Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung [2. völl. neubearb. u. erw. Auf 1987 Reprint 2010 ed.] 9783110846942, 9783110113587


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German Pages 423 [424] Year 1992

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1. Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre
1.1. Einleitung
1.2 Verwaltungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft
1.3. Wirtschaftlichkeit als zentraler Beurteilungsmaßstab
1.4. Wozu Verwaltungsbetriebslehre?
1.5. Der Verwaltungsbetrieb und andere Betriebstypen
1.6. Öffentliche Betriebe
2. Entscheidungen und Entscheidungsprozesse
2.1. Entscheidung als Hauptinhalt von Verwaltungshandeln
2.2. Zielbildung im Verwaltungsbetrieb
2.3. Betriebswirtschaftliche Entscheidungsprobleme im Verwaltungsbetrieb
2.4. Zielerreichungskontrolle
3. Techniken und Konzepte der Planung
3.1. Planungsprozeß und -organisation
3.2. Problemanalyse
3.3. Zielanalyse
3.4. Informationsgewinnung
3.5. Alternativenvergleich
3.6. Ablaufplanung
3.7. Planungskonzepte für den Verwaltungsbetrieb
4. Management
4.1. Grundlagen des Verwaltungsmanagements
4.2. Gestaltung der Organisationsstruktur
4.3. Motivation und Führung
4.4. Änderungen des Verwaltungsmanagements
5. Personalwesen
5.1. Grundzusammenhänge des Personalwesens
5.2. Personalpolitik
5.3. Personalbedarfsermittlung
5.4. Personalbereitstellung
5.5. Personalentwicklung
5.6 Personalverwaltung
6. Rechnungswesen
6.1. Grundlagen
6.2. Kameralistik
6.3. Vermögensrechnung
6.4. Kostenrechnung
6.5. Wirtschaftlichkeitsrechnung
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung [2. völl. neubearb. u. erw. Auf 1987 Reprint 2010 ed.]
 9783110846942, 9783110113587

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de Gruyter Lehrbuch Reichard · Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung

Christoph Reichard

Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung 2., völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage

w DE

G Walter de Gruyter · Berlin · New York 1987

Dr. rer. pol. Christoph Reichard

Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin, Lehrbeauftragter an der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und an der Verwaltungsakademie Berlin

Mit 66 Abbildungen

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Reichard, Christoph: Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung / Christoph Reichard. - 2., völlig neubearb. u. erw. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1987. (De-Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-011358-9

© Copyright 1987 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: Druckerei Appl, Wemding. - Druck: Gerike GmbH, Berlin. - Bindung: Dieter Mikolai, Berlin.

Vorwort zur 2. Auflage

Dieses Buch ist gegenüber der vor 10 Jahren erschienenen I.Auflage eine vollständige Neufassung. Abgesehen von Teilen der Grundgliederung, verschiedenen Abbildungen und einigen kurzen Abschnitten blieb „kein Stein auf dem anderen" - die gesamte Schrift ist neu erarbeitet worden. Dies war bei einer so jungen, sich entwickelnden Disziplin wie der Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung wohl unvermeidbar. In der Zwischenzeit hat es in diesem Fach beträchtliche Entwicklungen und Veränderungen gegeben, die sich auch im Inhalt dieses Lehrbuches niedergeschlagen haben. Die umfangreichen Änderungen und Erweiterungen haben allerdings erheblich mehr Mühe und Zeit gekostet als ursprünglich angenommen. Daraus resultierten verschiedentlich hinausgeschobene Abgabetermine des Manuskriptes. Insgesamt haben betriebswirtschaftliche Analysen der öffentlichen Verwaltung mittlerweile eine gewisse Konsolidierung erreicht. Es wird jetzt nicht mehr diskutiert, „ob" betriebswirtschaftliche Erkenntnisse für die Verwaltung fruchtbar sind. Im Vordergrund steht nunmehr vor allem, „wie" die Betriebswirtschaftslehre für den öffentlichen Sektor nutzbar gemacht werden kann. Dennoch ist weiterhin eine gewisse Vorläufigkeit der Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung zu konstatieren. Die Grenzziehungen zu Nachbardisziplinen und -gegenständen sind fließend, der wissenschaftliche Bearbeitungsstand entspricht in keiner Weise demjenigen anderer betriebswirtschaftlicher Teilgebiete wie etwa der Industriebetriebslehre. Vieles ist also immer noch im Fluß, festgefügtes Lehrbuchwissen nicht stets verfügbar. Das Gesamtkonzept des vorliegenden Lehrbuches ist - teilweise auch über die traditionellen fachlichen Grenzen der Betriebswirtschaftslehre hinweg - erweitert worden. Die Teile „Management" und „Rechnungswesen" sind wesentlich vertieft worden. Der Teil „Personalwesen" ist neu hinzugekommen. Bei verschiedenen Passagen wird man sich vermutlich trefflich streiten können, ob es sich (noch) um Betriebswirtschaftslehre oder (schon) um Verwaltungswissenschaft handelt. Beim derzeitigen Entwicklungsstand der Verwaltungswissenschaft ist dies indes auch weder ein Wunder noch ein Unglück (s. im einzelnen Kapitel 1.2.). Beschäftigt man sich als Betriebswirt ernsthaft mit der öffentlichen Verwaltung, kommt man so meine Erfahrung - nicht umhin, sich ein Stück von der Mutterdisziplin zu entfernen und sich verwaltungswissenschaftlich zu „öffnen". Ob man dann einmal „zwischen den disziplinären Stühlen sitzen wird", wird sich weisen ...

VI

Vorwort

Bei der Auswahl und Darstellung des Stoffes habe ich mich bemüht, eine weitgehende Anwendungsorientierung beizubehalten. Allerdings war mitunter eine - im Vergleich zu den bisweilen noch vorläufigen und überblicksartigen Ausführungen der I.Auflage - vertiefende Argumentation sowie Aufdeckung theoretischer Hintergründe nicht zu vermeiden. Der größeren Anschaulichkeit dienen wiederum zahlreiche Beispiele, Schemata, Abbildungen. Das eigenständige und vertiefende Erarbeiten des Stoffes soll durch ein bewußt ausführlich gehaltenes Gesamtliteraturverzeichnis gefördert werden. Gegenüber der 1. Auflage ist auf den zusätzlichen Abdruck gesonderter Fallstudien verzichtet worden. Dem an Fallbearbeitung interessierten Leser sei das 1982 vom Verfasser gemeinsam mit Wolfgang Krause beim Verlag de Gruyter publizierte Buch „Fallstudien und Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung" empfohlen. Auch diese Version des Lehrbuches basiert in erheblichem Maße auf Erfahrungen der Verwaltungspraxis. Den zahlreichen Gesprächspartnern in der öffentlichen Verwaltung danke ich für vielfältige Hinweise und Anregungen. Dank schulde ich ferner meinen Kollegen Wolfgang Krause und Manfred Röber, die mir in allen Phasen der Arbeit wertvolle und kritische Diskussionspartner waren. Die Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung ist nach wie vor ausbaufähig und -bedürftig. Kritische Hinweise sind daher weiterhin willkommen! Berlin, April 1987

Christoph Reichard

Vorwort zur l. Auflage

Die vorliegende Schrift ist als einführendes Lehrbuch der Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung konzipiert. Mit dem Buch wird versucht, sowohl Studierenden an Universitäten, Verwaltungsfachhochschulen, -akademien und -schulen wie auch Mitarbeitern in der Verwaltungspraxis den Zugang zu diesem noch jungen Fachgebiet zu erleichtern. Die dargestellten Inhalte wurden vorn Verfasser großenteils mehrfach in Lehrveranstaltungen der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin, der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung sowie der Verwaltungsakademie Berlin getestet. Der Anwendungsbezogenheit des Stoffes sowie der Forderung nach Verständlichkeit wird dadurch entsprochen, daß zahlreiche Abbildungen, Praxisbeispiele und Fallstudien in den Text eingearbeitet werden und darüber hinaus abschnittweise Kontrollfragen und Literaturhinweise enthalten sind. Die Kontrollfragen sollte der Leser nach Möglichkeit selbständig beantworten. Antworten finden sich i. a. in den betreffenden Textabschnitten. Am Schluß finden sich Lösungshinweise zu den Fallstudien sowie ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis. Zahlreichen Problemstellungen, Lösungsansätzen, Beispielen dieser Schrift liegen Anregungen aus der Verwaltungspraxis zugrunde. Dank gebührt daher in erster Linie den Gesprächspartnern in der Verwaltung. Darüber hinaus danke ich vielmals meinem Kollegen, Prof. Dr. Wolfgang Krause, der das Konzept der hier vorgestellten Verwaltungsbetriebslehre in wesentlichen Zügen mitgestaltet hat, für viele wertvolle Diskussionen und Anregungen. Der Leser sollte nicht übersehen, daß diese Schrift eine Einfuhrung in verwaltungsökonomische Fragestellungen ist und daß demzufolge nicht viel mehr als ein Überblick erwartet werden darf. Dies gilt um so mehr, als sich die Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung erst im Aufbruch befindet und noch einen relativ „weißen Flecken" auf der ansonsten zum Teil gut durchforsteten Landkarte der Ökonomie darstellt. Einführungen in ein noch wenig bearbeitetes Gebiet haben stets etwas Vorläufiges. Kritische Hinweise sind dementsprechend besonders willkommen. Berlin, im Januar 1977

Christoph Reichard

Inhalt

L Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre 1.1. Einleitung 1.2 Verwaltungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft 1.2.1. Verwaltungsbegriff und Entwicklungsstand der Verwaltungswissenschaften l .2.2. Ziele und Gliederung der Wirtschaftswissenschaft 1.2.3. Der Beitrag der Wirtschaftswissenschaft zu den Verwaltungswissenschaften 1.3. Wirtschaftlichkeit als zentraler Beurteilungsmaßstab 1.4. Wozu Verwaltungsbetriebslehre? l .5. Der Verwaltungsbetrieb und andere Betriebstypen 1.6. Öffentliche Betriebe 2. Entscheidungen und Entscheidungsprozesse 2.1. Entscheidung als Hauptinhalt von Verwaltungshandeln 2.2. Zielbildung im Verwaltungsbetrieb 2.3. Betriebswirtschaftliche Entscheidungsprobleme im Verwaltungsbetrieb 2.3.1. Entscheidung über öffentliche oder private Leistungserbringung 2.3.2. Entscheidung über den Verwaltungsstandort 2.3.3. Entscheidungen über Einsatzgüter 2.3.4. Entscheidungen über Ausbringungsgüter 2.3.5. Entscheidungen im Leistungsprozeß 2.3.5.1. Das Leistungsprozeßmodell und seine Geltung im Verwaltungsbetrieb 2.3.5.2. Beschaffung 2.3.5.3. Lagerung 2.3.5.4. Leistungserstellung 2.3.5.5. Absatz 2.3.6. Finanzierungsentscheidungen 2.4. Zielerreichungskontrolle 3. Techniken und Konzepte der Planung 3.1. Planungsprozeß und-organisation 3.2. Problemanalyse

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25 33 38 38 41 42 46 48 48 50 54 55 58 64 71

77 79

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3.3. Zielanalyse 3.4. Informationsgewinnung 3.4.1. Überblick 3.4.2. Kreativitätstechniken 3.4.3. Prognosetechniken 3.5. Alternativenvergleich 3.5.1. Nutzwertanalyse als Grundmodell der Alternativenbewertung 3.5.2. Entscheidungsbaumtechnik 3.6. Ablaufplanung 3.6.1. Flußdiagrammtechnik 3.6.2. Netzplantechnik 3.7. Planungskonzepte für den Verwaltungsbetrieb

Inhalt

.

4. Management 4. I.Grundlagen des Verwaltungsmanagements 4.1.1. Begriff und Funktionendes Managements 4.1.2. Der Gestaltungsrahmen des Managements 4.1.3. Verwaltungsmanagement: Gegenwärtige Situation, Zukunftsanforderungen, Besonderheiten 4.1.4. Managementkonzepte im Überblick 4.2. Gestaltung der Organisationsstruktur 4.2.1. Grundlagen der Organisationsgestaltung 4.2.2. Gestaltung der organisatorischen Grundstrukturen 4.2.2.1. Stellenbildung 4.2.2.2. Gliederung der Grundstruktur 4.2.2.3. Arbeitsgestaltung 4.2.3. Gestaltung der Leitungsstrukturen 4.2.3.1. Leitungsstellen und -beziehungen 4.2.3.2. Konzept der Entscheidungsdezentralisation 4.2.3.3. Leitungssysteme 4.2.4. Gestaltung der Ergänzungsstrukturen 4.2.4.1. Stäbe 4.2.4.2. Kollegien 4.2.4.3. Teams 4.2.5. Die organisatorische Gesamtstruktur als Gestaltungsergebnis . . 4.3. Motivation und Führung 4.3.1. Motivationsstrukturen im öffentlichen Dienst 4.3.2. Mitarbeiterführung 4.4. Änderungen des Verwaltungsmanagements 4.4.1. Änderungsprozesse und-Strategien 4.4.2. Änderungsmethoden und -Instrumente

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Inhalt

5. Personalwesen 5.1. Grundzusammenhänge des Personalwesens 5.2. Personalpolitik 5.3. Personalbedarfsermittlung 5.3.1. Personalplanung 5.3.2. Personalbemessung 5.3.3. Stellenbewertung 5.4. Personalbereitstellung 5.4.1. Personalbeschaffung 5.4.2. Personalauswahl 5.4.3. Personaleinsatz 5.5. Personalentwicklung 5.5.1. Grundlagen 5.5.2. Mitarbeiterbeurteilung 5.5.3. Fortbildung 5.5.4. Verwendungsplanung 5.5.5. Versetzung 5.5.6. Beförderung 5.6 Personalverwaltung 6. Rechnungswesen 6.1. Grundlagen 6.1.1. Ziele und Funktionen des Rechnungswesens 6.1.2. Teilsysteme des Rechnungswesens 6.1.3. Abgrenzung wichtiger Grundbegriffe 6.2. Kameralistik 6.2.1. Merkmale und Arten der kameralistischen Rechnung 6.2.2. Funktionsweise der Verwaltungskameralistik 6.2.3. Grenzen und Erweiterungsmöglichkeiten der Verwaltungskameralistik 6.3. Vermögensrechnung 6.3.I.Zielsetzung und Struktur der Vermögensrechnung 6.3.2. Zur Aussagefähigkeit einer Bilanz des Verwaltungsbetriebes . . . 6.4. Kostenrechnung 6.4.1. Ziele, Gestaltungsmöglichkeiten und Anwendungsbereiche der Kostenrechnung 6.4.2. Kostenartenrechnung 6.4.3. Kostenstellenrechnung 6.4.4. Kostenträgerrechnung 6.4.5. Auswertung der Kostenrechnung 6.4.6. Plan- und Teilkostenrechnung 6.5. Wirtschaftlichkeitsrechnung

XI

227 233 236 236 243 248 254 254 256 263 266 266 268 272 275 276 279 281

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XII

Inhalt

6.5.1. Ziele, Merkmale und Arten der Wirtschaftlichkeitsrechnung . . 6.5.2. Statische Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnung 6.5.2.1. Kostenvergleichsrechnung 6.5.2.2. Amortisationsrechnung 6.5.2.3. Rentabilitätsrechnung 6.5.3. Nutzen-Kosten-Untersuchungen 6.5.3.1. Merkmale und Arten von Nutzen-KostenUntersuchungen 6.5.3.2. Rechentechnik der dynamischen Investitionsrechnung . 6.5.3.3. Kosten-Nutzen-Analyse

330 337 337 342 344 345 345 346 355

Literaturverzeichnis

369

Sachregister

407

1. Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre

1.1. Einleitung Öffentliche Verwaltung kann nur dann zutreffend und umfassend beschrieben und erklärt werden, wenn sie aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Blickwinkeln beleuchtet wird. In der deutschen Verwaltung ist zwar nach wie vor juristisches Denken vorherrschend, aber es reift die Einsicht, daß man ein derart komplexes Phänomen wie die öffentliche Verwaltung nicht ausschließlich mit den Begriffen und Methoden einer einzelnen Disziplin erfassen kann. Ein notwendiger Aspekt der Verwaltungsanalyse ist die betriebswirtschaftliche Betrachtung. „Die Betriebswirtschaftslehre ist für öffentliche Institutionen unerläßlich, wenn sie den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu verwirklichen trachten" (Eichhorn, 1985, S. 5). Angesichts des erheblichen Staatssektors in unserer Gesellschaft und der umfangreichen Mittel, die in diesem Sektor eingesetzt werden, ist ein angemessener Einfluß betriebswirtschaftlichen Denkens auf staatliche Steuerungsprozesse zu fordern. Dabei muß man sich allerdings stets vor Augen führen, daß die betriebswirtschaftliche Sichtweise nur ein Teilaspekt verwaltungswissenschaftlicher Analysen sein kann und will. Die Betriebswirtschaftslehre erhebt keinen verwaltungswissenschaftlichen „Alleinvertretungsanspruch", sondern leistet ihren spezifischen Beitrag zur wissenschaftlichen Behandlung der öffentlichen Verwaltung. Die traditionell auf die Privatwirtschaft ausgerichtete Betriebswirtschaftslehre öffnet sich seit einiger Zeit auch gegenüber dem öffentlichen Sektor. In der jüngeren Vergangenheit haben sich verschiedene Ansätze zur ökonomischen Analyse öffentlicher Unternehmungen und Verwaltungen herausgebildet, auf die im weiteren Verlauf dieser Schrift eingegangen wird. Dabei hat sich eine gewisse Arbeitsteilung zwischen der wissenschaftlichen Behandlung öffentlicher Unternehmungen und öffentlicher Verwaltungsbetriebe als sinnvoll erwiesen. Im Sinne dieser Arbeitsteilung werden in dieser Schrift ganz überwiegend Verwaltungsbetriebe behandelt. Demzufolge handelt es sich beim vorliegenden Lehrbuch um eine Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung (kurz: „ Verwaltungsbetriebslehre''). Eine Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung muß nicht von Grund auf neu entwickelt werden. In beträchtlichem Umfang können betriebswirtschaftliche Erkenntnisse, die sich bereits im Unternehmungsbereich bewährt haben, auf den Verwaltungsbetrieb übertragen werden. Teilweise werden Besonderheiten des Verwaltungsbetriebes auch erst vollständig deutlich, wenn sie in allgemeine betriebswirtschaftliche Zusammenhänge eingebettet werden. Allerdings wird es bei

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Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre

allen Übertragungsversuchen erforderlich sein, die zahlreichen Besonderheiten und abweichenden Rahmenbedingungen der öffentlichen Verwaltung zu beachten, weil unkritische Transfers leicht zu Fehlschlüssen führen können. Wegen der gebotenen Kürze wird in diesem Lehrbuch allerdings auf umfangreiche Vergleiche und Querkopplungen mit privatwirtschaftlichen Betriebstypen verzichtet werden müssen, wenngleich insbesondere der Blick auf den großen Bruder „Industriebetriebslehre" häufig verlockend ist (vgl. dazu insbes. Rieger, 1983). Angesichts der erforderlichen Übersichtlichkeit und Verständlichkeit eines Lehrbuches müssen aus der Fülle ökonomischer Tatbestände die für eine „Einführung" wesentlichen Themenfelder herausgefiltert werden. Dabei wird in erster Linie auf den Anwendungsbezug geachtet. Dieses Kriterium darf allerdings nicht im Sinne einer stets unmittelbaren Umsetzung in das praktische Alltagshandeln des Verwaltungsmitarbeiters verstanden werden, da die Voraussetzungen für einen Einsatz ökonomischer Verfahren und Instrumente in der Verwaltung noch nicht immer gegeben sind. Zum Verständnis der abgegebenen ökonomischen Handlungsempfehlungen wird sich vielmehr die Darlegung von wirtschafts- und sozialwissenschaftlichem Basis- und Hintergrundwissen nicht vermeiden lassen. Ausgehend von der Wissenschaftssystematik der Betriebswirtschaftslehre und unter Berücksichtigung ökonomischer Anwendungspunkte im Verwaltungsbetrieb werden in dieser Schrift - nach einer einleitenden Standortbestimmung der Verwaltungsbetriebslehre - folgende Aspekten den Vordergrund gestellt: - Entscheidungen und Entscheidungsprozesse - Planungstechniken - Management - Personalwesen - Rechnungswesen. Gewisse Überschneidungen in der Gliederung erscheinen aus Darstellungsgründen unvermeidbar. Bspw. ist der Teil „Management" so zu verstehen, daß dort die wichtigsten Managementüberlegungen zentral zusammengefaßt werden. Dessen ungeachtet tauchen Managementempfehlungen auch in anderen Teilen des Buches auf, ja das Gesamtkonzept kann als Managementlehre interpretiert werden. Ähnliches gilt für die Beziehungen zwischen Entscheidungen und Planungstechniken.

1.2. Verwaltungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft 1.2.1. Verwaltungsbegriff und Entwicklungsstand der Verwaltungswissenschaften (1) Zur öffentlichen Verwaltung rechnen so unterschiedliche Einrichtungen wie Ministerien, Stadtplanungsämter, Bundeswehrstandortverwaltungen, Bundesan-

Verwaltungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft

3

stalten, Kindergärten u. v. a. m. Es empfiehlt sich, zu Beginn von Überlegungen zur öffentlichen Verwaltung zu klären, welche Einrichtungen dazugehören. Wie schon die Vielfalt an Institutionen erahnen läßt, ist eine präzise, umfassende Definition recht schwierig. Eine alle Aspekte umgreifende, generell akzeptierte Verwaltungsdefinition gibt es bislang nicht. Dennoch werden zur Klärung des Gegenstandsbereiches dieser Schrift im folgenden einige Hinweise zur Begriffsbildung gegeben (vgl.z.B. Hugger, 1982, Thieme, 1984). (2) Materiell wird öffentliche Verwaltung gewöhnlich - ausgehend vom demokratischen Gewaltenteilungssystem - negativ als diejenige Staatstätigkeit definiert, die nicht zur Gesetzgebung, Rechtsprechung und Regierung gehört. Auch positiv formulierte Definitionen (vgl. Wolff/Bachof I, 1982) stellen den Charakter der Verwaltung als vollziehendes Zielerreichungssystem des Staates heraus, das durch die Legislative mittels Rahmenzielsetzungen und Richtungskontrolle gesteuert und durch die Judikative kontrolliert wird. Daneben wird öffentliche Verwaltung funktional als Herstellung von Entscheidungen mit bindender Wirkung verstanden (vgl. Luhmann, 1966). Zur eindeutigen Abgrenzung der öffentlichen Verwaltung von anderen gesellschaftlichen Teilsystemen sowie zur Klärung ihrer Zwecksetzung sind die vorliegenden Definitionen nicht sonderlich geeignet: Zum einen bleibt die Grenze zum Unternehmungssektor unklar, zum anderen werden das Regierungssystem sowie die administrativen Teile von Legislative und Judikative ausgegrenzt. Auch diese Bereiche sind aber funktional zum System der öffentlichen Verwaltung zu rechnen. Öffentliche Verwaltung kann befriedigend wohl nur durch mehrdimensionale Merkmale gekennzeichnet werden. Folgende Merkmale, auf deren inhaltliche Bedeutung im weiteren Verlaufe dieser Schrift eingegangen wird, erscheinen begriffsprägend: - Zielsetzung: Erfüllung öffentlicher Aufgaben - Trägerschaft: demokratisch legitimierte Gremien (Parlament u.a.) - Handlungsform: Vorbereitung, Umsetzung und Kontrolle politischer Entscheidungen und auf diesen basierender Aktionen - Organisationsform: primär öffentlich-rechtliche Institutionen, die dem Bürokratiemodell entsprechen - Mitglieder: Angehörige des öffentlichen Dienstes mit charakteristischen Rekrutierungs-, Ausbildungs-, Karriere- und Belohnungsmustern. Am Rande sei erwähnt, daß die betriebswirtschaftliche Definition von Verwaltung als mittelbarem bzw. sekundärem Unternehmungsbereich, der auf „Bestandspflege" ausgerichtet ist, für den Bereich der öffentlichen Verwaltung wenig geeignet erscheint. (3) Die öffentliche Verwaltung ist nicht unpolitisches, neutrales Vollzugsorgan von Parlament und Regierung, sondern - zunehmend dominierender - Teil des politisch-administrativen Systems. Parteien, Parlament, Regierung und Verwaltung sind

4

Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre

in diesem System auf vielfaltige Weise politisch miteinander verflochten. Das politisch-administrative System steht wiederum mit dem ökonomischen und dem kulturellen System der Gesellschaft in macht- und interessenabhängigen Austauschbeziehungen (vgl.i.e. Bohret, 1981, Jann, 1984). (4) Mit der öffentlichen Verwaltung befaßt sich neben der traditionell dominierenden Rechtswissenschaft eine Reihe weiterer Disziplinen, insbesondere die Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie (vgl. zu diesen verwaltungswissenschaftlichen Basisdisziplinen Eichhorn/Friedrich, 1976, S. 17 ff.). Da alle diese Wissenschaften das Phänomen Verwaltung mit unterschiedlichen Begriffen und Methoden angehen, schreitet der Prozeß der Verwaltungserforschung unkoordiniert und nur langsam fort. In Deutschland ist die Entwicklung auch durch die - zumindest während der letzten 100 Jahre vorherrschende - einseitig rechtswissenschaftliche Sichtweise der Verwaltung behindert worden. In den USA hat es z. B. demgegenüber bereits seit langem nichtjuristische, integrierende Ansätze gegeben (vgl. zum Überblick K. König, 1975; als verwaltungswissenschaftliche US-Standardliteratur sei bspw. hingewiesen auf Lutrin/Settle, 1980, Nigro, 1970, Sharkansky, 1975, Simon u.a., 1962, Waldo, 1971). In jüngerer Zeit sind in Deutschland - abgesehen vom dominanten Verwaltungsrecht - vor allem 4 verwaltungswissenschaftliche Hauptströmungen zu verzeichnen gewesen (vgl. zum Überblick auch Seibel, 1983b, Siedentopf, 1983): (a) Die Verwaltungslehre i.e.S. als vorwiegend praxisorientierte Darstellung von Verwaltungsregelungen und -Strukturen (vgl.dazu z.B. Joerger/Geppert, 1983, Knöpfle/Thieme, 1984, Mattern, 1982, Morstein Marx, 1965, v. Mutius, 1984, Püttner, 1982, Thieme, 1984, Wenger u. a., 1983, Wipfler, 1979; zur „Nebenlinie" Regierungslehre vgl. EH wein, 1976). Sie stellt vor allem auf die Beschreibung der Verwaltungswirklichkeit ab und hat zuweilen eine recht starke normative Orientierung. Sie versucht bis zu einem gewissen Grade, die Erkenntnisse der verschiedenen Basisdisziplinen zusammenzufassen (vgl. zur Stellung der Verwaltungslehre z. B. auch B.Becker, 1976b, H.König, 1983a, Laux, 1978 und 1986b). IdZ sind auch vergleichende Studien auf nationaler wie internationaler Ebene zu nennen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Verwaltungssysteme herauszuarbeiten (vgl.z.B. Heady, 1979, Wimmer, 1983; vgl.auch die Analysen des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften in Brüssel; vgl. femer auch die Analysen von Verwaltungen in der Dritten Welt bei Oberndörfer, 1981). Eine gute Basis für Verwaltungsvergleiche sind die Beschreibungen der deutschen Verwaltung von Kaiser, 1983 sowie K. König u.a., 1981. (b) Politikwissenschaftliche Ansätze, die z.T. eine Verbesserung der Regierungsarbeit durch Planung und Organisation, z. T. aber auch eine generelle Kritik staatlichen Handelns zum Gegenstand haben (vgl. die Beiträge in J. J. Hesse, 1982, ferner z. B. Bischoff u.a., 1982, Scharpf, 1971). Von ihnen gehen auch stärkere Impulse zur empirischen Verwaltungsforschung aus (vgl. z. B. Bruder, 1981). (c) Soziologische Ansätze, die sich einerseits - zurückgehend auf Max Weber - mit der Binnenstruktur der Verwaltung, andererseits mit bestimmten Umweltbeziehungen

Verwaltungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft

5

auseinandersetzen (vgl.z.B. Bosetzky/Heinrich, 1985, Grunow u.a., 1978, Mayntz, 1978, Pankoke/Nokielski, 1977). (d) Ökonomische Ansätze, die sich einerseits aus makroökonomischer Sicht mit wirtschaftspolitischen und finanzwissenschaftlichen Fragen der Verwaltung befassen, andererseits mikroökonomisch das Wirtschaften in einzelnen Verwaltungseinrichtungen durchleuchten (vgl. z. B. Budäus, 1982, Eichhorn/Friedrich, 1976, Oechsler, 1982b).

(5) Diese unterschiedlichen Strömungen haben bislang noch nicht zu einer tragfähigen, allseits akzeptierten, einheitlichen Verwaltungswissenschaft zusammengeführt werden können. Ein bloßes „Additionskonzept" (Verwaltungswissenschaften als Summe sich ergänzender Erkenntnisse der Basisdisziplinen) erscheint unzureichend. Es bedarf der Koordination und Integration der verwaltungsbezogenen Teile der Basisdisziplinen. Dazu sind ein gemeinsames Erkenntnisziel und übereinstimmende Methoden erforderlich. Ein solcher Integrationsprozeß würde auch zu einer stärkeren Institutionalisierung der Verwaltungswissenschaften beitragen, die bislang noch beklagenswert gering ist (vgl. Koch, 1985 b). Generelle Aufgabe solcherart integrativ angelegter Verwaltungswissenschaften wäre einerseits die Beschreibung von Wirkungszusammenhängen des Verwaltungshandelns im Sinne einer kausal-empirischen Realitätsanalyse und andererseits von Sinnzusammenhängen der öffentlichen Verwaltung als einer eher normativen Mittel-Zweck-Analyse (vgl. dazu Luhmann, 1966, K. König, 1970 und 1980; zu einem konstruktivistischen Verständnis der Verwaltungswissenschaften vgl. Oechsler, 1982 b, S. 45 ff., S. 128 ff.). (6) Eine Voraussetzung für Integration der Verwaltungswissenschaften ist die Entwicklung eines Identitätskonzepts, das - Erkenntnisziel - Erkenntnisobjekt - Erkenntnismethodik verbindlich festgelegt (vgl. Ryffel, 1976, zur Methodik ferner Koch/Strutz, 1982, Koch, 1985 a). Bislang haben sich drei maßgebliche Integrationsansätze („Paradigmen") herausgebildet, ohne daß sich einer von ihnen zu einem allgemein akzeptierten Identitätskonzept entwickelt hätte (vgl. auch Koch, 1985b): - bürokratietheoretischer Ansatz (Erklärung der Verwaltung als bürokratische Institution) - Policy-Science-Ansatz (Erklärung des Verwaltungshandelns als politischer Prozeß) - system- und entscheidungstheoretischer Ansatz (Erklärung der Verwaltung als Informationen verarbeitendes und Entscheidungen produzierendes System). Vermutlich liegt in der Kombination einer eher analytischen „Policy"-Sicht und einem eher normativen bürokratietheoretischen Konzept eine gewisse Entwicklungsperspektive für die Zukunft (vgl. Derlien, 1985).

6

Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre Unterhalb der Ebene eines interdisziplinären Gesamtkonzepts der Verwaltungswissenschaften gibt es zahlreiche begrenzte Kooperationsansätze zwischen verschiedenen Fachdisziplinen. Hinzuweisen ist etwa auf: - die Verknüpfung politologischen und soziologischen Gedankenguts, z. B. bei Erklärungen des politisch-administrativen Systems oder von Implementationsprozessen (vgl.z.B. Mayntz, 1980 und 1983), - den Einbezug sozialpsychologischer Erkenntnisse in betriebswirtschaftliche Überlegungen etwa zur Motivation und Führung im öffentlichen Dienst (vgl. z. B. Hoefert/ Reichard, 1979), - die sozialwissenschaftliche Fundierung des öffentlichen Dienstrechts, deutlich geworden bspw. an den Arbeiten der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts (1973).

Neben einer längerfristigen Theorie-Integration sind schließlich verschiedene eher projektartige Forschungsvorhaben im Hinblick auf aktuelle Einzelprobleme der öffentlichen Verwaltung durch Vertreter unterschiedlicher Fachrichtungen zu erwähnen. Auch unabhängig vorn „großen Wurf" können solche Vorhaben durch konkrete interdisziplinäre Problemlösungen in der Verwaltung verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisfortschritte bringen und zugleich Erfahrungen bei der integrativen Problembearbeitung vermitteln (vgl. auch Grün, 1978, S. 267). (7) Folgt man einer - primär am Policy-Prozeß ausgerichteten - mehrdimensionalen Gliederung verwaltungswissenschaftlicher Probleme (vgl. zu einem solchen Gliederungsvorschlag H.König, 1983a), so lassen sich folgende zentrale Forschungsthemen der Verwaltungswissenschaften unterscheiden: (a) Grundfunktionen des Verwaltungshandelns - Planung und Entscheidung (Problemfindung, Zielbildung, Programmformulierung, Alternativenbewertung, Ressourceneinsatz) - Durchführung (Vollzug, Implementation) - Kontrolle (Evaluation) (b) Politische und administrative Gestaltung einzelner Politikfelder bzw. Aufgabenbereiche wie Sozial-, Bildungs-, Regional- oder Verkehrspolitik (c) Politische und administrative Handlungsebenen (Kommunal-, Landes- und Bundesverwaltung, internationale Ebene) (d) Zielgruppen staatlichen Handelns wie etwa Unternehmungen, Verbraucher, Senioren, Kinder, Ausländer.

Verschiedene Forschungsthemen kommen auch durch Kombination der genannten Dimensionen zustande (Beispiel: Evaluation der Sozialpolitik gegenüber Ausländern auf der kommunalen Ebene). Themen wie Finanzen, Organisation, Personal, Technik werden als Querschnittsprobleme behandelt. Hinzu kommen übergreifende verwaltungspolitische und bürokratietheoretische Fragestellungen (z.B. zu den „Grenzen des Staates").

Verwaltungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft

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1.2.2. Ziele und Gliederung der Wirtschaftswissenschaft (1) Im Rahmen der Entwicklung eines Grundkonzepts der Verwaltungsbetriebslehre sind auch wissenschaftliche Einordnung und methodischer Standort der zu betrachtenden Disziplin aufzudecken. Während die traditionelle („reine") Wirtschaftswissenschaft vom Leitbild des ausschließlich wirtschaftlich denkenden Menschen (homo oeconomicus) ausging, begreift sich die neuere Wirtschaftswissenschaft - was die politische Ökonomie immer schon tat - als Sozialökonomie: Wirtschaftswissenschaft ist - wie auch die Verwaltungswissenschaften - Teil der umfassenderen Sozialwissenschaften. Wirtschaften ist ein gesellschaftliches Phänomen, das der gemeinsamen Analyse und Erklärung seitens der Teildisziplinen der Sozialwissenschaften bedarf. Die in der Vergangenheit stark betonte Abschottung der einzelnen Wissenschaftsbereiche, die zweifellos unter dem Aspekt der Arbeitsteilung sowie der Vermeidung des Dilettierens auf fachfremden Gebieten bis zu einem gewissen Grade berechtigt war, wird heute zunehmend durchbrochen. Mit dem Ziel der „Integration der Sozialwissenschaften" wird versucht, gesellschaftliche Problemfelder aus Perspektiven, die von den „Mutterdisziplinen" nicht verfolgt wurden, möglichst gemeinsam zu bearbeiten und gegenseitig befruchtende Erkenntnisse auszutauschen. Beispiel: Die gemeinsame Analyse von Organisation und Führung durch Soziologie, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre. (2) Gemeinsames Erfahrungsobjekt der Sozialwissenschaften und damit auch der Wirtschaftswissenschaft ist das Handeln des Menschen in der Gesellschaft. Wie kann nun das spezifische Erkenntnisobjekt der Wirtschaftswissenschaft aus diesem gemeinsamen Erfahrungsobjekt ausgewählt werden? Die Wirtschaftswissenschaft beschäftigt sich offensichtlich nicht mit jeglichem menschlichen Handeln, sondern lediglich mit dem wirtschaftlichen Handeln: Erkenntnisobjekt der Wirtschaftswissenschaft ist mithin das wirtschaftliche Handeln bzw. Entscheiden des Menschen in der Sozialwelt. (3) Da die Wirtschaftswissenschaft zumindest aus den beiden Teildisziplinen Volksund Betriebswirtschaftslehre besteht, müssen schließlich im dritten Schritt die spezifischen Untersuchungsobjekte dieser beiden Bereiche festgelegt werden. Während die Betriebswirtschaftslehre (BWL) die wirtschaftlichen Entscheidungen der einzelnen Wirtschaftseinheiten (Betriebe) untersucht, befaßt sich die Volkswirtschaftslehre (VWL) mit den durch diese Entscheidungen zustande kommenden Aggregatzuständen der Gesamtwirtschaft wie etwa dem Preisniveau, Sozialprodukt oder der Konjunktur. (4) Folgende Wissenschaftsziele können für die Wirtschaftswissenschaft als maßgeblich angesehen werden (vgl. Chmielewicz, 1979): 1. Begriffsbildung als notwendige Vorstufe wissenschaftlicher Erkenntnis 2. Aufstellung von Theorien („Wirtschaftstheorie")

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Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre 3. Ableitung von Handlungsregeln („Wirtschaftstechnologie" bzw. „Wirtschaftspolitik") 4. Beurteilung von Werten und Normen („Wirtschaftsphilosophie" im Sinne einer kritisch-normativen Beurteilung dessen, „was sein soll")

Schwerpunktziel dieses Lehrbuchs ist, abgesehen von einigen erforderlichen Begriffserklärungen, die dritte Stufe dieser Zielkonzeption, nämlich die Entwicklung einer ökonomisch orientierten Verwaltungstechnologie, die praktikable Handlungsregeln abgibt. (5) Wie können VWL und BWL jeweils in sich gegliedert werden? Die Grobgliederung der Volkswirtschaftslehre entspricht zum Teil den genannten Zielkategorien: Man unterscheidet üblicherweise Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik (bzw. bei letzterer genauer: Theorie der Wirtschaftspolitik). Im betriebswirtschaftlichen Bereich ist diese Unterscheidung indes ungewöhnlich. Während die VWL traditionellerweise darüber hinaus nach Problemkreisen gegliedert wird (z. B. Produktions-, Preis-, Konjunktur-, Finanz-Theorie), gliedert man die BWL traditionell nach „Branchen"bzw. Institutionen (z.B. Industrie, Handel, Banken, Verkehr, Verwaltung). Darüber hinaus ist auch eine funktionsorientierte Strukturierung der BWL nach den betrieblichen Funktionen Beschaffung, Produktion, Absatz, Rechnungswesen, Management, Investition, Finanzierung usw. erkenntnisfördernd (vgl. Chmielewicz, 1971, S. 587f., Lüder, 1982, S.549f.). Bei einer funktionalen Sichtweise können gleichartige betriebswirtschaftliche Methoden und Instrumente auf unterschiedliche Branchen angewendet und zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden (s.a. 1.4.Tz4).

1.2.3. Der Beitrag der Wirtschaftswissenschaft zu den Verwaltungswissenschaften (1) Das Erkenntnisobjekt der Verwaltungswissenschaften ist die öffentliche Verwaltung als Verbund von Verwaltungsbetrieben (zum Verwaltungsbegriff s. 1.2.1.). Die Wirtschaftswissenschaft - soweit mit öffentlicher Verwaltung befaßt - versucht das ökonomische Handeln der in diesen Verwaltungsbetrieben Tätigen, die ökonomischen Beziehungen zwischen den Verwaltungsbetrieben sowie zwischen Verwaltung und Umsystem zu beschreiben, zu erklären und zu gestalten. Eine wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung der öffentlichen Verwaltung ist erforderlich, weil es in jeder Verwaltung neben rechtlichen, sozialen und technischen Phänomenen zweifellos auch ökonomische Probleme gibt. In jeder Verwaltung wird gewirtschaftet, d.h. es werden Entscheidungen über knappe Mittel (Finanz- und Betriebsmittel, Personal, Material, Informationen usw.) zur Erreichung bestimmter Ziele getroffen und es wird unmittelbar und mittelbar zur Bedürfnisbefriedigung beigetragen.

Verwaltungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft

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(2) Im Sinne der geschilderten Arbeitsteilung kann man eine makroökonomischorientierte Verwaltungsökonomie von einer mikroökonomisch-orientierten „Verwaltungsbetriebslehre" abgrenzen. „Die Makroökonomik wird weniger für die Selbsterforschung der Verwaltung als für die Beurteilung ihres Gegenstandsfeldes von Bedeutung sein, nämlich insofern, als bei bestimmten Aufgaben der Verwaltung ein Urteil über gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge, über Konjunkturfragen, über den Geldmechanismus und über durch ihn vermittelte Handlungssequenzen erforderlich ist" (Luhmann, 1970, S. 71). Darüber hinaus kann die gesamtwirtschaftliche Verwaltungsökonomie einen Beitrag zum Verwaltungshandeln insbesondere im Hinblick auf die Zielbildung und Alternativenbewertung in der Verwaltung (s. 6.5.3.), bei der Analyse von finanziellen und leistungsbezogenen Verwaltungsverflechtungen sowie bei der Formulierung praktikabler wirtschafts- und finanzpolitischer Handlungsprinzipien leisten (vgl. H.-G. Scholz, 1982, R. Müller, 1975, Eichhorn/Friedrich, 1976, S. 78 ff.). Neben derartigen makroökonomischen Aspekten weisen Verwaltungen aber auch einzelwirtschaftliche Elemente und Strukturen auf, die einer betriebswirtschaftlichen Analyse bedürfen. In gewissem Umfang können dabei aus der Privatwirtschaft bewährte Problemlösungen in angepaßter Form auf die Verwaltung übertragen werden. Der Transfer auf den Verwaltungsbereich mit seinen abweichenden, großenteils unerforschten Anwendungsvoraussetzungen ist indes nicht unproblematisch ( s.4.1.3.; vgl.Budäus, 1982, S.52ff., Grün, 1978, S.263, H.König, 1984). Abgesehen von einigen grundlegenden Konzepten und Methoden (z. B. im Bereich Organisation und Management sowie Rechnungswesen) wird eine situationsspezifische Erarbeitung verwaltungsbezogener Erkenntnisse zweckmäßiger sein. Dabei fehlt es vielfach noch an Wissen über die realen Problemlagen sowie die konkreten Anwendungsvoraussetzungen und -bedingungen betriebswirtschaftlicher Problemlösungen in der Verwaltung. Unbestritten wird sich dabei die BWL in begrifflicher wie methodischer Hinsicht an das Untersuchungsobjekt „Verwaltungsbetrieb" anzupassen haben und auf die Vielfalt politisch-administrativer Problemstellungen und Zielsetzungen Rücksicht nehmen müssen. (3) Will man die Bedeutung der Rolle der Wirtschaftswissenschaft im Rahmen der Verwaltungswissenschaften beurteilen, so muß man sich darüber klar sein, daß durch die ökonomische Betrachtungsweise stets nur Teilaspekte des Gesamtphänomens Verwaltung erfaßt werden können. Eine isolierte Behandlung der Verwaltung allein durch die Verwaltungsbetriebslehre ist zweifellos abzulehnen (vgl. Luhmann, 1965). Der wirtschaftliche Aspekt hängt i. a. mit politischen, sozialen, rechtlichen Bezügen zusammen. Dementsprechend können Verwaltungsentscheidungen in den seltensten Fällen allein aus betriebswirtschaftlicher Perspektive getroffen werden. Sollte sich künftig eine einheitliche Verwaltungswissenschaft herausbilden (s. 1.2.1.), wird eine gesonderte BWL der öffentlichen Verwaltung entbehrlich. Die zugehörigen Konzepte und Wissensbestände gehen dann in der Verwaltungswissenschaft auf. Dies erscheint gegenwärtig indes noch utopisch.

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Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre

Daß sich in Deutschland eine gesonderte BWL der öffentlichen Verwaltung herausgebildet hat, ist auch wissenschaftshistorisch erklärlich. Infolge der rechtswissenschaftlichen Tradition der Verwaltung hat es in Deutschland wenig verwaltungsinterne Effizienzimpulse gegeben. Anstöße mußten also von außen kommen, d.h. von der BWL als der hierfür „zuständigen" Disziplin. In den USA war demgegenüber die Entstehung einer besonderen Verwaltungsbetriebslehre infolge der dort stärkeren - durch die Organisationswissenschaft geförderten - Effizienzorientierung der Verwaltungswissenschaften weitgehend entbehrlich. Die monodisziplinäre betriebswirtschaftliche Perspektive ist vermutlich nur im derzeitigen Entwicklungsstadium der Verwaltungswissenschaften fruchtbar. Sie kann längerfristig durchaus durch ein multidisziplinäres, auf bestimmte Problemfelder bezogenes Konzept ergänzt werden, wie es z.B. Oechsler (1982b) anhand seines handlungstheoretischen Ansatzes für das Management öffentlicher Institutionen vorgeschlagen hat. Wenn die BWL erklärtermaßen nur Teilaspekte der Verwaltung behandelt und nicht beansprucht, eine insgesamt tragfähige Verwaltungswissenschaft zu liefern, und wenn man ferner ihren lediglich vorläufigen Charakter während des Reifeprozesses der Verwaltungswissenschaften in Rechnung stellt, braucht man wegen des Vordringens der BWL im öffentlichen Sektor nicht in Sorge zu sein. Zudem hat sich die BWL in der Vergangenheit bereits in starkem Maße sozial- und politikwissenschaftlich geöffnet und erfolgreich mit anderen Disziplinen kooperiert.

1.3. Wirtschaftlichkeit als zentraler Beurteilungsmaßstab (1) Im folgenden ist zu klären, was unter Wirtschaftlichkeit als dem zentralen Analyse- und Gestaltungsmaßstab der BWL zu verstehen ist (vgl.zur Terminologie generell: Reichard, 1982f; ferner Boerger, 1978, Derlien, 1974, Eichhorn/Siedentopf, 1976, H. König, 1980, Reding, 1980, Reinermann, 1974, Timmermann, 1978). Wirtschaftlichkeit drückt allgemein ein bestimmtes Verhältnis zwischen Mitteleinsatz und zugehörigem Ergebnis aus. Sie wird üblicherweise extremierend als Minimalprinzip (mit minimalem Mitteleinsatz ein bestimmtes Ergebnis anstreben) oder als Maximalprinzip (mit bestimmtem Mitteleinsatz ein maximales Ergebnis anstreben) formuliert. Die erste Ausprägung wird auch als Grundsatz der Sparsamkeit, die zweite Ausprägung als Ergiebigkeitsprinzip bezeichnet. Diese beiden Extremalziele der Wirtschaftlichkeit sind allerdings insofern unzulänglich, als bei betrieblichen Entscheidungen in aller Regel sowohl Mitteleinsatz wie Ergebnis als variabel angenommen und in einem schrittweisen Abstimmungsprozeß optimiert werden (vgl. Müller-Merbach, 1982). Wirtschaftlich optimal handeln bedeutet mithin, ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Ergebnis und

Wirtschaftlichkeit als zentraler Beurteilungsmaßstab

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Mitteleinsatz anzustreben, wobei das Optimalitätskriterium im einzelnen konkretisiert werden muß. (2) Wirtschaftlichkeit weist zwei Schichten auf: 1. Mengenmäßige Wirtschaftlichkeit (Technizität, insbesondere in gesamtwirtschaftlicher Sicht auch Produktivität): Relation Ergebnismengen zu Einsatzmengen. 2. Monetäre und nicht monetäre wertmäßige Wirtschaftlichkeit (Ökonomität): In Geldeinheiten bzw. anhand anderer Maßstäbe bewertete Technizität. In der Unternehmung wird die wertmäßige Wirtschaftlichkeit auch als Rentabilität bezeichnet und durch Ertrags-Aufwands-, Ertrags-Kapital- bzw. Leistungs-KostenRelationen ausgedrückt. Daneben gibt es Mischformen, z. B. die für Verwaltungsbetriebe aussagefähige „Kosten-Wirtschaftlichkeit" (Relation Ergebnismengen zu monetär bewerteten Einsatzmengen). (3) Sparsamkeit im Sinne des Minimalprinzips ist nicht identisch mit Wirtschaftlichkeit, sondern ein Unterfall derselben. In der Praxis wird das in vielen Verwaltungsvorschriften genannte Sparsamkeitsprinzip allerdings meist verkürzt als Vermeidung von Ausgaben verstanden. In diesem Falle deckt das Prinzip nur eine Seite der Wirtschaftlichkeit ab, noch dazu eingeschränkt auf den Finanzmitteleinsatz. Dies kann durchaus im Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit stehen (vgl. zur Fragwürdigkeit dieses Prinzips auch Greifeid, 1981, S. 35 f.). In der öffentlichen Verwaltung ist ein auffälliger Widerspruch zwischen der gesetzlichen Verankerung der Wirtschaftlichkeit in einschlägigen Rechtsvorschriften (§ 7 Bundeshaushaltsordnung, § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz) und der geringen praktischen Befolgung von Wirtschaftlichkeitsregeln zu verzeichnen (vgl. auch Greifeid, 1981). Das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist lediglich formaljuristisch verankert, es mangelt an operationalen Regeln und Maßstäben sowie an Anreizen bzw. Sanktionen. Um den bloß deklaratorischen Charakter des Wirtschaftlichkeitsprinzips zu konkretisieren, könnten detaillierte gesetzliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze aufgestellt werden (vgl. entsprechende Vorschläge bei Eichhorn, 1979). (4) In der Privatwirtschaft läßt sich Wirtschaftlichkeit relativ eindeutig messen, denn es geht in der Regel um monetär bewertbare, unternehmungsinterne Effekte. Dementsprechend werden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen häufig auf die in Geld bewertbaren Aspekte begrenzt. Diese Verkürzung ist zumindest in manchen Bereichen (Management, Personal, Datenverarbeitung) unzweckmäßig, da nichtmonetäre Wirkungen unberücksichtigt bleiben. In der öffentlichen Verwaltung sind sogar nichtmonetäre Ausprägungen von Wirtschaftlichkeit vorherrschend, da vor allem die Ergebnisdimension nur selten in Geldeinheiten bewertet werden kann (s. 6.5.3.). Wirtschaftlichkeit umfaßt in einem weiteren Sinne also monetäre und nichtmonetäre Effekte. (5) In den Verwaltungswissenschaften wird der Begriff der Effizienz häufig dem Wirtschaftlichkeitsbegriff vorgezogen: Effizienz deckt im Vergleich zur monetär

Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre

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interpretierten Wirtschaftlichkeit auch nichtmonetäre, insbes. gesellschaftliche Aspekte ab und schließt Wirtschaftlichkeitsüberlegungen im Hinblick auf übergeordnete Ziele ein. Mit Effizienz sind Aussagen gemeint, die sowohl Mitteleinsatz/Ergebnis-Relationen wie auch Ergebnis/Ziel-Beziehungen betreffen und sich auf geplante oder tatsächliche Werte (Soll oder Ist) beziehen können (s. Abb. l - l; vgl. auch Reichard, 1982 f, H. König, 1980). Mit Effektivität werden demgegenüber zeitbezogene Vergleiche von Soll und Ist im Hinblick auf Mitteleinsatz, Ergebnis oder übergeordnete Zielsetzungen bezeichnet: z.B. Vergleich von geplanten und tatsächlichen Ausgaben im Rahmen der Finanzkontrolle oder von geplanten und eingetretenen Programmwirkungen im Zuge von Implementationsanalysen. In der öffentlichen Verwaltung wird ein im Vergleich zur Privatwirtschaft erweitertes Effizienzkonzept benötigt (vgl. auch Meyer/Wohlmannstetter, 1985): Verwaltungsmaßnahmen haben höchst unterschiedliche Wirkungen monetärer und nichtmonetärer sowie interner und externer Art und beziehen sich auf verschiedenartige politische Ziele. Beim Verwaltungshandeln geht es nicht lediglich um die mit einem bestimmten Mitteleinsatz bewirkten administrativen Maßnahmen, sondern vor allem auch um die Abschätzung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen im Hinblick auf politische Zielvorstellungen. Demzufolge ist im allgemeinen eine mehrdimensionale und mehrstufige Abstimmung von Ziel/Ergebnis-Kategorien einerseits und Mitteleinsatz andererseits geboten. Ausgangsfragen

Soll

Ist

wozu?

