Besitz an Daten: § 184b Abs. 4 StGB im Lichte neuer Medien [1 ed.] 9783428545384, 9783428145386

Jan Baumann geht der Frage nach, inwieweit das Betrachten kinderpornografischer Darstellungen im Internet bereits dann s

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Besitz an Daten: § 184b Abs. 4 StGB im Lichte neuer Medien [1 ed.]
 9783428545384, 9783428145386

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Schriften zum Strafrecht Band 279

Besitz an Daten § 184b Abs. 4 StGB im Lichte neuer Medien

Von

Jan Baumann

Duncker & Humblot · Berlin

JAN BAUMANN

Besitz an Daten

Schriften zum Strafrecht Band 279

Besitz an Daten § 184b Abs. 4 StGB im Lichte neuer Medien

Von

Jan Baumann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14538-6 (Print) ISBN 978-3-428-54538-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84538-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 17. September 2014 statt. Bis Ende April 2014 erschienene Rechtsprechung und Literatur konnten berücksichtigt werden. Mein herzlicher Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bernd Heinrich, dessen Betreuung nicht besser hätte sein können. Er stand mir stets auch überaus kurzfristig mit Anregungen und zu hilfreichen Diskussionen zur Verfügung und förderte die Entstehung dieser Arbeit mit einem Einsatz, der sicherlich nicht selbstverständlich ist. Herrn Prof. Dr. Martin Heger danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die Tipps zur Erstellung des Sachwortregisters. Ein ganz besonderer Dank gilt Frau Laura Schmitt, die nicht nur die wesentlichen Passagen der Arbeit zum Teil mehrfach durchgesehen hat, sondern mir immer mit kritischen Anregungen und wertvollen Hinweisen zur Seite stand. Ihr und Herrn Hendrik Pekárek danke ich stellvertretend für alle Freunde und Kollegen an der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Mein weiterer, besonders herzlicher Dank gilt meiner Schwester Johanna Baumann und Frau Lisa Joachim, die mir insbesondere bei der Erstellung des Abkürzungs- und des Literaturverzeichnisses eine große Hilfe waren. Den größten Dank aber schulde ich meinen Eltern, die mich nicht nur bei der Erstellung dieser Arbeit, sondern auf meinem bisherigen Weg stets uneingeschränkt unterstützt haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, November 2014

Jan Baumann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Urteil des OLG Hamburg vom 15.2.2010 – 2-27 / 09 (REV) . . . . . . . . . 23 II. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Besitz i. S. d. Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Historische Entwicklung der Besitzstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Römisches Recht bis 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Entwicklung des § 184b StGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Relativität der Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Relativität als Folge der Alltagssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Begriffsbestimmung mittels Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Wortlautauslegung und seine Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Intra- und interdisziplinäre Relativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (1) Gefährliches Werkzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (a) § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (b) §§ 177 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB . . . 47 (2) Beamter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (3) Abfall im strafrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Sinne  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Besitz im Sinne des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Zivilrechtlicher Besitzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Tatsächliche Sachherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Besitzwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Übertragbarkeit auf das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Spiegelbildliche Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Entsprechung von zivilrechtlichem Besitz und Gewahrsam . 68 (1) Der Gewahrsamsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Gleichsetzung von zivilrechtlichem Besitz und dem strafrechtlichen Gewahrsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 dd) Strafrechtlicher Gewahrsam und Sonderfall des Ausübens der tatsächlichen Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

8 Inhaltsverzeichnis (1) Abgrenzung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt zum strafrechtlichen Besitz- und Gewahrsamsbegriff  . . . . . . 80 (a) Abgrenzung zum strafrechtlichen Gewahrsamsbegriff  81 (b) Lösung über die Gewahrsamsdienerschaft . . . . . . . . 82 (c) Gestufter Gewahrsam  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 ee) Abgrenzung zu den zivilrechtlichen Besitzformen . . . . . . . . . 86 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 d) Körperlichkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa) Strafrechtsautonomer Sachbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Zivilrechtsakzessorischer Sachbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten . . . . . . . . . . . . 96 1. Erscheinungsformen von Besitzdelikten im Einzelnen . . . . . . . . . . . 97 a) Besitzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Besitz im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG . . . . . . . 98 (1) Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes . . . . . . . . . 98 (2) Subjektive Elemente „Herrschaftswille“ und „Zweck­setzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Besitz im Sinne der §§ 184b Abs. 4 Satz 2 und 184c Abs. 4 Satz 1, Var. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Ausüben der tatsächlichen Gewalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Besitztatbestände im WaffG und KrWaffG  . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Tatsächliche Gewalt i. S. d. WaffG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Mit-sich-führen, Mitführen und Führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Vorkommen in Strafnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Aufbewahren, Verwahren, Lagern, Vorrätig- und Bereithalten . . 114 aa) Aufbewahren und Verwahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Lagern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Vorrätig- und Bereithalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Vorrätighalten i. S. d. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Vorrätig- und Bereithalten in anderen Strafvorschriften  119 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Funktionen und Struktur von Besitzdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Verfolgte Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Der Sache anhaftendes Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (1) Abstrakte Gefährlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Ein das Risiko freisetzendes menschliches Verhalten . . 126 bb) Mit der Sache verbundenes Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Erleichterung der Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Inhaltsverzeichnis9 b) Strukturprobleme der Besitzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Fahrlässiges Besitzdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Besitz als Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C. Daten- und Schriftenbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I. Der Datenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Der Datenbegriff in der Rechtssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Der Datenbegriff im Rahmen des digitalen Besitzes . . . . . . . . . . . . . 146 II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Der Begriff der „Schriften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Erfordernis einer Verwendungs- bzw. Verbreitungsabsicht . . 155 b) Der Begriff der Ton- und Bildträger, der Abbildung und der „anderen Darstellung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Der Begriff des Datenspeichers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Rechtslage vor der Einführung des IuKDG . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Rechtslage nach der Einführung des IuKDG . . . . . . . . . . . . . 160 3. Cachespeicher als Datenspeicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Arbeitsspeicher als Datenspeicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Lösungsansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Hinreichende Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Falsches Verständnis der Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5. Datei als Datenspeicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten . . . . . . . . . . . . . 175 1. Jeder Klick ein Download . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) „Normales“ Surfen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Webstreaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Technische Abläufe auf Clientseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Das Betrachten kinderpornografischer Darstellungen . . . . . . . . . . . . 185 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Tathandlung des Sich-Verschaffens, § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB . . . 190 a) Neuverschaffung bei bereits bestehendem Besitz . . . . . . . . . . . . . 191 b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Besitzverschaffung beim bloßen Surfen im Internet . . . . . . . . . . . . . 200 a) Erfordernis der Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Besitzwille  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Genereller Herrschaftswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

10 Inhaltsverzeichnis bb) Löschen als Indiz gegen einen Besitzwillen . . . . . . . . . . . . . . 213 (1) Anforderungen an das Löschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (2) Pflicht zur Vernichtung aller Exemplare . . . . . . . . . . . . . 219 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Tathandlung des Besitzens, § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB . . . . . . . . . . 222 II. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Trennung von Vorsatz und Besitzwillen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Irrtumsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Besondere Tatbestandskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Bloße Suche nach Kinderpornografie im Internet  . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Verschaffungszweck als Begrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Besitzerlangung durch „Drive-by-Downloads“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft . . . . . . . 243 I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Körperlichkeitserfordernis in § 11 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Körperlichkeitserfordernis als Zirkelschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 c) Verfassungskonformität der Wortlautauslegung  . . . . . . . . . . . . . . 255 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Der Begriff „Besitz“ in der Gesamtrechtsordnung . . . . . . . . . . . . 261 b) Systematische Vergleichbarkeit der Besitzbegriffe . . . . . . . . . . . . 264 c) Der Begriff des „Gegenstands“ als Auslegungshilfe . . . . . . . . . . 265 aa) Begriffsbestimmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (1) Der strafprozessuale Gewahrsamsbegriff . . . . . . . . . . . . . 270 (2) Sicherstellung und Beschlagnahme unkörperlicher Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 d) Die Tathandlungen der § 184b Abs. 1 Nrn.  1, 2 und Abs. 2 als Auslegungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Der „internetspezifische Verbreitungsbegriff“ des BGH . . . . 274 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 cc) Eigene Begründung des „internetspezifischen Verbreitungs­ begriffs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (1) Widerspruch zu § 184d StGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (2) Widerspruch zu § 86 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (3) Widerspruch zu § 1 Abs. 2 Satz  2 JuSchG . . . . . . . . . . . 291 e) Ergebnis der systematischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Inhaltsverzeichnis11 a) Schutzzweck des § 184b Abs. 2 und 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Digitaler Besitz im Lichte des Rechtsgüterschutzes . . . . . . . . . . . 302 II. Abwägung der Auslegungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Besitz als tatsächliche Datenherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Die Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB als Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Dauerhaftigkeit und Körperlichkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 IV. Ergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 V. Besitz als bloße Konsumstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Reformbedürftigkeit des § 184b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2011 / 92 / EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 F. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 I. Relativität der Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 II. Der Besitzbegriff in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 III. Besitz durch Datenherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

ABlEG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

ABlEU

Amtsblatt der Europäischen Union

Abs. Absatz AcP

Archiv für die civilistische Praxis, zitiert nach Band und Jahr

a. E.

am Ende

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a. F.

alte Fassung

AG Amtsgericht AK-StPO

Kommentar zur Strafprozessordnung

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten

AMG Arzneimittelgesetz Anti-DopingG

Anti-Doping Gesetz

AO Abgabenordnung Art. Artikel ASCII

American Standard Code for Information Interchange

ASOG

Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin

AT

Allgemeiner Teil

AufenthG Aufenthaltsgesetz Aufl. Auflage BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BBG Bundesbeamtengesetz BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckRS Beck-Rechtsprechung Beck’scher OK

Beck’scher Online Kommentar

BeschG Beschussgesetz BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHR BGH-Rechtsprechung BGHSt

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (amtliche Sammlung)

Abkürzungsverzeichnis13 BGHZ

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (amtliche Sammlung)

BKA Bundeskriminalamt BKAG Bundeskriminalamtgesetz BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BPolG Bundespolizeigesetz BR-Drucks.

Bundesratsdrucksache(n)

BT

Besonderer Teil

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache(n)

BtMG Betäubungsmittelgesetz BTX-Verfahren

Bildschirmtext-Verfahren

BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Bundesverfassungsgerichtsentscheidung (amtliche Sammlung)

ca. circa CD

Compact Disc

ChemG Chemikaliengesetz CPU

central processing unit

CR

Computer und Recht, zitiert nach Jahr

ders. derselbe dies.

dieselbe / dieselben

DIN

Deutsche Industrienorm

DNS

Domain Name System

DoS-Attacke Denial-of-Service DÖV

Die öffentliche Verwaltung, zitiert nach Jahr

DuD

Datenschutz und Datensicherheit, zitiert nach Jahr

DVDs

Digital videodisc

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EG

Europäische Gemeinschaft

EGStGB

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch

Einl. Einleitung E-Mail

electronic mail

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EU

Europäische Union

EUV

Vertrag über die Europäische Union

f.

eine Seite folgend

ff.

folgende Seiten

FIRG Flaggenrechtsgesetz Fn. Fußnote

14 Abkürzungsverzeichnis FS Festschrift FTP

File Transfer Protocol

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, zitiert nach Jahr

GBO Grundbuchordnung GebrMG Gebrauchsmustergesetz GefStoffV Gefahrenstoffverordnung GEMA

Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte

GG Grundgesetz GjS

Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz über die GmbH

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, zitiert nach Jahr

GS Gedenkschrift GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVU

Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen

HDD

Hard Disk Drive

HessLT-Drucks.

Hessischer Landtag Drucksachen

HGB Handelsgesetzbuch HK-GS

Handkommentar gesamtes Strafrecht

HTTP

Hypertext Transfer Protocol

HTTPS

Hypertext Transfer Protocol Secure

ICQ

Homophon für I seek you

i. d. R.

in der Regel

IfSG Infektionsschutzgesetz IMAP

Internet Message Access Protocol

IRC

Internet Relation Chat

i. S. d.

im Sinne des / der

i. S. e.

im Sinne eines / einer

IuKDG

Informations- und Kommunikationsdienstegesetz

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter, zitiert nach Jahr

JR

Juristische Rundschau, zitiert nach Jahr

JURA

Juristische Ausbildung, zitiert nach Jahr

juris

Juristisches Informationssystem

JuS

Juristische Schulung, zitiert nach Jahr

JuSchG Jugendschutzgesetz JW

Juristische Woche, zitiert nach Jahr

Abkürzungsverzeichnis15 JZ

Juristenzeitung, zitiert nach Jahr

KfZ Kraftfahrzeug KG Kammergericht KK

Karlsruher Kommentar

KOM

Europäische Kommission

K&R

Kommunikation und Recht, zitiert nach Jahr

KrW- / AbfG

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

KrWaffG Kriegswaffenkontrollgesetz KrWG Kreislaufwirtschaftsgesetz LAG Landesarbeitsgericht lat. lateinisch LFGB

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch

lit. litera LK

Leipziger Kommentar

LKW Lastkraftwagen LMBG

Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz

LuftSiG Luftsicherheitsgesetz LuftVG Luftverkehrsgesetz MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht, zitiert nach Jahr

MMR

Multimedia und Recht, zitiert nach Jahr

MschrKrim

Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, zitiert nach Jahr

MüKo

Münchener Kommentar

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

N. Arch. CrimR.

Neues Archiv des criminalen Rechtes, zitiert nach Jahr

n. Chr.

nach Christus

n. F.

neue Fassung

NJ

Neue Justiz, zitiert nach Jahr

NJW

Neue juristische Wochenschrift, zitiert nach Jahr

NK

Nomos Kommentar

Nr. Nummer Nrn. Nummern NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht, zitiert nach Jahr

NStZ-RR

NStZ-Rechtsprechungsreport, zitiert nach Jahr

NuR

Natur und Recht, zitiert nach Jahr

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, zitiert nach Jahr

NVwZ-RR

NVwZ-Rechtsprechungs-Report, zitiert nach Jahr

OLG Oberlandesgericht

16 Abkürzungsverzeichnis OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz P2P Peer-to-Peer PatG Patentgesetz PAuswG Personalausweisgesetz PfzOLG

Pfälzisches Oberlandgericht

PKW Personenkraftwagen POP3

Post office protocoll

PresseG Pressegesetz REV Revision RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (amtliche Sammlung)

RGZ

Reichsgericht in Zivilsachen (amtliche Sammlung)

RL Richtlinie Rn. Randnummer RSeuchG Reichsseuchengesetz RStGB Reichsstrafgesetzbuch RTMP

Real Time Messaging Protocoll

S. Seite Sch / Sch

Schönke / Schröder

SGB X

Sozialgesetzbuch X

SK-StGB

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch

SprengG Sprengstoffgesetz SSD

Solid State Disk

SSH

Secure Shell

StGB Strafgesetzbuch StraFo

Strafverteidiger-Forum, zitiert nach Jahr

StrÄndG

Strafrechtsänderungsgesetz

StrRehaG

Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz

StrRG Strafrechtsreformgesetz StV

Strafverteidiger, zitiert nach Jahr

StVG Straßenverkehrsgesetz StVO Straßenverkehrsordnung TCP / IP

Transmission Control Protocol / Internet Protocol

TELNET

Telecommunication Network

TKG Telekommunikationsgesetz

Abkürzungsverzeichnis17 TKMR

TeleKommunikations- & MedienRecht, zitiert nach Jahr

Überbl.

Überblick

UDP

User Datagram Protocol

UFITA

Archiv für Urheber- und Medienrecht, zitiert nach Jahr

UrhG Urheberrechtsgesetz URI

Uniform Resource Identifier

URL

Uniform Resource Locator

USB

Universal Serial Bus

Usenet

Unix User Network

UVollzG Bln

Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz

Var. Variante v. Chr.

vor Christus

VersG Versammlungsgesetz VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche Vorbem. Vorbemerkung VRS

Verkehrsrechtssammlung, zitiert nach Band und Jahr

WaffG Waffengesetz WaffRÄndG

Gesetz zur Änderung des Waffenrechts

WaffRNeuRegG

Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts

WaffVwV Waffenverwaltungsvorschrift WiKG

Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität

WWW

World wide web

z. B.

zum Beispiel

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, zitiert nach Jahr

ZPO Zivilprozessordnung ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik, zitiert nach Jahr

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, zitiert nach Band und Jahr

ZugErschG Zugangserschwerungsgesetz ZUM

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht, zitiert nach Jahr

Einleitung Das Internet ist aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Es dient als zentrale Informations- und Kommunikationsplattform, auf der ganze Industrie- und Handelszweige aufbauen, die es ohne das Internet gar nicht gäbe. Der mittlerweile fast flächendeckende Zugang zum Internet in Deutschland hat zur Folge, dass fast 80 % der Haushalte über einen Internetanschluss verfügen1 und diesen hauptsächlich für die Kommunikation, wie E-Mail und soziale Netzwerke, wie beispielsweise Facebook oder Twitter, dem Suchen nach Informationen über Waren und Dienstleistungen oder das Onlinebanking nutzen.2 Aufgrund des leichten und weit verbreiteten Zugangs zum Internet und des Fehlens fast jeglicher Kontrolle, welche Inhalte im Internet angeboten werden und wer auf diese zugreifen kann, bietet das Internet neben den oben genannten Nutzungsbereichen eine nicht zu überblickende Zahl von juristisch bedenklichen bis offensichtlich rechtswidrigen Angeboten. Nach Einschätzungen des BKA ist die Cyberkriminalität eine „Bedrohung mit unvergleichbarer Dimension.“3 So findet sich im Internet nicht nur Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpornografie. Es ist zudem beispielsweise möglich, über das Internet an Anleitungen für den Selbstbau von Sprengsätzen und für die Durchführung entsprechender Sprengstoffanschläge, sowie an Waffen, Drogen und sogar Auftragskiller zu gelangen. Über Tauschbörsen oder Warez-Webseiten bekommt man schon lange nicht mehr nur aktuelle urheberrechtlich geschützte Kinofilme, Musik, Bücher oder Software kostenlos angeboten, mittlerweile kursieren auch Vorlagen, mittels derer ein Ausdrucken von Schusswaffen mit einem 3D-Drucker für jedermann bei sich zu Hause möglich wird.4 Auch Wirtschaftsspionage, Computersabotage oder Betrugsfälle boomen, so dass die Rechtswissenschaft nicht zum ersten Mal vor die Aufgabe gestellt wird, sich mit dem technischen und gesellschaftlichen Wandel auseinanderzusetzen. Regelmäßig gelangen besonders spektakuläre oder gesellschaftlich relevante Fragestellungen auch an die Öffentlichkeit. So rücken Internetangebote, wie kino.to5 oder megaupload.com6, genauso in 1  Vgl. Jahresbericht

2013 des Statistischen Bundesamtes, 7.3.1. 2013 des Statistischen Bundesamtes, 7.3.3. 3  Siehe FAZ vom 13.11.2013, S. 2. 4  Vgl. Schick / König, c’t-Magazin 22 / 13, S. 80. 2  Vgl. Jahresbericht

20 Einleitung

den medialen Fokus wie die Edathy-Affäre7 oder die jüngste Abmahnwelle der Nutzer von redtube.com8. Die Abmahnung der Nutzer von redtube.com, einer Webseite, die im Streamingverfahren9 pornografische Inhalte anbietet, unterstreicht die Aktualität der Frage nach der rechtlichen Bewertung sowohl vom Webstreaming10 als auch der damit verbundenen Besitzstrafbarkeiten.11 5

6

Herausforderungen, die aufgrund der Grenzenlosigkeit12 des Internets und nicht zuletzt auch aufgrund der technischen Besonderheiten und Entwicklungen, noch lange nicht bewältigt sind. Nicht nur die Diskussion13 um das nicht einmal zwei Jahre gültige Zugangserschwerungsgesetz14 zeigt, welche Schwierigkeiten die rechtliche Bewertung der unzähligen in Betracht kommenden Szenarien bietet. Neben zivilrechtlichen Fragen nach der Wirksamkeit eines über das Internet zustande gekommenen Vertrages oder der unerlaubten Nutzung fremder Produktbilder im Rahmen einer privaten eBayAuktion, ist insbesondere das Strafrecht laufend neuen Fragestellungen ausgesetzt. Infolgedessen existieren umfassende wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der strafrechtlichen Bewertung jeglicher strafbarer Inhalte im Internet15, den Äußerungs- und Verbreitungsdelikten16, den Pornografiestraf5  Siehe FAZ vom 15.05.2012, S. 15; FAZ vom 15.06.2012, S. 33; Süddeutsche Zeitung vom 15.11.2012, S. 9. 6  Siehe FAZ vom 20.01.2012, S. 16. 7  Siehe z. B. die Übersichten bei http: /  / goo.gl / 9iwso4, Spiegel Online, 12.04.2014 oder http: /  / goo.gl / 3syZ98, Wikipedia, 12.04.2014. 8  Siehe Süddeutsche Zeitung vom 10.12.2013, S. 35. 9  Siehe hinsichtlich der technischen Abläufe unten unter C. III. 2. 10  Siehe hinsichtlich der rechtlichen Bewertung im Urheberrecht von Gerlach, Streaming, S. 104 ff.; siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage vom 17.12.2013 (BT-Drucks. 18 / 195), wonach „die Bundesregierung das reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung [hält]“ (http: /  / goo.gl / E6Bu3q, Antwort Bundesregierung, 11.04.2014). 11  Siehe FAZ vom 09.01.2014, S. 31; Tagesspiegel vom 09.01.2014, S. 26. 12  Neben der tatsächlichen Weite des Internets (der das Carna Botnetz nutzende Internet Census 2012 kam auf die Größe von 420.000.000 Geräten, die in der Zeit zwischen Juni und Oktober 2012 auf die Ping-Anfrage antworteten [siehe http: /  /  goo.gl / XA5ceL, Internet Census, 11.04.2014), stellt insbesondere die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Internetsachverhalte ein großes Problem dar. Siehe dazu allein Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 75 ff. 13  Siehe an dieser Stelle nur Gercke, ZUM 2012, 625 m. w. N. 14  Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz – ZugErschwG), BGBl. I 2010, S. 78, aufgehoben mit Wirkung vom 29.12.2011 durch Art. 1 Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl. I 2011, S. 2958). 15  So z. B. Bremer, Strafbare Internet-Inhalte in internationaler Hinsicht, 2001; Gercke, Rechtswidrige Inhalte im Internet, 2000. 16  So z. B. Römer, Verbreitungs- und Äußerungsdelikte im Internet, 2000.

Einleitung21

taten17 oder explizit allein mit der Kinder- und Jugendpornografie18 befassen. Weitere Abhandlungen behandeln andere internetbezogene Themenkomplexe, wie die Terrorismusbekämpfung19, oder auf diese bezogene Einzelfragen, die sich unter anderem intensiv mit der rechtlichen Würdigung technischer Vorgänge der Internetkommunikation auseinandersetzen.20 Dennoch handelt es sich bei allen Bearbeitungen nur um Momentaufnahmen, da sich „das Internetstrafrecht noch stark im Fluss befindet.“21 Dies gilt insbesondere im Rahmen der §§ 184 ff. StGB, welche in den letzten Jahren einem steten Wandel unterzogen war. Denn trotz der zahlreichen Änderungen und Ergänzungen,22 besteht „das Grundproblem dieser Tatbestände nach wie vor fort: Sie passen eigentlich nicht recht auf Datenübermittlungsvorgänge, wie sie insbesondere für die (…) ‚Internet-Sachverhalte‘ kennzeichnend sind.“23 In der vorliegenden Arbeit gilt es daher der Frage nachzugehen, ob und in welchen Konstellationen ein digitaler Besitz im Zusammenhang mit im Internet betrachteten kinderpornografischen Darstellungen vorliegt. Diese Frage hat nicht nur aufgrund einer Entscheidung des OLG Hamburg aus dem Jahre 2010 und der daraufhin in der Rechtswissenschaft aufkommenden umfassenden Diskussion an Aktualität gewonnen. Darüber hinaus ist am 17.  Dezember 2011 die Richtlinie 2011 / 93 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004 / 68 / JI des Rates24 in Kraft getreten,25 die bis zum 18.12.2013 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen. Nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie sind die Besitztatbestände des § 184b StGB um eine auch den Zugriff 17  So z. B. Exner, Pornografiestraftaten in den Neuen Medien, 2012; Schreibauer, Das Pornographieverbot des § 184 StGB, 1999. 18  So z. B. König, Kinderpornografie im Internet, 2004; Palm, Kinder- und Jugendpornographie im Internet, 2012. 19  So z. B. Petzsche, Strafrecht und Terrorismusbekämpfung, 2013. 20  So z. B. Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, 1992; Detlefsen, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Setzen von Hyperlinks nach deutschem Recht, 2007; von Gerlach, Die urheberrechtliche Bewertung des nicht-linearen Audio-Video Streamings im Internet, 2012; S. Müller, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verweisungen durch Hyperlinks nach deutschem und Schweizer Recht, 2011; Piazena, Das Verabreden und Auffordern zur Begehung von Straftaten unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets, 2013. 21  Gercke, in: Praxishandbuch, Vorwort. 22  Siehe zur Entwicklung noch ausführlich unter B. II. 2. 23  Popp, juris-PR-ITR 25 / 2013 Anm. 2. 24  ABlEG 2004 Nr. L 13, S. 44. 25  ABlEU 2011 Nr. L 335, S. 1 sowie BerichtigungsRL in ABlEU 2012 Nr. L 18, S. 7.

22 Einleitung

umfassende Tathandlung zu erweitern, um die vermeintliche26 Strafbarkeitslücke in den Fällen zu schließen, in denen „das Anschauen von Kinderpornografie auf Webseiten, ohne die Bilder herunterzuladen oder zu speichern, nicht den Straftatbestand des ‚Besitzens‘ oder ‚Beschaffens‘ von Kinderpornografie erfüllt.“27 Nach Hecker „[dürfte] der aus der Richtlinie abzuleitende Änderungsbedarf des deutschen materiellen Strafrechts [jedoch] (…) begrenzt sein.“28 Denn „wenn der in Art. 5 III enthaltene unionsrechtliche Begriff des ‚Zugriffs‘ bereits das schlichte Betrachten kinderpornografischer Dateien meint, müsste diese Wertungsvorgabe durch eine grundsätzlich mögliche richt­ linienkonforme Auslegung des § 184 b IV S. 1 StGB Rechnung getragen werden.“29 Zu dieser Auslegung soll die vorliegende Arbeit ihren Beitrag leisten. Dazu werden nach einem ersten Überblick über die Problemstellung im Abschnitt A. der Arbeit die Grundlagen des strafrechtlichen Besitzes herausgearbeitet (Abschnitt B.). Diese dienen als Grundlage für die anschließende Auslegung der Besitztatbestände im Abschnitt D. II. Die Ausführungen zur Relativität der Rechtsbegriffe (Abschnitt B. III.) werden zeigen, dass eine Auslegung nie losgelöst von dem eigentlichen Verwendungszusammenhang des auszulegenden Begriffs erfolgen kann. Dies macht eine umfassende Analyse des Tatobjekts und der mit dem Betrachten im Internet zusammenhängenden technischen Vorgänge ebenso erforderlich (Abschnitt C.) wie eine Darstellung der übrigen Tathandlungen (Abschnitt D. I.). Dazu werden in Abschnitt D. einige Beispiele vorangestellt, mit Hilfe derer die einzelnen Problemfelder veranschaulicht werden. Abschließend werden in Abschnitt E. die Ergebnisse der Arbeit präsentiert und an den Vorgaben der oben genannten Richtlinie gemessen. Abschnitt F. stellt eine Zusammenfassung der Fragestellung und ihrer Lösung dar.

26  Siehe

27  KOM

dazu ausführlich unten unter E. (2010) 94 endgültig, S. 8; zustimmend Palm, Kinderpornographie,

S. 144. 28  Hecker, Europäisches Strafrecht, § 11 Rn. 41. 29  Hecker, Europäisches Strafrecht, § 11 Rn. 41.

A. Einführung Mit der Frage, ob unabhängig von der Kenntnis der stattfindenden Zwischenspeicherungen auch das bloße bewusste Betrachten kinderpornografischer Darstellungen im Internet ein strafbares Besitzverhältnis i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB begründet, hat sich das OLG Hamburg1 in einer viel besprochenen und ebenso viel kritisierten2 Entscheidung auseinandergesetzt. Dem Urteil lag dabei folgender, stark zusammengefasster Sachverhalt zugrunde.3 A sah sich an 16 verschiedenen Tagen auf dem Bildschirm seines Computers online mindestens 18 Bild- und eine Videodatei mit kinderpornografischem Inhalt an. A hatte gezielt nach den Darstellungen gesucht und dabei regelmäßig Vorschaubilder durch Anklicken vergrößert. Eine über das bloße Betrachten hinausgehende Speicherung nahm er dabei jedoch nicht vor und hatte dies ebenso zu keinem Zeitpunkt geplant. Kenntnis von der stattfindenden automatischen Cachespeicherung der Dateien auf seinem Computer hatte er ebenfalls nicht. Das AG Hamburg-Harburg4 hat den A freigesprochen, worauf die Staatsanwaltschaft nach § 335 Abs. 1 StPO5 Revision einlegte. Das OLG Hamburg hob das Urteil auf und verwies die Sache gemäß §§ 354 Abs. 2 StPO i. V. m. § 353 Abs. 2 StPO unter Aufhebung auch der Feststellungen an das AG zurück.

I. Urteil des OLG Hamburg vom 15.2.2010 – 2-27 / 09 (REV) Nach Auffassung des OLG Hamburg erfüllt bereits das bloße Betrachten kinderpornografischer Darstellungen im Internet den Tatbestand des Sich1  OLG

Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896). z. B. Brodowski, StV 2011, 105; Brodowski / Freiling, Cyberkriminalität, S. 89; Eckstein, NStZ 2011, 18; Fischer, § 184b StGB Rn. 21c; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35; dies., NStZ 2010, 704; Mintas, NStZ 2010, 344; Müller, MMR 2010, 344; Popp, ZIS 2011, 193 (196). 3  Dem Sachverhalt ist der unten gebildete Beispielfall 3 nachempfunden, siehe unten unter D. 4  AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 23.  Februar 2009, AZ 618-17 / 09 (unveröffentlicht). 5  Strafprozessordnung, BGBl. I 1987, S. 1074, ber. S. 1319. 2  Siehe

24

A. Einführung

Verschaffens i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB.6 Ein strafbewehrtes Verschaffen läge insbesondere auch dann vor, wenn der Täter weder Kenntnis von der stattgefundenen Cachespeicherung hatte, noch vorhatte, die Dateien gesondert abzuspeichern, da bereits das bewusste Laden in den Arbeitsspeicher eine ausreichende Datenherrschaft begründe.7 Im Rahmen der Urteilsgründe setzt sich das OLG Hamburg dabei im Wege einer umfassenden Auslegung ausführlich mit den unterschiedlichen Besitzbegriffen auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des Besitzes unkörperlicher Daten keine Regelung existiere, da sich insbesondere das zivilrechtliche Sachenrecht und das Betäubungsmittelrecht allein auf körperliche Gegenstände bezögen.8 Mit Hinweis auf den vom BGH entwickelten internetspezifischen Verbreitungsbegriff bezüglich unkörperlicher Daten9 spricht sich das Gericht daher für das Erfordernis eines spezifischen Besitzbegriffs aus, „der im Kern an den allgemeinen Besitzbegriff anknüpft, aber einzelne Definitionsmerkmale an die Besonderheiten unkörperlicher Gegenstände und ihres Verwendungszusammenhangs anpasst.“10 Nach der Auffassung des Gerichts stehen einer solchen Auslegung weder der Wortlaut noch das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG entgegen, da der Besitzbegriff verwendungsbezogen auszulegen sei,11 was auch der Vergleich des zivilrechtlichen und betäubungsmittelrechtlichen Besitzbegriffs ergebe.12 Darüber hinaus entspräche die Auslegung dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen und würde dem Sinn und Zweck der Norm gerecht.13

II. Kritik und Stellungnahme Obwohl sich das OLG Hamburg in seiner Urteilsbegründung umfassend mit den unterschiedlichen Besitzbegriffen auseinandersetzt und dabei auch alle Auslegungsmethoden berücksichtigt, ist das Urteil dennoch auf zum größten Teil berechtigte Kritik gestoßen. So bezeichnet Popp die Auffassung des Gerichts als „verwirrend (und auch sachlich unzutreffend)“14, während nach Müller „der eingehend begründeten Entscheidung (…) nicht zuzustim6  Vgl.

OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896). OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896); siehe hinsichtlich der Tatbestandvoraussetzungen ausführlich unter D. I. 8  Vgl. OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896). 9  BGHSt 47, 55 (59); siehe hierzu ausführlich unter B. III. 2. d). 10  OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896). 11  Vgl. OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1895). 12  Vgl. OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1895). 13  Vgl. OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896). 14  Popp, ZIS 2011, 193 (196). 7  Vgl.



II. Kritik und Stellungnahme25

men [ist]“15. Nach Brodowski „überdehnt das OLG Hamburg [sogar] das geltende Recht“16. Während sich die grundsätzlichen Ausführungen des Gerichts zum Schriftenbegriff und der Besitzverschaffung durch Downloads mit den überwiegenden Ansichten in Literatur und Rechtsprechung decken17 und insoweit nicht zu beanstanden sind, subsumiert das Gericht in einem „erst auf den zweiten Blick zutage tretenden Schritt“18 auch die Daten selbst unter den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB.19 Nach Ansicht des OLG Hamburg „sind Dateien, die auf Datenspeichern (…) festgehalten sind, selbst Datenspeicher und stehen somit Schriften gleich.“20 Zwar spricht sich das Gericht mangels bestehender Regelungen für eine Erweiterung des Besitzbegriffs auch auf unkörperliche Daten aus; eine Auseinandersetzung mit dem eindeutigen Wortlaut „Datenspeicher“ in § 11 Abs. 3 StGB bleibt dabei jedoch aus. Mit dem Abstellen auf die Daten als solche „sprengt das OLG Hamburg [jedoch] de lege lata die Grenzen des § 11 Abs. 3 SGB“21. Auch bezüglich der Erweiterung des Besitzbegriffs auf unkörperliche Dateien und der damit verbundenen Abkehr von den bestehenden Besitzbegriffen bleibt der Senat eine weitergehende Begründung schuldig. Allein der Verweis auf den internetspezifischen Verbreitungsbegriff vermag den neuen Besitzbegriff nicht zu rechtfertigen. Schwerwiegender als das Abstellen auf die unkörperlichen Daten wiegt jedoch, dass das OLG Hamburg selbst bei Zugrundelegung seiner eigenen Auslegung eine tragfähige Begründung des subjektiven Tatbestandes schuldig bleibt.22 Denn selbst unter Anerkennung der Besitzbarkeit von Daten stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, worauf sich das Wissen und Wollen des Täters beziehen muss. Ist daher zur Begründung strafbaren Besitzes bereits das bloße bewusste, also willensgetragene Betrachten ausreichend? 15  Müller,

MMR 2010, 344 (345). StV 2011, 105. 17  Siehe ausführlich unter D. I. 2. 18  Eckstein, NStZ 2011, 18 (19). 19  „Die (…) kurzfristig in den Arbeitsspeicher geladenen Dateien enthalten (…) Darstellungen, die auf einem Datenspeicher festgehalten sind, und sind damit Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB“ (OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 [1894]). „Mit dem festgestellten Aufrufen der Dateien aus dem Internet (…) hat der Angeklagte es im Sinne des § 184 b Abs. 4 S. 1 StGB unternommen, sich Besitz an den Dateien zu verschaffen“ (OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 [1894]). 20  OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1894); i. E. wohl auch Palm, Kinderpornographie, S. 98, nach der die „Datei als festgelegter Speicherbereich (…) vom Begriff des Datenspeichers erfasst“ würde. Ebenso BGH NStZ 2005, 444 (445), der vom „Besitz der Bilddateien“ spricht. 21  Eckstein, NStZ 2011, 18 (19). 22  So auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (20); Handke, Bekämpfung, S. 67. 16  Brodowski,

B. Besitz i. S. d. Strafrechts Zur Beantwortung dieser Frage gilt es zunächst die Voraussetzungen des strafrechtlichen Besitzbegriffs im Allgemeinen1 sowie die Voraussetzungen, die an das Tatobjekt2 und die Tathandlung3 zu stellen sind, im Konkreten, also i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB, darzustellen.

I. Allgemeine Betrachtungen Während mit dem Begriff „Besitz“ die rechtliche Anerkennung der tatsächlichen Beziehung einer Person zu einer Sache ohne Rücksicht auf die rechtliche Beziehung zu dieser4 bezeichnet wird, ist mit der Verwendung des Begriffs „Eigentum“ die umfassende rechtliche Zuordnung einer Sache zur Person gemeint.5 Beide Sachbeziehungen haben demnach einen gemeinsamen Bezugspunkt, nämlich eine Sache, welcher von einer Person beherrscht wird. Deren tatsächliche und rechtliche Beziehung zu dieser Sache ist mit jeweils unterschiedlicher Stärke ausgestattet.6 Besitz und Eigentum können dabei auseinanderfallen, auch wenn im Sprachgebrauch des täglichen Lebens nicht sauber zwischen den beiden Rechtsbeziehungen unterschieden wird.7 Das Vorliegen der einen ist darüber hinaus kein Indikator für das Vorliegen der jeweils anderen Rechtsbeziehung. So wird nach § 1006 BGB lediglich widerlegbar8 vermutet, der Besitzer sei auch Eigentümer. Strafrechtlich kommt es für die Frage der Besitzstrafbarkeit auf die Eigentumslage in der Regel jedoch nicht an. So wird nach § 29 Abs. 1 Satz  1 Nr. 3 BtMG derjenige bestraft, der Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein. Wer zivilrechtlich das Eigentum an diesen hält, ist für eine Bestrafung nach dem

1  Siehe

dazu ausführlich unter B. dazu ausführlich unter C. 3  Siehe dazu ausführlich unter D. 4  Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 7 Rn. 1. 5  Vgl. Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 27 Rn. 9; ähnlich Baur /  Stürner, Sachenrecht, § 24 Rn. 4. 6  Siehe Landau, Verantwortlichkeit, S. 4. 7  Vgl. Baur / Stürner, Sachenrecht, § 2 Rn. 24. 8  Baur / Stürner, Sachenrecht, § 10 Rn. 5. 2  Siehe



II. Historische Entwicklung der Besitzstrafbarkeit27

BtMG unerheblich.9 Dass die Eigentumslage unerheblich ist und es nur auf den tatsächlichen Besitz ankommt, lässt sich unter anderem mit der Funk­ tion von Besitzdelikten erklären. Nach Schroeder10 stellen auf der einen Seite die Gefahr der Benutzung der Sache durch den Besitzinhaber, auf der anderen die mittelbare Förderung von Straftaten zur Erstbesitzerlangung die grundlegendsten Strafgründe dar. Grund der Pönalisierung ist damit allein das tatsächliche Element des Besitzes und nicht die rechtliche Beziehung zu der Sache. Bevor die Funktionen von Besitzdelikten im Einzelnen ausführlich dargestellt werden,11 gilt es zunächst herauszuarbeiten, was ein Besitzdelikt ist und wie sich die heutigen Besitztatbestände entwickelt haben. Als Besitzdelikt ist zunächst ein Straftatbestand zu bezeichnen, der in erster Linie allein auf den Besitz eines körperlichen Gegenstandes als Tathandlung abstellt. Strafbewehrt ist damit der Besitz als solcher und keine an diesen anknüpfende Handlungsmodalität, wie ein Anbieten im Falle des § 184 Abs. 3 Nr. 3 StGB oder Feilhalten nach § 149 Abs. 1 StGB.12 Dabei ist der Wortlaut des Gesetzes nicht auf die Worte „Besitz“ und „besitzen“ beschränkt.13 Der folgende Überblick über die historische Entwicklung soll das Verständnis für die verschiedenen Personen-Sach-Beziehungen schärfen und so für die anschließende Auslegung sensibilisieren.

II. Historische Entwicklung der Besitzstrafbarkeit Neben § 184b Abs. 4 StGB stellt heute wahrscheinlich § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG den bekanntesten Besitzstraftatbestand dar. Während § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB den Besitz an kinderpornografischen Schriften unter Strafe stellt, enthält § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG ein Besitzverbot von Betäubungsmitteln. Bei beiden Delikten handelt es sich um neuere Tatbestände; das BtMG ist 1981 in Kraft getreten, § 184b wurde erst 1993 in das StGB eingefügt. 9  Vgl. Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 214; Weber, § 29 BtMG Rn. 1169. 10  Schroeder, NJW 1993, 2581 (2582). 11  Siehe dazu ausführlich unter B. IV. 12  Anbieten bedeutet, sich zur Überlassung bereit erklären (BGH NJW 1987, 449; Ziegler, in: Beck’scher OK § 184 StGB Rn. 4), feilhalten äußerlich erkennbar zum Zwecke des Verkaufs bereithalten (BGHR § 152a I Nr. 1; Fischer, § 146 StGB Rn. 14). Damit bauen die Handlungen zwar auf der tatsächlichen Sachherrschaft auf, erfordern darüber hinaus jedoch noch eine nach außen tretende Erklärung, so dass ein wesentlicher Unterschied zum reinen Besitz besteht; vgl. hierzu Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (109). 13  Die dem Besitzen entsprechenden Formulierungen werden unter B. IV. 1. jeweils anhand ausgewählter Beispiele kurz vorgestellt.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Wie jedes Rechtsgebiet ist auch das Strafrecht einem steten Wandel unterworfen.14 Dieser geht zum einen mit technischen und gesellschaftlichen,15 zum anderen aber auch mit politischen Entwicklungen einher.16 Infolgedessen sind in den letzten 140 Jahren über 200 Änderungen im StGB ergangen17 und weit über 100 neue Besitzstraftatbestände in das gesamte Strafrecht eingefügt worden. Wieder andere – als prominentestes Beispiel sei an dieser Stelle nur § 245a StGB genannt – sind aus den unterschiedlichsten Gründen Gesetzeskorrekturen18 zum Opfer gefallen. Im Falle des § 245a StGB, dem Besitz von Diebeswerkzeug, waren verfassungsrechtliche Bedenken der ausschlaggebende Grund. Obwohl der BGH in seinem Urteil vom 05.09.196719 die Vereinbarkeit des Besitzstraftatbestandes mit Art. 1 I GG und Art. 6 II EMRK20 festgestellt hatte, wurde § 245a StGB im Rahmen der Strafrechtsreformgesetze von 1969 gestrichen. Der Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit sei eine reine Vorbereitungshandlung, was rechtsstaatlich nicht unbedenklich sei.21 1. Römisches Recht bis 21. Jahrhundert Straftatbestände, die den bloßen Besitz von Gegenständen unter Strafe stellen, gibt es jedoch nicht erst seit dem 20. Jahrhundert. Besitztatbestände existierten schon im römischen Recht und früher22. So war nach der Lex Cornelia de sicariis et veneficis von 81 v. Chr. derjenige gleich einem Mörder zu bestrafen, der in Tötungsabsicht Gift besaß. Strafgrund war nach dieser Regelung allein der Besitz, ohne dass es zu einer vollendeten Tötung gekommen sein musste.23 Das Delikt war als Kapitalverbrechen klassifiziert und wurde entsprechend mit poena capitis, also Höchststrafen, bestraft. Die Lex Cornelia sah dazu neben der Konfiskation des Vermögens und Verbannung24 unter Umständen auch die Todesstrafe vor. die Darstellung bei Vormbaum, Strafrechtsgeschichte, S. 268. dazu im Einzelnen die Darstellung bei Rüping, Strafrechtsgeschichte, S. 23–85 und v. Liszt, Lehrbuch, S. 3–59. 16  Vgl. Vormbaum, ZStW 107 (1995), 735 (744). 17  Vormbaum, Strafrechtsgeschichte, S. 142 f. m.w.N in Fn. 24. 18  BT-Drucks. 4 / 650, S. 400. 19  BGHSt 21, 306. 20  BGBl. II 1952, S. 685, 953. 21  Das Reformgesetz basiert auf einem Entwurf eines Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1962 (BT-Drucks. IV / 650), in welchem die Bedenken bereits zum Ausdruck gebracht worden waren (siehe BT-Drucks. IV / 650, S. 400). 22  § 9 Codex Hammurabi: Wer als Besitzer eines verlorenen Gegenstandes eines anderen keine Zeugen für seinen rechtmäßigen Erwerb präsentieren kann, wird als Dieb verurteilt. 23  Vgl. Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 635. 14  Vgl. 15  Vgl.



II. Historische Entwicklung der Besitzstrafbarkeit29

Auch im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 existierten an verschiedenen Stellen25 Besitzstraftatbestände. So war es beispielsweise nach II 20 § 740 ALR verboten, „ohne (die) wahrscheinliche Gefahr eines nächtlichen Ueberfalls, (ein) geladenes Gewehr in seinem Hause (zu) verwahren“. Eine Zuwiderhandlung nach II 20 § 743 ALR wurde mit acht bis vierzehn Tagen Arrest oder Geldstrafe dem römischen Recht gegenüber vergleichsweise gering bestraft. In der Folgezeit entwickelten sich vor allem im Nebenstrafrecht stetig weitere Besitzstraftatbestände; viele oft als Ergänzung zum verwaltungsrechtlichen Kontrollregime, dem der Güterverkehr mit diversen Gegenständen unterworfen war.26 Die zunehmende Industrialisierung und der technische Fortschritt brachten immer neue Gegenstände hervor, die zu besitzen dem Gesetzgeber strafwürdig erschien.27 So war seit 1878 der Besitz von nicht gekennzeichneten Spielkarten nach dem Gesetz, betreffend den Spielkartenstempel,28 verboten und seit 1902 nach § 8 Süßstoffgesetz29 der Besitz von mehr als 50 Gramm Süßstoff, sofern dieser nicht von einer autorisierten Person bezogen worden war. Ein anderes Beispiel für die gesetzgeberische Regulierung des Warenverkehrs stellt das Gesetz, betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken30 aus dem Jahr 1892 dar, welches in § 7 Nr. 2 das Feilhalten verfälschten oder nachgemachten Weins unter Strafe stellte. Strafbar war damit in der ursprüng­ lichen Fassung aber nur eine eng mit dem Besitz verknüpfte Handlung und damit eine über den Besitz hinausgehende Verhaltensweise und nicht der Besitz als solcher. Während der Gesetzgeber in jüngerer Zeit, wie im Falle des Weingesetzes aus dem Jahre 197131, welches um jegliches Vorrätighalten ergänzt worden war, nur an bestehende Vorschriften anknüpfte und diese um einige Begehungsmodalitäten erweiterte, wurden an anderer Stelle aber auch komplett neue Besitzdelikte geschaffen. Neu hinzugekommen sind unter anderem Regelungen hinsichtlich des Besitzes von Drogen und Waffen. Bis 1972 das Gesetz über den ­Verkehr mit Betäubungsmitteln32 erlassen wurde, war § 8 Nr. 1 Opiumge24

24  „Aquae et ignis interdictio“, lat. Untersagung der Gemeinschaft von Feuer und Wasser. 25  Vgl. noch II 20 §§ 1444. 26  Vgl. dazu vor allem die Darstellung bei Eckstein, Besitz, S. 23 ff. 27  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 23. 28  RGBl. S. 133. 29  RGBl. S. 253. 30  RGBl. S. 597. 31  Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz), BGBl. I 1971, S. 893. 32  BGBl. I 1972, S. 1.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

setz33 von 1921, welcher die Aufbewahrung und Zubereitung bestimmter Stoffe in nicht genehmigten Örtlichkeiten unter Strafe stellte, der einzige Betäubungsmittelbesitztatbestand. Täter konnte jedoch nur derjenige sein, der bereits eine grundsätzliche Genehmigung zum Umgang mit Betäubungsmitteln besaß. Ein Besitzverbot für jedermann stellte diese Regelung hingegen nicht dar. Gemäß der aktuellen Fassung34 wird nach § 29 Abs. 1 Satz  1 Nr. 3 BtMG nun derjenige mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe bestraft, der ohne schriftliche Erwerbserlaubnis Betäubungsmittel besitzt. Der Besitztatbestand wurde als Folge des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe35 am 22. Dezember 1971 in das BtMG eingeführt36. In Verbindung mit § 3 Abs. 1 BtMG, der die im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln stehenden erlaubten Handlungen aufführt und für den Besitz keine Erlaubnis vorsieht,37 folgt, dass der Besitz weder erlaubnispflichtig noch erlaubnisfähig ist.38 Zusammen mit der Eigenschaft als Auffangtatbestand stellt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG somit ein generelles Besitzverbot dar und erfasst alle Arten von Besitz, die eine gewisse Erheblichkeitsstufe erreicht haben.39 Anhand der Entwicklung im Waffenrecht lässt sich daneben besonders gut nachvollziehen, wie sich aufgrund politischer und gesellschaftlicher Umstände die Strafbarkeit des Besitzes an Gegenständen in den letzten hundert Jahren geändert hat. War 1919 noch jeglicher40 Besitz von Schuss33  RGBl. II 1921, S. 2: Gesetz zur Ausführung des internationalen Opiumabkommens vom 30.12.1920. 34  BGBl. I 1981, S. 681, 1187, in Kraft getreten 28.07.1981. 35  Single Convention on Narcotic Drugs der Vereinten Nationen von 1961 (BGBl. II 1977, S. 111). 36  BT-Drucks. 6 / 1877, 59. 37  Weber, § 3 BtMG Rn. 9, 72; § 29 BtMG Rn. 1166. 38  Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 213; Patzak, in: Körner, § 3 BtMG Rn. 7; a. A. Kotz, in: MüKo, § 3 BtMG Rn. 5, der wie Hügel / Junge / Lander / Winkler, § 3 BtMG Rn. 15 davon ausgeht, dass der Besitz mittelbar erlaubnisfähig sei, da der Besitz in der Regel als Folge anderer erlaubnisfähiger Verkehrsformen auftrete. Dieser Ansicht stehen jedoch der eindeutige Wortlaut des § 3 Abs. 1 BtMG und die Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG entgegen. So ist zum einen der Besitz in der Aufzählung der erlaubnisbedürftigen Handlungen in § 3 Abs. 1 BtMG nicht erwähnt, zum anderen knüpft die Strafbarkeit in § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG nicht an den unerlaubten Besitz an, sondern an die fehlende Erwerbserlaubnis. Bestraft wird daher nicht derjenige, der Betäubungsmittel besitzt, sondern wer als Besitzer keine Erwerbserlaubnis besitzt. Zu Strafzweck und Schutzgut siehe noch ausführlich B. IV. 1. a) aa). 39  Zu den Voraussetzungen im Einzelnen siehe B. IV. 1. a) aa). 40  Lediglich in § 2 Satz  2 der Waffenbesitzverordnung (RGBl. 31, 122) war die Möglichkeit einer durch die Landeszentralbehörden festgesetzten Ausnahme normiert.



II. Historische Entwicklung der Besitzstrafbarkeit31

waffen und Munition verboten,41 wurden im Dritten Reich viele Besitztatbestände, ebenso wie der erst 192842 eingeführte Waffenerwerbsscheinzwang, wieder abgeschafft; das Volk sollte wehrhaft gemacht werden.43 Das generelle Besitzverbot 1919 ist wie auch Art. 10 (a) Gesetz Nr. 24 der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland vom 30. März 195044 der jüngeren deutschen Kriegsgeschichte geschuldet. Es resultierte zum einen aus der Verpflichtung zur Entwaffnung45 des deutschen Volkes aus den Art. 177 und 178 des Versailler Friedensvertrages46, zum anderen aus der alliierten Oberhoheit über Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg.47 Nach den §§ 1 und 3 der „Entwaffnungs-Verordnung“48 vom 13. Januar 1919 waren alle Schusswaffen unverzüglich abzuliefern.49 Diese Verpflichtung entsprach, auch ohne auf den Besitz direkt abzustellen, einem absoluten Besitzverbot. Alle diese gesetzlichen Bestimmungen waren aus der Not der Zeit geboren und Ausdruck einer Gelegenheitsgesetzgebung.50 Eine Folge dessen war eine schwer verständliche Flut51 von Regelungen und punktuellen Besitzverboten,52 die sich bis zu den Waffenrechtsreformen 1972 und 1976 fortsetzte. Erst die Einführung der Waffenbesitzkarte brachte ein generelles Besitzverbot mit Erlaubnisvorbehalt.53 Trotz des Versuchs eines bundeseinheitlichen Waffengesetzes gelang es dem Gesetzgeber nicht, ein übersichtliches Waffenrecht zu schaffen. Die Folge waren weitere große Waffenrechtsreformen. Mit dem WaffRNeuRegG54 2003 und dem WaffRÄndG 2008 sollte auch in jüngerer Vergangenheit wieder eine übersichtliche und kompakte55 Neuregelung des Waffenrechts erreicht werden. Heute finden sich zwölf Besitztatbestände im WaffG. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur § 51 Abs. 1 WaffG i. V. m. § 2 Abs. 1 oder 3 WaffG, jeweils in Verbindung mit 41  §§ 1, 3 Verordnung über Waffenbesitz vom 13.  Januar 1919 (RGBl. I 1919, S. 31, 122), zitiert als Waffenbesitzverordnung. 42  Gesetz über Schusswaffen und Munition, RGBl. I, S. 143. 43  Papsthart, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, WaffG Einl. Rn. 9; Scholzen, Die Politische Meinung 407 / 2003, S. 34. 44  Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland, S. 251. 45  Vgl. Hoche, Waffengesetz, S. 10; Werger, Waffenbesitz, S. 10. 46  RGBl. I 1919, S. 687. 47  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 25. 48  Die Bezeichnung geht zurück auf Werger, Waffenbesitz, S. 33. 49  Vgl. Reiber, Entwicklung, S. 27. 50  Vgl. Werger, Waffenbesitz, S. 11. 51  Gade, Waffenrecht, S. 1. 52  Zur Geschichte des Waffenrechts siehe Reiber, Entwicklung, S. 4 ff. 53  Vgl. Reiber, Entwicklung, S. 172. 54  BGBl. I 2002, S. 3970, S. 4592. 55  Heller / Soschinka, Waffenrecht, S. 9.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1 genannt, welcher neben anderen Umgangsformen56 auch den Besitz von vollautomatischen Schusswaffen oder Vorderschaftrepetierern unter Strafe stellt. Neben dem klassischen Waffenrecht entwickelte sich seit dem ersten Weltkrieg das Kriegswaffenkontrollrecht,57 wodurch weitere Besitzstraftatbestände geschaffen und bestimmte Waffen aus dem allgemeinen Waffengesetz herausgenommen wurden. In der aktuellen Fassung des KrWaffG58 finden sich ebenfalls zwölf Besitztatbestände59. 2. Entwicklung des § 184b StGB Wie schon am Beispiel des internationalen Opiumabkommens angedeutet, werden neue Besitzdelikte jedoch nicht nur aufgrund nationaler Erwägungen in das Strafrecht eingefügt. Als Folge des immer stärker werdenden Zusammenwachsens der europäischen Länder als Mitgliedstaaten eines geeinten Europas kommt es auch zu einer zunehmenden Harmonisierung60 und damit verbundenen Europäisierung des gesamten Rechts. Dennoch beschränken sich die Einflussmöglichkeiten Europas im Strafrecht auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon61, von Art. 325 IV AEUV62 abgesehen, auf den Erlass von Richtlinien.63 Ein einheitliches und für alle Mitgliedsstaaten gültiges Europäisches StGB gibt es bis heute nicht, so dass es weiter Aufgabe des nationalen Gesetzgebers ist, die Richtlinien der Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV entsprechend umzusetzen.64 Im Zuge des 27. StrÄndG65 wurde am 23. Juli 1993 durch Ergänzung des damaligen Absatzes 5 in § 184 StGB a. F. der Besitz von kinderpornografischen Schriften unter Strafe gestellt. Die Einführung einer Besitzstrafbarkeit 56  Siehe

zu dem Begriff des Umgangs unten B. IV. 1. b) aa). Pottmeyer, KrWaffG, Einleitung Rn. 1. 58  BGBl. I 1961, S. 444, in Kraft getreten am 20. April 1961, zuletzt geändert am 06.06.2009 (BGBl. II 2009, S. 502). 59  Vgl. §§ 19–22a KrWaffG. 60  Satzger, KritV 2008, 17 (25 ff.); ders., Internationales Strafrecht, § 9 Rn. 50. 61  ABl. EG Nr. C 11 S. 47, in Kraft getreten am 01.12.2009. 62  Art. 325 Abs. 4 AEUV ermächtigt die EU, selbst Maßnahmen zur „Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten“ zu beschließen. Damit ist die Grundlage für supranationale Straftatbestände geschaffen worden; vgl. Zimmermann, Jura 2009, S. 844 (845). 63  Vgl. Hecker, Europäisches Strafrecht, S. 227. 64  Vgl. Herrmann / Michl, JuS 2009, 1068. 65  Siebenundzwanzigstes Strafrechtsänderungsgesetz – Kinderpornografie (BGBl. I 1993, S. 1346), in Kraft getreten am 01.09.1993. 57  Vgl.



II. Historische Entwicklung der Besitzstrafbarkeit33

sollte den „Markt“ für solche Schriften austrocknen, da der Gesetzgeber und Teile der Literatur eine hohe Mitverantwortlichkeit auf Seiten des Konsumenten sahen66 und immer noch sehen67. Die Existenz und Nachfrage eines solchen Marktes sei – laut Rechtsausschuss zumindest mittelbar68 – für den damit einhergehenden Kindesmissbrauch mitverantwortlich,69 so dass eine Besitzstrafbarkeit auch auf Seiten des Konsumenten dem gesetzgeberischen Ziel des Schutzes der Kinder70 gerecht würde. In der Begründung des Gesetzentwurfes71 wird klargestellt, dass unter dem Besitzbegriff, ebenso wie im Falle des § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, das Herbeiführen oder Aufrechterhalten eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses zu verstehen ist. Damit galt gemäß § 184 Abs. 5 Satz 2 StGB a. F. ein über das zivilrechtliche Verständnis hinausgehender Besitzbegriff,72 so dass beispielsweise entgegen § 855 BGB73 auch Boten Besitzer sein konnten. Mithin wurde jede Form von Besitz74 unter Strafe gestellt. Mit dem Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung75 von 2003 wurden die Absätze 3 bis 7 des § 184 StGB a. F. aufgehoben und die §§ 184a–c StGB eingeführt. Die Besitzstrafbarkeit des Absatzes 5 a. F. wurde fast wörtlich in den neu eingeführten § 184b Abs. 4 StGB überführt, während der Strafrahmen für den Besitz von kinderpornographischen Schriften hingegen erheblich verschärft wurde76. Schon fünf Jahre später trat am 05. November 2008 mit dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Kin66  BT-Drucks.

12 / 3001, S. 5. z. B. Böse, in: Schoeder-FS 2006, S. 757; Hörnle ebenda, S. 477; kritisch hinsichtlich einer Besitzstrafbarkeit Gropp, in: Otto-FS 2007, S. 249 (261), der eine Mitwirkung am Markt fordert, die der bloße Besitzer nicht zu leisten vermag; Jäger, in: Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (232) bezeichnet schon die Besitzstrafbarkeit als solche als „Schulbeispiel für irrationale Kriminalpolitik“; ähnlich Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15. 68  BT-Drucks. 12 / 4883, S. 8. 69  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Schroeder, NJW 1993, 2581 (2582). 70  Schroeder, ZRP 1990, 299 (300); ders., NJW 1993, 2581 (2582); siehe zum Rechtsgut ausführlich unten unter B. IV. 2. a) bb) und E. I. 4. a). 71  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5. 72  Vgl. Laubenthal, Handbuch, S. 269. 73  Nach § 855 BGB ist der Besitzdiener, obwohl er die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache ausübt, aufgrund seiner Weisungsabhängigkeit nicht Besitzer; vgl. Joost, in: MüKo § 855 BGB Rn. 2 und 4. Zu den Voraussetzungen im Einzelnen, siehe sogleich unter A. II. 74  Zu den einzelnen Besitzformen siehe D. I. 75  BGBl. I 2003, S. 3007, in Kraft getreten am 01.01.2004. 76  Vgl. Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, S. 108. 67  So

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

derpornographie77 ein weiteres Änderungsgesetz in Kraft. Während § 184b Abs. 4 StGB unverändert blieb, wurde, bedingt durch die auf dem Rahmenbeschluss basierende neu getroffene Differenzierung in Kinder und Jugendliche,78 mit § 184c StGB n. F. ein weiterer Besitztatbestand eingefügt. Auch diese Gesetzesänderung ist auf die zunehmende Europäisierung des Strafrechts zurückzuführen, obwohl sie dem Grundsatz nach unabhängig79 von der europarechtlichen Vorgabe begründet war. Anstoß zum natio­ nalen Handeln stellte aber erst der Rahmenbeschluss80 vom 22. Dezember 2003 dar, der die Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie zum Gegenstand hat. Der Rahmenbeschluss definiert in Art. 1 lit. a „Kind“ als „Person unter 18 Jahren“ und geht damit von einem weiteren Begriffsverständnis aus als der Kindesbegriff81 im StGB. Um allen Personen unter 18 Jahren den von Europa geforderten gleichen Schutz auch in Deutschland zu gewähren, wurde § 184c StGB eingefügt. Die Strafbarkeit für den Besitz von jugendpornographischen Schriften in § 184 c Abs. 4 StGB orientiert sich dabei am Wortlaut des § 184b Abs. 4 StGB, wobei der Anwendungsbereich des § 184c Abs. 4 StGB auf ein tatsächliches Geschehen beschränkt ist und in § 184c Abs. 4 Satz 2 StGB einen Tatbestandsausschluss82 enthält. Ebenso unterscheidet sich auch der Strafrahmen von § 184b StGB.83 Hintergrund für die Unterschiede waren die starken Bedenken gegen eine Gleichstellung der Kinder- und Jugendpornographie sowohl hinsichtlich eines einheitlichen Tatbestandes wie auch eines gleichen Strafrahmens.84 Die Voraussetzungen an eine Besitzstrafbarkeit sind, von dem Dargestellten abgesehen, jedoch identisch.

III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung Für die Übersicht über die Entwicklung der Besitzdelikte konnte eine exakte Definition des Besitzbegriffs noch unterbleiben; ausreichend war ein Allgemeinverständnis des Besitzbegriffs im Sinne eines „Haben[s] einer 77  BGBl. I

2008, S. 2149, in Kraft getreten am 05.11.2008. Wüstenberg, UFITA 2009, 497 (511). 79  Hörnle, NJW 2008, 3521 (3523); dies., 68. Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses (16. Wahlperiode) S. 8 f. 80  ABlEU 2004 L 13 v. 19.01.2004, S. 44–48. 81  Eine Legaldefinition von „Kind“ findet sich in § 176 Abs. 1 StGB. 82  Vgl. zum Tatbestandsausschluss Fischer, § 184 c StGB Rn. 10. 83  Vgl. Hörnle, NJW 2008, 3521 (3523). 84  Siehe Hörnle, 68. Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses (16. Wahl­ periode) S. 8 f.; Kühl, ebenda, S. 16 f. 78  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung35

Sache“85. Es galt im Rahmen der Einführung in den Problembereich der Besitzdelikte nur kursorisch darzustellen, in welchen unterschiedlichen Zusammenhängen das Strafrecht den Besitz an bestimmten Gegenständen unter Strafe stellt. Bevor aber der Frage nachgegangen werden kann, ob ein Besitz an Daten möglich sein kann, sind die Voraussetzungen für den strafrechtlichen Besitz im Einzelnen herauszuarbeiten. Dabei soll als Grundlage für die spätere Auslegung zunächst eine umfassende Analyse der unterschiedlichsten Personen-Sachbeziehungen erfolgen. Ob der Besitz an Daten anders betrachtet werden kann oder gar muss, kann erst beantwortet werden, wenn alle erdenklichen Erscheinungsformen des Besitzes untersucht worden sind. Es gilt daher nicht bloß den Besitz als solchen, sondern auch die verwandten Sonder- oder Unterformen, wie den Gewahrsam und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt, darzustellen. Damit stellt sich zunächst die Frage, was unter „Besitz“ im Sinne des Strafrechts zu verstehen ist, welche Voraussetzungen an diesen zu stellen sind und ob für § 184b Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB im Zusammenhang mit Datenspeichern etwas anderes gelten kann oder gar muss. Da § 184b StGB den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit darstellt, ist der Schwerpunkt der folgenden Analyse auf das StGB zu legen; Gleiches gilt für die grundsätzliche Frage nach einer Besitzdefinition. Eine Legaldefinition des Besitzbegriffes findet sich dort jedoch nicht, weswegen sich die Frage nach einer Grundlage für die Begriffsbestimmung stellt. Diese kann sowohl aus dem Strafrecht selbst als auch aus anderen Rechtsgebieten hergeleitet werden, wobei es dabei naheliegend erscheint, für eine StGB-Norm eine solche Herleitung zunächst aus dem Strafrecht selbst zu entwickeln und nicht auf bestehende ähnliche oder gleiche Begriffe aus anderen Rechtsgebieten zurückzugreifen. Andererseits findet sich der Begriff „Besitz“ an den verschiedensten Stellen im Recht, so dass auch ein Rückgriff auf Bestehendes zumindest nachvollziehbar erscheint. Darüber hinaus verbiete sich nach Tiedemanns These der Akzessorietät strafrecht­ licher Begriffsbildung86 die Entwicklung strafrechtlicher Eigenbegriffe, da die Bindung des Strafrechts an das Privatrecht eine unabdingbare Voraussetzung für die Rechtssicherheit darstelle. Sofern das Privatrecht einen Begriff ebenfalls bereithalte, sei ein Rückgriff auf diesen zwingend geboten.87 Ein strafrechtseigener Besitzbegriff sei daher nicht haltbar, so dass an dieser Stelle auf das Zivilrecht zurückgegriffen werden müsste, da dieses in § 854 85  Westermann, Sachenrecht, Rn.  22; Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 7 Rn. 1, die jeweils auf das „äußere Haben“ abstellen. 86  Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 45 f., 187, 204; ders., NJW 1977, 777 (779); ders., NJW 1979, 1849 (1851); siehe zu der These Tiedemanns und der Relativität der Rechtsbegriffe sogleich unter A. II. 1. 87  Vgl. Darstellung bei Bruns, JR 1984, 133 (134 f.).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

BGB eine – zumindest vermeintliche – Legaldefinition des Besitzes enthält. Unabhängig von der Kritik88, der sich diese Ansicht ausgesetzt sieht, gilt es zunächst einen Rückgriff auf das Zivilrecht zu bemühen, ehe letzten Endes möglicherweise doch ein rein strafrechtliches Besitzverständnis erarbeitet werden muss. 1. Relativität der Rechtsbegriffe Bevor jedoch auf das Zivilrecht als Begriffsquelle zurückgegriffen werden kann, stellt sich die grundlegende Frage, ob ein solcher Rückgriff grundsätzlich möglich ist und ob ein und derselbe Begriff rechtsgebietsoder gar kontextabhängig im gleichen Gesetz überhaupt eine unterschiedliche Bedeutung haben kann und darf, also im vorliegenden Fall „Besitz“ in Strafrecht und Zivilrecht möglicherweise trotz des gleichen Begriffs anders verstanden werden muss. Geht es wie vorliegend nicht um die Auslegung einer ganzen Norm, sondern nur um einen einzelnen Rechtsbegriff, kann Grundlage der Erörterung nur dieser einzelne Begriff als kleinste Einheit der Norm sein. Dabei gilt es diesen zunächst von der Norm losgelöst zu betrachten und nach seiner eigenen Bedeutung zu fragen. Dieser Ansatz ist eng mit der Bedeutung der Sprache für die Rechtswissenschaft verbunden und dem Umstand geschuldet, dass der juristische Begriff in der Regel der „Sprache des Lebens und des Alltags“89 entnommen ist. Das Gesetz bedient sich der (Umgangs-)Sprache, um Lebenssachverhalte zu regeln und sieht sich damit dem Problem ausgesetzt, dass es, um Rechtssicherheit gewährleisten zu können, „fest und sicher sein“90 müsste. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn dies auch für seine Urbestandteile, die Begriffe, gilt.91 Gerade diese Eigenschaft kann dem einzelnen Wort jedoch nicht zugesprochen werden. So versucht (Umgangs-)Sprache anders als die Wissenschaft nicht eine unumstößliche Definition eines Lebensvorgangs zu fassen, sondern fasst lediglich deskriptiv – von Zahlwörtern oder Eigennamen abgesehen – „(…) eine mehr oder weniger große, mit der Zeit immer größere Anzahl von Einzelbedingungen oder -wesen in eine[r] sie alle umfassende[n], für sie alle gültige[n] Bezeichnung zusammen (…)“92. Unter einen Begriff z. B. Dreher, GA 1956, 57 ff. Relativität, S. 59; Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 201, der von „gewöhnlicher Umgangssprache“ spricht. 90  Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 201. 91  Vgl. Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 201. 92  Hellpach, Sozialpsychologie, S. 68, der dies als „Fixierung der Begriffe“ bezeichnet; ähnlich Heck, Begriffsbildung, S. 52, der unter Begriff „gedanklich bear88  Vgl.

