst als eine intra-mentale Relation gefasst wird. Die inner-mentale Beziehung zwischen propositionalen Einstellungen und mentalen Reprsentationen, die dabei als die mentalen Objekte der Einstellung fungieren, konstituiert den semantischen Gehalt der jeweiligen Einstellung. „Propositional attitudes inherit their semantic properties from those of the mental representations that function as their objects.“ (Fodor 1980, 277) Sofern die formalen bzw. syntaktischen (komputationalen) kognitiven Prozesse semantisch interpretierbar sind, haben sie eine reprsentationale Funktion fr das betreffende System (wobei sie eine solche semantische Interpretation dann zulassen, wenn sich mentale Reprsentationen auf etwas dem Reprsentationssystem ußerliches beziehen). Nehmen wir also den Fall, dass Peter zu seinem Handy greift und seine Freundin anruft. Wenn man nun wissen will, warum Peter zum Telefon gegriffen und seine Freundin angerufen hat, dann muss man sich dem propositionalen Inhalt von Peters mentalen Zustnden zuwenden, unter denen wir im gegebenen Fall z. B. einen finden werden, dessen Inhalt sich semantisch dadurch evaluieren lsst, dass man ihn in einen propositionalen Satz transformiert, der lautet: ,Peter glaubt, dass seine Freundin ihr Handy nicht abgeschaltet hat und telefonisch erreichbar ist.‘ Der reprsentationale Inhalt von Peters mentalem Zustand, der ihn nmlich veranlasst, zu seinem Handy zu greifen, ist die Proposition ,Meine Freundin hat ihr Handy nicht
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abgeschaltet (und ist telefonisch erreichbar)‘ – eine Proposition, zu der Peters Glaubenseinstellung in derselben syntaktischen Relation steht wie sein (mentaler) Glaubenszustand zu einer entsprechenden mentalen Reprsentation, welche seine Freundin als ,telefonisch erreichbar‘ abbildet. Was eine Theorie mentaler Reprsentation nun erklren muss kçnnen, ist, wie ein mentaler Zustand zu einer propositionalen Einstellung wird bzw. wie sozusagen ein solcher Zustand zu seinem semantischen Gehalt kommt, den er als intentionaler Zustand ja haben muss. Der klassische Funktionalismus akzeptiert zwar die Prmisse, dass mentale Zustnde einen semantischen Gehalt haben, trgt aber nichts zur Erklrung dieses Umstandes bei. Daher Fodors Ruf nach einer alternativen Version der Reprsentationalen Theorie des Geistes, nmlich dem Komputationalismus. Dem Komputationalismus zufolge sind mentale Prozesse Komputationen – oder, der ontologisch schwcheren, fodorschen Version zufolge, zumindest als solche interpretierbar bzw. beschreibbar.24 Komputationen sind zunchst nichts anderes als formale Rechenoperationen bzw. bestehen im Ausfhren von Algorithmen.25 Mentale Prozesse qua komputationale Prozesse sind symbolisch codiert und gehorchen der formalen Gesetzmßigkeit der Syntax der Sprache des Geistes. Fodor unterscheidet dabei zwischen der syntaktischen und der formalen Struktur von Prozessablufen: Formale Prozesse sind nicht notwendig syntaktisch strukturiert (wie etwa das Rotieren eines Bildes); umgekehrt sind aber alle syntaktischen Prozessablufe nach Fodor eine Untergattung formaler Prozesse in dem Sinn, dass sie nicht-semantisch sind: „What makes syntactic operations a species of formal operations is that being syntactic is a way of not being semantic.“ (Fodor 1980, 279) Sofern nach Fodor mentale Prozesse eine sprachartige Struktur haben, umfasst die Bestimmung ,komputational‘ im eigentlichen Sinne die volle – formal-syntaktische (formal-syntactic; Fodor 1980, 279) – Struktur, die mithin eine Eigenart genuin mentaler Prozesse ist.26 Die semantischen Eigenschaften propositionaler Einstellungen werden also gemß dem Komputationalismus durch die formal-syntaktische Matrix bestimmt, die die reprsentationalen Symbole auf der mentalen
24 Siehe dazu auch Pylyshyn 1984, 87 ff. 25 Fr eine genaue komputationalistische, an Turing angelehnte Bestimmung von Komputation (und Verteidigung der These, dass mentale Prozesse eine spezifische komputationale Architektur haben) siehe Copeland 1996 und (einfhrend) 2004. 26 Siehe dazu auch Fodor 2008, 3 ff.
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Karte eines psychologischen Systems bilden bzw. der funktionalen Rolle, die diese in der betreffenden kognitiven Architektur spielen.27 Nun ist auch in der komputationalistischen Version des Kognitivismus die grundstzliche Methodologie von RTI und RV am Werk, wonach die Individuationskriterien mentaler Zustnde durch die Bestimmung ihres (semantisch evaluierbaren) Gehalts festgelegt werden und es bei der relevanten psychologischen und epistemologischen Evaluierung allein auf diese ankommt. Der grundlegende Unterschied zwischen der komputationalistischen und der klassisch-funktionalistischen bzw. reprsentationalistischen Version des Kognitivismus besteht jedoch darin, dass die Individuationsbedingungen des semantischen Gehalts durch rein formale Kriterien festgelegt werden. Es ist diese Formalitts-Bedingung, welche die komputationalistische Version des Kognitivismus gegenber ihrem reprsentationalistischen Vorgnger ontologisch gesehen ,schwcher‘ und insofern fr den empirischen Psychologen methodologisch attraktiver machen soll. Computational processes are both symbolic and formal. They are symbolic because they are defined over representations, and they are formal because they apply to representations by virtue of (roughly) the syntax of the representations. […] It’s the second of these conditions that makes the claim that mental processes are computational stronger than the representational theory of mind. […] we started by assuming that the content of representations is a (type) individuating feature of mental states. So far as the representational theory of mind is concerned, it’s possibly the only thing that distinguishes [two thoughts] […]. But, now, if the computational theory of mind is true […] it follows that content alone cannot distinguish two thoughts. More exactly, the computational theory of mind requires that two thoughts can be distinct in content only if they can be identified with relations to formally distinct representations. (Fodor 1980, 279 f.)
Festzuhalten bleibt jedoch, dass im Kern der Bestimmung von dem, was Komputationen sind, auch und gerade in der fodorschen Version, bei aller Kritik an (funktionalistischen) Reprsentationalen Theorie des Geistes, das Konzept der (mentalen) Reprsentation steht. Komputationen sind von rein mechanischen Manipulationen/Operationen ja gerade dadurch un27 Vgl. dazu die formalistische Beschreibung Fodors: „[…] to have a belief or desire – or whatever – is to be related in a certain way to a Mental Representation. According to the canonical formulation of this view: for any organism O and for any proposition P, there is a relation R and a Mental Representation MP such that MP means that (expresses the proposition that) P; an O believes that P iff O bears R to MP. […] This is, of course, the doctrine I’ve been calling full-blown RTM.“ (Fodor 1985, 17) Vgl. auch Fodor 1987, 17 und neuerdings Fodor 2008, 5 ff.
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terschieden, dass sie Symbole, also Entitten mit einem reprsentationalen Gehalt manipulieren (und nicht etwa Bimetallstreifen, Metallfedern o. .).28 Und, wie wir noch weiter unten sehen werden29, verhlt es sich mit dem Konzept von Kognition ganz analog.
1.2. Intentionaler Realismus, intentionale Psychologie und psychologischer Eliminativismus Der Komputationalismus ist zwar eine der paradigmatischen naturalistischen Erklrungsmodelle des Mentalen, das heißt aber keineswegs, dass er die Annahme der Existenz mentaler oder intentionaler Zustnde fr falsch erachtete oder versuchte, diese zu widerlegen. Fodor etwa ist ein berzeugter intentionaler Realist. Er glaubt also, dass es solche Entitten wie intentionale Zustnde, Akte etc. tatschlich gibt oder zumindest, dass der Rekurs auf solche Entitten fr genuin psychologische Erklrungen notwendig ist. Hier zeichnet sich eine gewisse methodologische Spannung ab. So ist das zentrale Anliegen der fodorschen Theorie mentaler Reprsentation zu zeigen, dass die Ebene der rein formalen Symbolmanipulation um eine semantisch evaluierbare Tiefendimension erweitert werden muss, nmlich um psychologisch relevante Aussagen liefern zu kçnnen. Aus der praktischen Unmçglichkeit jedoch, eine genuin physikalisch (oder sonst wie materialistisch) fundierte Reprsentationstheorie zu etablieren – bei der die fr mentale Reprsentationen unumgngliche Semantik bercksichtigt werden kçnnte –, schließt Fodor, dass wir uns fr die Etablierung einer rationalen Psychologie mit den formalen Gesetzmßigkeiten begngen mssen, die man mit den Mitteln des Komputationalismus beschreiben kann. Was wir nach Fodor allenfalls brauchen, um eine seriçse Wissenschaft unserer alltagspsychologischen Intuitionen bezglich des Verhaltens kognitiver Systeme etablieren zu kçnnen, ist eine naturalistische Theorie 28 Diesen Unterschied zwischen komputationaler (cum reprsentationaler) und mechanischer (nicht-reprsentationaler) Manipulation macht T. Van Gelder am Beispiel der Funktionsweise eines klassischen Dampfmaschinenventils sehr gut anschaulich, vgl. Van Gelder 1995, 347 ff. Fr eine wunderbar klare und detaillierte Erluterung der Funktionsweise von Computern selbst – von einem der Pioniere der Komputerwissenschaften und zugleich einem ihrer ersten und vehementesten Kritiker – siehe Weizenbaum 1976 (insbes. Kap. 2. und 3.); vgl. auch die gute Darstellung bei Floridi 1999 (Kap. 2). 29 Siehe unten, Kap. II. 1.3.
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der kognitiven Grundlagen und formalen Gesetzmßigkeit propositionaler Einstellungen. Fr Fodor ist also zwar die (alltags-)psychologische Interpretierbarkeit kognitiver Systeme an das Vorliegen eines semantisch evaluierbaren Gehalts mentaler Reprsentationen geknpft. Fodors Projekt einer Naturalisierung des Intentionalen und mithin die Etablierung einer seriçsen, wissenschaftlichen Psychologie zielt jedoch genau darauf, eine psychologische Interpretation mentaler Zustnde ber die Beschreibung ihrer rein formal-syntaktischen Operationen zu liefern. Erst wenn ber psychologische Prozesse mit alleinigem Bezug auf ihre formalen Elemente generalisierende Aussagen getroffen werden kçnnen, haben wir Aussichten auf eine wissenschaftlich akzeptable Psychologie. Sollten wir eine solche Theorie nicht zustande bringen, mssten wir unsere Alltagspsychologie in die historische Senkgrube intellektueller Fehltritte verbannen – was aber nach Fodor der „greatest intellectual catastrophe in the history of our species“ (Fodor 1987, xii) gleichkme. hnlich konstatiert L. R. Baker in Versuchen la Churchland, Stich30 und Co., unsere gesamte CommonSense-Konzeption des Mentalen und speziell die alltagspsychologisch relevanten intentionalen Glaubens- und Einstellungszustnde aus einem wissenschaftlichen Beschreibungsrahmen zu eliminieren, nichts Geringeres als einen „kognitiven Selbstmord“ (vgl. Baker 1998, 1 ff.). S. Stich dagegen sieht keinen ernsthaften Grund zur Beunruhigung und bezeichnet Fodors Sorge um die Mçglichkeiten und Perspektiven einer seriçsen, d. i. naturalistischen Psychologie ironisch als die „Katastrophentheorie“. Ernst zu nehmen ist jedenfalls Stichs Diagnose der Katastrophentheorie: Fodors Sorge wird, wie Stich berzeugend zeigt, durch die fragwrdige Annahme gespeist, dass ein Versagen auf dem Feld der Naturalisierung des Intentionalen eo ipso die „furchtbare Konsequenz“ htte, dass wir unseren festen Glauben an die Realitt des Intentionalen aufgeben und ergo das Feld den intentionalen Irrealisten rumen mssten. Fragwrdig ist diese Annahme, da gar nicht klar ist, inwiefern und ob berhaupt aus dem Versagen auf dem Feld der Naturalisierung der intentionale Irrealismus folgen soll (vgl. Stich 1996a, 92 ff.; Stich 1992, 361 f.). Klar ist zunchst lediglich, dass intentional-psychologische Erklrungen die intentionale Verursachung von Verhalten auf Basis der semantischen Evaluierung propositionaler Zustnde psychologisch adquat – und das heißt 30 Was S. Stich betrifft, ist zu beachten, dass er seine robuste reduktivistisch-eliminativistische Haltung gegenber der sog. folk-pyschology (von Stich 1983) in Stich 1996b (insbes. im Aufsatz mit dem irrefhrenden Titel Deconstructing the Mind) zugunsten einer differenzierten anti-eliminativistischen Position aufgegeben hat.
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in grundstzlichem Einklang mit alltagspsychologischen Erklrungen – beschreiben mssen: I propose to say that someone is a Realist about propositional attitudes if (a) he holds that there are mental states whose occurrences and interactions cause behavior and do so, moreover, in ways that respect (at least to an approximation) the generalizations of commonsense belief/desire psychology; and (b) he holds that these same causally efficacious mental states are also semantically evaluable. So much for commonsense psychological explanation. […] the full-blown RTM [Representational Theory of Mind; T. Sz.] purports to explain how there could be states that have semantical and causal properties that propositional attitudes are commonsensical to have. (Fodor 1985, 5)
Fodor bleibt allerdings bei dieser Bestimmung des intentionalen Realismus nicht stehen. Er nimmt vielmehr an, dass die Widerlegung des intentionalen Irrealismus nur durch eine endgltige und das heißt vollstndige Naturalisierung des Intentionalen mçglich ist. Dabei setzt er jedoch die methodologische Grundprmisse der zu widerlegenden Position voraus, wonach nmlich nur das real ist, was prinzipiell naturalisierbar ist: […] a serious intentional psychology must presuppose the naturalizability of content. Psychologists have no right to assume that there are intentional states unless they can provide, or anyhow foresee providing, or anyhow foresee no principled reason why someone couldn’t provide, naturalistic sufficient conditions for something to be in an intentional state. (Fodor 1994, 5)
Bevor man jedoch irgendwelche Zugestndnisse an den intentionalen Irrealismus macht, msste man zunchst zeigen, dass dieser eine wahre ontologische These oder zumindest eine brauchbare Doktrin bezglich des spezifischen Gegenstandsbereichs jener Wissenschaft ist, die sich mit intentionalen Zustnden beschftigt. Die Katastrophentheorie impliziert, dass die Gltigkeit intentional-psychologischer Erklrungen notwendig von der Gltigkeit der Grundprmisse des intentionalen Irrealismus abhngt. Die Gltigkeit des intentionalen Irrealismus hngt wiederum von der Wahrheit ihrer ontologischen Behauptungen und deren wissenschaftstheoretischen Konsequenzen ab. In seiner ontologisch starken Version behauptet der intentionale Irrealismus, dass solche Zustnde, mit denen sich die intentionale Psychologie beschftigt, in Wirklichkeit – nmlich in jener, welche die ,seriçsen‘ Wissenschaften modellieren – gar nicht existieren. Der starke intentionale Irrealismus basiert auf der Ontologie des sogenannten eliminativen Materialismus. Entitten, mit denen sich Psychologen beschftigen, wenn sie intentionales Verhalten oder intentionale Zustnde analysieren, haben
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dieser Ansicht zufolge den gleichen Realittsgehalt wie jene Zustnde, die etwa mittelalterliche Exorzisten einer Hexe zugeschrieben haben. Intentionale Psychologie ist demnach durch und durch Volkspsychologie und hat als solche ebenso wenig Platz im Kanon ernstzunehmender Wissenschaften wie religiçser oder sonstiger Aberglaube. Gleichwohl ist auch ein starker intentionaler Irrealismus mit der Strategie des Instrumentalismus la D. Dennett kompatibel (vgl. Dennett 1971 und 1981). Mçgen nun psychische Zustnde mit spezifisch intentionalen Eigenschaften existieren oder nicht, worauf es dem intentionalen Instrumentalisten ankommt, ist die Frage, welchen objektiv feststellbaren Erklrungswert die Tatsache, dass wir Systemen solche Zustnde zuschreiben, bei der Voraussage rationalen Verhaltens hat. Demgegenber ist die ontologisch schwchere Version des intentionalen Irrealismus rigider, was die psychologische Erklrungskraft intentionaler Zustnde betrifft. Die schwchere Version trifft zwar keine Behauptung bezglich der Existenz der fraglichen Entitten und stellt lediglich fest, dass die Eigenschaften, die intentionalen Zustnden zugeschrieben werden, keinerlei Wirksamkeit innerhalb der kausalen Gesetzmßigkeiten ausben, welche das Untersuchungsfeld seriçser Wissenschaften konstituieren. Nun wre dies noch insofern unproblematisch, solange man gelten ließe, dass die intentionale Psychologie es nicht mit Kausalerklrungen zu tun hat. Die fodorsche Version macht jedoch eine weitere Annahme, welche den Zusammenhang betrifft zwischen der kausalen Wirksamkeit, der Realitt intentionaler Zustnde und der Mçglichkeit, psychologisch informative Aussagen ber diese zu machen. Die Zusatzprmisse besagt, dass intentionale Zustnde nur insofern als reale Entitten interpretiert werden kçnnen, als sie kausal wirksam sind. Sofern intentionale Eigenschaften keine kausale Wirksamkeit ausben, kçnnen auch Erklrungen, die auf solche Eigenschaften rekurrieren, keine Rolle bei der Erklrung der Ursachen von intentionalem Verhalten spielen und mssen folglich aus dem Untersuchungsgebiet einer seriçsen Psychologie ausgeschlossen werden. Diese ontologisch schwchere Version des intentionalen Irrealismus fhrt also zu einem bestimmten Typ von Eliminativismus, den man mit Blick auf den psychologischen Erklrungswert der betreffenden Entitten psychologischen Eliminativismus nennen kçnnte. Intentionale Zustnde mçgen zwar existieren, sofern ihre charakteristischen Eigenschaften aber keine empirisch verifizierbare kausale Funktion ausben, mssen wir aus methodologischen Grnden auf diese Entitten verzichten – zumindest sofern wir uns mit ihnen als wissenschaftlich akzeptablen Kandidaten fr
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eine seriçse Psychologie beschftigen. Der psychologische Eliminativismus ist eine heuristische, oder besser, wissenschaftspragmatische These bezglich der Brauchbarkeit intentional-psychologischer Erklrungen innerhalb der Logik naturwissenschaftlicher Aussagensysteme und impliziert – anders als der eliminative Materialismus oder der Instrumentalismus – nicht notwendig eine ontologische These bezglich der Realitt intentionaler Zustnde und Eigenschaften.31 Zu unterscheiden ist also zwischen Typen psychologischer Erklrungen und Typen psychologisch relevanter Explananda bzw. zwischen der Reduktion bestimmter psychologisch relevanter Entitten und der Reduktion bestimmter Erklrungsmodelle. Obwohl nun Fodor als intentionaler Realist Anti-Reduktionist hinsichtlich der Ontologie intentionaler Zustnde qua psychologisch relevanter Explananda ist, ist seine Theorie hinsichtlich des Typs intentional-psychologischer Erklrungen wesentlich reduktiv. Insofern ist aber seine Theorie der Intentionalitt auch dem intentionalen Instrumentalismus eines Dennett entgegengesetzt: Whrend der Instrumentalismus intentionale Zustnde rundheraus aus der Ontologie seriçser Wissenschaften eliminiert, rumt er ihnen hinsichtlich ihrer Rolle bei der Erklrung und Voraussage psychologischen Verhaltens eine legitime Rolle ein. Ein Instrumentalist la Dennett schließt also zwar intentionale Vorkommnisse aus der Menge real-existierender Phnomene aus, garantiert aber einer intentionalen Einstellung („intentional stance“) zu kognitiven Systemen eine explanatorische Legitimitt innerhalb psychologischer Aussagenssysteme. Der Kognitivist la Fodor schlgt den umgekehrten Weg ein: Er 31 Vgl. Stich 1992, 349 ff. Stich unterscheidet allerdings mit Bezug auf den intentionalen Irrealismus bzw. Eliminativismus nicht zwischen ihren jeweiligen heuristischen bzw. ontologischen Implikationen und verwendet die beiden Positionen weitgehend synonym. Diese Unterscheidung ist m. E. jedoch wichtig, wenn wir verstehen wollen, welches Motiv Fodor & Co.’s Katastrophentheorie leitet. Denn wenn die Befrchtung nur darin besteht, dass gewisse Disziplinen – wie die empirischen Neurowissenschaften – auf intentionalistische Erklrungen verzichten mssen und die Aufgabe, das Intentionale zu erklren, einfach andere Wissenschaften (wie die Philosophie des Geistes oder die kognitive Psychologie) bernehmen mssen – so impliziert das noch lange keine katastrophale nderung unseres Selbstverstndnisses als psychologische Wesen und wir kçnnen getrost wie bisher weitermachen. Fodors Befrchtung betrifft jedoch die ontologisch strkere Dimension des intentionalen Irrealismus: „[…] the deepest motivation for intentional irrealism derives […] from a certain ontological intuition: that there is no place for intentional categories in a physicalist view of the world; that the intentional can’t be naturalized.“ (Fodor 1987, 97)
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rumt Entitten, auf die intentionalistische Erklrungen referieren, zwar eine ontologische Realitt ein, beraubt jedoch den entsprechenden Typ von Erklrung jeglicher wissenschaftlicher Legitimitt. Daraus entsteht nun die zweite methodologische Spannung der fodorschen Theorie der Intentionalitt: So ist zwar Fodors anti-reduktionistische Naturalisierungsstrategie ebenso wenig auf die Gltigkeit der ontologisch starken Behauptung des intentionalen Irrealismus festgelegt, wie der Reduktionismus in Bezug auf die Psychologie als legitime Einzelwissenschaft nach Fodor rein ontologisch verteidigt werden kann. Der Punkt ist nun, daß das reduktionistische Programm in der Psychologie in keinem Fall mit ontologischen Grnden verteidigt werden kann. […] die Annahme, daß jedes psychische Ereignis ein physikalisches Ereignis sei, garantiert nicht, daß die Physik (oder a fortiori irgendeine Disziplin, die allgemeiner als die Psychologie ist) ein geeignetes Vokabular fr psychologische Theorien bereitstellen kann. (Fodor 1974, 144)
Die Spannung jedoch, die zu jener Katastrophentheorie fhrt, der Stich den Wind aus den Segeln nehmen will, entsteht bei Fodor aus der Befrchtung, dass in Ermangelung einer Naturalisierung intentionaler Eigenschaften nicht nur die schwchere Version, sondern auch die (,schlimmeren‘) ontologischen Konsequenzen des intentionalen Irrealismus folgen werden. Hier zeichnet sich ein grundstzliches methodologisches Problem ab, dessen Fodor selbst sich zwar durchaus bewusst ist (vgl. Fodor 1974, 154 f.), dem er jedoch – geleitet von seiner Katastrophentheorie – wenig entgegenzusetzen hat. Das Problem stellt sich so dar: Whrend der intentionale Irrealismus in seiner ontologisch strkeren Lesart, nmlich qua Eliminativismus, im Rahmen einer vorausgesetzten physikalistischen Globalontologie trivialerweise wahr ist, scheint er in seiner schwcheren Lesart als psychologisches Programm keinen Sinn zu machen. Wenn man nmlich annimmt, dass intentionale Vorkommnisse nichts anderes als physikalische Vorkommnisse und durch die Physik eindeutig klassifizierbar und erklrbar sind (sie also Token-identisch sind), so sind sie trivialerweise nicht die geeigneten Untersuchungsgegenstnde fr die (Alltags-) Psychologie, sondern eben fr die Physik. Wenn man jedoch, wie Fodor, intentionale Eigenschaften (gegebenenfalls physikalischer Vorkommnisse) nicht von vornherein auf ein ontologisch eindeutig abgezirkeltes Gebiet festlegen bzw. explanatorisch auf dieses reduzieren will, so wird die vermeintliche Notwendigkeit einer mit den physikalischen Taxonomien und Gesetzmßigkeiten quivalenten Naturalisierung dieser Eigenschaften hinfllig. Mit anderen Worten: Ein intentionaler Eliminativismus macht
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als psychologisches Programm keinen Sinn, solange man nicht ber ein Kriterium fr eine erfolgreiche Naturalisierung intentionaler Eigenschaften verfgt – und zwar ber ein Kriterium, das unabhngig von der physikalistischen Doktrin des intentionalen Irrealismus gltig ist –, oder aber er ist trivialerweise wahr, sofern die betreffenden Entitten einem im Vorhinein festlegten Untersuchungsgebiet zugeordnet werden und quasi je nach Bedarf aus bestimmten Forschungsprogrammen ausgeschlossen werden kçnnen. Vertritt man also gemß einem eliminativistischen Ansatz einen starken intentionalen Anti-Realismus und meint, dass sowohl die Rede von der Intentionalitt des Mentalen als auch die Rede von mentalen Zustnden berhaupt in einem ontologisch starken Sinne leer ist, so ist freilich die Konstitutions- und die Determinationsfrage der Intentionalitt gleichermaßen von vornherein hinfllig. Hlt man demgegenber, wie Fodor, an einer realistischen Position in Bezug auf mentale Zustnde fest und tritt dabei fr die Naturalisierung der spezifisch intentionalen Eigenschaften dieser Zustnde ein, so muss man erklren kçnnen, worin sich einerseits mentale von nicht-mentalen Zustnden (Konstitutionsfrage) und andererseits mentale Zustnde untereinander (Individuations-/Determinationsfrage) unterscheiden, um dann die relevanten Kriterien selbst wiederum naturalisieren zu kçnnen. Der intentionale Realist muss die Konstitution der Intentionalitt des Bewusstseins, die Individuation der einzelnen Zustnde des Bewusstseins bzw. die Determination ihres semantischen Gehalts naturalistisch – d. i. ohne Rckgriff auf die intentionale Struktur des Bewusstseins selbst – erklren. Das Problem bei Fodor scheint mir jedoch, dass er nicht nur berhaupt keine Antwort auf die Konstitutionsfrage hat und die Realitt genuin intentionaler Systeme einfach voraussetzt, sondern vielmehr – und das ist fr das Naturalisierungsprojekt ein gravierenderes Problem – gar keine Antwort auf die Individuationsfrage hat, welche ohne Rekurs auf das intentionalistische/semantische Vokabular auskme. So sind denn etwa – um nur ein Beschreibungsmodell Fodors herauszugreifen (nmlich die LOTHypothese) – die ,mentalen Symbole‘, zu denen ein Individuum in einer gewissen (komputational spezifizierten) Relation stehen muss, um von einer propositionalen Einstellung (mit einem genuin intentionalen/ semantischen Gehalt) eines Individuums sprechen zu kçnnen, eben nur dann als mentale Symbole zu qualifizieren, wenn sie eine semantische Funktion fr das betreffende Individuum bernehmen, und sie sind nur dann als mentale Symbole zu qualifizieren, wenn sie in einem intentionalen bzw. kognitiven System instanziiert sind (und nicht etwa in einem Stein).
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Jedenfalls ist entsprechend den verschiedenen Heuristiken zu klren, welchen Gegenstands- und Geltungsbereich die verschiedenen Versionen des Programms einer Naturalisierung der Intentionalitt (physikalistische, (neuro-)biologische, (kognitions-)psychologische etc.) qua Theorien ber die Intentionalitt mentaler Zustnde jeweils betreffen. So wre es etwa widersinnig, wollte man eine physikalische oder biologische Theorie ber intentionale Zustnde verteidigen. So wie es keine physikalische Erklrung der Intentionalitt gibt, sondern nur physikalistische Interpretationen bestimmter Eigenschaften und Zustnde, die man fr wesentliche Merkmale intentionaler Systeme hlt, ist auch eine Beschreibung der neurobiologischen Organisation solcher Systeme noch keine Theorie ber intentionale Zustnde. Eine neurobiologische Theorie der Intentionalitt ist mit der empirischen Beschreibung der kognitiven Mikrostruktur bzw. den neurobiologischen Grundlagen von natrlichen Systemen/Organismen befasst, denen man normalerweise intentionale Zustnde zuschreibt. Intentionalitt wird innerhalb des Kognitivismus nicht nur als eine definierende Grundeigenschaft des Mentalen allgemein angesehen, sondern auch als ein wesentlich kognitives Phnomen des Mentalen bestimmt. Bestimmt man Intentionalitt so, ist die naheliegende Frage, vor die sich Kognitionswissenschaftler gestellt sehen, ob Systeme, denen wir diese Eigenschaft normalerweise nicht ohne Weiteres zuschreiben wrden (wie Steinen, Thermostaten, Computern oder Ameisen), als genuin kognitive Systeme angesehen werden kçnnen. Ob das Phnomen der Intentionalitt also berhaupt ein relevantes Objekt fr Naturalisierungsstrategien ist, hngt davon ab, welchen Status man ihr im Rahmen einer Theorie des Mentalen beimisst: Vertritt man die Ansicht, dass es ein von mentalen Erlebnissen distinktes Phnomen der Intentionalitt gibt, dass also auch Wesen oder Systemen, die keine mentalen Erlebnisse haben, Intentionalitt zugeschrieben werden kann (wie Computern etc.), so mag zwar eine umfassende naturalistische Beschreibung ihrer Funktionsweise ein kompliziertes Unterfangen sein – ein eigentliches philosophisches Problem stellt sie nicht dar.
1.3. Kognitivismus und Neobehaviorismus Was unterscheidet also kognitive Systeme von nicht-kognitiven Systemen, in deren Verhalten sich gleichwohl gewisse Regel- und Gesetzmßigkeiten manifestieren? Anders gefragt: Gibt es ein Kriterium fr die Zuschreibung von Kognitionen zu Systemen, die physikalisch realisiert sind, deren
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Verhalten jedoch mit Rekurs auf rein physikalische Prozesse nicht hinreichend evaluiert werden kann? Ein solches Kriterium ist jedenfalls notwendig, damit sich die Wissenschaften von den Kognitionen als autonome Disziplin gegenber anderen wissenschaftlichen Beschreibungen (wie etwa rein physikalischen) etablieren kçnnen. Searle, einer der fhrenden Kritiker des Kognitivismus und der KI-Forschung, weist zu Recht darauf hin, dass der Kognitivismus nur unter der Bedingung als ein „Zweig der Psychologie“ angesehen werden kann und nur dann „Chancen als Theorie des Geistes“ hat, wenn er klare Prinzipien formuliert, nach denen man Systeme, die als mentale, von denen, die als nicht-mentale arbeiten, unterscheiden kann. Sollen diese Prinzipien nicht kontingent sein, mssen die relevanten mentalen Eigenschaften im System selbst intern realisiert sein und kçnnen nicht allein von der Zuschreibung durch externe Beobachter abhngen (Searle 1980, 235 f.). Eines der weitgehend akzeptierten Kriterien fr die Zuschreibung von Kognition ist eben das Kriterium, sich intentional zu verhalten bzw. zu handeln: Im Rahmen des Kognitivismus ist mit intentionalem Verhalten ein Verhalten gemeint, bei dem ein System auf Grund von berzeugungen, Meinungen und Wnschen bestimmte Ziele verfolgt bzw. auf seine Umwelt kausal einwirkt. Intentionales und kognitives Verhalten werden in den Standardversionen des Kognitivismus also als gleichbedeutend angesehen. Einer anderen weitverbreiteten Auffassung zufolge ist das wesentliche Merkmal kognitiver Systeme, dass sie intrinsischen, d. i. nicht von irgendetwas Nicht-Kognitivem abgeleiteten, reprsentationalen Gehalt haben und diesen entsprechend kognitiv verarbeiten kçnnen, wobei kognitive Reprsentationsprozesse sich von nicht-kognitiven Reprsentationsprozessen durch die ihnen zugrunde liegenden (faktisch-)kausalen (und nicht nur funktionalen) Mechanismen unterscheiden.32 Nun ist jedoch der Begriff der Kognition – analog zum Konzept der mentalen Reprsentation – selbst einer jener schillernden Termini, der in der immensen Theorieentwicklung der letzten Jahrzehnte weder an seiner wissenschaftlichen Attraktivitt eingebßt noch auch seit Beginn der sogenannten kognitiven Revolution um die Mitte des letzten Jahrhunderts wesentlich an inhaltlichen Konturen gewonnen hat.33 Neuerdings spricht 32 So etwa Searle 1980 und neuerdings (wieder) Adams/Aizawa 2001. 33 Zu den Anfangs- und Grnderjahren der modernen Cognitive Sciences avant la lettre siehe Gardner 1985, 10 ff.; Varela 1988, insbes. Kap. 2; eine knappe, kritische Skizze der neueren Denkbewegungen – insbes. des Konnektionismus und der Emergenztheorie – findet sich ebd., Kap. 4. Bei Varela/Thompson/Rosch
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man, ganz hnlich wie beim Konzept der mentalen Reprsentation, auch etwa von einem „,big tent‘ approach to cognition“ bzw. von Kognition als „cluster concept“, das auf einer Art graduellen Komplexittsskala von Fhigkeiten wie einfacher Adaption an Umweltgegebenheiten ber Informationsverarbeitung, selektives und zielgerichtetes Erkunden der Umwelt zu hçheren Leistungen wie der eigentlichen mentalen Reprsentation von externen Gegebenheiten und zur (technologischen oder artifiziellen) Modifizierung der Umwelt bis hin zu komplexen epistemischen Phnomenen wie (Selbst-)Bewusstsein bzw. explizite Reflexion auf sich als kognitiver Agent reicht (vgl. Theiner/O’Connor 2010, 82 f.). Die Parallele, nicht nur was die Vagheit der Begriffe mentale Reprsentation und Kognition betrifft, ist freilich nicht zufllig, besteht doch zwischen beiden Konzepten, in ihrer Standardfassung jedenfalls, ein systematischer Zusammenhang. So wird Kognition nicht nur typischer- und klassischerweise als Informationsverarbeitung bestimmt, sondern spezifischer als eine solche informationsverarbeitende Operation, bei der die betreffende (neue) Information fr ein kognitives Subjekt S in Form eines reprsentationalen Gehaltes bzw. durch die Instanziierung eines S zurechenbaren reprsentationalen Zustandes zugnglich gemacht wird. So lesen wir etwa bei M. Rowlands in einer der meines Erachtens treffendsten (hinreichenden, wenn auch nicht notwendigen) Bestimmungen von kognitiven Prozessen: A process P is a cognitive process if: 1. P involves information processing – the manipulation and transformation of information-bearing structures. 2. This information processing has the proper function of making available either to the subject or the subsequent processing operations information that was, prior to this processing, unavailable. 3. This information is made available by way of the production, in the subject of P, of a representational state. 4. P is a process that belongs to the subject of that representational state. (Rowlands 2010, 110 f.)
Doch was untersuchen eigentlich die Wissenschaften von Kognition? Nun, die kognitive Neurobiologie untersucht die Korrelation von nicht-kognitiven, rein physiologischen Ablufen (biochemische Ablufe und Reak1991 (Kap. II – IV.) bzw. Thompson 2007 (Kap. I.) wird diese Liste noch um konzise Darstellungen des neuesten, durchaus phnomenologisch beeinflussten Trends der Cognitive Science, namentlich des sog. enactivism, ergnzt. Eine sehr brauchbare Einleitung findet sich auch bei Mnch 1992. Die bis dato umfangreichste und wohl auch die spannendste Darstellung der Geschichte der Kognitionswissenschaften von den Vorsokratikern (!) bis zu den gegenwrtigen Neurowissenschaften liefert, in zwei Bnden, Boden 2006.
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tionen auf der zellulren und subzellulren Ebene, neuronale elektrische Aktivierungs- und Inhibierungspotenziale und hnliches), prkognitiven Systemprozessen und kognitiven Systemzustnden (primitive Wahrnehmungsmuster, habitualisierte mentale Rahmenschemata, sogenannte frames 34 etc.) und die verschiedenen komplexeren kognitiven Operationen auf der Ebene von symbolischer Informationsverarbeitung, intelligentem Verhalten oder intentionalem Handeln.35 Die kognitive Neurobiologie legt also den Untersuchungsfokus auf die strukturellen und funktionalen Mechanismen aller Systemprozesse, die zu Kognitionen fhren. Dasjenige multidisziplinre Forschungsprogramm, das mit dem Sammeltitel ,Kognitivismus‘ bezeichnet werden kann, abstrahiert dagegen von der physiologischen Ebene nicht-kognitiver Prozesse und versucht theoretische Modelle zu entwickeln, die allein fr die Beschreibung der funktionalen Ebene der Informations- und Symbolverarbeitung brauchbar sind. Mit Bezug auf diese Ebene spricht man auch von ,kognitiver‘ bzw. ,funktionaler Architektur‘, mit Bezug auf die Beschreibungsmodelle von ,mentalen Karten‘ und mit Bezug auf die verschiedenen Abstraktionsniveaus von symbolischen Manipulationen und subsymbolischen Prozessen.36 Der klassische Kognitivismus hebt mit der (nicht-empirischen) Hypothese an, dass jeder physikalisch-physiologischer Systemzustand symbolisch codiert ist. Die Hypothese besagt, genauer ausgedrckt, dass jedes physikalische Ereignis zwischen einem kognitiven System und seiner Umwelt – d. i. jede physiologisch-physikalische Input-Output-Relation – mit einem funktionalen Zustand eines symbolverarbeitenden Reprsentationssystems korreliert ist. Dem Kognitivisten zufolge besteht das wesentliche kognitive Moment eines Systems im regelgeleiteten, rein formal strukturierten Bezug seiner internen Zustnde zu system-externen Zustnden, Ereignissen und Sachverhalten. Sofern interne Systemzustnde sich auf (selbst physikalisch implementierte) externe Informationszustnde in einer bestimmten Weise und nach bestimmten formal-syntaktischen Regeln beziehen, sind sie reprsentationale Zustnde mit einem bedeutungsvollen bzw. kognitiven Gehalt fr das jeweilige System. Insofern 34 Vgl. Minsky 1981. 35 Siehe dazu Roth 1996, 31 f. Eine alternative Kartographierung des Gegenstandsbereichs der Neurowissenschaften nehmen Bennett/Hacker 2003, 121 – 235 vor: Sie unterscheiden grundstzlich zwischen primitiven Empfindungen/Wahrnehmungen, der kogitativen (Denken/Urteilen, Meinen/Glauben und Imagination) und kognitiven (Wissen), den Kapazitten der affektiven/emotionalen Ebene und schließlich der volitiven Ebene der Handlungsausbung. 36 Siehe etwa bei Pylyshyn 1984, 54ff, 87 ff.; Fodor 1990, ix oder Roth 1996, 30.
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haben sie auch eine kausale Wirksamkeit auf das kognitive Verhalten des Systems. Der Kerngedanke des Kognitivismus ist nun, dass die Konstitution des kognitiven Aspekts der Bezugnahme auf externe Information allein durch die Analyse der regelgeleiteten Manipulation formaler Symbole, also ber die rein syntaktischen, internen Systemoperationen zu erklren ist (bzw. in nichts anderem besteht). Interne Reprsentationen haben eine syntaktische Struktur und einen semantischen Gehalt. Formelhaft gesprochen, kçnnte man sagen, dass Kognition dieser Auffassung zufolge nichts anderes als die Konstitution eines semantischen Gehalts durch syntaktische Operationen ist. Eine kognitivistische Theorie mentaler Reprsentation ist eine Theorie ber die funktionale Realisierung des Wechselspiels der syntaktischsemantischen Operationen zwischen System und Umwelt.37 Die kognitivistische Grundhypothese besagt, dass Kognition ein fr das jeweilige kognitive System bedeutungsvolles Handeln mit Bezug auf die Systemumwelt und auf der Grundlage gesetzmßig geregelter symbolverarbeitender Prozesse ist.38 Der Kognitivismus ist (zunchst) neutral hinsichtlich der Frage, ob die zu untersuchenden kognitiven Funktionen auf der Ebene der symbolischen Reprsentationsprozesse auf physikalisch gesehen niedrigere Abstraktionsniveaus reduzibel sind oder nicht. Hinsichtlich des Explikationsradius der klassischen kognitivistischen Beschreibungsmodelle symbolverarbeitender Systeme ist es sinnvoll, drei Beschreibungsebenen zu unterscheiden, die zum Teil auch ontologisch gesehen verschieden gewichtet sind: 1.) die Ebene der symbolischen und syntaktischen Codierung der jeweiligen Informationen und Funktionen; 2.) die Ebene ihrer Implementierung bzw. Realisierung oder allgemeiner ihrer Instanziierung in symbolverarbeitenden Informationssystemen und schließlich 3.) die operationale bzw. funktionale Ebene der eigentlichen Symbolmanipulation bzw. Komputation. Die erste Ebene betrifft die syntaktische und symbolische Struktur der Reprsentanten von Informationen (d. i. die sogenannten reprsentationalen ,Formate‘ und deren ,funktionale Architektur‘), also die Art und Weise, wie die Input- und Output-Informationen eines Systems dargestellt werden (etwa durch ein binres Zahlensystem oder bildliche Zeichen und ob diese durch Pfeile, mathematische Funktionszeichen etc. verknpft 37 Siehe dazu Fodor 1980, 277: „[…] a ,naturalistic‘ psychology [is] one which defines its generalizations over relations between mental representations and their environmental causes.“ 38 Vgl. auch Varela 1988, 38 ff. und Roth 1996, 26 ff.
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werden). Aussagen ber diese Ebene sind ontologisch gesehen insofern neutral, als die Codierung relativ zu den jeweiligen Beschreibungsmodellen ist und mithin eine konventionelle bzw. empirische Angelegenheit. (Ontologisch bzw. metaphysisch relevant wird diese Ebene erst dann, wenn man entscheiden muss, welche Beschreibung/Codierung der Struktur welcher Reprsentationssysteme am angemessensten ist, etwa ob eine bzw. welche digitale Programmiersprache der Beschreibung menschlicher Gehirne entspricht). Aussagen ber die zweite Ebene, jene der faktischen Implementierung oder der mçglichen Instanziierung, betreffen die material-ontologische oder strukturell-notwendige Verfasstheit mentaler oder nicht-mentaler Systeme und informationsverarbeitender Prozesse. So versuchen etwa Neurobiologen oder Kognitionspsychologen festzustellen, welche materialen oder strukturellen Bedingungen erfllt sein mssen, damit man vom Vorliegen kognitiver Prozesse sprechen kann. Sie bilden empirische Hypothesen ber die Konstitutionsbedingungen kognitiver Systeme im Unterschied zu nicht-kognitiven Systemen. KI-Forscher versuchen wiederum, mçgliche (knstlich konstruierte oder formal-abstrakte) Realisierungsformen zu modellieren, welche uns relevante Rckschlsse auf die spezifische Struktur menschlicher Kognition erlauben sollen. Fragen nach der Codierung und der tatschlichen Implementierung oder der mçglichen Instanziierung kognitiver Prozesse sind also empirische Fragen nach den Konstitutionsbedingungen menschlicher und oder knstlicher Kognition. Diese implizieren nicht notwendig spezifische oder allgemeine ontologische Behauptungen ber die Natur dieser Systeme (auch wenn genau solche Behauptungen von den Neurowissenschaften oft genug gemacht werden). Die dritte Ebene schließlich ist die eigentliche Domne des Kognitivismus. Sie umfasst alle Prozesse, Operationen und Mechanismen, die eine kognitive Funktion fr das System, das sie instanziiert, haben, wobei diese Funktion im Wesentlichen darin besteht, Input in Output umzuwandeln. Was nun das Verhltnis zwischen den drei Ebenen und insbesondere zwischen der Ebene der Implementierung und der funktionalen Ebene der Operation oder Komputation betrifft, handelt es sich keineswegs mehr um ontologisch oder metaphysisch neutrale Beschreibungen, sondern vielmehr um Behauptungen hinsichtlich der Natur kognitiver Systeme, metatheoretische Fragen nach der bersetzbarkeit der verschiedenen Beschreibungsmodelle und eventuell um das Formulieren von entsprechenden Brckengesetzen. Das Ziel des Kognitivismus ist jedenfalls, bei der funktionalen und/oder komputationalen Erklrung von Kognition sowohl auf ontologische Aussagen ber die tatschliche oder notwendige Implemen-
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tierung der symbolischen Codes bzw. der informationsverarbeitenden Prozesse als auch auf (apriorische oder empirische) Aussagen ber die Art und Weise der Codierung weitgehend zu verzichten. Die Frage ist freilich, inwieweit und ob dies gelingt. Der Kognitivismus und insbesondere seine funktionalistischen und komputationalistischen Spielarten kçnnen als der großangelegte Versuch gedeutet werden, unter alleinigem Rekurs auf die operationale Ebene mentaler Prozesse psychologisch relevante Aussagen ber die Funktion mentaler Zustnde und insbesondere ihrer kausalen Rolle bei der Erklrung von Verhalten zu treffen. Bei der Beschreibung der formalen Architektur symbolverarbeitender Prozesse abstrahiert also der Kognitivist zunchst sowohl von der Ebene der Implementierung als auch von der faktischen Struktur des symbolischen Codes und der entsprechenden Syntax. Die Beschreibung bezieht sich allein auf die Funktion und die kausale Rolle, welche die Symbole fr das System, in dem diese realisiert sind, erfllen. Diesem Erklrungsmodell zufolge sind also mentale Zustnde nichts anderes als interne Funktionen eines symbolverarbeitenden Systems. Die Funktionen mentaler Zustnde sind durch ihre kausale Ursache, ihre kausale Rolle und die kausalen Interdependenzen der Funktionen bzw. der kausalen Relationen zwischen den Zustnden festgelegt. Das sind auch die Parameter, durch welche Kognitivisten die Individuation mentaler Zustnde erklren. Die mentalen Zustnde beziehen ihre kausale Ursache aus systemexternen, physikalisch realisierten Informationen und Informationszustnden, die als Inputs fungieren. Die kausale Rolle oder Wirksamkeit bei der (psychologischen) Erklrung des kognitiven Verhaltens des Systems wird ber die Funktion der Outputs evaluiert. Im Gegensatz zum identittstheoretischen Physikalismus und dem logischen Behaviorismus macht der Kognitivismus keine ontologisch festgelegten Angaben ber die Relation zwischen den einzelnen Instanzen oder Vorkommnissen (den sogenannten Tokens) mentaler Zustnde und physikalischen Einzelvorkommnissen (innerhalb oder außerhalb des Systems). Dem Kognitivisten geht es vielmehr um die Spezifizierung der Relationen mentaler Zustnde untereinander und der gesetzmßigen Korrelation zwischen Typen von mentalen und Typen von funktionalen Zustnden, die als Einzelvorkommnisse in unterschiedlichen physikalischen Systemen (wie menschlichen Gehirnen, Turingmaschinen etc.) instanziiert sein kçnnen. Kognitivisten vertreten dementsprechend typischerweise die sogenannte multiple Realisierbarkeitsthese, wonach typen-identische mentale Zustnde in unterschiedlichen (material-)ontologischen Kontexten, d. i.