Ziel/Zweck

Zielerreichung

was?

Programm/ Maßnahme

Ergebnis

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Ressourcenverbrauch

Wirksamkeit

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Effizienz

Effektivität

Abb. 1-1

1.4. Wozu Verwaltungsbetriebslehre? (1) Die Betriebswirtschaftslehre hat - wie oben bereits geschildert - die Aufgabe, das wirtschaftliche Handeln in Betrieben jeglicher Art zu beschreiben und zu erklären sowie geeignete Regeln und Methoden zu entwickeln. Dieser Aufgabe hat sich

Wozu Verwaltungsbetriebslehre?

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die BWL bislang nur partiell und einseitig unterzogen. Sie hat sich vorwiegend mit Unternehmungen - als privatwirtschaftlich geführten Betrieben in marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung - beschäftigt und im Rahmen dieser Unternehmungen wiederum hauptsächlich mit einem Teilbereich - nämlich mit den Industrieunternehmungen. Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Banken und Versicherungen, landwirtschaftliche Betriebe oder Informationsbetriebe gelten im Vergleich zum Industriebetrieb als noch relativ unerforscht. Besonders stiefmütterlich wurde insbesondere der öffentliche Sektor einschließlich der öffentlichen Betriebe von der BWL behandelt (vgl. auch Strebel, 1972). Lediglich im 17.-19. Jahrhundert gab es mit der Kameralwissenschaft, ursprünglich als „Lehre zur Mehrung des Fürstenwohlstandes" entstanden, einigermaßen ausgefeilte betriebswirtschaftliche Überlegungen zur öffentlichen Verwaltung, die sogar neben den Handlungswissenschaften einen bedeutenden historischen Ursprung der BWL darstellen (vgl. Walb, 1927). In der jüngeren Vergangenheit fristete jedoch die BWL des öffentlichen Sektors ein Schattendasein. Die Verwaltungsbetriebslehre wurde vielfach mit Bürokunde identifiziert (vgl. z. B. Kubsch, 1950). (2) Seit einigen Jahren sind allerdings verstärkte Aktivitäten zur wissenschaftlichen Erforschung von Betrieben im öffentlichen Sektor beobachtbar. Es sind einige Lehrbücher, konzeptionelle Studien, Aufsätze veröffentlicht worden (vgl. neben der l.Aufl. dieser Schrift insbes. Bischofberger, 1964, Budäus, 1982, Eichhorn/Friedrich, 1976, Gornas, 1976, Haeseler, 1976, Laux, 1975b, Lüder, 1982, Mertens, 1975, Oechsler, 1982b und 1984, Rieger, 1983, H.-G. Scholz, 1979, Steinebach, 1980b, Winckelmann, 1963; vgl. zum Überblick auch die Sammelrezension von Brede, 1984). Es wurden verschiedene Lehrstühle und Studienschwerpunkte eingerichtet (vgl. den Überblick bei Lüder, 1981, Hewel, 1982). Auch die Verwaltungspraxis nutzt gelegentlich - wenn auch noch zaghaft - betriebswirtschaftliche Erkenntnisse und Methoden. Betriebswirtschaftliche Analysen des öffentlichen Sektors werden heute als unverzichtbar angesehen. Öffentliche Betriebe und Verwaltungsbetriebe sind ebenso Gegenstand der BWL wie Industrie- oder Handelsbetriebe: sie sind „Betriebe" und in ihnen wird gewirtschaftet. Sie haben mit privaten Betrieben eine Reihe von Gemeinsamkeiten, z. B. im Hinblick auf Organisation und Management, Leistungsund Abrechnungsprozesse sowie bezüglich einer Reihe von ökonomischen Methoden. Sie weisen andererseits beträchtliche Unterschiede auf, die u.a. durch Einflußnahmen des politischen Systems, durch die Art der erstellten Leistungen, durch rechtliche Vorgaben u.a.m. bedingt sind (s.i.e.I.5.). Man benötigt eine Verwaltungsbetriebslehre ebenso, wie sich eine Industriebetriebslehre oder eine Handelsbetriebslehre als unumgänglich erwiesen haben (vgl. dazu auch Chmielewicz, 1971 und 1985, Eichhorn, 1984 und 1985, H. König, 1984, Kosiol, 1972, S. 27). (3) Ein wissenschaftlich abgesichertes Konzept einer Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung ist allerdings bislang noch nicht vorhanden, lediglich ein-

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Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre

zelne Ansätze umreißen künftige Konturen (vgl. zu einer ersten Systematik Oechsler, 1984, S. 874 ff.). Eine system- und entscheidungsorientierte Sichtweise - wie sie auch in dieser Schrift vertreten wird - scheint gegenwärtig zu dominieren. Es ist nicht einmal unumstritten, inwieweit eine BWL der öffentlichen Verwaltung als verselbständigte Institutionenlehre überhaupt sinnvoll ist. Lüder (1982, S. 549 ff.) macht gegen ein solches Ziel Bedenken geltend und plädiert für eine betriebswirtschaftliche Funktionenlehre, die etwa die Funktionen Absatz, Personal, Organisation in verschiedenen Branchen und Betriebsformen - u. a. auch im Verwaltungsbetrieb - untersucht (vgl.zur Diskussion darüber auch Bott u.a., 1983). Erstrebenswert erscheint eine Kombination von Funktionen- und Institutionenlehre (vgl. auch Röber, 1978): Wenn es um konkrete Problemlösungen - bspw. im Personalwesen der Verwaltung - geht, wird auf den institutionsübergreifenden funktionalen Erkenntnissen aufbauend eine Lösung unter Beachtung der konkreten Anwendungsvoraussetzungen der Institution Verwaltung erarbeitet. (4) Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist, ob eine gemeinsame BWL des öffentlichen Sektors anzustreben ist, d. h. ob öffentliche Verwaltungen und öffentliche Betriebe (und ggf. auch andere gemeinwirtschaftliche Betriebe) integrierend oder jeweils getrennt von der BWL bearbeitet werden sollen. Verschiedentlich werden die Gemeinsamkeiten von öffentlichen und Verwaltungs-Betrieben betont (vgl. z. B. Budäus, 1981, Oechsler, 1982b, S.23, Strebel, 1978b). Im übrigen ist aber eher eine Tendenz zur Herausbildung von zwei relativ selbständigen Teildisziplinen erkennbar. Dies erscheint auch sinnvoll, denn beide Betriebstypen unterscheiden sich doch in verschiedener Hinsicht (s. 1.5.). Erkenntnisse sind dementsprechend nur begrenzt auf den jeweils anderen Betriebstyp übertragbar. In diesem Lehrbuch stehen Verwaltungsbetriebe im Vordergrund; öffentliche Betriebe werden daher bis auf kurze Begriffs- und Problemklärungen (s. 1.6.) weitgehend ausgeklammert. (5) Welche Ziele soll eine ausgebaute Verwaltungsbetriebslehre verfolgen? Zwei Hauptzielkomplexe erscheinen von Bedeutung (s. 1.2.2.): (a) Theorie: Beschreibung und Erklärung von ökonomischen Phänomenen des Verwaltungsbetriebes, möglichst auf der Grundlage umfassender empirischer Daten und unter Verwendung moderner sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden. Beispiele: Beschreibung der Betriebsstrukturen (Management-, Entscheidungsund Informationsstrukturen) sowie der Leistungs- und Abrechnungsprozesse und Erklärung ihrer Gesetzmäßigkeiten. (b) Anwendung: Entwicklung praxisgerechter Handlungsregeln bezüglich der zielorientierten wirtschaftlichen Gestaltung und Lenkung von Verwaltungsbetrieben. Beispiele: Entwicklung von Planungs-, Entscheidungs-, Management-, Rationalisierungs- und Abrechnungstechniken (-modellen) zum Zwecke effizienten Verwaltungshandelns.

(6) Nicht in allen Verwaltungszweigen und -ebenen bestehen gleich große Einsatzmöglichkeiten betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse. In der Kommunalverwaltung

Der Verwaltungsbetrieb und andere Betriebstypen

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und in (nachgeordneten) Einzelbehörden bestehen größere Chancen als in politiknahen Ministerien. Auch haben sicherlich Querschnittsressorts („Allgemeine Verwaltung") größeren Bedarf als reine Fachressorts etwa im Bildungs- oder Gesundheitsbereich. Die Einsatzchancen betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse erhöhen sich seit einiger Zeit nicht nur wegen zunehmender Ressourcenverknappung, sondern auch infolge vermehrter Verselbständigungsprozesse in der Verwaltung (vgl.z. B. Reichard, 1986b, Schuppert, 1981, Wagener, 1976). Betriebswirtschaftliche Analysen von Verwaltungseinheiten werden nämlich umso unproblematischer, aber auch notwendiger, je deutlicher Verwaltungseinheiten in ihren Prozessen und Leistungen voneinander abgrenzbar werden (vgl. Budäus, 1981, S. 396 f.). Fragen der Planung, des Managements und der Kontrolle dürften zukünftig in der öffentlichen Verwaltung verstärkt auch betriebswirtschaftliche Antworten erfordern (vgl. zu Zukunftsperspektiven einer BWL der öffentlichen Verwaltung auch Oechsler, 1984, S. 939 ff.).

1.5. Der Verwaltungsbetrieb und andere Betriebstypen (1) Betriebe sind Instrumente, die im Interesse bestimmter Trägergruppen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse eingesetzt werden (s. 2.2.). Da in ihnen Menschen mit Gütern zur Erreichung gesetzter Ziele tätig sind, kann man Betriebe auch als soziotechnische Systeme begreifen, die sich voneinander durch jeweils einheitliche und eigenständige Zielsysteme abgrenzen (vgl. auch Kosiol, 1972, S. 23). Ein Betrieb wird - zurückgehend auf Gutenberg (1,1983) - durch drei Merkmale gekennzeichnet, die für alle Arten von Betrieben - unabhängig vom Wirtschaftssystem - gleichermaßen gelten: (a) In ihm werden Produktionsfaktoren (Einsatzgüter) kombiniert (zur betriebswirtschaftlichen Faktorsystematik s. 2.3.3.). (b) Es wird nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip gehandelt (s. im einzelnen 1.3.). (c) Es wird finanzwirtschaftliches Gleichgewicht angestrebt, d. h. Einnahmen und Ausgaben sollen ausgeglichen sein (s. im einzelnen 2.3.6.).

In der BWL werden Betriebe nach ihrem Vorkommen in verschiedenen Wirtschaftssystemen klassifiziert. Dabei wird die Unternehmung als vorherrschende Betriebsform in der Marktwirtschaft (s.u. Tz2) dem planwirtschaftlichen Betrieb gegenübergestellt. Diese Klassifizierung geschieht anhand bestimmter wirtschaftssystemspezifischer Merkmale (vgl. Gutenberg 1,1983), die aber für die Charakterisierung des Verwaltungsbetriebes wenig fruchtbar sind (vgl. Budäus, 1982, S. 52 ff., Steinebach, 1980b, S. 14, Strebel, 1972, S. 146f.). Daher wird dieser Ansatz hier nicht weiter verfolgt.

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Grundkonzept der Verwaltungsbetriebslehre

(2) Insgesamt können in unserem Wirtschaftssystem folgende Grundtypen von Betrieben unterschieden werden ( s. Abb. l - 2, vgl. Chmielewicz, 1971, S. 603 ff., Rieger, 1983, S.8ff.): 1. Privater Haushalt: Unter dem Aspekt der menschlichen Bedürfnisbefriedigung ursprünglicher, der Eigenbedarfsdeckung dienender Konsumtionsbetrieb. 2. Private Unternehmung: Wirtschaftlich selbständiger, fremdbedarfsdeckender, alleinbestimmter und erwerbswirtschaftlich handelnder Betrieb. 3. Öffentlicher Betrieb: Organisatorisch selbständige Erfüllungseinheit staatlicher Leistungsziele in öffentlicher Trägerschaft, die aufgrund ihrer besonderen technologischen Art sowie des marktwirtschaftlichen Charakters ihrer Leistungen aus der Verwaltung ausgegliedert worden ist und überwiegend gemeinwirtschaftlich handelt (s. i. e. l .6.). 4. Verwaltungsbetrieb: Einzelne Leistungseinheit der öffentlichen Verwaltung, die nach Maßgabe staatlicher Zielvorgaben überwiegend kollektiven Fremdbedarf deckt, indem sie öffentliche Güter erstellt und überwiegend unentgeltlich absetzt (s.a. Verwaltungsbegriff in 1.2.1.). (3) Zwischen diesen Grundtypen gibt es graduelle Übergänge und Zwischentypen. Zwischen den Typen l und 2 ist bspw. der landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetrieb einzuordnen. Zwischen den Typen 2 und 3 liegt etwa die gemischtwirtschaftliche Unternehmung (s. 1.6.). Zwischen den Typen 3 und 4gibt es ebenfalls verschiedene Übergangsformen wie z. B. Theater oder Forschungsinstitutionen. Auch ist hier an die verschiedenen „Ausfransungen" der Verwaltung in Richtung „Dritter Sektor" zu denken (vgl. Arbeitsgruppe Verwaltungsforschung, 1987). Strittig ist, ob auch der private Haushalt als Betrieb anzusehen ist oder ob eine Hauswirtschaftslehre neben die Betriebswirtschaftslehre zu stellen ist (vgl. zu dieser Diskussion: Raffee, 1974, S.50ff.). Da die o.g. Betriebsmerkmale auch für den Haushalt zutreffen, ist er in die Typisierung einbezogen worden. (4) Die Unterschiede der genannten Betriebstypen werden aus der nachstehenden Übersicht (s. Abb. l - 2) deutlich. Zur Abgrenzung werden die Merkmalsgruppen Zielstruktur, Leistungsstruktur sowie Eigentums- und Finanzstruktur herangezogen (vgl.auch Chmielewicz, 1971, S.603ff., zur Zielstruktur ferner auch W.W. Engelhardt, 1974, S.498ff.). Zur Erläuterung sei folgendes angemerkt: Während der Haushalt seinen Eigenbedarf deckt, dienen die anderen Betriebstypen der Fremdbedarfsdeckung. Für den Verwaltungsbetrieb ist dabei prägend, daß er überwiegend Kollektivbedarf deckt, d. h. Güter bereitstellt, von deren Konsum sich der einzelne Bürger nicht ausschließen kann (zum Begriff öffentliches Gut s. 2.3.4.). Marktfähigkeit bedeutet, daß die entsprechenden Güter auf einem Markt getauscht werden. Die Trägerschaft (öffentlich versus privat) wird im Schema durch die Eigentumssituation ausgedrückt. Dementsprechend werden Betriebe, an denen der Staat mit mehr als 25% beteiligt ist, zu den öffentlichen Betrieben gerechnet, weil der Staat - zumindest bei bestimmten Rechtsformen - von dieser Grenze

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(3) Zielgewichtung: Auch die Bewertung ist ein Ordnungsvorgang, allerdings nicht im Sinne der sachlichen Gliederung von Zielelementen, sondern der subjektiv-wertenden Priorit tensetzung. Demgem sind zwar Proze und Wirkungszusammenhang der Zielgewichtung objektiv nachpr fbar, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit gesetzter Zielpriorit ten. Die Gewichtung ist letztlich ein politischer Proze , der vom Planer nur in Abstimmung mit dem politischen Entscheidungstr ger vollzogen werden kann. Trotz aller Subjektivit t hat die Zielgewichtung im Rahmen der Zielanalyse den Vorteil, Priorit ten zu verdeutlichen und transparent zu machen. Ma geblich f r die Vergabe von Zielgewichten sind Relevanz berlegungen, die sich nach folgenden Kriterien richten sollten (vgl. KGSt, 1975c): - zu erwartende Outputs/Wirkungen - Input (Ressourcenverbrauch)

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Zielanalyse

- Interdependenzen zu anderen Zielen - zu erwartende Implementations widerstände Bei der Zielgewichtung kann es angebracht sein, zwischen unbedingt zu erfüllenden Zielen („Mußziele") und erstrebenswerten Zielen („Wunschziele") zu unterscheiden. Alternativen, die ein Mußziel nicht erfüllen, würden bei der Bewertung ausscheiden. Die Überführung der ungewichtet bereits vorliegenden Ziel hierarchic in ein gewichtetes Zielsystem erfolgt in nachstehenden Schritten (s. auch 3.5.1.): (a) Rangordnung: Die Ziele auf einer Zielebene werden entsprechend ihrer Bedeutung vom Entscheidungsträger in eine Rangreihenfolge gebracht (ordinale Präferenzordnung). Dasjenige Zielelement einer Zielebene, das als am wichtigsten empfunden wird, wird an die oberste Stelle gestellt, das unwichtigste an die unterste (Methode des Paarvergleichs). (b) Vergabe der Zielgewichte: Die Zielgewichte, die den einzelnen Zielen zuzuordnen sind, müssen in ihren Verhältnissen zueinander geschätzt werden, um den Abstand zwischen den zuvor ordinal gewichteten Zielelementen zu kennzeichnen. Dazu werden die Ziele auf einer Zielebene entsprechend ihrer Rangfolge mit „Prozentgewichten" versehen, deren Summe 100% ergibt (s. das praktische Beispiel zur Nutzwertanalyse in 3.5.1.). Zielanalyse Möglichkeiten

Grenzen

Objektivierung, Transparentmachung und evtl. Demokratisierung öffentlicher Zielbildungsprozesse

Ausschließlich formales Hilfsmittel, das die Frage nicht beantworten kann, in welchem Maße und von wem Ziele zu gewichten sind, und das die politische Abwägung nicht ersetzen kann

Reduktion der teilweise beachtlichen Komplexität öffentlicher Zielsysteme Aufdeckung von Zielrelationen (Interdependenzen, Nebenwirkungen, Konkurrenzund Komplementaritätsbeziehungen) Ermöglichung nachträglicher Erfolgskontrolle der Zielerreichung sowie der Anwendung moderner zielorientierter Arbeitstechniken

Insbesondere bei politischen Zielsystemen ist eine eindeutige und vollständige Ableitung von Ziel/Mittel-Relationen und eine exakte Bewertung häufig unmöglich Teilweise hoher Analyseaufwand im Vergleich zum Output; damit verbunden ist die Gefahr der Entstehung von Scheingenauigkeiten

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Techniken und Konzepte der Planung

3.4. Informationsgewinnung 3.4.1. Überblick (1) Informationsgewinnungstechniken sind nicht scharf von anderen Planungstechniken zu trennen, die in diesem Kapitel behandelt werden. Letztlich dienen alle Methoden im Planungsprozeß der Verbesserung des Informationsstandes. An dieser Stelle wird daher nur ein methodischer Überblick gegeben und werden mit den Kreativitäts- und Prognosetechniken zwei wichtige Methodenbündel näher dargestellt. (2) Der Methodeneinsatz hängt von Zweck und Art der zu gewinnenden Informationen ab. Im Hinblick auf Planungsprozesse sind vor allem folgende Informationsarten von Bedeutung (s.a. 2.1., Tz8): Informationsart:

Beispiele für Informationsgewinnungstechniken

Situations- und Probleminformationen

Problemanalyse; Erhebungstechniken wie Befragung, Beobachtung (s. 4.4.2.)

Zielinformationen

Zielanalyse (s.3.3.)

Informationen über Alternativen und deren Wirkungen

Kreativitäts- und Prognosetechniken (s.u.); Wirtschaftlichkeitsrechnung (s. 6.5.); Modellanalysen

(3) Im Prinzip gibt es zwei generelle, unterschiedliche Ansätze zur Gewinnung von Informationen: - systematisch-analytische Verfahren (z. B. mit Hilfe von quantitativen Methoden, durch Statistik-Auswertung, mittels Datenverarbeitung), - intuitiv-kreative Verfahren, d. h. schöpferische Denkprozesse. In diesem Abschnitt wird je ein Beispiel dieser Ansätze dargestellt.

3.4.2. Kreativitätstechniken (1) Die Leistungsfähigkeit der Verwaltung wird in steigendem Maße durch ihre Fähigkeit bestimmt, neuartige Aufgaben, für die es keine vorprogrammierten Lösungsschemata gibt, zu lösen. Dabei erlangt das schöpferische Denkvermögen der beteiligten Personen zentrale Bedeutung. Es gilt daher, die Bestimmungsgründe schöpferischen Denkens aufzudecken, kreativitätsfördernde sozialpsychologische

Informationsgewinnung

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und organisatorische Faktoren zu analysieren und Methoden zur Förderung und Ausnutzung vorhandener Kreativitätspotentiale zu entwickeln. (2) Unter Kreativität versteht man die Fähigkeit, etwas Neuartiges zu schaffen, indem Beziehungen zwischen bisher getrennt oder in unterschiedlicher Sichtweise vorhandenen Erfahrungstatbeständen hergestellt werden. Produkte der Kreativität sind die Ideen. Kreativitätstechniken dienen dazu, das schöpferische Potential von Informations- und Entscheidungsträgern zu aktivieren. Obwohl Kreativität „originale Schöpferkraft" ist und eine individuelle, meist unübertragbare Eigenschaft denkender Menschen darstellt, kann diese Eigenschaft durch Kreativitätstraining, d.h. durch die Weckung und ständige Entwicklung schöpferischen Denkvermögens gefördert werden. (3) Die meisten Kreativitätstechniken bauen auf Gruppenarbeit auf. In Gruppensituationen kommt es - jedenfalls für die Mehrzahl der Teilnehmer - zur schnelleren und vollständigeren Enthemmung und zu leichteren Assoziationen. Dadurch stellen sich i. a. synergistische Effekte im Vergleich zu Individualleistungen ein. Auf manche Personen allerdings wirken Gruppen hemmend, erschweren die Konzentration und Orientierung. In einigen Untersuchungen wurde auch kritisch festgestellt, daß zwar die Quantität, nicht aber die Qualität der Ideengewinnung bei Gruppenarbeit höher ist (vgl. Landau, 1971, S. 102, ferner die empirischen Befunde bei Redel, 1982, S. 145 ff.). Die Vorteile derartiger Gruppenkreativitätsübungen überwiegen i. a. dann, wenn die Aufgabenstellungen einerseits nicht zu trivial, andererseits aber auch nicht zu komplex sind, d. h. wenn es sich um konkrete, schlechtstrukturierte Probleme handelt, die zahlreiche Lösungsmöglichkeiten bieten und überhaupt in etwa 30-60 Minuten erarbeitet werden können. Man muß sich darüber klar sein, daß solche Gruppenprozesse allenfalls Anstöße und Materialsammlungen, aber kaum endgültige Problemlösungen liefern. Grundidee aller Kreativitätstechniken ist die hinausgeschobene Ideenbewertung, d.h. eine explizite, klare Trennung von Ideensuche und -bewertung. Es soll zunächst ein möglichst hoher Ideenoutput bewirkt werden, ohne auf die Verwertbarkeit Rücksicht zu nehmen („konstruktives Spinnen"). Auch bei der Ideenbewertung sind selbst abseitige, neuartige Lösungsvorschläge als verwertbar anzuerkennen, damit es nicht zu Frustrationserscheinungen bei den Ideenproduzenten kommt. Einige Verfahren werden nachstehend kurz dargestellt. (4) Brainstorming: Das Wesen der Methode des Brainstorming (= „Gedankenwirbel"; entwickelt von Osborn; vgl. zum Verfahren: Clark, 1970, Schlicksupp, 1977) besteht darin, in einer adhoc-Gruppe von ca. 6-15 Personen in kurzer Zeit (ca. 30 Minuten) eine möglichst hohe Anzahl neuartiger, unkonventioneller Problemlösungen zu einer konkreten vorgetragenen Problemstellung zu finden. Dabei wird bewußt in Kauf genommen, daß nur ein relativ geringer Prozentsatz (5-10%) der gesammelten Ideen unmittelbar realisierbar ist. Der Ideenschöpfungseffekt („Ideenbank") und der Motivationseffekt auf die Mitarbeiter sind von ausschlaggeben-

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Techniken und Konzepte der Planung

Brainstorming - Prozeß Problemanregung

Vorbereitungsphase

exakte Problemfestlegung Auswahl der Brainstorming-Teilnehmer Bestimmung des Moderators

Darstellung und Analyse des Problems durch Moderator Auflerung spontaner Lösungsvorschläge aus der Gruppe Suchphase

Fortspinnen der Ideen zu Assoziationsketten Nach etwa 30min: Zusammenfassung der Ergebnisse durch Protokollführer Ergebnisse befriedigend?

Ideenbewertung durch Bewertungsausschufl Selektions phase

Abb. 3-2

Informationsgewinnung

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der Bedeutung. Die Grundstruktur eines Brainstorming-Prozesses wird aus Abb. 3-2 ersichtlich. Wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Brainstorming sind: 1. Interdisziplinäre, demokratische Gruppenstruktur, Teilnehmer möglichst aus gleicher hierarchischer Ebene. 2. Eng und klar umrissenes Thema, das durch konstruktives Weiterspinnen zu komplexen Lösungen umgeformt werden kann. 3. Einfühlsamer, aber hartnäckiger und präzise formulierender Moderator ohne „Killer"-Ambitionen, sowie ein Protokollant (bzw. Tonband). 4. Ernsthafter Mitarbeitswille aller Beteiligten. 5. Sammlung möglichst vieler Ideen ohne expliziten Verwertbarkeitsbezug. 6. Unterlassung negativer, destruktiver Kritik während des Ideensammlungsprozesses. 7. Kein Urheberrecht an Ideen, Namen werden nicht mitprotokolliert.

Nach vollzogener Brainstorming-Sitzung werden die gefundenen Lösungsvorschläge in Lösungskategorien gruppiert (sofort umsetzbare, langfristig nach Vorarbeiten umsetzbare und offensichtlich unbrauchbare Ideen) und den zuständigen Entscheidungsträgern zur Begutachtung zugeleitet. Hierbei muß beachtet werden, daß nicht bürokratische Auswahlkriterien (z.B. Killerphrasen wie „Das haben wir noch nie so gemacht") den schöpferischen Prozeß zerstören. (5) Methode 635: Eine etwas formalisierte Abart des Brainstorming, die man auch als „Brainwriting" bezeichnen kann (vgl. Schlicksupp, 1977, Reichard, 1982 a), stellt die „Methode 635" dar, die es auch in abgewandelten Varianten gibt. Hier werden auf einer Problemlösungskonferenz von 6 Mitarbeitern jeweils 3 Ideenvorschläge innerhalb von 5 Minuten auf einem Vordruck notiert (daher der Name: 635). Alle Teilnehmer tauschen gleichzeitig die Blätter aus und fügen bei jedem Blatt 3 weitere Ideen hinzu, bis alle Vordrucke von allen Teilnehmern bearbeitet sind. Durch diese Spielregeln werden Assoziationen begünstigt, allerdings kommt durch die Schriftform gegenüber verbalen Konferenzen der logische Verstand stärker zur Wirkung, was die Kreativität behindern kann. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Technik der Kartenabfrageim Rahmen der Visualisierungsmethoden hinzuweisen: Gruppenmitglieder schreiben Ideen auf Pappkärtchen, die an einer Pinnwand gesammelt und „weitergesponnen" werden (vgl. Schnelle, 1978, S. 27 f.). (6) Synektik: Die Methode der Synektik (= Verknüpfung vorher unzusammenhängender Elemente; entwickelt durch Gordon, 1961) beruht auf der Anwendung des Analogieschlusses und auf der Verfremdung eines Problems (vgl. Schlicksupp, 1977, Reichard, 1982 a). Synektik als „schöpferische Konfrontation" vollzieht sich in einem mehrstufigen Prozeß der Gruppenarbeit, in dem durch psychologische Steuerung versucht wird, fremde und neuartige Analogien aus anderen Lebensbereichen (bspw. aus der Biologie oder Physik) aus dem Unterbewußtsein abzurufen. Die Voraussetzungen entsprechen weitgehend denen des Brainstorming. Eine Synektik-Sitzung ist nicht ohne eine gewisse Schulung der Teilnehmer durchzuführen. Vor allem die wichtigen persönlichen Analogien (Bsp.: jeder Teilnehmer

Techniken und Konzepte der Planung

88

Kreativitätstechniken Technik

Möglichkeiten

Grenzen

Brainstorming

hoher Ideenoutput

Gefahr lediglich oberflächlicher Problemlösung

kurzer Zeitbedarf Kreation neuartiger Problemlösungen

Frustration bei Dominanz der Inhaber von Leitungsstellen

positive Motivation der Teilnehmer

Gefahr des Abgleitens in irrelevante Gebiete Geringe Verwertungsquote (ca. 5-10%)

Methode 635

Kreation neuartiger Problemlösungen möglich

Starres Schema engt Kreativitätsspielraum ein

kurzer Zeitbedarf

Schriftform begünstigt logisches Denkvermögen zu Lasten der Kreativität

Denkprozeßsteuerung durch exakte Spielregeln vorwiegend positive Motivation der Teilnehmer

Zeitzwang behindert schöpferische Entfaltung

Anonymität der Vorschläge Verfahren wird als seriöser als Brainstorming oder Synektik empfunden Synektik

Kreation neuartiger Problemlösungen auch für komplexere Probleme geeignet kurzer Zeitbedarf Bewußtmachung psychischer Prozesse meist positive Motivation der Teilnehmer

Mangelnde Mitarbeit vieler Teilnehmer infolge ungenügenden Enthemmungsvermögens Relevanz der Analogien nicht gesichert Psychologisch geschulter Moderator notwendig relativ aufwendiges Verfahren

Informationsgewinnung

89 Kreativitätstechniken (Forts.)

Technik

Möglichkeiten

Grenzen

Morphologie

Kreation neuartiger Problemlösungen denkbar

kein expliziter Gruppeneffekt

Aufdeckung von bisher unbekannten Kombinationen und Systemzusammenhängen auch individuell anwendbar, kein Zwang zur Gruppenbildung mit den damit verbundenen Problemen

keine revolutionären Ideen zu erwarten, da Teillösungen zumeist bekannt bei komplexeren Problemen ziemlich umständliches Verfahren

soll sich als „Rost an einem Auto" fühlen und schildern, was er erlebt) fallen vielen Personen schwer, weil sie sich nicht genügend enthemmen können und die Situationen z.T. als albern empfinden. Auch hier ist der Diskussionsleiter von Bedeutung, weil nur ein psychologisch geschulter Moderator die entsprechenden Assoziationen induzieren kann. (7) Morphologie: Die morphologische Methode beruht auf der Zerlegung eines zu lösenden komplexeren Problems in seine Bestandteile, die in einer Matrix angeordnet werden („morphologischer Kasten", entwickelt von Zwicky, 1971). Gruppenarbeit ist hierbei nicht erforderlich. Durch die Zuordnung bekannter Lösungsmöglichkeiten zu den Problemelementen sowie durch die kombinatorische Verknüpfung dieser Lösungen können sich neuartige Teil- wie auch Gesamtlösungen ergeben. Revolutionäre Lösungen sind bei dieser Methode allerdings kaum zu erwarten, weil die eingesetzten Teillösungen bereits bekannt sind.

3.4.3. Prognosetechniken (1) Da Entscheidungen auf zukünftige Handlungen ausgerichtet sind und auf dem Vergleich der Zielwirksamkeit dieser Zukunftsgeschehnisse basieren, müssen diese Handlungen durch Prognosemaßnahmen hinreichend transparent gemacht werden. Prognosen sind Aussagen über zukünftige Ereignisse, die Vergangenheitsinformationen mit Überlegungen über die Zukunftsentwicklung verknüpfen. Sie dienen also dazu, zukünftige Ereignisse und Zielwirkungen vorauszusehen, um dieses Wissen beim Alternativenauswahlakt zu berücksichtigen.

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Techniken und Konzepte der Planung

Dabei muß man sich darüber klar sein, daß sichere Prognosen unmöglich sind, sondern daß sie nur mit einem mehr oder weniger hohen Sicherheitsgrad gemacht werden können (s. auch 2.1.)· Prognosen müßten demnach durch die Angabe ihres Sicherheits- bzw. Wahrscheinlichkeitsgrades in ihrer Aussagefähigkeit gekennzeichnet werden (vgl.hierzu J.Wild, 1969). Neben der Sicherheit ist die Bestimmtheit einer Prognose ausschlaggebend für ihren Informationsgehalt. Sicherheit und Bestimmtheit stehen dabei in einem inversen Verhältnis: Je bestimmter eine Prognose ist, desto unsicherer wird sie i. a. sein und umgekehrt. Unter beiden Aspekten sind Punktprognosen (exakte numerische Ergebnisse) i. d. R. abzulehnen und statt dessen Intervallprognosen (Bandbreiten der Ergebnisse) vorzuziehen. Prognosen werden sinnvollerweise in bedingter Form aufgestellt: Der Eintritt des prognostizierten Ereignisses wird an den Eintritt von Bedingungen bzw. Annahmen geknüpft (wenn bestimmte Bedingungen eintreten, dann entwickelt sich die Prognosegröße wie folgt...). Reichweite, Exaktheit und Umfang von Prognosen sind unter Kosten-NutzenAspekten zu beurteilen, weil die Durchführung von Prognosen mit bestimmtem Aufwand verbunden ist, die Ergebnisse andererseits die Qualität zu treffender Entscheidungen bestimmen. Dabei wird der Nutzen u.a. durch die Bedeutung des jeweiligen Entscheidungsproblems beeinflußt. Man kann die in der Praxis angewendeten Prognosetechniken in die folgenden 4 Gruppen einordnen, wobei in der Realität vielfach auch Mischformen zwischen den Gruppen auftreten (vgl.zu den Techniken u.a. Brockhoff, 1977, Gerfin, 1964, Henschel, 1979, Lewandowski, 1974 und 1978, Mertens, 1981, Michalski/Geberding, 1975, R.-B. Schmidt, 1973, S. 31 ff., Vajna, 1977). (2) Test und Befragung: Tests als Feldexperimente (z. B. Testmarkt, Testperson) liefern Informationen über zu erwartende Verhaltensweisen, die für eine umfassendere Gesamtheit Gültigkeit haben können. Hierzu gehören auch die auf empirischen Erhebungen beruhenden Marktforschungs- und Meinungsbefragungsverfahren (s.a. 2.3.5.5.) Man geht i.a. so vor, daß man bestimmte Zusammenhänge (bspw. das Nachfrageverhalten von Bürgern bei Einführung des Null-Tarifs) stichprobenartig testet und aus dem Testergebnis auf die Allgemeinheit schließt. Zu dieser Gruppe sind auch die verschiedenen Gruppenbefragungstechniken wie Mitarbeiter- und Expertenbefragungen sowie die neuerdings besonders aktuelle Delphi-Methode zu rechnen. Auch die bereits geschilderten Kreativitätstechniken können Prognosen zum Gegenstand haben. Die Delphi-Methode ist eine formalisierte, mehrstufige Gruppenbefragung, die sozialen Konsensdruck ausschaltet und mit einer methodischen Ergebnisausweitung und -rückkopplung arbeitet (vgl. Albach, 1970, Brockhoff, 1979, Reichard, 1982a). Man befragt eine größere Zahl von Experten isoliert, unter Anonymitätswahrung, über Ungewisse zukünftige Ereignisse und deren zeitlichen Eintritt, meldet ihnen die Ergebnisse und deren statistische Verteilung zurück und gibt den Experten Gelegenheit zum

Informationsgewinnung

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Vergleich und zur Überprüfung der eigenen Einschätzung. Nach 3-4 solcher Befragungsrunden besteht meist hinreichende Konvergenz der Ergebnisse. Die DelphiMethode ist zur langfristigen Vorhersage neuer (technischer) Entwicklungen geeignet, die mittels statistischer Verfahren nicht vorhergesagt werden können; sie ist also kein Ersatz anderer Prognosetechniken, sondern eine Ergänzung.

(3) Zukunflseinschätzungen mittels „Fingerspitzengefühl" auf der Basis intuitiven Erfahrungswissens sind nach wie vor die verbreitetste Art der Vorausschau, da vielfach aussagefähige Ausgangsdaten nicht verfügbar sind und zudem Intuition „künstlichen" Informationsverknüpfungen überlegen sein kann. Als methodischer Sonderfall intuitiver Prognosen ist die Szenario-Technik TU nennen, mit deren Hilfe alternative „Bilder der Zukunft" als schrittweise Abfolgen von Ereignissen und Verzweigungen entworfen werden (vgl. Oberkampf, 1976, Reichard, 1982 a). Szenarien sind verschiedentlich zur Langfristplanung und -prognose von Verkehrs-, Raumplanungs- oder Gesundheitssystemen erarbeitet worden. (4) Die Zeitreihenanalyse als Methode zur Aufdeckung von Regelmäßigkeiten in zeitlich geordneten statistischen Reihen tritt in der Praxis in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß vorhandene Informationen über die zeitliche Entwicklung der vorherzusagenden Größe in der Vergangenheit in eine Ordnung (Zeitreihe) gebracht werden und deren Entwicklungslinie (Trend) in die Zukunft weitergeführt (extrapoliert) wird. Die Trendextrapolation als einfachste Prognoseform weist nur eine Vorhersagegröße als ausschließlich von der Zeit abhängige Variable auf (Bsp.: Prognose des Personalbestandes einer Verwaltung als Fortführung der Vergangenheitsentwicklung). Auf relativ einfache Weise kann der Trend auf graphischem Wege ermittelt werden: Die Vergangenheitswerte der Vorhersagegröße werden in einem Koordinatensystem markiert, und es wird durch die Punkteschar eine Kurve gezeichnet, die sich den Meßpunkten möglichst gut anpaßt. Bei Verlängerung dieser Kurve in die Zukunft können die zu prognostizierenden Werte aus dem Koordinatensystem abgelesen werden. Exakter kann der Trendverlauf durch mathematische Regressionsrechnung ermittelt werden (z.B. Methode der kleinsten Quadrate, der gleitenden Durchschnitte, der exponentiellen Glättung, vgl.dazu i.e.z.B. Scharnbacher, 1976, Röck/WolfT, 1978, Freudenberg, 1983; als praktisches Beispiel: Fall 2.2.in Krause/Reichard, 1982). Problematik: (1) mechanistische Vergangenheitsorientierung (Unterstellung gleichbleibender Verhältnisse), (2) Außerachtlassung von Interdependenzen zwischen Ereignissen (Monokausalität), (3) Herausschälen des Trends durch Bereinigung von Konjunktur- und Saisonschwankungen, (4) schwierige Erkennbarkeit zukünftiger Wendepunkte des Trends (Trendbrüche), (5) Notwendigkeit der Vorabbestimmung des Trendkurventyps, bevor Trendberechnung erfolgen kann. Beurteilung: Die Trendextrapolation eignet sich vornehmlich für kurzfristige Voraussagen in relativ beständigen Ereignisfeldern. Der Analyseaufwand ist zumindest beim graphischen Verfahren gering. Etwas aussagefähigere Varianten sind die Trend-Plafond-Methode, die der Trendabflachung infolge Endniveauerreichung durch logarithmische Kurvenform Rechnung

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Techniken und Konzepte der Planung trägt, die Trend-Saison-Methode, die Saisonschwankungen durch Saisonindices ausschaltet, und die Methode der Wirtschaftsrhythmen, die in gleicher Weise Konjunkturschwankungen durch Verwendung von Konjunkturindices beseitigt. Die zur Trendextrapolation geäußerten Bedenken gelten jedoch überwiegend gleichermaßen.

Indirekte Prognoseverfahren: Einige Verfahren heben sich von der Trendextrapolation dadurch ab, daß sie die Vorhersagegröße nicht (allein) von der Zeit, sondern von einer bzw. mehreren unabhängigen Variablen abhängig machen: Zu nennen sind insbesondere die Analogie-, Assoziations-, Indikator- und KorrelationsMethode. Die Analogiemethodebasiert auf der - logisch zweifelhaften - Methode des Analogieschlusses und schließt von bekannten Ereignissen in einem Bereich (Bsp.: erteilte Baugenehmigungen) auf die Entwicklung im Vorhersagebereich (Bsp.: Entwicklung der Textilproduktion), ohne daß ein Kausalzusammenhang zwischen beiden Bereichen festgestellt werden kann. Beurteilung: Dieses Verfahren ist nur akzeptabel, wenn die Entwicklung für den Vorhersagebereich nicht in direkten Trends ausgedrückt werden kann. Etwas realitätsnäher ist die Assoziationsmethode, die gleichfalls die Vorhersagegröße durch „Assoziation" mit einer erklärenden Größe koppelt, dabei aber eine Ursachenanalyse beider Größen vornimmt (Bsp.: Prognose des Fernsprechgeräteabsatzes aus der Anzahl der Anträge auf Telefonanschluß). Beurteilung: Bei relativ hoher statistischer Korrelation der Größen sind brauchbare Prognosen möglich; negativ wirkt jedoch die Monokausalität. Eng verwandt mit dem letzten Verfahren ist die Indikatormethode, bei der ebenfalls eine monokausale Korrelation erfolgt (daher auch einfache Korrelationsrechnung genannt), jedoch zuzätzlich die Zeitreihe der anzeigenden Größe (des Indikators) statistisch analysiert wird. Der Indikator bezieht seine Aussagefähigkeit aus seinem zeitlichen Vorlauf gegenüber der Prognosegröße (Bsp.: Auftragsbestand des Maschinenbaus als Indikator für die Konjunkturentwicklung im Investitionsgüterbereich). Beurteilung: Bei gründlicher statistischer Analyse relativ aussagefähiges Verfahren, allerdings immer noch monokausal.

Am realitätsnächsten ist die mehrfache Korrelationsrechnung (multiple Regressionsanalyse), bei der die Korrelation der vorauszusagenden Größe mit mehreren Einflußgrößen analysiert wird. Diese Methode trägt der „Polykausalität", d.h. der Interdependenz von Einflußgrößen in ausreichendem Maße Rechnung. Methodisch am weitesten entwickelt ist hier die Prognose mit ökonometrischen Modellen (z.B. Input-Output-Modellen), in denen die Abhängigkeiten der Einflußgrößen abgebildet und mögliche Veränderungswirkungen modellmäßig durchgespielt werden können. Anwendungsbeispiele liegen vor allem im gesamtwirtschaftlichen Bereich (z. B. Prognose der Wirtschaftsentwicklung). Auch im politischen System gibt es Ansätze zur Simulation mit prognostischen Komponenten (vgl. Wordelmann, 1978). Beurteilung: Sehr ausgefeiltes und bei gutem Dateninput auch aussagefähiges Prognoseverfahren mit allerdings meist hohem Analyseaufwand.

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Informationsgewinnung

(5) Die Querschnittsanalyse ergänzt die Zeitreihenanalyse, indem sie einen Querschnitt durch die Prognosegröße zu einem bestimmten Beobachtungszeitpunkt liefert. Die Prognosegröße wird also nicht in ihrem zeitlichen Verlauf, sondern in ihrer inhaltlichen Struktur erklärt. Beispiel: Erklärung der zu erwartenden Konsumentennachfrage durch die Einkommensstruktur verschiedener Bevölkerungsschichten. Beurteilung: Die Querschnittsanalyse wird in erster Linie als Ergänzungsverfahren zur Zeitreihenanalyse angewendet, das Informationen liefert, die die Zeitreihen nicht enthalten oder die infolge zu geringer Beobachtungszeit nicht verfügbar sind. Der Schluß von der „Momentaufnahme" des Querschnitts auf zukünftige Ereignisse ist allerdings letztlich auch wiederum eine den Zeitaspekt berücksichtigende Trendanalyse.

Prognosetechniken Technik

Möglichkeiten

Grenzen

Test und Befragung

Gewinnung einer aussagefähigen empirischen Datenbasis

Hoher Analyseaufwand, Schluß auf Zukunft wird von Technik selbst nicht geleistet

Bei Expertenbefragungen Erhalt neuer Zukunftsinformationen der Experten DelphiMethode

Auswahl der Interviewten sowie Vermeidung von Falschantworten problematisch

geeignet für Langfristprognosen, die mit statistischen Mitteln nicht möglich sind

Subjektives Verfahren, Qualität von Fragenund Expertenauswahl abhängig

Treffsicherheit ist im Vergleich zu anderen Formen der Expertenbefragung höher

Teilnehmerzusammensetzung ist bei längerem Verfahren kaum konstant zu halten relativ hoher Analyseaufwand

Schätzung

Schnellere und bessere Kombination von Erfahrungswerten zu neuartigen Zukunftsinformationen möglich

keine objektive Überprüfung intuitiver Denkprozesse möglich, bei komplexen Zusammenhängen versagt Gehirn

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Techniken und Konzepte der Planung Prognosetechniken (Forts.)

Technik

Möglichkeiten

Grenzen

Trendextrapolation

einfaches Verfahren zur kurzfristigen Prognose bei relativ beständigen Verlaufsformen

einseitig vergangenheitsorientiertes, monokausales, Umschlagpunkte vernachlässigendes Verfahren, i. a. wenig realitätsnah

Varianten der Trendextrapolation

gegenüber Ausgangsform durch Ausschaltung trendverfälschender Einflußgrößen verbessert

abgeschwächte, aber prinzipiell gleiche Bedenken wie gegen Ausgangsform

Analogieverfahren

Wenn keine anderen Daten verfügbar sind und „Korrelation" der Erklärungs- und Prognosegröße langfristig plausibel ist, in Ausnahmefällen anwendbar

Methodisch zweifelhaft, da Kopplung zwischen Erklärungs- und Prognosegröße rein zufällig sein kann

Assoziationsverfahren

Durch Kausalbeziehung zwischen Erklärungs- und Prognosegröße bei exakter statistischer Fundierung relativ aussagefähig

Monokausalität; fragwürdig ferner bei ungenügendem zeitlichen Vorlauf der Erklärungsgröße

Indikatormethode

Durch explizite statistische Analyse und Interpretation des Indikators Verfahren gegenüber Assoziationsmethode verbessert

entspr. Assoziationsmethode

Korrelationsrechnung

Ausgefeiltes und durch „Polykausalität" aussagefähiges Verfahren, Aufdeckung von Interdependenzen möglich

hoher Analyseaufwand

Querschnittsanalyse

Strukturanalyse der Prognosegröße, ergänzt Zeitreihenanalyse und liefert zusätzliche Informationen

i. a. kein selbständiges Prognoseverfahren, da einmaliger Querschnitt keine Zukunftsinformationen liefert

Altemativenvergleich

95

3.5. Alternativenvergleich Es ist eine wichtige und traditionelle Aufgabe der BWL, Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung in Betrieben bereitzustellen. Im folgenden wird die Nutzwertanalyse als allgemeines Verfahren der Alternativenbewertung ausführlicher dargestellt. Spezielle Varianten der Wirtschaftlichkeitsrechnung folgen in Kap. 6.5. Außerdem wird der Entscheidungsbaum als ergänzende Technik der Entscheidungsfindung kurz erläutert. Auf weitere, vor allem mathematisch anspruchsvollere Hilfsmittel der Alternativenbewertung - etwa aus dem Bereich der Unternehmensforschung muß hier aus Platzgründen, aber auch wegen bislang spärlicher Anwendung in der Verwaltung verzichtet werden (vgl. dazu aber Gottinger, 1984).