89  Engisch,



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung37

lassen sich daher bestimmte Vorstellungs- und damit Erfahrungs- und Sinngehalte verstehen, die mit Hilfe der Worthülle anderen Menschen mitteilbar gemacht und dem Sprecher selbst wiederholt in Erinnerung gerufen werden.93 Die jeweilige Fixierung unterschiedlicher Bedeutungen in einem Begriff ist daher der unbegrenzten Fülle von Erscheinungen in der Welt geschuldet, die schon aus rein praktischen Gründen nicht mit ebenso vielen Einzelbegriffen beschrieben werden können.94 Paradebeispiel für die Ohnmacht der Sprache, exakte Begriffe festzusetzen, ist die Existenz von Polysemen, umgangssprachlich als „Teekesselchen“ bezeichnet. Laut GuinnessBuch der Rekorde95 ist „Läufer“ mit 24 Bedeutungen das deutsche Wort mit den meisten Bedeutungen.96 Müller-Erzbach nennt daneben als Beispiel das Wort „Bank“ und dessen vielseitiges Vorkommen, z. B. in Nebelbank, Wolkenbank und Sandbank.97 Darüber hinaus kann Bank aber auch Geldinstitut oder Sitzgelegenheit bedeuten. Ein juristisches Beispiel ist „Gericht“, was neben dem Gebäude, das Organ der Rechtsprechung oder eine als Mahlzeit zubereitete Speise meinen kann.98 Für sich allein genommen ist das einzelne Wort also in vielen Fällen zumindest semantisch unpräzise. Dennoch macht diese Relativität „eine Kommunikation mittels Sprache nicht unmöglich (…) [; sie] hindert aber ein blindes Vertrauen auf das Wort.“99 Eine Unterscheidung ist sprachlich daher nur auf satz- und wortsemantischer Ebene möglich, so dass erst der sprachliche Kontext auf die Wortbedeutung schließen lässt.100 Aus einer abstrakten Bedeutungsbeschreibung kann daher „niemals ein sicheres Indiz dafür gewonnen werden, dass ein Zeichen in einem gegebenen Text diese eine und nur diese Bedeutung haben kann“101. Es gilt daher in einem weiteren Schritt, nach dem einzelnen Begriff nun den Verwendungszusammenhang zu betrachten.

beitete, an Worte gebundene Bewusstseinsinhalte allgemeiner Tragweite, also Vorstellungen bestimmter Art“, versteht. 93  Vgl. Zippelius, Methodenlehre, S. 19 f. 94  Vgl. Neumann-Duesenberg, Sprache, S. 41. 95  Guiness Buch der Rekorde 1997. 96  Beispiele sind z. B.: Teppich, Schachfigur, Sportler, junges Schwein, loses Tauende, Längsseite eines Ziegelsteins. 97  Vgl. Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 202. 98  Vgl. hinsichtlich der Beispiele auch Demko, Relativität, S. 16 f. 99  Depenheuer, Wortlaut, S. 39. 100  Dazu, dass die gleichen Voraussetzungen auch für die juristische Hermeneutik gelten, sogleich bei A. II. 1. a). 101  Busse, Semantik, S. 273; so auch Depenheuer, Wortlaut, S. 39.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

a) Relativität als Folge der Alltagssprache Die Rechtswissenschaft als „Sonderfall der allgemeinen Sprache“102 scheut eine starre Fixierung einzelner Begriffe aus denselben Gründen.103 Anders als außerhalb der Rechtswissenschaft dient die Sprache hier nicht bloß der Verständigung unter Menschen. Zwar verzichtet das Gesetz nicht auf Verständigung, sein Zweck erschöpft sich darin jedoch nicht,104 weswegen grundsätzlich zusätzliche Voraussetzungen an die Rechtssprache zu stellen sind. Sollen Gesetze nun einen möglichst großen Anwendungsbereich abdecken, so muss die Formulierung zum Zwecke der Rechtssicherheit zum einen so präzise, zum Zwecke des Anwendungsbereichs zum anderen jedoch so allgemein wie nötig gehalten sein, schließlich „(…) [könne] das Recht (…) nicht darauf warten, bis die Rechtstheorie für alle Lebenserscheinungen möglichst bestimmte und eindeutige Begriffe geprägt hat“105. Der stete Wandel des Lebens würde ansonsten zu einer fortlaufenden Anpassung der entsprechenden Rechtsbegriffe zwingen, so dass schon die kleinste Lebensveränderung nach einem neuen Rechtsbegriff verlangen würde.106 Abhilfe würde nur das Postulat Engischs107 schaffen, im Abweichungsfalle der bestehenden Bedeutung, eine neue Vokabel zu schaffen. Ebenso fordert auch Neumann-Duesberg, dass der Jurist „eine Sondersprache, (…) eine juristische Terminologie schaffen [muss]“108, in welcher die „vieldeutigen Wörter der Umgangssprache (…) zu eindeutigen der Wissenschaft präzisiert werden [müssen]“109. Der juristisch ungeschulte Rechtsadressat würde so jedoch in Rechtsunsicherheit gestürzt. Ein normtreues Verhalten ist nur bei zumindest laienhaftem Verständnis des Regelungsgehaltes möglich. Insbesondere strafrechtliche Normen sind daher so zu fassen, dass der Normadressat jedenfalls im Regelfall anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen könne, ob ein Verhalten strafbar ist.110 Aus dem Schutzzweck des Bestimmtheitsgebots folgt auf der Gesetzesanwendungsebene, dass der 102  Larenz,

Methodenlehre, S. 320. Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 202. 104  Vgl. Forsthoff, Sprache, S. 8. 105  Vgl. Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 202. 106  Vgl. Demko, Relativität, S. 16; ähnlich de Boor, in: Niedermeyer-FS 1953, S. 31 (36), nach dem es Schicksal des Lebens sei, „nie still zu stehen (…) [und sich] in sehr verschiedenem Tempo zu verändern“; ebenso auf die Dynamik des Lebens abstellend Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 202. 107  Vgl. Engisch, Relativität, S. 70. 108  Neumann-Duesenberg, Sprache, S. 121. 109  Neumann-Duesenberg, Sprache, S. 123. 110  Vgl. nur BVerfG NJW 1969, 1059; Calliess, NJW 1985, 1506 (1508). 103  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung39

Wortsinn aus der Sicht des Normadressaten111 und folglich nach dem Alltagssprachgebrauch112 zu ermitteln ist.113 Die Schaffung einer eigenen Rechtssprache mit über den allgemeinen Sprachgebrauch hinausgehenden Begriffen kann daher keine Lösung sein.114 Auch in der aktuellen Kommentarliteratur wird von – zumindest – einem Vorrang der Alltagssprache ausgegangen. So schlägt z. B. Loos115 eine norm­ adressatenorientierte Auslegung vor, mit der Folge, dass nur im Verfahrensrecht ein technisch-juristischer Sprachgebrauch zu bevorzugen sei. Auf den gleichen Kriterien basiert die Erwägung Wassermanns116, nach welchem der vorrangige Adressat für Prozessnormen der Jurist ist, das materielle Recht hingegen allgemein verständlich formuliert sein müsse. Kramer unterscheidet hingegen nach der Herkunft des Begriffes. Ist er der Alltagssprache entnommen, so ist er nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu interpretieren, ist es ein juristischer Fachbegriff, so sei „grundsätzlich auf den fachspezifischen Sinn dieser Terminologie abzustellen“.117 Auch Neumann118 stellt auf die „jeweilige Anwendungssituation“ ab. Die Vielzahl der Ansätze und die dabei aufgezeigte Ohnmacht, einen Begriff eindeutig zu definieren, hat die Anerkennung eines Begriffsrelativismus zur zwingenden Folge.119 Denn ist schon der einzelne Begriff für sich selbst nicht eindeutig bestimmbar, so ist es zwingende Folge, dass ein und derselbe Begriff in unterschiedlichem Kontext auch verschiedene Bedeutungen haben muss. Ist nämlich der dem Recht zugrundeliegende Begriff schon in der Alltagssprache nicht eindeutig, kann die auf dieser fußenden Rechtssprache nicht das Gegenteil für sich beanspruchen. Entscheidend für die Begriffsbestimmung kann damit auch in der Rechtswissenschaft nur die Art der Verwendung sein. Nach Zimmermann bestimmt sich daher die jeweilige Bedeutung aus dem jeweiligen Verwendungszusammenhang.120 Die Relativität der Rechtsbegriffe stellt sich daher als zwingende Folge ihrer Kon111  BVerfG

NJW 1986, 1671 (1672). in: Sch / Sch, § 1 StGB Rn. 54. 113  Vgl. Schmid-Aßmann, in: Maunz / Dürig, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 228. 114  So auch Larenz, Methodenlehre, S. 320, der darauf hinweist, dass die Rechtssprache als Sonderfall der allgemeinen Sprache gerade keine „völlig gelöste Zeichensprache“ sei. 115  Loos, in: AK-StPO, Einl. III, Rn. 11. 116  Wassermann, in: Fachsprachen, Einl. II, Rn. 14. 117  Kramer, Methodenlehre, S. 63 f. 118  Neumann, Struktur, S. 113. 119  Nach de Boor, in: Niedermeyer-FS 1953, S. 31 (34) ist dies „auch verzeihlich, vielleicht nicht einmal ein Fehler, wenn dasselbe Wort im gleichen Gesetz in verschiedenen Bedeutungen vorkommt“. 120  Vgl. Zimmermann, NJW 1953, 1262. 112  Eser / Hecker,

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

textabhängigkeit dar,121 weswegen sich die Frage nach der jeweiligen Begriffsbedeutung nur bis zu einem bestimmten Grad abstrakt, im Übrigen nur auf den Sinnzusammenhang bezogen beantworten lässt.122 Es ist daher grundsätzlich nicht das einzelne Wort, sondern immer der Sinnzusammenhang des Satzes auszulegen.123 b) Begriffsbestimmung mittels Auslegung Jedoch sind auch Sinnzusammenhang und Alltagssprache nicht immer ohne weiteres eindeutig. So existieren juristische Begriffe, wie „Garantenstellung“, die der Umgangssprache fremd sind oder dort anders verstanden werden. Dass ein Tier im Rahmen des § 303 Abs. 1 StGB taugliches Tatobjekt sein kann und dass daher das Töten eines Tieres eine Sachbeschädigung darstellt, ist dem juristischen Laien nur schwer zu vermitteln. Bei sauberer Subsumtion der Tathandlungen wäre zu prüfen, ob das Tier, also die Sache, durch das Töten „beschädigt“ oder „zerstört“ worden ist. Sowohl die Sacheigenschaft als auch die Tathandlungen bereiten bei umgangssprachlichem Begriffsverständnis in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten.124 Ist aber weder die Bedeutung des einzelnen Wortes noch der Verwendungszusammenhang eindeutig,125 stellt sich erneut die Frage nach den Methoden zur Begriffsbestimmung und Gesetzesauslegung. In diesem Zusammenhang haben sich die vier „klassischen“126, auf v. Savigny127 zurückzuführenden, Auslegungsregeln herausgebildet, von denen für die vorliegende Frage nach der Begriffsbestimmung der grammatikalischen und der teleologischen Auslegung besondere Bedeutung beizumessen sind.128 Zunächst auch Demko, Relativität, S. 21. Wank, Auslegung, S. 27. 123  de Boor, in: Niedermeyer-FS 1953, S. 31 (34); Wank, Auslegung, S. 111. 124  So auch Simon, Gesetzesauslegung, S. 115. 125  Zippelius, Methodenlehre, S. 9, spricht in diesem Zusammenhang von der „Unschärfezone der Wortbedeutung“. 126  Vgl. z. B. BVerfG, NJW 1960, 1563 (1564); Heinrich, AT, Rn. 140; Rowe, Wandel, S. 42; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 56. 127  v. Savigny, Methodenlehre, S. 212 ff. (213). 128  Grundsätzlich vermag keine der einzelnen Auslegungsmethoden für sich alleine einen sicheren Rückschluss auf die jeweilige Bedeutung liefern, so dass erst eine Gesamtschau aller Auslegungsansätze vorzunehmen ist. Dabei ist den verschiedenen Auslegungsansätzen gleiches Gewicht beizumessen (vgl. Heinrich, AT, Rn. 140; Rengier, AT, § 5 Rn. 22; für eine in Zweifelsfragen stärkere Gewichtung der teleologischen Auslegung z. B.: Jescheck / Weigend, § 17 IV 1 b; Kindhäuser, AT, § 7 Rn. 7; Wank, Auslegung, S. 86; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 57. Nach Jescheck / Weigend gebühre der teleologischen Auslegung gar die „Krone des Auslegungsverfahrens“. In Ermangelung nachvollziehbarer Gewichtungsregeln spricht 121  So

122  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung41

ist bei der Normenexegese der Begriff selbst zu analysieren, da der Wortlaut grundsätzlich erster Anhaltspunkt für die Auslegung sein muss.129 Schließlich ist es der in sprachlicher Form fixierte Text, der die Rechtsvorschriften verbindlich werden lässt.130 Dennoch muss selbst für die reine Begriffsauslegung beachtet werden, dass erst nach einer Gesamtschau aller Auslegungsmethoden verbindliche Aussagen über die jeweilige Bedeutung getroffen werden und gerade auch die anderen Auslegungsmethoden den vermeintlich eindeutigen Wortlaut in Frage stellen können.131 aa) Wortlautauslegung und seine Grenzen „Alle Auslegung fängt beim Worte an.“132 Zimmermann bezeichnet dies als „offizielle“133 Interpretationsregel für die Gesetzesauslegung, stellt diese jedoch richtigerweise gleichsam in Frage. Denn Voraussetzung für eine Auslegung kann – wie bereits dargestellt – nie das aus dem Zusammenhang gerissene Wort allein, sondern nur der ganze, aus Worten zusammengefügte Rechtssatz sein.134 Dennoch wird oft eben dieser Wortlaut als Grenze seiner Auslegung135 angeführt, ohne dem Verwendungszusammenhang Beachtung zu schenken. Allzu oft wird daher nur der einzelne, kontextlose Begriff ausgelegt. Als Negativbeispiel jüngerer höchstrichterlicher Auslegungsbesich Schmitz, in: MüKo, § 1 StGB Rn. 93 für den Vorzug der subjektiv-historischen vor einer teleologischen Auslegung aus, da nur diese den gesetzgeberischen Willen zum Ausdruck bringen könne). Auch das BVerfG sieht den Schwerpunkt in der Wortlautauslegung, da der Wortlaut Ausdruck des gesetzgeberischen Willens sei. Die übrigen Auslegungsmethoden dienten nur der „Hilfe“. Gerade im Strafrecht würde mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG der grammatikalischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zukommen (BVerfGE 85, 69 [73]; BVerfGE 87, 209 [224]). 129  Vgl. z. B. Heinrich, AT, Rn. 143; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 57. 130  Demko, Relativität, S. 117. 131  Vgl. Demko, Relativität, S. 118; Wank, Auslegung, S. 60. 132  BGHSt 3, 259 (262); vgl. auch Demko, Relativität, S. 117; Heinrich, AT, Rn. 143; Larenz, Methodenlehre, S. 320; Rengier, AT, § 5 Rn. 5; Schwacke, Methodik, S. 89; Simon, Gesetzesauslegung, S. 100; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 57. 133  Zimmermann, NJW 1956, 1262. 134  Vgl. Zimmermann, NJW 1956, 1262. 135  BVerfG NJW 1987, 43 (44); BVerfG NJW 1992, 890; NJW 2002, 1779, (1781); BVerfG NJW 2008, 3627 (3628); BGHSt 8, 343 (345); BGHSt 13, 287 (289); BGHSt 14, 116 (118); BGHSt 35, 390 (391); BGHSt 50, 370 (372); Baumann / Mitsch / Weber, AT, § 9 Rn. 84; Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 1 StGB Rn. 25; Fischer, § 1 StGB Rn. 10; Heinrich, AT, Rn. 143; von Heintschel-Heinegg, in: Beck’scher OK, § 1 StGB Rn. 13; Roxin, AT I, § 5 Rn. 28 ff. (30); Schmitz, in: MüKo, § 1 StGB Rn. 88; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 57; Zippelius, Methodenlehre, S. 39.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

mühungen kann eine BVerfG-Entscheidung136 dienen, in welcher sich das Gericht mit dem Waffenbegriff aus § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB a. F. auseinandergesetzt und einem Kraftfahrzeug die Waffeneigenschaft abgesprochen hat. Die bis dahin gängige Auslegung, ein Kraftfahrzeug könne auch eine Waffe i. S. d. Vorschrift sein, wertete die 2. Kammer des 2. Senats als Verstoß gegen das Analogie- und Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG und erklärte diese damit für verfassungswidrig.137 Zur Ermittlung der Wortbedeutung griff das BVerfG wie gewöhnlich138 auf Lexika und Wörterbücher zurück, ohne dabei jedoch einen einheitlichen und klaren Waffenbegriff ermitteln zu können. Auch die Versuche, den Waffenbegriff historisch auszulegen, gelingen nicht.139 Geht man, wie das BVerfG, nur zusammenhangslos von den einzelnen Begrifflichkeiten aus, überzeugt die Ansicht, ein Auto sei keine Waffe. Bezieht man in die Auslegung jedoch auch den Telos der Vorschrift und den Schutzzweck mit ein, lässt sich mit einem Großteil sowohl der Rechtsprechung140 als auch der Literatur141 durchaus ein untechnischer Waffenbegriff vertreten, so dass auch ein Kfz eine Waffe i. S. d. Vorschrift darstellen kann, sofern es als Angriffsmittel gegen Vollstreckungsbeamte eingesetzt werden soll. Kann darüber hinaus das Auto bei entsprechendem Schädigungsvorsatz im Straßenverkehr als Waffe pervertiert werden und eine Strafbarkeit nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB begründen,142 136  BVerfG NJW 2008, 3627; zu Recht schon damals kritisch Foth, NStZ-RR 2009, 138, der unter anderem auf die BVerfG-eigene Argumentation verweist, nach der man bei einem Rechtsbegriff „auf Grund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen“ (BVerfGE 48, 48, [56]) könne. Vor diesem Hintergrund ist die Abkehr von der bestehenden gegenteiligen Auffassung des BGH (BGHSt 1, 1; BGHSt 26, 176; BGHSt 48, 233) nicht nachvollziehbar; ähnlich Simon, NStZ 2009, 84, der dem BVerfG die Aufgabe abspricht, „für die Harmonisierung von Rechtsbegriffen (…) zuständig [zu sein]“. 137  Vgl. Fischer, § 113 StGB Rn. 38a. 138  Simon, Gesetzesauslegung, S. 64 ff. 139  Kritik auch bei Simon, NStZ 2009, 84 (85). 140  Vgl. z. B. BGH NJW 1975, 1934 (1935); OLG Düsseldorf, NJW 1982, 1111 (1112). Wobei die Rechtsprechung eine Begründung für die Auslegung stets schuldig blieb. In der ersten einschlägigen Entscheidung heißt es ohne jede Problematisierung: „Da das Auto eine Waffe im nichttechnischen Sinn ist, kommt es entscheidend darauf an, ob der Angeklagte sein Fahrzeug […] in einer Art benutzen wollte, die geeignet war, dem Polizeibeamten schwere Verletzungen zuzufügen“, BGH VRS 44 (1973), 422 (423). 141  Bosch, in: MüKo, § 113 StGB Rn. 73; Dölling, JR 1987, 467 (469); Eser, in: Sch / Sch, § 113 StGB Rn. 63; Janiszewski, NStZ 1982, 107 (108); a. A. z. B. Rosenau, in: LK, 12. Aufl., § 113 StGB Rn. 78. 142  So z. B. BGHSt 48, 233; Fischer, § 315b StGB Rn. 9 f.; Rengier, BT 1, § 45 Rn.  26 ff.; Wessels / Hettinger, BT 1, Rn. 979a; kritisch z. B. P. König, NStZ 2004, 175.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung43

stellt sich die Frage, wie ein und derselbe Begriff so unterschiedlich ausgelegt werden kann. Bei gleicher, kontextabhängiger Betrachtung und mit Berücksichtigung des Strafzwecks von § 113 StGB, nämlich dem Schutz der Vollstreckungstätigkeit als solcher und dem der Vollstreckungsbeamten,143 lässt sich das Kfz auch unter den Waffenbegriff des § 113 StGB a. F. subsumieren. Durch die Ergänzung um das Regelbeispiel des gefährlichen Werkzeuges in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2. Var. StGB durch das 44. Strafrechtsänderungsgesetz144 ist der diese Frage betreffende Streit obsolet geworden,145 da das Tatmittel Kfz auch bei – vermeintlich – verfassungskonformer Auslegung146 des Waffenbegriffs nun zumindest unter das Regelbeispiel des gefährlichen Werkzeugs fallen kann und somit in jedem Fall von § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfasst ist. Auf den vom Verfassungsgericht vorgeschlagenen „Umweg“, das als Schädigungsmittel eingesetzte Kfz als unbenannten schweren Fall anzusehen, muss daher nicht mehr zurückgegriffen werden. Für die Gesetzesänderung, wie für das verfassungsgerichtliche Urteil, bestand jedoch keine Notwendigkeit.147 Ein weiteres Beispiel für die Unzulänglichkeiten allein wortfixierter Auslegung stellt das „Fenster-Urteil“148 des BGH in Zivilsachen dar. Dem Urteil lag folgender, vereinfachter Sachverhalt zugrunde: A schließt mit seinem Nachbarn N einen Vertrag, wonach er sein eigenes Grundstück bis zur Grundstückgrenze zu N bebauen darf, sofern er in die Brandwand keine Fenster einbaut. A lässt in die Brandwand Glasbausteine einsetzen. Der BGH stellte in seinem gegen A ergangenen Urteil fest, dass „nach allgemeinem Sprachgebrauch (…) für den Begriff ‚Fenster‘ die Lichtdurchlässigkeit entscheidend [ist]“,149 weswegen auch Glasbausteine Fenster im Sinne der vertraglichen Vereinbarung seien. Die allein wortsemantische 143  Vgl. BT-Drucks. 17 / 4143, S. 6; Fischer, § 113 StGB Rn. 2 ff.; zu § 113 StGB a. F.: BGH NJW 1968, 710 (714); Paeffgen, in: NK, § 113 StGB Rn. 3 f.; Wessels / Hettinger, BT 1, Rn. 620; den Schutz der Vollstreckungsbeamten ablehnend z. B. Bosch, in: MüKo, § 113 StGB Rn. 2, 73. 144  BGBl. I 2011, S. 2130. 145  Siehe auch Dallmeyer, in: Beck’scher OK, § 113 StGB Rn. 25; BT-Drucks. 17 / 4143, S. 1, 6 und 7. 146  So jedenfalls nach Ansicht des BVerfG (BVerfG NJW 2008, 3627). 147  Kritisch hinsichtlich der Begründung des BVerfG z. B.: Foth, NStZ-RR 2009, 138 (139); Kudlich, JR 2009, 210 (211); Simon, NStZ 2009, 84 (85); a. A. z. B. Bosch, Jura 2011, 268 (275); Singelnstein / Puschke, NJW 2011, 3473; M. Stadler, ZRP 2010, 157 (158). Siehe zur gesamten Entwicklung Caspari, NJ 2011, 318. 148  BGH JZ 1961, 494. 149  BGH JZ 1961, 494 (Leitsätze).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Begriffsauslegung des BGH stößt jedoch auch hier an ihre Grenzen, da sie sich erneut nur an dem Begriff als solchem orientiert. Bei ergänzender teleologischer Auslegung hätte sich der BGH von einer allein begrifflichen Auslegung lösen und der Frage nach den Parteiinteressen nachgehen müssen.150 Da die Feststellung hinsichtlich der Lichtdurchlässigkeit bereits im ersten Leitsatz erfolgte, erweckt die Entscheidung auf den ersten Blick den Eindruck, es käme allein auf diese Eigenschaft der Glasbausteine an.151 Erst im zweiten Teil seiner Entscheidung setzt sich der BGH mit den weiteren in Betracht kommenden Erwägungen, warum die Brandwand fensterlos bleiben sollte, auseinander. Entscheidend ist daher grundsätzlich auch der hinter der Formulierung liegende Sinn und Zweck, so dass es nicht allein auf den Wortlaut ankommen kann. Kam es vorliegend dem N allein auf ästhetische Aspekte an, die sich auch aus dem Vertrag ergaben, ist das Urteil nachvollziehbar. Wäre es dem N jedoch darum gegangen, akustische oder olfaktorische Immissionen zu verhindern, würde ein Abstellen allein auf die Lichtdurchlässigkeit der Glasbausteine zu Fehlern führen. Als Zwischenergebnis lässt sich an dieser Stelle bereits festhalten, dass selbst der noch so gewöhnliche und daher vermeintlich eindeutige Begriff, wie in diesem Fall der Begriff „Fenster“, semantisch, interpretatorisch und teleologisch unterschiedlichste Bedeutungen haben kann. Ist dieser Begriffsrelativismus selbst in der Alltagssprache allgegenwärtig und fordert dementsprechend auch dort eine kontextabhängige Betrachtung, so muss dies erst recht für die juristische Fachsprache bzw. die fachspezifische Verwendung von Alltagssprache gelten. bb) Intra- und interdisziplinäre Relativität Die Relativität ist dabei nicht auf das jeweilige Rechtsgebiet oder gar das einzelne Gesetz beschränkt. So kann ein und derselbe Begriff sowohl innerhalb eines Gesetzes wie auch über das gesamte Recht gleiche, aber auch unterschiedliche Bedeutungen haben. Im Folgenden soll anhand weiterer Beispiele das Problem vertieft und eine Sensibilisierung für die folgende Auslegung des Besitzbegriffs erreicht werden. Dabei wird zunächst der Begriff des gefährlichen Werkzeugs im StGB als Beispiel für die intradisziplinäre Relativität, also die Relativität innerhalb eines Rechtsgebiets, analysiert; die darauf folgenden Beispiele des Beamten- und Abfallbegriffs stellen die Relativität zwischen den einzelnen Rechtsgebieten dar (interdisziplinäre Relativität). 150  Vgl. Hegenbarth, Hermeneutik, S. 118, der sich mit dem gleichen Beispiel in dem Kapitel „Die Sinnlosigkeit der Frage nach dem Wortsinn“ auseinandersetzt. 151  So auch Pleyer, JZ 1961, 496.



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(1) Gefährliches Werkzeug Der Begriff des gefährlichen Werkzeugs findet sich im StGB in den §§ 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 121 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 125a Satz 2 Nr. 2, 127 StGB, 177 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB.152 Als Tathandlungen stehen je nach Schutzgut das bloße Beisichführen oder das Verwenden unter Strafe. So muss im Falle des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB die Tat beispielsweise „mittels (…) eines (…) gefährlichen Werkzeugs“ begangen worden sein, was ein über das bloße Beisichführen hinausgehende Verwenden erfordert. Trotz des heute häufigen Vorkommens im StGB handelt es sich bei dem gefährlichen Werkzeug um ein recht neues Tatmittel. Erst durch das 1998 in Kraft getretene 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts153 wurde es aus seiner bis dahin „ ‚monogamen‘ Beziehung zu § 223a StGB a. F. herausgerissen“154 und in die Tatbestände der §§ 177, 244 und 250 StGB eingefügt. § 223a StGB a. F. wurde durch den § 224 StGB n. F. ersetzt. Es wäre jedoch fatal, aufgrund der gemeinsamen Einführung auch von einer eindeutigen oder gar einheitlichen Bedeutung auszugehen.155 Auf eine Darstellung der Scheinwaffenproblematik wird dabei an dieser Stelle bewusst verzichtet. (a) § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB Heute wird nach überwiegender Ansicht156 unter einem gefährlichen Werkzeug i. S. d. §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB jeder bewegliche Gegenstand verstanden, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Ganz anders liest sich dagegen noch das Verständnis des Reichsgerichts aus einer seiner ersten Entscheidungen zur gefährlichen Köperverletzung hinsichtlich des damals neu in das RStGB eingeführten § 223a StGB a. F.157 Hiernach ist ein Werkzeug jeder Gegenstand, „[dessen] sich der Täter als Mittel zur Ausführung der Straftat bedient“158, weswegen nach 152  Der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ findet sich darüber hinaus in § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG und § 27 Abs. 1 VersG. 153  BGBl. I 1998, S. 164. 154  Schlothauer / Sättele, StV 1998, 505. 155  Vgl. Schlothauer / Sättele, StV 1998, 505. 156  So z. B. BGHSt 3, 109; BGHSt 14, 155; BGH NStZ 2002, 86; BGH NStZ 2007, 95; Eschelbach, in: Beck’scher OK, § 224 StGB Rn. 28; Kindhäuser, BT 1, § 4 Rn. 10; Lackner / Kühl, § 224 StGB Rn. 5; Paeffgen, in: NK, § 224 StGB Rn. 14; Rengier, BT 2, § 14 Rn. 9; Stree / Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, § 224 StGB Rn. 4; Wessels / Hettinger, BT 1, Rn. 275. 157  RGBl. 1876, S. 25, 37. 158  RGSt 8, 315 (316).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

diesem Begriffsverständnis auch die eigenen Gliedmaßen des Täters Werkzeuge i. S. d. Vorschrift sein konnten.159 Die Literatur bestimmte den Begriff hingegen enger und verstand unter einem Werkzeug einen von „einem Menschen verfestigte[n], zu mechanischen Verrichtungen dienende[n] Gegenstand, der von der menschlichen Hand angefasst und gehandhabt werden und mittels dessen man durch mechanische Einwirkung eine Körperverletzung verursachen kann“.160 In der Folgezeit wurde der Begriff ins Uferlose ausgeweitet. Nach Stree161 hatte das Werkzeug in § 223a StGB a. F. mittlerweile „die Bedeutung eines gegenständlichen Tatmittels erlangt“. Die weitere Geschichte162 des Begriffs ist durch die fortlaufende Erweiterung des Anwendungsbereichs, vor allem durch die Rechtsprechung des BGH163, gekennzeichnet.164 In letzter Konsequenz sollen auch „gehetzte Tiere“ unter den Werkzeugbegriff fallen.165 Entscheidend sei nur die Eignung, gefährliche Verletzungen hervorzurufen. Körperteile hingegen können in letzter Konsequenz keine Werkzeuge darstellen, da dies eine Überschreitung des Wortsinnes darstelle,166 wogegen eine Werkzeugqualität anzunehmen sei, wenn der Gegenstand bloß mit dem 159  Vgl.

Hilgendorf, ZStW 112 (2000), 811 (815). Werkzeug, S. 33, 53 ff.; Geyer, in: v. Holtzendorff, Band  4, S. 361

160  Bernau,

(372).

161  Stree, 162  Siehe

Jura 1980, 281 (285). ausführlich zur Begriffsentwicklung M. Heinrich, Körperverletzung,

S.  113 ff. 163  Vgl. z. B. BGHSt 1, 1 (Übergießen mit Salzsäure); BGHSt 4, 125 (Einatmen von Gas); BGH MDR 1956, 526 (Trinken von Brennspiritus); BGH LM Nr. 7 zu § 223a StGB (in die Augen gestreuter Pfeffer); RG GA 62, 321 (Übergießen mit heißer Flüssigkeit). Grenze der Uferlosigkeit stellt seit jeher das Merkmal der Beweglichkeit dar. Vgl. dazu BGHSt 22, 235 (236); Fischer, § 224 StGB Rn. 8; Hilgendorf, ZStW 112 (2000), 811, (820); Kindhäuser, BT 1, § 9 Rn. 13; Wessels / Hettinger, BT 1, Rn. 275; a. A. Eckstein, NStZ 2008, 125 (127); kritisch wohl auch Eschelbach, in: Beck’scher OK, § 224 StGB Rn. 31; M. Heinrich, JA 1995, 718 (725); Lilie, in: LK, 12. Aufl., § 224 StGB Rn. 27. 164  Vgl. Hilgendorf, ZStW 112 (2000), 811 (815). 165  Vgl. BGHSt 14, 152; im Grunde immer noch diese Ansicht vertretend, OLG Hamburg, NJW 1965, 164 (165), wonach der Hund als Mittel verwendet und somit auf das Opfer gehetzt werden muss. A. A. noch RGSt 8, 325 (316); v. Liszt, Lehrbuch 1894, 87 II 4, der jedoch „die geschleuderte Katze“ als Werkzeug ansah. Hilgendorf, ZStW 113 (2000), 811 (818) fragt in diesem Zusammenhang kritisch, ob dann nicht auch das Hetzen eines „unberechenbar und gefährlichen Geisteskranken, der nur seinem Herrn bedingungslos gehorcht“ ein gefährliches Werkzeug i. S. d. Werkzeugbegriffs sein müsste. 166  Vgl. Stree, Jura 1980, 281 (283); ähnlich Eschelbach, in: Beck’scher OK, § 224 StGB Rn. 30; Hardtung, in: MüKo, § 224 StGB Rn. 14; Lackner / Kühl, § 224 StGB Rn. 3; a. A. Hilgendorf, ZStW 112 (2000), 811, (822 ff.); Lesch, GA 1999, 366 (374 f.).



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung47

Körper verbunden ist, weswegen der „beschuhte Fuß“ ebenfalls unter § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB falle.167 (b) §§ 177 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB Während die Auslegung der Begrifflichkeit im Falle des § 224 StGB als Nachfolger des § 223a StGB a. F. keine größeren Schwierigkeiten bereitet, ist eine spiegelbildliche Übertragbarkeit auf die im Rahmen das 6. StrRG eingefügten Regelungen höchst umstritten. Vorliegend soll stellvertretend nur § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB näher betrachtet werden. Aufgrund der fast 120-jährigen Begriffsentwicklung ist es zunächst jedoch nicht verwunderlich, dass der Gesetzgeber des 6. StrRG die bestehende und durch Literatur und Rechtsprechung geformte Begrifflichkeit auf die neuen Vorschriften der §§ 177, 244, 250 StGB übertragen wollte: „Der Begriff des gefährlichen Werkzeugs ist § 223a Abs. 1 (= § 224 Abs. 1 Nr. 2 E) entnommen, so dass zur Auslegung auf die hierzu entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann.“168 Danach würde sich derjenige als Täter eines Diebstahls mit Waffen strafbar machen, der – entsprechend der Definition des gefährlichen Werkzeugs i. S. d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB – einen Gegenstand bei sich führt, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art der Verwendung konkret geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Im Konkreten würde jeder mit Hilfsmitteln begangene Einbruchsdiebstahl, sei es mittels eines Brecheisens oder bloß eines spitzen Schraubendrehers, mit welchem der Täter ein Fenster aufhebeln will, zu einem qualifizierten Diebstahl i. S. d. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB.169 Pointiert für den oben angesprochenen „beschuhten Fuß“ würde dies sogar bedeuten, dass ein einfacher Diebstahl i. S. d. § 242 Abs. 1 StGB nur noch barfuß begangen werden könnte.170 Die gesetzgeberisch intendierte Gleichstellung der Begriffe verkennt171 die mit den jeweiligen Tatmodalitäten verbundenen Besonderheiten, welche 167  So z. B. BGHSt 30, 375; BGH MDR 1952, 273; BGH NStZ 1999, 616 (617); BGH NStZ 2003, 662 (663); BGH NStZ 2010, 151; Fischer, § 224 StGB Rn. 9c; zur Formulierung Fischer, § 224 StGB Rn. 8 a. E. und Bakowska, famos 01.2010, S. 6. 168  Abschlussbericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (BTDrucks. 13 / 9064, S. 18). 169  Vgl. hierzu z. B. BGH NJW 2004, 3437; BGH NJW 2008, 2861; OLG Schleswig, NStZ 2004, 212; OLG Stuttgart, NJW 2009, 2756. 170  Kraatz, JR 2010, 142 (143), geht noch weiter und sieht den einzigen Ausweg in der Nacktheit des Täters. Vgl. auch Mitsch, ZStW 111 (1999), 65 (79). 171  Fischer, § 244 StGB Rn. 15, der ausdrücklich fordert, „der Gesetzgeber [müsse] (…) den Fehler korrigieren.“; Hörnle, Jura 1998, 169 (171); Mitsch, BT II / 1

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

insbesondere auf die entsprechenden Schutzgüter zurückzuführen sind. Während Schutzzweck des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB als Qualifikation von § 223 StGB die körperliche Unversehrtheit ist,172 schützen die §§ 242 ff. StGB das Eigentum.173 Grund der Strafschärfung in § 244 StGB ist die besonders gefährliche Begehungsweise und die darin zum Ausdruck kommende besondere Rücksichts- und Hemmungslosigkeit des Täters,174 die bereits durch das Beisichführen zum Ausdruck kommt. Anders als im Falle des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der ein Verwenden des gefährlichen Werkzeugs bestraft, ist weder eine Verwendung noch ein Einsatzwille bzw. gar ein Angriffsplan erforderlich.175 Da sich für die Art der konkreten Verwendung, die für das gefährliche Werkzeug i. S. d. § 224 StGB konstitutiv ist, im Beisichführen kein Anknüpfungspunkt findet,176 kann es daher nur auf die latente Gefahr ankommen, die dem jeweiligen Gegenstand innewohnt.177 Die Rechtsprechung hatte sich zunächst jedoch an dem Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages178 orientiert und ebenfalls auf die Art der konkreten Verwendung abgestellt.179 Nach heute überwiegender Ansicht, der sich nun auch die Rechtsprechung angeschlossen hat180, ist der Begriff jedoch anders zu verstehen. Im Schrifttum hat sich im Laufe der Zeit ein breites und kaum noch überschaubares Meinungsspektrum über die Interpretationsmöglichkeit des gefährlichen Werkzeugs i. S. d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB gebildet,181 deren detaillierte Darstellung für die Frage nach der Relativität des Werkzeugbegriffs an dieser Stelle unterbleiben kann. Schon der bei dieser Auslegungsfrage vorherrschende Meinungspluralismus ist Ausdruck der existierenden Relativität. Rn. 235 spricht von Auslegungsproblemen, „dere[r] sich der Gesetzgeber offenbar nicht bewusst gewesen ist.“ 172  Vgl. nur Eschelbach, in: Beck’scher OK, § 224 StGB Rn. 1. 173  Siehe BGHSt 10, 400; Fischer § 242 StGB Rn. 2; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 2. 174  Vgl. BGHSt 30, 44 (45); Wittig, in: Beck’scher OK, § 244 StGB Rn. 1. 175  Vgl. Hörnle, Jura 1998, 169 (172); siehe zu dem Meinungsstreit ausführlich Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 272 ff. 176  Vgl. auch Schlothauer / Sättele, StV 1998, 505 (506). 177  Vgl. auch Hörnle, Jura 1998, 169 (172); Küper, JZ 1999, 187 (188). 178  BT-Drucks. 13 / 9064, S. 18. 179  Vgl. z. B. BGHSt 45, 92; BGH NJW 1998, 3130; BayObLG, StV 2001, 17 (18); OLG Hamm, StV 2001, 352. 180  Vgl. BGH NStZ 1999, 301 (302); BGH NJW 2008, 2861 (2862) der „die vom Gesetzgeber angeregte Orientierung an der genannten Definition dogmatisch [für] verfehlt bzw. systemwidrig“ hält. Ebenfalls von einem „systematisch unzutreffenden Hinweis“ des Gesetzgebers ausgehend, z. B. OLG Frankfurt am Main, StV 2002, 145 (146). 181  Vgl. Krüger, JA 2009, 190.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung49

Allein eines ersten Überblicks halber sei an dieser Stelle kursorisch auf die sich durchsetzenden subjektivierenden, objektivierenden und vermittelnden Ansichten hingewiesen. So fordern Vertreter der subjektivierenden Ansicht eine subjektive Zwecksetzung, eine individuelle Zweckbestimmung oder einen individuellen Widmungsakt,182 weswegen ein mitgeführter Gegenstand dann gefährlich i. S. d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB ist, wenn zu der objektiven Eignung noch die Bereitschaft tritt, mit diesem „notfalls“ erhebliche Verletzungen herbeizuführen.183 Diese Ansicht sieht sich der Kritik ausgesetzt, dass in § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB anders als in Nr. 1 lit. b gerade kein Verwendungsvorbehalt normiert ist und sich die Strafbarkeit gegenüber dem sonstigen Mittel aus dessen Gefährlichkeit ergibt.184 Erforderlich sei daher eine abstrakt-objektive Betrachtung,185 wobei innerhalb dieser Ansicht weiter nach gesetzlich verbotenen Gegenständen186, anhand des Kriteriums der Missbrauchsvermutung187 oder der Waffenersatzfunktion188 unterschieden wird. Ganz konsequent sind diese Objektivierungsversuche jedoch nicht, da auch sie „sehr vage“189 auf den Einzelfall abstellen190 und so das Risiko der Rechtsunsicherheit191 schaffen.192 Während die Rechtsprechung zunehmend eine der Widmungstheorie nahekommende Auslegung vertreten hatte, verfolgt der 3. Senat in einer vielbeachteten Entscheidung193 eine allein objektive Betrachtung.194 Der Täter eines Ladendiebstahls hatte ein zusammenklappbares Taschenmesser mit „relativ langer Klinge“195 bei sich, mit welchem er lediglich die Sicherungsetiketten der zu stehlenden Whiskeyflaschen entfernen wollte. Der BGH geht in der Entscheidung davon aus, dass ein Taschenmesser grundsätzlich 182  So z. B. Küper, JZ 1999, 187; Geppert, Jura 1999, 599 (602); Hilgendorf, ZStW 112 (2000), 811 (832); Rengier; BT 1, § 4 Rn. 34; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 276, 278 m. w. N. 183  Vgl. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 275. 184  Vgl. Eisele, BT II, Rn. 183; Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 244 StGB Rn. 5a; Krey / Heinrich / Hellmann, BT II, Rn. 134; Mitsch, BT II / 1, § 1 Rn. 236; Wittig, Beck’scher OK, § 244 StGB Rn. 8.1. 185  Vgl. Eisele, BT II, Rn. 186; Fischer, § 244 StGB Rn. 20 ff.; Laufhütte / Kuschel, in: LK, Nachtrag § 250 StGB Rn. 6. 186  Lesch, JA 1999, 30 (34, 36); ders., GA 1999, 366 (376). 187  Kindhäuser / Wallau, StV 2001, 18 (19). 188  Eisele, BT II, Rn. 189; Mitsch, BT II / 1, § 1 Rn. 236. 189  Krüger, JA 2009, 190 (191). 190  Vgl. auch Erb, JR 2001, 206 (207); Kraatz, JR 2010, 142 (146). 191  Vgl. Ch. Jäger, JuS 2000, 651 (654). 192  Vgl. Kraatz, JR 2010, 142 (146). 193  BGHSt 52, 257. 194  Vgl. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 279. 195  BGHSt 52, 257 (260).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

ein gefährliches Werkzeug i. S. d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB sei,196 erkennt jedoch zugleich, dass diese Ansicht zu einer „schwer kalkulierbaren Einzelfallkasuistik“197 führen kann, „bei der zudem die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen offenkundig ist.“198 Festhalten lässt sich aufgrund der verschiedenen Auslegungsansätze an dieser Stelle nur, dass ein Gleichsetzen der Werkzeugbegriffe der §§ 177199, 244, 250 Abs. 1200 StGB mit dem des § 224 StGB nicht möglich ist und dass daher auch der Begriff des gefährlichen Werkzeugs innerhalb des Strafrechts unterschiedlich zu verstehen ist. Die jeweilige Bedeutung des Begriffes hängt damit ebenfalls von „Funktion und Kontext“201 ab. Der fehlerhafte gesetzgeberische Hinweis auf § 223a Abs. 1 StGB a. F. zeigt die zwingende Notwendigkeit „einen Rechtsbegriff immer als Glied, als eingebundenen Teil des ihn umgebenden Verwendungskontextes zu er­ kennen“202. (2) Beamter Als Beispiel für die interdisziplinäre Relativität von Rechtsbegriffen soll der Beamtenbegriff als Untergruppe der Amtsträger aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit.  a StGB dienen, welcher trotz der begrifflichen Autonomie des Strafrechts,203 nach heute überwiegender Meinung im staatsrechtlichen Sinne zu verstehen ist.204 „Beamter“ i. S. d. Vorschrift ist daher nur, wer unter Beachtung der beamtenrechtlichen Vorschriften durch die dafür zuständige 196  Siehe

BGHSt 52, 257 (269) und Leitsatz. 52, 257 (269). 198  Vgl. BGHSt 52, 257 (269). 199  Vgl. nur Fischer, § 177 StGB Rn. 79, der auf die Ausführungen zu §§ 244, 250 StGB verweist. 200  Vgl. nur Fischer, § 250 StGB Rn. 6, der auf die Ausführungen zu §§ 244 StGB verweist. Für den Fall des Verwendens in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB soll nach Ansicht des BGH (vgl. nur BGHSt 45, 249) eine an § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB orientierte Auslegung gelten. Eine solche Ansicht verkennt jedoch die unterschiedlichen Voraussetzungen von „mittels“ und damit einem Verletzungserfolg und „Verwendung bei der Tat“, welches auch ein bloßes Drohen ausreichen lässt (Fischer, § 250 StGB Rn. 7; ebenso Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 250 StGB Rn. 28). 201  Küper, BT, S. 413. 202  Demko, Relativität, S. 320. 203  Ausführlich jeweils unter A. II. 2 und 4 am Beispiel des Gewahrsamsbegriffs; vgl. an dieser Stelle nur Bruns, JR 1984, 133 (135 ff.) m. w. N. 204  Siehe BT-Drucks. IV / 650, S. 115; BT-Drucks. 7 / 550, S. 209; BGH NJW 1991, 367; Fischer, § 11 StGB Rn. 13; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 318; Trüg, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 14. 197  BGHSt



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung51

staatliche Stelle in ein Beamtenverhältnis berufen wurde.205 Für die Auslegung des Beamtenbegriffs sind aus diesem Grund in erster Linie die Normen des öffentlichen Rechts heranzuziehen,206 auch wenn sich dort ebenfalls keine Definition des Beamtenbegriffs findet. Damit orientiert sich auch heute noch die Auslegung an der auf Binding207 zurückgehenden „klassischen“ Akzessorietätslehre, wonach das Strafrecht zum Zwecke der Rechtsordnung an die anderen Rechtsgebiete anzugleichen sei, ohne diesen jedoch blind zu folgen. Schon für § 359 StGB a. F. verwies Binding darauf, dass der Amtsträgerbegriff sich allein über das Merkmal der Anstellung definiere, so dass entscheidend sei, ob ein solches Anstellungsverhältnis vorliege. In Ermangelung einer entsprechenden Definition oder anderer Anhaltspunkte in § 359 StGB a. F. ließe sich die Anstellungsvoraussetzung daher nur öffentlichrechtlich bewerten, weswegen nur derjenige Täter sein könne, der formellrechtlich Beamter war.208 Auf die konkret ausgeübte Tätigkeit käme es hingegen nicht an.209 Vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung und der eindeutigen Formulierung in § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b und c StGB „öffentlich-rechtlich“ und „öffentliche Verwaltung“ wird auch heute vertreten, es handle sich lediglich um Verweisungsbegriffe auf das öffentliche Recht,210 so dass auch im Falle des Beamtenbegriffs von einer Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts auszugehen sei.211 Demgegenüber kam es mit Blick auf den Strafzweck durch die Reichsgerichtsrechtsprechung schon früh zu einer Trennung von staatsrechtlichem und strafrechtlichem Beamtenbegriff.212 Neben dem formellen Beamtenbegriff, wie ihn zum Beispiel Binding vertrat, müsste auch ein strafrechtlicher Beamtenbegriff i. S. d. § 359 StGB a. F. existieren können, da die staatsrechtliche Definition des Beamten für den strafrechtlichen Beamtenbegriff nicht maßgebend sei.213 Das Reichsgericht löste sich aufgrund dieser Auf205  Vgl. BGH NJW 1952, 516; BGH NJW 2004, 3129; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 26; Trüg, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 14; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 19. 206  Vgl. Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 193. 207  Binding, Lehrbuch II 2, § 193 I. 208  Vgl. Binding, Lehrbuch II 2, § 193 I. 209  Binding, Lehrbuch II 2, § 193 I 4. 210  So z. B. BGHSt. 34, 370 (374); Ossenbühl, JR 1992, 473 (474). 211  Vgl. nur Ossenbühl, JR 1992, 473 (474), der diese als grundsätzliche Folge des „gesetzlichen Verweisungsbegriff[s]“ ansieht. 212  Siehe nur RGSt 60, 139 (141); zur Rechtsprechungsentwicklung siehe Heinrich, Amtsträgerbegriff, S.  96 ff. 213  Vgl. unter anderem Holl, Beamtenbegriff, S. 11.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

fassung von einer rein öffentlich-rechtlichen Betrachtung und ließ es für die Beamteneigenschaft nach § 359 StGB a. F. bereits ausreichen, wenn jemand auch „ohne Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses“214, aber dennoch von öffentlicher Stelle berufen, tätig wird. Eine solche Person sei dann zwar kein Beamter im staatsrechtlichen, aber im strafrechtlichen Sinn.215 Entscheidend für die strafrechtliche Beamteneigenschaft war damit neben der Berufung durch die zuständige Behörde die Übertragung bestimmter, aus der Staatsgewalt abgeleiteter Aufgaben216 und damit letzten Endes lediglich die Art der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.217 Mit der Aufnahme des Begriffs „Amtsträger“ in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch das Einführungsgesetz des Strafgesetzbuches vom 2. März 1974218 und der damit verbundenen Ersetzung des Begriffs des „Beamten“ versuchte der Gesetzgeber schließlich diesem Auseinanderentwickeln der Beamtenbegriffe wieder entgegenzuwirken.219 Die Einführung des staatsrechtlich noch nicht vorbelasteten Amtsträgerbegriffs sollte daher „vorwiegend der Rechtsvereinheitlichung und Rechtsvereinfachung dienen“220 und die sich über die Jahre gebildeten unterschiedlichen Begriffsverständnisse vereinheitlichen. Laut gesetzgeberischem Willen221 entspricht der Begriff des Amtsträgers dabei im Wesentlichen dem Beamtenbegriff aus § 359 StGB a. F.,222 so dass zum Teil für die Auslegung auf bestehende Rechtsprechung und Literaturansichten verwiesen werden kann.223 Der Begriff des Beamten soll dagegen nunmehr staatsrechtlich zu verstehen sein. Beamter im Sinne des Staatsrechts ist, wer in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht, in welches er unter Aushändigung der vorgeschriebenen Ernennungsurkunde berufen worden ist.224 Das öffentliche Recht geht insoweit von einem statusrechtlichen Begriff aus. 214  RGSt

60, 139 (140). RGSt 60, 139 (140 f.). 216  Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 106; Jessen, MDR 1962, 526 (527). 217  Vgl. Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 117. 218  BGBl. I 1974, S. 469 (474). 219  Vgl. BT-Drucks. 7 / 550, S. 208 wonach eine „Bereinigung des Sprachgebrauchs (…) aus Gründen der Klarheit und besseren Übersichtlichkeit des Rechts“ angezeigt sei, da ein Festhalten am bisherigen Begriff des Beamten „irreführend“ sei und die „Durchsichtigkeit des Rechts“ erschwere. 220  Heinrich, Amtsträgerbegriff, S.  140 m. w. N. 221  BT-Drucks. 7 / 550, S. 208. 222  Vgl. BGHSt 31, 264 (267); BGHSt 43, 96 (104); Dingeldey, NStZ 1984, 503; Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 13; Göhler, NJW 1974, 825 (831); Rohlff, Amtsdelikte, S. 1. 223  Vgl. Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 13. 224  Vgl. nur Battis, § 4 BBG Rn. 2; Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 34 GG Rn. 105. 215  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung53

Auch wenn sich eine „kritiklose Übertragung“225 zu Recht verbietet,226 wird an dieser Stelle aufgrund der angestrebten Vereinheitlichung von einer Identität des staatsrechtlichen und des strafrechtlichen Beamtenbegriffs ausgegangen.227 Allein der Vollständigkeit halber ist daneben festzuhalten, dass einem eigenen strafrechtlichen Beamtenbegriff auch nicht das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung entgegenstünde, da dieses gerade keine starre begriffliche Einheit anstrebt, sondern vielmehr einer durch sachliche Widersprüche drohenden Rechtsunsicherheit entgegenzuwirken versucht.228 Da die strafrechtliche Begriffsbildung grundsätzlich autonom229 und daher allein am Sinn und Zweck der jeweiligen Strafnorm auszurichten ist,230 kommt es für die Auslegung trotz des staatsrechtlichen Begriffsverständnisses für eine eventuelle Strafbarkeit entscheidend auf die strafrechtlichen Besonderheiten an, weswegen es zum Beispiel unerheblich ist, ob beispielsweise das Beamtenverhältnis nichtig war.231 Demgegenüber liegt bei der Nichternennung grundsätzlich kein Beamtenverhältnis vor.232 Etwas Ähnliches gilt auch für die Verwaltungsakzessorietät des Beamtenbegriffs im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung in §  113 Abs.  3 StGB. Diese ist unabhängig vom Verwaltungsrecht zu 225  Heinrich,

Amtsträgerbegriff, S. 142. auch Rohlff, Amtsdelikte, S. 3. 227  So auch Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 318. 228  Vgl. z. B. von Heintschel-Heinegg, in: Beck’scher OK, § 1 StGB Rn. 20; für den Beamtenbegriff konkret Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 206; Rohlff, Amtsdelikte, S. 126. 229  Bruns, JR 1984, 133 (135); Dreher, GA 1969, 56 (61); Lenckner, ZStW 106 (1994), 502 (511). 230  Vgl. z. B. Jescheck / Weigend, AT, § 7 II 2; Lenckner, ZStW 106 (1994), 502 (511); Wentzell, Tatbestandsproblematik, S. 48. 231  Siehe Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 341; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 2, § 69 Rn. 13; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 26; a. A. Fischer, § 11 StGB Rn. 14; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 22; F. Walther, Jura 2009, 421 (422). Walther weist zwar richtigerweise darauf hin, dass die Nichtigkeit ex tunc wirkt, so dass der nichtig Bestellte nie Beamter im staatsrechtlichen Sinne gewesen ist, seine Auffassung, die Annahme des Beamtenstatus verstieße aufgrund dieser ex tunc-Wirkung gegen Art. 103 Abs. 2 GG, vermag vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Amtsdelikte und des § 15 S. 3 BBG aber nicht zu überzeugen. Heinrich stellt demgegenüber richtigerweise auf das den Amtsdelikten gemeinsamen Rechtsgut „Interesse der einzelnen Staatsbürger an einem ordnungsgemäß Funktionieren der staatlichen Verwaltung und der staatlichen Rechtsprechung“ ab, welches schon dann gefährdet ist, wenn der nichtig ernannte Beamte den Umstand der Nichtigkeit nicht kennt. Da auch ein nichtig ernannter Beamter nach § 15 S. 3 BBG bis zur Erklärung der Rücknahme gültige Amtshandlungen vornehmen kann, muss sich der strafrechtliche Schutz auch auf diesen Zeitraum erstrecken. 232  Insoweit übereinstimmend Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 342; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 25; F. Walther, Jura 2009, 421 (422). 226  Siehe

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

behandeln,233 obwohl nur dieses über die tatsächliche Rechtmäßigkeit Auskunft geben könnte.234 Im Ergebnis kommt es, anders als im Verwaltungsrecht, nicht auf die materielle Richtigkeit des Eingriffs, sondern lediglich auf die formelle Rechtmäßigkeit an, da dadurch dem Schutzzweck des § 113 StGB ausreichend Rechnung getragen werde.235 Neben dem „staatsrechtlichen“ und dem – hier nicht mehr vertretenen – „strafrechtlichen“ Beamtenbegriff existiert noch ein „haftungsrechtlicher“.236 So gilt bei § 839 Abs. 1 BGB im Rahmen der Eigenhaftung im privatrechtlichen Bereich der enge staatsrechtliche Beamtenbegriff, während über Art. 34 GG die Haftung für jegliches Handeln bei Ausübung eines öffentlichen Amtes auf den Staat verlagert wird. Damit kann Schädiger i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG jeder Amtswalter sein, also jedermann, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes eine Amtspflicht verletzt. Es gilt damit ein gegenüber dem „staatsrechtlichen“ weiterer haftungsrechtlicher ­Beamtenbegriff. Diese „Zerreißung des Beamtenbegriffs (…) [sei] zwar unerwünscht“237, aber logische Folge der unterschiedlichen Funktionen und Verwendungszusammenhänge. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass „ ‚den‘ (also einen einheitlichen) Beamtenbegriff (…) [nur] der allgemeine Sprachgebrauch [kennt] (…). Rechtlich ist [hingegen – wie so oft –] zu differenzieren.“238 (3) Abfall im strafrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Sinne Als abschließendes Beispiel für die interdisziplinäre Relativität soll der Abfallbegriff aus § 326 StGB dienen, der in Abs. 1 das Behandeln, Lagern, Ablagern, Ablassen oder sonstige Beseitigen von Abfällen in nicht zugelassenen Anlagen oder unter Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren unter Strafe stellt. Da das StGB keine gesetzliche Definition des Begriffs „Abfall“ enthält239 und „niemand (…) mit Bestimmtheit zu sagen [weiß], was Abfall ist“240, wird überwiegend vertreten, 233  Vgl. BGHSt 4, 161 (164); BGHSt 21, 334 (363); BGHSt 24, 125 (132); Fischer, § 113 StGB Rn. 11; a. A. Benfer, NStZ 1985, 255 (256); Bosch, in: MüKo, § 113 StGB Rn. 24; Dallmeyer, in: Beck’scher OK, § 113 StGB Rn. 11.3; Schünemann, GA 1985, 341 (366). 234  So auch BGHSt 21, 334 (363); Dingeldey, NStZ 1984, 503; Eser, in: Sch / Sch, § 113 Rn. 21 ff. 235  So auch Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 203. 236  Siehe z. B. Kunig, Jura 1991, 556 (557). 237  Wagner, Beamtenrecht, Rn. 38. 238  Kunig, Jura 1991, 556. 239  Vgl. Kloepfer / Heger, Umweltstrafrecht, Rn. 281; Saliger, Umweltstrafrecht, Rn. 274. 240  Stuttmann, NVwZ 2006, 401.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung55

dass der der Norm zugrundeliegende Abfallbegriff in enger Anlehnung an den verwaltungsrechtlichen Abfallbegriff des jeweils gültigen Abfallverwaltungsrechts, aktuell also dem des KrWG241, zu bestimmen sei.242 Da § 3 Abs. 1 KrWG eine Definition lediglich für „Abfälle im Sinne dieses Gesetzes“ enthält, besteht jedoch schon keine begriffliche Akzessorietät zum verwaltungsrechtlichen Abfallbegriff.243 Der strafrechtliche Abfallbegriff wird daher grundsätzlich als selbstständig angesehen.244 Aus diesem Grund können auch verwaltungsrechtlich vom Abfallbegriff ausgenommene Gegenstände aus strafrechtlicher Sicht Abfall darstellen,245 etwa die unter § 2 Abs. 2 KrWG genannten Stoffe.246 Das Einleiten schädlicher Abwässer fällt daher zwar unter § 326 StGB, ohne jedoch Abfall i. S. d. KrWG zu sein.247 Umfassen strafrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Abfallbegriff unterschiedliche Gegenstände, so kann zwar von einer grundsätzlichen funktionalen Verwaltungsakzessorieät ausgegangen werden, gleichgesetzt werden können die Begriffe jedoch nicht. „Abfall“ ist mithin nicht gleich „Abfall“. c) Zwischenergebnis Es lässt sich an dieser Stelle zunächst248 festhalten, dass in Ermangelung einer eindeutigen Sprache ein und derselbe Begriff auch in einem rechtlichen Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben kann und zum Teil sogar haben muss. Welche Bedeutung dies im jeweiligen Fall ist, lässt sich jedoch nicht allein aus dem Begriff als solchem folgern, vielmehr ist eine Betrachtung des gesamten Verwendungszusammenhangs bei gleichzeitiger Beach241  Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 24. Februar 2012, BGBl. I 2012, S. 212. 242  Vgl. Fischer, § 326 StGB Rn. 5; Kloepfer / Heger, Umweltstrafrecht, Rn. 281; siehe hinsichtlich des bis 2012 geltenden KrW- / AbfG Beckemper / Wegner, wistra 2003, 281. 243  Vgl. Heine, in: Sch / Sch, § 326 StGB Rn. 2a; Kloepfer / Heger, Umweltstrafrecht, Rn. 281; Saliger, Umweltstrafrecht, Rn. 274; Witteck, in: Beck’scher OK, § 326 StGB Rn. 5; siehe hinsichtlich des KrW- / AbfG auch Rogall, GA 1995, 299 (302); Perschke, wistra 1996, 161 (162). 244  So schon für das im Wesentlichen gleiche KrW- / AbfG z. B. BGHSt 37, 21 (24); BGHSt 37, 333 (335); siehe auch Fischer, § 326 StGB Rn. 5; Heine, in: Sch / Sch, § 326 StGB Rn. 2a; Saliger, Umweltstrafrecht, Rn. 274. 245  Vgl. Witteck, in: Beck’scher OK, § 326 StGB Rn. 5. 246  Vgl. Lackner / Kühl, § 326 StGB Rn. 2a; Kloepfer / Heger, Umweltstrafrecht, Rn. 282; für Abwasser: EuGH NVwZ 2007, 1037. 247  Vgl. BGHSt 37, 21 (24); Fischer, § 326 StGB Rn. 12 m. w. N. 248  Zur Relativität der Rechtsbegriffe im Zusammenhang mit den Begriffen „Besitz“ und „Gewahrsam“ siehe sogleich unter B. III. 2.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

tung zugrundeliegender gesetzgeberischer Intentionen und Ziele erforderlich. Diese Unmöglichkeit starrer begrifflicher Fixierung führt daher zwingend zu einem Begriffsrelativismus.249 Dabei kann ein und derselbe Begriff nicht nur innerhalb eines Rechtsgebiets verschiedene, kontextabhängige Bedeutungen haben, sondern, wie unter anderem der Abfall- und Beamtenbegriff gezeigt haben, auch über die einzelnen Rechtsgebiete hinaus. Doch auch wenn das Strafrecht nach Binding250 „seinem innersten Wesen nach einen accessorischen Charakter an sich [trägt]“, „darf [es] nicht isoliert betrachtet [werden]“251. Es muss „vielmehr in seinem lebendigen Zusammenhang mit allem übrigen Recht (…) als Glied des ganzen positiven Rechtssystems geschaut werden.“252 Entscheidend ist dabei aber, dass diese Akzessorietät nicht als eine begriffliche Akzessorietät253 missverstanden werden darf.254 Denn hinter dem Begriff der Akzessorietät verbirgt sich vielmehr der Gedanke, dass die Ahndung eines bestimmten Verhaltens mit Strafe und die darin zum Ausdruck kommende gesellschaftliche Missbilligung dieses Verhaltens nicht aus Willkür geschieht, sondern aus der Notwendigkeit, eine Rechts- und Güterordnung zu schützen.255 Ähnlich muss auch der Ansatz Tiedemanns verstanden werden, der vor allem für das Nebenstrafrecht und insbesondere das Wirtschaftsstrafrecht von einer „uneingeschränkten Akzessorietät des Strafrechts“ ausgeht.256 Seiner Ansicht nach müsse, auch wenn das Strafrecht seinen Folgen nach grundsätzlich autonom sei,257 hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen das Gegenteil gelten.258 Dies folge im Rahmen der Tatbestandsauslegung in den Fällen, in welchen das Strafrecht zivilrechtliche Vorgänge unter Strafe stellt, aus dem Umstand, dass eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ nicht der Regelfall sein könne, sondern vielmehr eine zivilrechtsakzessorische Betrachtung angebracht sei.259 Als Belege hierfür führt Tiedemann den Eigentumsbegriff in §§ 242 ff. StGB und die Verfügungsbefugnis in § 266 StGB an,260 welche Zimmermann, NJW 1953, 1262. Handbuch, S. 9. 251  Binding, Handbuch, S. 10. 252  Binding, Handbuch, S. 10. 253  So aber Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 221 f. 254  Siehe hierzu auch Jescheck / Weigend, AT, § 7 II 2. 255  So auch Wentzell, Tatbestandsproblematik, S. 58. 256  Siehe Tiedemann, NJW 1977, 777 (779). 257  Vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 45. 258  So jedenfalls Tiedemann, NJW 1977, 777 (779). 259  Vgl. Tiedemann, NJW 1977, 777 (779); ders., Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 5; im Konkreten für § 266 StGB: ders., in: LK, 12. Aufl., § 266 StGB Rn. 30. 260  Vgl. Tiedemann, NJW 1977, 777 (779). 249  Vgl.

250  Binding,



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung57

unstreitig zivilrechtlich verstanden werden müssten und nach ganz überwiegender Ansicht auch werden.261 Daneben spräche für eine begriffliche Akzessorietät des Strafrechts weiterhin „gesetzgebungslogisch die unübersehbare Neigung, verwaltungsrechtliche (und andere) Gesetze durch Strafbestimmungen zu ‚bewehren‘ “.262 Dies wird besonders anhand der Strafvorschriften in § 82 GmbHG deutlich, welche an dieser Stelle als Beispiel für die schwächste Form begrifflicher Akzessorietät dienen sollen. Nach § 82 Abs. 1 GmbHG wird bestraft, wer in den Fällen Nrn. 1–5 falsche Angaben macht oder nach § 82 Abs. 2 GmbHG eine unwahre Versicherung abgibt (Nr. 1) oder die Vermögenslage der Gesellschaft unwahr darstellt oder verschleiert (Nr. 2). Die Regelungen in § 82 GmbHG dienen dabei dem Zweck, die Allgemeinheit vor einer kriminellen Handhabung einer GmbH zu schützen, die ein Gesellschafter bzw. eines ähnlichen Organs begeht.263 § 82 GmbHG verwendet dabei Begrifflich­ keiten, die ihre wahre Bedeutung erst aufgrund anderer Vorschriften des GmbHG gewinnen, und verweist teilweise ausdrücklich auf solche.264 Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Bezugnahme auf sonstige Vorschriften des gleichen Gesetzes, so dass es überzeugender ist, diese nicht als Blankettverweisung einzustufen.265 Dennoch besteht auch in diesem Fall ein akzessorischer Zusammenhang, da die Strafvorschriften nicht für sich allein, sondern nur in Bezug mit den übrigen Normen „zusammengelesen“266 werden können. Eine solche Strafbewehrung ist schließlich nur dann möglich, wenn sich die zu schützende und die schützende Regelung inhaltlich decken. Die Begriffe müssen dabei nicht zwingend kongruent, jedoch zumindest akzessorisch verstanden werden. Tiedemann ist daher nur insoweit zuzustimmen, als dass eine Akzessorietät des Strafrechts in den Fällen besteht, in welchen es um den Schutz des jeweils mit dem gleichen Begriff umschriebenen Tatbestandsmerkmals geht. Die Akzessorietät verfolgt dann aber nicht etwa einen begrifflichen, sondern einen rein funktionalen Zweck: den Schutz bestimmter Güter und der Gesellschaft.267 Dieser Schutz ist zum einen der 261  Siehe hierzu nur BGHSt 6, 377; BGHSt 10, 400; Fischer, § 242 Rn. 5; ders., § 266 StGB Rn. 10 m. w. N. 262  Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 46. 263  Vgl. BGHSt 46, 62 (66); Haas, in: Baumbach / Hueck, § 82 GmbHG Rn. 1; Wißmann, in: MüKo, § 82 GmbHG Rn. 1. 264  Vgl. Wißmann, in: MüKo, § 82 GmbHG Rn. 22. 265  Vgl. Tiedemann, in: Scholz-GmbHG, § 82 GmbHG Rn. 7 f.; a. A. Dannecker /  N. Müller, in: Beck’scher OK, § 82 GmbHG Rn. 20; Haas, in: Baumbach / Hueck, § 82 GmbHG Rn. 4; siehe auch Wißmann, in: MüKo, § 82 GmbHG Rn. 22, nach dem der Streit lediglich akademischer Natur ohne praktische Bedeutung ist. 266  Tiedemann, in: Scholz-GmbHG, § 82 GmbHG Rn. 7. 267  So auch Jescheck / Weigend, AT, § 1 I 1.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Ursprung, zum anderen zugleich auch einzige Funktion der strafrechtlichen Akzessorietät.268 Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich die Begriffsbestimmung immer dort an bestehenden Begriffen orientieren muss, in welchen das Strafrecht dem Schutz der diesen Begriffen zugrundeliegenden Gegebenheiten dient. Schützen die §§ 242 ff. StGB daher das Eigentum, so ist hier ein Rückgriff auf den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff genauso geboten, wie sich auch der Beamtenbegriff aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB an dem des öffentlichen Rechts orientieren muss. Die Bildung eigener strafrechtlicher Vokabeln ist dabei ebenso abzulehnen wie das Postulat Bruns’ von der „Abkehr vom civilistischen Denken“269. Gleiches gilt für eine Ablehnung der Relativität – sei es aufgrund des Strebens nach einer einheitlichen Rechtsordnung oder aus anderen Gründen – mit dem Ziel nach stets gleichbleibender Bedeutung. Diese würde übersehen, „dass auch die allerfestesten Rechtsbegriffe jedesmal durch den Zusammenhang, in dem sie gebraucht werden, in ihren Grenzen, in ihrer Bedeutung ein wenig nach dieser oder jener Richtung hin verschoben werden, so daß man über die vollkommene Gleichheit der Bedeutung eines Ausdrucks niemals von vornherein in Sicherheit sein kann.“270 Wohin der Versuch einer allumfassenden Begriffsdefinition führen kann, zeigt unter anderem die „abschreckende“271 Eisenbahn-Definition272 des Reichsgerichts aus dem Jahre 1879. Verwenden die jeweiligen Rechtsgebiete jedoch lediglich den gleichen Begriff, ohne dass dieser auch in dem Schutzbereich der Strafnorm aufgenommen ist, so gibt es für eine Akzessorietät keinerlei Notwendigkeit. Gleiches muss auch in den Fällen gelten, in denen, wie beim Abfallbegriff, unterschiedliche Schutzzwecke verfolgt werden. Aber auch in den Fällen, in welchen der Gesetzgeber eine – vermeintliche – Legaldefinition, wie in § 28 Wentzell, Tatbestandsproblematik, S.  58 f. Befreiung, S. 206 ff. 270  Vgl. Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 203 f. 271  Wank, Auslegung, S. 111. 272  RGZ 1, 247 (252): „Eine Eisenbahn ist ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruk­ tion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen beziehungsweise die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf, Elektrizität, tierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon durch die eigene Schwere der Transportgefäße und deren Ladung usf.) bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßige gewaltige (je nach den Umständen nur bezweckterweise nützliche oder auch Menschenleben vernichtende und menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist.“ 268  Vgl.

269  Bruns,



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung59

Abs. 2 StGB für den Beteiligtenbegriff, normiert oder eine Vereinheitlichung von Rechtsbegriffen durch die bewusste Verwendung gleicher Begrifflichkeiten, wie im Fall des gefährlichen Werkzeugs, anstrebt, kann ein und derselbe Begriff gefahrlos unterschiedliche Bedeutungen haben. Und auch wenn der Begriff des Besitzes in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten vorkommt, so dient das Strafrecht nicht einem über den zivilrechtlich gewährleisteten Besitzschutz hinausgehenden Schutz, weswegen mangels allgemeingültiger Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts auch ein eigenständiger Besitzbegriff grundsätzlich vorstellbar ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, soll im Folgenden erörtert werden. 2. Besitz im Sinne des Strafrechts Der Überblick über die Relativität der Rechtsbegriffe hat gezeigt, dass ein und derselbe Begriff sowohl in der Alltagssprache als auch in der Rechtssprache unterschiedliche Bedeutungen haben kann oder gar haben muss. Für die Inhaltsbestimmung bei Rechtsbegriffen ist daher grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung unter besonderer Betrachtung des Verwendungszusammenhangs vorzunehmen. Daher stellt sich auch im Zusammenhang mit dem Besitz kinderpornografischer Daten i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB die Frage nach den Voraussetzungen an den Besitzbegriff und damit an das jeweilig zugrunde liegende Besitzverständnis im Allgemeinen und den sich aus der Systematik im Besonderen ergebenden Anforderungen. Der Begriff des Besitzes findet sich, wie im historischen Abriss dargestellt, an verschiedensten Stellen im Gesetz, ohne dass in den meisten Fällen auf eine entsprechende Legaldefinition verwiesen oder eine Definition angeboten wird. So kennt nicht nur das Sachenrecht den Besitzbegriff als tatsächliches Herrschaftsverhältnis in Abgrenzung zum rechtlichen des Eigentums,273 sondern auch das Strafrecht in den §§ 184b und 184c StGB, das Nebenstrafrecht beispielsweise im § 29 BtMG oder das Waffenrecht in Form des Ausübens der tatsächlichen Gewalt. Neben dem Besitzbegriff finden sich im Recht noch weitere Begriffe, die die Beziehung zwischen einer Person und einer Sache beschreiben. Prominentester und gleichzeitig in seiner Abgrenzung zum Besitz problematischster Begriff ist dabei sicherlich der des Gewahrsams i. S. d. StGB.274 Der Gewahrsamsbegriff findet sich über das Strafrecht hinaus auch noch in den §§ 808 Abs. 1 und 2, 809, 886 ZPO275, § 616 Abs. 3 Prütting, in: PWW, § 854 BGB Rn. 1; Wolf / Wellenhofer, § 4 Rn. 1. den Voraussetzungen und der Abgrenzung im Einzelnen, siehe sogleich unter B. III. 2. b) bb). 275  Zivilprozessordnung (ZPO), BGBl. I 2005, S. 3202, ber. 2006, S. 431 und 2007, S. 1781. 273  Vgl. 274  Zu

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Satz 2 HGB276, §§ 76 Abs. 3 Satz 2, 286 Abs. 1, 2 und 4 AO277 und vielen weiteren Gesetzen. In jeder dieser Vorschriften verwendet der Gesetzgeber den Begriff des Besitzes oder des Gewahrsams oder umschreibt eine Personen-Sach-Beziehung, so dass sich die Vermutung aufdrängen könnte, Besitz und Gewahrsam im Sinne dieser Vorschriften habe dieselben Voraussetzungen. Eine Ausnahme davon, auf die aufgrund ihrer gänzlich anderen Bedeutung bei diesem Vergleich außer Acht gelassen werden kann, stellt der Begriff des polizeilichen Gewahrsams dar.278 Dieser umfasst jede Art der Freiheitsentziehung und stellt die unfreiwillige Inobhutnahme einer Person in staatliche Gewalt dar279 und ist daher für die Frage nach dem strafrechtlichen Besitz unerheblich. Für die dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragestellung nach der Besitzbarkeit von Daten im Rahmen des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB gilt es daher zunächst, die Voraussetzungen des dieser Norm zugrunde liegenden Besitzbegriffs herauszuarbeiten und einen Vergleich mit anderen Besitzbegriffen anzustreben. a) Zivilrechtlicher Besitzbegriff Da der Begriff „Besitz“ im StGB lediglich verwendet wird, sich im Strafrecht – trotz des häufigen Vorkommens im Gesetz – selbst aber keine Anhaltspunkte für die Besitzvoraussetzungen finden, gilt es im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung Anhaltspunkte für die Begriffsbestimmung in anderen Gesetzen zu suchen. Zunächst bietet sich trotz der begrifflichen Autonomie des Strafrechts für die Inhaltsbestimmung ein Blick auf das Zivilrecht an, welches im BGB neben dem Erwerb des unmittelbaren Besitzes in § 854 BGB noch weitere besitzspezifische Regelungen, wie den mittelbaren Besitz aus § 855 BGB und den fiktiven Erbenbesitz aus § 857 BGB kennt. Ob die im BGB zugrunde liegende Besitzdefinition in das Strafrecht übertragen werden kann, wird im Folgenden dargestellt.

276  Handelsgesetzbuch

(HGB), RGBl. 1897, S. 219. (AO), BGBl. I 2002, S. 3866, ber. I 2003, S. 61. 278  Dieser findet sich neben Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG in den unterschiedlichsten einfachgesetzlichen Regelungen, wie § 30 ASOG (GVBl. 2006, S. 930), § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 UVollzG Bln (GVBl. 2009, S. 686), § 20p Abs. 1 BKAG (BGBl. I 1997, S. 1650), § 39 BPolG (BGBl. I 1994, S. 2978). 279  VGH Mannheim, NVwZ-RR 2005, 247; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG Rn. 83; Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizeirecht, § 17 Rn. 1; Söllner, in: P / S / T, Teil A, Kap. 3 Rn. 103, 104; siehe ausführlich Stoermer, Gewahrsam, S.  25 ff. 277  Abgabenordnung



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung61

aa) Tatsächliche Sachherrschaft Eine Legaldefinition des Besitzbegriffs findet sich jedoch auch im BGB nicht.280 Stattdessen taucht der Begriff „Besitz“ im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Besitzformen, die vom Gesetzgeber als besitzschutzfähig angesehen werden,281 in einzelnen Paragrafen282 über das BGB verteilt auf. Aufgrund der Vielzahl dieser besitzrechtlichen Regelungen stehen Wissenschaft und Rechtsprechung vor dem Problem, einen Besitzbegriff zu formulieren, der all jene heterogenen Tatbestände voll erfasst. Es ist bis heute umstritten, ob das BGB von einem einheitlichen Besitzbegriff ausgeht, weswegen sich über die Jahre verschiedenste Begriffsbestimmungen herausgebildet haben.283 Ohne an dieser Stelle auf die unterschiedlichen Ansichten im Einzelnen einzugehen, lässt sich zunächst festhalten, dass sich der Begriff eng an den Regelungsgehalt der zugrundeliegenden Norm orientieren muss.284 Bezugspunkt für eine Definition zumindest des unmittelbaren Besitzes müssen damit die §§ 854, 856 BGB sein. Denn wird der Besitz durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt erworben, so muss der Besitz selbst eben diese tatsächliche Gewalt über eine Sache darstellen.285 Unmittelbarer Besitz kann sich somit als Innehabung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache definieren lassen.286 Diese Ansicht sieht sich mit dem Abstellen auf die tatsächliche Sachherrschaft jedoch unmittelbar einer weiteren Definitionsfrage ausgesetzt. Denn wann genau jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, ist ebenso nicht gesetzlich geregelt und damit ebenfalls definitions- bzw. auslegungsbedürftig.287 Hartung kommt daher zu dem Schluss, dass schon der Wortlaut des § 854 Abs. 1 BGB ge280  Vgl. z. B. Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 2; Gutzeit, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 854 ff. BGB Rn. 34; Hartung, Besitz, S. 21; Hoeren, in: NK, Vor §§ 854 ff. BGB Rn. 1; Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 1; Schreiber, Jura 2003, 682; Sosnitza, Besitz, S. 4. 281  Vgl. Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 2. 282  Vgl. §§ 854 Abs. 1, 855, 854 Abs. 2, 856 Abs. 2, 868, 857, 868 BGB. 283  Vgl. zur Begriffsgeschichte Coing, Europäisches Privatrecht, S. 279 ff.; siehe auch Gutzeit, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 854 ff. BGB Rn. 34 ff.; Joost, in: MüKo, Vorbem. § 854 BGB Rn. 1 ff. 284  Vgl. Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 2; Joost, in: MüKo, Vorbem. § 854 BGB Rn. 6. 285  Joost, in: MüKo, Vorbem. § 854 BGB Rn. 6; a. A. Hartung, Besitz, S. 23 ff. 286  So jedenfalls BGHZ 57, 166, 168; BGHZ 180, 300; Fritsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 3; Jauering, § 854 BGB Rn. 1; Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 3; Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 7 Rn. 1; Wieling, Sachenrecht, § 3 I. 287  Siehe Klinck, in: Staudinger-Eckpfeiler, V Rn. 5; Hartung, Besitz, S. 24; Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 3.