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zu verschiedenen Zeitpunkten, in verschiedenen mçglichen Welten und/ oder in verschiedenen funktionalen Systemen instanziiert sein kçnnen. Demnach entsprechen identische Typen mentaler Zustnde nicht notwendig identischen Typen physikalischer, neurologischer etc. Zustnde. Die These der multiplen Realisierbarkeit ist ein klassischer Einwand gegen die verschiedenen Formen psychophysischer Identittsbehauptungen. Die Identittsbehauptung der Kognitivisten bezieht sich demgegenber auf die Korrelation mentaler Zustnde und der funktionalen Zustnde eines ontologisch nicht nher spezifizierten Systems, welches in seiner klassischen Variante als universale Turingmaschine beschrieben wird. Vereinfacht gesagt, ist ein solches kognitives System eines, das alle gegebenen kognitiven Funktionen (qua Komputationen) instanziieren kann, oder im Falle einer universalen Turingmaschine eine Maschine, die alle mçglichen algorithmischen und/oder syntaktischen Funktionen in einer gegebenen Zeit ausfhren kann. Mit Bezug auf die Spezifikation des Verhltnisses der Realisierungsebene und der funktionalen Ebene der kognitiven Leistungen, die mçglichst allgemein ist, um die verschiedenen Varianten abzudecken, lsst sich der Kognitivismus nach einer treffenden Charakterisierung von N. Block und J. Fodor (und in Anlehnung an den Funktionalismus des frhen Putnam (vgl. Putnam 1960 und 1967)) als eine Identittstheorie psycho-funktionaler Zustandstypen kennzeichnen („functional state identity theory“) (Block/Fodor 1972, 84). Kognitivistische Theorien dieser Art versuchen jene Bedingungen zu spezifizieren, die erfllt sein mssen, damit Systeme als Typen oder Instanzen funktionaler Systeme beschrieben werden kçnnen. Mit Fodor gesprochen, geht es dabei um die „relevante Generalisierung“ „funktionaler quivalenzen“ zwischen „vçllig verschiedenen kçrperlichen Mechanismen und somit […] vçllig verschiedenen psychischen Prozessen“ (Fodor 1965, 421 ff.). Im Rahmen dieses Theoriegebudes werden funktionalen Systemen mentale Prdikate hinsichtlich ihres Beitrages zu einer psychologisch informativen Erklrung zugeschrieben. Obwohl es dem psychologischen Funktionalisten also um die kausale Rolle der mentalen Zustnde (innerhalb und außerhalb) des Systems geht, basiert die Zuschreibung nicht auf empirischen Analysen der tatschlichen Natur des Systems, welchem die psychologischen Prdikate zugeschrieben werden.39 39 Auf eine detaillierte Bestandsaufnahme der verschiedenen Versionen des Funktionalismus kann hier nicht eingegangen werden. Entsprechend der Spezifikation des Verhltnisses zwischen Realisierungs- und Implementierungsebene werden jedenfalls blicherweise der Turing-Maschinen-Funktionalismus, der Computer-
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In diesem Zusammenhang ist Searles kritische Unterscheidung zwischen „starker“ und „schwacher oder vorsichtiger KI“ aufschlussreich (Searle 1980). Schwache KI-Programme suchen nach mçglichen Werkzeugen und Simulationen, die uns bei psychologischen Erklrungen der Funktionsweise realer kognitiver Systeme (wie Menschen) helfen sollen, ohne jedoch ontologische Aussagen ber den Zusammenhang zwischen knstlichen/simulierten und realen Systemen zu machen. Die starke KI dagegen trifft genau solche Aussagen. Die prgnanteste und einflussreichste Variante der starken KI ist jene Version des Komputationalismus, der zufolge mentale Prozesse nichts anderes als komputationale Operationen von formal definierten Elementen sind. Der starken KI zufolge sind also kognitive Systeme nichts anderes als die Realisierung von Computerprogrammen.40 Die Pointe der starken KI – das, was sie im ontologischen Sinne sozusagen starkmacht – ist nun, dass sie mit der Klausel ,nichts anderes‘ eine Aussage ber die Implementierungsebene von Kognitionen bzw. ber die Natur kognitiver Zustnde macht: Die material-ontologischen Bedingungen fr das Vorliegen kognitiver Zustnde sind notwendig und hinreichend durch die Instanziierung ganz bestimmter Operationen (nmlich komputationaler Informationsverarbeitung) festgelegt, die wiederum nichts anderes als die Realisierung von physikalisch implementierten Computerprogrammen ist. Whrend also der schwachen KI zufolge die verschiedenen theoretischen Modellierungen und technischen Simulationen der Realisierungsebene die Rolle einer analogischen Erklrung fr Funktionalismus (dessen Hauptvertreter Fodor ist) und verschiedene andere funktionalistische Theorien wie methodologischer, semantischer, metaphysischer oder empirischer Funktionalismus unterschieden; siehe dazu u. a.: Bieri 1991b, 47 ff., Hastedt 1988, 144 ff. Nachdem sich die Bezeichnungen zum Teil berschneiden (und etwa irrefhrenderweise der metaphysische und semantische bzw. der methodologische und empirische Funktionalismus zuweilen als austauschbar verwendet werden; vgl. Hastedt 1988, 151), erscheint es sinnvoll, sich an N. Blocks grundstzlicher Unterscheidung zu orientieren – nmlich zwischen jenen Funktionalisten, die „funktionale Identitten als Teil einer apriorischen Disziplin“, und jenen, die diese als Teil „einer empirischen Psychologie betrachten“ (Block 1978, 167 f.). Erstere wren, gewissermaßen als Erben der logischen Behavioristen, dem semantischen Funktionalismus zuzurechnen, whrend Letztere (wie der frhe Putnam, Fodor) unter dem Label „Psychofunktionalisten“ zusammengefasst werden kçnnen. Vgl. zu dieser Bezeichnung auch Pauen 2001, 135 ff. 40 An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Fodor keine starke KI im searleschen Sinn vertritt, da es ihm um die Mçglichkeiten einer komputationalen Interpretierbarkeit mentaler Prozesse zum Zwecke der Etablierung einer wissenschaftlichen Psychologie, nicht jedoch um die betreffenden ontologischen Behauptungen geht.
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das Verstndnis der Funktionsweise von Kognition haben, fungieren der starken KI zufolge die entsprechenden Modelle selbst als die einzig relevante Erklrung der notwendigen und hinreichenden Konstitutionsbedingungen kognitiver Zustnde. Starke KI-Modelle sind von daher nichts anderes als Explikationen der Implementierungsebene von Kognitionen.41 Wenn nun fr den Kognitivisten (qua schwache KI) die Frage nach den Realisierungsformen und Realisierungsbedingungen intentionaler Zustnde fr die Naturalisierbarkeitsbehauptung irrelevant ist, so muss doch die Erklrung ihrer Funktionsweise naturalistischen Kriterien entsprechen. Es ist dabei – analog zu Searles Unterscheidung zwischen starker und schwacher KI – zu unterscheiden zwischen Theorien, welche Aussagen ber die Natur mentaler Zustnde machen, und jenen Beschreibungen, die mentale Zustnde hinsichtlich ihrer psychologisch relevanten Funktion bzw. ihrer kausalen Rolle bei Verhaltensußerungen erklren. Eine psychologische Erklrung der Funktion des Mentalen, etwa im Stile des psychologischen Funktionalismus, ist nicht eo ipso eine Theorie ber die ontologischen Eigenschaften oder die Seinsweise des Mentalen. So weist auch N. Block in seiner klassischen Kritik des Funktionalismus darauf hin, dass der Funktionalismus als „ontologische Lehre [darber], was mentale Zustnde sind“ von der „Lehre ber die Natur psychologischer Erklrung“ unterschieden werden muss. In Anlehnung an Blocks Unterscheidung ist das allgemeinere Programm des Kognitivismus nur insofern als ,funktionalistisch‘ zu charakterisieren, als „die Methode der Psychologie ,funktionale Analyse‘ [ist] – die Zerlegung mentaler Prozesse in ihre einzelnen Unterprozesse, die hinsichtlich ihrer Funktion, die sie im mentalen Leben des Individuum ausben, individuiert werden“ (Block 1978, 160). Man kann hierbei, wie es der frhe Fodor vorgeschlagen hat (Fodor 1965, 426 ff.), auch von zwei Stufen oder Phasen der Theoriebildung sprechen: In einem ersten Schritt wird von den physikalisch-kausalen Mechanismen abstrahiert, welche jedem funktionalen System zugrunde liegen. Auf dieser Stufe der Theoriebildung werden die System-internen mentalen Prozesse hinsichtlich ihrer psychologischen Funktion bei der Erklrung von Verhaltensußerungen beschrieben, ohne auf die kausale Rolle oder die physikalischen Unterprozesse dieser Funktionen Bezug zu nehmen. (Dies 41 Ein paradigmatisches Beispiel fr ein starkes KI-Programm, das auch Searle anfhrt, ist die von Newell/Simon vertretene Hypothese der physikalischen Symbolsysteme (Newell/Simon 1976, 61). Vgl. etwa ihre Bemerkung: „Die Konstruktion einer Maschine stellt der Natur eine Frage […] und [ihr] Verhalten gibt Hinweise auf eine Antwort.“ (Newell/Simon 1976, 55)
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entspricht in etwa Blocks Charakterisierung der Psychologie als funktionale Analyse.) In einem zweiten Schritt werden dann die zugrunde liegenden physikalischen Mechanismen spezifiziert und die einzelnen Typen psychologischer Funktionen mit den einzelnen Typen physikalischer Unterprozesse kausal korreliert. So gesehen, bestnde eine vollstndige Naturalisierung mentaler Zustnde im bergang von der ersten zur zweiten Phase der kognitivistischen Theoriebildung. In seiner eingehenden Analyse verschiedener Typen reduktiver Erklrungsmodelle innerhalb des Kognitivismus argumentiert auch J. Haugeland zu Recht, dass durchaus nicht jedes Erklrungsmodell, bei dem die Mçglichkeit einer wissenschaftlich respektablen Erklrung von der Zurckfhrung des Explanandums auf eine niederstufigere bzw. fundamentalere, gesetzmßig spezifizierte Ebene abhngig gemacht wird, die selbst unerklrt bleibt, zwangslufig in einer vollstndigen (sprich: physikalistischen) Reduktion mnden muss („complete reduction [all the way to physics]“; Haugeland 1978, 251). Der Kognitivist hat nach Haugeland den – letztlich metaphysischen – Traum einer einheitswissenschaftlichen Reduktion psychologischer Konzepte ausgetrumt. Kognitivistische Reduktion ist eine hierarchische Korrelation verschiedener funktional spezifizierter Systeme, bei der nicht die Physik die Hierarchie der Systeme festlegt, sondern das jeweilige Erklrungsmodell. Welche Systeme auf welche reduziert und wie diese spezifiziert werden, das heißt, welche Systeme welche funktionale Rolle bei der psychologischen Erklrung spielen, ist relativ zur jeweiligen Heuristik der Erklrung. Entsprechend charakterisiert Haugeland die funktionalistischen Erklrungsmodelle von Kognition als Typen systematischer Reduktion („systematic reduction“) (Haugeland 1978, 249 ff.). Systematisch-reduktive Erklrungen unterscheiden sich von nomologisch-reduktiven Erklrungen, bei denen Brckengesetze zwischen den verschiedenen Ebenen vorausgesetzt und nach quantitativen Gleichungen beschrieben werden. Systematische Reduktionen setzen nach Haugeland hingegen keine solchen psychophysischen (oder allgemein: ,meta-funktionalen‘) Brckengesetze voraus und suchen auch nicht nach diesen, wie Haugeland mit einem Seitenhieb auf Fodors Naturalisierungsstrategie vermerkt. Der wesentliche Punkt, auf den Haugeland mit seiner Konzeption systematischer Erklrungen hinauswill, ist, dass dieser spezielle Typ kognitivistischer Reduktion entgegen der Annahme vieler Kritiker weder die Explananda (die kognitiven Zustnde) noch das Explanans (die funktionale Beschreibung kognitiver Systeme) zugunsten anderer Entitten und Erklrungen berflssig macht bzw. eliminiert (vgl. Haugeland 1978, 251).
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Trifft Haugelands Charakterisierung des Kognitivismus als ein Typ systematischer Reduktion zu, so sind mit Bezug auf die psychophysische Korrelation drei Regel-Typen zu unterscheiden: 1.) Kompatibilittsregeln hinsichtlich verschiedener Erklrungsmodelle (wie alltagspsychologische, physikalische etc.); 2.) bersetzungsregeln hinsichtlich des Vokabulars, mit dem die jeweiligen Explananda beschrieben werden, und 3.) schließlich Zuordnungsregeln bzw. Brckengesetze, welche wiederum die explanatorische Kompatibilitt und die Adquatheit der bersetzung regeln. Demnach wre die Geltung von Kompatibilittsregeln zwar eine notwendige (wenngleich nicht hinreichende) Bedingung fr prinzipielle bersetzbarkeit und diese wiederum fr die Formulierung von Brckengesetzen bzw. Zuordnungsregeln zwischen psychologischen und physikalischen Erklrungen. Gleichwohl kçnnten sowohl Kompatibilittsregel als auch bersetzungsregel spezifiziert werden, ohne dass man ber nomologisch exakte Zuordnungen bzw. generelle Brckengesetze zwischen psychologischen und physikalischen Erklrungen verfgte.42 Sofern der Kognitivismus eine Kompatibilittsthese bezglich alltagspsychologischer und physikalistischer Erklrungen vertritt bzw. sofern er nur eine Koextensionalitt bezglich der jeweiligen Vokabulare und keine Synonymie einfordert und solange er sich hinsichtlich der Zuordnungsthese nicht festlegt, wren kognitivistische Erklrungsmodelle nicht notwendig reduktiv (bzw. eliminativ) hinsichtlich ihrer Explananda. So weit die Theorie jedenfalls. Nun droht jedoch – pace Haugeland und Fodor – die Demarkationslinie zwischen ontologisch neutralen Beschreibungen der psychologischen Funktion mentaler Eigenschaften und dem Funktionalismus als ontologischer These bezglich der psychophysischen Typen-Identitt freilich berall dort zu verschwimmen, wo es um eine exklusive bzw. beste Beschreibung („unique best description“) der betreffenden psychologischen Systeme geht (Block/Fodor 1972, 84 f.). Das ist der Fall, wenn die Adquatheit der psychologischen Beschreibung an die Bedingung geknpft wird, dass die psychologischen Prdikate, die einem System attribuiert werden, – zumindest prinzipiell – eins zu eins in das Vokabular bersetzbar sein mssen, mit denen nicht-psychologische/physikalische Systeme beschrieben werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die psychologischen Zustnde als Einzelvorkommnisse (tokens) selbst ontologisch spezifiziert, das heißt bestimmten physikalischen Prozessen zugeordnet werden oder 42 In diese Richtung geht bekanntlich auch Davidsons viel kritisierter und wenig berzeugender anomaler Monismus, siehe Davidson 1970.
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nicht, bzw. ob der Funktionalist ontologisch neutral ist bezglich der Implementierung psychologischer Einzelvorkommnisse oder nicht. Denn selbst wenn von Funktionalisten konzediert wird, dass es sich bei der bersetzung des psychologischen in das physikalische Beschreibungsmodell nicht um eine ontologische Reduktion handelt (wie etwa in der TuringMaschinen-Version des Funktionalismus), ist nicht zu sehen, wie diese Korrelation – unter Voraussetzung einer exklusiv besten Beschreibung, welche den physikalisch festgelegten, kausalen Gesetzmßigkeiten entsprechen muss – nicht ipso facto zu einer solchen Reduktion fhren soll. Das heißt, selbst wenn der Funktionalist annimmt, dass die verschiedenen Phasen der Theoriebildung verschiedenen irreduziblen Beschreibungsebenen entsprechen, ist nicht einsichtig, wie unter Annahme des Ideals einer physikalisch adquaten Spezifikation des Verhltnisses zwischen mentalen und nicht-mentalen Zustnden eine reduktive Erklrung vermieden werden soll.43 Das Ideal einer besten Beschreibung vereitelt mithin die Neutralitt des Kognitivisten bezglich der Zuordnungsthese. Die vermeintlich gleichberechtigte Kompatibilitt von Erklrungsmodellen weicht damit einer Hierarchie von Beschreibungsebenen, bei denen die bersetzungsregeln von Zuordnungsregeln ersetzt und diese wiederum von nicht-psychologischen Theorien festgelegt werden. Wenn man, wie etwa der frhe Fodor, einfordert, dass die Ergebnisse der funktionalen Analyse psychologischer Zustnde mit den Ergebnissen des Neurologen vereinbar sein mssen, andernfalls „unakzeptabel“ seien, und eine solche empirische Verifizierbarkeit gar zu einem „Prinzip“ psychologischer Erklrung erhebt, dann ist damit mehr als nur eine „flagrant empirische Annahme“ in das Erklrungsmodell „eingebaut“. „Wenn bereinstimmung mit der neurologischen Wirklichkeit eine Bedingung fr die Adquatheit von Theorien der Phase Eins [d. i. der funktionalen Erklrungsmodelle, T. Sz.] ist“, so ist hier eine genuin reduktive Erklrungsstrategie am Werk (Fodor 1965, 430 f.). Doch selbst wenn der Kognitivist auf das implizit physikalistische Ideal verzichtet und das Kriterium empirischer Verifizierbarkeit fallenlsst, bleibt eine weitere Schwierigkeit, die den Eindruck erhrtet, dass alle klassischen Spielarten des Kognitivismus unweigerlich einer reduktiven Stoßrichtung folgen. Nun ist, wie wir gesehen haben, das zentrale Motiv der funktionalistischen und insbesondere der komputationalistischen Versionen des Kognitivismus, die Frage nach den Realisierungsbedingungen intentionaler 43 Siehe dazu auch die sptere Kritik von Block selbst, Block 1978, 159 – 163.
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Zustnde von der Frage nach der Funktionsweise intentionaler/psychischer Systeme abzukoppeln. Fodor etwa weist nachdrcklich darauf hin, dass „die Beziehung zwischen Funktionsanalyse und mechanistischer Analyse“ bzw. jene „zwischen psychologischen und neurologischen Theorien von allen Spielarten des Reduktionismus unterschieden werden muss“ (Fodor 1965, 431). So sind denn auch dem Kognitivisten zufolge die jeweiligen Beschreibungsmodelle auf der Ebene der Implementierung bzw. Realisierung intentionaler Zustnde fr Behauptungen bezglich der Naturalisierbarkeit dieser Zustnde nicht relevant. Relevant hinsichtlich der Naturalisierung psychischer Systeme ist allenfalls die Funktion und kausale Wirksamkeit intentionaler Zustnde hinsichtlich kognitiver Verhaltensweisen. Kausalerklrungen im Rahmen der kognitiven Psychologie beziehen sich auf die funktionalen Ursachen von Verhaltensußerungen und der Vorhersage des Verhaltens von funktional spezifizierten Systemen und sind nicht mit mechanistischen Kausalerklrungen zu verwechseln, denen es um die Spezifizierung der physiologischen Kausalgesetze von Organismen geht.44 Ebenso wenig ist der Kognitivismus auf den klassischen, d. i. logischen oder psychologischen Behaviorismus festgelegt. Im Gegenteil: Fodor selbst hat bereits in seinem Frhwerk entschieden die Auffassung zurckgewiesen, wonach psychologische Erklrungen auf behavioristische Verhaltenserklrungen reduzierbar seien (vgl. Fodor 1968, 49 – 89). Der klassische Behaviorismus lsst sich in Anlehnung an Fodor durch die These charakterisieren, dass jede psychologische Erklrung eines mentalen Prdikats notwendig (logisch oder konzeptuell) eine Erklrung impliziert, die auf einer Beschreibung beobachtbaren Verhaltens oder einer Verhaltensdisposition basiert (vgl. Fodor 1968, 51). Dementsprechend muss, um einer psychologischen Erklrung zugnglich zu sein, jeder mentale Zustand oder jedes psychische Ereignis sich in einer Verhaltensußerung manifestieren 44 Siehe dazu die Erluterungen bei Fodor 1965, 423 (insbes. Anm. 14) und 427 f. Interessant an Fodors Argumentation ist seine Begrndung des Unterschiedes zwischen den herkçmmlichen, mechanistischen und den psychologischen Kausalerklrungen: „[…] Erklrungen der Phase Eins [sind] genau deshalb keine Kausalerklrungen, weil sie keine Behauptungen ber die den inneren Zustnden zugrunde liegenden Mechanismen machen“ (Ebd., 428) – und nicht etwa deshalb, kçnnte man mit Fodor ergnzen, weil sie keine Informationen lieferten, die man bençtigt, um das „Verhalten [zu bestimmen], das der Organismus hervorbringt“, bzw. um Voraussagen zu machen ber die „Gelegenheiten, zu denen er es hervorbringt“ (Ebd., 427). Genau in diesem Sinne nmlich sind und sollen auch die Erklrungen des psychologischen Funktionalisten kausal relevant sein.
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bzw. eindeutig in ußerungen ber Verhalten bersetzbar oder auf solche reduzierbar sein. Der Behaviorismus begrndete bekanntlich den Rekurs auf Verhaltensdispositionen bzw. aktuelle beobachtbare Verhaltensußerungen bei der Bestimmung mentaler Vorkommnisse mit dem Anspruch, die sogenannte Privatheit intentionaler Zustnde intersubjektiver bzw. çffentlicher Verifizierbarkeit zugnglich zu machen. Fasst man intentionale Zustnde als Dispositionen, die sich in Aussagen ber beobachtbares Verhalten bersetzen lassen mssen, um semantisch evaluierbar oder berhaupt intersubjektiv interpretierbar zu sein, so entgeht man zwar tatschlich den klassischen Einwnden, denen introspektionistische Innenpsychologien45 ausgesetzt waren und sind – um den Preis einer psychologisch inadquaten, oder schlimmer noch, uninformativen Theorie des Mentalen. So macht auch Fodor geltend, dass eine rein behavioristische Verhaltenserklrung nicht die fr das jeweilige Verhalten relevanten mentalen (intentionalen) Zustnde eines Individuums erfassen kann. Eine Verhaltenserklrung sei nmlich nur dann eine psychologisch adquate Erklrung, wenn sie spezifizieren kann, welche intentionalen Zustnde einer Person (qua verhaltensrelevante Wnsche, Motive, Absichten etc.) zu diesem oder jenem Verhalten gefhrt haben. Der bloße Rekurs auf Verhaltensdispositionen sei dabei – ohne Rekurs auf intentional spezifizierte mentale Zustnde – nicht hinreichend, das bestimmte Verhalten einer Person zu erklren. Denn es sei zweifelhaft, dass es irgendwelche logisch oder konzeptuell notwendige Implikationen zwischen (einzelnen) mentalen Prdikaten und (einzelnen) dispositionalen Ausdrcken gebe, die eine behavioristische Verhaltenserklrung mçglich und psychologisch informativ machen wrde. Vielmehr sei es das besondere Merkmal psychologischer Erklrungen, dass sie die Zuschreibung von mentalen Zustnden bei der Erklrung des Verhaltens einer Person typischerweise mittels intentionalem Vokabular vornehmen (d. i. typischerweise mit Rekurs auf propositionale Einstellungen, Absichten etc. des jeweiligen Akteurs), mentalen Prdikaten also, welche nicht selbst wieder verhaltensdispositional spezifiziert werden kçnnen (vgl. Fodor 1968, 70 f.). Dementsprechend impliziert nun – anders als bei klassisch-behavioristischen Beschreibungsmodellen – der Rekurs auf die kausale Rolle mentaler Zustnde bei der Erklrung (kognitiven oder ußerem) Verhal45 Zu den Autoren dieser Tradition (wie Wundt, Klpe, Titchener u. a.) siehe die konzise Darstellung bei Gzeldere 1997, 13 – 15 und ausfhrlicher Kusch 1999, 18 – 77. Siehe dazu auch oben, Kap. II. 2.1.
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tens im Rahmen des Kognitivismus nicht notwendig eine reduktive Erklrung. Der Kognitivismus la Fodor basiert jedoch – und hier kommt die reduktive Stoßrichtung zum Tragen – auf einer bestimmten neobehavioristischen Heuristik,46 wonach der Erfolg der Naturalisierung des Intentionalen von der physikalischen Spezifizierung der kausalen Ursache mentaler Zustnde und ihrer Wirkungen bei der Erklrung kognitiven Verhaltens abhngt. Fodors Bestimmung der funktionalen Analyse psychischer Zustnde illustriert dies treffend: Zu Erklrungen der Phase Eins [d. i. der psychologischen Funktionsanalyse; T. Sz.] gelangt man indirekt dadurch, daß man dem Organismus all die inneren Zustnde zuschreibt, die man zur Erklrung seines Verhaltens-Repertoires bençtigt. Die Charakterisierung dieser Zustnde ist also rein funktional, denn wir wissen ber sie nur, welche Rolle sie in der Erzeugung von Verhalten spielen. (Fodor 1965, 428)
Ein Vierteljahrhundert spter und nach dem offenkundigen methodologischen Versagen einer rein funktionalistischen Analyse mentaler Zustnde formuliert Fodor den Zusammenhang zwischen dem Problem der Konstitution mentaler Zustnde, der Determination ihrer intentionalen Inhalte und die Aussicht auf eine naturalistische intentionale Psychologie erneut im neobehavioristischen Vokabular (vgl. Fodor 1990): Die alternative Version des Funktionalismus, nmlich die Computational Theory of Mind, der Fodor hier ihr Recht zu verschaffen versucht,47 soll eine Taxonomie psychologischer Gesetzmßigkeiten aufstellen, indem sie 1.) generalisierende Erklrungen ber die kausale Interaktion zwischen kognitiven Zustnden und ihren jeweiligen Inhalten liefert, 2.) aus diesen Schlsse bezglich ihrer Konstitutionsbedingungen zieht und 3.) schließlich Aussagen ber den kausalen Zusammenhang zwischen (intentionalen) Glaubenszustnden bzw. Verhaltensdispositionen und Handlungsweisen ableitet. Trotz aller Kritik sowohl an mechanistischen wie auch behavio46 Die treffende Bezeichnung ,Neobehaviorismus‘ nimmt eine prominente Stelle bei G. Strawson (Strawson 1994, xi) ein; der Begriff taucht allerdings schon bei T. Nagel (Nagel 1974, 445) und J. Haugeland (Haugeland 1990, 395 ff.) auf (wobei Haugeland ihn nicht fr Fodor et al. verwendet). Vgl. auch N. Blocks kritischen Verweis auf das belastende behavioristische Erbe des Funktionalismus, Block 1978, 160 f. und Block 1981. Das jngste, expliziteste und systematische Beispiel fr eine (neo)behavioristische Philosophie des Geistes liefert Stout 2006. 47 Fodor ist hier bezglich seiner Ziele unzweideutig – so schreibt er im Vorwort seiner Essaysammlung A Theory of Content, dass deren „major concern [is] finding alternatives to functionalist accounts of mental content“ (Fodor 1990, ix).
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ristischen Erklrungsmodellen, die die Funktion kognitiver Zustnde betreffen, erhlt somit auch bei Fodor ein gewisser behavioristischer Rest ungehinderten Einzug in die neo-funktionalistische bzw. komputationalistische Methodologie. Obwohl also der klassische Funktionalismus als psychologisches Forschungsprogramm – der Psychofunktionalismus – mittlerweile selbst unter seinen einstigen Pionieren kaum mehr Anhnger findet, ist, wie mir scheint, seine grundlegende Methodologie – der Neobehaviorismus – bei zahlreichen Kognitivisten immer noch am Werk. Es ist diese weitverbreitete neobehavioristische Tendenz des Kognitivismus, welche letztlich zur gravierenden Vermengung der empirischen Fragestellung nach den Implementierungsformen und Realisierungsbedingungen intentionaler Zustnde mit der erkenntnistheoretischen Fragestellung nach ihren Konstitutions- und Individuationsbedingungen fhrt. Ein typisches Beispiel dafr liefert auch die Argumentation Searles, die – bei aller berechtigten Kritik an starken KI-Modellen, aber auch am latenten Behaviorismus des Standard-Kognitivismus (vgl. Searle 1992, 8) – vor dieser schwerwiegenden methodologischen Verwirrung keineswegs gefeit ist. Searles Argumentationsgang fr die Irreduzibilitt intentionalbedeutungsvoller Bezugnahme auf formale Komputationen, den er mit dem berhmten Gedankenexperiment des ,Chinesischen Zimmers‘ illustriert, besteht grob aus zwei Schritten: In einem ersten Schritt behauptet Searle, dass die semantischen Merkmale, die fr das Verstehen symbolischer Codes konstitutiv sind, nicht auf formale Symbolmanipulationen reduziert werden kçnnen. Ein rein algorithmisch programmierter Computer kçnnte nach Searle selbst im Falle eines erfolgreichen Bestehens des Turingtests, also selbst bei einer effizienten und aus der Perspektive Dritter durchgngig fehlerfreien Kommunikation mit anderen Systemen bzw. seiner Umwelt, niemals etwa chinesische Schriftzeichen in dem Sinne verstehen, wie ein System bzw. eine Person mit genuin intentionalen Zustnden dies tte. Umgekehrt kçnnte ein natrliches System mit intentionalen Zustnden niemals Chinesisch im eigentlichen Sinne lernen, sofern und solange es nicht die Bedeutung der verwendeten Zeichen versteht. Dieses Teilargument ist zwar intuitiv plausibel (Searle spricht selbst vom „Einwand des gesunden Menschenverstandes gegen die starke KI“, Searle 1992, 61), doch so lange nicht berzeugend, als nicht geklrt ist, was hier mit dem Verhltnis zwischen dem Haben von intentionalen Zustnden und dem Verstehen von Bedeutung gemeint ist. Das zweite Teilargument Searles dient dazu, dieses Verhltnis durch eine naturalistische Erklrung zu explizieren und zugleich die These zu sttzen, dass Computer im Gegensatz zu intentio-
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nalen Systemen keine „wirklichen Meinungen“ (Searle 1980, 236) haben, sondern diese im besten Fall nur erfolgreich simulieren. Tatschlich konterkariert dieses zweite Argument jedoch die intuitive Plausibilitt des ersten. Anstatt sich damit zu begngen, zu sagen, dass der Gehalt genuin intentionaler Zustnde eo ipso bedeutungsvoller Gehalt ist, lautet Searles These: Computer simulieren einfach die falschen Aspekte von Gehirnprozessen, nmlich allein ihre formalen Aspekte. Um Intentionalitt zu haben, muss man aber ein hinreichend komplexes biologisches Gehirn haben, das – ber die formalen Prozesse hinaus – die relevanten kausalen Bedingungen fr das Erfassen von Bedeutung bereitstellt. Die relevanten kausalen Bedingungen sind fr Searle nichts anderes als die „relevanten neurobiologischen Eigenschaften des Gehirns“ (Searle 1980, 239).48 Searle versteht sich also als „biologischer Naturalist“ und hlt zugleich entschieden daran fest, dass (nur) Menschen „intrinsische“ intentionale Zustnde haben (Searle 1992, 96 f.).49 Die Zuschreibung intentionaler Zustnde zu rein algorithmisch arbeitenden Programmen bzw. eine Erklrung ihrer Funktionsweise durch komputationale Input/Output-Operationen ist nach Searle verkehrt. Komputational arbeitende Systeme haben, wenn berhaupt, nur abgeleitete Intentionalitt, abgeleitet nmlich von (menschlichen) Programmierern (mit genuinen, intrinsischen intentionalen Zustnden). Wenn Searle nun aber die kausale Ursache und materiale Basis dieser Zustnde auf der Ebene des „biologischen Wesens“ des Menschen lokalisiert und meint, dass die (psychische) Realitt dieser Zustnde dieselbe (biologische) Realitt widerspiegelt wie Verdauung und Blutkreislauf, dann wird damit eine (mehr oder weniger plausible) nicht-reduktionistische, empirische Hypothese zur Lçsung des ontologischen Leib/Seele-Problems formuliert (Searle 1980, 240 ff.; 1983, 11, 327 ff.; 1992, 13). Doch als Erklrung der epistemischen Funktion der Intentionalitt, d. i. der Konstitution und Vermittlung von Bedeutungen fr Subjekte intentionaler Zustnde, ist eine solche biologistisch-naturalistische These freilich ebenso wenig brauchbar wie die These der starken KI, die Searle angreift.50
48 Vgl. auch die Rekonstruktion des searleschen Arguments mit Blick auf Husserl bei Mensch 1991, 107 ff. 49 Vgl. auch Searle 1997 und 2007. 50 Das gilt brigens auch fr eine andere prominente biologistisch-naturalistische Theorie der Intentionalitt, nmlich R. G. Millikans sogenannte teleofunktionalistische Theorie, wonach der Gehalt eines intentionalen Zustandes durch die evolutionr geprgte, biologische Funktion der jeweiligen Gerichtetheit des inten-
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Schließlich weist Searle selbst nachdrcklich darauf hin, dass Behauptungen ber die Realisierung und Implementierung intentionaler Zustnde, wie sie etwa die starken KI-Modelle aufstellen, letztlich empirisch zu entscheiden sind, was ja nichts ber die relevanten Konstitutionsbedingungen dieser Zustnde aussagt (vgl. Searle 1980, 244). Dass also nicht die „formalen Schatten der Gehirnfunktionen“, sondern allein der tatschliche „kausale Stoff“, aus dem das menschliche Gehirn gemacht ist, die relevante „kausale Kraft“ besitzt, um so etwas wie Intentionalitt „hervorzubringen“ (Searle 1980, 241 ff.), ist eine empirische Hypothese, aus der pace Searle ebenso wenig ber die relevanten Konstitutionsbedingungen oder die epistemologisch relevante Funktion intentionaler Zustnde ableitbar ist wie aus den rein formalen Computermodellen der KI-Forschung.51
tionalen Systems auf seine Umwelt erklrt wird, vgl. Millikan 2002; siehe dazu auch Schrçder 2004, 170 – 180. 51 Eine hnlich motivierte, wenn auch recht unergiebige Kritik von Searles biologischem Naturalismus findet sich auch bei Bennett/Hacker 2003, 443 ff. Siehe auch Haugeland 1990, 387. Zu Searles biologistischem Internalismus, siehe mehr unten Kap. III. 1.1.
2. Kognitivismus und Psychologismus 2.1. Phnomenologische Psychologie und (Anti-)Psychologismus Eine der wesentlichen Triebfedern fr die Entwicklung der phnomenologischen Theorie des Bewusstseins und der Intentionalitt stellte bekanntlich der Anti-Psychologismus dar. Historisch gesehen kann der AntiPsychologismus als die erste elaborierte Gegenbewegung zum psychologischen und erkenntnistheoretischen Naturalismus betrachtet werden.52 Entsprechend lsst sich die gegenwrtige Auseinandersetzung um eine Naturalisierung des Mentalen auch als eine Art neuer PsychologismusStreit lesen.53 Dieser Lesart nach ist der Psychologismus nichts weniger als die erste Ausprgung jener naturalistischen Konzeption des Mentalen, der zufolge die Sphre des Mentalen mit dem Gegenstandsbereich der empirischen Psychologie und den von ihr beschriebenen kausalen Gesetzmßigkeiten identisch ist. Was der Psychologismus mit seinen naturalistischen/kognitivistischen Erben teilt, ist die Annahme, dass sich die gesamte Sphre des Mentalen – inklusive ihrer kognitiven Inhalte, wie logischer oder semantischer Entitten – mit der Sphre des psychologisch-naturwissenschaftlich Evaluierbaren vollstndig deckt. Folglich, so die Annahme weiter, sei jene auf diese reduzierbar oder zumindest durch die Methoden der empirischen Psychologie (qua Naturwissenschaft) adquat zu erklren.54 52 Vgl. Kusch 1995, 1 f. 53 Vgl. etwa Frçhlich 2000. Ein interessanter Hinweis, der diese Lektre zu besttigen scheint, ist auch der Umstand, dass W. v. O. Quine seinen bahnbrechenden Aufsatz „Epistemology Naturalized“ (Quine 1969) ein Jahr zuvor beim 14. Internationalen Kongress fr Philosophie noch mit dem Untertitel „A Case for Psychologism“ versehen hatte, siehe dazu Willard 1989, 288 und Margolis 2003. Gegen diese Lesart siehe G. Soldatis Darstellung der frhen analytischen Philosophie als ein naturalistischer Anti-Psychologismus, dessen Ursprnge in der frhen Phnomenologie liegen – im Gegensatz zum spteren transzendentalphnomenologischen Anti-Psychologismus; siehe Soldati 2000, 313 f. 54 Siehe dazu auch Mohanty 1985a, 9: „Germane to psychologism is a naturalistic interpretation of the mental. The mental as such is not psychological. It becomes the subject matter of psychology as a natural science by being, in that very thematisation, inserted into the causal order of nature.“
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Der Psychologismus, gegen den sich Philosophen um das Fin de Si cle mehr oder weniger erfolgreich zur Wehr setzten, ist also mitnichten eine lngst berwundene Etappe in den Philosophie des Geistes und der Psychologie, die allenfalls fr philosophie- bzw. ideenhistorisch Interessierte von Belang ist. Der Psychologismus ist vielmehr als eine Vorhut des Kognitivismus zu betrachten und der Psychologismus-Streit als der Prototyp des lngst nicht ausgefochtenen Streits um die heuristische Hoheit ber die zutreffenden Beschreibungs- und Erklrungsmodelle des Mentalen.55 Im Folgenden soll dieses weniger rezeptions- oder philosophiehistorisch getreue als vielmehr strategische Narrativ hinsichtlich der spezifischen Reaktion auf den Psychologismus entfaltet werden, die Husserl mit seinen Logischen Untersuchungen geliefert hatte.56 Vor dem Hintergrund einer Bestimmung des (Anti-)Psychologismus als einer wissenschafts- und er55 M. Dummett geht in einer Studie zu Frege und Husserl sogar so weit zu behaupten, dass die Unzulnglichkeiten ihrer jeweiligen anti-psychologistischen Theorien (namentlich das Ungengen zu erklren, worin das Erfassen eines Gedankens besteht, das wiederum einer zu strikten Trennung logischer und psychologischer Konzepte geschuldet ist) berhaupt dafr verantwortlich seien, dass die heutige Philosophie von einer „renewed incursion from psychology, under the banner of ,cognitive science‘“ (Dummett 1991c, 287 f.) bedroht ist – eine Einschtzung, die m. E. allerdings zu weit geht, zumal Husserls schwacher Anti-Psychologismus, wie im Folgenden gezeigt werden soll, eben diesem Problem gebhrend Rechnung trgt. Vgl. dazu Dummetts bedeutungstheoretische (Non-Standard-)Bestimmung des Psychologismus: „[Psychologism is] the thesis that an account of the meanings of words must be given in terms of the mental processes which they arouse in speaker and hearer or which are involved in acquiring a grasp of their sense (or the stronger thesis that these mental processes are what we are referring to when we use the words).“ (Dummett 1978, 88) 56 Entsprechend werde ich im Folgenden auch weitgehend die grundlegenden methodologischen Unterschiede zwischen Husserls frherer, deskriptiv-phnomenologischer Kritik des logischen Psychologismus und seiner spteren transzendental-phnomenologischen Kritik des erkenntnistheoretischen Psychologismus ausblenden. Siehe dazu detailliert Rinofner-Kreidl 2000, 628 – 662. Vgl. dazu auch die Abschnitte in Husserl Sptwerk Formale und transzendentale Logik, in denen Husserl von der „außerordentlichen Erweiterung und zugleich Radikalisierung der Widerlegung des logischen Psychologismus“ und der entsprechenden „Verallgemeinerung der Idee des Psychologismus“ spricht (Hua XVII, § 65). Siehe dazu auch Husserls eigene Darstellung dieses Narrativs in der Krisis (insbes. Hua VI, §§ 61 – 69) – nmlich als seinen „Weg in die Phnomenologische Transzendentalphilosophie“ ausgehend von der Kritik der empiristisch-naturalistischen Psychologie. Fr eine konzise philosophie- und wissenschaftshistorische Einbettung von Husserls Anti-Psychologismus, insbes. vor dem Hintergrund des Neukantianismus, siehe Friedman 2000, 28 f. und 42 ff.