3.5.1. Nutzwertanalyse als Grundmodell der Alternativenbewertung (1) Im Kern geht es darum, vorhandene Alternativen im Hinblick auf deren Zielwirksamkeit zu beurteilen. Es ist anzustreben: • alle entscheidungsrelevanten Wirkungen von Alternativen • unter verschiedenen zu erwartenden Umweltzuständen • über den gesamten Wirkungszeitraum abzuschätzen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Dies bedeutet, daß nicht nur quantitative (z. B. monetäre), sondern auch qualitative (z. B. immaterielle), nicht nur direkte (z.B. Projektkosten), sondern auch indirekte (z.B. ökologische Folgen), nicht nur gegenwärtige, sondern auch zukünftige Wirkungen der bewerteten Alternativen zu verarbeiten, und daß verschiedene Umweltentwicklungen mitsamt den Risiken ihres Eintritts zu beachten sind. (2) Im Idealfall zielen diese Anforderungen auf ein umfassendes Entscheidungsmodell, das die relevanten Wirkungen von Alternativen im Hinblick auf die maßgeblichen Ziele bewertet. Ein solches Modell setzt aber voraus, daß Informationen über - die zu beachtenden Ziele und deren Gewichtung (zur Zielbildung s. 3.3.) - die zu vergleichenden Alternativen (wozu auch der derzeitige Istzustand bzw. das Unterlassen einer Handlung („Nullösung") zählen; zur Methodik der Alternativengewinnung s. a. 3.4.2.) - die zu erwartenden Zielwirkungen (Zielbeiträge) von Alternativen in unterschiedlichen Umweltzuständen (s. dazu auch 3.4.3.) in hinreichendem Umfang verfügbar sind. Diese Voraussetzungen dürften im Verwaltungsbetrieb nicht stets gegeben sein. (3) In der betrieblichen Praxis kommen zahlreiche Varianten der Altemativenbewertungzum Einsatz. Beispiele sind:

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Techniken und Konzepte der Planung - Intuitive, erfahrungsgesteuerte Bewertung durch den Entscheidungsträger ohne (erkennbaren) Methodeneinsatz. Intuition als Problemlösungsweg kann in bestimmten Situationen durchaus angemessen, ja expliziter Methodenanwendung sogar überlegen sein. Sie hat allerdings das Problem einer mangelnden intersubjektiven Nachprüfbarkeit des Lösungsweges. - Verbale Bewertung (Gutachten): Die allgemeine Beschreibung positiver und negativer Wirkungen, ggf. gestützt durch vorgefertigte pro/contra-Listen, ist einerseits leicht verständlich, andererseits z.T. unübersichtlich und häufig auf qualitative Aspekte begrenzt. - Befolgung allgemeiner Entscheidungsregeln und Ungewißheitskriterien (s. dazu 2.1.). - Konstruktion eines Entscheidungsbaumes (s. 3.5.2.). - Varianten der Wirtschaftlichkeitsrechnung (z.B. Kostenvergleichsrechnung, Kosten-Nutzen-Analyse sowie die nachstehend näher erläuterte Nutzwertanalyse; s. im übrigen 6.5.).

(4) Die Nutzwertanalyse (NWA) entspricht von ihrer Formalstruktur her weitgehend den oben aufgestellten Anforderungen: sie berücksichtigt explizit mehrfache Zielsetzungen und sie erlaubt es, unterschiedlich dimensionierte Zielwirkungen zu erfassen. Sie ist im übrigen nicht so sehr eine spezifische Methode, als vielmehr ein generelles Lösungsprinzip zur Analyse komplexer Entscheidungsprobleme. In ihrem Rahmen können unterschiedliche Bewertungsmethoden je nach Anspruchsniveau der Analyse eingesetzt werden (so z. B. verbale Bewertungen oder Varianten der Wirtschaftlichkeitsrechnung wie etwa die Kosten-Nutzen-Analyse; s.6.5.3.3). Varianten der NWA sind unter den Bezeichnungen Scoring-Modelle (vgl. Strebel, 1978 a), Multiple Objectives Analysis resp. Multiple Criteria Decision Making (vgl. den Sammelband von Haimes/Chankong, 1985, ferner Pflügner, 1984), Konkordanzanalyse (vgl. Nijkamp, 1977) sowie Electre (vgl. Roy, 1980) bekannt. Die NWA erscheint als generelles Entscheidungsmodell gerade für administrative Entscheidungen mit ihrer Zielpluralität sowie mit häufig schwer meßbaren Zielwirkungen besonders geeignet, wenngleich sie bislang methodisch noch nicht bis zur nötigen Reife entwickelt worden ist und noch verschiedene Schwierigkeiten aufweist (vgl.vor allem z.B. Bechmann, 1978 und 1982, Dubber, 1984, Knigge, 1975, Krüger, 1983, Zangemeister, 1971). Kennzeichnend für die NWA als formales Bewertungsmodell ist die Auflösung eines komplexen Entscheidungsproblems in mehrere Teilaspekte: das Problem wird unter jeweils einem spezifischen Zielkriterium beurteilt und entsprechend der vorhandenen subjektiven Präferenzstruktur eingestuft. Dadurch wird die Komplexität des Entscheidungsproblems transparent, handhabbar und ggf. reduziert. (5) Eine NWA wird in mehreren charakteristischen Schritten vollzogen, die nachfolgend näher geschildert werden. (a) Festlegung der Zielkriterien: Mithilfe der Zielanalyse (s. 3.3.) werden hinreichend operationale Zielkriterien gewonnen, die sozusagen die „Meßlatten" für die Alter-

Alternativenvergleich

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nativenbewertung bilden. Ergebnis der Zielanalyse wird i. a. ein Zielbaum sein, der verschiedene Zielinhalte enthält und mehrere Zielebenen (Ober-, Zwischen-, Unterziele) umfaßt (zur Zielstruktur des Verwaltungsbetriebes s. 2.2.). Für die NWA muß dieser Zielbaum gewichtet sein, d. h. die Ziele auf den verschiedenen Ebenen müssen durch Gewichte, die die Bedeutung des jeweiligen Zieles ausdrücken, gekennzeichnet sein (zum Verfahren s.3.3.; s.ferner auch das Beispiel auf S.104ff.). Ziele, die unbedingt erfüllt werden müssen, können als „Muß-Ziele" (Bsp.: Gesetzeskonformität; vgl. allgemein Kepner/Tregoe, 1981) besonders gekennzeichnet werden. Ebenso können Zielbegrenzungen, die Unter- bzw. Obergrenzen der Zielerfüllung fixieren, in der Zielstruktur ausgewiesen werden (Bsp.: Mindestwirkungsgrade oder Budgetobergrenzen). Alternativen, die vorgegebenen „Muß-Zielen" nicht entsprechen resp. die außerhalb der gesetzten Zielgrenzen liegen, werden sinnvollerweise von vornherein ausgesondert und keiner weiteren Analyse unterzogen.

Bei der NWA wird die Zielwirksamkeit von Alternativen isoliert für jedes Zielkriterium untersucht und die Gesamtvorteilhaftigkeit jeder Alternative durch Addition der einzelnen Teilnutzwerte bestimmt. Diese Vorgehensweise setzt voraus, daß die einzelnen Zielkriterien in ihren Nutzen hinreichend unabhängig voneinander sind. In der Praxis verhalten sich indes nicht alle Zielelemente eines Zielsystems indifferent zueinander, sondern können sich auch gegenseitig fördern (komplementär sein) resp. behindern (konkurrieren, substitutiv sein). Solche Zielabhängigkeiten und insbesondere Zielkonflikte gilt es, transparent zu machen und ggf. in ihren Auswirkungen abzuschwächen (vgl. i.e. Braun, 1982, vgl. ferner zu einer formallogischen Weiterentwicklung der NWA, die gewisse Zielprobleme vermeidet, Bartnick, 1983). Die Wirkung konkurrierender Ziele kann z. B. dadurch abgeschwächt werden, daß für die betreffenden Ziele Begrenzungen formuliert werden. Innerhalb des zulässigen Bereichs kann dann die Konkurrenzwirkung vernachlässigt werden. Ebenso kann es sinnvoll sein, eines der konkurrierenden Ziele als Muß-Ziel auszuweisen, indem es den Charakter einer unbedingt einzuhaltenden Nebenbedingung erhält. Komplementäre Ziele kann man hingegen in ihrer Wirkung neutralisieren, indem man sie geringer gewichtet oder indem man sie zu einem gemeinsamen Ziel vereinigt. Umstritten ist in der NWA-Praxis, ob die Kosten der zu vergleichenden Alternativen als Zielkriterium in die NWA unmittelbar einbezogen oder ob sie in einer getrennten Rechnung ermittelt und sodann den Nutzwerten der Alternativen gegenübergestellt werden sollen. Im zweiten Falle ist methodisch von einer Kosten-Wirksamkeits- bzw. Kosten-Nutzwert-Analyse zu sprechen (vgl.zu letzterer z.B.: Komarnicki, 1978; s.a. 6.5.1.). Als Grund für die getrennte Rechnung wird angegeben, daß das Kostenziel nicht indifferent gegenüber anderen Zielkriterien sei, sondern vielmehr zu den meisten Sachzielen in Konkurrenz stehe (je umfassender eine bestimmte Verwaltungsleistung, desto höher i. a. die Kosten). Damit werde gegen das Prinzip der Nutzenunabhängig-

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Techniken und Konzepte der Planung keit verstoßen (vgl. aber Eekhoff, 1973, S. 94 ff., der nachweist, daß dieses Prinzip durch den Kosteneinbezug in die NWA nicht beeinträchtigt werde). Außerdem würden die finanzwirtschaftlichen Wirkungen deutlicher und Entscheider könnten besser abwägen. Insgesamt erscheint es einleuchtender, wenn die Kosten in die NWA einbezogen werden, denn Kosten sind ein Teil des Mitteleinsatzes, der bei Alternativenbewertungen zu erfassen und dem Ergebnis gegenüberzustellen ist. Eine Herauslösung der Kosten würde den Stellenwert der Kosten ungerechtfertigt betonen und zu einer Ungleichbehandlung verschiedener Inputkriterien fuhren. Man muß sich allerdings bei der Ergebnisinterpretation einer NWA die Abhängigkeit des Kostenzieles von anderen Zielen verdeutlichen. Außerdem kann man die Konkurrenzwirkung - wie erwähnt - durch Einführung von Obergrenzen (Budgetrestriktionen) abschwächen.

(b) Bestimmung der Bewertungsmaßstäbe: Bevor die eigentliche Alternativenbewertung durchgeführt werden kann, muß Klarheit über die Maßstäbe herrschen, mit deren Hilfe die Bewertung vollzogen werden soll. Der Zielbeitrag einer Alternative kann auf mehr oder weniger anspruchsvolle und aussagefähige Weise gemessen werden. Bei einfachen, groben Bewertungen kann eine direkte Punktbeimessung zum Zielkriterium (Bsp.: „niedrige Projektkosten" = 8 Punkte) akzeptabel sein. Bei allen aufwendigeren Analysen ist indes der „Umweg" über einen spezifischen Bewertungsmaßstab angeraten. In diesem Falle muß die jeweils angemessene Form der Messung festgelegt werden. Üblicherweise unterscheidet man in dieser Hinsicht drei Stufen: - nominale Messung (qualitative Aussage über das Vorhandensein/ Nichtvorhandensein einer Merkmalsausprägung; Bsp.: Verfahren ist rechtmäßig/ist nicht rechtmäßig), - ordinale Messung (Aussage über die Rangfolge von Merkmalsausprägungen; Bsp.: hohe, mittlere, geringe Arbeitsbelastung), - kardinale Messung (quantitative Aussage, die Merkmalsausprägungen eindeutig einem abgestuften Maßstab zuordnet, dessen Skalenursprung („Nullpunkt") ggf. ebenfalls feststeht; Beispiele: Projektkosten, Benutzerquoten). Nominale Meßaussagen liefern lediglich grobe Informationen (Ziel erfüllt/nicht erfüllt) und sollten allenfalls für Muß-Ziele verwendet werden. Ordinale Skalen ordnen Alternativen entsprechend ihrem Zielbeitrag nach Rangfolge, informieren aber nicht über die Abstände zwischen zwei Alternativen und auch nicht über deren Bezug zum Skalenursprung. Kardinale Skalen sind am aussagefähigsten, allerdings auch am aufwendigsten. In einigen Anwendungsbereichen lassen sich Kardinalskalen nur schwer konstruieren und es erscheint im Interesse der NWA-Nutzung empfehlenswerter, sich mit ordinalen Skalen zu begnügen. Seit einiger Zeit wird daher eine „weichere" NWA der „2. Generation" diskutiert, die auch ordinale Bewertungsskalen zuläßt (vgl. z. B. Bechmann, 1982 und 1984, Eberle, 1981).

Das Wesen der NWA besteht darin, die unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe der Zielkriterien (z. B.: DM, Stück, km, aber auch qualitative Aspekte wie Humanität oder ökologische Beeinträchtigung) zu „amalgamieren", d.h. in einen gemeinsamen Wertmaßstab zu überführen. Der „gemeinsame Nenner" kann notwendiger-

Alternativenvergleich

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weise nur ein dimensionsloser Punktmaßstab sein. Hierfür gibt es mehrere Varianten, z. B. Bewertung mit 0 - 3 Punkten, mit — 5 - 4 - 5 Punkten, mit „Schulnoten" von 1-6. Weithin gebräuchlich ist folgende Punktskala (Ausschnitt): 0 Punkte = kein Zielbeitrag (- -) 2 Punkte = geringer Zielbeitrag (-) 5 Punkte=durchschnittlicher, befriedigender Zielbeitrag (o) 8 Punkte = hoher, guter Zielbeitrag (+ ) 10 Punkte = maximaler Zielbeitrag, vollständige Zielerfüllung (+ +)

Es kommt also darauf an, die unterschiedlichen Maßstäbe der einzelnen Zielkriterien in einen einheitlichen Punktmaßstab umzuformen. Dazu bedarf es entsprechender Umformungsregeln, die sicherstellen, daß die ursprünglichen Meßwerte analog dem tatsächlichen Wirkungsverlauf in Punktwerte transformiert werden. Will man diese Umformung in normierter Form vornehmen, bedient man sich sogenannter Transformationskurven, die eine funktionale Beziehung zwischen ursprünglichem Maßstab und Punktmaßstab ausdrücken. Um die Transformationskurve für ein Zielkriterium zu bestimmen, ist zunächst die Zielbeitragsspanne zu ermitteln, d.h. der Bereich, innerhalb dessen Zielbeiträge vorkommen bzw. entscheidungsrelevant sind. Diese Spanne wird begrenzt durch - die Untergrenze, d. h. die ungünstigste Lösung, von der keinerlei Zielbeitrag ausgeht und die demzufolge mit 0 Punkten zu bewerten wäre und - die Obergrenze, d.h. die günstigste Lösung, die zu vollständiger Zielerfüllung führt und die demnach mit 10 Punkten zu bewerten wäre. Es sind also für jedes Zielkriterium die (zumindest theoretisch) gerade noch realisierbare günstigste und ungünstigste Lösung zu bestimmen, um daraus die Spannweite des realen Lösungsraumes ableiten zu können, von der wiederum die Punktbeimessung zu den einzelnen Alternativen abhängt. Unrealistische Extrempunkte sind dabei wenig hilfreich: Bspw. wäre es i.a. unzweckmäßig, als Obergrenze eines Kostenminimierungszieles „0 DM" anzusetzen, da jede realisierbare Lösung auch irgendwelche Kosten verursachen wird. Ober- und Untergrenzen sind möglichst aufgrund empiriebezogener Einschätzungen (z. B. aufgrund von Expertenurteilen) festzulegen. In bestimmten Fällen ergeben sich die Extremlösungen auch aufgrund vorgegebener Begrenzungen des Entscheidungsträgers, z. B. Budgetobergrenzen. Des weiteren ist der Verlauf der Transformationskurve eines Zielkriteriums zu bestimmen. Im Normalfall kann innerhalb der begrenzten Zielbeitragsspanne Linearität der Transformationskurve unterstellt werden (vgl. Dreyer, 1975). Bei aufwendigeren Analysen ist aber in aller Regel die Linearitätsannahme empirisch zu überprüfen und es ist der tatsächliche Verlauf zu ermitteln. Dabei spielen ohne Zweifel auch die Präferenzen des Entscheidungsträgers eine Rolle. Stehen Unterund Obergrenze sowie Verlauf fest, kann die Transformationskurve dargestellt und können Meßwerte in Punktwerte transformiert werden.

100

Techniken und Konzepte der Planung Als Beispiel wird die Erschließungsfunktion einer neu zu bauenden Umgehungsstraße bewertet (s. auch S. 104ff.): Zielkriterium ist die Zahl an Einwohnern, die bei einer bestimmten Straßenführung in gegebener Zeitdauer die neue Straße erreichen kann; gemessen in: Einwohner/min. Verkehrswissenschaftliche Analysen haben ergeben, daß bei einer bestimmten Variante der Wert „275.000 Einwohner/min." erreicht wird, daß die ungünstigste Lösung (Untergrenze) bei 200.000 E./min. sowie die günstigste Lösung (Obergrenze) bei 350.000 E./min. liegt. Aufgrund dieser Daten kann bei Linearitätsannahme - folgende Transformationskurve aufgestellt werden (s. Abb. 3-3):

Punkte

200.000

275.000

EinwVmin 350.000

Abb.3-3

Danach würde die Variante einen Punktwert von 5 erhalten. (c) Ermittlung der Zielbeiträge: Wenn die Bewertungsmaßstäbe festgelegt sind, können die Wirkungen der Alternativen im Hinblick auf die verschiedenen Zielkriterien ermittelt werden. Dabei geht es um - der Problemstellung angemessene - Wirkungsanalysen, deren Ergebnis ein Meßwert auf der jeweiligen Bewertungsskala ist, der sodann via Transformationskurve in einen Punktwert umgeformt werden kann. Zumindest bei einer umfangreicheren NWA kommt es auf „Objektivierung", d. h. auf angemessene informatorische Fundierung der Wertansätze durch empirisch oder modellanalytisch abgesicherte Daten an. Im oben geschilderten Beispiel ist es etwa erforderlich, umfangreiche verkehrswissenschaftliche Analysen der Siedlungsstruktur, der Straßennetzkapazität, der Fahrzeugdichte usw. im Hinblick auf mehrere Straßenvarianten durchzuführen, um die genannten Meßwerte zu ermit-

Alternativenvergleich

101

teln. Dabei darf nicht allein auf die gegenwärtige Situation abgestellt werden, sondern es sind auch zukünftig zu erwartende Wirkungen von Alternativen zu prognostizieren. Die meisten Vorhaben, die mittels NWA bewertet werden, sind eher mittel- bis langfristiger Natur; dementsprechend müssen Wirkungsanalysen von Alternativen auch deren zukünftige Beschaffenheit und Wirkungsweise einbeziehen. Darüber hinaus können sich im Zeitablauf die Präferenzen des Entscheidungsträgers verschieben (z. B. im Hinblick auf Zielgewichtung oder Alternativenbewertung), so daß eine ursprünglich gewählte Alternative an „Nutzwert" verliert. Hier liegt bislang eine methodische Schwäche der NWA: Im Gegensatz etwa zur Kosten-Nutzen-Analyse (s. 6.5.3.3.) enthält sie keine explizite Anleitung, wie zukünftige Wirkungen in die Bewertung einbezogen werden sollen (vgl. als lediglich formallogischen Ansatz H.Witte, 1978). Im Hinblick auf Zahlungsströme kann dabei auf Methoden der dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnung zurückgegriffen werden, d.h. es kann der Barwert von Alternativen berechnet und in Punktwerte transformiert werden (s.6.5.3.2.). Im Sinne einer pragmatischen Handlungsregel können Zukunftswirkungen in einer NWA erfaßt werden, indem - zunächst der Analysezeitraum (ökonomischer Horizont) abgesteckt wird, - schrittweise in Jahres- oder Mehrjahresblöcken alle Zielwirkungen von Alternativen auf zeitbezogene Veränderungen geprüft werden (z. B. Kostensteigerungen, Outputveränderungen, Ressourcenverknappung), - in bezug auf entscheidungsrelevante Zielkriterien Entwicklungstendenzen, ggf. in Form von Zeitreihen, festgestellt werden und - der gegenwartsbezogene Teilnutzwert um diese zeitbezogenen Veränderungen korrigiert wird.

Ein methodisch befriedigendes Verfahren zur Dynamisierung der NWA steht jedenfalls bislang noch aus. Insbesondere ist ungeklärt, wie mehrwertige Wirkungsaussagen über Gegenwart und (unsichere) Zukunft zu einem einwertigen Teilnutzwert verdichtet werden können (möglicherweise formal analog zur Diskontierung bei der Kosten-Nutzen-Analyse; s.6.5.3.2.). (d) Wertsynthese: Im letzten Schritt der NWA werden die zuvor ermittelten und in Punktwerte transformierten Zielbeiträge mit den in Stufe (a) festgelegten Zielgewichten multipliziert (s. Beispiel). Daraus resultiert je Alternative und je Zielkriterium ein Teünutzwert. Die Teilnutzwerte werden pro Alternative summiert und es ergibt sich für jede Alternative ein Gesamtnutzwert, der nunmehr über die Vorteilhaftigkeit der Alternativen Auskunft gibt. Bsp. können die verschiedenen Alternativen entsprechend der Reihenfolge ihrer Nutzwerte durch Rangziffern gekennzeichnet werden. (6) Die Nutzwerte als Resultate einer NWA müssen vorsichtig und kritisch interpretiert werden. Angesichts der nicht unerheblichen Subjektivität der Wertansätze sind Alternativen mit nur geringen Nutzwertdifferenzen nicht in eine eindeutige Rangfolge zu bringen. Man muß sich bei solchen Ergebniskonstellationen stets bewußt sein, daß bei einer nur geringfügig abweichenden Zielgewichtung bzw. Alternativenbewertung die Rangfolge der Alternativen umschlagen kann.

102

Techniken und Konzepte der Planung

Zumindest bei einer umfassenderen NWA kann daher eine Sensitivilätsanalyse empfehlenswert sein, d.h. das Testen der Ergebnisstabilität (vgl.Krüger, 1983, S. 152 f.). Dabei wird man „kritische" Matrixelemente, die sich einerseits in ihren Teilnutzwerten nicht stark unterscheiden und bei denen eine geringfügige Umgewichtung bzw. Umbewertung bereits ein Umschlagen der Rangfolge bewirken würde, gesondert analysieren. In jedem Falle sollte man Ergebnisse einer NWA nicht blind und mechanisch umsetzen, sondern mit seinen eigenen intuitiven Vorabeinschätzungen des Alternativenfeldes abstimmen. Bei auftretenden Diskrepanzen sollte man versuchen festzustellen, ob bei der NWA Fehler gemacht worden sind oder ob die eigene intuitive Einschätzung vielleicht vorschnell und einseitig war. Eine gewisse „Objektivierung" kann auch darin bestehen, mehrere Planer (z.B. Mitglieder eines Planungsteams) gemeinsam eine NWA durchführen zu lassen und dadurch evtl. bestehende Gewichtungs- oder Bewertungskonflikte aufzudecken. Die gemeinsame NWA kann hier im Sinne einer Kompromißlösung eine höhere Ausgewogenheit als Einzellösungen besitzen. (7) Die NWA ist als generelles Problemlösungsmuster zu begreifen. Ihre Anwendung breitet sich in der letzten Zeit in Privatwirtschaft wie öffentlicher Verwaltung aus. Vereinfacht kann man sagen, daß die NWA vor allem dann in Frage kommt, wenn - komplexe Alternativen - im Hinblick auf mehrdimensionale Zielstrukturen - unter Beachtung vielfältiger, auch immaterieller Wirkungen zu bewerten sind. Ihr Grundprinzip ist in den verschiedensten Anwendungsbereichen zu finden. Betriebsintern ist auf die Nutzung der NWA z. B. - bei der Standortwahl (s. 2.3.2., ferner Fall 1.3. in Krause/ Reichard, 1982) - bei Automationsentscheidungen (vgl. z. B. das vom Bundesministerium des Innern, 1985, erarbeitete Verfahren, vgl. ferner Lukat, 1984) - im Marketing (in Form von Scoringmodellen) - im Personalwesen (bei der Personalauswahl oder bei der Anforderungsbewertung, s. 5.3.3.und 5.4.2.; vgl. als praktisches Beispiel die Studie von Wagener/Rückwardt, 1982)

hinzuweisen. Darüber hinaus hat sich die NWA als Planungsinstrument in verschiedenen Aufgabenbereichen der staatlichen und vor allem der kommunalen Verwaltung bewährt, so z. B. in der Raumplanung (vgl. Bundesministerium für Raumordnung, 1982), in der Stadt-, Bau-, Verkehrs- und Landschaftsplanung sowie in Wasserwirtschaft oder Umweltschutz (vgl. als Überblick bereits Scheller, 1974, allgemein ferner Bechmann, 1978, Eberle, 1981, Klaus, 1984, Lindstadt, 1978). Auch zum Testen von Gesetzentwürfen ist die NWA geeignet (vgl. die Beispiele bei Hugger, 1983). In der Kommunalverwaltung scheint die NWA ihren Methoden-

103

Alternativenvergleich

konkurrenten Kosten-Nutzen-Analyse bereits überholt zu haben (vgl. Winkel, 1983). (8) Wie aus den nachstehend aufgelisteten Vor- und Nachteilen deutlich wird, ist die NWA ein methodisch vielversprechendes Bewertungsmodell mit nahezu universellem Anwendungsspektrum, das allerdings noch nicht ganz ausgereift ist. Will man das N WA-Konzept in einem Venvaltungsbereich neu anwenden, empfiehlt es sich, das Konzept zunächst in überschaubaren konkreten Projekten mit quantifizierbaren Wirkungen zu erproben, bevor man es als generelles Entscheidungsmodell vorsieht (dies zeigen die Negativerfahrungen mit einem NWA-gestützten Planungssystem in Rheinland-Pfalz; vgl. Braun, 1984). Es kommt entscheidend darauf an, daß das Konzept von Planern und Politikern auch tatsächlich genutzt wird. Die Schlüsselposition haben dabei die politischen Entscheider: von ihrer Akzeptanz der NWA hängt deren Nutzung weitgehend ab (vgl. als praktisches Beispiel der Kommunalpolitik Böhlk, 1984). Die NWA-Ergebnisse dürfen nicht blind übernommen werden, sondern bedingen der politischen Interpretation. Fazit: Die NWA kann eine Entscheidung nicht treffen, sondern sie lediglich transparent machen und Handlungsmöglichkeiten mit ihren Wirkungen aufzeigen. Nutzwertanalyse Möglichkeiten

Grenzen bzw. Probleme

Transparenz und Nachvollziehbarkeit komplexer administrativer Entscheidungsprobleme

Scheingenauigkeit des Bewertungsverfahrens kann über die Subjektivität des Bewertungsvorganges hinwegtäuschen und zu falschen Schlußfolgerungen anregen

Entscheidungsmodell entspricht der Grundstruktur betrieblicher Entscheidungen (Zielpluralität, Bewertungsvielfalt, mangelnde Quantifizierbarkeit) Durch Zerlegung in Teilaspekte werden komplexe Entscheidungsprobleme übersichtlicher Zwang zur OfTenlegung von Präferenzstrukturen Umfassende Berücksichtigung von Zielen

Willkür bei Gewichtung und Bewertung ist nicht auszuschließen; damit kann auch Ergebnismanipulation erfolgen Es wird nur die relative Vorteilhaftigkeit von Alternativen bestimmt, eine „Vorteilhaftigkeitsschwelle" wie bei anderen Wirtschaftlichkeitsrechnungen existiert nicht. Damit besteht die Gefahr, die „beste von an sich ungeeigneten" Alternativen auszuwählen.

104

Techniken und Konzepte der Planung Nutzwertanalyse (Forts.)

Möglichkeiten

Grenzen bzw. Probleme

Umfassende Alternativenbewertung, auch unter immateriellen Aspekten

Voraussetzungen der partiellen Nutzenunabhängigkeit und der kardinalen Messung sind in Praxis nicht immer erfüllt

Leichte Erlernbarkeit und Handhabbarkeit Hohe Anpassungsfähigkeit sichert breites Anwendungsfeld Eignung auch für konfiiktäre Entscheidungssituationen: Gegensätze werden verdeutlicht, Kompromisse können herausgearbeitet, alternative Bewertungen durchgespielt werden.

Methodisch ungelöst sind bislang die Festlegung der Zielbeitragsspanne (Unter-/ Obergrenzenproblem) und die Erfassung zukünftiger Wirkungen (Dynamisierung) NWA ist nur formaler Rahmen, dessen inhaltliche Ausfüllung und informatorische Fundierung nicht immer einfach ist Die Zusammenfassung vielfältiger Einzelwirkungen zu einer Einwertangabe kann „Zwischentöne" verdecken Punktwerte können sich - da dimensionslos - als weniger „handfest", als weniger anschaulich vorstellbar erweisen als z. B. DM-Werte; ein gewisses Abstraktionsvermögen ist Voraussetzung

Anwendungsbeispiel zur Nutzwertanalyse: Entscheidung über den Neubau einer städtischen Umgehungsstraße (das Beispiel stammt vereinfacht und z.T. abgeändert vom Hess. Landesamt für Straßenbau, 1980). In 6.5.3.3. wird dasselbe Beispiel zur Erläuterung der Methodik der Kosten-Nutzen-Analyse verwendet. Da dort die einzelnen Effekte ausführlicher erläutert werden, wird empfohlen, die nachstehende Fallösung mit derjenigen in 6.5.3.3. zu vergleichen. Die Umgehungsstraße soll den Innenstadtbereich einer Großstadt, der bisher durch intensiven Durchgangs- und Nahverkehr beeinträchtigt wird, entlasten. Zwei Varianten („Nord" und „Süd") stehen zur Diskussion (s. Abb. 3 - 4). Die grundlegende Ent-

105

Alternativenvergleich

Scheidung für eine Umgehungsstraße ist - so wird angenommen - bereits gefallen; es geht um die Klärung, welche der beiden Varianten vorzugswürdig erscheint. Durch das Straßenbauamt sind eingehende Analysen durchgeführt worden, deren Ergebnisse in die nachstehende NWA einfließen. Außerdem sind Zielkriterien erarbeitet und mit den zuständigen politischen Entscheidungsgremien abgestimmt worden. Die einzelnen Bearbeitungsschritte und das Ergebnis der NWA sind aus der folgenden Lösungsskizze ersichtlich.

Abb. 3-4

(a) Festlegung der Zielkriterien: Es wird von folgender Zielstruktur ausgegangen, die sich aus vorangegangener Zielbildung und Prioritätensetzung ergibt (Zielgewichte in Klammern): Oberziel: Zwischenziele:

Unterziele: (Zielkriterien):

Zielgewichte:

Zweckmäßige Führung der Umgehungsstraße 1 1 VerkehrsRaumUmwe tschutz gestaltung Ordnung (3 5) (45) (20)

1

gerin-

Er-

ge Kosten

schließungsfunktion

(25)

(20)

1

Beeinträchtigung der Landwirtschaft (12)

1

1

1 Beeinträcht. künftiger Baunutzung

1 Naturschütz

Lärmschutz

(8)

(13)

(22)

Techniken und Konzepte der Planung

106

(b) Bestimmung der Bewertungsmaßstäbe: Es werden die (kardinalen) Maßstäbe sowie die Unter- und Obergrenzen für die Zielkriterien definiert (für Details wird auf die o. a. Quelle verwiesen): 1. Kosten

2. Erschließung

3. Landwirtschaft

4. Baunutzung

5. Naturschutz

6. Lärmschutz

Maßstab

Mio DM

Einwohner

Verlust an ha Ackerland

ha Wohnu. Mischgebiete

Verlust ha Wald

beeinträchtigte Einwohner

Untergrenze

170

200.000

115

30

3,0

14.500

Obergrenze

100

350.000

80

0

1,3

800

Zielkriteriuni :

(c) Ermittlung der Zielbeiträge: Die beiden Straßenvarianten werden miteinander verglichen. Auf der Basis detaillierter Analysen sind für die jeweiligen Zielkriterien Transformationsfunktionen ermittelt worden, anhand derer die Zielbeiträge der beiden Varianten bestimmt werden (s.nachstehende Nutzwertmatrix; zur Bewertung vgl. o.a. Quelle). Zielkriterium

1.

2.

3.

4.

5.

Variante Nord

138

275.000

110

14,3

1,7

9.200

Variante Süd

124

268.000

101

24,7

2,8

10.900

6.

(d) Wertsynthese: Die Punktwerte für die Zielbeiträge werden mit den jeweiligen Zielgewichten multipliziert, die sich ergebenden Teilnutzwerte werden je Variante summiert. Es zeigt sich im Ergebnis, daß die Variante Nord der Variante Süd überlegen ist (s.a. Ergebnis im Fallbeispiel von 6.5.3.3.).

Baunutzung

Naturschutz

Lärmschutz

25

Erschlie- Landßung wirtschaft 20 12

8

13

22

Variante Nord

4,5 113

5,1 102

1,4 17

5,2 42

7,9 103

3,9 86

463

Variante Süd

6,6 165

4,5 90

4,0 48

1,8 14

1,4 18

2,7 59

394

\

Zielkri\ terien Zielgewichte

Kosten

Gesamtnutzwert:

Alter- \ nativen \

Alternativenvergleich

107

3.5.2. Entscheidungsbaumtechnik Ein Entscheidungsbaum löst komplexe, unsichere Entscheidungsprobleme in ihre möglichen Alternativen und deren Konsequenzen auf. Dadurch wird die logische und sachliche Beurteilung des Problems verbessert bzw. übersichtlicher. Alternativen werden als Äste dargestellt, die sich von einem Entscheidungspunkt verzweigen. Die aufgrund bestimmter Umweltkonstellationen zustandekommenden Ereignisse werden mit den daraus resultierenden Ergebnissen als Verzweigungen der jeweiligen Alternativen dargestellt. Den Ereignissen werden soweit wie möglich Wahrscheinlichkeiten bzw. Glaubwürdigkeiten ihres Eintritts zugeordnet. Neben einem einmalig auftretenden Entscheidungsproblem (einperiodiger Entscheidungsbaum) kann auch ein mehrstufig zu lösendes, sequentielles Entscheidungsproblem dargestellt werden (mehrperiodiger Entscheidungsbaum; vgl.zur Entscheidungsbaumtechnik: Bühlmann u.a., 1967, Blohm, 1972, ferner zur verwandten, aber weitergehenden PATTERN-Technik: Berthel, 1976). Folgende Darstellungs- und Rechenschritte sind bei der Aufstellung eines einperiodigen Entscheidungsbaumes zu vollziehen: (1) Analyse des Entscheidungsproblemes (2) Bestimmung und Gewichtung der zu verfolgenden Ziele (3) Darstellung der möglichen Alternativen (4) Zuordnung der jeweils möglichen Ereignisse (5) Soweit möglich Bestimmung der Ereigniseintrittswahrscheinlichkeiten (Summe je Alternative = 1) (6) Ermittlung der Ergebniswerte je Alternativen-XEreignis-Kombination, z.B. durch Saldierung der erwarteten Ein- und Auszahlungen (7) Berechnung der Erwartungswerte je Ereignis durch Multiplikation der Ergebnisse mit den zugehörigen Wahrscheinlichkeitswerten (8) Summierung der Erwartungswerte je Alternative. Entscheidung: die Alternative mit der höchsten Erwartungswertsumme ist am günstigsten (Erwartungswertprinzip). Beispiel: Es ist eine Entscheidung über die Art kommunaler Gewerbeförderung zu treffen. Dabei stehen 2Alternativen zur Wahl: A^ Ansiedlung neuer Betriebe durch Gewerbesteuer-Hebesatzsenkung, A2: Subventionen an bereits ansässige Betriebe. A! würde den Haushalt mit 20 Mio DM, A2 mit 10 Mio DM belasten. Bei A! ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,7 damit zu rechnen, daß sich 10 zusätzliche Betriebe ansiedeln, was Einnahmen von 30 Mio DM erwarten läßt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,3 ist dagegen damit zu rechnen, daß sich 5 zusätzliche Betriebe niederlassen werden, was zu Mehreinnahmen von 15 Mio DM führen kann. Bei \2 ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,7 damit zu rechnen, daß die ansässigen Betriebe aufgrund der Subventionen expandieren, was zu Mehreinnahmen von 20 Mio DM führen kann. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,3 nimmt man an, daß trotz Subvention die vorhandenen Betriebe konstant bleiben, sich also keine Mehreinnahmen für die Kommune realisieren lassen.

Techniken und Konzepte der Planung

108

Für die 4 Ereignisse werden die Ergebnisse durch Saldierung der jeweiligen Mehreinnahmen und Ausgaben resp. Mindereinnahmen berechnet. Diese Ergebnisse werden durch Gewichtung mit den zugehörigen Wahrscheinlichkeiten in Erwartungswerte umgeformt. Abschließend werden die Erwartungswerte für die beiden Alternativen summiert. Es zeigt sich, daß die Erwartungswertsumme von AT mit 5,5 Mio DM höher als die von Aa mit 4Mio DM ist; demzufolge erscheint At in diesem Beispiel vorzugswürdig (s. Abb. 3-5).

Erwartungswertsumme für A1:7-1,5=5.5 Mio

Erwartungswertsumme für A2:7-3 = 4Mio Resultat: A1 ist vorteilhafter ols A 2 , da sie die höhere Erwortungswertsumme auf weist.

Ergebnisse: Ereignisse: 10Betriebe zus. = *30Einn. -Q 30-20=10 Wahrscheinlichkeit: 0,7 Erwartungswert: 10 · 0,7 = 7 5 Betriebe zus. = +15Einn. -Q 15-20=-5 Wahrscheinlichkeit: 0,3 Erwartungswert: -5 · 0,3 =-1,5 = + 20Einn. vorh. Betriebe expandieren -Q 20-10=10 Wahrscheinlichkeit: 0,7 Erwartungswert: 10 · 0.7 = 7 vorh. Betriebe konstant Wahrscheinlichkeit: 0,3 Erwartu ngswert: -10 · 0,3 = -3

0-10=-10

Abb. 3-5

Bei mehrperiodigen Entscheidungsproblemen, d.h. Entscheidungssequenzen, bei denen über mehrere Perioden hinweg Entscheidungen, Ereignisse, Folgeentscheidungen und deren Ereignisse in eine logische Struktur gebracht werden müssen, muß die Darstellungsform so gewählt werden, daß der Entscheidungsbaum übersichtlich bleibt. Bei jeweils 2 Alternativen, 2 Ereignissen, betrachtet über 2 Perioden, ergeben sich immerhin 16 Zweige mit 16 Ergebnissen. Bei längerer Betrachtung und/oder komplexeren Entscheidungsproblemen muß demzufolge eine Vorauswahl (vermutlich) relevanter Zweige getroffen werden. Ferner wird dann auch eine Abzinsung der Ergebniswerte auf den Entscheidungszeitpunkt zweckmäßig sein (s. auch 6.5.3.2.). Der heuristische Effekt ist bei der Entscheidungsbaumtechnik häufig wichtiger als die konkrete Entscheidungsfindung: Man kann komplexe Entscheidungsstrukturen durchdenken und dabei neue Alternativen sowie mögliche Auswirkungen erkennen. Demgegenüber tritt die rechnerische Ermittlung der Alternativenvorteilhaftigkeit eher zurück.

109

Ablaufplanung Möglichkeiten

Grenzen

Übersichtliche grafische Darstellung der Zusammenhänge von Alternativen und ihrer Konsequenzen. Bei geeigneter mathematischer Aufbereitung auch direkte Entscheidungshilfe

Mitunter relativ hoher Darstellungs- und Rechenaufwand

Heuristische Effekte: Auffindung neuer Alternativen, Vollständigkeitsprüfung Erkennbarkeit von Eventualstrategien und Möglichkeit flexibler Planung

Relevanz-Vorauswahl ergibt Zirkelschlußprobleme Infolge zweidimensionaler Darstellungsweise kann jeweils nur ein Ziel beachtet werden Interdependenzen zwischen Alternativen und Ereignissen sind nicht direkt aus dem Entscheidungsbaum ersichtlich

3.6. Ablaufplanung 3.6.1. Flußdiagrammtechnik (1) Ein Flußdiagramm ist ein Darstellungsmittel zur Veranschaulichung von Systemstrukturen. Es dient zur Darstellung zeitlicher und/oder logischer Folgen bzw. Abläufe. Andere weitgehend gleichbedeutend verwendete Begriffe sind Blockdiagramm oder Flow Chart (vgl.zur Flußdiagrammtechnik allgemein: REFA, 1978, KGSt, 1977c, Schubert u.a., 1971, Joschke, 1980). (2) Darstellungstechnik: Die allgemeine systemanalytische Flußdiagrammtechnik baut auf nur wenigen Symbolen auf, im Gegensatz zur spezifischen Flow ChartingTechnik der Automatisierten Datenverarbeitung. Die wichtigsten Symbole (gem. DIN 66001) sind die folgenden (Abb.3-6). Ein Entscheidungspunkt hat einen Eingang und üblicherweise zwei Ausgänge. Entscheidungsfragen sind in diesem Falle so zu stellen, daß Ja/Nein-Beantwortung möglich ist. Es erscheint zweckmäßig, die Ja- und Nein-Ausgänge jeweils an gleicher Stelle des Entscheidungspunktes anzubringen und den Hauptfiuß in der Senkrechten fließen zu lassen. Daraufhin sind die Abfragen auszurichten. Neben der besonders charakteristischen Oder-Teilung (Ja oder Nein) kann ein Ablauf auch in Und-Teilung verlaufen (es werden parallel mehrere Arbeiten durchgeführt). Anschlußpunkte dienen dazu, einen Prozeßverlauf per „Verweisung" an anderer Stelle fortzusetzen oder in frühere/spätere Prozeßpositionen zu verweisen. In den Kreis wird ein Symbol (Zahl,

110

Techniken und Konzepte der Planung

Operation, Bearbeitung Entscheidungspunkt, Verzweigung, Oder-Teilung AnschluDpunkt, Sprungstelle, Konnektor Terminal (Start,Stop) Ablauflinie Zeitpuffer, Unterbrechung

Abb. 3-6 Buchstabe) geschrieben, der zugehörige Anschlußpunkt an der Stelle, auf die verwiesen wird, enthält dann das gleiche Symbol. Solange die Klarheit der Darstellung nicht leidet, kann auch mittels Flußlinien vor-/rückgekoppelt werden. Sollen mehrere Rußlinien zu einem Operationsfeld geführt werden, so sind sie möglichst vor dem Feld zusammenzuführen (s. allgemein zur Darstellung von Arbeitsabläufen auch 4.4.2.).

(3) Anwendungsmöglichkeiten: Die Anwendungsmöglichkeiten sind universell; sie gehen weit über den Datenverarbeitungsbereich hinaus, für den die Flußdiagrammtechnik ursprünglich konzipiert worden ist. Ein Flußdiagramm ist ganz allgemein ein Hilfsmittel bei der Analyse komplexer Probleme und wird u. a. in folgenden Bereichen mit Vorteil angewendet: I.Gestaltung von Arbeitsablaufplänen, insbesondere bei sich häufig wiederholenden Routinevorgängen (bspw. in der Arbeitsvorbereitung, bei Geschäftsgang-Regelungen), 2. Strukturierung und Transparentmachung von Entscheidungsprozessen, auch von rechtlichen Entscheidungsregelungen, bspw. von Rechtsfolgen bei bestimmten Verwaltungsverfahren, 3. Hilfsmittel bei der internen und externen Revision (Aufdeckung von Schwachstellen im Zuge von Kontrollprozessen), 4. Hilfsmittel bei der Schulung und Fortbildung von Mitarbeitern, insbesondere bei der Einweisung von Stellvertretern, Nachfolgern, Auszubildenden in neue Arbeitsgebiete (für den Bereich der öffentlichen Verwaltung ein ganz besonders wichtiger Anwendungsfall), 5. Programmierung von Automatisierten Datenverarbeitungsanlagen (Datenflußpläne).

Droht ein sehr komplizierter Ablauf aufgrund zahlreicher Verzweigungen unübersichtlich zu werden, kann als zusätzliches Hilfsmittel im Rahmen eines Flußdiagrammes die Entscheidungstabettentechnik angewendet werden (vgl. Eiben, 1973, KGSt 1977c). Eine Entscheidungstabelle ist eine kompakte und vollständige Zusammenfassung von Entscheidungsregeln, die bei der Entscheidung über beste-

111

Ablaufplanung

hende Handlungsalternativen unter bestimmten Bedingungen zu beachten sind. Sie wird in erster Linie im Zusammenhang mit ADV-Analysen eingesetzt, kann aber auch zur Analyse, Beschreibung und ggf. Gestaltung von Arbeitsabläufen außerhalb der ADV verwendet werden. Mit Hilfe einer Entscheidungstabelle kann insbesondere die Vollständigkeit von Ablaufvarianten geprüft und ein klarer, eindeutiger Zusammenhang von Entscheidungsregeln und daraus folgenden Aktionen hergestellt werden. Insofern kann die Entscheidungstabelle zur Detailanalyse komplizierter Entscheidungspunkte im Rußdiagramm und zur Formulierung eindeutiger Arbeitsanweisungen sinnvoll eingesetzt werden. Flußdiagratnmtechnik Möglichkeiten

Grenzen

Rasche Erkennbarkeit von Problemen, offenen Stellen oder Fehlern von Systemstrukturen

Für Ungeübte Darstellung oft unübersichtlich und verwirrend

Übersichtliche, eindeutige und unmißverständliche Darstellungsform sowie schnelle Lesbarkeit Transparenz der logischen Struktur von Prozessen Geringe Weitschweifigkeit durch Verwendung einer Kurzsprache mit einheitlichen Symbolen, die eine klare Kommunikationsbasis darstellen Vergleichbarkeit inhaltlich unterschiedlicher Prozesse

Als Kommunikationsbasis nur dann brauchbar, wenn alle Beteiligten die Technik hinreichend beherrschen Form und Größe der Darstellungsfelder zwingen oft zu allzu kompakten Formulierungen Durch Ja/Nein-Frageform qualitative Fragen oft nur umständlich durch Wiederholung zu stellen keine zeitorientierten Ablaufdarstellungen (wie bei der Netzplantechnik) möglich

geringer Lernaufwand

3.6.2. Netzplantechnik (1) Die Netzplantechnik (NPT) - auch Netzwerktechnik, Methode des kritischen Weges oder Network Analysis genannt - ist ein Instrument zur Planung, Überwachung und Steuerung von einzelnen Projekten. Größere Einzelprojekte, wie z. B.

112

Techniken und Konzepte der Planung

Bauprojekte, Organisationsumstellungen, Stadtplanung, Finanzplanung, Gesetzesvorbereitung, Bildungsplanung oder Sondermaßnahmen wie Volkszählungen oder Wahlen, erstrecken sich über längere Zeiträume und erfordern eine Vielzahl einzelner Vorgänge, deren Abläufe und Abhängigkeiten zu analysieren sind, um eine bessere Planung und Koordination der Einzelaktivitäten zu ermöglichen und um diese Projekte möglichst termingerecht abschließen zu können (vgl. allgemein zur NPT als Auswahl z. B. Blaas/Henseler, 1978, Gerhard/Unsin, 1972, Große-Oetringhaus, 1979, KGSt, 1981 c, Küpper u. a., 1975, v. Wasielewski, 1975, Zimmermann, 1971). Das Management umfangreicher Projekte nimmt auch in der öffentlichen Verwaltung an Bedeutung zu (vgl.z. B. Reichard, 1978a); dementsprechend steigt der Bedarf, solche Projekte systematisch planen und flexibel steuern zu können. Die NPT kann dabei ein wichtiges Hilfsmittel sein. Im Zusammenhang mit dem Netzplan ist auf das Balkendiagramm hinzuweisen, das einerseits als Vorläufer des Netzplanes zu sehen ist, andererseits auch heute noch bei einfacheren Vorhaben ein ausreichendes Hilfsmittel sein kann. Überdies bewährt es sich als zusätzliches Steuerungsinstrument für Projektmitarbeiter, die mit einem Netzplan nicht umgehen können (z. B. Bauleiter). In einem Balkendiagramm werden die verschiedenen Vorgänge (als Balken symbolisiert) entsprechend ihrer zeitlichen Lage und Dauer über der Zeitachse angeordnet. Abhängigkeiten einzelner Vorgänge können hierbei allerdings nicht deutlich gemacht werden. Das Balkendiagramm des nachfolgend dargestellten Netzplanbeispiels sieht folgendermaßen aus (Abb. 3-7):

14

16

Tage

113

Ablaufplanung

α CL l

Ο

Aktivit ten-u. Struk turliste erstellen

Ο) I/l

Abb. 3-8

Kostenanalyse durchf hren?