62

B. Besitz i. S. d. Strafrechts

gen eine Gleichsetzung von tatsächlicher Sachherrschaft und Besitz spräche.288 Gegen diese Kritik lässt sich jedoch zu Recht einwenden, dass jede Definition durch die Ersetzung des Definiendums durch das Definiens ad absurdum geführt werden könne, weswegen in dem „Trivialitätsargument“289 kein valides Gegenargument gesehen werden kann. Dies erkennt Hartung zwar grundsätzlich ebenfalls an, widerspricht aber der Ansicht, § 854 Abs. 1 BGB enthalte überhaupt eine Definition. § 854 Abs. 1 BGB sei, wie auch die §§ 857, 868 BGB, ein bloßer Besitztatbestand.290 Doch auch wenn man der überwiegenden Ansicht folgt und in dem Element der tatsächlichen Sachherrschaft zumindest eine Definition des unmittelbaren Besitzes sieht,291 stellt sich die Frage, ob diese Definition auch für einen BGB-weiten Besitzbegriff herangezogen werden kann, oder ob sich die tatsächliche Sachherrschaft nur auf § 854 Abs. 1 BGB bezieht. Ausschlaggebend sind daher die Voraussetzungen der tatsächlichen Sachherrschaft. Nach Wolff / Raiser292 handelt es sich bei der Sachherrschaft jedoch um einen „elementare(…)[n] Begriff“, welcher der rechtlichen Analyse entzogen und daher nur nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen sei.293 Diese Ansicht ist wie der Versuch Hecks294 abzulehnen, die Sachherrschaft zu einem durch Richter auszulegenden, unbestimmten Blankettbegriff zu deklarieren. Weder können noch dürfen rechtlich relevante Begriffe existieren, die einer rechtlichen Analyse entzogen sind noch kann die Auslegung solcher Begriffe Richtern überlassen werden.295 Stattdessen sei die tatsächliche Sachherrschaft als eine von einem natürlichen Besitzwillen getragene tatsächliche Machtbeziehung einer Person zu einer Sache zu verstehen.296 Joost leitet dieses Sachherrschaftsverständnis aus einer isolierten Betrachtung der §§ 854, 856 BGB ab, welchen die Möglichkeit der physischen Einwirkungen auf die Sache gemein sei,297 wodurch ein Abstellen auf die Hartung, Besitz, S. 23 f., 31. nach Hartung, Besitz, S. 24. 290  Siehe Hartung, Besitz, S. 24. 291  Vgl. nur Sosnitzka, Besitz, S. 6; a. A. Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 1. 292  Wolff / Raiser, Sachenrecht, § 5 III. 293  Ähnlich z. B. Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 5; Kritik z.  B. bei Heck, Grundriss, § 5 5. 294  Heck, Grundriss, § 5 5. 295  Vgl. auch Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 3; Kritik an den Ansichten von Wolff / Raiser und Heck auch bei Hartung, Besitz, S. 125 ff., 132, 144 ff. und Sosnitza, Besitz, S.  7 ff. 296  Siehe Joost, Schultz-GS 1987, S. 167 (180 f.); ders., in: MüKo, § 854 BGB Rn. 5. 297  Vgl. Joost, Schultz-GS 1987, S. 167 (168).; ders., in: MüKo, § 854 BGB Rn. 3,4. 288  Vgl.

289  Bezeichnung



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung63

Verkehrsanschauung298, einer „gefährliche[n] Leerformel“299, vermieden werden könne. Dass dabei der mittelbare Besitz und die Besitzdienerschaft für die Begriffsbildung vernachlässigt würden, stünde einer gültigen Definition nicht im Wege.300 So würden auch Rechtsfolgeprobleme vermieden, die bei einer Subsumtion unter einen einheitlichen Besitzbegriff auftreten würden.301 Vor dem Hintergrund des auch im Zivilrecht existierenden Begriffsrelativismus erscheint die Schaffung eines für die §§ 854, 856 BGB gesonderten Besitzbegriffs zunächst vertretbar. Im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung und der nicht erkennbaren Notwendigkeit, speziell für jede Vorschrift den Besitz neu zu definieren,302 ist ein solcher Relativismus jedoch abzulehnen.303 Es ist nicht ersichtlich, wieso der Besitzbegriff auch innerhalb des BGB unterschiedliche Bedeutungen haben soll. Überzeugender ist daher eine Begriffsdefinition, die zwar ebenfalls ihren Schwerpunkt auf die Möglichkeit setzt, auf die Sache unter Ausschluss anderer einzuwirken,304 diese aber über die Verkehrsanschauung zumindest allgemeingültig zu definieren versucht. Objektiver Anhaltspunkt soll dabei das Element des Tatsächlichen sein, welches seinen Ausdruck in der Nähe zur Sache und der bestehenden Dauer des Herrschaftsverhältnisses findet.305 Die tatsächliche Sachherrschaft soll daher an dieser Stelle zunächst als eine auf physischer Einwirkbarkeit basierende Machtbeziehung verstanden werden.306 Damit stellt sich jedoch weiterhin die Frage, ob diese Machtbeziehung als Grundlage für den zivilrechtlichen Besitzbegriff ausreichend sein kann. Mit Blick auf andere Besitzarten, wie den mittelbaren Besitz in § 868 BGB und den Erbenbesitz in § 857 BGB, erscheint ein reines Abstellen auf die tatsächliche Sachherrschaft jedoch zu eng, im Hinblick auf die Besitzdiener298  Vgl. neben anderen nur BGHZ 101, 186 (188); Fritsche, in: Bamberger / Roth, § 854 BGB Rn. 20. 299  Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 4 m. w. N.; Kritik dazu bei Sosnitza, Besitz, S. 7. 300  So jedenfalls Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 5. 301  Siehe Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 5. 302  Vgl. auch Hartung, Besitz, S. 149. 303  So z. B. auch Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 8 I 3. 304  So z. B. Westermann, Rn. 25; Wolf / Wellenhofer, § 4 Rn. 8. 305  Vgl. BGHZ 101, 188; Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 II 1 a; Bassenge, in: Palandt, § 854 BGB Rn. 3; Berger, in: Jauernig, § 854 BGB Rn. 2; Fritzsche, in: Beck’scher OK, §  854 BGB Rn.  21; Prütting, Sachenrecht, Rn.  52; Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 8 II Rn. 3 ff. 306  Inwieweit das Kriterium der physischen Einwirkung im Zusammenhang mit Dateien im Internet Bestand haben kann, siehe ausführlich unter E.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

schaft in § 855 BGB zu weit.307 Daher ist beim Formulieren einer Defini­tion zu berücksichtigen, dass das Gesetz die verschiedenen Besitztatbestände nach der jeweils zugedachten Funktion ausgestaltet.308 Der Besitzbegriff im Falle des unmittelbaren Besitzes in § 854 BGB müsste daher nicht zwangsläufig mit dem des Erbenbesitzes aus § 857 BGB übereinstimmen. Auf der anderen Seite versuchen Rechtsprechung und Lehre jedoch auch, einen einheitlichen Begriff zu finden bzw. anzuwenden. Denn obwohl der unmittelbare Besitz im Falle des § 854 BGB auf tatsächlicher Ebene sich gänzlich vom mittelbaren Besitz unterscheidet und somit auch eine entsprechend abweichende Besitzdefinition zugrunde gelegt werden könnte oder gar müsste, sieht die überwiegende Meinung den Besitz des mittelbaren Besitzers begrifflich nicht wesensverschieden zu dem des unmittelbaren an; dieser besitze „vergeistigt“309 und habe dadurch die tatsächliche Gewalt über die Sache.310 „Tatsächlich“ besage nur, dass es nicht auf die rechtliche Beziehung zu der Sache ankomme, ein Recht zum Besitz beispielsweise gerade nicht von Nöten ist. Ein „handgreiflicher Besitz“311 sei daher nicht erforderlich. Darüber hinaus kann der mittelbare Besitz auch nicht ohne den unmittelbaren existieren,312 so dass die einzelnen Besitzformen besser als Elemente eines Besitzbegriffes denn als eigenständige Rechtsinstitute zu verstehen sind. Auch wenn die unterschiedlichen Besitzformen zum Teil verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen und nicht alle Besitzschutzregelungen auf jede Besitzform angewendet werden können, spricht die innere Struktur der §§ 854 ff. BGB für einen einheitlichen Besitzbegriff. Als Erörterungsgrundlage soll an dieser Stelle daher „Besitz i. S. d. BGB“ als tatsächliche Herrschaft über eine Sache verstanden werden, welcher durch Realakt erworben wird313 und – zumindest nach Eckstein314 – einen Rechtszustand und keine Rechtshandlung darstellt. Dieser zivilrechtliche Besitzbegriff ist dabei als Oberbegriff zu verstehen, während die einzelnen Besitzformen, wie unmittelbarer Besitz, mittelbarer Besitz, Erbenbesitz und Besitzdienerschaft, lediglich besondere Ausgestaltungen dieses Besitzes sind. Entscheidendes Bund, in: Staudinger, § 854 BGB Rn. 35. Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 2. 309  Weber, Sachenrecht, § 5 Rn. 8; kritisch dazu Joost, in: MüKo, § 868 BGB Rn. 5. 310  Zur Frage, ob der mittelbare Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft durch den Besitzmittler ausübt: Schulte-Nölke, in: NK BGB, § 868 BGB Rn. 1 m. w. N.; ablehnend Joost, in: MüKo, § 868 BGB Rn. 5 und Prütting, Sachenrecht, Rn. 82. 311  Berger, in: Jauernig, § 854 BGB Rn. 1. 312  Vgl. Sosnitza, Besitz, S. 16. 313  Baumann, Einführung, S. 218. 314  Eckstein, Besitz, S. 86; siehe zu der Frage „Besitz als Zustand“ ausführlich A. III. 2. b) bb). 307  Vgl. 308  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung65

Element aller Besitzformen ist damit aber die tatsächliche Sachherrschaft, ob nun direkt ausgeübt, wie im Falle des § 854 BGB, oder aufgrund einer gesetzlichen Fiktion, wie beim „vergeistigten“ Besitz des mittelbaren Besitzers.315 Die aufgezeigten „Unschärfen“, die die Definition „in Randbereichen“ aufweist, sind dabei „nicht größer als bei anderen Rechtsbegriffen auch“ und können „weitgehend beseitigt werden“.316 Besitz i. S. d. Zivilrechts und Grundlage der weiteren Erörterung ist somit die tatsächliche Sachherrschaft über einen Gegenstand. bb) Besitzwille Umstritten ist weiterhin, ob Besitz neben dem objektiven Erfordernis der Sachherrschaft auch einen entsprechenden Besitzwillen voraussetzt. Für ein solches Erfordernis sprechen zum einen die Erwägungen hinsichtlich der bis zum Inkrafttreten des BGB gängigen Unterscheidung zwischen Detention und Besitz. Die Differenzierung basierte auf der aus der römischen Kaiserzeit stammenden scharfen Abgrenzung zwischen (civilis) possesio, dem juristischen Besitz, einerseits und in possesione esse, der bloßen detentio, Innehabung oder Gewahrsam andererseits.317 Auf dieser Unterscheidung aufbauend, sieht v. Savigny den Besitz als aus den zwei Elementen corpus und animus bestehend an.318 Unterscheidungskriterium ist damit der Wille des Besitzers, die Sache als eigene zu haben.319 Fehlt der animus domini, so ist lediglich Detention bzw. Gewahrsam gegeben.320 Diese Unterscheidung findet sich auch im Allgemeinen Preußischen Landrecht, wo nach I 7 § 1 ALR derjenige als „Inhaber“ eine Sache in Gewahrsam hatte, der die 315  Vgl. auch BGHZ 101, 188; Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 II 1 a; Bassenge, in: Palandt, Überbl. vor § 854 BGB Rn. 1; Berger, in: Jauernig, § 854 BGB Rn. 1; Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 3; Prütting, Sachenrecht, Rn. 52; ders., in: PWW, § 854 BGB Rn. 3; Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 8 II Rn. 3 ff. im Ergebnis auch Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 6; Schulte-Nölke, in: NK, Vorbem. zu §§ 854–872 BGB Rn. 1; Wieling, Sachenrecht, § 3 I; a. A. Sosnitza, Besitz, S. 17, 374, der die „Suche nach einem gemeinsamen Oberbegriff (…) [mangels] zusätzlichen Erkenntnisgewinn[s] [für] müßig“ erklärt. Eine eigene Definition bleibt er dabei jedoch schuldig, stattdessen sei das Augenmerk auf die „konstruktiven Unterschiede zwischen den Besitzformen“ zu legen, welche er „im Anschluss an Heck [Heck, Grundriss, § 5 1, § 9 I] als ‚Besitzfarben‘ “ umschreibt. Durch die Einteilung in Farben kommen beide Autoren jedoch zu der zuvor als müßig und daher unnötig bezeichneten Zusammenfassung unter einem Oberbegriff. 316  Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 6. 317  Vgl. Micelli, Begriff, S. 1. 318  Siehe v. Savigny, Besitz, S. 109. 319  Vgl. v. Savigny, Besitz, S. 109 f. 320  Vgl. Joost, in: MüKo, Vor § 854 BGB Rn. 1.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

tatsächliche Gewalt ausübte, Besitz nach I 7 § 3 ALR aber nur der, der die Absicht besaß, über die Sache für sich selbst zu verfügen. Ausschlaggebend war das subjektive Element des Besitzwillens. Während der Entwurf der Ersten Kommission zum Bürgerlichen Gesetzbuch diese Unterscheidung noch aufrecht erhalten wollte, wurde sie von der Zweiten Kommission verworfen und durch einen einheitlichen Besitzbegriff ersetzt.321 Dieser war rein objektiv zu verstehen, so dass der animus domini, der Besitzwille, seinen Niederschlag in § 872 BGB, dem Eigenbesitz, gefunden hat. Von dem Standpunkt ausgehend, Herrschaft in jeglicher Erscheinung, also auch Sachherrschaft im Falle aller Besitzarten, sei ohne Herrschaftswillen prinzipiell nicht möglich322 bzw. ein Besitz ohne Besitzwillen juristisch bedeutungslos,323 setzte sich in der folgenden Zeit die Anerkennung eines zumindest generellen Besitzwillens durch. Damit wird auch heute nach überwiegender Ansicht324 zumindest für die Besitzbegründung ein Besitzwille vorausgesetzt. Ausreichend ist wegen des primär tatsächlichen Charakters des Besitzes dabei jedoch ein natürlicher325 und genereller326 Beherrschungswille, um auch nicht unbeschränkt geschäftsfähigen Personen die Begründung und Aufrechterhaltung von Besitz bei entsprechender Einsichtsfähigkeit zu ermöglichen327 und um Probleme, wie den Besitz am Briefkasteninhalt, zu lösen.328 Das Element des Besitzwillens ist dabei konstitutiver Bestandteil des Besitzes als solcher und nicht etwa Bestandteil eines eigenen subjektiven Elements ähnlich dem strafrechtlichen Vorsatz. Besitz im zivilrechtlichen Sinne ist damit die Herrschaft einer Person über eine Sache, zu dessen Begründung ein Willenselement hinzutreten muss.329 321  Vgl. Joost, in: MüKo, Vor § 854 BGB Rn. 1; siehe zu den Erwägungen und der Entwicklung die Darstellung bei W. Ernst, Eigenbesitz, S. 3 ff. (insb. S. 22) m. w. N. 322  Wolff / Raiser, Sachenrecht, § 10 II. 323  Windscheid, Pandektenrecht, S. 438. 324  So z. B. BGHZ 101, 186 (188); Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 15; Fritsche, in: Bamberger / Roth, § 854 BGB Rn. 24 ff.; Prütting, Sachenrecht, Rn. 54; a. A. Hartung, Besitz, S. 171 ff., der das Erfordernis eines Besitzwillens für unnötig erachtet (S. 184); Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 12 Rn. 3 f. 325  Vgl. nur Bassenge, in: Palandt, § 854 BGB Rn. 4. 326  BGH NJW 1987, 2812; Bassenge, in: Palandt, § 854 BGB Rn. 4; Berger, in: Jauernig, § 854 BGB Rn. 11; Wieling, Sachenrecht, § 4 I 2 a. 327  Berger, in: Jauernig, § 854 BGB Rn. 10. 328  Vgl. Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 25. 329  Vgl. nur BGHSt 27, 380 (381); BGH 30, 277 (279); Bassenge, in: Palandt, Überbl. vor § 854 BGB Rn. 1; Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 1; Prütting, Sachenrecht, Rn. 54; Wolf / Wellenhofer, § 4 Rn. 9; a. A. Hartung, Besitz, S. 31.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung67

b) Übertragbarkeit auf das Strafrecht aa) Spiegelbildliche Übertragbarkeit Von diesem Besitzbegriff ausgehend, stellt sich nun die Frage, ob die zugrunde liegende Definition ohne weiteres auf das Strafrecht übertragbar ist. Besitz im strafrechtlichen Sinne wäre dann ebenfalls als tatsächliche Herrschaft über eine Sache zu definieren. Einer rein spiegelbildlichen Übertragung wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass das Strafrecht weder die verschiedenen Unterscheidungsformen, in denen im Zivilrecht Besitz auftreten kann, noch die bürgerlich-rechtlichen Fiktionen,330 wie beispielsweise beim Erbenbesitzer gemäß § 857 BGB, kennt. Ausschlaggebend ist im Strafrecht im Zusammenhang mit Besitz und Gewahrsam nur die tatsächliche Sachbeziehung.331 Infolgedessen geht die überwiegende Ansicht332 davon aus, dass die Begriffe trotz wörtlicher Übereinstimmung inhaltlich nicht kongruent sind. Entscheidender Kritikpunkt gegen eine Übertragbarkeit stellen die zivilrechtlichen Regelungen dar, die Besitz von der Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft lösen. Der Besitzdiener i. S. d. § 855 BGB hat zwar die tatsächliche Herrschaft über die Sache, ist jedoch nicht Besitzer, während im Falle des Erbenbesitzers aus § 857 BGB der Besitz fingiert wird, er somit „Besitzer ohne Sachherrschaft“333 ist. Gegen eine Kongruenz spricht weiterhin, dass der Besitzbegriff auch innerhalb des Strafrechts uneinheitlich verwendet wird. So erfordert § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB wie auch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG Besitz in Form der tatsächlichen, von einem natürlichen Beherrschungswillen getragenen Sachherrschaft,334 während beispielsweise § 252 StGB aufgrund seiner Nähe zum Diebstahl Besitz im Sinne von Gewahrsam erfordert.335 Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 60. nur Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 29; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 13. 332  Im Allgemeinen: Samson, JA 1990, 5 (6); Sosnitza, S. 19; für den Besitz im Falle des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG: Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, § 29 BtMG Rn. 133; für § 184 b Abs. 2 und 4 StGB: Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184 b StGB Rn. 7 und für § 242 StGB: Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 31; Fischer, § 242 StGB Rn. 11. 333  Vgl. nur Joost, in: MüKo, § 857 BGB Rn. 3. 334  Vgl. zu § 184b StGB nur Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 28; vgl. zu § 29 BtMG nur Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 15; Weber, BtMG, § 29 BtMG Rn. 1170. 335  Vgl. Fischer, § 252 StGB Rn. 9; Kindhäuser, BT 2, § 16 Rn. 15; Lackner / Kühl, § 252 StGB Rn. 5; Sander, in: MüKo, § 252 StGB Rn. 15; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 371; Wittig, in: Beck’scher OK, § 252 StGB Rn. 11. 330  Siehe 331  Siehe

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Gibt es aber schon keinen einheitlichen strafrechtlichen Besitzbegriff, so kann dieser auch nicht mit dem des Zivilrechts übereinstimmen. Zu dem gleichen Ergebnis würde man gelangen, wenn man von einem uneinheitlichen zivilrechtlichen Besitzbegriff ausginge.336 In diesem Fall bliebe – wenn überhaupt – nur ein Vergleich mit dem unmittelbaren Besitz i. S. d. §  854 Abs. 1 BGB. Auch hier würde jedoch der uneinheitliche strafrechtliche Besitz gegen eine pauschale Gleichsetzung sprechen. bb) Entsprechung von zivilrechtlichem Besitz und Gewahrsam Von dem Merkmal der tatsächlichen Sachherrschaft ausgehend, stellt sich im Anschluss die Frage, ob zivilrechtlicher Besitz nicht zumindest mit dem strafrechtlichen Gewahrsam gleichzusetzen ist. Nach gängiger Definition ist zumindest strafrechtlicher Gewahrsam – wie auch der zivilrechtliche Besitz – ein tatsächliches, von einem Herrschaftswillen getragenes Herrschaftsverhältnis.337 Ließen sich der zivilrechtliche Besitzbegriff und der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff gleichsetzen, wäre über diesen „Umweg“ ein Gleichsetzen der Besitzbegriffe gegebenenfalls doch möglich. Dies würde jedoch weiterhin voraussetzen, dass auch strafrechtlicher Besitz und Gewahrsam identisch sind. Wie schon im Falle des strafrechtlichen Besitzbegriffs existiert innerhalb des StGB aber auch kein einheitlicher Gewahrsamsbegriff.338 Neben der gängigen Wegnahme-Definition der §§ 242 ff. StGB339 findet sich der Begriff „Gewahrsam“ unter anderem auch in § 168 Abs. 1 StGB, welcher die Wegnahme einer Leiche oder anderer benannter Schutzgegenstände aus dem Gewahrsam des Berechtigten unter Strafe stellt. Gewahrsam ist in diesem Fall jedoch nicht wie die Sachherrschaft im Sinne des § 242 StGB zu verstehen, sondern als tatsächliches Obhutsverhältnis,340 welches als faktische Komponente lediglich ein Aufsichts- oder Bewachungsverhältnis erfordert.341 Ob nur Hartung, Besitz, S. 23 ff.; Wieling, Sachenrecht, § 3 I. Lackner / Kühl, § 242 StGB Rn. 8a; ausführlich zum Meinungsstand siehe Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 42 ff. 338  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 168 StGB Rn. 13; Lenckner / Bosch, in: Sch / Sch, § 168 StGB Rn. 6; Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 53. 339  Eine Wegnahme i. S. d. § 242 Abs. 1 StGB setzt den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsams voraus (vgl. z. B. RGSt 48, 58 [59]; Fischer, § 242 StGB Rn. 10; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82). 340  Vgl. OLG München, NJW 1976, 1805 (1806); OLG Bamberg, NJW 2008, 1543 (1545); Fischer, § 168 StGB Rn. 8; Heuchemer, in: Beck’scher OK, § 168 StGB Rn. 3; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 84; a. A. Bock, ZStW 121 (2009), 548 (553 ff., 555). 341  Vgl. nur OLG Bamberg, NJW 2008, 1543 (1545); Fischer, § 168 StGB Rn. 8. 336  Vgl. 337  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung69

sich dieses von der Sachherrschaft abweichende Erfordernis aus der feh­ lenden Sacheigenschaft des menschlichen Leichnams342 als „Rückstand des Persönlichkeitsrechts“343, der bloß „unangemessenen Bezeichnung [als Sache]“344 oder einer besonderen Betrachtung bei gleichzeitiger Anerkennung der Sacheigenschaft345 ergibt, kann an dieser Stelle dahinstehen. Folge aller Ansichten ist ein von §§ 242 ff. StGB abweichendes Gewahrsamsverständnis. Darüber hinaus taucht der Gewahrsamsbegriff in der Diskussion um die Voraussetzungen der Wegnahme in § 289 Abs. 1 StGB auf. Auch hier wird die Wegnahme nach überzeugender Ansicht nicht i.  S.  d. § 242 StGB verstanden,346 so dass kein Gewahrsamsbruch wie beim Diebstahl von Nöten ist.347 Ausreichend ist bereits die bloße, das Recht des Geschützten faktisch vereitelnde oder erheblich erschwerende348 räumliche Entfernung der Sache aus dem tatsächlichen Macht- und Zugriffsbereich des Rechtsinhabers.349 Nur so werden auch besitzlose Pfandrechte erfasst, ohne dass bereits die Zwangsvollstreckung „drohen“ muss.350 Existiert, wie schon im Fall des strafrechtlichen Besitzes, indes kein einheitlicher Gewahrsamsbegriff, müsste sich aus denselben Gründen auch an dieser Stelle ein Vergleich mit „dem“ Gewahrsamsbegriff verbieten. Andererseits entspricht es gerade der gängigen Vergleichspraxis, §§ 168, 289 StGB aus dem Gewahrsamsbegriff – bewusst oder unbewusst – auszuklammern351 und unter dem strafrechtlichen Gewahrsam allein oder stellvertre342  So jedenfalls OLG Münster, NJW 1976, 1805 (1806); Heuchemer, in: Beck’scher OK, § 168 StGB Rn. 3. 343  Kipp / Coing, Erbrecht, § 91 IV 15; Leipold, in: MüKo, § 1922 BGB Rn. 111; Weber, Sachenrecht, § 2 Rn. 6. 344  Lenckner / Bosch, in: Sch / Sch, § 168 StGB Rn. 6. 345  Palandt, Vor § 90 BGB Rn. 11; Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 25 m. w. N. 346  Vgl. z. B. RGSt 38, 174; BayObLG, NJW 1981, 1745 (1746); Fischer, § 289 StGB Rn.  3 f.; Geppert, Jura 1987, 427 (433); Heinrich, in: A / W / H / H, § 16 Rn. 29; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 37 Rn. 16; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 471. 347  Ein solcher wird jedoch von einigen Autoren mit dem Hinweis auf den gleichen Wortlaut und dem gegenüber den §§ 288, 136 StGB erhöhten Strafrahmen gefordert. So z. B. Bohnert, JuS 1982, 256 ff.; Heine, in: Sch / Sch, § 289 StGB Rn. 8; Otto, JR 1982, 32; a. A. Soltmann, Gewahrsamsbegriff, S. 7. 348  Schünemann, in: LK, 12. Aufl., § 289 StGB Rn. 14. 349  Vgl. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 471. 350  Vgl. Beckemper, in: Beck’scher OK, § 289 StGB Rn. 9; Heinrich, in: A / W / H / H, § 16 Rn. 29. 351  So findet sich z. B. bei Gutzeit, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 854 ff. BGB Rn. 52 ff. eine umfassende Abgrenzung des zivilrechtlichen Besitzbegriffs mit diver-

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

tend den Gewahrsam i. S. d. §§ 242 ff. StGB zu verstehen. Der hier angestrebte Vergleich wird ebenfalls nur anhand des Gewahrsams i. S. d. §§ 242 ff. StGB vorgenommen, da die Abweichungen in den §§ 168, 289 StGB außerhalb der tatsächlichen Personen-Sach-Beziehung liegen und sich hinsichtlich der Frage nach deren Vergleichbarkeit keine Unterschiede ergeben. (1) Der Gewahrsamsbegriff Nachdem in der vorangegangenen Diskussion bis zu dieser Stelle der Begriff „Gewahrsam“ ohne weitere Ausführungen lediglich als tatsächliche Sachherrschaft definiert wurde, erfordert der nun angestrebte Vergleich eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Begriff, da die angestrebte Gleichsetzung des Besitzes mit dem Gewahrsam in erster Linie von dem zu Grunde gelegten Gewahrsamsbegriff abhängt. In Literatur und Rechtsprechung wird vornehmlich zwischen einem „faktischen“, einem „faktisch-sozialen“ und einem „normativ-sozialen“ Gewahrsamsbegriff unterschieden.352 Nach dem faktischen Gewahrsamsbegriff ist Gewahrsam allein das tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache, welches von einem Herrschaftswillen getragen ist.353 Dieses ist dann gegeben, wenn eine „räumlich-reale Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache“ besteht,354 der Berechtigte also unter normalen Umständen unmittelbar auf die Sache zugreifen kann.355 Ausreichend soll dabei schon das Bestehen der bloßen Möglichkeit sein,356 so dass Gewahrsam auch dann besteht, wenn aktuell kein direkter Zugriff gegeben ist.357 Ob diese sen Personen-Sach-Beziehungen. Beim „strafrechtliche[n] Begriff des Gewahrsams“ wird jedoch nur auf § 242 StGB Bezug genommen. Auch Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 10 und Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 58 vergleichen nur mit einem Gewahrsamsbegriff. Eine ähnlich einseitige Darstellung findet sich auch in den gängigen Rechtswörterbüchern, welche unter dem Schlagwort „Gewahrsam“ lediglich auf § 242 StGB eingehen (vgl. z. B. Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 184). Andere Autoren bieten unter dem Schlagwort „Gewahrsam“ gar keine Definition oder Ausführungen und verweisen allein auf den Gewahrsamsbruch im Rahmen des Diebstahls (Alpmann, Studienlexikon, S. 538; Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 576). 352  Vgl. Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 54; vgl. ausführlich Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 43 ff. 353  Siehe z. B. RGSt 50, 183 f.; RGSt 60, 272; BGHSt 20, 194 (195 f.); BGHSt 22, 180 (182); BGH GA 1969, 25; BGH GA 1979, 390 (391); BGH NJW 1981, 997; OLG Hamburg, MDR 1947, 35; Eser, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 23; Fischer, § 242 StGB Rn. 11 m.  w.  N.; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 33 Rn.  12 ff.; Vogel, in: LK, 12. Aufl., Rn. 54. 354  Vgl. BGH GA 1979, 390 (391); Eser, in: Sch / Sch,§ 242 StGB Rn. 25; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 33 Rn. 14. 355  Vgl. Heinrich, in: A / W / H / H, § 13 Rn. 39. 356  Vgl. Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (618). 357  RGSt 50, 183 (185).



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung71

Elemente vorliegen, sei nach der natürlichen Anschauung des täglichen Lebens zu beurteilen. Diese soll jedoch lediglich die Beurteilung ermöglichen, ohne dass dem Merkmal eine eigene Bedeutung zukomme.358 Demgegenüber wird vor allem in der Literatur ein normativ-sozialer Gewahrsamsbegriff vertreten. Ausschlaggebend sei nicht die „zufällige Komponente faktischer Macht“,359 sondern eine normativ-soziale Wertung.360 Es ist schließlich die Verkehrsanschauung – und damit ein sozialer Aspekt –, welcher den allseits zitierten Pflug auf dem entlegenen Feld dem Bauern zuordnet;361 faktisch hält der Bauer den Pflug nicht in den Händen und dürfte daher keinen Gewahrsam an diesem innehaben, insbesondere dann nicht, wenn „der Pflug dem Zugriff eines körperlich kräftigeren und näher wohnenden Nachbarn unmittelbar (…) [offensteht]“362. Das faktische Gewahrsamsverständnis müsse sich für das gleiche Ergebnis einer Fiktion bedienen.363 Ähnlich sieht es auch Kindhäuser364, der daher auf die soziale Unauffälligkeit des Zugriffs abstellt, mit der Folge, dass jedenfalls derjenige Gewahrsam hat, dessen Zugriff auf die Sache gewissermaßen als selbstverständlich angesehen wird und keiner Rechtfertigung bedarf.365 Auch in diesem Fall muss eine tatsächliche bzw. faktische Sachbeziehung nicht zwingend gegeben sein. Trotz des zumindest begrifflichen Festhaltens an dem Element des Faktischen366 hat sich die Rechtsprechung mittlerweile367 dieser normativ-so358  Vgl. Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 23; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82; kritisch zur Beurteilung über die „Anschauung des täglichen Lebens“ als eine vermeintliche „Laienauffassung“ Schmidhäuser, in: Henkel-FS 1974, S. 229 (234). 359  Vgl. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82. 360  Bittner, Gewahrsamsbegriff, S. 95  ff.; Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (621); Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 28; Mitsch, BT II / 1, § 1 Rn. 47; Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 55; Welzel, GA 1960, 257 (264); Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82; ähnlich auch Eisele, BT II, Rn. 27, der jedoch den Schwerpunkt in der normativen Betrachtung sieht. 361  Vgl. hinsichtlich des Pfluges nur BGHSt 16, 271 (273); Rönnau, JuS 2009, 1088 (1089); Welzel, GA 1960, 257 (265). 362  BGHSt 16, 271 (273). Ebenfalls das Kraftelement ablehnend Rosenfeld, ZStW 37 (1916), 159 (165), der darauf hinweist, dass ein Erwachsener nicht schon aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit Gewahrsam an den Sachen eines Kindes erlangt, wenn dieses den Raum betritt. 363  Vgl. Hoyer, in: SK-StGB, § 242 StGB Rn. 26; Kargl, JuS 1996, 971 (972). 364  Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 28. 365  Vgl. RGSt 60, 271 (272); BGHSt 16, 271 (273). 366  So z. B. BGHSt 26, 24 (26); BGH NJW 1975, 1176 (1177); BGH NStZ 2008, 624 (625) BGH NStZ 2011, 36 (37). 367  Reichsgericht und BGH legten ursprünglich den Schwerpunkt auf ein hauptsächlich faktisches Näheverhältnis (RGSt 58, 49; RGSt 60, 271; BGHSt 8, 273 [274]).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

zialen Ansicht angenähert und vertritt nun einen faktisch-sozialen Gewahrsamsbegriff.368 Es komme „nicht [mehr] allein (…) [auf die] körperliche (…) Nähe zur Sache und (…) [auf die] physische (…) Kraft (…) [an], mit der die Beziehung zur Sache aufrechterhalten wird oder aufrechter­ halten werden kann“369. „Entscheidend“370 für die Frage der Sachherrschaft seien daneben die „Anschauungen des täglichen Lebens“371, da der Gewahrsamsbegriff „wesentlich durch die Verkehrsauffassung bestimmt [sei]“372. Verkehrsauffassung und Anschauung des täglichen Lebens sind dabei, wie schon bei normativ-sozialer Wertung, Ausdruck einer natür­ lichen Betrachtungsweise,373 die auf die soziale Zuordnung der Sache zu einer Person abstellt.374 Mit dem – zumindest zusätzlichen – Abstellen auf eine soziale Komponente durch den BGH verschwimmen jedoch die Grenzen zwischen den einzelnen Ansichten, weswegen der Diskussion um die Frage nach dem „ ‚richtigen‛ Gewahrsamsbegriff“375 nicht selten der juristische Mehrwert abgesprochen wird. Es sei ein rein terminologischer Streit, der keine „wesentlich unterschiedlichen Ergebnisse benennen (…) [könnte]“376.377 Aus dieser Erkenntnis folgt auch das Postulat einiger Autoren, nicht allein auf die Anwendung starrer Formeln abzustellen und den „Krieg der lateinischen Vokabeln“378 zu vermeiden und stattdessen ein einzelfallbezogenes Rechtsbewusstsein zu entwickeln.379 368  Vgl. Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 52; Schüerhoff, Gewahrsamsbegriff, S.  75 f. 369  BGHSt 16, 271 (273). 370  BGHSt 16, 271 (273). 371  BGHSt 16, 271 (273). 372  BGHSt 16, 271 (273); so auch BGHSt 22, 180 (182); BGHSt 23, 254 (255). 373  Vgl. Heinrich, in: A / W / H / H, § 13 Rn. 38. 374  Vgl. hierzu: PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448 (449); Bittner, Gewahrsamsbegriff, S.  153 ff.; Brocker, JuS 1994, 919 (923); Hoyer, in: SK-StGB, § 242 StGB Rn. 27; Scheffler, JR 1996, 342 (342 f.); Welzel, GA 1960, 257 ff.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82. 375  Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 55. 376  Eser, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 24. 377  Vgl. Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 11.1. 378  Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (604), der sich auf die im Rahmen des Diebstahls in Selbstbedienungsläden entwickelten Theorien bezieht: Kontrektations-, Illations-, Apprehensions- und Ablationstheorie. 379  Vgl. unter anderem Heinrich, in: A / W / H / H, § 13 Rn. 40; Lackner / Kühl, § 242 StGB Rn. 9; Samson, JA 1980, 285 (286), nach dem eine Einführung in den Gewahrsamsbegriff „nur die theoretischen Ansätze darstellen [könne], der praktische Umgang darüber hinaus (…) „die Kenntnis zahlreicher Entscheidungen voraus[setze]“. Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 55, der von „Leitlinien“ spricht.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung73

Vor dem Hintergrund, dass eine Einzelfallkasuistik jedoch nur „schwer kalkulierbar“380 und „zudem die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen offenkundig“381 ist, vermag die Abkehr von eindeutigen Definitionen insbesondere vor dem Erfordernis der Bestimmtheit des Gesetzes aus Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu überzeugen. Stattdessen muss sich auch der Begriff des Gewahrsams mit einer überzeugenden Definition erfassen lassen. Führen die bis hierhin ins Feld geführten Auslegungsansätze zu keinem eindeutigen Ergebnis, müssen andere Anknüpfungspunkte für die Auslegung gefunden werden. Für die Auslegung ließe sich unter anderem das Rechtsgut der §§ 242 ff. StGB heranziehen. Die §§ 242 ff. StGB schützen dabei nach vorzugswürdiger Ansicht allein das Eigentum.382 Ein Einbeziehen des Gewahrsams in den Schutzrahmen würde zum einen ein Auseinanderfallen der Rechtsgüter von § 242 StGB und § 246 StGB zur Folge haben,383 gravierender zum anderen jedoch, Unklarheiten im Hinblick auf das Antragsrecht nach § 77 StGB bei §§ 247, 248a StGB nach sich ziehen.384 Der Bruch des fremden Gewahrsams in § 242 StGB begründet als Begehungsmodalität daher lediglich den gegenüber § 246 StGB höheren Strafrahmen als Ausdruck der besonderen Intensität der Eigentumsverletzung385 und damit gerade kein weiteres Rechtsgut.386 Rechtsgut kann aufgrund des § 935 BGB jedoch nicht das dingliche Eigentumsrecht als solches sein, sondern nur „das durch § 903 BGB geschützte Recht, faktisch mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen“.387 Damit schützt das Eigentum das faktische Umgangsrecht mit einer Sache. Wird dieses Recht nun durch Wegnahme, also Bruch fremden Gewahrsams, tangiert, so muss eben dieses faktische Element auch entscheidender Bestandteil des Gewahrsams sein. 380  BGHSt

52, 257 (269) zu § 244 StGB. 52, 257 (269) zu § 244 StGB. 382  Vgl. Eisele, BT II, Rn. 8; Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 1 f.; Fischer, § 242 StGB Rn. 2; Kindhäuser, BT 2, § 2 Rn. 4; Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 8; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 70; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 2; a. A. BGHSt 10, 400 (401), Lackner / Kühl, § 242 StGB Rn. 1; Rengier, BT 1, § 2 Rn. 1, die neben dem Eigentum auch den Gewahrsam in den Schutzbereich aufnehmen. 383  Vgl. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 70. 384  Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 1 f.; Heinrich, in: A / W / H / H, § 13 Rn. 31. 385  Vgl. nur Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 1 f. 386  So im Ergebnis auch Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 2. 387  Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 1 f.; Heubel, JuS 1984, 445; Hoyer, in: SK-StGB, § 242 StGB Rn. 1; Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 5; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 2. 381  BGHSt

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Das Rechtsgut der §§ 242 ff. StGB spricht daher ebenfalls für eine vornehmlich faktische Betrachtung. Ebenso muss der Kritik, eine rein faktische Betrachtung müsse sich hinsichtlich des Gewahrsams des zurückgelassenen Pfluges einer Fiktion bedienen, wie auch dem Vorwurf, Gewahrsam sei mehr als allein die Möglichkeit des Zugriffs, widersprochen werden. Weiterhin ist der Begriff „Herrschaft“ in seiner historischen, soziologischen und juristischen Verwendung durchgehend mit oder in Anlehnung an die Definition Max Webers zu verstehen.388 Danach ist „Macht“ die Möglichkeit, seinen Willen durchzusetzen und „Herrschaft“ die „Chance, für einen Befehl (…) Gehorsam zu finden“.389 Entscheidendes Kriterium beider Beherrschungsformen ist dabei allein die Möglichkeit bzw. Chance, das Herrschaftsverhältnis auszuüben,390 ohne dass es auf eine andauernde Ausübung ankäme. Wenn Herrschaft aber nur eine Möglichkeit voraussetzt, dann ist auch bei faktischem Gewahrsamsverständnis Gewahrsam an dem viel zitierten Pflug gegeben; denn der Bauer hat jederzeit die Möglichkeit, auf den Pflug auf seinem Feld zuzugreifen. Nimmt ihm nun der körperlich überlegene und näher an dem Feld wohnende Nachbar diese Möglichkeit, so stellt dies schlicht einen Bruch fremden Gewahrsams und somit in letzter Konsequenz einen Diebstahl dar, da er das bestehende Herrschaftsverhältnis aufhebt. Die vorgeworfene Fiktion ist daher ebenso nicht erforderlich, wie auch die Ansicht von Schmitz nicht zu überzeugen vermag, wonach der Bauer durchgehend an den Pflug denken müsste.391 Auch ohne ein Einbeziehen der Verkehrsanschauung lässt sich der am Pflug bestehende Gewahrsam begründen. Darüber hinaus kann die Verkehrsauffassung als sozial-normativer Maßstab den Gewahrsam zwar begrenzen, ihn jedoch nicht konstituieren, da ein bloßes Abstellen auf die Verkehrsauffassung den „primär faktischen Charakter“392 des Gewahrsams verkennen würde. Damit kann die Verkehrsauffassung jedoch allein ein Korrektiv für den vermeintlich dogmatisch nicht überzeugenden393 faktischen Gewahrsamsbegriff darstellen, um insbesondere Fälle großer räumlicher Distanz zwischen Sache und Gewahrsamsinhaber zu lösen.394 Da dafür jedoch keine Notwendigkeit besteht und der faktische Gewahrsamsbegriff auch ohne die vorgeworfene Fiktion zu überDahlheim, Herrschaft, S. 4. Soziologie, S. 38. 390  Vgl. auch Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (618). 391  Vgl. Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 59. 392  Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82. 393  Hoyer, in: SK-StGB, § 2424 StGB Rn. 26 kritisiert allein die dogmatische Herleitung, nicht aber die jeweiligen Ergebnisse. 394  Vgl. hierzu den generellen Gewahrsam des Kinobesitzers am gefunden Ring (BGHZ 8, 130), des Bauern am entfernten Pflug (BGHSt 16, 271), des verreisten Wohnungsinhabers am Wohnungsinventar (Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82). 388  Vgl.

389  Weber / Winckelmann,



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung75

zeugenden Ergebnissen gelangt, bedarf es mithin keiner „Aufwertung“ der Verkehrsauffassung. Die Verkehrsauffassung kann daher weder ein selbstständiges Gewahrsamselement darstellen,395 noch das tatsächlich bestehende faktische Verhältnis aufheben.396 Entscheidend gegen eine reine normativ-soziale Wertung ohne Berücksichtigung des faktischen Moments lässt sich mit Maurach / Schroeder / Maiwald397 ferner zu Recht die Kritik ins Feld führen, dass unter Zugrundelegung dieses Gewahrsamsbegriffs ein Diebstahl schlicht nicht möglich wäre. Die für die Wegnahme erforderliche Neubegründung des „nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams“398 wäre normativ-sozial betrachtet nicht möglich,399 so dass auf Seiten des Diebes wiederum ein faktischer Gewahrsamsbegriff zugrunde gelegt werden müsste. Weiterhin sieht sich das Erfordernis der Verkehrsanschauung dem Vorwurf der Beliebigkeit ausgesetzt; denn wonach die soziale Zuordnung einer Sache bemessen werden kann und soll, ist ebenso zufällig400 wie unstet401. Konstituierendes Element muss daher grundsätzlich ein faktisches sein. Daher ist eine rein normativ-soziale Betrachtung ebenso wie eine Verrechtlichung, wie sie Seelmann402 fordert, abzulehnen. Gewahrsam ist somit die von einem natürlichen Beherrschungswillen getragene tatsächliche Herrschaft über eine Sache.403 Entscheidendes Kriterium ist hierbei das faktische, tatsächliche Element, weswegen Gewahrsam in erster Linie dort vorliegt, wo die physisch-reale Einwirkungsmöglichkeit auch unabhängig von einer Verkehrsanschauung besteht. Eine solche Einwirkungsmöglichkeit ist in den Fällen der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft ebenfalls gegeben.404 Wie auch im Zivilrecht kann diese Sachherrschaft von mehreren Personen ausgeübt werden. Ist die Herrschaftsbeziehung von gleicher Stärke, 395  Vgl. Eser, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 23; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 11.1. 396  Aus diesem Grund ist auch die Figur der Gewahrsamsdienerschaft abzulehnen. Siehe dazu sogleich ausführlich unter A. II. 2. b) dd) (1) (c). 397  Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 33 II Rn. 13. 398  Vgl. RGSt 48, 58 ff. 399  So auch H. Mayer, JZ 1962, 617 (618). 400  Hoyer, in: SK-StGB, § 242 StGB Rn. 30. 401  Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 65. 402  Seelmann, JuS 1985, 199 (202), der einen Vergleich zu Jherings Besitzverständnis zieht. Nach Jhering wird Besitzschutz nicht dort gewährt, wo sprachlich Besitz vorliegt, sondern nur dort, wo dieser rechtlich zu erteilen ist (Jhering, Besitz, S. 184 f.). 403  Vgl. nur Fischer, § 242 StGB Rn. 11. 404  Siehe oben unter B. III. 2. b) dd) (2).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

liegt – vergleichbar mit dem zivilrechtlichen Mitbesitz – Mitgewahrsam vor, anderenfalls liegt mehrstufiger Gewahrsam vor, welcher sich in unter- und übergeordneten Gewahrsam aufteilt.405 Bei einer sozial-normativen Betrachtung wird dem Inhaber des untergeordneten Gewahrsams hingegen selbiger abgesprochen, so dass nur der Inhaber des übergeordneten Gewahrsams Gewahrsam in Form von Alleingewahrsam innehätte.406 Für die Straftatbestände im StGB allein wirken sich die unterschiedlichen Ansichten jedoch nicht aus,407 da in beiden Fällen der Gewahrsam im Rahmen der §§ 242 ff. StGB nur „nach oben“ gebrochen werden kann – entweder aus der Position des untergeordneten Gewahrsams oder eben einer gewahrsamslosen Position heraus. Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dieser Frage kann daher an dieser Stelle noch unterbleiben.408 (2) G  leichsetzung von zivilrechtlichem Besitz und dem strafrechtlichen Gewahrsam Nach mittlerweile überwiegend vertretener Ansicht ist jedoch auch Gewahrsam nicht gleichbedeutend mit Besitz i. S. d. BGB.409 Diese Sichtweise war nicht immer unangefochten, obwohl schon die überwiegende Meinung um 1910 Gewahrsam als tatsächliche Gewalt über eine Sache definierte. „Im Gewahrsam jemandes steht eine Sache, so lange sie ihm weggenommen werden kann. Der Gewahrsam erscheint somit als rein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über eine Sache.“410 Binding411 führte weiter aus, dass das Strafrecht den Besitz nur als reinen Sach- und nicht als Rechtsbesitz kennt. Dennoch ging 1905 neben anderen412 von Liszt in seinem Lehrbuch zum Deutschen Strafrecht413 davon aus, dass sich der Begriff des strafrechtlichen Gewahrsams mit der Begriffsbestimmung des § 854 BGB decke. Diese 405  Vgl. BGHSt 10, 400; BGHSt 18, 221 (222); BHG NStZ 1983, 455; Fischer, § 242 StGB Rn. 14; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 33 II Rn. 32; Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 67; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 20. 406  Vgl. nur Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 96 m. w. N. 407  Vgl. nur Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 20. 408  Siehe ausführlich im Zusammenhang mit der Frage, ob sich die Ausübung der tatsächlichen Gewalt aus dem Waffenrecht und der strafrechtliche Gewahrsam decken, unten bei B. III. 2. b) dd) (1). 409  Siehe z. B. RGSt 30, 88 (89); RGSt 50, 183 (184); RGSt 52, 143 (145); Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 31; Fischer § 242 StGB Rn. 11 m. w. N.; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 13; abweichend Schünemann, GA 1969, 46 (50). 410  Frank, Strafgesetzbuch 1908, S. 382, IV. 411  Binding, Lehrbuch, S. 243. 412  Bruns, Befreiung, S.  202 ff. m. w. N. 413  von Liszt, Lehrbuch, S. 428 in Fn. 5.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung77

Ansicht war zum Teil dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 geschuldet, da sich nun mit Bezug auf das BGB vertreten ließ, dass ein „gesonderter strafrechtlicher Besitzbegriff (…) bei nunmehriger Übereinstimmung des zivilrechtlichen Besitzes“414 nicht mehr haltbar sei. Da beide Begriffe auf die tatsächliche Sachherrschaft abstellen, gäbe es keine Anhaltspunkte mehr für eine Unterscheidung. Demgegenüber sprachen sich zur Mitte des 20. Jahrhunderts andere415 unter der Prämisse, „strafrechtliche, nicht zivilistische Gesichtspunkte“416 seien entscheidend für eine rein tatsächliche und damit gerade nicht rein zivilrechtliche Bedeutung417 aus. Das Strafrecht brauche „alle diese [civilistischen] Finessen“418 nicht und es sei diesem gleichgültig, „ob sich die tatsächliche Sachherrschaft mit dem unmittelbaren Besitz des BGB deckt oder nicht.“419 Darüber hinaus sei das StGB älter als das BGB, weswegen das neuere Begriffsverständnis aus dem Zivilrecht nicht plötzlich auch im Strafrecht Geltung für sich beanspruchen könne.420 Der angedeutete Meinungsstreit ist jedoch kein historischer; vielmehr zieht er sich bis heute durch die jüngere Strafrechtsgeschichte. Anknüpfungspunkt war noch bis 1998 die Formulierung in § 246 StGB a. F.421, in dessen Absatz 1 es hieß: „Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam hat, (…) wird (…) bestraft (…)“. Die Begriffe „Besitz“ und „Gewahrsam“ wurden dabei von herrschender Meinung422 als tautolog423 angesehen und als die tatsächliche Herrschaft über die Sache verstanden, ohne dass es auf zivilrechtlichen Besitz ankäme.424 Mit der Neufassung des § 246 StGB im Jahre 1998 durch das 6. Strafrechtsänderungsgesetz425 wurde die Voraussetzung eines bereits vor Zueignung beste414  Kober, in: Staudinger, Sachenrecht, 2. Aufl., Vorbem. VIII; andere Ansicht ders., in: Staudinger, Sachenrecht, 9. Aufl., Vorbem. VIII. 415  Vgl. die Darstellung bei Micelli, Begriff, S. 28 ff. 416  Merkel, in: v. Holtzendorff, Band  3, S. 617 (638). 417  RGSt 12, 244 (256); 13, 90. 418  Binding, Lehrbuch I, § 63 V e (S. 244), der sich auf mittelbaren Besitz und Erbenbesitz bezieht. 419  Binding, Lehrbuch I, § 63 V e (S. 245). 420  Vgl. Charalambakis, Unterschlagungstatbestand, S. 96; Redslob, ZStW 30 (1910), 205 (212). 421  BGBl. I 1974, S. 1297. 422  Siehe z. B. RGSt 5, 42; RGSt 37, 198 (200); OLG Schleswig, NJW 1979, 882; vgl. Eser, in: Sch / Sch, 19. Aufl., § 246 StGB Rn. 8; Dreher / Tröndle, 38. Aufl., § 246 StGB Rn. 9; Lackner / Kühl, 21. Aufl., StGB, 11. Aufl., § 246 StGB Rn. 3; a. A. z. B. Charalambakis, Unterschlagungstatbestand, S. 95. 423  Rebslob, ZStW 30 (1910), 205 (212, 216). 424  Vgl. Eser, in: Sch / Sch, 19. Aufl., § 246 StGB Rn. 8. 425  BGBl. I 1998, S. 164 ff.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

henden Besitz- oder Gewahrsamsverhältnisses am Tatobjekt gestrichen,426 weswegen in der Literatur im Anschluss an von Liszt erneut die Ansicht aufkam, Gewahrsam und Besitz i. S. d. BGB würden als rein tatsächliches Herrschaftsverhältnis inhaltlich übereinstimmen.427 Da das Strafrecht den Schutz des Besitzers lediglich verkleinert und nie erweitert, sei es problemlos möglich, auf den zivilrechtlichen Besitzbegriff im Rahmen des Gewahrsams zurückzugreifen.428 Dem lässt sich zum einen entgegenhalten, dass der Gewahrsamsinhaber, wie auch der Fall des Besitzdieners nach § 855 BGB zeigt, nicht zwingend Besitzer im zivilrechtlichen Sinne sein muss,429 während der mittelbare Besitzer nach überzeugender Ansicht430 nicht zwingend Gewahrsamsinhaber sein muss.431 Zum anderen besteht für eine Aufspaltung in unmittelbaren Besitz gemäß § 854 BGB und den übrigen Besitzformen, wie es von einigen Autoren432 vorgeschlagen wird, weder eine Notwendigkeit noch vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung eine entsprechende Legitimation. Vor dem Hintergrund des uneinheitlichen Gewahrsamsbegriffs innerhalb des StGB433 verbietet sich ein Gleichsetzen des Gewahrsams mit dem zivilrechtlichen Besitzbegriff. Auch Formulierungen in Normen, wie im Falle des neu eingeführten § 71a BNatSchG434 oder des schon länger bestehenden § 739 Abs. 1 ZPO, die dem Wortlaut nach „Besitz und / oder Gewahrsam“ trennen, sprechen die besseren Gründe für eine Inkongruenz.

Kindhäuser, in: NK, § 246 StGB Rn. 1. Kargl, JuS 1996, 971 (974); Kindhäuser, BT 2, § 2 Rn. 30; Schünemann, GA 1969, 46 (50). 428  Vgl. Schünemann, GA 1969, 46 (51). 429  Vgl. nur Fischer, § 242 StGB Rn. 11; Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn.  60 m. w. N. 430  Siehe zu den sog. Speditionsfällen sogleich unter B. III. 2. b) dd) (1) (c). 431  So z. B. RGSt 37, 198 (199); RGSt 53, 336 (340); RGSt 56, 114 (116); BGH GA 1962, 78; so hat der Spediteur in den Fällen Alleingewahrsam am Transportgut, in welchen die Transportfirma keinerlei besondere Vorkehrungen getroffen hat, während des Transports die tatsächliche Sachherrschaft auszuüben (BGHSt 2, 317 [318]; BGH StV 2001, 13). Zivilrechtlich wird das Speditionsunternehmen mittelbaren Besitz i. S. d. § 868 BGB bzw. für den Fall, dass der Transporteur lediglich Besitzdiener i. S. d. § 855 BGB ist, sogar unmittelbaren Besitz an dem Transportgut haben (vgl. Fritsche, in: Beck’scher OK, § 868 BGB Rn. 19). 432  Siehe z. B. Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 5 m. w. N. 433  Siehe oben B. III. 2. b) bb) (1); Herzog, in: NK, § 168 StGB Rn. 11; Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 53; a. A. Bock, ZStW 121 (2009), 548 (553). 434  BGBl. I 2011, S. 2557, in Kraft seit 13.06.2012. 426  Vgl. 427  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung79

cc) Zwischenergebnis Besitz im Sinne des BGB lässt sich damit zwar als tatsächliches Herrschaftsverhältnis über eine Sache definieren, die unterschiedlichen Erscheinungsformen, wie die Besitzdienerschaft und der Erbenbesitz, stehen einer Gleichsetzung mit dem strafrechtlichen Gewahrsam entgegen. Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass auch strafrechtlicher Gewahrsam nicht gleichbedeutend mit Besitz im Sinne des bürgerlichen Rechts ist435 und nur strafrechtliche Begriffsbestimmungen, nicht die Vorschriften des bürgerlichen Rechts für die Frage nach der Begriffsbedeutung des Besitzbegriffs entscheidend sind.436 Ähnlich wie im Zivilrecht beschreiben aber auch strafrechtlicher Gewahrsam und strafrechtlicher Besitz die tatsächliche Beziehung zwischen einer Person und einer Sache.437 Auf die rechtlichen Beziehungen kommt es dabei ebenfalls nicht an, so dass auch unter dem strafrechtlichen Besitz die Herrschaft über eine Sache zu verstehen ist, welche von einem natürlichen Beherrschungswillen getragen wird.438 Dennoch müsse nach Micelli der Begriff „völlig losgelöst vom zivilistischen Besitz mit seinen Rechtsfolgen und Fiktionen gesehen werden, da an ihm jede Einwirkung unseres neuen bürgerlichen Rechts glatt abgleite(…).“439 dd) Strafrechtlicher Gewahrsam und Sonderfall des Ausübens der tatsächlichen Gewalt Bevor jedoch eine möglicherweise andere Besitzdefinition im Zusammenhang mit unkörperlichen Daten erarbeitet werden kann, gilt es zunächst, die weiteren im Strafrecht auftretenden Personen-Sach-Beziehungen darzustellen. Möglicherweise können diese Sachherrschaftsformen Aufschluss über die Voraussetzungen geben, welche für ein Herrschaftsverhältnis und damit wiederum für den strafrechtlichen Besitz konstitutiv sind. An dieser Stelle soll zunächst die Ausübung der tatsächlichen Gewalt als Form des „waffenrechtlichen Besitzes“ dargestellt werden. 435  Eser, in: Sch / Sch, 19. Aufl., § 242 Rn. 23; Duttge, in: Dölling / Duttge / Rössner, § 242 StGB Rn. 19; Fischer, § 242 StGB Rn. 11; Gutzeit, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 854 ff. BGB Rn. 58; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 33 Rn. 12; Prütting, Sachenrecht, Rn. 77; Rengier, BT 1, § 2 Rn. 12, Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 60; Welzel, GA 1960, 257 (264); Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 81. 436  So auch schon RG GA 47, 441. 437  Bassenge, in: Palandt, Überbl v § 854 BGB Rn. 1; Lencker / Eisele, in: Sch / Sch, Vorbem. §§ 13 ff. StGB Rn. 42. 438  BGHSt 27, 380 (381); BGHSt 30, 277 (279). 439  Micelli, Begriff, S. 39.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Im Rahmen des historischen Überblicks über die Entwicklung der Besitzdelikte sind die Besitzverbote im Waffenrecht schon vereinzelt angeschnitten worden. Auch in den §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. b, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a und b, Nr. 10, 53 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2440 WaffG verwendet der Gesetzgeber als Tatmodalität das Wort „besitzen“, definiert jedoch anders als in den anderen aufgezeigten Fällen in der Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 2 zum WaffG, was unter Besitz zu verstehen ist. Hiernach besitzt einen in dem entsprechenden Paragrafen näher bestimmten Gegenstand (Waffe oder Munition), wer die tatsächliche Gewalt über diesen ausübt. Auch die anderen in der Anlage definierten Umgangsformen441 stellen auf die Übertragung, Ausübung oder Überlassung der tatsächlichen Gewalt ab. (1) A  bgrenzung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt zum strafrechtlichen Besitz- und Gewahrsamsbegriff Schlüsselbegriff ist damit die tatsächliche Gewalt.442 Auch wenn diese in Anl. 1 A 2 als Definiens sowohl für den Besitz als auch für den Erwerb, das Überlassen und das Führen angeführt wird, so wird doch an keiner Stelle im WaffG definiert, welche Voraussetzungen an die Innehabung der tatsächlichen Gewalt zu stellen sind. Eine Definition findet sich zwar in den Gesetzesmaterialien zum WaffG443, wo die tatsächliche Gewalt als tatsächliche Möglichkeit, über einen Gegenstand nach eigenem Willen zu verfügen, definiert wird; welche Anforderungen an diese Verfügungsmöglichkeit zu stellen sind, ist aber auch in diesem Fall auslegungsbedürftig. Da nach Nr. 2 der Anl. 1 A 2 zum WaffG die Ausübung der tatsächlichen Gewalt dem „Besitz“ i. S. d. WaffG entspricht, liegt auch hier zunächst ein Vergleich mit dem zivilrechtlichen Besitzbegriff nahe. Daneben ist die tatsächliche Sachherrschaft auch Element des Gewahrsams, so dass an dieser Stelle eine inhaltliche Abgrenzung der Begriffe „Ausüben der tatsächlichen Gewalt“, „Besitz“ und „Gewahrsam“ vorzunehmen ist.

440  Wobei es sich bei den Regelungen in § 53 WaffG nur um Bußgeldvorschriften handelt. 441  Das WaffG verwendet in § 1 Abs. 3 WaffG als Obergriff für die unter Strafe gestellten Begehungsformen das Wort „Umgang“. Die anderen Tatmodalitäten, in welchen auf die tatsächliche Gewalt abgestellt wird, sind: Nr. 1: Erwerben; Nr. 3: Führen und Nr. 4: Überlassen. 442  So auch Heller / Soschinka, Waffenrecht, Rn. 421; Pauckstadt-Maihold, in: Erbs / Kohlhaas, § 1 WaffG Rn. 22. 443  BT-Drucks. 6 / 2678, S. 26.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung81

(a) Abgrenzung zum strafrechtlichen Gewahrsamsbegriff Davon ausgehend, dass schon kein einheitlicher strafrechtlicher Gewahrsamsbegriff existiert,444 ist eine Gleichstellung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt mit eben einem strafrechtsweiten Gewahrsamsbegriff trotz der gleichen Voraussetzungen445 – wie auch schon hinsichtlich des zivilrecht­ lichen Besitzes – jedoch nicht möglich. Im Folgenden wird daher wiederum allein eine Angleichung mit oder Abgrenzung von dem Gewahrsamsbegriff der §§ 242 ff. StGB angestrebt, so dass zumindest für diesen Fall von einem einheitlichen Gewahrsamsbegriff ausgegangen werden kann und dieser dem der tatsächlichen Gewalt am ehesten entsprechen könnte. Nach Ansicht des BGH446 ist eine solche Gleichsetzung von Gewahrsam und tatsächlicher Gewalt jedoch schlicht nicht möglich.447 Dabei stützt sich der BGH lediglich auf den Wortlaut, ohne weitere Argumente für eine Divergenz zu liefern, und geht im Anschluss direkt auf die zivilrechtlichen Besitzbegriffe ein. Das Argument, „schon wegen der abweichenden Wort­ wahl“448 würden sich die beiden Begriffe unterscheiden, vermag dabei vor dem Hintergrund der Relativität der Rechtsbegriffe und dem überall vorzufindenden Begriffspluralismus als für sich alleinstehendes Argument nicht zu überzeugen.449 Stattdessen wäre eine über den Wortlaut hinausgehende Abgrenzung wünschenswert gewesen. So spricht sich neben dem BGH und anderen auch Eckstein450 gegen eine Gleichsetzung aus, stützt sich dabei aber auf bekannte Argumente aus der Diskussion um die Besitz- und Gewahrsamsdienerschaft in den Fällen, in welchen der Besitzdiener aufgrund seiner sozial abhängigen Stellung zu seinem Auftrag- oder Arbeitgeber nach der Verkehrsauffassung lediglich als Gewahrsamsdiener oder Gewahrsamshüter anzusehen ist und daher trotz der Nähebeziehung zur Sache keinen Gewahrsam inne hat.451 Vor allem in den Fällen der Besitzdienerschaft sei 444  Siehe

oben unter B. III. 2. b) bb) (1). für den Fall des Gewahrsams nicht auf die tatsächliche Gewalt, sondern die tatsächliche Sachherrschaft abgestellt wird. Qua Definitionsverständnisses stellen jedoch beide Begriffe auf die Möglichkeit „der Verwirklichung des Willens zur physisch-realen Einwirkung auf eine Sache“ ab (für den Gewahrsam: BGHSt 23, 254 [255]; BGH NStZ 208, 624 [625]; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 78; vgl. dementsprechend für die tatsächliche Gewalt BT-Drucks. 6 / 2678, S. 26). 446  BGHSt 26, 12. 447  Dem BGH folgend Hinze, NJW 1975, 1287; ders., NJW 1977, 667 (668). 448  BGHSt 26, 12 (15). 449  Vgl. auch Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 143. 450  Eckstein, Besitz, S.  112 f. 451  Vgl. RGSt 43, 10 (15); 52, 143 (145); RG GA Band  88, 276 (277); BGHSt 16, 271 (273). 445  Wobei

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

daher eine Gleichsetzung nicht möglich, da der Besitzdiener zwar unstreitig die tatsächliche Gewalt ausüben würde, die Gewahrsamsinhaberschaft jedoch von den Umständen des Einzelfalls abhinge und somit eine pauschale Gleichsetzung unmöglich sei.452 Das von Eckstein angeführte Argument vermag jedoch nur dann zu überzeugen, wenn auch dessen Gewahrsamsverständnis zugrunde gelegt wird. Dies setzt zum einen eine Anerkennung der Rechtsfigur der Gewahrsamsdienerschaft voraus, zum anderen müsste im Fall des § 855 BGB strafrechtlich die Gewahrsamsinhaberschaft tatsächlich vom Einzelfall abhängig sein, so dass sich dann eine allgemeingültige Aussage für das Verhältnis von Besitzdiener und Gewahrsamsinhaber auch tatsächlich verbieten würde. Dementsprechend gilt es zunächst die Rechtsfigur der Besitz- und Gewahrsamsdienerschaft darzustellen. Zivilrechtliche Besonderheiten, die über das Auseinanderfallen von Besitz i. S. d. Zivilrechts und dem bloßen In-denHänden-Halten der Sache hinausgehen, können dabei unbeachtet bleiben. Es ist an dieser Stelle allein die Frage zu klären, ob Fälle auftreten können, in welchen eine Person zwar eine Sache in den Händen hält, ohne dabei den Gewahrsam an dieser auszuüben. Da nach § 855 BGB der Besitzdiener die tatsächliche Herrschaft über eine Sache ausübt, ohne dabei selbst Besitzer i. S. d. BGB zu sein,453 und das Ausüben der tatsächlichen Sachherrschaft auch Definiens des Gewahrsams ist, sind auf den ersten Blick für den Fall der Gewahrsamsdienerschaft sprachlich zumindest keinerlei Unterschiede zum Besitzdiener erkennbar.454 Demnach hätte auch derjenige, der weisungsabhängig den Gewahrsam für einen anderen ausübt, als Gewahrsamsdiener keinen Gewahrsam inne. (b) Lösung über die Gewahrsamsdienerschaft Nach Eckstein455 scheitert eine Gleichsetzung von Gewahrsam i. S. d. §§ 242 ff. StGB und dem Ausüben der tatsächlichen Gewalt an der Einzelfallabhängigkeit des Gewahrsams.456 Insbesondere die Rechtsfigur der Gewahrsamsdienerschaft spräche gegen eine solche Gleichsetzung, welche sich auf der Grundlage einer rein bzw. zumindest verstärkt rechtlichen Betrachtung unproblematisch anerkennen ließe. Unter dem Gewahrsamsdiener oder -hüter wird eine Person verstanden, die zwar die stärkste tatsächliche Einjedenfalls Eckstein, Besitz, S. 112; Eser / Bosch, § 242 StGB Rn. 31, 33. Gesetzeswortlaut; Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 61. 454  I. E. so auch Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 64. 455  Eckstein, Besitz, S.  112 f. 456  Siehe oben B. III. 2. b) cc). 452  So

453  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung83

wirkmöglichkeit auf eine Sache hat, der aber unter übergeordneten Gesichtspunkten der Gewahrsam abgesprochen wird.457 Auch wenn der Gewahrsamsdiener die Sache faktisch in den Händen hält, ist der Herrschaftsbereich klar definiert und unstreitig – sozial-normativ – dem Prinzipal zugeordnet. Begründet wird die Annahme der Gewahrsamsdienerschaft in erster Linie damit, dass sich für die Gegenkonstruktion von über- und untergeordnetem Gewahrsam keine argumentative Stütze finden lässt.458 Darüber hinaus sei die – insoweit von der Gegenansicht konstruierte – Annahme von gestuftem Gewahrsam,459 welcher zwar von unten nach oben, nicht aber anders herum gebrochen werden könne, eine ebenso überflüssige wie missverständliche Rechtsfigur, die daher als generell unbrauchbar abgelehnt werden müsse.460 Das gleiche Ergebnis könne auch ohne Umwege dadurch erzielt werden, dass der Untergeordnete von vornherein keinen Gewahrsam innehat.461 Gewahrsam und Sachherrschaft können daher nach dieser Ansicht auseinander fallen. Dem Ladenangestellten in einem Waffengeschäft wäre demnach aufgrund seiner Weisungsabhängigkeit und damit als Gewahrsamsdiener jeglicher Gewahrsam an der über die Theke gehenden Waffe abzusprechen, während er unstreitig die tatsächliche Gewalt an dieser ausübt, da das Waffenrecht eine spiegelbildliche Gewaltdienerschaft nicht kennt. Gewahrsam und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt würden somit auseinanderfallen, so dass sich nach diesem Gewahrsamsverständnis eine Gleichsetzung verböte.