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kenntnistheoretischen These und einer schematischen Darstellung von Husserls anti-psychologistischen Argumenten und ihrer erkenntniskritischen Funktion wird dabei insbesondere zweierlei zu klren sein: zum einen das Verhltnis von Husserls neuer, sogenannter ,reiner‘ oder ,deskriptivphnomenologischer‘ Psychologie zu seinem logischen Anti-Psychologismus; zum anderen das Verhltnis von Husserls Anti-Psychologismus zum intentionalen (Ir-)Realismus bzw. zu kognitivistischen Theorien mentaler Reprsentation. Nun lsst sich, wie so oft bei philosophischen Positionen, auch im Fall des Psychologismus nicht nur keine exakt bestimmte Doktrin, sondern nicht einmal ein fester Korpus, geschweige denn ein Kanon von Texten ausmachen, die uneindeutig als psychologistisch gekennzeichnet werden kçnnten. Fllt der Titel Psychologismus in philosophischen Diskursen oder philosophiehistorischen Darstellungen, wird er blicherweise als ein Verdikt eingesetzt, zur Etikettierung von Lehren, die man – zumindest als Philosoph – tunlichst meiden sollte. Die meist assoziierten Autoren sind dabei jene in der Tradition des englischen Empirismus und im Gefolge von J. St. Mill, insbesondere die frhen deutschen empirischen Psychologen und Physiologen und/oder Philosophen der Psychologie H. Ebbinghaus, F. A. Lange, O. Klpe und C. Stumpf bzw. die Logiker und/oder Psychologen B. Erdmann, Ch. Sigwart, Th. Lipps und W. Wundt. (Die Letztgenannten sind auch die von Husserl in den Prolegomena am hufigsten namentlich kritisierten Autoren.) Die Tradierung und Weiterentwicklung zentraler psychologistischer Theoreme macht aber, wie bereist bemerkt, keineswegs am Ende des klassischen Psychologismus-Streits (gegen Beginn des Ersten Weltkrieges) Halt. Sie finden in evolutionren bzw. naturalistischen Erkenntnistheorien la Quine (Quine 1969) ebenso Widerhall wie in den Strçmungen der kognitiven Psychologie, des eliminativen Materialismus, der Neurophilosophie (wie etwa P. S. Churchland 1986; P. M. Churchland 2007; Roth 1996; Koch/Crick 1999; Sturma 2006), der Neurophnomenologie (Varela 1996; Lutz/Thompson 2003) bzw. in den entsprechenden Bestrebungen, die klassische Phnomenologie zu ,naturalisieren‘ (Petitot et al. 1999)57 und jngst auch der sogenannten experimental philosophy (vgl. 57 Neurophnomenologie bzw. das umfassendere Projekt einer „naturalisierten Phnomenologie“ ist eine Zeitlang in den spten Neunziger- und frhen Nullerjahren relativ viel diskutiert worden, der Optimismus bezglich dieser Forschungsstrategie scheint allerdings mittlerweile weitgehend abgeklungen zu sein – nicht ganz zu Unrecht, wie ich meine. (Die neuesten mir bekannten Beitrge dazu sind Llyod
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Knobe/Nichols 2008).58 Dass schließlich nicht selten selbst die vehementesten Anti-Psychologisten (wie Frege oder Husserl, aber auch etwa Dummett) von ihren Zeitgenossen oder Nachfahren wiederum als psychologistisch etikettiert werden,59 macht freilich eine Bestimmung dessen, was denn eigentlich der Psychologismus sei, nicht einfacher.60 2002; Grush 2006 und Petit 2010). Es handelt sich bei dieser interdisziplinren, kognitionswissenschaftlich orientierten Forschungsstrategie um das Projekt, ein sowohl empirisch-experimentell als auch theoretisch-methodologisch fundiertes Rahmengerst fr die naturwissenschaftliche ,Verwertbarkeit‘ erst-personaler, phnomenal gegebener Bewusstseinsdaten zu entwickeln. So soll gemß der Arbeitshypothese der Neurophnomenologie die klassisch-phnomenologische Deskription mit den experimentellen Ergebnissen der empirischen Neurowissenschaften durch die Heuristik sogenannter ,wechselseitiger Beschrnkungen‘ („reciprocal constraints“) ergnzt werden und die beiden Erklrungsebenen sich derart wechselseitig befruchten (vgl. Varela 1996, 343; Roy/Petitot/Pachoud/Varela 1999, 66 ff.; Van Gelder 1999, 246). Nun liegt diesem Bestreben, die sogenannte ,Erklrungslcke‘ zwischen der neurophysiologischen und der phnomenalen Beschreibungsebene des Bewusstseins durch ein neues wissenschaftliches Regelwerk quasi zu ,fllen‘, ein vom transzendental-phnomenologischen Standpunkt ußerst fragwrdiges Naturalisierungskonzept zugrunde. Es stellt sich nmlich die grundstzliche Frage, was denn genau der zu naturalisierende (methodische) Gegenstand im umfassenden Projekt einer Naturalisierung der Phnomenologie darstellen soll. Denn, wenn es dabei nur darum geht, die apriorischdeskriptive Methodologie der Phnomenologie den Verifikationskriterien naturwissenschaftlicher Forschung zugnglich zu machen, so scheint mir dieses Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt zu sein. Wenn das Projekt aber eine weniger empiristische Stoßrichtung verfolgt, bleibt immer noch die Frage offen, ob eine solche Kooperation zwischen Phnomenologie und phnomenologisch informierter Kognitionswissenschaft nicht Gefahr luft, bestenfalls eine Art zeitgençssische Wiederauflage genau jener deskriptiven Psychologie darzustellen, welche Husserl Zeit seines Lebens zu berwinden trachtete. Fr detaillierte, hnlich motivierte Kritiken an diesem Forschungsprogramm siehe Bayne 2004; Bruzina 2004; Overgaard 2004; Zahavi 2004 und Crowell 2010. 58 M. Kusch spricht in diesem Zusammenhang treffend vom „recent anti-antipsychologism“ (Kusch 1995, 11). 59 So etwa der (zumindest implizite) Vorwurf Dummetts, Husserl sei (mit seiner „Humpty-Dumpty-Auffassung“ von Bedeutung; siehe dazu mehr unten Kap. II. 3.1.) in einen semantischen Psychologismus zurckgefallen, siehe Dummett 1988, insbes. 45 ff. Dieser prominente Vorwurf ist freilich nicht unwiderrufen geblieben, siehe Puhl/Rinofner-Kreidl 1998; Martin 1999; Rinofner-Kreidl 2003, 69 ff. und jngst noch einmal Hopp 2009. 60 Vgl. dazu die detaillierte philosophie- und sozio-historische Darstellung in Kusch 1995. Siehe auch Mohanty 1989a, 1 ff. Als ein reprsentatives Beispiel fr die breite Palette an mçglichen Bestimmungen ist N. Blocks (quasi stipulative) Definition in einem Aufsatz gegen den psychologischen Behaviorismus und fr den
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Auch in Husserls Prolegomena findet sich eine Reihe mehr oder weniger genauer und sich nicht immer ganz deckender Bestimmungen. Im Wesentlichen lassen sich jedoch zwei Kernaspekte des Psychologismus ausmachen, die Husserl kritisch hervorhebt: zum einen die Vermengung von Gegenstandsbereichen und ihrer jeweiligen nomologischen Struktur, nmlich der Domne logisch-idealer Entitten und Gesetze mit den psychischen Entitten und psychologischen Gesetzen der kausal-realen Domne. Zum anderen macht Husserl auf eine dem Psychologismus inhrente explanatorische und/oder konstitutive Reduktion aufmerksam: Es handelt sich um die Reduktion der nomologischen Struktur und der objektiv-konstitutiven Bedingungen von Erkenntnis auf empirisch-reale Denkprozesse und deren Kausalgesetze, welche die Psychologie beschreibt, und/oder die Reduktion auf die faktischen, anthropologischen Konstituenten von Kognition. Die explanatorische bzw. konstitutive Reduktion lsst sich dabei entweder als Folge oder als Ursache der Vermengung der jeweiligen gegenstndlichen und nomologischen Aspekte deuten. Beide Interpretationen werden von Husserl in den Prolegomena jedenfalls nahegelegt, ohne dass hier eine endgltige Entscheidung gefllt werden kçnnte. So identifiziert Husserl den Psychologismus etwa als eine Verwechslung bzw. ein Verkennen der „grundwesentlichen und ewig unberbrckbaren Unterschiede zwischen Idealgesetz und Realgesetz, zwischen normierender Regelung und kausaler Regelung, zwischen logischer und realer Notwendigkeit, zwischen logischem Grund und Realgrund“ (Hua XVIII, 79 f.).61 Wir finden aber auch Stellen, an denen Husserl die Psychologisten weniger der Vermengung der nomologischen Aspekte und der jeweiligen Gegenstandsbereiche zeiht, als vielmehr die psychologistische Reduktion logischidealer Entitten und Gesetze auf ihre empirisch-psychologischen oder (so bestimmten) Psychologismus erwhnenswert: „Let psychologism be the doctrine that whether behavior is intelligent behavior depends on the character of the internal information processing that produces it. More specifically, I mean psychologism to involve the doctrine that two systems could have actual and potential behavior typical of familiar intelligent beings, that the two systems could be exactly alike in their actual and potential behavior, and in their behavioral dispositions and capacities and counterfactual behavioral properties (i. e., what behaviors, behavioral dispositions, and behavioral capacities they would have exhibited had their stimuli differed) – the two systems could be alike in all these ways, yet there could be a difference in the information processing that mediates their stimuli and responses that determines that one is not at all intelligent while the other is fully intelligent.“ (Block 1981, 5) 61 Vgl. auch Hua XVIII, 87, 130 f.
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anthropologischen Konstituenten starkmacht (vgl. Hua XVIII, 80 f., 124 ff.). Die konzeptuelle Grundlage der deskriptiv-phnomenologischen Psychologismus-Kritik bildet jedenfalls die Akt-bezogene Unterscheidung von psychischen Urteilsakten und den in diesen instanziierten logisch-idealen Urteilsinhalten.62 Zu beachten ist, dass Husserl den Begriff ,Urteilsinhalt‘ in den Prolegomena quivok verwendet: An machen Stellen ist vom Urteilsinhalt im Sinne der logisch-nomologischen Struktur, welche die Relation zwischen einzelnen Urteilsakten betrifft und deren richtige Verknpfung regelt, d. i. als logisches Denkgesetz, an anderer Stelle im Sinne des idealen Gehalts von Urteilen die Rede (vgl. u. a. Hua XVIII, 77, 126). Die quivokation ist jedoch keine zufllige oder irrtmliche, sondern hat vielmehr ihre sachliche Berechtigung. Sie ist dem Umstand geschuldet, dass nicht nur (Urteils-)Akte, sondern auch deren Inhalte entweder psychologisch oder logisch gedeutet werden kçnnen und ihnen entsprechend auch eine unterschiedliche nomologische Struktur zugrunde liegt. Zu unterscheiden ist daher nicht nur zwischen (realem) Akt und (idealem) Aktinhalt, sondern auch zwischen der unterschiedlichen nomologischen Struktur, welche relativ zur jeweiligen Beschreibung ist. Husserls Anti-Psychologismus basiert also auf der konzeptuellen Trias von Akten, Aktinhalten und ihren jeweiligen gesetzmßigen Verknpfungen: Auf der einen Seite haben wir die psychischen Akte, die reale Einzelvorkommnisse sind und miteinander in naturgesetzlichen Kausalrelationen stehen, auf der anderen die darin instanziierten idealen Gegenstnde und deren Verbindungen zu idealen Einheiten (Urteilen bzw. Propositionen), welche wiederum durch logisch-ideale Gesetze geregelt werden. Strukturell betrachtet, erfolgt Husserls anti-psychologistische Argumentation entlang zweier Hauptlinien: Die erste Argumentationslinie fokussiert auf die Voraussetzungen des Psychologismus, whrend die zweite Argumentationslinie den Psychologismus zurckweist, indem dessen widersinnige Konsequenzen aufgezeigt werden.63 Innerhalb der ersten Argumentationslinie – also jener, die die Voraussetzungen betrifft – lassen sich wiederum zwei Beweisschritte ausmachen. In einem ersten Schritt legt Husserl dar, inwiefern der Psy62 Vgl. auch Husserls weitere anti-psychologistische Unterscheidung der Richtigkeit/ Rechtmßigkeit des Urteilens und der Wahrheit des Urteils in Hua XVIII, 126. 63 Vgl. auch die alternative Darstellungen der anti-psychologistischen Argumentation der Prolegomena bei Kusch 1995, 41 ff. und Rinofner-Kreidl 2000, 614 ff.
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chologismus auf falschen Voraussetzungen beruht. Dies erfolgt indirekt: Der erste Schritt besteht in einer detaillierten wissenschaftskritischen Klrung des Verhltnisses zwischen theoretischen, normativ-praktischen und deskriptiven Wissenschaften bzw. der grundlegenden Unterscheidung von (psychologischen) Real- und (logischen) Idealwissenschaften (Hua XVIII, §§ 1 – 18).64 In einem zweiten Schritt weist Husserl nach, inwiefern die „gewçhnlichen“ anti-psychologistischen Argumente fr eine Widerlegung der psychologistischen Beweisfhrung unzureichend sind (Hua XVIII, §§ 19 – 20). Was Letztere betrifft, hebt Husserl zwei Standardtypen anti-psychologistischer Argumente hervor: zum einen jene, welche den Unterschied zwischen deskriptiven und normativen Wissenschaften starkmachen, und zum anderen jene, die einen Zirkularittseinwand gegen die psychologistische Fundierung der logisch-normativen Denkgesetzen erheben (vgl. Hua XVIII, § 19). Der Zirkularittseinwand besagt, dass die Psychologie als Wissenschaft die Regeln der Logik bereits voraussetze und diese folglich nicht in jener fundiert werden kçnnte. Husserl entkrftet diesen Einwand mit dem Hinweis, dass er in seiner blichen Formulierung nicht nur fr psychologistische, sondern fr jede wissenschaftliche und wissenschaftslogische Begrndung gelte. Wre der Einwand triftig, msste auch die Logik qua Wissenschaft logische Gesetzmßigkeiten voraussetzen und folglich wre eine nicht-zirkulre Begrndung der Logik und mithin die Logik als Wissenschaft unmçglich. Demgegenber macht Husserl auf eine Doppeldeutigkeit des hier angewandten Voraussetzungsbegriffs aufmerksam, welche vonseiten der Anti-Psychologisten vernachlssigt wrde. So setzte jede Wissenschaft gewisse elementare Regeln der Logik voraus, sofern jede Wissenschaft gemß solcher Regel verfahren muss. Das heißt jedoch nicht, dass die Gltigkeit dieser Regeln als Prmisse in der Begrndung jeder Wissenschaft fungieren msste. Allein in diesem zweiten Sinn von Voraussetzung wrde der Zirkularittseinwand den Psychologismus treffen (vgl. Hua XVIII, 71 f.). Was den anderen Standardeinwand seitens zeitgençssischer AntiPsychologisten betrifft, ist zu beachten, dass Husserl gegenber der blichen Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Aspekten der jeweiligen Disziplinen den Unterschied zwischen deren idealen und realen Gesetzmßigkeiten bzw. jenen zwischen normierender und kausaler Regelung in Anschlag bringt. Husserls grundlegende Demarkation zwi64 Die Begriffe „Real-“ bzw. „Idealwissenschaften“ selbst fhrt Husserl jedoch erst spt, nmlich im § 48 der Prolegomena ein; siehe Hua XVIII, 181.
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schen den (empirisch-)psychologischen Real- und den (rein-)logischen Idealwissenschaften verluft also nicht entlang der deskriptiv/normativUnterscheidung. Diese Unterscheidung findet ihre Anwendung hinsichtlich der Trennung der Logik als praktisch-normative Wissenschaftslehre bzw. als regulative Kunstlehre (d. i. als Lehre von den Vorschriften des richtigen Denkens) und der Psychologie als praktisch-deskriptive Wissenschaft von den empirisch-realen Gesetzen des (richtigen) Denkens. Demgegenber erschçpft sich die reine Logik – gegen deren psychologistische Interpretation Husserl ja in erster Linie antritt – nicht in ihrem normativen Charakter. Vielmehr weist sie „einen von aller Normierung ablçsbaren theoretischen Gehalt“ (Hua XVIII, 59 f.) auf, der als solcher das theoretische Fundament jeder normativen Wissenschaft bildet. Entsprechend ist die reine Logik als allgemeine Wissenschaftslehre sowohl von der praktisch-deskriptiven Psychologie als auch von der praktischnormativen Logik bzw. der regulativen Kunstlehre des wissenschaftlichen Erkennens zu unterscheiden. Das spezifisch wissenschaftstheoretische Ziel von Husserls Psychologismus-Kritik besteht denn auch nicht darin, die deskriptiven von den normativen Disziplinen zu unterscheiden, sondern vielmehr darin, die Normativitt (logischer und psychologischer) Denkgesetze von den nicht-normativen Wahrheiten der reinen Logik abzugrenzen und die jeweiligen Wissenschaften von Ersteren in Letzterem zu fundieren (vgl. Hua XVIII, §§ 11 – 16). Die zweite anti-psychologistische Argumentationslinie der Prolegomena – also jene, die die Konsequenzen des Psychologismus betrifft – bildet nun die eigentliche Widerlegung des Psychologismus. Sie hat die Form einer komplexen, mehrstufigen Reductio ad absurdum. Husserl greift hier den Psychologismus an, indem er insgesamt vier unhaltbare bzw. absurde Konsequenzen des Psychologismus aufweist (Hua XVIII, §§ 21 – 24, §§ 32 – 40): Husserl weist zunchst drei empiristische Konsequenzen zurck und diskutiert anschließend ausfhrlich die allgemein methodologischen, namentlich die skeptisch-relativistischen Folgen des Psychologismus. Die erste empiristische Folge des Psychologismus betrifft die Vagheit psychologischer Gesetze. Die Psychologie als empirische Tatsachenwissenschaft lieferte keine exakten Gesetzmßigkeiten, vielmehr seien ihre gesetzmßigen Generalisierungen wesentlich vage. Diese vagen psychologischen Gesetze sind fr Husserl „Gesetzmßigkeiten der ,Funktionsformen des Bewusstseins‘“ (Hua XVIII, 121). Wenn nun logische Gesetze aus solchen kognitiven Gesetzmßigkeiten abgeleitet werden wrden oder in diesen grndeten, wren logische Gesetze ebenfalls durch Vagheit charakterisiert,
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was jedoch zumindest auf einige von ihnen (wie etwa logische Prinzipien oder syllogistische und mathematische Grundregeln) offensichtlich nicht zutrifft. Zweitens wre, selbst wenn man die Vagheit psychologischer Gesetze leugnen wollte, unbestreitbar, dass die Psychologie als empirische Naturwissenschaft keine apriorische Wissenschaft ist und ihre aus induktiven Verallgemeinerungen gewonnenen Gesetze nicht apodiktisch gelten. Die Gesetze der Psychologie sind weder a priori einsehbar oder begrndbar, noch gelten sie apodiktisch. Wenn der logische Psychologismus gelten wrde, wrden sich analog zur Vagheit psychologischer Gesetze ihre NichtApriorizitt und Nicht-Apodiktizitt auf die logischen Gesetze bertragen. Bestimmte Gesetze der Logik (wie etwa der Satz vom Widerspruch) sind jedoch sowohl a priori einsichtig und a priori begrndet als auch apodiktisch gltig (vgl. Hua XVIII, 73 f.). Husserl geht in diesem Zusammenhang auch auf den mçglichen Gegeneinwand ein, wonach nicht alle Tatsachenaussagen aus induktiven Verallgemeinerungen gewonnen seien bzw. nicht alle empirischen Gesetze eo ipso induktive Gesetze seien. Demnach gebe es Gesetze, die zwar auf Erfahrung beruhen und von denen wir nur durch Reflexion auf die eigenen psychischen Erlebnisse wissen, gleichwohl nicht aus Einzelerfahrungen bzw. singulren psychischen Erlebnissen abgeleitet sind. Logische Gesetze wren ebensolche erfahrungsmßigen Gesetze. „Psychologische Erfahrung“ wrde uns dieser Auffassung zufolge ein nicht-induktives, nicht-inferenzielles, „unmittelbares Bewusstsein der Gesetzlichkeit unseres Geistes“ liefern (Hua XVIII, 85). Husserl pariert diesen Gegeneinwand, indem er zwischen den psychologischen bzw. epistemischen Voraussetzungen, d. i. den genetisch-konstitutiven Bedingungen fr die Erkenntnis gewisser kognitiver Gesetzmßigkeiten, und den logischen Voraussetzungen bzw. korrelativ zwischen psychologischer und logischer Abhngigkeit unterscheidet. Erstere betreffen kausale Dependenzen bzw. zeitliche Sukzession und Koexistenz, whrend logische Voraussetzungen und Dependenzen nicht-kausale und nicht-zeitliche, vielmehr inferenzielle Zusammenhnge zwischen Grnden, Prmissen etc., das heißt Rechtfertigungs- und Begrndungsbeziehungen sind. Zwar setzte die Erkenntnis logischer Gesetze die Existenz gewisser psychischer Erfahrungen und gewisse kausale Naturgesetze bzw. Gesetze der Sukzession und Koexistenz, die zwischen solchen Erfahrungen herrschen, voraus, doch grndet deren Geltung nicht in diesen Gesetzen. Ebenso wenig sei der Wahrheitsgehalt logischer Aussagen kausal von sol-
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chen Erfahrungen oder ihren Gesetzmßigkeiten abhngig (vgl. Hua XVIII, § 24).65 Drittens schließlich bemerkt Husserl, dass psychologische Gesetze nicht nur fr psychische Entitten gelten, sondern auch die Existenz solcher Entitten voraussetzen mssten. Husserl zufolge impliziert nmlich jedes Tatsachengesetz (und psychologische Gesetze sind ja solche) notwendig eine Existenzannahme bezglich der betreffenden Tatsachen. Entsprechend msste, wenn, wie der Psychologist behauptet, logische Gesetze psychologische Gesetze wren, die Logik als Wissenschaft ebenfalls psychische Entitten voraussetzen. Nun ist die Existenz oder Nicht-Existenz psychischer Entitten wiederum eine Tatsache (matter of fact). Aus logischen Gesetzen kçnnen jedoch evidenterweise keine Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden. Ebenso wenig implizieren logische Gesetze die Existenz psychischer Erlebnisse oder sonstiger mentaler bzw. nicht-mentaler Entitten und nicht einmal die Existenz von Urteilsakten oder Aussagen, in denen logische Gesetze tatschlich zur Anwendung kmen (vgl. Hua XVIII, 80 f.). Trifft auch nur einer dieser drei Einwnde zu, so ist erwiesen, dass logische Gesetze weder aus psychologischen abgeleitet oder durch diese begrndet werden (kçnnen) noch identisch mit ihnen sind, und der Psychologismus ist mithin falsch. So weit zu den unvertretbaren empiristischen Konsequenzen des Psychologismus. Nun ist die fr Husserl wohl wichtigste, weil widersinnigste und gleichwohl unvermeidbare Konsequenz der psychologistischen Reduktion der logisch-idealen auf die empirisch-reale Domne eine besondere Form des Skeptizismus. Der Psychologismus fhrt nach Husserl notwendigerweise auf einen „skeptischen Relativismus“ (Hua XVIII, 118 ff.), den er – in scharfer Abgrenzung zu metaphysischen und allgemein subjektivistischen Varianten des Skeptizismus – als einen „logischen oder noetischen Skeptizismus“ kennzeichnet. Der logische bzw. noetische Skeptizist bezweifelt, dass die objektiv-idealen bzw. die sogenannten „noetischen Bedingungen der Mçglichkeit einer Theorie“ wahr sind bzw. als solche berhaupt erkannt werden kçnnen (Hua XVIII, 120 f.). Noe65 Siehe auch Hua XVIII, 67: „Die Aufgabe der Psychologie ist es, den realen Zusammenhang der Bewusstseinsvorgnge untereinander, sowie mit den zugehçrigen psychischen Dispositionen und den korrespondierenden Vorgngen im kçrperlichen Organismus gesetzlich zu erforschen. Gesetz bedeutet hier eine zusammenfassende Formel fr notwendige und ausnahmslose Verknpfung in Koexistenz und Sukzession. Ganz anders geartet ist die Aufgabe der Logik. Nicht nach kausalen Ursprngen und Folgen der intellektuellen Bettigung fragt sie, sondern nach ihrem Wahrheitsgehalt […]“.
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tische Bedingungen sind nach Husserl die subjektiven, jedoch nicht realpsychologisch oder individualistisch gefassten Bedingungen objektiver Erkenntnis. Sie sind also subjektiv und ideal, insofern sie Bedingungen sind, „die in der Form der Subjektivitt berhaupt und in deren Beziehung zur Erkenntnis“ und nicht „im einzelnen Urteilssubjekt oder in den wechselnden Spezies urteilender Wesen (z. B. der menschlichen) wurzeln“ (Hua XVIII, 119). Entscheidend ist nun, dass diese Form des erkenntnistheoretischen Skeptizismus nach Husserl einen sogenannten „spezifischen Relativismus“ impliziert. Der spezifische Relativismus ist ein anthropologischer Speziezismus in Bezug auf Erkenntnis, der zufolge die Erkennbarkeit idealer Entitten und die Geltung logischer Wahrheiten und Gesetze relativ zur psychologischen bzw. psychophysischen Konstitution der Spezies Mensch sind (vgl. Hua XVIII, § 36). Die Relativitt idealer Entitten bzw. der Geltung logischer Wahrheiten und Gesetze – relativ zur Konstitution der menschlichen Spezies und ihrer empirisch-psychologischen Gesetze – wird dabei als eine kausale Abhngigkeit gefasst (vgl. Hua XVIII, 127). Husserl meint nun, dass alle Varianten des Psychologismus notwendig einen (skeptischen) Relativismus zur Folge htten und im Wesentlichen den gleichen reduktiven Fehlschluss begingen. So begingen neben den anthropologisch-speziezistischen Varianten des Psychologismus sowohl die Empiristen als auch die sogenannten „Aprioristen“ den Fehler, logische Gesetze entweder auf empirisch-psychologische oder auf grundlegendere formale Gesetze bzw. auf „,ursprnglichere Formen‘ oder Funktionsweisen“ menschlichen Bewusstseins zurckzufhren (Hua XVII, 130) bzw. „Wahrheit aus dem allgemeinen Menschlichen […], spezieller: die Notwendigkeit der Gesetze aus der Zuflligkeit der Tatsachen herzuleiten“ (Hua XVIII, 131). Der typische Fehler, den alle Varianten des (skeptisch-erkenntnistheoretischen) Relativismus begingen, besteht nach Husserl in einer „Widersinnigkeit“ in der Verwendung des Wahrheits- und Urteilsbegriffs bzw. in einer allgemeinen logisch-begrifflichen Inkonsistenz in der Begrndung ihrer Theorie. So wird zum einen Wahrheit als Wahr-Gelten fr das urteilende Subjekt bzw. fr die Spezies urteilender Wesen verstanden, wobei der Wahrheitswert eines Urteils relativ zur Urteilsinstanz wird und Wahrheit mithin ihre genuin erkenntnistheoretische Funktion, nmlich die Beurteilung von Aussagen, verliert. Zum anderen wird Wahrheit, sofern sie relativistisch auf die faktisch-kontingente Konstitution des Urteilssubjekts bzw. -spezies gegrndet wird und sofern sich aus kontingenten Tatsachen immer nur weitere Tatsachen induzieren lassen, selbst der Charakter des Faktisch-Kontingenten verliehen. Abgesehen von dieser
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begrifflichen Widersinnigkeit htte dieses Ergebnis schließlich auch zur Folge, dass die Geltung der psychologistischen Begrndung von Wahrheit selbst wiederum eine rein kontingente Angelegenheit wre (vgl. Hua XVIII, 124 – 127). In diesem Zusammenhang sind zwei verschiedene anti-psychologistische bzw. anti-relativistische Argumente zu unterscheiden: einerseits das bereits bekannte erkenntnistheoretische Argument, wonach die rein logischen (Ideal-)Gesetze apodiktische Evidenz haben und apriorisch bzw. allgemeingltig sind; andererseits das wissenschaftstheoretische bzw. begrndungslogische Argument, wonach diese Gesetze in der Allgemeinheit jener Begriffe grnden, welche „die Kategorien von Bausteinen darstellen, aus welchen die Wissenschaft als solche, ihrem Begriffe nach, konstituiert ist“. Der Psychologismus macht sich demnach (begrndungs-)logischer Widersinnigkeiten schuldig, indem er logische Idealgesetze auf Begriffe zurckfhrt, die sich auf individuelles Dasein bzw. auf singulre Tatsachen bezieht. Der Sinn logischer Gesetze als Idealgesetze grndet jedoch in Allgemeinbegriffen wie ,Wahrheit‘, ,Satz‘, ,Gegenstand‘, ,Gesetz‘, ,Tatsache‘ etc., die „zum Erbgut aller Wissenschaft gehçren“ (Hua XVIII, 129) und deren Sinn als Allgemeinbegriffe keiner wissenschaftlichen Begrndung – also auch nicht der psychologistischen – widerstreiten darf. Zusammenfassend lsst sich feststellen, dass dem logischen Psychologismus eine Vermengung bzw. Reduktion des Gegenstands- und Geltungsbereichs der Logik und der Psychologie zugrunde liegt. Zu beachten ist dabei, dass der logische Psychologismus (primr) keine ontologische Doktrin, sondern wesentlich eine wissenschafts- cum erkenntnistheoretische These, nmlich eine These ber den deskriptiven und explanatorischen Radius der Psychologie hinsichtlich logisch-semantischer Entitten bzw. der umfassenden Sphre kognitiver Prozesse ist. Wie J. N. Mohanty in diesem Zusammenhang betont, ist eine Doktrin, die alles – also auch Entitten und Prozesse, die nicht zur Menge logisch-semantischer bzw. kognitiver Gegenstndlichkeiten gehçren – auf die subjektive Sphre des Psychologischen zurckfhrt, nicht eo ipso ein Psychologismus. Eine solche Doktrin wre vielmehr als subjektiver Idealismus zu qualifizieren (vgl. Mohanty 1989a, 1 ff.) – oder, mit Husserl, als ein individueller im Gegensatz zu einem spezifischen Relativismus (vgl. Hua XVIII, § 34). Die Frage nach den Grenzen der jeweiligen Gegenstandsbereiche und die entsprechende Frage nach der Reduzierbarkeit der betreffenden Entitten sind auch nicht identisch mit der Frage nach deren ontologischem Status. Entsprechend ist die Auseinandersetzung um den logischen Psychologismus nicht mit der Problemstellung des psychologischen Eliminati-
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vismus oder des intentionalen Realismus bzw. Anti-Realismus gleichzusetzen. Whrend die Auseinandersetzung zwischen Eliminativisten, Instrumentalisten bzw. intentionalen Realisten und Anti-Realisten sich um die Frage zentriert, welcher ontologische Status mentalen/psychischen Entitten, Dispositionen und Prozessen, die fr intentionale Bezugnahme und fr die Konstitution von propositionalen Einstellungen verantwortlich sind, beizumessen ist, ist der Streitpunkt zwischen Psychologisten und Anti-Psychologisten, ob psychische Entitten und Prozesse in irgendeiner erkenntnistheoretisch relevanten Weise fr die Konstitution und Individuation von idealen, semantisch-logischen Entitten (inklusive logischer Wahrheiten) verantwortlich sind. Genauer, die Streitfrage ist, ob sich aus psychologisch-empirischen Gesetzmßigkeiten irgendwelche konstitutiven Struktur- bzw. Individuationsbedingungen (induktiv) fr logische Gesetzmßigkeiten und ideale Entitten ableiten lassen. Der Anti-Psychologismus impliziert also mitnichten eo ipso einen psychologischen Eliminativismus oder einen intentionalen Anti-Realismus. Im Gegenteil, die Besonderheit von Husserls deskriptiv-phnomenologischer Psychologie besteht gerade in der Anerkennung einer bestimmten Form des psychologischen Realismus und der Ablehnung sowohl des logischen Psychologismus als auch einer naturalistischen Reduktion der psychologischen auf die diejenige Sphre, die den Gegenstandsbereich der empirischen Psychologie bildet.
2.2. Starker und schwacher Anti-Psychologismus Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen intentionalen Realisten und Irrealisten bzw. Instrumentalisten und Eliminativisten empfiehlt es sich, zwei verschiedene Typen von Anti-Psychologismus zu unterscheiden, nmlich einen starken und einen schwachen Anti-Psychologismus. Ein starker Anti-Psychologismus ist eine Theorie, die die Existenz genuin psychologischer Tatsachen und Gesetze als solche schlichtweg leugnet und/oder diesen keinerlei explanatorische Funktion hinsichtlich kognitiver Leistungen zuschreibt. Gemß dieser Theorie wre folglich auch die Frage nach der (intentionalen) Beziehung zwischen logisch-idealen Entitten und einem psychologischen Subjekt bzw. das Konzept des psychischen Erfassens dieser Entitten fehl am Platz. Eine schwache Version lehnt demgegenber zwar die Auffassung ab, wonach psychologische Tatsachen und Gesetze in einer erkenntnistheoretisch relevanten Beziehung zu logisch-idealen Gesetzmßigkeiten stnden, leugnet aber nicht
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nur nicht die Existenz solcher Tatsachen und Gesetze, sondern schreibt ihnen vielmehr eine Rolle bei der Erklrung dessen, wie Subjekte kognitiven Zugang zu solchen logische Entitten haben, zu. Gemß dem schwachen Anti-Psychologismus handeln logische Wahrheiten zwar nicht ber psychische Akte und Zustnde von Individuen, gelten unabhngig von diesen und stehen berhaupt in keinem inferenziellen Zusammenhang mit solchen Akten und Zustnden oder bestimmten psychologischen Beziehungsmustern zwischen diesen. Ebenso wenig sind logische Entitten reale „Data der psychologischen Sphre“ (Hua XVII, 162). Gleichwohl sind dieser Auffassung zufolge logisch-semantische Entitten nicht nur gegeben in singulren Akten der Bezugnahme, sondern vielmehr logische Wahrheiten als Wahrheiten bzw. bestimmte logische Zusammenhnge als bestehend oder nicht bestehend nur zu erfassen als Charaktere von Urteilsakten und Glaubenszustnden.66 Husserls deskriptiv-phnomenologischer Psychologie liegt nun, wie mir scheint, genau ein solcher schwacher AntiPsychologismus zugrunde.67 Entsprechend bilden das spezifische Unter66 Vgl. dazu R. Hannas (1993) Unterscheidung zwischen weak und strong anti-psychologisms, welche auf den zwei Mçglichkeiten basiert, den starken logischen Psychologismus zu negieren (die sog. ,interne‘ und ,externe Negation‘). Hannas Konzeption ist der hier vorgeschlagenen Unterscheidung zwar nicht unhnlich, deckt sich allerdings nicht ganz mit ihr. Hanna versteht unter starkem Anti-Psychologismus die These, dass notwendig jede logische Proposition x wesentlich so beschaffen ist, dass es kein psychisches Vorkommnis impliziert, in dem x gedacht wird (d. i. notwendige und wesentliche Unabhngigkeit logischer von psychischen Vorkommnissen), whrend der schwache Anti-Psychologismus die These ist, dass es nicht notwendig ist, dass jede logische Proposition ein psychisches Vorkommnis impliziert, in dem sie gedacht wird. Fr Hanna ist Frege ein typischer Vertreter des starken Anti-Psychologismus, whrend Husserl nicht nur einen schwachen Anti-, sondern auch einen schwachen Psychologismus (d. i. die These, dass es notwendig ist, dass es fr jede logische Proposition x mçglicherweise ein rationales Wesen gibt, das x denkt) vetrete (vgl. Hanna 1993, 257 f.). Der vorliegenden Darstellung – und insbesondere der explanatorischen Rolle des Psychischen hinsichtlich von Kognition – entspricht eher eine Differenzierung, die A. Cussins (1987) vorgeschlagen hat, nmlich jene zwischen „referential“ (starkem) und (schwachem) „cognitive psychologism“, vgl. Cussins 1987, 127 f. 67 In diesem Zusammenhang ist jedoch eine typische (Fehl-)Deutung der frhen Phnomenologie, wie sie u. a. G. Soldati vertritt, zurckzuweisen. Soldati sieht in der frhen Phnomenologie der Logischen Untersuchungen eine Kombination eines psychologischen bzw. psychologistischen und metaphysischen Realismus mit einem nicht-physikalistischen Naturalismus. Dass gemß der deskriptiven Phnomenologie „die Gegenstnde, auf die sich Akte richten, im allgemeinen [nicht] bewusstseinsabhngig sind“ und Bewusstsein natrlichen Phnomenen gegenber in der Tat keine „besondere, grundlegende oder fundierende Rolle spielt“ (vgl. Soldati
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suchungsgebiet der deskriptiven Phnomenologie – wie es mit dem zweiten Band der Logischen Untersuchungen vorliegt – nicht formal-logische Strukturen, sondern vielmehr die Noetik als Lehre von den subjektividealen Strukturbedingungen – den besagten noetischen Bedingungen – logischen Urteilens bzw. den verschiedenen mçglichen intentionalen Akttypen bzw. den propositionalen und thetischen Aktcharakteren.68 Der schwache Anti-Psychologismus der deskriptiven Phnomenologie ist weniger als eine allgemeine Theorie psychischer Phnomene zu verstehen. Er leistet aber auch mehr als eine bloße Widerlegung des Psychologismus. Husserls schwacher Anti-Psychologismus lsst sich vielmehr am ehesten als eine bestimmte Reaktion auf ein Problem fassen, welches D. Willard treffend die Paradoxie des logischen Psychologismus genannt hat (vgl. Willard 1972). Die Paradoxie ergibt sich durch die Annahme zweier prima facie sich direkt entgegengesetzter und gleichermaßen jeweils berzeugender Thesen, nmlich: (PP 1) Die Klasse von (nicht-normativen) Aussagen, die Logiker formulieren, wenn sie ber logische Gesetze theoretisieren – die sogenannten ,logischen Wahrheiten‘ –, referiert in einem fundamentalen Sinn auf psychische Ereignisse, Akte und Zustnde individueller Personen, nmlich genau insofern diese Aussagen auf bestimmte berzeugungen, Behauptungen, Aussagen etc. und auf die verschiedenen Inferenzmuster zwischen diesen anwendbar sind und aus dieser Anwendbarkeit ihre spezifisch kognitive Funktion (fr die betreffenden (rationalen) Individuen) beziehen. (PP 2) Die Geltung, die wir solchen (nicht-normativen) logischen Aussagen zuschreiben, ist unabhngig von ihrer Anwendung durch oder auf Individuen, und die Evidenzen, die fr oder gegen logische Wahrheiten und Gesetze sprechen, werden nicht aus einer (refle1994, 111 ff.), macht diese jedoch pace Soldati keineswegs zu einer naturalistischen oder metaphysisch-realistischen Theorie – zumal diese metaphysische Positionen sind, die durch Husserls „Prinzip der Voraussetzungslosigkeit“ (vgl. Hua XIX/1, 24 ff.), lange vor Einfhrung der transzendental-phnomenologischen Reduktion, von vornherein ausgeschlossen werden mssen. Eine ganz hnliche Interpretation vertritt auch D. Bell, wenn er etwa von Husserls „,transcendental turn‘ away from naturalism“ spricht (Bell 1990, 153; vgl. auch 135, 154 f.). Fr eine Kritik an Soldati vgl. Rinofner-Kreidl 2003, 81 ff. (Anm. 39 u. 40) bzw. an Bell RinofnerKreidl 2000, 531 und McIntyre 1993. Zur Realismus-Debatte siehe ausfhrlich unten, Kap. IV. 68 Zur nheren Bestimmung dieser Aktqualitten und -charaktere siehe unten, Kap. II. 3.2.
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xiven/introspektiven oder nicht-reflexiven/dritt-personalen) Analyse psychischer Ereignisse und Zustnde von Individuen oder psychologischer Gesetze, die deren Verknpfungen regeln, gewonnen. (PP 1) ist eine These, die jeder klassische Psychologist sofort unterschreiben wrde, whrend (PP 2) die Essenz des logischen Anti-Psychologismus ausdrckt.69 Nun sprechen fr beide Annahmen jeweils gute Grnde und beide formulieren zentrale Intuitionen unserer heutigen ,post-psychologistischen‘ Standardauffassung zum Verhltnis der logischen und psychologischen Wissenschaften. Es spricht also viel dafr, beide Annahmen zu akzeptieren, ja mehr noch, die Paradoxie ist eigentlich nur eine scheinbare. Wie also lassen sich die beiden Annahmen unter einen Hut bringen? Wie ist es, mit Willard gesprochen, mçglich, dass Behauptungen ber eine bestimmte Klasse von Gegenstnden ihre Evidenz nicht aus einer Untersuchung genau dieser Klasse von Gegenstnden beziehen (vgl. Willard 1972, 43)? Anders gefragt: Wie kçnnen wir leugnen, dass die Geltung logischer Wahrheiten und Gesetze relativ zu psychischen Einzelvorkommnissen (individuellen Urteilsakten, berzeugungen etc.) ist und dass wir die Evidenzen, die wir fr solche Geltungen haben, aus der Analyse solcher Einzelvorkommnisse beziehen (PP 2), und gleichwohl behaupten, dass sie fr bestimmte (inferenzielle) Regeln zwischen psychisch realisierten Entitten gelten (PP 1) und ihre kognitive Funktion aus diesen beziehen? Die Antwort besteht in der Anerkennung des schwachen und der Ablehnung des starken Anti-Psychologismus. Und das ist genau der Weg, den 69 So weist auch Willard 1972 darauf hin, dass ein klassischer Psychologist des 19. und frhen 20. Jahrhunderts keine ernsthaften Bedenken gehabt htte, (PP 1) zu akzeptieren, whrend die meisten heutigen Logiker nach dem Ausgang des klassischen Psychologismus-Streits genau umgekehrt, eher geneigt wren, (PP 2) anzuerkennen und Bedenken nur bezglich der Geltung von (PP 1) htten. Willard betont auch, dass wir heute – nach der allerorten vertretenen Auffassung, dass logische Aussagen normativ und nicht deskriptiv sind – verkennen, dass die Zuschreibung von Attributen wie ,gltig‘, ,konsistent‘ etc. zu bestimmten logischen Aussagen – innerhalb des logischen Vokabulars – eo ipso keinerlei normative Implikationen hat, sondern lediglich einen bestimmten epistemischen Informationsgehalt ausdrckt, der in Folge positiv oder negativ evaluiert werden kann, vgl. Willard 1972, 43 f. Diese Deutung ist durchaus in Einklang mit Husserls Verwendung der normativ/deskriptiv-Unterscheidung hinsichtlich der logischen bzw. psychologischen Domne, zumal auch nach Husserl (vgl. Hua XVIII, 59 f.), wie wir gesehen haben, die reine Logik nicht erschçpfend durch ihren normativen Charakter bestimmt ist.
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Husserl mit seiner deskriptiven Phnomenologie einschlgt. Man kçnnte auch sagen, dass Husserls berwindung des Psychologismus in einer intentionalistischen Auflçsung der (Prima-facie-)Paradoxie des Psychologismus besteht. Nun ist es, wie auch Willard berzeugend argumentiert, die deskriptiv-phnomenologisch aufgewiesene und intentional spezifizierte Korrelation zwischen der Idealitt logisch-semantischer Entitten und ihrer Exemplifizierung bzw. Instanziierung in konkreten Akten der Bezugnahme, die Husserl erlaubt, die Paradoxie des logischen Psychologismus aufzulçsen (vgl. Willard 1972, 53 f.).70 Der logisch-propositionale bzw. semantische Gehalt, der sich in den intentionalen Akten vereinzelt, ist zwar nach Husserl keineswegs epistemologisch auf diese zu reduzieren. Die Geltung eines logischen Sachverhaltes, ihre Wahrheitsbedingungen bzw. die ideale, intersubjektiv kommunizierbare Bedeutung einer Aussage ist also keineswegs aus einer Analyse der realen psychischen Konstituenten einzelner intentionaler Akte abzulesen. Der referenzielle Aspekt semantischer Entitten und die Evidenzen, die das Fr-wahr-Halten einer Proposition rechtfertigen bzw. vermittels derer die Wahrheitsbedingungen einer bestimmten Aussage verifiziert werden kçnnen, sind jedoch wesentlich an Akte der Bezugnahme und bestimmte (eidetisch-apriorische) Inferenzmuster zwischen einzelnen Akten gebunden und gewinnen nur mit Rcksicht auf diese ihren Sinn als Bedeutungen bzw. Evidenzen. Logischsemantische Vorkommnisse sind also zwar keineswegs identisch mit intentionalen Eigenschaften oder Akt-Vorkommnissen, gleichwohl korrelieren sie, was ihren spezifisch kognitiven und epistemologischen Beitrag fr rationale Sprecher und Denker betrifft, wesentlich und notwendig mit den referenziellen Eigenschaften und epistemischen Qualitten von den intentionalen Akten, in denen sie exemplifiziert werden.71 In diesem Sinne 70 hnlich ußert sich auch Hanna 1993 und spricht dabei von Husserls „middle ground between strong logical psychologism and strong anti-psychologism“ (Hanna 1993, 259). 71 Willard meint sogar, dass Propositionen ihre Individuationsbedingungen (die Eigenschaften, die sie haben, und die Relationen zwischen ihnen), ihre Wahrheitsbedingungen und ihre Wahrheitswerte gleichsam in die Akte, in denen sie exemplifiziert werden, ,einfhren‘: „Propositions, on this view, are not particular acts of thought, but complex referential characters of such acts. These referential qualities also have determinations, among which are truth and falsity and conditions of truth and falsity. […] Somewhat as, since red is a color, a red thing, though no color, is necessarily a colored thing, so, we might say, an act of thought or speech which instances a true proposition, though itself no truth, is nonetheless a true judgement or utterance. […] The proposition, or set of propositions, in-
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kann man als schwacher Anti-Psychologist behaupten, dass bestimmte intentionale Akte (des Denkens, Urteilens etc.) konstitutiv fr logisch-rationale (wahre) Erkenntnis bzw. Einsicht in die Wahrheit von Propositionen ist und gleichzeitig bestreiten, dass sie in irgendeiner Hinsicht konstitutiv fr Wahrheit oder logische Geltung wren.72 Dieser intentionalistischen Transformation der psychologischen Fragestellung entsprechend beschreibt Husserl in einer seiner retrospektiven Darstellungen das Leitmotiv der phnomenologischen Psychologie, quasi das Resultat seines schwachen Anti-Psychologismus, folgendermaßen: [Der] Umstand, daß ideale Gegenstnde uns gegebenenfalls als subjektive Gebilde im bildenden Erleben und Tun entgegentreten, war die Quelle der […] Psychologisierung der idealen Gegenstnde gewesen. […] so bestand hier [die] große und nie ernstlich gesehene und in Angriff genommene Aufgabe: nmlich die, diese eigentmliche Korrelation zwischen idealen Gegenstnden der rein logischen Sphre und subjektiv psychischem Erleben als bildendem Tun zum Forschungsthema zu machen. […] Wie sehen die verborgenen psychischen Erlebnisse aus, die zu den jeweiligen Idealitten in Korrelation stehen und die in der Art von ganz bestimmt zugehçrigen Erzeugungen ablaufen mssen, damit das Subjekt Bewußtsein und evident erkennendes Bewußtsein von diesen Idealitten als Gegenstnden haben kann? Damit ist das eigentliche Thema der „Logischen Untersuchungen“ und in entsprechender Erweiterung der ganzen Phnomenologie bezeichnet. (Hua IX, 26 f.)