114

Techniken und Konzepte der Planung

Die NPT wird in verschiedenen Verfahrensvarianten angewendet (z.B. PERT, CPM, MPM, PM, PPS; näheres s.u.), deren Zielsetzung jedoch jeweils die gleiche ist: Es geht darum, alle Vorgänge, die zur Realisierung eines Projektes erforderlich sind, in ihrem zeitlichen Ablauf unter Berücksichtigung aller zwischen ihnen bestehenden Abhängigkeiten in übersichtlicher Form graphisch darzustellen und den Zeitablauf ggf. zu optimieren. Wegen ihrer nahezu universellen Verwendbarkeit hat die NPT rasch weite Verbreitung gefunden und wird in Wirtschaft und Verwaltung in steigendem Maße angewendet (vgl. z. B. KGSt, 1981 c). (2) Die grundlegende Vorgehensweisebeim Aufbau eines Netzplanes stellt das Diagramm auf S. 113 dar (s. Abb. 3-8): Vor Beginn der eigentlichen Netzplanerstellung muß zunächst geprüft werden, ob erstens ein Projekt (zeitlich geschlossenes Vorhaben) vorliegt, zweitens die NPT als Planungstechnik geeignet ist (Kriterium: viele Vorgänge, zahlreiche Abhängigkeiten; anderenfalls einfachere Methode wie z.B. Balkendiagramm verwenden). Danach folgen die beiden Kernstufen der NPT: die Struktur- und die Zeitanalyse. Die Kapazitäts- und Kostenanalyse kann sich ggf. anschließen (in dieser Schrift wird auf sie nur kurz hingewiesen). Wichtig ist natürlich als Abschlußstufe die eigentliche Projektüberwachung, zu deren Verbesserung der Netzplan ja letztlich erstellt wird. (3) Struktur- und Zeitanalyse, dargestellt an einem einfachen Beispiel: Am bewußt vereinfachten und verkürzten Beispiel eines kleineren Büroumzuges werden die einzelnen Schritte der Struktur- und Zeitanalyse dargestellt, die der eigentlichen Netzplanberechnung vorgelagert sind. Auch die Zeitberechnung wird später anhand dieses Beispiels erläutert. (a) In der ersten Teilstufe der Strukturanalyse wird das Projekt zunächst in die zu seiner Durchführung erforderlichen Arbeitsgänge zerlegt. Bei größeren Projekten ist es empfehlenswert, die Aufgliederung des Gesamtvorhabens in Teilaufgaben mittels eines hierarchisch gegliederten Projektstrukturplanes darzustellen. VorgangsNr.

Bezeichnung des Vorgangs Erteilung des Umzugsauftrages Beschaffung von Mobiliar Einpacken der Akten Beauftragung der Umzugsfirma Renovierung der neuen Räume Information von Behörden und Öffentlichkeit Lieferung des Mobiliars Transport des Umzugsgutes Einordnen der Akten

Abb. 3-9

115

Ablaufplanung

Die für wichtig erachteten Vorgänge (gleichbedeutend: Aktivitäten, Tätigkeiten) werden in der Vorgangsliste zusammengestellt. Die Vorgangsliste des Umzugsbeispiels könnte bspw. wie folgt lauten (s. Abb. 3-9). (b) Als nächster Schritt ist die Erarbeitung der Strukturliste erforderlich, aus der folgende Angaben ersichtlich sein sollen: 1. Welche Tätigkeiten müssen unmittelbar vordem betrachteten Vorgang beendet sein? 2. Welche Tätigkeiten können unmittelbar nach diesem Vorgang begonnen werden? Für das Umzugsbeispiel könnte die Strukturliste z.B. wie folgt aussehen (Abb.3-10): VorgangsNr.

vorgelagerter Vorgang

1 2 3 4 5 6 7 8 9

1 1 1 3 1 2,5 4,5 7,8

unmitt elbar nachgelagerter Vorgang

2,3,4 7 5 8 7,8 8 9 9 -

Abb.3-10

In dieser Einführung kann nur am Rande darauf hingewiesen werden, daß es neben den hier unterstellten Normalabhängigkeiten von Vorgängen auch andere Folgearten gibt (vgl.z.B.v. Wasielewski, 1975, S.46ff.): Bspw. kann der Beginn eines Vorgangs vom Beginn (statt wie normal vom Ende) seines Vorgängers abhängig sein ( = Anfangsfolge). Oder das Ende eines Vorganges kann abhängig vom Ende seines Vorgängers sein (= Endfolge). Im ersten Falle kann mit einem Vorgang bereits bei Beginn seines Vorgängers begonnen werden (Bsp.: Abtransport fertig gestellter Güter). Analog soll im zweiten Falle ein Vorgang nicht vor dem Ende seines Vorgängers beendet werden. (c) Man schließt die Strukturanalyse zweckmäßigerweise mit einem provisorischen Strukturplan ab, der die sachlich-logische Aufeinanderfolge der gegebenen Vorgänge erkennen läßt. Als Vorstufe des fertigen Netzplanes können aus dem Strukturplan Korrekturen zwecks Verbesserung der Übersichtlichkeit abgeleitet werden. Der Strukturplan des Umzugsbeispiels sieht in vorgangsknotenorientierter Darstellung wie folgt aus (Abb. 3-11):

116

Techniken und Konzepte der Planung

Abb.3-11

(d) Auf die Strukturanalyse folgt die Zeitanalyse. Zu diesem Zweck wird für jeden in der Strukturanalyse festgehaltenen Vorgang die mutmaßliche Ausführungsdauer bestimmt. Dabei kann es sich um reine Schätzungen, Richtwerte, Erfahrungswerte oder auch exakte Berechnungen handeln. Wichtig ist vor allem, daß die zur Ausführung erforderlichen Hilfsmittel nach Menge, Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. Die Zeiteinheit (z. B. Stunden, Tage, Wochen, Monate) muß für alle Tätigkeiten gleich sein. CPM und PM (s.u.) arbeiten mit jeweils einer Zeitangabe je Tätigkeit, PERT hingegen verwendet 3 verschiedene Zeiten (optimistische, wahrscheinliche und pessimistische Zeitschätzung). Für das Umzugsbeispiel würde die Zeitliste beispielsweise wie folgt aussehen (s. Abb.3-12; Zeitangaben willkürlich geschätzt): VorgangsNr.

Zeitdauer in Tagen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

1 7 2 1 8 2 1 3 2

Abb.3-12

(4) Elemente und Darstellungsformen des Netzplanes: Jeder Netzplan besteht aus Knoten, die durch Pfeile (Kanten) miteinander verbunden sind. Die Darstellung des Netzplanes erfolgt dem Projektablauf entsprechend von links nach rechts. Voroder Rückkopplungsschleifen, wie sie bei der Flußdiagrammtechnik auftreten, sind

Ablaufplanung

117

im Netzplan unzulässig, da dadurch Zeitberechnungen infolge ständiger Wiederholung undurchführbar wären. Oder- Verzweigungen, wie sie in der Flußdiagrammtechnik üblich sind, sind nur in Ausnahmefällen zweckmäßig, wenn mehrere Projektentwicklungsalternativen dargestellt werden sollen. In diesem Falle können Netzplan-Varianten aufgestellt werden, deren Verzweigung durch den von der FDT bekannten Entscheidungsknoten dargestellt wird. Bei einem Netzplan werden zwei Elemente unterschieden: Vorgänge (Aktivitäten, Tätigkeiten) als zeitverbrauchende Teiloperationen eines Projektes und Ereignisse als nichtzeitverbrauchende Stadien der Projektdurchführung, die als Zeitpunkte Anfang und Ende von Vorgängen bezeichnen. Die Darstellung von Vorgängen und Ereignissen erfolgt bei den Netzplanverfahren in unterschiedlicher Weise. Es gibt inzwischen zahlreiche Varianten der NPT, die sich jedoch im wesentlichen auf die drei folgenden Grundtypen reduzieren lassen. Auf die Merkmale und Unterschiede der Verfahren kann hier nur umrißartig hingewiesen werden, im einzelnen wird auf die Standardliteratur zur Netzplantechnik verwiesen (s. o. g. Hinweise). 1. PERT (Program Evaluation and Review Technique): ereignisknotenorientiertes Verfahren (Beschreibung der Ereignisse und nicht der Vorgänge). 2. CPM (Critical Path Method): vorgangspfeilorientiertes Verfahren (Beschreibung der Vorgänge durch Pfeile, Ereignisse sind nur von untergeordneter Bedeutung). 3. MPM(Metra-Potential-Methode) bzw. PM(Precedence-Method; teilweise auch als PDM = Precedence-Diagramming-Method bezeichnet): vorgangsknotenorientiertes Verfahren (Beschreibung der Vorgänge als Knoten, Ereignisse spielen kaum eine Rolle).

Abb. 3 - 13 zeigt die Unterschiede in der Darstellungsweise bei diesen drei Verfahrenstypen am Beispiel des Vorgangs Nr. 5 „Renovierung" des oben geschilderten Projektes. (5) Pufferzeiten und Kritischer Weg: Wie aus dem nachfolgenden Netzplanbeispiel ersichtlich, liefert der Netzplan u.a. zwei wesentliche Informationen zur Projektplanung: Pufferzeiten können sich als Zeitdifferenzen bei progressiver und retrograder Zeitberechnung des Netzplanes (s. u.) ergeben, wenn frühest- und spätestmöglicher Zeitpunkt eines Vorganges auseinanderfallen. Die Pufferzeit sagt aus, daß eine zeitliche Verlängerung des Vorganges um diese Zeit keine Verlängerung der Gesamtprojektdauer zur Folge hat. Eine Pufferzeit stellt also einen zeitlichen Spielraum auf einem Weg des Netzplans dar. In der Netzplanpraxis unterscheidet man verschiedene Arten von Pufferzeiten: - Gesamtpufferzeit: Zeitspanne zwischen der frühesten und spätesten Lage eines Vorgangs, gültig für einen bestimmten Weg im Netz. - Freie Pufferzeit: Zeitspanne, um die ein Vorgang gegenüber seinem frühesten Anfang verschoben werden kann, ohne den frühesten Beginn anderer Vorgänge zu beeinflussen.

Techniken und Konzepte der Planung

118

Ereignis PERT

t Beginn Renovieaing

Ende

Ereignis CPM

Vorgang Renovierung Vorgang

MPM/ PM

Abb.3-13 - Unabhängige Pufferzeit: Zeitspanne, um die ein Vorgang verschoben werden kann, wenn sich seine Vorgänger in spätester und seine Nachfolger in frühester Lage befinden.

Im Beispiel wird nur die Gesamtpufferzeit berücksichtigt. Der kritische Weg ist der längste Weg durch einen Netzplan. Auf ihm sind Pufferzeiten gleich Null, d. h. die Verzögerung einer Tätigkeit auf diesem Weg führt zur Verschiebung des Endzeitpunktes, wenn nicht bei nachfolgenden Vorgängen Zeiteinsparungen möglich sind. Der kritische Weg informiert also über „kritische" Vorgänge eines Projektes und weist auf Termingefahrdung bei Verzögerungen dieser Vorgänge hin. (6) NetzplandarStellung im Vorgangsknotennetz: Vorgangsknotennetze setzen sich in der öffentlichen Verwaltung immer mehr durch, weil sie einfacher und klarer darzustellen sowie zu ändern sind und keine „Scheinaktivitäten" (s. u.) berücksichtigt werden müssen. Daher wird nachstehend der vorgangsknotenorientierte Netzplan in Form der Precedence Method (PM) - auch anhand des Umzugsbeispiels - näher dargestellt (vgl.z.B. Hamburger Senatsamt, 1972, KGSt, 1981 c, v. Wasielewski, 1975). Folgende Darstellungsform des Knotens hat sich bei PM als zweckmäßig erwiesen, es werden in der Praxis jedoch auch andere Formen angewendet (Abb. 3-14). In die Mitte des Knotens kann bei Bedarf die Bezeichnung des betreffenden Vorgangs geschrieben werden.

119

Ablaufplanung

P

K

D

Bezeichnung FA K P D FA FE SA SE

FE

SA SE

= Kennziffer des Vorgangs = Pufferzeit (kritische Vorgänge, bei denen die Pufferzeit=O ist, werden durch Schwärzung bzw. Durchkreuzen dieses Feldes gekennzeichnet) = Vorgangsdauer = Frühestmöglicher Anfang des Vorgangs = Frühestmögliches Ende des Vorgangs = Spätest erlaubter Anfang des Vorgangs = Spätest erlaubtes Ende des Vorgangs

Abb.3-14

Die gemäß Strukturliste miteinander verknüpften Vorgänge werden bei PM durch Pfeile miteinander verbunden, die lediglich die Funktion der logischen Anknüpfung haben. Auf besondere Ablauffolgen (z. B. mit vorgeschriebener Start- oder Enddistanz bzw. zwischengeschalteter Wartezeit) wird hier nicht eingegangen (s.o.). Die Zeitberechnung bei PM geschieht in zwei Stufen: Berechnung der jeweils frühestmöglichen Anfangs- und Endzeitpunkte der Vorgänge durch eine progressive (vorwärtsschreitende) Rechnung sowie Berechnung der jeweils später erlaubten Anfangs- und Endzeitpunkte durch eine retrograde (d.h. rückwärtsschreitende) Berechnung des Netzplanes. Vorwärtsrechnung: FA des ersten Vorgangs = O, bei allen anderen Vorgängen = FE des vorhergehenden Vorgangs. FE = FA + D Rückwärtsrechnung: Bei letztem Vorgang: FE = SE; bei allen anderen Vorgängen SE = SA des nachfolgenden Vorgangs. SA=SE - D Bei der Verknüpfung mehrerer gleichlaufender Vorgänge mit einem vor- bzw. nachlaufenden Vorgang ist folgendes zu beachten (s. Abb.3-15): Haben bei der Vorwärtsrechnung mehrere Vorgänge einen gemeinsamen Nachfolger, so richtet sich dessen FA nach dem spätesten FE-Wert der unmittelbaren Vorgänger. Haben entsprechend bei der Rückwärtsrechnung mehrere Vorgänge einen gemeinsamen Vorläufer, so richtet sich dessen SE nach dem frühesten SA-Wert seiner unmittelbaren Nachfolger.

Sind auf diese Weise alle Zeitangaben für die Vorgänge eines Projektes bestimmt worden, sind lediglich noch, soweit vorhanden, die Pufferzeiten einzutragen, indem die Zeitdifferenzen zwischen frühesten und spätesten Anfangs- bzw. Endterminen der Vorgänge festgestellt werden. Außerdem ist der kritische Weg als Verbindung aller kritischen, d. h. pufferzeitlosen Vorgänge zu kennzeichnen. Bezüglich möglicher Erweiterungen bzw. Verfeinerungen von Vorgangsknotennetzen wird auf die angegebene Literatur verwiesen. Wird nach den dargestellten Zeichen- und

120

Techniken und Konzepte der Planung 7

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1

11

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Erarbeitung v. Änderungspro:

Änderungsbereitschaft und -fähigkeit



Situationsanal· Mängeldiagno

Problemdruck -

ca

Ja

Problemanalys Lösungsrichtul

interne und externe Situationsbedingungen

Änderungsrealisation und -kontrolle

Abb. 4-18 stufig vorgegangen: nach einer Grobanalyse werden für bestimmte Aspekte Detatlanalysen und -konzepte erarbeitet. Neben inhaltlichen Änderungsideen werden - wenn auch je nach Änderungsstrategie in sehr unterschiedlicher Weise (s.u.) - Überlegungen zur Einführung der Änderung angestellt. Abschließend wird die Entscheidung über die Realisierung getroffen, d. h. über die zu verwirklichende Lösungsalternative sowie ggf. über Prioritäten und Vorgehensweisen im Änderungsprozeß. (b) Änderungsrealisation und -kontrolle: Die zuvor beschlossene Änderung wird mit Hilfe einer bestimmten Realisierungsstrategie (s.u.) eingeführt, ggf. nach Abschluß einer Testphase und nach daraufhin evtl. erforderlichen Modifikationen. Nach Einführung wird der Erfolg der Änderung kontrolliert, d. h. festgestellt, ob und inwieweit die mit der Änderung verfolgten Ziele auch tatsächlich erreicht werden konnten. Bei mangelnder Zielerreichung geschehen entweder nochmals Anpassungsmaßnahmen oder es wird ein neuer Änderungsprozeß initiiert. Auf eine befriedigend verlaufene Erfolgskontrolle folgen schließlich in aller Regel noch ergänzende bzw. flankierende Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung und Erhaltung der Änderung (z. B. Schulungen, Belohnungen, Korrekturen).

Dieser Änderungsprozeß wird mitunter mehrfach und in verschiedenen Rückkopplungsschleifen durchlaufen; man spricht dementsprechend auch vom Organisationszyklus. Er wird je nach Änderungsstrategie und Situation mit charakteristischen Änderungstechniken vollzogen, auf die im kommenden Abschnitt eingegangen wird (s. 4.4.2.). Die Organisation dieses Änderungsprozesses ist selbst

Änderungen des Verwaltungsmanagements

215

wiederum ein Gestaltungsproblem („Organisation der Organisation", d.h. z. B. Ausdifferenzierung von Organisationsstellen, Macht- und Kompetenzverteilung etc.; vgl.z.B. Remer, 1985; institutionell auch Olivet, 1978). (4) Managementänderungen geschehen mit Hilfe unterschiedlicher Änderungsstrategien. Diese können in einer sehr groben Zweiteilung - bezogen auf den Bereich Organisationsstruktur - in - Organisationsuntersuchung und - Organisationsentwicklung gegliedert werden (vgl. dazu auch die Strategievarianten von Chin/Benne, 1970 sowie die 4-stufige Typisierung von Wunderer, 1982). Auch außerhalb von Organisationsänderungen lassen sich Strategien feststellen, die in ihrer Grundorientierung diesen beiden Ausprägungen entsprechen. Die genannten Strategien unterscheiden sich grundlegend im zugrundeliegenden Menschenbild und Managementverständnis und sind hinsichtlich ihrer Zielsetzung, ihres Gegenstandes sowie ihres Prozesses voneinander abzugrenzen (s.Abb.4-19; vgl.z.B. auch Gebert, 1982, Kempf, 1986). (5) Die Organisationsuntersuchung ist die in der öffentlichen Verwaltung weithin vorherrschende, sozusagen klassische Änderungsstrategie (vgl.z.B. KGSt, 1977c, Mundhenke/Zöllner, 1982). Organisatorische Anpassungen, insbesondere soweit sie Auswirkungen auf den Personalbedarf haben, erfolgen üblicherweise nach folgendem Muster: In einem Verwaltungsbetrieb wird festgestellt, daß die (gewachsenen) Aufgaben mit dem vorhandenen Personal nicht mehr bewältigt werden können. Man fordert zusätzliche Stellen. Die (zentrale) Organisationsstelle veranlaßt daraufhin eine Organisationsuntersuchung zur Überprüfung des Personalbedarfs. Zu diesem Zwecke führen Organisatoren eine relativ intensive Situationsanalyse durch, primär in Form einer Arbeitsuntersuchung (z. B. Aufzeichnungen über Bearbeitungsmengen und -dauern). Ergebnis sind einige Rationalisierungsvorschläge und Personalbemessungen. Während die Verbesserungsvorschläge weitgehend unberücksichtigt bleiben, werden die Personalbemessungen zur künftigen Stellenplanung herangezogen. Im Endeffekt erhält der Bereich zwar mehr Personal, aber die - evtl. unzweckmäßigen - Strukturen bleiben unverändert.

Die Umsetzung struktureller Veränderungen bleibt bei Organisationsuntersuchungen entweder in einer Art Laissez-faire-Stil ins Belieben der Beteiligten gestellt oder sie wird in autoritärer Weise von der Leitung durchgesetzt (daher auch die treffende Kennzeichnung als „BombenwurfStrategie"; vgl. Kirsch u.a., 1979). Dementsprechend ist für den Verwaltungssektor zu konstatieren, daß lediglich eine kleine Zahl geplanter Änderungen auch realisiert wird, während der Großteil nur als Design „auf dem Papier" steht, aber niemals tatsächlich verwirklicht wird. (6) Diese herkömmliche Änderungsstrategie läßt verschiedene Grundprobleme von Managementänderungen erkennen, die nachfolgend - im Hinblick auf Änderungs-

Management

216

Organisationsuntersuchung

Organisationsentwicklung

Zielsetzung (wozu verändern?)

primär Effizienz (insbes. Kostenreduzierung)

Selbsterneuerung der Organisation im Hinblick auf Effizienz und Humanität (insbes. auch Eigenständigkeit, Innovativität und Flexibilität der Mitarbeiter)

Gegenstand (was verändern?)

formale Organisationsstruktur (primär Ausrichtung auf Aufgabe und Sachmittel); Bearbeitung isolierter Einzelprobleme

Mitarbeiter und deren Verhalten sowie als Folge auch formale Strukturen, z.T. auch Umweltsegmente; Änderung von Einzelproblemen im Kontext des Gesamtsystems

Prozeß (wie verändern?)

Schwergewicht auf Änderungsplanung (Design),

Berücksichtigung von Realisierungsproblemen.

Betonung der Expertenrolle von Organisatoren und Beratern, Realisation wird vernachlässigt oder über Machteinsatz „gelöst",

Einbezug der Organisationsmitglieder in die Änderungsplanung, Änderungsexperten haben eher eine Beratungsrolle,

Anwendung „objektiver" Techniken wie Aufgabenanalyse oder Multimomentaufnahme,

Anwendung auch von individual- und gruppenpsychologischen Methoden, insbesondere von Lernmethoden

Änderung wird als kurzfristig lösbares Problem aufgefaßt,

Änderung wird als nur langfristig und kontinuierlich lösbarer Prozeß begriffen,

planungsrationale Orientierung

mikropolitische und sozialpsychologische Orientierung

Abb. 4-19

Strategien, nicht aber bezüglich ihres ÄnderungsmAa/te - näher dargestellt werden. Die Probleme liegen einerseits auf der sachrationalen Planungs- und Steuerungsebene, andererseits auf der sozio-emotionalen Ebene. (a) Sachrationale Probleme: Ein erster Problembereich ist in mangelnder Anpassung der Strategie an die gegebenen Situationsbedingungen (s. 4.1.2.) zu sehen, wobei die Nichtbeachtung politisch-administrativer Aspekte besonders auffallt

Änderungen des Verwaltungsmanagements

217

(z.B. politischer Konsensbedarf, Politikerrationalität; vgl.auch Banner, 1978, Koch, 1982 a). Des weiteren wird in vielen Änderungsprozessen die rechtzeitige und sorgfältige Kalkulation der Änderungsbedingungen bzw. Implementationsfaktoren vernachlässigt (vgl. Kempf, 1979 und 1986). Die Änderung wird als „Selbstgänger" angesehen, man konzentriert sich auf das „Design". Eine solche einseitige Planungsorientierung wird übrigens auch außerhalb des Managementsystems als Vottzugsdeßzit bei der Politikdurchführung diagnostiziert. Relativ unabhängig von der Organisationstheorie hat sich dazu im öffentlichen Sektor in den letzten Jahren - aus eher politikwissenschaftlicher Makrosicht - die Implementationsforschung entwickelt (vgl. grundlegend z. B. Pressman/Wildavsky, 1973, Mayntz, 1980/1983). Zur frühzeitigen Berücksichtigung der spezifischen Änderungsbedingungen gehört zunächst einmal eine allgemeine Einschätzung der „Machbarkeit" und Steuerbarkeit der Änderung. Im besonderen bedeutet dies, die jeweilige Machtstruktur und zu erwartende Widerstände (s.u.), den erforderlichen Veränderungs- und Lernaufwand sowie den daraus resultierenden Zeit- und Ressourcenbedarf zu beurteilen. Änderungsprozesse scheitern nicht selten bereits daran, daß sie mit einem unangemessen kurzen Zeitbedarfbetrieben werden, daß sie „kurzfristig-hektisch" verlaufen (vgl. Banner, 1978, S. 55). Ein anderer Problembereich ist die Steuerung des Änderungsprozesses: Man versucht, Managementänderungen mit den Regeln und Instrumenten des „Tagesmanagements" routinemäßig abzuwickeln und verkennt, daß solche Änderungen i. a. außergewöhnliche Steuerungsformen erfordern (vgl. z. B. Koch, 1982 a, Kempf, 1986). Bspw. wird häufig versucht, die Änderung über die normale Hierarchie „von oben nach unten" durchzusetzen; an einer insgesamt verantwortlichen besonderen Steuerungsgruppe (z. B. Projektgruppe unter Einbezug der Leitung) und einem sinnvollen Zusammenspiel von Fach- und Machtpromotoren, z.B. in der Initiierungs- und Einführungsphase (vgl. Witte, 1973) mangelt es. Auch die Lenkung des Realisationsprozesses selbst verläuft nicht selten unangemessen. Auf schrittweises Vorgehen mit Rückkopplungsrunden zur „Basis", auf testartige bzw. partielle Einführungen und auf die stabilisierende „Pflege" bewirkter Veränderungen wird verzichtet.

Als problematisch ist schließlich in vielen Fällen die Informationspolitik der Änderungsträger einzustufen (vgl. Böhnisch, 1979). Eine sachgerechte Information aller Beteiligten über Anlaß, Ziel, Weg und ggf. Nebenwirkungen einer Änderung wird in aller Regel - z. B. durch Gerüchte hervorgerufene - Ängste und Widerstände bei Betroffenen mindern (gelegentlich indes auch verstärken; s.dazu den folgenden Punkt). Geheimniskrämerei und Überrumpelung sind demgegenüber - obwohl verbreitet - meist ungeeignete Informationsstrategien. (b) Sozio-emotionale Probleme: Bei diesem für Managementänderungen i. a. besonders schwerwiegenden Problemkomplex geht es in erster Linie um die Akzeptanz der Änderung durch die Organisationsmitglieder. Diese setzen Änderungen normalerweise Widerstand entgegen (vgl. z. B. Bendixen, 1980, Böhnisch, 1979, Schanz, 1982, S.330ff.; zu empirischen Fakten vgl.insbesondere Stachle, 1985, S.695f.), weil sie

218

Management -

die Sicherheit gewohnten Handelns unsicheren neuen Situationen vorziehen, den zusätzlichen Umstellungs- und Lernaufwand scheuen, ihre Bedürfnisbefriedigung bedroht sehen (z. B. Zugehörigkeitsbedürfnis), z. T. generell nur über eine geringe Änderungsbereitschaft verfügen (z. B. aufgrund bürokratischer Sozialisation im öffentlichen Dienst).

Die mit der traditionellen Organisationsuntersuchung verbundene Änderungsstrategie nimmt auf die Ängste und Bedürfnisse der Mitarbeiter wenig Rücksicht, bietet geringe Änderungsanreize und fördert kaum die Akzeptanz (zu erfolgversprechenderen Strategien s.u. Tz8). Managementänderungen sind eben nicht allein ein sachrationaler Prozeß, sondern haben eine emotionale und mikropolitische Dimension: Mitarbeiterinformation und -beteiligung, Akzeptanzförderung durch Änderungsanreize sowie Gestaltung der Macht- und Konfliktprozesse sind ebenfalls von Bedeutung. In aller Regel findet bei Änderungen ein „Machtspiel" zwischen Befürwortern und Gegnern statt, gibt es „Gewinner" und „Verlierer" (vgl. allg. Crozier/Friedberg, 1979, zu verwaltungsbezogenen Fallbeispielen Kempf, 1986; als spezielles Beispiel für Machtverschiebungen bei neuen Managementkonzepten vgl. ferner Swiss, 1983). Spielregeln und Verlauf dieses „Spieles" bedürfen angemessener Analyse und Lenkung (s.u.).

Häufig wird im Änderungsprozeß ein unzweckmäßiger Führungs- bzw. Implementationsstil gewählt: die Änderung wird autoritär durch die Leitung „von oben nach unten" durchgesetzt, z.T. unter Androhung von Negativsanktionen für den Fall der Weigerung, darüber hinaus unter weitgehender Verdrängung auftretender Konflikte (vgl. zu einem charakteristischen Fall z. B. Koch, 1982 a, S. 121 ff.). Ein weiteres Problem ist idZ schließlich die Anpassung des Mitarbeiterverhaltens an eine geänderte Situation. Änderungen im Managementsystem bedingen in aller Regel Lernprozesse von seilen der Mitarbeiter, z. B. im Hinblick auf neue Kommunikations- und Kooperationsfahigkeiten, aber auch zur Bewältigung der Umstellung selbst (vgl. z. B. Pitschas, 1981). Solche Lernprozesse werden in traditionellen Änderungsstrategien vielfach vernachlässigt. (7) Der Verlauf von Änderungsprozessen wird ganz wesentlich durch die Änderungsträger bestimmt. Bei traditionellen Managementänderungen vom Typ „Organisationsuntersuchung" spielen neben der Betriebsleitung externe Berater und interne Organisatoren als Änderungsträger die entscheidende Rolle. Die Mitarbeiter in den Änderungsbereichen sind hingegen primär Objekt der Untersuchung, sie fühlen sich zumeist als „Opfer", als Betroffene. Berater bzw. Organisatoren treten als „Design-Experten" mit einem erheblichen Wissensvorsprung speziell in Hinsicht auf Analysemethoden und Standardkonzepte auf. Ihr Verhältnis zu den „Betroffenen" ist ungleichgewichtig. Über die Rolle externer Organisations- und Management- Berater in der öffentlichen Verwaltung gibt es mittlerweile ausgiebige Erfahrungen, nicht immer in positiver Richtung (vgl. z. B. Pflaumer, 1977, Kollatz, 1978; Mundhenke, 1982, Schultze, 1986). Sie können durchaus als „Katalysatoren" Änderungen vorantreiben, werden von der Verwaltungsleitung indes nicht selten auch als Alibibeschaff er bzw. zur Zeitverzögerung

Änderungen des Verwaltungsmanagements

219

mißbraucht (vgl. z. B. Bosetzky, 1978). Folgende Aspekte sind bei einer Wertung zu berücksichtigen (s. Kasten):

Vorteile

Nachteile

hohe Professionalisierung in Analysemethoden

geringe Detailkenntnisse des Untersuchungsbereiches

breite Erfahrungsbasis, dementsprechend gute Vergleichsmöglichkeiten

Gefahr von „Standardrezepten"

geringe „Betriebsblindheit"

einseitige „Design"-Orientierung geringer Einfluß auf Implementation

Neutralität

abweichende Werte/Einstellungen im Vergleich zum Untersuchungsbereich

z. T. höhere Akzeptanz durch obere Leitungsebene

geringe Akezeptanz auf unteren Ebenen

z. T. Mut zu umfassenderen Änderungsvorschlägen

relativ hohe Kosten

Bei internen Organisatoren - insbesondere soweit sie in zentralen Fachstäben arbeiten - ist die Situation ähnlich. Sie haben hohes Fachwissen, aber nur geringe Realisierungskompetenzen. Ihr Rollenverständnis ist immer noch eher traditionell: DesignExperte statt Prozeß-Moderator - was sowohl an der bestehenden Organisatorenausbildung wie an den dominanten Tätigkeiten liegt (Personalwirtschaft, Zuständigkeitsregelungen, Vordruckwesen usw.; vgl. Röthig, 1984, ferner auch v.Eiff, 1986). Konflikte mit den betroffenen Fachabteilungen sind häufig. Seit einiger Zeit verlagert sich die Gestaltungsarbeit stärker in die Fachabteilungen. Die Organisatoren werden Zulieferer für bestimmte Analysen und Konzepte, was ihre Beraterrolle noch stärkt. In manchen Verwaltungen ist geradezu ein „Teufelskreis" zu beobachten: Wenig änderungsbereite, in „kameradschaftlicher Bürokratie" geborgene Mitarbeiter verhalten sich in Änderungsprozessen passiv, fördern dominantes, autoritäres Expertenverhalten der Organisatoren, identifizieren sich später kaum mit erfolgten Änderungen, werden noch passiver etc. etc... (vgl. anschaulich: Schnappauf, 1985).

(8) Zur Verringerung der geschilderten Probleme und Defizite von Änderungsprozessen hat sich - aus den USA kommend - auf verhaltenswissenschaftlicher Basis seit einiger Zeit sozusagen als „Gegenstrategie" das oben bereits erwähnte Konzept der Organisationsentwicklung(O E) etabliert. OE ist nach der Definition der Gesellschaft für Organisationsentwicklung (GOE) „ein organisationsumfassender, langfristiger, auf Lernen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung beruhender Entwicklungs- und Veränderungsprozeß von Organisationen und der in ihnen tätigen Menschen in Richtung auf eine Verbesserung von Produktivität und Humanität" (GOE, 1981; vgl.zum „OE"-Konzept allgemein z.B. Bendixen, 1980, v. Eiff, 1979, French/Bell, 1977, Gebert, 1974, Goerke, 1981, Kieser/Krüger/Röber,

220

Management

1979, Sievers, 1977, Stachle, 1985, Steinle, 1986, Trebesch, 1981; zur Anwendung in der öffentlichen Verwaltung z.B. Glasl, 1983, Kempf, 1986, KGSt, 1984a, Neubauer, 1981, Reder, 1977, Töpfer, 1984, Wunderer, 1982). OE ist also - wie auch aus obiger Gegenüberstellung in Abb.4-19 hervorgeht - ein pädagogisches Änderungskonzept: eine Organisation lernt, ihre eigenen Probleme selbst zu lösen. Das OE-Leitbild lautet „Selbsterneuerung"; dies bedeutet vor allem einen nachdrücklichen Einbezug der Organisationsmitglieder in Planung und Durchführung der Änderung (vgl. Kempf, 1986). Begreift man Lernen im Sinne von Problemlösen, ist OE ein kooperativer Lernprozeß betrieblicher Mitarbeitergruppen (man beachte den Zusammenhang zwischen Organisations- und Personalentwicklung, s. 5.5.1.; vgl. dazu auch Jaeger/Pitschas, 1981). Von OE sollte im strengen Sinne nur gesprochen werden (vgl. KGSt, 1984a), wenn die „Betroffenen" - eine Änderung selbst wollen und die Probleme weitgehend selbst bestimmen, - ständig und unmittelbar am Änderungsprozeß mitwirken, - über die tatsächliche Änderung selbst entscheiden. Sporadische Mitarbeiterbeteiligung ist hingegen noch nicht OE.

Im Sinne des geschilderten Leitbildes verläuft ein OE-Prozeß anders als eine traditionelle Organisationsuntersuchung. Änderungsträger ist nicht ein „DesignExperte", sondern eine Steuerungsgruppe, die auch - resp. vor allem - „Betroffene" umfaßt. Das Rollenverständnis nichtbetroffener Experten (z. B. Organisatoren) geht vor allem in Richtung Prozeßsteuerung, Selbsthilfe-Förderung und Moderation (Änderungshelfer bzw. „Change Agent"). Der Prozeß beginnt mit der Aktivierung der Beteiligten („Unfreezing") und führt über die eigentliche Änderung zu deren langfristiger Stabilisierung („Refreezing"); er ist durch ständige Partizipation gekennzeichnet (vgl. KGSt, 1984 a, S. 7): - gemeinsame Problemklärung durch alle Beteiligten im Änderungsbereich und Vereinbarung eines kooperativen Problemlösungsprozesses - Situationsanalyse und -diagnose in mehreren Teilschritten (Datensammlung und -rückkopplung) unter Verwendung geeigneter Methoden (insbesondere Kleingruppengespräche; s. 4.4.2.) - Interventionen in den Problembereichen auf der Basis einer allgemein akzeptierten Strategie mit geeigneten Interventionstechniken (s. 4.4.2.). Es fragt sich nun allerdings, ob dieses Änderungskonzept mit seinem positiven Menschenbild und harmonischen Organisationsverständnis in unsere bürokratische Verwaltungswelt paßt. Generell gilt, daß eine OE-orientierte Strategie nur unter bestimmten Voraussetzungen und für geeignete Änderungsfälle in Betracht kommt: - komplexes Problem mit unterschiedlichen, rahmenverändernden Lösungen und hinreichender Änderungszeit - Energiemobilisierung, umfassendes Lernen und Akzeptanz durch Betroffene sind wichtig

Änderungen des Verwaltungsmanagements

221

- aktive Unterstützung der Änderung und Respektierung der gefundenen Lösung durch Leitung. Ferner ist anzumerken, daß die spezifischen Situationsbedingungen des Verwaltungsbetriebes und seines Managementsystems (s. 4.1.2. und 4.1.3.) allenfalls eine partielle Anwendung des OE-Konzepts zulassen (vgl. auch Kempf, 1986, KGSt, 1984 a, Koch, 1983b, Scholz, 1983). Insbesondere die Begrenzungen der Partizipationsmöglichkeiten aufgrund parlamentarischer Legalitätssicherung und geltenden Personalvertretungsrechts, die vielfältigen Umweltverflechtungen, die formellen wie informellen Machtbeziehungen (ausgeprägte Hierarchietradition), die begrenzten Veränderungsspielräume und der bürokratisch handelnde Mitarbeitertyp werden als Hemmnisse des OE-Konzepts angesehen (zur situativen Anpassung s.u. Tz9). Schließlich wird das „Mode"-Konzept OE auch generell ideologiekritisch betrachtet (vgl. Kubicek u.a., 1979): Es lockt mit positiv besetzten Begriffen und baut auf normativen Prämissen auf, die z. T. unrealistisch erscheinen. Inwieweit es lediglich eine Scheinwelt schafft und die tatsächlichen Machtverhältnisse eher verschleiert, erscheint klärungsbedürftig. (9) Vorstehende Ausführungen haben deutlich gemacht, daß das OE-Konzept zwar als Leitbild in die richtige Richtung weist, aber in seiner „reinen" Form im Verwaltungsbetrieb nur begrenzt anwendbar erscheint. Im Sinne des situativen Ansatzes (s.4.1.2.) empfiehlt sich vielmehr eine situationsbezogene Änderungsstrategie, die auf die Charakteristika der öffentlichen Verwaltung im allgemeinen und die Situations- und Strukturvariablen des jeweiligen Verwaltungsbetriebes speziell Bezug nimmt (vgl.z.B. Banner, 1978, Kempf, 1986, Wunderer 1982; ferner zu einer Checkliste für die Situationsanalyse Koch, 1982a, S.lSOff.). Die Änderungssituation wird vor allem durch folgende Faktoren geprägt (s. a. 4.1.2.): - spezifische Initiierungsbedingungen (empfundener Problemdruck usw., s. o.) - Art und Ausmaß des auslösenden Problems (s. die oben unter Tz l genannten 3 Typen), daraus resultierende Betroffenheit der Mitarbeiter, Folgewirkungen, erforderlicher Zeit- und Pflegebedarf - Umweltkonstellationen, insbesondere politisch-administrative Faktoren (Machtstrukturen, Konsensbedarf, Handlungsspielraum der politischen Leitung usw.) - vorhandene Managementstrukturen, vor allem Macht-, Kooperations- und Kommunikationsbeziehungen (z.B. zwischen den Managementebenen allgemein, zwischen Leitung und Steuerungsgruppe der Änderung, zwischen Leitung und Personalvertretung; vgl. zu letzterem die Erfahrungen von Prinz, 1986) - Mitarbeitersituation, d.h. Einstellungen der Mitarbeiter, Identifikation mit den Betriebszielen, Änderungsbereitschaft, Fähigkeit zu offener Kommunikation, zur Verhaltensänderung u.a.

Je nach Ausprägung der Situationsfaktoren kommen unterschiedliche Änderungsstrategien in Betracht. Folgende grobe Tendenz erscheint plausibel: (a) Wenn Problem nicht sehr komplex, Mitarbeiter weniger vom Problem betroffen, Umwelt labil, Handlungsspielraum der Leitung begrenzt, Managementstrukturen

222

Management

und Mitarbeitereinstellungen eher bürokratisch geprägt, dann eher straffe, autokratische Änderungsstrategie. (b) Wenn Problem hochkomplex, Mitarbeiter stark von Problem betroffen, Umwelt stabil, Handlungsspielraum hinreichend, Managementstrukturen eher flexibel und auf Kooperation angelegt, Mitarbeiter änderungsbereit und -fähig, dann eher am OE-Leitbild orientierte, partizipative Änderungsstrategie. Zwischen diesen beiden Grobtypen wird es in der Praxis zahlreiche Zwischenformen geben, die sich im Hinblick auf die Rolle der Steuerungsgruppe, den Umfang der Mitarbeiterbeteiligung, den Implementationsstil und die Ausgestaltung des Änderungsprozesses (z. B. Ausmaß von Lern- und Rückkopplungsphasen) unterscheiden. Kempf (1986) empfiehlt für die öffentliche Verwaltung insgesamt eine „pragmatischsituationsbezogene Steuerungskonzeption", die sich vom reinen O E- Konzept u.a. durch stärkeren Einbezug des Macht- und Verhandlungsaspektes sowie durch differenzierte Mobilisierungs- und Konfliktregelungsformen unterscheidet. Die KGSt (1984a) empfiehlt wesentlich zurückhaltender eine umfassende, rechtzeitige Mitarbeiterbeteiligung sowie den Einbezug der von den Mitarbeitern genannten Probleme. Ein erster Schritt zu einer partizipativen Änderungsstrategie kann der vermehrte Einbezug von Betroffenen in gemeinsame Problemfmdungs- und -lösungsprozesse mit Hilfe geeigneter Planungs- und Kommunikationsinstrumente sein (Problemlösungs„Workshops", s. a. 5.5.3.; vgl. ferner z. B. Schnelle, 1978). Zusammenfassend werden noch einmal die wichtigsten Bedingungen för einen erfolgreichen Änderungsprozeß aufgelistet (vgl. auch Kempf, 1986): - Klare Leitungsentscheidung vor Änderungsbeginn, die Änderungsrahmen und Gesamtkonzept erkennen läßt - Einsatz einer qualifizierten Steuerungsgruppe mit klaren Kompetenzen, guten Beziehungen zur Leitung wie zur „Basis" und adäquatem Rollenverhalten - Befolgung einer angemessenen „Änderungsphilosophie", die Managementänderungen als längerfristigen, iterativen, situationsbezogenen Problemlösungs- und Verhandlungs-Prozeß begreift - umfassende, frühzeitige Analyse der Implementationsfaktoren und Entwickeln einer adäquaten Umsetzungsstrategie - weitgehende Akzeptanzförderung bei den Betroffenen durch Information, Motivation, ggf. Partizipation - soweit erforderlich, Durchführung gemeinsamer Problemlösungs- und Fortbildungsprozesse vor, während und nach dem Änderungsprozeß. - Klare Leitungsentscheidung vor Änderungsbeginn, die Änderungsrahmen und Gesamtkonzept erkennen läßt - Einsatz einer qualifizierten Steuerungsgruppe mit klaren Kompetenzen, guten Beziehungen zur Leitung wie zur „Basis" und adäquatem Rollenverhalten - Befolgung einer angemessenen „Änderungsphilosophie", die Managementänderungen als längerfristigen, iterativen, situationsbezogenen Problemlösungs- und Verhandlungs-Prozeß begreift

Änderungen des Verwaltungsmanagements

223

- umfassende, frühzeitige Analyse der Implementationsfaktoren und Entwickeln einer adäquaten Umsetzungsstrategie - weitgehende Akzeptanzförderung bei den Betroffenen durch Information, Motivation, ggf. Partizipation - soweit erforderlich, Durchführung gemeinsamer Problemlösungs- und Fortbildungsprozesse vor, während und nach dem Änderungsprozeß.

4.4.2. Änderungsmethoden und -Instrumente (1) In den Stufen des Änderungsprozesses werden zahlreiche Planungs-, Realisations- und Kontrollmethoden und -Instrumente eingesetzt, um Managementänderungen methodisch und überlegt durchzuführen sowie um Probleme und deren Lösung - auch anderen - transparent zu machen. Es gibt einige universelle Änderungsmethoden, aber vielfach unterscheiden sie sich nach der zugrundeliegenden Änderungsstrategie (s. 4.4.1.). Bei traditionellen Organisationsuntersuchungen stehen dementsprechend planungsrationale Techniken und Instrumente im Mittelpunkt, bei OE-orientierten Strategien dominieren gruppenpsychologische und pädagogische Änderungsmethoden. (2) Bei Organisationsuntersuchungen stehen einerseits allgemeine Planungstechniken zur Verfügung, die auch im speziellen Anwendungsfall der Organisationsplanung eingesetzt werden (z. B. verschiedene Techniken der Problem- und Zielanalyse, der Informationsgewinnung, des Alternativenvergleichs und der Ablaufplanung, s.i.e. Teil 3 dieser Schrift; vgl.ferner z.B. auch Krüger, 1983). Andererseits haben sich spezielle Änderungsplanungstechniken für Organisationsuntersuchungen herausgebildet, auf die nachfolgend im Überblick hingewiesen werden soll (vgl. i. e. z.B. REFA, 1978, G.Schmidt, 1983; verwaltungsbezogen z.B. KGSt, 1977c, Siepmann/Siepmann, 1981). Diese Techniken werden im Änderungsprozeß (s. Abb. 4 18) vor allem in den Stufen der Situationsanalyse (Istaufnahme und -kritik) und der Änderungsvorschläge (Sollkonzepte) angewendet. Da es dabei vor allem um die Erhebung und Darstellung von Ist-Daten sowie um die Darstellung und Bewertung von Sollvorschlägen geht, werden die Organisationstechniken üblicherweise auch wie folgt gegliedert: (a) Erhebungstechniken zur Bestimmung der eine Managementsituation kennzeichnenden Daten (z.B. vorhandene Aufgaben, Tätigkeitsmengen, Bearbeitungsdauern). Folgende Arten von Techniken sind verbreitet (vgl. dazu auch die Methodik der empirischen Sozialforschung, z.B. Mayntz u.a., 1971): - Befragung mittels Interview oder Fragebogen (vgl. als Beispiel eines differenzierten Analyseverfahrens von Verwaltungsstrukturen Klages/Schmidt, 1983) - Beobachtung in offener oder versteckter, in unstrukturierter oder strukturierter Form (zu letzterem ist vor allem das Multimomentverfahren als stichprobenartige Tätigkeitsartenermittlung zu nennen, vgl. i.e. KGSt, 1977c, S. 169ff.)

224

Management - Dokumentenanalyse (z. B. Akten, Schriftgut u. ä.) - Selbstaufschreibung in Form täglicher Arbeitsaufzeichnungen durch die Mitarbeiter im Untersuchungsbereich (Erfassung von Art, Menge und Dauer der ausgeübten Tätigkeiten), die später zu Tätigkeitslisten und allgemeinen Arbeitsverteilungsübersichten zusammengefaßt werden (vgl. i.e. KGSt, 1977c, S. 151 ff.) - Laufzettelverfahren zur Erhebung der einzelnen Arbeitsschritte und -dauern bei arbeitsteilig vollzogenen Bearbeitungen.

(b) Darstellungstechniken zur problemgerechten Darstellung der zuvor erhobenen Sachverhalte, wobei einerseits zwischen Aufbau- und Ablaufdarstellungen, andererseits zwischen verbalen und graphischen Darstellungen unterschieden wird. Auf einige besonders bekannte Techniken und Instrumente wird nachfolgend hingewiesen (vgl. auch Joschke, 1980): - Aufgabenanalyse als systematische Aufgliederung einer (Ober-)Aufgabe nach bestimmten Gliederungskriterien (z. B. Objekt, Verrichtung, Zweck) in Aufgabenelemente, um diese Elemente bei der Organisationsgestaltung Stellen zur Erledigung zuzuweisen (s. a.42.2.1.). Hierfür gibt es ausgefeilte Analysetechniken; das Ergebnis wird graphisch im Aufgabenstrukturbild dargestellt (vgl. i.e. KGSt, 1977c, S. 121 ff., Krüger, 1980). - Organigramm als graphische Darstellung der Organisations-, insbesondere Leitungsstruktur eines Betriebes (vgl. Blum, 1982). - Stellenbeschreibung (Arbeitsplatzbeschreibung) als verbale Darstellung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, der organisatorischen Einordnung und der Stellvertretungsregelung einer Stelle (vgl. Schwarz u. a., 1979). Eine grobe Aufgabenund Zuständigkeitsübersicht vermittelt im Verwaltungsbetrieb auch der Geschäftsverteilungsplan. - Funktionendiagramm als tabellarische Darstellung der Zuordnung von Teilaufgaben zu ausführenden Stellen, wobei die verschiedenen Funktionen häufig mit Symbolen ausgedrückt werden. - Arbeitsablaufdarstellungen in Form von Rasterblättern, Ablaufdiagrammen mit Tätigkeitssymbolen, Flußdiagrammen (s. 3.6.1.) oder der besonders differenzierten, aber auch anspruchsvollen Felddarstellung (vgl. i. e. KGSt, 1977 c, S. 177 ff.). - Entscheidungstabellen zur komprimierten logischen Zusammenstellung von Bedingungen und davon abhängigen Aktionen eines Arbeitsablaufes, insbesondere zwecks Prüfung komplexer automatisierbarer Abläufe auf Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit (s. 3.6.1., vgl. z. B. KGSt, 1977 c, S. 221 ff.). - Balkendiagramm und Netzplan als Hilfsmittel zur Planung und Steuerung komplexer Änderungsvorhaben (s.i.e.3.6.2.).