457  RGSt 52, 143 (145); BGHSt 16, 271 (273); Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 70; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 82; insoweit abweichend Kindhäuser, BT 2, § 2 Rn. 56, der dem Gewahrsamsdiener einen untergeordneten Gewahrsam zuspricht und damit die beiden Konstruktionen von Gewahrsamsdienerschaft und gestuftem Gewahrsam vermischt. 458  Laut Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 84 gibt es gestuften Gewahrsam schlicht nicht; im Ergebnis ebenso: Eisele, BT II, Rn. 26a; Lackner / Kühl, § 242 StGB Rn. 13; Samson, JA 1980, 285 (288); Schünemann, GA 1969, 46 (52); Zopf, ZJS 2009, 506 (509). 459  Siehe z. B. BGHSt 10, 400; Bringewat, JuS 1981, 211 (214); Duttge, in: Dölling / Duttge / Rössner, § 242 StGB Rn. 23; Fischer, § 242 StGB Rn. 14a; Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 63; Lackner / Kühl, § 242 StGB Rn. 13; Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 69; zu der Herleitung der Konstruktion siehe sogleich unter B. III. 2. b) bb) (1) (c). 460  So jedenfalls Schünemann, GA 1969, 46 (52); ebenso Sosnitza, Besitz, S. 20, der den untergeordneten Gewahrsam als eine „terminologische Hülse“ bezeichnet, die lediglich zu Missverständnissen verleite. 461  Vgl. Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 69 f; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 84 m. w. N.; a. A. schon Merkel, in: Holtzendorf, Band  3, S. 617 (639).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

(c) Gestufter Gewahrsam Nach Wessels / Hillenkamp gibt es keinen gestuften Gewahrsam.462 Dem muss jedoch widersprochen werden: Die alternative Konstruktion der Gewahrsamsdienerschaft orientiert sich zu nah an der des zivilrechtlichen Besitzdieners,463 ohne dass es strafrechtlich einen Grund gibt, in den entsprechenden Fällen den Gewahrsam des die tatsächliche Sachherrschaft tatsächlich Ausübenden abzulehnen.464 Gestufter Gewahrsam ist stattdessen die konsequente Weiterführung des allgemein anerkannten Mitgewahrsams, welcher vorliegt, wenn mehrere Personen die Sachherrschaft gemeinsam ausüben.465 Denn es ist nicht ersichtlich, wieso der Gewahrsam einseitig entfallen soll, nur weil zwischen den Personen anstelle eines gleichrangigen Verhältnisses ein Subordinationsverhältnis besteht. Auf der Basis eines – zumindest größtenteils – faktisch geprägten Gewahrsamsverständnisses ist für den Gewahrsam weder eine normativ-soziale Verkehrsanschauung oder gar eine „Verrechtlichung“ der Sachherrschaft ausschlaggebend, sondern allein das tatsächliche Herrschaftsverhältnis. Nur die Annahme der Rechtsfigur des gestuften Gewahrsams wird diesem eigentlichen Charakter des Gewahrsams gerecht. Denn wird unter Gewahrsam die tatsächliche Herrschaft über eine Sache verstanden, lässt es sich nur schwer begründen, wieso die Person, welche die Sache in den Händen hält, gerade keinen Gewahrsam innehaben soll. Entsprechende Beachtung finden sozial-normative Aspekte auch bei einem faktischen Gewahrsamsverständnis dadurch, dass der Gewahrsam nur „nach oben“ gebrochen werden kann, die Rechtsposition des Untergeordneten im Innenverhältnis also geschwächt ist.466 Darüber hinaus bleibt die Gegenansicht eine allgemeingültige Aussage schuldig, wann die soziale Zuordnung zwischen Person und Sache gegeben sein soll. Es stellt sich mithin der Verdacht der Willkür, solange die Tatbestandsmerkmale der ungeschriebenen Sozialnorm nicht benannt werden, aus denen sich die behauptete soziale Zuordnung angeblich jeweils ableiten lässt.467 Auch „verwörtlich Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 96. Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 76, der diese daher zu Recht als „fragwürdig“ bezeichnet. 464  Vgl. Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 70. 465  Siehe z.  B. BGHSt 14, 40; BGH NJW 1960, 1357; Fischer, § 242 StGB Rn. 14; Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 62; Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 67. 466  Vgl. BGHSt 2, 318; BGHSt 8, 273; BGHSt 16, 271 (273); BGH NStZ 1995, 131; Fischer, § 242 StGB Rn. 14a; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 33 Rn. 23. 467  Vgl. Hoyer, in: SK-StGB, § 242 StGB Rn. 31; i. E. ebenso Kargl, JuS 1996, 971 (974). 462  So

463  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung85

rechtlicht“ der Verweis auf die Verkehrsanschauung den Gewahrsam, ohne dass dies mit dem tatsächlichen Verhältnis vereinbar oder aufgrund dieses nötig wäre. Denn die Verkehrsanschauung, die dem Ladenangestellten den Gewahrsam absprechen soll, ist auch nur Ausdruck des tatsächlich bestehenden arbeitsrechtlichen Weisungsverhältnisses. Der juristische Laie vermag die rechtlichen Nuancen des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses möglicherweise nicht erfassen, warum dem Arbeitnehmer rechtlich weniger zusteht als seinem Arbeitgeber, ist auch dem Laien verständlich. Hintergrund dieses Verständnisses ist damit jedoch wiederum ein rechtlicher; durch die Annahme der Gewahrsamsdienerschaft würde daher aus der faktischen und tatsächlichen Personen-Sach-Beziehung eine rechtliche. Ebenso problematisch ist die Beliebigkeit, mit der der die Sachherrschaft ausübenden Person der Gewahrsam ab- und zugesprochen wird.468 So übe der Transporteur in der Regel während des Transportes Alleingewahrsam an den Sachen aus,469 während er im Falle bestehender Einwirkmöglichkeiten seitens des Arbeitgebers mit diesem zusammen Mitgewahrsam an Transportgut innehabe.470 Die Gewahrsamsdienerschaft anerkennend, müsste dem weisungsgebundenen Transporteur in letzter Konsequenz jedoch jeglicher Gewahrsam abgesprochen werden. Ein Ergebnis, welches nur schwer nachvollziehbar und vertretbar sein dürfte, weswegen unabhängig davon, ob bei einem überwiegend faktischen Gewahrsamsverständnis dem Frachtunternehmen überhaupt Gewahrsam zugesprochen werden kann, der LKW-Fahrer in jedem Fall – zumindest untergeordneten – Gewahrsam innehat.471 (2) Zwischenergebnis Der Streit mag allein auf das StGB bezogen bedeutungslos erscheinen,472 da sich für die §§ 242 ff. StGB in der Regel keine nennenswerten Unterschiede ergeben.473 Für die Frage nach der Kongruenz von Gewahrsam und tatsächlicher Gewalt und der Frage, ob jemand trotz tatsächlicher Sachherrschaft keine rechtlich relevante Beziehung zu der Sache haben kann, ist eine Festlegung auf ein Konstrukt jedoch zwingend erforderlich. Erkennt man die Gewahrsamsdienerschaft an, wären Fälle vorstellbar, in welchen 468  Vgl. hierzu die zitierten Fälle bei Fischer, § 242 StGB Rn. 14 f.; Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 77. 469  Vgl. BGHSt 2, 317. 470  Vgl. BGH GA 1979, 390 (391); BGH StV 2001, 13. 471  Vgl. BGHSt 2, 317 (318); BGH GA 1979, 390; BGH StV 2001, 13. 472  So Haffke, GA 1972, 225 in Fn. 1; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 20. 473  Vgl. Kindhäuser, in: NK, § 242 StGB Rn. 63.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

ein Ladenangestellter zwar die tatsächliche Gewalt an den von ihm verkauften Waffen innehat, ohne jedoch auch den Gewahrsam an diesen auszuüben. Gesteht man dem Angestellten hingegen untergeordneten Mitgewahrsam oder im Falle fehlender direkter Einwirkmöglichkeit seitens des Arbeitgebers sogar Alleingewahrsam zu, so fallen die Ausübung der tatsächlichen Gewalt und der Gewahrsam grundsätzlich zusammen. Das gilt gleichzeitig in dem beschriebenen Fall auch für den Inhaber des übergeordneten Gewahrsams, da mit den gleichen Argumenten, mit denen dessen Herrschaftsverhältnis angenommen wird, ebenfalls die tatsächliche Gewalt angenommen werden kann. Liegen auf Seiten des Angestellten die Voraussetzungen für die Gewahrsamsinhaberschaft hingegen nicht vor, sei es mangels Zugriffmöglichkeit oder mangels Beherrschungswillen, so fehlt das gleiche Element auch bei der Ausübung der tatsächlichen Gewalt. Um dem allgemein vorherrschenden Begriffspluralismus in der Strafrechtswissenschaft entgegenzuwirken und vor allem aus Gründen der Vereinfachung und Rechtssicherheit, erscheint es geboten, dort Begriffe und Definitionen zu vereinheitlichen, wo Übereinstimmungen vorliegen. Heinrich474 folgend, lassen sich daher bei Anerkennung des gestuften Gewahrsams die Innehabung der tatsächlichen Gewalt und Gewahrsam i.  S.  d. §§ 242, 246 StGB gleichsetzen. ee) Abgrenzung zu den zivilrechtlichen Besitzformen Stimmen nun Gewahrsam und Ausübung der tatsächlichen Gewalt inhaltlich überein, stellt sich erneut die Frage nach dem Verhältnis der tatsäch­ lichen Gewalt zu den zivilrechtlichen Besitzbegriffen. Die vorangegangenen Betrachtungen zum Verhältnis von strafrechtlichem und zivilrechtlichem Besitzbegriff haben jedoch gezeigt, dass aufgrund der zivilrechtlichen Besonderheiten beim Erbenbesitz und mittelbaren Besitz schon kein einheitlicher Besitzbegriff existiert. Wie in Bezug auf den strafrechtlichen Besitzbegriff verbietet sich daher auch im Vergleich zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt eine unreflektierte Gleichsetzung beider Begriffe. Möglicherweise ist jedoch, wie schon im Falle des Gewahrsams, zumindest eine Übereinstimmung hinsichtlich des unmittelbaren Besitzes gegeben. Die überwiegende Ansicht im Zivilrecht definiert den unmittelbaren Besitz aus § 854 Abs. 1 BGB als Innehabung der tatsächlichen Herrschaft über eine Sache,475 weswegen sich schon aufgrund der sprachlichen auch die Annahme inhaltlicher Parallelen aufdrängt. Ohne das Ergebnis vorwegzu474  Heinrich,

in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 143. nur BGHZ 57, 166 (168); BGHZ 180, 300; Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 3; siehe ansonsten ausführlich oben unter B. III. 2. a). 475  Siehe



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung87

nehmen, kann daher zur Begriffsbestimmung des Besitzbegriffs als zumindest erster Anknüpfungspunkt der unmittelbare Besitz aus § 854 Abs. 1 BGB herangezogen werden.476 Die tatsächliche Gewalt übt somit – zumindest in der Regel – der unmittelbare Besitzer aus,477 wobei die Unterscheidung in Eigen- und Fremdbesitz keine Rolle spielt.478 Die tatsächliche Gewalt erfordert dabei, wie auch der unmittelbare Besitz aus § 854 Abs. 1 BGB,479 nicht die dauerhafte Anwesenheit des Besitzers; so bleiben z. B. Waffen, die in einer Wohnung eingeschlossen sind, in der tatsächlichen Gewalt des abwesenden Besitzers.480 Ebenso spielt die Eigentumslage keine Rolle, da diese gerade eine rechtliche und keine tatsächliche Beziehung einer Sache zu einer Person ausdrückt.481 Problematisch hingegen sind die Behandlung des mittelbaren Besitzes, des Erbenbesitzes sowie die Fälle der Besitzdienerschaft. Für den Fall des mittelbaren Besitzes kommt es darauf an, ob der mittelbare Besitzer noch ungehindert auf die Sache zugreifen kann. Erforderlich für die Ausübung der tatsächlichen Gewalt ist demgegenüber eine jederzeit zu realisierende tatsächliche Herrschaftsmöglichkeit über die Sache.482 Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 854 Abs. 2 BGB, wonach die Einigung ohne Übergabe für einen Besitz­ erwerb dann ausreichend ist, „wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben.“483 Der mittelbare Besitzer übt insoweit jedenfalls dann keine tatsächliche Gewalt mehr über die Sache aus, wenn er jede tatsächliche Einwirkmöglichkeit verloren hat.484 Daher ist auch die Ansicht des OLG Celle485 abzulehnen, nach welcher der mittelbare Besitzer selbst im Falle einer Beschlagnahme die tatsächliche Gewalt über die beschlagnahmten Gegenstände weiter ausübt.486 Zwar begründet eine Beschlagnahme ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, welches rechtlich dem des mit476  So z. B. auch Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 144; Pauckstadt-Maihold, in: Erbs / Kohlhaas, § 1 WaffG Rn. 22. 477  Vgl. BGHSt 26, 12 (16), OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057; Papsthart, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 4 WaffG Rn. 4; Pottmeyer, § 2 KrWaffG Rn. 54. 478  Vgl. BGHSt 26, 12 (16). 479  BGHZ 44, 27 (32); Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 5; Prütting, Sachenrecht, Rn. 53; Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 8 Rn. 5. 480  Vgl. Heller / Soschinka, Waffenrecht, Rn. 423. 481  Vgl. Heinrich, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 1 WaffG Rn. 33. 482  OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057. 483  Heinrich, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 1 WaffG Rn. 33. 484  Vgl. BGHSt 26, 12 (16); BGH MDR 1977, 511; BGH NJW 1980, 195. 485  OLG Celle, NJW 1973, 1986 (1987). 486  Die gleiche Ansicht vertrat das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, NJW 1973, 1514) für den Fall der freiwilligen Überlassung der Waffen an Ermittlungsbehörden. Zu beachten ist jedoch, dass die Entscheidungen zu einer Sonderregelung hinsichtlich des 1972 in Kraft getretenen WaffG in § 59 WaffG a. F. ergangen sind.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

telbaren Besitzes aus § 868 BGB entspricht,487 ein ungehinderter Zugriff auf die Waffen besteht seitens des mittelbaren Besitzers jedoch nicht. Ist dieser damit aber auf seinen Herausgabeanspruch angewiesen, um an die Waffen zu gelangen, dann gehen von ihm gerade nicht diejenigen Gefahren aus, denen der Gesetzgeber entgegenwirken wollte.488 Ob dies auch für den Fall der Besitzdienerschaft i. S. d. § 855 BGB gelten muss, wonach nur der Besitzherr Besitzer ist, der die tatsächliche Sachherrschaft von einem anderen ausüben lässt,489 ist ebenso fraglich. Zivilrechtlich ist der Besitzdiener schließlich nicht Besitzer – auch wenn er die tatsäch­ liche Sachherrschaft ausübt. Stellt man im Wege einer strafrechtlichen Betrachtung jedoch, wie im Falle des mittelbaren Besitzes, auf den Sicherungszweck des Gesetzes ab, muss etwas anderes gelten; geht die Gefahr doch gerade von demjenigen aus, der die Waffe „in der Hand“ hat.490 Der Besitzdiener i. S. d. § 855 BGB übt damit die tatsächliche Gewalt i. S. d. Waffenrechts aus. Das gilt auch dann, wenn dieser die Waffe nur als Bote dem Erwerber eines Waffengeschäfts überbringt.491 Diese Ansicht lässt sich systematisch zudem mit den § 5 Abs. 1 KrWaffG, § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a WaffG und §§ 4 Abs. 3, 28 Abs. 4 Nr. 5 WaffG a. F. begründen, da diese erfordern, dass der Normadressat die tatsächliche Gewalt ausübt. Dieser Vorschriften hätte es jedoch nicht bedurft, wenn der Besitzdiener von vorne­ herein keine tatsächliche Gewalt ausüben würde.492 Nur im Falle ganz kurzer Hilfstätigkeiten ohne Herrschaftswillen liegt auch kein Innehaben der tatsächlichen Gewalt vor.493 Für den Fall des Erbenbesitzers494 gilt dagegen das im Zusammenhang mit dem Gewahrsam Dargestellte mit dem Ergebnis, dass die zivilrechtliche Besitzfiktion keine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach sich ziehen kann. Insbesondere steht eine Fiktion495 schon sprachlich und semantisch einem tatsächlichen Verhältnis entgegen.

Pfeiffer, § 94 StPO Rn. 1; Schäfer, in: LR, § 94 StPO Rn. 47. auch Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 146; ders., in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 1 WaffG Rn. 33. 489  Siehe nur Berger, in: Jauernig, § 855 BGB Rn. 2. 490  Vgl. Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 147. 491  Schon damals BayObLG, NJW 1977, 1737 (1738). 492  Vgl. BayObLG, NJW 1977, 1737 (1738). 493  Siehe BGHSt 26, 12 (16). 494  Für den Erbfall finden sich die Regelungen in §§ 20 und 37 Abs. 1 WaffG. 495  „Fiktion“ von lat. fingere: „sich ausdenken“; siehe auch Duden, „Fiktion“ (Bedeutung: „etwas, was nur in der Vorstellung existiert“). 487  Vgl. 488  So



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung89

c) Zusammenfassung Im Ergebnis lässt sich, wie schon im Falle von strafrechtlichem Besitzbegriff und Gewahrsam, festhalten, dass sich die Begriffe der Ausübung der tatsächlichen Gewalt und des zivilrechtlichen Besitzes zwar ebenfalls größtenteils decken, sich aufgrund zivilrechtlicher Besonderheiten eine pauschale Gleichsetzung jedoch verbietet.496 Zumindest die Ausübung der tatsächlichen Gewalt ist rein dinglich zu verstehen, da sie regelmäßig zumindest mit dem unmittelbaren Besitz zusammenfällt.497 Gleiches muss konsequenter Weise auch für den Fall des Gewahrsams gelten. Selbst wenn nach überwiegender Ansicht, strafrechtlicher Gewahrsam nicht dem zivilrechtlichen Besitz entspricht, so fallen jedenfalls unmittelbarer Besitz und Gewahrsam in der Regel zusammen.498 Eine Besonderheit ergibt sich jedoch im Falle der Besitzdienerschaft, wo es bei Anerkennung des gestuften Gewahrsams zu einem Auseinanderfallen von unmittelbarem Besitz und dem Gewahrsam kommen kann. Hält nämlich der Besitzdiener A die Sache in den Händen, ist er gemäß § 855 BGB zwar nicht Besitzer i. S. d. Zivilrechts, aufgrund der faktischen Nähebeziehung ist er strafrechtlich jedoch Gewahrsamsinhaber.499 Der Besitzherr B hingegen ist unmittelbarer Besitzer und übt je nach Stärke der Nähebeziehung gleichzeitig gar keinen Gewahrsam,500 übergeordneten Gewahrsam oder Mitgewahrsam an der Sache aus. In diesem Fall fallen bei B zwar Gewahrsam und unmittelbarer Besitz zusammen, A ist aufgrund von § 855 BGB jedoch nur Gewahrsamsinhaber. Unmittelbarer Besitz könnte somit höchstens eine Implikation für Gewahrsam darstellen, nicht jedoch anders herum. Gleiches gilt darüber hinaus für das Verhältnis von der Ausübung der tatsächlichen Gewalt im Waffenrecht und dem unmittelbaren Besitz im Falle der Besitzdienerschaft. In diesem Fall wird dem Besitzherrn aufgrund des Weisungsverhältnisses neben dem unmittelbaren Besitz ebenfalls die tatsächliche Gewalt zugesprochen. Sollten in diesen Fällen die tatsächlichen i. E. RGSt 66, 249; Potrykus, NJW 1965, 1164 (1165). BGHSt 26, 12 (16); BayObLG, NJW 1977, 1737 (1738); Heinrich, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 1 WaffG Rn. 33. 498  Vgl. Kargl, JuS 1996, 971 (974); Kindhäuser, BT 2, § 2 Rn. 30; Jüchser, ZJS 2012, 195 (197); Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 60; Schünemann, GA 1969, 46 (50); a. A. z. B. Hoyer, in: SK-StGB, § 242 StGB Rn. 20 m. w. N. 499  Vgl. nur Fischer, § 242 StGB Rn. 11; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 12. 500  So ist bei Zugrundelegung eines verstärkt faktischen Gewahrsamsverständnisses der Fahrer eines Transportunternehmens Alleingewahrsamsinhaber, sofern er dem unmittelbaren Weisungsbereich des Arbeitgebers entzogen ist. (BGHSt 2, 317 [318]; BGH StV 2001, 13; Fischer, § 242 StGB Rn. 14). 496  Vgl.

497  Siehe

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Umstände gegen eine Sachherrschaft bzw. gegen die tatsächliche Gewalt auf Seiten des Besitzherrn sprechen,501 fallen Gewahrsam und tatsächliche Gewalt und der unmittelbare Besitz sogar gänzlich auseinander. Eine pauschale Gleichsetzung von Gewahrsam und der Ausübung der tatsächlichen Gewalt mit dem unmittelbaren Besitz kann daher nicht vorgenommen werden. Entgegen verbreiteter Ansicht entspricht die Ausübung der tatsächlichen Gewalt im Waffenrecht jedoch dem strafrechtlichen Gewahrsam.502 Abschließend lässt sich festhalten, dass auch der unmittelbare Besitz i. S. d. § 854 BGB trotz des vermeintlich lediglich tatsächlichen PersonenSach-Verhältnisses ein normatives Rechtsverhältnis beschreibt, während es im Falle von Gewahrsam und Ausübung der tatsächlichen Gewalt hingegen nur auf die tatsächlichen Umstände ankommt. So bildet die einigungsabhängige Sachherrschaft in § 854 Abs. 2 BGB sowie der Nichtbesitz des Besitzdieners aus § 855 BGB einen normativen Begriff und löst sich so von dem Element des Tatsächlichen.503 d) Körperlichkeitserfordernis Gemeinsames Element aller untersuchten Personen-Sach-Beziehungen ist dennoch die tatsächliche Sachherrschaft, deren Ausübung nach herkömmlichem Verständnis zunächst die Möglichkeit physisch-realer Einwirkung auf einen Körper voraussetzt.504 Aus diesem Grund sind nach bisher herrschender Ansicht auch unkörperliche Daten und Dateien mangels Körperlichkeit und damit mangels Sacheigenschaft nicht besitzbar.505 Dem Sachherrschaftserfordernis entsprechend wird im Strafrecht, wie auch im Zivilrecht, eine Sache als Anknüpfungspunkt für den Besitz gefordert. Doch wie schon im 501  Vorstellbar sind an dieser Stelle z.  B. Fälle, in denen aufgrund zu großer räumlicher Distanz zu der Sache nicht mehr von einem Gewahrsam im faktischen Sinne ausgegangen werden kann, die Besitzdienerschaft aufgrund rechtlicher Beziehungen jedoch weiterhin besteht (vgl. BGH WM 1971, 1268 [1269]; Joost, in: MüKo, § 855 BGB Rn. 11). Ein solcher Fall ist beispielsweise bei selbstständig ihre Route zusammenstellenden Kurieren gegeben. Der Kurier hat aufgrund seiner faktischen Nähe Alleingewahrsam an den Sendungen inne (vgl. RGSt 56, 116; BGH StV 2001, 13; Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 33; Fischer, § 242 StGB Rn. 14), zivilrechtlich ist ihm jedoch als Besitzdiener jeglicher zivilrechtlicher Besitz abzusprechen. 502  So auch Heinrich, in: MüKo § 1 WaffG Rn. 143; a. A. BGHSt 26, 12 (15). 503  So auch Lepsius, Besitz, S. 185 ff. 504  Vgl. nur Eisele, BT II, Rn. 27; Gutzeit, in: Staudinger, Vorbem zu § 854 ff. BGB Rn. 43. 505  Vgl. an dieser Stelle für § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB nur Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 15; siehe ausführlich zu der These „Besitz als Datenherrschaft“ ausführlich unten unter E.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung91

Fall des Besitzbegriffs, enthält das Strafrecht auch keine Legaldefinition des  Begriffs „Sache“,506 weswegen sich erneut die Frage stellt, ob auf das Zivilrecht zurückgegriffen werden kann; dieses definiert in § 90 BGB „Sache“507 als körperlichen Gegenstand. Der Begriff der „Sache“ bezeichnet im Zivilrecht einen nach natürlicher Anschauung für sich allein bestehenden, im Verkehrsleben besonders bezeichneten und bewerteten körperlichen Gegenstand,508 welcher körperlich fassbar und beherrschbar ist.509 Dies ist der Fall, wenn der Gegenstand sinnlich wahrnehmbar und im Raum abgegrenzt oder zumindest abgrenzbar ist und somit bei natürlicher Betrachtung als Einheit erscheint.510 Es reicht dabei aus, wenn der Gegenstand abgrenzbar gemacht wird, bis dahin unbeherrschbares Meerwasser beispielsweise in eine Flasche gefüllt wird.511 aa) Strafrechtsautonomer Sachbegriff Ob die zivilrechtliche Sachdefinition auch für das Strafrecht gilt, ist jedoch umstritten. Für einen strafrechtsautonomen Sachbegriff hat sich vor allem die ältere Rechtsprechung512 und ein Teil vor allem älterer Literatur513 ausgesprochen. Das Reichsgericht führte in diesem Zusammenhang aus, dass dieser „als selbstständiger, öffentlich-rechtlicher nur aus dem geltenden Strafgesetze selbst zu entnehmen und (…) unabhängig von den Begriffsbestimmungen der Sache in der Privatrechtsordnung (sei)“514. Sachen im Sinne des Strafrechts sind hiernach nur solche körperlichen Gegenstände, die man beherrschen, wegnehmen und sich zueignen kann. Weiterhin sprächen auch der Umstand, dass der strafrechtliche Begriff der Sache wesentnur Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 3. Begriff „Sache“ wird im BGB nicht einheitlich verwendet, wie sich an der untechnischen (Wieling, Sachenrecht, § 2 I 1 a] in Fn. 6) Verwendung des Begriffs in § 119 Abs. 2 und § 459 Satz 2 BGB erkennen lässt. Im Folgenden wird allein auf den Sachbegriff des § 90 BGB zurückgegriffen. Siehe hinsichtlich der Relativität von Rechtsbegriffen ausführlich bereits oben unter B. III. 1.; vgl. dazu auch Larenz, Methodenlehre, S. 321. 508  So z. B. schon RGZ 87, 43 (45). 509  Vgl. Baur / Stürner, Sachenrecht, § 3 I Rn. 2. 510  Vgl. Jickeli / Stieper, in: Staudinger, Vor § 90 BGB Rn. 8. 511  Siehe RGSt 14, 121 (123); Jauernig, in: Jauernig, Vorbem. zu § 90 BGB II 2. a) bb). 512  Siehe z. B. RGSt 29, 111; RGSt 32, 165. 513  So z. B. Bruns, Befreiung, S. 206 ff; Lobe, Frank-FG 1930, Band 1, S. 33 (38); Ruß, in: LK, 11. Aufl., § 242 StGB Rn. 1. 514  RGSt 32, 165 (179); in der Entscheidung ging es um die Frage nach der Diebstahlsfähigkeit von elektrischer Energie, einer Frage, die durch die Einführung von § 248c StGB obsolet geworden ist. 506  Vgl. 507  Der

92

B. Besitz i. S. d. Strafrechts

lich älter ist als das BGB,515 für eine unabhängige Begriffsbildung im Strafrecht,516 sowie der Wortlaut des § 90 BGB, der sich nur auf Sachen „im Sinne des Gesetzes“, also lediglich auf das BGB bezieht.517 Auch der Umstand, dass strafrechtlich Tiere unter den Sachbegriff fallen, spräche für einen strafrechtsautonomen Sachbegriff.518 Dass Tiere Sachen im Sinne des Strafrechts sind, ergibt sich unter anderem aus dem Wortlaut der §§ 324a Abs. 1 Nr. 1 und 325 Abs. 4 Nr. 1, StGB in denen von „Tiere(n), Pflanzen oder andere(n) Sachen von bedeutendem Wert“ die Rede ist. bb) Zivilrechtsakzessorischer Sachbegriff Von einem – zumindest im Strafrecht – einheitlichen Sachbegriff ausgehend519 wird von der heute überwiegenden Literatur mit Blick auf § 242 StGB hingegen ein zivilrechtsakzessorischer Sachbegriff vertreten.520 Die rechtliche Bewertung des Eigentums an einer Sache sei im Rahmen der Fremdheit bei § 242 StGB nur nach den zivilrechtlichen Regeln möglich,521 so dass der dem § 903 BGB zugrunde liegende Sachbegriff aus § 90 BGB auch für § 242 StGB und damit auch für das ganze Strafrecht ausschlaggebend sei. Die Einführung des § 90a BGB522, welcher Tiere aus dem Sachbegriff herausnimmt,523 steht dem ebenfalls nicht entgegen. Insoweit ist der strafrechtliche Begriff zwar weiter als im Zivilrecht, da er auch Tiere umfasst, ohne dass ein Rückgriff auf § 90a BGB nötig wäre,524 davon abge­ 515  Vgl.

dazu RGSt 32, 165 (179). Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 21. 517  Vgl. Graul, JuS 2000, 215 (218). 518  Vgl. Fischer, § 242 StGB Rn. 3; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 18, 74; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 4. 519  Vogel, in: LK, 12. Aufl., § 242 StGB Rn. 4. 520  Siehe z. B. Eser / Bosch, in: Sch / Sch, § 242 StGB Rn. 9; Heinrich, in: A / W / H / H, § 13 Rn. 32; Lackner / Kühl, § 242 StGB Rn. 2; Maurach / Schroeder /  Maiwald, BT 1, § 32 Rn. 12; Schramm, JuS 2008, 678 (679); unklar Schmitz, in: MüKo, § 242 StGB Rn. 20, der sich in Rn. 21 wiederum für eine unabhängige Begriffsbestimmung ausspricht. 521  Vgl. Hoyer, in: SK-StGB, § 242 StGB Rn. 3. 522  § 90a BGB ist erst am 20.8.1990 durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht“ in das BGB eingefügt worden (BGBl. I 1990, S. 1762). 523  Der strafrechtliche Tierschutz wird durch die Einführung des § 90a BGB nicht beeinflusst. Insbesondere stellt die Neuregelung aus strafrechtlicher Sicht auch keinen Verstoß gegen das Analogieverbot dar, da keine Regelungslücke vorliegt, sondern die Verweisung in Satz 3 die Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften anordnet (BT-Drucks. 11 / 7369 S. 6 f.; Lorz, MDR 1989, 201; Küper, JZ 1993, 435; a. A. allein Braun, JuS 1992, 758 [761]). 524  Vgl. nur Schmitz, in: MüKo § 242 Rn. 21 m. w. N. 516  Vgl.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung93

sehen, sind jedoch „Sachen“ i. S. d. Strafrechts alle körperlichen Gegenstände i. S. d. § 90 BGB.525 cc) Stellungnahme Für die Frage nach dem Körperlichkeitserfordernis wäre eine Entscheidung zwischen den beiden Ansichten eigentlich entbehrlich. Denn selbst wenn sich Reichsgericht und Teile der – vor allem älteren – Literatur für einen autonomen strafrechtlichen Sachbegriff ausgesprochen haben, so fordern auch sie mit Bezug auf die römisch-rechtlichen Diebstahlsvoraussetzungen eine Körperlichkeit; anderenfalls sei eine für die Wegnahme erforderliche contrectatio526 nicht möglich.527 Mit der Einführung des § 248c StGB haben zudem die Reichsgerichtsentscheidungen528 zum Diebstahl von Elektrizität an Bedeutung verloren,529 welche die ursprüngliche Diskussion um das Körperlichkeitserfordernis belebten, da für die damaligen Lösungsansätze nun keine Notwendigkeit mehr bestehe. Die Wegnahme der unkörperlichen Energie muss daher nicht mehr umständlich unter § 242 StGB subsumiert werden, sondern wird von § 248c StGB abgedeckt. Eine Sache i. S. d. Strafrechts ist damit in jedem Fall ein körperlicher Gegenstand; unabhängig woraus der Sachbegriff hergeleitet wird. Für einen zivilrechtsakzessorischen Sachbegriff spricht auf der anderen Seite jedoch vor allem der Schutzzweck der §§ 242 ff. StGB, welche allein dem Eigentumsschutz dienen.530 Wer und unter welchen Voraussetzungen Eigentümer einer Sache sein kann, bestimmt sich dabei unstreitig allein nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten.531 Greift man jedoch für die Eigentumsbestimmung auf das Zivilrecht zurück und zieht dabei zwangsläufig auch den zivilrechtlichen Sachbegriff heran, vermag es nicht zu überzeugen, neben diesem im Rahmen der §§ 242 ff. StGB einen weiteren Sachbegriff zu verwenden. Eine Bestimmung des Merkmales der Fremdheit über einen zivilrechtlichen Sachbegriff bei gleichzeitiger Verwendung eines eigenen strafrechtlichen für das Tatbestandselement der Sache ist dabei nicht nur inkonsequent, sondern kann in Randbereichen der Definitionen sogar ein i. E. auch Schmitz, in: MüKo § 242 Rn. 20. „Berührung“; vgl. Goltdammer, Materialien, Band 2, S. 459 m. N. auf L. 75 D. de furtis. 527  Vgl. RGSt 32, 165 (180 f.). 528  RGSt 29, 111; RGSt 32, 165. 529  Vgl. Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 32 III Rn. 12. 530  Siehe BGHSt 6, 377; BGHSt 10, 400; Fischer, § 242 StGB Rn. 2 m. w. N. 531  Vgl. nur BGHSt 6, 377 (378); Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 80; Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 6. 525  So

526  Lat.

94

B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Auseinanderfallen der Tatbestandselemente „fremd“ und „Sache“ zur Folge haben. Es wären somit Fälle vorstellbar, in welchen aufgrund unterschied­ licher Sachbegriffe ein Verhalten je nach zugrunde gelegtem Sachbegriff strafbar oder eben straffrei wäre. Auch wenn es sich hierbei lediglich um eine theoretische Möglichkeit handelt, spricht die Existenz eben dieser gegen einen eigenständigen strafrechtlichen Sachbegriff, für den weder ein Anwendungsbereich noch eine Notwendigkeit besteht. Insbesondere bedeutet vor allem zivilrechtliche Akzessorietät nicht gleichzeitig inhaltliche Kongruenz. Der Sachbegriff muss daher nicht deckungsgleich mit dem des § 90 BGB sein; ausreichend ist eine inhaltliche Orientierung, der auch die Aufnahme der Tiere nicht im Wege steht. Der strafrechtliche Sachbegriff folgt somit dem des Zivilrechts aus § 90 BGB532 mit der Maßgabe, dass jedenfalls im Strafrecht auch Tiere als Sachen anzusehen sind.533 3. Zusammenfassung Strafrechtlicher Besitz lässt sich somit als die von einem natürlichen Beherrschungswillen getragene Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand definieren,534 wobei es auf die rechtlichen Beziehungen nicht ankommt. Unkörperliche Gegenstände können nach dieser Definition nicht besessen werden, da es an der für die Ausübung der Herrschaft erforderlichen „Sache“ i. S. d. § 90 BGB mangelt. Aus diesem Grund ist auch § 248c durch das 3. StrÄndG535 vom 4.8.1953 in das StGB eingefügt worden. Die Regelung bestand fast wortgleich schon seit 1900 im Gesetz betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit536, welches als Reaktion auf 532  Der Verweis auf § 90 BGB ist von Nöten, da auch der Sachbegriff im BGB nicht einheitlich verwendet wird. Zwar spricht die Formulierung der Norm, wonach „Sachen im Sinne dieses Gesetzes (…) nur körperliche Gegenstände [sind]“, für einen BGB-weiten Sachbegriff im Sinne einer Legaldefinition. Für z. B. § 119 Abs. 2 BGB ist jedoch anerkannt, dass dieser alle von der Verkehrsanschauung als Gegenstand des Rechtsverkehrs anerkannte Objekte, also auch Rechte, wie Grundschulden oder Forderungen (BGH WM 1963, 253) oder Sachgesamtheiten, wie ein Nachlass (BayObLGZ 2002, 205), umfasst (Armbrüster, in: MüKo, § 119 BGB Rn. 130; Jauernig, in: Jauernig, § 119 BGB Rn. 12; Wendtland, in: Beck’scher OK, § 119 BGB Rn. 43). Der Vergleich des zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sachbegriffs kann daher nur anhand des Sachbegriffs i. S. d. § 90 BGB erfolgen. 533  So auch Heinrich, in: A / W / H / H, § 13 Rn. 32. 534  Siehe nur BGHSt 27, 380 (381); BGHSt 30, 277 (279); Lenckner / Eisele, in: Sch / Sch, Vorbem. §§ 13 ff. StGB Rn. 42; Bassenge, in: Palandt, Überbl v § 854 BGB Rn. 1. 535  BGBl. I 1953, S. 735. 536  RGBl. I 1900, S. 22.



III. Der Besitzbegriff in der Gesamtrechtsordnung95

die reichsgerichtliche Auffassung537 erlassen worden war, dass elektrische Energie mangels Körperlichkeit keine Sache sei und somit ihre Entwendung nicht von §§ 242, 246 StGB a. F. erfasst werde. Vom Datenträger unabhängig betrachtete Daten fallen im Strafrecht nach bisher geltendem Verständnis damit ebenfalls nicht unter den Sachbegriff,538 weswegen ein strafbarer Besitz an Daten i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB nach herkömmlichem Besitzverständnis nicht konstruiert werden kann. 4. Ergebnis Als Ergebnis für die Frage nach den Voraussetzungen des strafrechtlichen Besitzbegriffs lässt sich somit an dieser Stelle festhalten, dass Besitz im Sinne des Strafrechts nach geltendem Verständnis, ebenso wie auch der unmittelbare Besitz i. S. d. § 854 BGB, eine tatsächliche Beziehung zwischen einer Person und einer körperlichen Sache erfordert. Eine verallgemeinernde Gleichsetzung der Besitzbegriffe verbietet sich jedoch aufgrund sowohl zivilrechtlicher als auch strafrechtlicher Besonderheiten. So kennt das Strafrecht zum einen die verrechtlichten Besitzformen des fiktiven Erbenbesitzes und des mittelbaren Besitzes nicht, das Zivilrecht verwendet zum anderen den Begriff des Besitzes selbst nicht einheitlich im Sinne des § 854 BGB. Auch die strafrechtlichen Erscheinungsformen von Gewahrsam und tatsächlicher Gewalt bezeichnen eine tatsächliche Personen-Sach-Beziehung, ohne mit dem zivilrechtlichen Besitzbegriff kongruent zu sein. Trotz gleichlautender Voraussetzungen lassen sich diese mit dem unmittelbareren Besitz nicht gleichsetzen. Zwar ist der unmittelbare Besitzer in der Regel auch Gewahrsamsinhaber, aus der normativen Wertung des § 855 BGB folgt jedoch, dass nicht jeder Gewahrsamsinhaber auch unmittelbarer Besitzer sein muss. Für die Begriffsbestimmungen sind daher nur das Strafrecht und nicht etwa Vorschriften des bürgerlichen Rechts entscheidend.539 Denn auch im Strafrecht richtet sich das jeweilige Begriffsverständnis nach „dem Zwecke des betreffenden Gesetzes, seiner Vorgeschichte, sowie nach dem Sinne und Zusammenhang“540, so dass sich selbst bei wörtlicher Übereinstimmung die Bedeutung erst aus dem Kontext der einzelnen Vorschriften ableiten lässt. Infolgedessen finden im Zusammenhang mit den Anforderungen an den Gewahrsam und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt anders als beim zivilrechtlichen Besitz rechtliche Beziehungen keine Beachtung, da der strafrechtliche Schutzzweck ein anderer ist als der zivilrechtliche. 537  Siehe

dazu RGSt 29, 111 (113); RGSt 32, 165 (179). an dieser Stelle nur Fischer, § 242 StGB Rn. 3. 539  So auch schon RG GA 47, 441. 540  RGSt 12, 256 (258). 538  Siehe

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Die Unterschiede der verschiedenen Besitzbegriffe sollen noch einmal abschließend in folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Stirbt der Erblasser E unbemerkt und hinterlässt seinem Alleinerben A, der selbst nicht im Besitz einer Waffenbesitzkarte ist, einen Waffenschrank voller Waffen und Drogen nebst Schrankschlüssel, so wird A aufgrund der Fiktion aus § 857 BGB zivilrechtlich unmittelbarer Besitzer der Waffen und Drogen. Unabhängig von der Anzeigepflicht geerbter Waffen und der Übergangsfristen für eine eventuelle Abgabe, wird A jedoch nicht Besitzer i. S. d. WaffG. Die den Besitz konstituierende tatsächliche Gewalt hat A nämlich nicht inne. Es fehlt sowohl an der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit als auch an der den Willen voraussetzenden Kenntnis. Zwar erlangt der Erbe über § 857 BGB nicht auch die tatsächliche Sachherrschaft i. S. d. § 854 BGB, zivilrecht­ lichen Besitz und den damit verbundenen Besitzschutz erlangt er aufgrund der Fiktion dennoch. Strafrechtlichen Gewahrsam hingegen würde beispielsweise die anwesende Haushälterin des Verstorbenen innehaben,541 sofern dieser ebenfalls der Zugang zum Inhalt des Waffenschranks möglich ist. Hat sie hingegen keine Zugriffsmöglichkeit, so ist ihr aufgrund der Größe und Sperrigkeit eines typischen Waffenschranks jeglicher Gewahrsam an dem Inhalt abzusprechen.542 Die Waffen wären in diesem Fall gewahrsamslos.543 Gleiches gilt für den Besitz an den vererbten Drogen. Auch diese besitzt A nur zivilrechtlich, nicht aber z. B. i. S. d. § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG. Unter Besitz ist nach überwiegendem Verständnis die tatsächliche Beziehung zwischen einer Person und einer Sache zu verstehen,544 wobei es auf die rechtlichen Beziehungen nicht ankommt. Besitz ist daher auch im Strafrecht als Herrschaft über eine Sache, getragen von einem natürlichen Beherrschungswillen, zu definieren.545

IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten Im Zusammenhang mit der vorangegangenen Übersicht sind bereits vereinzelt Erwägungsgründe für die Einführung neuer Besitztatbestände in Gesetzesbegründungen546 aufgezeigt worden. Im Folgenden soll detailliert Baur / Stürner, Sachenrecht, § 7 Rn. 11. hinsichtlich des Kriteriums von Größe und Fortschaffbarkeit RGSt 45, 249 (252); BGHSt 22, 180 (183). 543  A. A. z. B. Wessels / Hillenkamp, BT 2, R. 108, die sich daher für eine sozialnormative Betrachtungsweise aussprechen. 544  Vgl. z. B. Lenckner / Eisele, in: Sch / Sch, Vorbem. §§ 13 ff. StGB Rn. 42; Bassenge, in: Palandt, Überbl v § 854 BGB Rn. 1. 545  Siehe nur BGHSt 27, 380 (381); BGHSt 30, 277 (279). 546  Vgl. z. B. BT-Drucks. 10 / 1614, S. 14; BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5. 541  Vgl. 542  Vgl.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten97

dargestellt werden, zu welchem Zweck das Strafrecht den Besitz von Gegenständen unter Strafe stellt und in welcher Form, rechtlich wie sprachlich, die Tatbestände ausgestaltet sind. Erst ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Besitzdelikte im StGB und im Nebenstrafrecht ermöglicht eine differenzierte Analyse der Besitzproblematik hinsichtlich des Forschungsgegenstandes dieser Arbeit. Die Einführung in die Relativität der Rechtsbegriffe und die verschiedenen Ansatzpunkte im Zusammenhang mit der Besitzdefinition haben gezeigt, dass sich verbindliche Aussagen erst dann treffen lassen, wenn tatsächlich alle Alternativen und Sonderformen betrachtet worden sind. Ob an den Besitz von Daten andere Voraussetzungen zu stellen sind als beispielsweise an den Besitz von Betäubungsmitteln, lässt sich erst dann verbindlich feststellen, wenn auch diese Besitzform abschließend analysiert worden ist. Bevor die Funktionen der Besitzdelikte herausgearbeitet werden, sollen daher einige dieser Delikte exemplarisch näher betrachtet werden. Die Auswahl der Delikte ist an die jeweilige Tathandlung gekoppelt, mit welcher der Gesetzgeber die jeweilige Personen-Sach-Beziehung unter Strafe stellt. Nach dem Zielrichtungsverständnis Schroeders547 sind die Strafgründe zum einen die Gefahr der Benutzung durch den Besitzer und zum anderen die mittelbare Förderung von Straftaten bei Besitzerlangung. Eckstein geht weiter, indem er zu Recht darauf verweist, dass die Gefahr durch die Benutzung in der Regel von der Sache selbst und nicht von dem Besitzer ausgeht und dass ein Abstellen allein auf die Besitzerlangung somit nicht ausreichend ist.548 Insofern empfiehlt es sich zunächst, als Tatmodalitäten von einem Verwenden, Erlangen oder Am-Ort-Sein auszugehen. 1. Erscheinungsformen von Besitzdelikten im Einzelnen Diese Unterscheidung findet ihren Ausdruck unter anderem auch in der Wahl der Bezeichnung der unter Strafe gestellten Handlung549. So verwendet das Gesetz im Falle von Besitzdelikten nicht einheitlich das Substantiv „Besitz“ bzw. eine Konjugation des Verbes „besitzen“, sondern zusätzlich Formulierungen, wie „Ausüben der tatsächlichen Gewalt“, „mitführen“, „führen“, „vorrätig halten“, „bereithalten“, „aufbewahren“, „lagern“ und „verwahren“. Dass die Wortwahl nicht zufällig ist, sondern der jeweiligen Funktion der formulierten Norm folgt, wird im Folgenden kursorisch dargestellt. oben A. I. 1.; Schroeder, NJW 1993, 2581 (2582). Eckstein, Besitz, S. 67. 549  Zu der Frage, ob Besitz eine Handlung in Form eines Tuns oder Unterlassens oder einen Zustand darstellt, siehe sogleich unter A. III. 2. 547  Siehe 548  Vgl.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

a) Besitzen Kaum Schwierigkeiten, ein Delikt als Besitzdelikt einzustufen, treten in den Fällen auf, in welchen der Gesetzgeber bereits das Wort „Besitz“ mit in den Wortlaut aufgenommen hat. Eingangs wurden § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG und § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB als Paradebeispiele für Besitzdelikte erwähnt, wonach derjenige zu bestrafen ist, der unerlaubt Betäubungsmittel bzw. kinderpornografische Schriften besitzt. Auch § 96 Nr. 16 i. V. m. § 57 Abs. 1a Satz  1 AMG spricht von „im Besitz haben“. Nach dieser Regelung macht sich derjenige Tierhalter strafbar, der Arzneimittel besitzt, die nur durch einen Tierarzt verabreicht werden dürfen. Besitztatbestände, die das Wort „besitzen“ verwenden, finden sich darüber hinaus unter anderem im Markenrecht550, im gewerblichen Rechtsschutz551 und im Telekommunikationsgesetz552. aa) Besitz im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz  1 Nr. 3 BtMG Der Besitztatbestand in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG ist erst 1972 in das Betäubungsmittelstrafrecht eingeführt worden,553 um den Nachweis des unerlaubten Erwerbs zu ersparen554 und Fälle zu erfassen, die – z. B. aufgrund von Verjährung – nicht mehr verfolgbar sind.555 Die Regelung ist, obwohl sie als Auffangtatbestand konzipiert ist, von großer praktischer Relevanz, da in vielen Fällen bei polizeilichen Kontrollen lediglich Betäubungsmittel sichergestellt werden, ohne dass ein Erwerb nachweisbar wäre.556 (1) Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes Der dem Delikt zugrundeliegende Besitzbegriff weicht dabei von dem des BGB ab.557 Denn nach der Begründung des Gesetzgebers558 ist das bewuss550  Vgl. §§ 143 Abs. 1 Nrn. 1–5, Abs. 1a, 144 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 MarkenG; wobei im Falle des § 143 MarkenG nicht direkt von „besitzen“, sondern von „benutzen“ die Rede ist. Aus § 14 Abs. 3 Nr. 2, 3. Fall MarkenG folgt jedoch, dass „Besitzen“ ein Unterfall des „Benutzens“ ist. Der Gesetzgeber hat lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit darauf verzichtet, die in § 14 Abs. 3 MarkenG lediglich „beispielhaft aufgeführten (…) Benutzungshandlungen“ erneut aufzuzählen (BT-Drucks. 12 / 6581). 551  Vgl. § 142 Abs. 1 Nr. 1 PatG, § 25 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG. 552  Vgl. §§ 65 Abs. 1, 94 Abs. 1 Nr. 1 TKG. 553  Siehe oben A. I. 2.; Pelchen / Bruns, in: Erbs / Kohlhaas, § 29 BtMG Rn. 20. 554  Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 1. 555  BGHSt 25, 385; Weber, § 29 BtMG Rn. 1164. 556  Wagner / Kallin / Kruse, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 36. 557  Zu den unterschiedlichen Voraussetzungen siehe oben B. III. 2. a).



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten99

te Innehaben eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses tatbestandlich ausreichend. Infolgedessen ist auch die Besitzdienerschaft umfasst, so dass auch der Drogenkurier Besitzer sein kann, sofern sich die Sachherrschaft nicht bloß auf eine ganz kurze Hilfstätigkeit ohne jeglichen Besitzwillen beschränkt.559 Eine nicht unerhebliche Hilfstätigkeit hat der BGH560 für den Fall eines eigenständigen Transports über eine Strecke von mehr als 100 Metern angenommen, mit der Konsequenz, dass der Kurier Besitzer i. S. d. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG war. Damit ist mittelbarer Besitz zwar nicht ausreichend, tatsächliche Sachherrschaft kann aber auch derjenige haben, der keinen unmittelbaren Besitz an den Betäubungsmitteln innehat, sofern er über einen sicheren Zugang mit Verfügungsmöglichkeit zu diesen verfügt.561 Unter Strafe gestellt ist damit jedoch kein Zustand, sondern ein kausales Verhalten, nämlich die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung dieses Zustandes.562 Einen weiteren Strafgrund stellt daneben die Unterbindung der drohenden Weitergabe dar.563 558

(2) Subjektive Elemente „Herrschaftswille“ und „Zwecksetzung“ Während die objektiven Voraussetzungen des Besitzes bei § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG keine größeren rechtlichen Probleme darstellen, bergen die subjektiven Tatbestandsmerkmale weit mehr Diskussionspotential. Zu dem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis muss nach überwiegender Ansicht neben dem für den Vorsatz konstitutiven Wissen und Wollen um die Betäubungsmitteleigenschaft ergänzend ein Herrschaftswille hinzutreten.564 Welche Anforderungen an diesen zu stellen sind und ob auch der Zweck des Besitzes von Bedeutung ist, ist dabei umstritten. Unstreitig ist, dass die bloße Duldung eines eigenen Herrschaftszustandes über Betäubungsmittel dann nicht ausreichend ist, wenn die Herrschaft ohne Zutun und ungewollt erlangt wurde.565 Ohne den Willen, auf die Sache 558  BT-Drucks.

6 / 1877 S. 9. BGHSt 26, 117; BGH NStZ-RR 2008, 54 (55); Schmidt, NJW 2009, 2999 (3001). Eine nur ganz kurze Hilfstätigkeit wurde z. B. bei einem Transport über eine Strecke von knapp 20 Metern im Beisein des Täters angenommen (BGHSt 26, 117). 560  BGH NStZ-RR 1998, 148. 561  Vgl. BGHSt 27, 380 (381). 562  Siehe BT-Drucks. 6 / 1877 S. 9; BVerfG NJW 1994, 2412; BGHSt 27, 380. 563  Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 2, § 56 Rn. 6; Slotty, NStZ 1981, 322. 564  Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn.  223; Weber, §  29 BtMG Rn. 1209; siehe für das grundsätzliche Erfordernis eines Herrschaftswillens oben B. III. 2. a) bb). 565  Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 223. 559  Vgl.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

einwirken zu können, kann von strafbarem Besitz nicht ausgegangen werden. So ist ein Besitz in dem Fall abgelehnt worden, in welchem dem Angeklagten ein verschlossenes Päckchen zur Aufbewahrung überlassen worden war und er dieses nach zufälliger Kenntniserlangung des Inhalts sofort zurückgegeben hatte.566 Gleiches muss für die Duldung des Besitzes eines anderen gelten,567 so dass beispielsweise der Ehegatte nicht für die in der gemeinsamen Wohnung gelagerten Betäubungsmittel des Partners zur Verantwortung gezogen werden kann.568 Damit ist die bloße Kenntnis um die Existenz der Betäubungsmittel und die Möglichkeit des Zugriffs für eine Besitzstrafbarkeit nicht ausreichend. Vielmehr ist ein zu dem Vorsatz hinzutretender Herrschaftswille erforderlich, der neben dem Wissen und Wollen um die Betäubungsmitteleigenschaft der besessenen Betäubungsmittel den Willen, sich ungehinderten Zugriff zu diesen zu verschaffen und die Sachherrschaft zu erhalten, enthalten muss.569 Dieser Besitzwille darf dabei nicht als Bestandteil des Vorsatzes missverstanden werden. Vielmehr ist dieser konstitutives Element des Besitzes, ohne dessen Vorliegen auch schon objektiv kein Besitz besteht.570 Aus diesem Grund fallen auch Fürsorgefälle aus der Besitzstrafbarkeit, in welchen Familienangehörige aus Fürsorge einem Familienmitglied die Betäubungsmittel abnehmen.571 Ohne Besitzwillen handelt auch derjenige, der die Sache nur für eine unbedeutende Zeit an sich nimmt, um sich ihrer umgehend zu entledigen.572 Der Zweck der Besitzerlangung liegt dann allein in der Ermöglichung der Vernichtung. Gleiches muss für den aufgedrängten Besitz wie in dem eingangs geschilderten Fall gelten. Ist einzige Handlung nach Kenntniserlangung über die Sachherrschaft die sofortige Rückgabe, Vernichtung oder Ablieferung bei der Polizei, fehlt der Wille, eine selbstständige Verfügungsmacht im Hinblick auf spätere Verwendung zu begründen.573 566  Vgl. hinsichtlich ähnlicher Konstellationen BGH StV 1981, 127; BGH NStZ 2005, 155; OLG Stuttgart, MDR 1978, 595; OLG Hamm, NStZ 2000, 600. 567  Vgl. OLG Frankfurt, StV 1987, 143; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1998, 27. 568  Siehe z. B. BGH, NStZ-RR 2008, 54 (55); KG, StV 1996, 488; i. E. auch OLG Koblenz, StV 2006, 24; Schmidt, NJW 2009, 2999 (3001). 569  So auch Baale, NStZ 1987, 214; Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 13 /  Rn. 16. 570  Siehe schon oben B. III. 2. a) bb). 571  Vgl. LG Freiburg StV 1984, 250; Patzak / Bohnen, Betäubungsmittelrecht, Rn. 68a. 572  Vgl. OLG Stuttgart, MDR 1978, 595. 573  Vgl. Baale, NStZ 1987, 214 (215); a. A. Franke / Wienroeder, § 29 BtMG Rn. 133; i. E. ablehnend auch Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 227.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten101

Auch wenn damit ein Wille vorliegt, die Sache insoweit zu beherrschen, dass eine Vernichtung oder Sachentziehung möglich ist, kann dieser unter dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung nicht als Besitzwille im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG gewertet werden. Zwar ist der Zweck“ des Besitzes nach überwiegender Ansicht574 ohne Belang, da Motive und Absichten allein bei Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen eine Rolle spielen können.575 Ein solcher muss aber nach überzeugender Ansicht für die Auslegung des Herrschaftswillens berücksichtigt werden.576 Die ablehnenden Stimmen577 verstoßen darüber hinaus gegen ihr eigenes Postulat, indem sie zwischen Besitz zum Zwecke des Eigenkonsums und zum Zwecke der Weitergabe unterscheiden.578 Der Unterschied liegt nach beiden Ansichten allein darin, dass der nicht bloß konsumierende Besitzer die in seinem Besitz befindlichen Drogen unter Änderung der Zweckbestimmung weitergeben kann.579 In der Regel wird die Unterscheidung am Merkmal der Dauer des Besitzes unter der Annahme getroffen, je länger der Besitz währt, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit eines Sinneswandels. Inkonsequenterweise wird nur kurzfristiger Besitz nicht zwingend als straffrei angesehen. Kurzzeitiger Besitz ist nur dann straffrei, wenn er allein dem Eigenkonsum dient. Entscheidend ist im Ergebnis dann der dem Besitz zugrundeliegende Zweck. Kann dieser nicht geklärt werden, ist nach dem Zweifelsgrundsatz davon auszugehen, dass der Besitz zum Eigenverbrauch erfolgte.580 Damit gewinnt die Zwecksetzung als ein bis dahin innerhalb der Besitzdogmatik nicht vorhandener Aspekt an Bedeutung. Dennoch darf das Kriterium des Besitzzweckes nicht überdehnt werden, da es als Bestandteil des Herrschaftswillens lediglich dazu dient, den zu weit gefassten § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG einzuschränken. Besitzwille und Besitzzweck sind dabei nicht als Bestandteile des Vorsatzes zu werten, sondern als die subjektiven Voraussetzungen des Besitzes als solchen und damit Bestandteil des objektiven Tatbestandsmerkmals „Besitz“.

574  So z. B. BT-Drucks. 6 / 1877 und 6 / 2673; LG Berlin, NStZ 1987, 233; Franke / Wienroeder, § 29 BtMG Rn. 135; Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 53; Hügel / Junge / Lander / Winkler, § 29 BtMG Rn. 13.2.4; Weber, § 29 BtMG Rn. 1199, 1200. 575  Vgl. BGH NStZ 1988, 559; BGH NStZ 1996, 338. 576  Siehe Baale, NStZ 1987, 214; vgl. die Darstellung bei Eckstein, Besitz, S.  104 f. 577  Vgl. z. B. Franke / Wienroeder, §  29 BtMG Rn. 133; Weber, § 29 BtMG Rn. 1200; Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil13 / Rn. 51, der auf die Absicht abstellt. 578  Vgl. Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 939. 579  So auch Slotty, NStZ 1981, 321 (322). 580  Vgl. Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 939.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

bb) Besitz im Sinne der §§ 184b Abs. 4 Satz  2 und 184c Abs. 4 Satz 1, Var. 2 StGB Ein ähnliches Besitzverbot findet sich in den §§ 184b Abs. 4 Satz 2 und 184c Abs. 4 Satz  1, Var. 2 StGB, welche den Besitz von kinder- und jugendpornografischen Schriften unter Strafe stellen. Die Unterschiede hinsichtlich der Art und des Umfangs der Darstellung581 sind für die Frage nach den Besitzvoraussetzungen ohne Bedeutung,582 so dass im Folgenden stellvertretend nur auf die Regelung in § 184b StGB Bezug genommen wird. Sollten sich aus den unterschiedlichen Schutzgütern Besonderheiten für die Besitzstrafbarkeit ergeben, werden diese gesondert dargestellt. Besitz ist auch in den Fällen des Besitzes kinder- oder jugendpornografischer Darstellungen nicht als Zustandsdelikt, sondern, wie in der oben dargestellten Regelung aus dem Betäubungsmittelstrafrecht, als Dauerdelikt ausgestaltet.583 Als reines Besitzdelikt erleichtert es die Strafverfolgung, wenn kinderpornographische Produkte aufgefunden werden,584 ohne dass ein Nachweis für die Erlangung erbracht werden muss. Die Regelung in § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB tritt allerdings als Auffangtatbestand585 hinter dem Sich-Verschaffen aus § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB zurück und erfasst neben dem Herbeiführen oder Aufrechterhalten des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses586 auch das Unterlassen der Entledigung oder Vernichtung.587 Infolgedessen wird von Teilen der Literatur vertreten, bei § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB handle es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt.588 Unabhängig von dieser Einordnung darf auch bei unvorsätzlich erlangtem Besitz das Herrschaftsverhältnis nicht aufrechterhalten werden, 581  Gercke,

ZUM 2009, 526 (527); Hörnle, NJW 2008, 3521 (3524). auch Zigeler, in: Beck’scher OK, § 184c StGB Rn. 12, der darauf hinweist, dass die Kommentierung zu § 184b StGB hinsichtlich des Besitzes uneingeschränkt auch für § 184c StGB gilt. 583  Vgl. Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7. 584  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 4, 6; BGHSt 43, 366 (368); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 29. 585  BGH NStZ 2009, 208. 586  BGHSt 27, 380; BGHSt 30, 277 (279); Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7. 587  Vgl. BGH NJW 2009, 692 (693); Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7. 588  So z. B. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 13; a. A. z. B. Laubenthal, Handbuch, Rn. 1096. Zur Frage der Einteilung der Besitzdelikte als Handlungs-, Unterlassungs- oder Zustandsdelikte, siehe sogleich unter B. IV. 2. b) bb). 582  So



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten103

stattdessen muss der Täter solche Erzeugnisse aus seinem Herrschaftsbereich entfernen.589 Für den Besitzbegriff ist nach der Gesetzesbegründung590 dabei ebenso nicht der zivilrechtliche Besitz maßgeblich, sondern der des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, so dass auch mittelbarer Besitz591 und sogar Besitzdienerschaft592 eine Strafe begründen können, weswegen auch der Transporteur und Verwahrer Besitzer im Sinne der Vorschrift sein können.593 Während ein Großteil der Literatur im Hinblick auf die Besitzdienerschaft der Begründung des Gesetzgebers folgt,594 lehnen einige diese vor dem „Strafzweck der Marktaustrocknung“595 ab.596 Ein weisungsgebundener Besitzdiener leiste gerade keinen eigenen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Marktes, so dass er als Täter nicht in Betracht kommen dürfte.597 Auch wenn sich diese Ansicht Hörnles auf das Tatbestandsmerkmal des Sich-Verschaffens aus § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB bezieht, gebieten Systematik und Normklarheit einen zumindest innerhalb eines Paragrafen einheitlichen Besitzbegriff, so dass die Bedenken hinsichtlich der Besitzdienerschaft auch für Satz 2 gelten müssen. 589  Vgl. BGHSt 53, 69 (70); Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Wolters, in: SK-StGB, § 184 StGB Rn. 78; vgl. aber auch Laubenthal, Handbuch, Rn. 1096, der fragt, woraus sich in diesem Fall die Garantenstellung i. S. d. § 13 StGB herleiten ließe und insoweit von dem Besitz als einem unechten Unterlassungsdelikt ausgeht. 590  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5 f. Die Aufspaltung des § 184 StGB a. F. in die §§ 184b und c StGB wurde bereits unter B. II. 2. dargestellt. Sofern sich aus den Neuregelungen keine Besonderheiten ergeben, sind alte Literaturansichten und Entscheidungsgründe auf die neuen Regelungen übertragbar. 591  Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7, 9 nennen den Erwerb eines Gepäck- oder Pfandscheines oder den eines Schließfachschlüssels als Beispiele für den mittelbaren Besitz. 592  Fischer, §  184b StGB Rn. 22; kritisch Jäger, in: Schüler-Springorum-FS 1993, S. 299 (232); Lackner / Kühl, § 184b StGB Rn. 8. 593  Vgl. Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7. 594  So z. B. Fischer; § 184b StGB Rn. 22; Harms, NStZ 2003, 646 (648); Lackner / Kühl, § 184b StGB Rn. 8; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7; Perron / Eisele, in: Sch / Sch,§ 184b StGB Rn. 15. 595  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5 und 12 / 4883, S. 8; „…regelmäßig hat derjenige, der kinderpornografische Produkte besitzt … somit mittelbar den sexuellen Missbrauch gefördert.“ (BR-Drucks. 207 / 1992); M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362); siehe hinsichtlich des Schutzzwecks ausführlich unter E. I. 4. a). 596  So z. B. Schreibauer, Pornographieverbot, S. 301; Gropp, in: Otto-FS 2007, S. 249 (261), der eine Mitwirkung am Markt fordert; Jäger, in: Schüler-SpringorumFS 1993, S. 229 (232), der schon die Besitzstrafbarkeit als solche als „Schulbeispiel für irrationale Kriminalpolitik“ bezeichnet (ders., aaO, S. 233); ähnlich Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15. 597  So jedenfalls Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 26.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Andererseits orientiert sich der Besitzbegriff dem Willen des Gesetzgebers nach an dem des BtMG598, welcher ebenfalls den Besitzdiener umfasst, ohne dass es auf die zivilrechtlichen Unterscheidungen ankäme. Daher kann, ähnlich wie im Falle des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, auch der Bote Besitzer sein, es sei denn, es liegt nur eine ganz kurze Hilfstätigkeit vor, die ohne Herrschaftswillen geleistet wird.599 Daran anknüpfend muss die Zugriffsmöglichkeit auch beim Besitz von kinderpornographischen Schriften für eine nicht unerhebliche Zeitspanne bestehen.600 Ist für eine Strafbarkeit aber die faktische Einwirkmöglichkeit, der tatsächliche ungehinderte Zugriff auf die Sache entscheidend,601 so kann es nicht auf die zivilrechtlichen Besonderheiten ankommen.602 Strafgrund ist allein die Personen-Sach-Beziehung, weswegen auch der Besitzdiener Täter sein kann. Tatobjekt des § 184b Abs. 4 Satz  2 StGB ist der Besitz kinderpornografischer Schriften, wobei in Abs. 1 auf den Schriftenbegriff aus § 11 Abs. 3 StGB verwiesen wird, welchem wiederum Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen gleichgestellt sind. Diese Darstellungen sind stoffliche oder sonst auf einige Dauer fixierte Zeichen, welche die Vorstellung eines wahrnehmbaren Vorgangs oder Gedankens vermitteln.603 Sie umfassen unter anderem auch Plastiken604, Videokassetten, Ton- und Bildaufzeichnungen im Rundfunk605 und Datenspeicher606. Unstreitig ist damit dann eine Strafbarkeit gegeben, wenn der Täter einen der oben genannten Gegenstände besitzt. Wird beispielsweise eine entsprechende DVD-Sammlung in der Privatwohnung des Täters gefunden, werden die objektiven Voraussetzungen des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der Regel vorliegen. Problematisch sind jedoch die Fälle digitaler Darstellungen, welche – auf Datenspeichern gesichert – zwar ebenfalls von § 11 Abs. 3 StGB erfasst 598  BT-Drucks.

12 / 3001, S. 5 f. BGHSt 26, 117. 600  Siehe Gercke, in: Spindler / Schuster, § 184b StGB Rn. 10. 601  Vgl. nur Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7. 602  Insbesondere fehlt es beim strafrechtlichen Besitz an einem gegenüber § 855 BGB vergleichbaren Normzweck. § 855 BGB ist eine Ausgestaltung des durch die Verkehrsanschauung bedingten Bedürfnisses, weisungsunterworfene Angestellte nicht selbst als Besitzer anzusehen und ist aufgrund der Eigenarten des Besitzes neben den übrigen Zurechnungsnormen wie §§ 31, 166, 278, 831 notwendig. (Fritzsche, in: Beck’scher Ok, § 855 BGB Rn. 1). 603  Vgl. Lackner / Kühl, § 11 StGB Rn. 28. 604  RG GA Bd 57, 400. 605  Weigend, ZUM 1994, 133 Fn. 3. 606  Vgl. Klarstellung durch das IuKDG (BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36). 599  Vgl.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten105

werden, die im problematischen Fall aber gerade nicht als gegenständliche Kopie in Form einer DVD oder ähnlichem vorliegen. Hier stellt sich die Frage der Besitzbarkeit von Datenspeichern losgelöster Daten bzw. die einer „neue Medien konformen“ Auslegung, welche im Folgenden vorgenommen werden soll. b) Ausüben der tatsächlichen Gewalt Eine andere Form der Besitzstrafbarkeit findet sich im Waffenrecht, wo im Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz der unerlaubte Umgang mit Waffen und Munition bestraft wird. In § 1 Abs. 3 WaffG findet sich eine entsprechende Umschreibung des Begriffs des Umgangs607, wonach Umgang mit einer Waffe oder Munition hat, wer diese erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, damit schießt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt. Die einzelnen Umgangsformen finden darüber hinaus eine Legaldefinition in der Anlage 1 A 2 zum WaffG, auf welche § 1 Abs. 4 WaffG verweist. Wie in den vorangegangenen Beispielen verwendet der Gesetzgeber auch in § 1 Abs. 3 WaffG das Wort „besitzen“. Dennoch ist dieses Besitzen anders zu verstehen als in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG oder § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB. Denn anders als in diesen Fällen sind die Tatmodalitäten im WaffG legal definiert. In Anlage 1 A 2 Nr. 2 zum WaffG wird „besitzen“ als Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Waffe oder Munition definiert. Ebenso erwirbt i. S. d. Nr. 1 derjenige eine Waffe oder Munition, der die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese erlangt. Auch im Falle des Überlassens i. S. d. Nr. 3 oder Führens i. S. d. Nr. 4 wird auf die Ausübung der tatsächlichen Gewalt abgestellt. Schlüsselbegriff für die Frage nach einer Besitzstrafbarkeit ist damit das Ausüben der tatsächlichen Gewalt.608 Im Vorfeld wurde bereits festgestellt, dass die Ausübung der tatsächlichen Gewalt und Gewahrsam kongruent sind. Vom zivilrechtlichen Besitz unterscheiden sich die Person-Sach-Beziehungen jedoch, fallen in der Regel aber mit dem unmittelbaren Besitz aus § 854 BGB zusammen.609 Im Folgenden werden zunächst einige ausgewählte Tatbestände aufgezeigt und anschließend die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Ausübung der tatsächlichen Gewalt herausgearbeitet.

607  Heinrich,

in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 137. für die Begehungsweisen: Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 140; Heller / Soschinka, Waffenrecht, Rn. 421; Pauckstadt-Maihold, in: Erbs / Kohlhaas, § 1 WaffG Rn. 22. 609  Vgl. ausführlich oben unter B. III. 2. b) dd). 608  Allgemein

106

B. Besitz i. S. d. Strafrechts

aa) Besitztatbestände im WaffG und KrWaffG Exemplarisch seien an dieser Stelle zunächst die Regelungen aus §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. b, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a und b, Nr. 10, 53 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2610 WaffG genannt. Nach § 51 Abs. 1 WaffG wird unter anderem611 bestraft, wer entgegen § 2 Abs. 1 oder 3, jeweils in Verbindung mit Anl. 2 A 1 Nr. 1.2.1 zum WaffG, eine dort genannte Schusswaffe besitzt. § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG stellt den Besitz von ehemaligen Kriegswaffen und Molotow-Cocktails unter Strafe. Der Besitz der meisten anderen erlaubnispflichtigen Gegenstände ist über die Regelungen in § 52 Abs. 2 Nr. 2 lit. b und Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a und b WaffG strafbar. § 52 Abs. 2 Nr. 2 lit. b WaffG erfasst dabei lediglich halbautomatische Kurzwaffen. Die Regelung in § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG erfasst daneben fast alle übrigen Waffen, so dass sich zusammen mit § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG612 ein fast vollständiges generelles Waffenbesitzverbot ergibt. Wie auch im Falle des § 51 WaffG ist in § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG eine Verweisung auf die Voraussetzungen in § 2 Abs. 1 oder 3 WaffG enthalten. Während § 51 WaffG als Verbrechen ausgestaltet ist, sind die Regelungen in den § 52 WaffG als Vergehen konzipiert, wobei § 52 Abs. 3 WaffG die mildesten Strafen vorsieht. Neben dem WaffG finden sich weitere Besitztatbestände im Kriegswaffenkontrollgesetz. Während das WaffG noch ausdrücklich das Wort „besitzen“ verwendet, stellt das KrWaffG nur auf das waffenrechtliche Definiens, das Ausüben der tatsächlichen Gewalt ab. So heißt es in § 19 Abs. 1 Nr. 1 KrWaffG „… wird bestraft, wer (…) die tatsächliche Gewalt über [Atomwaffen] (…) ausübt“613. Die gleiche Formulierung findet sich in § 20 Abs. 1 Nr. 1 KrWaffG614 für biologische oder chemische Waffen, in § 20a Abs. 1 610  Wobei es sich bei den Regelungen in § 53 WaffG nur um Bußgeldvorschriften handelt. 611  Die weiteren genannten Umgangsformen entsprechen im Wesentlichen denen aus § 1 Abs. 3 WaffG („erwerben, besitzen, überlassen, führen, verbringen, mitnehmen, herstellen, bearbeiten, instand setzen oder damit Handel treiben“); lediglich das unerlaubte Schießen ist nicht aufgeführt. Da es an dieser Stelle allein auf die Besitzstrafbarkeiten ankommt, werden die anderen Tatmodalitäten im Folgenden – bis auf explizit dargestellte Ausnahmen – nicht mehr aufgeführt, auch wenn das Gesetz in der entsprechenden Norm nicht nur den Besitz unter Strafe stellt. 612  § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG a. E. enthält eine gesetzliche Subsidiaritätsklausel, so dass die Tat nach der Vorschrift nur strafbar ist, wenn sie nicht in § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. a oder b WaffG mit schwerer Strafe bedroht ist. 613  § 19 Abs. 2 KrWaffG stellt die dazugehörige Qualifikation dar, Abs. 3 regelt die minder schweren Fälle und Abs. 4 die Strafbarkeit bei fahrlässiger Begehung; in Abs. 5 ist die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Herbeiführung der konkreten Gefahr normiert. 614  In Abs. 2 findet sich die Regelung für minder schwere Fälle, in Abs. 3 für fahrlässige Begehung.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten107

Nr. 1 KrWaffG615 für Personen- und Landminen und in § 22a Abs. 1 Nr. 6 lit. a KrWaffG616 für sonstige Kriegswaffen. Die Regelung in § 22a Abs. 1 Nr. 6 lit. a KrWaffG ist dabei als subsidiärer Auffangtatbestand ausgestaltet, was sich sowohl aus der Überschrift als auch aus der Formulierung „… sonst die tatsächliche Gewalt ausübt …“ ergibt. Da die Ausübung der tatsächlichen Gewalt im KrWaffG keiner Genehmigungspflicht unterliegt, ist nach Nr. 6 lit. a die Ausübung der tatsächlichen Gewalt strafbar, sofern für den Erwerb der tatsächlichen Gewalt keine Genehmigung vorlag. Erfasst werden somit vor allem Fälle, in denen nicht schon ein ungenehmigter Erwerb festgestellt oder nachgewiesen617 werden kann oder der unerlaubte Erwerb infolge Verjährung nicht mehr verfolgbar ist.618 bb) Tatsächliche Gewalt i. S. d. WaffG Schlüsselbegriff der vorangegangenen Beispiele ist die Ausübung der tatsächlichen Gewalt. Auch wenn tatsächliche Gewalt in Anlage 1 Abschn. 2 als Definiens sowohl für den Besitz als auch für den Erwerb, das Überlassen und das Führen angeführt wird, so wird doch an keiner Stelle im WaffG definiert, welche Voraussetzungen an diese zu stellen sind. Die vorangegangene Analyse619 hat jedoch gezeigt, dass die Ausübung der tatsächlichen Gewalt mit den Anforderungen des Gewahrsams übereinstimmen und zumindest auch mit dem unmittelbaren Besitz aus § 854 BGB korrespondieren. Objektive Voraussetzung ist damit wie im Zivilrecht620 und im Falle des Gewahrsams621 die Innehabung der tatsächlichen Herrschaft über eine Sache, so dass für die Ausübung der tatsächlichen Gewalt damit ebenfalls 615  Im Gegensatz zu § 19 Abs. 2 KrWaffG stellt § 20a Abs. 2 KrWaffG keine eigenständige Qualifikation, sondern „lediglich“ eine Strafzumessungsregel dar (Heinrich, in: MüKo, § 20a KrWaffG Rn. 8), während die Absätze 3 und 4 die Fälle minder schwerer und fahrlässiger Begehung regeln. 616  In Abs. 2 findet sich eine Strafschärfung, wobei der Gesetzgeber diese als Regelbeispiele ausgestaltet hat, so dass es neben der bandenmäßigen und gewerbsmäßigen Begehung auch unbenannte Fälle geben kann (Pottmeyer, § 22a KrWaffG Rn. 182). Die Absätze 3 und 4 regeln wieder die Fälle minder schwerer und fahrlässiger Begehung. 617  Bis zur Einführung des Besitzverbots konnte sich die im Besitz von Kriegswaffen angetroffene Person unwiderleglich darauf berufen, die Waffe geerbt, gefunden oder in ähnlicher Weise erworben zu haben; im Privatbesitz befindliche Kriegswaffen müssen daher nach § 26a KrWaffG angemeldet werden. 618  Vgl. Heinrich, in: MüKo, § 22a KrWaffG Rn. 73; Lampe, in: Erbs / Kohlhaas, § 22a KrWaffG Rn. 9; Schulz, NJW 1978, 1510. 619  Siehe oben B. III. 2. b) dd) (2). 620  Siehe nur Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 3 m. w. N. 621  Siehe nur Fischer, § 242 StGB Rn. 11 m. w. N.