Aufgabe der deskriptiv-phnomenologischen Psychologie ist also eine systematische Beschreibung der intentionalen Beziehung zwischen psychisch-realen Akten und logisch-idealen Gegenstndlichkeiten. Damit leistet sie, was Husserl bereits im Vorwort der Prolegomena als die Aufgabe einer „allgemeinen kritischen Reflexion […] ber das Verhltnis zwischen der Subjektivitt des Erkennens und der Objektivitt des Erkenntnisinhaltes“ (Hua XVIII, 7) bestimmt hatte. Die fragliche Beziehung ist, wie bereits bemerkt, eine intentionale Korrelation. Die Korrelation ist zudem als eine epistemische zu kennzeichnen, insofern sie zwischen dem „evident erkennenden Bewusstsein“ und den idealen Erkenntnisgegenstnden besteht. Der Korrelation liegt keine ontologische Hierarchie zugrunde und entsprechend zielt auch ihre Beschreibung nicht auf eine Fundierung der einen Gegenstandssphre in der anderen. Ebenso wenig ist freilich unter der obigen Rede von einem „bildenden Tun“ bzw. Husserls Verweis auf ein „Erzeugen“ idealer Gegenstndlichkeiten in sukzessiv ablaufenden psytroduce its determinations (properties or relations) into the individual acts which intance it.“ (Willard 1972, 53) 72 Vgl. auch Hanna 1993, 265 f.
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chischen Akten eine real-psychologische Verursachung bzw. Produktion zu verstehen. Erzeugen meint hier „Sinnbilden“ (Hua IX, 26) bzw. die Konstitution von (individuierten) gegenstndlichen Sinneinheiten durch die ursprnglich synthetisierende Leistung der Intentionalitt des Bewusstseins.73 Der deskriptiven Phnomenologie liegt aber auch keine psychologische, sondern vielmehr eine epistemologische Fragestellung zugrunde, nmlich die Frage nach den Mçglichkeiten des mentalen/subjektiven Zugangs zu nicht-mentalen/objektiven Entitten. Gemß der deskriptiven Aktphnomenologie ist diese Frage nach der Zugnglichkeit als Frage nach der bewusstseinsmßigen Gegebenheit bzw. der Mçglichkeit des Intendiert-Seins idealer Gegenstndlichkeiten zu verstehen. Die Beantwortung dieser Frage hngt insofern entscheidend vom Ausgang der Psychologismus-Kritik ab, als der Psychologismus, zumindest implizit, die Existenz von und die Zugnglichkeit zu objektiven (d. i. nicht-subjektiven und nicht-mentalen) Entitten leugnet. Wenn also der Psychologismus recht behlt, erbrigt sich nicht nur die Frage, wie es mçglich ist, dass der realpsychische Bestand subjektiver Denkerlebnisse berhaupt einen idealen Gehalt haben kann, sondern auch jene, wie es mçglich ist, dass man in und durch verschiedene subjektive Denkakte (auch mehrerer Individuen) auf ein und dieselbe, sprich objektiv individuierte Entitt Bezug nehmen kann. Kurz: Die Mçglichkeit der deskriptiven Phnomenologie – als einer nichtpsychologischen Wissenschaft psychischer/mentaler Phnomene – steht und fllt mit der Geltung des (schwachen) Anti-Psychologismus.74 Husserls schwacher Anti-Psychologismus ist also nicht insofern schwach, als er keine endgltige berwindung des Psychologismus leistete. Im Gegenteil, nach der hier vorgeschlagenen Interpretation erlaubt es allein der schwache Psychologismus, gleichsam den Versuchungen des Psychologismus zu widerstehen, die sich gerade durch eine allzu strikte Trennung bzw. eine disjunktive Entgegensetzung der logischen und der psychologischen Domne ergeben. Das Ziel einer phnomenologischen Widerlegung 73 Vgl. dazu Hua VI, 237: „[Das entscheidend Neue meiner ,Logischen Untersuchungen‘] liegt keineswegs in ontologischen Untersuchungen […], sondern in den subjektiv gerichteten Untersuchungen […]. Es wird die echte intentionale Synthesis entdeckt an der Synthesis mehrerer Akte zu einem Akte, wonach in einzigartiger Verbindungsweise aus Sinn und anderem Sinn nicht bloß ein Ganzes, ein Verband wird, dessen Teile Sinne sind, sondern ein einziger Sinn, in welchem sie selbst, aber sinnhaft, beschlossen sind. Dabei meldet sich auch schon die Korrelationsproblematik […].“ 74 Siehe dazu auch Kusch 1989, 41 f. und Mohanty 1982, 41.
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des Psychologismus ist demnach nicht, die Sphre des Psychologischen von vornherein und per se aus jeglicher Untersuchung kognitiver und erkenntnistheoretischer Fragestellungen auszuschließen, um sie gleichsam durch die naturalistische Hintertr wiederkehren zu lassen. Vielmehr geht es darum, eine bestimmte empiristische und ontologische Interpretation des Psychologischen zurckzuweisen. Eindrcklich hat darauf J. N. Mohanty hingewiesen: Wie Mohanty wiederholt betont hat, besteht die phnomenologische berwindung des Psychologismus nicht in der Widerlegung der Annahme, wonach psychologische Prozesse berhaupt irgendeinen Anteil an unseren kognitiven und epistemischen Leistungen haben, sondern vielmehr in der Verabschiedung jenes ontologischen Erklrungsrahmens, innerhalb dessen die psychische/mentale Domne als eine Domne privater Einzelvorkommnisse („private particulars“), die miteinander in naturgesetzlichen, kausalen Wechselwirkungen stehen, oder als der exklusive Gegenstandsbereich introspektionistischer und/oder empirischer Psychologie interpretiert wird (vgl. Mohanty 1985a, 9; 1989a, 8 f. und 1989b, 93 f.). Whrend der Psychologismus auf einer bestimmten ontologischen Interpretation beruht, der zufolge der Gehalt psychischer Zustnde und Akte als mentale Partikularitten gedeutet und diese dann auf ihr reales Vorkommen reduziert werden, eliminiert der starke Anti-Psychologismus entweder die epistemische Signifikanz psychischer Phnomene in der Konstitution objektiver Sinngebilde berhaupt oder reduziert – in ihrer logizistischen Variante – diese auf rein propositional zu spezifizierende Entitten. Gemß dem schwachen Anti-Psychologismus ist dabei die Rolle des intentionalen Bewusstseins hervorzuheben, das hier als eine Art Vermittlungsinstanz fungiert. Mit den Worten Mohantys: The content and the act whose content it is are not of the same ontological type. Consciousness precisely is […] the correlation between these two. Psychologism which reduces consciousness to the particular occurrent, and logicism which reduces thinking to thought, both err by denying one member of the correlation. (Mohanty 1989b, 94)
Husserl gelingt also mit der Einfhrung seines neuen Konzepts des intentionalen Bewusstseins bzw. der intentionalen – im Gegensatz zu ihren reellen – Inhalten in der V. Logischen Untersuchung die Explizierung jener spezifisch phnomenologischen Sphre, in der gleichsam die psychologische und die logische Domne koinzidieren. Ihre endgltigen Konturen gewinnen diese Analysen freilich erst mit der Analyse der noetisch-noematischen Korrelation nach Husserls transzendentaler Wende bzw. der ausdrcklichen Problematisierung des sogenannten „transzendentalen
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Psychologismus“ in seiner spteren transzendentalen Logik.75 Der Kerngedanke dieses konstitutiven transzendentalen Parallelismus zwischen psychischen Phnomenen und logisch-idealen Entitten liegt jedoch bereits mit Husserls schwachem Anti-Psychologismus in den Prolegomena und seinen deskriptiv-phnomenologischen Analysen im zweiten Band der Logischen Untersuchungen vor.76 Es ist dabei immer wieder kritisch bemerkt worden, dass die deskriptivphnomenologischen Analysen und Befunde in einer gravierenden methodologischen Diskrepanz, wenn nicht gar in einem glatten Widerspruch zum Anti-Psychologismus und dem damit einhergehenden idealen (Bedeutungs-)Platonismus stnden.77 Demgegenber ist zu betonen, dass die deskriptive Phnomenologie nicht nur keinen Gegensatz, sondern vielmehr eine wesentliche methodologische Ergnzung zum schwachen AntiPsychologismus Husserls bildet. Die deskriptive Phnomenologie, wie sie mit dem zweiten Band der Logischen Untersuchungen vorliegt, stellt demnach den systematischen Gegenpart zur wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Kritik am Psychologismus – welche ja als Prolegomenon zur Begrndung der Logik und Erkenntnistheorie fungieren sollte – dar. Die Psychologismus-Kritik der Prolegomena ist zwar kein phnomenologisches Ziel sui generis, sie ist aber allemal mehr als ein bloßer „ideologische[r] Zusatz der Logischen Untersuchungen“, der „eingefhrt [wird], ohne richtig 75 Siehe Hua XVII, insbes. 17, 160 f., 260 f. und Hua IX, 42 ff.; siehe dazu Mohanty 1982, 41. 76 Eine Abwandlung dieses Gedankens stellt auch Husserls bemerkenswerte These dar, wonach jede transzendental-phnomenologische Aussage ber Subjektivitt bzw. Bewusstsein in entsprechende apriorisch-psychologische Aussagen bersetzbar ist; vgl. Hua IX, 45: „[…] transzendentale Phnomenologie hat das Eigene, daß jeder ihrer Stze sich in einen apriorisch-psychologischen im natrlichen Sinn umwandeln lsst.“ 77 Husserl hat bekanntlich zu diesem Einwand retrospektiv explizit Stellung bezogen, siehe Hua XVII, 180. Siehe auch Husserls scharfe Reaktion auf einen zeitgençssischen, gegenlufigen Einwand seitens M. Palgyi – nmlich den Einwand der logisch-mathematischen Formalisierung des Psychologischen – in seiner PalgyiRezension von 1903, Hua XXII, 152 – 161. Husserl lsst sich hier in seiner polemisierenden Zurckweisung des Einwandes gar zu der etwas irrefhrenden Formulierung verleiten, wonach sein „Kampf gegen den Psychologismus“ in den Logischen Untersuchungen „keineswegs ein Kampf gegen die psychologische Begrndung der logischen Methodologie oder gegen die deskriptiv-psychologische Aufklrung der logischen Begriffe ist, sondern nur ein Kampf gegen eine erkenntnistheoretische Position, welche allerdings auch die Behandlungsweise der Logik ungnstig beeinflusst hat“ (Hua XXII, 154). Eine ausfhrliche Diskussion des (Anti-)Formalismus bei Husserl findet sich in Kusch 1989.
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zu arbeiten“ und auf den man berhaupt „verzichten soll“ (Soldati 1994, 17), wenn man Husserls Theorie mentaler Reprsentation und Bedeutungstheorie verstehen will. Vielmehr dient Husserls PsychologismusKritik dazu, quasi im Vorfeld der eigentlichen deskriptiven Detailanalysen – eben als ein Prolegomenon – den Zusammenhang zwischen der eigentlichen phnomenologischen Domne (reiner) psychischer Erlebnisse bzw. der „Subjektivitt im psychologischen“ mit der „Objektivitt im logischen Sinne“ zu klren – ohne diese psychologistisch zu identifizieren, aber auch ohne hier ein wechselseitig sich ausschließendes Gegensatzpaar anzunehmen (vgl. Hua XVIII, 123, Anm.). Mit anderen Worten: Husserl geht es mit der Kritik an der psychologistischen Fundierung logischer und allgemein wissenschaftlicher Erkenntnis in psychisch-realen Denkerlebnissen darum, die Korrelation zwischen der Individuation intentionaler Denk- und Urteilsakte und ihrer idealen Inhalte bzw. Gegenstnde neu zu konzeptualisieren. Entsprechend ist bei Husserl auch die Rede von den „reformatorischen Zielen der Prolegomena“ (Hua XVIII, 131).78
2.3. Phnomenologischer Anti-Psychologismus und Anti-Kognitivismus Nun lsst sich, wie bereits eingangs bemerkt, die deskriptive Phnomenologie aber nicht nur als eine Antwort auf den zeitgençssischen Psychologismus bzw. die naturalistischen Tendenzen der damaligen Erkenntnisund Bewusstseinstheorie allgemein, sondern auch als eine prononcierte Alternative zu den gegenwrtigen kognitivistischen Modellen mentaler Reprsentation lesen. Exemplarisch lsst sich diese Stoßrichtung von Husserls Auseinandersetzung mit dem logischen Psychologismus in seiner Kritik der evolutionr-biologistischen Lehre vom „Prinzip der Denkçkonomie“ E. Machs und R. Avenarius’ verfolgen.79 Dieser Lehre zufolge soll „die psychologische Natur des signitiv-symbolischen Denkens“ (der Arithmetik und Logik) auf ein mechanisches Hantieren mit „stellvertretenden Operationszeichen“ (Hua XVIII, 202 f.), und zwar gemß eines biologistisch interpretierten „teleologischen Anpassungsprinzips“ (Hua XVIII, 197) reduziert werden. Husserls Ablehnung dieser Theorie im § 55 78 Vgl. auch Hua IX, 40 f. und 47 f. 79 Siehe dazu Hua XVIII, Kap. 9. Vgl. auch den (anti-psychologistischen) AntiNaturalismus Husserls in der Programmschrift Philosophie als strenge Wissenschaft, insbes. Hua XXV, 12 ff.
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der Prolegomena lsst sich aber nicht nur als eine prononcierte Abrechnung mit bestimmten evolutionrtheoretisch-biologistischen Versionen des Kognitivismus80 avant la lettre lesen. Ebenso lehnt Husserl auch die protokomputationale Deutung kognitiver Operationen nach dem Modell einer „Rechenmaschine“ dezidiert ab. So kçnnten die real-naturgesetzlichen Operationen einer mechanisch konstruierten „Denkmaschine“ niemals fr die Konstitution ideal-logischer Denkgesetze verantwortlich sein, geschweige denn das Wissen um die richtige Verwendung solcher Gesetze und Regeln erklren. Husserl bringt hier ein modales Argument vor, das in nuce Searles Argumentation gegen starke KI-Modelle Jahrzehnte vorwegnimmt.81 (Ein Umstand brigens, der von Dreyfus et al. geflissentlich verschwiegen wird.82) Wir fingieren einen Idealmenschen, in dem alles Denken so vonstatten geht, wie es die logischen Gesetze fordern. Natrlich muß die Tatsache, daß es so vonstatten geht, ihren erklrenden Grund haben in gewissen psychologischen Gesetzen […]. Ich frage nun: Wren diese Naturgesetze und jene logischen Gesetze unter den gemachten Umstnden identisch? Die Antwort muß of80 Wie etwa F. Dretskes (1995), P. Jacobs (1999) oder R. G. Millikans (2002) teleofunktionale Theorien mentaler Reprsentation. 81 Siehe oben, Kap. II. 1.3. Vgl. dazu auch E. Holensteins (1988) zutreffende Interpretation, wonach Husserls Konzeption der kognitiven Psychologie u. a. in den betreffenden Passagen der Prolegomena jedoch sehr wohl mit der searleschen These einer ,schwachen Knstlichen Intelligenz‘ vereinbar sei. Demnach wre fr Husserl die Entwicklung eines Computermodells (des Geistes) zumindest ein legitimes „Teilprojekt fr einzelne und keineswegs unwichtige Bereiche der menschlichen Psychologie […], fr jene grundlegenden Bereiche nmlich, in denen automatische Operationen mit Surrogatvorstellungen am Leitfaden rein formaler Eigenschaften statthaben“ (Holenstein 1988, 96). Husserl rumt ja selbst der Idee einer Denkçkonomik einen „m. E. wohlberechtigte[n] und fruchtbare[n]“ (Hua XVIII, 205) heuristischen Status ein, wenn es um die Entwicklung nicht-natrlicher, mechanischer „Denkmaschinerien“ (Hua XVIII, 202; vgl. auch ebd., 208) bzw. um die Entwicklung der „Idee von technischen Methoden menschlicher Erkenntnis“ geht. Holenstein warnt aber zu Recht vor einer globalen kognitivistischen Um- bzw. Fehldeutung der transzendentalen Phnomenologie la Dreyfus (Dreyfus 1982a; Dreyfus 1992, xvii), im Zuge deren die formalen Aspekte der transzendentalen Denk- und Erkenntnisgesetze in naturalistischer Manier als rein formale bzw. komputationale Manipulationen mentaler Reprsentationen missverstanden werden. Vgl. dazu auch McIntyre 1986, 55 und Mnch 1993, 233 f., die eine hnliche Interpretation vertreten und Horst 1996, der ebenfalls eine insgesamt sehr interessante und der hier vertretenen nicht unhnliche Husserl-Interpretation vis-vis Computer-Modellen des Geistes vertritt. 82 Siehe dazu ausfhrlich unten, Kap. III. 2.3.
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fenbar verneinend ausfallen. Kausalgesetze, nach welchen das Denken so ablaufen muß, wie es nach den idealen Normen der Logik gerechtfertigt werden kçnnte, und diese Normen selbst – das ist doch keineswegs dasselbe. […] Das Beispiel der Rechenmaschine macht den Unterschied vçllig klar. Die Anordnung und Verknpfung der hervorspringenden Ziffern wird naturgesetzlich so geregelt, wie es die arithmetischen Stze fr ihre Bedeutungen fordern. Aber niemand wird, um den Gang der Maschine physikalisch zu erklren, statt der mechanischen die arithmetischen Gesetze heranziehen. Die Maschine ist freilich keine denkende, sie versteht sich selbst nicht und die Bedeutung ihrer Leistungen; aber kçnnte nicht unsere Denkmaschine sonst in hnlicher Weise funktionieren, nur daß der reale Gang des einen Denkens durch die in einem anderen Denken hervortretende Einsicht in die logische Gesetzlichkeit allzeit als richtig anerkannt werden mßte? Dieses andere Denken kçnnte ebensogut zu der Leistung derselben wie anderer Denkmaschinen gehçren, aber ideale Bewertung und kausale Erklrung blieben immer noch heterogen. (Hua XVIII, 78 f.)
Vor dem Hintergrund kognitivistischer (und anti-kognitivistischer) Theorien des Mentalen besteht nun einer der zentralen Beitrge der deskriptiven Phnomenologie in der Einsicht, dass die Bedingung fr die mentale Reprsentation eines Gegenstandes in der intentionalen Struktur der Reprsentationsbeziehung selbst und nicht in extra-mentalen bzw. nicht-intentionalen, empirischen Gegebenheiten zu suchen ist. Entsprechend bildet den Fokus der deskriptiv-phnomenologischen Analyse die Analyse der Struktur mentaler Reprsentation als einer dem (intentionalen) Akt der Reprsentation immanenten Struktur. Modern ausgedrckt, stellt Husserls Theorie mentaler Reprsentation den Versuch dar, die Konstitutionsbedingungen der reprsentationalen Beziehung zwischen Mentalem und Nicht-Mentalem in der immanenten Struktur (des Aktes) der mentalen Reprsentation aufzuzeigen – ohne sich jedoch auf eine internalistische Konzeption des Mentalen zu verpflichten.83 Der phnomenologische Befund, dass die Bedingungen fr das Vorliegen einer mentalen Reprsentation weder von irgendwelchen empirischen Eigenschaften der reprsentierten (realen) Gegenstnde noch von der Struktur irgendwelcher supponierter inner-mentalen Reprsentanten abhngen, sondern in der bewusstseinsmßigen cum intentionalen Struktur der Reprsentationsbeziehung selbst beschlossen sind, geht nicht nur mit der Ablehnung des klassischen Phnomenalismus und ihrer reprsentationalistischen Nachfolgetheorien einher.84 Er hat auch unmittelbare Konsequenzen fr die 83 Siehe dazu mehr unten, Kap. III. 2.1.–2.8. 84 Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 3.3.
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Beantwortung der Konstitutions- bzw. der Determinationsfrage der Intentionalitt. Gemß dem deskriptiv-phnomenologischen Ansatz mssen die Individuationsbedingungen idealer Gegenstndlichkeiten – die sogenannten idealen Sinneinheiten – an den Individuationsbedingungen der entsprechenden, synthetisch miteinander verbundenen und einander wechselseitig implizierenden, intentionalen Bewusstseinsakte und deren Konstitutionsbedingungen gleichsam ablesbar sein. Die Individuationsbedingungen eines intentionalen Gegenstandes und die Konstitutionsbedingungen gegenstndlicher Gerichtetheit liegen demnach weder bei den extra-mentalen Eigenschaften von Gegenstnden noch in der inner-mentalen Anordnung mentaler Reprsentanten. Sie sind vielmehr allein mit Rcksicht auf die Konstitution der intentionalen Beziehung auf objektive Sinneinheiten selbst zu bestimmen. Das heißt jedoch – um mçglichen psychologistischen Missverstndnissen vorzubeugen – nicht, dass die Individuationsbedingungen der intentionalen (idealen oder realen) Gegenstnde in irgendeiner Weise (ontologisch, erkenntnistheoretisch etc.) selbst von den Individuationsbedingungen intentionaler Akte, Inhalte oder Zustnde abhingen. Demgegenber lsst sich der Psychologismus als die These charakterisieren, wonach die Individuationsbedingungen idealer Gegenstndlichkeiten von den empirisch zu bestimmenden Individuationsbedingungen psychischer Akte abhngen, auf diese zurckfhrbar sind oder mit alleinigem Rekurs auf diese adquat beschrieben werden kçnnen. Im Rahmen der deskriptiv-phnomenologischen Strukturanalyse intentionaler Akte – der sogenannten ,Aktphnomenologie‘ – lsst sich also die Frage nach der reprsentationalen Funktion mentaler Akte bzw. jene nach der Individuation intentionaler Akte, Aktinhalte und Gegenstnde nicht unabhngig von der Frage nach der Konstitution intentionaler Inhalte und, mehr noch, der Konstitution der intentionalen Beziehung auf Gegenstndlichkeit berhaupt behandeln. Genau darin besteht nun die grundlegende Differenz zwischen der phnomenologischen und den reprsentationalistischen Theorien der Intentionalitt. Fr den frhen Husserl (und, wie wir noch sehen werden, umso eher fr den spteren) gehçren die Individuations- und die Konstitutionsfrage wesentlich zusammen und bilden zusammen die allgemeine erkenntnistheoretische Frage nach der Mçglichkeit gegenstndlicher Erkenntnis. Die erkenntnistheoretische Ausgangsfrage und zugleich Fluchtpunkt der deskriptiv-phnomenologischen Analyse des Bewusstseins, wie sie im zweiten Band der Logischen Untersuchungen entfaltet wird, lautet nun: Wie konstituiert sich ein (idealer) Gegenstandsbereich an Bedeutungen bzw. ein
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objektiver Sinnhorizont in den subjektiven Erfahrungsmodalitten, in denen diese Bedeutungen allein ihre phnomenologische Geltung erlangen. Fr Husserl ist die Frage nach der Konstitution von Sinn (und/oder Bedeutung)85 keine rein bedeutungstheoretische Fragestellung. Der spezifische Gegenstandsbereich der „phnomenologischen Sphre“ (Hua XIX/1, 16) der idealen/nicht-realen Sinngebilde ist weder durch bedeutungstheoretische noch durch formal-logische Analyse, sondern allein durch erkenntnistheoretische Sinnkritik zu gewinnen.86 Diese ist fr Husserl identisch mit der Klrung der intentionalen Struktur der Bewusstseinsakte, in denen sich objektive Sinneinheiten manifestieren bzw. als solche aller erst „realisieren“ (vgl. Hua XIX/1, 8); und eine solche Sinnesklrung ist auch identisch mit der Konstitutionsanalyse der (reellen und intentionalen) Inhalte der Bewusstseinsakte. In einer zentralen Stelle der Einleitung des II. Bandes bringt Husserl dieses erkenntnistheoretische Motiv der deskriptiven Phnomenologie pointiert zum Ausdruck: Die […] Motive der phnomenologischen Analyse hngen […] wesentlich mit denjenigen zusammen, welche aus den allgemeinsten erkenntnistheoretischen Grundfragen entspringen: […] wie es denn zu verstehen sei, daß das „an sich“ der Objektivitt zur „Vorstellung“, ja in der Erkenntnis zur „Erfassung“ komme, also am Ende doch wieder subjektiv werde; was das heißt, der Gegenstand sei „an sich“ und in der Erkenntnis „gegeben“; wie die Idealitt des Allgemeinen als Begriff oder Gesetz in den Fluß der realen psychischen Erlebnisse eingehen und zum Erkenntnisbesitz des Denkenden werden kann; was die erkennende adequatio rei ac intellectus in den verschiedenen Fllen bedeute, je nachdem das erkennende Erfassen ein individuelles oder allgemeines, eine Tatsache oder ein Gesetz betreffe usw. (Hua XIX/1, 12 f.).
Der primre Untersuchungsgegenstand der Aktphnomenologie ist also die immanente Struktur der intentionalen Bewusstseinsakte oder -erlebnisse. Diese – wesentlich reflexive – Analyse, welche die phnomenologische Sphre der „reinen“ (d. i. hier nicht-empirischen) psychischen Erlebnisse zum Gegenstand hat, nennt Husserl auch „immanente Analyse“ 85 Husserl verwendet – im Unterschied zu Frege (1892) – die Begriffe ,Sinn‘ und ,Bedeutung‘ in den Logischen Untersuchungen weitgehend synonym (vgl. Hua XIX/ 1, 58.); siehe dazu Rinofner-Kreidl 2000, 120 und Vandevelde 2008. Im Folgenden werde ich allerdings gemß den Ideen I terminologisch differenzieren (vgl. Hua III/1, 285): Der Terminus ,Bedeutung‘ soll demnach fr den Inhalt von Akten mit (sprachlicher, symbolischer bzw. logischer) Ausdrucksfunktion reserviert werden. Demgegenber soll, sofern von ,Sinn‘ die Rede ist, der Akzent auf dem allgemeinen Horizont der phnomenologischen Konstitutionsanalyse liegen. Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 3.1., II. 3.2., III. 2.2. und III. 2.7. 86 Vgl. auch Hua XXII, 154.
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(Hua XIX/1, 13). Die deskriptiven Befunde dieser immanenten Analyse, nmlich die Darstellung der phnomenologischen Struktur der intentionalen Akte, Zustnde, deren Inhalte und Gegenstnde soll die Grundlage fr jede empirische – im Kontext der Psychologismus-Kritik der Logischen Untersuchungen insbesondere fr jede empirisch-psychologische – Forschung bilden. In diesem Sinn ist also die Psychologismus-Kritik der Logischen Untersuchungen eine konstruktive Kritik. Ihre Aufgabe ist zum einen die erkenntniskritische Klrung bzw. Fundierung der empirischen Psychologie, zum anderen die erkenntnistheoretische „Sicherung und Klrung der Begriffe und Gesetze, die aller Erkenntnis objektive Bedeutung […] verschaffen“ (Hua XIX/1, 7). Husserls Kritik des logischen Psychologismus hat demnach eine doppelte konstruktive Zielsetzung: Einerseits soll sie die empirisch-psychologische (Natur-)Wissenschaft fundieren, indem sie die allgemein-wesensmßigen, d. i. eidetischen, Gesetzesmßigkeiten in den real vorkommenden kognitiven und psychischen Erlebnissen (Vorstellungen, Urteilen, Empfindungen, Zustnden etc.) herausstellt. Andererseits dient sie der erkenntnistheoretischen Grundlegung der formal-logischen Begriffe und der korrelativen Urteilsinhalte und Erkenntnisgesetze. Mohanty charakterisiert in diesem Zusammenhang die deskriptive Phnomenologie treffend als „foundational psychology“ (Mohanty 1985a, 6).87 Relativ zu dieser neuen Wissenschaft von den reinen psychischen Phnomenen sind fr Husserl sowohl die experimentelle, „exakte“ Psychologie als auch die sogenannte „Schreibtisch-Psychologie“, auf die jene noch so sehr „herabsehen mag“, wissenschaftstheoretisch gesehen auf der gleichen Stufe anzusiedeln (vgl. Hua XXV, 18). Was die Phnomenologie von beiden empiristischen/ naturalistischen, inklusive der zeitgençssischen introspektionistischen88 87 Vgl. auch Hua XIX/1, 23: „Also nicht die Psychologie, sondern die Phnomenologie ist das Fundament der rein-logischen (wie aller vernunftkritischen) Aufklrung. Zugleich ist sie, in total anderer Funktion, das notwendige Fundament jeder Psychologie – die sich mit vollem Recht soll streng wissenschaftlich nennen drfen […].“ Siehe auch Hua Mat V, 45 f. 88 Husserl kennzeichnet an dieser und anderer Stelle die eidetisch-phnomenologische auch als „reine“ oder „echte“ „intentionale Innenpsychologie“ und kontrastiert diese mit der „experimentellen und psychophysischen und sonstigen Außenpsychologie“ (Hua IX, 37). Vgl. auch Hua I, § 35. Zur scharfen (und teils auch scharfzngigen) Abgrenzung dieser phnomenologischen Innenpsychologie von den zeitgençssischen introspektionistischen Varianten der experimentellen Psychologie, den sog. „Experimentalisten“, vgl. u. a. Hua V, 38; Hua VI, 250 f.; Hua XXV, 21 ff., 36 und Hua IX, 45. Siehe dazu die Darstellung der verschiedenen Modelle introspektionistischer Selbstbeobachtung der Wrzburger Schule bzw.
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Varianten der Psychologie abhebt, sind insbesondere drei Charakteristika: Die neue, phnomenologische Psychologie ist eine deskriptive, eidetische und apriorische Wissenschaft (vgl. Hua IX, 38 ff., 46 ff.). So spricht Husserl auch von der Beschreibung der intentionalen Bewusstseinskorrelate idealer Gegenstndlichkeiten – d. i. dem spezifischen Untersuchungsgegenstand der „eidetischen Psychologie“ – als der Enthllung einer Art ,psychischen Apriori‘.89 Die andere Stoßrichtung des husserlschen Anti-Psychologismus ist durch genuin erkenntnistheoretische berlegungen zur Begrndung der „objektiven Gltigkeit von Erkenntnis berhaupt“ motiviert. So attestiert Husserl etwa bestimmten naturalistischen Varianten des Psychologismus, wie der obigen Lehre von der Denkçkonomie, eine gewisse, heuristisch beschrnkte, erkenntnispraktische Legitimitt, wenn es sich um die Erklrung der empirisch-evolutionren Genese und Funktion mentaler Reprsentationen, um „das Werden und die Vernderung der Weltvorstellung“ (Hua XVIII, 209), bzw. der „Methodologie wissenschaftlicher Forschung“ handelt (Hua XVIII, 206). Husserl spricht dem Psychologismus jegliche Relevanz ab, wenn es um die erkenntnistheoretische Frage nach der Gltigkeit logischer Gesetze, der Genese objektiver Bedeutungen, den Konstitutionsbedingungen mentaler Reprsentationen qua Reprsentationen objektiver Gegenstnde oder allgemein um „die Mçglichkeit von Wissenschaft und Erkenntnis berhaupt in objektiv-idealer Hinsicht“ geht (Hua XVIII, 209). Die beiden Hauptaufgaben – nmlich die wissenschaftstheoretische Fundierung der Psychologie bzw. der empirischen Einzelwissenschaften als Husserls Einfluss insbes. auf K. Bhler bei Kusch 1999, 18 – 30 bzw. 40 f. Jedenfalls ist noch einmal entschieden vor dem immer noch weitverbreiteten Missverstndnis zu warnen, als wre transzendentale Phnomenologie nur eine Variante jener introspektionistischen Nabelschau, die Dennett pointiert „lone-wolf autophenomenology“ nennt (Dennett 2003, 23). Den Vorwurf des (cartesianischen) Introspektionismus an Husserl erhebt, um auch einen Autor aus der sonst diesbezglich umsichtigeren deutschsprachigen Literatur zu nennen, etwa auch Abel 2004, 248. Fr eine treffende Kritik an der Gleichstellung der phnomenologisch(-eidetischen) Reflexion auf Bewusstseinserlebnisse mit Varianten des Introspektionismus siehe Thomasson 2005. 89 Vgl. Hua IX, 38: „Dem Apriori der reinen Logik und reinen Mathematik selbst […] entspricht korrelativ ein Apriori psychischer Art, nmlich ein Reich unbedingt notwendiger Wahrheiten, die sich auf das mathematische Erleben, das mathematische Vorstellen, Denken, Verknpfen usw. beziehen, nmlich ein mannigfaltiges psychisches Leben eines Subjekts berhaupt, sofern es in reiner Idealitt gedacht werden soll […].“
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Real wissenschaft und die erkenntnistheoretische Begrndung der reinen Logik als Idealwissenschaft – hngen natrlich nicht nur aufs Engste zusammen; sie stellen eigentlich nur unterschiedliche Ausprgungen ein und desselben erkenntniskritischen Projekts, nmlich jenes der Begrndung objektiver Erkenntnis, dar. Die grundlegende Unterscheidung zwischen Real- und Idealwissenschaften, die in den ersten zwei Kapiteln der Prolegomena expliziert wird, stellt einerseits das wissenschaftstheoretische Fundament der Psychologismus-Kritik selbst dar, fungiert andererseits als methodologischer Leitfaden fr die konkreten deskriptiven Analysen im zweiten Band der Logischen Untersuchungen. 90 Umgekehrt bildet die wesentliche Unterscheidung zwischen reellem Erlebnisakt bzw. -inhalt und idealer Bedeutung bzw. intentionalem Gegenstand, welche erst in diesen Analysen gewonnen wird, das deskriptiv-phnomenologische Gegenstck zu den wissenschaftslogischen Differenzierungen in den Prolegomena. Der doppelten konstruktiven Zielsetzung der Psychologismus-Kritik Husserls entspricht nun eine doppelte negative Abgrenzung des Gegenstandsbereichs der deskriptiven Phnomenologie: Einerseits ist dabei die empirische von der reinen Psychologie (wie Husserl ja bekanntlich, fr seine Zeitgenossen irrefhrender Weise, die deskriptive Phnomenologie manchmal auch bezeichnet hatte91) bzw. allgemein die naturwissenschaftliche von der rein phnomenologischen Forschung abzugrenzen; andererseits gilt es aber auch, den Gegenstandsbereich der rein formalen 90 Vgl. u. a. Hua XVIII, §§ 22, 48, 51, 62, 65 ff. bzw. die „Einleitung“ des zweiten Bandes der Logischen Untersuchungen. Siehe auch Husserls rckblickende Selbstdarstellung der Psychologismus-Kritik der Logischen Untersuchungen in der Vorlesung Phnomenologische Psychologie von 1925, Hua IX, 20 – 28. 91 Siehe Hua XIX/1, § 6 der 2. Auflage der Logischen Untersuchungen, wo Husserl auf die Missdeutungen der deskriptiven Psychologie „im natrlichen erfahrungswissenschaftlichen Sinne“ Bezug nimmt. Vgl. dazu auch S. Rinofner-Kreidls Kennzeichnung der Psychologismus-Kritik der Logischen Untersuchungen als eine – in der Tradition der deskriptiven Psychologie F. Brentanos stehende – „reformierte deskriptive Psychologie“ (Rinofner-Kreidl 2000, 611). Rinofner-Kreidls Darstellung betont den – oft missachteten – Unterschied zwischen Husserls Kritik des logischen Psychologismus durch die deskriptive Psychologie der Logischen Untersuchungen und der transzendental-phnomenologischen Kritik jeglicher Form von (reduktiven) Psychologismen (vgl. Rinofner-Kreidl 2000, 611 – 663). Sie weist nicht nur auf den wichtigen „Zusammenhang zwischen dem Sachproblem des Psychologismus (im Bereich der Bedeutungslehre und der Erkenntnistheorie) und den Methodenproblemen der Phnomenologie“ (Rinofner-Kreidl 2000, 611) hin, sondern zeigt damit zugleich die anti-reduktionistische Naturalismuskritik der ,erweiterten‘ Fassung des Psychologismus-Problems in der transzendentalen Phnomenologie auf. Siehe dazu auch Kusch 1995, 2 ff.
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Logik bzw. allgemein die Wissenschaften der „reinen Mathesis“ von jenen der „formalen Erkenntnistheorie“ (Hua XIX/1, 27) abzuheben. Mit Bezug auf diese doppelte Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes stellt die Bestimmung der phnomenologischen Erkenntniskritik als eine nichtdeduktive „Theorie der Theorie“ (Hua XIX/1, 27) das Spezifische der deskriptiven Methodologie der frhen Phnomenologie Husserls dar. Das Spezifische der deskriptiven „Phnomenologie der Erkenntnis“, die in den Logischen Untersuchungen (und vornehmlich in der VI. Untersuchung) entwickelt wird, besteht also in ihrer Abgrenzung zu den theoretischen Voraussetzungen, wie sie in den Naturwissenschaften einerseits und den apriorischen Wissenschaften andererseits getroffen werden. Diese metatheoretische Einschrnkung sowohl der Methodologie als auch des Untersuchungsgegenstandes der deskriptiven Phnomenologie ist im sogenannten „Prinzip der Voraussetzungslosigkeit“ programmatisch formuliert (Hua XIX/1, § 7). Dieses Leitprinzip der – metaphysischen, naturwissenschaftlichen und psychologischen – Voraussetzungslosigkeit der phnomenologischen Erkenntnistheorie darf jedoch nicht in einem cartesianischen Sinn missverstanden werden, so als wre es Husserls Anliegen, eine Art archimedischen, metatheoretischen oder beschreibungsneutralen Punkt aufzuzeigen, von dem aus eine Deduktion reiner Erkenntnis mçglich wre. (So ist brigens auch der Evidenz-Begriff der Logischen Untersuchungen selbst nicht begrndet bzw. begrndbar, sondern Ergebnis des reflexiven Aufweisens der deskriptiven Aktanalyse.92) Methodologisch gesehen, ist Husserls frhe Erkenntniskritik als eine nicht-deduktive Theorie der Erkenntnis keine erklrende, sondern eine wesensmßig aufklrende oder beschreibende Analyse.93 In diesem Sinne ist es eigentlich missverstndlich, berhaupt von einer Erkenntnistheorie zu sprechen.94 Die aktanalytische Phnomenologie der Erkenntnis, wie sie in 92 Der Versuch einer genuin erkenntnistheoretischen (wenn auch wiederum nichtdeduktiven) Begrndung des Evidenzbegriffs wird erst mit der transzendentalen Wende der Phnomenologie Husserls, nmlich durch die Einfhrung der phnomenologischen Reduktion um 1907 in der Vorlesung Die Idee der Phnomenologie unternommen; vgl. Hua II, insbes. die IV. Vorlesung. Siehe dazu mehr auch unten, Kap. II. 3.2. und IV. 6. 93 Vgl. Hua XIX/1, 27; Hua XIX/2, 729. 94 Vgl. Hua XIX/1, 26 f.: „Nach unserer Auffassung ist die Erkenntnistheorie, eigentlich gesprochen, gar keine Theorie. Sie ist keine Wissenschaft in dem prgnanten Sinne einer Einheit aus theoretischer Erklrung. […] Die Erkenntnistheorie hat […] in diesem theoretischen Sinne nichts zu erklren, sie baut keine deduktiven Theorien und ordnet nicht unter solche Theorien. […] Sie will nicht
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den Logischen Untersuchungen zum Ausdruck kommt, ist folglich als eine deskriptive Reflexion auf den Gegenstandsbereich der subjektiven psychischen Erlebnisse, in denen sich objektive Erkenntnis realisiert, zu charakterisieren. Die Analyse der Konstitution des objektiven Sinnes von Erkenntnis bzw. von Erfahrung berhaupt ist das gegenstands- bzw. inhaltsbezogene Gegenstck der deskriptiven Aktanalyse und von dieser sachlich nicht zu trennen. Diese Entsprechung von akt-, inhalts- und gegenstandsbezogener Analyse, welche in der noetisch-noematischen Korrelationsanalyse der Ideen I ihren vollen Sinn entfaltet,95 im Wesentlichen jedoch bereits mit der deskriptiven Aktphnomenologie der Logischen Untersuchungen vorliegt, bildet den methodologischen Kern der husserlschen Intentionalittstheorie. Die Korrelationsanalyse von intentionalem Akt, objektivem Sinn und intentionalem Gegenstand ist es auch, die sozusagen eine saubere methodologische Trennung der (aktorientierten) Konstitutions- von der (inhalts- bzw. gegenstandsorientierten) Determinationsproblematik bezglich einer Theorie mentaler Reprsentation von vornherein unterminiert. Dass fr Husserl das erkenntnistheoretische Grundproblem der Konstitution der Beziehung zwischen Bewusstsein und Gegenstand nicht ber die Frage nach der Determination der Inhalte mentaler Reprsentationen bzw. der Individuation von Bedeutung in referenziellen Akten geklrt werden kann, wird nun nicht zuletzt anhand von Husserls Theorie der Bedeutung (im engeren Sinn) verstndlich.
die Erkenntnis, das faktische Ereignis in der objektiven Natur, in psychologischem oder psychophysischem Sinn erklren […], sondern den idealen Sinn der spezifischen Zusammenhnge, in welchen sich die Objektivitt der Erkenntnis dokumentiert, verstehen.“ 95 Siehe dazu ausfhrlich unten, Kap. III. 2.2.–2.4.