(c) Bewertungstechniken zur Beurteilung der Zielwirksamkeit des Istzustandes sowie alternativer Sollvorschläge. Neben verschiedenen allgemeinen Planungstechniken (z.B. Prognosetechniken, Wirtschaftlichkeitsrechnung) verwendet man bei Organisationsuntersuchungen z. B. standardisierte, erfahrungsgestützte Prüffragenund Schwachstellenkataloge. Teilweise findet auch die Wertanalyse, insbesondere in Form der Gemeinkosten-Wertanalyse, Anwendung (vgl. z. B. Roever, 1980). Die größte Bedeutung für die Bewertung von Gestaltungsalternativen hat aber zweifei-

Änderungen des Verwaltungsmanagements

225

los die Nutzwertanalyse, weil sie auch die bei Managementänderungen erheblichen nichtmonetären Effekte abbildet und die Bewertung im Hinblick auf mehrere Zielkategorien durchführt (s.i.e.3.5.I.). (3) Im Rahmen von OE-orientierten Änderungsstrategien werden nicht „harte", quasi-objektive Erhebungs- und Darstellungstechniken, sondern eher „weiche", psychodynamische Konzepte des Einstellungswandels und Verhaltenstrainings eingesetzt (vgl.z.B. Kieser/Krüger/Röber, 1979, Staehle, 1985, S. 663 ff., kurz auch KGSt, 1984 a). Ziel dieser Prozeßhilfen ist es in erster Linie, ein günstiges Veränderungsklima zu schaffen, eine offene Kommunikation und gemeinsame Problemlösung zu fördern und die eigentliche Strukturänderung durch Entwickeln und Verändern der Mitarbeiterwerte und -Verhaltensweisen zu antizipieren. Im Hinblick auf den Änderungsprozeß sind OE-Methoden vornehmlich den Stufen der Problem- und Situationsanalyse sowie der inhaltlichen und prozessualen Änderungsplanung zuzuordnen; sie dienen primär dem „Auftauen" und der eigentlichen Änderung. Bezogen auf die verschiedenen Betrachtungsebenen lassen sich OE-Methoden auf der Ebene des Individuums, der Gruppe und der Gesamtorganisation unterscheiden (vgl. Staehle, 1985, S. 667 ff.). Aus der Vielzahl existierender Methoden und Instrumente zur Unterstützung OEorientierter Änderungsprozesse werden die folgenden Konzepte kurz dargestellt: - Datenerhebung und -rückkopplung (Survey-feedback-Methode) über wesentliche Organisationsmerkmale (z.B. Arbeitszufriedenheit, Organisationsklima) bei den Mitarbeitern mit Hilfe von Fragebögen mit anschließender gruppenweiser Diskussion der Auswertungsergebnisse und Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten. - Prozeßberatung einer Gruppe durch einen externen Moderator, der an Aktivitäten der Gruppe (z. B. Besprechungen) beobachtend teilnimmt und der Gruppe bei ihrer Problemdiagnose hilft. - Konfrontationstreffen von Mitarbeitern verschiedener Bereiche einschl. der jeweiligen Leiter zur Analyse von Kooperationsproblemen und Konflikten sowie zur Entwicklung von Lösungen; ggf. unterstützt durch geeignete Visualisierungshilfen (z. B. Informationsmarkt). - Verhaltenstraining von Individuen oder Gruppen (Sensitivity Training, Laboratoriumstraining) zur Förderung von Selbsterfahrung und Kommunikationsverhalten in überwiegend nicht aufgaben- bzw. organisationsbezogenen Trainingssituationen.

Im weiteren Zusammenhang mit OE-orientierten Problemlösungsprozessen ist auf geeignete Fortbildungskonzepte zu verweisen, die ein gemeinsames Problemlösen von Gruppen fördern (s.i.e. 5.5.3.).

5. Personalwesen

5.1. Grundzusammenhänge des Personalwesens (1) Unter Personalwesen versteht man die Gesamtheit aller betrieblichen Aktivitäten zur quantitativen und qualitativen Sicherung und Förderung des Personalbestandes. Diese Aktivitäten sollten grundsätzlich sowohl auf betriebliche Effizienz zielen (Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter), wie auf Mitarbeiterinteressen und -bedürfnisse ausgerichtet sein; hierbei werden Zielkonflikte nicht immer zu vermeiden sein. Personalwesen nimmt als Institution eine typische betriebliche Querschnitts- und Servicefunktion wahr, die alle Organisationseinheiten mit Personal resp. personellen Serviceleistungen versorgt. Enge Zusammenhänge bestehen mit dem betrieblichen Management. Zahlreiche Lenkungs- und Gestaltungsmaßnahmen im Betrieb sind auf das Personalwesen bezogen; bestimmte Personalstrukturen und -eigenschaften wirken ihrerseits auf das Management. So hängen bspw. Organisations- und Personalplanung wie auch -entwicklung eng miteinander zusammen, die Personalbemessung wird durch die jeweilige Organisationsstruktur (vor allem Tätigkeitsgestaltung; s.a.4.2.2.I., 4.2.2.3.und 4.3.1.) bestimmt, die Organisationsgestaltung muß das Leistungsverhalten der Organisationsmitglieder beachten. Auch das Führungsverhalten von Vorgesetzten hat Bezug zum Personalwesen (vgl.zu diesen Querbezügen i.e. Banner, 1980 a, Kubier, 1982 b, Thom, 1983). (2) Probleme des Personalwesens werden von verschiedenen Fachwissenschaften behandelt, vor allem von Soziologie und Psychologie, von der BWL, von den Arbeitswissenschaften und - insbesondere in der öffentlichen Verwaltung - von der Rechtswissenschaft (Arbeits- und Beamtenrecht). Eine in sich halbwegs geschlossene Interdisziplin „Personallehre" ist bis jetzt noch nicht entstanden. Dies wirkt sich auch auf die Lehre nachteilig aus (vgl. zu Integrationsansätzen in der Beamtenausbildung: Reichard, 1982c). Immerhin hat sich in jüngerer Zeit in der BWL ein spezieller Zweig „Personalwesen" herausgebildet, der auch als „Personalwirtschaft" bzw. „Personalmanagement" bezeichnet wird und der gewisse Aspekte anderer Fachwissenschaften (vor allem der Psychologie, in geringem Maße des (Arbeits-)Rechts) aufgenommen hat (vgl.zur Konzeption z.B. Staehle/Karg, 1981, Wunderer, 1983 a). Einen guten Überblick über den Zweig Personalwesen geben inzwischen eine größere Anzahl von Lehrbüchern und Sammelwerken (vgl.als Auswahl: Ackermann/Reber,

228

Personalwesen 1981, Berthel, 1979, Bisani, 1976, Domsch, 1984, von Eckardstein/Schnellinger, 1978, Gaugier, 1975, Hentze, 1977, Marr/Stitzel, 1979, Oechsler, 1985 b, Potthoff, 1974, Pullig, 1980, Remer, 1978, Wächter, 1979; speziell für den öffentlichen Dienst zusätzlich Bierfelder, 1976, Bosetzky/Heinrich, 1985, Kubier, 1980 II, Meixner, 1982; vgl.zur einschlägigen Literatur auch die Sammelrezensionen von Wunderer/Mittmann, 1983 sowie Stachle/Karg, 1981). Wurde ursprünglich das Betriebspersonal primär nur als Kosten verursachender - Produktionsfaktor (s. 2.3.3.) gesehen, so wird der Mensch nunmehr meist in einer breiteren Sichtweise in die Personallehre einbezogen, und man geht über bloße Techniken und Handlungsregeln der Personalarbeit hinaus.

(3) Neben verschiedenen anderen Aspekten - etwa der Fristigkeit personalbezogener Maßnahmen oder personellen Zielgruppen (vgl. dazu Wächter, 1979, S. 101 ff.) - spielt bei der Gliederung des Personalwesens vor allem der Funktionsansatz eine Rolle: Maßnahmen und Instrumente des Personalwesens werden nach den Phasen eines Arbeitslebens in der Organisation systematisiert. Wesentliche Funktionsfelder des Personalwesens sind in diesem Sinne (Abb. 5-1): Personalplanung (Personalbedarfsermittlung, Personalbemessung, Anforderungsbewertung) Personalbedarfsdeckung (Personalbeschaffung, Personalauswahl, Ausbildung) Personaleinsatz (Zuordnung von Mitarbeitern zu Stellen, Vertretungsregelung, Arbeitszeitgestaltung usw.) Gestaltung der Anreize und Belohnungen (Anreizplanung und Belohnungsgewährung; insbesondere: Lohn- und Gehaltspolitik, Entgeltbemessung) Sozialpolitik (Personalfürsorge, z. B. bei Krankheit, bei Erreichen der Altersgrenze) Personalentwicklung (Beurteilung, Fortbildung, Versetzung/Beförderung, Laufbahnplanung) Personalverwaltung (Stellenwirtschaft, Entgeltabrechnung, Personalkostenrechnung, Personalaktenführung, Überwachung von Anwesenheitszeiten, Personalstatistik usw.)

Abb. 5-1

Auf wesentliche Aspekte dieser Funktionsfelder wird in diesem Teil - unter besonderer Berücksichtigung des öffentlichen Dienstes - vertiefend eingegangen. (4) Im Mittelpunkt der Maßnahmen des Personalwesens steht der Mitarbeiter mit seiner Leistung und seinen Bedürfnissen. Ziel der Personalarbeit ist es also einer-

Grundzusammenhänge des Personalwesens

229

seits, die Mitarbeiterleistung zu erhalten und zu fördern, andererseits legitime, auf die Arbeitswelt bezogene Mitarbeiterbedürfnisse zu befriedigen. Dabei hängen Leistung und Bedürfnisbefriedigung auf bestimmte Weise zusammen (s. 4.3.1.; auf die Diskussion um das Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst sei i.d.Z. hingewiesen, vgl. vertiefend zu diesem Thema: Hoefert/Reichard, 1979). Die Arbeitsleistung, auf die die Maßnahmen des Personalwesens in vielfältiger Weise einwirken, wird durch verschiedene Determinanten bestimmt (vgl. z. B. Meixner, 1982, S.160ff.). Üblicherweise wird vor allem zwischen Leistungsbereitschaft (in Abhängigkeit von der Motiv- und Anreizstruktur) und Leistungsvermögen (Fähigkeiten, Eigenschaften, aktuelle Disposition) unterschieden. Hinzu kommen verschiedene Umweltfaktoren (Technik, Organisation, Kultur, Klima usw.; s.dazu i.e. das Leistungsverhaltensmodell in 4.3.1.). (5) Wenn man sich mit dem Personalwesen der öffentlichen Verwaltung beschäftigt, sollte man sich zumindest umrißartig Umfang, Struktur und allgemeine Problemlagen des öffentlichen Dienstes vor Augen führen (vgl. dazu auch Becker/Krüger, 1981, Kubier, 1980 II, Rudolf/Wagner, 1979, zur Situation in Österreich Schaff er, 1983): Insgesamt sind derzeit im deutschen öffentlichen Dienst über 4 Mio. Personen beschäftigt; das entspricht fast 20% aller abhängig Erwerbstätigen. Folgende Strukturdaten kennzeichnen grob die Personalsituation (s. Abb. 5-2; Basis 1984; vgl. i.e. Statistische Jahrbücher und o.g. Literatur):

a) Verteilung auf Verwaltungsebenen und mittelbare Verwaltung:

Bund:

Länder:

Gemeinden:

7%

42%

27%

b) Anteil wichtiger Aufgabenbereiche :

Bildung

Gesundheit

30%

11%

Post u. Bahn: 19%

Sicherheit/Verteidigung (ohne Soldaten) 21%

c) Dienstverhältnisse:

Beamte 40%

Angestellte 36%

Arbeiter 24%

d) Laufbahngruppen : Verteilung bei Beamten: Verteilung bei Angest. :

einf. D. 9%

mittl. D. 36%

geh. D. 35%

68%

19%

5%

e) Anteil der Teilzeit- Beschäftigten: 16%, davon 93% weiblich.

Abb. 5-2

mittelbare Verwaltung: 5%

Zentrale Verwaltung 17%

höhererD. 20%

8%

230

Personalwesen

Diese Daten kennzeichnen im Überblick die Gesamtsituation in der Bundesrepublik. Einzelne Verwaltungsebenen (z. B. Länder im Vergleich zu Gemeinden), aber auch einzelne Körperschaften können sich in ihrer Personalstruktur sehr erheblich voneinander unterscheiden. Die Personalzahlen im öffentlichen Dienst haben sich vor allem in den letzten Jahrzehnten stark ausgeweitet; von 1950 bis 1980 hat sich der Bestand praktisch verdreifacht. Abgesehen von bürokratiebedingten „Wucherungserscheinungen" wird der Personalzuwachs in erster Linie auf die erheblichen Aufgabenerweiterungen in den besonders personal-intensiven staatlichen Dienstleistungsbereichen Bildung, Gesundheit und Soziales sowie Sicherheit - vor allem in der Zeit zwischen 1965 und 1975 zurückgeführt. In jüngster Zeit ist aufgrund der öffentlichen Sparzwänge allerdings eine Stagnation der Personalzahlen zu beobachten. Noch auffälliger - in Kritikeraugen: besorgniserregender - als der Zuwachs an Personal selbst ist der Anstieg der Personalausgaben: In den letzten 20Jahren haben sich diese mehr als versechsfacht. Dies ist u. a. - neben dem gestiegenen Personalbestand auf erhebliche Einkommensverbesserungen für die öffentlichen Bediensteten (Entgeltanhebungen, aber auch Höherstufungen und Beförderungen) und verbesserte Sozialleistungen zurückzuführen. Konnte bisher der Anteil der Personalausgaben am Gesamthaushalt (Durchschnitt: etwa 35%) durch jährliche Anhebungen des Haushaltsvolumens im wesentlichen konstant gehalten werden, wird die Situation unter den Sparzwängen problematischer, weil bei konstanter Budgetsumme und weiter wachsenden Personalausgaben ein immer kleinerer Teil des Budgets für Investitionen und sonstige Sachmittel übrig bleibt. So gibt es denn auch vielfältige Bestrebungen, durch Stellenstop, Rationalisierung und möglichst geringe Einkommensanhebungen dieser Tendenz entgegenzuwirken.

(6) Einige weitere Problemlagen des deutschen öffentlichen Dienstes lassen sich stichwortartig und grob wie folgt skizzieren: - zunehmende Kritik gesellschaftlicher Gruppen am öffentlichen Dienst, insbesondere an mangelnder Leistung und Effizienz, geringer Bürgernähe, hoher Bürokratisierung, bevorzugter Stellung im Vergleich zu Privaten - „Herrschaft des öffentlichen Dienstes" vor allem im Sinne eines hohen Einflusses des Personals und seiner Vertretungen auf Arbeitsorganisation, Vollzug, Entgelt usw. - besonders bei Regierungswechseln auffallende parteipolitische Ämterpatronage (vgl.z.B. Kubier, 1982 a) - vergleichsweise gering ausgeprägtes Leistungsdenken und ein immer mehr dem Job-Denken weichendes „Beamtenethos" (vgl. z. B. Feindt, 1981, Hoefert/Reichard, 1979) - trotz zahlreicher Angleichungen und sich verwischender Funktionen immer noch unterschiedliche rechtliche Regelungsverhältnisse für Beamte und Angestellte/ Arbeiter - ungleichmäßige Altersstruktur der Beschäftigten, die derzeit zu ungünstigen Einstellungs- und Beförderungsaussichten führt, in etwa 10-20Jahren indes einen erheblichen Ersatzbedarf erwarten läßt

Grundzusammenhänge des Personalwesens

231

- problematische Rolle des öffentlichen Dienstes bei der Beschäftigungspolitik Konflikt zwischen Arbeitsmarktentlastung durch Schaffung zusätzlicher Stellen und weiterer Aufblähung der Verwaltung.

(7) Einigen dieser Problemlagen versucht man seit Jahrzehnten durch umfassende Reformen des öffentlichen Dienstes zu begegnen. 1973 hat die „Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts" zahlreiche weitgreifende Vorschläge vorgelegt, vor allem zum Rechtsstatus der Beschäftigten, aber auch zu zahlreichen Regeln und Instrumenten der Personalarbeit (vgl. Studienkommission, 1973). 1976 sind einige dieser Vorschläge - primär die Personalsteuerung betreffend - von der Bundesregierung in einem „Aktionsprogramm zur Dienstrechtsreform" aufgegriffen worden. Bis auf wenige Änderungen im Zusammenhang mit Besoldung und Aufstieg, Modellversuche zur Beurteilung und Stellenbewertung sowie Einzelreformen in mehreren Ländern und Gemeinden hat bisher allerdings eine durchgreifende Personalreform in der Bundesrepublik u.a. wegen Widerstandes der Verbände und mangelnden Durchsetzungswillens der Regierung nicht stattgefunden (vgl. kritisch zur Dienstrechtsreform z. B. K. König, 1978, Siedentopf, 1979, Sträter, 1983). Inzwischen spricht manches dafür, nicht länger auf den großen rechtlichen Änderungswurf zu warten, sondern Änderungen in Einzelaspekten des Personalwesens - von der Personalauswahl über die Stellenbewertung, Mitarbeiterbeurteilung bis zur Beförderung, Versetzung und Besoldung - im Rahmen geltenden Dienstrechts vorzunehmen. Das bestehende Recht bietet durchaus hinreichend Spielräume für Reformen, sofern politischer Wille und entsprechende Durchsetzungschancen gegenüber den verschiedenen Interessengruppen (z. B. Verbänden, Gewerkschaften) gegeben sind (vgl. auch Banner, 1980b). (8) Die Funktionen des Personalwesens werden institutionell im Verwaltungsbetrieb meist relativ zentralisiert von besonderen Personalabteilungen oder -referaten wahrgenommen. Dabei herrscht vor allem in Großverwaltungen starke Arbeitsteilung: einerseits ist eine Verrichtungsspezialisierung (reine Personalverwaltung i. S. von Personalaktenführung, Personalwirtschaft i. S. von haushaltsmäßiger Stellenbewirtschaftung sowie Abwicklung der Entgeltberechnung), andererseits eine Objektspezialisierung (meist nach Beamten, Angestellten, Arbeitern getrennt) zu beobachten. Bestimmte weitere Funktionen wie Personalauswahl, Aus- und Fortbildung sowie Dienstrechts- und Tarifangelegenheiten werden darüber hinaus von besonderen zentralen Organisationseinheiten - überwiegend beim jeweiligen Innenministerium - ausgeübt (vgl.i.e. Nümann, 1975, zur Kommunalverwaltung z.B. Joerger/Geppert, 1983 II, S.159ff.). Diese starke Funktionsaufsplitterung führt - verbunden mit der vorherrschenden einseitigen Beschränkung von Personalarbeit auf routinehafte Personalverwaltung resp. Dienstrechtsanwendung dazu, daß im öffentlichen Personalwesen meist jeweils nur Teilaspekte bearbeitet werden und personalpolitische Impulse zur Steuerung und Entwicklung des Perso-

Stellenwirtschaft

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Personalpolitik

233

nals ausbleiben (s.a. 5.2.). Insgesamt gewinnt man den Eindruck, daß so wie derzeit in der öffentlichen Verwaltung das Personal administriert wird, die kostspielige und wichtige Ressource „Mitarbeiter" keineswegs optimal genutzt wird. (9) Ein in Privatwirtschaft wie Verwaltung beobachtetes Problem ist die mangelnde Kooperation zwischen Personalstellen, Organisationsstellen und Fachabteilungen: Wie oben bereits ausgeführt wurde, haben Management - insbesondere Organisation - und Personalwesen verschiedene Berührungspunkte. Dementsprechend bedarf es einer einheitlichen Personal- und Organisationspolitik im Verwaltungsbetrieb, die die Organisationsgestaltung, die Führungsprozesse und die Personalarbeit stärker aufeinander abstimmt (vgl. Banner, 1980a, Kubier, 1982b). Konfliktgeladen ist auch die Beziehung der Personalstellen zu den Fachabteilungen. Während die Personalstellen - ihrem Auftrag entsprechend - bei Personalentscheidungen maßgeblich beteiligt sein wollen, versuchen dies die Fachabteilungen oft als Eingriff in ihren Entscheidungsbereich abzuwehren. Da künftig weitere Dezentralisierungstendenzen in der Personalarbeit zu erwarten sind (Fachvorgesetzte übernehmen verstärkt auch Personalfunktionen; vgl. dazu W. R. Müller, 1983, Waller, 1981, Wunderer, 1983 a), dürfte es für Personalstellen in der Zukunft keineswegs einfacher werden, eine gehaltvolle Personalpolitik durchzusetzen. (10) Nachstehendes Schema (Abb. 5-3) stellt zusammenfassend die Funklionszusammenhängedes Personalwesens dar: Der Rahmen der Personalarbeit wird durch das generelle administrative Planungssystem sowie die bestehenden personalpolitischen Leitbilder abgesteckt. Ein erster Funktionskomplex ist die organisatorischplanerische Gestaltung des Personalsystems. Diese bestimmt zwei - in der Praxis oft voneinander getrennte - Funktionsbereiche: die operativen Personalfunktionen, die die Steuerung und Verwaltung des Personals betreffen, und die finanzwirtschaftlichen Personalfunktionen, die die haushaltstechnische Abwicklung des Personaleinsatzes sicherstellen.

5.2. Personalpolitik (1) Im ersten Abschnitt ist es schon angeklungen: „Tatsächlich gibt es in der heutigen Verwaltung nichts, was den Namen Personalpolitik ... verdiente. Die Funktionen Personal und Organisation werden vorwiegend mechanistisch-instrumentell gehandhabt, gestalten nicht, sondern verwalten, agieren nicht, sondern reagieren, leben von der Hand in den Mund" (Banner, 1980 b, S. 111). Personalpolitik findet im öffentlichen Dienst also kaum statt; sie wird - im Vergleich zur Privatwirtschaft - als offenbar unwichtige und nachrangige Aufgabe angesehen. Man meint, sichere Arbeitsplätze, gute Entgelte und Sozialleistungen seien hinreichend. Negativbeispiele für mangelnde oder nicht ziel- bzw. zeitgerechte Personalpolitik finden sich zuhauf (vgl. neben den o.g. Problemlagen etwa die Beispiele von fragwürdigen Ent-

234

Personalwesen

Scheidungen in der Besoldungs- und Beförderungspolitik, die Meixner, 1982, S. 90 ff. nennt). Der Mangel an konziser Personalpolitik ist auch auf die wachsende Ausdifferenzierung und Bürokratisierung des öffentlichen Dienstes zurückzuführen. Vor 100 Jahren mag es durchaus eine halbwegs geschlossene Personalpolitik gegeben haben, in der Beamtenpolitik, Bezahlung, Beförderung usw. in einem abgestimmten Verhältnis standen (vgl. zur Wiederbelebung eines an sich verstaubten Begriffs wie „Beamtenethos": v. Richthofen/Pippke, 1984). Das Personalwesen trägt mit zur Ressourcenverschwendung beim „Faktor Arbeit" bei: Die menschliche Arbeitsleistung wird nur unzureichend genutzt, die Mitarbeiter werden nur formalrechtlich durch Anordnungen, Sanktionen, materielle Belohnungen gesteuert, aber auf ihre Interessen und Bedürfnisse wird nicht hinreichend Rücksicht genommen (vgl. Banner, 1977, S. 82 f.). Der „menschliche Faktor" und dessen Mobilisierung sollten im Mittelpunkt einer Personalpolitik stehen. Gerade auch angesichts knapp bleibender Finanzmittel sind ausgewogene Personalentscheidungen auf der Basis einer abgestimmten Personalpolitik geboten: Wer vergegenwärtigt sich bspw. bei der Lebenszeiternennung eines Verwaltungsinspektors, daß damit nur schwer revidierbare Folgekosten von weit mehr als einer Mio. DM verbunden sind? (2) Ein häufig genannter Grund für Mängel und Unbeweglichkeit der Personalpolitik im öffentlichen Dienst sind die rechtlichen Restriktionen. In der Tat sind Personalstruktur, Bezahlung, Aufstieg, Rechte und Pflichten präzise durch Gesetze, Tarifverträge sowie interne Verwaltungsvorschriften geregelt. Öffentliches Dienstrecht, Haushaltsrecht, aber auch Personalvertretungsrecht begrenzen ohne Zweifel die personalpolitischen Handlungsmöglichkeiten in stärkerem Maße, als dies in Privatunternehmungen der Fall ist. Die Förderung der Mitarbeiterleistung, die Flexibilität des Personaleinsatzes oder der Beitrag des Personalwesens zur Beschäftigungspolitik - diese und weitere personalpolitische Anliegen könnten bei weitmaschigeren rechtlichen Regelungen besser verwirklicht werden. In vielen Fällen sind die rechtlichen Grenzen indes nur eine Schutzbehauptung, um mangelnden Reformwillen zu kaschieren. Das bestehende Dienst- und Haushaltsrecht läßt viel mehr zu, als die Verwaltungspraxis wahrhaben will. Insbesondere könnten neuere Methoden, z. B. bei der analytischen Dienstpostenbewertung oder der Personalauswahl und -entwicklung, durchaus auch jetzt schon eingesetzt werden - wie das einige Kommunen vorexerzieren (vgl. auch Banner, 1980b, vgl. ferner die Studie zur Realisierbarkeit von Managementkonzepten in der Verwaltung von Reinermann/Reichmann, 1978). (3) Mit Personalpolitik wird die Gesamtheit aller für die öffentliche Verwaltung insgesamt resp. für einen einzelnen Verwaltungsbetrieb maßgeblichen personalbezogenen Leitbilder und Zielvorstellungen bezeichnet, die ihrerseits durch die allgemeinen verwaltungspolitischen Ziele bestimmt werden (vgl. auch Banner, 1980a,

Personalpolitik

235

S. 121, Kubier, 1980 II, S. 43, Waller, 1981, S.lOff.). Die Leitbilderund Zielvorstellungen sagen bspw. etwas über das zugrundegelegte Menschenbild, über die Rolle des Leistungsprinzips, über angestrebte Personalstrukturen sowie über Einsatz-, Bezahlungs- und Entwicklungsprinzipien aus. Dabei werden neben einer allgemeinen Personalpolitik auch spezifische Funktionspolitiken wie z. B. Rekrutierungs-, Ausbildungs-, Bezahlungs-, Beförderungs- und Sozialpolitik unterschieden. Von zentraler Bedeutung ist vor allem für das Mammutgebilde öffentlicher Dienst, daß eine geschlossene personalpolitische Konzeption und Strategie formuliert und verfolgt wird, um die personellen Einzelfunktionen aufeinander abzustimmen sowie auf die geltenden Wertvorstellungen und Leitbilder zu beziehen und um das Personal in verschiedenen Verwaltungsbetrieben einigermaßen einheitlich zu behandeln (vgl. zur Umsetzung personalpolitischer Grundsätze auch Oechsler, 1984, S. 914, vgl. ferner Siedentopf, 1984). (4) Folgende Themen werden voraussichtlich künftig für die öffentliche Personalpolitik von besonderer Bedeutung sein: - genereller Leitbildwandel im öffentlichen Dienst: Anpassung von „Grundwerten" wie Beamtenethos, Leistungsprinzip, Verhältnis zu Politik und Bürger - an geänderte Gesellschaftsstrukturen (vgl. auch die Diskussion um die Fortschreibung der verfassungsgeschützten „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums") - Beitrag des öffentlichen Dienstes zur Beschäftigungspolitik (über Ausbildung, Teilzeitarbeit, „Freisetzung" usw.) - fortbestehende Sparzwänge, die zu nur noch geringem Anstieg des Personalbestandes wie der Entgelte und Personalnebenkosten führen dürften - längerfristig vorausschauende Personalplanung und -lenkung, die die derzeit ungünstigen Altersstrukturen, die Arbeitsmarktentwicklung (z. B. Akademikerüberschuß), aber auch künftige Engpässe aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge und hohen Ersatzbedarfes in Rechnung stellt - die technologische Entwicklung vor allem i. Z. mit der Büroautomation, die trotz aller Ungewißheit über die Auswirkungen auf die Mitarbeiter und deren Arbeit erhebliche Änderungen auch für das Personalwesen mit sich bringen dürfte: Zum einen wird sich die Personalarbeit selbst erheblich wandeln (weniger Personalverwaltung, mehr Personalgestaltung), zum anderen wird man personalpolitisch gewissen automationsbedingten Enthumanisierungstendenzen durch entsprechende Anreizgestaltung, Umschulung, Höherqualifizierung usw. entgegenwirken müssen (s.a.4.1.2., vgl. ferner z. B. Böhmu.a., 1983) - Neugestaltung des Leistungsanreizsystems (s. a. 4.3.1.) vor allem hinsichtlich der Tätigkeitsgestaltung (z.B. Selbständigkeitsförderung), der Beförderungspolitik („Beförderungsstau" macht Aufstiegsanreize unattraktiver, s.a. 5.5.6.), in bezug auf leistungsbezogenere Bezahlung sowie auf die Mitarbeiterführung (Führungsnachwuchsförderung, Führungstraining) - flexibler Personaleinsatz - z. B. auch im Zuge regelmäßigen Stellenwechsels - mit der dazu erforderlichen Laufbahn- und Verwendungsplanung - Arbeitszeitverkürzung und -flexibilisierung: Varianten der Teilzeitarbeit (einschl. des

236

Personalwesen sog. „Job Sharing", s. dazu 5.4.3.) dürften allgemein - insbesondere aber im bislang noch wenig „erschlossenen" Beamtenbereich - stärker verwirklicht werden - weitere Rechtsangleichung der verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse, neben der Statusregelung auch im Hinblick auf Ausbildung, Beförderung, Versorgung, und zeitgemäße Fortbildung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" (derzeit allerdings nur geringe Durchsetzungschancen).

(5) Im Zusammenhang mit Personalpolitik ist auch kurz auf die Personalvertretung im öffentlichen Dienst einzugehen (vgl. z. B. Ortlieb/Lösch, 1976). Sie wird in der Verwaltung durch den Personalrat ausgeübt, der von den Mitarbeitern gewählt wird und auf personalbezogene Entscheidungen der Verwaltung nach den Vorschriften des Personalvertretungsrechts Einfluß ausüben kann. Dieser Einfluß ist in Abhängigkeit vom Entscheidungsobjekt unterschiedlich groß (Anhörung, Beratung, Mitwirkung, Mitbestimmung). Formalrechtlich erscheint der Einfluß des Personalrats im Vergleich zu dem des Betriebsrates in der Privatwirtschaft geringer, weil in der Verwaltung die Verfassungsorgane Vorrang haben. Faktisch hängt der Personalratseinfluß indes von den Macht- und Interessenverhältnissen sowie der tatsächlichen Einflußausübung ab; die Situation ist hier sehr unterschiedlich (vgl. die empirische Studie von Kubier, 1981). In manchen Verwaltungen übt der Personalrat vor allem bei Organisations- und Rationalisierungsmaßnahmen eine effizienzmindernde Blockiermacht aus (vgl. auch Prinz, 1986).

5.3. Personalbedarfsermittlung 5.3.1. Personalplanung (1) Bevor Personal beschafft, eingestellt und entwickelt werden kann, muß zunächst ermittelt werden, wie groß gegenwärtig und zukünftig der Bedarf an Personal in quantitativer wie qualitativer Hinsicht ist. Personalplanung als quantitativer zukunftsbezogener Teil dieses Aufgabenkomplexes ist das erste wichtige Funktionsfeld des Personalwesens. Es hängt mit anderen personellen Funktionsbereichen - insbesondere mit der Anforderungsbewertung, der Ausbildung und der Personalentwicklung -, aber auch mit dem jeweiligen Planungssystem (vor allem: Aufgaben- und Finanzplanung) eng zusammen (vgl. zum Stand der betriebswirtschaftlichen Personalplanung z.B. Röthig, 1986). (2) Durch Personalplanung soll der Bedarf und der Bestand an Personal eines Verwaltungsbetriebes in einem zukünftigen Planungszeitraum vorausbestimmt werden. Dadurch sollen sich abzeichnende künftige Entwicklungen (z. B. Aufgabenrückgang oder Mitarbeiterausscheiden) frühzeitig erkannt und bei gegenwärtig anstehenden Entscheidungen berücksichtigt werden, so etwa bei der - Einstellung von Nachwuchskräften

Personalbedarfsermittlung

237

- Aus- und Fortbildung - Verwendungs- und Beförderungspolitik

- Abschätzung von Personalfolgekosten. (3) Regelmäßige und systematische Personalplanung ist zumindest in größeren Verwaltungsbetrieben resp. -bereichen und für zahlenmäßig maßgebliche Berufsgruppen - insbesondere auch verwaltungseigene Ausbildungsberufe wie mittlerer/gehobener nichttechnischer Verwaltungsdienst - unerläßlich (vgl. die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen bei P.Wild, 1983, vgl.ferner Laux, 1981). Einige Gründe dafür sind: - Personal ist der wichtigste und kostspieligste „Produktionsfaktor" für die Verwaltung und bedarf daher sorgfältiger Planung; Einstellungsentscheidungen sind im öffentlichen Dienst kaum rückgängig zu machen, einmal vorhandenes Personal muß also auch sinnvoll verwendet werden können, - Personal ist eine wichtige Voraussetzung für die Aufgabenerfüllung und muß rechtzeitig verfügbar sein; gegenwärtig haben Personalkosten eine starke finanzwirtschaftliche „Blockierwirkung" und erfordern gerade deshalb eine fundierte Bedarfsermittlung, - bei einigen Berufsgruppen wie z. B. Lehrern oder Verwaltungsdienst-Angehörigen hat die öffentliche Verwaltung ein Ausbildungs- und Beschäftigungsmonopol: vor allem hier ist eine längerfristige Bedarfsanalyse erforderlich, um künftige Überhänge resp. Engpässe rechtzeitig erkennen zu können, - wichtige gesellschaftliche Tendenzen sollten frühzeitig einbezogen werden: so bspw. der bevorstehende Bevölkerungsrückgang in der Bundesrepublik oder der Wertewandel zur Selbsthilfe mit den daraus resultierenden Auswirkungen auf das Angebot öffentlicher Leistungen; aber auch generelle Prozesse der Verkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeit oder des technologischen Wandels sind in ihren Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst zu analysieren, - die Einstellungs-, Ausbildungs- und Beförderungspolitik vieler Verwaltungsbereiche bedarf dringend einer Verstetigung und Transparenz, um personalpolitische Fehler in der Vergangenheit abzuschwächen und auch künftigen Bewerbern und Nachwuchskräften angemessene Beschäftigungs- und Entwicklungschancen zu gewähren, - Personalplanung ist gerade in ökonomischen Krisensituationen geboten: wenngleich für den Verwaltungsbetrieb nicht von so existenzieller Bedeutung wie für die Privatunternehmung, spielt das heikle Thema „Freisetzungsplanung" bei Konjunkturrückgang und daraus folgenden Sparzwängen auch hier eine Rolle; Personalplanung zeigt auf, wie und wann bei bestimmten Abgangsquoten erforderliche Anpassungen verwirklicht werden können. Ein spezieller Anwendungszweck von Personalplanung ist in der Abschätzung des Personalbedarfs zu sehen, der sich als Folge neuer Gesetze ergeben kann. Die Bestimmung solcher Folgekosten, die oft bei der Gesetzgebung übersehen werden, ist allerdings ein schwieriges Unterfangen, wie etwa die Analysen zum Schwerbehindertengesetz gezeigt haben (vgl. D. Krause, 1980).

238

Personalwesen

(4) Trotz ihrer unbestreitbaren Notwendigkeit ist systematische Personalplanung in Privatwirtschaft wie öffentlicher Verwaltung wenig verbreitet. Lediglich 10-15% aller Betriebe - vorzugsweise Großunternehmungen - betreiben umfassende Personalplanung, schätzt Sadowski (1981, S. lOOf.; vgl. ferner auch die empirische Studie zur Methodenakzeptanz von Drumm/Scholz, 1983). Im öffentlichen Sektor dürfte das Bild eher noch düsterer sein: der Personalbedarf wird weitgehend extrapolativ im Rahmen der Stellenwirtschaft fortgeschrieben; über den Jahreszeitraum des Haushaltsplanes wird selten hinausgegangen. Dies ist sowohl auf mangelndes Methodenwissen, auf die spezifische Rationalität politischer Entscheidungsträger („sich nicht festlegen wollen ..."), aber auch auf die Schwierigkeit treffsicherer Bedarfsprognosen im öffentlichen Sektor zurückzuführen. (5) Der Personalbedarf eines Verwaltungsbetriebs wird - wie Abb. 5-4 deutlich macht - durch eine Reihe von Einflußfaktoren bestimmt, die teilweise gegenläufig und vielfach nicht exakt bestimmbar sind (vgl. Beyer, 1981, Buchholz, 1983). Einflüsse gehen in erster Linie von den Staatsaufgaben und den diese bestimmenden Faktoren wie Bevölkerungszahl, Nachfrageverhalten, gesamtwirtschaftliche Situation und politische Entscheidungsstrukturen aus. Aber auch Arbeitsrecht, Organisation, Sachmitteleinsatz und die Personalsituation selbst in quantitativer wie qualitativer Hinsicht wirken auf den Personalbedarf ein. Der am schwierigsten abschätzbare Einflußfaktor dürften ohne Zweifel die künftigen politischen Entscheidungen von Parlament und Regierung sein. Längerfristig ist auch die technologische Entwicklung und deren Auswirkung auf die Personalstruktur im öffentlichen Dienst mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. (6) Wenngleich flächendeckende Langfristprognosen des Gesamtbedarfs an öffentlichen Bediensteten - etwa für die gesamte Bundesrepublik - aufgrund der Vielfalt an Einflußfaktoren und an Unwägbarkeiten derzeit kaum leistbar sein dürften (vgl. auch Becker/Lange, 1982), darf das nicht dazu führen, auf Personalplanung völlig zu verzichten. Aus den bereits genannten Gründen sind vorausschauende Bedarfsermittlungen unverzichtbar und in Teilbereichen auch durchaus realisierbar. Dabei müssen im Verwaltungsbetrieb nicht für alle Einflußfaktoren eigene Analysen angestellt werden, vielmehr kann im Hinblick auf generelle gesellschaftliche Entwicklungstendenzen (Nachfrageverhalten der Bevölkerung, Büroautomation, Arbeitszeit usw.) durchaus auf vorliegende wissenschaftliche Trendanalysen zurückgegriffen werden. Anwendungsfähig erscheint für den einzelnen Verwaltungsbetrieb folgendes Konzept der Personalplanung (\%\. auch KGSt, 1976 und 1981 a, Stadt Köln, 1981, Laux, 1981): • sorgfältige Fortschreibung des Personalbestandes zur Ermittlung des „Ist-Personals" auf der Basis von Stellenplänen und Personalstatistiken • perspektivische grobe Abschätzung des künftigen Gesamtbedarfs an Personal („Soll-

Personalbedarfsermittlung

239

Datenänderung (z.B. Kranken-, Kriminalitäts-, Verkehrsquoten

politische Entscheidungen (Parlament, Regierung)

Rechtsvorschriften, Rechtsprechung

Bevolkerungszahl, -Struktur Staatsfinanzen, Haushalt, Finanzierungsmöglichkeiten

Nachfrageverhalten nach off. Leistungen

Aufgabenentwicklung )

Natur- und Umweltentwicklung Leistungsprozeßorganisation, techn. Niveau Organisation und Sachmittel:

/

S»,

in Abh. von Personalintensitäteh

Qualität der Aufgabenerfüllung, Stellenbewertung

Art und Menge d. Aufgaben

Arbeitsmarkt und -recht:

Organisationsstrukturen, Verfahrensweisen, Betreuungsintensitäten; Sachmitteleinsatz, Rationalisierung, Automatisierung Anforderungen, Tätigkeitsgestaltung (Motivation)

Gesamtwirtschaftl. Entwicklung Steueraufkommen. ..

Qualifikation

Arbeitsmarktsituation und -politik; rechtliche und tarifliche Regelung (z.B. Arbeitszeit, Stellenkegel)

Personalsituation: Personalzugänge (Einstellung, Ausbildung, Versetzung) Personalabgänge (Ersatzbedarf) Personalproduktivität (Leistungsfähigkeit - Qualifikation - und Leistungsbereitschaft)

Abb. 5-4 Einflußgrößen auf den Personalbedarf

Personalbeschaffungsmöglichkeiten, Leistungsanreize (z. B. Entgelt)

240

Personalwesen Personal") unter Berücksichtigung erkennbarer allgemeiner und betriebsspezifischer Entwicklungstrends • differenzierte Analyse einzelner wichtiger und großer Aufgabenfelder im Hinblick auf die künftige Entwicklung des Personalbedarfs.

Ein solches dreistufiges Planungskonzept sollte - wie die Erfahrungen einiger deutscher Großstädte wie z. B. Frankfurt/M., Köln, Dortmund zeigen - auf einen Projektionszeitraum von etwa 5 Jahren angelegt und jährlich weitergeführt werden. Die Personalplanung ist so eng wie möglich mit der allgemeinen Entwicklungs- bzw. Aufgabenplanung (und Aufgabenkritik) sowie der mittelfristigen Finanz- und Investitionsplanung zu verknüpfen (vgl. Laux, 1981). Zumindest zu Beginn der Planungsarbeiten erscheint eine Konzentration auf verwaltungseigene Ausbildungsberufe mit längerdauernder Ausbildungsvorlaufzeit ratsam (z.B. mittlerer und gehobener Verwaltungsdienst, Verwaltungsfachangestellte). Ferner erscheint eine enge Kooperation der bei der Personalplanung federführenden Personalstelle mit den jeweiligen Fachämtern bzw. -abteilungen geboten, denn nur dort können aufgabenspezifische Entwicklungstendenzen realistisch eingeschätzt werden. Schließlich dürfte zumindest bei größeren Verwaltungen eine ADV-Unterstützung des Planungsverfahrens angezeigt sein. (7) Die BWL bietet inzwischen ein reichhaltiges Instrumentarium zur Methodik der betrieblichen Personalplanung (vgl. als Auswahl: Bartholomew/Forbes, 1979, Buchholz, 1980, Domsch, 1978, Gaugier u.a., 1974, Grunow, 1982, Laux, 1976b, Oechsler/Scharmair, 1981, Rabe, 1975, RKW, 1978, Sadowski, 1981, Strutz, 1976): - einfache und kombinierte Rieht- und Kennzahlen - statistische Analysen (Trendextrapolation, Regressionsrechnung usw.) - Personalflußmodelle zur Fortschreibung von Personalbeständen - Optimierungsmodelle aus dem Bereich der Unternehmensforschung. Ebenfalls recht unterschiedlich sind die Quellen und Formen der Datengewinnung: Die Planungsdaten werden vor allem aus Zeit- und Betriebsvergleichen, aus Organisationsuntersuchungen, aus betrieblichen Dateien wie Personalstatistiken, Stellenplänen, aus Expertenbefragungen u. ä. gewonnen (vgl. auch Drumm/Scholz, 1983). Für die Personalplanung im Verwaltungsbetrieb erscheint ein Methodenmix empfehlenswert, wobei bereits einfache, deterministische Methoden bezüglich Datengewinnung und -Verarbeitung an viele Verwaltungsbetriebe relativ hohe Anforderungen stellen werden. Anspruchsvolle Methoden wie Verwendung von MarkovKetten, Optimierung mit mehrfacher Zielsetzung oder Personalbudgetplanung (vgl.z.B. Sadowski, 1981, Oechsler/Scharmair, 1981) dürften derzeit wohl nur für ausgesprochene Großverwaltungen (z. B. Bundeswehr, -post, -bahn) infrage kommen. Methodisches Vorgehen :Die sich jährlich wiederholende Bedarfsabschätzung („rollierendes System") sollte für die verschiedenen Dienstverhältnisse, Laufbahnen

Personalbedarfsermittlung

241

und Berufsrichtungen jeweils gesondert durchgeführt werden. Es empfiehlt sich, den Gesamtbedarf nach zwei Aspekten aufzuschlüsseln: - Ersatzbedarf: wieviel Personal scheidet aus und muß daher - bei zunächst als konstant unterstelltem Aufgabenumfang - ersetzt werden? - Zusatzbedarf (auch Neu- oder Expansionsbedarf genannt): Wieviel Personal wird infolge von Aufgabenwachstum, Arbeitszeitverkürzung o.a. expansiven Effekten zusätzlich, d.h. über den Ersatzbedarfhinaus benötigt? Dabei kann der Zusatzbedarf - etwa infolge zurückgehender Bevölkerung - durchaus auch negativ sein. (a) Die Abschätzung des Ersatzbedarfs geschieht durch Auswertung und Fortschreibung vorhandener Personalstatistiken: Im Prinzip geht es darum, die vermutlichen Zu- und Abgänge an Personal im Vorhersagezeitraum zu bestimmen. Dies geschieht zweckmäßigerweise in tabellarischer Form in Jahresschritten, getrennt nach Laufbahnen und Berufsrichtungen. Ermittlung der Abgänge: Die Vergangenheitsdaten sind - differenziert nach Abgangsgründen - zu ermitteln und in die Zukunft fortzuschreiben. Abgangsgründe können sein: (1) Erreichen der Altersgrenze (2) Dienstunfähigkeit (3) Sterbefälle (4) Beurlaubung (incl. Wechsel zur Teilzeitarbeit) (5) Kündigung durch Verwaltung bzw. Bediensteten (6) Versetzung in andere Verwaltungsbereiche (7) Aufstieg in eine höhere Laufbahn Der erste Aspekt ist leicht anhand der Personalkartei zu ermitteln. Die anderen Gründe sind mit einer gewissen Streubreite statistisch relativ sicher abzuschätzen. Oft empfiehlt es sich, mit bestimmten Abgangsquoten (% vom Ist-Personal) pro Jahr zu arbeiten. Ermittlung der Zugänge: Personalzugänge kommen zustande aufgrund von (1) abgeschlossener Ausbildung (2) Neueinstellungen (3) Aufstieg (aus niedrigeren Laufbahnen resp. Entgeltgruppen) (4) Versetzung aus anderen Verwaltungen (5) Ende der Beurlaubung Abgesehen von bereits bestehenden Einstellungs- bzw. Ausbildungsverträgen sind die Zugänge ein variabler Entscheidungstatbestand: Je nach künftig angestrebtem/erforderlichem Personalbestand können die Zugangszahlen entsprechend festgelegt werden. Dabei sind allerdings z.T. erhebliche zeitliche Vorläufe infolge langdauernder Ausbildungszeiten zu beachten. (b) Zur Abschätzung des Zusatzbedarfs wird die Entwicklung der verschiedenen Einflußgrößen des Personalbedarfs interpretiert (s. Abb.5-4): Es sind also Entwicklungstendenzen der Verwaltungsaufgaben unter Einbezug demographischer und politischer

242

Personalwesen Änderungen, Änderungen im Arbeitsmarkt und -recht (insbes.: Arbeitszeit), Einflüsse von Organisation und Rationalisierung (einschl. ADV) und schließlich Entwicklungen im Personalsystem selbst (z. B. Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeiter) abzuschätzen. Hier wird man sich vielfach anderweitig erarbeiteter wissenschaftlicher und statistischer Studien bedienen müssen und wird um mitunter willkürliche Annahmen nicht herumkommen. Im Hinblick auf die Aufgabenentwicklung wird man den zu erwartenden Rückgang der deutschen Wohnbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten sowie zu vermutende Nachfrageänderungen nach Verwaltungsleistungen („postindustrielle Gesellschaft", Neue Selbsthilfe, Entstaatlichungstendenzen usw.) in Rechnung stellen müssen (vgl. B. Becker, 1981 b). Außerdem sind perspektivische Ziel- und Programmplanungen der Regierung einzubeziehen (s.3.7., vgl. auch Laux, 1981). Im Hinblick auf die Technikentwicklung ist vor allem das Vordringen der Mikroelektronik in den Bürobereich und Auswirkungen auf mittlere Qualifikationsniveaus (z. B. Schreibkräfte, mittlerer Dienst) abzuschätzen. Derartige generelle Trendannahmen sind mit detaillierten fachspezifischen Aufgabenanalysen und Organisationsuntersuchungen, die von den einzelnen Fachämtern/-abteilungen kommen, zu kombinieren. Außerdem können in die Personalplanung auch Richtzahlenvergleiche mit anderen Verwaltungsbetrieben (z. B. Ausstattungsvergleiche von Kommunen einer Größenklasse) einfließen. (c) Beide Teilplanungen werden schließlich zur Festlegung des Gesamtbedarfs zusammengeführt und münden in ein Personalflußmodell, das über den Personalbedarf pro Jahr im Vorhersagezeitraum Auskunft gibt. Nachstehendes Schema verdeutlicht die Formalstruktur eines solchen Personalflußmodells (s.Abb. 5-5, die einige willkürlich gewählte Zahlen enthält; idZ wird auch auf die Fallstudie 2.2.in Krause/Reichard, 1982, verwiesen, bei der die hier geschilderte Methodik angewendet werden kann).

Jahr

Personal-Fortschreibung Anfangsbestand 1.1. dJ.

1986 1987 1988

1000 980

-Abgänge

50

+ Zugänge

30 •

Personalbedarfsermittlung

Endbestand 31.12. d.J.

Ersatzbedarf (Saldo Zu- u. Abgänge)

Zusatzbedarf aufgrund von Einflußgrößenveränderung

Gesamtbedarf

980 •

20 •

10

30 •











Abb. 5-5

Personalbedarfsermittlung

243

Eine solche Personalflußrechnung wird jeweils für eine Laufbahn und Berufsgruppe aufgestellt. Es wird das zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich bzw. voraussichtlich vorhandene Ist-Personal (= besetzte Planstellen) angegeben. Die Rechnung kann durch Ausweis der vorhandenen bzw. infolge von gestiegenem Bedarf erforderlichen Planstellen ergänzt werden, falls zwischen vorhandenen und besetzten Planstellen Diskrepanzen bestehen.

(8) Wird das Personalflußmodell in differenzierter Form aufgestellt, so daß die Personalbewegungen nach BesoldungsWergütungsgruppen und Funktionen erfaßt werden können, kann das Modell nicht nur für die Personalbeschaffung, sondern auch für die Personalentwicklung, insbesondere für die Verwendungs- bzw. Aufstiegsplanung (s. 5.5.4.), genutzt werden. Dann können nämlich freiwerdende Stellen und deren Konsequenzen für die interne Stellenbesetzung erkannt werden. Ein solches Modell kann zusammen mit einer aussagefähigen Nachwuchs- und Förderungskartei ein wichtiges Instrument der Personalverwendungsplanung sein, um dem Mitarbeiter Entwicklungsperspektiven und langfristige Verwendungsfolgen mit deren charakteristischen Stationen aufzuzeigen (vgl. zur theoretischen Interpretation von Vakanzeffekten im Aufstiegssystem White, 1970).