108

B. Besitz i. S. d. Strafrechts

die Möglichkeit erforderlich ist, über einen Gegenstand nach eigenem Willen zu verfügen.622 Die tatsächliche Gewalt über einen Gegenstand übt aber nicht nur derjenige aus, der diesen „in den Händen hält“ bzw. den unmittelbaren Zugriff darauf hat.623 Wie im Falle des Gewahrsams624 hat eine Gesamtschau aus Herrschaftsbereich und Verkehrsanschauung zu erfolgen, so dass z. B. auch der abwesende Wohnungsinhaber bzw. derjenige, der seinen PKW auf einem Parkplatz abgestellt hat,625 noch die tatsächliche Gewalt über Waffen ausübt, die sich an einem solchen Ort befinden.626 Daher übt auch der Ladeninhaber weiter die tatsächliche Gewalt über die Waffen in seinem Waffengeschäft aus, selbst wenn dort an seiner Stelle ein Mitarbeiter diese verkauft,627 oder er nach Geschäftsschluss seinen Laden verlässt. Ebenso ist der Besitzer des einzigen Schlüssels zu einem Waffenschrank selbst dann Inhaber der tatsächlichen Gewalt, wenn die Waffen im Eigentum eines anderen stehen.628 Andererseits übt derjenige, der einen Gegenstand verloren hat, nicht mehr die tatsächliche Gewalt über diesen aus.629 Zu der objektiven Sachherrschaft muss subjektiv noch ein Herrschaftswille hinzutreten, der zumindest im Zeitpunkt der Erlangung der tatsächlichen Gewalt bestanden hat. Es ist daher zumindest Kenntnis von der Entstehung des Herrschaftsverhältnisses erforderlich,630 so dass ein unbewusstes Innehaben auch hier nicht ausreichend ist.631 Ausreichend ist aber ein genereller Herrschaftswille, ohne dass eine genaue Kenntnis der Gegenstände – wie 622  BGHSt 26, 12 (15); BGH NStZ 1997, 604; OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057; vgl. auch BT-Drucks. 6 / 2678, S. 25. 623  Vgl. Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 150. 624  Siehe oben B. III. 2. b) cc). 625  Vgl. OLG Braunschweig, GA 1978, 245 (247). 626  Dass die körperliche Anwesenheit des Inhabers zur Ausübung der tatsäch­ lichen Gewalt nicht von Nöten ist, ergibt sich auch direkt aus dem Wortlaut der Anlage 1 Abschnitt 2 Nummer 2 WaffVwV zum WaffG: „… erfordert nicht die Anwesenheit des Inhabers; so bleiben … in der tatsächlichen Gewalt des abwesenden Inhabers.“ 627  Siehe zur Gewahrsamsdienerschaft und der Frage der Kongruenz von Gewahrsam und tatsächlicher Gewalt oben A. II. 3. a). 628  So z. B. OLG Koblenz, OLGSt § 6 WaffG S. 1 (3); Heinrich, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 1 WaffG Rn. 36; Heller / Soschinka, Waffenrecht, Rn. 421. 629  So ausdrücklich noch Nr. 4.1 S. 9 WaffVwV zum WaffG a. F.; gleiches gilt für den Gewahrsam i. S. d. § 242 StGB (s. nur Fischer, § 242 StGB Rn. 15). 630  So schon Nr. 4.1 S. 7 WaffVwV zum WaffG a. F.; OLG Düsseldorf, JZ 1985, 252; OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057; OLG Koblenz, OLGSt § 6 WaffG S. 1 (3); Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 152. 631  Vgl. OLG Braunschweig, GA 1978, 245 (247); OLG Stuttgart, OLGSt § 4 WaffG S. 1.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten109

beispielsweise bei einem geerbten Waffenschrank – erforderlich ist.632 Dieser ist unter anderem dann gegeben, wenn der Täter eine entsprechende Empfangsvorrichtung unterhält, unabhängig davon, ob der konkret empfangene Gegenstand seinem Willen entspricht.633 Wie schon im Falle des nur kurzen Drogentransports, begründet eine kurze Hilfstätigkeit634 aber keine tatsächliche Gewalt.635 Strikt von dem Herrschaftswillen ist wie schon im Falle des Besitzes und Gewahrsams die Frage nach einem entsprechenden Vorsatz zu trennen. Während es für den strafrechtlichen Besitz ausreichend ist, wenn der Täter weiß, dass er ein verschlossenes Behältnis mit irgendwelchen Gegenständen in den Händen hält, muss der Täter für eine Bestrafung z. B. nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WaffG jedoch auch um die Waffeneigenschaft dieser Gegenstände wissen; der Vorsatz muss sich auf den Tatumstand „Besitzen einer Schusswaffe“ und „ohne Erlaubnis“636 beziehen.637 Der Vorsatz muss damit konkreter sein als der bloße Besitzwille. Daher löst Pottmeyer638 den Fall des aufgedrängten Besitzes ebenfalls über den Vorsatz. Wer eine Kriegs­waffe ungenehmigt, aber straffrei (z. B. unbemerkt) erhalten hat und diese entdeckt, soll straffrei bleiben, wenn er die Entdeckung unverzüglich den Behörden meldet. Ein entsprechender Transport oder Entledigen der Kriegswaffen würde eine weitere Straftat darstellen, weswegen der Besitz in diesem Fall straffrei sein muss.639 Der Täter hat in diesem Fall zwar Besitzwillen und damit auch Besitz, nicht aber Vorsatz hinsichtlich des Besitzes einer Kriegswaffe. 632  Vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057; Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 152. 633  Vgl. Pottmeyer, § 2 KrWaffG Rn. 57; gleiches gilt auch im Zivilrecht: vgl. zu unbestellt zugesandten Waren nur Bassenge, in: Palandt § 854 BGB Rn. 5; allein die Einrichtung einer solchen Empfangseinrichtung ist jedoch nicht ausreichend, sondern kann nur zusammen mit einer entsprechenden Bereitschaft und Erwartung, Waffen über diese entgegenzunehmen, eine tatsächliche Gewalt an diesen begründen. Ein genereller Wille bei der Entgegennahme eines PKW mit einer im Handschuhfach versteckten Waffe kann daher nicht angenommen werden, wenn der Entgegennehmende nicht mit dem Vorhandensein einer Waffe rechnen musste oder konnte; vgl. OLG Braunschweig, GA 1978, 245 (247). 634  Siehe unter B. IV. 1. a) aa) (1); vgl. auch BGHSt 26, 117. 635  So z. B. BGHSt 26, 12 (16); BGHSt 28, 294; Heinrich, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 1 WaffG Rn. 35. 636  Das Fehlen der behördlichen Erlaubnis stellt ein „negatives Tatbestandsmerkmal“ dar und gehört damit zum objektiven Tatbestand (Heinrich, in: MüKo, § 52 WaffG Rn. 2) mit der Folge, dass sich der Vorsatz des Täters auch auf die fehlende Erlaubnis beziehen muss. 637  Vgl. auch Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 152. 638  Pottmeyer, § 22a KrWaffG Rn. 55. 639  Vgl. Pottmeyer, § 22a KrWaffG Rn. 55.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Damit lässt sich für den Herrschaftswillen bei der tatsächlichen Gewalt eine Parallele zum Betäubungsmittelbesitz ziehen. Auch dort spielt nach Eckstein640 der Besitzzweck eine beschränkende Rolle. Anders als bei Pottmeyer ist der Besitzzweck jedoch bereits ein den Herrschaftswillen beschränkendes Element, so dass aufgedrängter Besitz erst durch den Willen, den illegalen Zustand bewusst aufrechtzuerhalten und nicht sofort durch Rückgabe, Vernichtung oder Abgabe bei der Polizei zu beenden, zu tatbestandsmäßigem Besitz wird.641 Wie in allen Besitzfällen, kann der Besitzer seinen Herrschaftswillen aufgeben und so die tatsächliche Sachherrschaft verlieren. Erforderlich sind dafür regelmäßig ein darauf gerichtetes, nach außen erkennbares Verhalten sowie ein konkreter Aufgabewille.642 c) Mit-sich-führen, Mitführen und Führen aa) Vorkommen in Strafnormen Eine weitere in § 1 Abs. 3 WaffG aufgeführte Umgangsform mit Waffen und Munition ist die Tathandlung des Führens. Nach der Definition in Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 4 zum WaffG führt eine Waffe643, wer die tatsächliche Gewalt darüber außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume, des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte644 ausübt.645 Strafbar ist dabei beispielsweise nach § 51 Abs. 1 WaffG jeglicher Umgang und damit neben dem oben dargestellten Besitz auch das Führen von den in der entsprechenden Anlage näher bezeichneten Gegenständen, nach § 52 Abs. 1 WaffG neben den anderen Umgangsformen auch das Führen von ehemaligen Kriegswaffen und Molotowcocktails und nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG das Führen von halbautomatischen Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begeht zum Beispiel, wer Elektroimpulsgeräte führt. 640  Siehe

oben B. IV. 1. a) aa) (2). auch Eckstein, Besitz, S. 115, der sich jedoch insoweit widerspricht, als dass er den Besitzzweck darüber hinaus in den Vorsatz überträgt. Richtigerweise schränkt der Besitzzweck den Herrschaftswillen bereits auf Seiten des objektiven Tatbestands ein, so dass eine Lösung über den Vorsatz entbehrlich ist. 642  Siehe OLG Braunschweig, GA 1978, 245 (247); OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057. 643  Der Begriff des Führens bezieht sich nur auf Waffen, nicht auch auf Munition (Gade, Waffenrecht, S. 21). 644  Mit der Einführung „oder einer Schießstätte“ durch das WaffRÄndG wurde 2008 klargestellt, dass die Ausübung der tatsächlichen Gewalt auf einer Schießstätte nicht als öffentliches Führen gilt (BT-Drucks. 16 / 8224 S. 9 und 19). 645  Vgl. Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 168. 641  Vgl.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten111

Der Begriff des „Führens“ findet darüber hinaus auch außerhalb des Waffenrechts Verwendung. So macht sich nach § 27 Abs. 1 VersG646 strafbar, wer bei Versammlungen Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind oder nach § 27 Abs. 2 VersG Schutzwaffen mit sich führt. Der Begriff des Mitführens entspricht dabei dem des Beisichführens in § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB.647 Nach § 96 Nr. 18 AMG ist zu bestrafen, wer entgegen § 59a Abs. 1 oder 2 AMG Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen mit sich führt, die bei der Herstellung von Tierarzneimitteln nicht verwendet werden dürfen648. Die Regelung soll sicherstellen, dass solche Stoffe nur gehandelt oder in Besitz genommen werden, wenn sie nachweislich für eine zulässige Anwendung bestimmt sind.649 Die wahrscheinlich bekanntesten Formen650 des Führens eines Gegenstandes aus dem StGB finden sich als Beisichführen in den § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB, die Diebstahl bzw. Raub in den Fällen qualifizieren, in denen der Täter bei Tatbegehung eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug651 bei sich geführt hat. Die exemplarisch aufgeführten Regelungen sind insoweit vergleichbar, als dass in den dargestellten Fällen das „Führen“ eine Form des Besitzens darstellt, so dass die aufgezeigten Beispiele als Besitzdelikte klassifiziert werden können. Die Unterschiede zum einfachen Besitz werden im Anschluss kurz dargestellt. Dazu müssen die Delikte, in denen der Gesetzgeber die Tatmodalität des „Führens“ verwendet, jedoch zunächst untereinander abgegrenzt werden, da nicht jedes Führen ein reines Besitzdelikt darstellt. So macht sich zum Beispiel nach § 15 Abs. 1 FlRG652 strafbar, wer als Führer eines Seeschiffes oder sonst Verantwortlicher für ein Seeschiff vor646  Versammlungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1978 (BGBl. I 1978, S. 1789), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8.  Dezember 2008 (BGBl. I 2008, S. 2366) geändert worden ist. 647  So ausdrücklich BGHSt 42, 368 (371); Altenhain, in: MüKo, § 24 VersG Rn. 14. 648  Das sind insbesondere solche Stoffe, deren Rückstände eine besondere Gefährdung der Verbraucher verursachen (Heßhaus, in: Spickhoff, § 59a AMG Rn. 1; Rehmann, § 59a AMG Rn. 1). 649  Siehe BT-Drucks. 9 / 1598 S. 15. 650  Die Fälle des Beisichführens aus dem StGB sind in den §§ 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 121 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 1 und 2, 125a Satz 2 Nrn. 1 und 2, 177 Abs. 3 Nrn. 1 und 2, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b, § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b, Abs. 2 Nr. 2 StGB normiert. 651  Gefährliches Werkzeug ist der Oberbegriff (BGHSt 44, 103 [105]; Geppert, Jura 1999, 599 [600]), die Waffe nur ein Beispiel (Lackner / Kühl, § 244 StGB Rn. 3). 652  Keine amtliche Abkürzung; neugefasst durch BGBl. I S. 3140; zuletzt geändert durch Artikel 2 G. v. 25.06.2009 BGBl. I 2009, S. 1574.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

sätzlich oder fahrlässig entgegen § 6 Abs. 1 FlRG eine andere Nationalflagge als die Bundesflagge führt. Ebenso wird bestraft, wer entgegen § 8 Abs. 1 FlRG die Bundesflagge führt. Das Führen erfordert in diesem Zusammenhang anders als im Fall des waffenrechtlichen Führens mehr als ein Ausüben der tatsächlichen Gewalt. Erforderlich ist ein Zeigen der Flagge.653 Auch das Führen eines Kfz ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, 1. Fall StVG meint mehr als das „Haben“ eines Kfz; erforderlich ist ein Inbewegungsetzen.654 Gleiches gilt in diesem Zusammenhang in den Fällen der §§ 315a ff StGB, welche die Strafbarkeit für die Fälle regeln, in denen der Täter in fahruntüchtigem Zustand655 ein Fahrzeug führt. In den aufgezeigten Fällen erfordert die Tatbegehung neben dem bloßen Besitz noch eine weitere nach außen erkennbare Handlung, im Falle des Führens eines Kraftfahrzeuges einen auf die tatsächlich erfolgte Fortbewegung gerichteten Willensakt bei tatsächlicher Fortbewegung.656 Neben dem (Mit-)Führen im Sinne eines „Dabeihabens“ und dem Führen als „Haben in Verbindung mit einem Ausüben“ existieren noch Fälle, die nicht mit dem klassischen Besitzdelikt korrelieren. Exemplarisch sei nur § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB erwähnt, wonach sich strafbar macht, wer unbefugt einen näher bestimmten Titel führt. Führen in diesem Sinne ist aktive Äußerung des Täters gegenüber seiner Umwelt, mit der er die Bezeichnung in einer die geschützten Interessen berührenden Weise und Intensität in Anspruch nimmt.657 Damit unterscheidet sich das „Führen“ grundlegend von dem der bis hierhin genannten Tatbestände, da sich § 132a StGB nicht auf einen körperlichen Gegenstand bezieht. Der Überblick über die unterschiedlichen Formen des Führens hat gezeigt, dass sich auch die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals nach dem Zusammenhang richtet, in welchem es verwendet wird.658 Im Folgenden sollen kursorisch die Voraussetzungen und Unterschiede zum Besitz herausgearbeitet werden. Dabei werden nur die Formen des Führens betrachtet, die Stöckel, in: Erbs / Kohlhaas, F 121 § 15 FlRG Rn. 2. BGHSt 35, 390 (394 f.); AG Freiburg, NJW 1986, 3151 (3152), das sich unter anderem auf die Ableitung des Wortes „Führen“ von „Fahren“ stützt (vgl. Duden „führen“, Bedeutung [8 a)]); Burmann, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, § 316 StGB Rn. 3; Jagusch, in: Hentschel / König / Dauer, § 21 StVG Rn. 11. 655  Das Gesetz nennt als Ursachen für die Fahruntüchtigkeit in § 316 Abs. 1 StGB den Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel und zusätzlich in den §§ 315a Abs. 1 Nr. 1, 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b StGB geistige oder körperliche Mängel. 656  OLG Frankfurt, NZV 1990, 277. 657  Vgl. Fischer, § 132a StGB Rn. 21; Lackner / Kühl, § 132a StGB Rn. 7; Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, § 132a StGB Rn. 17. 658  Allgemein zur Auslegung und speziell zum Verwendungszusammenhang Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff. (324). 653  Vgl. 654  Vgl.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten113

im Kern ein Besitzdelikt darstellen. Das Führen von Titeln wird als Beispiel für die Relativität der Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung des Besitzbegriffes erneut aufgegriffen.659 bb) Tatbestandsvoraussetzungen Das Führen i. S. d. WaffG entspricht nach der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung in Nr. 4.1 Anl. 1 A 2 zum WaffG dem des waffenrechtlichen Besitzes, erweitert um die Besonderheit, dass die tatsächliche Gewalt außerhalb der dort genannten Räumlichkeiten ausgeübt wird.660 Die schon wörtliche Übereinstimmung mit dem Besitz ist dabei vom Gesetzgeber bewusst gewählt worden661 und stellt eine Abkehr zur früher von der Rechtsprechung getroffenen Auslegung dar. Bis zur Waffenrechtsreform 1972 wurde unter Führen nicht nur der bloße Transport verstanden. Die Waffe musste ähnlich wie im Falle des Beisichführens i. S. d. §§ 244 Abs. 1 Nr. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB in einem gebrauchsfertigem und zugriffsbereitem Zustand im Sinne eines Ausgerüstet-Seins mitgeführt werden.662 Nach heutiger Ansicht muss die Waffe nicht mehr gebrauchsbereit sein; ebenso muss der Täter keine zugehörige Munition mitführen.663 Dies ergibt sich im Umkehrschluss auch aus § 12 Abs. 3 WaffG, wonach eine Erlaubnis für das Führen dann nicht erforderlich ist, wenn die Waffe weder schuss- noch zugriffsbereit transportiert wird.664 Ein Führen ist in diesem Fall dennoch gegeben. Anders verhält es sich hingegen im Versammlungsrecht, wo im Falle des § 27 Abs. 1 VersG für das Führen neben dem „Dabeihaben“ erforderlich ist, dass der Täter die Waffe zum sofortigen Zugriff zur Verfügung zu haben und sich dessen auch bewusst zu sein hat.665 Verwendet der Täter die Waffe jedoch außerhalb der genannten Räumlichkeiten, ist unstreitig ein Führen als intensivste Form der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft gegeben, auch wenn die Waffe lediglich kurzfristig für das Schießen überlassen worden war.666 Die räumlichen Bestim659  Siehe

unten E. I. 1. nur Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 168. 661  BT-Drucks. 6 / 2678 S. 26; Nr. 4.2 S. 2 und 3 WaffVwV zum WaffG a. F. 662  Vgl. RGSt 18, 367 (368); RGSt 66, 191 (193); Potrykus, NJW 1965, 1164 (1165). 663  Vgl. Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 169. 664  So auch Heller / Soschinka, Waffenrecht, Rn. 487; zum reinen Transport muss noch ein Bedürfnis für das erlaubnisfreie Führen kommen. 665  Vgl. BGHSt 13, 260; Dietel / Gintzel / Kniesel, § 2 VersG Rn. 26; Wache, in: Erbs / Kohlhaas, § 2 VersG Rn. 13. 666  Siehe OLG Hamburg, JW 1930, 2150; Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 170; Potrykus, NJW 1965, 1164 (1165). 660  Vgl.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

mungen hinsichtlich des Führens i. S. d. Waffenrechts entsprechen dabei im Wesentlichen denen des § 123 StGB,667 jedoch ohne dabei alle Sonderformen zu berücksichtigen. Hervorzuheben ist dabei, dass Fahrzeuge nicht als befriedetes Besitztum angesehen werden können und insofern auch derjenige eine Waffe führt, der diese in seinem PKW aufbewahrt.668 d) Aufbewahren, Verwahren, Lagern, Vorrätig- und Bereithalten Neben den oben dargestellten Formen des Habens oder Dabeihabens eines Gegenstandes existiert im Strafrecht ein weiterer umfangreicher Komplex, der den Besitz an Gegenständen unter Strafe stellt, die der Täter aufbewahrt, verwahrt, lagert, vorrätig oder bereithält. Trotz der sich auf den ersten Blick aufdrängenden Ähnlichkeit der Tathandlungen, unterscheiden sich diese zum Teil stark. Im Folgenden werden exemplarisch einige Tatbestände dargestellt und deren Voraussetzungen im Hinblick auf das Besitzelement untersucht. aa) Aufbewahren und Verwahren Die Tatmodalität des Aufbewahrens findet sich zum Beispiel in § 328 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit radioaktiven Stoffen, in § 3 Abs. 2 Nr. 1 SprengG hinsichtlich explosionsgefährlicher Stoffe und in § 75 Abs. 1 Nr. 3 IfSG669 im Zusammenhang mit Krankheitserregern. Fälle des Verwahrens finden sich unter anderem in § 87 Abs. 1 Nr. 3 StGB hinsichtlich Sabotagemitteln, in § 149 Abs. 1 StGB und § 152a Abs. 5 StGB für Vorrichtungen für Geld- und Zahlungskartenfälschung oder im Zusammenhang mit Sprengstoffen und ähnlichen Stoffen bei Explosions- und Strahlungsverbrechen i. S. d. § 310 Abs. 1 StGB und bei Branddelikten nach § 316c StGB. Das Aufbewahren i. S. d. § 328 Abs. 1 StGB entspricht dabei dem des unmittelbaren Besitzes.670 Der Ansatz Steindorfs671, auf die Ausübung der tatsächlichen Gewalt abzustellen und zusätzlich ein Element des Bewahrens und Behütens zu fordern, vermag dabei nicht zu überzeugen. Hinsichtlich des Abstellens auf die Innehabung der tatsächlichen Gewalt orientiert sich 667  Vgl.

BT-Drucks. 6 / 2678 S. 26. auch OLG Braunschweig, GA 1978, 245 (247); Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 172. 669  Infektionsschutzgesetz, BGBl. I 2000, S. 1045. 670  Vgl. Heine, in: Sch / Sch, § 328 StGB Rn. 6, der auf die Innehabung der Sachherrschaft abstellt; Ransiek, in: NK, § 328 StGB Rn. 4; Witteck, in: Beck’scher OK, § 328 StGB Rn. 7. 671  Steindorf, in: LK, 11. Aufl., § 328 StGB Rn. 6. 668  Siehe



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten115

Steindorf zu sehr an den waffenrechtlichen Regularien, die auch den mittelbaren Besitz und die Besitzdienerschaft umfassen. Er übersieht dabei, dass gerade der Besitzdiener nicht im Sinne des § 328 Abs. 1 StGB aufbewahrt.672 Daneben unterscheidet das Sprengstoffgesetz ausdrücklich zwischen dem Aufbewahren und dem Ausüben der tatsächlichen Gewalt, indem § 19 Abs. 2 SprengG neben den Personen, die entsprechende Stoffe aufbewahren, auch diejenigen zu den Verantwortlichen zählt, die die tatsächliche Gewalt über die explosionsgefährlichen Stoffe ausüben.673 Für das Merkmal des Bewahrens und Behütens hingegen gibt es schon in der Norm keinen Anhaltspunkt. Verwahren i. S. d. §§ 149 Abs. 1, 310 Abs. 1, 316c StGB erfordert, dass der Täter den Gewahrsam (im Sinne des § 242 StGB) für einen anderen an dem Gegenstand ausübt,674 so dass insoweit die oben zum Gewahrsam getroffenen Ausführungen gelten.675 bb) Lagern Neben dem Aufbewahrungstatbestand in § 328 Abs. 1 StGB finden sich noch weitere Besitzdelikte im Umweltstrafrecht676. Nach § 326 Abs. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer in den Nrn. 1 bis 4 näher bestimmte gefährliche Abfälle außerhalb der zugelassenen Anlagen oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren lagert. Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob die Regelung in § 326 StGB ein Besitzdelikt darstellt. Besitzdelikte zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Tathandlung im Besitzen körperlicher Gegenstände besteht und sich darin erschöpft. Das ist nicht der Fall, wenn der tatbestandsmäßige Geschehensablauf zwar den Besitz beschreibt, das Gesetz aber einen anderen Strafgrund verfolgt.677 Lagern i. S. d. § 326 Abs. 1 StGB ist nach überwiegendem Verständnis jede vorübergehende Aufbewahrung,678 insbesondere eine Zwischenlagerung auch Eckstein, Besitz, S. 118 f. Eckstein, Besitz, S. 119. 674  Für § 149 StGB: Erb, in: MüKo, § 149 StGB Rn. 5; Lackner / Kühl, § 149 StGB Rn. 4; Ruß, in: LK, 12. Aufl., § 149 StGB Rn. 5; Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, § 149 StGB Rn. 6; für § 310 StGB: Fischer, § 310 StGB Rn. 3; Heine, in: Sch / Sch, § 310 StGB Rn. 6; Krack, in: MüKo, § 310 StGB Rn. 8. 675  Siehe oben unter B. III. 2. b) bb). 676  29. Abschnitt des StGB: Straftaten gegen die Umwelt (§§ 324 ff). 677  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 62. 678  So z. B. BGHSt 40, 79 (82); Fischer, § 326 StGB Rn. 7a; Rengier, JR 1996, 34. 672  So

673  Vgl.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

mit dem Ziel der späteren endgültigen Beseitigung.679 Auf den ersten Blick wird allein das „Haben“ der gefährlichen Abfälle bestraft, so dass eine Einordnung als Besitzdelikt folgerichtig erscheint. Betrachtet man den Gesetzeswortlaut in Absatz 1 jedoch genauer, fallen neben dem Lagern noch weitere Begehungsformen auf, vor allem „oder sonst beseitigt“. Es drängt sich dabei die Vermutung auf, die einzelnen Begehungsformen seien lediglich exemplarisch als Unterfälle des Oberbegriffs des Beseitigens aufgeführt.680 Das Lagern von gefährlichen Abfällen wäre damit eine besondere Form des Beseitigens. Infolgedessen wäre der Strafgrund nicht das bloße Haben der Sache, sondern deren Beseitigung entgegen spezieller gesetz­ licher Regularien, so dass § 326 StGB kein Besitzdelikt darstellen würde. Andererseits passen Behandeln und Lagern schon ihrer allgemeinen Wortbedeutung nach nicht unter das Beseitigen.681 Wer Abfälle lagert, beseitigt sie gerade nicht, weswegen es näher liegt, die „sonst“-Verknüpfung allein auf das Ablassen zu beziehen.682 Darüber hinaus ist es gleichgültig, ob die Abfallstoffe nach der vorübergehenden Aufbewahrung endgültig beseitigt oder nach Entsorgung ganz oder zum Teil dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden sollen.683 Gleiches gilt auch für das Behandeln, unter welchem lediglich jede qualitative oder quantitative Veränderung von Abfällen verstanden wird.684 Es kommt daher gerade nicht auf eine Beseitigung im Sinne einer Vernichtung an. Strafgrund für das Behandeln und Lagern stellt damit nicht das Lagern zum Zwecke der Beseitigung – als Form der Beseitigung –, sondern zusammen mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal „außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage“ der Besitz entsprechender Abfälle an einem unsicheren Ort dar. § 326 StGB stellt damit entgegen Eckstein685 ein Besitzdelikt dar. Auch in § 328 StGB findet sich neben dem dargestellten Aufbewahrungstatbestand aus Absatz 1 in Absatz 3 Nr. 1 ein Verbot, radioaktive Stoffe oder Gefahrenstoffe im Sinne des Chemikaliengesetzes zu lagern, sofern dadurch die Gesundheit eines anderen, eines dem Täter nicht gehörenden Tieres oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet wird. § 96 Nr. 18 AMG 679  Vgl.

BGHSt 37, 258. die wohl überwiegende Meinung: Fischer, § 326 StGB Rn. 7; Lackner / Kühl, § 326 StGB Rn. 7; Möhrenschlager, NuR 1983, 209 (217); Schall, NStZ 1997, 462 (466); Witteck, in: Beck’scher OK, § 326 StGB Rn. 20. 681  So auch Heine, in: Sch / Sch,§ 326 StGB Rn. 10. 682  Vgl. Ransiek, in: NK, § 326 StGB Rn. 27. 683  Siehe BGHSt 37, 333 (337); Lackner / Kühl, § 326 StGB Rn. 7b; Ransiek, in: NK, § 326 StGB Rn. 30. 684  Vgl. BT-Drucks. 8 / 2382 S. 18; Aufzählung bei Alt, in: MüKo, § 326 StGB Rn.  40 m. w. N. 685  Eckstein, Besitz, S. 64. 680  So



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten117

stellt – neben dem oben dargestellten Mitsichführen686 – das Lagern von Stoffen oder Zubereitungen aus Stoffen entgegen § 59a AMG unter Strafe. Im Fall des § 328 Abs. 3 Nr. 1 StGB stellt das Lagern einen Unterfall des Verwendens dar.687 Der Begriff des Verwendens orientiert sich dabei an der Legaldefinition aus § 3 Nr. 10 ChemG688, welche sich wiederum an § 3 Abs. 5 Satz 1 GefStoffV689 orientiert.690 Lagern ist danach das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Nach Eckstein691 scheiden dabei mittelbarer Besitz und Besitzdienerschaft aus, so dass Lagern bedeutet, zweckgebunden den unmittelbaren Besitz auszuüben. Dies ergebe sich auch aus den Anzeige- und Erlaubnispflichten aus § 17 Abs. 1 Nr. 2 ChemG, welche sich sinnvollerweise nicht an den mit der Lagerung betrauten Besitzdiener richten können.692 cc) Vorrätig- und Bereithalten Weitere Besitzdelikte sind solche, bei denen der Gesetzgeber das Vorrätig- oder Bereithalten von bestimmten Gegenständen für strafwürdig erachtet hat. Beispiele für ein Vorrätighalten finden sich unter anderem im Straf­ gesetzbuch. (1) Vorrätighalten i. S. d. StGB So ist es nach § 86 Abs. 1 StGB untersagt, Propagandamittel verfassungsfeindlicher Organisationen693 zur Verbreitung im In- oder Ausland oder nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB Gegenstände, die Kennzeichen694 einer in § 86 686  Siehe

oben unter B. IV. 1. c). nur Witteck, in: Beck’scher OK, § 328 StGB Nr. 23 m. w. N. 688  BT-Drucks. 12 / 192 S. 24; BayObLG, NJW 1995, 540 (541); Heine, in: Sch / Sch, § 328 StGB Rn. 15; Lackner / Kühl, § 328 StGB Rn. 4; Steindorf, in: LK, 11. Aufl., § 328 StGB Rn. 26; unklar Fischer, § 328 StGB Rn. 16, der auf seine Ausführungen zum Lagern i. S. d. § 326 StGB verweist. 689  BGBl. I 2010, S. 1643. 690  Vgl. Ambs, in: Erbs / Kohlhaas, § 3 ChemG Rn. 11; Kloepfer / Heger, Umweltstrafrecht, Rn. 330. 691  Eckstein, Besitz, S.  120 f. 692  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 121. 693  Das Tatobjekt Propagandamittel wird in § 86 Abs. 2 StGB näher bestimmt (Ellbogen, in: Beck’scher OK, § 86 StGB Rn. 1) und kann nur Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB erfassen (Fischer, § 86 StGB Rn. 3); die verfassungsfeindlichen Organisationen sind in den Nrn. 1–4 aufgeführt. 694  Der Begriff des Kennzeichens ist in Absatz 2 durch Beispiele erläutert, ohne dass die Aufzählung dabei abschließend ist. Kennzeichen lassen sich in Abgrenzung 687  Vgl.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Abs. 1 Nrn. 1–4 StGB bezeichneten Partei oder Vereinigung darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder öffentlichen Verwendung im In- oder Ausland vorrätig zu halten. § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. d, Abs. 4 StGB verbietet, volksverhetzende Schriften vorrätig zu halten, wenn diese oder aus ihnen gewonnene Stücke verbreitet werden sollen oder einem anderen ihre Verbreitung ermöglicht werden soll, während nach § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB derjenige zu bestrafen ist, der pornografische Schriften vorrätig hält, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nrn. 1–7 zu verwenden. § 184a Nr. 3 StGB erfasst die Fälle des Vorrätighaltens, die harte Pornografie695 zum Gegenstand haben und § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB die Fälle kinderpornografischer Schriften. All diesen Verboten ist gemein, dass es sich um Vorbereitungshandlungen zum Verbreiten handelt696 und daher zu dem reinen Im-Besitz-Haben noch eine Verwendungsabsicht hinzutreten muss.697 Bloßer Besitz oder das SichVerschaffen allein ist daher nicht strafbar.698 Es handelt sich daher um Absichtsdelikte mit überschießender Innentendenz.699 Fehlt diese Absicht und besitzt der Täter beispielsweise gewaltpornografische Schriften wissentlich, so ist er auch dann straflos, wenn er diese in der Absicht besitzt, sie zu vernichten oder aber auch für sich selbst zu besitzen, um diese beispielsweise anzuschauen.700 Denn § 184a StGB stellt in Nr. 3 lediglich das Vorrätighalten und nicht, wie 184b StGB in Abs. 4, auch den Besitz unter Strafe. Objektiv erfordert das Vorrätighalten, dass mindestens ein Stück verwahrt wird;701 ein „Vorrat“702 ist nicht erforderlich.703 Jedoch muss eine spätere zu § 86 StGB als optische oder akustische Symbole definieren (Kuschel, in: LK, 12. Aufl., § 86a StGB Rn. 4). Als Paradebeispiel ist das Hakenkreuz zu nennen (BGHSt 23, 267 [269]), wobei durch die Erweiterung des Tatbestandes durch Absatz  1 Satz  2 auf „zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen“ auch ein durchgestrichenes Hakenkreuz unter § 86a StGB fallen soll (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.  Mai 2006, abrufbar unter http: /  / goo.gl / Scfrx4, OLG Stuttgart, 11.04.2014; kritisch dazu Baumann / Zimmermann, famos 12.2006, S. 6). 695  Als „harte“ Pornografie wird die Darstellung sexueller Handlungen zwischen Menschen und Tieren und solche gewalttätiger Art verstanden (BGHSt 48, 278 (287); Fischer § 184a StGB Rn. 2, der die untechnische Bezeichnung vor dem Hintergrund des öffentlichen Verständnisses für missverständlich erachtet; siehe auch Gössel, Sexualstrafrecht, § 7 Rn. 35; Laubenthal, Handbuch, Rn. 893; Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 28). 696  Vgl. nur Fischer, § 86 StGB Rn. 13; § 86a StGB Rn. 17; § 130 StGB Rn. 21; § 184 StGB Rn. 20. 697  Vgl. allgemein für die Verbreitungsabsicht allein Fischer, § 86 StGB Rn. 16. 698  Vgl. Fischer, § 130 StGB Rn. 21. 699  Vgl. Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 139. 700  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 118; Horn, NJW 1977, 2329 (2331). 701  Siehe RGSt 42, 209 (210); 62, 396; Fischer, § 184 StGB Rn. 21.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten119

Verbreitung beabsichtigt sein, entweder im Wege der Kettenverbreitung oder wenn ggf. aus einem Muster weitere Kopien gewonnen werden sollen,704 etwa durch das Speichern einer Datei.705 702

703

Besitz und Verbreitungsabsicht alleine sind jedoch für ein Vorrätighalten nicht ausreichend. Hinzukommen muss eine eigene Verfügungsgewalt über die entsprechenden Schriften,706 was voraussetzt, dass der Täter über den Absatz zumindest mitbestimmen kann.707 Der bloße Besitzdiener muss mangels Verfügungsgewalt daher als Täter ausscheiden,708 während der mittelbare Besitzer bei entsprechender Einwirkmöglichkeit Täter sein kann.709 (2) Vorrätig- und Bereithalten in anderen Strafvorschriften Neben dem StGB finden sich im gesamten Nebenstrafrecht Tatbestände, die das Vorrätighalten bestimmter Gegenstände unter Strafe stellen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen orientieren sich dabei an dem oben Dargestellten, so dass auf diese verwiesen werden kann. Neben § 27 Abs. 1 Satz 2, 3. Fall VersG, der das Bereithalten710 von gefährlichen Gegenständen zur Verwendung bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen unter Strafe stellt, seien an dieser Stelle nur noch die Fälle des Inverkehrbringens i. S. d. AMG und die Regelungen aus dem Naturschutzund Lebensmittelrecht genannt. Dabei ist im Fall des AMG zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die Formulierung „vorrätig halten“ in den Strafvorschriften der §§ 95 und 96 AMG nicht findet. Stattdessen ist in den § 95 Abs. 1 Nrn. 1–3, 5a und § 96 Nrn. 1–3, 5, 7–9, 13, 14 AMG unter anderem 702  Etwas, was in mehr oder weniger großen Mengen zum Verbrauch, Gebrauch vorhanden, angehäuft ist, zur Verfügung steht (siehe Duden „Vorrat“, Bedeutung). 703  Vgl. Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184 StGB Rn. 46. 704  Siehe BayObLG, JZ 2002, 410 (411); Beisel, JR 2002, 348 (349); Lackner / Kühl, § 184 StGB Rn. 5; Laubenthal, Rn. 844; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184 StGB Rn. 46; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 279, 280; Schroeder, JZ 2002, 412 (413). 705  Vgl. Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184 StGB Rn. 46; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 280. 706  Vgl. Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184 StGB Rn. 42. 707  Vgl. Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184 StGB Rn. 46. 708  So auch RGSt 35, 317 (318); RGSt 42, 209; RGSt 47, 223 (227); Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 93; Lackner / Kühl, § 184 StGB Rn. 5. 709  Vgl. Lackner / Kühl, § 184 StGB Rn. 5. 710  Bereithalten erfordert, dass der Täter die Gegenstände jederzeit einem Dritten aushändigen kann (Dietel / Gintzel / Kniesel, § 27 VersG Rn. 2) und dass es zu dem Zweck geschieht, diese auf derartigen Veranstaltungen zu verwenden (Wache, in: Erbs / Kohlhaas, § 27 VersG Rn. 14).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

das Inverkehrbringen von Arzneimitteln unter Strafe gestellt. Dieses ist, neben anderen Begehungsformen, in § 4 Abs. 17 AMG als „Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe“ legal definiert, so dass die oben genannten Regelungen ebenfalls ein Vorrätighalten unter Strafe stellen. Inverkehrbringen setzt dabei, wie auch schon das Vorrätighalten i. S. d. oben genannten Vorschriften, neben einer irgendwie gearteten Lagerung der entsprechenden Arzneimittel die Absicht der Abgabe im Geltungsbereich des AMG voraus.711 Gleiches gilt in den Fällen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, welches ebenfalls auf ein Inverkehrbringen abstellt. Wie schon im AMG findet sich auch in § 3 Nr. 1 LFGB712 eine Begriffsbestimmung des Inverkehrbringens; statt einer Legaldefinition im LFGB verweist Nr. 1 jedoch direkt auf die Definition des Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) 178 / 2002. Inverkehrbringen erfasst dabei ebenso das Bereithalten für Verkaufszwecke713 und stimmt inhaltlich mit dem früheren Tatbestandsmerkmal des „Bereithaltens von Lebensmitteln für Verkaufszwecke“ aus § 7 LMBG714 überein.715 Strafbarkeiten finden sich im LFGB in den §§ 58, 59 LFGB716. Wie auch in den Fällen der §§ 70, 71 BNatSchG717 sind die Strafvorschriften im LF711  Vgl. Hasskarl / Bakkschai, in: Fuhrmann / Klein / Fleischfresser, § 17 Rn. 7f; Klosel / Cyran, § 4 AMG Erl. 53; Sander, § 4 AMG Erl. 21. 712  Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 2011 (BGBl. I 2011, S. 1770). 713  Vgl. auch Wehlau, § 3 LFGB Rn. 5. 714  Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1997 (BGBl. I 1997, S. 2296); das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) wurde durch Art. 5 Gesetz zur Neuordnung d. Lebensmittel- u. Futtermittelrechts vom 1.9.2005 (BGBl. I 2005, S. 2618 [2661]) von dem LFGB abgelöst. Einige Regelungen des LMBG sind unter der Bezeichnung „Vorläufiges Tabakgesetz“ erhalten geblieben. 715  Vgl. Voß / Behler, § 7 LFGB Rn. 26. 716  Die in § 58 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 festgelegten Sanktionsnormen haben Verstöße gegen Vorschriften zum Gegenstand, die sich auf Lebensmittel beziehen. Dagegen stellen die in Abs. 1 Nrn. 8 bis 10 geregelten Strafvorschriften auf Futtermittel ab. Abs. 1 Nrn. 11 und 12 regeln die Sanktionierung von Verstößen gegen kosmetikrechtliche Vorschriften. Die in Abs. 1 Nrn. 13 bis 16 festgelegten Normen beziehen sich auf die Sanktionierung von Verstößen gegen bedarfsgegenständerechtliche Vorschriften. Abs. 1 Nr. 17 ermöglicht die Sanktionierung von Verstößen gegen vollziehbare Anordnungen nach § 39 Abs. 2 Satz  1 LFGB (Domeier, in: Zipfel / Rathke, § 58 LFGB Rn. 6); nach Abs. 2 wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer zumindest bedingt vorsätzlich gegen Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 a) oder gegen Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Spiegelstrich 1 Verordnung (EG) Nr. 178 / 2002 verstößt (Domeier, in: Zipfel / Rathke, § 58 LFGB Rn. 57). 717  Zur Verweisungs- und Blanketttechnik und auch zu den Unterschieden zwischen diesen beiden Gesetzestechniken siehe Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 12 ff. und die Übersicht bei Kloepfer / Heger, Umweltstrafrecht, Rn.  76 ff., 93 ff.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten121

GB als Blankettvorschriften718 ausgestaltet, weswegen in der Regel lediglich das „Ob“719, nicht aber die konkrete Ausgestaltung der Strafnorm normiert ist. Stattdessen werden die entsprechenden Strafvorschriften über Verweisungen auf die jeweiligen Verordnungen und Richtlinien ausgestaltet. Im Falle des LFMG handelt es sich um eine unechte Blankettvorschrift, zum Teil mit Rückverweisungsklausel,720 die zum einen gesetzesintern, zum anderen z. B. in § 58 Abs. 1 Nr. 12 LFGB auf Rechtsverordnungen oder in § 58 Abs. 2 LFGB auf EG-Richtlinien verweisen. Eine weitere Darstellung der blankettausfüllenden Normen des LFGB, die sich nur im Tatobjekt voneinander unterscheiden, wäre an dieser Stelle nicht zielführend, so dass auf sie verzichtet werden kann. Nach § 71 Abs. 1 BNatSchG macht sich unter anderem strafbar, wer die in § 69 Abs. 3 Nr. 21 BNatSchG bezeichnete vorsätzliche Handlung gewerbs- oder gewohnheitsmäßig begeht und entgegen § 44 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG Tiere und Pflanzen einer besonders geschützten Art zum Verkauf vorrätig hält. Nr. 21 unterstützt dabei die Zugriffsverbote aus § 44 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG und erfasst alle vorbereitenden Aktivitäten, die zum Verkauf notwendig sind, einschließlich des Kaufs oder Verkaufs selbst.721 Für das Vorrätighalten muss zu dem reinen Besitz ebenfalls die Absicht der Weitergabe hinzukommen.722 718  Dannecker, in: Zipfel / Rathke, Vorbem. § 58 LFMG Rn. 29; Blankettstrafvorschriften sind solche, die eine Strafbarkeit normieren, ohne dass alle Tatbestandsmerkmale in der Norm aufgeführt sind. Stattdessen beinhalten die Regelungen Verweisungen auf Verordnungen, Richtlinien oder Gesetze, die den Tatbestand entsprechend komplettieren (vgl. Binding, Übertretung, Bd. 1, § 24 I 2 [S. 161 ff.]; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 94; ders., Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 99 ff.). Erst Blankettstrafgesetz und Ausfüllungsnorm zusammen ergeben das vollständige Strafgesetz (Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 80). Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Blankettvorschriften im Allgemeinen (Tiedemann, Wirtschaftstrafrecht, Rn. 100) und in den hier aufgezeigten Fällen würden den Rahmen dieser Übersicht sprengen. Für das LFGB ist im Ergebnis nur festzuhalten, dass sowohl das verweisende als auch das in Bezug genommene Gesetz formelle Gesetze sind, so dass es ausreicht, wenn der abstrakte Pflichtenverstoß und der geschützte Wert aus dem formellen Gesetz hervorgehen, während der konkrete Umfang der Pflicht sich auch durch Auslegung ergeben kann. Gegen die Blankettstraf- und Bußgeldtatbestände, die auf Ge- und Verbotsnormen des LFGB verweisen, bestehen daher im Hinblick auf den Grundsatz „nullum crimen sine lege“ keine Bedenken (vgl. BVerfGE 75, 329 [342]; BVerfGE 87, 399 [407]; Dannecker, in: Zipfel / Rathke, Vorbem. § 58 LFMG Rn. 30; kritisch Doepner, ZLR 2005, 679 [692]). 719  Siehe zu dem Erfordernis des Parlamentsvorbehalts nur BVerfGE 95, 96 (131). 720  Vgl. Wehlau, Vorbem. zu § 58 LMFG Rn. 10. 721  Vgl. Müggenborg, in: Frenz / Müggenborg, § 69 BNatSchG Rn. 41. 722  Siehe nur Pfohl, in: MüKo, § 66 BNatSchG a. F. Rn. 60 m. w. N.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

Damit dieses eigentlich bußgeldbewehrte vorsätzliche Verhalten aus dem Grundtatbestand des § 69 Abs. 3 BNatSchG eine Strafbarkeit nach sich ziehen kann, muss dieses gewerbs- oder gewohnheitsmäßig begangen werden.723 Das Tatbestandsmerkmal des gewerbsmäßigen Handelns ist gegeben, wenn es das Bestreben des Täters ist, sich aus wiederholter Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Darauf, dass es sich um eine wiederholte Handlung handelt, kommt es nicht an, weswegen auch eine einzige Handlung ausreichend sein kann.724 Gewohnheitsmäßig handelt hingegen, wer aus einem durch wiederholte Begehung ausgebildeten, selbstständig fortwirkenden Hang handelt.725 Anders als im Falle der Gewerbsmäßigkeit ist für eine gewohnheitsmäßige Begehung jedoch Voraussetzung, dass mindestens zwei Einzeltaten begangen worden sind.726 e) Zusammenfassung Die Übersicht der verschiedenen Besitzformen hat zum einen viele Gemeinsamkeiten, zum anderen aber auch entscheidende Unterschiede aufgezeigt. So ist allen das tatsächliche Herrschaftsverhältnis zwischen einer Person und einer Sache gemein, wobei das faktische Verhältnis im Sinne eines „Habens“ einer Sache Grundlage für die unterschiedlichen Formen ist, in denen die Besitzdelikte ausgestaltet sind. Die Unterschiede liegen hierbei – neben den verschiedenen Tathandlungen – in dem Herrschaftswillen bzw. in dem zu diesem hinzutretenden inkriminierten Zweck. So ist das Lagern der Besitz zum Zwecke der späteren Verwendung, während ein Vorrätighalten den expliziten Zweck des Weiterverkaufs erfordert und insofern als eine spezielle Form des Lagerns bezeichnet werden könnte. Demgegenüber unterscheidet sich das Lagern nur durch ein Zeitelement vom Aufbewahren. Das Vorliegen eben dieser weiteren Voraussetzungen unterscheidet zum einen zwischen den einzelnen Besitzformen, zum anderen aber auch über eine eventuelle Strafbarkeit. Entscheidend für eine Bestrafung nach § 4 Abs. 17 AMG ist das Vorrätighalten zur Weitergabe. Fehlt diese Absicht, liegt lediglich ein strafloser Besitz an den Arzneimitteln vor; das Vorrätighalten zum Eigenverbrauch wird von § 4 Abs. 17 AMG nicht erfasst. 723  Vgl. Kraft, in: Lütkes / Ewer, § 71 BNatSchG Rn. 8; Müggenborg, in: Frenz / Müggenborg, § 71 BNatSchG Rn. 11. 724  Vgl. Sanden, in: Landmann / Rohmer, § 71 BNatSchG Rn. 12. 725  Siehe z. B. RGSt 59, 142 (143); BGHSt 15, 377 (379 f.); OLG Düsseldorf, NuR 1997, 620 (621); Fischer, Vorbem. § 52 StGB Rn. 63; Stree / Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, Vorbem. §§ 52 ff. StGB Rn. 99; kritisch zur gewohnheitsmäßigen Begehung Heger, Europäisierung, S. 236. 726  Vgl. Stree / Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, Vorbem. §§ 52 ff. StGB Rn. 99.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten123

2. Funktionen und Struktur von Besitzdelikten Der Zweck des Strafrechts liegt im Schutz bestimmter Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit, die der Gesetzgeber als strafrechtlich schützenswert erachtet hat.727 Trotz vereinzelter Zweifel728 an der „Leistungsfähigkeit“ des Begriffs des Rechtsgutes, beherrscht dieser seit Birnbaum729 und damit seit 1830 das deutsche Strafrecht.730 Die zu schützenden Rechtsgüter stellen dabei die Grundlage der jeweiligen Strafbestimmung dar,731 was im Umkehrschluss auch die bestehenden Unterschiede der dargestellten Besitzdelikte erklärt. Denn geht bereits von dem Gegenstand als solchem eine Gefahr für rechtlich geschützte Güter und Interessen aus, kann ein entsprechender Schutz schon durch ein reines Besitzverbot erzielt werden. Besteht die Gefahr jedoch erst dann, wenn sich zum Beispiel der Täter mit einer Waffe in der Öffentlichkeit bewegt, wäre ein Besitzverbot, welches auch den Besitz in der Privatwohnung erfasst, zu weitreichend; entsprechend ist für diesen Fall nicht der bloße Besitz, sondern erst das Führen der Waffe strafbewehrt. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden die unterschiedlichen Strafzwecke kursorisch dargestellt werden. Im Rahmen der Einführung in die Besitzdelikte wird der Vollständigkeit halber und im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit im Anschluss noch kurz auf die Besonderheit des fahrlässigen Besitzes und auf die Frage eingegangen, ob mit der Besitzstrafbarkeit eine Handlung oder lediglich ein Zustand unter Strafe gestellt wird.732 727  Vgl. Heinrich, AT, Rn. 3; M. Heinrich, Roxin-FS 2011, S. 131 (132 f.); Roxin, AT 1, § 2 Rn. 1; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 6. 728  So z. B. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 302 ff., der die unterschiedlichen, im Ergebnis jedoch größtenteils übereinstimmenden Ansätze von Jäger, Roxin und Sax, den Begriff des Rechtsguts auszufüllen, kritisiert und auf S. 314 ff. eine eigene Definition anstrebt. 729  Birnbaum, in: N.Arch.CrimR 1834, S. 149 ff., 172 ff.: „Wesentlich ist, daß wenn man das Verbrechen als Verletzung betrachten will, dieser Begriff naturgemäß nicht auf den eines Rechtes, sondern auf den eines Gutes bezogen werden muss.“ Birnbaum zählt beispielhaft als Rechtsgüter das Leben, die menschlichen Kräfte, die Ehre, die persönliche Freiheit und das Vermögen auf; vgl. Birnbaum, in: N.Arch. CrimR 1834, S. 180. Der eigentliche Begriff des „Rechtsguts“ geht jedoch auf Binding zurück, der 1872 formuliert: „Alle diese Zustände, die durch Änderung nicht verdrängt werden sollen, sind für das Recht von Wert: Man kann sie Rechtsgüter nennen.“ (Binding, Übertretung, S. 189). Gleichzeitig etablierte er diesen in der Strafrechtsdogmatik und kann daher als eigentlicher Schöpfer des Rechtsgutsbegriffs angesehen werden (Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 187). Vgl. auch Rudolphi, in: Honig-FS 1970, S. 151 ff. 730  Vgl. Baumann / Mitsch / Weber, AT, § 3 Rn. 15. 731  Vgl. Heinrich, AT, Rn. 5. 732  Siehe unten B. IV. 2. b) bb).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

a) Verfolgte Ziele Wie eingangs erwähnt, stellen nach Schroeder zum einen die Gefahr der Benutzung eines Gegenstandes durch den Besitzer und zum anderen die mittelbare Förderung von Straftaten bei der Erstbesitzerlangung die Strafgründe einer Besitzstrafbarkeit dar.733 Eckstein734 modifiziert dieses im Grunde zutreffende Verständnis der Strafgründe, indem er diese in ein Verwenden und Gewinnen aufspaltet und daneben das Am-Ort-Sein von Gegenständen zum Strafzweck erklärt. Eine ähnliche Einteilung vertritt auch Pastor Muñoz735, die neben den Besitzdelikten auch Statusdelikte, wie die §§ 129 und 129a StGB, ihrer Struktur nach zusammen betrachtet. Ergänzend lässt Eckstein darüber hinaus den formellen Aspekt der Erleichterung der Strafverfolgung neben die rechtsgutsbezogenen Motive treten.736 Dieser weiterführenden Unterteilung schließt sich mittlerweile auch Schroeder737 an, der neben reinen und handlungsbezogenen Besitzdelikten nun auch Vorbereitung, Handlungsanreiz und Beweiserleichterung zu den Strafgründen zählt. Ob es der detaillierten Modifizierung des Merkmals des „Benutzen eines Gegenstandes“ tatsächlich bedurft hätte, kann dahinstehen; entscheidend ist die sich hinter dem jeweiligen Besitzdelikt verbergende gesetzgeberische Intention, das mit dem Gegenstand kohärente Risiko zu kontrollieren. Es erscheint daher überzeugender, die Strafzwecke allein in Relation zu dem entsprechenden Gegenstand zu betrachten. Als Strafgründe kommen somit die Minimierung des zum einen aus der Sache selbst, zum anderen die aus dem Umgang mit dieser resultierenden Risikos in Betracht. aa) Der Sache anhaftendes Risiko In den meisten Fällen sollen Besitzdelikte verhindern, dass das jeweilige Tatobjekt durch den Besitzer zum Einsatz kommt oder sich überhaupt in dessen Herrschaftsbereich befindet. Strafgrund ist dabei die dem Gegenstand innewohnende Gefährlichkeit, wobei danach zu unterscheiden ist, ob die Gegenstände für sich genommen schon gefährlich sind oder ob noch ein selbst- oder fremdschädigendes Verhalten hinzutreten muss.

oben unter B. I.; Schroeder, NJW 1993, 2581 (2582). Besitz, S. 67. 735  Pastor Muñoz, GA 2006, 793 (798). 736  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 79. 737  Schroeder, ZIS 2007, 444 (445 ff.). 733  Siehe

734  Eckstein,



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten125

(1) Abstrakte Gefährlichkeit Fälle der für sich genommen physisch gefährlichen Gegenstände bildet in erster Linie der Besitz entsprechender Stoffe. Bei diesen handelt es sich neben den Gefahrenstoffen im technischen Sinne aus § 19 Abs. 2 ChemG und § 3 Abs. 1 GefStoffV um alle Gegenstände, die ihre schädliche Wirkung ohne menschliches Zutun entfalten können. Schon der bloße Besitz reicht in diesen Fällen aus, um eine strafrechtlich relevante Gefahrenlage zu begründen. Eine Beispielgruppe stellt die Aufbewahrung bestimmter Krankheitserreger dar, die nach Ansicht des Gesetzgebers regelmäßig eine besondere Gefahrenlage darstellt.738 Dementsprechend findet sich ein Besitzdelikt in § 75 Abs. 1 Nr. 3 IfSG, welcher dem Schutz von Leben und Gesundheit des Einzelnen sowie der Gemeinschaft vor den Gefahren von Infektionskrankheiten dient739 und daher den unerlaubten Umgang mit Krankheitserregern i. S. d. § 44 IfSG unter Strafe stellt. Strafschärfend wirkt es sich aus, wenn es darüber hinaus zu einer Verbreitung einer in § 6 Abs. 1 Nr. 1 genannten Krankheit oder eines in § 7 genannten Krankheitserregers kommt. Strafgrund in den Fällen der reinen Besitzstraftat ist die den Erregern innewohnende Gefährlichkeit. Auch im Falle der §§ 324 ff. StGB, welche unter dem 29. Abschnitt als „Straftaten gegen die Umwelt“ zusammengefasst sind, sind neben der Umwelt das menschliche Leben und die Gesundheit die entsprechenden Schutzgüter. Der Strafgrund ist im Falle des § 326 Abs. 1 Nrn. 1–4 StGB beispielsweise das Lagern gefährlicher Abfälle, im Falle des § 328 StGB die Aufbewahrung radioaktiver Stoffe oder anderer gefährlicher Stoffe und Güter. Ebenso wie § 328 StGB Menschen und Umwelt vor den Gefahren des Umgangs mit den in § 328 StGB aufgeführten Stoffen schützen soll,740 dient § 27 ChemG dem Schutz von Menschen und Umwelt als Teil der Allgemeinheit vor schädlichen Einwirkungen durch gefährliche Stoffe und Zubereitungen741. Auch diesen Stoffen ist eine eigene Gefährlichkeit immanent, ohne dass ein diese Gefährlichkeit freisetzendes menschliches Verhalten hinzutreten muss. Eine Schutz- und damit auch Rechtsgutsgefährdung droht daher auch im Falle des bloßen Besitzes.

738  Vgl.

BT-Drucks. 3 / 1888, S. 3. § 1 Abs. 1 IfSG; Pelchen, in: Erbs / Kohlhaas, Vorbem. zu §§ 58 ff. IfSG

739  Siehe

Rn. 4.

BT-Drucks. 12 / 192, S. 22; Ransiek, in: NK, § 328 StGB Rn. 2. § 1 ChemG; BT-Drucks. 8 / 3119, S. 16; Ambs, in: Erbs / Kohlhaas, § 1 ChemG Rn. 3. 740  Vgl.

741  Siehe

126

B. Besitz i. S. d. Strafrechts

(2) Ein das Risiko freisetzendes menschliches Verhalten Daneben lässt sich aus denjenigen Gegenständen eine Gruppe bilden, denen zwar ebenfalls eine sachspezifische Gefahr innewohnt, diese aber anders als beispielsweise giftiger Müll im Falle des § 326 Abs. 1 Nr. 1 StGB erst durch ein menschliches Verhalten freigesetzt wird.742 So ist eine Schusswaffe für sich genommen ungefährlich, erst ein menschliches Verhalten oder das Risiko, dass es zu einem solchen Verhalten kommen könnte, begründet in diesen Fällen die entsprechende Gefährlichkeit, aus der die Strafbarkeit resultiert.743 Wie auch hinsichtlich anderer gefährlicher Gegenstände dienen die waffenrechtlichen Regularien dem Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit.744 Die gleichen Erwägungen gelten in den Fällen des KrWaffG und der §§ 17a, 27 VersG, die – wie auch schon die eingangs erwähnten Stoffe bei § 310 Abs. 1 Nrn. 1–4 StGB – dem Schutz von Leben, körperlicher Unversehrtheit und Eigentum dienen.745 Ebenso steht auch in den Fällen des § 95 Abs. 1 AMG die Volksgesundheit als geschütztes Rechtsgut im Vordergrund,746 weswegen § 95 Abs. 1 742  Eine ähnliche Einteilung findet sich auch bei Pastor Muñoz (GA 2006, 793 [799]), die in diesen Fällen mit Verweis auf Schröder (vgl. Schröder, JZ 1967, 522; ders., ZStW 81 [1969], 7 [19]) von „abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten“ spricht. 743  Dies ergibt sich auch aus dem in § 1 Abs. 1 WaffG normierten Gesetzeszweck, der Regelung des Umgangs mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Anknüpfungspunkt ist dem Wortlaut nach die im Zusammenhang mit einer Waffe oder Munition stehende Tathandlung und nicht der entsprechende Gegenstand als solcher. Das Waffenrecht dient damit der Abwehr solcher Gefahren, die typischerweise durch die Nutzung von Waffen hervorgerufen werden können (Bushart, in: Apel / Bushart, § 1 WaffG Rn. 6; Gade, Waffenrecht, S. 4; Heller / Soschinka, Waffenrecht, Rn. 32; Papsthart, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, Vorbem. BeschG Rn. 2). Der Schutz vor dem Gegenstand als solchem ist stattdessen dem Beschussrecht zuzuordnen (Bushart, in: Apel / Bushart, § 1 WaffG Rn. 6; Heller / Soschinka, Waffenrecht, Rn. 32), wobei dessen Anwendungsbereich gesondert zu betrachten wäre. Die Trennung von WaffG und BeschussG ist daher auf eben diese unterschiedliche Zweckrichtung beider Gesetze zurückzuführen (vgl. BT-Drucks. 14 / 7758, S. 48 und 92). 744  Vgl. BT-Drucks. 6 / 2678, S. 29; BT-Drucks. 14 / 7758, S. 51; ebenso Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 2, Vorbem. zu §§ 51 ff. WaffG Rn. 1. 745  Vgl. für das VersG Altenhain, in: MüKo, § 27 VersG Rn. 1 m.w.N; Ridder, in: Ridder / Bertuleit, § 27 VersG Rn. 11; aus dem Normzweck des § 310 StGB, eine bloße, nicht von § 30 StGB erfasste Vorbereitungshandlung unter Strafe zu stellen (vgl. nur Fischer, § 310 StGB Rn. 2), folgt das Erfordernis, dass zur Strafbarkeit ein über das in der Sache veranlagte Risiko hinausgehende menschliche Verhalten hinzutreten muss. Ansonsten kann zum Beispiel unsachgemäß gelagerter Sprengstoff bereits für sich genommen ein strafwürdiges Risiko darstellen. 746  Vgl. Freund, in: MüKo, Vorbem. §§ 95 ff. AMG Rn. 10; Körner, § 95 AMG Rn. 1 Der Schutz des Gesundheitsinteresses des Arzneimittelkonsumenten ist dabei



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten127

Nr. 1 AMG zum Beispiel das Inverkehrbringen von Arzneimitteln entgegen § 5 AMG unter Strafe stellt; in § 5 Abs. 1 AMG ist das grundsätzliche Verbot normiert, bedenkliche Arzneimittel747 in den Verkehr zu bringen. Dieses auf den Schutz der menschlichen Gesundheit abzielende Verbot macht § 5 AMG zur „Grundnorm“ des AMG.748 Für eine Bestrafung nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG muss jedoch noch ein menschliches Verhalten hinzutreten, da die Arzneimittel als solche, anders als die Stoffe der abstrakt gefährlichen Gegenstände, kein für sich genommenes Risiko darstellen und erst durch das Inverkehrbringen das Risiko einer Gesundheitsschädigung entsteht. Zumindest auf ähnliche Erwägungen sind auch die anderen Besitzdelikte des AMG zurückzuführen, weswegen an dieser Stelle nur noch § 95 Abs. 1 Nr. 2a und 2b AMG hervorzuheben sind. Nr. 2a stellt neben Nr. 2b über das Merkmal des Inverkehrbringens bzw. seit der Einführung von Nr. 2b direkt749 den Besitz von Dopingmitteln unter Strafe. Auch in diesem Fall ist Strafzweck der Schutz der Bevölkerung.750 Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch, ob dies ebenso für den Fall des dopenden Sportlers gelten kann, birgt dessen Doping doch zunächst kein Risiko für die gesamte Bevölkerung. Unter dem Gesichtspunkt der von Art. 2 Abs. 1 GG erfassten straffreien Selbstgefährdung bzw. -schädigung751 kann die Gesundheit des Athleten im Allgemeinen entgegen der überwiegenden Ansicht752 daher nicht alleiniger Schutzzweck des § 95 Abs. 1 Nr. 2a i. V. m. § 6a AMG sein.753 Freund754 stellt daher zu Recht fest, dass Schutzgut nicht die Gesundheit des sich dopenden Sportlers sein kann, sondern nur die des „sauberen“ Sportlers. Dieser „müsse“ im Leistungsvergleich ebenfalls zum Doping greifen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Vom unterschiednicht nur Reflex eines Allgemeinschutzes, sondern dient eben diesem Zweck (Fuhrmann, Sicherheitsentscheidungen, S. 73). 747  Eine Legaldefinition des Merkmals „bedenklich“ findet sich in § 5 Abs. 2 AMG. 748  Vgl. nur Freund, in: MüKo, § 5 AMG Rn. 1. 749  Nr. 2b wurde erst 2007 durch Art. 2 Nr. 4 lit. a) Anti-DopingG (BGBl. I 2007, S. 2510: Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport vom 24.10.2007) in § 95 AMG eingefügt, da nur eine solche Pönalisierung dem Besitzverbot Beachtung verschaffen könne (BT-Drucks. 16 / 5526, S. 9). 750  Vgl. Knauer, in: Spickhoff, § 95 AMG Rn. 2; Rehmann, § 6a AMG Rn. 3. 751  Vgl. Amelung, NJW 1996, 2393 (2395); Heger, JA 2003, 76 (78); Kargl, NStZ 2007, 489 (490); Klug, Doping, S. 75 ff; A. Müller, Doping, S. 52; Steiner, MedR 2003, 1 (3); ders., in: Spickhoff, Art. 2 GG Rn. 13; Sternberg-Lieben, ZIS 2011, 583 (585). 752  Siehe z. B. BT-Drucks. 13 / 9996, S. 13; Knauer, in: Spickhoff, § 95 AMG Rn. 26; Körner, § 95 AMG Rn. 23; Rehmann, § 6a AMG Rn. 3. 753  Vgl. ausführlich Freund, in: MüKo, § 6a AMG Rn. 1 ff. 754  Freund, in: MüKo, § 6a AMG Rn. 9.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

lichen Schutzempfänger abgesehen, ist somit auch nach Freunds Ansicht die menschliche Gesundheit Schutzgut der Strafnorm aus § 95 Abs. 1 Nr. 2a und 2b AMG755 und der Strafzweck der Schutz des Menschen vor dem dem Doping anhaftenden Risiko. Um eine Strafbarkeit zu begründen, muss zu diesem Risiko wiederum zusätzlich ein menschliches Verhalten, im Rahmen des AMG in Form eines Inverkehrbringens, hinzutreten. Die gleichen Erwägungen müssen konsequenterweise für den Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG gelten. Auch das BtMG dient dem Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der der Allgemeinheit (Volksgesundheit),756 so dass im Falle des Besitzes die Gefahr der Erweiterung des Betäubungsmittelkreislaufes als Risiko für die Volksgesundheit als Strafgrund hinzutreten muss.757 Problematisch ist dabei wiederum der Fall des Besitzes zum Eigenbedarf, der unter dem Gesichtspunkt der straflosen Selbstgefährdung zunächst keine Gefahr für die Allgemeinheit begründet. Andererseits stellt schon der Besitz kleiner Konsummengen eine abstrakte Gefahr für das geschützte Rechtsgut der Volksgesundheit dar, weil bei dem Konsumenten immer die Gefahr besteht, dass er zum Eigenkonsum bestimmte Betäubungsmittel mit Dritten teilt oder an sie weitergibt.758 Auch ist der Eigenbesitzer nicht nach den §§ 3, 4 BtMG zum Umgang mit Betäubungsmitteln befugt und hat darüber hinaus auch nicht die behördlich überwachten Sicherungsvorkehrungen gegen Wegnahme und Missbrauch i. S. d. § 15 BtMG vorgenommen.759 Dieses Risiko rechtfertigt den Besitztatbestand in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. bb) Mit der Sache verbundenes Risiko Neben den exemplarisch aufgezeigten Gegenständen, deren Besitz aufgrund der der Sache eigenen Gefährlichkeit dem Gesetzgeber unter Strafe zu stellen sinnvoll erscheint, existiert eine große Gruppe von Gegenständen, die für sich genommen zunächst kein Risiko für ein Rechtsgut darstellen. Der bloße Besitz eines Hakenkreuzabbildes vermag anders als giftiger Chemiemüll noch keine Gefahr für Leib, Leben oder andere Rechtsgüter zu begründen. Obwohl üblicherweise im Strafrecht nur der Besitz von gefährlichen Gegenständen, wie z. B. von halbautomatischen Selbstladewaffen, unter Strafe gestellt ist,760 existieren auch im Zusammenhang mit für sich z. B. auch Pelchen / Anders, in: Erbs / Kohlhaas, § 6a AMG Rn. 1. z. B. BT-Drucks. 8 / 3551, S. 37; Beulke / Schröder, NStZ 1991, 393 (394); Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 2; Rudolphi, JZ 1991, 572 (573). 757  Vgl. Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 904. 758  Vgl. Allmers, ZRP 1991, 41 (42); Slotty, NStZ 1981, 321 (322). 759  Vgl. Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 2. 760  Vgl. Schroeder, NJW 1993, 2581 (2582). 755  So

756  Siehe



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten129

genommen ungefährlichen Gegenständen Besitzstraftatbestände. Das strafbewehrte Verbot resultiert in diesen Fällen vielmehr aus dem Schutzbedürfnis eines unmittelbar mit dem Besitz dieses Gegenstandes in Bezug stehenden Rechtsguts als aus der Sache selbst. So ist geschütztes Rechtsgut des § 86a StGB nach überwiegender Ansicht neben der verfassungsmäßigen Ordnung der Schutz des politischen Friedens in der Bundesrepublik Deutschland.761 Dieser Schutz soll unter anderem durch eine Verbannung verfassungsfeindlicher Kennzeichen aus der Öffentlichkeit erreicht werden, um der Wiederbelebung (der verfassungsfeind­ lichen Bestrebungen) verfassungswidriger Organisationen entgegenzuwirken762 und eine Etablierung einer verfassungsfeindlichen politischen Gegenmacht zu verhindern763. Als Staatsgefährdungsdelikt stellt § 86a StGB ein klassisches abstraktes Gefährdungsdelikt dar.764 Entscheidend für die Strafzweckfrage ist dabei, dass von den entsprechenden Kennzeichen für sich genommen keine Gefahr ausgeht, vielmehr muss ein entsprechendes inkriminierendes Verhalten hinzutreten. Dieses Erfordernis lässt sich am besten mit den nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB unter Strafe gestellten Vorbereitungshandlungen erklären. Das Halten eines Vorrates zur Verbreitung stellt nach überwiegender Ansicht zunächst nichts weiter als seinen Besitz zu dem angegebenen Zweck dar.765 Entscheidend ist damit der neben den reinen Besitz tretende Zweck.766 Der Besitz für sich allein ist demnach nicht strafbar,767 denn erst aus den Tathandlungen des Verwendens oder Verbrei761  Siehe z. B. LG Oldenburg, NStZ 1986, 166; BayObLG, NStZ 2003, 89 (90); Fischer, § 86a StGB Rn. 2; Kuschel, in: LK, 12. Aufl., § 86a StGB Rn. 1; kritisch zum Rechtsgut „politischer Frieden“ Paeffgen, in: NK, § 86a StGB Rn. 2. 762  Siehe z. B. BGHSt 25, 30 (33); BGH NStZ 1983, 261 (262); OLG Bremen, StV 1988, 21; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 2906; Giehring, StV 1983, 296 (308); Kuschel, in: LK, 12. Aufl., § 86a StGB Rn. 1; Steinmetz, in: MüKo, § 86a StGB Rn. 1. 763  Vgl. BT-Drucks. 12 / 4825, S. 7; BT-Drucks. 12 / 6853, S. 23; Gallandi, Staatsschutzdelikte, S. 61; Giehring, StV 1983, 296 (308); Reuter, Symbole, S. 83; Sonnen, JA 1985, 115. 764  Vgl. BGHSt 23, 267 (268); BGHSt 25, 30 (31); OLG Bremen, NJW 1987, 1427 (1428); Fischer, § 86a StGB Rn. 17; Kuschel, in: LK, 12. Aufl., § 86a StGB Rn. 2; Stegbauer, Propaganda, S. 92; Zum Begriff des abstrakten Gefährdungsdelikts im Allgemeinen, vgl. Heinrich, AT, Rn. 164; Marxsen, Strafbarkeitseinschränkung, S. 3; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 29. 765  Siehe zu den Erfordernissen des Vorrätighaltens im Allgemeinen oben unter B. IV. 1. d) cc); vgl. ansonsten RGSt 42, 209 (210); OLG Bremen, NJW 1987, 1427 (1428); Fischer, § 86a StGB Rn. 17; Kuschel, in: LK, 12. Aufl., § 86 StGB Rn. 30; Paeffgen, in: NK, § 86 StGB Rn. 34; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184 StGB Rn. 46; Stegbauer, Propaganda, S. 72 und 114. 766  So auch BT-Drucks. 10 / 1286, S. 7. 767  Vgl. BR-Drucks. 382 / 82, S. 11; OLG Bremen, StV 1988, 21 (22).