3. Intentionalitt und Propositionalitt 3.1. Bedeutungen, propositionale Einstellungen und der Propositionalismus Bedeutungen sind gemß der deskriptiven cum anti-psychologistischen Aktphnomenologie als ideale Momente bzw. Charaktere psychischer Erlebnisse bestimmt. Bedeutungen werden nicht nur in diesen psychischen Erlebnissen realisiert, sondern haben auch in ihnen ihren Ursprung. Husserls Rede vom „Ursprung der Gattung der Bedeutung“ in der „Gattung psychischer Erlebnisse“ in der Einleitung der V. Logischen Untersuchung (Hua XIX/1, 352 f.) legt auf den ersten Blick einen Rckfall in den logischen bzw. semantischen Psychologismus nahe. Dieser Eindruck erweist sich jedoch aus mehreren Grnden als falsch. Denn nicht nur bleibt innerhalb der allgemeinen phnomenologischen Sphre der Sinnkonstitution die grundlegende Unterscheidung der Prolegomena zwischen der subjektiv-psychologischen Erkenntnissphre der empirischen und der objektiv-idealen Erkenntnissphre der apriorischen Wissenschaften durchwegs aufrecht. Diese im Wesentlichen erkenntniskritische Unterscheidung hinsichtlich der jeweiligen Untersuchungsgebiete gewinnt vielmehr berhaupt erst mit den weiteren Differenzierungen hinsichtlich der jeweiligen Untersuchungsgegenstnde von (psychischem) Bedeutungsakt und (logischer) Bedeutung ihren erkenntnistheoretischen Sinn. Anders ausgedrckt: In der V. Logischen Untersuchung fhrt Husserl jene konkreten, auf den Aktinhalt bezogenen Analysen innerhalb der die Bedeutungsintentionen selbst noch umfassenden Sphre psychischer Erlebnisse durch, welche nicht nur der Unterscheidung zwischen der real-empirischen und der phnomenologischen Entitt des Bedeutungsaktes bzw. der idealen Entitt der Bedeutung ihren vollen Sinn verleihen, sondern berhaupt erst eine Unterscheidung zwischen dem phnomenologischdeskriptiven und dem intentionalen Gehalt von Erlebnissen gestatten. Entgegen psychologistischen Missdeutungen ist also die Rede vom Ursprung der Bedeutung in den Akten des Bedeutens zunchst als eine funktionale Kennzeichnung der Bedeutungskonstitution zu verstehen. In konstitutionstheoretischer Hinsicht sind intentionale Akte als (subjektive) Erlebnisse des Bedeutens zu fassen, whrend der (objektive) Inhalt dieser
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Erlebnisse die darin realisierte Bedeutung ist. Dementsprechend ist mit Bezug auf die besondere Akt-Klasse der Bedeutungsintentionen von „bedeutungverleihenden Akten“ zu sprechen (Hua XIX/1, 44), deren allgemeine Charakteristik es ist, sich mittels (zeichenhafter bzw. symbolischsignitiver) Ausdrcke auf Gegenstnde zu beziehen. Indem sich bedeutungverleihende Akte auf Gegenstnde beziehen, realisiert sich die Bedeutung Letzterer. Bedeutungen sind keine realen Eigenschaften von Gegenstnden, sondern funktionale Eigenschaften von Akten. Die Funktion der Intentionalitt bedeutungverleihender Akte ist nichts anderes als die allgemeine Funktion der Objektivierung.96 Diese besteht darin, einen (singulren, komplexen oder propositionalen) Gegenstand als solchen zu prsentieren, semantisch gesprochen: begrifflich zu fassen. Husserl nennt daher bedeutungverleihende Akte mit Bezug auf diese allgemeine Funktion intentionaler Akte auch „objektivierende Akte“ (Hua XIX/1, 498).97 Doch wie lsst sich der objektivierende Charakter intentionaler Akte erklren? Anders gefragt: Ist die konstitutive referenzielle Eigenschaft intentionaler Akte, nmlich ihre Funktion, auf etwas gerichtet zu sein (und dieses Etwas bewusstseinsmßig zu prsentieren oder begrifflich zu konzeptualisieren), berhaupt nher zu spezifizieren – und wenn ja, mit Rekurs auf welche Eigenschaft(en) oder Relation(en)? Einer unter Naturalisten unterschiedlichster Couleur weitverbreiteten (genuin sprachanalytischen) Ansicht zufolge lsst sich der objektivierende Charakter intentionaler Bezugnahme nur mit Rekurs auf die logischsemantisch formalisierbaren Eigenschaften propositionaler Einstellungen sinnvoll erklren.98 Zuweilen, wenn auch selten, findet sich diese Ansicht 96 Vgl. auch Gurwitsch 1940, 138. 97 Vgl. auch Hua XIX/2, 539, 542. Fr eine genauere Bestimmung des Konzepts ,objektivierender Akte‘ siehe weiter unten, Kap. II. 3.3. 98 Reprsentative Besipiele fr diese (im Grunde die gesamte analytische Beschftigung mit Intentionalitt dominierende) Auffassung sind neben den Arbeiten von Fodor: Stalnaker 1984, 1 ff.; Field 1994; Perry 1994; Warfield/Stich 1994; Stoljar 1996; Braddon-Mitchell/Jackson 2007, 185 ff. u. a. Siehe dazu auch Lyons 1995, Kap. 8. Eine alternative systematische Version der Propositionalismus-These vertritt Barz 2004: Er lehnt zwar eine der zentralen Thesen des Standard-Propositionalismus ab, wonach Intentionalitt darin bestehe, dass Subjekte in einer Relation zu einer Proposition stehen, hlt aber an der Auffassung fest, dass eine Theorie der Intentionalitt nichts anderes als die logisch-sematische (intensionale) Eigenheit von propositionalen Einstellungsberichten zu beschreiben habe; vgl. insbes. Barz 2004, 11 f. und 286 ff. (Siehe dazu auch oben, Kap. I. 5.) Eine genuin sprachanlytische, wittgensteinianische (der frhe und spte), nicht explizit pro-
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explizit ausformuliert und wird dann als Propositionale-Einstellungs-These oder auch schlicht als als Propositionalismus bezeichnet. Demnach beziehen sich alle mentalen Zustnde, die Intentionalitt aufweisen, entweder selbst auf Propositionen oder auf Entitten, die eine propositionale Struktur haben. Oft wird diese These reduktiv verstanden, d. h. als These, wonach das spezifisch Intentionale von intentionalen Zustnden durch das Propositionale von propositionalen Einstellungen restlos erklrt werden kann oder die Individuations- und Wahrheitsbedingungen intentionaler Zustnde auf denen propositionaler Einstellungen supervenieren. Erstaunlich ist jedenfalls, dass der Propositionalismus von den meisten analytischen Autoren, die ber Intentionalitt schreiben, einfach fr bare Mnze genommen wird, ohne ihn genauer unter die Lupe zu nehmen, wiewohl sich diese These bei einer genaueren Betrachtung fr zahlreiche paradigmatische intentionale Zustnde (wie ,denken an etwas‘, ,etwas begehren‘ etc.) als vçllig inadquat und unplausibel entpuppt.99 Unter einer Proposition wird, wie wir gesehen haben, blicherweise ein objektiver Zustand oder Sachverhalt verstanden, der mit einem Dass-Satz ausgedrckt wird (oder nach gewissen semantisch-syntaktischen Transformationsregeln potenziell ausgedrckt werden kann). Propositionen sind genau diejenigen Entitten, die die Trger von Wahrheitswerten und das heißt wahrheitsfunktional evaluierbar sind. Propositionen im Sinne der Propositionalismus-These bezglich intentionaler Zustnde sind keine real-existierenden Gegenstnde oder Sachverhalte in der Welt, sondern Inhalte von berzeugungen, Glaubenseinstellungen etc. ber die Welt.100 Es ist dabei entscheidend, zwischen Propositionen als intrinsischen Trgern von Wahrheitswerten und dem propositionalen Inhalt von Beschreibungen von intentionalen Zustnden (qua propositionalen Einstellungen), die als wahr oder falsch evaluiert werden kçnnen, zu unterscheiden.101 Diese Unterscheidung erlaubt auch eine schwchere – nicht-reduktive – Forpositionalistische, aber ganz im Geist des Propositionalismus verfasste Diskussion von Intentionalitt findet sich auch bei Hacker 2001. 99 Siehe dazu die bemerkenswerten Ausnahmen Crane 2001 (insbes. 112 – 121) und Montague 2007, die sich nicht nur diese Mhe machen, sondern auch jeweils berzeugende Kritik am Propositionalismus ben. 100 Fr konzise Darstellungen der verschiedenen typischerweise angefhrten Aspekte von Propositionen siehe Willard 1972, 48, und Bealer 1998, 1. 101 Eine weitere wichtige Unterscheidung diesbezglich betrifft den propositionalen Gehalt von intentionalen Zustnden (qua propositionalen Einstellungen), die Trger von intentionalen Erfllungsbedingungen sind; siehe dazu unten, Kap. III. 2.5.
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mulierung der Propositionalismus-These. Demnach sind die Individuations- und Wahrheitsbedingungen von (irreduzibel) intentionalen Zustnden zwar nicht identisch mit jenen propositionaler Einstellungen, aber sowohl die Individuations- als auch die Wahrheitsbedingungen von intentionalen Zustnden lassen sich nur mit Rcksicht auf die propositionale Struktur von Stzen, die intentionale Zustnde beschreiben, angeben bzw. wahrheitsfunktional evaluieren.102 Intentionalitt wird hierbei also als ein semantisches Merkmal von Stzen verstanden. Die allgemeine propositionale Struktur von Stzen, die intentionale Zustnde beschreiben, lsst sich folgendermaßen genauer angeben: Solche Stze bestehen aus einem Subjekt S, einem (psychologischen/intentionalen) Verb v fr eine berzeugung, Glaubenseinstellung, Wunsch etc. von S, gefolgt von einem Dass-Satz, welcher entweder die Form ,dass p‘ oder die Form ,(dass) x (hat) ist F‘ hat, wobei x ein singulrer (intentionaler) Gegenstand und F ein Prdikat ist, das fr irgendwelche Eigenschaften von x steht. Die paradigmatische propositionale Struktur eines intentionalen Zustandes hat demnach entweder die Form ,S v-t, dass p‘ (etwa: ,Peter glaubt, dass es schneit‘) oder ,S v-t, (dass) x (hat/ist) F‘ (etwa: ,Peter liebt, dass Paula schçn ist‘/,Peter liebt die schçne Paula‘, wobei letzterer Satz eigentlich eine Ellipse fr die propositionale Einstellung ist: ,Peter liebt (dass es) die Eigenschaft Schçnheit (gibt), die Paula hat‘).103 Was sind nun genauer propositionale Einstellungen? Eine propositionale Einstellung liegt in einer intra-mentalen oder ausdrcklich realisierten (sprachlichen) Bezugnahme auf eine Proposition vor. Zu beachten ist dabei, dass das Konzept propositionaler Einstellungen nicht notwendig impliziert, dass man solche Einstellungen nur dann haben kann, wenn die entsprechende Proposition tatschlich in einem propositionalen (Urteils-) Akt ausgedrckt wird. Der objektive Gehalt einer propositionalen Einstellung – ihr propositionaler Gehalt – kann auch als Urteilsinhalt charakterisiert werden. Propositionale Einstellungen implizieren jedenfalls nicht eo ipso einen Urteilsakt, in dem der betreffende Urteilsinhalt (die Proposition) ausgedrckt wird. Sofern keine propositionalen Akte aktuell vollzogen werden, ist von Dispositionen bzw. dispositionalen berzeugungen, Meinungen etc. zu sprechen. Wesentlich fr die Konstruktion propositionaler Einstellungen ist jedoch, dass die betreffende Proposition 102 Siehe dazu (kritisch) Crane 2001, 113. 103 Fr eine detailliertere, ausgezeichnete Darstellung der (von Propositionalisten unterstellten) propositionalen Stuktur intentionaler Zustnde, siehe Montague 2007.
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prinzipiell in einem Urteilsakt expliziert, und das heißt, sprachlich (oder logisch) als der objektive Inhalt eines Urteils ausgedrckt und wahrheitsfunktional evaluiert werden kann. In Bezug auf den Einstellungsaspekt sind nun, wie wir gesehen haben, propositionale Einstellungen als subjektive Aktmodalitten (wie Absichten, berzeugungen oder Wnsche) zu charakterisieren, die sich auf einen (objektiven) propositionalen Gehalt beziehen. Entsprechend diesen Modalisierungen werden die betreffenden Propositionen jeweils unterschiedlich prsentiert bzw. aufgefasst, wobei der jeweilige, so-und-so aufgefasste propositionale Gehalt der Einstellung unter Umstnden wiederum Einfluss auf andere propositionale Einstellungen oder auch auf das Verhalten des Subjekts dieser Einstellungen haben wird. So ist normalerweise nicht nur meine propositionale Einstellung jeweils eine andere, wenn ich den propositionalen Akt (1) ,ich glaube, dass es regnet‘ oder (2) ,ich weiß, dass es regnet‘ oder auch (3) ,ich glaube/weiß, dass die Sonne nicht scheint‘ vollziehe. Denn nicht nur ist in den Fllen (1) und (2) der Grad meiner berzeugung ein anderer, auch kann der mit unterschiedlichem epistemischem Grad prsentierte (extensional identische) propositionale Gehalt (,es regnet‘) meiner Einstellung unterschiedliche Verhaltensdispositionen zur Folge haben, ebenso wie der (auch extensional) unterschiedliche propositionale Gehalt in den letzten beiden Fllen (2) und (3) (,es regnet‘ bzw. ,es scheint nicht die Sonne‘): In einem Fall mag der propositionale Gehalt etwa die Absicht hervorrufen, zu Hause zu bleiben, oder auch jenen, einen Regenschirm mitzunehmen, oder den Wunsch, nicht auf zum Strand zu gehen, oder auch die Absicht, sich zu vergewissern, ob es denn regnet oder nicht, ob also die Glaubenseinstellung durch die betreffende Proposition erfllt wird oder nicht. Typischerweise wird nun von Propositionalisten argumentiert, dass intentionale Zustnde ihre ausgezeichnete intentionale Funktion dadurch verliehen bekommen, dass sie einen propositionalen Gehalt haben, auf den sie gerichtet sind. Ausgangspunkt der Argumentation ist die Annahme, dass die Relation, welche zwischen intentionalen Zustnden und ihren Objekten besteht, in zweifacher Weise ausgezeichnet ist: Zum einen wird angenommen, dass intentionale Bewusstseinsakte zwar transitiv sind, dass aber die zweistellige Relation nicht zwischen zwei konkreten oder realen und das heißt rumlich-zeitlich lokalisierbaren Gegenstnden besteht. Abgesehen von der ontologischen Bestimmung der rumlich-zeitlichen Lokalisierbarkeit (oder sonstigen ontologischen Spezifikationen) wird in semantischer Hinsicht unter einem ,konkreten Gegenstand‘ meistens etwas verstanden, das in einem propositionalen Akt die Rolle singulrer Termini
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einnimmt, durch die Einzelgegenstnde bezeichnet werden. Das Charakteristische intentionaler Bezugnahme ist nun, so liest man oft, dass sie eine Relation zwischen einer – je nach der zugrunde liegenden Ontologie unterschiedlich spezifizierten – Entitt x (einem Gegenstand, einer Person, einem Gehirn etc.) und einem propositionalen Sachverhalt impliziert. Man nennt daher Ausdrcke wie ,wnschen‘, ,beabsichtigen‘, ,hoffen‘ etc., welche dieses Charakteristikum aufweisen, oft auch intentionale Termini oder Verben. Umstrittener ist nun, wie es sich mit jenen Relationen verhlt, deren zweites Relationsglied keine Sachverhalte/Propositionen, sondern konkrete Einzelgegenstnde oder individuelle Personen sind, die aber gleichwohl das charakteristische (transitive) Merkmal der Intentionalitt, nmlich auf etwas gerichtet zu sein, aufweisen (wie etwa bei den intentionalen Ausdrcken: etwas/jemanden begehren, sehen, sich an etwas erinnern etc.). Die Frage ist dabei, ob solche nicht-propositionale, gleichwohl intentionale Relationen auf propositionale zurckfhrbar oder wenigstens durch ihren propositionalen Gehalt semantisch rekonstruierbar sind oder nicht. Sollte das nicht der Fall sein, muss man freilich entweder das bestimmende Kriterium der propositionalen Evaluierbarkeit intentionaler Zustnde aufgeben (oder zumindest als nicht hinreichend akzeptieren) oder aber diese Relationen einfach aus der Klasse der intentionalen Relationen ausschließen. Hier kommt das zweite Bestimmungskriterium intentionaler Zustnde ins Spiel. Demnach haben intentionale Relationen, ob propositional oder nicht, einer (oft flschlicherweise Brentanos Konzeption intentionaler Inexistenz zugeschriebenen104) These zufolge, das besondere Merkmal, dass solche Relationen auch bestehen kçnnen, falls das zweite Relationsglied, auf das in einem intentionalen Akt Bezug genommen wird, gar nicht existiert.105 Relationen in der Ontologie der physikalischen Welt, wie wir sie kennen, bestehen ja nur, wenn beide Relationsglieder bestehen. Ich kann auf keinem Stuhl sitzen, den es nicht gibt, ebenso wenig, wie der Eiffelturm sich in Paris befinden kann, falls es Paris gar nicht gibt usw. Demgegenber kann ich sehr wohl etwas begehren, was gar nicht existiert, ebenso wie ich an einen mçglichen Sachverhalt denken kann, der weder aktuell besteht noch jemals bestehen wird. 104 Vgl. Brentano 1874, 124 ff. Siehe dazu mehr oben Kap. I. 4. 105 Wie bereits erwhnt, ist hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass dies zwar ein ausgezeichnetes – doch weder ein notwendiges noch ein hinreichendes – Merkmal intentionaler Zustnde ist.
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Nun gibt es verschiedene Mçglichkeiten, ausgehend von diesem zweiten Bestimmungskriterium intentionaler Zustnde, fr die Verteidigung des Kriteriums der propositionalen Evaluierbarkeit aller intentionalen Zustnde – also auch jener, die nicht unmittelbar einen propositionalen Sachverhalt, sondern einen singulren Gegenstand zu ihrem Objekt haben – einzutreten. Man kann, wie etwa E. Tugendhat (1976), argumentieren, dass jede Bezugnahme auf etwas (ob existent oder nicht) notwendig ein (propositionales) Existenzialurteil impliziert, in dem die Mçglichkeit der Bezugnahme berhaupt fundiert ist. (Eine wichtige Prmisse dieser Erklrungsstrategie ist die Auffassung, dass die Referenz einer propositionalen Aussage, und implizit die Bedeutung einer propositionalen Einstellung, im Sinne ihrer Extension nicht durch einen singulren Gegenstand, sondern durch die Wahrheitsbedingungen bestimmt wird, die festlegen, ob ein Gegenstand vorliegt bzw. ob ein Sachverhalt besteht.) Auch wenn ich etwa nicht weiß, ob der Gegenstand, an den ich denke, existiert oder nicht, impliziert demnach meine Bezugnahme selbst, dass ich glaube, dass es einen Gegenstand gibt (nmlich genau den, auf den ich Bezug nehme) – und dieser Glaube, dass der Gegenstand existiert, ist ja nichts anderes als eine paradigmatisch propositionale Einstellung. Tugendhat zufolge ist also bei jeder Aktualisierung eines intentionalen Zustandes – ob es sich um eine genuin propositionale berzeugung, Absicht, oder aber um sinnliche Wahrnehmungen oder Phantasien handelt, deren Objekt normalerweise keine Propositionen sind – ein propositional und mithin wahrheitsfunktional evaluierbares Existenzialurteil mit impliziert (vgl. Tugendhat 1976, 100 ff.).106 Eine andere Mçglichkeit, das Propositionalittskriterium fr intentionale Zustnde zu verteidigen, bieten Theorien der Intentionalitt, welche in Bezug auf den Status propositionaler Einstellungen und Inhalte eine explizit naturalistische Ontologie vertreten. Naturalistische Theorien der Intentionalitt, welche typischerweise mit dem Paradigma der mentalen Reprsentation operieren, versuchen, wie wir gesehen haben, die Frage nach der Konstitution intentionaler Zustnde ber die Frage zu beantworten, wie der Gehalt einer propositionalen Einstellung sich auf real bestehende (physikalische) Zustnde oder Sachverhalte bezieht. Sollte eine Korrelation zwischen solchen ,natrlichen‘ Entitten und dem proposi106 Wie wir noch sehen werden (siehe unten, Kap. II. 3.3.), lehnt Husserl diese Auffassung im Rahmen der Bedeutungstheorie der Logischen Untersuchungen entschieden ab; vgl. insbes. Hua XIX/1, 484 ff.
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tionalen Gehalt mentaler Zustnde aufgezeigt werden kçnnen, welche mit einer naturwissenschaftlichen Beschreibung kompatibel ist (etwa eine kausale, funktionale Korrelation), dann steht der naturalistischen Lçsung des Problems, wie die natrlichen Zustnde der Welt mit den (intentionalen) Zustnden des Bewusstseins korreliert sind bzw. wie Erstere Letztere determinieren, nichts mehr im Wege. So vertreten die meisten Naturalisten die Ansicht, dass eine (naturalistische/nicht-intentionalistische) Lçsung des Determinationsproblems bezglich propositionaler Inhalte das Problem der Konstitution aller Typen mentaler Reprsentationen – also auch jener, die keine Propositionen als Gegenstnde haben – klren wird.107 (Das ist brigens auch eine der impliziten Hauptmotivationen fr den Propositionalismus in Bezug auf intentionale Zustnde.) Wenig spricht fr, viel allerdings gegen den Propositionalismus. Was fr den Propositionalismus spricht – und das ist die zweite, selten explizit gemachte, Hauptmotivation fr diese Doktrin108 –, ist die bereits angesprochene Auffassung, dass propositionale Einstellungen jene mentalen Vorkommnisse sind, deren Struktur bei der Erklrung und Rationalisierung von intentionalem Verhalten eine paradigmatische (funktionale oder kausale) Rolle spielen.109 Denn es sind primr berzeugungen und Wnsche, dass etwas der Fall ist (oder sein soll), auf die im Rahmen einer intentionalen Psychologie oder Handlungstheorie typischerweise Bezug genommen wird, um zu erklren, wie mentale Entitten fr die Handlungen der betreffenden Akteure (urschlich oder qua ,Grnde fr‘) verantwortlich sind. Wie dem auch sei, dies allein spricht jedenfalls keineswegs fr die umfassendere These, auf die Propositionalisten festgelegt sind, dass alle intentionalen Zustnde bzw. alle Aspekte der Intentionalitt des Mentalen durch den Rekurs auf propositionale Einstellungen erklrbar seien. Und abgesehen davon, dass der Propositionalismus die spezifische Intentionalitt des Bewusstseins vçllig unerklrt lsst – was insbesondere gegen den Propositionalismus spricht, sind all jene typisch intentionalen Akte und Zustnde, die sich direkt auf ein (einfaches oder synthetisches) Objekt und nicht auf einen Sachverhalt oder einen propositional beschreibbaren Gegenstand beziehen. Gemeint sind dabei jene intentionalen 107 Reprsentativ fr diese Ansicht sind neben den bereits diskutierten RTI (insbes. Fodor) etwa auch die frhen berlegungen von Dennett (vgl. Dennett 1969, 20 ff.) und – wenn auch mit gewissen Einschrnkungen – im Wesentlichen auch die Intentionalittstheorie Searles (vgl. Searle 1983, 21 ff., 86 ff.). 108 Fr weitere, wie semantische bzw. sprachphilosophische oder erkenntnistheoretische Motivationen fr den Propositionalismus siehe Montague 2007, 506 f. 109 Siehe dazu Bermffldez 2005, Kap. 9.
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Akte und Zustnde, die als direkt-objektive Intentionen bzw. sogenannte objektuale intentionale Einstellungen (objectual attitudes) gekennzeichnet werden kçnnen110 und mentale Zustnde wie etwas wnschen, an einen bestimmten Gegenstand denken, etwas wahrnehmen, bemerken oder imaginieren, jemanden oder etwas lieben, hassen etc. umfassen. (All dies sind brigens Typen intentionaler Erlebnisse, die auch Husserl immer wieder anfhrt.111) Nehmen wir etwa den Fall, dass Woody Allen an die Hauptdarstellerin in seinem neuen Film denkt, d. i. (1) ,Woody Allen denkt an die Hauptdarstellerin in seinem neuen Film‘. Eine propositionale Beschreibung dieses intentionalen Zustandes msste entsprechend lauten (1a) ,Woody Allen denkt, dass es jemanden gibt, der die Hauptdarstellerin in seinem neuen Film ist, und Woody Allen denkt an sie.‘ Was wre aber hier das intentionale Objekt dieses propositionalen Gedankens? Nun, nach (1a) die Existenz der Hauptdarstellerin in seinem neuen Film. Was aber, wenn Woody Allen nicht an die Existenz, sondern einfach an die Person (oder irgendeine Eigenschaft von ihr) denkt? Propositionalisten kçnnten nun erwidern, dass eine adquatere (quasi-attributive) Formulierung von (1) so lauten msste: (1b) ,Woody Allen denkt (jetzt) derart, dass es eine Hauptdarstellerin in seinem neuen Film gibt (und diese ist ein Fall von seinem (gegenwrtigen) Denken)‘. In diesem Fall wrde man aber auf die Frage, woran Woody Allen denkt, gar keine informative Antwort erhalten, lediglich eine Aktmodalitt beschreiben, also angeben, wie Woody Allen denkt (ganz abgesehen davon, dass es sich auch hierbei eigentlich um eine existenzielle Quantifizierung wie in (1a) handelt.) Im Gegensatz dazu lsst sich das intentionale Objekt des betreffenden mentalen Zustandes von Woody Allen nicht-propositional einfach und przise angeben mit ,die Hauptdarstellerin in seinem Film‘. Wir sehen also: Anstatt dass die propositionale (Neu-)Beschreibung das intentionale Objekt eines mentalen Zustandes genauer angibt, erfllt sie in vielen (durchaus einfachen) Fllen ihre explanatorische Rolle, wenn berhaupt, dann mehr schlecht als recht. Noch problematischer wird der Propositionalismus, wenn es um jene intentionalen Phnomene geht, die oft auch Pro-Einstellungen genannt werden (vgl. Davidson 1963) wie Wnschen, Wollen, Begehren etc., und insbesondere um affektiv-intentionale Phnomene wie Frchten, Lieben oder Hassen etc. In einigen solchen Fllen, so scheint es, ist eine propositionale Angabe des jeweiligen intentionalen Gegenstandes nicht nur 110 Siehe dazu detailliert Forbes 2000. 111 Vgl. beispielhaft Hua III/1, § 36.
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unprzise oder uninformativ, sondern geradezu widersinnig. M. Montague weist auf ein treffendes Gegenbeispiel hin (vgl. Montague 2007, 512 f.): Nehmen wir an, (2) ,Solomon liebt es, wenn/dass John (sein verhasster Feind) leidet.‘ In einer typischen propositionalistischen Beschreibung kçnnen wir Solomons Wunsch so rekonstruieren: (2a) ,Solomon liebt John genau dann, wenn es einen Eigenschaft F gibt, sodass (gilt, dass) Solomon liebt, dass John F hat.‘ Wenn es nun tatschlich die betreffende Eigenschaft F gibt (von der gilt, dass Solomon liebt, dass John sie hat, sprich: wenn John leidet), dann kann man daraus und aus (2a) korrekt folgern: (2b) ,Solomon liebt John.‘ Nun ist aber offensichtlich, dass (2) und (2b) vollkommen unterschiedliche – ja widerstreitende – psychologische Einstellungen Solomons (vis--vis John) zum Ausdruck bringen. Husserl Intentionalittstheorie und insbesondere seine Phnomenologie der Bedeutung liefert nun eine Reihe weiterer methodologischer und sachlicher Einwnde gegen den Propositionalismus.
3.2. Bedeutungsintentionen und die Phnomenologie der Bedeutung Zunchst ist zu betonen, dass wir bei Husserl keine Theorie der Konstitution propositionaler Einstellungen im Sinne des Propositionalismus (oder auch des Anti-Propositionalismus) finden und auch keine explizite Doktrin pro oder contra den Propositionalismus. Ebenso wenig findet sich, weder in den Logischen Untersuchungen noch in Husserls spteren Schriften, eine Theorie der referenziellen Beziehung zwischen propositionalen Einstellungen und den in den propositionalen Akten ausgedrckten, faktisch bestehenden oder nicht bestehenden Sachverhalten. Bedingung dafr, dass man von einer solchen Theorie sprechen kann, ist die (metatheoretische) Grundannahme, dass eine Theorie des referenziellen Bezugs sozusagen nur zusammen mit einer Wahrheitstheorie zu haben ist – und zwar mit einer Wahrheitstheorie, die uns eine Methode zur Festlegung des Wahrheitswertes einer Proposition, also eine Verifikationsmethode, anbietet.112 Husserl verfgt jedoch ber keine Theorie der Referenz, wie sie 112 Vgl. etwa Dummett 1988, 21 – 31. Aus einer an Heidegger orientierten, kritischen Perspektive und mit Blick auf eine bestimmte philosophische Tradition der philosophischen Logik von Aristoteles ber den Neukantianismus bis zum AntiPsychologismus Freges spricht D. O. Dahlstrom in diesem Zusammenhang von einem grundlegenden „logischen Vorurteil“ als einer „Tendenz, die Wahrheit
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eine traditionelle (extensionale oder intensionale, fregesche) Semantik oder eine verifikationistische Wahrheitstheorie erforderte. In diesem Sinne – wenn auch nur in diesem – ist Husserl auch kein Bedeutungstheoretiker.113 Von daher ist es allerdings kein „Versumnis [Husserls], eine allgemeine Erklrung dessen zu geben, worin die Bedeutung eines Wortes besteht oder wie die Bedeutungen der Wçrter dazu beitragen, die Bedeutung des Satzes aufzubauen“, wie es etwa M. Dummett (Dummett 1988, 46) mit Blick auf eine fregeanische Theorie des referenziellen Bezugs beanstandet. Sofern nmlich Husserl nicht an einer Theorie des Verfahrens zur Determination der Bedeutung bzw. des Wahrheitswertes einer Proposition interessiert ist – es ihm also nicht um eine Verifikationstheorie der Wahrheit zu tun ist –, hat Husserl eben auch keine Theorie propositionaler Einstellungen. Schließlich kommt Husserls Bedeutungslehre ohne eine solche Theorie aus, denn diese ist ja – wie auch Dummett zu Recht betont – nicht an der Bestimmung der Referenz propositionaler Akte interessiert, sondern an der Beschreibung jener Bedingungen, welche vorliegen mssen, damit wir berhaupt von einer referenziellen Beziehung bzw. von einer sinnvollen Bezugnahme auf etwas sprechen kçnnen. J. N. Mohanty bringt das spezifische Erkenntnisinteresse der husserlschen Phnomenologie der Bedeutung mit folgender Bemerkung auf den Punkt: „A phenomenological theory of meaning […] is concerned not with meanings directly but with their sense as meanings.“ (Mohanty 1977, 30) Mit anderen Worten: Husserls Frage ist nicht, was die Referenz eines Ausdrucks festlegt oder was die jeweilige Bedeutung einer referenziellen Bezugnahme ist, sondern vielmehr, wie sich in intentionalen Akten Bedeutungen konstituieren. Genau darin unterscheidet sich Husserls „Axiom der Intentionalitt“ (Dummett 1988, 47) vom blichen bedeutungstheoretischen Paradigma der Referenz.114 berwiegend im Hinblick auf eine bestimmte Art aufzufassen, nmlich im Hinblick auf Behauptungen und Urteile, die als indikativische Aussagen gestaltet werden“ (Dahlstrom 1994, 29). 113 Siehe dazu auch die erhellenden Ausfhrungen bei Bermes 1997, 88 ff. und Rinofner-Kreidl 2003, 59 – 89. 114 Vgl. D. Bells Kritik an einer „Fregeanization of Husserl“ auf Grund der Missverstndnisse, welche die englische bersetzung des husserlschen Terminus der ,gegenstndlichen Beziehung‘ und ,gegenstndlichen Richtung‘ als ,reference‘ evozieren: „Husserl is not talking about ,reference‘ at all – not at least, as the word is standardly understood in contemporary discussions in the theory of meaning. That notion of reference is extensional, genuinely relational, and brings with it ontological commitment to whatever items comprise its terms.“ (Bell 1991, 137) Bell wendet sich hier zwar zu Recht gegen eine Deutung der Intentionalittstheorie der
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Husserl zufolge ist also die in Frage stehende phnomenologische Sphre der intentionalen Erlebnisse und ihrer Inhalte durch keine logischsemantische bzw. bedeutungstheoretische Analyse jener Komponenten zu gewinnen, aus denen propositionalen Einstellungen zusammengesetzt sind. Dass Husserl keine allgemeine Theorie propositionaler Einstellungen im Sinne des traditionellen, im Wesentlichen sich von Frege und Russell herleitenden sprachanalytischen Programms oder nach dem Modell aktueller kognitivistischer Intentionalittstheorien anzubieten hat, heißt jedoch mitnichten, dass er ber keine – deskriptive – Theorie der Struktur propositionaler Akte verfgte. Ganz im Gegenteil: Ein zentrales Teilprojekt der erkenntnistheoretischen Grundlegung der formalen Logik liegt mit der Bedeutungslehre der sogenannten „analytischen Phnomenologie“ (Hua XIX/1, 17) vor.115 Diese wird in der I. Logischen Untersuchung mit den wesentlichen Unterscheidungen zwischen Zeichen, Ausdruck, Bedeutungsakt, gegenstndlicher Beziehung und bedeutetem Gegenstand grundgelegt und findet ihre Ausarbeitung zu einer „allgemeinen apriorischen“ oder „reinen Grammatik“ in der IV. Untersuchung116, welche zur Aufgabe hat, die „reine Formenlehre der Bedeutungen“ durch eine „sie voraussetzende reine Geltungslehre“ zu ergnzen (Hua XIX/1, 301 ff.). In der V. Untersuchung finden sich dann Husserls Detailanalysen zu den Unterschieden zwischen nominalen und propositionalen Aspekten intentionaler Akte bzw. der sogenannten ,Vorstellungen‘ und Urteile. Das methodische Grundgerst fr die allgemeine erkenntnistheoretische Fundierung der analytischen Phnomenologie der Bedeutung liefert Husserl schließlich mit der Klrung der spezifischen Erkenntnisfunktion bedeutungserfllender Akte bzw. mit der Theorie der kategorialen Akte und der diesen korrespondierenden, von Husserl neu eingefhrten Anschauungsform – der sogenannten „kategorialen Anschauung“ – im zweiten Band der Logischen Untersuchungen. 117 Die Logischen UntersuLogischen Untersuchungen als eine realistische Theorie der Intentionalitt, allerdings ist seine eigene Interpretation des frhen Husserl als Vertreter einer nicht-relationalen, adverbialen Theorie der Intentionalitt fragwrdig. Siehe dazu mehr unten, Kap. III. 2.2. 115 D. Welton spricht in diesem Zusammenhang auch von der ,logistic phenomenology‘ (vgl. Welton 1983, 49). 116 Zum Begriff der reinen Grammatik, vgl. Husserls Anmerkungen in der 2. Auflage, insbes. Hua XIX/1, 345 ff., 348 f. 117 Zu einer detaillierteren Darstellung dieses Problemzusammenhanges in den Logischen Untersuchungen vgl. Tugendhat 1967, 13 – 21.
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chungen stellen also nicht nur den ersten Hçhepunkt der husserlschen Theorie der Intentionalitt dar, sondern bilden auch das Hauptstck einer systematischen Phnomenologie der Bedeutung. Das ist freilich keine bloße Koinzidenz. Intentionalitt und Bedeutung sind fr Husserl wesensmßig korrelative Momente einer umfassenden Phnomenologie des Bewusstseins. Nicht zuletzt ist, wie wir gesehen haben, in der wechselseitigen Aufklrung von intentionaler Bezugnahme und der Konstitution von Bedeutung die phnomenologische Psychologismus-Kritik (und Husserls schwacher Anti-Psychologismus) fundiert. Eben diese Korrelation stellt aber auch den Hauptangriffspunkt von Husserls Phnomenologie der Bedeutung seitens zahlreicher phnomenologischer und insbesondere sprachanalytischer Kritiker dar. Die Stoßrichtung der Kritik an der deskriptiv-phnomenologischen Bedeutungstheorie zentriert sich um den Vorwurf, Husserl biete keine berzeugende Antwort auf die beiden bedeutungstheoretischen Grundfragen – nmlich auf die Fragen, wie sich a.) die Bezugnahme auf einen Gegenstand mittels eines singulren Terminus oder eines Prdikats zur Bedeutung dieser Ausdrcke verhlt (d. i. die Frage nach der Denotation von Namen oder einstelligen prdikativen Ausdrcken), und b.) wie die Bedeutung ganzer Stze sich zu den Wahrheitsbedingungen verhlt, unter denen eine Aussage auf einen Sachverhalt zutrifft.118 Ferner wird nicht nur angenommen, dass diese beiden Grundfragen aufs Engste miteinander zusammenhngen, dass also eine berzeugende Bedeutungstheorie Aufschluss geben muss ber den Zusammenhang zwischen der semantischen und epistemologischen Valenz von singulren Ausdrcken und ganzen Stzen.119 Es wird blicherweise auch geltend gemacht, dass eine ebenso enge Korrelation zwischen einer Bedeutungs- und einer Wahrheitstheorie besteht bzw. dass eine zufriedenstellende Lçsung des (metaphysischen) Wahrheitsproblems allein von einer Bedeutungstheorie zu erwarten ist, welche eine umfassende Beschreibung der richtigen Verwendungsweise unserer sprachlichen Mittel anbietet. So muss etwa M. Dummett zufolge eine „,brauchbare‘ Bedeutungstheorie“ sowohl die sprachliche Praxis der (richtigen) Verwendung von Ausdrcken als auch das (richtige) Verstndnis ihrer Bedeutung, und zwar ohne Rckgriff auf semantische und epistemologische ,Marker‘ (wie ,bedeutet‘, ,ist wahr‘ etc.), erklren kçnnen 118 Zu den sprachphilosophischen Prmissen dieser Argumentation siehe exemplarisch Dummett 1975 und 1976 bzw. Tugendhat 1970 und Tugendhat 1967, 161 – 198. 119 Vgl. Davidson 1967, insbes. 40.
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(Dummett 1991b, 163 f.). Nun hlt Dummett eine umfassende, klassischwahrheitsfunktionale Semantik fr gescheitert, da eine solche bei der Evaluierung der semantischen und/oder epistemologischen Valenz einer Proposition zwangslufig auf die Angabe von Wahrheitsbedingungen rekurrieren bzw. deren Kenntnis seitens des Sprechers voraussetzen muss und von daher dem Zirkularittseinwand nicht standhlt. Dummetts Kandidat fr eine brauchbare Bedeutungstheorie msste demgegenber nicht nur explizieren, wann und gemß welchen Wahrheitsbedingungen man von der richtigen Verwendungsweise eines Ausdrucks sprechen kann; sie msste auch angeben kçnnen, welche Umstnde einen Sprecher zu einem solchen Wissen befhigen (etwa durch eine Theorie des Spracherwerbs oder der Kommunikation), und berdies die Kriterien systematisch angeben kçnnen, unter denen man das Vorhandensein der Kenntnis der jeweiligen Wahrheitsbedingungen seitens des Sprechers feststellen kann (etwa durch Beobachtung sprachlicher und nicht-sprachlicher Verhaltensußerungen). Sofern eine solche Bedeutungstheorie in diesem Sinne ,brauchbar‘ ist, ist sie denn auch die „richtige Bedeutungstheorie“. Folglich ist in dem Maße, in dem die husserlsche Bedeutungstheorie nicht brauchbar ist – sofern sie nmlich weder fr die Klrung der korrekten Verwendungsweise einer jeweils gegebenen Sprache informativ noch fr die Angabe der Erfordernisse fr die Kenntnis der jeweiligen Wahrheitsbedingungen zureichend ist –, sie im dummettschen Sinn also auch nicht ,richtig‘. Mit Dummett kçnnte man auch sagen, dass die phnomenologische Bedeutungstheorie insofern nicht brauchbar ist, als sie keine nichtzirkulre Erklrung des Verhltnisses von subjektiven Bedeutungsintentionen, dem Verstehen eines Ausdrucks und dem Wissen um die Wahrheitsbedingungen bzw. dem objektiven Bedeutungs- oder Wahrheitsgehalt einer Proposition liefert.120 120 Vgl. dazu auch Dummetts Unterscheidung zwischen einer „semantic theory“ und einer „theory of meaning“. Eine semantic theory analysiert die wahrheitsfunktionale Struktur semantischer Einheiten – ihre ,semantische Valenz‘ – und stellt die notwendige, aber nicht hinreichende Basis fr die umfassendere theory of meaning dar; diese muss berdies die Bedingungen angeben, welche fr das Verstndnis eines Ausdrucks, die Kenntnis ihrer (richtigen) Verwendungsweise („grasp of the use of an expression“) bzw. das Erfassen einer Bedeutung („grasp of meaning“) seitens des Sprechers – ihre epistemische Valenz – konstitutiv sind; siehe Dummett 1982, 234 ff., 270 f. Ich komme auf Dummetts Husserl-Interpretation (in Dummett 1988 und 1991c) im Kontext der Noema-Debatte zurck (siehe unten, Kap. III. 2.2.) und werde auch seine anti-realistische Wahrheits- und Bedeutungstheorie – insbesondere im Verhltnis zu Husserls transzendentalem Idealismus – noch ausfhrlich unten, in den Kap. IV. 3. und IV. 6. behandeln.
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Im Grunde geht es dabei um den Vorwurf, dass Husserl insgesamt an der Explikation der sprachanalytisch relevanten Unterscheidung von Bedeutung und Referenz gescheitert sei. Wie unterschiedlich die Ausformulierung dieser Problemdiagnose im Einzelnen auch ausfllt, scheint der allgemeine Kanon der Kritik in der Kombination zweier – prima facie gegenlufiger – Einwnde zu bestehen: jener des (solipsistischen) Mentalismus einerseits und des (semantischen) Platonismus andererseits. Dem Vorwurf des Mentalismus korrespondiert a.) der kritische Befund, dass Husserls Theorie der Konstitution von Bedeutung auf die Annahme innerpsychischer Determinanten gegenstndlicher Beziehung festgelegt sei, was die referenzielle Kraft unserer Aussagen nicht erklren kçnne, und/oder b.) der Einwand, dass Husserl fr die Erklrung des Verstehens von Bedeutung die Bezugnahme auf individuelle psychische/mentale Dispositionen in Anspruch nimmt und damit den entscheidenden extensionalen bzw. kommunikativen Kontext von Ausdrcken vernachlssigt. Beiden Typen von Mentalismus-Einwnden zufolge unterliegt Husserl jedenfalls einer psychologischen Hypostasierung von Bedeutungen.121 Demgegenber unterstellt der Kritiker, der Husserl einen Bedeutungsplatonismus vorwirft, dass Husserl – in seinem „fast hysterischen Bemhen um Objektivitt“ gegenber der dominierenden idealistischen Urteilstheorie des spten 19. Jahrhunderts (Soldati 1994, 16) – eine metaphysische Hypostasierung von Bedeutungen vornehme, wenn er Bedeutungen als ideale Spezies charakterisierte. Dass Husserl selbst eben diese beiden Typen der Hypostasierungen von Bedeutungen selbst namentlich und aufs Schrfste als „Missdeutungen“ kritisiert hatte (vgl. Hua XIX/1, 127 ff.), ndert sachlich nichts an den Vorwrfen – wenn sie denn gerechtfertigt wren. Doch weder der eine noch der andere Vorwurf treffen, wie ich zeigen mçchte, die phnomenologische Bedeutungslehre. Was diese beiden kritischen Argumentationslinien motiviert, ist die grundstzliche Fehlannahme, dass Husserl die Konstitution gegenstndlicher Bezugnahme (subjektiv durch Akte des Bedeutens oder objektiv durch metaphysisch konstruierte Bedeutungen) hypostasiere. Mit anderen Worten: Die Sorge ist, dass die Konstitution von Bedeutungen durch individuelle, inner-psychische Akte des Bedeutens und Verstehens erklrt oder aber Bedeutungen als irgendwelche, vom epistemischen Zugang vollkommen unabhngige und vom jeweiligen kommunikativen Kontext losgelçste Idealitten konstruiert werden wrden. Was beide Einwnde teilen, ist also die Annahme, dass Husserl die subjektiven Komponenten 121 Vgl. dazu Rinofner-Kreidl 2003, 68.