5.3.2. Personalbemessung (1) Personalbemessung ist eine Methode der quantitativen Personalbedarfsermittlung, mit deren Hilfe die aufgrund bestimmter Variablen bzw. Richtwerte zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderliche Anzahl an Personal festgestellt wird. Sie kann sowohl im Zuge zukunftsbezogener Personalplanung wie auch gegenwartsorientierter Personaleinsatzüberlegungen bzw. in die Vergangenheit gerichteter Auslastungskontrollen Anwendung finden. Personalbemessung geht auf arbeitswissenschaftlicher Basis von einer gegebenen organisatorischen Stellengliederung und durchschnittlichen Mitarbeiterleistungen aus. Sie ermittelt den Arbeitsaufwand, der zur Bewältigung bestimmter Aufgaben durchschnittlich erforderlich ist, und stellt ihn der verfügbaren Arbeitszeit eines Mitarbeiters gegenüber (vgl. zur Bemessungsmethodik z.B. Dommer/Dromowicz, 1983 Joerger/Geppert, 1983 II, S. 176ff., KGSt, 1977c, S.301 ff., Kubier, 1980 II, S.72ff., REFA, 1978, G.Schmidt, 1983, Siepmann/Siepmann, 1981; zu einem vereinfachten Verfahren vgl. KGSt, 1984 c). (2) Drei Verfahren der Personalbemessung sind vor allem zu nennen: (a) Schätzverfahren: In Verwaltungsbereichen, in denen starke Schwankungen der Aufgaben erfolgen oder sich detaillierte Analysen nicht lohnen, werden die benötigten Stellen - meist recht summarisch - aufgrund von allgemeinen Erfahrungswerten bzw. Verwaltungsvergleichen (z.B. anhand allgemeiner Ausstattungsvergleiche oder der Richtzahlensammlung der KGSt, 1978c) geschätzt. Das Verfahren ist ungenau und sollte nur in Kleinverwaltungen oder bei innovativen Aufgaben angewendet werden.

244

Personalwesen (b) Konzeptionelle Bemessung: Der Personalbedarf wird aus politischen Zielvorstellungen der Entscheidungsträger über die personelle Ausstattung von Verwaltungsbereichen abgeleitet (Bsp.: Schüler/Lehrer-Relation). Dieses Verfahren wird insbesondere bei personenbezogenen Dienstleistungen angewendet, wo bestimmte Leistungs- und Betreuungsintensitäten angestrebt werden und wo die analytische Bemessung mangels Differenzierbarkeit und Gleichförmigkeit der Tätigkeiten nicht eingesetzt werden kann. Über die Auslastung des Personals wird durch die konzeptionelle Bemessung allerdings noch nicht viel ausgesagt. (c) Analytische Bemessung: Auf der Basis von Organisationsuntersuchungen werden gleichartige Tätigkeitsarten in einem Verwaltungsbereich gebildet. Für jede Tätigkeitsart werden Häufigkeit und Zeitdauer der Tätigkeit ermittelt und der Normalleistung eines Mitarbeiters gegenübergestellt. Auf diese Weise kann formelmäßig der Personalbedarf erfaßt werden.

Der wesentliche Unterschied zwischen den Bemessungsverfahren besteht darin, daß bei der analytischen Bemessung Zeitwerte für die einzelnen Tätigkeiten verwendet werden, die in Organisationsuntersuchungen erhoben werden. Die beiden anderen Varianten arbeiten hingegen mit relativ allgemeinen Erfahrungs- oder Richtwerten und setzen überwiegend nicht auf der Tätigkeitsebene an, sondern summarisch bei den Stellen der betrachteten Organisationseinheit. (3) Die analytische Personalbemessung wird wegen ihrer Verbreitung im Verwaltungsbetrieb näher dargestellt. Das Grundprinzip der analytischen Personalbemessung kommt in folgender Formel zum Ausdruck: mBZ-F-Z NAZ PB = Personalbedarf mBZ = mittlere Bearbeitungszeit eines Falles F = Anzahl der Fälle pro Jahr Z = Zuschlagsfaktor für analytisch nicht erfaßte Sondertätigkeiten, wie z. B. allgemeine Verwaltungsarbeiten, besondere Publikumsdienste, Sitzungsteilnahme usw. NAZ = Normalarbeitszeit eines Mitarbeiters im Jahr pB

Die einzelnen Elemente und Ermittlungsschritte werden im folgenden erläutert. (a) Abgrenzung von Tätigkeitsarten: In der untersuchten Organisationseinheit werden die sich regelmäßig vollziehenden Arbeitsprozesse analysiert und in typische, gleichartige Tätigkeiten bzw. Arbeitsvorgänge gruppiert (Beispiel: An-, Um- und Abmeldungen in einer Kraftfahrzeugzulassungsstelle). (b) Ermittlung der Arbeitsmenge: Für jede festgestellte Tätigkeitsart wird der durchschnittliche Arbeitsanfall im Jahr - ausgedrückt in der Fallzahl - erhoben. Dies geschieht häufig anhand vorhandener Akten bzw. Statistiken, aber auch durch Hochrechnung von Stichproben, die in einem begrenzten Untersuchungszeitraum gemacht wurden. Schwankungen des Arbeitsanfalls im Jahresverlauf müssen sorg-

Personalbedarfsermittlung

245

fältig erfaßt werden. Sind sie erheblich und muß die anfallende Arbeit sofort erledigt werden, kann man sich nicht auf den Jahresdurchschnitt stützen. In diesem Fall müssen gesonderte Personaleinsatzmaßnahmen erfolgen (vgl.i.e. KGSt, 1977c, S. 308 f.). Meist werden die Arbeitsmengen der Vergangenheit zugrundegelegt, so daß Personalbemessungen auf „veralteten" Daten aufbauen. (c) Feststellung der Bearbeitungszeit: Für jede Tätigkeitsart wird neben der Menge auch die durchschnittliche Zeit ermittelt, die zur Erledigung eines Falles erforderlich ist. Die Bearbeitungszeit wird üblicherweise schwanken: einerseits wird sie von Fall zu Fall unterschiedlich sein, weil Tätigkeiten im Dienstleistungsbetrieb niemals völlig homogen verlaufen. Andererseits wird sie von Bearbeiter zu Bearbeiter je nach Leistungsfähigkeit und -bereitschaft verschieden ausfallen. Schließlich wirken sich auch verschiedene Faktoren der Arbeitssituation auf die Bearbeitungszeit aus. Deshalb müssen aus den Arbeitszeiten verschiedener Mitarbeiter, die diese für die Erledigung ihrer Fälle brauchen, Mittelwerte gebildet werden, die aus Messungen, Aufzeichnungen oder Schätzungen gewonnen werden. Dabei gilt es, die Leistungsgrade der beobachteten Mitarbeiter zu berücksichtigen (vgl. hierzu KGSt, 1977c, S. 311 ff.). Tätigkeitsarten, -mengen und -zeiten werden zweckmäßigerweise durch empirische Organisationsanalysen erhoben (s.4.4.1.). Nur so sind die Bemessungsdaten halbwegs abgesichert und nur dann kann davon ausgegangen werden, daß sich die Personalbemessung auf zuvor erhobene, kritisch analysierte und ggf. optimierte Arbeitsabläufe stützt. In diesen Organisationsuntersuchungen werden zur Datengewinnung verschiedene Organisationstechniken eingesetzt, von denen tägliche Arbeitsaufzeichnungen, Erhebungen mittels vorgangsbegleitender Laufzettel sowie Multimomentaufnahmen für die Bemessung am wichtigsten sind (s. i. e. 4.4.2., vgl. auch KGSt, 1977 c, S. 319 ff.).

(d) Bestimmung der Normalarbeitszeit: Da die Personalbemessung stellenbezogen, also unabhängig von konkreten Personen und meist für einen größeren Organisationsbereich erfolgt, wird von der normalen zeitlichen Verfügbarkeit eines durchschnittlichen Mitarbeiters nach Abzug von Ausfallzeiten ausgegangen. Die Berechnung dieser Normalarbeitszeit eines Mitarbeiters erfolgt üblicherweise in Jahresarbeitsminuten und stützt sich auf repräsentative Mittelwerte von Personalstatistiken. Während die arbeitsfreien Tage i. a. feststehen, können sich die Ausfallzeiten je nach Krankenstand, Altersstruktur usw. im Zeitablauf verändern. Zur Berechnung (Basis: Land Berlin 1983, Werte gerundet): Kalendertage abzüglich arbeitsfreie Tage (Samstage, Sonntage, Feiertage)

365 113

= Betriebstage einer Behörde

252

abzüglich Ausfalltage der Mitarbeiter wegen Urlaubs, Krankheit, Kur, Dienstbefreiung = Anwesenheitszeit eines Mitarbeiters in Minuten

45 207 99360

246

Personalwesen

Um von der Anwesenheitszeit auf die Arbeitszeit eines Mitarbeiters zu kommen, sind noch Erfahrungswerte für sachlich wie persönlich bedingte Ausfall- bzw. Verteilzeiten (Erholungszeiten, ablaufbedingte Störungen, Rüstzeiten) zu berücksichtigen. Dies kann entweder arbeitsplatzspezifisch oder pauschal für einen ganzen Verwaltungsbereich durch einen prozentualen Abschlag der Anwesenheitszeit geschehen. Die Erfahrungswerte liegen meist zwischen Sund 10%. In Berlin wird bspw. mit einer Normalarbeitszeit von 90.000 Jahresarbeitsminuten gerechnet. Beispiel:

Ein Amt, das Zuwendungen an private Einrichtungen im sozialen Bereich gewährt, weist im wesentlichen 3 Tätigkeitsarten mit folgenden Arbeitsmengen und -zeiten auf: Fallzahl:

a) Erstanträge auf Zuwendungen bearbeiten b) Fortsetzungsanträge bearbeiten c) Mittelverwendung kontrollieren

5.000 3.000 6.000

mittl. Bearbeitungszeit: 120min. 40min. 30min.

Für nicht fallabhängige Sondertätigkeiten (Auskünfte usw.) ist ein Zuschlag von 30% auf die Tätigkeiten zu berechnen. Für den Amtsleiter ist als Festausstattung eine zusätzliche Stelle vorgesehen. Berechnung: a) 600.000 min. b) 120.000 min. c) 180.000 min.

900.000 min.· 1,3 (Zuschlagsfaktor) = 1.170.000 : 90.000 min. Normalarbeitszeit = 13 Stellen +1 Stelle für den Amtsleiter Personalbedarf = 14 Stellen.

(4) Die analytische Personalbemessung ist in der ausführenden Verwaltung mit ihrem relativ hohen Anteil an Routineaufgaben unter folgenden Voraussetzungen geeignet: - eher wenige, sich häufig wiederholende Tätigkeitsarten mit klar voneinander abgrenzbaren Einzelfällen und überschaubaren Ablaufstrukturen - keine stärkeren Aufgabenverschiebungen gegenüber früheren Jahren - keine starken Saisoneinflüsse - zugrundeliegende Organisationsuntersuchung, die zutreffende Zeit- und Mengenangaben liefert - Leistungsgrade und Arbeitsqualität der beteiligten Mitarbeiter bleiben im Zeitablauf konstant - Akzeptanz des Bemessungsverfahrens durch die Mitarbeiter.

Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Personalbedarf einzelner Organisationseinheiten oder auch größerer Verwaltungsbereiche fortlaufend formelmäßig bestimmt werden. Dabei ist auch - wie im Land Berlin - eine Kopplung der Bemes-

247

Personalbedarfsermittlung

sung an den Haushaltsplan möglich: Im Haushaltsplan wird nur so viel Personal „bereitgestellt", wie aufgrund jährlich fortgeschriebener analytischer Bemessung anhand von Richtwerten bzw. Schlüsselzahlen m einer jährlichen „Dienstkräfteanmeldung" als notwendig nachgewiesen wird. Weniger geeignet ist die analytische Bemessung überall dort, wo die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, vor allem bei geistig-schöpferischen Arbeiten (z.B. Planung/Führung) sowie in Bereichen mit neuen, ständig wechselnden oder zeitlich bzw. mengenmäßig nicht abgrenzbaren Tätigkeiten. Trotz des exakten Anscheins darf man dieses Verfahren keinesfalls für objektiv halten. In den Verfahrensschritten sind eine Reihe subjektiver Wertungen enthalten. Wieviel Personal zur sachgerechten Bewältigung einer bestimmten Verwaltungsaufgabe für erforderlich gehalten wird, ist letztlich eine politische Entscheidung! Politische Interessengegensätze über die Relevanz administrativer Aufgaben, über angestrebte Problemlösungsintensitäten und über entsprechende Personalzuweisung können durch analytische Bemessung nicht aufgelöst, eher verschleiert werden (s.a. Fall 5.2.4.in Krause/Reichard, 1982; vgl. ferner die Kritik an analytischer Personalbemessung im Krankenhauswesen bei Schnappauf, 1981).

Analytische Personalbemessung Vorteile

Nachteile

methodische Bedarfsermittlung mit detaillierten, tätigkeitsorientierten, empirisch abgesicherten Zeit- und Mengenfeststellungen

Anwendung auf Routineverwaltung begrenzt, andere wichtige Verwaltungsbereiche werden kaum erfaßt

verstärkter Zwang zu Organisationsuntersuchungen, die ggf. auch zu Ablaufverbesserungen führen

Verfahren kann die erforderliche politische Prioritätensetzung über die Personalzuweisung zu Aufgaben nicht ersetzen; Gefahr der Scheinobjektivität Annahme konstanter Leistungsgrade wie Arbeitsqualitäten ist fragwürdig z. T. erhebliche Datengewinnungsprobleme, z. B. bei Betroffenenangaben in Selbstaufschreibungen relativ aufwendiges Erhebungsverfahren Vergangenheitsorientierung des Verfahrens (Daten hinken meist einige Jahre hinter der Entwicklung her)

248

Personalwesen

5.3.3. Stellenbewertung (1) Die Stellenbewertung (analoge Bezeichnungen: Arbeits-, Arbeitsplatz-, Anforderungs-, Dienstposten-Bewertung) ergänzt die Personalbedarfsermittlung in qualitativer Hinsicht: Während bei der Personalbemessung die Anzahl des für bestimmte Arbeiten erforderlichen Personals bestimmt wird, werden bei der Stellenbewertung die mit diesen Arbeiten verbundenen Anforderungen an das Personal ermittelt. Bei diesem Verfahren werden - wie der Name schon sagt - die Anforderungen einer Stelle als kleinster Aktionseinheit der Organisation bewertet und nicht die Erfüllung dieser Anforderungen durch den Stelleninhaber (letzteres soll die Mitarbeiterbeurteilung leisten). Stellenbewertungen sollen also personenunabhängig sein - was die Praxis indes nicht daran hindert, immer wieder Stellen höher zu bewerten, um den Inhaber zu befördern. Systematische Stellenbewertungen sollen allgemein für mehr Transparenz bei der Eingruppierung von Mitarbeitern in das Organisationsgefüge sorgen. Insbesondere sind ihre Ergebnisse wichtig für - Personalauswahl, -einsatz und -auslastung (Gewinnung von Anforderungsprofilen, s. 5.4.2.) - Arbeitsentgelte (Förderung von Bezahlungsgerechtigkeit; s. § 18 BBesG: „funktionsgerechte Bezahlung") - Personalentwicklung, insbesondere für Beurteilung, Fortbildung und Versetzung/ Beförderung (s. 5.5.) - organisatorische Gestaltungsmaßnahmen (z.B. Neuzuordnung von Aufgaben zu Stellen aufgrund von Humanisierungs-, aber auch Kostenüberlegungen).

(2) Das Grundprinzip der Stellenbewertung besteht darin, mehrere Stellen in bezug auf die Arbeitsschwierigkeiten mit Hilfe eines Bewertungsmaßstabs miteinander zu vergleichen. Die Bewertungsverfahren unterscheiden sich im Hinblick auf zwei Betrachtungsebenen: a) Die jeweilige Stelle kann summarisch in ihrer Gesamtheit betrachtet oder analytisch in einzelne Aufgaben, Tätigkeiten bzw. Arbeitsvorgänge aufgegliedert werden. b) Der zugrundegelegte Bewertungsmaßstab kann entweder eine summarische, pauschale Anforderungseinschätzung oder eine analytisch-differenzierte Bewertung einzelner Anforderungsarten ermöglichen. Im letzteren Fall kann zusätzlich eine explizite Gewichtung der Anforderungsarten hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Aufgabenerledigung geschehen.

Sowohl bei summarischen wie bei analytischen Bewertungsmaßstäben kann die Wertung im Prinzip anhand ordinaler oder kardinaler Skalen erfolgen (s.a.3.5.I.). Im ersten Fall werden Anforderungen bzw. Stellen in eine Rangordnung gebracht (Rangfolge- oder Rangreihen-Methode), im zweiten Fall wird eine Stufenskala mit Eckwerten als Richtbeispielen verwendet (Gruppierungs- oder Stufenwertzahlverfahren).

Personalbedarfsermittlung

249

(3) Entsprechend den dargestellten Bewertungsaspekten unterscheidet man summarische und analytische Verfahren der Stellenbewertung (vgl.zur Methodik bspw.: Arbeitskreis Dienstpostenbewertung, 1973, Ebenrett, 1979, Freibert, 1981, v.Hammerstein, 1978, Hentze, 1980, KGSt, 1982e, Kubier, 1980 II, S.82ff., Lange, 1983, Seewald, 1973, Siedentopf, 1978, Siepmann/Siepmann, 1984; s.a. Fall 4.3.in Krause/Reichard, 1982). Bei summarischer Bewertung wird eine pauschale, undifferenzierte Einschätzung der Anforderungen einer Stelle resp. einzelner Arbeitsvorgänge vorgenommen. Im Mittelpunkt steht die Beurteilung der Aufgabenschwierigkeit, meist gekoppelt an das für erforderlich gehaltene Qualifikationsniveau (Ausbildungsvoraussetzungen). In der Praxis verbreitet sind Rangfolge- und Stufenverfahren (z.B. Eingruppierung in Entgeltgruppen-Kataloge mit Richtbeispielen). Bei analytischer Bewertung werden die in einer Stelle durchgeführten Arbeitsvorgänge detailliert im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Anforderungsarten untersucht, wobei die Anforderungsarten ihrer relativen Bedeutung entsprechend gewichtet werden (vgl.zur Gewichtung Ebenrett, 1979, S.96ff.). Das Bewertungskonzept entspricht im Prinzip dem der Nutzwertanalyse (s. 3.5.1.): Alternativen - in diesem Falle Stellen - werden hinsichtlich gewichteter Kriterien - hier: Anforderungskriterien - mittels Punktvergabe bewertet und entsprechend der jeweils erzielten Punktsummen in eine Rangordnung gebracht (vgl. auch Engelhardt, 1978). Voraussetzung und Vorstufe einer aussagefähigen analytischen Stellenbewertung ist eine sorgfaltige Arbeitsplatz- bzw. Stellenbeschreibung (s. 4.4.2.), besser noch eine umfassende Tätigkeits- bzw. Arbeitsanalyse, die Aufgaben, Arbeitsabläufe, -situation und -umfeld, aber auch Belastungen und Beanspruchungen der Mitarbeiter durch die Arbeit beschreibt (vgl.zur arbeitswissenschaftlichen Methodik z.B. Frieling, 1975, REFA, 1978, Rohmert/Landau, 1979; zur Variante der „Job Inventur" Meixner, 1982, S. 264 fF.).

Bei der analytischen Stellenbewertung werden die erforderlichen Fähigkeiten und Eigenschaften, die aus der Aufgabenwahrnehmung resultierende Verantwortung und die physischen wie psychischen Belastungen/Beanspruchungen bewertet. Eine weitgehend akzeptierte allgemeine Struktur relevanter Arbeitsbewertungskriterien hat sich im sog. „Genfer Schema" niedergeschlagen (erarbeitet auf einer arbeitswissenschaftlichen Konferenz 1950 in Genf). Als allgemeingültiges Bewertungsmodell für den öffentlichen Dienst kann das vom Bundesminister des Innern erarbeitete und erprobte sowie von der KGSt für den Kommunalbereich übernommene Konzept gelten, dessen Kriterienraster nebst Gewichtung in Abb. 5-6 dargestellt wird (vgl. KGSt, 1982 e, Siepmann/Siepmann, 1984). Wie man sieht, sind 7 Kriterien mit teilweise mehreren Bestimmungsgrößen vorgesehen. Die 3 wichtigsten Kriterien sind der - für administrative Tätigkeiten besonders relevante - Schwierigkeitsgrad der Informationsverarbeitung, dicht gefolgt von der für erforderlich erachteten Vor- und Ausbildung und dem Verantwortungsgrad. Fragwürdig erscheint bei der hohen Gewichtung eines Kriteriums wie „Ausbildungsgrad", daß

250

Personalwesen dadurch überkommene Laufbahnstrukturen und damit verknüpfte formale Bildungsabschlüsse zementiert werden; der Aufstieg erfahrener Mitarbeiter aus niedrigeren Laufbahnen wird dadurch behindert.

Neben dem Rangreihenverfahren wird in der Praxis der analytischen Stellenbewertung vor allem das Stufen-Wertzahl-Verfahren angewendet. Die Bewertungskrite-

Bewertungsmerkmal

Bestimmungsgrößen

Zahl der Bewertungsstufen

Gewichtung in v. H.

Schwierigkeitsgrad der Informationsverarbeitung

Breite des Informationsfeldes und Eindringtiefe Abstraktionsgrad der Informationsinhalte Neuartigkeit zu entwickelnder Informationen Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und des Reagierens*)

10

25

Schwierigkeitsgrad der dienstlichen Beziehungen

Erläuterungsbedürftigkeit der Informationen Konfliktmöglichkeiten Häufigkeit und Vielseitigkeit der Kontakte

6

10

Grad der Selbständigkeit

Umfang des Handlungsspielraumes Häufigkeit der Entscheidungen

6

10

Grad der Verantwortung

Auswirkungen des Arbeitsverhaltens Größe des Leitungs- und Aufsichtsbereiches**) Verantwortungsgrad der unmittelbar unterstellten Mitarbeiter**)

10

20

Grad des Kraftaufwandes

Intensität des Kraftaufwandes Dauer des Kraftaufwandes

4

5

Grad der Vorund Ausbildung

Laufbahnbefähigung

4

22

Grad der Erfahrung

Breite und Tiefe zusätzlicher Kenntnisse und Fertigkeiten

4

8

*) Zusätzliche Bestimmungsgröße bei bestimmten Arbeitsinhalten **) Alternative Bestimmungsgrößen bei bestimmten Arbeitsinhalten Abb.5-6: Bewertungsmodell des BMI

251

Personalbedarfsermittlung

rien werden in mehrere Stufen untergliedert, die einzelnen Stufen werden beschrieben und durch Punktwerte („Wertzahlen") gekennzeichnet, die auch die Kriteriengewichtung ausdrücken. Die Summe der Wertzahlen ergibt den Arbeitsplatzwert einer Stelle. Daraus wiederum kann die Eingruppierung in eine Besoldungs-XVergütungsgruppe abgeleitet werden (s. das Eingruppierungsbeispiel in Abb. 5-7, vgl. ferner die Beispiele bei Siepmann/Siepmann, 1984). So weist bspw. das Kriterium „Schwierigkeitsgrad der Informationsverarbeitung" im BMI/KGSt-Modell 10 Stufen auf, die mit Wertzahlen von 25 für die niedrigste Stufe bis zu 250 für die höchste Stufe versehen sind. Demgegenüber ist das Kriterium „Grad der Vor- und Ausbildung" entsprechend dem vierstufigen deutschen Laufbahnsystem in 4 Stufen gegliedert, denen die Wertzahlen 22 (einfacher Dienst) bis 220 (höherer Dienst) zugewiesen sind. Anwendungsbeispiel (v%\. Bundesministerium des Innern, 1980): Stellenbewertung eines Sachbearbeiters im Haushaltsamt

1. Informationsverarbeitung: 2. dienstliche Beziehungen : 3. Selbständigkeit: 4. Verantwortung : 5. Kraftaufwand : 6. Vor- und Ausbildung: 7. Erfahrung: Arbeitsplatzwert :

Stufe 4 Stufe 2 Stufe 2 Stufe 4

Stufe 3

-

Wertzahl 78 22 22 62 134 -

318

Entsprechend dem Gruppierungsvorschlag der KGSt wäre diese Stelle in die BesGr. A9 einzugruppieren.

Abb. 5-7

(4) Während in der Privatwirtschaft, aber auch in manchen ausländischen öffentlichen Verwaltungen analytische Bewertungssysteme recht verbreitet sind, herrscht im deutschen öffentlichen Dienst - wie bereits erwähnt - die summarische Stellenbewertung vor. Überwiegend werden die Stellen durch allgemeine Quervergleiche bewertet; die Eingruppierungen sind nicht selten das Ergebnis eines „Kuhhandels" zwischen beantragendem Fachamt und der zuständigen Bewertungsinstanz. Situation bei Beamten: Die Besoldung erfolgt aufgrund des verliehenen „Amtes", das heutzutage meist losgelöst ist von den konkreten ausgeübten Funktionen (z.B. das Amt „Regierungsinspektor"). Die Bewertung dieser Ämter - d.h. die Zuordnung zu Besoldungsgruppen - geschieht summarisch anhand allgemeiner besoldungspolitischer Überlegungen (vgl.i.e. Siepmann/Siepmann, 1984). Dies hat zu erheblichen Ungleichheiten geführt: gleich besoldete Beamte üben häufig ganz unterschiedlich

252

Personalwesen schwierige Funktionen aus. Erst neuerdings wird versucht, durch Funktionszuweisungen zu den Ämtern von Beamten die Eingruppierungen wieder aneinander anzugleichen und dadurch etwas mehr Bezahlungsgerechtigkeit auf den Funktionsebenen herzustellen. Diese Funktionszuweisungen sind allerdings auch wieder nur summarisch angelegt und vergleichen nur horizontal die Stellen auf einer Funktionsebene (vgl. kritisch Siedentopf, 1979, S. 477). Als zusätzliches Instrument werden seit einiger Zeit prozentuale Stellenobergrenzen („Stellenkegel") für die Besoldungsgruppen in einer Laufbahn verwendet, um durch die Verknappung höherbewerteter Stellen die Behörden zu einer Art „Normalverteilung" der Stellen hinsichtlich ihrer Arbeitsschwierigkeiten zu veranlassen. Beispiel: Stellenkegel für den gehobenen Dienst

4% 12% 30% 54%

/

/ /

A12 All A9/10

X^ X \

Es dürfen also nicht mehr als die angegebenen Quoten an Stellen mit Beamten der jeweiligen Besoldungsgruppen besetzt werden. Diese Obergrenzen können indes mit den Befunden analytischer Stellenbewertungen kollidieren; da die Obergrenzen bindend sind, nützen analytische Bewertungen, die eine höhere Zahl schwieriger, d.h. höher einzustufender Stellen ergeben haben, nicht viel. Außerdem hängen die Obergrenzenauswirkungen auch stark von der jeweiligen Quote an Angestellten ab, für die diese Obergrenzen nicht gelten (vgl. Meixner, 1982, S. 84 ff., Bieler, 1983). Situation bei Angestellten (vergleichbar bei Arbeitern): Angestellte werden gemäß BAT nach den von ihnen ausgeübten Tätigkeiten in Vergütungsgruppen eingruppiert. Im Vergleich zur Beamtenbewertung orientiert sich der BAT stärker an den konkret ausgeübten Funktionen. Das dem BAT zugrundeliegende Bewertungskonzept ist insgesamt als summarisch zu kennzeichnen: zwar enthält es in bezug auf die Arbeitsplatzsicht und die Gliederung in mehrere Anforderungsarten gewisse analytische Elemente, aber es erfolgt keine Gewichtung der Anforderungskriterien. Zudem ist ein gewisser Wildwuchs an kasuistischen Eingruppierungsbeispielen zu verzeichnen, der den Überblick und die Systematik erschwert. Problematisch und letztlich auch humanisierungsfeindlich ist die Bewertungsregel des BAT, daß eine Stelle dann in die höhere Vergütungsgruppe einzustufen ist, wenn mindestens 50% der Tätigkeiten den Kriterien dieser Gruppe entsprechen. Dies kann Tätigkeitsanreicherungen (z. B. Bildung von Mischarbeitsgebieten) zur Motivationsförderung auf Arbeitgeberseite verhindern.

(5) Seit etlichen Jahren gibt es in der Bundesrepublik vielfältige Bestrebungen, im öffentlichen Dienst eine analytische Stellenbewertung („Dienstpostenbewertung") einzuführen (vgl. zur wechselvollen Historic Freibert, 1981, Siepmann, 1980). Gelungen ist dies bislang lediglich bei Bundesbahn und -post sowie in Hamburg (vgl. Hamburger Senatsamt, 1974, zu den bisherigen Erfahrungen: Lange, 1983) und in einer Reihe von Städten. Neuerdings ist das erwähnte BMI/KGSt-Modell den Kommunen zur Anwendung empfohlen worden (vgl. KG St, 1982e, Siepmann/Siepmann, 1984; zu einer Erprobung vgl. auch Glienicke, 1983). Immerhin wenden Kommunen nach einer neueren KGSt-Umfrage die analytische Bewertung

Personalbedarfsermittlung

253

inzwischen mehrheitlich an. Von einer bundeseinheitlichen Praxis der analytischen Stellenbewertung ist man trotz mehrfacher Initiativen des Bundestages, trotz Modellerprobungen im BMI und trotz eines nunmehr vorhandenen ausgereiften Konzepts jedenfalls noch weit entfernt (vgl. auch die bissige Analyse von Siepmann, 1980). (6) Nun darf man die Möglichkeiten und Vorzüge einer analytischen Stellenbewertung auch nicht überschätzen. Sie ist - wie auch die analytische Personalbemessung - keine „objektive" Methode, sondern letztlich ein Hilfsmittel zur Förderung von Transparenz beim Aushandeln von Bewertungskomprornissen. Analytische Bewertung kann politische Wertungen und Prioritätensetzungen - etwa in bezug auf Bedeutung einzelner Arbeitsplätze oder Gewichtung von Anforderungskriterien nicht verhindern bzw. ersetzen. Stellenbewertung ist vielmehr das Ergebnis politischen Konsenses (vgl. Siedentopf/Koch, 1977, Lange, 1983, S. 355 f.; industriebezogen: Bartölke, 1981). Ein Bewertungssystem muß also auch in diesem Sinne als offene Entscheidungshilfe konzipiert werden und darf sich nicht zu einem politisch kaum noch beeinflußbaren Automatismus verselbständigen. Trotz offenkundiger Ungerechtigkeiten in der Beamtenbesoldung wird vermutlich der verwaltungspolitische Nutzen der analytischen Stellenbewertung - angesichts eines erkennbar hohen Analyseaufwandes - von vielen Beteiligten als eher bescheiden eingeschätzt: Die Widerstände werden hoch, die Konsensfindung schwierig sein, weil es notwendigerweise bei der Bewertung immer auch eine große Zahl von Enttäuschten geben wird. In der derzeitigen Finanzkrise können - anders als in den „fetten" 60er Jahren z. B. in Hamburg (vgl. Lange, 1983, S. 366) - keine Stellenanhebungen realisiert werden. Stellenherabstufungen sind derzeit ebenfalls unrealistisch, da die Mitarbeiterfluktuation gering ist und „KU"-(„kann umgewandelt werden") Vermerke im Stellenplan erst langfristig greifen. (7) Wägt man die Vor- und Nachteile analytischer Stellenbewertung ab (s. auch unten), erscheint diese Methode insgesamt dennoch bedingt für den öffentlichen Dienst empfehlenswert (vgl. auch Ebenrett, 1979, S. 101 f., Lange, 1983), wenn das Verfahren - offen und anpassungsfähig als EntscheidungsA/#e angelegt wird - breite Akzeptanz bei den Beteiligten findet - konsequent und gerecht von politischer Spitze, Tarifpartnern etc. angewendet wird und diese die gesetzten Spielregeln einhalten.

Wichtig erscheint auch, daß bestehende Widersprüche des analytischen Verfahrens zu den Stellenobergrenzen-Regelungen und zu den parallellaufenden summarischen Funktionszuweisungen abgebaut werden. Vielleicht sind Bund und Länder gut beraten - statt auf eine Ungewisse bundesweite Verfahrenseinführung zu warten -, wie die Kommunen eigenständig behördenweise die analytische Stellenbewertung einzuführen, wobei das BMI/KGSt-Modell als vereinheitlichender Rahmen gelten kann.

254

Personalwesen Analytische Stellenbewertung

Vorteile

Nachtei le/Grenzen

höhere Bezahlungsgerechtigkeit

Gewinnung konkreter, objektiver, akzeptierter Bewertungskriterien schwierig

Grundlage für Gewinnung von Anforderungsprofilen höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Stelleneingruppierungen

Gefahr der Scheinobjektivität: Vorverständnis über Stellenwertigkeit wird in Modell eingegeben und durch dieses verstärkt

verstärkter Zwang zu Arbeitsplatzanalysen (Nebeneffekt: Abbau ggf. vorhandener Mängel)

analytische Sicht muß intuitiver ganzheitlicher Betrachtung nicht automatisch überlegen sein! Gefahr der Zementierung tradierter Strukturen (Bsp. :„Ausbildungsgrad") Kollision mit bestehenden Regelungen, z. B. den Stellenobergrenzen Konfliktaustragung mit Mitarbeitern kann infolge höherer Transparenz der Bewertung zunehmen relativ hoher Analyseaufwand

5.4. Personalbereitstellung 5.4.1. Personalbeschaffung (1) Ist im Zuge der Bedarfsermittlung ein Personalbedarf festgestellt worden, so ist im nächsten Schritt dieses erforderliche Personal bereitzustellen, d. h. zu beschaffen, auszuwählen und auf den vorgesehenen Stellen einzusetzen (vgl. z. B. Siepmann, 1974). Hauptziel der damit verbundenen Einstellungs- bzw. Rekrutierungspolitik ist die quantitativ wie qualitativ ziel- und termingerechte Bedarfsdeckung, wobei aber auch die vorhandene und vor allem zukünftige Personalstruktur (Abgangsquoten und daraus resultierende interne Mobilitätschancen) zu berücksichtigen ist (vgl. zu sozialen und politischen Aspekten der Rekrutierungspolitik im öffentlichen Dienst z. B. Mayntz, 1978, S. 198 ff., Bosetzky/Heinrich, 1985, R. Koch, 1983a; s.a.5.4.2.). Aufgabe der Personalbeschaffung ist es, geeignete Bewerber zu gewinnen, die in der nachfolgenden Phase der Personalauswahl auf ihre Eignung geprüft und entsprechend ausgesucht werden.

Personalbereitstellung

255

(2) Ein Dauerauftrag der Personalbeschaffung ist „Personalbeschaffungsmarketing", d. h. ständige und sorgfältige Beobachtung und Analyse des Arbeitsmarktes. Dabei erweist es sich als zweckmäßig, auch die breitgefächerten, vielfach kaum überschaubaren Arbeitsangebots- und -nachfrageprozesse innerhalb des öffentlichen Dienstes als Arbeitsmarkt zu begreifen und insoweit vom internen Arbeitsmarkt zu sprechen. Auch eine gewisse Kontakt- und Imagepflege im Arbeitsmarkt (z.B. zu Ausbildungsstätten, Arbeitsämtern, über Inserate) wird - losgelöst von Konjunkturschwankungen - zumindest für größere Verwaltungseinrichtungen empfehlenswert sein. Wissenschaftliche Studien über Arbeitsmarktentwicklungen - etwa der Bundesanstalt für Arbeit - können bei der Beobachtung des Arbeitsmarktes hilfreich sein. (3) Bei der Beschaffung gibt es die Möglichkeit der internen und der externen Rekrutierung. Die interne Rekrutierung, bei der Mitarbeiter aus der selben öffentlichen Einrichtung (z. B. Behörde, Anstalt usw.) berücksichtigt werden, erfolgt rechtlich in Gestalt von Umsetzung, Versetzung, Beförderung oder (wenn nur vorübergehend) Abordnung. Bei der externen Rekrutierung werden Angehörige anderer öffentlicher Einrichtungen oder verwaltungsfremde Bewerber zur Auswahl herangezogen. Bei letzteren kann es sich entweder um Nachwuchskräfte, die zunächst zur Ausbildung eingestellt werden, oder um Fachkräfte handeln, die unmittelbar mit bestimmten Tätigkeiten betraut werden. Bei interner Rekrutierung für bestimmte Fachpositionen kann man annehmen, daß die betriebsspezifischen Kenntnisse und Erfahrungen der Bewerber höher und ihre Fähigkeiten resp. Mängel in größerem Umfang bekannt sind als bei Externen. Fehlentscheidungen werden daher unwahrscheinlicher sein. Hinzu kommt, daß die Einarbeitungszeit geringer sein wird. Andererseits können von externen Bewerbern neue Impulse zu veränderter Praxis ausgehen, sie können einer gewissen „Betriebsblindheit" entgegenwirken. Angemessene interne Rekrutierung führt wiederum auch dazu, daß die jeweiligen Betriebsangehörigen günstigere Aufstiegschancen haben als bei vorwiegend externer Rekrutierung. Externe Rekrutierung kann demgegenüber zumindest kurzfristig einen Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik leisten. Im deutschen öffentlichen Dienst ist traditionell die interne Rekrutierung vorherrschend (vgl. Luhmann, 1982, S. 326): ein junger Beamter wird - extern als Nachwuchskraft - rekrutiert, ausgebildet und durchläuft dann bestimmte Karrierestufen, („Karriere-Rekrutierung" von Beamten im Gegensatz zur „Positions-Rekrutierung" bei Angestellten). Dies ist auch schon deshalb unvermeidlich, weil wegen der lebenslangen Anstellung die Fluktuation in den privaten Sektor gering ist und daher im öffentlichen Dienst selbst angemessene Entwicklungsmöglichkeiten bestehen müssen (s. a. 5.5.5.) Interne Rekrutierung wird auch von den Betriebsangehörigen - vor allem den Vorgesetzten - bevorzugt: man kennt sich, man bleibt in einem halbwegs vertrauten sozialen System (s.a. „Rotation" in 5.5.5.), man kann als Vorgesetzter geeignete Mitarbeiter belohnen resp. Ungeeignete „wegloben". In vielen Verwaltungsbetrieben

256

Personalwesen ist die Neigung groß, freie Stellen mit Mitarbeitern „aus dem eigenen Hause" zu besetzen und Angehörige anderer Verwaltungen sowie Verwaltungsfremde fern zu halten. Dies kann zu unerwünschten „Inzuchteffekten" führen.

Der Umfang externer Rekrutierung - von Nachwuchskräften abgesehen - hängt wesentlich von der Betriebsgröße ab. Während kleinere Verwaltungsbetriebe in höherem Umfang auf externes Personal zurückgreifen, weil sie über kein größeres internes Personalreservoir verfügen, werden in größeren Verwaltungen Externe in erster Linie für Spezialaufgaben (z.B. technischer Dienst) rekrutiert. Im übrigen hängt die Entscheidung „intern/extern" natürlich auch von der jeweiligen Qualifikation interner und externer Bewerber ab. (4) Die Gewinnung von Bewerbern kann auf verschiedenen Wegen erfolgen (vgl. Joerger/Geppert, 1983 II, S.190f.). Neben direkter Kontaktaufnahme zu geeignet erscheinenden Bewerbern, zu Ausbildungsstätten, Arbeitsämtern, Personalberatern und desgleichen ist vor allem die Stellenausschreibung zu nennen. Diese kann - bei angestrebter interner Rekrutierung - verwaltungsintern erfolgen (z. B. durch Aushang, Umlauf, interne Mitteilungsblätter, zukünftig wohl auch über Bildschirmtext; vgl. i.e.z.B. Mentzel, 1980, S. 165ff.). Sie kann aber auch extern erfolgen, über Amtsblätter sowie Inserate in Tageszeitungen und Fachzeitschriften. Für bestimmte Mitarbeiterkreise (z. B. ab einer festgelegten Besoldungsgruppe) besteht Ausschreibungspflicht. Nicht selten werden indes lediglich Scheinausschreibungen praktiziert: der eigentliche Kandidat steht schon vorher fest, der Ausschreibungstext wird exakt auf dessen spezielle Fähigkeiten hin formuliert. Für die Wirksamkeit von - vor allem internen - Stellenausschreibungen kommt es im übrigen entscheidend darauf an, daß diese die Zielgruppe veränderungsbereiter Interessenten umfassend und rechtzeitig erreichen. Rundschreiben laufen z. B. häufig in zu geringer Stückzahl so langsam um, daß Interessenten sie erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist erhalten.

5.4.2. Personalauswahl (1) Personalauswahl bedeutet, daß Bewerber, die im Zuge der vorangegangenen Personalbeschaffung gewonnen wurden, auf ihre Eignung für bestimmte Verwendungssituationen geprüft und für geeignet erachtete Personen zur Einstellung resp. Stellenbesetzung vorgesehen werden. Dabei geht es um zwei unterschiedliche Tatbestände: - Zum einen bezieht sich Personalauswahl auf Nachwuchskräfte, die zunächst relativ breit ausgebildet und dann in ihrer Laufbahn in unterschiedlichen Verwendungssituationen eingesetzt werden. - Zum anderen richtet sich Personalauswahl auf interne oder externe Fachkräfte, die eine konkrete Stelle besetzen sollen.

Personalbereitstellung

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Während bei der Nachwuchskräfteauswahl nur relativ allgemeine Anforderungsmaßstäbe, die die gesamte Laufbahn umfassen, angelegt werden können, kommt es bei der Fachkräfteauswahl darauf an, daß für eine ganz spezifische Verwendungssituation der geeignete Mitarbeiter gefunden wird. Abgesehen von sorgfältiger Methodenanwendung (um die es in den nachstehenden Ausführungen geht) ist bei der Personalauswahl die verfassungsmäßig garantierte Chancengleichheit der Bewerber zu gewährleisten (Art. 33 Abs. 2 GG). Dabei treten verschiedene heikle politische Fragen wie die Einstellung angeblicher Extremisten in den öffentlichen Dienst und damit zusammenhängende fragwürdige Überprüfungsmethoden, die Ämterpatronage oder auch Effekte bürokratischer Selbstrekrutierung auf. (2) Das Grundprinzip der Personalauswahl besteht im Abgleich von Anforderungsund Befähigungsprofilen: die Befähigungsmerkmale infrage kommender Bewerber sollen in möglichst hohem Maße mit den Anforderungsmerkmalen der zu besetzenden Stellen übereinstimmen, was für Nachwuchskräfte stets nur in allgemeiner Form möglich erscheint (Organisatoren-Motto: „Den richtigen Mann auf den richtigen Platz"). Demnach ist von einem zweckmäßigen Personalauswahlverfahren zu fordern (vgl. auch Joerger/Geppert, 1983 II, S. 193), daß - die Anforderungen der Stellen erhoben werden - die Befähigung und Eignung der Bewerber festgestellt wird - das Verfahren rechtmäßig, wirtschaftlich und transparent abläuft. Die Anforderungen einer Stelle, wie z. B. bestimmte erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten, Erfahrungen oder geistige und charakterliche Eigenschaften, die in einem Anforderungsproßl zusammengefaßt werden können (vgl. dazu z. B. Meixner, 1979), ergeben sich aus (analytischen) Stellenbewertungen und den diesen zugrundeliegenden Arbeitsplatzanalysen (s. 5.3.3.). Die vergleichsweise allgemeinen Anforderungsstrukturen von Venvaltungslaufbahnen, wie sie für die Nachwuchskräfteauswahl maßgeblich sind, können durch repräsentative Berufsfeld- und Tätigkeitsanalysen der betreffenden Laufbahn unter Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungstrends untermauert werden (vgl. allgemein Pippke, 1980, Brinkmann, 1979, Brinkmann u.a., 1973; bezogen auf den gehobenen Verwaltungsdienst z.B.: Fachhochschule Berlin, 1974/1977, Fachhochschule Kehl, 1976). Bei den Anforderungsstrukturen sollten nur eine überschaubare Anzahl von Merkmalen zugrundegelegt werden, damit sie handhabbar bleiben. Die jeweils für erforderlich erachteten Merkmalsausprägungen - ggf. durch Minimal- und Maximalausprägungen begrenzt - werden in Profilen (z. B. in Balkendiagrammen) dargestellt. Die relative Bedeutung der Anforderungen für die Aufgabenerfüllung in der betreffenden Stelle kann - wie bei der analytischen Stellenbewertung - durch Gewichtung ausgedrückt werden. Die jeweilige Eignung eines Bewerbers für die zu besetzende Stelle wird mithilfe der noch näher zu schildernden eignungsdiagnostischen Methoden festgestellt und kann in einem Eignungs- bzw. Befähigungsprofil zusammengefaßt werden, das formal der Struktur des Anforderungsprofils entspricht. Durch Gegenüberstellung (Profilvergleich) von Anforderungs- und Befähigungsprofil kann schließlich ermittelt

258

Personalwesen werden, in welchem Ausmaß ein Bewerber die gesetzten Anforderungen einer Stelle erfüllt, wo die Anforderungen nicht hinreichend erreicht oder wo ggf. die Anforderungen sogar übertroffen werden.

(3) Personalauswahlmethoden sollen eine Prognose über die Eignung von Bewerbern für bestimmte Tätigkeiten liefern, die von diesen in der Zukunft ausgeübt werden sollen. Wie bei allen Prognosen ist die Vorhersage der Eignung von nur begrenzter Treffsicherheit. Hauptproblem ist die Zuverlässigkeit und Konstanz der zum Auswahlzeitpunkt gegebenen Daten über zukünftige Arbeitsanforderungen und über die künftige Bewerbereignung. Der Schluß von Vergangenheitsdaten (z. B. Zeugnisnoten) auf die künftige Arbeitsleistung eines Bewerbers ist jedenfalls meist nur von beschränkter Aussagefähigkeit. Die Aussagefähigkeit von Auswahlmethoden kann anhand folgender testtheoretischer Bedingungen eingeschätzt werden (vgl. z. B. Althoff/Thielepape, 1978): - Objektivität (möglichst geringer subjektiver Beurteilereinfluß) - Reliabilität (Zuverlässigkeit der Auswahlmethode im Zeitablauf, bei verschiedenen Beurteilern und in bezug auf unterschiedliche Teile des Auswahlprozesses) - Validität (prognostische Gültigkeit der ermittelten Daten im Hinblick auf den künftigen Berufserfolg eines Bewerbers) - Vergleichbarkeit der über verschiedene Bewerber gewonnenen Daten anhand eines gemeinsamen Maßstabes.

(4) Auswahlmethoden haben einiges mit Beurteilungsmethoden (s. 5.5.2.) gemeinsam: letztlich geht es um die Einschätzung der Fähigkeiten von Mitarbeitern. Im ersten Fall sind auch neueinzustellende Mitarbeiter zu bewerten, im zweiten Fall wird nicht nur die zukünftige Eignung, sondern auch die in der Vergangenheit erbrachte Leistung bewertet (vgl. die Unterscheidung von Befahigungs- und Leistungsbeurteilungen in 5.5.2.). Bei beiden Methoden geht es jedenfalls darum, • Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Charaktereigenschaften) • Fähigkeiten (einschl. Kenntnisse und Fertigkeiten) • Leistungsverhalten vorhandener resp. evtl. künftiger Mitarbeiter zu beurteilen. Unerläßliche Voraussetzung bei beiden Methoden ist ferner auch die möglichst genaue und zuverlässige Kenntnis der Arbeitsanforderungen durch Arbeitsanalyse und/oder Stellenbewertung. Das aus den Anforderungen einer Stelle resultierende Anforderungsprofil ist sozusagen die „Meßlatte" für die Personalauswahl und ebenso für die Personalbeurteilung. (5) Auf die vielfaltigen Methoden und Instrumente der Personalauswahl kann hier nur überblicksartig eingegangen werden (vgl. als Literaturauswahl z. B. Althoff/ Thielepape, 1978, Berthel, 1979, S.138ff., Jeserich, 1981, KGSt, 1978a und 1980b, Lademann, 1980u.l985, Neubauer u.a., 1978, Stehle, 1980, Triebe/Fischer/Ulich, 1973, Triebe/Ulich, 1977). Die folgenden Auswahlmethoden spielen in der Praxis eine besondere Rolle:

Personalbereitstellung

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(a) Analyse von Bewerbungsunterlagen: Schriftliche Unterlagen wie Bewerbungsschreiben, Zeugnisse, Lebensläufe, Empfehlungen - bei Internen ggf. auch Personalakten und darin vorhandene Beurteilungen - können den Auswählenden erste Informationen über den Bewerber liefern. Vor allem können sie für eine Vorauswahlbrauchbar sein, d.h. für die Aussonderung von Bewerbern, die bestimmte formelle Ausschreibungskriterien nicht erfüllen. Die Aussagefähigkeit der in solchen Unterlagen enthaltenen Informationen ist allerdings i.a. nicht sonderlich hoch: - Noten von Schul- und Ausbildungszeugnissen sind eignungsdiagnostisch fragwürdig: sie schwanken von Schule zu Schule stark und lassen nur begrenzt auf berufliche Qualifikation schließen. Begrenzt gilt dies auch für Zeugnisse von Laufbahnprüfungen. - Berufliche Zeugnisse sind häufig „geschönt"; allenfalls gewisse verschlüsselte Hinweise können informativ sein. - Lebensläufe sind in ihrer üblichen undifTerenzierten Form ebenfalls nicht sonderlich aussagefahig; sie vermitteln ein allgemeines Bild vom Werdegang und geben Auskunft über vorhandene Berufserfahrungen (vgl. aber zum Konzept einer systematischen Biographieanalyse: Knoblauch, 1983). Handschriftliche Lebensläufe und darauf sich stützende graphologische Gutachten gelten als fragwürdig. - Empfehlungen bzw. Referenzen sind normalerweise eher abzulehnen, da es sich meist um Gefälligkeitsaussagen handelt. - Personalbeurteilungen, die bei verwaltungsinternen Bewerbern zusammen mit den Personalakten herangezogen werden können, gelten in der existierenden Form aus einer Reihe von Gründen als nur wenig aussagefähig (s. i. e. 5.5.2.).