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

tens resultiert die Rechtsgutsverletzung. Die Schutzzweckerwägungen im Falle des Vorrätighaltens kommen daher nur im Hinblick auf die Absicht zum Tragen, eine Tat nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorzubereiten.768 Der Strafgrund liegt damit im Ergebnis nicht in der Sache als solcher, sondern in dem Risiko, welches ein Umgang mit dieser schafft. Ähnliche Erwägungen müssen auch im Fall des § 184b Abs. 4 StGB gelten: In dem Fall des Besitzes von kinderpornografischen Schriften geht von der Darstellung als solcher769 zunächst keine Gefahr aus. Die §§ 184 ff. StGB dienen zunächst dem Jugendschutz,770 für die Qualifikationstatbestände der §§ 184b und 184c StGB im Speziellen tritt darüber hinaus der Schutz der Darsteller hinzu.771 Der Schwerpunkt der folgenden Betrachtung wird an dieser Stelle auf den Darstellerschutz772 gelegt, da sich anhand dessen die Funktion des Besitzdeliktes am anschaulichsten herleiten lässt. Darüber hinaus liegt auch der Schwerpunkt des Schutzbereiches der §§ 184b und 184c StGB im Vergleich zu den §§ 184 und 184a StGB auf dem Schutz der Darsteller.773 Geschützes Rechtsgut sind entsprechend der §§ 174 ff. StGB die sexuelle Selbstbestimmung,774 die Intimsphäre und die Menschenwürde775 der Reuter, Symbole, S. 230. wenn § 184b StGB im Tatbestand auf den strafrechtlichen Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB verweist, wird dieser zur Erleichterung der Lesbarkeit und der Semantik durch den Oberbegriff der „Darstellung“ ersetzt bzw. synonym verwendet. 770  Vgl. BVerfGE 47, 109 (119); BVerfG NJW 1977, 2207; Fischer, § 184 StGB Rn. 2; Lackner / Kühl, § 184b StGB Rn. 1; Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184 StGB Rn. 1; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184 StGB Rn. 2. 771  Vgl. BGHSt 45, 41 (43); BGHSt 47, 55 (61); Baier, ZUM 2004, 39 (40); Fischer, § 184b StGB Rn. 2; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1; Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 1; a. A. Deblitz, Schriften, S. 34. Dass darüber hinaus Betrachter kinderpornografischer Darstellungen zudem zum Missbrauch angeregt werden (BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6, VGH Mannheim, NJW 2008, 3084), ist empirisch nicht erwiesen (M. Heinrich, NStZ 2005, 361 [362]; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1; Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 [636]). 772  Der Jugendschutzgedanke kommt vor allem in den Fällen „harter“ Pornografie i. S. d. §§ 184a, b, c StGB (zur Begrifflichkeit siehe Laubenthal, Handbuch, Rn. 893) zum Tragen, da das Risiko der Gefährdung für Jugendliche bei Kenntnisnahme einfacher Pornografie „überwiegend gering eingeschätzt“ wird (BT-Drucks. 6 / 3521, S. 58). 773  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; Schroeder, ZRP 1990, 299  ff.; ders., NJW 1993, 2581 (2582), jeweils zu § 184 StGB a. F. 774  Erst durch das 4. StRG (BGBl. 1973 I, S. 1725 [1726]) löste sich der Gesetzgeber von der traditionellen Ansicht, das Sexualstrafrecht diene dem Erhalt allgemeiner Sittlichkeit, und wählte als neue Abschnittsüberschrift im StGB „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ (Hörnle, in: LK, 12. Aufl., Vor §§ 174 ff. 768  Vgl.

769  Auch



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten131

„Darsteller“.776 Der kindliche „Darsteller“ ist im Fall des Besitzes der bereits fertig produzierten777 Darstellung jedoch nur dann auch weiterhin bzw. durch den Besitz gefährdet, wenn dem Konsumenten eine mittelbare Verantwortlichkeit an dem zugrundeliegenden Kindesmissbrauch zugesprochen werden kann.778 Dessen Nachfrage am Markt nach immer neuem Material führt dadurch zu erneuten Kindesmissbräuchen.779 Die Funktion der Besitzstrafbarkeit aus § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB ist damit der Schutz der minderjährigen „Darsteller“ vor weiterer sexueller Ausbeutung. Die Rechtsgutsbeeinträchtigung resultiert dann aber nicht aus dem Besitz der entsprechenden Darstellung, sondern folgt erst aus einem mit dem Besitz im Zusammenhang stehenden weiteren Verhalten. Der eigentliche Kindesmissbrauch ist bereits über die §§ 174 ff. StGB abgegolten. 775

Als abschließendes Beispiel sei an dieser Stelle nur noch § 71 Abs. 1 i. V. m. § 69 Abs. 3 Nr. 21 BNatSchG genannt, wonach derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe zu bestrafen ist, der eine in § 69 Abs. 3 Nr. 21 BNatSchG bezeichnete vorsätzliche Handlung gewerbsoder gewohnheitsmäßig begeht. § 69 Abs. 3 Nr. 21 BNatSchG bewehrt das Vermarktungsverbot des § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG mit Bußgeld.780 Dieses flankiert die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG, welche bestimmte Handlungen untersagen, die einen unmittelbaren Zugriff auf Exemplare besonders geschützter Arten darstellen.781 Es ist daher verboten, Tiere oder Pflanzen besonders geschützter Arten in Besitz oder GeStGB Rn. 6). Die Begrifflichkeit ist dabei auf Schroeder, ZRP 1971, 14 (15) zurückzuführen (Fischer, Vorbem. § 174 StGB Rn. 1; Hörnle, in: LK, 12. Aufl., Vor §§ 174 ff. StGB Rn. 6). 775  Fischer, Vorbem. §  174 StGB Rn. 4; Gössel, Sexualstrafrecht, § 1 Rn. 1 und 2; Gössel / Dölling, § 22 Rn. 1; Hörnle, in: LK, 12. Aufl., Vor §§ 174 ff. StGB Rn.  28 ff. 776  Vgl. Bottke, Otto-FS 2007, S. 535 (559); Sick / Renzikowski, Schroeder-FS 2006, S. 603 (615). 777  Der Besitz der Darstellung findet zeitlich nach dem Kindesmissbrauch statt, weswegen eine Zurechnung des nach §§ 174 ff StGB verwirklichten Unrechts ausscheiden muss. (vgl. Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 [753]; Duttge / Hörnle / Renzikowski, NJW 2004, 1065 [1070]). 778  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; BT-Drucks. 12 / 4883, S. 8; Böse, SchroederFS 2006, S. 751 (757); Fischer, § 184b StGB Rn. 2; Hörnle, Schroeder-FS 2006, S. 477; Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 2; Schroeder, NJW 1993, 2581 (2582); kritisch Lackner / Kühl, § 184b StGB Rn. 8 m. w. N. 779  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; BT-Drucks. 12 / 4883, S. 8; Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 (753); Laubenthal, Handbuch, Rn. 1086; Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 2; kritisch Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15 m. w. N. 780  Vgl. Kraft, in: Lütkes / Ewer, § 69 BNatSchG Rn. 21. 781  Vgl. Lau, in: Frenz / Müggenborg, § 44 BNatSchG Rn. 3 und 20.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

wahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten.782 Die Zugriffs- bzw. Vermarktungsverbote dienen dem Artenschutz, insbesondere dem Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten und der streng geschützten Arten, einschließlich der Vogelarten und Pelztiere.783 Schutzzweck ist der Erhalt der gegenwärtig anzutreffenden Vielfalt.784 Dieser Schutz wird zum einen durch das reine Besitzdelikt gewährt, wobei sich der Schutz dabei auf die gesamte Art als solche und nicht das einzelne Exemplar bezieht. Die Gefahr für den Artenschutz durch das Entziehen einzelner Exemplare geht dann aber von einem lediglich mit der Sache im Zusammenhang stehenden Umstand und nicht von diesen aus. Zum anderen erstreckt sich § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG auch auf Tiere und Pflanzen, von denen eine Gefahr der Verfälschung der natürlich vorkommenden Fauna oder Flora oder eine Gefährdung der natürlich vorkommenden Tier- oder Pflanzenarten ausgehen kann.785 Damit kann im Falle des § 71 Abs. 1 i. V. m. § 69 Abs. 3 Nr. 21 BNatSchG die Gefahr für das Rechtsgut Artenschutz sowohl aus der Gefährlichkeit der Sache als auch aus dem Umgang mit dieser resultieren. cc) Erleichterung der Strafverfolgung Neben den reinen Rechtgüterschutz tritt ein von Eckstein786 herausgearbeiteter weiterer Strafgrund, welcher trotz der hier gewählten und von Eckstein abweichenden Einteilung Beachtung finden muss. Ergänzend zu den vorangehend dargestellten rechtsgutsbezogenen Fällen, existieren auch solche, bei welchen die Erleichterung der Strafverfolgung neben den Rechtsgüterschutz tritt. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass die Erleichterung der Strafverfolgung vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes787 lediglich Zwischenziel bzw. Nebenzweck sein kann und darf.788 Müggenborg, in: Frenz / Müggenborg, § 69 BNatSchG Rn. 41. Müggenborg, in: Frenz / Müggenborg, § 71 BNatSchG Rn. 8; Sanden, in: Landmann / Rohmer, § 71 BNatSchG Rn. 1; kritisch Hefendehl, NuR 2001, 498 (503), der den Strafvorschriften des Naturschutzrechts jeglichen Rechtsgutsschutz abspricht. Stattdessen lägen diesen Normen lediglich in der Gesellschaft verwurzelte Wert- und Verhaltensvorstellungen zugrunde, so dass bei einer Verletzung auch kein sozialer Schaden auszumachen sei. 784  Vgl. Kraft, in: Lütkes / Ewer, § 71 BNatSchG Rn. 2; Müggenborg, in: Frenz / Müggenborg, § 71 BNatSchG Rn. 8. 785  Vgl. Lau, in: Frenz / Müggenborg, § 44 BNatSchG Rn. 28. 786  Eckstein, Besitz, S. 79. 787  „Die Aufgabe des Strafrechts liegt darin, seinen Bürgern ein freies und friedliches Zusammenleben unter Gewährleistung aller verfassungsrechtlich garantierten 782  Vgl. 783  Vgl.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten133

Der Gesetzgeber wählt vor dem Hintergrund der Erleichterung der Strafverfolgung den Besitz in der Regel dann als Anknüpfungspunkt, wenn es ihm vorrangig um die Bestrafung der Besitzverschaffung geht.789 Entsprechende Konstruktionen finden sich dabei vor allem in den Fällen, in welchen der Gesetzgeber beabsichtigt, mit Hilfe der Besitzdelikte Beweis- und Verjährungsprobleme zu lösen.790 Der Besitzer wird ja notwendigerweise auf frischer Tat, nämlich im Besitz des Tatobjekts betroffen.791 Auch wenn in diesen Fällen das materielle Strafrecht insbesondere hinsichtlich der Beweisfragen in das Strafverfahrensrecht eingreift, „[bleibt] die Selbstverständlichkeit, dass das Strafprozessrecht im Verhältnis zum materiellen Strafrecht dienende Funktion hat792 und nicht umgekehrt, selbstverständ­ lich“.793 788

Paradebeispiel für einen solchen Fall dürfte wohl § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG darstellen, welcher den Nachweis des illegalen Betäubungsmittelerwerbs entbehrlich machen soll.794 Dafür spricht auch die gegenüber den Erwerbstatbeständen bestehende Subsidiarität der Vorschriften.795 Gleiches gilt in den Fällen des illegalen Waffenbesitzes796 und dem Besitz von kinderpornografischen Schriften nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB797. Auch in Grundrechte zu sichern.“ (Roxin, AT I, § 2 Rn. 7) Diese Aufgabe wird zusammenfassend als Rechtsgüterschutz bezeichnet. (vgl. M. Heinrich, Rechtsgutszugriff, S. 102, 107; Roxin, AT I, §  2 Rn.  7; vgl. auch Heinrich, AT, Rn. 3; Baumann / Mitsch / Weber, AT, § 3 Rn. 10; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 6). 788  Vgl. Lagodny, Schranken, S. 327. Anderenfalls wäre die entsprechende Strafnorm verfassungswidrig, da sich strafrechtliche Sanktionen nur dadurch legitimieren lassen, dass sie dem Schutz eines bestimmten Rechtsgutes dienen (Heinrich, AT, Rn. 8; Roxin, AT I, § 2 Rn. 35); das Strafrecht darf wegen seiner besonders einschneidenden Rechtsfolgen nur als ultima ratio staatlichen Einschreitens in Betracht kommen. (BVerfGE 39, 1 [47]; 57, 250 [279]). 789  Vgl. Hochmayr, Strafbarer Besitz von Gegenständen, S. 1. 790  Vgl. BT-Drucks. 6 / 1877, S. 9; BT-Drucks. 6 / 3566, S. 2, 8. 791  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 79; Palm, Kinderpornographie, S. 128. 792  Vgl. Hellmann, Strafprozessrecht, Rn. 1; Krey, Strafverfahrensrecht, Rn. 2; Schroeder / Verrel, Strafprozessrecht, Rn. 10. 793  Mitsch, NJW 2008, 2295 (2298). 794  So ausdrücklich BT-Drucks. 6 / 1877, S. 9; BGHSt 25, 385; 27, 380; BGH NStZ 1981, 352; BGH NStZ 1996, 604; Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 1; Patzak / Bohnen, Betäubungsmittelrecht, Rn.  64; Weber, §  29 BtMG Rn. 1164; siehe zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG als solchem oben unter B. III. 1. a) aa). 795  Vgl. nur Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 100 ff. 796  Vgl. BT-Drucks. 6 / 3566, S. 2; Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 141; den Besitztatbestand als solchen ablehnend Grünwald, StV 1986, 243 (245). 797  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 4 und 6; BGH NStZ 2009, 208; Palm, Kinderpornographie, S. 128.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

diesen Fällen dienen die reinen Besitztatbestände unter anderem als Auffangtatbestände für die Fälle, in welchen entweder der strafbare Erwerb nicht nachgewiesen werden kann oder bereits verjährt ist.798 Vor dem Hintergrund der Beweiserleichterung lassen sich auch die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen innerhalb des § 184b StGB leichter nachvollziehen: Während Abs. 1 die Weitergabe jeglicher Form von Pornografie, inklusiv „Fiktivpornografie“, unter Strafe stellt, erfordern die Abs. 2 bis 4 die Wiedergabe eines tatsächlichen oder zumindest wirklichkeitsnahen Geschehens, sogenannte „Realpornografie“.799 Die Differenzierung wird damit begründet, dass die Fiktivpornografie regelmäßig nicht mit einer sexuellen Handlung von Kindern verbunden ist.800 Dient der Besitztatbestand in § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB vornehmlich dem Darstellerschutz und damit der Eindämmung eines mit der Sache verbundenen Risikos, so bedarf es dazu eines tatsächlichen801 Kindesmissbrauches. Ist ein solcher nicht nachweisbar, verbleibt zumindest die Besitzstrafbarkeit, die den Nachweis des Erwerbs entbehrlich macht und eventuelle Verjährungsprobleme umgeht.802 b) Strukturprobleme der Besitzdelikte Abschließend seien an dieser Stelle nur noch die Konstruktion des fahrlässigen Besitzdelikts und Ecksteins These vom „Besitz als Zustand“803 erwähnt. Die Frage, ob der Besitz eine Handlung darstellt oder bereits einen 798  Siehe zum WaffG nur Heinrich, in: Steindorf / Heinrich / Papsthart, § 1 WaffG Rn. 42; zu § 184b StGB: Eckstein, NStZ 2011, 18 (19); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 29; kritisch zum eigenständigen Besitztatbestand als solchem Lagodny, Schranken, S. 333, der zweckfreie Besitzdelikte für verfassungswidrig hält (dieser Einwand vermag jedoch vor dem Hintergrund, dass das BVerfG [BVerfG NJW 1994, 2412] entschieden hat, Art. 103 Abs. 2 GG verlange keinen bestimmten strafrechtlichen Handlungsbegriff, nicht zu überzeugen.); ablehnend auch Jäger, SchülerSpringorum-FS 1993, S. 229 (232 f.); Struensee, Grünwald-FS 1999, S. 713, der die Besitzstrafbarkeit als „legislatorischen Fehltritt“ bezeichnet, da diese kein Verhalten beschreibt. 799  Siehe hinsichtlich der Begrifflichkeiten Laubenthal, Handbuch, Rn. 893. 800  Vgl. BT-Drucks. 12 / 4883 S. 8; BGHSt 43, 366 (369); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 11. 801  Aufgrund der zunehmenden digitalen Veränderbarkeit der Darstellungen besteht das Risiko, dass ein tatsächlicher Kindesmissbrauch digital „abgeschwächt“ wird, um sich dem Tatbestandsmerkmal des tatsächlichen Geschehens zu entziehen. (BGHSt 43, 366 [369]). Wirklichkeitsnah ist eine Darstellung dann, wenn es sich dem Betrachter dem äußeren Erscheinungsbild nach als wirklich geschehen darstellt (Fischer, § 184b StGB Rn. 13). 802  Vgl. Schroeder, ZIS 2007, 444 (446); siehe bezüglich der Rechtsgutsproblematik bei § 184b StGB ausführlich unten unter E. I. 4. 803  Eckstein, Besitz, S. 123 ff., 264.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten135

Zustand unter Strafe stellt, ist dabei eher dogmatischer Natur, während die Frage nach einer fahrlässigen Besitzstrafbarkeit im Hinblick auf eine möglicherweise erforderliche Neufassung des § 184b StGB von großer Bedeutung ist. aa) Fahrlässiges Besitzdelikt Versteht man unter Besitz i. S. d. Strafrechts die von einem natürlichen Beherrschungswillen getragene Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand,804 so müssten sich – auf einen unreflektierten ersten Blick – Besitzwille und Fahrlässigkeit schon aufgrund der subjektiven Komponente des Wollens ausschließen. Insbesondere stehen Vorsatz und Fahrlässigkeit in keinem Stufenverhältnis,805 so dass nicht jede vorsätzliche Tat grundsätzlich den Fahrlässigkeitsvorwurf mitumfasst; Fahrlässigkeit ist dem Vorsatz gegenüber ein aliud.806 Handelt der Täter also ohne Vorsatz, fehlt auch das den Besitz konstituierende Wollenselement in Form des Besitzwillens. Eine aus diesen Gründen den fahrlässigen Besitz ablehnende Ansicht verkennt jedoch, dass der Besitzwille gerade Bestandteil des Tatbestandsmerkmals Besitz und damit Teil des objektiven Tatbestandes ist und nicht auf einer Ebene mit dem subjektiven Element des Vorsatzes steht oder gar Bestandteil dessen ist. Die Frage nach Vorsatz und Fahrlässigkeit muss daher von dem Vorliegen des Besitzwillens unabhängig betrachtet werden, weswegen das Tatbestandsmerkmal Besitz in seiner Summe aus Sache und Sachherrschaft gegeben sein kann, subjektiv aber weder Vorsatz noch der Vorwurf einer Sorgfaltsverletzung vorliegen muss. Eckstein807 veranschaulicht das Problem anhand des generellen Besitzwillens808 am Beispiel der unbestellt zugesandten Ware aus dem Zivilrecht: Unterhält jemand einen Briefkasten als Empfangsvorrichtung und wird in diesen eine auf dem ordentlichen Postweg versandte Waffe zugestellt, so 804  Siehe

oben unter B. III. 3. BGHSt 4, 340 (344); BGHSt 26, 175; BGHSt 32, 48 (57); Heinrich, AT, Rn. 984; Roxin, AT I, § 24 Rn. 79, der nur ein „begriffslogisches Stufenverhältnis“ ablehnt. Vorsatz und Fahrlässigkeit stünden in einem „normativen Stufenverhältnis“, weswegen dem Vorsatz hinsichtlich der Verletzung des gleichen Rechtsgutes ein größeres Maß an Unrecht und Schuld zuzusprechen sei als der Fahrlässigkeit. Im Ergebnis ist aber auch nach Roxin die Fahrlässigkeit ein aliud. 806  Duttge, in: MüKo, § 15 StGB Rn. 103; Fischer, § 15 StGB Rn. 13; Heinrich, AT, Rn. 984; Krey / Esser, Rn. 1338; Mitsch, JuS 2001, 105 (112); Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 657; a. A. Freund, Herzberg-FS 2008, S. 225 (228); Herzberg, JuS 1996, 377 (379); ders., NStZ 2004, 593 (595 ff.). 807  Eckstein, Besitz, S.  100 f. 808  Siehe oben B. III. 2. a) bb); vgl. ansonsten nur BGH NJW 1987, 2818 (2813); Bassenge, in: Palandt, § 854 BGB Rn. 4 m. w. N. 805  Vgl.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

erlangt der Briefkasteninhaber unstreitig Besitz an der Sendung.809 Solange er jedoch keine Kenntnis von dem Inhalt und damit von der Waffeneigenschaft hat, fehlt es an dem eine Strafbarkeit begründenden Vorsatz bzw. der für § 52 Abs. 4 WaffG erforderlichen Fahrlässigkeit. Nach Eckstein ist „[d]er Herrschaftswille des objektiven Tatbestands (…) dem konkreten Tatobjekt gegenüber tendenziell blind.“810 Nur wenn mit dem grundsätzlichen Waffeneingang im Briefkasten zu rechnen gewesen wäre, kann auch eine Sorgfaltsverletzung angenommen werden. Besitz und Fahrlässigkeit schließen sich demnach aber auch nicht aus. Fahrlässige Besitzdelikte finden sich dabei an verschiedensten Stellen im gesamten Strafrecht. Stellvertretend für das gesamte Problemfeld sei an dieser Stelle nur auf die Regelungen aus § 52 Abs. 4 WaffG, § 75 Abs. 4 IfSG, § 328 Abs. 5 StGB und § 261 Abs. 5 StGB hingewiesen. So wird beispielsweise nach § 52 Abs. 4 WaffG bestraft, wer eine in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 lit. b, c oder d oder Nr. 3 oder des Absatzes 3 bezeichnete Tat fahrlässig begeht. Strafbar ist damit gemäß § 52 Abs. 4 i. V. m. § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG auch der fahrlässige Besitz eines in Nr. 1 näher bezeichneten Gegenstandes, so dass sich auch derjenige strafbar macht, der für einen anderen einen Koffer transportiert, in welchem sich, was der Täter nicht weiß, aber problemlos hätte feststellen können, eine erlaubnispflichtige halbautomatische Kurzwaffe befindet.811 bb) Besitz als Zustand Ein weiteres strukturelles Problem liegt darin, dass allgemein die Bestrafung eines Täters an das Vorliegen einer menschlichen Handlung geknüpft wird, das reine Besitzen eines Gegenstandes jedoch schwer als eine solche 809  Der Fall unterscheidet sich von dem oben dargestellten Urteil des OLG Braunschweig (OLG Braunschweig, GA 1976, 245) hinsichtlich der „Reichweite“ des generellen Beherrschungswillens. Während sich im Fall der im Handschuhfach versteckten Pistole der „generelle Besitzwille (…) nur auf solche Sachen [erstreckt], die sich üblicherweise in einem untergestellten PKW befinden“ (OLG Braunschweig, GA 1976, 245 [247]) und damit gerade nicht auch auf darin versteckte Waffen, dient ein Briefkasten qua Existenzverständnisses der Entgegennahme eingeworfener Briefe und Päckchen (Vgl. Bund, in: Staudinger, § 854 BGB Rn. 51; Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 10; Wieling, § 4 I b aa), da der generelle Besitzwille mit der Anbringung der Empfangsvorrichtung erkennbar nach außen tritt. Der Erwerbswille erstreckt sich daher grundsätzlich auch auf irrtümlich eingeworfene, an andere adressierte Briefe (Westermann / Gursky / Eickmann, Sachenrecht, § 13 Rn. 4; Wollf / Raiser, § 10 Fn. 2). Die objektiven Voraussetzungen für den Besitz liegen somit vor. 810  Eckstein, Besitz, S. 109. 811  Vgl. Heinrich, in: MüKo, § 52 WaffG Rn. 119, wobei in diesem Beispiel der Besitz in Form eines Führens i. S. d. § 1 Abs. 3 WaffG vorliegt.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten137

Handlung einzustufen ist. Bei rein verhaltensbezogener Betrachtung stellt Besitz die Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses dar,812 so dass Anknüpfungspunkt auch für eine Besitzstrafbarkeit ein menschliches Verhalten, eine Handlung ist. Wird nun Handlung als Oberbegriff für Tun und Unterlassen verstanden,813 stellt sich zunächst die Frage, ob Besitzen als Tun oder als Unterlassen einzustufen ist.814 Während dies für die vielzitierte Frage nach der Besitzbegründung815 auf den ersten Blick oft vorschnell mit aktivem Tun816 bejaht wird, kann die Frage nach dem, was zeitlich zwischen Begründung und Beendigung gelten muss, nur schwer beantwortet werden. Ohne die verschiedenen Tun- und Unterlassungskonstellationen im Zeitpunkt „Besitz“ im Einzelnen aufzu­ führen,817 soll an dieser Stelle lediglich der Frage nach einer Zustandsstrafbarkeit nachgegangen werden. Festzuhalten ist dazu als Arbeitsthese, dass der Besitz als tatsächliches Verhältnis zwischen einer Person und einer Sache rechtsdogmatisch nicht zur Kategorie der Handlungen, sondern zu den rechtlich erheblichen Zuständen gehört.818 Auch wenn die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur unter Besitz grundsätzlich die Begründung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustandes versteht, wird in der Praxis der Umweg über eine Subsumtion unter eben diese Handlungen aufgrund der aufgezeigten Probleme gemieden, so dass „de facto eine Bestrafung bloßer Zustände“819 praktiziert wird. Berücksichtigt man neben diesem Umstand den soeben herausgearbeiteten 812  Vgl.

dazu nur BT-Drucks. 6 / 1877 S. 9 zum Besitz von Betäubungsmitteln. Heinrich, AT, Rn. 192; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 91, 93. 814  So auch schon Lagodny, Schranken, S. 322; Struensee, Grünwald-FS 1999, S. 713 (716 ff.), der zunächst das Verb „Besitzen“ sprachlich analysiert und dieses als Tätigkeit einstuft (715), im Ergebnis jedoch allein daraus keine Schlüsse hinsichtlich einer juristischen Bewertung zu ziehen vermag. 815  Vgl. BT-Drucks. 6 / 1877, S. 9; BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; BGHSt 27, 380; BGHSt 30, 277 (279); Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 13 / Rn. 15; Lagodny, Schranken, S. 325; Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7; Schroeder, ZIS 2007, 444 (448). 816  Die Besitzbegründung muss nicht zwingend durch aktives Tun erfolgen. Im Fall des unter B. IV. 2. b) aa) besprochenen Beispiels erlangt der Täter dadurch Besitz an der unbestellt zugesendeten Waffe, dass er lediglich Kenntnis von deren Existenz in seinem Herrschaftsbereich erlangt. Die Kenntniserlangung kann dabei weder als Tun noch als Unterlassen gewertet werden. Eine Abgabe- bzw. Vernichtungspflicht i. S. d. BtMG (BGH StV 1981, 127; BGH NStZ 2005, 155) unterstellt, hinge eine Strafbarkeit allein davon ab, wie zeitig die Waffe abgegeben wird, bevor eine Besitzbegründung durch Unterlassen anzunehmen wäre. 817  Siehe ausführlich dazu Eckstein, Besitz, S. 150 ff., 171 ff., 213 ff. 818  So auch Baumann, Einführung, S. 221 f. 819  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (112); siehe auch Lagodny, Schranken, S. 322, 325. 813  Vgl.

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B. Besitz i. S. d. Strafrechts

ergänzenden Strafzweck der Beweiserleichterung, der gerade in den Fällen zum Tragen kommen soll, in denen ein Erwerb der Sache und damit auch die Besitzbegründung nicht oder nicht mehr nachgewiesen werden kann, erscheint ein Abstellen allein auf den Zustand „Besitz“ überzeugend.820 Um jedoch eine Zustandsstrafbarkeit annehmen zu können, ist diese zunächst von dem bestehenden Zustandsdelikt abzugrenzen, da dieser Begriff bereits in Verwendung ist. Nach herkömmlichem Verständnis erschöpft sich der tatbestandsmäßige Unwert eines Zustandsdeliktes bereits in der Herbeiführung eines widerrechtlichen Zustandes,821 ergänzt um die Abgrenzungsfunktion als Komplementärbegriff zum Dauerdelikt.822 Daher erlaubt diese für das Verhältnis Tun-Unterlassen-Zustand irrelevante Funktion laut Eckstein eine Neuvergabe des Terminus Zustandsdelikt.823 Nach Wortlaut und Konzeption des Gesetzes seien die Besitzdelikte Zustandsdelikte. Erkennt man aber eine solche Zustandsverantwortlichkeit an,824 so stellt sich die Frage, ob dieses Verständnis bzw. die Besitzstrafbarkeit als solche mit der verfassungsrechtlichen Garantie des Tatprinzips in Einklang zu bringen ist. Denn vor dem Hintergrund der Verfassungswidrigkeit allein auf „bösen“ Gedanken fußender Bestrafung,825 erscheint auch ein reines zustandsbezogenes Besitzverbot verfassungsmäßig zumindest bedenklich.826 Aus der Garantie des Tatprinzips folgt, dass Anknüpfungspunkt für jegliche Bestrafung eine Einzeltat und somit eine Handlung sein muss.827 Ist aber Strafgrund ein bloßer Zustand, könnte diese Garantie möglicherweise nicht mehr gewährt sein. Auf der anderen Seite sind jedoch weder der nullapoene-sine-lege-Grundsatz noch der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG dahin zu verstehen, dass die Bestrafung einer „Tat“ ein menschliches Verhalten im Sinne einer Handlung erfordere.828 Stattdessen bedeute Strafbarkeit im Sin820  Siehe dazu, dass die Beweiserleichterung nie alleiniger Strafzweck sein kann, oben unter B. IV. 2. a) cc); siehe auch unten unter E. I. 4. 821  Vgl. LG Frankfurt, NStZ 1990, 592 (593); Heinrich, AT, Rn. 166; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 33. 822  Vgl. Roxin, AT I, § 10 Rn 106 f; Stree / Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, Vorbem. §§ 52 ff. StGB Rn. 82. 823  Vgl. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (113). 824  So neben Eckstein zum Beispiel auch: Exner, Pornografiestraftaten, S. 33; Lagodny, Schranken, S. 325, der Besitzdelikte als solche jedoch für verfassungswidrig hält (S. 335); Schroeder, ZIS 2007, 444 (448); Struensee, Grünwald-FS 1999, S. 713. 825  Vgl. Baumann / Mitsch / Weber, AT, § 3 Rn. 80; Lagodny, Schranken, S. 226. 826  Vgl. Lagodny, Schranken, S. 322. 827  Vgl. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 1089. 828  So aber unter anderem Lagodny, Schranken, S. 323; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 1089; Schlosser, Grundsatz, S. 85 und 88.



IV. Funktionen und Erscheinungsformen von Besitzdelikten139

ne des Art. 103 Abs. 2 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten,829 ohne darüber hinaus zu regeln, welches Verhalten für strafbar erklärt werden darf.830 Damit hat das BVerfG die Besitzstrafbarkeit sowohl im Falle des BtMG als auch des WaffG für verfassungsmäßig erklärt und damit möglicherweise auch den Weg für eine Zustandsverantwortlichkeit geebnet. Dem Schuldansatz des BVerfG831 folgend, ist als Bestandteil dieser damit jedoch in letzter Instanz erneut ein menschliches Verhalten erforderlich,832 da Schuld Vorwerfbarkeit eines konkreten Lebensvorgangs kraft Beherrschbarkeit bedeutet und diese Beherrschbarkeit nur dann gegeben ist, wenn auch ein mensch­ liches Verhalten vorliegt. Erforderlich ist ein Verhaltensunrecht bzw. Handlungsunrecht.833 Infolgedessen kennt das deutsche Strafrecht weder ein Gesinnungsstrafrecht noch eine reine Erfolgshaftung.834 Anknüpfungspunkt muss daher auch im Falle der Besitzstrafbarkeit ein menschliches Verhalten sein, ohne dass dieses Erfordernis einer Zustandsverantwortlichkeit gegenüber stünde. Radbruch835 stellte schon 1904 fest, dass sich Unterlassen nicht als Handlung begreifen lasse und somit nicht von einem starren Handlungsbegriff ausgegangen werden kann. Und auch der soziale Handlungsbegriff umfasst jedes „sozialerhebliche menschliche Verhalten“.836 Doch auch mit Hilfe von Roxins Ansicht, wonach eine Handlung alles umfasst, „was sich einem Menschen als seelisch-geistiges Ak­ tionszentrum zuordnen lässt“,837 gelingt es nicht, den bloßen Zustand als Handlung zu definieren. Zustand und Handlung stehen konträr zueinander, weswegen die Zustandsverantwortlichkeit eo ipso gerade verhaltensunabhängig sein muss. Soll nun aber neben das Erfordernis menschlichen Verhaltens ein den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG entsprechender Zustand treten, ist 829  Siehe

BVerfGE 26, 183 (204). BVerfG NJW 1994, 2412; BVerfG NJW 1995, 248 (249). 831  Vgl. BVerfGE 26, 183 (204); BVerfGE 84, 82 (87). 832  Siehe Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 920, der als Ausdruck des Schuldprinzips Wissen auf Seiten des Täters über die Verbotenheit seines Tuns voraussetzt und damit ein Tun als wesentliches Element festsetzt. Vgl. auch Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 1089. 833  Vgl. z. B. Gallas, Bockelmann-FS 1979, S. 155 (161 ff.); Lagodny, Schranken, S. 323. 834  Vgl. Heinrich, AT, Rn. 525, 528; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 1089; Schlosser, Grundsatz, S. 85; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn.  400 f. 835  Radbruch, Handlungsbegriff, S. 140 ff. 836  Jescheck, in: Schmidt-FS 1961, S. 139 (151); Jescheck / Weigend, § 23, S.  222 ff. 837  Roxin, AT I, § 8 Rn. 44. 830  Siehe

140

B. Besitz i. S. d. Strafrechts

eine Abgrenzung der Zustandsverantwortlichkeit vom reinen Gesinnungsstrafrecht zwingend. Eckstein sieht die Voraussetzungen für eben diese Abgrenzung zu Gesinnungs- und Erfolgsstrafrecht in den eine Besitzstrafbarkeit konstituierenden Elementen Herrschaftswille, Besitzvorsatz und Sachherrschaft, da sich der Besitz durch diese von reinem Zustand unterscheide.838 Die subjektiven Elemente seien integraler Bestandteil des Besitzes, so dass der „böse Gedanke“ erst durch den nach außen tretenden Besitz zum Tragen käme und damit schon kein Gesinnungsdelikt gegeben sei.839 Ist aber der Besitz zusammen mit all seinen Voraussetzungen als Zustand der nach dem Schuldprinzip zu bestrafende Lebensvorgang, fehlt es an einer Verknüpfung mit den subjektiven Elementen durch die für den Schuldvorwurf konstitutive Beherrschbarkeit.840 Denn nach herkömmlicher Ansicht erfordert diese eine menschliche Handlung in Form eines Tuns oder Unterlassens. Stützt Eckstein aber die Zustandsverantwortung auf eine subjektive Beherrschbarkeit,841 ist der Weg in ein reines Gesinnungsstrafrecht eröffnet. Macht er hingegen auf einem Umweg über die Schuld wieder ein menschliches Verhalten zur Grundlage für die Besitzstrafbarkeit,842 so wird aus dem bloßen Zustand wieder ein Handlungsdelikt. Der Ansatz Ecksteins, neben ein menschliches Verhalten einen bloßen Zustand treten zu lassen, kann vor diesem Hintergrund ebenso nicht bestehen, wie auch der Ansatz von Lagodny und Struensee nicht zu überzeugen vermag, die in den Besitzdelikten ebenfalls Zustandsdelikte sehen, diese aber mangels Anknüpfung der Strafbarkeit an ein Verhalten für verfassungswidrig halten.843 Unter Besitz ist somit kein Zustand zu verstehen, sondern ein kausales Verhalten, nämlich die Herbeiführung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustandes.844 Nur diese Ansicht genügt dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip, indem ein menschliches Verhalten den Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit bildet. Eckstein, Besitz, S. 240; Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (114). Eckstein, Besitz, S. 240. 840  Vgl. für das Erfordernis willensbeherrschten Verhaltens: BVerfG NJW 1995, 248 (249). 841  Vgl. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (115). 842  Eckstein selbst geht davon aus, dass der Besitz „im praktischen Regelfall“ auf eine strafbare Handlung zurückzuführen ist und sich somit „zumindest handlungsakzessorisch“ verhält (S. 239 f.). Versucht Eckstein aber damit dem Handlungserfordernis der Schuld Genüge zu tun, gesteht er selbst Lücken in seiner Argumentation ein. 843  Vgl. Lagodny, Schranken, S. 318 und 335; Struensee, Grünwald-FS 1999, S. 713 (722). 844  Siehe nur BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; BT-Drucks. 6 / 1877, S. 9 und BGHSt 27, 380 (381); für § 184b StGB im Speziellen Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7. 838  Vgl. 839  Vgl.



V. Zusammenfassung141

V. Zusammenfassung Als status quo lässt sich im Anschluss an die vorangegangene Ausarbeitung folgendes festhalten: Besitz i. S. d. Strafrechts ist die tatsächliche Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand. Trotz der gleichlautenden Voraussetzungen können zivilrechtlicher und strafrechtlicher Besitz jedoch nicht gleichgesetzt werden. Das Strafrecht kennt auf der einen Seite die Besitzfiktion des Erbenbesitzes nicht, während im Zivilrecht dem Besitzdiener gemäß § 855 BGB keinerlei Besitz zugesprochen wird. Lediglich der unmittelbare Besitz i. S. d. § 854 Abs. 1 BGB fällt in der Regel mit dem strafrechtlichen zusammen. Aufgrund des einheitlichen zivilrechtlichen Besitzbegriffs ist dies für eine allgemeingültige Gleichsetzung jedoch nicht ausreichend. Auch strafrechtlicher Besitz und Gewahrsam i. S. d. §§ 242 ff. StGB sind nicht kongruent, Gewahrsam und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt i. S. d. Waffenrechts hingegen schon. Ob das in diesen Fällen erforderliche Herrschaftsverhältnis vorliegt, wird nach der Verkehrsanschauung bestimmt, wonach eine zumindest vorübergehende tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit erforderlich ist. Die Sachherrschaft muss weiterhin von einem natürlichen Beherrschungswillen getragen sein, welcher – in Einzelfällen um einen konstituierenden Besitzzweck ergänzt – als Bestandteil des Besitzes für diesen obligatorisch ist. Sachherrschaft und Besitzwille bilden damit lediglich die objektiven Voraussetzungen für das Vorliegen eines Besitzdeliktes; erforderlich ist daneben als Element des subjektiven Tatbestandes ein entsprechender Vorsatz. Besitz an sich stellt einen Rechtszustand und keine Rechtshandlung dar. Das Besitzdelikt als solches hingegen erfordert vor dem Hintergrund des verhaltensbasierten Schuldprinzips als Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit jedoch ein kausales Verhalten. Bestraft wird daher grundsätzlich nicht der Zustand selbst, sondern die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung des Besitzverhältnisses und damit ein aktives Tun oder ein Unterlassen. Die Besitzdelikte dienen wie alle Straftatbestände dem Rechtsgüterschutz, so dass als Strafzweck zum einen die in der Sache selbst angelegte Gefährlichkeit, zum anderen aber die mit der Sache verbundenen Risiken anzusehen sind. Nur ergänzend dienen Besitzdelikte der Erleichterung der Strafverfolgung. Dabei ist der Gesetzgeber an keine Formulierung gebunden, vielmehr treten Besitzdelikte in den unterschiedlichsten Formen auf, in der Regel jeweils um ein subjektives Element, wie eine Verkaufsabsicht, wie im Falle des Vorrätighaltens, ergänzt.

C. Daten- und Schriftenbegriffe § 184b Abs. 4 StGB stellt die Besitzverschaffung bzw. den Besitz an kinderpornografischen Schriften unter Strafe und legt dabei ein Besitzbegriffsverständnis i. S. e. Besitzes aufgrund tatsächlicher Sachherrschaft zu Grunde. Für die vorliegende Fragestellung nach einem Besitz durch tatsächliche Datenherrschaft gilt es im Vorfeld der eigentlichen Auslegung der Tathandlung die damit verbundenen technischen Abläufe darzustellen. Eine Entscheidung bezüglich der Strafbarkeit einer Zwischenspeicherung im Arbeitsspeicher setzt ebenso grundsätzlich Kenntnisse hinsichtlich der technischen Funktionsweise des Arbeitsspeichers voraus, wie die Schaffung des Begriffs „Datenherrschaft“ eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Daten“ erfordert.

I. Der Datenbegriff Der Begriff Daten findet sich neben der Rechtssprache auch in der Alltagssprache an verschiedenen Stellen. Ebenso unterschiedlich wie die jeweilige Verwendung ist dementsprechend die dem Begriff zugeschriebene Bedeutung. Zum einen sind Daten „zum Zweck der Verarbeitung zusammengefasste Zeichen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Informationen (d. h. Angaben über Sachverhalte und Vorgänge) darstellen“.1 Zum anderen definiert beispielsweise die Semiotik Daten als potentielle Information,2 während sich im Duden unter dem Schlagwort „Daten“ gleich vier Begriffsbestimmungen finden: 1. Plural von Datum, 2. [Zahlen] werte, Angaben, formulierbare Befunde, 3. elektronisch gespeicherte Zeichen, Angaben, Informationen und 4. zur Lösung oder Durchrechnung einer Aufgabe vorgegebene Zahlenwerte und Größen.3 Der zunächst technische Begriff „Daten“ findet sich beispielsweise in der DIN Norm 44300 Nr. 19, wonach Daten „Zeichen oder kontinuierliche Funktionen, die auf Grund bekannter oder unterstellter Abmachungen, vorrangig zum Zwecke der Verarbeitung, Informationen darstellen.“ Daten 1  Gabler,

in: Wirtschaftslexikon, Stichwort: „Daten“, abgerufen am 12.01.2012. z. B. Wiegand, Wörterbuchbenutzung, S. 170; Voß, LIBREAS Ideas #23, S.  6 f., 8. 3  Siehe Duden „Daten“, Bedeutung. 2  So



I. Der Datenbegriff143

werden daher auf semantischer Ebene als Information verstanden, während sie auf syntaktischer Ebene durch Zeichen zu Daten zusammengesetzt werden.4 Aufgrund der Trennung zwischen den Begriffen „Information“ und „Daten“ können diese nicht als gleichwertig angesehen werden.5. Daten sind dabei als Beschreibung von Sachverhalten zu verstehen, während Informationen Antworten auf Fragestellungen darstellen.6 Korge7 liefert dazu ein anschauliches Beispiel, wonach unter der Zeichenkombination 01000001 der ASCII-Code8 den Buchstaben „A“ darstellt.9 Die Ausgabe „A“ am Computer stellt dabei semantisch die Information dar, während die Einsen und Nullen die Daten in Binärcode auf syntaktischer Ebene darstellen. Für die nicht-technische Alltagssprache lässt sich eine solche Trennung jedoch nicht vornehmen, wie der Blick in die Semiotik oder die Begriffsbedeutung im Duden gezeigt haben. Unter Berücksichtigung der Relativität der Alltagssprache und der Rechtsbegriffe zeigt bereits diese kurze Übersicht, wie auch dieser Begriff grundsätzlich kontextabhängig verstanden werden muss. Die stark voneinander abweichenden Begriffsbedeutungen stehen daher sowohl in der Alltags- als auch in der Rechtssprache einem einheitlichen Datenbegriff entgegen. 1. Der Datenbegriff in der Rechtssprache Der Gesetzgeber verwendet den Begriff Daten in den verschiedensten Gesetzen in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen. So findet sich der Begriff Daten unter anderem in den §§ 202a ff, 238, 263a, 269, 274, 303a, 303b StGB, in § 68, 81f, 81g, 97, 98a ff., 100c ff., 474 ff. StPO, in § 1, 3, 3a, 4, 5, 13 ff. BDSG10, in § 79, 509 BGB in § 8, 8a, 9, 9a HGB, in §§ 2, 5, 14 ff., 24 ff. PAuswG11 und in § 10a, 126 GBO12. Wie schon im Falle des Besitzbegriffs existiert auch hinsichtlich dieser Regelungen kein einheitlicher Datenbegriff. Dennoch umfassen die meisten der exemp4  Vgl. Bauknecht / Zehnder, Grundlagen, S.  34; Scheffler, in: ComputerrechtsHandbuch, 1. Absch. 10. Teil, § 202a StGB Rn. 12; Sieber, NStZ 1989, 2569 (2572); Voß, LIBREAS Ideas #23, S. 8. 5  Vgl. Bauknecht / Zehnder, Grundlagen, S. 34. 6  Vgl. Bauknecht / Zehnder, Grundlagen, S. 34. 7  Korge, Beschlagnahme, S: 8. 8  American Standard Code for Information Interchange. 9  Siehe zur Visualisierung CRYPTII (http: /  / goo.gl / UR395c, CRYPTII, 12.04. 2014). 10  Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), BGBl. I 2003, S. 66. 11  Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (Personalausweisgesetz – PAuswG), BGBl. I 2009, S. 1346. 12  Grundbuchordnung (GBO), BGBl. I 1994, S. 1114.

144

C. Daten- und Schriftenbegriffe

larisch aufgeführten Vorschriften Regelungen bezüglich personenbezogener Daten, weswegen diesen in der Regel ein ähnliches Begriffsverständnis zu Grunde liegt. Daten i. S. d. §§ 81f ff., 474 ff. StPO sind daher ebenso, wie beispielsweise in den § 86 AufenthG13, § 25a StrRehaG14 sowie § 35 Abs. 1 StGB i. V. m. § 67 Abs. 1 SGB X15, als personenbezogene Daten und damit gemäß § 3 Abs. 1 BDSG als „Einzelangaben über persönliche oder sach­ liche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)“ zu verstehen. Auch § 203 Abs. 2 Satz  2 StGB nimmt Bezug auf Einzelangaben, bezieht daneben aber auch juristische Personen in den Schutzbereich ein und ist damit weiter als § 3 Abs. 1 BDSG.16 Dennoch stellt die Einzelangabe auch hier das gemeinsame Element dar. Aufgrund der sprachlichen Mehrdeutigkeit existieren daneben verschiedene Regelungen beispielsweise hinsichtlich der Speicherung oder Übertragung von Daten, die den technischen Umgang mit diesen regeln und insoweit von dem oben genannten Verständnis abweichen. So definiert § 3 Abs. 1 BDSG „personenbezogene Daten“ noch als Einzelangaben und regelt in § 13 Abs. 1 BDSG die Zulässigkeit der Erhebung solcher Daten, während in den §§ 14 ff. BDSG die Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übertragung geregelt werden. In anderen Gesetzen, wie beispielsweise der HGB oder der GBO, bezieht sich der Datenbegriff auf die jeweils elektronisch geführten Register. § 126 Abs. 1 Satz 1 GBO spricht dabei ausdrücklich von einer „elektronischen Datei“, während die §§ 133 ff. GBO wiederum von „Daten“ sprechen. Die größte Diversität der Begriffsverständnisse fördert jedoch ein Vergleich der §§ 3 Abs. 1 BDSG und 202a StGB zu Tage. Versteht das BDSG unter Daten „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse“17 und stellt damit keinen Bezug zu einer technischen Datenverarbeitung her, 13  Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG), BGBl. I 2008, S. 162. 14  Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz – StrRehaG), BGBl. I 1992, S. 2264. 15  Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), BGBl. I 2001, S. 130; § 35 Abs. 1 StGB und § 67 Abs. 1 SGB X sprechen dabei von „Sozialdaten“, welche aber ebenfalls personenbezogene Daten darstellen. 16  Vgl. Cierniak / Pohlit, in: MüKo, § 203 StGB Rn. 101; Fischer, § 203 StGB Rn. 10. 17  Vgl. z. B. Ambs, in: Erbs / Kohlhaas, § 3 BDSG Rn. 4; Gola / Schomerus, § 3 BDSG Rn. 3. Dabei ist zu beachten, dass das BDSG den Terminus „personenbezogene Daten“ verwendet, so dass die Einzelangaben über persönliche Verhältnisse (Daten) zusätzlich noch einer bestimmbaren Person zuordenbar (personenbezogen) sein müssen.



I. Der Datenbegriff145

sind Daten i. S. d. § 202a Abs. 2 StGB demgegenüber nur solche, „die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übertragen werden“. Auf den Inhalt des Datums kommt es dabei im Gegensatz BDSG gerade nicht an.18 Der Datenbegriff des § 202a StGB kann dabei jedoch nicht als für das Strafrecht allgemeingültige Legaldefinition verstanden werden, vielmehr schränkt er lediglich den Anwendungsbereich des § 202a StGB ein.19 Dies ergibt sich zum einen aus der internen Verweisung in Abs. 2 auf Abs. 1, zum anderen folgt aus der tatbestandlichen Einschränkung, dass § 202a StGB einen über den Abs. 2 hinausgehenden Datenbegriff voraussetzt, ohne dass dieser jedoch im StGB an anderer Stelle definiert wird. Trotz der anhaltenden Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich des Datenbegriffs,20 hat der Gesetzgeber eine Notwendigkeit, den Datenbegriff zu definieren, wie schon bei der Einführung des § 268 Abs. 2 StGB,21 auch bei § 202a Abs. 2 StGB22 nicht gesehen.23 Der Begriff sei zum einen nicht neu und zum anderen würde er bereits im BDSG verwendet.24 Doch trotz der entgegengebrachten Kritik findet man den Versuch, einen verbindlichen strafrechtlichen Datenbegriff zu formulieren, in der strafrechtlichen Kommentierung in den wenigsten Fällen.25 In der Regel wird lediglich eine kontextbezogene Definition bemüht, so dass sich beispielsweise im Fall des § 269 StGB in der Literatur in der Regel26 lediglich eine Definition von z. B. Eisele, Computerstrafrecht, § 6 Rn. 5; Fischer, § 202a StGB Rn. 4. §  202a StGB Rn.  3; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn.  538 f.; Malek, Strafsachen, Rn. 146. 20  Während der Gesetzgeber unter Daten „speicherbare Informationen aller Art, die einer weiteren Verarbeitung in einer Datenverarbeitungsanlage unterliegen“ verstand (BT-Drucks. V / 4094, S. 37), müssten nach Ansicht der Literatur Daten „auch solche Informationen [umfassen], die einer weiteren Verarbeitung nicht mehr bedürfen“ (Cramer / Heine, in: Sch / Sch, § 268 StGB Rn. 11 ff.; zust.; Fischer, § 268 StGB Rn. 4; Lackner / Kühl, § 268 StGB Rn. 4, Zieschang, in: LK, 12. Aufl., § 268 StGB Rn. 8; a. A. z. B. Hoyer, in: SK-StGB, § 268 StGB Rn. 11). 21  Siehe BT-Drucks. 4 / 4094, S. 37, wonach für § 268 Abs. 2 StGB die Norm DIN 44300 Nr. 19 bzw. DIN ISO / IEC 2382 gelten soll. 22  Vgl. BT-Drucks. 10 / 5058, S. 29. 23  Vgl. Scheffler, in: Computerrechts-Handbuch, 1. Absch. 10. Teil, § 202a StGB Rn.  7 ff., 16. 24  Vgl. Protokoll der 63. Sitzung des Rechtsausschusses vom 23. Oktober 1985, 63 / 85; Kritik bei Scheffler, in: Computerrechts-Handbuch, 1. Absch. 10. Teil, § 202a StGB Rn. 9, nach dem das BDSG „personenbezogene Daten“ als „Angaben“ definiert und damit lediglich den einen unbestimmten Rechtsbegriff durch einen anderen ersetzt. 25  Vgl. Dornseif / Schumann, JR 2002, 52. 26  Vgl. Fischer, § 269 StGB Rn. 4; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 175; Radtke, ZStW 115 (2003), 26 (31). 18  Vgl.

19  Fischer,

146

C. Daten- und Schriftenbegriffe

„beweiserhebliche[n] Daten“ findet,27 ohne dass jedes Element für sich betrachtet wird. Eine Aufspaltung der Definitionen in „beweiserheblich“ und „Daten“ wird hingegen nicht vorgenommen. Die überwiegende Ansicht in Schrifttum und Rechtsprechung geht daher von einem grundsätzlich weiten Datenbegriff aus und versteht unter Daten alle durch Zeichen oder kontinuierliche Funktionen dargestellten Informationen, die sich als Gegenstand oder Mittel in der Datenverarbeitung für eine Datenverarbeitungsanlage codieren lassen oder die das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorganges darstellen.28 Dieses Datenverständnis weist einen starken Computerbezug auf, was auch vom Rechtsausschuss intendiert ist, da der Datenbegriff offen für neue Technologien sein müsste.29 Die Bezugnahme auf die DIN-Normen in den Drucksachen zu § 268 Abs. 2 StGB legt ein solches Verständnis ebenfalls nahe. Jedoch gelingt es trotz dieses weiten Datenverständnis nicht, jedes computerbezogene Datum zu erfassen und auch § 202a Abs. 2 StGB kann aufgrund seiner Fassung nur für die Tatbestände gelten, die direkt auf diesen Bezug nehmen;30 im Übrigen ist daher von einem allgemeinen Datenverständnis auszugehen.31 Auch der Verweis auf die DIN-Normen im Falle des § 268 Abs. 2 StGB ist nicht abschließend und hinsichtlich des Verarbeitungszwecks zu eng, da durch diesen diejenigen Daten aus dem Anwendungsbereich fallen, die einer weiteren Verarbeitung nicht mehr bedürfen.32 Daher gilt auch hier ein allgemeines Datenverständnis, so dass alles einbezogen ist, was nach allgemeinem Sprachgebrauch unter den Datenbegriff fällt.33 2. Der Datenbegriff im Rahmen des digitalen Besitzes Mangels feststehender, allgemeingültiger Datenbegriffe muss dies auch hinsichtlich des digitalen Besitzes i. S. d. § 184b StGB gelten. Besitzobjekt der Norm sind kinderpornografische Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB, deren kleinste gemeinsame Voraussetzung die optische Wahrnehmbarkeit Dornseif / Schumann, JR 2002, 52. z. B. Eisele, Computerstrafrecht, § 6 Rn. 5; Lenckner / Eisele, in: Sch / Sch, § 202a StGB Rn. 3; Graf, in: MüKo, § 202a StGB Rn. 10; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 538; Malek, Strafsachen, Rn. 146; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 90. 29  Vgl. Haft, BT-Anhörung vom 06.06.1984, S. 208, der den Begriff als „farblos“ bezeichnet. 30  So auch Baumann / Bühler, JuS 1989, 49 (52); Fischer, § 202a StGB Rn. 3; Zieschang, in: LK, 12. Aufl., § 268 StGB Rn. 8; anders Hoyer, in: SK-StGB, § 268 StGB Rn. 11, nach dem ebenfalls der Datenbegriff aus § 202a StGB zu Grunde zu legen sei. 31  Vgl. BT-Drucks. 10 / 5058, S. 34; Lenckner / Winkelbauer, CR 1986, 483 (484). 32  Vgl. Cramer / Heine, in: Sch / Sch, § 268 StGB Rn. 11 m. w. N. 33  Vgl. Zieschang, in: LK, 12. Aufl., § 268 StGB Rn. 8. 27  Vgl. 28  Vgl.



I. Der Datenbegriff147

darstellt.34 Dieses Erfordernis muss – unabhängig von den Fragen nach der Körperlichkeit und fehlenden Erwähnung in § 11 Abs. 3 StGB –35 auch im Rahmen des Datenbegriffs Berücksichtigung finden. Unter Daten i. S. d. Datenherrschaft können daher nur solche fallen, die, wenn auch mittels technischer Hilfsmittel, wahrnehmbar sind und darüber hinaus eine kinderpornografische Schrift darstellen. Dieser zweite Aspekt spielt insbesondere aufgrund der beim Betrachten im Internet ablaufenden technischen Vorgänge eine entscheidende Rolle, da selbst die ersten zwei Sekunden eines gestreamten kinderpornografischen Videos Daten i. S. d. Norm darstellen,36 in denen der kindliche Darsteller noch gar nicht im Bild zu sehen ist. Im Falle eines Übertragungsabbruchs würde der Täter zwar entsprechende Daten auf seinem Computer besitzen, kinderpornografischen Charakter hätten diese jedoch nicht. Auf der anderen Seite werden bei einer typischen Bildwiederholungsrate von 25 Bildern pro Sekunde bis zu 50 Bilder zwischengespeichert, die möglicherweise nicht als Video, aber doch als bildliche kinderpornografische Darstellungen gelten müssen. Von dem Begriff der Daten ist darüber hinaus der Begriff „Datei“ zu unterscheiden. Dieser Begriff ist ein Kofferwort aus Daten und Kartei und bezeichnet den Bestand inhaltlich zusammengehöriger Daten, der als Sektor auf einem Speichermedium abgelegt wird.37 Um auf einem Speichermedium permanent gespeichert zu werden, müssen Daten in einer Datei zusammengefasst sein.38 Diese Dateien werden von einem Dateisystem verwaltet, deren Hauptaufgabe es ist, dem Anwender eine verständliche Sicht zum Zugriff auf Dateien bereitzustellen und diese auf die physische Schicht, also auf das Speichermedium, abzubilden. Die physische Schicht besteht im Wesentlichen aus der Menge der zur Verfügung stehenden durchnummerierten Speicherblöcke.39 Da es für die Frage nach einem auch den digitalen Besitz erfassenden Besitzbegriff in § 184b StGB keine Rolle spielt, ob die besessenen Daten in Dateien zusammengefasst sind oder, wie im Fall eines abgebrochenen Streams, nur fragmentarisch vorliegen, wird im Folgenden auf „Daten“ abgestellt. 34  Siehe hinsichtlich der einzelnen Begriffe und deren Voraussetzungen ausführlich sogleich unter C. II. 2. a). 35  Siehe dazu ausführlich unter E. I. 1. a). 36  Siehe zur Diskussion der rechtlichen Bewertung gepufferter Inhalte von Gerlach, Streaming, S. 113 ff., der als Beispiel nach Nordemann, in: Fromm / Nordemann, § 2 Rn. 51, die ersten Sekunden Beethovens fünfter Symphonie nennt (von Gerlach, Streaming, S. 117). 37  Vgl. Schiffmann / Bähring / Hönig, Informatik, S. 186. 38  Vgl. Schiffmann / Bähring / Hönig, Informatik, S. 203. 39  Vgl. Schiffmann / Bähring / Hönig, Informatik, S. 203.

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB § 184b StGB selbst verweist für das Tatobjekt auf § 11 Abs. 3 StGB, ohne den Begriff „Daten“ oder „Datei“ aufzuführen. Stattdessen verwendet der Gesetzgeber mit dem Begriff „Schriften“ eine Begrifflichkeit, die sich nicht nur in § 184b StGB, sondern an den verschiedensten Stellen im Strafrecht findet. So regelt beispielsweise § 74d Abs. 1 StGB die Einziehung solcher Schriften, deren Verbreitung die Verwirklichung eines Straftatbestandes zur Folge hätte, während § 80a StGB und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG jeweils das Verbreiten von Schriften unter Strafe stellen: § 80a StGB für den Fall des Aufstachelns zu einem Angriffskrieg i. S. d. § 80 StGB und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BtMG unter anderem für den Fall der öffentlichen Aufforderung zum Verbrauch von solchen Betäubungsmitteln, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind. An Stelle einer entsprechenden Definition des Schriftenbegriffs findet sich in den jeweiligen Vorschriften jedoch nur eine Verweisung auf § 11 Abs. 3 StGB. Die Anzahl der auf § 11 Abs. 3 StGB verweisenden Vorschriften ist dabei beträchtlich;40 die gesetzesübergreifende Verweisung von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BtMG auf § 11 Abs. 3 StGB ist seiner Eigenschaft als Spezialvorschrift zu § 111 StGB geschuldet, der seinerseits auf § 11 Abs. 3 StGB verweist.41 § 11 Abs. 3 StGB enthält trotz der vielen Verweisungen jedoch ebenfalls keine Legaldefinition,42 sondern stellt vielmehr eine gesetzestechnische Vereinfachung in Form einer Gleichstellungsklausel unter dem Sammelbegriff „Schriften“ als dem „praktisch häufigsten Anwendungsfall“43 von Darstellungen dar.44 Nach § 11 Abs. 3 StGB stehen den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen in denjenigen Vorschriften gleich, die auf diesen Absatz verweisen. „Schriften“ 40  Vgl. Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 58; neben § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BtMG verweisen aus dem StGB die Vorschriften der § 74d Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 StGB, § 80a StGB, § 86 Abs. 2 StGB, § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 90 Abs. 1 StGB, § 90a Abs. 1 StGB, § 90b Abs. 1 StGB, § 91 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 103 Abs. 2 StGB, § 111 Abs. 1 StGB, § 130 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 StGB, § 130a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB, § 131 Abs. 1 StGB, § 140 Nr. 2 StGB, § 165 Abs. 1 StGB, § 166 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB, § 176a Abs. 3 StGB, § 184 Abs. 1 StGB, § 184a StGB, § 184b Abs. 1 StGB, § 184c Abs. 1 StGB, § 186 StGB, § 187 StGB, § 188 Abs. 1 StGB, § 194 Abs. 1, Abs. 2 StGB, § 200 Abs. 1 StGB, § 219a Abs. 1 StGB auf § 11 Abs. 3 StGB. 41  Vgl. nur Patzak, in: Körner, § 29 BtMG Teil 21 / Rn. 7. 42  Vgl. z. B. Römer, Verbreitungsdelikte, S. 79; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 74, Walther, NStZ 1990, 523. 43  Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67. 44  Vgl. Fischer, § 11 StGB Rn. 36; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 115; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 168.



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB149

i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB sind dabei nach zurzeit überwiegendem Verständnis Zusammenstellungen von Buchstaben, Bildern oder Zeichen, die durch Augen oder Tastsinn wahrnehmbar sind und Gedankeninhalte verkörpern.45 Klassische Beispiele sind Bücher, Zeitschriften, Zeitungen oder Flug­ blätter.46 1. Historische Entwicklung „Schriften“ betreffende Vorschriften fanden sich im Strafrecht lange vor dem erst 1974 eingeführten § 11 Abs. 3 StGB47. Schon im Reichsstrafgesetzbuch von 187148 wurde an verschiedenen Stellen der Begriff der „Schrift“ verwendet.49 Wie auch im heutigen StGB existierten Regelungen zur Einziehung von Schriften in § 41 RStGB sowie hinsichtlich der Verbreitung „unzüchtiger Schriften“ in § 184 RStGB, den Beleidigungsdelikten in §§ 186, 187, 200 RStGB und den Staatsschutzbestimmungen in §§ 85, 110 RStGB. Neben kleineren Ergänzungen, wie beispielsweise in § 130a Abs. 2 RStGB und § 184a RStGB, hatten diese Regelungen über sechzig Jahre Bestand.50 Zum Zwecke des Staatsschutzes wurden in der Folgezeit in den verschiedensten Gesetzen die Verbreitung von Schriften betreffende Strafvorschriften eingeführt. So war es nach § 19 Sozialistengesetz51 von 1878 verboten, nach §§ 11, 12 Sozialistengesetz verbotene Druckschriften zu verbreiten, fortzusetzen oder wieder abzudrucken, während der von dem nationalsozialistischen Gesetzgeber eingeführte § 83 RStGB n. F.52 den Aufruf zum Hochverrat in Satz 3 Nr. 3 für den Fall unter Strafe stellte, dass dieser „auf Beeinflussung der Waffen durch Herstellung oder Verbreitung von Schriften, Schallplatten, bildlichen Darstellungen (…) gerichtet war“. Als Höchststrafe sah diese Regelung sogar die Todesstrafe vor. Auch nach der Entnazifizierung fanden sich noch zahlreiche Staatsschutzregelungen mit Bezug auf Schriften und ähnliche Darstellungen im deutschen Strafrecht. Bedingt durch den technischen Wandel wurden im Wege 45  So z. B. RGSt 47, 224; BGHSt 13, 375 (376); Fischer, § 11 StGB Rn. 34; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116; Lackner / Kühl, § 11 StGB Rn. 27; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 75. 46  Vgl. Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 61.1. 47  EStGB 1974, BGBl. I 1974, S. 469. 48  RGBl. 1871, S. 127; in Kraft getreten am 01.01.1872. 49  Vgl. ausführlich zur Gesetzesgeschichte Franke, GA 1984, 452 ff. 50  Franke, GA 1984, 452. 51  Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, RGBl. 1878, S. 351. 52  RGBl. I 1934, S. 341.

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

des Vierten Strafrechtsreformgesetzes53 von 1973 neben dem Begriff des Bildträgers für die Fälle magnetisch gespeicherter Darstellungen auch der § 131 StGB a. F. als Schriftenverbreitungsdelikt hinzugefügt.54 § 131 StGB a. F. stellte unter anderem das Verbreiten, öffentliche Ausstellen und Herstellen gewaltverherrlichender „Schriften, Ton- und Bildträger, Abbildungen oder Darstellungen“ unter Strafe. Erst im Wege der Neufassung des Strafgesetzbuches im Jahre 197455 wurden die überall im StGB verteilten Schriften-Auflistungen in § 11 Abs. 3 StGB n. F. zusammengefasst und aus den einzelnen BT-Tatbeständen und dem den § 41 StGB a. F. ersetzenden § 74d StGB gestrichen.56 Die der Vereinfachung57 des Gesetzes dienende verweisungstechnische Zusammenfassung in § 11 Abs. 3 StGB geht dabei auf § 11 Abs. 3 E 1962 und § 10 Abs. 2 AE zurück58 und war damit schon länger gefordert worden. Die gleiche Zusammenfassung der Darstellungsformen wurde auch in § 1 Abs. 3 GjS a. F.59 vorgenommen,60 während auch heute noch in den §§ 116 Abs. 1, 119 Abs. 1 Nr. 2, 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG von „Schriften, Ton- oder Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen oder Darstellungen“ die Rede ist. Ebenfalls neu war auch die damit einhergehende Zusammenfassung unter dem Oberbegriff der Darstellung. Standen bis 1974 die einzelnen Erscheinungsformen noch „gleichberechtigt“ nebeneinander, so stellt die Schrift nun nur noch eine Unterform der Darstellung dar.61 Dennoch wurde in der Neufassung des § 11 Abs. 3 StGB nicht der „allzu farblose Oberbegriff der Darstellung, sondern de[r] Schriften“62 als „den praktisch häufigsten Anwendungsfall“63 der Aufzählung in Form einer Diärese vorangestellt.64 53  BGBl. I

1973, S. 1725. Franke, GA 1984, 452 (454). 55  BGBl. I 1974, S. 1297. 56  Vgl. Franke, GA 1984, 452 (454). 57  So jedenfalls BR-Drucks. 200 / 62, S. 121; für § 11 StGB im Allgemeinen: Lackner / Kühl, § 11 StGB Rn. 1. 58  Vgl. Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 115; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 73. 59  BGBl. I 1985, S. 1502; außer Kraft seit 31.3.2003. Siehe hinsichtlich des Begriffs des „Trägermediums“ aus dem das GjS ablösenden JuSchG in § 1 Abs. 2 Satz 1 JuSchG sogleich unten. 60  Art. 6 Nr. 2 IuKDG (BGBl. I 1997, S. 1876). 61  Vgl. auch Franke, GA 1984, 452 (454). 62  BR-Drucks. 200 / 62, S. 121. 63  BR-Drucks. 200 / 62, S. 121. 64  Kritik für die „wenig transparente Verweisungstechnik“ daher z. B. bei Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 142. 54  Vgl.



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB151

Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Wortlaut „Schriften (…) und andere Darstellungen“, dass „Darstellungen“ der Oberbegriff ist.65 Als Reaktion auf die sich stetig weiterentwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien und die damit erweiterten Nutzungs- und Verbreitungsmöglichkeiten rechtswidriger Inhalte wurde § 11 Abs. 3 StGB durch das IuKDG66 im Jahre 1997 um den Begriff des Datenspeichers ergänzt. Bis zu der Gleichstellung des Datenspeichers mit den Schriften war es in Rechtsprechung und Literatur umstritten,67 ob auch elektronische Darstellungen, wie beispielsweise beim BTX-Verfahren,68 unter den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB fallen.69 § 11 Abs. 3 StGB entfaltet trotz der Zusammenfassung im Allgemeinen Teil keine StGB-weite Gültigkeit, sondern gilt nur in den Fällen, in welchen ausdrücklich auf § 11 Abs. 3 StGB verwiesen wird.70 Fehlt die ausdrück­ liche Verweisung, üblicherweise in Form eines Klammerzusatzes,71 sind die darstellungsähnlichen Begriffe, wie „Schriftstück“ in den §§ 133, 202 StGB oder „Urkunde“ in § 267 StGB, grundsätzlich tatbestandsbezogen72 auszulegen.73 Schriftstücke i. S. d. § 202 StGB sind dabei beispielsweise Schrift65  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36; BGHSt 47, 55 (58); Lackner / Kühl, § 11 StGB Rn. 28; Fischer, § 11 StGB Rn. 33; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 74. 66  BGBl. I 1997, S. 1870; zur Begründung siehe BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 67  Siehe z. B. Gribbohm, in: LK, 11. Aufl., § 11 StGB Rn. 122 ff.; für eine Gleichstellung z. B.: OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38; Walther, NStZ 1990, 523; gegen eine Gleichstellung z. B.: OVG Münster, NJW 1993, 1494; Derksen, NJW 1997, 1878 (1882). 68  Der BTX-Staatsvertrag (HessLT-Drucks. 10 / 642, S. 3) definiert Bildschirmtext als ein „für jeden als Teilnehmer und als Anbieter zur inhaltlichen Nutzung bestimmtes Informations- und Kommunikationssystem, bei dem Informationen und andere Dienste für alle Teilnehmer oder Teilnehmergruppen (Angebote) und Einzelmitteilungen elektronisch zum Ablauf gespeichert, unter Benutzung des öffentlichen Fernmeldenetzes und von Bildschirmtextvermittlungsstellen oder vergleichbaren technischen Vermittlungseinrichtungen individuell abgerufen und typischerweise auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden“. Siehe zur Erläuterung Bartl, Btx-Recht, S.  73 f.; Ring / Hartstein, Bildschirmtext, S. 62 ff. 69  Vgl. Radtke, in: MüKo, § 11 Abs. 3 StGB Rn. 147; Ring / Hartstein, Bildschirmtext, S. 49. 70  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36; Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 68; Fischer, § 11 StGB Rn. 33; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 126; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 73. 71  Vgl. Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 58; Walther, NStZ 1990, 523. 72  Siehe hinsichtlich des Erfordernisses kontextbezogener Auslegung bereits ausführlich oben B. III. 1. c). 73  So auch Fischer, §  11 StGB Rn. 33; Heinrich, in: Wandtke-Medienrecht, Band 5, Kap. 5, § 2 Rn. 55; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 126; Sali-

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

träger, wie Papiere oder andere bedruck- oder beschreibbare Sachen, auf denen Gedanken ausgedrückt sind.74 Mit Blick auf das Rechtsgut, den Schutz eines formalen Geheimbereichs,75 wird schnell deutlich, wieso § 202 StGB nicht auch auf den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB verweist. Während es sich bei dem Schriftstück i. S. d. § 202 StGB um einen typischen Träger möglicherweise geheimhaltungsbedürftiger Gedanken, wie beispielsweise einen Brief handelt, erfasst die Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB grundsätzlich jede beliebige Verkörperung von Gedanken.76 So stellen Bücher gerade einen typischen Fall des § 11 Abs. 3 StGB dar, während sie qua Funktionsverständnisses aus der für § 202 StGB erforderlichen Vertraulichkeitssphäre in der Regel herausfallen. In seiner heute geltenden Fassung sind den Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB damit Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen gleichgestellt. 2. Inhaltliche Ausgestaltung Dazu, welche Anforderungen an die jeweiligen Darstellungen zu stellen sind, finden sich in § 11 Abs. 3 StGB jedoch keine Angaben. Radtke stellt hierzu treffend fest, dass der Begriff der „Schriften“ inhaltlich genauso wenig durch das Gesetz festgelegt ist wie der des „Datenspeichers“, weswegen die einzelnen Rechtsbegriffe des § 11 Abs. 3 StGB auslegungsbedürftig sind.77 Im Hinblick auf die im Rahmen der Relativität der Rechtsbegriffe und der Auslegungsmethoden gefundenen Erkenntnisse, ist eine vom Verwendungskontext unabhängige Auslegung jedoch nur unzureichend möglich.78 Da § 11 Abs. 3 StGB seinerseits jedoch lediglich eine Aufzählung der einzelnen Darstellungsformen und somit selbst keinen rechtsgutbezogenen Kontext enthält, kann eine für das Strafrecht verbindliche Aussage nur im Verwendungszusammenhang mit der jeweiligen verweisenden Norm getroffen werden.79 Für den Fall des Besitzes kinderpornografischer Schrifger, in: NK, § 11 StGB Rn. 73. Für den Begriff der „Abbildung“ wird in der Kommentarliteratur dennoch in der Regel auf die bestehenden Ausführungen zu § 11 Abs. 3 StGB verwiesen (vgl. nur Fischer, § 202 StGB Rn. 4; Weidemann, in: Beck’scher OK, § 202 StGB Rn. 5). 74  Vgl. Fischer, § 202 StGB Rn. 3. 75  Vgl. Schünemann, in: LK, 12. Aufl., § 202 StGB Rn. 2 m. w. N. 76  Siehe oben. 77  Vgl. Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 141. 78  Siehe oben unter B. III. 1. c). 79  So auch Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 141; Rudolphi / Stein, in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 56; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 74.