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von Bedeutungskonstitution (die Akte des Bedeutens und des Verstehens) und deren objektive Komponenten (referenzielle Identitt bzw. die Objektivitt von Bedeutungen ber subjektive Bezugnahmen hinweg etc.) vermengt oder an deren Unterscheidung von vornherein scheitert. Sind diese Einwnde zutreffend, so kann Husserl freilich weder die Frage nach dem Verhltnis zwischen der Bedeutung und der Referenz eines Ausdrucks noch die Frage nach dem Verhltnis zwischen der Bedeutung und den Wahrheitsbedingungen einer Aussage auch nur adquat stellen – was ja einer Bankrotterklrung einer jeden seriçsen Bedeutungstheorie gleichkme. Man hat wiederholt darauf hingewiesen,122 dass es Husserls am psychischen Erlebnisgehalt orientierter Intentionalittsbegriff sei, der nicht nur eine adquate Theorie propositionaler Einstellungen, sondern insgesamt jegliche Aussicht auf eine nicht-triviale Explikation des Begriffs gegenstndlicher Bezugnahme vereitle. Sofern nach Ansicht der meisten Bedeutungstheoretiker der Begriff der Bezugnahme fr eine Theorie der Bedeutung unverzichtbar ist,123 hieße das, dass es gerade Husserls aktphnomenologische Theorie der Intentionalitt ist, welche eine informative Theorie der Bedeutung unterminiert. So gibt etwa Dummett zu bedenken, dass Husserls Theorie der Bedeutung auf Grund seines einseitigen Interesses an der Unterscheidung zwischen der gegenstndlichen Beziehung und dem Bezugsgegenstand bzw. der Bedeutung eines bezugnehmenden Bewusstseinsaktes – im Unterschied zu Frege – kein informatives „Verfahren“ zur Bestimmung der jeweiligen Referenz einer Intention enthalte. Dummett sieht darin einen grundlegenden Mangel der husserlschen Bedeutungslehre, insofern nmlich seiner Ansicht nach das Erfassen der Bedeutung eines Ausdrucks die Kenntnis des jeweiligen Verifikationsverfahrens beinhalten muss, welche wiederum die Kriterien angibt, unter denen der Ausdruck richtig verwendet wird. Eine grundlegende Prmisse dabei ist, dass das Verstehen von Ausdrcken bzw. das Erfassen ihrer Bedeutungen nur durch eine Theorie adquat erklrt wird, welche die jeweiligen Identifikationsbedingungen des ausgedrckten Gegenstandes (im Falle von Stzen: des Sachverhaltes) angeben kann. Sofern also die 122 Siehe etwa Tugendhat 1970, 1976 und Bell 1991, 114 ff., 125 ff. 123 Vgl. etwa Dummett 1988, 49. Eine prominente Ausnahme bildet etwa D. Davidsons, an W. v. O. Quines Bedeutungsholismus und A. Tarskis formaler Wahrheitstheorie angelehnter Versuch, eine Bedeutungstheorie zu entwickeln, welche auf den Begriff der Bezugnahme insgesamt verzichtet, vgl. Davidson 1977 und 1979.
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Angabe eines Verfahrens zur Bestimmung dessen, welcher spezifische Gegenstand Gegenstand der jeweiligen Bezugnahme ist, fr die Festlegung der Bedeutung konstitutiv ist, bildet eine (extensionale) Theorie des Bezugs eine „unverzichtbare Grundlage“ fr eine Theorie des Bedeutung. Dummett zufolge fehlt Husserl nun genau diese Grundlage (Dummett 1988, 48 f.). Und auch E. Tugendhat (Tugendhat 1970, 1976) meint, dass das deskriptiv-phnomenologische Paradigma aktintentionaler Gegenstandskonstitution sowohl an einer genuinen Erklrung unserer (ausdrcklichen) Bezugnahme auf Gegenstndliches als auch an der Erklrung der Mçglichkeit des Verstehens der jeweilig ausgedrckten Bedeutung eines singulren Terminus, eines Prdikats oder einer Proposition versagte. Der Grund fr dieses Totalversagen der husserlschen Bedeutungslehre liegt dieser durchaus reprsentativen Kritik zufolge darin, dass sie Bedeutungen als nominale Funktionen bedeutungverleihender Ausdrucksakte fasst, und das Erfassen einer Bedeutung auf eine Art introspektives Sich-vorstellig-Machen eines allgemeinen, abstrakten Gegenstandes – der idealen Bedeutung –, welcher dem jeweiligen Bezugsgegenstand korrespondiert, angewiesen sei (vgl. Tugendhat 1970, 13 ff.). Dass ein solches quasi-platonistisches Modell semantischer Bezugnahme nicht nur regressiv, sondern darber hinaus unserem normalen Bedeutungsverstndnis vçllig unangemessen ist, leuchtet ein – trifft jedoch, wie wir sehen werden, auf Husserl gar nicht zu.124 Die meisten sprachanalytischen Bedeutungstheoretiker gehen ferner (im Anschluss an Frege) davon aus, dass die „primre semantische Einheit“ propositional strukturierte Stze und nicht nominale Ausdrcke sind (Tugendhat 1976, 142). Man spricht dabei auch vom Kontextprinzip sprachlicher Bedeutung, wonach, grob, Ausdrcke nur im Kontext von (Aussage-)Stzen Bedeutung haben. Bedeutung ist in einem aus mehreren (singulren und generellen) Termini zusammengesetzten Satz fundiert, wobei das Erfassen der propositionalen Struktur fr das Verstndnis nominaler Bedeutung konstitutiv ist.125 Die Bedeutung eines Satzes wiederum ist nichts anderes als die Funktion der Bedeutungen der sie zusammensetzenden Termini und der (syntaktischen) Regeln ihrer Zu124 Zur Kritik an Tugendhats sprachanalytischer Interpretation Husserls vgl. auch Welton 1973 und Frank 1986, 74 ff. Zu Husserls Unterscheidung von nominalen und propositionalen Akten siehe mehr unten, Kap. II. 3.3. 125 Vgl. auch Davidson 1967. Dies ist brigens auch die Position des frhen Wittgenstein, vgl. Wittgenstein 1918, 20: „3.3. Nur der Satz hat Sinn; nur im Zusammenhange des Satzes hat ein Name Bedeutung.“
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sammensetzung. Das ist der Kernpunkt des sogenannten Kompositionalittsprinzips. Kontext- und Kompositionalittsprinzip bestimmen also dieser weitverbreiteten sprachanalytischen Konzeption zufolge zusammen sprachliche Bedeutung (wobei weder die Bedeutung von einzelnen Ausdrcken noch jene von Stzen unabhngig voneinander analysiert oder verstanden werden kçnnen und mithin Kontext- und Kompositionalittsprinzip sich nicht ausschließen, sondern vielmehr nur zwei Aspekte von Bedeutungskonstitution sind).126 ,Etwas meinen‘ bzw. ,auf einen Gegenstand gerichtet sein‘ heißt dieser fregeschen und meist mit Wittgensteins Gebrauchstheorie der Bedeutung weiterentwickelten Standardkonzeption zufolge, zumindest potenziell auf die Regel verweisen zu kçnnen, unter deren Anwendung ein singulrer Terminus, ein Prdikat oder eine Proposition auf etwas zutrifft oder nicht.127 Hufig wird daraus gefolgert, dass Bedeutung der Verifikationsmethode einer Aussage entspricht oder, schrfer noch, in nichts anderem als in dieser Methode berhaupt besteht. Ein Verifikationist macht also das Verstehen der Bedeutung einer Proposition von der Kenntnis jener Faktoren, welche die Aussage wahr machen, bzw. vom Wissen um die Methode ihrer Verifikation abhngig. (Ein strikter semantischer Anti-Realist la M. Dummett wrde noch einen Schritt weiter gehen und leugnen, dass es von unserem epistemischen Zugang zu den jeweiligen Verifikationsverfahren unabhngige Wahrheitsbedingungen berhaupt gebe.128) Eine wichtige Konsequenz der blichen Formulierung einer wahrheitsfunktionalen Semantik betrifft nun den Gegenstandsbegriff: Gegenstand wird als Subjekt einer mçglichen wahren oder falschen Proposition bestimmt und die Rede, dass das bezugnehmende Subjekt zumindest im Falle einer ,geglckten‘, veritativen Bezugnahme direkt auf den Gegenstand der Bezugnahme gerichtet ist, verliert ihren Sinn. Denn nicht nur entfllt hier die fr die Phnomenologie zentrale (funktionale) Unterscheidung zwischen intentionalem und realem Gegenstand. Der Status des Gegenstandes als Objektes intentionaler Akte wird vielmehr auf seine wahrheitskonditionale Subjekt-Stellung in der logisch-semantischen Struktur einer Aussage reduziert. Dieser formale Gegenstandsbegriff, wonach jeder Gegenstand als „,Subjekt mçglicher wahrer Prdikationen‘“ fungiert (Hua III/1, 15), wird bei Husserl freilich nicht durchgestrichen 126 Zu Dummetts Adaption (und Modifikation) des fregeschen Kontextprinzips vgl. Hale 1997, 273. 127 Vgl. etwa Tugendhat 1970, 14 f., 18. 128 Siehe dazu mehr unten, Kap. IV. 2. und IV. 3.
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und bleibt im Rahmen des logisch-semantischen Geltungsbereichs im engeren Sinn durchaus aufrecht: „In jedem Fall kommt einem Gegenstand (Subjekt) etwas (ein Prdikat) zu oder nicht zu, und der Sinn dieses allgemeinsten Zukommens mit den ihm zugehçrigen Gesetzen bestimmt auch den allgemeinen Sinn des Seins, bzw. des Gegenstandes berhaupt.“ (Hua XIX/1, 131)129 Husserl erweitert jedoch diese rein formale Bestimmung gegenstndlicher Bezugnahme durch die grundlegende Unterscheidung zwischen den subjektiven und den objektiven Inhaltskomponenten der Konstitution von Bedeutung (Hua XIX/1, § 14). Der subjektive Inhalt intentionaler Akte des Bedeutens korrespondiert der Mannigfaltigkeit der Realisierungsweisen von Akten des Bedeutens und macht ihren jeweiligen psychologischen Erlebnisgehalt aus. Der subjektive Inhalt intentionaler Bedeutungsakte entspricht also dem (empirisch-realen) Status einer „psychologischen Tatsache“ (Hua XIX/1, 50), die sich in jedem inner-monologischen oder ausdrcklichen Erlebnis des Etwas-Meinens realisiert. Man kçnnte hier auch von Bedeutung als einer ,psychologischen Erlebnistatsache‘ sprechen. Es ist dieser Sinn von Bedeutung, auf welchen der logische oder semantische Psychologist sowohl die Konstitution als auch die Geltung objektiver bzw. logischer Bedeutung zu reduzieren versucht. Demgegenber ist nach Husserl zwischen drei weiteren Inhaltskomponenten zu unterscheiden, welche zusammen in der Instanziierung einer referenziellen Beziehung den objektiven (bzw. logischen oder idealen) Sinn des Bedeutungsaktes konstituieren: 1.) der objektive Bedeutungsgehalt als „intendierende Bedeutung“; 2.) als „erfllender Sinn“ und 3.) als (intentionaler) Referenzgegenstand. So entsprechen etwa die beiden Kennzeichnungen ,die bevçlkerungsreichste Stadt der Vereinigten Staaten‘ bzw. ,die Stadt, in dem sich das Empire State Building befindet‘ jeweils dem ersten Inhaltsbegriff. Von ihrer jeweiligen Anwendung hngt die intendierende Bedeutung ab. Das gegenstndliche Korrelat verschiedener intendierender Bedeutungen bildet (bei gleichem erfllenden Sinn) der „Umfang mçglicher Anwendungen“ ein und derselben „gegenstndlichen Beziehung“ (Hua XIX/1, 53). Der zweite Inhaltsbegriff betrifft das idealidentische Korrelat mçglicher Kennzeichnungen, welches im Eigennamen ,New York‘ ausgedrckt bzw. potenziell durch entsprechende Erfahrung besttigt/erfllt werden kann. Sofern eine Bedeutungsintention durch (anschauliche) Erfahrung besttigt wird, erfllt eine Intention eine „Erkenntnisfunktion“ (Hua XIX/1, 61). Das jeweilige Verhltnis zwischen 129 Vgl. auch Hua III/1, 47.
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erstem und zweitem Inhaltsbegriff bestimmt also die epistemologisch relevante Bedeutungsfunktion eines bedeutungverleihenden Aktes. Der dritte Inhaltsbegriff schließlich entspricht dem durch die jeweilige Kennzeichnung bestimmten (so und so intendierten) Referenzgegenstand, welcher freilich ,realiter‘ gar nicht existieren muss. Der (intentionale) Referenzgegenstand darf also nicht mit dem (extensionalen) Umfang des Namens ,New York‘, seinem bestimmten Umfang an mçglichen wahren Prdikaten oder der fregeschen ,Bedeutung‘ (bzw. bei fregeschen ,Gedanken‘ oder ganzen Stzen: dem Wahrheitswert einer Aussage) verwechselt werden. Der „Gegenstand selbst“ qua Bezugsgegenstand ist nichts anderes als der in bestimmter Hinsicht gekennzeichnete Gegenstand der Bedeutungsintention. Referenzgegenstand als Gegenstand der Bedeutungsintention ist der Gegenstand „als der so und so gemeinte“, folglich keine der intentionalen Referenzbeziehung externe Entitt, wie bei Frege (Hua XIX/1, 56). Husserl teilt also zwar weitgehend den zentralen fregeschen Gedanken, wonach die Art und Weise der referenziellen Bezugnahme nicht notwendig vom Referenzgegenstand festgelegt bzw. von diesem semantisch gesehen nicht hinreichend bestimmt wird. Husserls Unterscheidung zwischen Bedeutungs- und Gegenstandsidentitt entspricht also auf den ersten Blick jener Freges zwischen ,Sinn‘/Intension und ,Bedeutung‘/Extension eines nominalen oder propositionalen Ausdrucks. Aufgrund der weiteren – in Freges Konzeption nicht mehr integrierbaren – funktionalen Unterscheidung zwischen intentionalem und realem Gegenstand geht Husserl jedoch einen wesentlichen Schritt weiter. So kann Husserl, gerade weil die phnomenologische Bedeutungslehre keine extensionale Theorie der Referenz zur Basis hat, die wichtige Differenzierung zwischen Bedeutungs-/Sinnlosigkeit und Gegenstandslosigkeit einer Bezugnahme treffen: Bedeutungslosigkeit betrifft das Verhltnis zwischen gegenstndlicher Bezugnahme und dem bedeuteten (intentionalen) Gegenstand, also jenes zwischen der ersten und der dritten der obigen Bestimmungen des Bedeutungsbegriffs. Von Gegenstandslosigkeit im engeren Sinn kann dagegen nur mit Bezug auf das Verhltnis zwischen erstem und zweitem Bedeutungsbegriff gesprochen werden. Das Fehlen eines erfllenden Sinnes entspricht also nicht notwendig dem Fehlen eines (epistemisch und semantisch relevanten) Inhalts auf Seiten der Bedeutungsintention.130 So kann ich mit dem Ausdruck 130 Siehe Hua XIX/1, 61, wo Husserl explizit davor warnt, die „echte Bedeutungslosigkeit“ mit der „apriorischen Unmçglichkeit eines erfllenden Sinnes“ zu vermengen.
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,rosa Elefant‘ durchaus etwas Bestimmtes meinen und allenfalls auch einen bestimmten Inhalt intersubjektiv kommunizieren – ob ich nun weiß, dass der Name kein entsprechendes gegenstndliches Korrelat im Sinne eines erfllenden Inhalts hat oder nicht.131 Die Bedeutsamkeit eines Ausdrucks ist von der Existenz des Bezugsgegenstandes selbst insofern unabhngig, als die ontologisch-existenziale Qualifikation des Gegenstandes der Bezugnahme fr die intentionale cum semantische Qualifikation der gegenstndlichen Bezugnahme keine Rolle spielt.132 In diesem Zusammenhang ist jedoch einem naheliegenden Missverstndnis vorzubeugen: Husserls Vorschlag zur Unterscheidung von Bedeutungs- und Gegenstandslosigkeit besteht nicht darin, den Bezugsgegenstand einerseits real, andererseits intentional zu qualifizieren und ihn gleichsam in verschiedene ontologische Seinsbereiche – eine real existente und eine intentional (in)existente – aufzuspalten. Die Bezugsgegenstnde widersinniger oder gegenstandsloser Ausdrcke ,existieren‘ im eigentlichen Sinne weder real noch ,bloß intentional‘. Der Ausdruck ,rundes Viereck‘ ist nicht bloß real gegenstandslos, whrend ihm deshalb eine Bedeutung zukommt, weil der intentionale Gegenstand, den er benennt, mental existierte. Hat ein Ausdruck idealiter keinen mçglichen erfllenden Inhalt – wie es bei diesem Ausdruck ja der Fall ist –, so gibt es realiter weder einen realen noch einen mentalen oder intentionalen Gegenstand, auf den er sich bezieht.133 Der Grund fr die Gegenstands- und Bedeutungslosigkeit solcher Intentionen liegt in der „apriorischen Unmçglichkeit eines erfllenden Sinnes“ (Hua XIX/1, 61). Demgegenber haben wir es bei fiktiven 131 Siehe auch Husserls analoge Unterscheidung zwischen einem (sinnlosen) Ausdruck als Unsinn (etwa ,grn ist auf oder‘), dem gar keine (weder reale noch ideale) Existenzweise zukommt, und einem (gegenstandslosen) Ausdruck als Widersinn, welcher als „Teilgebiet des Sinnvollen“ seine „Weise der ,Existenz‘, des Seins in der ,Welt‘ der idealen Bedeutungen hat“, Hua XIX/1, 334 ff. 132 Siehe dagegen Searle 1983, 34 f. Searle meint, dass in Fllen, in denen „nichts den Teil des Reprsentationsgehalts erfllt, der mit Bezug zu tun hat“ der intentionale Zustand einfach gar keinen intentionalen Gegenstand, auf den er sich beziehen wrde, hat. Ohne, wie Searle zu bedenken gibt, irgendwelche zustzlichen „Meinongschen Entitten“, also ontologisch ausgezeichnete intentionale Gegenstnde (zustzlich zu den realen) postulieren zu mssen, vertritt Husserl demgegenber die Auffassung, dass auch in solchen Fllen – wie in allen, in denen man von einem intentionalen Zustand sprechen kann – es sehr wohl einen intentionalen Gegenstand gibt –, nur dass in einem solchen Fall sich die Intention, die sich auf ihn richtet, eben nicht erfllt. 133 Vgl. dazu Hua XIX/1, 129 f. bzw. 334 ff. und Husserls wichtigen frhen Aufsatz Intentionale Gegenstnde (1894), insbes. Hua XXII, 303 ff.
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(gegenstands-, aber nicht bedeutungslosen) intentionalen Bezugnahmen, wie etwa mit dem Ausdruck ,rosa Elefant‘, mit einem bloß faktisch-kontingenten Fehlen einer intuitiv-anschaulichen Erfllung zu tun. Zu beachten ist aber, dass Husserl nicht nur bei solchen referenziellen Sonderfllen, sondern vielmehr generell bei intentionalen Bezugnahmen sich explizit dagegen verwehrt, eine ontologische Unterscheidung zwischen ,wirklichen‘ und ,intentionalen‘ Gegenstnden zu machen: Man braucht es nur auszusprechen, und jedermann muß es anerkennen: daß der intentionale Gegenstand der Vorstellung derselbe ist wie ihr wirklicher und gegebenenfalls ihr ußerer Gegenstand und daß es widersinnig ist, zwischen beiden zu unterscheiden. Der transzendente Gegenstand wre gar nicht Gegenstand dieser Vorstellung, wenn er nicht ihr intentionaler Gegenstand wre. […] Der Gegenstand ist ein „bloß intentionaler“, heißt natrlich nicht: er existiert, jedoch nur in der intentio (somit als ihr reelles Bestandstck), oder es existiert darin irgendein Schatten von ihm; sondern es heißt: die Intention, das einen so und so beschaffenen Gegenstand „Meinen“ existiert, aber nicht der Gegenstand. (Hua XIX/1, 439)
Der vom Bedeutungsgehalt einer Aussage unterschiedene Referenzgegenstand wird bei Husserl zwar – eben anders als etwa bei Frege – nicht als der vom (intensionalen) Sinn einer Bezugnahme unterschiedene (extensional bestimmte) Wahrheitswert einer Proposition gefasst.134 Das heißt freilich nicht, dass sich in verschiedenen Bezugnahmen auf ein und denselben Bezugsgegenstand oder Sachverhalt dieser selbst sich relativ zu den verschiedenen psychischen Bedeutungsgehalten gleichsam vervielfltigte. Die bedeutungverleihende Funktion eines Ausdrucks wird in der husserlschen Konzeption nicht (internalistisch) durch die Beziehung zwischen einer eigens zu unterscheidenden ausdrckenden und einer referenziellen Komponente des Ausdrucksaktes konstituiert135 – als ob man gleichsam 134 In seiner interessanten und wohlbegrndeten Kritik an Bell 1990 weist Dummett 1991b auf die weitgehenden Parallelen in Freges und Husserls Konzeptionen referenzloser Ausdrcke hin. Der einzige Unterschied, der diesbezglich nach Dummett zwischen den beiden Bedeutungstheoretikern auszumachen sei, bestehe darin, dass im Rahmen der fregeschen Metaphysik die Rede von intentionalen Objekten bzw. Objekten, die nicht existieren, nicht zulssig ist. Dummett sieht jedoch keinen triftigen Grund, die Konsequenzen, die sich daraus fr die allgemeine Konzeption von Referenz ergeben, grundstzlich voneinander abzuheben, und verharmlost so das grundlegend verschiedene Erkenntnisinteresse der beiden Projekte. Siehe insbes. Dummett 1991b, 225 – 229. Siehe dazu auch unten, Kap. III. 2.2. 135 Vgl. Hua XIX/1, 54 f.: „[…] daß ein Ausdruck nur dadurch, dass er bedeutet, auf Gegenstndliches Beziehung gewinnt […], [soll] dem Irrtum vorbauen, als wren
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durch den Akt der Bezugnahme hindurch in einer Reihe hçherstufiger Akte auf irgendeine Art meta-semantische oder meta-reprsentationale Eigenschaft Bezug nehmen msste, welche dann das jeweilige Referenzobjekt festlegte. Wir haben es bei Husserl weder mit einer Art reprsentationalistischer Verschachtelung der Determinanten der Referenz noch mit einer Verdopplung des Referenzgegenstandes selbst (in einen intentionalen Bedeutungsgegenstand auf der einen und dem realen, bedeuteten Gegenstand auf der anderen Seite) zu tun. Im Unterschied zu Frege ist fr Husserl das Prinzip der Substitution salva veritate als Prinzip der Bezugsbestimmung nicht relevant.136 Die Kriterien fr die Determination des Bezugsgegenstandes und mithin die Bestimmung der eigentlichen Erkenntnisfunktion eines bedeutungverleihenden Aktes sind fr Husserl abhngig von der – durch „ideierende Abstraktion“ herauszustellenden (vgl. Hua XIX/1, 431; Hua XIX/2, 635) – idealen Beziehung zwischen intendierter Bedeutung und erfllendem Sinn. Diese Kriterien sind insofern epistemologisch neutral, als sie nicht an eine (intensional oder extensional) bestimmte wahrheitskonditionale Semantik gebunden sind. Gleichwohl lsst sich die Beziehung zwischen Bedeutungsintention und vermeintem Gegenstand auch im Falle faktisch (kontingenterweise) fehlender intuitiver Erfllung von signifikativen Intention epistemisch evaluieren: So ist etwa der intentionale Zustand, in dem ich mich befinde, jeweils ein anderer, wenn ich die Bedeutungsintention ,rosa‘, ,gelber‘ oder ,grauer Elefant‘ vollziehe. Denn ich kann mit den jeweiligen Attributen, mit Husserl gesprochen, durchaus jeweils anderes ,im Sinn‘ haben (vgl. Hua III/1, 206) – und zwar vçllig unabhngig davon, ob der Gegenstand tatschlich existiert oder nicht und wie er beschaffen sein mag, und unabhngig auch davon, ob ich um dessen (In-) Existenz weiß oder nicht. Dementsprechend sind auch die semantisch und epistemisch relevanten Individuationsbedingungen der betreffenden bedeutungverleihenden Akte jeweils andere. Ob nun ein per se bedeutsamer Ausdruck sinngemß verwendet wird, hngt also phnomenologisch gesehen davon ab, in welchem Verhltnis die drei korrelativen objektiven Momente der Bedeutungskonstitution jeweils zueinander stehen. Zu beachten ist einmal mehr, dass die rein subjektive Erlebniskomponente der Bedeutungskonstitution, der reine Vollzug einer am sinngebenden Akte ernstlich zwei Seiten unterscheidbar, deren eine dem Ausdruck die Bedeutung, deren andere ihm die Bestimmtheit der gegenstndlichen Richtung gebe.“ 136 Siehe dazu ausfhrlicher unten, Kap. III. 2.4.
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Bedeutungsintention, hierbei keinerlei epistemologisch relevante Rolle spielt. Dem scheint jedoch zu widersprechen, dass gemß dem noetischen Bedeutungsbegriff der deskriptiven Phnomenologie der objektive Bedeutungsgehalt bedeutungverleihender Akte mit Rekurs auf den Aktcharakter des Bedeutens bestimmt ist. Husserl spricht von der jeweiligen Bestimmtheit dieses Aktcharakters als einer „bestimmten Tinktion“, welche jedem bedeutungverleihenden Bewusstseinsakt „einwohnt“ (Hua XIX/1, 111). Dies darf jedoch entgegen psychologistischen Trugschlssen nicht so verstanden werden, als wrde sich der objektive Bedeutungsgehalt mit dem „psychischen Charakter des Bedeutens“ (Hua XIX/1, 105), also dem deskriptiven oder „psychologischen Gehalt“ (Hua XIX/1, 104) bedeutungverleihender Akte decken.137 Husserl wird nicht mde zu betonen, dass die gegenstndliche Bedeutung im Sinne des objektiven Bedeutungsgehalts, welcher sich in der intentionalen Beziehung zwischen Akten des Bedeutens und ihren jeweiligen Bezugsgegenstnden konstituiert, nicht den „Akten selbst als reelles Konstituens beigemessen“ (Hua XIX/1, 125) werden darf. Die Identitt der Bedeutung in der Mannigfaltigkeit individueller oder intersubjektiv-kommunikativer Sprechakte (aber auch gegenber dem „konstanten psychischen Charakter des Bedeutens“ bei quivoken oder okkasionellen Ausdrcken bzw. Demonstrativa)138 wird in der I. Logischen Untersuchung als Vereinzelung der „Identitt einer Spezies“ bzw. als „Idealitt des Spezifischen“ (Hua XIX/1, 106 ff.)139 charakterisiert.140 Gleichheit der Bedeutung im Sinne der Gleichheit des Referenzgegen137 Siehe auch Hua XIX/1, 96 f.: „[…] das Schwanken der Bedeutung [ist] eigentlich ein Schwanken des Bedeutens. Das heißt, es schwanken die subjektiven Akte, welche den Ausdrcken Bedeutungen verleihen, und sie verndern sich hierbei nicht bloß individuell, sondern zumal auch nach den spezifischen Charakteren, in welchen ihre Bedeutung liegt. Nicht aber verndern sich die Bedeutungen selbst, ja diese Rede ist geradezu eine widersinnige, vorausgesetzt, daß wir dabei bleiben […] unter Bedeutungen ideale Einheiten zu verstehen. Dies aber verlangt […] der leitende Zweck unserer Analysen.“ 138 Siehe dazu: Hua XIX/1, 85 – 97. Siehe dazu mehr unten, Kap. III. 2.5. 139 Vgl. auch Hua XIX/1, 111 f. Husserl spricht in diesem Zusammenhang interessanterweise auch von einem anti-relativistischen und anti-empiristischen „Idealismus“, welcher jedoch „keine metaphysische Doktrin“ anzeige, sondern eine „Form der Erkenntnistheorie, welche das Ideale als Bedingung der Mçglichkeit berhaupt anerkennt und nicht psychologistisch wegdeutet“ (Hua XIX/1, 112). Doch ebenso wie gegen den logischen Psychologismus richtet sich diese besondere Form des (semantischen) Idealismus gegen die „Exzesse des Begriffsrealismus“ (Hua XIX/1, 115) sowie seines nominalistischen Widerparts. 140 Vgl. dazu die verschiedenen Interpretationen bei Tugendhat 1976, 149; Bernet/ Kern/Marbach 1996, 159, 162 – 165 bzw. Rinofner-Kreidl 2000, 61 ff.
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standes in verschiedenen Bedeutungserlebnissen (d. i. Akten der Bezugnahme) kann es Husserl zufolge also nur geben, da der Bezugsgegenstand einer identischen Spezies angehçrt, und das heißt, idealiter in jeder mçglichen Bezugnahme als identischer spezifiziert ist (oder potenziell spezifiziert werden kann) (XIX/1, 117). Ebenso ist im Falle einstelliger Prdikationen oder komplexer Stze die „Geltungseinheit“ der Aussagebedeutung (im Sinne des in ihnen ausgedrckten Sachverhaltes) (Hua XIX/1, 49) im „idealen Verhltnis von mçglichen Aussagebedeutungen“ fundiert. Die Einheit der Bedeutung und die logische Geltung solcher propositionaler Akte werden durch die (idealen) Gesetze der mçglichen Verknpfung der einzelnen Aussageteile bzw. der mçglichen Typen kategorialer Synthesis gewhrleistet. Sie beruht nicht auf subjektiven Akten des Urteilens bzw. der Realisierung individueller Schlussverfahren: „Den subjektiven Gedankenverknpfungen entspricht dabei eine objektive […] Bedeutungseinheit, die ist, was sie ist, ob sie jemand im Denken aktualisieren mag oder nicht.“ (Hua XIX/1, 99)141 Diese, den jeweiligen individuellen Akten der (kategorialen) Synthesis einwohnenden, objektiven Bedeutungseinheiten kçnnen reflexiv bzw. durch die ideierende Abstraktion herausgestellt werden.142 Hierbei ist wichtig zu beachten, dass sich Husserl explizit gegen eine „metaphysische Hypostasierung“ der Idealitt allgemeiner Bedeutungsspezies im Sinne irgendwelcher platonistisch gedachter Entitten verwehrt (vgl. u. a. Hua XIX/1, 106). G. Soldati spricht dabei von „einer spezifischen Objektivitt der Bedeutungen […] welche Bedeutungen darber hinaus besitzen, dass sie platonische Spezien [sic!] sind“ (Soldati 2005, 154).143 Es sind nicht irgendwelche hypostasierten metaphysischen Realitten, welche die Objektivitt von Bedeutungen verbrgen. Vielmehr ist fr Husserl Objektivitt von Bedeutung ein Konstitutionsprodukt der intentionalen Gerichtetheit bedeutungverleihender Akte auf Objekte. Objektivitt von Bedeutungen ist fr Husserl also die spezifische Objektivitt qua Identitt eines in mannigfaltigen bedeutungverleihenden Akten exemplifizierten 141 Vgl. auch Hua XIX/1, 33. 142 Vgl. auch Hua XIX/1, 10. Zur Theorie der kategorialen Synthesis und der dieser korrespondierenden Anschauungsform (der kategorialen Anschauung) bzw. Analyseform (der ideierenden Abstraktion) siehe die VI. Logische Untersuchung, insbes. Hua XIX/2, §§ 53 – 63. 143 Siehe weiter Soldati 2005, 154: „[…] psychische Akte [exemplifizieren Bedeutungen] in einer ganz spezifischen Weise. Sie exemplifizieren sie, insofern sie intentional sind, sofern sie eine Gegenstndlichkeit haben. […] Nicht Bedeutungen als ideale Spezies sind objektiv, sondern Bedeutungen, insofern sie dem Akt, der sie exemplifiziert, einen Gegenstand zuweisen.“
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(d. i. ,bedeuteten‘) intentionalen Gegenstandes. Objektivitt von Bedeutung ist mithin intentionale Realisierung von gegenstndlicher Identitt. Das erklrte Ziel der husserlschen Lehre der ideierenden Abstraktion, wie sie in kritischer Auseinandersetzung mit den psychologisch-empiristischen Abstraktionstheorien von Locke, Berkeley, Hume, Mill u. a. in der II. Logischen Untersuchung entwickelt wird,144 ist, zwei traditionellen Missdeutungen bezglich des ontologischen Status idealer Bedeutungsspezies entgegenzuwirken: zum einen einer bestimmten metaphysischen Konzeption des platonischen Realismus, wonach die Idealitt logischsemantischer und allgemeiner Gegenstnde bzw. von Allgemeinbegriffen als außer-mentale, gleichwohl reale Allgemeinheit nach dem Modell gegenstndlicher Existenz gedacht wird, welche durch geeignete Intuition erfasst werden kçnnte; zum anderen dem (lockeschen) Konzeptualismus und seinen nominalistischen Folgetheorien. Dem Konzeptualismus zufolge konstituiert sich die Allgemeinheit von Bedeutungen in Form von ,abstrakten Ideen‘ inner-mental, nmlich durch die auf phnomenale Erscheinungskomplexionen gerichtete innere Wahrnehmung, wobei diese Allgemeinheiten als reale Bestandstcke bestimmter, allgemeiner Vorstellungsakte gefasst werden. Der Nominalist leugnet hingegen schlichtweg sowohl die inner- als auch die außer-mentale Existenz solcher Allgemeinheiten.145 144 Siehe dazu auch Hua XVII, § 100. 145 Vgl. Hua XIX/1, 127: „Zwei Mißdeutungen haben die Entwicklung der Lehren von den allgemeinen Gegenstnden beherrscht: Erstens die metaphysische Hypostasierung des Allgemeinen, die Annahme einer realen Existenz von Spezies außerhalb des Denkens. Zweitens die psychologische Hypostasierung des Allgemeinen, die Annahme einer realen Existenz von Spezies im Denken.“ Um solchen Hypostasierungen vorzubeugen, weist Husserl in Erfahrung und Urteil darauf hin, dass man in Bezug auf das logische Wesen von Urteilen konsequenterweise auch nicht mehr von ihrer idealen „Gattungsallgemeinheit als Allgemeinheit eines ,Umfanges‘“, welche sich in mannigfaltigen Urteilsakten vereinzelt, sprechen, sondern es als Irrealitt fassen sollte (EU, 314 ff.). Entsprechend kennzeichnet er den ausgezeichneten temporalen Modus reiner Verstandesgegenstndlichkeiten als „Allzeitlichkeit“ – wobei Husserl dieses all- oder „berzeitliche“ Wesen der Urteilsgegenstnde von der jeweiligen (historischen) Geltung der Urteile selbst unterscheidet (EU, 312 ff.). Im Charakter der Allzeitlichkeit idealer Bedeutungsgehalte liegt, dass sie ber individuelle, intersubjektive bzw. historische Grenzen hinweg als identische wiederholbar und mithin kommunizierbar sind. Zur Unterscheidung zwischen dem „zeitlichen Sein des Realen“ und dem „unzeitlichen ,Sein‘ des Idealen“ siehe auch Hua XIX/1, 129; zu Husserls Reaktion auf den Platonismus-Vorwurf siehe auch Hua III/1, §§ 22, 23.
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Husserls alternative Konzeption objektiver Bedeutung als idealer Spezies richtet sich nun gegen die Vorstellung, wonach die Allgemeinheit von Bedeutungen entweder a.) als real-existierende Universalien außerhalb oder jenseits individueller bezugnehmender Akte (platonistischer Realismus) oder b.) als inner-mentale, allgemeine Abstraktionen aus den jeweiligen Vorstellungskomplexionen (Konzeptualismus) oder aber c.) gar nicht, das heißt weder als Korrelate allgemeiner Vorstellungsakte noch als Vorstellungsinhalte, existieren (Nominalismus). Schließlich weist Husserl auch die Auffassung zurck, dass das „Sein des Idealen auf eine Stufe zu stellen [sei] mit dem Gedachtsein des Fiktiven oder Widersinnigen“ (Hua XIX/1, 129). Die Seinsweise idealer und kategorialer Gegenstnde bzw. Spezies, wie jene mathematischer oder logischer Entitten bzw. der Allgemeinbegriffe, ist von der Seinsweise genuin gegenstandsloser Ausdrcke (wie ,rosa Elefant‘) zu unterscheiden. Erstere existieren „wahrhaft“, nmlich sofern sie als Subjekte mçglicher wahrer Prdikationen fungieren. Die Attribute ,wahrhaft seiend‘ oder ,nicht-seiend‘ kommen Bedeutungen als idealen Gegenstndlichkeiten allein hinsichtlich ihrer (realen oder vermeintlichen) Geltung in kattegorialen Urteilen zu (Hua XVIII, 136; Hua XIX/1, 106, 130 f.).146 Husserls frher Platonismus ist also kein ontologisch-metaphysischer Bedeutungsrealismus, sondern wesentlich ein semantisch-logischer bzw. idealer Platonismus. Bedeutungen als Idealitten bzw. als kategoriale Reflexionsgegenstnde sind also ebenso wenig Ideen im traditionellen Sinne von ,Vorstellungen‘ (Lockes ideas), welche eine mentale oder symbolische StellvertreterFunktion in einer Reprsentationsbeziehung ausben,147 wie sie raumzeitlich lokalisierbare Individuen oder Gegenstnde sinnlicher Erfahrung sind. Dass Husserl an zahlreichen Stellen der Logischen Untersuchungen in Zusammenhang intentionaler Bezugnahme von der ,Vorstellung des Gegenstandes‘ bzw. vom Referenzgegenstand selbst als ,Gegenstand der Vorstellung‘ spricht, darf nicht im Sinne einer reprsentationalistischen Erkenntnistheorie la Locke missinterpretiert werden (vgl. Hua XIX/1, 133 ff.).148 Auch ist der Einwand zurckzuweisen, Husserls Bedeutungstheorie kçnne die sprachanalytische Grundfrage, was es heißt, einen Ge146 Von daher ist auch E. Tugendhats Lesart von Husserls Theorie der kategorialen Anschauung als eine konzeptualistische Theorie ußerst fraglich, vgl. Tugendhat 1976, 184 f. 147 Vgl. Hua XIX/1, 73 ff., 179 ff. 148 Vgl. etwa Tugendhat 1976, 86 ff.; siehe dazu auch Bernet/Kern/Marbach 1996, 161.
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genstand zu meinen, deshalb nicht beantworten, weil Husserl das „optische Modell“ der traditionell-philosophischen Konzeption anschaulicher Reprsentationsbeziehungen auf die formal-semantische (d. i. wesentlich nicht-anschauliche) Struktur propositionaler Akte bertrgt und damit Bedeutungen nach der Analogie von Erfahrungsgegenstnden hypostasiert (Tugendhat 1976, 86 f.). Dass Bedeutungen als kategoriale Gegenstnde der phnomenologischen Reflexion auf die Struktur und Funktion bedeutungverleihender Akte fungieren (kçnnen), impliziert keine introspektionistische Vergegenstndlichung von Bedeutungen als eine Art inner-psychische Realisierung von Idealitten.149 Einen ,Gegenstand vorstellen‘, ,intentional auf etwas gerichtet zu sein‘ und einen ,Gegenstand meinen‘ sind fr Husserl korrelative Aspekte bedeutungverleihender Akte.150 Die Art und Weise der Zugnglichkeit zu einem Gegenstand ist nicht nur mit der Art und Weise, wie ein Gegenstand aufgefasst wird, das heißt, welche Bedeutung er hat, sondern auch mit der Gegebenheitsweise der Gegenstndlichkeit als solcher korreliert. Was berhaupt als ein mçglicher Gegenstand von Bezugnahme fungieren kann, was der Sinn von Gegenstndlichkeit berhaupt ist, ist wesentlich durch das Korrelationsverhltnis selbst bestimmt, welches zwischen einem Akt der Bezugnahme und dem Bezugsobjekt besteht. Dieses Korrelationsverhltnis ist, was gemeint ist, wenn Husserl vom ,Vermeinen‘ eines Gegenstandes oder der ,Konstitution‘ von Bedeutung spricht. Zum Begriff des Ausdrucks gehçrt es, eine Bedeutung zu haben. Eben dies unterscheidet ihn ja von den sonstigen Zeichen […]. Ein bedeutungsloser Ausdruck ist also, eigentlich zu reden, berhaupt kein Ausdruck […] In der Bedeutung konstituiert sich die Beziehung auf den Gegenstand. Also einen Ausdruck mit Sinn gebrauchen und sich ausdrckend auf den Gegenstand beziehen (den Gegenstand vorstellen) ist einerlei. (Hua XIX/1, 59)
Sofern die Bedeutung eines Ausdrucks im Vollzug des intentionalen ,Vermeinens‘ eines Gegenstandes realisiert wird, ist also in jedem bedeutungverleihenden Akt auch notwendig das Moment des Verstehens eines Ausdrucks bzw. das Erfassens seiner jeweiligen Bedeutung mit beschlossen. Sofern also in einem „Ausdrucksbewusstsein“ (Hua XIX/1, 73) materiellsymbolisch realisierte Zeichen als bedeutsame Entitten aufgefasst werden, 149 Vgl. dazu auch Hua XXVI, 43 ff. 150 Insofern ist E. Tugendhat freilich zuzustimmen, wenn er schreibt: „Gegenstnde stellen wir nicht vor, Gegenstnde meinen wir.“ (Tugendhat 1976, 88) Nach dem Bisherigen ist dies jedoch – pace Tugendhat – kein Einwand gegen Husserls Position.
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ist sowohl von einem Bedeuten als auch von einem Verstehen auszugehen. Husserl spricht von der „verstehenden Auffassung, in der sich das Bedeuten eines Zeichens vollzieht“ (Hua XIX/ 79). Der Vorwurf, Husserl habe das Problem des (individuellen und intersubjektiven) Verstehens von Bedeutungen von der Frage, wodurch der referenzielle Gehalt von Bedeutungen bestimmt wird, bzw. vom Problem, was Bedeutung ist, abgekoppelt, verfehlt mithin den Kern der Bedeutungslehre der Logischen Untersuchungen. 151 Ebenso entschieden ist aber auch Dummetts Bedenken zurckzuweisen, dass „es schwer fllt, Husserl den Vorwurf zu ersparen, er vertrete […] eine Humpty-Dumpty-Auffassung, wonach eine ußerung jeweils die Bedeutung annimmt, mit der sie durch einen inneren Akt erfllt wird“ (Dummett 1988, 45).152 Dass Bedeutungen in Akten des Meinens konstituiert werden, ist ontologisch gesehen eine harmlose und metaphysisch neutrale Behauptung, die keineswegs notwendig zu einem idealistischen Solipsismus oder einem semantischen Konstruktivismus fhrt. Einem Zeichen Bedeutung zuzuschreiben, die Bedeutung eines Ausdrucks zu erfassen, einen Gegenstand zu meinen und schließlich einen Ausdruck gemß einem bestimmten, vom jeweiligen Bezugsgegenstand spezifizierten Kontext – d. i. jeweils sinngemß – zu verwenden, bilden nur verschiedene, reflexiv zu unterscheidende Momente der Realisierung einer intentionalen Beziehung. Sie stehen in keinerlei ontologischem Fundierungs- oder kausalem Dependenzverhltnis zueinander. Bedeutungverleihende Akte sind weder von der Existenz der Referenzgegenstnde ontologisch abhngig, noch sind umgekehrt die Referenzgegenstnde durch jene Akte festgelegt. Die Referenzgegenstnde wirken aber auch nicht kausal auf Bedeutungsintentionen und determinieren somit nicht ihren intentionalen Inhalt (die Bedeutung). Der intentionale Rahmen der Bezugnahme konstituiert zwar die jeweilige Bedeutung der intentionalen Gegenstnde, sofern diese Bedeutung nicht unabhngig von jenem Bezugsrahmen bestimmt werden kann. Der Bezugsrahmen konstituiert jedoch nicht die (nicht-intentionalen) Gegenstnde der Bezugnahme, also die (extensionale) Menge aller mçglichen Gegenstnde referenzieller Bezugnahme. Bernet/Kern/Marbach um151 Eine hnliche These vertritt G. Soldati, siehe Soldati 1994, 136. 152 Vgl. auch die alternative Formulierung Dummetts: „[die] Humpty-DumptyAuffassung, die Husserl vertritt, wonach ein Wort oder Ausdruck durch einen Bedeutung gebenden Bewusstseinsakt von Seiten des Sprechers mit Bedeutung erfllt wird“ (Dummett 1988, 85). Siehe dazu die ausfhrliche Kritiken bei Puhl/ Rinofner-Kreidl 1998 und Rinofner-Kreidl 2003, 69 ff.; vgl. auch B. Smiths Einwand, Smith 1994a, 173 f.