(b) Tests: Durch Tests können in einer prüfungsähnlichen standardisierten Form bestimmte Eigenschaften von Bewerbern festgestellt werden. Entsprechend der oben getroffenen Unterscheidung kennt man Persönlichkeits-, Fähigkeits- und Leistungstests (die psychologische Eignungsdiagnostik verwendet mittlerweile hunderte solcher Tests!). Persönlichkeitstests sollen ein allgemeines Bild von der Gesamtpersönlichkeit - bzw. wesentlicher Aspekte - vermitteln. Sie werden vor allem bei der Nachwuchskräfteauswahl eingesetzt, wo noch keine stellenspezifischen Tätigkeiten und Leistungen überprüft werden können. Persönlichkeitstests werden für den öffentlichen Dienst als verfassungsrechtlich bedenklich erachtet, da sie gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen und den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG gefährden (vgl. Willke, 1981). Fähigkeits- und Leistungstests können entweder auf allgemeine Qualifikationen (z. B. Intelligenz, Rechtschreibung, Arbeitstempo, Belastbarkeit) oder auf berufs- resp. stellenspezifische Betätigungen (z.B. Rechtskenntnisse, Entscheidungsqualität, Maschinenschreibleistung) gerichtet sein. Die erste Variante kommt wiederum vor allem bei Nachwuchskräften zum Einsatz. Die Deutsche Gesellschaft für Personalwesen überprüft bspw. Bewerber für den mittleren/gehobenen Verwaltungsdienst mit verwaltungsspezifischen Leistungstests anhand folgender Kriterien (vgl. Lademann, 1980 und 1985, Althoff, 1981): - intellektuelle Leistungen (z. B. sprachlich-begriffliches und analytisches Denken)

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Personalwesen - Arbeitsverhalten (z. B. Tempo, Sorgfalt, Ausdauer) - Kenntnisse (Rechtschreibung, Grundrechnen, Allgemeinwissen). Stellenspezifische Leistungstests gibt es inzwischen für eine Vielzahl von Verwendungsvarianten, vorzugsweise allerdings in der Privatwirtschaft. Auf eine interessante, in der deutschen Verwaltung noch nicht sehr verbreitete Methode soll hier stellvertretend hingewiesen werden: die Postkorb-Methode („In-Basket-Method"; vgl. zu einem Anschauungsbeispiel Jeserich, 1981, S. 172 ff.). Ein Bewerber erhält einen typischen „Eingangskorb" aus dem infragekommenden Arbeitsgebiet und soll die enthaltenen Vorgänge ordnen, werten und bearbeiten resp. den Arbeitsablauf skizzieren. Die Auswählenden beobachten, welche Prioritäten er setzt, wie er bestimmte Probleme angeht, wie er seine Arbeit einteilt, welche Arbeitsanweisungen er erteilt, was er ggf. delegiert.

Am Rande sei darauf hingewiesen, daß der beste „Test" im Grunde die Probezeit ist, in der der Bewerber realitätsnah seine Befähigung unter Beweis stellen kann. Im öffentlichen Dienst sind Probezeiten indes häufig zu rein formalen Fristen degeneriert. Die betreffenden Personalentscheidungen können meist nicht mehr rückgängig gemacht werden. Leistungstests können die o.g. Bedingungen der Objektivität, Reliabilität, Validität und Vergleichbarkeit in relativ hohem Maße erfüllen. Sie sind ferner wirtschaftlich handhabbar und schnell auswertbar. Ihre Aussagefähigkeit für Auswahlentscheidungen im öffentlichen Dienst hängt allerdings entscheidend davon ab, daß - die spezifischen Anforderungkriterien der Laufbahn resp. der Stelle möglichst konkret erfaßt und im Test abgebildet werden, - alle Bewerber gleiche Chancen haben, d. h. einzelne nicht durch Kenntnisse des Tests im Vorteil sind (vgl. zum „Testknacken" z. B. v. Paczensky, 1977, Hesse/ Schrader, 1985), - geschulte Psychologen eingesetzt oder externe Institute beteiligt werden, - die Verfahren aufgrund regelmäßiger Bewährungskontrollen zwischenzeitlichen Anforderungsveränderungen angepaßt werden. Aus der überaus kontroversen Diskussion um Eignungstests kann man schließen, daß allgemeine Tests - im Hinblick auf Nachwuchskräfteauswahl - nicht überbewertet werden, sondern stets nur ein kleinerer Teil der Auswahlentscheidung sein sollten (vgl. zur Testvalidität im öffentlichen Dienst z. B. auch Althoff, 1984). Stellenspezifische Leistungstests können - bei der Besetzung einzelner Stellen mit Fachkräften - hingegen durchaus relevante Informationen liefern; sie sind im öffentlichen Dienst bislang eher unterentwickelt. Tests erfassen stets nur kleine Ausschnitte der Gesamteignung; nicht selten widersprechen ihre Befunde „normaler" Menschenkenntnis. Für komplexe Fach- u. Führungstätigkeiten sind sie nur bedingt geeignet. (c) Vorstellungsgespräche: Bewerberinterviews erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie werden von den meisten Anwendern für unentbehrlich gehalten, weil sie ein direktes persönliches Bild vom Bewerber vermitteln. Üblicherweise führt man sie in

Personalbereitstellung

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freier, unstrukturierter Form durch. Man kann solche Interviews aber auch durch im voraus formulierte Fragen strukturieren und durch Standardisierung vergleichbar machen. Ein sorgfältig vorbereitetes und strukturiertes Vorstellungsgespräch, das sich auf die Arbeitsanforderungen der Stelle und die Bewerbungsunterlagen (insbesondere Lebenslaufangaben) stützt und in dem konkrete Hinweise auf das Leistungs- und Sozialverhalten des Bewerbers erhoben werden, kann durchaus entscheidungsrelevante Informationen für die Personalauswahl liefern (vgl. zur Gesprächsführung z.B. Stopp, 1983, Jung, 1983), die auf andere Weise kaum gewonnen werden können. Vor allem bei den freien Interviews wird allerdings deren prognostische Gültigkeit durch die Anwender i. a. erheblich überschätzt. Insbesondere bei der Praktizierung durch Laien (z. B. Fachvorgesetzte) kommen zahlreiche Verfälschungsmöglichkeiten infolge selektiver Wahrnehmung oder Vorurteilsbildung auf seilen des Interviewers sowie aufgrund verstellten Verhaltens beim Bewerber in Betracht (vgl. wiederum das Problem der Selbstselektion im öffentlichen Dienst - „Bürokraten rekrutieren Bürokraten" - etwa bei Mayntz, 1978, S. 159 ff.). Wirken Fachpsychologen an den Vorstellungsgesprächen mit, die das Verhalten der Bewerber beobachten (z. B. Kreativität, Kontaktfähigkeit, Aktivität), kann dies die Aussagefähigkeit solcher Interviews fördern (vgl. Althoff, 1981). (6) Die geschilderten Auswahlmethoden werden zweckmäßigerweise nicht isoliert bzw. alternativ eingesetzt, sondern kombiniert verwendet. Folgende Verfahrenssequenzist weitverbreitet; sie begrenzt den verfahrensbedingten Aufwand: a) Vorauswahl unter den Bewerbern im Hinblick auf die Erfüllung formaler Voraussetzungen durch die Analyse der Bewerbungsunterlagen. b) Detaillierte, vertiefte Prüfung der noch vorhandenen Bewerber unter Einsatz allgemeiner Fähigkeits- resp. stellenspezifischer Leistungstests, je nach Verwendungssituation. c) Endauswahl unter den restlichen Bewerbern im Rahmen eines sorgfältig vorstrukturierten Vorstellungsgespräches. Seit einiger Zeit macht eine Methodenkombination bei der Führungskräfteauswahl von sich reden: das Assessment Center (vgl.hierzu z.B. Dirks, 1982, Jeserich, 1981, Kleinevoss, 1985, Neubauer, 1980). Bei diesem in den USA weitverbreiteten, auf militärische Ausleseverfahren zurückgehenden Konzept wird eine Gruppe von Bewerbern von einem Beurteiler-Team mit Hilfe unterschiedlicher Methoden in einer seminarartigen Veranstaltung ausfuhrlich auf ihre Eignung geprüft. Dies geschieht zum einen zur unmittelbaren (Führungs-)Personalauswahl, zum anderen aber auch zur frühzeitigen Entdeckung, Förderung und Entwicklung von Führungsnachwuchs im Zuge der Personalentwicklung (vgl. als Fallbeispiel Stehle/Schuler, 1983). Das Assessment Center ist vor allem durch folgende Merkmale zu kennzeichnen (vgl. auch kurz Heinrich, 1983): - gleichzeitige Eignungsanalyse mehrerer Bewerber - Simulation der konkreten Arbeitssituation und -anforderungen - Kombination unterschiedlicher Auswahlmethoden (weil eine Methode allein stets nur begrenzt aussagefahig ist)

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Personalwesen - umfassende, realitätsbezogene Verhaltensbeobachtungen - Beurteilerteam aus internen, besonders geschulten Führungskräften und externen Personalexperten, z.B. aus einer Fortbildungsinstitution (vgl.zum Training von Beurteilern Domsch/Jochum, 1982) - vergleichsweise aufwendiger und langwieriger Auswahlprozeß (meist mehrere Tage) - standardisiertes Beobachtungsverfahren, von dem die Bewertung strikt getrennt ist - ausführliche Ergebnisrückmeldung an die Bewerber. Typische Einzelmethoden, die im Assessment Center eingesetzt werden, sind führerlose Gruppendiskussionen, Eignungstests, Plan- und Rollenspiele, Fallstudien, PostkorbÜbungen, Kurzreferate, Einzelinterviews. Das Assessment Center-Konzept kann aufgrund seiner Methodenvielfalt, des Teameinsatzes und des konkreten Anforderungsbezuges herkömmlichen Auswahlmethoden durchaus überlegen sein. Der erhebliche Aufwand begrenzt seine Anwendung indes meist auf „kostspielige" Zielgruppen wie Führungskräfte. Über die Bewährung des Konzepts gibt es allerdings bislang trotz verbreiteter Akzeptanz in der Privatwirtschaft noch relativ wenig fundierte empirische Aussagen (vgl. Dirks, 1982, Neubauer, 1980, Jeserich/Fennekels, 1982). Analoge Fehler von Beurteilern, wie sie bei Personalbeurteilungen verbreitet sind (s. 5.5.2.), sind auch beim Assessment Center zu erwarten; es kann zur Bevorzugung bestimmter „Erfolgstypen" und zu spezifischen Filter- und Verfälschungseffekten kommen (vgl. Neubauer, 1980).

(7) Im öffentlichen Dienst wird methodisch relativ konservativ vorgegangen. Bei der Nachwuchskräfteauswahl richtet man sich häufig nach Schulzeugnis- bzw. Examensnoten und führt - überwiegend ohne Mitwirkung geschulter Eignungsdiagnostiker resp. neutraler Institute - z.T. allgemeine Fähigkeitstests (z.B. Intelligenztests, Aufsätze) sowie unstrukturierte Interviews durch (vgl. zur Lage im höheren Verwaltungsdienst: K. König/Schmidt-Streckenbach, 1983). Bei der Stellenbesetzung mit Fachkräften spielen ebenfalls die Vorstellungsgespräche, ferner informelle Empfehlungen, seltener auch Personalbeurteilungen eine Rolle. Erstaunlich ist, daß in Wirtschaft wie Verwaltung gerade Bewerber um höhere Positionen vielfach immer noch mit eher obskuren Methoden ausgesucht werden, z. B. anhand von graphologischen Gutachten, Referenzen oder Zeugnissen. Tests glaubt man dagegen nur Bewerbern um einfache Stellen zumuten zu können. (8) Abschließend werden einige zusammenfassende Empfehlungen zur Personalauswahl im öffentlichen Dienst gegeben: - Mehrstufiges Vorgehen unter Verwendung unterschiedlicher Methoden, was Informationsvielfalt sichert und angesichts oft extrem hoher Bewerberzahlen wirtschaftlich ist. - Zielgruppenspezifischer Methodeneinsatz auf der Basis konkreter Arbeitsanforderungen; z. B. bei der Nachwuchsrekrutierung: allgemeine Fähigkeitstests, strukturierte Interviews mit Verhaltensbeobachtungen; bei der Fachkräfteauswahl: steilenspezifische Leistungstests (wie z.B. die Postkorbmethode); bei der Führungskräfteselektion: verhaltensorientierte Konzepte wie das Assessment Center.

Personalbereitstellung

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- Einsatz geschulter Auswahlkräfte, ggf. Beteiligung neutraler Institute (vgl. dazu Althoff, 1981). - Regelmäßige Bewährungskontrollen und ggf. Anpassung der Methoden an sich ändernde Anforderungen. - Zusammenfassung der durch die verschiedenen Methoden gewonnenen Einzeldaten über die Bewerber in einer an die Nutzwertanalyse (s. 3.5.1.) angelehnten Struktur, um die Befunde im Hinblick auf die gegebenen Auswahlkriterien ordnen und bewerten zu können.

5.4.3. Personaleinsatz (1) Durch den Personaleinsatz wird die Phase der Personalbereitstellung abgeschlossen. Das ausgewählte Personal wird - ggf. nach absolvierter Ausbildung den vorgesehenen Stellen zugewiesen und führt die Arbeitsprozesse durch. Das Funktionsfeld Personaleinsatz hat Bezüge zu anderen betrieblichen Gestaltungsfeldern, so z. B. zur - Organisationsgestaltung: Personaleinsatz setzt eine zielgerechte organisatorische Einordnung der Stelle sowie deren Aufgaben- und Ablaufregelung voraus, wobei auch die Mitarbeiterinteressen zu berücksichtigen sind (auf Aspekte wie „Stellenbildung" (s.4.2.2.1.), den Leistungsanreiz „Tätigkeitsgestaltung" (s.4.3.1.), „Kompetenz- und Verantwortungsregelung" (s. 4.2.3.2.) wird verwiesen). - Personalbedarfsermittlung: Der Personaleinsatz hängt von den Ergebnissen der quantitativen Personalbemessung wie der qualitativen Stellenbewertung und deren Konsequenzen für die Eingruppierung und Bezahlung ab (s. 5.3.). - Personalentwicklung: Personaleinsatz setzt einerseits angemessene Aus- und Fortbildung voraus, hat andererseits verschiedene Konsequenzen für Fortbildung, Personalbeurteilung, Versetzung bzw. Beförderung (s. 5.5.). - Stellenwirtschaft: Der Einsatz von Personal setzt das Vorhandensein entsprechender Finanzmittel zur Bezahlung voraus. Somit bestehen Bezüge auch zur Stellenplanung und Stellenbewilligung im Rahmen der Haushaltsplanung.

(2) Ein formaler, aber rechtlich wie ökonomisch bedeutsamer Akt (mit erheblichen Folgekosten!) ist die Einstellung neuer Mitarbeiter. Damit sind verschiedene personalwirtschaftliche Routineaufgaben wie Ernennung (bei Beamten) bzw. Vertragsabschluß (bei Angestellten/Arbeitern), amtsärztliche Untersuchung, Vereidigung bzw. Gelöbnis, Entgeltberechnung einschl. Dienstaltersfestlegung, Personalaktenanlegung usw. verbunden. Vielfältige detaillierte rechtliche Regelungen sind dabei zu beachten, so z. B. über über geltende Probezeiten, über durchzuführende Vorbereitungsdienste bzw. Ausbildungsgänge u. v. m. Beim Einsatz bereits vorhandener Mitarbeiter auf anderen Stellen (Rechtsform bei Beamten: Um- bzw. Versetzung, Beförderung, Abordnung) sind ebenfalls zahlreiche stellenwirtschaftliche und abrechnungstechnische Maßnahmen zu treffen.

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Personalwesen

(3) Bei der Stellenbesetzung (s. a. 4.2.2.1.) sind in zeitlicher Hinsicht verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zu unterscheiden: Einmal kann die Besetzung auf Dauer oder nur vorübergehend - z. B. wegen einer zeitlich begrenzten Aufgabe, aus Gründen der Stellvertretung - erfolgen. Zum anderen kann die in einer Stelle regelmäßig abzuleistende Arbeitszeit variabel festgelegt werden (Voll- oder Teilzeitarbeit). Die Arbeitszeitgestaltung gewinnt seit einiger Zeit an personalpolitischer Bedeutung, das Dogma „40 Lebensjahre während 40 Wochen im Jahr 40 Stunden pro Woche arbeiten" wird zunehmend in Frage gestellt. Exkurs zum Thema Arbeitszeitgestaltung: Die Arbeitszeit abhängig Beschäftigter wird allgemein durch 3 Variablen bestimmt: - Dauer der lebenszeitlichen, jährlichen, wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit - Rhythmus des Wechsels von Arbeits- und Freizeit (z.B.5- oder 4-Tage-Woche; Urlaubsregelung) - Lage der täglichen Arbeitszeit (Beginn und Ende der täglichen Arbeit) Varianten der Arbeitszeitgestaltung, über die derzeit diskutiert wird, sind z. B. - Gleitzeitregelung - Teilzeitarbeit und Job Sharing - am Arbeitsanfall ausgerichtete (kapazitätsorientierte) variable Arbeitszeit - längere Beurlaubungen („Sabbaticals") - vorgezogener oder gleitender Übergang in den Ruhestand. Gleitende Arbeitszeit ist seit einiger Zeit in zahlreichen Verwaltungsbetrieben verwirklicht (in bezug auf praktizierte Modelle und vorhandene Erfahrungen vgl. Bundesrechnungshof, 1984, KGSt, 1982b). Während in Privatunternehmungen und Verwaltungsbetrieben, die mit Zeiterfassungsanlagen arbeiten, i. a. positive Erfahrungen gemacht werden (vgl. z. B. Grassl/Hindelang, 1984), sind in Verwaltungen, deren Mitarbeiter ihre Arbeitszeit per Selbstaufschreibung erfassen, nicht unbeträchtliche „SollIst-Differenzen" - bei nur mangelhafter Dienstaufsicht durch Vorgesetzte - zu vermuten. Auch gibt es verbreitet Klagen über nur wenig bürgernahe Kernzeitregelungen. Zuverlässige empirische Analysen über die Wirkungen von Gleitzeitregelungen im öffentlichen Dienst stehen noch aus (vgl.als amerikanische Studie: Rainey/Wolf, 1981). Teilzeitarbeit wird aus arbeitsmarktpolitischen Überlegungen wie im Hinblick auf entsprechende Mitarbeiterbedürfnisse in Wirtschaft und Verwaltung zunehmend diskutiert und praktiziert (vgl. als Überblick zur vielfältigen Literatur z. B. Brüning, 1983, Crinius/Schafft, 1976, Epping/Meuter, 1977, Gaugier u.a., 1981 b, KGSt, 1983b, Seh wandt, 1984, Terriet, 1976). Im öffentlichen Dienst sind mittlerweile immerhin über 10% aller Bediensteten als Teilzeitkräfte beschäftigt, ein großer Teil von ihnen im Schul- und Erziehungsdienst sowie als Schreib- und Reinigungskräfte. Überwiegend handelt es sich um Frauen, vielfach in niedrigeren Entgeltgruppen. Angestellte und Arbeiter sind vorherrschend, weil sie prinzipiell frei in der Wahl von Teilzeitarbeitsverhältnissen sind. Bei Beamten sind die Teilzeitarbeitsmöglichkeiten - aus überholten beamtenpolitischen Argumenten heraus - begrenzt: zulässig ist sie i. a. nur bei Vorhandensein unversorgter Kinder bzw. Angehöriger (familienpolitische Variante) oder bei

Personalbereitstellung

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Lehrern (arbeitsmarktpolitische Variante). In einigen Ländern gibt es ferner zeitlich begrenzte allgemeine Erweiterungen für Beamte. Für Teilzeitarbeit kommen unterschiedliche Zeitmodelle in Betracht. Neben dem traditionell bedeutsamen „Halbtags-vormittags"-Modell sind auch unkonventionellere Aufteilungen wie Tages-, Halbwochen- oder Wochenwechsel oder sogar längere Rhythmen wie Monats-, Quartals- oder Halbjahreswechsel denkbar. Von der zeitlichen Aufteilung hängt auch die Arbeitsplatzorganisation ab (z. B. zeitlich parallele oder sukzessive Besetzung der Arbeitsplätze). Hier ist auf Job Sharing als aktuelle Variante der Teilzeitarbeit hinzuweisen: Job Sharing bedeutet, daß an einem Vollzeitarbeitsplatz die Arbeit von (mindestens) 2 Teilzeitkräften erledigt wird, die sicherstellen, daß der Arbeitsplatz grundsätzlich während der normalen Arbeitszeit besetzt ist (vgl.z.B. Heymann/Seiwert, 1981, Pahlberg, 1982). Verschiedene arbeitsrechtliche Probleme (z. B. Haftung für das Arbeitsausfallrisiko, Kündigung eines Mitarbeiters) sind noch nicht endgültig gelöst. Das Mitarbeiterinteresse an Teilzeitarbeit ist - vor allem bei Beamten - trotz geringeren Entgelts, schlechterer Versorgung und einiger anderer Nachteile beträchtlich, und zwar nicht nur aus familiären Gründen, sondern auch zur Freizeitgestaltung (vgl.i.e. Reichard/Hein, 1980). Das Angebot attraktiver Teilzeitarbeitsplätze - vor allem in etwas anspruchsvolleren Tätigkeitsbereichen - läßt hingegen zu wünschen übrig. Behörden- und Personalleiter sind immer noch skeptisch und befürchten Mehrkosten, Mehrarbeit und Kooperationsschwierigkeiten. Verschiedene Untersuchungen haben indes gezeigt, daß die Kommunikations- und Kooperationsprobleme lösbar sind und die (kopfzahlbedingten) Personalmehrkosten durch relativ höhere Arbeitsleistungen der Teilzeitkräfte mehr als ausgeglichen werden. Vor allem am Job Sharing angelehnte Organisationsformen, bei denen die Mitarbeiter zeitlich nacheinander am gleichen Arbeitsplatz tätig sind, erscheinen zur Vermeidung vermehrter Raum- und Ausstattungskosten vorteilhaft (vgl. vor allem die fundierte verwaltungsbezogene Nutzwertanalyse von Teilzeitarbeit bei Brüning, 1983).

(4) Bei neuen Mitarbeitern kommt es nicht nur auf den formalen Einstellungsakt an, sondern auch auf dessen gezielte und zugleich motivierende Einführung (vgl. dazu KGSt, 1982 a). Gerade in der Anfangszeit einer neuen Tätigkeit ist der Sozialisationsprozeß besonders schwierig (vgl. zur Sozialisationsproblematik im öffentlichen Dienst z.B. Bosetzky/Heinrich, 1985, Koch, 1983a). Praxisschocks, vorschnelle Resignation, Demotivierung und Enttäuschung sind verbreitete Erscheinungsformen von Einführungsschwierigkeiten (andererseits erscheint eine zu reibungslose Einpassung etwa von Nachwuchskräften in überkommene Verwaltungsstrukturen auch nicht gerade wünschenswert!). Zur Erleichterung der Einstiegsphase kann für neue Mitarbeiter zweifellos eine Menge getan werden (vgl.i.e. KGSt, 1982a). Die Personalstelle kann besondere Einführungsveranstaltungen durchführen und Orientierungsschriften aushändigen (vgl. als Beispiel: Lobert u. a., 1985). Vor allem aber ist die Einführung eine wichtige Managementfunktion des betreffenden Vorgesetzten: Je besser ihm dies gelingt,

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Personalwesen

desto schneller wird der neue Mitarbeiter seine volle Arbeitsleistung erreichen. Einführungsgespräche und Einweisung, Informationsblätter und Einsatz von „Paten" sind geeignete Maßnahmen (vgl. die „Vorgesetzten-Checkliste" in KGSt, 1982 a).

5.5. Personalentwicklung 5.5.1. Grundlagen (1) Personalentwicklung ist ein Konzept, das alle betrieblichen Maßnahmen zur Befähigung und Förderung von Mitarbeitern zusammenfaßt (vgl. zum Thema Personalentwicklung die allgemeine Literatur zum Personalwesen - s. Angaben in 5.1.-, ferner speziell: Berndt, 1986, Figge/Kem, 1982, Heymann/Müller, 1982, Hinterhuber, 1979, Kossbiel, 1982, Mentzel, 1980, Oechsler, 1982 a, Reichard, 1979b und 1982b, Strube, 1982). Im Zentrum des Konzepts steht üblicherweise die Mitarbeiterqualifikation, doch spielt der qualifikationsgerechte Mitarbeitereinsatz eine ebenso große Rolle (vgl. zur begrifflichen und inhaltlichen Entwicklung des Personalentwicklungskonzepts Flohr/Niederfeichtner, 1982, ferner Strube, 1982). Personalentwicklung dient letztlich dem Ziel, administrative Anforderungen sowie persönliche Entwicklungsinteressen der Mitarbeiter stärker aufeinander abzustimmen. Dies hat nicht nur betriebliche Bedeutung (Einsatz fähiger Mitarbeiter in verantwortlichen Positionen), sondern ist auch für Mitarbeiter wichtig. Berufliche Entfaltung wird in unserer Gesellschaft hoch geschätzt und durch verschiedene begleitende Anreize verstärkt (s. 4.3.1.; vgl. zu motivationalen Aspekten der Personalentwicklung auch Reichard, 1982b, S.432f., ferner Dittrich, 1985). Der Gedanke der Personalentwicklung hat erst in jüngerer Zeit an Bedeutung gewonnen. Dies ist zum einen auf dringlicher gewordene innerbetriebliche Bildungsbedarfe infolge beschleunigten technisch-wissenschaftlichen Fortschritts zurückzuführen. Zum anderen ist erst langsam die Erkenntnis gereift, daß Mitarbeiter nicht nur an finanzieller Belohnung, sondern mehr noch an interessanten Tätigkeiten und beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten interessiert sind - was auch mit einem generellen Wertewandel bezüglich der Einstellung zur Arbeit zusammenhängt. Vorübergehend dürfte in den nächsten Jahren, die durch eine restriktive Beförderungssituation im öffentlichen Dienst gekennzeichnet sein werden (s. 5.5.6.), die Notwendigkeit umfassender Personalentwicklung zurückgehen, was indes an deren langfristiger Relevanz nichts ändert. (2) Personalentwicklung ist ein bedeutsames Funktionsfeld des Personalwesens, das mit den anderen Funktionsfeldern in engem Verbund steht und durch die jeweiligen personalpolitischen Leitlinien des Verwaltungsbetriebes geprägt wird. Ausgangspunkt für Personalentwicklungsmaßnahmen sind vor allem die Ergeb-

Personalentwicklung

267

nisse der Personalplanung (s. 5.3.1.): Der künftige Personalbedarf in quantitativer wie qualitativer Hinsicht bestimmt über die Verwendungsplanung (s. 5.5.4.) die Fortbildungs-, Versetzungs- und Beförderungsmaßnahmen (vgl. Mentzel, 1980, S. 147 ff., Wagner, 1982). Das Konzept der Personalentwicklung kann aber auch als wichtiges Element einer Managementkonzeption angesehen werden (vgl. z. B. Reichard, 1973). Es stellt die für verschiedene Managementmodelle erforderliche Qualifizierung und Förderung des Mitarbeiterpotentials sicher und kann - wie erwähnt - positive Motivationswirkungen haben. Bspw. sind Zielbildungs- und Delegationskonzepte oft mit Entwicklungsmaßnahmen gekoppelt. Ferner stehen Personalentwicklung und Mitarbeiter-

Abb.5-8: Standardzyklus der Personalentwicklung

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Personalwesen

führung in enger Verbindung, denn das Fördern und Entwickeln von Mitarbeitern ist eine wichtige Führungsaufgabe von Vorgesetzten (s. a. 4.3.2.): - Einschätzung des vorhandenen Entwicklungspotentials - Beratung von Mitarbeitern hinsichtlich ihrer persönlichen Entwicklung (Fördergespräche; vgl. Mentzel, 1980, S.134ff.) - qualifikationsgerechte schrittweise Aufgabenzuweisung und Tätigkeitsgestaltung (bezüglich Schwierigkeit, Selbständigkeit, Verantwortung) - Anleitung, Kontrolle - Mitarbeiterbeurteilung (s. 5.5.2.) - Vorschläge an Personalstelle zur Fortbildung, Versetzung, Beförderung von Mitarbeitern.

Schließlich haben auch organisatorische Änderungen Einfluß auf die Personalentwicklung: Sich wandelnde Anforderungen haben Fortbildungs- und Umbesetzungsmaßnahmen zur Folge. Anzustreben ist dabei ein möglichst abgestimmter Prozeß der Organisations- und Personalentwicklung: Gleichzeitige Entwicklung der Organisation und ihrer Mitglieder (s. 4.4.1., vgl. allgemein Pitschas, 1981). (3) Ein umfassendes Personalentwicklungskonzept besteht aus den nachfolgend näher geschilderten Komponenten Mitarbeiterbeurteilung, Fortbildung, Verwendungsplanung, Versetzung und Beförderung. Diese Komponenten sind miteinander verbunden und stehen normalerweise in einer bestimmten Abfolge, die man als Standardzyklus bezeichnen kann (s. Abb. 5-8).

5.5.2. Mitarbeiterbeurteilung (1) Mitarbeiter werden von ihren Vorgesetzten - mehr oder weniger regelmäßig im Hinblick auf die von ihnen erbrachte Arbeitsleistung und generell auf ihre Eignung beurteilt. Solche Beurteilungen, die sich meist auf betriebseinheitliche formalisierte Verfahren stützen, sind in allen größeren Betrieben in Wirtschaft wie Verwaltung weit verbreitet (vgl.zu Personalbeurteilungen als Literaturauswahl z.B. Grunow, 1976, Hager/van der Laan, 1979, Hentze, 1980, KGSt, 1975 a, Meixner, 1982, Neuberger, 1980b, Reichard, 1982b und 1983, Schaefer, 1983, J. Schmidt, 1976). In der Privatwirtschaft sind Beurteilungen teilweise in Tarifverträgen vereinbart, im öffentlichen Dienst sind sie zumindest für Beamte vorgeschrieben. Beurteilungen werden hier in das Konzept der Personalentwicklung einbezogen, weil sie ein wichtiges Instrument für nachfolgende Qualifikations- und Förderungsmaßnahmen sein können. (2) Beurteilungen werden zu unterschiedlichen Zwecken und Funktionen durchgeführt. Im öffentlichen Dienst spielen zwei Funktionen eine besondere Rolle: - Selektionsfunktion (Entscheidungshilfe bei Versetzungen/ Beförderungen) - Kommunikationsfunktion (Rückmeldung über Arbeitsleistungseinschätzung durch Vorgesetzte)

269

Personalentwicklung

Die in der Privatwirtschaft ebenfalls bedeutsame Funktion der Entgeltfindung ist für den öffentlichen Dienst nicht relevant. Selektions- und Kommunikationsfunktion unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht (s. Abb. 5-9): Selektion

Kommunikation

Hauptziel

Hilfe bei Personalentscheidungen

Anerkennung/ Kritik durch Vorgesetzten

Adressat

Leitung, Personalabteilung

beurteilter Mitarbeiter

Rolle des Beurteilers

„Richter"

„Berater"

mit Beurteilung verknüpfter Anreiz

Beförderung/ Entgelt

Anerkennung/ Erfolgserlebnis

Abb. 5-9

Seit einiger Zeit wird immer stärker gefragt, ob ein einziges Beurteilungssystem überhaupt in der Lage sein kann, die genannten Funktionen zu erfüllen, oder ob nicht eine Funktionsentflechtung sinnvoller wäre (s.u. Tz7): Während die Selektionsfunktion ein formales, standardisiertes, vergleichbares Verfahren mit zentraler Auswertung in der Personalstelle erfordert, spricht bei der Kommunikationsfunktion alles für eine informelle, nicht aktenkundige, dezentrale Handhabung ausschließlich durch die betreffenden Vorgesetzten. (3) Gegenstand der Beurteilung können allgemeine Persönlichkeits-, vor allem Charaktermerkmale, allgemeine und stellenspezifische Fähigkeiten sowie erbrachte Arbeitsleistungen und Verhaltensweisen sein. Der Beurteilungsmaßstab für diese Aspekte leitet sich aus den - in Arbeitsanalysen gewonnenen - Anforderungsproßlen der jeweiligen Stellen her (s. 5.3.3. und 5.4.2.): wie bei der Personalauswahl ist zu beurteilen, inwieweit ein Mitarbeiter die aus einer Stelle resultierenden Anforderungen erfüllt. Entsprechend den genannten Gegenständen kann man drei Arten von Beurteilungen unterscheiden: - Allgemeine Persönlichkeitsbeurteilungen, die generelle, kaum beobachtbare Charaktermerkmale („Pflichteifer", „Willenskraft") einschätzen, überfordern meist den diagnostisch ungeschulten Vorgesetzten und gelten als wenig aussagefähig. - Befähigungsbeurteilungen, die eine Prognose über künftige Verwendungsmöglichkeiten eines Mitarbeiters aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse abgeben, gelten aufgrund der Zukunftsorientierung ihrer Eignungsaussagen als begrenzt aussagefähig. - Leistungsbeurteilungen, die über Art und Menge erbrachter Arbeitsleistungen sowie über gezeigtes Leistungsverhalten informieren, können - soweit sie sich auf konkrete, beobachtbare Leistungen beziehen (was im öffentlichen Dienst indes nicht

270

Personalwesen durchgängig der Fall ist) - durchaus aussagefahig sein (vgl. zur Praxis in den USA Oechsler,1985a).

(4) Beurteilungen können mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt werden. Grob ist zunächst zwischen freier Beurteilung (freiformulierte, zeugnisartige Darstellung) und gebundenen Methoden zu unterscheiden. Bei letzteren sind vor allem folgende Varianten gebräuchlich (vgl.z.B. Grunow, 1976, Neuberger, 1980b): - Rangordnungsverfahren: die Beurteilten werden entweder insgesamt (summarisch) oder bezüglich einzelner Merkmale (analytisch) in eine Rangreihe gebracht (vgl. zur Fragwürdigkeit solcher Ranglisten in der bayerischen Verwaltung z. B. Wolf, 1986) - Kennzeichnungsverfahren: die Mitarbeiter und ihre Leistungen werden anhand bestimmter, beobachteter Merkmale näher gekennzeichnet (Bsp.: Methoden der kritischen Ereignisse) - Einstufungsverfahren :die Mitarbeiter werden anhand vorgegebener Merkmale mit Hilfe von Skalen bewertet, deren Stufen durch numerische und/oder begriffliche Ausprägungen gebildet werden.

Freie Beurteilungen werden zwar dem Beurteilten besser gerecht, sind aber kaum vergleichbar. Gebundene Verfahren versuchen, typische und häufig vorkommende Beurteilungsfehler (zu typischen Fehlerarten vgl. z. B. AJthoff/Thielepape, 1978, S.211 ff.; zum Mildefehler s.u.) zu begrenzen. Als methodisch zweckmäßig haben sich vor allem Einstufungsverfahren mit kombinierten numerisch-begrifflichen Stufen erwiesen. (5) Das derzeit im deutschen öffentlichen Dienst praktizierte Beurteilungswesen, das allerdings keinesweges einheitlich ist, kann knapp wie folgt gekennzeichnet werden (s.Abb.5-10, vgl.zu verschiedenen Behörden auch D.Müller, 1980): Zweck:

vorwiegend Entscheidungshilfe bei Personalverteilung

Art:

primär Persönlichkeits- und Befahigungs-Beurteilung

Methodik:

sehr unterschiedlich - von vagen Beschreibungen über halbgebundene Verfahren bis hin zu differenzierten Einstufungsskalen

Anlaß:

regelmäßige Bewertung und Sonderfalle (z. B. Beförderung, Übernahme als Lebenszeitbeamter)

Zeitrahmen:

bei Regelbeurteilungen meist 3 bis 5 Jahre

Beurteiler:

z.T. der unmittelbare, nicht selten auch höhere Vorgesetzte.

Abb. 5-10

Diese Beurteilungspraxis muß als weitgehend unbrauchbar bezeichnet werden (vgl. zur Kritik z. B. Neuberger, 1980b, Kubier, 1984; als empirischen Beleg zur Prä-

Personalentwicklung

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xis im Land Berlin: Reichard, 1982e): Der beabsichtigte Zweck wird nicht erfüllt Beurteilungen spielen bei Personalentscheidungen nur selten eine Rolle (allenfalls zur nachträglichen Rechtfertigung!). Die verwendeten Beurteilungskriterien (vielfach: Persönlichkeitsmerkmale) sind schwer meßbar, die Methoden z.T. fragwürdig. Der Zeitrahmen ist mit 3-5 Jahren entschieden zu lang. Eine ausgiebige, offene Rückmeldung vom Vorgesetzten an den Beurteilten im Beurteilungsgespräch findet nur selten statt. Ein Hauptgrund für die mangelnde Verwendung von dienstlichen Beurteilungen bei Personalentscheidungen ist in der Mildetendenz der erteilten Noten zu sehen: Solange Verwaltungsangehörige von ihren Vorgesetzten fast ausschließlich mit gut und sehr gut beurteilt werden, kann man Beurteilungen zu Personalentscheidungen kaum heranziehen - sie sind nicht hinreichend differenziert. Diese Mildetendenz ist vor allem auf den Konflikt des Beurteilers zwischen objektiver, strenger Bewertung und Erhaltung von Mitarbeiterloyalität und Betriebsklima zurückzuführen, den der Vorgesetzte in aller Regel „pro Mitarbeiter" löst (vgl. i.e. Hager/van der Laan, 1979, Reichard, 1983). (6) Nicht zuletzt aufgrund der nachhaltigen Unzufriedenheit mit der Beurteilungspraxis gibt es seit geraumer Zeit Reformbestrebungen. Hier ist vor allem ein Verfahrensvorschlag des Bundesministers des Innern von 1979 (kurz: BMI-Modell) zu erwähnen, der eines der wenigen Überbleibsel der einst großangelegten Dienstrechtsreform ist und auf Vorschläge der Studienkommission zurückgeht (vgl. zum Modell und den bei einer ausgiebigen Erprobung gemachten Erfahrungen: Gaugier u.a., 1981 a, ferner auch Reichard, 1982e). Kerngedanke des Modells ist die Trennung in eine jährlich durchzuführende, vergangenheitsorientierte Leistungsbeurteilung und eine seltener stattfindende, zukunftsgerichtete Befähigungsbeurteilung. Mit der Leistungsbeurteilung werden Arbeitsmenge, -gute, -weise und Führungsqualität in Einstufungsskalen bewertet. Ihr sollen zu Beginn des Beurteilungszeitraums in einem Konsensgespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter vereinbarte Leistungsvorgaben vorangehen. Die Befähigungsbeurteilung arbeitet mit einem standardisierten Merkmalskatalog, aus dem der Beurteiler jeweils relevante Befähigungsmerkmale auswählt. Während es für die Leistungsbeurteilung eine Gesamtnote gibt, deren Ausprägungen durch Quotenvorgaben begrenzt werden, gibt es eine solche bei der Befähigungsbeurteilung nicht. Die Erprobung des BMI-Modells hat gezeigt, daß sich das Grundkonzept bewährt hat (vgl. Gaugier u. a., 1981 a). Als problematisch hat sich u. a. der erhebliche Zeitaufwand erwiesen, den Vorgesetzte beim Vollzug des Modells aufbringen müssen. Auch konnte die Mildetendenz bei dienstlichen Beurteilungen trotz Quotierung kaum abgebaut werden. Die Bereitschaft, das B MI-Modell beim Bund oder gar in Ländern und Kommunen einzuführen, scheint derzeit gering zu sein.

(7) Abschließend fragt es sich, wie es mit dem Beurteilungswesen im öffentlichen Dienst zukünftig weitergehen soll. Im Prinzip gibt es drei Entwicklungsrichtungen:

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a) Fortsetzung der bisherigen unbefriedigenden Beurteilungspraxis b) Einführung eines differenzierten und formalisierten Beurteilungssystems im Sinne des BMI-Modells c) Verzicht auf formale Beurteilungen, stattdessen Förderung regelmäßiger informeller Personalführungsgespräche und Einsatz von Personalauswahlmethoden bei Versetzungen/Beförderungen. Inzwischen mehren sich die Zweifel, daß es einem ausgebauten formalisierten Beurteilungssystem gelingen könnte, die offenbar grundlegenden kulturellen, strukturellen und verhaltensbedingten Hemmnisse einer formalen Personalbeurteilung im deutschen öffentlichen Dienst zu beseitigen (vgl. vor allem Neuberger, 1980 b, Reichard, 1983, Kubier, 1984, Oechsler, 1984, S. 916). Vielmehr spricht einiges für die Variante c) der o.g. Entwicklungsrichtungen, d.h. für den Verzicht auf die ständige „rituelle (Selbst-) Täuschung" (Neuberger, 1980b) durch formale Beurteilungen. Statt dessen könnte man Beurteilungen informell im Rahmen regelmäßiger Personalführungsgespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern praktizieren und die - z. Z. eher seltenen - Personalentscheidungen statt auf aussageschwache Beurteilungen auf immerhin etwas aussagefähigere Auswahlmethoden (s. 5.4.2.) stützen. Der damit verbundene Aufwand dürfte im Vergleich zum Beurteilungswesen insgesamt voraussichtlich zudem geringer sein. Dieser Verzicht auf formale Beurteilungen setzt allerdings dienstrechtliche Änderungen voraus, denn bislang sind formale Beurteilungen zumindest für Beamte vorgeschrieben. Dies erfordert wiederum einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers, der allerdings vorerst nicht unbedingt erkennbar ist. So bleibt wohl bis auf weiteres doch alles beim alten ...

5.5.3. Fortbildung (1) Betriebliche bzw. dienstliche Fortbildung hat als zentrale Komponente der Personalentwicklung die Aufgabe, die Organisationsmitglieder im Hinblick auf vorhandene resp. künftige Arbeitsanforderungen unter Berücksichtigung ihrer eigenen Entwicklungsinteressen zu qualifizieren (vgl. als Literaturauswahl z. B. Brinkmann, 1976, Bunge, 1985, Dammann u.a., 1976, Meixner, 1984, Mentzel, 1980, Reichard, 1976 und 1982b, Stiefel, 1982). Aus- und Fortbildung grenzen sich - trotz zahlreicher Überlappungen - wie folgt ab: ^i/Aildung vermittelt die berufsrelevante Erstqualifikation, Fortbildung liefert tätigkeitsbezogene Zusatz- und Fortführungsqualifikationen und unterscheidet sich insofern von der eher allgemeinbildenden Weitelbildung. (2) Fortbildung dient unterschiedlichen Zwecken. Einer verbreiteten Gliederung zufolge werden folgende Kategorien unterschieden (vgl. Mattern, 1979): - Anpassungsfortbildung (Qualifikationsanpassung an sich ändernde Anforderungen bestehender Arbeitsplätze)

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- Änderungsfortbildung (Umschulung für neue Arbeitsgebiete, etwa infolge technologischer Arbeitsplätze) - Förderungsfortbildung (Qualifizierung für Aufstieg in höherbewertete Positionen). Ziel solcher Qualifizierungsmaßnahmen ist nicht Wissensvermittlung schlechthin, sondern Stärkung der Handlungsfähigkeit von Mitarbeitern: Fortbildung soll also zu ziel- und anforderungsgerechtem Handeln der fortgebildeten Mitarbeiter führen. (3) Fortbildung hat seit längerem einen zunehmenden Stellenwert im öffentlichen Dienst, wie auch von der Studienkommission (1973) festgestellt worden ist. Anpassungs- und Änderungsfortbildung haben vor allem aufgrund rascheren Aufgabenwandels und technischen Fortschritts größere Bedeutung. Mitarbeiterfortbildung ist unerläßliche Voraussetzung zur Flankierung von Verwaltungsreformprojekten, von neuen Managementkonzepten etc. (vgl. dazu als Beispiel aus Berlin die Empfehlungen der Enquete-Kommission, 1984, S. 18). Förderungsfortbildung ist einerseits aufgrund höherer Laufbahndurchlässigkeit wichtiger geworden, andererseits aufgrund derzeitigen „Beförderungsstaus" weniger attraktiv. Umsomehr ist zu fordern, daß Beförderungen - vor allem von Führungskräften - eine angemessene Fortbildung vorauszugehen hat. (4) Fortbildung kann grundsätzlich am Arbeitsplatz („on the job") oder in besonderen Veranstaltungen („off the job") stattfinden. Die meisten Gestaltungsempfehlungen beziehen sich auf die zweite Variante. Man darf indes nicht übersehen, daß Lernen am Arbeitsplatz in zahlreichen Formen - Problemlösungen im laufenden Aufgabenvollzug, Stellvertretung, Rotation, Ausführung von Sonderaufgaben ständig stattfindet und eine Reihe von Vorteilen hat (vgl. KGSt, 1984b, Mentzel, 1980, S.178ff.): Das Lernen ist unmittelbar tätigkeitsbezogen, die Transferprobleme sind gering. Allerdings dürfte das Einüben neuen Wissens und die Veränderung tradierter Verhaltensweisen schwieriger sein, als „off the job". Auch mangelt es internen Trainern häufig an der erforderlichen Qualifikation. Insgesamt ist die arbeitsplatzbezogene Mitarbeiterqualifizierung auch eine wichtige Managementfunktion, und Vorgesetzte haben - über schrittweise Anforderungsanpassung, Entscheidungsdezentralisierung, Information und Kontrolle - hier wichtige Führungsaufgaben wahrzunehmen (s. a. 4.3.2., vgl. ferner Stiefel, 1981). Personalentwicklungsstrategien kombinieren vielfach arbeitsplatzbezogene und seminaristische Fortbildungsformen - z. B. bei der Nachwuchskräfteförderung, bei Rotationsprogrammen (s. a. 5.5.5.) -, indem Mitarbeiter durch Seminare auf neue Aufgaben vorbereitet werden, in neuen Tätigkeiten lernen, wieder auf neue Aufgaben vorbereitet werden usw. (5) Die derzeitige Praxis der dienstlichen Fortbildung entspricht nicht immer den skizzierten Ansprüchen. Die Fortbildungsinhalte entsprechen häufig nicht dem bestehenden Bedarf, die Mitarbeiter erfahren oft nur zufällig von bestimmten

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Angeboten, werden nicht selten von Vorgesetzten eher gehindert als gefördert. Auswahlkriterium ist häufig die Abkömmlichkeit von Mitarbeitern. Die Anreize für Lernbemühungen sind gering, die Erfolge mitunter ebenfalls. Auch bei der didaktischen Gestaltung gibt es manches zu verbessern. Obwohl es inzwischen beim Bund und in einigen Ländern gut funktionierende Verwaltungsakademien gibt (vgl. z. B. Mattern, 1979), herrscht immer noch ein rechter „fortbildungspraktischer Wildwuchs" (Schimmelpfennig, 1978, S. 67). (6) Ein Fortbildungskonzept, das der Personalentwicklung dient, sollte gemäß folgender Gestaltungsempfehlungen aufgebaut werden (vgl.i.e. Reichard, 1982b, ferner die „Allgemeinen Grundsätze für die dienstliche Fortbildung in der öffentlichen Verwaltung" von 1977, wiedergegeben bei Schimmelpfennig, 1978; als positives Beispiel für eine konzeptionsgerechte Fortbildung: Hoefert/Rosemeier, 1980): (a) Fortbildungsaktivitäten sollten auf der Basis einer systematischen, auf der Personal- und Verwendungsplanung (s.a. 5.3.1.und 5.5.4.) beruhenden Fortbildungsplanung für einzelne Mitarbeitergruppen stattfinden. Die Fortbildung von Mitarbeitergruppen sollte regelmäßig erfolgen; dementsprechend sind Fortbildungssequenzen statt unverbindliche Einzelmaßnahmen gefordert. Die Aktivitäten sollen sich am konkreten Fortbildungsbedarf orientieren, der mit Hilfe sorgfältiger Bedarfsanalysen, nicht zuletzt auch aufgrund von Beurteilungsgesprächen ermittelt wird. (b) Fortbildung setzt Lernbereitschaft voraus, die ihrerseits außer durch generelle Einstellungen auch durch die gebotenen Anreize bestimmt wird. Ein zentraler Fortbildungsanreiz ist zweifellos in verbesserten beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten zu sehen. Daneben spielt allerdings auch der Grad der Umsetzungsmöglichkeit des Gelernten in das eigene Handeln sowie die Vorgesetzten- und Kollegeneinstellung gegenüber Fortbildungsbemühungen eine Rolle. (c) Der Fortbildungserfolg hängt vielfach auch von der „richtigen" Zielgruppe, inbesondere von einer homogenen Teilnehmerzusammensetzung ab (vgl. Schäffter, 1981, Volk, 1979): je mehr die Teilnehmer in ihren Rollen und Interessen miteinander übereinstimmen, desto konkreter können bestehende Praxisprobleme in einer Veranstaltung behandelt werden. Besonders günstig ist es, wenn sich Mitarbeiter eines (kleineren) Verwaltungsbereiches geschlossen fortbilden. Dann sind Veränderungsbereitschaft und Umsetzungschancen für das Gelernte wesentlich höher als bei Entsendung nur einzelner Mitarbeiter; es stellt sich sozusagen ein „kritischer Masse-Effekt" ein. (d) Fortbildungsveranstaltungen müssen problem- und zielgruppengerecht didaktisch gestaltet werden (vgl. auch Reichard 1976 und 1978 b). Dabei kann folgendem 4-Phasen-Schema gefolgt werden: - Problemfindung (bezogen auf konkrete Handlungsprobleme der Teilnehmer) - Wissensvermittlung zur Problemlösung - Wissensanwendung auf die Teilnehmerprobleme - Hilfe beim Wissenstransfer in die tägliche Arbeitssituation. Die Stufen l und 4sind meist die neuralgischen Punkte in der Fortbildungsarbeit: wenn es nicht gelingt, die Inhalte auf konkrete Teilnehmerbedürfnisse und -probleme

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zu beziehen und das Gelernte dann „back home" in verändertes Handeln am Arbeitsplatz umzusetzen, ist Fortbildung weitgehend wirkungslos (vgl. zum Transferproblem z. B. Döring, 1978, Saul/Stiefel, 1981). Im Idealfall fallen hingegen die Aktivitäten zur Fortbildung und zur Organisationsänderung zusammen („Organisationsentwicklung durch Fortbildung", s.4.4.1., vgl. Pitschas, 1981): Mitarbeiter in einem problembehafteten Bereich finden sich zusammen, analysieren und lösen ihre Probleme und bilden sich zugleich (z. B. in bestimmten Methoden) fort. Herkömmliches Seminar, arbeitsplatzbezogene Expertenberatung und interne Mitarbeiterbesprechung verknüpfen sich hierbei. Eine Fortbildungsform, die diesen Vorstellungen nahekommt, ist das Werkstattseminar, in dem organisationsbezogene Problemfmdung und -lösung stattfindet (vgl. z. B. Schnelle, 1978). (e) Fortbildung bedarf trotz aller Meß- und Zurechnungsprobleme sorgfältiger Erfolgskontrolle. Wenn Fortbildung vor allem zu vermehrter Handlungsfähigkeit der Mitarbeiter führen soll, muß sie sich letztlich - wenn oft auch nur langfristig - in verändertem Verwaltungshandeln niederschlagen. Herkömmliche Seminarfragebögen sind da weniger hilfreich, aber durch verschiedene Evaluierungsmethoden - insbesondere durch Beobachtungen und Analysen sowie durch Kontaktpflege in den entsendenden Behörden - können durchaus Anhaltspunkte gewonnen werden (vgl. als Beispiel zur Evaluierung von Management-Trainings Berthold u.a., 1980, Fisch/Fiala, 1984, zur Methodik auch Krell, 1983).