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB153

ten in § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB ist daher aufgrund der gesetzlichen Verweisung auf den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB neben den allgemeinen Aussagen aus § 11 Abs. 3 StGB auch der gesamte § 184b StGB für die Auslegung heranzuziehen. Im Folgenden gilt es jedoch zunächst, einige für alle verweisenden Normen geltende Grundlagen herauszuarbeiten,80 bevor diese im Anschluss im jeweiligen Verwendungszusammenhang konkretisiert werden. Dabei empfiehlt es sich trotz des Umstandes, dass die Darstellung den Oberbegriff darstellt, mit dem Begriff der Schriften zu beginnen, da dieser den häufigsten Anwendungsfall darstellt und der Darstellung als solcher lediglich eine Auffangfunktion zuteil wird.81 a) Der Begriff der „Schriften“ aa) Tatbestandliche Voraussetzungen Der Begriff „Schriften“ bezeichnet nach verbreiteter Ansicht eine durch Buchstaben, Bilder oder Zeichen verkörperte Gedankenäußerung, welche durch Augen oder Tastsinn wahrnehmbar sind.82 Dabei ist es unerheblich, welcher Art diese Zeichen sind, so dass neben Noten, Zahlen und Kombinationen von Schriften und sonstigen stofflichen Zeichen83 auch Geheim-, Kurz- oder Bilderschriften in Betracht kommen.84 Unerheblich sind auch die Art der Herstellung, also ob mit der Hand oder mit einem Computer geschrieben, sowie der Umstand, ob sie für jedermann wahrnehmbar sind oder nur mit Hilfe besonderer Kenntnisse oder Informationen oder nur mit Hilfe technischer Vorrichtungen wahrgenommen werden können.85 z. B. auch Rudolphi / Stein, in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 56. an dieser Stelle nur Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67 m. w. N. 82  Siehe z. B. RGSt 47, 406; BGHSt 13, 375 (376); Fischer, § 11 StGB Rn. 34; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 168; Kühl, § 11 StGB Rn. 27; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 144; Römer, Verbreitungsdelikte, S. 79; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 75. 83  Vgl. Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116. 84  Vgl. Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67. 85  Vgl. Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 144. Hilfsmittel in diesem Sinne sind z. B. Vergrößerungs- oder Projektionsgeräte (Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116). Da die Vergrößerungs- und Projektionsgeräte allein der Erleichterung einer grundsätzlich bestehenden Möglichkeit der optischen Wahrnehmung dienen, fallen Computerdateien, welche auch erst mittels des Hilfsmittels Computer wahrnehmbar werden, mangels direkter Wahrnehmbarkeit nicht unter den Begriff der „Schrift“. 80  So

81  Vgl.

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

Nach bisheriger Ansicht handelt es sich bei Schriften um körperliche Gegenstände.86 Dieses „allgemein anerkannte“87 Erfordernis der festen Verkörperung ergebe sich neben dem allgemeinen Sprachverständnis88 und der geschichtlichen Entwicklung der Norm89 insbesondere aus der Gesetzessystematik.90 So regeln die §§ 74 ff. StGB die Einziehung bestimmter Gegenstände bzw. § 74d Abs. 1 Satz 1 StGB die Einziehung solcher Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB, deren vorsätzliche Verbreitung den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen würde. Da Anknüpfungspunkt für die Einziehung Sachen und Rechte sind,91 lässt sich nach verbreiteter Ansicht zusammen mit den anderen in § 11 Abs. 3 StGB aufgeführten Darstellungsformen auch für den Schriftenbegriff eine Körperlichkeit herleiten.92 Das gleiche Ergebnis ließe sich nach bestehendem Begriffsverständnis auch anhand des Besitzbegriffs herleiten. Ist Besitz die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand,93 so muss die Schrift als normiertes Tatobjekt in beispielsweise § 184b Abs. 4 Satz  2 StGB ihrerseits ein körperlicher Gegenstand sein. Das Körperlichkeitserfordernis ließe sich darüber hinaus auch aus der Tathandlung des Verbreitens herleiten, welches ebenfalls – nach Ansicht des BGH94 von der Verbreitung via Internet abgesehen95 – eine körperliche Weitergabe voraussetzt.96 Das Verbreiten muss dabei anders als die bloße 86  Vgl. Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67; Fischer, §  11 StGB Rn.  33; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 168; Löhnig, JR 1997, 496; Popp, ZIS 2011, 193 (195); Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 62; Walther, NStZ 1990, 523. 87  Bornemann, MMR 2012, 157 (158) m. w. N. 88  Der Begriff der Schrift bezeichnet neben der Gesamtheit der in einem System zusammengefassten grafischen Zeichen (z. B. „lateinische Schrift“), der Folge von Buchstaben etc. auch einen geschriebenen, meist im Druck erschienenen, längeren Text (vgl. Duden „Schrift“, Bedeutung). 89  Siehe oben unter C. II. 1. 90  So z. B. Sieber, JZ 1996, 494 (495). 91  Vgl. Fischer, § 74 StGB Rn. 3. 92  Vgl. Sieber, JZ 1996, 494 (495) mit Verweis auf BVerwGE 85, 169 (171) zu § 1 Abs. 1 GjS a. F.; a. A. wohl Heinrich, in: Wandtke-Medienrecht, Band  5, Kap. 5, § 2 Rn. 62, der neben dem Arbeitsspeicher auch die Bildschirmanzeige unter den Datenbegriff subsumiert und sich deswegen gegen das Körperlichkeitserfordernis ausspricht. 93  Siehe oben unter B. III. 3. 94  BGHSt 47, 55 (59 f.); a. A. Piazena, Verabreden zu Straftaten, C V 2. f) gg), nach dem die Aufgabe des Körperlichkeitserfordernisses „eine Durchbrechung der grundsätzlichen Dogmatik des Verbreitens“ darstellt. 95  Siehe sogleich unter E. I. 2. d) aa). 96  So z. B. BGHSt 18, 63 (64); BayObLG, NStZ 1996, 436 (437); Fischer, § 184b StGB Rn. 8; Kudlich, JZ 2002, 310 (311); Lindemann / Wachsmuth, JR 2002,



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB155

Weitergabe darauf abzielen, die Schrift einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen.97 Auch hier folgt im Umkehrschluss aus dem Erfordernis der körperlichen Weitergabe, dass die entsprechende Schrift selbst körperlich sein muss.98 Diese Verkörperung muss darüber hinaus eine gewisse Dauerhaftigkeit haben, weswegen z. B. Schriftzeichen im Sand ebenso nicht unter § 11 Abs. 3 StGB fallen99 wie Projektionen oder Bildschirmanzeigen100 oder Live-Übertragungen101.102 Eine Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB setzt sich somit nach bisher bestehendem Verständnis aus einem geistigen Sinngehalt und einer stofflichen Verkörperung zusammen.103 bb) Erfordernis einer Verwendungs- bzw. Verbreitungsabsicht Nach Franke erfordert der Rechtsbegriff der „Schriften“ neben einem geistigen Sinngehalt und der stofflichen Verkörperung dem Sinnzusammenhang nach zusätzlich eine subjektive Vervielfältigungs- oder anderweitige Verbreitungsbestimmung.104 Die gleiche Verbreitungsbestimmung fordert auch der BGH105, nach dem derjenige, der nur an einen Empfänger schreibt, keine Schrift i. S. d. Vorschrift herstellt. Die schriftliche Äußerung habe in diesem Fall keine wesentlich andere Bedeutung als eine mündliche und könne dementsprechend strafrechtlich auch nicht anders bewertet werden.106 Für dieses Erfordernis spräche auch ein Vergleich mit dem Wortlaut des § 202 StGB, welcher von „Schriftstücken“ spricht und damit vornehm206 (208); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 7. 97  Vgl. BGHSt 18, 63 (64); Heinrich, in: Wandtke-Medienrecht, Band  5 Kap. 5, Rn. 170; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5. 98  So i. E. auch Piazena, Verabreden zu Straftaten, C. IV. 3. 99  Vgl. Rudolphi / Stein, in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 57. 100  Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (361); Sieber, JZ 1996, 495; Walther, NStZ 1990, 523; Weides, NJW 1987, 224 (231) zu Funkwellen. Siehe hinsichtlich der Bildschirmanzeige als Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB ausführlich unten unter E. III. 101  Sieber, JZ 1996, 494 (495); Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 62; Walther, NStZ 1990, 523. 102  Vgl. Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 173; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 143. 103  Vgl. nur Franke, GA 1984, 452 (454 f.), der als drittes Element jedoch noch eine Vervielfältigungsabsicht fordert; siehe dazu sogleich. 104  Vgl. Franke, GA 1984, 452 (454 f.). 105  Siehe BGHSt 13, 375 (376). 106  So jedenfalls BGHSt 13, 375 (376).

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

lich Einzelstücke meint.107 In Abgrenzung dazu müsse daher bei der „Schrift“ eine weitergehende Vervielfältigungs- oder Verbreitungsabsicht hinzukommen.108 Die Ansichten, die eine entsprechende Verbreitungsabsicht fordern,109 stoßen mit ihrer Auffassung jedoch dort an ihre Grenzen, wo es sich bei den verweisenden Straftatbeständen nicht mehr um Schriftenverbreitungstatbestände110 handelt. So setzen beispielsweise zwar alle Begehungsmodalitäten des § 131 StGB eine entsprechende Verwendungs- bzw. Verbreitungsabsicht voraus,111 was insbesondere für die Tathandlung des Vorrätighaltens, einer Sonderform des Besitzes, gilt.112 Ob man diese Absicht nun in den Schriftenbegriff oder die Tathandlung hineinliest, mag für das Ergebnis unerheblich sein. Handelt es sich jedoch um ein reines Schriftenbesitzdelikt, wie § 184b Abs. 4 Satz  2 StGB, müssten die Vertreter dieser Ansicht in denjenigen Fällen zu einer Straflosigkeit kommen, in welchen der Täter die kinderpornografischen Schriften zwar vorsätzlich besitzt, aber nicht vorhat, diese weiterzugeben; aufgrund der fehlenden Verbreitungsabsicht läge schon keine Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB und damit auch kein taugliches Tatobjekt vor. Dieses Ergebnis vermag vor dem Hintergrund nicht zu überzeugen, dass § 184b Abs. 4 Satz  2 StGB als subjektives Element neben dem Vorsatz allein einen Herrschaftswillen und gerade keine Verbreitungs- oder andere Verwendungsabsichten hinsichtlich der kinderpornografischen Schriften erfordert.113 Darüber hinaus kommt es trotz der im Ergebnis gleichen Besitzverhältnisse in denjenigen Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen, in welchen der Täter zum einen eine kinderpornografische Schrift als Verbreitungsempfänger erhalten hat und nun besitzt und zum anderen eine Schrift gleichen 107  Vgl. Hilgendorf, in: LK 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116; siehe zur Abgrenzung „Schrift“ und „Schriftstück“ bereits oben C. II. 1. 108  Vgl. Hilgendorf, in: LK 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116. 109  Ebenso wie BGHSt 13, 375 von dem Erfordernis einer Verwendungsabsicht ausgehend AG Hamburg, CR 1998, 25; Derksen, NJW 1997, 1878 (1882); Franke, GA 1984, 452 (455); Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 116; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 75. 110  Der Begriff geht auf Franke, GA 1984, 452 zurück und findet seine Verwendung in den unterschiedlichsten Kommentierungen, siehe z. B. Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 141. 111  Siehe nur Fischer, § 131 StGB Rn. 14, der auf die Erläuterungen bei § 130 StGB Rn. 21 verweist. 112  Vorrätighalten ist der Besitz zum Zwecke der Weiterverwendung bzw. Weitergabe. Siehe ausführlich oben unter B. IV. 1. d) cc). 113  Siehe nur Fischer, § 184b StGB Rn. 22, 25; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 39.



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB157

Inhalts ohne Verbreitungsabsicht hergestellt hat und diese dadurch gleichzeitig besitzt. In beiden Fällen übt er unzweifelhaft den Besitz über kinderpornografische Darstellungen aus, aber nur im erstem Fall würde die eine der Schrift innewohnende Verbreitungsabsicht fordernde Ansicht auch zum Vorliegen einer Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 SGB kommen, so dass der Täter nur in diesem Fall nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB strafbar wäre. In dem zweiten Fall läge mangels Verbreitungsabsicht bereits keine Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB und damit auch kein taugliches Tatobjekt vor. Ebenso müsste in diesem Fall eine Strafbarkeit wegen des Herstellens einer kinderpornografischen Schrift nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB ausscheiden; ein Ergebnis, welches nicht zu überzeugen vermag. Das Erfordernis einer bereits dem Schriftenbegriff immanenten Verbreitungs- bzw. Verwendungsabsicht sieht sich darüber hinaus auch systematischen Bedenken ausgesetzt. So bestünde für das Erfordernis der Verbreitungsabsicht im Zusammenhang mit den Vorbereitungshandlungen beispielsweise114 in § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB keine Notwendigkeit. Nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB wird unter anderem bestraft, wer kinderpornografische Schriften herstellt, „um sie (…) im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden (…)“. Die Regelung verlagert die Strafbarkeit der Nrn. 1 und 2 vor, indem sie bestimmte Vorbereitungshandlungen, in diesem Fall bereits das Herstellen entsprechender Schriften, unter Strafe stellt.115 Das Herstellen muss dabei in der Absicht geschehen, die Schriften selbst oder daraus gewonnene Abzüge für Tathandlungen nach Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 entweder selbst zu verwenden oder diese Verwendung einem anderen zu ermöglichen.116 Der die Vorbereitungshandlungen ergänzende Finalsatz in § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a. E. wäre jedoch überflüssig, wenn die entsprechende Finalität, hier die Verwendungs- oder Verbreitungsabsicht, bereits für die Schrift konstitutiv wäre. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, dass die Vornahme der Vorbereitungshandlung ohne Verwendungsabsicht straflos sein muss.117 Die für eine Strafbarkeit zum Teil erforderliche Verbreitungsabsicht ist daher nicht schon konstitutives Element des Tatobjekts „Schriften“, sondern 114  Weitere Regelungen, die eine solche Verwendungs- bzw. Verbreitungsabsicht voraussetzen sind: §§ 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. d, 131 Abs. 1 Nr. 4, 184 Abs. 1 Nr. 8, 184a Nr. 3 und 184c Abs. 1 Nr. 3 StGB. 115  Siehe auch Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 11 mit Verweis auf § 184 StGB Rn. 22.1. 116  Vgl. BGH NStZ-RR 2005, 309; Fischer, § 184 StGB Rn. 20; Gercke, in: Spindler / Schuster, § 184 StGB Rn. 17; Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 95 und § 184b StGB Rn. 24; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184 StGB Rn. 22.1. 117  Vgl. nur Gercke, in: Spindler / Schuster, § 184 StGB Rn. 17.

158

C. Daten- und Schriftenbegriffe

ergibt sich erst aus der jeweils verweisenden Vorschrift.118 Daher ist auch dem BGH119 in einer anderen den Schriftenbegriff betreffenden Entscheidung120 dahingehend zuzustimmen, als dass das noch nicht zum Druck freigegebenen Manuskript zwar eine Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstellt, jedoch bei fehlender Verbreitungsabsicht eine Strafbarkeit nach § 86 sowie § 131 StGB zu verneinen ist; die Prüfung der Verbreitungsabsicht verortet der BGH in diesem Fall richtigerweise in die §§ 86, 131 StGB. Der Fertigungsgrad ist – für § 11 Abs. 3 StGB allein betrachtet – daher ebenso unbeachtlich, wie die Art der verwendeten Zeichen.121 Weder aus dem Begriff der Schrift selbst122 noch aus der Systematik der verweisenden Normen ergibt sich somit das Erfordernis einer solchen subjektiven Verwendungs- oder Verbreitungsabsicht; ein solches Erfordernis ist daher abzulehnen.123 b) Der Begriff der Ton- und Bildträger, der Abbildung und der „anderen Darstellung“ Den „Schriften“ stehen gemäß § 11 Abs. 3 StGB Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen gleich. Während unter Ton- und Bildträgern Gegenstände zu verstehen sind, die technisch gespeicherte Gedankeninhalte enthalten, die nur durch Hilfsmittel akustisch (Tonträger) bzw. optisch (Bildträger) wahrgenommen werden können,124 ist nach überwiegender Ansicht der Oberbegriff „Darstellung“ aufgrund seiner Auffangfunktion sehr weit auszulegen.125 Schon das Reichsgericht führt hierzu aus, dass es sich bei einer Darstellung um „denjenigen körperlichen Gegenstand [handelt], der durch die Tätigkeit des Darstellenden (Schreibenden, Zeichners usw.) geschaffen ist, um die Vorstellung, die dieser hat, einem andern durch Erweckung einer möglichst gleichen Vorstellung zu übermitteln“126. Der Begriff der Darstellung umfasst daher alle sinnlich wahrnehmbaren Formen der Vergegenständlichung eines Hergangs oder eiauch Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 144. BGHSt 32, 1. 120  Siehe BGHSt 13, 375 (376). 121  Vgl. Fischer, § 11 StGB Rn. 34. 122  Auch wenn eine Wortlautauslegung ohne Kontextbezug nie ausreichend sein kann, stellt diese zumindest einen Anhaltspunkt für die Auslegung dar bzw. kann ein „erster Start“ sein. Siehe dazu oben B. III. 1. b) aa). 123  So auch Fischer, § 11 StGB Rn. 34; König, Kinderpornografie, Rn. 126 ff. 124  Vgl. Valerius, in: Beck’scher OK § 11 StGB Rn. 61.2. 125  Vgl. nur Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 168. 126  RGSt 47, 404 (406 f.). 118  Vgl.

119  Siehe



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB159

nes Gedankens zur Übermittlung einer Vorstellung127 und setzt damit, wie schon der Schriftenbegriff, einen geistigen Sinngehalt und nach bisheriger Ansicht auch eine stoffliche Verkörperung voraus.128 Abbildungen sind Wiedergaben der Außenwelt, die unmittelbar, d. h. ohne Hilfsmittel wahrgenommen werden können,129 wie z. B. Gemälde, Fotografien, Dias130 und Aufdrucke auf Modellflugzeugen131.132 Infolgedessen können elektronisch gespeicherte Daten bei bestehendem Verständnis, wie z. B. Bilddateien, keine Abbildungen i. S. d. Vorschrift darstellen.133 c) Der Begriff des Datenspeichers Als weitere Form der Darstellung nennt § 11 Abs. 3 StGB noch den Begriff des „Datenspeichers“. Dieser wurde erst 1997 durch das IuKDG134 eingeführt und soll klarstellen, dass „auch elektronische, elektromagnetische, optische, chemische oder sonstige Datenspeicher, die gedankliche Inhalte verkörpern, die nur unter Zuhilfenahme technischer Geräte wahrnehmbar werden, den Schriften gleichstehen“135. Grund der Gleichstellung ist laut Hilgendorf, dass Datenspeicher in vergleichbarer Weise zur Wiedergabe rechtswidriger Inhalte geeignet sind wie die übrigen Darstellungsformen des § 11 Abs. 3 StGB.136 aa) Rechtslage vor der Einführung des IuKDG Vor dem Inkrafttreten des IuKDG fehlte es in § 11 Abs. 3 StGB an einer expliziten Regelung hinsichtlich computergespeicherter Daten, weswegen sich die Rechtswissenschaft aufgrund der zunehmenden Technisierung und 127  Vgl. RGSt 13, 375; RGSt 47, 404 (408); Fischer, § 11 StGB Rn. 33; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 125; Walther, NStZ 1990, 523. 128  A.  A. neuerdings aber z. B. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 29 i. V. m. § 184 StGB Rn. 16; siehe ausführlich unten unter E. I. 1. a). 129  Vgl. Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 149. 130  Vgl. RGSt 39, 183; RGSt 46, 390 (392). 131  Vgl. BGHSt 28, 394 (397) zu § 86a Abs. 1 StGB, der ebenfalls auf § 11 Abs. 3 StGB verweist. 132  Vgl. Fischer, § 11 StGB Rn. 37; Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 61.4. 133  So z. B. Fischer, § 11 StGB Rn. 37; i.  E. auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 29 mit Verweis auf § 184 StGB Rn. 16, die in der Bildschirmdarstellung jedoch eine Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB sieht und sich gleichzeitig gegen das Körperlichkeitserfordernis ausspricht. Siehe dazu sogleich unter E. III. 134  BGBl. I 1997, S. 1870. 135  BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 136  Vgl. Hilgendorf, in: LK, 12. Auf., § 11 StGB Rn. 121.

160

C. Daten- und Schriftenbegriffe

Vernetzung der Gesellschaft mit der Frage nach der Einordnung solcher Darstellungen konfrontiert sah. Da der Oberbegriff der Darstellung nach allgemeinem Verständnis alle Zeichen umfasste, also auch solche, die erst mit dem Hilfsmittel Computer sinnlich wahrnehmbar gemacht werden konnten, wurde die Bildschirmdarstellung von Teilen der Wissenschaft bereits unter den Darstellungsbegriff des § 11 Abs. 3 StGB a. F. subsumiert.137 Im Hinblick auf das Körperlichkeitserfordernis wurde als Anknüpfungspunkt jedoch nicht die Bildschirmdarstellung als solche, sondern der der Darstellung zugrundeliegende Speicher, also der im Internet speichernde und bereitstellende Server138 oder der verarbeitende Arbeitsspeicher auf Internetnutzerseite139, gewählt, da dort die auf ihnen gespeicherten Informationen auch dauerhaft stofflich verkörpert sind.140 Ein reines Abstellen auf den Bildschirmtext würde das Erfordernis der dauerhaften Verkörperung nicht erfüllen, da die angezeigten Zeichen mit dem Zugreifen auf ein neues Onlineangebot oder mit dem Abschalten des Computers sofort wieder vom Bildschirm verschwinden.141 Wie auch das OLG Stuttgart, welches noch offengelassen hatte, ob die BTX-Darstellung auf dem Monitor den Schriftenbegriff erfüllt,142 folgte das KG der mittlerweile überwiegenden Auffassung, dass auf einem Computer oder auf Diskette gespeicherte Informationen Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 a. F. StGB darstellen.143 Dass diese erst durch Zuhilfenahme technischer Mittel möglich ist, sei dabei unerheblich.144 bb) Rechtslage nach der Einführung des IuKDG Auch wenn sich die bei der Onlinekommunikation verwendeten Datenträger demnach bereits vor der Einführung des IuKDG unter den Schriftenbe137  Vgl. hierzu Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (362); Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Jäger / Collardin, CR 1996, 236 (237); Sieber, JZ 1996, 494 (495). 138  Sieber, JZ 1996, 494 (495). 139  Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (362), die in letzter Konsequenz jedoch auf die Auslagerung und damit auf die Festplatte abstellen. 140  Siehe auch Schreibauer, Pornographieverbot, S. 176 m. w. N. 141  Vgl. OVG Münster, NJW 1993, 1494; Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Walther, NStZ 1990, 523; offengelassen von OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38. 142  OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38; siehe zum Zugänglichmachen auch BGH NJW 1976, 1984; Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (362). 143  Siehe KG Berlin, AZ: 1 AR 791 / 97 – 5 Ws 532 / 97 (juris). 144  So jedenfalls KG Berlin, AZ: 1 AR 791 / 97 – 5 Ws 532 / 97 (juris); Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (361); Dreher / Tröndle, 44. Aufl., § 11 StGB Rn. 42; Eser, in: Sch / Sch, 25. Auflage, § 11 StGB Rn. 78; Gribbohm, in: LK, 11. Aufl., § 11 StGB Rn. 121; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 173, 176.



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB161

griff des § 11 Abs. 3 StGB a. F. subsumieren ließen und das Gesetz insoweit keine Regelungslücke aufwies,145 sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, § 11 Abs. 3 StGB a. F. um den Begriff des Datenspeichers zu ergänzen.146 Die Ergänzung sollte dabei vornehmlich der Klarstellung dienen, dass auch elektronische, elektro-magnetische, optische, chemische oder sonstige Aufzeichnungen von Daten, die Gedanken verkörpern, den Schriften gleichstehen.147 Für die Darstellung käme dabei insbesondere die Darstellung auf einem Bildschirm in Betracht.148 Durch die Änderung wurden jedoch auch solche Darstellungen aufgenommen, die Inhalte nur vorübergehend bereithalten;149 als entsprechendes Beispiel nennt die Gesetzesbegründung150 dazu den Arbeitsspeicher151 eines Computers. Live-Übertragungen und transportbedingte Zwischenspeicherungen im Wege der Echtzeitübertragung auf Netzwerkknoten hingegen fallen auch nach der Gesetzesänderung nicht unter den Schriftenbegriff, da die nur ganz flüchtige Zwischenspeicherung im Sekundenbereich der stofflichen Verkörperung von einer gewissen Dauer nicht gerecht werden.152 Unproblematisch lassen sich daher im Gegenzug diejenigen Fälle unter § 11 Abs. 3 StGB subsumieren, in welchen der Täter die inkriminierten Inhalte auf einer Festplatte oder einem USB-Speicherstick gespeichert oder auf CD bzw. DVD gebrannt hat. In diesen Fällen liegt eine dauerhafte Verkörperung des Gedankeninhalts und damit ein Datenspeicher vor.153 Für die Bildschirmanzeige lässt sich daher an dieser Stelle zunächst festhalten, dass diese nicht die Kriterien des Datenspeichers erfüllt, sondern allein die Wahrnehmung der auf Datenspeichern gespeicherten Darstellungen ermöglicht.154 Weitere Beispiele für Datenspeicher i. S. d. Vorschrift stellen Spei145  Vgl.

AG München, CR 1998, 500 (502). Schreibauer, Pornographieverbot, S. 177; siehe aber auch die Kritik bei Gercke, CR 2010, 798 (799 f.). 147  Siehe nur BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 148  So ausdrücklich BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36; BR-Drucks. 966 / 96, S. 14, 38; Altenhain, CR 1997, 485 (495). 149  Siehe auch Engel-Flechsig / Maennel / Tettenborn, NJW 1997, 2981 (2990). 150  Siehe BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 151  Zur technischen Funktion siehe sogleich unter C. III. 2. 152  Vgl. König, Kinderpornografie, S. 79; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 178. 153  Siehe auch BGH NJW 2001, 3558 (3559); OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 329; Exner, Pornografiestraftaten, S. 33; Fischer, § 11 StGB Rn. 35; Römer, Verbreitungsdelikte, S. 84; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 178. 154  Vgl. Eckstein, NStZ 2011, 18 (20); Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 174; Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 36; a. A. aber z. B. Bär, in: Roßnagel-Multimedia, 7. Teil, § 11 StGB Rn. 13; Heinrich, in: Wandtke-Medienrecht, Band 5, Kap. 5, § 2 Rn. 60 ff. 146  Vgl.

162

C. Daten- und Schriftenbegriffe

chermedien, wie Festplatten, Disketten, USB-Speichersticks, Speicherkarten, CDs oder DVDs, dar. 3. Cachespeicher als Datenspeicher Eben eine solche Verkörperung auf einem Datenspeicher stellt unzweifelhaft auch die Cachespeicherung moderner Internetbrowser dar.155 Zur Verkürzung von Ladezeiten und zur Optimierung von Serverauslastungen speichern Internetbrowser abgerufene Ressourcen in einem Cachespeicher zwischen.156 Bei diesem Cachespeicher handelt es sich um einen vom Browser verwalteten Dateiordner auf der Festplatte, weswegen – abgesehen von der Automatisierung des Vorganges –157 keine Unterschiede zu einer von dem Nutzer durchgeführten Speicherung derselben Daten auf seiner Festplatte besteht. Anders als bei der Speicherung im Arbeitsspeicher bleiben die Daten auch nach Abschalten des Computers erhalten, bis sie – je nach Intensität der Nutzung des Internets – durch andere, neuere Daten ersetzt werden, so dass insgesamt von einer ausreichenden Dauerhaftigkeit der Darstellung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB ausgegangen werden muss.158 Die von Burmeister / Böhm159 in diesem Zusammenhang geforderte begriffliche Trennung zwischen dem festplatteneigenen Puffer (Cache), der von der Funktionsweise her in etwa dem Arbeitsspeicher entspricht, und dem von dem Webbrowser genutzten Festplattenspeicher, ist zwar grundsätzlich richtig und für die im Rahmen des § 184b Abs. 4 StGB diskutierten Fragestellungen entscheidungsrelevant. Der Aussage, dass die Bezeichnung des Browser-Caches bloß als „Cache“ „nicht nur unpräzise, sondern auch falsch“160 sei, muss jedoch widersprochen werden. Bereits aus dem Zusammenhang der Begriffsverwendung wird deutlich, dass allein der BrowserCache Gegenstand der Diskussion ist. Nur der Browser-Cache – in welcher Form auch immer – unterliegt der Zugriffs- und Kontrollmöglichkeit des Nutzers, während der Festplattencache, genauso wie der Prozessorcache, der der Verringerung von Latenzzeiten und der Erhöhung der Datenübertragungsraten dient, von der Hardware selbst verwaltet wird und damit dem Zugriff durch den Standardnutzer entzogen ist.161 Im Folgenden wird der die weit überwiegende Ansicht; vgl. nur Palm, Kinderpornographie, S. 98 f. zu den technischen Abläufen sogleich unter C. III. 1. 157  Siehe zu der strafrechtlichen Verantwortlichkeit unten unter D. I. 2. 158  Harms, NStZ 2003, 646 (650). 159  Burmeister / Böhm, StV 2009, 471. 160  Burmeister / Böhm, StV 2009, 471. 161  Vgl. Oberschelp / Vossen, Rechneraufbau, S. 235; Tanenbaum, Computerarchitektur, S.  95 f.; Schiffmann, Informatik, S. 318 f. 155  So

156  Siehe



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB163

besseren Leserführung halber und aufgrund der in der Diskussion vorherrschenden Bezeichnung der Begriff „Cache“ anstelle von „Browser-Cache“ verwendet. 4. Arbeitsspeicher als Datenspeicher Auch wenn aufgrund der regelmäßig stattfindenden Cachespeicherung ein Abstellen auf die Zwischenspeicherung im Arbeitsspeicher ein nur geringer Anwendungsbereich besteht,162 war lange Zeit umstritten – und ist es zum Teil immer noch –, ob darüber hinaus auch der Arbeitsspeicher eines Computers einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstellt. Anknüpfungspunkt für die Kontroversen ist der technische Unterschied zwischen Arbeitsspeicher und Festplatte. Anders als die gecachten Daten auf einer Festplatte, werden Daten im Arbeitsspeicher nur solange bereitgehalten, wie dieser mit Strom versorgt oder die Information mit einer neuen überschrieben wird. Wird der Arbeitsspeicher durch Ausbauen oder einfaches Ausschalten des Rechners vom Strom getrennt, „vergisst“ er alle in ihm gespeicherten Informationen wieder.163 Eine normale Festplatte oder ein anderer „klassischer Datenspeicher“164 hingegen hält die Informationen unabhängig von der Stromversorgung dauerhaft gespeichert165 und erfüllt daher unzweifelhaft die Anforderungen an eine dauerhafte Verkörperung. Obwohl der Arbeitsspeicher unstreitig auch „kein virtuelles Gebilde, sondern [ebenfalls] in Form von Chips oder Modulen körperlich und greifbar“166 ist, ist die Handhabung des Arbeitsspeichers im Rahmen des § 11 Abs. 3 StGB dennoch umstritten,167 da es diesem aufgrund seiner Funktionsweise als bloß flüchtigen Speicher sowohl am Merkmal der Verkörperung als auch an der Dauer­haftigkeit der gespeicherten Informationen mangeln könnte. 162  Dies ist z.  B. zum einen dann der Fall, wenn der Nutzer nichts von der Cachespeicherung weiß, zum anderen dann, wenn die browserseitige Cachespeicherung durch den Nutzer deaktiviert wurde. Anleitungen, wie – mit wenigen Klicks – die entsprechenden Einstellungen vorzunehmen sind, finden sich im Internet an verschiedensten Stellen (siehe z. B. http: /  / goo.gl / yNTKdy, Web / Mobile Blog, 12.04.14). Die Aussage von Burmeister / Böhm, StV 2009, 471, wonach dies i. d. R. nicht möglich sei, ist hingegen nicht richtig. 163  Siehe unten unter C. III. 2.; siehe zur Möglichkeit, den Arbeitsspeicher im laufenden Betrieb mittels eines herkömmlichen Reinigungssprays auf –50 Grad einzufrieren, so dass dieser den elektrischen Ladungszustand auch nach dem Ausbau für mehrere Minuten hält und von einem anderen Computer ausgelesen werden kann Halderman et al., Cold Boot Attacks, http: /  / goo.gl / M6kjG5, 11.04.2014. 164  Bezeichnung nach Gercke, in: Spindler / Schuster, § 11 StGB Rn. 4. 165  Siehe unten unter C. III. 2. 166  Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 170. 167  So auch Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 170.

164

C. Daten- und Schriftenbegriffe

a) Lösungsansätze in der Literatur Heinrich / Beisel168 erkennen im Rahmen der Diskussion um § 1 Abs. 3 GjS a. F. grundsätzlich die Möglichkeit an, dass der Arbeitsspeicher eine Schrift i. S. d. Vorschrift sein könnte. Das Problem der Flüchtigkeit des Arbeitsspeichers auf Nutzerseite versuchen sie jedoch damit zu umgehen, indem sie als Anknüpfungspunkt für die feste Verkörperung nicht auf den Arbeitsspeicher selbst, sondern auf die von diesem ausgelagerten Daten auf der Festplatte abstellen.169 Da die Datenmengen in der Regel die Kapazität des Arbeitsspeichers überschreiten würde, würde es zwangsläufig zu einer Auslagerung auf der Festplatte kommen, so dass diese Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit sein könne.170 Sie schränken dies aber auf die Fälle ein, in welchen die abrufbaren Inhalte allein im Arbeitsspeicher des anbietenden Servers bereitgestellt werden. Daneben würden auch die auf einem Server gespeicherten Daten, auf welche der Internetnutzer zugreift, unter den Begriff des Datenspeichers i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB fallen;171 im Falle einer Direktverbindung könnte der bereitstellende Speicher dann sogar der Arbeitsspeicher des Servers sein.172 Den gleichen Ansatz vertritt auch König, nach der es ebenfalls ausreichend ist, dass die Daten irgendwo verkörpert sind.173 Daher bestünde für die Ansicht, auch „im Arbeitsspeicher eine Verkörperung von Inhalten zu erblicken (…) bereits keine Notwendigkeit, (…) da alle Daten (…) jedenfalls andernorts auf einem körperlichen Datenträger gespeichert worden seien und somit ohnehin unter § 11 Abs. 3 StGB zu fassen sind.“174 Über die Auslagerung verlagern Heinrich / Beisel und König jedoch das Problem geografisch weg vom Betrachter und hin zum Inhalteanbieter bzw. vom Arbeitsspeicher auf die Festplatte. Zwar liegen auf dessen Server die Daten auf Datenspeichern gespeichert vor, ob diese dabei jedoch, wie z. B. für die Schriftenverbreitungs- oder Besitzdelikte erforderlich, auch beim Nutzer in dessen Arbeitsspeicher gespeichert werden, vermögen sie mit ihrem Ansatz nicht zu beantworten.175 168  Beisel / Heinrich,

CR 1997, 360. Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (362). 170  Vgl. Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (362). 171  So jedenfalls Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (362). Den gleichen Ansatz vertreten auch das OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38; Altenhain, CR 1997, 485 (495); Bremer, Inhalte, S. 75; König, Kinderpornografie, Rn. 144 f., die ebenfalls die Speicherung auf dem bereitstellenden Server ausreichen lassen. 172  Vgl. Beisel / Heinrich, CR 1997, 360 (362). 173  Vgl. König, Kinderpornografie, Rn. 144 f., 148. 174  König, Kinderpornografie, Rn. 144. 169  Siehe



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB165

Gounalakis / Rhode176 sprechen sich dagegen gegen eine Einbeziehung des Arbeitsspeichers in den Datenspeicherbegriff aus, begründeten dies aber mittels eines Vergleichs mit dem Vervielfältigungsbegriff aus § 16 Abs. 2 UrhG a. F.177 Nach § 16 Abs. 2 UrhG a. F. und § 16 UrhG n. F.178 ist eine Vervielfältigung jede körperliche Festlegung eines Werks, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen.179 Dementsprechend sei es für eine Strafbarkeit nach § 16 Abs. 2 UrhG a. F. nicht ausreichend, wenn das urheberrechtlich geschützte Material lediglich am Bildschirm betrachtet wird, ohne dass es zu weiteren Speichervorgängen auf der Festplatte kommt, da erst diese Speicherung die notwendige Vervielfältigung darstellen würde.180 Im Ergebnis müsse daher für die Vervielfältigung, wie auch für den Schriftenbegriff aus § 11 Abs. 3 StGB, eine Körperlichkeit vorausgesetzt werden.181 Darüber hinaus fordern Gounalakis / Rhode mit Verweis auf zwei Reichsgerichtsurteile zum Schriftenbegriff182 ein Mindestmaß einer verselbstständigten Existenz der Darbietung, welche im Arbeitsspeicher gerade nicht vorzufinden sei, da dieser die entsprechenden Inhalte nur temporär und bei dauerhafter Stromzufuhr bereithalte.183 In Abgrenzung zur bloßen Bildschirmdarstellung, welche nach der Begründung zum IuKDG184 gerade nicht unter den Begriff des Datenspeichers fallen soll, müsse daher die Bereithaltung im Arbeitsspeicher ebenfalls von § 16 Abs. 2 UrhG a. F. und damit in letzter Konsequenz auch aus dem Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB ausgenommen bleiben.185 175

Durch die Ergänzung des Gesetzeswortlautes des § 16 Abs. 2 UrhG a. F. um die Formulierung „ob vorübergehend oder dauerhaft“ durch das Gesetz 175  Vgl. daher auch Sieber, JZ 1996, 494 (495) zu den Datenübertragungsdelikten im Allgemeinen; siehe hierzu ausführlich sogleich unter D. 176  Gounalakis / Rhode, K&R 1998, 321 (330). 177  BGBl. I 1965, S. 1273. 178  BGBl. I 2003, S. 177. 179  Vgl. BGHZ 17, 267 (269); Götting, in: Beck’scher OK, § 16 UrhG Rn. 4; Wiebe, in: Spindler / Schuster, § 16 UrhG Rn. 3. 180  Vgl. Gounalakis / Rhode, K&R 1998, 321 (330); so auch Spindler, ZUM 1996, 533 (542). 181  Vgl. Gounalakis / Rhode, K&R 1998, 321 (330). 182  Siehe RGSt 47, 223 (224); RGSt 47, 404 (407). 183  Vgl. Gounalakis / Rhode, K&R 1998, 321 (330). 184  BR-Drucks. 966 / 96, S. 38. 185  Vgl. Gounalakis / Rhode, K&R 1998, 321 (330); ähnlich Schneider, CR 1990, 503, der unter den Umständen jedoch eine Vervielfältigung annimmt, in welchen der Arbeitsspeicherinhalt einer weiteren Nutzung eröffnet wird und damit eine Vermehrung der Verwendungsmöglichkeiten eintritt. A. A. Ernestus, CR 1989, 784 (789).

166

C. Daten- und Schriftenbegriffe

zur Regelung der Urheberrechts in der Informationsgesellschaft186 im Jahre 2003 ist die Frage nach der Dauerhaftigkeit der Speicherung für das Urheberrecht mittlerweile jedoch dahingehend entschieden, dass eine Vervielfältigung immer dann vorliegt, wenn Vervielfältigungsstücke, egal in welcher Form, hergestellt werden.187 Damit stellt auch die kurzzeitige Zwischenspeicherung im Arbeitsspeicher eine Vervielfältigung dar,188 so dass § 16 Abs. 2 UrhG mangels gleichlautender Ergänzung nicht mehr für die Auslegung von § 11 Abs. 3 StGB herangezogen werden kann. b) Hinreichende Dauerhaftigkeit Aber auch unabhängig von dem von Gounalakis / Rhode gezogenen Vergleich mit dem Urheberrecht, erfordert auch die Gesetzessystematik, dass das Dauerhaftigkeitserfordernis aus § 11 Abs. 3 StGB189 ebenfalls für den Arbeitsspeicher gelten muss. Allein der Hinweis in der Gesetzesbegründung des IuKDG, wonach eine bloß vorübergehende Speicherung der Darstellung, wie im Falle einer Zwischenspeicherung oder Live-Übertragung, nicht ausreichend sein solle,190 könnte zwar gegen eine Einbeziehung des Arbeitsspeichers sprechen. Dazu müsste es sich bei der Arbeitsspeicherung jedoch um eine solche Zwischenspeicherung handeln. Dagegen spricht zum einen die ausdrückliche Nennung des Arbeitsspeichers in der Gesetzesbegründung als Beispiel für einen Datenspeicher. Aufgrund der Nennung ist davon auszugehen, dass die Arbeitsspeicherung dem Willen des Gesetzgebers nach gerade kein Fall der Zwischenspeicherung sein soll und dass von dieser andere Zwischenspeichervorgänge erfasst werden sollen.191 Anders als im Falle der Live-Übertragung löst die Arbeitsspeicherung darüber hinaus Dateninhalte aus dem Datenfluss heraus, so dass es in der Hand des Computernutzers liegt, durch sein Bedienverhalten über die Länge der Speicherung im Arbeitsspeicher zu entscheiden;192 bei einer 186  BGBl. I

2003, S. 1774. auch Köhler / Arndt / Fetzer, Internet, Rn. 579. 188  Vgl. OLG Hamburg, ZUM 2001, 512 (513); Schulze, in: Dreier / Schulze, § 16 UrhG Rn. 7; Jani, in: Wandtke-Medienrecht, Band 2, Kap. 1 § 14 Rn. 156; a. A. KG Berlin, ZUM 2008, 828 (830). 189  Siehe oben C. II. 2. a) aa). 190  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 191  In Betracht kommt hierfür z. B. die zur Datenübermittlung notwendige Zwischenspeicherung in Netzwerkknoten (vgl. BT-Drucks. 13 / 7395, S. 36; Derksen, NJW 1997, 1878 [1881]). 192  Vgl. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (119); Exner, Pornografiestraftaten, S. 33; vgl. auch Jofer, Strafverfolgung, S. 165, der richtigerweise darauf abstellt, 187  So



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB167

Live-Übertragung sei dies nicht möglich.193 Die ausdrückliche Nennung des Arbeitsspeichers spricht daher dafür, dass diese nach dem Willen des Gesetzgebers gerade kein Fall der bloßen Zwischenspeicherung sein soll. Nach Altenhain könne angesichts der Tatsache, dass auch eine Schrift zerrissen oder eine Festplatte überschrieben werden könnte, auch der Umstand, dass der Fortbestand der Darstellung im Arbeitsspeicher von einer andauernden Stromzufuhr abhängig ist, ebenfalls nicht ausschlaggebend sein.194 Schlussendlich liege es in der Macht des Nutzers, über die Dauerhaftigkeit der Zwischenspeicherung im Arbeitsspeicher zu entscheiden, weswegen an das Erfordernis der Dauerhaftigkeit der Speicherung daher keine allzu hohen Anforderungen zu stellen seien.195 Diese Auffassung führe nach Römer jedoch zu Zufallsergebnissen oder willkürlichen Beurteilungsmaßstäben, da sich weder die Dauer des Betrachtens noch die eine Dauerhaftigkeit begründende Mindestdauer des Betrachtens zuverlässig bestimmen ließe.196 Da „letztlich (…) jeder körperliche Gegenstand (…) seiner Vernichtung zugeführt werden [könne]“,197 „erscheine [dieses Argument] nicht durchgreifend“198. Im Ergebnis müsse der Arbeitsspeicher aus dem Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 StGB ausgeschlossen bleiben, da lediglich eine scheinbare Verkörperung vorliege.199 Darüber hinaus bestünde überhaupt keine Notwendigkeit für eine Aufnahme in § 11 Abs. 3 StGB, da die fraglichen Daten bereits auf anderen Datenträgern vorlägen.200 Dieser Kritik ist jedoch zweierlei entgegenzuhalten. Zum einen kann grundsätzlich jede auf Datenspeichern gespeicherte Information jederzeit vom Benutzer genauso gelöscht werden, wie auch eine Schrift zerrissen werden kann, weswegen sich die Disponibilität der Dauerhaftigkeit für keine der beiden Ansichten für sich alleine als ausschlaggebendes dass Inhalte des Arbeitsspeichers „auf beliebige Dauer vorhanden und reproduzierbar [sind]“. 193  Siehe zu den technischen Voraussetzungen der Live-Übertragung und der Frage nach der Speicherbarkeit eines Live-Streams sogleich unter C. III. 3.; kritisch dazu Palm, Kinderpornographie, S. 100, die darauf hinweist, dass auch Live-Übertragungen aufgezeichnet werden können, ohne damit unter den Schriftenbegriff zu fallen. 194  So i. E. auch Altenhain, CR 1997, 485 (495). 195  Vgl. BGHSt 47, 55 (58); Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (117 ff.); Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67 m. w. N.; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 147. 196  Vgl. Römer, Verbreitungsdelikte, S. 88. 197  Römer, Verbreitungsdelikte, S. 88. 198  Römer, Verbreitungsdelikte, S. 88. 199  Vgl. Römer, Verbreitungsdelikte, S. 88. 200  Vgl. Römer, Verbreitungsdelikte, S. 88; mit den gleichen Argumenten z.  B. auch König; Kinderpornografie, Rn. 148; siehe zur Kritik an der Verlagerung des Datenspeichers oben unter C. II. 4. a).

168

C. Daten- und Schriftenbegriffe

Argument eignet.201 Im Ergebnis muss daher Eckstein202 und Altenhain203 dahingehend zugestimmt werden, dass das Erfordernis der dauernden Stromzufuhr nicht zwangsläufig gegen die Einbeziehung in den Begriff des Datenträgers spricht. Dass daher nach Altenhain darüber hinaus auch die Bildschirmdarstellung der in dem Arbeitsspeicher verkörperten Inhalte unter den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB fallen müsse,204 überdehnt den Datenspeicherbegriff jedoch. Da unter dem Begriff des Datenspeichers nur solche Speicher verstanden werden, die gedankliche Inhalte in Form von Daten so speichern, dass sie nur unter Zuhilfenahme technischer Geräte wahrnehmbar gemacht werden können,205 ist die Bildschirmanzeige gerade typischer Anwendungsfall eben dieser der Wahrnehmung dienenden Anzeige206 und kann daher selbst nicht ebenfalls ein Datenspeicher sein. Auch die Begründung zum IuKDG nennt die Bildschirmanzeige als Beispielfall für die Wahrnehmbarmachung,207 woraus sich ebenfalls folgern lässt, dass die Bildschirmdarstellung selbst kein Fall des Datenspeichers sein soll. Darüber hinaus setzt die Bildschirmanzeige für die Anzeige ihrerseits stets einen Datenspeicher als Grundlage voraus,208 ohne dass beide dadurch miteinander verschmelzen würden.209 Für eine darüber hinausgehende Erfassung der bloßen Wiedergabe besteht daher kein Bedürfnis.210 Die Bildschirmanzeige fällt mithin aus dem Datenspeicherbegriff heraus,211 sie stellt ebenso wenig eine Verkörperung dar, wie die Projektion eines Dias.212 auch Palm, Kinderpornographie, S. 100. ZStW 117 (2005), 107 (119). 203  Altenhain, CR 1997, 485 (495). 204  So aber ausdrücklich z. B. Altenhain, CR 1997, 485 (495); i. E. wohl auch Jofer, Strafverfolgung, S. 165, der Arbeitsspeicher und Bildschirmdarstellung ohne weitere Differenzierung nebeneinander nennt. 205  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36; Fischer, § 11 StGB Rn. 36; Gercke, in: Spindler / Schuster, § 11 StGB Rn. 4; Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 61.3. 206  Vgl. Fischer, § 11 StGB Rn. 36. 207  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 208  So auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (20); Sieber, JZ 1996, 494 (495, 506); vgl. für die gleiche Fragestellung im Urheberrecht Sedlmeier, Straftatbestände, S. 59. 209  So auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (117); Walther, NStZ 1990, 523. 210  So jedenfalls Palm, Kinderpornographie, S. 101. 211  Vgl. Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 174; Sieber, JZ 1996, 494, (495); Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 63; a. A. Altenhain, CR 1997, 485 (495); vgl. auch BGHZ 112, 264 (278); Reinbacher, Vervielfältigung, S. 99, zur Vervielfältigung im Urheberrecht; siehe hinsichtlich der Eigenschaft als Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB unten unter E. III. 212  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 101. 201  So

202  Eckstein,



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB169

Zum anderen mag der Hinweis von Römer213, dass die Daten bereits an anderer Stelle gespeichert seien, zwar zutreffend sein, eine allgemeingültige Aussage hinsichtlich des Arbeitsspeichers lässt sich auf diese Weise jedoch nicht treffen. Darüber hinaus ist sogar der Fall vorstellbar, dass die Daten auf dem ursprünglich speichernden Server oder einem anderen verkörperten Speichermedium nach Abruf gelöscht werden und von diesem Zeitpunkt an allein im Arbeitsspeicher des Computernutzers zwischengespeichert vorliegen. In diesem Fall wäre der Hinweis auf den Ursprungsspeicher nicht zielführend, da auch die in dem Arbeitsspeicher vorhandenen Darstellungen anderen zugänglich gemacht oder verbreitet werden können.214 Der Arbeitsspeicher stellt damit nicht nur aufgrund des ausdrücklichen gesetzgeberischen Willens einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB dar, sondern erfüllt aufgrund seiner Funktionsweise genauso wie eine DVD oder Festplatte die tatbestandlichen Voraussetzungen. c) Falsches Verständnis der Funktionsweise Nach Harms liegt der Gesetzesbegründung jedoch schlicht ein falsches Verständnis von der Funktionsweise des Arbeitsspeichers zugrunde.215 Nach seinem Verständnis vom Arbeitsspeicher habe dieser aufgrund seiner Flüchtigkeit „überhaupt keinen Gegenstand und (…) [sei eher] mit einem Fernseher (…) [als mit einem Datenspeicher zu vergleichen]“.216 Infolgedessen überzeuge die in der Gesetzesbegründung vorgenommene Abgrenzung von Arbeitsspeicher und Echtzeitübertragung nicht und „[müsse] sogar als willkürlich angesehen werden“.217 Dies würde sich auch aus einem Vergleich mit dem durch das 27. StrÄndG ebenfalls geänderten § 184 Abs. 7 Satz 2 StGB a. F. ergeben, da dieser über § 74d StGB hinaus die zwingende Einziehung von Gegenständen anordnet, auf die sich eine Straftat nach § 184 Abs. 5 StGB a. F. bezieht. Die Einziehung des Arbeitsspeichers ergebe nach Harms jedoch keinen Sinn, da dieser nach dem Ausschalten des Computers infolge der nur kurzfristigen Speicherung keine inkriminierenden Inhalte mehr bereithalte.218 Mit ähnlichen Argumenten Römer, Verbreitungsdelikte, S. 88. dazu, dass allein durch das Zeigen der im Arbeitsspeicher zwischengespeicherten Darstellungen ein Zugänglichmachen z. B. i. S. d. § 184 Abs. 1 Nr. 1, 3. Fall StGB möglich ist, sogleich unter C. II. 4. c). 215  Vgl. Harms, NStZ 2003, 646 (649). 216  Harms, NStZ 2003, 646 (649). 217  Harms, NStZ 2003, 646 (649). 218  Vgl. Harms, NStZ 2003, 646 (649); siehe hinsichtlich der Einziehung ausführlich unten unter E. I. 1. b). 213  Vgl.

214  Siehe

170

C. Daten- und Schriftenbegriffe

lehnen auch Rudolphi / Stein219 die Einbeziehung des Arbeitsspeichers in § 11 Abs. 3 StGB ab. Zwar wäre dieser noch vom Wortsinn „Datenspeicher“ erfasst, hinsichtlich des Erfordernisses der Dauerhaftigkeit sei dies aber nicht mehr der Fall, da „die Notwendigkeit dauernder Energiezufuhr (…) den Fortbestand der Speicherung (…) von Zufälligkeiten abhängig [machen würde]“.220 Daher sei auch eine physische Weitergabe der auf dem Arbeitsspeicher verkörperten Inhalte, ohne besondere technische Maßnahmen221 überhaupt nicht möglich, so dass eine Strafbarkeit im Rahmen der klassischen Schriftenverbreitungsdelikte222, allein auf den Arbeitsspeicher bezogen, ausscheiden müsse,223 da das Verbreiten i. S. d. Verbreitungsdelikte nach überwiegendem Verständnis eine körperliche Weitergabe der Schrift voraussetzt.224 Die vorgebrachte Kritik vermag jedoch nicht zu überzeugen. So stützt der Verweis allein auf die Verbreitungsdelikte das gewünschte Ergebnis nur selektiv, ohne dass dadurch in Gänze alle im Zusammenhang stehenden Fragestellungen beantwortet würden. Ein Vergleich mit anderen Begehungsformen der gleichen Strafvorschrift, wie beispielsweise dem Zugänglichmachen225 aus § 184 Abs. 1 StGB, zeigt stattdessen, dass diese Tathandlung auch mit Inhalten des Arbeitsspeichers möglich ist.226 Für eine Strafbarkeit nach § 184 Abs. 1 Nr. 1, 3. Fall StGB ist es daher ausreichend, wenn einem Minderjährigen eine pornografische Darstellung, welche nur im Arbeitsspeicher zwischengespeichert ist, auf dem Computermonitor gezeigt und damit i. S. d. Norm zugänglich gemacht wird.227 Trotz der grundsätzlichen Relati219  Rudolphi / Stein,

in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 61. in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 61. 221  Siehe hinsichtlich der Möglichkeit externer Stromversorgung und des Einfrierens des Arbeitsspeichers sogleich unter C. III. 2. 222  §§ 86 Abs. 1, 86a Abs. 1 Nr. 1, 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, 130 Abs. 2 Nr. 2, 130a Abs. 1, 130a Abs. 2 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 2, 184a Nr. 1, 184b Abs. 1 Nr. 1, 184c Abs. 1 Nr. 1, 184d Satz 1. 223  So jedenfalls Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (208). 224  Vgl. z. B. Römer, Verbreitungsdelikte, S.  90; vgl. stellvertretend für alle Schriftenverbreitungsdelikte an dieser Stelle nur Fischer, § 184b SGB Rn. 8 m. w. N. Siehe hinsichtlich der internetspezifischen Verbreitung sogleich unter E. I. 2. d) aa). 225  Ein Zugänglichmachen i.  S. d. § 184 Abs. 1 Nr. 1, 3. Fall StGB liegt vor, wenn Dritten die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Inhalte der Schrift gegeben wird (Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Fischer, § 184 StGB Rn. 10; Gercke, in: Spindler / Schuster, § 184 StGB Rn. 6; Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 28; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184 StGB Rn. 6). 226  So auch Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 278; Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 15. 227  Vgl. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 278; Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 29; dies., NJW 2002, 1008 (1010); Laubenthal, Handbuch, Rn. 945, 947; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184 StGB Rn. 9; Walther, NStZ 1990, 523. 220  Rudolphi / Stein,



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB171

vität der Rechtsbegriffe streitet insbesondere der in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Bestimmtheitsgrundsatz für ein – zumindest innerhalb der Norm – einheitliches Begriffsverständnis,228 so dass aus dem Vergleich der Tatmodalitäten folgt, dass der Arbeitsspeicher trotz der Unmöglichkeit der körper­ lichen Weitergabe229 ein Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstellt. Daneben vermag die Kritik von Harms230 auch im Hinblick auf die Einziehung nach § 74d StGB nicht zu überzeugen. Zwar scheint die Einziehung des Arbeitsspeichers kriminalistisch keinen Sinn zu ergeben, da auf dem von der dauernden Stromzufuhr getrennten Arbeitsspeicher in der Regel tatsächlich nach der Einziehung keinerlei inkriminierende Inhalte mehr gespeichert sind;231 dass ein Arbeitsspeicher deshalb aber tatsächlich nicht einziehbar sei, vermag dieser Umstand nicht zu belegen. Insofern steht dem kriminalistischen Argument ein tatbestandliches entgegen. Sind darüber hinaus die entsprechenden Daten allein im Arbeitsspeicher vorhanden,232 würde auch die mit dem Ausbau zwangsläufig verbundene Löschung des Arbeitsspeichers bereits den Normzweck des § 74d StGB erfüllen. § 74d StGB hat Sicherungscharakter233 und ordnet dementsprechend die Beseitigung der sich aus der Existenz der Schriften234 ergebenden Gefährdung bestimmter Rechtsgüter an.235 Dies kann auch durch den Ausbau des Arbeitsspeichers und dessen Einziehung erreicht werden, da insbesondere im Zusammenhang mit den §§ 184  ff. StGB eine weitere Verbreitung der Schriften nach der Einziehung des Arbeitsspeichers unmöglich wird.236 Im 228  Vgl. zu den auftretenden Schwierigkeiten bei tathandlungsabhängiger Auslegung auch das wahrscheinlich prominenteste Negativbeispiel relativer Rechtsbegriffe aus dem Besonderen Teil des StGB, den Begriff des gefährlichen Werkzeugs (siehe oben unter B. III. 1. b] bb] [1]). 229  Dass die Weitergabe stattdessen möglicherweise auch digital und damit unkörperlich erfolgen kann, wird im Folgenden genauer dargestellt. Siehe hinsichtlich des „internetspezifischen Verbreitungsbegriffs“ unten bei E. I. 2. d) aa). 230  Harms, NStZ 2003, 646 (649). 231  So jedenfalls Harms, NStZ 2003, 646 (649); mit dem gleichen Argument gegen die Bildschirmdarstellung als Datenspeicher König, Kinderpornografie, S. 85; Sieber, JZ 1996, 494 (495). 232  So z. B. in dem bei B. II. 4. b) beschriebenen Fall, in welchem die Ursprungsdatei bereits gelöscht wurde oder aus anderen Gründen nicht mehr abrufbar ist. 233  Siehe BGHSt 5, 168 (178); BGHSt 16, 49 (56); Eser, in: Sch / Sch, § 74d StGB Rn. 1; Heuchemer, in: Beck’scher OK, § 74d StGB Rn. 1. 234  Bzw. anderer Darstellungen, vgl. § 11 Abs. 3 StGB; vgl. auch Joecks, in: MüKo, § 74d StGB Rn. 2, der ausdrücklich auch den Arbeitsspeicher als Tatmittel nennt. 235  Vgl. nur Eser, in: Sch / Sch, § 74d StGB Rn. 1. 236  Siehe hinsichtlich des Verbreitens elektronischer Daten als „internetspezifische Verbreitung“ ausführlich unten unter E. I. 2. d) aa).

172

C. Daten- und Schriftenbegriffe

Übrigen können auch gelöschte Festplatten eingezogen werden, weswegen die Möglichkeit der Löschung für die Frage nach der Einziehbarkeit keine Relevanz haben kann.237 Daneben komme hinsichtlich des Arbeitsspeichers auch eine Einziehung als Tatwerkzeug nach § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB in Betracht. Der Arbeitsspeicher kann nicht nur selbst Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB sein, sondern auch ein instrumenta sceleris, also ein zur Tat, vorliegend z. B. der Speicherung inkriminierender Inhalte auf einer Festplatte, gebrauchter oder bestimmt gewesener Gegenstand.238 Nach alledem stellt auch der Arbeitsspeicher einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB dar. Insbesondere handelt es sich bei dem Arbeitsspeicher um „kein virtuelles Gebilde“239, sondern einen körperlichen Gegenstand. 5. Datei als Datenspeicher Neben dem Datenspeicher sind in § 11 Abs. 3 StGB den Schriften noch die Abbildungen, Ton- und Bildträger und sonstigen Darstellungen gleichgestellt. Trotz dieser abschließenden Aufzählung tritt insbesondere im Zusammenhang mit der Internetkommunikation die Frage auf, ob neben dem Datenspeicher als körperlichem Speichermedium auch die Computerdatei als solche unter den Schriftenbegriff in § 11 Abs. 3 StGB fällt. Nach dem OLG Hamburg ist dies der Fall, da „(n)ach der Rechtsprechung (…) Da­ teien, die auf Datenspeichern (…) festgehalten sind, selbst Datenspeicher [seien] und (…) somit Schriften gleich [stünden].“240 Entgegen der Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (118); Palm, Kinderpornographie, S. 101. z. B. BGH wistra 2004, 265; OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 329 (330); LG Mainz, wistra 2001, 318 (319); Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (118); Eser, in: Sch / Sch, § 74 StGB Rn. 12; Joecks, in: MüKo, § 74 StGB Rn. 15. Entscheidend für eine Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB ist ein über die bloße Benutzung hinausgehendes Gebrauchen des Gegenstandes (BGHSt 10, 28 [29, 31]). Dies sei laut OLG Düsseldorf, NJW 1992, 3050 bei einem Computer, auf dem eine beleidigende E-Mail geschrieben wurde, nicht der Fall, da dieser lediglich in einem Zusammenhang mit der Tat stünde, ohne eigentliches Mittel der Verwirklichung eines Straftatbestandes zu sein. Kritisch dazu Achenbach, JR 1993, 516 (517), der die Werkzeugqualität bejaht, hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit aber Bedenken äußert. Wird der Computer hingegen dazu benutzt, sich kinderpornografische Schriften aus dem Internet zu verschaffen, ist dieser unstreitig Tatmittel i. S. d. § 74 Abs. 1 StGB (OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 329 [330]). Ob die Einziehung der gesamten Computeranlage in diesem Fall dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus § 74b StGB Genüge tut oder ob eine bloße Löschung der Daten den gleichen Sicherungszweck erfüllen würde, (BGH NStZ 2012, 319; BGH NStZ 2009, 324; Bertram, JR 2000, 126 (128); Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 20) ist hinsichtlich der Frage nach der Eignung des Arbeitsspeichers als Tatmittel jedoch unerheblich. 239  Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 170. 240  OLG Hamburg, NJW 2010, 1983; siehe ausführlich oben unter A. I. 237  Vgl.

238  Siehe



II. Der Schriftenbegriff i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB173

„verwirrenden“241 Formulierung des OLG Hamburg242 wird die einzelne Computerdatei nach einhelliger Auffassung jedoch von der Norm nicht erfasst.243 Insbesondere kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, „dass der Gesetzgeber mit der Ergänzung des § 11 Abs. 3 StGB um ‚Datenspeicher‘ in Wahrheit die gespeicherten Daten gemeint hat: Dies würde nicht nur nicht den übrigen aufgezählten Medien entsprechen, vielmehr ist der Begriff der ‚Daten‘ dem Gesetzgeber in anderen Zusammenhängen (§§ 202a, 263a, 303a StGB) ja durchaus bekannt!“244 Richtigerweise besteht zwischen dem körperlichen „Datenspeicher“ und der unkörperlichen „Datei“ ein gravierender Unterschied, welcher nach Müller dem zwischen einem Blatt Papier und dem Inhalt des darauf gedruckten Texts gleiche.245 Der Datenspeicher ist wie das Blatt Papier lediglich der körperliche Informationsträger, ohne den die darauf fixierten Informationen – Schrift oder Daten – nicht existieren können. Daneben spricht auch der eindeutige Wortlaut des § 11 Abs. 3 StGB gegen eine Einbeziehung der Datei als solcher. Zum einen lässt sich weder der Begriff „Datei“ unter „Datenspeicher“ subsumieren noch lässt sich die „Datei“ als „auf einem Datenspeicher gespeicherter Datenspeicher“ definieren.246 Zum anderen vermag auch der Ansatz von Palm nicht zu überzeugen, die „Datei“ „als festgelegter Speicherbereich auf einem Trägermedium“247 zu definieren. Palm geht dabei – vermutlich248 – von einer gleichbleibenden eindeutigen Zuordnung von Datei und lokalem Speicherabschnitt aus.249 Aufgrund der Dynamik moderner Speicherverfahren, welche gerade keine durchgehend 241  Popp,

ZIS 2011, 193 (196). Hamburg, NJW 2010, 1893. 243  Vgl. z. B. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (125); ders., NStZ 2011, 18 (20); Exner, Pornografiestraftaten, S. 33; Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 95; Gercke, in: Internetstrafrecht, Rn. 277; ders., CR 2010, 798 (800); Harms, NStZ 2003, 646 (648); Hilgendorf / Valerius, Internetstrafrecht, Rn. 171; Hörnle, in: MüKo, 184b StGB Rn. 29; dies., NStZ 2010, 704 (706); Kudlich, JZ 2002, 310 (311); Müller, MMR 2010, 342 (344); Palm, Kinderpornographie, S. 130; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5; Popp, ZIS 2011, 193 (195 in Fn. 20). 244  Kudlich, JZ 2002, 310 (311). 245  Vgl. Müller, MMR 2010, 342 (344 f.). 246  Ablehnend auch Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 95; Fischer, § 11 StGB Rn. 36a. 247  Palm, Kinderpornographie, S. 98, 102. 248  Siehe Palm, Kinderpornographie, S. 98 ff., die eine Begründung bzw. Auseinandersetzung mit dieser Annahme schuldig bleibt. 249  So werden zum einen moderne Datenspeichersysteme dynamisch verwaltet, zum anderen existieren auch nicht magnetische Datenspeicher, wie NAND-Flashspeicher, welche die gespeicherten Daten laufend verschieben (vgl. Schiffmann, Informatik, S. 289). 242  OLG

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

gleichbleibende Zuordnung der elektronischen bzw. elektro-magnetischen Speicherzustände bedingen, kann der einzelnen Datei jedoch gerade keine Körperlichkeit zugesprochen werden. Vielmehr ist eine Computerdatei zum einen grundsätzlich unkörperlich und findet zum anderen in § 11 Abs. 3 StGB keine Erwähnung, weswegen sich die Rechtsprechung mit der Aussage, auch Dateien seien Datenspeicher250 „fast zwangsläufig in immer abseitigeren Analogiebildungen [verliert]“.251 Aus diesem Grund ist auch der Aussage Müllers dem Grunde nach zuzustimmen, dass „dem Gesetzgeber (…) 1997 auch der Begriff ‚Datei‘ durchaus bekannt [gewesen sei], so dass man die gesetzliche Bezeichnung ‚Datenspeicher‘ [in § 11 Abs. 3 StGB] auch nicht als Redaktionsversehen übergehen [könne]“252. 6. Zwischenergebnis Damit lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass zwar der Cachespeicher als Speicherort auf der Festplatte, ebenso wie diese selbst, einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstellt, während die einzelne Datei als solche von dem Schriftenbegriff hingegen nicht erfasst wird. Ebenfalls einen Datenspeicher i. S. d. Norm stellt der Arbeitsspeicher dar. Dafür spricht neben dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, den Arbeitsspeicher als Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB anzusehen,253 insbesondere auch die innere Struktur der Schriftenverbreitungsdelikte dafür, den Arbeitsspeicher in den Anwendungsbereich des Datenspeichers einzubeziehen.254 Der Hinweis hingegen, dass dies der Fall sein müsse, da die Inhalte ausgedruckt oder versendet werden könnten,255 ist weder erforderlich noch richtig. Nicht aus der Möglichkeit, den Inhalt auszudrucken, sondern bereits aus dem Bereithalten dieser und der Möglichkeit der Wahrnehmung folgt, dass es sich bei dem Arbeitsspeicher um einen Datenspeicher handelt. Auch der Inhalt einer CD lässt sich ausdrucken, ohne dass diese erst aufgrund des Ausdrucks zum Datenspeicher wird; vielmehr ist es für einen Datenspeicher typisch, dass sein Inhalt ausdruckbar oder anders weiter verwendbar ist. 250  So jedenfalls OLG Hamburg, NJW 2010, 1893; ähnlich auch schon BGHSt 47, 55 (58), siehe dazu ausführlich unten unter E. I. 2. d). 251  M. Popp, Verantwortung, S. 198. 252  Müller, MMR 2010, 342 (344 f.). 253  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36; BR-Drucks. 966 / 96, S. 38. 254  Siehe an dieser Stelle für eine Einbeziehung nur Fischer, § 11 StGB Rn. 36; a. A. z. B. Laubenthal, Handbuch, Rn. 1175. 255  So aber z. B. Fischer, § 11 StGB Rn. 36.