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schreiben dieses eigentmliche phnomenologische Korrelationsverhltnis zwischen Bedeutungsintentionen, intentionalem und referenziellem Gegenstand folgendermaßen: Faßt man [den] intentionalen Akt als Bedeutungsintention und den intentionalen Gegenstand als Gegenstand-worber des bedeutungsvollen Ausdrucks, so ergibt sich als erste Konsequenz, daß der Referenzgegenstand bedeutungsvoller Aussagen nicht unabhngig vom Vollzug bedeutungsvoller Sprechakte bestimmt werden kann. Die Gegenstnde und Sachverhalte, worber wir sprechen, sind also nicht etwa die Ursachen der sich auf sie beziehenden bedeutungsvollen Aussagen, sondern: erst im Kontext bedeutungsvollen Sprechens, im Vermeinungshorizont verschiedener, sich gegenseitig aufeinander beziehender Sprechakte konstituieren sich Gegenstnde, Sachverhalte und logische Beziehungen usw. [Das] bedeutet fr Husserl [nicht], daß sich Gegenstnde nur im sinnvollen Sprechen konstituieren und auch nicht, daß sinnvolles Sprechen eine gengende Garantie fr die Existenz der Referenzgegenstnde bildet. (Bernet/Kern/Marbach 1996, 163)153
Die zentrale Pointe der intentionalistischen Bedeutungstheorie Husserls ist also, dass die (ausdrckliche oder unausdrckliche) Gerichtetheit auf einen Gegenstand, das Meinen eines Gegenstandes bzw. die Bedeutung eines Ausdrucks in bedeutungverleihenden Akten der Bezugnahme wesensmßig korreliert sind – ohne dass jedoch die Bedeutungsmomente und die gegenstndlichen Momente der Bezugnahme jemals zusammenfallen wrden.154 Die Rede von der Konstitution gegenstndlicher Bedeutung im Vollzug bedeutungverleihender Akte schließt gerade eine Identifizierung von Akt des Bedeutens, Bedeutungsinhalt und bedeutetem Gegenstand aus. In Bezug auf den gegenstndlichen Bedeutungsaspekt meint der Begriff der Konstitution Realisierung (von Idealitt) bzw. Exemplifizierung (einer allgemeinen Spezies). In Bezug auf den Aktcharakter des Bedeutens ist von einer Aktualisierung zu sprechen. Die einem bedeutungsvollen Ausdruck als solchem einwohnende ,referenzielle Kraft‘ und die Konstitution des jeweiligen Referenzgegenstandes, der in einem intentionalen Akt 153 Siehe auch etwas weiter: „[…] die phnomenologische Bestimmung der intentionalen Referenz [bricht] mit der extensionalen Beschreibung des Referenzgegenstandes, d. h. ihr sinnvolles Sprechen und Sprechen ber wirklich existierende Gegenstnde, die unter die entsprechenden Bedeutungen fallen, sind nicht einerlei. Die Bestimmung der Bedeutung leitet sich fr Husserl nicht von der Bestimmung des Referenzgegenstandes her, sondern: die Bestimmung des Referenzgegenstandes einer sprachlichen ußerung leitet sich ausschließlich von der Bestimmung des bedeutungsmßigen Bezugs auf den Gegenstand her.“ (Bernet/Kern/Marbach 1996, 167) 154 Vgl. Hua XIX/1, 52.
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II. Naturalisierung der Intentionalitt?
des Bedeutens jeweils in „bestimmter Weise“ vermeint wird, bilden unabtrennbare Momente jeder Aktualisierung intentionaler Bezugnahme (Hua XIX/1, 54).155 Husserl macht deutlich, dass man „hinter [diesen] Weisen des Meinens, Bedeutens von dem und dem Bedeutungsgehalt […] schlechterdings nichts suchen darf, was anderes wre und anderes sein kçnnte als eben Meinen, Bedeuten“ (Hua XIX/1, 186).156 Dementsprechend lsst sich auch die sprachanalytische Ausgangsfrage, ,was Bedeutung ist‘, im Rahmen der husserlschen Phnomenologie der Bedeutung nicht unabhngig von der Analyse der verschiedenen Weisen sinnvoller Bezugnahme auf Gegenstndliches beantworten. Man kann diesbezglich auch von einem intentionalen Zirkel der Bedeutungskonstitution sprechen.157 Der Begriff der Bedeutung, der Begriff des Gegenstandes und der Begriff der Bezugnahme sind korrelative Grundbegriffe der deskriptiv-phnomenologischen Intentionalanalyse. Keiner dieser Begriffe jeweils fr sich genommen lsst sich in einfachere, konstitutive Bestandteile zerlegen, welche dann als Definiens der anderen fungieren kçnnten. In diesem Sinne lassen sie sich also gemß dem husserlschen Ansatz nicht weiter analysieren: „Was ,Bedeutung‘ ist, das […] lßt sich nicht weiter definieren, es ist ein deskriptiv Letztes. […] Natrlich hat damit die Phnomenologie der Bedeutungen nicht ihr Ende erreicht, sondern hiermit fngt sie an.“ (Hua XIX/1, 187)
3.3. Intentionaler und propositionaler Inhalt In Hinblick auf eine Abgrenzung der deskriptiven Bedeutungslehre Husserls von einer propositionalen Bedeutungstheorie, welche auf einer extensionalen Semantik und/oder auf einer verifikationistischen Wahrheitstheorie beruht, ist es sinnvoll, eine Reihe von grundstzlichen Unterscheidungen festzuhalten. Die folgenden Unterscheidungen, die weit 155 A. Gurwitsch macht wiederum den intrinsischen Zusammenhang zwischen der Aktualisierung von Bedeutung und dem Vollzug eines Bedeutungsaktes bzw. eines jeden intentionalen Erlebnisses stark, wenn er bemerkt: „Consciousness is to be defined by its bearing reference to a sphere of sense, so that to experience an act is the same thing as to actualise a sense.“ (Gurwitsch 1940, 138). 156 Vgl. Mohanty 1977, 29: „To say that an act is ,intentional‘ is to say that an object is intended by it in a certain manner as being such-and-such: this is to ascribe to it both a sense or a meaning and a reference.“ 157 Zum Konzept des „intentionalen Zirkels“ bei Searle 1983, 46, siehe auch unten, Kap. III. 2.5.
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ber rein terminologische Differenzierungen hinausgehen, zu treffen, erscheint umso dringlicher, als die meisten analytischen Philosophen des Geistes, wie wir gesehen haben, die intentionale und die propositionale Struktur mentaler Zustnde und diese wiederum mit der Struktur mentaler Reprsentationen gleichsetzen.158 Gerade die daraus resultierende Gleichsetzung der Konstitutionsbedingungen propositionaler Einstellungen mit jenen mentaler Reprsentationen im Allgemeinen und den Individuationsbedingungen propositionaler Inhalte mit jenen reprsentationaler Inhalte im Besonderen bildet wiederum die Grundlage fr die reprsentationalistische Naturalisierung der Intentionalitt des Bewusstseins, welcher der husserlsche Ansatz entgegengesetzt werden soll. Nicht zuletzt sollen diese Unterscheidungen der oft nur als bloße Behauptung formulierten These, wonach der phnomenologische Horizont des Sinnes nicht an den Grenzen des Propositionalen aufhçrt, oder mit S. Crowell und W. Sellars gesprochen, dass der phnomenologische ,Raum der Bedeutungen‘ kein ,logisch-propositionaler Raum‘ ist (vgl. Crowell 2001, 3 f., 13 f. bzw. Sellars 1956), etwas mehr Substanz verleihen.159 Nun sind bezglich der Intentionalitt und Propositionalitt bedeutungverleihender Akte bzw. des dispositionalen Charakters psychischer Erlebnisse folgende wesentliche Unterscheidungen zu treffen: 1) Weder Gegenstand noch Inhalt intentionaler Akte sind mit propositionalen Inhalten gleichzusetzen. Die wesentliche Eigenschaft intentionaler Akte, die referenzielle Beziehung zwischen einem Bewusstseinserlebnis und einer Gegenstndlichkeit herzustellen, wird phnomenologisch gesehen durch 158 Siehe dazu oben ausfhrlicher, Kap. II. 1. Siehe dazu kritisch u. a.: Cummins 1989, 14 ff. und in Bezug auf Husserl und Fodor insbes. Roy 1999. Vgl. auch D. W. Smiths (2005) knappen Verweis auf die historischen Wurzeln der Gleichsetzung der intensionalen Semantik von propositionalen Akten mit der Struktur intentionaler Akte (im husserlschen Sinn): „Initially, for accidents of history, when logic-minded philosophers addressed intentional attitudes, they focused (following Russell) on sentences reporting (what Russell dubbed) ,propositional attitudes‘. Their concern was with issues of reference for terms in sentences reporting beliefs […].“ (Smith 2005, 99). 159 Vgl. dazu die interessante und im Kern durchaus zutreffende – aber insgesamt auch recht unergiebige – Argumentation eben dafr auch bei S. D. Kelly, der zwischen der (sprach)analytisch-bedeutungstheoretischen Frage danach, was eine (singulre) Behauptung bedeutet (meaning), und der phnomenologischen Frage danach, was es bedeutet, dass Behauptungen und andere sinnvolle Formen von Bezugnahmen berhaupt bedeuten (meaningfulness), unterscheidet (vgl. Kelly 2001, 3 ff.). Siehe dazu auch weiter oben, Kap. I. 6.
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nichts anderes als durch die Korrelation der beiden ,Pole‘ intentionaler Erlebnisse, nmlich Akt und Gegenstand, konstituiert. Die Unterscheidungen, die Husserl innerhalb der „Gattungseinheit“ der „Akte im Sinne des intentionalen Erlebnisses“ (Hua XIX/1, 353) in Bezug auf ihre Inhalte trifft, bilden den Kern der aktphnomenologischen Theorie der Intentionalitt. Das genuin Neue an Husserls Modell gegenstndlicher Bezugnahme nicht nur etwa gegenber Brentanos (1874), sondern auch gegenber Twardowskis (1894) Intentionalittslehre160 besteht nun darin, Akt und Gegenstand als korrelative Momente eines vçllig neuen Konzepts vom Inhalt intentionaler Erlebnisse her zu fassen. So sind Akt und Gegenstand gemß dem intentionalen Auffassungsmodell, wie es Husserl in den Logischen Untersuchungen entwickelt, nur zwei Momente eines funktional verstandenen, komplexen Inhalts-Begriffs. Im Folgenden soll eine Interpretation dieses Auffassungsmodells vorgeschlagen werden, der zufolge die Beschreibung der beiden Pole der intentionalen Beziehung als zwei Momente des Inhalts intentionaler Erlebnisse gedeutet werden. Bei der Differenzierung des phnomenologischen Gehalts mentaler Zustnde handelt es sich zunchst um die allgemeine deskriptive Unterscheidung zwischen reellen und intentionalen Inhalten eines jeden intentionalen Erlebnisses. Reelle Inhalte sind jene reprsentierenden Erlebniskomponenten, welche gleichsam die stofflichen, materialen „Bausteine“ (Hua XIX/1, 397) eines reprsentationalen bzw. allgemein eines mentalen Zustandes ausmachen.161 Zur vollen Bestimmung des „reellen Bestandes“ (Hua XIX/2, 706) eines intentionalen Erlebnisses gehçren gemß dem Auffassungsmodell der Logischen Untersuchungen einerseits die konkreten Empfindungsinhalte162, andererseits die diese Empfindungen ,deutenden‘ bzw. ,auffassenden‘ Intentionen. Die Auffassungsintention macht den konkreten „Aktcharakter“ eines Erlebnisses aus. Diese bestimmte „Weise des Bewusstseins“, welche Husserl auch als eine Weise des „,Zumuteseins‘“ (Hua XIX/1, 395 f.) kennzeichnet, steht zwar in einem Korrelationsverhltnis zu den jeweils gegebenen reellen Empfindungsinhalten, wird aber durch diese nicht hinreichend determiniert und lsst sich auf sie auch nicht 160 Zu Brentano vgl. Hua XIX/1, 377 – 391, insbes. Hua XIX/1, 386 ff. und allgemein die Beilage „Innere und ußere Wahrnehmung. Psychische und Physische Phnomene“, insbes. Hua XIX/2, 762 – 766. Zu Twardowski vgl. u. a. Hua XIX/1, 527 f.; bzw. Husserls Twardowski-Rezension von 1896, insbes. Hua XXII, 354 f.; vgl. auch Hua V, 155 ff. 161 Vgl. auch Hua XIX/1, 387. 162 Vgl. Hua XIX/2, 610: „Die darstellenden Inhalte der ußeren Wahrnehmung definieren den Begriff der Empfindung im gewçhnlichen, engen Sinn.“
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reduzieren. Whrend also die reellen Empfindungsinhalte eines mentalen Zustandes gleichsam die materiellen Bedingungen fr die Realisierung der intentionalen Funktion eines mentalen Aktes darstellen,163 bildet der reelle Aktcharakter eines intentionalen Erlebnisses jenes Teilmoment eines psychischen Erlebnisses, welches ein okkurrentes Erlebnis als ,Teilstck‘ von einem Bewusstsein, mithin jedes Erlebnis als intentionales Bewusstseinserlebnis qualifiziert. Es sind diese beiden reell-immanenten Bestandteile – also die Empfindungsinhalte und die diese auffassenden Intentionen qua intrinsische Bewusstseinsakte –, welche phnomenologisch gesehen den phnomenalen Kern eines intentionalen Erlebnisses ausmachen.164 Das Attribut ,reell‘ kommt ihnen insofern zu, als sie – im Gegensatz sowohl zur Sphre der idealen Bedeutungen bzw. der allgemeinen Sphre intentionaler Sinnesentitten als auch der intentionalen Gegenstnde – quasi reale Vorkommnisse innerhalb des Bewusstseins(stroms) eines Erlebnissubjekts sind, von dem (existenzialen) Realittssinn bewusstseinstranszendenter Gegenstnde jedoch (auch terminologisch) klar unterschieden werden mssen.165 Demnach kann man auch sagen, dass phnomenologisch gesehen Bewusstsein aus nichts anderem besteht als aus diesen beiden reellen Bestandteilen. Das ist auch der engste (wenn auch nicht der einzige) Sinn der vielbeschworenen Rede von der Immanenz des Bewusstseins. Das heißt jedoch mitnichten, dass Bewusstsein keine anderen Aspekte aufzuweisen htte. Ganz im Gegenteil: Was phnomenologisch gesehen ein wesentliches Moment – wenn auch eben kein reeller Bestandteil – von Bewusstsein ist, sind die jeweiligen intentionalen Inhalte von Bewusstseinserlebnissen. 163 Husserl spricht an einer Stelle von den Empfindungen als „Begrnder echter Realitt in intentionalen Zusammenhngen“ (Hua XXIII, 77). 164 Husserl hat wohl auch deshalb in der ersten Auflage der Logischen Untersuchungen in Bezug auf diese reellen Erlebniskomponenten vom ,phnomenologischen Inhalt‘ gesprochen, vgl. Hua XIX/1, 411 (Anm.). Vgl. auch allgemein das IV. Kapitel der I. Logischen Untersuchung (insbes. Hua XIX/1, 101 – 105), wo Husserl den „phnomenologischen Inhalt“ als den „psychologischen Bestand“ bedeutungverleihender Akte – in Abgrenzung zum „logischen Inhalt“ als idealer Bedeutung – einfhrt. Spter hat Husserl bekanntlich den traditionell stark psychologischphnomenalistisch belasteten Ausdruck ,Empfindung‘ weitgehend mit dem Begriff der ,Hyle‘ ausgetauscht, siehe dazu Hua IX, 167: „Der Ausdruck Hyle deutet dieses Kern-sein (Materie fr Bewußtseinsfunktionen sein) an. […] Der allgemeine Begriff Hyle bietet dann die ußerste Erweiterung fr den aus der rein subjektiven Sphre schçpfenden Begriff des Empfindungsdatums und beseitigt alle mit dem verschwommenen vieldeutigen Wort ,Empfindung‘ sich aufdrngenden Vermengungen.“ 165 Vgl. Hua XIX/1, 413 (Anm.).
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II. Naturalisierung der Intentionalitt?
In einer ersten Annherung kann der intentionale Inhalt eines Aktes als die Gesamtheit jener Aspekte bestimmt werden, welche den reellen Bestand eines Aktes transzendieren, gleichwohl aber nicht Momente des bewusstseinstranszendenten, realen Gegenstandes sind. Intentionale Inhalte sind in diesem noch allgemeinen Sinn als (intentionale) Transzendenzen gegenber der (reellen) Immanenz des reinen Erlebnisstromes zu charakterisieren. Zu beachten ist, dass intentionale Inhalte sowohl als immanente als auch als transzendente Komponenten des Bewusstseins qualifiziert werden kçnnen – je nachdem, ob sie relativ zu den reellen Inhalten (transzendent) oder relativ zu bewusstseinstranszendenten Gegenstnden (immanent) charakterisiert werden. Insofern ihnen jedenfalls die Charakteristik zukommt, ber die engere Sphre des reellen Bestandes psychischer Erlebnisse quasi ,hinauszuweisen‘, mçchte ich vorschlagen, intentionale Inhalte als den ,weiten Aktinhalt‘ zu bezeichnen. Die Sphre intentionaler Inhalte – die eigentliche phnomenologische Sphre der Bedeutungskonstitution – ist eine komplexe Sphre. Intentionale Inhalte haben – je nach reprsentationalem Inhalt und reprsentationaler Funktion – selbst noch mehrere, genauer gesagt vier Hauptaspekte. Neben der Unterscheidung zwischen engem (=reellem) und weitem (=intentionalem) Aktinhalt werde ich im Folgenden zwischen engem und weitem intentionalem Inhalt differenzieren.166 Zur Unterscheidung zwischen engem und weitem Aktinhalt mit Bezug auf ihre verschiedene Funktion in der Konstitution intentionaler Akte, kurz, als zwei grundlegend verschiedene Aktcharaktere, bemerkt Husserl: Natrlich, Bewußtseinsinhalte, im weitesten deskriptiven Sinn von Erlebnissen, sind auch die intentionalen Charaktere und desgleichen die vollen Akte; insofern sind alle Unterschiede, die wir berhaupt konstatieren kçnnen, eo ipso Unterschiede des Inhalts. Aber innerhalb dieser weitesten Sphre des Erlebbaren glauben wir den evidenten Unterschied vorzufinden zwischen intentionalen Erlebnissen, in welchen sich gegenstndliche Intentionen, und zwar durch immanente Charaktere des jeweiligen Erlebnisses konstituieren, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, also Inhalten, die zwar als Bausteine von Akten fungieren kçnnen, aber nicht selbst Akte sind. (Hua XIX/ 1, 397)
Husserls Darstellung der weiteren Unterscheidungen innerhalb des intentionalen Aktcharakters, d. i. der Unterscheidungen innerhalb des in166 Zur Unterscheidung des sog. ,weiten‘ bzw. ,engen‘ Inhalts von mentalen Zustnden im Kontext der Internalismus/Externalismus-Debatte, die der hier vorgeschlagenen in manchem hnlich, aber, wie wir sehen werden, keineswegs mit ihr identisch ist, siehe unten, Kap. III. 1.2., III. 2.1.–2.8.
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tentionalen Inhalts eines Aktes, wie sie insbesondere in der V. und VI. Logischen Untersuchung vorliegt, ist zum Teil recht verwirrend und wird in seiner ganzen Tragweite erst vor dem Hintergrund der modifizierten noematischen Inhaltskonzeption der Ideen I verstndlich. Das hat nicht nur terminologische, sondern auch tiefgreifendere methodische Grnde: Husserls Theorie gegenstndlicher Bezugnahme in den Logischen Untersuchungen basiert auf dem wesentlich aktphnomenologischen Auffassungsmodell der Intentionalitt. Diesem Modell entspricht, dass sowohl die gegenstndlichen als auch die inhaltlichen Momente der referenziellen Beziehung oft als bloß unterschiedliche Momente des Auffassungsaktes zu fungieren scheinen, wie etwa, wenn Husserl feststellt: „Alle Unterschiede in der Weise der gegenstndlichen Beziehung sind deskriptive Unterschiede der bezglichen intentionalen Erlebnisse.“ (Hua XIX/1, 427) Diese und hnlich irrefhrende Tendenzen in Husserls Explikation der Unterscheidungen innerhalb des weiteren Aktinhalts bzw. des vollen intentionalen Inhalts sind Husserls vordergrndiger methodischer Fokussierung auf den Aktcharakter intentionaler Erlebnisse in den Logischen Untersuchungen geschuldet. Diese methodische Tendenz darf jedoch nicht zum sachlich falschen Eindruck verleiten, als wrde Husserl den intentionalen Referenzgegenstand und den idealen Bedeutungsgehalt miteinander vermengen bzw. beide mit dem Auffassungsakt selbst gleichsetzen und damit den Inhalt intentionaler Akte in psychologistischer Manier subjektivieren. Gemß dem Auffassungsmodell der Logischen Untersuchungen wird – neben der grundstzlichen Unterscheidung zwischen reellen und intentionalen Inhalten intentionaler Akte – mit Bezug auf den intentionalen Inhalt zwischen dem ,Gegenstand, so wie er intendiert ist‘ und dem ,Gegenstand, welcher intendiert ist‘ unterschieden (Hua XIX/1, 414).167 Der gegenstndliche Sinn eines Aktes ist der ,Gegenstand, so wie er intendiert ist‘. Der eigentliche Gegenstand eines Aktes ist der ,Gegenstand, welcher intendiert ist‘. Diese beiden referenziellen Aspekte intentionaler Akte bilden den intentionalen Inhalt im engeren Sinn. Dem Auffassung/InhaltsSchema der Logischen Untersuchungen entsprechend, nennt Husserl den intentionalen Inhalt in Absetzung vom eigentlichen intentionalen Gegenstand – welcher selbst ein Teilmoment des intentionalen Inhalts im engeren 167 Dieser Unterscheidung entspricht in den Ideen I bekanntlich jene Differenzierung – innerhalb der noematischen Inhaltskonzeption – zwischen dem „Gegenstand im Wie seiner Bestimmtheiten“ und dem „Gegenstand schlechthin“. Siehe Hua III/1, 303 und hier, Kap. III. 2.2.
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II. Naturalisierung der Intentionalitt?
Sinn ist168 – Auffassungssinn bzw. (Auffassungs-)Materie. Zu beachten ist also grundstzlich „die fundamentale Sonderung zwischen Inhalt als Gegenstand und Inhalt als Materie (Auffassungssinn bzw. Bedeutung)“ (Hua XIX/1, 450). Den Begriff der Auffassungsmaterie verwendet Husserl wiederum in Abgrenzung zu den mçglichen qualitativen bzw. Setzungsmodalitten eines Aktes (wie Vermuten, Fr-wahr-Halten, Wnschen, Zweifeln etc.), der sogenannten Auffassungsqualitt. 169 Festzuhalten bleibt zunchst, dass weder der intentionale Sinn (der ,Gegenstand, so wie er intendiert ist‘) noch der intentionale Gegenstand (,der Gegenstand, welcher intendiert ist‘) in allen Fllen bedeutungverleihender Akte propositional gegeben oder evaluierbar ist. Nach der vorlufigen engeren Bestimmung des intentionalen Inhalts entsprechen jedenfalls weder der Sinn noch der Gegenstand bedeutungverleihender Akte immer einer Proposition und sie lassen sich auch nicht immer in propositionale Aussagen bersetzen. Intentionale Inhalte kçnnen daher auch nicht ohne weiteres mit propositionalen Inhalten identifiziert werden. Gemß Husserls deskriptiver Theorie der Intentionalitt mssen nicht nur in Bezug auf den reprsentierenden Akt, sondern auch in Bezug auf den reprsentierenden Aktinhalt verschiedene Weisen der gegenstndlichen Beziehung eines Aktes auf einen Gegenstand unterschieden werden. Damit befasst sich Husserl eingehend in der VI. Untersuchung, dem erkenntniskritischen Kernstck der Logischen Untersuchungen. Neben den qualitativen Unterscheidungen, welche die Bezugsmodalitten bzw. Setzungsqualitten auf Seiten des Aktes bestimmen, werden dabei auf Seiten des Aktinhalts jene materiellen und formalen Aspekte unterschieden, die nicht nur zur vollen strukturellen Wesensbestimmung einer gegenstndlichen Reprsentation, sondern vielmehr zu ihrer erkenntnismßigen Funktion beitragen. So hat jeder intentionaler Aktinhalt eine materielle Komponente, nmlich die besagte Auffassungsmaterie, die den Sinn der gegenstndlichen Referenz und mithin den jeweiligen spezifischen Referenzgegenstand bestimmt.170 (Sofern also der Auffassungsmaterie die Funktion zukommt, den Sinn festzulegen, nach dem der 168 Vgl. Hua XIX/1, 416. 169 Vgl. Hua XIX/1, 425 – 431. 170 Vgl. Hua XIX/1, 429 f.: „Danach muß uns die Materie als dasjenige im Akte gelten, was ihm allererst die Beziehung auf ein Gegenstndliches verleiht, und zwar diese Beziehung in so vollkommener Bestimmtheit, daß durch die Materie nicht nur das Gegenstndliche berhaupt, welches der Akt meint, sondern auch die Weise, in welcher er es meint, fest bestimmt ist.“ Vgl. auch Hua XIX/1, 521 und Hua XIX/2, 617.
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Gegenstand intendiert wird, ist von dieser auch quivalent als vom Auffassungssinn zu sprechen.) Daneben weist jeder Aktinhalt auch einen formalen Aspekt auf, welcher die sogenannte Auffassungsform der gegenstndlichen Bezugnahme bestimmt. Die Auffassungsform gibt an, ob der Referenzgegenstand signitiv vermittelt oder intuitiv gegeben ist. Signitiv ist ein Gegenstand vermittelt, wenn er nicht oder nicht vollstndig anschaulich-intuitiv, d. i. durch perzeptuelle und eventuell imaginative oder bildlich-symbolisch vermittelte (Empfindungs-)Inhalte direkt bzw. ,leibhaftig‘ gegeben, sondern eben durch Zeichen vermittelt ist. Zu den Unterschieden in der Form einer intentionalen Auffassung gehçren also auch die reprsentationalen Unterschiede zwischen Akten der Wahrnehmung, Phantasie, Verbildlichung etc.171 Hinzu kommen jene reprsentationalen Bestimmungen des Aktinhaltes, die die sogenannten aufgefassten – signitiven oder intuitiven – Inhalte betrifft. Die betreffende inhaltliche Bestimmung gibt – neben dem gegenstndlichen Sinn der Reprsentation (die durch die Auffassungsmaterie bestimmt wird) an, welche bestimmten intuitiven oder signitiven Inhalte, das heißt vermittels welcher spezifischen Reprsentanten ein Gegenstand gegeben wird. (Wobei gilt, dass ein und derselbe intentionale Gegenstand sowie mehrere intentionale Bezugnahmen mit gleichem intentionalem Sinn (d. i. mit gleicher Auffassungsmaterie) vermittels unterschiedlicher aufgefasster Inhalte und entsprechend auch mit unterschiedlicher Auffassungsform reprsentiert werden kçnnen.) Demnach haben wir also auf Seiten des Aktes (neben den qualitativen Bestimmungen) die zwei korrespondierenden Gegensatzpaare reprsentationale Materie/Reprsentations-Form bzw. reprsentationaler Sinn/ reprsentierender Inhalt und auf der korrelativen Objekt-Seite den reprsentierten Gegenstand. 172 Rumt man nun der Differenzierung zwischen 171 Vgl. Hua XIX/2, 539 ff., 586 ff., 622 ff. Siehe dazu mehr auch im Folgenden. 172 Vgl. Hua XIX/2, 621 f. Man beachte hier folgende terminologische Differenzierung: Sofern der Aktinhalt im Sinne der materiellen Aspekte des Auffassungsinhalts fungiert (d. i. als Auffassungsmaterie), ist er als reeller Inhalt qualifiziert; vgl. Hua XIX/1, 426: „Inhalt im Sinne von Materie ist eine Komponente des konkreten Akterlebnisses […]“. Demgegenber ist der Aktinhalt, sofern seine Funktion bei der Bestimmung des Sinnes der gegenstndlichen Auffassung (d. i. als Auffassungssinn) im Vordergrund steht, als intentionaler Inhalt qualifiziert. Folglich wre es nahe liegend, die terminologische Unterscheidung zwischen Auffassungssinn und Auffassungsmaterie mit Rcksicht auf ihre Funktion bei der Vermittlung gegenstndlicher Referenz aufrechtzuerhalten und dementsprechend die inhaltsbezogene Unterscheidung zwischen (reeller) Materie und (intentionalem) Sinn funktional zu verstehen. Husserl scheint diesbezglich im Rahmen der aktorientierten Bedeutungslehre der Logischen Untersuchungen jedenfalls zwischen den
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reprsentationaler Materie und reprsentationalem Sinn mit Rcksicht auf die Form/Inhalt-Unterscheidung eine gewisse, funktionale Rolle ein, so kçnnte man den prgnanten Sinn einer mentalen Reprsentation gleichsam im idealen „Zwischenreich“ (Tugendhat 1967, 38) zwischen der reellmateriellen und der intentionalen Inhaltsseite eines Aktes verorten. Der eigentliche Sinn der Auffassung wre dementsprechend durch das Verhltnis der beiden Erlebniskomponenten, nmlich der reellen und intentionalen Materie, konstituiert.173 Folglich ist die phnomenologische Sphre der Bedeutungskonstitution im prgnanten Sinn quasi an der Schwelle zwischen engem und weitem Aktinhalt anzusiedeln.174 Hinsichtlich des intentionalen Inhalts im weiten Sinn – nmlich im Sinne des sogenannten intentionalen, bedeutungsmßigen und erkenntnismßigen Wesen eines Aktes – sind folgende Differenzierungen vorzunehmen: Ein reprsentationaler Akt im prgnanten Sinne setzt sich gemß Husserls frher Intentionalittslehre aus den drei Komponenten Qualitt, Materie und reprsentierendem Inhalt zusammen.175 Die Beziehung zwischen Materie und reprsentierendem Inhalt betrifft die Form der Auffassung. Die Einheit, die sich aus diesem Verhltnis konstituiert, kennzeichnet fr Husserl den Gehalt eines reprsentationalen Aktes im prgnanten Sinn.176 Husserl nennt diese Einheit von Auffassungsmaterie und aufgefassten Inhalten auch die „Reprsentation schlechthin“ (Hua XIX/ 2, 621). Reprsentationale Materie und reprsentierende Inhalte bilden
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beiden Bestimmungen zu schwanken. Erst die noematische Bedeutungskonzeption der Ideen I, der zufolge die beiden Bestimmungen zusammenfallen, liefert die endgltige Entscheidung zugunsten einer rein intentionalen Qualifizierung des (objektiven) Aktinhalts. Vgl. dazu auch Tugendhat 1967, 37 f.; Strçker 1987, 37 ff.; Rinofner-Kreidl 2000, 64 f., 626 ff. Die Form/Inhalt- bzw. Form/Materie-Unterscheidung innerhalb eines Auffassungsaktes bzw. innerhalb des Aktinhalts in den Logischen Untersuchungen entspricht brigens weitgehend der Unterscheidung von sensueller Hyle/intentionaler Morph innerhalb einer konkreten Noesis in den Ideen I, wobei Husserl ausdrcklich vom „prgnanten Begriff von Sinn“ spricht, welcher in der noetischen „Sinngebung“ konstituiert wird, vgl. Hua III/1, § 85, insbes. 192, 194. Smith/McIntyre 1982 nennen diesen Inhalt „phenomenological content“ und rechnen ihm einerseits eine reelle Qualitt und eine reelle Form (im weiteren Sinn von objektivierendem Charakter), andererseits eine ideelle Materie und eine ideelle Form (im weiteren Sinn von noematischen, „ideellen Gegebenheitsweisen“; vgl. Hua III/1, 233) zu; vgl. Smith/McIntyre 1982, 135 f.; zu dieser Interpretation siehe auch unten, Kap. III. 2.3. und III. 2.3. Vgl. Hua XIX/2, 620. Vgl. Hua XIX/2, 540, 623.
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also den reprsentationalen Kern objektivierender Vorstellungen. 177 Whrend nun die Auffassungsmaterie und die reprsentierenden Inhalte – im Gegensatz zum reprsentierten Inhalt, d. i. dem intentionalen Gegenstand – Teile des Aktinhalts im engeren Sinn bilden, konstituiert sich im Zusammenspiel von qualitativen Modalitten und der jeweiligen Materie der weitere reprsentationale Gehalt, nmlich das sogenannte intentionale Wesen eines Aktes. Qualitt und Materie sind dabei als notwendig zusammengehçrige, jeweils fr sich genommen bloß abstrakte Teilmomente eines jeden intentionalen Aktes zu verstehen. Der qualitative Charakter eines Aktes allein, das heißt ohne „ergnzende ,Materie‘“, reicht fr die Konstitution der Gegenstandsbeziehung nicht aus (Hua XIX/1, 452). Jeder intentionale Akt bezieht sich, vermçge seines intentionalen Wesens, in einer qualitativ und materiell bestimmten Weise auf seinen Gegenstand. Die „Weise der gegenstndlichen Beziehung“ befasst folglich zwei Aspekte: einerseits den Sinn des Bezugs, anderseits ihre qualitative Modalitt (vgl. Hua XIX/1, 429 f.). Handelt es sich um rein signitive Bedeutungsintentionen, so bestimmt die Auffassungsmaterie das sogenannte bedeutungsmßige Wesen des Aktes, d. i. den idealen Sinn der gegenstndlichen Auffassung bzw. die ,Bedeutung, so wie sie intendiert ist‘.178 Im Falle reiner Bedeutungsintentionen, d. i. Akten ohne begleitende Anschauung bzw. ohne anschauliche Erfllung, wird der Bezug allein durch signitive Inhalte konstituiert. Diese kçnnen eine propositionale Form annehmen (wie im Falle eines Urteils oder der sogenannten kategorialen Anschauungen); signitive Inhalte kçnnen aber genauso gut nominale Gegenstnde zur Gegebenheit bringen.179 Im Falle reiner Wahrnehmungsintentionen demgegenber ist der Bezug allein durch die Auffassung nichtpropositionaler, sinnlich gegebener Empfindungsinhalte konstituiert.180 Neben dem bedeutungsmßigen und dem intentionalen Wesen eines Aktes macht Husserl ferner eine fr die epistemologische Funktion intentionaler Bezugnahme zentrale Bestimmung des reprsentationalen Gehalts geltend, nmlich den intentionalen Inhalt im Sinn des sogenannten erkenntnismßigen Wesens eines Aktes.181 Das erkenntnismßige 177 Siehe Husserls engste Begriffsbestimmung der „Vorstellung als Aktmaterie“, Hua XIX/1, 521. 178 Vgl. Hua XIX/1, 431 ff. 179 Siehe dazu mehr unten, hier unter Punkt 2. und 4. 180 Vgl. u. a. Hua XIX/1, 395 – 400. 181 Husserl unterscheidet also das ,bedeutungsmßige‘ sowohl vom ,erkenntnismßigen‘ als auch vom ,intentionalen Wesen‘ bedeutungverleihender Akte. Letzteres konstituiert sich durch die Einheit des Auffassungssinnes und der Set-
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Wesen des Aktes ist eine Bestimmung des Aktes hinsichtlich der „fr die Erkenntnisfunktion in Betracht kommenden“ drei inhaltlichen „Komponenten“ eines Aktes, nmlich hinsichtlich der Auffassungsqualitt, der Auffassungsmaterie und dem Anteil an intuitiven aufgefassten reprsentierenden Inhalten (vgl. Hua XIX/2, 625). Letzterer wird, wie wir gesehen haben, durch die Auffassungsform angezeigt, die angibt, ob ein Gegenstand signitiv oder intuitiv gegeben, d. i. ob der referenzielle Bezug vermittels sinnlicher Empfindungsinhalte und/oder vermittels symbolischer, sprachlicher oder bildlicher Zeichen konstituiert wird. Ein intentionaler Gegenstand kann, wie bereits bemerkt, durch signitive und/oder durch sogenannte „intuitiv reprsentierende Inhalte“ gegeben sein. Dementsprechend handelt es sich auf Seiten des Aktes um sogenannte „signifikative“ oder „intuitive Reprsentationen“, wobei Letztere wiederum je nach dem Anteil an signifikativen Reprsentanten als „unreine“ und „reine Intuitionen“ zu unterscheiden sind (vgl. Hua XIX/2, 620 ff.). Rein intuitive Reprsentationen zeichnen sich dadurch aus, dass das Verhltnis zwischen reprsentiertem Gegenstand und dem Reprsentanten ein intrinsisches ist, der allein durch den intuitiven Gehalt der Reprsentation selbst – und also nicht durch etwas der aktuellen Intention Extrinsischem – bestimmt ist. Die rein sinnlichen Empfindungsinhalte (gewçhnlich gemischter bzw. unreiner) ußerer Wahrnehmungen nennt Husserl auch den „,rein perzeptiven‘ Gehalt“ (Hua XIX/2, 590). Die ußere (Ding-)Wahrnehmung selbst kennzeichnet er in Abgrenzung zu dem gewçhnlich enger gefassten Begriff der verschiedenen Formen von Reprsentationen (Imagination, Bildwahrnehmung, Erinnerung etc.) auch als „perzeptive Prsentation“ (Hua XIX/2, 608 f.). Vom Grad des Anteils an perzeptivem Gehalt in einem intentionalen Akt (sei es eine schlichte Dingwahrnehmung zungsqualitten, whrend das bedeutungsmßige Wesen hinreichend durch den Auffassungssinn eines Ausdrucks bestimmt wird. Husserl relativiert diese Differenzierung jedoch spter, indem er erwgt, die qualitativen Modalitten in das bedeutungsmßige Wesen zu integrieren, und spricht in diesem Sinne auch von „qualifizierten und unqualifizierten Bedeutungen“. Dementsprechend wre wohl auch eine Relativierung der Gleichsetzung der Termini ,Bedeutung‘ und ,Materie‘/ ,Auffassungssinn‘ in der V. Untersuchung (§ 21) vorzunehmen, wobei die Bedeutung eines objektivierenden Aktes durch die Setzungsqualitten – wenn auch nicht durch die bedeutungsneutralen Erfllungsmodalitten – als ko-determiniert aufgefasst werden msste. Husserl ist diesbezglich jedenfalls in den Logischen Untersuchungen nicht eindeutig. Vgl. Hua XIX/1, 431 ff. und XIX/2, 617 f., 625. Vgl. dazu Tugendhat 1967, 43 (Anm. 48). Die noematische Bedeutungskonzeption der Ideen I ist diesbzgl. brigens auch nicht wesentlich aufschlussreicher, siehe dazu mehr unten, Kap. III. 2.2.
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oder ein komplexes (Wahrnehmungs-)Urteil) hngt es ab, ob und inwieweit der intendierte Sinn eines Aktes erfllt wird. Und der Erkenntnischarakter eines intentionalen Aktes hngt wesentlich vom Grad der anschaulichen Flle des Aktes ab:182 Die Reprsentanten sind es, die den Unterschied zwischen „leerer“ Signifikation und voller Intuition ausmachen, ihnen wird die „Flle“ verdankt, weshalb sie geradezu den Wortsinn von Flle bestimmten. Nur die intuitiven Akte bringen den Gegenstand zur „Erscheinung“, zur „Anschauung“, nmlich dadurch, dass ein Reprsentant da ist, den die Auffassungsform als Analogon oder als das Selbst des Gegenstandes auffaßt. (Hua XIX/2, 700)
Der Aspekt der jeweiligen Flle eines Aktes, und mithin sein erkenntnismßiges Wesen, bildet also – neben dem engeren intentionalen Inhaltsbegriff von intentionalem Sinn und Gegenstand und zusammen mit dem bedeutungsmßigen und intentionalen Wesen – den weiteren Begriff des intentionalen Inhalts: Im Sinne dieses inhaltlichen Erfllungsgrades kennzeichnet die Auffassungsform bzw. der Anteil an aufgefassten intuitiven Inhalten das erkenntnismßige Wesen intentionaler Akte. Was die jeweilige Auffassungsform eines intentionalen Aktes selbst determiniert, lsst sich weder mit Rekurs auf den Auffassungsakt noch auf die aufgefassten Inhalte evaluieren. Die Auffassungsform ist keine determinierende Eigenschaft, sondern ein irreduzibler, deskriptiver Charakter intentionaler Akte. Sie ist allein mit Rekurs auf das jeweilige, faktisch vollzogene intentionale Erlebnis als Zusammenspiel ebendieser verschiedener inhaltlichen Aspekte nher zu bestimmen.183 2) Intentionale Inhalte sind keine symbolischen Stellvertreter realer Gegenstnde oder Sachverhalte. Rein signitive Akte ohne begleitende Anschauung entbehren des epistemisch relevanten Aktcharakters der Erfllung. Erst durch die Erfllung durch einen perzeptiven (oder evtl. bildlichreprsentierenden oder imaginativen) Inhalt wird den signifikativen Intentionen jener Aktcharakter verliehen, welcher fr die Konstitution der 182 Husserl unterscheidet wiederum drei Momente an Gradualitt der intuitiven Erfllung eines Aktes: den Umfang, die Lebendigkeit und den Realittsgehalt an gegenstndlicher Flle; siehe Hua XIX/2, 614. 183 Siehe Hua XIX/2, 623: „Fragt man nun schließlich, was es macht, daß derselbe Inhalt im Sinne derselben Materie einmal in der Weise des intuitiven, das andere Mal in der des signitiven Reprsentanten aufgefaßt werden kann, oder worin die verschiedene Eigenart der Auffassungsform besteht, so vermag ich darauf eine weiterfhrende Antwort nicht zu geben. Es handelt sich wohl um einen phnomenologisch irreduktiblen Unterschied.“
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eigentlichen Erkenntnisfunktion eines Aktes notwendig ist. Husserl rumt mithin den intuitiven ein erkenntnistheoretisches Primat vor den signifikativen Akten ein.184 Doch das erkenntnistheoretische Primat intuitiver Intentionen verpflichtet Husserl keineswegs zu einer Art (subjektivistischem) Intuitionismus oder (psychologistischem) Phnomenalismus und steht, wie immer wieder betont werden muss, auch nicht im Gegensatz zur antipsychologistischen Bedeutungslehre der Prolegomena. Dies wird insbesondere an Husserls scharfer Kritik der erkenntnistheoretischen Bild-, Zeichen- bzw. Reprsentationstheorie deutlich.185 In Zusammenhang mit einer phnomenologischen Kritik an Reprsentationalen Theorien der Intentionalitt (RTI) sind zwei Argumentationslinien von besonderem Interesse. Beide haben unmittelbar mit der Frage nach der Struktur intentionaler Inhalte zu tun. Die Tatsache nmlich, dass die erkenntnismßige Vorrangstellung intuitiver Intentionen und ihrer Inhalte Husserl nicht zu einem subjektivistischen Intuitionismus verpflichtet, ist zum einen der allgemeinen Unterscheidung zwischen reellen und intentionalen Inhalten innerhalb der Gesamtklasse der (objektivierenden) Vorstellungen geschuldet; zum anderen beruht sie auf der Zurckweisung jener reprsentationalistischen Konzeption, welche den Unterschied zwischen reellen und intentionalen Aktinhalten als ein Verhltnis symbolischzeichenhafter Stellvertretung oder Abbildung deutet bzw. den phnomenologisch-deskriptiven Unterschied zwischen den beiden Inhaltsmomenten zu einem ontologisch-realen Unterschied zwischen ,wirklichen‘ und ,bloß intentionalen‘ Gegenstnden von ,inneren‘ Vorstellungen transformiert. Dem frhen Husserl zufolge ist jeder intentionale Akt im eigentlichen Sinne (in Abgrenzung zur weiter gefassten Obergattung „psychischer Erlebnisse“, welche auch nicht-intentionale, gleichwohl psychische Erlebnisse, wie Gefhle, Empfindungen etc. beinhaltet186) entweder selbst eine Vorstellung oder in einem oder mehreren Vorstellungsakt(en) fundiert (vgl. Hua XIX/1, 475, 479). Das wesentliche Merkmal intentionaler Akte, ihr Gegenstandsbezug, ist gemß des Auffassungsmodells der Logischen Untersuchungen also dadurch gekennzeichnet, dass gegenstndliche Intentionen sich auf ihre Gegenstnde „in der Weise der Vorstellung oder in 184 Siehe dagegen zum logischen Primat der signitiven Intentionen bei Husserl, siehe Rinofner-Kreidl 2000, 82 f. 185 Vgl. dazu Zahavi 1994; eine Darstellung der historischen Entwicklung der Reprsentationstheorie und der Bild/Zeichen-Theorie der Wahrnehmung (von Locke bis Helmholtz) und Husserls Kritik daran findet sich bei Rang 1977 und detaillierter in Rang 1990, 183 – 222. 186 Vgl. Hua XIX/1, 382 f., 402 – 410, 443 ff. Siehe dazu genauer oben, Kap. I. 3.