5.5.4. Verwendungsplanung (1) Personalentwicklung bedarf auch - wie der Standardzyklus in Abb. 5-8zeigt planerischer und steuernder Impulse. Sollen Mitarbeiter durch Entwicklungsmaßnahmen qualifiziert und gefördert werden, so ist dazu auch eine Planung der vorgesehenen Fortbildungs- und Verwendungsmaßnahmen erforderlich. In besonderem Maße ist das bei systematischem Stellenwechsel geboten (s. 5.5.5.). Eine solche Verwendungsplanung, die sowohl horizontale wie vertikale Bewegungen (Versetzungen und Beförderungen) umfaßt, baut auf den Ergebnissen der allgemeinen Personalplanung auf (s. 5.3.1.) und berücksichtigt durchschnittliche Verweilzeiten der Mitarbeiter auf den Hierarchieebenen sowie bestehende Beförderungserwartungen (vgl.i.e. Meixner, 1982, S.91ff., ferner Berthel/Koch, 1985, H.Koch, 1981). (2) Verwendungsplanung findet unter zwei Aspekten statt: - Konstruktion allgemeiner Verwendungsfolgen für bestimmte Laufbahnen, ggf. differenziert nach „Karrieretypen". Solche Verwendungsfolgen können auf Erfahrungen aufbauen (bewährte/häufige Karriereverläufe, z. B.: bestimmter Wechsel zwischen Stab und Linie) und zeigen sinnvolle Karriereverläufe auf (vgl. zu Karriereverläufen und Phasen auch Berthel/Koch, 1985). Obwohl diese Folgen zweifellos nie verbindlich sein können, sondern lediglich Entwicklungsperspektiven aufzeigen, sind sie der traditionellen informellen „Gerüchteküche" über Fortkommensmöglichkeiten überlegen. Derartige Karrierepfade - die natürlich regelmäßiger Revision bedürfen - dürften vor allem in Sonderlaufbahnen (technischer Dienst, Sozial- und Pflege-

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Personalwesen dienst usw.), aber auch im Angestelltenbereich zur Konstruktion fachlicher Verwendungsfolgen interessant sein. Zukünftig werden sie aber auch für Konzepte systematischen Stellenwechsels (s. 5.5.5.) bedeutsam werden, um darzustellen, wie eine angemessene „Verwendungsbreite" erlangt werden kann. - Personenbezogene Perspektivplanung, die eher mittelfristig z. B. über 5 Jahre für den einzelnen konkreten Mitarbeiter über max. 2-3 Hierarchiestufen betrieben wird. Auch hier geht es um die planerische Darstellung sowohl horizontaler wie vertikaler Veränderungen.

Die Kenntnis allgemeiner und individueller Entwicklungsperspektiven kann die Langfrist-Motivation von Mitarbeitern („job involvement", vgl. Hoefert, 1979) fördern. (3) Eine Zielgruppe, mit der sich Verwendungsplanung insbesondere befassen sollte, ist der Führungsnachwuchs. Die systematische Heranführung von Führungskräften an ihre Managementaufgaben ist ein wichtiger „Hebel" zur Effizienzförderung im öffentlichen Dienst (vgl. Banner, 1980 a). Dies geschieht jedoch bislang in der öffentlichen Verwaltung noch kaum, wie auch die „Kommission zur Überprüfung von Verbesserungsmöglichkeiten in der Hamburger Verwaltung" (1981, S. 86) oder die Berliner Enquetekommission zur Verwaltungsreform (1984, S. 18) beklagen. Die Privatwirtschaft ist mit Traineeprogrammen (s. a. 5.5.5.) und individuellen Karriereplanungssystemen weiter. (4) Ein nützliches Instrument der Verwendungsplanung ist die Verwendungs- und Förderkartei, die sich auf Potentialerhebungen bei Vorgesetzten und auf Mitarbeiterbefragungen über bestehende Entwicklungsbedürfnisse stützen kann (vgl. Mentzel, 1980, S. 114 ff., allgemein zu Instrumenten der Verwendungsplanung Berthel/ Koch, 1985). Evtl. können auch Mentoren als Betreuer und „Karriereberater" von Nachwuchskräften hilfreich sein, wie amerikanische Erfahrungen zeigen (vgl. Klauss, 1981).

5.5.5. Versetzung (1) Unter Versetzung wird im folgenden jeder horizontale Stellenwechsel verstanden, d.h. jede Positionsveränderung auf gleicher Hierarchie- bzw. Bezahlungsstufe. Insofern wird über die engere dienstrechtliche Begriffsabgrenzung hinausgegangen und auch die „Umsetzung" (Stellenwechsel innerhalb der Dienstbehörde) sowie die „Abordnung" (vorübergehender Stellenwechsel) einbezogen, letztere zumindest, soweit sie über einen Zeitrahmen von etwa einem Vierteljahr hinausgeht. Von der Versetzung als horizontaler Bewegung wird die Beförderung als vertikale Bewegung im Stellensystem abgegrenzt (s. Folgeabschnitt 5.5.6.). Anzumerken ist noch, daß es „Abwärtsbewegungen" i. S. von Rückstufung bzw. Degradierung wegen Leistungsmängeln im öffentlichen Dienst so gut wie nicht gibt; entsprechende Reformpläne der Bundesregierung erscheinen wenig realistisch. Die Kombination typi-

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scher resp. empfehlenswerter Stationen in solchen horizontalen und vertikalen Bewegungsverläufen ergibt die oben bereits dargestellten Verwendungsfolgen (s. 5.5.4.). Von der gelegentlichen, eher zufälligen Versetzung, die oft nach Gutdünken des Dienstherrn, zufälligen Vakanzen oder aufgrund kurzfristig erkannter Engpässe stattfindet, ist ein systematischer, geplanter, regelmäßiger Wechsel des Arbeitsgebietes zu unterscheiden. Dieser letztere Aspekt - im folgenden als Rotation bezeichnet - ist hier unter dem Personalentwicklungsgesichtspunkt von Interesse. (2) Obwohl ein gewisser Stellenwechsel im Laufbahnbild des Beamten seit jeher angelegt ist, ist die horizontale Mobilität im öffentlichen Dienst ziemlich begrenzt. Dies gilt für den Angestelltenbereich in noch stärkerem Maße als bei Beamten, weil Angestellte im Prinzip für eine bestimmte Tätigkeit und nicht für eine Laufbahn eingestellt werden. Stellenwechsel hat eher ein negatives Image („Strafversetzung") und wird soweit wie möglich gemieden (vgl. auch Bosetzky, 1976 b). Behördenintern ist eine gewisse Mobilität - vor allem bei jüngeren Mitarbeitern meist noch verbanden, wenngleich amts- bzw. abteilungsübergreifende Wechsel auch eher die Ausnahme sind. Der Wechsel zwischen verschiedenen Behörden, insbesondere auch verschiedener Ebenen (z. B. staatliche - kommunale Verwaltung), ist hingegen sehr gering (vgl.die Befunde in: Kommission ... Hamburg, 1981, S. 84 ff., ähnlich auch Damkowski, 1981, S. 303 f.). Ein Personalaustausch zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft schließlich findet - im Gegensatz etwa zu den USA - so gut wie nicht statt. Eine gewisse Ausnahme bilden - neben der Verwaltungsausbildung selbst - die Einarbeitungsphasen (,,zur-Anstellungs"-Zyklen) in verschiedenen Laufbahngruppen nach abgeschlossener Ausbildung, in denen unterschiedliche Tätigkeitsbereiche durchlaufen werden sollen (wenngleich das Verfahren in der Praxis auch nicht selten zu vorschneller Planstellensicherung degeneriert ist). Die Wiederbelebung solcher „z. A.-Zyklen" erscheint dringend geboten. Vorbild können dabei die Traineeprogramme sein, die in der Privatwirtschaft vor allem in Großunternehmungen für den Führungsnachwuchs eingerichtet worden sind (vgl. Thom/Ferring, 1982). (3) Zur Schaffung eines Rotationskonzepts werden folgende Gestaltungsempfehlungen gegeben (vgl. auch die durchaus vorbildlichen „Hinweise für den Arbeitsplatzwechsel in der Landesverwaltung" des Innenministeriums Baden-Württemberg, 1980, ferner die Vorschläge der Berliner Enquetekommission, 1984, S. 19 und der Kommission Neue Führungsstruktur Baden-Württemberg, 1985): - Rotationsprogramme fördern berufliche Mobilität; sie können sowohl zur Tätigkeitsgestaltung beitragen („Job Rotation", s. a.4.2.2.3.), als auch arbeitsplatzorientierte Fortbildungsmaßnahmen sein („Training on the job", s. 5.5.3.). - Voraussetzung ist ein tragfahiges Gesamtkonzept der Personalentwicklung, vor allem eine umfassende Personalplanung, insbesondere Verwendungsplanung (s. 5.3.1.und 5.5.4.) sowie vorbereitende und begleitende Fortbildung (s. 5.5.3.); ferner sollten Anforderungsprofile der in das Rotationsprogramm einzubeziehenden

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Stellen sowie Befähigungsprofile der zu berücksichtigenden Mitarbeiter verfügbar sein (s. 5.4.2.), um die „rotierenden" Mitarbeiter den richtigen Stellen zuzuweisen. Schließlich müssen die internen und externen Stellenausschreibungen (s. 5.4.1.) funktionieren, damit freie Stellen rechtzeitig bekannt werden. Hier liegen für eine zentrale Personalstelle wichtige Koordinierungsaufgaben (vgl. die Vorschläge in: Kommission ... Hamburg, 1981, S. 123 f.) Rotationsprogramme sollten auf jeden Fall den Führungsnachwuchs erfassen, dessen sorgfältige Heranbildung und Förderung - wie erwähnt - ein wichtiger Effizienzbeitrag sein kann. Sinnvoller erscheint es, wenn Nachwuchskräfte allgemein, der gehobene sowie höhere nichttechnische Dienst und soweit wie möglich auch Angestellte - ggf. bis zu gewissen Altersgrenzen - einbezogen werden (Baden-Württemberg sieht z. B. Rotation insbes. für Nachwuchskräfte und für Beförderungskandidaten vor, bei letzteren vor allem als Voraussetzung für Aufstieg in eine höhere Laufbahn sowie für Leitungs- und Spitzenpositionen). Problematisch erscheint die Verbindlichkeit von Rotationsprogrammen für die Mitarbeiter. Einerseits ist ein möglichst umfassender „Pool" an Rotationswilligen erstrebenswert, andererseits wird Rotation nur freiwillig, nicht aber „zwangsweise" funktionieren können (s. u. „Anreize"). Präferenzen der Mitarbeiter für bestimmte Bereiche sollten weitgehend berücksichtigt werden. Die Verweilzeit pro Stelle wird im Verwaltungsbereich, je nach Schwierigkeitsgrad der Position, zwischen 2 und 5 Jahren Hegen. Den Mitarbeitern sind Rotationsempfehlungen zu geben, die sinnvolle Verwendungsfolgen kennzeichnen. Dabei soll möglichst auch ein Wechsel der Verwaltungsebenen und -funktionen stattfinden (z. B. Ministerial-XKommunalverwaltung, zentrale/nachgeordnete Behörden, Stab/Linie), ggf. durch Rückkehrzusagen des Dienstherrn abgesichert. Mitarbeiter werden Rotationsprogrammen solange reserviert gegenüber stehen, wie ihnen nicht zugkräftige Anreize geboten werden. Der wichtigste Anreiz besteht ohne Zweifel darin, daß die betreffende Behörde glaubhaft eine Personalpolitik verfolgt, nach der nur derjenige befördert wird, der zuvor durch erfolgreiche Rotation eine hinreichende „Verwendungsbreite" erworben hat. Ferner spielt aber auch die Anerkennung des Rotationskonzepts durch Vorgesetzte und Kollegen eine Rolle, was sicher einen längeren Bewußtseinswandel erfordert.

Die Vor- und Nachteile eines Rotationskonzepts sehen aus Dienstherrensicht sicher anders aus als aus Mitarbeiterperspektive (vgl.i.e. Bosetzky, 1976b, Innenministerium Baden-Württemberg, 1980, Meixner, 1982, S. 243 f. u. 327 f.). Unter dem ersten Aspekt sind vor allem das breitere, ganzheitliche Wissen sowie die höhere Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter, der Abbau von Ressortegoismen und Betriebsblindheit, die verbesserten Kooperationsmöglichkeiten infolge vorhandener Erfahrungen und Kontakte, der flexiblere Personaleinsatz als Vorteile zu verbuchen. Dem stehen ein gewisser Verlust an Erfahrungswissen und Spezialfähigkeiten, höhere Einarbeitungsschwierigkeiten sowie geringere Kontinuität in der Personalbesetzung als Nachteile gegenüber. Insgesamt werden i. a. die Vorteile für den Verwaltungsbetrieb höher bewertet.

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Aus Mitarbeitersicht werden dem positiven Aspekt der abwechslungsreicheren Arbeit ohne Zweifel sozialpsychologische Schwierigkeiten gegenüberzustellen sein. Die Beharrung am angestammten Arbeitsplatz in der vertrauten Kollegengruppe („Nestwärme") wird häufig dem unbekannten, mitunter Ängste auslösenden neuen Tätigkeitsbereich vorgezogen. Ferner wird - bei herkömmlicher Beförderungspolitik nicht unberechtigt - ein Sinken der Aufstiegschancen befürchtet (vgl.i.e. Bosetzky, 1976b). Nur wirksame Anreize und eine glaubhafte, konsequente Personalpolitik werden hier wohl einen Einstellungswandel gegenüber der Rotation bei Verwaltungsmitarbeitern fördern können.

5.5.6. Beförderung (1) Beförderung bedeutet Aufrücken im formalen Rang- und Bezahlungssystem einer Organisation (vgl. Bosetzky, 1976 a). Sie sollte auch mit einem Wechsel des Arbeitsgebietes, d. h. der Übertragung einer schwierigeren Aufgabe verbunden sein, kann indes - wie im öffentlichen Dienst bislang durchaus üblich - auch ohne Funktionsveränderung stattfinden. (2) Beförderungen haben einerseits den Zweck, Personal zielgerecht auf Stellen zu verteilen, andererseits haben sie Anreiz- und Belohnungsfunktion. Unter dem erstgenannten Aspekt kommt es darauf an, möglichst nur die fähigsten Mitarbeiter herausgehobenen Positionen zuzuordnen. Dabei sind, wie erneut klarzustellen ist, aussagefähige Instrumente der Personalsteuerung unerläßlich (Personal-, insbesondere Verwendungsplanung, analytische Stellenbewertung, Auswahlverfahren etc.). Trotz notwendiger Personalentwicklungsplanung werden Beförderungsprozesse stets auch von Zufallseffekten bestimmt: Welche Stellen zufällig freiwerden und welche „Fortpflanzungseffekte" daraus für die gesamte Organisation auf allen Ebenen resultieren - insbesondere bei Vakanzen auf der oberen Hierarchieebene und bei ungünstigen Beförderungsaussichten, wo jede sich bietende Chance genutzt werden muß -, hat erhebliche Auswirkungen auf Karriereverläufe (vgl. zur erneuerungstheoretischen Erklärung solcher Vakanzeffekte Sadowski, 1981, S. 94). Beförderung ist die klassische Belohnungsform in bürokratischen Organisationen. Verwaltungsmitarbeiter haben meist ein starkes Interesse an Aufstieg, zumal dieser mit anderen Belohnungen wie interessantere Tätigkeit, Macht-, Prestige- und Einkommenszuwachs gekoppelt ist (s. a.4.3.I.). Die Anreizwirkung von Beförderungen wird durch die jeweilige Beförderungspraxis, die bestehenden Aufstiegschancen, die Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Tätigkeit und durch das Alter bestimmt (vgl. Luhmann/ Mayntz, 1973, S. 262 f.). Die Aufstiegszufriedenheit war im öffentlichen Dienst infolge günstiger Chancen bisher relativ hoch, geht jetzt aber drastisch zurück (s.u. Tz 3, vgl. ferner die empirischen Befunde in bezug auf kaufmännische Angestellte bei Rippe/Pippke, 1981).

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(3) Die Beförderungssituation im öffentlichen Dienst ist durch beamtenrechtliche Beharrungstendenzen, personalpolitische Fehlentwicklungen und ungünstige strukturelle Perspektiven gekennzeichnet (vgl. ausführlich Meixner, 1982, S. 90 ff.). Trotz einer etwas verstärkten Leistungsorientierung durch formale Aussetzung von Regelbeförderungen und deutlicheren Funktionsbezug der Beförderungen ist das seit langem kritisierte Laufbahngefüge im öffentlichen Dienst von der Bundesregierung bislang nicht reformiert worden (vgl. König/Kind, 1980, Schelo, 1982). Der Studienkommissions-Vorschlag (1973) zu flexiblen Funktionsgruppen anstelle starrer, oft untereinander abgeschotteter Laufbahngruppen wurde nicht aufgegriffen. In den „fetten" 70er-Jahren fand eine verhängnisvolle unreflektierte Beförderungspraxis statt, die Altersstrukturen und Durchschnittsverweilzeiten kaum in Rechnung stellte. Durch allgemeine Stellenvermehrung und kräftige Ausweitung der Stellenobergrenzen wurden wesentlich mehr Beförderungsämter geschaffen, die ohne Beachtung stellenkegelbedingter Verweilzeiten möglichst rasch mit jungen Mitarbeitern besetzt wurden. Infolge der öffentlichen Finanzkrise können zusätzliche Stellen jetzt und in absehbarer Zukunft nicht mehr geschaffen werden. Die Folge ist ein Beförderungsstau: Mitarbeiter können trotz vorhandener Qualifikation nicht mehr befördert werden, weil alle Beförderungsstellen mit relativ jungen Kollegen auf Jahre hinaus besetzt sind und neue Stellen nicht mehr eingerichtet werden (vgl. Meixner, 1982, S. 98 ff.). Der „klassische Bürokratenanreiz" Beförderung hat mithin für die kommenden Jahre an Wirksamkeit verloren (erst ab etwa 1995 dürfte es wieder erheblichen Ersatzbedarf geben ...). Die Beförderungserwartungen der Mitarbeiter haben sich indes noch nicht auf diese Chancenverschlechterung eingestellt - die positive Vergangenheit wirkt noch nach.

(4) Im Hinblick auf eine Neugestaltung der Beförderungspolitik kommt es vor allem auf zwei Aspekte an: Man wird sich erstens im staatlichen Leistungsanreizsystem auf andere, insbesondere mehr tätigkeitsorientierte Leistungsanreize umorientieren (s. 4.3.1.) und Mitarbeiter wie Bewerber über die neue Situation aufklären müssen. Zweitens sollten die geringen Möglichkeiten zur Beförderung künftig möglichst sorgfältig und gerecht genutzt werden. Dabei sind auf der Grundlage von Personalund Verwendungsplanung unter Beachtung der Altersstrukturen den verschiedenen Jahrgangsgruppen von Mitarbeitern möglichst gleiche Beförderungschancen einzuräumen (Jahrgangsquotierungen), um auch zukünftigen Generationen Chancen zu erhalten. Außerdem wird es künftig angesichts verknappter Beförderungsmöglichkeiten besonders auf eine methodisch sorgfältige, sachorientierte Entscheidungspraxis bei Beförderungen ankommen, damit die wenigen Stellen wenigstens anforderungsgerecht besetzt werden (zur Nutzung von Auswahl- und Entwicklungsinstrumenten s.5.4.2.und 5.5.2.-5.5A). Eine angemessene Verwendungsbreite, die durch Rotation erworben werden kann (s. 5.5.5.), sollte künftig unerläßliche Voraussetzung für Beförderungen sein.

Personalvenvaltung

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5.6. Personalvenvaltung (1) Unter Personalverwaltung werden alle Funktionen des Personalwesens zusammengefaßt, die der laufenden routinemäßigen Abwicklung der Personalangelegenheiten dienen, soweit dabei nicht ein anderes Funktionsfeld des Personalwesens (s.5.3,-5.5.) angesprochen ist. In der Praxis der öffentlichen Verwaltung steht die Funktion Personalverwaltung meist im Vordergrund der Personalarbeit, oft unter Vernachlässigung anderer Funktionsfelder (s. 5.2.). Typische Aufgaben der routinemäßigen Personalverwaltung sind bspw.: - Stellenwirtschaft (s. u.) - Personalaktenführung (Sammlung personenbezogener Urkunden und Vorgänge) - laufende Aufzeichnungen über Mitarbeiter, z. B. Datenänderungen (Stellenwechsel, Familienstand, Urlaub etc.) - Entgeltabrechnung und damit zusammenhängende Tätigkeiten - Personalfürsorge (z.B. Arbeitssicherheit, Mutterschutz, Arbeitsbedingungen, Gesundheitsvorsorge, soziale Eingliederung, Wohnungsvermittlung; vgl. i.e. Joerger/Geppert, 1983 II, S. 208) - Personalstatistik, ggf. Personalkostenrechnung.

(2) Mit Stellenwirtschaft ist die Abwicklung der mit der Stellenbildung und -besetzung zusammenhängenden Finanzwirtschaftlichen Aufgaben gemeint (s.a. Abb. 5-3). Durch Stellenwirtschaft wird dafür gesorgt, daß die für die Bezahlung der Mitarbeiter erforderlichen Finanzmittel im Haushaltsplan eingeplant und auch tatsächlich verfügbar sind. Dazu ist zunächst ein Stellenplan aufzustellen und fortzuschreiben, der erläuternder Bestandteil des Haushaltsplanes ist und der die Anzahl der für erforderlich erachteten Stellen für planmäßige Dienstkräfte, gegliedert nach Dienstverhältnissen und Entgeltgruppen, enthält. Er ist der haushaltsrechtliche Rahmen für die Personalarbeit und erlaubt die Bildung und Besetzung der darin vorgesehenen Stellen. Der Stellenplan hat auch enge Bezüge zur organisatorischen Gestaltung (Stellenbildung, s. 4.2.2.1.); aus ihm wird der Geschäftsverteilungsplan als Aufgaben- und Zuständigkeitsübersicht abgeleitet. Der Stellenbedarf wird mit Hilfe von Personalbemessungsverfahren ermittelt (s. 5.3.2.) und kann anhand von Richtwerten fortgeschrieben werden. Im jeweiligen Haushaltsjahr wird sodann der Stellenplan personalwirtschaftlich vollzogen, d.h. es werden Mitarbeiter eingestellt, eingesetzt, freigesetzt, versetzt, befördert usw. Dazu gehören auch Stellenumwandlungen (z.B. Angestellten- in Beamtenstellen) oder Stellenverlagerungen in andere Verwaltungsbereiche. Im laufenden Jahr können ferner verschiedene unvorhersehbare Änderungen eintreten (freiwerdende Stellen, Ende von Beurlaubungen, pauschale Stellenstops usw.), die ebenfalls stellenwirtschaftliche Maßnahmen erforderlich machen. (3) Ein derzeit kontrovers diskutiertes Instrument der Personalverwaltung sind Personalinformationssysteme (vgl. zum Überblick z. B. Henss/Mikos, 1984, Hentschel,

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Personalwesen

1981, Joerger/Geppert, 1983 II, S.280ff., Kadow, 1986, KIotz/Meyer-Degenhardt, 1984, Mülder, 1984, Ortmann, 1984). Dabei handelt es sich um integrierte ADVSysteme, die alle mitarbeiterbezogenen (z.T. auch stellenbezogenen) Daten speichern und nach diversen Kriterien geordnet aufbereiten und auswerten können. Über Mitarbeiter werden im Personalwesen eine Fülle von Daten gespeichert, meist bislang allerdings dezentral und oft mehrfach. Grundidee von Personalinformationssystemen ist es, die bisher in unterschiedlichen Dateien erfaßten Mitarbeiterdaten einem zentralen Zugriff zu unterziehen und in vielfältigen, schnellen Verknüpfungen zu verarbeiten. Mit solchen Informationssystemen - wie sie im Sachgüter- und Finanzmittelbereich schon lange existieren - kann die Personalverwaltung beträchtlich von Routineaufgaben entlastet werden. Bei tarif- oder beamtenrechtlichen Änderungen, zur Fristenüberwachung, bei Personalplanung, -einsatz und -entwicklung, zur Personalstatistik und -kontrolle können diese Datensysteme eingesetzt werden. Schnellere und sachgerechte Personalentscheidungen können die Folge sein. Personalinformationssysteme werden aber - insbesondere von Personalvertretungen und Gewerkschaften - nicht als problemlos eingeschätzt (vgl. z. B. Henss/Mikos, 1984, Ortmann, 1984). Es wird die Gefahr des „gläsernen Mitarbeiters" gesehen, der durch solche Computersysteme ständig und intensiv kontrolliert und überwacht wird, in dessen Privatsphäre unzulässigerweise eingegriffen wird. Durch neuartige Verknüpfung bestehender Daten könnte in fragwürdiger Weise auf das Leistungsverhalten von Mitarbeitern geschlossen werden (und so mancher Schlendrian im Zusammenhang mit Gleitzeitlisten oder privaten Telefongesprächen aufgedeckt werden ...). Es wird der Mißbrauch durch Unbefugte befürchtet (z.B. Krankendaten). Zudem könne ein ursprünglich klarer Datenzusammenhang durch die Verknüpfung verlorengehen, Daten könnten somit verfälscht resp. falsch interpretiert werden.

Zweifellos ist die Personalverwaltung ein besonders heikles Gebiet der Verwaltungsautomatisierung. Es geht eben um die Daten von Menschen, um Überwachungs- und Mißbrauchsprobleme, die hier besonders leicht auftreten können. Die bestehenden Vorschriften des Datenschutzes müssen hier sehr sorgfältig beachtet werden, die Dateiintegration ist mit äußerster Behutsamkeit vorzunehmen. Insgesamt muß ein schwieriger Interessenausgleich zwischen dem Informationsbedürfnis der Verwaltung und dem Schutzbedürfnis der Mitarbeiter erfolgen. Betriebsvereinbarungen zwischen Behörde und Personalvertretung können dabei klärend wirken. Auf die maschinelle Erfassung von Persönlichkeitsdaten (Qualifikationsprofile u.a.) sollte generell verzichtet werden, weil die Mißbrauchsgefahr hier besonders groß ist.

6. Rechnungswesen

6.1. Grundlagen 6.1.1. Ziele und Funktionen des Rechnungswesens (1) Das Rechnungswesen ist ein Informationssystem, das quantitative Informationen über die wertmäßigen Güterbestände und deren Veränderungen im Betrieb liefert. Es dient generell dazu, die betrieblichen Güterströme wertmäßig zu erfassen und zu lenken. Das einzelbetriebliche Rechnungswesen kann durch gesellschaftsbezogene Wertansätze ergänzt werden (z.B. Konzept der „Sozialbilanzen"). Auf einer aggregierten Ebene setzt femer das volkswirtschaftliche Rechnungswesen an (vgl. zu den Ebenen Eichhorn/Friedrich, 1976, S. 321 ff.). Die Informationsgewinnung und -Verarbeitung im Rechnungswesen ist kein Selbstzweck, sondern hat verschiedene Zielsetzungen und Informationsfunktionen. Aus der Sicht des einzelnen Verwaltungsbetriebes lassen sich zwei Hauptzielsetzungen unterscheiden, je nachdem, ob die Informationen für den internen oder externen Gebrauch bestimmt sind: 1. Externe Zielsetzung: Rechenschaftslegung gegenüber Öffentlichkeit, Parlament, Rechnungshof und übergeordneten Verwaltungen. 2. Interne Zielsetzung: Entscheidungsfundierung und Zielerreichungskontrolle, vor allem hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Betriebes.

(2) Im Rechnungssystem des Verwaltungsbetriebes steht bislang als Ziel die Rechenschaftslegung im Sinne eines detaillierten Nachweises über Herkunft und Verwendung der Finanzmittel bei weitem im Vordergrund. Diese Zieldominanz ist vor dem Hintergrund einer sehr starken und eingehenden Einflußnahme auf den einzelnen Verwaltungsbetrieb sowie der Kontrolle desselben durch übergeordnete Verwaltungseinrichtungen, Parlament und Rechnungshof verständlich. Man will kontrollieren, ob und inwieweit veranschlagte Mittel tatsächlich vereinnahmt bzw. verausgabt worden sind (formale Kontrolle) und inwieweit die endgültig zugeflossenen Einnahmen zur Deckung der Ausgaben ausreichten (materielle Kontrolle). Dementsprechend hat das Rechnungswesen des Verwaltungsbetriebes traditionell vor allem die Funktion, den Vollzug des Haushaltsplanes zu dokumentieren, die Kassen- und sonstigen Vermögensbestände mit ihren Veränderungen zu erfassen und die Deckung der Ausgaben durch Einnahmen nachzuweisen (vgl. Herbst, 1972, Mülhaupt, 1985). Im Mittelpunkt stehen also die kassenmäßigen Vorgänge und die finanzwirtschaftlich ausgerichtete Kontrolle der Haushaltswirtschaft.

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Rechnungswesen Diese Begrenzung des öffentlichen Rechnungswesens auf die „klassische Budgetfunktion" ist in einer Zeit der reinen Bestandserhaltung des Staatsapparates hinreichend gewesen. Mit zunehmendem Wandel zur Leistungs- und Planungsverwaltung sowie wachsendem Effizienzdruck erscheint hingegen eine veränderte Zielorientierung des Rechnungswesens geboten. Ein zeitgemäßes administratives Rechnungssystem sollte neben der traditionellen Kontrolle auch der Fundierung einzelbetrieblicher wie wirtschafte- und finanzpolitischer Entscheidungen dienen. Die Haushaltsreform von 1969 hat in der Bundesrepublik zu einer stärkeren Ausrichtung des Budgets auf wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen geführt (siehe z. B. die Funktionsgliederung des Haushalts). Zur Lenkung und Erfolgskontrolle auf der Basis politischer Programme sowie zur aufgabenbezogenen Wirtschaftlichkeitsüberprüfung ist der Haushalt und das mit ihm verbundene Rechnungswesen aber nach wie vor nicht geeignet; Erweiterungen scheinen hier dringend geboten (s.zu Defiziten des Haushaltssystems Kap.3.7.; vgl.ferner H.König, 1978, Clausen Korff, 1981).

(3) Im Zuge des beschriebenen Zielwandels gewinnt die interne Zielsetzung der Entscheidungsfundierung und Zielerreichungskontrolle durch das Rechnungssystem größere Bedeutung. Im Sinne dieser Zielsetzung, die im privatwirtschaftlichen Bereich seit langem im Vordergrund steht, sollen insbesondere Kostenbewußtsein und Wirtschaftlichkeitsdenken in der Verwaltung gestärkt werden, so daß möglichst wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden. Obwohl das Wirtschaftlichkeitsprinzip im Haushaltsrecht fest verankert ist, wird u.a. mangels entsprechender Rechentechniken häufig dagegen verstoßen (s.a.I.3.). Die für die Entscheidungsfundierung und interne Kontrolle erforderlichen Informationen müssen gegenwärtig, da sie das praktizierte Abrechnungsverfahren der Verwaltung nicht liefern kann, - soweit es überhaupt möglich ist - durch langwierige Sonderrechnungen gewonnen werden. Dementsprechend ist heute das Ziel der Wirtschaftlichkeitslenkung und -kontrolle im Vergleich zum traditionellen Ziel der externen Rechenschaftslegung mindestens als ebenbürtig anzusehen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen deutlich machen, wie ein administratives Rechnungswesen im Sinne dieser Zielsetzung zu einem Informationssystem ausgebaut werden kann, das zeit- und maßnahmenbezogene Wirtschaftlichkeitsvergleiche und Erfolgsermittlungen ermöglicht (s. dazu vor allem 6.4. und 6.5.).

6.1.2. Teilsysteme des Rechnungswesens (1) Ein ausgebautes betriebswirtschaftliches Rechnungssystem kann die dargestellten Funktionen nicht mit einem einheitlichen Rechenwerk erfüllen, vielmehr sind unterschiedliche Teilsysteme erforderlich. In der BWL sind verschiedene Gliederungen des Rechnungswesens gebräuchlich; der nachfolgende Ansatz erscheint insbesondere im Hinblick auf seine Übertragung in den Verwaltungsbereich besonders geeignet (vgl. dazu Chmielewicz, 1982). Ausgangspunkt ist der in der kaufmän-

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Grundlagen

nischen Buchhaltung festzustellende Sachverhalt, daß die Geschäftsvorfälle auf drei verschiedenen Arten von Konten verbucht werden (zu den verwendeten Grundbegriffen s. 6.1.3.): - Finanzkonten zur Erfassung kassenwirksamer Vorgänge (Einnahmen und Ausgaben) - Beständekonten zur Erfassung von Vermögens- und Kapital-Beständen einschließlich deren Änderungen - Erfolgskonten zur Erfassung erfolgswirksamer Vorgänge (Aufwendungen und Erträge bzw. Kosten und Leistungen). (2) Daraus kann das in Abb. 6-1 dargestellte Konzept eines dreiteiligen Rechnungssystems abgeleitet werden. Dieses Konzept besagt, daß die drei genannten Kontengruppen zu entsprechenden Rechnungsteilsystemen zusammengefaßt werden, die jeweils unterschiedlichen ökonomischen Denkrichtungen entsprechen und Informationen über die Erreichung eines spezifischen betrieblichen Zieles liefern: Finanzrechnung Einnahmen (incl. Anfangsbestand)

Ausgaben

Beständerechnung Vermögen

Kassenendbestand (=Geldvermögen)

Kapital

Erfolgsrechnung Aufwand bzw. Kosten

Ertrag bzw. Leistung

Erfolgssaldo (hier: Gewinn)

Abb. 6-1 (a) Die Finanzrechnung ist die Zusammenfassung aller Einnahmen- und Ausgabenkonten eines Betriebes. Sie informiert detailliert über getätigte Ausgaben, zugeflossene Einnahmen und die jeweils vorhandenen Zahlungsmittelbestände in einem bestimmten Zeitraum. Sie liefert also die erforderlichen Daten für Finanzplanung und -kontrolle (s. a. 2.3.6.) und läßt erkennen, inwieweit sich der Betrieb im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht befindet (s. dazu 1.5. und 2.1.). (b) Die Beständerechnung ist die Zusammenfassung aller Bestände an Vermögen und Kapital zu einem bestimmten Stichtag. Sie fungiert als Abgrenzungsinstrument und Puffer zwischen Finanz- und Erfolgsrechnung: In ihr werden die schon finanz- aber noch nicht erfolgswirksamen Vorgänge (z.B. Investitionen, Vorräte) und die umgekehrt schon erfolgs- aber noch nicht finanzwirksamen Vorgänge (z. B.: Forderungen, Rückstellungen) ausgewiesen. Die Beständerechnung kann insofern - wie bereits Schmalenbach mit seiner „dynamischen Bilanz" nachgewiesen hat (vgl. Schmalenbach, 1962) - als „Kräftespeicher" interpretiert werden. Sie informiert über die Höhe

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Rechnungswesen der Bestände an vorhandenen Gütern, Rechten, Verpflichtungen und weist als Ergebnis das vorhandene Reinvermögen bzw. den erzielten Erfolg aus. In der Privatunternehmung wird sie in Form der Bilanz als geschlossene Gegenüberstellung von Vermögen und Kapital mit Bildung des Erfolgssaldos praktiziert, während sie im Verwaltungsbetrieb lediglich als relativ unvollständige, nicht saldierte Zusammenstellung bestimmter Vermögens- und Kapitalarten vorkommt (s.6.3.). (c) Die Erfolgsrechnung schließlich ist die Zusammenfassung aller den wirtschaftlichen Erfolg bestimmenden Vorgänge (Aufwendungen und Erträge bzw. Kosten und Leistungen; zur Abgrenzung s.6.1.3.) in einem bestimmten Zeitraum. Sie läßt erkennen, wie das betriebliche Effizienzziel (s. 2.1.) erreicht worden ist, d.h. wie im Betrieb im betrachteten Zeitraum (resp. bezogen auf eine einzelne Leistung) gewirtschaftet worden ist.

(3) Entstehung, Unterschied und Zusammenhang dieser drei Teilsysteme lassen sich mit einer fortschreitenden Ausdifferenzierung des Rechnungswesens zur Stärkung seiner Aussagefähigkeit erklären. Grundinformationen über Liquidität und Erfolg vermag die Beständerechnung zu liefern, die auch als Mindestbuchführung bei Einzelhandel und Handwerk vorgeschrieben ist. Differenziertere Informationen über die Entstehung und Zusammensetzung des Erfolges liefert hingegen eine aus der Beständerechnung ausgegliederte gesonderte Erfolgsrechnung. Analog informiert eine aus der Beständerechnung ausgegliederte gesonderte Finanzrechnung wesentlich differenzierter über Einnahmen und Ausgaben sowie die daraus resultierende Liquidität. (4) Die drei Teilsysteme stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind miteinander sowohl buchungstechnisch wie durch Salden verknüpft (s.a. Abb.6-1): Der sich beim Abschluß der Finanzrechnung ergebende Kassenendbestand (Liquiditätssaldo) ist als Geldvermögen zugleich Bestandteil der Beständerechnung. Der beim Abschluß der Erfolgsrechnung zustandekommende Erfolgssaldo (falls positiv: Gewinn, falls negativ: Verlust) ergibt sich ebenso in der Beständerechnung (genauer: bei der Variante der kaufmännischen Bilanz) durch Saldierung von Vermögen und Kapital. Eine buchungstechnische Verknüpfung der Teilsysteme - wie dies bei der kaufmännischen doppelten Buchführung, leider aber nicht im öffentlichen Rechnungswesen, der Fall ist - ist auch aus Kontroll- und Abstimmungsgründen von Vorteil. Dann kann bei Zahlungen z. B. leicht erkannt werden, ob diese Vermögens- oder erfolgswirksam sind. Abstimmungen zwischen den Teilsystemen werden erleichtert, die Aussagefähigkeit des Rechnungssystems steigt. Dies sollte auch im öffentlichen Rechnungssystem angestrebt werden (vgl. auch Engels, 1983, S. 157). (5) In der praktischen Buchführung von Unternehmungen wie Verwaltungsbetrieben ist dieses dreiteilige Rechnungssystem bislang allerdings noch nicht klar erkennbar. Unternehmungen erstellen regelmäßig Bilanz und Erfolgsrechnung. Finanzwirtschaftliche Daten werden in der Finanzbuchhaltung erfaßt, üblicherweise allerdings nicht in einer gesonderten Finanzrechnung ausgewiesen. Die

Grundlagen

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Finanzplanung geschieht i. a. losgelöst von der Buchhaltung. In Verwaltungsbetrieben gibt es demgegenüber eine Finanzrechnung (in Form des Haushaltswesens) und eine ziemlich unsystematische isolierte Vermögensrechnung; eine Erfolgsrechnung ist überwiegend nicht vorhanden. Auch wenn sich dieses Rechnungssystem in der kaufmännischen und administrativen Praxis bislang nicht vollständig niedergeschlagen hat, hat es doch zumindest als Denkmodell seinen Wert, indem es die unterschiedlichen Wirkungsweisen betrieblichen Handelns - Liquiditäts-, Vermögens- und Erfolgswirkungen - deutlich macht. (6) Das derzeitige, überwiegend aus der Finanzrechnung bestehende Rechnungswesen deutscher Verwaltungsbetriebe sollte im Sinne des geschilderten Rechnungssystems ausgebaut werden. Ein ausgebautes Rechnungswesen kann Fehlentscheidungen und Unwirtschaftlichkeiten zwar nicht verhindern, aber deren Wahrscheinlichkeit doch beträchtlich mindern. Allein der formale Aufbau und die Verfahrensschritte eines ausgebauten Rechnungssystems zwingen dazu, bestimmte Wirtschaftlichkeitsanalysen vorzunehmen und die bereitgestellten Daten bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Wie unten verschiedentlich immer wieder deutlich werden wird, wird ein administratives Rechnungswesen im Vergleich zum kaufmännischen Rechnungswesen wohl immer in seiner Aussagefähigkeit begrenzt bleiben, da der gesellschaftliche Nutzen staatlichen Handelns, der die positive Seite des administrativen Erfolgs ausmacht, nur begrenzt monetär bewertbar ist und daher auch kaum in einer Erfolgsrechnung ausgewiesen werden kann. Zumindest die Erfolgsrechnung wird daher vielfach unvollständig bleiben, weil sie nur die Inputseite (die Kosten) abbilden kann. Allenfalls bei kostenrechnenden Einrichtungen, bei Hilfs- und Nebenbetrieben u. ä. kann auch die Outputseite (die Leistung) in einer Rechnung ausgewiesen werden. In erster Linie kommt es im übrigen darauf an, die vom Informationssystem Rechnungswesen produzierten Daten auch tatsächlich bei betrieblichen Entscheidungen zu verwerten. Dies setzt einerseits hinreichende Handlungs- und Entscheidungsspielräume, andererseits entsprechende Bereitschaft und Fähigkeiten der Entscheidungsträger voraus (vgl. Bossert/Petry, 1982). Andernfalls werden nutzlose „Zahlenfriedhöfe" aufgestellt. Insofern ist die Ausgestaltung eines Rechnungssystems auch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten vorzunehmen, denn der betriebene Aufwand soll in günstigem Verhältnis zum erzielbaren Informationsnutzen stehen (vgl. Strebel, 1980). Falscher Perfektionismus und nutzlose Verfeinerungen sind daher zu vermeiden.

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Rechnungswesen

6.1.3. Abgrenzung wichtiger Grundbegriffe (1) Da es im administrativen Rechnungswesen derzeit keine Erfolgsrechnung und nur eine unvollständige Beständerechnung gibt, sind auch die mit diesen Teilsystemen zusammenhängenden rechentechnischen Begriffe nicht gebräuchlich. Vielmehr wird nahezu ausschließlich in Ausgaben und Einnahmen gedacht. Da im weiteren Verlauf die betriebswirtschaftliche Erweiterung dieses Rechnungswesens dargestellt werden soll, müssen zunächst die dabei verwendeten Begriffe geklärt und voneinander abgegrenzt werden. (2) In den geschilderten Rechnungsteilsystemen fallen unterschiedliche Arten von Daten an. Wie wir gesehen haben, werden in der Finanzrechnung Einnahmen und Ausgaben, in der Beständerechnung Vermögen und Kapital sowie in der Erfolgsrechnung Aufwendungen und Erträge bzw. Kosten und Leistungen verarbeitet. Man geht bei der Abgrenzung - zunächst am Beispiel Unternehmung - von der Frage aus, wie die Güter in den Betrieb gelangen bzw. diesen verlassen. Beim Kauf von Gütern fallen Ausgaben, beim Verkauf derselben Einnahmen an. Daneben können Ausgaben und Einnahmen auch ohne unmittelbare Verbindung mit einer Güterübertragung auftreten (Zwangsabgaben - wie z. B. Steuern - oder Geldschenkungen). Hängen die gekauften bzw. verkauften Güter mit der Produktion des jeweiligen Betriebes zusammen, so werden im Rechnungssystem der Güternutzung entsprechend Aufwendungen/Kosten bzw. Erträge/Leistungen verbucht. Sind gekaufte Güter noch nicht vollständig in die Produktion gelangt resp. produzierte Güter noch nicht verkauft bzw. bezahlt, werden sie in der Beständerechnung als Vermögen ausgewiesen. Im Rechnungswesen können also verschiedene wertmäßige Strom- und Bestandsgrößen auftreten. Mit der Abgrenzung dieser rechnungstechnischen Begriffe werden u.a. folgende Ziele verfolgt: - „richtige" Ordnung der anfallenden Daten, - „richtige" Zuordnung des Güterverbrauchs zu den Leistungen, - „richtige" Kontrolle der Wirtschaftlichkeit des Betriebes. (3) Als Stromgrößen, die Wertbewegungen im Betrieb abbilden, werden im betriebswirtschaftlichen Rechnungswesen üblicherweise unterschieden: Ausgabe Einnahme Aufwand Ertrag Kosten Leistung

= tatsächlicher Geldabfluß = tatsächlicher Geldzufluß = periodisierte erfolgswirksame = periodisierte erfolgswirksame = bewerteter leistungsbezogener = bewertete Ausbringungsgüter stungsziele.

Ausgabe Einnahme Verbrauch an Einsatzgütern nach Maßgabe der betrieblichen Lei-

Während Ausgaben und Einnahmen also nicht notwendig mit dem Betriebseifolg zusammenhängende Zahlungsgrößen sind, sind Kosten und Leistungen mit der

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Betriebstätigkeit verbundene Gw/e/bewegungen (Güterverbrauch bzw. -entstehung). Aufwendungen und Erträge fungieren als Bindeglieder zwischen diesen beiden Begriffspaaren: Aufwendungen (Erträge) sind insofern bereinigte Ausgaben (Einnahmen), als nur die mit dem Erfolg der betreffenden Abrechnungsperiode verknüpften Zahlungen berücksichtigt werden. Im Vergleich zur Privatunternehmung sind die sachlichen Unterschiede zwischen Aufwendungen und Kosten bzw. zwischen Erträgen und Leistungen im Verwaltungsbetrieb nicht bedeutend. In der Unternehmung müssen häufig sogenannte neutrale Aufwendungen - etwa wegen betriebsfremder Aktivitäten (z. B. Spenden) oder aufgrund steuerlicher Sonderbewertungen (z.B. Sonderabschreibungen) - aus der Betriebserfolgsrechnung ausgegrenzt werden. Analoges gilt für neutrale Erträge. Diese Notwendigkeit stellt sich im Verwaltungsbetrieb nicht in gleichem Maße. Es erscheint daher auch zur Vereinfachung - gerechtfertigt, auf die Zwischenbegriffe Aufwand und Ertrag im administrativen Rechnungswesen zu verzichten (vgl. auch Gornas, 1976, S. 83). Nachfolgend wird daher lediglich auf die beiden übrigen BegrifTspaare abgestellt.

(4) Nachstehendes Schema verdeutlicht die Unterschiede zwischen Ausgaben und Kosten einerseits, Einnahmen und Leistungen andererseits (s. Abb.6-2). Um von den Ausgaben und Einnahmen zu den Kosten und Leistungen zu kommen, müssen grundsätzlich ausgegliedert werden: • Finanzausgaben und -einnahmen, die nie erfolgswirksam sind (z. B. Darlehensrückzahlung und -aufnähme) • vermögenswirksame Ausgaben und Einnahmen (z. B. Beschaffung längerlebiger Vermögensgegenstände, z.B. Büromaschinen; Beiträge, Zuschüsse, Zuwendungen Dritter zur Finanzierung von Vermögensgegenständen), die teilweise in dieser Periode oder in späteren Perioden erfolgswirksam werden können • neutrale Ausgaben und Einnahmen - betriebsfremde Ausgaben und Einnahmen (z. B. aus Verkäufen gebrauchter Büroeinrichtungen) - außerordentliche Ausgaben und Einnahmen (z. B. aus Brandschaden einschl. Versicherungserstattung) - zeitraumfremde Ausgaben und Einnahmen (z.B. Mietvorauszahlung über das Jahresende hinaus).

Übrig bleiben nach dieser Ausgliederung diejenigen Ausgaben bzw. Einnahmen, die mit dem leistungsbezogenen Güterverbrauch resp. der Betriebsleistung der betreffenden Abrechnungsperiode zusammenhängen. Sie können in ausgabengleiche Kosten resp. in einnahmengleiche Leistungen umgedeutet werden. Um auf die gesamten Kosten bzw. Leistungen zu kommen, müssen hierzu allerdings noch folgende Wertgrößen hinzugerechnet werden: • kalkulatorische Kosten bzw. wertmäßige Zusatzleistungen, insbesondere - kalkulatorische Abschreibungen für die Wertminderung von Vermögensgegenständen im Zeitraum eines Jahres - kalkulatorische Zinsen für das gesamte in den betrachteten Vermögensgegenständen gebundene (Eigen- und Fremd-)Kapital

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