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einer irgend analogen Weise“ beziehen (Hua XIX/1, 392), das heißt, sie „machen ein Gegenstndliches […] ,vorstellig‘“ (Hua XIX/1, 480). Entsprechend heißen jene Akte innerhalb der umfassenden „Gesamtklasse der intentionalen Erlebnisse“, welche diesen spezifischen referenziellen AktCharakter haben, in der V. Logischen Untersuchung (§§ 37, 38) auch Vorstellungen. Es ist wichtig, diese Rede nicht misszuverstehen: Der Gegenstand, der in einem intentionalen Vorstellungsakt gegeben ist, ist keineswegs ,bloß vorgestellt‘ oder inner-mental reprsentiert, sondern vielmehr als Gegenstndlichkeit aufgefasst, d. i. bewusstseinsmßig ,prsentiert‘. Intentionale Akte, die selbst Vorstellung sind, sind fr Husserl intentionale Erlebnisse wie Wahrnehmung, Erinnerung, Erwartung oder Phantasie, whrend Akte, die auf solchen grundlegenden (Basis-)Vorstellungen beruhen, insbesondere (komplexe oder einfache) prdikative bzw. propositionale Urteile, aber auch propositionale Einstellungen, wie Wnsche etc. sind. Innerhalb der spezifischen Klasse intentionaler Akte, die Bedeutungsintentionen sind, differenziert Husserl analog zwischen nominalen Vorstellungen und (propositionalen) Urteilen. Erstere sind solche, die (schlichten, einstrahligen) Vorstellungen bzw. Anschauungen entsprechen, whrend Letztere (komplexe) Urteile sind, die mindestens einen Namen enthalten und selbst in schlichten Vorstellungen fundiert sind (vgl. Hua XIX/1, 479).187 Mit seinem Konzept von intentionalen Akten, die entweder Vorstellungen sind oder in diesen fundiert, stimmt Husserl in den Logischen Untersuchungen zunchst Brentanos (1874) Bestimmung der Klasse der sogenannten ,psychischen‘ in Abgrenzung zu den ,physischen Phnomenen‘ grundstzlich zu.188 Eines der Hauptkriterien fr die Bestimmung psychischer Phnomene bei Brentano bildet ja bekanntlich die Annahme, dass jedes intentionale Erlebnis entweder eine Vorstellung (im Sinne des 187 Vgl. Hua XIX/1, 521 bzw. Hua XIX/2, § 42. Zu den 13 (!) verschiedenen, meist quivok gebrauchten Vorstellungs-Begriffen, die Husserl unterscheidet, siehe insgesamt den § 44. der V. Untersuchung (vgl. Hua XIX/1, 520 – 527). Im vorliegenden Zusammenhang ist zunchst nur wichtig zu beachten, dass der engere Begriff der ,Reprsentation‘ von dem allgemeinen Vorstellungs-Begriff deutlich abgegrenzt ist. Eine Klassifizierung der verschiedenen Vorstellungs-Begriffe hat Husserl bereits frher (ab 1893/94) unternommen und dabei insbesondere die beiden Hauptklassen, nmlich Vorstellungen als Vergegenwrtigungen/Reprsentationen im engeren Sinn und Vorstellungen als Anschauungen unterschieden, vgl. Hua XXII, 107 ff., 283 f., 406 – 411. 188 Vgl. Hua XIX/1, 382 ff. Siehe dazu Brentano 1874 (insbes.: 109, 112 – 120, 136) und oben, Kap. I. 4.
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Aktes der Vorstellung) ist oder aber – wie im Falle der Gefhle, Empfindungen etc. – auf einem Vorstellungsakt beruht.189 Brentanos zweites Hauptkriterium der sogenannten „intentionalen (oder mentalen) Inexistenz eines Gegenstandes“, wonach der Gegenstand eines intentionalen Aktes im Bewusstsein reell beschlossen sei oder ,psychisch einwohnte‘, lehnt Husserl jedoch ebenso strikt ab wie Brentanos weitere Bestimmung, wonach psychische Phnomene „ausschließlicher Gegenstand der inneren Wahrnehmung [sind], ja sie allein im strengen Sinne des Wortes [wahrgenommen werden]“, bzw. seine Folgerung, dass darum allein diesen „außer der intentionalen auch wirkliche Existenz zukomme“ (Brentano 1874, 137).190 Ausgehend von der kritischen Auseinandersetzung mit Brentanos Intentionalittslehre von 1874,191 warnt Husserl allgemein vor zwei Missdeutungen bezglich des Verhltnisses zwischen intentionalem Akt und intentionalem Gegenstand auf der einen und dem intentionalen Gegenstand (bzw. Inhalt) und dem realen Gegenstand auf der anderen Seite. Husserl wehrt erstens die „Mißdeutung [ab], als ob das Bewußtsein auf der einen und die bewußte Sache auf der anderen Seite in einem realen Sinne zueinander in Beziehung treten wrden“ (Hua XIX/1, 389) und, zweitens, „dass es sich [beim] Verhltnis zwischen […] Akt und intentionale[m] Objekt […] um so etwas wie eine Ineinanderschachtelung eines psychischen Inhalts in den anderen [handle]“ (Hua XIX/1, 385). Husserl wendet sich hier einerseits gegen die moderne psychologistische Variante der klassisch phnomenalistischen Theorie der Wahrnehmung (wie sie paradigmatisch bei Locke und Berkeley vorliegt), welche dem mentalen Vorstellungsakt die Funktion einer Abbildung oder Stellvertretung eines (als real supponierten) ußeren Gegenstandes zuspricht und dabei den Vorstellungsinhalt als symbolisch-zeichenhaften oder bildlichen Reprsentanten einer außer-mentalen Wirklichkeit auffasst.192 Andererseits betrifft 189 Vgl. auch Brentano 1874, 139. 190 Vgl. auch Brentano 1874, 128 ff. 191 Sofern Husserls Darstellung sich ausschließlich auf die frhere Intentionalittstheorie der Psychologie vom empirischen Standpunkt bezieht, die Brentano spter modifiziert hatte, ist Husserls Kritik an seinem Lehrer mitunter einseitig. Vgl. dazu u. a. Brentanos Nachtrgliche Bemerkungen zur zweiten Auflage des II. Bandes seiner Psychologie von 1911 (Brentano 1874, 133 ff.). Siehe dazu auch B. Smith 1994a, 165 f. 192 Zu Husserls Kritik an Locke und Berkeleys phnomenalistischer Reprsentationstheorie siehe Hua XIX/1, 179 – 188 und insbes. Hua XIX/1, 371: „Es ist das fundamentale Gebrechen der phnomenalistischen Theorien, daß sie zwischen der
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Husserls Einwand die mit dieser phnomenalistischen Auffassung der intentionalen Beziehung meist einhergehende – und dem Psychologismus notwendig inhrente – Vermengung der „psychologisch-realen“ (Hua XIX/ 1, 385) und der intentionalen Inhaltskomponenten von Vorstellungsakten. Husserl zufolge beruht sowohl die Annahme eines reprsentationalistischen Abbildungsverhltnisses zwischen innerem Reprsentanten und ußerem Gegenstand als auch die einer inner-psychologischen ,Verschachtelung‘ von Akt und Gegenstand flschlicherweise auf der Auffassung, wonach ein Vorstellungsgegenstand in einem Verhltnis realen Beschlossenseins zu einem Vorstellungsakt stnde. In Zusammenhang mit dem Problem genuin bildlicher Vorstellung bzw. Imagination weist Husserl zudem auf den allgemein regressiven Charakter reprsentationalistischer Theorien der Referenz hin, welche die Konstitution der Beziehung zwischen Akt und Gegenstand durch die Vermittlungsfunktion irgendwelcher innerer/mentaler Reprsentanten (Bilder, Zeichen etc.) begrndet sehen. Die Begrndung der ,referenziellen Kraft‘ der Intentionalitt durch solche mentale Stellvertreter ist insofern regressiv, als dieses Modell die Determination der jeweiligen Stellvertreter wiederum nur durch die Annahme immer hçherstufiger (mentaler) Reprsentanten erklren kann – und somit an der Erklrung der referenziellen Beziehung zwischen mentalem Reprsentationsakt und nicht-mentalem Reprsentandum, d. i. dem realen Gegenstand, letztlich notwendig scheitern muss. Die Charakteristik des real-psychologischen Beschlossen- oder „Enthaltenseins“ (Hua XIX/1, 388) bezieht sich – entgegen phnomenalistischpsychologistischen Vermengungen – gemß der husserlschen Konzeption ausschließlich auf die reell-reprsentierenden Auffassungs- oder Empfindungsinhalte. Reelle Inhalte sind als die realen Konstituenten intentionaler Referenz zu charakterisieren. Doch weder die intentionalen Inhalte noch die intentionalen Bezugsgegenstnde sind in Bezug auf das „altberlieferte“ – reprsentationalistische – „Schema: innerlich bewußtes Bild – außerbewußtes An-sich-sein“ (Hua XIX/1, 387, Anm.) berhaupt qualifizierbar. Sie ben weder eine stellvertretende noch eine abbildende Funktion in der
Erscheinung, als intentionalem Erlebnis, und dem erscheinenden Gegenstand (dem Subjekt der objektiven Prdikate) nicht unterscheiden und daher die erlebte Empfindungskomplexion mit der Komplexion gegenstndlicher Merkmale identifizieren.“ Siehe auch Hua VI, 27 f. (Anm.).
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Beziehung zwischen Bewusstsein und ,Außenwelt‘ aus.193 Die entsprechende berhmte Passage bei Husserl lautet pointiert: […] der „immanente“, „mentale“ Gegenstand gehçrt also nicht zum deskriptiven (reellen) Bestande des Erlebnisses, er ist also in Wahrheit gar nicht immanent oder mental. Er ist freilich auch nicht extra mentem […]. Sind die sogenannten immanenten Inhalte vielmehr bloß intentionale (intendierte), so sind andererseits die wahrhaft immanenten Inhalte, die zum reellen Bestande der intentionalen Erlebnisse gehçrigen, nicht intentional: sie bauen den Akt auf, ermçglichen als die notwendigen Anhaltspunkte die Intention, aber sie sind nicht selbst intendiert, sie sind nicht selbst die Gegenstnde, die im Akt vorgestellt sind. Ich sehe nicht Farbempfindungen, sondern gefrbte Dinge, ich hçre nicht Tonempfindungen, sondern das Lied der Sngerin etc. (Hua XIX/1, 387)
Ebenso wenig wie der intentionale Inhalt – weder im Sinne der Auffassungsmaterie noch im Sinne des intentionalen Gegenstandes – real-psychologischer (reeller) Bestandteil des Aktes der Bezugnahme ist, ebenso wenig ist man im Vollzug einer mentalen Reprsentation auf die reprsentierenden (reellen) Inhalte gerichtet. Der ,referenzielle Pol‘ einer intentionalen Bezugnahme steht in keinem Verhltnis reellen Beschlossenseins zum Referenzakt selbst und ist in diesem freilich auch nicht selbst enthalten. Ein intentionaler Akt bezieht sich also – abgesehen vom Sonderfall der inneren Wahrnehmung – niemals reflexiv auf sich selbst bzw. seine (reell oder intentional) immanenten Inhalte, sondern ist wesensmßig durch die Akt-transzendierende Gerichtetheit auf den intentionalen Ge193 In diesem Zusammenhang ist auf einen neueren Beitrag von T. M. Naberhaus (2006) hinzuweisen, der zufolge Husserl kein stichhaltiges Argument gegen die Reprsentationstheorie der Wahrnehmung aufzubieten habe. Naberhaus meint, m. E. durchaus nicht ganz zu Unrecht, dass Husserls bloße wiederholte Feststellung, wonach die Reprsentationstheorie flschlicherweise die intentionalen Gegenstnde der Bezugnahme gleichsam verdoppeln wrde (nmlich in einen realen und einen ,bloß‘ intentional prsentierten), und seine entsprechende „identity thesis“ (Naberhaus 2006, 49) in Bezug auf den intentionalen und den realen Gegenstand fr sich genommen kein Argument gegen den Reprsentationalisten sei. Allerdings, so Naberhaus, lsst sich auf der methodologischen Grundlage der Phnomenologie durchaus gegen reprsentationalistisch-dritt-personale Interpretationen der erst-personalen Gegebenheiten von intentionalen Erfahrungen argumentieren. Naberhaus fhrt dabei Husserls berhmtes „Prinzip aller Prinzipien“ in den Ideen I ins Treffen, wonach nmlich „jede originr gebende Anschauung eine Rechtsquelle der Erkenntnis sei, daß alles, was sich uns in der ,Intuition‘ originr (sozusagen in seiner leibhaften Wirklichkeit) darbietet, einfach hinzunehmen sei, als was es sich gibt, aber auch nur in den Schranken, in denen es sich da gibt […]“ (Hua III/1, 51).
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genstand selbst gekennzeichnet. Nichts anderes meint, wenn Husserl schreibt, dass „im phnomenologischen Wesen des Bewußtseins in sich selbst alle Beziehung auf seine Gegenstndlichkeit beschlossen ist und nur darin prinzipiell beschlossen sein kann, und zwar als Beziehung auf eine ,transzendente‘ Sache“ (Hua XIX/1, 437). 3) Die (ideale) Korrespondenz zwischen Intention und intendiertem Gegenstand ist nicht mit der Beziehung zwischen propositionalen Aussagen und nicht-propositionalen (realen) Gegenstnden oder Tatsachen gleichzusetzen. Erkenntnis ist fr Husserl durch die Beziehung zwischen intendiertem und erfllendem Sinn bestimmt. Das erkenntnistheoretische Ideal der phnomenologischen Intentionalittstheorie bildet die adquate Wahrnehmung, bei der es sich um ein vollstndiges „Verhltnis der Deckung“ (Hua XIX/1, 605) zwischen intendierter Bedeutung und dem Gegenstand selbst bzw. zwischen gemeintem und gegebenem Gegenstand handelt.194 Reprsentierender und reprsentierter Inhalt bzw. Gegenstand fallen hier zusammen.195 Besteht (idealiter) ein solches Deckungsverhltnis, so handelt es sich auf Seiten des Gegenstandes um eine Selbstdarstellung oder Selbstgegebenheit, whrend auf Seiten des Aktes von einer adquaten „Erfllungssynthesis“ (Hua XIX/2, 651) zu sprechen ist. In einem Akt adquater Erfllungssynthesis ist das erkenntnismßige Wesen eines Aktes sozusagen voll ausgeschçpft. Das „Ideal der Flle“ (Hua XIX/2, 607), das dabei erreicht wird, ist fr Husserl nur ein anderer Name fr Evidenz, whrend die Seinsweise des gegenstndlichen Korrelates der Evidenz nichts anderes ist als Wahrheit (qua wahrhaft Seiendes).196 Sofern Evidenz im Vollzug einer adquaten Erfllungssynthesis gegeben bzw. realisiert wird, 194 Vgl. Hua XIX/2, 597 f., 614, 625, §§ 36 f. 195 Vgl. Hua XIX/2, 647. 196 Zu den vier verschiedenen, akt- und gegenstandsbezogenen Wahrheitsbegriffen, welche Husserl unterscheidet – nmlich: Wahrheit 1. als Identitt zwischen Gemeintem und Gegebenem, 2. als ideales Deckungsverhltnis zwischen den erkenntnismßigen Wesen der bezglichen Akte, 3. als wahrhaft Seiendes bzw. als das Gegenstndliche in der Gegebenheitsweise der idealen Flle und 4. als Richtigkeit der Intention –, vgl. Hua XIX/2, § 39. Eine konzise Darstellung der deskriptivphnomenologischen Wahrheitstheorie findet sich auch in der Vorlesung Allgemeine Erkenntnistheorie von 1902/03, siehe insbes. Hua Mat III, 132 ff. In Formale und transzendentale Logik unterscheidet Husserl dann zwei Wahrheitsbegriffe: 1. den „kritischen Begriff von Wahrheit“ als (begrndete) Richtigkeit einer Urteilsintention und 2. Wahrheit als „Seinswahrheit“, d. i. wirkliches (reales) „Korrelat der selbstgebenden Evidenz“, vgl. Hua XVII, § 46. Siehe dazu: RinofnerKreidl 2000, 111 – 118; Soffer 1991, 79 und Tugendhat 1967, 88 – 106.
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wird Wahrheit als bereinstimmung zwischen sinnverleihendem und sinnerfllendem Akt selbst evident erlebt. Evidenz ist jedoch kein reellpsychologisches Charakteristikum einer besonderen Klasse von (veritativen) Akten. Der Wahrheitsgehalt eines Aktes der Evidenz darf nicht mit dem deskriptiven Gehalt ein solchen Aktes selbst, den Husserl zuweilen als „Evidenzerlebnis“ charakterisiert, verwechselt werden (Hua I, 95; Hua XVII, 159). Ebenso wenig entspricht den Akten, welche hinsichtlich ihres erkenntnismßigen Wesens als Evidenzerlebnisse charakterisiert sind, eine ausgezeichnete ontologische Klasse gegenstndlicher Gegebenheiten (etwa eine Klasse ,evidenter Gegebenheiten‘). Flle, Evidenz und Wahrheit sind jene drei korrelativen Modi des erkenntnismßigen Wesens intentionaler Erlebnisse, welche einem Akt allein hinsichtlich seiner Funktion als einer intentionalen adaequatio rei et intellectus zugeschrieben werden kçnnen.197 Die Korrespondenz, die in einer Erfllungssynthesis realisiert wird, hat nicht zwischen einem Akt und einem diesen Akt transzendierenden (ußeren) Gegenstand statt, sondern zwischen den verschiedenen intentionalen Aktcharakteren, welche das erkenntnismßige Wesen bestimmen, und dem darin zur Gegebenheit kommenden, ideal-identischen intentionalen Inhalt.198 Wir haben es bei Husserl also mit einer intentionalistischen Transformation der metaphysischen Adquationslehren bzw. der blichen Korrespondenztheorien der Wahrheit zu tun. Das hat wiederum weitreichende Konsequenzen fr die Bestimmung des Verhltnisses zwischen intentionalem und propositionalem Inhalt. Entsprechend dem phnomenologischen Evidenzkriterium ist Husserls Begriff der Erfllung kein extensionaler Begriff; insofern ist er auch gegen die Schwierigkeiten immun, denen etwa D. Davidson die traditionellen Korrespondenztheorien der Wahrheit ausgesetzt sieht. Davidson hat in einer Reihe von Schriften (etwa Davidson 1969, 1974b, 1977) deutlich gemacht, dass jene Korrespondenztheorien, welche Wahrheit als eine Eigenschaft fassen, die durch die bereinstimmung oder Abbildung zwischen Propositionen und (nicht-propositionalen) Tatsachen erklrt wird, mit einem Dilemma konfrontiert sind, das er das „Dilemma“ oder auch „Paradox der Bezugnahme“ nennt (Davidson 1977, 314 f.). Kurz gefasst, besteht dieses Dilemma darin, dass man entweder den Begriff der 197 Vgl. Hua XIX/2, 647, 651 f. und Hua III/1, § 136. 198 Husserl spricht in diesem Zusammenhang von der „idealen Immanenz“ im Unterschied zum „reellen Moment des Evidenz- und Bewhrungserlebnisses“ (Hua I, 95).
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Erfllung/bereinstimmung nicht erklren kann, ohne auf einen semantischen Begriff der Wahrheit rekurrieren zu mssen, oder aber jener Eigenschaft, die den „Begriff des Wahrseins“ erklren soll, „nichts Verstndliches hinzufg[en]“ kann, sobald man von den semantischen und referenziellen Merkmalen abstrahiert, die eine Aussage wahr machen (Davidson 1974, 275). Husserl geht es weder um die Angabe bestimmter Kriterien, welche veritative Urteile erfllen mssen, noch wie Davidson darum, den rein formalen Begriff der Wahrheit nach dem Modell der tarskischen Wahrheitsdefinition (Tarski 1935) unter Verzicht auf den regressiven Begriff der Bezugnahme gleichsam mit empirischem „Belegmaterial“ zu versehen (Davidson 1977, 316 ff.).199 Husserls intentionalistische Korrespondenztheorie der Wahrheit ist nicht auf das Verhltnis zwischen der semantisch evaluierbaren Struktur propositionaler Akte und der in ihnen ausgedrckten Propositionen, also auf die formal-semantische Rechtfertigungsstruktur von Stzen beschrnkt, sondern umfasst die Analyse der mçglichen Korrelationsverhltnisse zwischen verschiedenen Akttypen und ihren jeweiligen Gegenstandstypen und -bereichen. Husserl ist also weder an einer semantischen Theorie der Wahrheit interessiert, noch geht es ihm um eine formale Bestimmung des Wahrheitsbegriffs. Insofern ist auch Husserls Begriff der Evidenz nicht als ein formales Wahrheitskriterium zu fassen, den bestimmte propositionale Akten entweder entsprechen bzw. das sie erfllen oder nicht, sondern als funktionaler Begriff der Analyse der jeweiligen erkenntnistheoretisch relevanten Typen der aktspezifischen Gegebenheit eines Gegenstandes. Die erkenntnistheoretisch relevanten Gegebenheitsweisen (wie ,wahr‘, ,richtig‘) und ihre ontologischen Gegenpaare (wie ,existierend‘, ,bestehend‘) kommen also Gegenstnden oder Sachverhalten nur qua Gegenstnden oder Inhalten intentionaler Akte zu – und nicht als Eigenschaften, welche die Beziehung zwischen propositionalen Akten und (von diesen unabhngig bestehenden) Tatsachen epistemisch spezifizieren. 4) Intentionale Akte sind nicht identisch mit propositionalen Akten. Sie sind weder in propositionalen (Existenzial-)Urteilen fundiert noch haben sie pro199 Davidson vertritt eine Position, welche bestimmte Elemente der tarskischen semantischen Korrespondenztheorie mit einer Kohrenztheorie der Wahrheit verbindet. Davidson zufolge ist Wahrheit „keine Eigenschaft von Stzen, sondern eine Beziehung zwischen Stzen, Sprechern und Zeitpunkten“ (Davidson 1969, 77). G. Soffer sieht brigens bei Husserl eine Art Mischform zwischen Kohrenz- und Korrespondenztheorien der Wahrheit am Werk, vgl. Soffer 1991, 79 ff.
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positionale Inhalte zu ihrem Gegenstand. Dass Husserl keine Theorie propositionaler Einstellungen im Sinne des Propositionalismus hat, bedeutet, wie bereits erwhnt, mitnichten, dass er keine Theorie propositionaler (Urteils-)Akte htte. Husserls umfangreichen Analysen zur propositionalen und nicht-propositionalen Aspekten von intentionalen Akten wird vor dem Hintergrund seiner Konzeption der sogenannten objektivierenden Akte verstndlich. Die Unterscheidung von objektivierenden und den nicht-objektivierenden intentionalen Akten ist fr Husserls frhere Bedeutungs- und Intentionalittstheorie von eminenter Bedeutung, wurde von Husserls selbst jedoch etwas undurchsichtig und insgesamt stiefmtterlich behandelt.200 Objektivierende Akte bilden eine Grundgattung intentionaler Erlebnisse, die sowohl nominale als auch propositionale Akte umfasst und durch eine einheitliche intentionale Auffassungs- bzw. Akt-Qualitt bestimmt wird.201 Das gemeinsame qualitative Wesensmerkmal objektivierender Akte ist, dass sie den Gegenstand, den sie prsentieren bzw. ,vorstellen‘, sozusagen mit einer existenzialen Qualifikation, nmlich der Modalitt ,als seiend‘ bzw. ,als bestehend‘, versehen. Objektivierende Akte sind also durch eine spezifisch thetische Qualitt bestimmt, nmlich durch ihren sogenannten „Setzungscharakter“. Nun warnt Husserl ausdrcklich vor der (propositionalistischen) Tendenz, alle objektivierenden Akte als propositionale Urteile oder auch als propositionale berzeugungen (beliefs) aufzufassen (vgl. Hua XIX/1, 513).202 Der Unterschied zwischen setzenden/objektivierenden und nicht-
200 Fr eine klare Darstellung vgl. auch Mayer/Erhard 2008. 201 Vgl. Hua XIX/1, 499 ff. und 521. Zur Terminologie ist Folgendes zu bemerken: Die Begriffe „nominale Akte“, „Nennungen/Namen“, „nominale Ausdrcke“ oder auch „attributive Nennungen“ umfassen bei Husserl semantische Entitten, die die Rolle von jenen singulren Termini einnehmen, die Kennzeichnungen (wie der ,Kaiser von Deutschland‘, ,der soeben vorfahrende Minister‘ etc.) sind. Daneben kennt Husserl freilich auch andere semantische Kategorien und behandelt prominent insbesondere die sog. „wesentlich okkasionellen Ausdrcke“ wie Konstruktionen mit Demonstrativ- oder Personalpronomina etc. (vgl. Hua XIX/1, §§ 26 ff.; siehe dazu mehr unten, Kap. III. 2.5.) Zu beachten ist allgemein Husserls Hinweis im Vorwort zur zweiten Auflage der Logischen Untersuchungen, wo er sich selbst vorwirft, „allzu konservativ“ gewesen zu sein, „insofern [er] den ganz unpassenden Terminus ,nominale Vorstellungen‘ beibehielt“ (Hua XVIII, 15). Siehe dazu auch Tugendhat 1976, 146 ff. 202 Husserl kennt – anders als in der heute vorherrschenden Standardauffassung – auch nicht-propositionale berzeugungen; siehe dazu Hua XIX/1, 521, wo Husserl zur
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setzenden/nicht-objektivierenden Intentionen ist vielmehr parallel, oder besser, orthogonal zu jenem zwischen nominalen Bedeutungsintentionen und propositionalen Akten, also ,Urteilen‘ im eigentlichen Sinne. Nominale und propositionale Akte sind – sofern sie ihre jeweiligen Gegenstnde vorstellen und als seiende/bestehende setzen – beide objektivierende Akte. Umgekehrt kçnnen sowohl nominale als auch propositionale Akte jeweils objektivierend oder nicht-objektivierend vollzogen werden (vgl. Hua XIX/ 1, 499). Ein objektivierender nominaler Akt wre etwa eine auf sinnliche Wahrnehmung aufbauende Intention, die den betreffenden Wahrnehmungsgegenstand als seienden setzt bzw. vermeint, whrend ein nichtobjektivierender etwa dieselbe nominale Akt-Materie bloß vorstellt, ohne zu seiner Existenz irgendwie Stellung zu beziehen, sei es ausdrcklich (in einem propositionalen Urteil) oder die Existenz nur implizit ,mitzumeinen‘. Weitere wichtige Beispiele nicht-objektivierender intentionaler Erlebnisse wren etwa solche – typisch nicht-propositional strukturierte – Erlebnisse, wie etwa Freude empfinden, ber etwas Phantasieren oder dergleichen, bei denen es zwar jeweils etwas gibt, das Freude bereitet oder (ber) das phantasiert wird, jedoch keine thetische Setzung des intentionalen Gegenstandes – also keine Objektivierung desselben im prgnanten Sinn – vorliegt. (Unklar bleibt bei Husserl jedenfalls, ob und inwiefern sinnliche Wahrnehmung, also solche intentionalen Erlebnisse, die ihren Gegenstand direkt-anschaulich prsentieren – unabhngig von auf sie bezogenen bzw. auf sie fundierten (Bedeutungs-)Intentionen – objektivierenden Charakter haben (kçnnen). Zudem bleibt bei Husserl auch ungeklrt, ob der thetisch-objektivierende Charakter hinreichend ist, um so unterschiedliche intentionale Akte wie Meinen, Vorstellen, Bezweifeln, Fr-wahrscheinlich-Halten, Urteilen etc. als zu einer Klasse gehçrige Akte zu qualifizieren.203) Husserls Konzept objektivierender Akte darf nun jedenfalls nicht dahingehend missverstanden werden, als vertrete er jene Version des Propositionalismus ( la Tugendhat), der zufolge jede nominale Bezugnahme ein propositionales Existenzialurteil implizierte oder in einem solchen fundiert sei. Husserl weist diese Auffassung entschieden zurck und weist Grundklasse der objektivierenden Vorstellungen, u. a. auch jene „Akte des belief“ rechnet, die sowohl nominal als auch als propositional strukturiert sein kçnnen. 203 Husserl selbst bemerkt, dass es „gar nicht leicht“ sei zu entscheiden, worin – außer in der thetischen Aktqualitt – die Gemeinsamkeit aller objektivierenden Vorstellungen als eine qualitativ einheitliche Gattung bestehe; vgl. Hua XIX/1, 480; siehe dazu auch Mohanty 2008, 141.
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auf einen Regress in einer derartigen Bestimmung der Referenz der jeweiligen Bedeutungsintention hin:204 Heißt der Minister etwa soviel wie der – es ist ein Minister? Dann wre aber der ein voller Name und beanspruchte ein eigenes Urteil fr sich. Aber wie spricht sich dieses aus? Ist es etwa das Urteil, welches selbststndig gefaßt lautete: der existiert? Aber darin steckt ja wieder dasselbe Subjekt der, und so kmen wir auf einen unendlichen Regreß. (Hua XIX/1, 486)
Was den Unterschied zwischen bloß nominaler (nicht-objektivierender bzw. nicht-thetischer) und propositional objektivierender Bezugnahme betrifft, so ist dies ein Unterschied, welcher durch das sogenannte „intentionale Wesen“205 der Bezugnahme – also durch die Komplexion von Akt-Qualitt und Akt-Materie der betreffenden Intention – bestimmt wird. Diesem Unterschied entspricht auch ein Unterschied im bedeutungsmßigen Wesen und im (nominalen bzw. propositionalen) Gehalt der jeweiligen Bedeutungsintention: [Wir drfen also] ganz allgemein behaupten, daß zwischen Namen und Aussagen Unterschiede bestehen, die das bedeutungsmßige Wesen angehen oder die auf „Vorstellungen“ und „Urteilen“ als wesensverschiedenen Akten beruhen. So wie es im intentionalen Wesen nicht auf dasselbe hinauskommt, ob man ein Seiendes wahrnehmend erfaßt oder urteilt, daß es ist, so kommt es auch nicht auf dasselbe hinaus, ob man ein Seiendes als solches nennt oder von ihm, daß es ist, aussagt (prdiziert). (Hua XIX/1, 488 f.)
Der Unterschied zwischen nominalen und propositionalen Intentionen als solchen –unabhngig von ihren thetischen Charakteren – wiederum ist im Rahmen von Husserls Phnomenologie der Bedeutung ebenfalls ein Wesensunterschied. Nominalen und propositionalen Bedeutungsintentionen entsprechen wesensverschiedene Typen objektivierender Akte mit jeweils unterschiedlichen bedeutungsmßigen und intentionalen Gehalten und Funktionen – ein Unterschied, der durch den intentionalen Gehalt, genauer, durch die jeweilige Auffassungsmaterie (und nicht durch die thetischen Qualitten der jeweiligen Akte) konstituiert wird.206 Zwar sind die nicht-propositionalen und die propositionalen Aspekte intentionaler Bezugnahme auf vielfache Art und Weise verflochten, gleichwohl konstitu204 Von da her ist auch Tugendhats diesbezgliche Husserl-Kritik in Tugendhat 1976, 157 f. zurckzuweisen. 205 Siehe zur Unterscheidung von „intentionalem“, „bedeutungsmßigem“ und „erkenntnismßigem Wesen“ intentionaler Akte mehr unten. 206 Vgl. Hua XIX/1, 484 ff., 496 f. und 501 f.
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ieren sie verschiedene „Aktarten“.207 Der Unterschied ist dabei nicht nur ein grammatikalischer Oberflchenunterschied, sondern geht vielmehr in die semantische und insbesondere intentionale Tiefenstruktur der betreffenden Bedeutungsintentionen ein. Husserl macht die Verflechtungen und Unterschiede am Beispiel attributiver Nennungen deutlich (vgl. Hua XIX/ 1, 484 – 489): So ist etwa die semantische Funktion der nominal-attributiven Bedeutungsintention ,der deutsche Kaiser‘ nicht derselbe wie jene der propositionalen Prdikation ,der Kaiser ist F, und F ist der Kaiser von Deutschland‘. Zwar ist nun fr Husserl „unzweifelhaft, daß ein großer Teil der Namen, darunter alle attributiven Namen, unmittelbar oder mittelbar aus Urteilen ,entsprungen‘ sind und diesem Ursprung gemß auf Urteile zurckverweisen“ (Hua XIX/1, 486). Gleichwohl gilt, dass sie grundverschiedene „Modifikationen“ von Bedeutungsintentionen sind und dementsprechend einen unterschiedlichen intentionalen Sinn haben. Mehr noch, selbst in Fllen, bei denen „die attributive Funktion mit der prdikativen verwoben ist“, leistet die prdikative Proposition „keinen Beitrag zum Akte des nominalen Bedeutens“. Sofern Propositionen selbst niemals eine attributive (oder allgemein nominale) Funktion bernehmen kçnnen, haben sie im gegebenen (Ausnahme-)Fall einer Komplexion von propositionalen und nominalen Aspekten lediglich die Funktion, „den Boden [herzustellen], aus dem die attributive Bedeutung phnomenologisch erwchst“. Unerachtet einer solchen fundierenden Rolle ist jedoch der nominale Ausdruck der Proposition gegenber sozusagen semantisch autonom, denn, wie Husserl fortfhrt: „Ist diese [fundierende; T. Sz.] Leistung vollzogen, so kann das Urteil wieder fortfallen, und das Attribut mit seiner Bedeutungsfunktion verbleibt.“ (Hua XIX/1, 487) So viel zum (akt-qualitativen) Klassenunterschied zwischen objektivierenden und nicht-objektivierenden und dem (material-intentionalen) Wesensunterschied zwischen nominalen und propositionalen (Bedeutungs-)Intentionen. Wichtiger und grundlegender noch als letzterer Unterschied ist fr Husserl jedenfalls der „eigentlich durchgreifende Gegensatz“ innerhalb der Klasse objektivierender Akte, nmlich jener zwischen „ein-“ und „mehrstrahligen“ Akten bzw. jener zwischen „mehrstrahlig synthetischen“ (polythetischen, wie sie in den Ideen I heißen) und einstrahlig thetischen Bedeutungsintentionen (vgl. Hua XIX/1, 501 f.). So haben wir es nach Husserl etwa bei der Proposition ,A und B sind p‘, mit 207 Beachte, dass das keineswegs heißt, dass nominale und propositionale Akte zu verschiedenen „,Grundklassen‘ intentionaler Erlebnisse“ gehçrten – vielmehr gehçren sie beide zur Klasse der objektivierenden Akte. Vgl. Hua XIX/1, 496 f.
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einer komplexen Verflechtung von nominalen und propositionalen Aspekten oder „Schichten“ prdikativer Bedeutungsintentionen und ihren thetischen Charakteren zu tun. Die betreffende Proposition ist eine „prdikative Synthesis“, bei der die nominalen und thetisch gesetzten Bestandteile A und B konjunktiv verbunden werden und diesen Bestandteilen jeweils ein einheitliches Prdikat p zugeschrieben wird. Das Subjekt der Proposition wird durch die mehrstrahlige, auf A und B bezgliche Intention konstituiert und bildet durch eine konjunktive Systhesis das Subjekt ,A und B‘. Dieses ist zwar selbst kein nominales Subjektglied, „lsst aber“, wie Husserl sagt, „eine Nominalisierung [zu], in welcher das durch die Synthesis schon konstituierte Kollektivum in einem neuen einstrahligen Akte zum schlicht ,vorgestellten‘ Gegenstande und so im prgnanten Sinne ,gegenstndlich‘ wird“ (Hua XIX/1, 501). So ist bei allen synthetischen bzw. „polythetischen“, d. i. vielstrahligen objektivierenden Akten und Urteilen, jederzeit eine „Umwandlung“ in eine einstrahlige Nominalisierung mçglich. Husserl nennt diese Umwandlung auch die „fundamentale Operation der Nominalisierung“ (Hua XIX/1, 502). Ebenso ist bei jeder (nominalen und propositionalen bzw. ein- oder mehrstrahligen) Objektivierung/Setzung, wie Husserl spter in der noematischen Bedeutungslehre der Ideen I unter dem Titel der „Neutralittsmodifikation“ genauer ausfhrt, auch eine Neutralisierung der thetischen Setzung der jeweiligen intentionalen Gegenstnde jederzeit mçglich (vgl. Hua III/1, §§ 109 – 120).208 In der VI. Logischen Untersuchung fhrt schließlich Husserl jene funktionalen Unterscheidungen hinsichtlich der Konstitution objektiver Bedeutung ein, welche dazu dienen sollen, der Unterscheidung von nominalen und propositionalen Akten eine erkenntnistheoretische Fundierung zu liefern. Die Frage, um die es dabei geht, ist, wie das Verhltnis zwischen nominalen (Wahrnehmungs-)Akten und propositionalen Urteilsakten hinsichtlich ihrer Erkenntnisfunktion zu qualifizieren ist.209 Die Erkenntnisfunktion eines objektivierenden Aktes ist durch das Verhltnis zwischen Bedeutungsintention und Bedeutungserfllung bestimmt. Whrend nun im Falle schlichter nominaler Akte sich die Bedeutungsintention in der Bezugnahme auf die sinnlich gegebenen Bezugsgegenstnde selbst erfllt (oder nicht),210 bedarf es im Falle propositionaler Akte – ber 208 So aber auch schon in den Logischen Untersuchungen, siehe Hua XIX/1, 482 f. 209 Vgl. Hua XIX/2, 657. 210 Vgl. dazu auch die Ausfhrungen bezglich rein nominaler Ausdrcke (wie etwa Eigennamen) bzw. leerer Bedeutungsintentionen, Hua XIX/1, 44.
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die einzelnen propositionalen Inhaltskomponenten hinaus – etwas, worin die Form der ganzen, sich aus propositionalen Inhalten zusammensetzenden Aussage ihre Besttigung oder Nicht-Besttigung findet. Von daher unterscheidet Husserl die stofflichen von den formalen Komponenten bedeutungverleihender Urteilsakte. Die „logische ,Materie‘“ stellt den „Inbegriff“ der propositionalen Inhalte, d. i. die in einer Aussage ausgedrckten nominalen „,Termini‘“ dar (Hua XIX/1, 541 f.). Sie stellt also gleichsam den „sinnlichen Stoff“ der Bedeutungs- und Erkenntnisfunktion dar. Demgegenber bilden die kategorialen Beziehungen zwischen den einzelnen Termini (Konjunktion, Disjunktion, Kopula etc.) die „kategoriale Form“ eines propositionalen Aktes. Der gegenstndliche Bezug eines propositionalen Aktes kann – je nach den formalen Aspekten – einen singulren thetischen oder synthetischen (und diese wiederum einen diskretgegliederten oder kontinuierlichen) Charakter haben. Dementsprechend handelt es sich um besagte „monothetische“ oder „polythetische“ bzw. „einstrahlige“ oder „mehrstrahlige“ Akte.211 Je nach den stofflichen Aspekten von Bedeutungsintentionen ist zwischen sinnlich und kategorial gegebenen Bedeutungskomponenten zu unterscheiden. Dementsprechend handelt es sich wiederum um „sinnliche“ oder „kategoriale Akte“ bzw. „kategoriale Anschauungen“.212 Hinsichtlich ihrer stofflichen Aspekte sind sinnliche Anschauungen vermittels nicht-propositionaler, perzeptiver bzw. intuitiver Auffassungsinhalte auf nicht-propositionale, raum-zeitliche, reale Gegenstnde gerichtet. Im Falle schlichter Wahrnehmungen fallen die stofflichen und formalen Aspekte in eins. Der Vollzug einer anschaulich-perzeptuellen Intention entspricht hier genau der Auffassung/Apperzeption nicht-propositionaler Empfindungsinhalte. Der formale Aspekt der Vermittlung des referenziellen Bezugs entfllt hier gewissermaßen; die Referenz nominaler Wahrnehmungsakte liegt – analog zur Bedeutung von Eigennamen – gewissermaßen im Wahrnehmungserlebnis selbst beschlossen.213 Doch entfllt hier auch die Erkenntnisfunktion des Bedeutens bzw. die Bedeutung 211 Vgl. Hua XIX/1, 414 – 418, 501 f.; Hua XIX/2, 638 f.; vgl. auch Hua III/1, §§ 118, 119, 131. 212 Vgl. allgemein Hua XIX/2, § 42. 213 Vgl. Hua XIX/2, 659: „Die schlichte Wahrnehmung bringt hier ohne Hilfe weiterer auf sie gebauter Akte den Gegenstand zur Erscheinung, welchen die Bedeutungsintention meint, und so wie sie ihn meint. Die Bedeutungsintention findet darum in der Wahrnehmung den Akt, in dem sie sich vollstndig angemessen erfllt.“
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im prgnanten Sinn.214 Bei einer gegliederten, etwa demonstrativen Wahrnehmungsbeschreibung (z. B. ,dieser grne Baum‘) bzw. allgemein bei sogenannten Wahrnehmungsurteilen (z. B. ,dies ist grn‘; ,dies ist ein grner Baum‘ etc.) tritt zum Wahrnehmungsakt ein neuer Akt hinzu, nmlich ein „ausdrckender Akt“ bzw. eine Bedeutungsintention, wobei ein und demselben Wahrnehmungserlebnis zwar verschiedene Aussagen (mit verschiedenen nominalen Bestandteilen) entsprechen kçnnen, der Sinn der Aussage gleichwohl in einer „inneren Beziehung“ zum intentionalen Gehalt der Wahrnehmung steht, die sich darin manifestiert, dass der Gehalt des Wahrnehmungsurteils um des „Erscheinungsgehalts“ der Wahrnehmung willen, wie Husserl sagt, ausgedrckt und als ,Ausdruck‘ der Wahrnehmung bezeichnet wird (vgl. Hua XIX/2, 550 ff.). Anders verhlt es sich bei komplexen Propositionen (z. B. ,Dieser Baum blht nicht im Frhling‘ oder ,Ich sehe, dass der blhende Baum vor dem Haus steht‘). Dabei handelt es sich um synthetisch fundierte Akte, bei denen ein neuer Auffassungstypus, nmlich die Auffassung der kategorialen Formen (wie etwa der Kopula) hinzutritt. Der Gegenstand bzw. die Bedeutung solcher kategorialer Anschauungen ist das Subjekt der jeweiligen objektiven Prdikate eines propositionalen Gegenstandes, d. i. die aus mehreren (sinnlichen und kategorialen) Teilintentionen zusammengesetzte Bedeutung oder der Sachverhalt – weder aber die Proposition selbst noch ihre einzelnen propositionalen Inhalte.215 Erst bei Bestehen solcher kategorialer Funktionen gewinnen intentionale Akte ihre Bedeutungs- bzw. Erkenntnisfunktion im prgnanten Sinn. B. Smith spricht in diesem Zusammenhang von „low-grade“ bzw. „high-grade intentional directed214 Vgl. Hua XIX/2, §§ 3, 4 bzw. 554 f. „Die Wahrnehmung realisiert also die Mçglichkeit fr die Entfaltung des Dies-Meinens mit seiner bestimmten Beziehung auf den Gegenstand […]; aber sie konstituiert […] nicht selbst die Bedeutung […] Wahrnehmung [gilt hier] zwar als Bedeutung bestimmende[r], aber nicht als Bedeutung enthaltende[r] Akt“. 215 Vgl. Hua XIX/1, 108, 131, 415 – 419 und insbes.: Hua XIX/2, §§ 42 – 46. Vgl. auch Hua III/1, 15, 302. Husserl nennt diese mehrstrahlige, kategoriale Anschauungen gelegentlich auch „Sachverhaltsanschauungen“ bzw. „Sachverhaltswahrnehmungen“ (Hua XIX/2, 669, 722). Zum Begriff des „Sachverhaltes“ und seiner Unterscheidung vom Begriff der „Sachlage“ vgl. Hua XXVI, 29 f. Letzterer trgt dem Umstand Rechnung, dass der gleiche Sachverhalt in kategorial verschieden geformten propositionalen Akten ausgesagt werden kann, wie etwa in den zwei Stzen: ,a>b‘ und ,b