III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten175

Das Argument, eine Einziehung des Arbeitsspeichers nach § 74d Abs. 1 StGB ergebe keinen Sinn, da mit dem Ausschalten des Computers die inkriminierenden Inhalte gelöscht würden,256 vermag die generelle Eignung zur Einziehung nicht zu widerlegen. Ob eine Einziehung nach § 74d Abs. 1 StGB Sinn ergibt, ist lediglich eine kriminalistische Frage. Darüber hinaus käme der Arbeitsspeicher grundsätzlich auch als Tatmittel i. S. d. § 74 Abs. 1 StGB in Betracht. Der Arbeitsspeicher ist mithin ein Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB.257

III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten Arbeits- und Cachespeicher stellen als Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB mithin grundsätzlich taugliche Tatobjekte i. S. d. § 184b StGB dar. Bevor im Anschluss die einzelnen Besitz- und Besitzverschaffungstatbestände dargestellt werden und damit das tatsächliche Geschehen beim Betrachten kinderpornografischer Darstellungen im Internet einer rechtlichen Würdigung unterzogen wird, gilt es einige technische Grundlagen darzustellen, da ohne ein gewisses Grundverständnis der tatsächlich ablaufenden technischen Prozesse eine rechtliche Beurteilung nicht möglich ist. Dies muss umso mehr in den Fällen gelten, in welchen die strafrechtliche Würdigung eines Verhaltens zu bewerten ist. Anderenfalls drohen rein emotionale258 Entscheidungen, die willkürliche Strafbarkeiten nach sich ziehen.259 Und auch wenn Literatur und Rechtsprechung technische Details zum Teil zutreffend subsumieren, fehlen in der Regel tiefergehende technische Ausfühjedenfalls Harms, NStZ 2003, 646 (649). ganz überwiegende Ansicht; vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36; BGHSt 47, 55 (58); OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1894); Altenhain, CR 1997, 485 (495); Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (117 ff.); Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67; Fischer, § 11 StGB Rn. 36; Gercke, in: Praxishandbuch Rn. 278; Gercke, Inhalte, S. 75; Matzky, ZRP 2003, 167 (169); Palm, Kinderpornographie, S. 101; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 147; Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 61.3; Bedenken äußernd Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 170; a. A. z. B. Bertram, JR 2000, 126 (128 in Fn. 18); Gounalakis / Rhode, K&R 1998, 321 (330); Harms, NStZ 2003, 646 (649); Römer, Verbreitungsdelikte, S. 88; Rudolphi / Stein, in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 61. 258  Vgl. nur den Hinweis von Jäger, Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (232) hinsichtlich der Rechtsgutsdebatte im Rahmen der §§ 184 ff. StGB; siehe dazu ausführlich unten unter E. I. 4. a). 259  Als Paradebeispiel für eine rein emotional und einseitig geführte Diskussion trotz hinreichender evidenzbasierter Hintergrundinformationen sei an dieser Stelle nur auf die, die letzten Jahre prägende Beschneidungsdebatte verwiesen (siehe dazu ausführlich Pekárek, ZIS 2013, 514, der die Notwendigkeit evidenzbasierter Argumentation in der Rechtswissenschaft herausstellt). 256  So 257  So

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

rungen auch in den Fällen, in denen solche entscheidungserheblich sind. Exemplarisch sei an dieser Stelle nur die Ansicht des BGH angeführt, wonach in den Fällen ein Zugänglichmachen und kein Verbreiten vorläge, in welchen „eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt wird.“260 Der BGH geht dabei davon aus, dass es aufgrund des „Lesezugriffs“ zu keiner Verkörperung auf Empfängerseite kommen würde261 und verkennt damit die Grundlagen der HTTP262-Kommunikation. Ein reiner Lesezugriff ohne Übertragung der Daten zum Rechner des Nutzers ist nicht möglich.263 Dies erkennt beispielsweise auch das LG Stuttgart, wenn es darauf hinweist, dass dem manuellen Abspeichern von online abgerufenen Darstellungen „technisch notwendigerweise das Laden dieser Dateien in den Arbeitsspeicher (…) voraus[geht]“264. Die Hintergründe dieser zutreffenden Feststellung sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. Dabei werden zunächst die technischen Abläufe beim Aufrufen von Bild- und Videodateien im Internet mittels eines Internetbrowsers und anschließend die technischen Funktionsweisen der damit verbundenen Computerkomponenten, wie Arbeitsspeicher und Festplatte, erarbeitet. In diesem Zusammenhang wird auf eine allgemeine Darstellung der Geschichte des Internets sowie einer einem Glossar ähnlichen Aufzählung von WWW, E-Mail und anderen Kommunikationsformen ebenso verzichtet, wie auf eine detaillierte Darstellung der Funktionsweise von TCP / IP265 oder des DNS266. Entsprechende Übersichten finden sich beispielsweise bei Althenhain267, Hoeren268, Marberth-Kubicki269, Palm270, Piazena271 und Sieber272. 260  BGHSt

47, 55 (60). 47, 55 (60). 262  Hypertext Transfer Protocol (zu Deutsch Hypertext-Übertragungsprotokoll); siehe hinsichtlich der Spezifikationen der Version 1.1 http: /  / goo.gl / f9AZgN, 12.04.2014. 263  Dies ebenfalls erkennend z. B. Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 91; Gercke, MMR 2001, 676 (680); König, Kinderpornografie, Rn. 216; siehe dazu sogleich unter C. III. 1. a). 264  LG Stuttgart, NStZ 2003, 36. 265  Transmission Control Protocol (zu Deutsch Übertragungssteuerungsprotokoll / Internet Protocol). 266  Domain Name System; das DNS funktioniert ähnlich wie ein dynamisches Telefonbuch (vgl. z. B. Tanenbaum, Computernetzwerke, S. 695). Es „übersetzt“ die angefragte Domain in die entsprechende IP-Adresse des entsprechenden Servers. Unter http: /  / goo.gl / A63WiH (utrace.de, 12.04.2014) lässt sich beispielsweise die aktuelle IP-Adresse von www.google.de erfragen. Gibt man diese in seinen Browser ein, wird die deutsche Seite von Google aufgerufen. 267  Altenhain, CR 1997, 485 ff. 268  Hoeren, NJW 1995, 3295 ff. 269  Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 3 ff. 261  BGHSt



III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten177

1. Jeder Klick ein Download Die Funktionsweise der Internetkommunikation lässt sich losgelöst von TCP / IP und HTTP zunächst pauschal mit „jeder Klick ein Download“ umschreiben. Jede Datei, sei es reiner Text, eine Bilddatei oder beispielsweise ein Stylesheet, der Formatierungshinweise für die angezeigte Webseite beinhaltet, muss zum Zwecke der Anzeige auf dem Nutzercomputer zunächst auf diesen übertragen werden.273 Klickt der Nutzer daher auf einer Webseite auf einen Link und öffnet somit eine neue Seite, ein Bild oder eine andere Ressource, so wird diese auf den Computer des Nutzers übertragen, also heruntergeladen. Die Kommunikation zwischen dem Nutzer an seinem Computer (im Folgenden Client) und dem die angefragten Informationen bereitstellenden Server (im Folgenden Host) läuft dabei über das HTTProtokoll vereinfacht wie folgt ab: 270271272

a) „Normales“ Surfen im Internet Ruft der Nutzer beispielsweise http274: /  / www.google.de in seinem Internetbrowser auf, sendet der Client einen HTTP-Request275 in Form eines GET-Befehls276 an den Google Server277.278 Existiert der angefragte Host270  Palm,

Kinderpornographie, S. 27 ff. Verabreden zu Straftaten, B. I 1. 272  Sieber, JZ 1996, 429 ff. 273  Siehe hinsichtlich der Kommunikation zwischen Client und Host über Sockets (zu Deutsch Steckdose) mit deren Hilfe sich ein Computerprogramm mit einem Rechnernetz verbinden und mit anderen Computern Daten austauschen kann, ausführlich Comer, TCP-IP, S.  395 ff. 274  HTTP bezeichnet dabei das zwischen dem Client und Host zu verwendende Übertragungsprotokoll. Andere in Betracht kommende, aber für die vorliegende Arbeit irrelevante Protokolle, sind z. B. FTP, IMAP, SSH, TELNET oder StreamingProtokolle wie RTMP. Allen Protokollen ist im Grundsatz jedoch gemein, dass zur Anzeige auf dem Client grundsätzlich eine Übertragung der anzuzeigenden Dateien auf diesen erfolgen muss. 275  Ein Request (zu Deutsch Anfrage) setzt sich aus einem Header (zu Deutsch Kopf) und einem Body (zu Deutsch in etwa Nachrichtentext). Der Header beinhaltet neben der exakten Anfrage und der gewählten Methode (GET, POST, HEAD etc.) noch Informationen zum Client. Bei einem GET-Request ist der Body leer. Siehe ausführlich bei Gourley / Totty, HTTP, S. 8 f., 11 f.; siehe im Detail die HTTP / 1.1 Spezifikation unter http: /  / goo.gl / f9AZgN Section 5, 12.04.2014. 276  In der Spezifikation wird anstelle des Begriffs „Befehl“ „Methode“ verwendet; siehe hinsichtlich der unterstützten Methoden unter http: /  / goo.gl / f9AZgN Section 9, 12.04.2014. 277  Unter welcher exakten IP-Adresse dieser Server zu erreichen ist, wird wiederum vom DN-System vermittelt. 278  Siehe hinsichtlich der Abläufe z. B. Comer, TCP-IP, S. 496. 271  Piazena,

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

Server, sendet dieser einen HTTP-Response279 in Form einer Statusmeldung und überträgt – sofern auch die angefragte Ressource existiert –280 die angefragten Informationen.281 Ein solcher Request beinhaltet neben Informa­ tionen über den Client auch die URL282 bzw. URI283 der angefragten Ressource. Eine solche URL kann neben dem bloßen Host (also www.google. de) auch eine einzelne auf diesem Server gespeicherte Ressource, wie beispielsweise das Google-Logo (www.google.de / images / srpr / logo11w.png), sein.284 Existieren die angefragten Ressourcen, sendet der Host-Server entsprechende HTTP-Responses, die jegliche mit diesen verknüpften Dateien an den Client übertragen. Im Falle des Aufrufs von www.google.de werden beispielsweise ca. zehn Dateien auf den Client übertragen. Darunter befinden sich neben dem oben genannten Logo noch weitere Grafikdateien, verschiedene Script-Dateien sowie die eigentliche Webseite im HTMLFormat. Zu sehen bekommt der Nutzer in der Regel jedoch nur die angezeigte Webseite mit dem zentrierten Google-Logo und der Eingabemaske für den Suchbegriff.285 Ist – wie bei modernen Webbrowsern üblich – die Cachefunktion des Browsers eingeschaltet,286 werden diese übertragenen Ressourcen teilweise 279  Der Response (zu Deutsch Antwort) besteht aus den gleichen Komponenten wie der Request. Im Falle eines Webseitenaufrufs beinhaltet der Header unter anderem den Status Code, den Content-type der angefragten Ressource (im Fall des Aufrufs der Google Seite z. B. „text / html“, da es sich um eine HTML-Seite handelt, im Fall des direkten Aufrufs des Logos „image / png“, da es sich um eine Bilddatei im PNG-Format handelt, siehe hinsichtlich der verschiedenen Content-types Gourley / Totty, HTTP, S. 540 ff.). 280  Die unbekannteste, sicherlich aber häufigste Statusmeldung dürfte in diesem Falle der Status Code 200 sein. Dieser steht für „OK“ und teilt dem Client lediglich mit, dass die angefragte Ressource existiert und nun übermittelt wird. Den bekanntesten Status Code stellt demgegenüber wahrscheinlich der Status Code 404 dar, der dem Nutzer in der Regel in Form der Fehlermeldung „Fehler 404. Seite nicht gefunden“ angezeigt wird. Siehe hinsichtlich der Status Codes die HTTP1 / 1 Spezifikation unter http: /  / goo.gl / f9AZgN Section 6.1.1, 12.04.2014, oder die Zusammenfassungen bei Gourley / Totty, HTTP, S. 505 ff.; D. Wessels, Web Caching, S. 8 f. 281  Siehe dazu die Übersicht nebst Grafik 1–8 bei Gourley / Totty, HTTP, S. 11 f. 282  Uniform Resource Locator (zu Deutsch einheitlicher Quellenanzeiger). 283  Uniform Resource Identifier (zu Deutsch einheitlicher Bezeichner für Ressourcen). 284  Vgl. Comer, TCP-IP, S. 494. 285  Die Netzwerkaktivitäten mit den einzelnen Übertragungen des Browsers lassen sich z. B. bei Mozilla Firefox über „Web-Entwickler“ und bei Google Chrome über „Tools->Entwickler-Tools“ und dort jeweils über die Registerkarte „Netzwerk“ anzeigen. 286  Anleitungen, wie der Cache deaktiviert werden kann, finden sich im Internet an verschiedensten Stellen (siehe z. B. http: /  / goo.gl / yNTKdy, Web / Mobile Blog, 12.04.14).



III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten179

lokal auf dem Client zwischengespeichert.287 Die Zwischenspeicherung dient der Ressourcenoptimierung der anbietenden Server, der Verringerung der gesamten Auslastung der Datenverbindungen sowie der beschleunigten Anzeige auf Client-Seite.288 Ist eine Ressource einmal zwischengespei­ chert,289 wird sie bei erneutem Aufrufen durch den Nutzer nicht mehr von dem Ursprungsserver, sondern aus dem lokalen Cache des Clients geladen290 – jedoch nur solange die lokale Datei existiert, die Vorhaltezeit nicht abgelaufen ist oder der Host eine neuere Datei anbietet.291 Da der BrowserCache nichts weiter ist als ein vom Webbrowser verwalteter Ordner auf der Festplatte des Clients, liegen die zwischengespeicherten Dateien auf eben dieser Festplatte lokal gespeichert vor und können, da sie nicht erneut abgerufen werden müssen, auch offline – also ohne bestehende Internetverbindung in völliger Unabhängigkeit vom Ursprungsserver – aufgerufen, verändert oder betrachtet werden. b) Webstreaming Neben dem Abruf einzelner Text- oder Bilddateien ist auch das Betrachten ganzer Videoinhalte über den Webbrowser möglich. Dazu werden diese Garfinkel / Spafford, Web Security, S. 244; Gourley / Totty, HTTP, S. 161 ff. die Übersicht bei Gourley / Totty, HTTP, S. 161; vgl. auch D. Wessels, Web Caching, S. 10 ff. 289  Der HTTP-Response überträgt dazu im Header Informationen zum Caching. So kann ein Response z. B. mit der Information „no-cache“ übertragen werden, so dass die entsprechende Datei grundsätzlich nicht zwischengespeichert wird (vgl. D. Wessels, Web Caching, S. 29). Dies hat zur Folge, dass die Datei bei jedem Aufruf erneut übertragen werden muss. Bei sich selten ändernden Dateien, wie beispielsweise dem Logo einer Webseite, hingegen wird i. d. R. ein Zwischenspeichern erwünscht sein. Siehe auch Gourley / Totty, HTTP, S. 182. 290  Beim Aufruf einer Webseite überprüft der Browser dazu zunächst, ob die angefragte Ressource ggf. im Cache gespeichert ist und sendet nur dann einen HTTP-Request, wenn diese nicht vorhanden ist (vgl. D. Wessels, Web Caching, S. 34). 291  Neben der Information, ob eine Datei überhaupt zwischengespeichert werden soll, kann der Header in der Sektion „cache-control“ noch eine Information zur maximalen Speicherzeit beinhalten. So wird beispielsweise das Logo der Startseite der Google Suche (www.google.de) mit einer Vorhaltezeit von „max-age=31536000“, also maximal einem Jahr übertragen. Da Cachespeicher trotz immer günstiger werdender Speicherkapazitäten i. d. R. eine sehr geringe Größe haben, werden die meisten Dateien jedoch regelmäßig von neueren Dateien anderer Webseiten überschrieben, so dass auch das Google-Logo nur in den allerseltensten Fällen tatsächlich ein Jahr in einem Browser-Cache gespeichert bleibt. Da der Host nicht wissen kann, ob eine Ressource auf Client-Seite bereits im Cache gespeichert vorliegt, beinhaltet der HTTP-Request darüber hinaus die Header-Information „If-modified-since“, um anzufragen, ob eine neuere Datei existiert (vgl. z. B. Tanenbaum, Computernetzwerke, S. 180 ff., 784). 287  Vgl.

288  Siehe

180

C. Daten- und Schriftenbegriffe

Inhalte in der Regel nicht, wie beispielsweise im Falle einer Bilddatei, zunächst vollständig übertragen und dann angezeigt, die Audio- bzw. Videodatei wird zur Vermeidung von Wartezeiten vielmehr in Form von kontinuierlichen IP-Paketen übertragen.292 Dieser Vorgang wird als Streaming bezeichnet.293 Die Übertragung von Audio- bzw. Videoinhalten von einem Webserver an einen Client findet ebenfalls über das HTTP statt,294 weswegen in diesen Fällen das Obengenannte gilt und die Terminologie des HTTP-Streamings bzw. „Streaming mittels HTTP“295 verwendet wird. Ebenso wie bei einem „klassischen“ Download wird dabei eine Ressource von einem Host-Server an einen Client übertragen. Im Gegensatz zum Download beginnt der Browser bzw. der Mediaplayer die gestreamten Inhalte jedoch bereits nach wenigen Sekunden abzuspielen, ohne zunächst die gesamte Datei zu übertragen. Diese ist erst mit dem Abspielen bzw. Laden der letzten Sekunden übertragen. Aufgrund der Verwendung des HTT-Protokolls können diese Daten ebenfalls im Cache des Clients abgelegt werden. Ist dieser Cachespeicher groß genug, kann theoretisch die Videodatei im Cachespeicher zwischengespeichert werden, so dass diese auch offline zur Verfügung steht. Wird die Audio- bzw. Videodatei hingegen statt von einem Webserver von einem reinen Streaming-Server ausgeliefert, wird anstelle des verbindungsorientierten TCP-Protokolls häufig das verbindungslose UD-Protokoll eingesetzt.296 In diesem Fall entsteht die Zwischenspeicherung allein im UDP-Empfangspuffer. Eine Zwischenspeicherung der vollständigen AudioVideo-Inhalte im Cachespeicher entfällt auf Grund der Echtzeitkommunikation.297 Der Vorteil in der Verwendung anderer Protokolle298 liegt gegenüber HTTP in erster Linie in der höheren Geschwindigkeit, mit der die Daten gestreamt werden können.299 Insbesondere die Fehlerkorrektur des 292  Vgl. Badach / Rieger / Schmauch, Webtechnologien, S. 278; Kurose / Ross, Internet, S.  646 f. 293  Vgl. Badach / Rieger / Schmauch, Webtechnologien, S. 262, 277; Tanenbaum, Computernetzwerke, 792. 294  Vgl. Badach / Rieger / Schmauch, Webtechnologien, S. 119; Kurose / Ross, Internet, S. 646; Tanenbaum, Computernetzwerke, S. 809. 295  Vgl. Badach / Rieger / Schmauch, Webtechnologien, S. 277. 296  Vgl. z. B. Kurose / Ross, Computernetzwerke, S. 240; Tanenbaum, Computernetzwerke, S.  810 f. 297  Vgl. Longolius, Web-TV, S. 50. 298  Siehe zu anderen in Betracht kommenden Streaming-Protokollen ausführlich Longolius, Web-TV, S.  62 ff. 299  Vgl. Kurose / Ross, Internet, S.  240  ff.; Tanenbaum, Computernetzwerke, S. 811; so fehlt es dem UD-Protokoll z. B. an dem Rückkanal für die Fehlerkorrektur.



III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten181

TCP / IP,300 auf dem das HTTP aufbaut,301 entfällt. Wegen des gegenüber dem HTTP-Streaming dadurch in Echtzeit stattfindenden Streamings wird das Streaming von einem Streaming-Server auch als „True-Streaming“302 bezeichnet. Da die Audio- bzw. Videoinhalte hierbei direkt von dem Mediaplayer verarbeitet und im Anschluss unmittelbar vernichtet werden, kommt es auch zu keiner zusätzlichen, dauerhaften Speicherung im Cache.303 Durch das einfache HTTP-Streaming kommt es hingegen ebenso, wie beim „normalen“ Surfen im Internet, zu einer Zwischenspeicherung der geladenen Daten auf dem Client-Computer. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Video zum Zwecke der störungsfreien Wiedergabe zunächst vollständig vorgeladen wird. Da der Client-Puffer304 nur über eine sehr begrenzte Größe verfügt, müssen die Daten zwangsläufig auf die Festplatte ausgelagert werden. Mit frei zugänglichen Softwareprogrammen ist ein erneutes Abspielen eben dieser Audio- und Videodateien auch offline möglich. Der Vorteil in der Verwendung eines Streamings mittels HTTP liegt zum einen in der einfacheren Konfiguration, zum anderen müssen nicht erst Portfreigaben in Firewalls eingerichtet oder spezielle Programme installiert werden.305 Der Großteil der im Internet zugänglichen Audio- und Videodateien wird daher über das HTT-Protokoll gestreamt. Das Angebot reicht von den Mediatheken der öffentlichen-rechtlichen und privaten Sender, wie ARD, ZDF oder RTL aus Deutschland, und amerikanischen Video-on-Demand-Angeboten, wie Hulu.com oder Netflix.com, zu hauptsächlich UserGenerated-Content306 anbietenden Webseiten, wie YouTube.com oder Vi300  Vereinfacht erfolgt die Fehlerkorrektur dadurch, dass auf Client-Seite die empfangenen Daten auf Fehlerfreiheit überprüft und ggf. erneut übertragen werden (vgl. z. B. Kurose / Ross, Internet, S.  249  f.; Tanenbaum, Computernetzwerke, S. 642 f.). 301  Vgl. Gourley / Totty, HTTP, S. 74 ff.; Tanenbaum, Computernetzwerke, S. 775. 302  Longolius, Web-TV, S. 49. 303  Die technisch bedingte Zwischenspeicherung findet beim True-Streaming hardwareseitig allein im Client-Puffer statt (vgl. Longolius, Web-TV, S. 50). Anders als der Cachespeicher sind diese Speicher dem normalen Anwender jedoch nicht zugänglich. 304  Siehe sogleich unter C. III. 2. 305  Vgl. Badach / Rieger / Schmauch, Webtechnologien, S. 277; Longolius, WebTV, S. 53 f. Da die Kommunikation über HTTP bzw. HTTPS (Secure Hypertext Transfer Protocol, also eine verschlüsselte HTTP-Kommunikation) über die Ports 80 bzw. 443 und damit über die gleichen Ports wie das gesamte „normale“ Surfen, sind diese Ports standardmäßig geöffnet (anderenfalls wäre auch kein Zugriff auf Webseiten über das HTT-Protokoll möglich), vgl. Logolius, Web-TV, S.  54 f. 306  Als „nutzergenerierte Inhalte“ werden solche bezeichnet, die in erster Linie von Nutzern für Nutzer erstellt und zur Verfügung gestellt werden.

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

meo.com. Aber auch juristisch bedenkliche Angebote bedienen sich dieser Streamingtechnik. Verwiesen sei an dieser Stelle allein auf kino.to307 und redtube308, die unter anderem urheberrechtlich geschütztes Material, wie Fernsehserien, Kinofilme oder Erwachsenenpornografie, anbieten.309 2. Technische Abläufe auf Clientseite Die über TCP / IP übertragenen Daten werden zunächst in den TCP-Empfangspuffer und damit in den Arbeitsspeicher des Client-Systems geladen,310 wo die oben beschriebene Fehlerprüfung stattfindet.311 Dort werden die einzelnen Datenpakete zusammengesetzt, an die Anwendungsebene weitergegeben und damit aus dem Empfangspuffer gelöscht.312 Aufgrund der mit der Fehlerprüfung möglicherweise verbundenen erneuten Übertragung sowie des Umstandes, dass die übertragenen Daten nicht alle zwangsläufig über den gleichen Backbone313 ausgeliefert werden, und der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen die TCP-Puffer von Host und Client arbeiten, kommen die Datenpakete jedoch nicht immer in der richtigen Reihenfolge beim Client an. Um ein verzögerungs- und „ruckelfreies“ Abspielen der Medieninhalte zu gewährleisten, müssen die Datenpakete daher zunächst im Client-Puffer im Arbeitsspeicher geordnet werden.314 In der Regel hält der Client-Puffer die Audio- bzw. Videoinhalte daher für zwei bis fünf Sekunden im Arbeitsspeicher vor und entleert den Puffer danach wieder,315 während Text- oder Bilddateien aufgrund ihrer geringeren Größe und Statik für die Dauer der Anzeige durchgehend bereitgehalten werden können. Soll hingegen der gesamte Audio- oder Videoinhalt vorgeladen werden, werden die entsprechenden Daten in ein Cacheverzeichnis auf der Festplatte ausgelagert.316 Die Verarbeitung der Medieninhalte erfolgt im Prozessor des Clients. Dazu werden die im Arbeitsspeicher gelagerten Daten in den Prozessor und 307  Siehe hinsichtlich der juristischen Bewertung z. B. AG Leipzig, BeckRS 2012, 06777; Fangerow / D. Schulz, GRUR 2010, 677. 308  Siehe z. B. Becklink 1030127. 309  Siehe ergänzend auch die Übersicht bei von Gerlach, Streaming, S. 75 f. 310  Vgl. Kurose / Ross, Internet, S. 274 f. 311  Siehe hinsichtlich der Fehlerprüfung z.  B. Tanenbaum, Computernetzwerke, S.  642 f. 312  Vgl. Kurose / Ross, Internet, S. 275. 313  Backbone (zu Deutsch Rückgrat, Basisnetz) bezeichnet einen verbindenden Kernbereich eines Telekommunikationsnetzes mit sehr hohen Datenübertragungsraten (vgl. Comer, TCP / IP, S. 260, 265). 314  Vgl. Kurose / Ross, Internet, S. 645 f. 315  Vgl. Kurose / Ross, Internet, S. 648. 316  Siehe oben unter C. III. 1. a).



III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten183

dort die verarbeiteten Inhalte, z. B. dekodierte Video-Dateien, zur weiteren Anzeige zurück in den Arbeitsspeicher übertragen.317 Zur Optimierung und Beschleunigung dieses Vorgangs318 ist dem Prozessor ein Cachespeicher vorgelagert,319 dessen Zugriffszeiten deutlich geringer sind als die des Arbeitsspeichers.320 Um Daten zügig auf die Festplatte zu speichern, verfügt im Übrigen auch die Festplatte über einen eigenen Cachespeicher, der ebenfalls als Puffer dient, um die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Prozessor und – in diesem Fall – Festplatte auszugleichen.321 Trotz der Vielzahl der verschiedenen Cachespeicher, die an den beschriebenen Prozessen beteiligt sind, wird die Bezeichnung „Cachespeicher“ im Folgenden allein für den softwareseitigen Browser-Cache verwendet.322 An den Vorgängen beim Surfen und Streaming ist mithin grundsätzlich neben dem verarbeitenden Prozessor und anderer Hardwarekomponenten, wie Netzwerkkarte, Grafikkarte und Monitor, vor allem der Arbeitsspeicher beteiligt. Grundsätzlich gilt, dass alle Daten oder Programme, die geöffnet werden, in den Arbeitsspeicher geladen werden.323 Insofern ist die Feststellung des LG Stuttgart zutreffend, wenn es ausführt, dass einem gesonderten Abspeichern aus dem Internet abgerufener Dateien „technisch notwendigerweise das Laden dieser Dateien in den Arbeitsspeicher (…) voraus[geht]“324. Der Arbeitsspeicher unterscheidet sich – auch wenn die begriffliche Trennung nicht immer selbstverständlich ist –325 von der Festplatte neben seiner Funktion in erster Linie aufgrund seiner technischen Funktionsweise. So bestehen Festplatten (Magnetplattenspeicher)326 aus einer oder mehreren ergänzend die Darstellung bei Tanenbaum, Betriebssysteme, S. 51. Giloi, Rechnerarchitektur, S. 120; siehe zum „von Neumannschen Flaschenhals“ Oberschelp / Vossen, Rechneraufbau, S. 233, der die Zeitkomponente bei der direkten CPU-Speicher-Kommunikation beschreibt. 319  Siehe zur Bezeichnung oben unter C. II. 3. 320  Vgl. Giloi, Rechnerarchitektur, S. 102; Mueller, PC-Hardware, S. 67, 375; Oberschelp / Vossen, Rechneraufbau, S. 235. 321  Vgl. Mueller, PC-Hardware, S: 604 f.; Schiffmann, Informatik, S. 280; siehe dazu bereits oben unter C. II. 3. 322  Siehe bereits oben unter C. II. 3. und den kritischen Hinweis von Burmeister / Böhm, StV 2009, 471. 323  Vgl. Mueller, PC-Hardware, S.  369; Oberschelp / Vossen, Rechneraufbau, S. 235. 324  LG Stuttgart, NStZ 2003, 36. 325  Vgl. Mueller, PC-Hardware, S. 369. 326  Neben den „klassischen“ Festplatten setzen sich immer mehr SSDs (Solid State Disks, eigentlich Solid State Circuits, also Festkörper-Schaltkreise) als Festplatten durch. Diese basieren anders als HDDs (Hard Disk Drive, Permanent- / Massenspeicher) wie der Arbeitsspeicher auf Halbleitern. Durch das Setzen auf FlashSpeicher, die Daten rein elektronisch – aber anders als der Arbeitsspeicher dauer317  Siehe 318  Vgl.

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C. Daten- und Schriftenbegriffe

runden, magnetisierbar beschichteten Aluminium- oder neuerdings auch Glasscheiben, die mit einer Geschwindigkeit von 5400 – 150000 Umdrehungen pro Minute rotieren.327 Daten werden dadurch gespeichert, dass ein Schreib- / Lesekopf mittels einer Induktionsspule die Magnetpartikel des zu beschreibenden Bereichs je nach elektrischer Ladung konzentrisch nach rechts oder links ausrichtet.328 Diese Ausrichtung des magnetischen Musters ist von keiner weiteren Stromzufuhr abhängig, weswegen Festplatten den gespeicherten Datenbestand auch nach dem Ausschalten des Computers, einem Ausbau oder einem Stromausfall gespeichert vorhalten. Beim Auslesen der gespeicherten Informationen wird je nach Ausrichtung der magnetisierten Partikel ein positiver oder negativer Strom induziert, der wiederum in die zuvor gespeicherten Bits übersetzt wird.329 Demgegenüber besteht ein Arbeitsspeicher im Wesentlichen aus Kondensatoren und ist damit eher schlicht aufgebaut; Daten hält er allein durch den Ladungszustand der Kondensatoren vor.330 Je nachdem, ob der Kondensator geladen ist oder nicht, wird dies als eine 1 bzw. 0 interpretiert.331 Durch das Lesen einer Speicherzelle wird in der Regel der Kondensator entladen, so dass der gelesene Wert im Anschluss wieder geschrieben werden muss.332 Da sich Kondensatoren darüber hinaus nach einiger Zeit selbst entladen, muss der Speicherinhalt periodisch aufgefrischt werden.333 In Folge seiner technischen Beschaffenheit ist der Arbeitsspeicher somit von einer dauerhaften Stromzufuhr abhängig und „vergisst“ alle gespeicherten Daten, sofern er vom Strom getrennt wird.334 Der Arbeitsspeicher wird daher zum Teil als „flüchtiger Speicher“ bezeichnet.335

haft  – speichern, entfallen jegliche mechanische Bauteile (vgl. nur Schiffmann /  Bähring / Hönig, Informatik, S. 176 ff., die neben der genauen Funktionsweise weitere Vorteile aufzeigen). 327  Vgl. Tanenbaum, Computerarchitektur, S. 100; Schiffmann, Informatik, S. 271. 328  Vgl. Tanenbaum, Computerarchitektur, S. 100; Schiffmann, Informatik, S. 271. 329  Vgl. Tanenbaum, Computerarchitektur, S. 100. 330  Vgl. Bähring, Mikroprozessoren, S. 189; Häberlein, Informatik, S. 183; Tanenbaum, Computerarchitektur, S. 190. 331  Vgl. Häberlein, Informatik, S. 183. 332  Vgl. Bähring, Mikroprozessoren, S. 189, 217; Schiffmann, Informatik, S. 253 f. 333  Vgl. Bähring, Mikroprozessoren, S. 189; Häberlein, Informatik, S. 183; Tanenbaum, Computerarchitektur, S. 190. 334  Vgl. Tanenbaum, Computerarchitektur, S. 190; siehe hinsichtlich der Möglichkeit, den Ladungszustand mittels Einfrieren des Arbeitsspeichers auf –50 Grad für einige Minuten zu konservieren Halderman et al., Cold Boot Attacks, http: /  / goo. gl / M6kjG5, 12.04.2014; siehe dazu bereits oben unter C. II. 4. c). 335  Vgl. Bähring, Mikroprozessoren, S. 189; Häberlein, Informatik, 181.



III. Technische Abläufe beim „Betrachten“ von Webseiten185

3. Das Betrachten kinderpornografischer Darstellungen Die gleichen Abläufe finden beim Aufrufen kinderpornografischer Darstellungen mittels eines Webbrowsers statt. Gibt der Nutzer anstelle von www.google.de die URL einer einschlägigen Kinderpornografie-Webseite ein, so laufen die gleichen HTTP-Übertragungen ab, wie im oben beschriebenen Google-Beispiel. Besteht die aufgerufene Webseite daher beispielsweise lediglich aus einer weißen HTML336-Seite, die ein einzelnes kinderpornografisches Bild zeigt, so werden von dem Host zur Anzeige nur zwei Dateien auf den Client übertragen: Die HTML-Datei und die Bilddatei. Überträgt der Host die Dateien ohne die Header-Information „no-cache“, werden diese Dateien im Cachespeicher des Clients zwischengespeichert und sind damit auch offline verfügbar. Ruft der Nutzer dann dieselbe Seite erneut auf, überprüfen Client und Host zunächst, ob sich auf dem Host geänderte oder neuere Dateien befinden, anderenfalls werden allein die zwischengespeicherten Dateien angezeigt; zu einer weiteren Übertragung kommt es nicht. Für die Dauer der jeweiligen Anzeige wird die Datei – unabhängig davon, ob sie aus dem Cachespeicher oder von einer Webseite aus dem Internet geladen wird – in den Arbeitsspeicher geladen und bleibt für die gesamte Dauer der Anzeige dort gespeichert. Ruft der Nutzer demgegenüber eine Übersichtsseite auf, die mehrere Bilder und Videos in Form von Vorschaubildern anzeigt und lediglich auf die Originaldateien in voller Auflösung verweist, werden zunächst nur diese Vorschaubilder übertragen und zwischengespeichert. Aufgrund ihrer beabsichtigten Eignung als Vorschaubilder werden diese in der Regel jedoch ebenfalls kinderpornografischen Charakter haben,337 weswegen auch Eckstein zutreffend erkennt, dass der „Besitz nicht erst durch Vergrößerung kinderpornographischer Vorschaubilder [entsteht].“338 Aufgrund der HTTPbasierten Übertragung kommt es zwangsläufig zu einer Verkörperung auf Client-Seite. Die Frage, ob bereits Vorschaubilder tatbestandlich sein können, wird darüber hinaus insbesondere im Urheberrecht diskutiert.339 Siehe hinsichtlich der rechtlichen Bewertung von Webstreaming im Urheberrecht darüber hinaus exemplarisch den Beitrag von von Gerlach / Wandtke340. 336  Hypertext Markup Language (zu Deutsch Hypertext-Auszeichnungssprache; Auszeichnungssprachen definieren, vereinfacht ausgedrückt, Formatierungsangaben für Texte). 337  Siehe zu den Voraussetzungen unten unter D. I. 338  Eckstein, NStZ 2011, 1 (20). 339  Vgl. z. B. BGH GRUR 2012, 602; BGH GRUR 2010, 628; AG Saarbrücken, BeckRS 2011, 00854; siehe zur Übersicht über die Diskussion Berberich, MMR 2005, 145. 340  von Gerlach / Wandtke, GRUR 2013, 676.

186

C. Daten- und Schriftenbegriffe

IV. Zwischenergebnis Als Ergebnis lässt sich mithin festhalten, dass es aufgrund der eingesetzten Technologien grundsätzlich zu einer Übertragung der anzuzeigenden Inhalte auf den Client-Computer kommt. Eine Datei, die lediglich „zum Lesezugriff ins Internet gestellt wird“341 existiert nicht. Die übertragenen Daten werden auf Client-Seite zunächst vom Arbeitsspeicher weiterverarbeitet und ggf. in den Cachespeicher auf die Festplatte ausgelagert. Sowohl bei dem Arbeits- als auch dem Cachespeicher handelt es sich um Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB und damit um taugliche Tatobjekte i. S. d. § 184b StGB.

341  So

aber BGHSt 47, 55 (60).

D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten Im Anschluss an die Ausführungen zum Tatobjekt gilt es im Folgenden die Tathandlungen des § 184b StGB näher zu betrachten. Dabei ist vor der dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragestellung der Schwerpunkt erneut auf die Besitzverschaffung bzw. den Besitz im Zusammenhang mit digitalen Inhalten zu legen. Zu untersuchen ist in allen beschriebenen Fällen allein die Frage hinsichtlich einer Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 StGB, dem Fall des Sich-Verschaffens und des Besitzes kinderpornografischer Darstellungen. Aus diesem Grund wird im Folgenden unterstellt, dass der Inhalt der unterschiedlichen Medien jeweils kinderpornografischer Natur i. S. d. § 184b StGB sind.1 Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB setzt dabei die Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand voraus.2 Unter Besitzverschaffung wird die Herbeiführung eines solchen Herrschaftsverhältnisses verstanden,3 weswegen § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB „alle auf Besitzübertragung gerichteten Erwerbs- und Gebrauchsüberlassungsakte [erfasst]“.4 Die Besitzverschaffung in § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB ist dabei als Unternehmensdelikt i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB ausgestaltet, um auch dem Besitz vorgeschaltete Aktivitäten zu erfassen, die auf die Erlangung des Besitzes gerichtet sind.5 Hinsichtlich der strafrechtlichen Bewertung im Rahmen des § 184b Abs. 4 StGB sind dabei diejenigen Fälle 1  Siehe hinsichtlich des Tatobjekts Fischer, § 184b StGB Rn. 10 mit Verweis auf § 184 StGB Rn. 4 ff.; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 11 ff.; König, Kinderpornografie, Rn.  149 ff.; 180 ff.; Palm, Kinderpornographie, S. 96 ff., 107 ff. 2  Siehe oben unter B. IV. 1. a) bb). 3  Vgl. nur Palm, Kinderpornographie, S. 131; siehe hinsichtlich der Voraussetzungen im Allgemeinen: BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5, wo bezüglich der Anforderungen an die Tatmodalitäten Besitz und Besitzverschaffung auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG verwiesen wird. Zum Teil wird trotz der eindeutigen Formulierung in den Drucksachen ein Rückgriff auf § 259 StGB für sinnvoller erachtet (Schreibauer, Pornographieverbot, S. 305 ff. [306, 311]; Schroeder, NJW 1993, 2581 [2581]). Dafür spräche der Umstand, dass sowohl Hehler als auch die Konsumenten von Kinderpornografie einen Anreiz zur Begehung von Straftaten schaffen würden (Schreibauer, Pornographieverbot, S. 305; Schroeder, ZRP 1990, 299 [300]). 4  Laubenthal, Handbuch, Rn. 1093; vgl. auch BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 8; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 12a. 5  Vgl. nur BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Fischer, § 184b StGB Rn. 20 m. w. N.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

unproblematisch, welche zwar an neue Medien anknüpfen, hinsichtlich des Tatobjekts und der Tatbegehung aber „klassischen“ Besitz- bzw. Besitzverschaffungsdelikten entsprechen, also solche, in welchen der Täter die tatsächliche Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand ausübt bzw. es unternimmt, diese zu erlangen, ohne dass es dabei auf die Art der Speicherung, die Flüchtigkeit des Arbeitsspeichers oder andere computer- und internetspezifische Besonderheiten ankäme. Zur Veranschaulichung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragestellung nach der Besitzbarkeit von Daten sowie dem besseren Verständnis der in Betracht kommenden Besitz- und Besitzverschaffungskonstellationen sollen folgende Beispiele dienen: Fall 1: A besitzt in seiner Wohnung eine Sammlung von DVDs mit kinderpornografischen Darstellungen. Fall 1a: B verabredet sich mit A, um sich von ihm diese DVDs zu leihen. Im Augenblick der Übergabe werden sie durch die einschreitende Polizei gestört. Fall 2: A hat auf seiner Festplatte Bild- und Videodateien mit kinderpornografischem Inhalt gespeichert. Fall 2a: A sieht sich an seinem Computer eine Webseite mit kinderpornografischem Inhalt an und lädt sich diese bewusst herunter und speichert sie dadurch auf seiner Festplatte. Fall 3: A sieht sich an seinem Computer eine Webseite mit kinderpornografischem Inhalt an, ohne die Darstellungen dabei bewusst auf seinem Computer zu speichern. Fall 3a: A sieht sich an seinem Computer einen Webstream mit kinderpornografischem Inhalt an, ohne diesen dabei bewusst auf seinem Computer zu speichern. Fall 3b: A sieht sich an seinem Computer eine Webseite mit kinderpornografischen Inhalten an, schließt im Anschluss die Anzeige und löscht umgehend seinen Browser-Cachespeicher und damit alle zwischengespeicherten Inhalte. Fall 3c: A surft im Internet und öffnet dabei unerwartet eine kinderpornografische Bilddatei. Er schließt umgehend die Anzeige, da er damit nichts zu tun haben will. Fall 4: A sieht sich an seinem Fernseher eine Sendung mit kinderpornografischem Inhalt hat. Fall 4a: A sieht sich an seinem Fernseher verschiedene Sendungen mit kinderpornografischem Inhalt an und hat gleichzeitig einen Festplattenrekorder angeschlossen, zeichnet aber nur eine Sendung auf.



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 189

Fall 5: A besucht in einem Kino eine Filmvorführung mit kinderpornografischem Inhalt. Fall 5a: Er betrachtet diese dabei auf der digitalen Anzeige seiner Digitalkamera, um ggf. ein paar Erinnerungsbilder anzufertigen. Für die Fälle 1 und 2 lässt sich vor dem Hintergrund des oben Dargestellten ohne Schwierigkeiten feststellen, dass es sich sowohl bei der DVDSammlung als auch bei der Festplatte um Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB handelt. A besitzt diese auch i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB, da er die tatsächliche Sachherrschaft über die in seiner Wohnung befindlichen Gegenstände ausübt. Da die auf den Datenspeichern gespeicherten Bild- und Videodateien kinderpornografischen Inhalts sind, ist A nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB zu bestrafen. Im Fall 1a ist B ebenfalls nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB zu bestrafen, da er es unternimmt, sich Besitz an den DVDs zu verschaffen. Aufgrund der Formulierung als Unternehmensdelikt ist es dabei unerheblich, dass es nicht zu der Übergabe gekommen ist. Der Versuch ist als Vollendung strafbar.6

I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens Problematisch gestaltet sich allein die Behandlung vermeintlich vergleichbarer Fälle, welche sich jedoch im Gegensatz zu den „klassischen“ Besitzkonstellationen mittels moderner Kommunikationsmittel über das Internet zutragen. So speichert A in Fall 2a anders als in Fall 3 bewusst kinderpornografische Dateien auf seiner Festplatte. Da es sich bei der Festplatte um einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB und damit um ein taugliches Tatobjekt handelt, ist durch das Herunterladen und die Speicherung grundsätzlich7 ein Sich-Verschaffen gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB möglich. Ob dies auch für Fall 3 gilt, in welchem sich A die Bilder lediglich online ansieht, ohne sich diese bewusst auf seinem Computer zu speichern, ist hingegen fraglich. Für das Betrachten werden zwar die Inhalte vom Anbieterserver auf den Nutzercomputer übertragen und zum Zwecke der Anzeige auf dem Bildschirm zumindest im Arbeitsspeicher des Computers zwischengespeichert; dies müsste jedoch auch ein Sich-Verschaffen i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB darstellen. Die gleiche Frage stellt sich auch für die möglicherweise neben der Arbeitsspeicherung stattfindende, systembedingte Cachespeicherung, wenn der Browser aufgrund seiner Voreinstellungen die 6  Vgl.

M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362). zur Kritik von Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 237 sogleich unter D.

7  Siehe

I. 1. a).

190

D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

abgerufenen Dateien ganz oder teilweise für eventuelle erneute Zugriffe auf der Festplatte speichert.8 1. Tathandlung des Sich-Verschaffens, § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB Vor dem Hintergrund der bereits im Allgemeinen dargestellten Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 StGB lässt sich an dieser Stelle nur erneut darauf hinweisen, dass an das Erfordernis der Dauerhaftigkeit auf Seiten des Tatobjekts keine besonders hohen Anforderungen zu stellen sind. Trotz der Eigenschaft als flüchtiger Speicher verkörpert der Arbeitsspeicher Inhalte den Anforderungen des § 11 Abs. 3 StGB entsprechend und ist ein Datenspeicher i. S. d. Norm9 und damit auch taugliches Tatobjekt i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB. Da die Cachespeicherung auf der Festplatte, die unstreitig ein Datenspeicher ist, stattfindet, erfüllt diese unproblematisch ebenfalls die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 StGB. Neben der Frage, ob die Dauer der Arbeits- oder Cachespeicherung überhaupt von einer ein Herrschaftsverhältnis begründenden Dauer sein kann,10 wird bezüglich der Besitzverschaffung i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB vielmehr die Frage kontrovers diskutiert, ob sich der Täter überhaupt Besitz an dem Arbeitsspeicher, der Festplatte bzw. einem vergleichbaren Datenspeicher verschaffen könne, da er bereits den Besitz an diesem ausübe. Da eine Besitzverschaffung erfordere, dass neuer Besitz begründet wird,11 sei eine Besitzverschaffung durch Übertragung in bereits besessene Datenspeicher, also den Arbeitsspeicher bzw. die Festplatte des Täters, nicht möglich.12 8  Siehe

hinsichtlich der technischen Abläufe oben unter C. III. 1. ausführlich oben C. II. 5. 10  Hinsichtlich des Dauerhaftigkeitserfordernisses ist zwingend zwischen § 11 Abs. 3 StGB und § 184b Abs. 4 StGB zu unterscheiden. So kann der Arbeitsspeicher trotz seiner Flüchtigkeit zwar einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstellen. Ob daran aber ein strafbarer Besitz begründet werden kann, ist hingegen keine Frage des Tatobjekts, sondern der Tathandlung. Es kann daher sein, dass der Arbeitsspeicher zwar einen Datenspeicher darstellt, die Flüchtigkeit dem Entstehen eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses von nicht nur unerheblicher Dauer jedoch entgegensteht und deswegen eine Besitzverschaffung bzw. ein Besitz ausscheiden muss. Aus diesem Grund ist auch der bloße Verweis von Palm, Kinderpornographie, S. 134 in Fn. 643 auf ihre Ausführungen zur Tatobjektsqualität des Arbeitsspeichers im Rahmen der Frage der Besitzbarkeit alleine nicht ausreichend ist. Der Besitz an einer Sache folgt nicht aus der Eigenschaft eines Gegenstandes als Sache, sondern allein aus dem an dieser bestehenden Herrschaftsverhältnis. Siehe hinsichtlich des Dauerhaftigkeitserfordernisses im Allgemeinen oben unter B. III. 4., hinsichtlich des Besitzes am Arbeitsspeicher sogleich unter D. I. 2. a). 11  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 236. 12  So jedenfalls Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327; ders, CR 2010, 798 (801); Harms, NStZ 2003, 646 (648); Hörnle, NStZ 2010, 704 (705). 9  Siehe



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 191

a) Neuverschaffung bei bereits bestehendem Besitz Nach Gercke hat dieses Erfordernis daher zur Folge, dass § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB grundsätzlich nicht auf „Internetsachverhalte“13 anwendbar ist.14 Da der Täter bereits vor der Verschaffungshandlung im Besitz des Arbeitsspeichers bzw. der Festplatte ist, sei die vom Gesetzgeber geforderte Neuverschaffung15 schlicht nicht möglich.16 Als Beispiel zur Veranschaulichung der Unterschiede gegenüber der analogen Besitzverschaffung vergleicht er den Download eines Bildes kinderpornografischen Inhalts in den bereits vorhandenen Arbeitsspeicher bzw. auf die Festplatte mit dem Herausnehmen eines Buches mit kinderpornografischem Inhalt aus einem Regal eines Geschäfts.17 Durch das Herausnehmen verschaffe sich der Täter dabei unstreitig Besitz an dem Buch, wohingegen er durch den Download jedoch nicht die Serverfestplatte, welche die inkriminierenden Inhalte bereithält und als Downloadquelle dient, sondern lediglich den Inhalt erlange.18. Da die Datei als solche nicht Anknüpfungspunkt des Besitzes sein kann, müsse der Täter diese seinerseits zunächst auf einen eigenen Datenspeicher speichern; da dieser Datenspeicher aber bereits im Besitz des Täters stand, müsse eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB ausscheiden.19 13  Bezeichnung nach Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327. Neben der im Folgenden dargestellten Kritik, der sich diese Ansicht ausgesetzt sieht, ist die Aussage, § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB sei auf „Internetsachverhalte“ nicht anwendbar, nicht präzise genug und sogar inkonsequent. Steht der Umstand, dass sich das Zielmedium, z. B. eine Festplatte, bereits im Herrschaftsbereich des Täters befindet, einem Sich-Verschaffen grundsätzlich entgegen, ist die Norm auf überhaupt keine Form digitaler Datenübertragung anwendbar. Eine Strafbarkeit müsste nach Gercke daher auch dann ausscheiden, wenn der Täter sich kinderpornografische Darstellungen von einem Speicherstick, einer DVD oder einem vergleichbaren Speichermedium, welche ihm ein Dritter nur kurzfristig zur Übertragung überlassen hat, auf seinen Computer kopiert. Im Ergebnis ist Gerckes Aussage so zu erweitern, dass § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB nicht nur nicht auf Internetsachverhalte, sondern auf jede Form der digitalen Übertragung nicht anwendbar ist. 14  Vgl. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327; so ausdrücklich auch ders., ZUM 2012, 625 (627); ders., CR 2010, 798 (801); ders., in: Spindler / Schuster, § 184b StGB Rn. 9. 15  Siehe BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6, „vor der Begründung neuen [Hervorh. d. Verf.] Besitzes“. 16  Vgl. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327; so i. E. auch Harms, NStZ 2003, 646 (648); Hörnle, NStZ 2010, 704 (705); Müller, MMR 2010, 344 (345); Sieber, JZ 1996, 494 (495). 17  Siehe Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327. 18  Vgl. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327. 19  Vgl. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327.

192

D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

Diese Ansicht vermag vor dem Hintergrund, dass § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB nicht die Besitzverschaffung irgendeiner Schrift, sondern die einer kinderpornografischen unter Strafe stellt, jedoch nicht zu überzeugen.20 Zuzustimmen ist Gercke21 zwar dahingehend, dass die §§ 184 ff. StGB nicht auf Inhalte, sondern auf kinderpornografische Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB abstellen,22 jedoch wird erst durch den Inhalt aus der bloßen Schrift eine (kinder-)pornografische i. S. d. Normen. Dass nicht der Umgang mit irgendeiner Schrift strafbegründend ist, sondern dass auch eine Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Inhalt erforderlich ist, ergibt sich neben dem Wortlaut des § 184b StGB23 auch aus dem Schutzzweck der Regelungen.24 Gefahren für die Jugend bzw. für die Darsteller drohen nicht von irgendwelchen Schriften, sondern nur von denen entsprechender Inhalte, weswegen es erforderlich ist, dass „die Beschreibung oder Darstellung der sexuellen Handlung zum Inhalt der Schrift gehört“25. Auch für die erwünschte Marktaustrocknung ist es entscheidend, dass die Schrift überhaupt markt­ relevant ist. Aus diesem Grund setzt auch eine Verurteilung „hinreichende Feststellungen zu dem Inhalt der Schrift voraus“,26 die über die bloße Mitteilung, die Schriften hätten „den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand“, hinausgehen.27 Auch Hörnle fordert „mehrere Wertungsschritte“28 und damit eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Inhalt der jeweiligen Darstellungen. Dass ein Abstellen auf die bloße Schrift als körperlichen Gegenstand nicht ausreichend ist, sondern erst der Inhalt diese „spezifiziert“29, erkennt zwar auch Gercke an, zieht aber die falschen Schlüsse, wenn er daraus folgert, dass die Gegenansicht allein auf die Inhalte abstelle. Eine Tatbestandsauslegung ist ohne Berücksichtigung des Inhalts der Schrift schlicht nicht möglich. Daher wird auch erst durch den Download aus dem Datenspeicher ein taugliches Tatobjekt, an welchem der Täter auch erst durch die Verschaf20  So auch König, Kinderpornografie, Rn.  252; Palm, Kinderpornographie, S. 132; Popp, ZIS 2011, 193 (201); Schreibauer, Pornographieverbot, S. 310. 21  Vgl. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 273. 22  Insoweit ebenfalls zustimmend Popp, ZIS 2011, 193 (202). 23  So auch Hörnle, NJW 2008, 3521 (3525). 24  Siehe hinsichtlich des Schutzzwecks an dieser Stelle nur Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1 ff., 4. 25  Fischer, § 184b StGB Rn. 3. 26  Fischer, § 184b StGB Rn. 3. 27  Vgl. BGH Beschluss vom 25.  Juli 2007 – 2 StR 279 / 07 (juris). 28  Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 17. 29  Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 273.



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 193

fungshandlung, dem Download, Besitz begründet.30 Bis zum Zeitpunkt der Datenübertragung sind „Speichermedien (…) für sich genommen strafrechtlich neutral [und werden erst durch] die Verkörperungseinheit aus Speichermedium und Inhalt [zum Tatobjekt]“31, so dass der – richtigerweise – geforderten32 Erlangung neuen Besitzes im Rahmen des § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB der Umstand nicht entgegen stehen kann, dass der Täter Arbeitsspeicher bzw. Festplatte bereits besitzt. Eine Besitzverschaffung ist schließlich auch dann möglich, wenn bereits Bestandteile im Besitz des Täters gewesen sind oder sich lediglich die Identität bzw. der Inhalt ändert. So ist vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät des strafrechtlichen Sachbegriffs33 zu beachten, dass zivilrechtlich beispielsweise durch Verarbeitung bereits besessener Sachen gemäß § 950 Abs. 1 Satz 1 BGB neue entstehen können. Ob eine solche neue Sache hergestellt worden ist, bemisst sich zivilrechtlich hierbei nach überwiegender Auffassung nach der Verkehrs­ anschauung,34 wobei als wesentliches Indiz für die Einordnung als neue Sache ein neuer Name angesehen wird.35 Unstreitig ist dabei, dass aus der Festplatte aufgrund des Downloads keine neue Sache wird;36 sie erhält auch keinen neuen Namen. Was sich durch den Download ändert, ist allein der Inhalt der Festplatte. Diese Einheit aus körperlichem Gegenstand und kinderpornografischem Inhalt besaß der Täter zuvor jedoch nicht, so dass der Datenspeicher nach der Übertragung möglicherweise Bezugsobjekt für einen neuen Besitz sein kann. Dies gilt auch in den Fällen, in welchen zum Verschaffenszeitpunkt auf der Festplatte bereits andere kinderpornografische Dateien gespeichert sind. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB sind allein die neu heruntergeladenen Dateien. Kinderpornografische Schriften diesen Inhaltes besaß der Täter zum Zeitpunkt des Downloads noch nicht, so dass eine Neuverschaffung auch dann möglich ist, wenn er bereits zuvor im Besitz eines Datenspeichers kinderpornografischen Inhalts gewesen ist. auch Popp, ZIS 2011, 193 (201 f.). NStZ 2011, 18 (20). 32  So ausdrücklich Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 326 f. mit Verweis auf BTDrucks. 12 / 3001, S. 6. 33  Siehe oben B. III. 2. d) bb). 34  Vgl. BGH NJW 1956, 788; OLG Köln, NJW 1991, 2570; OLG Stuttgart, NJW 2001, 2889, 2890; Baur / Stürner, Sachenrecht, § 53 Rn. 18; Chr. Berger, in: Jauernig, § 950 BGB Rn. 3; Kindl, in: Beck’scher OK, § 950 BGB Rn. 5. 35  Vgl. Kindl, in: Beck’scher OK, § 950 BGB Rn. 5, nach dem aus Getreide zunächst Mehl und anschließend Brot wird. Die Festplatte bleibt auch nach der Übertragung einer Datei kinderpornografischen Inhalts diese „Festplatte“. 36  So aber i. E. LAG Chemnitz, MMR 2008, 416, welches in dem Installieren eines Computerprogramms ein Herstellen durch Verarbeitung i. S. d. § 950 Abs. 1 BGB angenommen hat. Kritisch daher zu Recht Redeker, CR 2008, 554. 30  So

31  Eckstein,

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

Dass ein und derselbe Gegenstand je nach Verwendung bzw. inhaltlicher Ausgestaltung eine andere rechtliche Würdigung erfahren kann, hat unter anderem die Analyse des relativen Rechtsbegriffes „gefährliches Werkzeug“ gezeigt.37 So ist der Schuh des Täters bei einem Einbruchsdiebstahl solange rechtlich neutral, wie der Täter ihn nicht gegen einen Menschen einsetzt. Erst durch die Verwendung wird aus dem Schuh ein gefährliches Werkzeug.38 Auch zivil- oder öffentlich-rechtlich existieren Fälle der Inhaltsoder Identitätsänderungen. So wird beispielsweise öffentlich-rechtlich erst durch staatlichen Widmungsakt aus einem neutralen Stück Asphalt eine Straße, ohne dass sich neben der Bezeichnung und rechtlichen Würdigung stofflich etwas ändert. Gleiches gilt zivilrechtlich für die Verfügung, die unter anderem die inhaltliche Änderung einer Sache darstellt,39 ohne dass diese dadurch zu einer neuen würde. Anknüpfungspunkt neuer rechtlicher Beziehungen kann sie deswegen trotzdem werden. Darüber hinaus ist zivilrechtlich eine Besitzerlangung auch trotz bereits bestehenden tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses möglich. So übt ein Besitzdiener nach § 855 BGB zwar die tatsächliche Sachherrschaft über einen Gegenstand aus, ist zivilrechtlich jedoch nicht Besitzer. Erwirbt er nun aber die Sache von dem Besitzer, wird er gemäß § 854 Abs. 2 BGB unmittelbarer Besitzer.40 Er erlangt also neuen Besitz, obwohl er bereits die Herrschaft über den erworbenen Gegenstand ausgeübt hat. Ebenso wird der Erbenbesitzer, der die Sache tatsächlich ergreift, gem. § 854 Abs. 1 BGB Besitzer;41 in diesem Fall jedoch ohne zuvor zwingend die tatsächliche Sachherrschaft auszuüben.42 Beiden Konstruktionen liegen jedoch zivilrechtliche Wertungen zugrunde,43 weswegen eine deckungsgleiche Übertragung auf das Strafrecht nicht möglich ist; diese Ergebnisse können daher nur als Auslegungshilfe dienen. Aus diesem Grund vermag auch das von Palm44 als Gegenbeispiel zu Gercke vorgeschlagene Beispiel der verschafften Fotografie auf eigenem, also bereits vor dem Abzug besessenem Fotopapier, nicht in Gänze zu überzeugen.45 37  Siehe

hierzu ausführlich oben unter B. III. 1. b) bb) (1). nur BGH NJW 1982, 1164 (1165) zu § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a. F. 39  Vgl. Bayreuther, in: MüKo-BGB, § 185 BGB Rn. 3; Brox, BGB AT, Rn. 104; Rüthers / Stadler, BGB AT, § 16 Rn. 11. 40  Vgl. RGZ 137, 23 (25); Palandt / Bassenge, § 854 BGB Rn. 8. 41  Vgl. BGHZ 10, 115 (121); Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 857 BGB Rn. 5. 42  Vgl. Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 857 BGB Rn. 4. 43  Siehe zu den Voraussetzungen und der fehlenden Übertragbarkeit ausführlich oben unter B. III. 2. b) aa). 44  Palm, Kinderpornographie, S. 132. 45  Vgl. auch Popp, ZIS 2011, 193 (202), der das Beispiel mit dem Fotopapier zutreffend verwendet. 38  Siehe



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 195

Es pointiert zwar die „absurden Ergebnisse“46, übersieht jedoch den Umstand, dass es sich bei dem Fotoausdruck zivilrechtlich nicht mehr um das Fotopapier als solches handelt. Der Täter verschafft sich in diesem Fall neuen Besitz an dem Tatobjekt kinderpornografischer Fotoabzug, einer Abbildung i. S. d. §  11 Abs.  3 StGB.47 Der Umstand, dass dieser das Fotopapier bereits vor der Verschaffungshandlung besaß, findet dabei keine Beachtung, da die Fotografie zivilrechtlich eine neue Sache ist. Dieser Umstand muss vor dem Hintergrund des zivilrechtsakzessorischen Sachbegriffs48 auch strafrechtlich Beachtung finden, weswegen auch die strafrechtliche Bewertung des Herstellens kinderpornografischer Fotografien mittels eigener Kamera für den Eigenbedarf keine Schwierigkeiten bereitet. Diese Form der Herstellung fällt mangels entsprechender Weiterverwendungsabsicht zwar nicht unter § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB, wohl aber unter § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB,49 da auch die Herstellung zum Eigenbedarf eine Eigenbesitzverschaffung beinhaltet.50 Das Herstellen einer Sache ließe sich daher, wie auch deren Vernichtung, als jeweils stärkste Form der Sachherrschaft bezeichnen. Dass ein strafbares Sich-Verschaffen in analogen Fällen bei rein strafrechtlicher Betrachtung auch dann möglich ist, wenn durch das Herstellen keine neue Sache entsteht, zeigt folgendes Beispiel: A besitzt ein nur teilweise beschriebenes Buch mit noch einigen leeren Seiten. In dieses Buch zeichnet er kinderpornografische Darstellungen51, um dieses anschließend 46  Palm,

Kinderpornographie, S. 132. auch BGHSt 43, 366 (368); zu § 184 Abs. 5 StGB a. F.; BayObLG, NJW 2000, 2911 (2912), wonach in der Abspeicherung einer via E-Mail übermittelten Datei auf einer Festplatte eine Besitzverschaffung zu sehen ist. 48  Siehe hinsichtlich des strafrechtlichen Sachbegriffs ausführlich oben unter B. III. 2. d) cc). 49  Vgl. BGHSt 43, 366 (368); Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 884; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 34; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 7, 14; Kritik an der Besitzverschaffung durch Herstellung bei König, Kinderpornografie, Rn. 247 f. zu § 184 Abs. 5 StGB a. F., nach der eine Verwischung der Tatalternativen droht. 50  Vgl. BGHSt 43, 366 (368); Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 9; Malek, Strafsachen, Rn. 325; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 225; Popp, ZIS 2011, 193 (202); a. A. bei digitaler Herstellung Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327 mit der Folge, dass die Strafbarkeit der Herstellung von der Art des gewählten Mediums abhängt. Erstellt der Täter ein kinderpornografisches Foto mit einer analogen Sofortbildkamera (z. B. Polaroid), die direkt nach dem Auslösen einen Fotoabzug entwickelt und fixiert, ist auch nach Gercke eine Besitzverschaffung durch Herstellung gegeben. Verwendet der Täter hingegen eine Digitalkamera, die ein digitales Foto auf der Speicherkarte der Kamera ablegt, sei er hinsichtlich der Besitzverschaffung straflos. 51  Anders als in den § 184b Abs. 2–4 StGB erfasst § 184b Abs. 1 StGB auch Fiktivpornografie, welche augenscheinlich kein wirklichkeitsnahes Geschehen wie47  So

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

zum Verkauf zu vervielfältigen. Durch die inhaltliche Änderung des bis dahin strafrechtlich unverfänglichen Buches stellt A eine kinderpornografische Schrift i. S. d. § 184b Abs. 1 Nr. 3, 1. Fall StGB her,52 die er zuvor so jedoch nicht in seinem Besitz hatte. Das Buch als körperlichen Gegenstand hingegen besaß er jedoch schon vor dem Herstellungsprozess, weswedergibt. Vgl. Fischer, § 184b StGB Rn. 5; Palm, Kinderpornographie, S. 120; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 140 ff.; siehe zur Definition Laubenthal, Handbuch, Rn. 893. 52  Siehe hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen an dieser Stelle nur Schreibauer, Pornographieverbot, S. 277; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 69. Für eine Strafbarkeit nach § 184b StGB muss der Täter jedoch auch eine „pornografische Schrift (§ 11 Abs. 3) [hergestellt haben], die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern (§ 176 Abs. 1) zum Gegenstand (…) [hat]“. Nach überwiegender Ansicht ist für die Bewertung des pornografischen Charakters im Rahmen der §§ 184 ff. StGB eine Gesamtbetrachtung aller in der Schrift enthaltener Inhalte maßgeblich (vgl. BGHSt 23, 40 [46]; KG, NStZ 2009, 446 [447]; OLG Düsseldorf, NJW 1974, 1474; Gercke, in: Spindler / Schuster, § 184 StGB Rn. 3; Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 17 ff.; dies., in: MüKo, § 184b StGB Rn. 14; dies., NJW 2008, 3521 [3525]; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 900; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184 StGB Rn. 14; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184 StGB Rn. 5; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 152; Schumann, Lenckner-FS 1998, S. 565 (574 f.); a. A. Schroeder, Pornographie, S. 31; Wolters, in: SK-StGB, § 184 StGB Rn. 6, jeweils mit Verweis auf BVerfGE 83, 130 (147), wonach die geforderte Gesamtbetrachtung nur zur Abgrenzung zum Kunstbegriff und damit nicht für eine Bewertung im Rahmen der §§ 184 ff. StGB geeignet ist.). Das zeichnerische Erstellen einer einzelnen kinderpornografischen Darstellung in einem ansonsten nicht-pornografischen Werk wäre somit ebenso nicht tatbestandlich wie auch einzelne pornografische Szenen in einem ansonsten nicht-pornografischen Film (vgl. Schumann, Lenckner-FS 1998, S. 565 [574]), weswegen in den Fällen Strafbarkeitslücken drohen würden, in welchen die eigentliche kinderpornografische Darstellung in einen überwiegend harmlosen Rahmen eingefasst werden (vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 114 f., mit einem entsprechenden Beispiel in Fn. 533). Während eine „Gesamtwürdigung“ (BGHSt 23, 40 [44]) bei einer Schrift in den meisten Fällen dennoch zu nachvollziehbaren Ergebnissen führen mag, stößt sie im Zusammenhang mit digitalen Inhalten schnell an ihre Grenzen (siehe auch Palm, Kinderpornographie, S. 114). So würde eine DVD, ein USB-Speicherstick oder eine Festplatte als Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB, auf welchem ausschließlich eine einzelne Datei kinderpornografischen Inhalts gespeichert ist, bereits als kinderpornografisches Gesamtwerk einzustufen sein, während im Falle einer Speicherung auf der Systemfestplatte aufgrund der dort ebenfalls gespeicherten zigtausend Systemdateien das Vorliegen einer kinderpornografischen Schrift im Wege einer Gesamtbetrachtung abzulehnen wäre; allein der Speicherort ein und derselben Datei würde in diesem Fall über die Strafbarkeit entscheiden. Dem Erfordernis der „Gesamttendenz“ (Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 14) ist mithin mit Vorsicht zu begegnen. Nachvollziehbare Ergebnisse lassen sich hingegen entweder durch ein „Abstellen auf die einzelnen Inhalte“ (Palm, Kinderpornographie, S. 115) oder eine kontextbezogene Einzelfallbewertung (König, Kinderpornografie, Rn. 206 ff.) erzielen. Siehe hinsichtlich des Diskussionsstandes umfänglich Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 900 ff. (920).



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 197

gen bei entgegenstehender Betrachtung ein Sich-Verschaffen hinsichtlich dieser pornografischen Schrift ausscheiden müsste. Dass § 184b Abs. 4 StGB neben tatsächlichen nur wirklichkeitsnahe Darstellungen und damit anders als § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB gerade keine Zeichnungen erfasst,53 kann der abstrakten Frage nach der Besitzbarkeit nicht entgegenstehen, da die unterschiedlichen Tatmodalitäten und Tatobjekte lediglich den jeweiligen Straf- und Schutzzwecken geschuldet sind. Da sich durch die Zeichnung nur der Inhalt ändert, stellt A jedoch kein „neues“ Buch her, kann sich aber durch die Herstellung einer pornografischen Schrift Besitz an dieser verschaffen. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist nicht irgendeine Schrift, sondern nur eine mit pornografischem Inhalt; eine solche befand sich vor der Herstellung jedoch noch nicht im Besitz des A. Gleiches geschieht aber auch beim Download einer Datei auf die Festplatte. Diese befindet sich auch schon vorher im Besitz des Täters und wird erst durch den neuen Inhalt zu einem tauglichen Tatobjekt. Da eine Datenübertragung grundsätzlich die Herstellung einer Kopie und damit einer neuen Datei zur Folge hat, erlangt der Täter den neuen Besitz an eben diesem neuen Exemplar.54 Da der Täter durch den Download keine neue Sache herstellt und sich lediglich das Bezugsobjekt für den Besitz ändert, besitzt er auch nach dem Löschen der entsprechenden Dateien weiterhin seine Festplatte. Der Besitz an einem Datenspeicher kinderpornografischen Inhalts besteht dann jedoch nicht mehr. Gleiches gilt für das Herausreißen und Vernichten der Seiten mit kinderrealpornografischen Inhalten aus einem ansonsten unverfänglichen Buch. Auch in diesem Fall endet durch das Vernichten der strafrechtliche Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB an einer kinderpornografischen Schrift, obwohl der Täter weiterhin das – teilweise beschädigte55 – Buch besitzt. 53  Siehe dazu auch BGH NJW 2013, 2914, wonach es sich „[b]ei einer E-Mail, in der lediglich mit Worten der an einem Kind vorgenommene sexuelle Missbrauch geschildert wird, (…) um [k]eine kinderpornografische Schrift [handelt].“; siehe dazu auch Popp, jurisPR-ITR 25 / 2013 Anm. 2. 54  Vgl. Popp, ZIS 2011, 193 (202), nach dem eine Besitzerlangung nicht nur dadurch möglich ist, dass „man diesen Gegenstand irgendwo fertig vorfindet“, sondern gerade auch dadurch, dass man diesem „die betreffende Eigenschaft selbst erst verleiht“; vgl. auch König, Kinderpornografie, Rn. 252, die von einer „Symbiose“ durch „Auffüllen“ spricht; siehe auch OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896), das von „Vervielfältigung“ spricht. 55  Gleiches gilt auch für die – jedoch straflosen – Besitzfälle, in welchen es sich bei den kinderpornografischen Darstellungen um Bleistiftzeichnungen handelt, welche wieder aus dem Buch herausradiert werden können. Wie auch schon im Zusammenhang mit der Herstellung diskutiert, vermag die (fehlende) Strafbarkeit eines Verhaltens die tatsächlichen Umstände zu beeinflussen (siehe oben).

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

b) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich damit an dieser Stelle festhalten, dass ein Sich-Verschaffen des Besitzes kinderpornografischer Schriften auch mittels moderner Kommunikationswege grundsätzlich möglich ist. Aus diesem Grund erfüllt sowohl der „klassische“ Download56 einer im Internet angebotenen Bild- oder Videodatei mittels eines Browsers den Tatbestand des § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB wie auch andere Übertragungsformen, die die Speicherung einer Kopie auf dem Nutzercomputer zur Folge haben. Da bereits das Unternehmen der Besitzverschaffung für eine Strafbarkeit ausreichend ist, ist ein tatsächlich erfolgreicher Download nicht erforderlich, weswegen der Tatbestand beispielsweise auch bei Verbindungsabbrüchen während der Übertragung erfüllt ist.57 Dieses Verständnis findet nach Palm sowohl im Wortlaut als auch im Sinn und Zweck des Besitzverschaffungsverbots eine Stütze58 und stellt entgegen Gercke59 auch nicht systemwidrig auf den Inhalt ab. Darüber hinaus deckt es sich auch mit dem ausdrück­ lichen gesetzgeberischen Willen, wonach davon auszugehen ist, „(…) dass derjenige, der kinderpornographische Produkte besitzt, diese [regelmäßig] selbst hergestellt [hat].“60 Andere in Betracht kommende Übertragungsformen sind beispielsweise der Empfang einer E-Mail entsprechenden Inhalts, der Download via FTP, P2P oder aus dem Usenet oder eine Dateiübertragung via Instant-Messaging, wie IRC oder ICQ, aber auch das einfache Kopieren der Dateien von einem Datenspeicher auf einen anderen; wobei es ebenfalls gleichgültig ist, ob dies von einem USB-Speicherstick auf eine (externe) Festplatte oder beispielsweise innerhalb eines Netzwerks geschieht. Aus diesem Grund müsste die Auffassung Gerckes, § 184 Abs. 4 Satz 1 StGB sei nicht auf Internetsachverhalte anwendbar,61 sogar noch erweitert werden, so dass ein Besitzverschaffen bei jeglichen Computersachverhalten unanwendbar wäre, die eine 56  So i. E. auch OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 329 zu § 184 StGB a. F.; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 308; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 34; König, Kinderpornografie, Rn. 252; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 225; Müller, MMR 2010, 344 (345); Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (628); Schreibauer, Pornographieverbot, S. 309; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 15; a. A. z. B. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327; Harms, NStZ 2003, 646 (647). 57  Vgl. Bär, MMR 2000, 760 (761) zu § 184b Abs. 5 StGB a. F.; Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 47; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1172; Palm, Kinderpornographie, S. 133; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 14. 58  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 132. 59  Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327. 60  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6. 61  Vgl. nur Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327.



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 199

digitale Übertragung zum Gegenstand haben; die Besitzverschaffung bliebe hinsichtlich digitaler Inhalte nur auf die bloße Erlangung eines bereits mit kinderpornografischen Daten versehenen Datenspeichers beschränkt. Etwas anderes soll demgegenüber im Rahmen des § 91 StGB gelten, der die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat unter Strafe stellt. Nach § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist derjenige zu bestrafen, der eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die nach ihrem Inhalt geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, verschafft. Das Sich-Verschaffen setzt ebenfalls das Erlangen der Verfügungsgewalt voraus,62 so dass das Speichern auf einer Festplatte, einem USB-Stick oder einem sonstigen Speichermedium genügt.63 Ein nur flüchtiger, vorübergehender Zugriff soll hingegen nicht ausreichend sein, weswegen weder die Arbeits- noch die Cachespeicherung tatbestandlich seien.64 Der Unterschied beruhe zum einen darauf, dass das Verschaffen in § 91 StGB – anders als § 184b StGB – nicht als Unternehmenstatbestand ausgestaltet ist,65 zum anderen könne die für § 91 StGB zusätzlich erforderliche Absicht, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen, nicht bereits beim Aufrufen einer Schrift noch unbekannten Inhalts vorliegen.66 Da häufig nicht erkennbar ist, ob die Daten nur vorübergehend betrachtet oder dauerhaft abgespeichert wurden, ließe sich allein aus der Existenz zwischengespeicherter Daten nicht auch auf ein Sich-Verschaffen schließen.67 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sowohl durch die technisch bedingte Zwischenspeicherung eine Verfügungsgewalt von ausreichender Dauer entsteht68 und andererseits eine entsprechende Absicht auch in Unkenntnis des exakten Inhalts bestehen kann. Soll daher auch das Herunterladen verschiedener Anleitungen, um deren Zweckmäßigkeit beurteilen zu können und eine Auswahl zu haben, ausreichen,69 erscheint es höchst zweivon Heintschel-Heinegg, in: Beck’scher OK, § 91 StGB Rn. 8. Petzsche, Terrorismusbekämpfung, B. III. 3. c) aa) (2); Schäfer, in: MüKo, § 91 StGB Rn. 19. 64  So jedenfalls BT-Drucks. 16 / 12428, S. 18; Fischer, § 91 StGB Rn. 17; Lackner / Kühl, § 91 StGB Rn. 1; kritisch Gazeas, in: AnwK, § 91 StGB Rn. 19, die diese Unterscheidung als „völlig willkürlich“ bezeichnet. 65  So ausdrücklich BT-Drucks. 16 / 12428, S. 18. 66  Vgl. Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, § 91 StGB Rn. 5. 67  Vgl. Gercke / Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, Rn. 376c. 68  Siehe oben unter C. IV. und D. I. 2. a). Da § 91 StGB anders als § 184b StGB nicht auf ein Verschaffen von Besitz, sondern lediglich auf ein Verschaffen von Schriften abstellt, sei diese Norm grundsätzlich auch nach Gercke, in: Praxishandbuch, R. 376c in Fn. 1051 auf Internetsachverhalte anwendbar. 69  So z. B. Fischer, § 91 StGB Rn. 18; Gazeas, in: AnwK, § 91 StGB Rn. 24; Petzsche, Terrorismusbekämpfung, B. III. 3. c) bb); Schäfer, in: MüKo, § 91 StGB Rn. 24. 62  Vgl. 63  Vgl.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

felhaft darin einen Unterschied zur stattfindenden Arbeits- oder Cachespeicherung zu sehen.70 2. Besitzverschaffung beim bloßen Surfen im Internet Erkennt man mit der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur für § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB die grundsätzliche Möglichkeit der Besitzverschaffung durch Arbeits- oder automatische Cachespeicherung an, stellt sich die Frage, ob bereits das „Surfen“71 im Internet, also das Betrachten entsprechender Darstellungen, wie im Fall 372, tatbestandlich ist. Dabei ist zu beachten, dass das bloße Betrachten im Rahmen des § 184b StGB mangels entsprechender Tathandlung für sich alleine genommen grundsätzlich nicht tatbestandlich sein kann.73 Genauso, wie der Besucher einer Galerie sich durch das Betrachten der ausgestellten Bilder weder eines Kunstraubes strafbar macht noch einer Urheberrechtsverletzung durch unerlaubte Vervielfältigung begeht,74 ist auch eine Besitzverschaffung am Computerbildschirm durch bloßes Betrachten nicht möglich. Abzustellen ist stattdessen auf die der Anzeige am Computer vorausgehenden Nutzerhandlungen, wie dem Aufrufen der entsprechenden Webseite durch Eingabe der URL oder das Anklicken eines auf eine kinderpornografische Darstellung verweisenden Links,75 mit welcher zum Zwecke der Bildschirmanzeige zwangsläufig ein Download zumindest in den Arbeitsspeicher einhergeht.76 A müsste sich in Fall 3 für eine Strafbarkeit gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB den Besitz an kinderpornografischen Schriften bereits dadurch verschafft haben, dass er sich die Darstellungen online ansah. Richtigerweise gilt hinsichtlich der Besitzerlangung – ebenso wie auch bezüglich der Ver70  Die ablehnende Ansicht, die auch der Gesetzgeber zugrunde legt (vgl. BTDrucks. 16 / 12428, S. 18) hat nach Gazeas / Grosse-Wilde / Kießling, NStZ 2009, 593 (602, 604) die Verfassungswidrigkeit der Norm zur Folge. An der Verfassungsmäßigkeit zumindest zweifelnd, Petzsche, Terrorismusbekämpfung, B. III. 3. e) aa). 71  „Wahllos oder gezielt nach Informationen suchen, indem durch das Anklicken von Links nacheinander verschiedene Seiten aufgerufen werden“ (Duden, „surfen“ Bedeutung [3]). 72  Siehe oben unter D. I. 73  Siehe hinsichtlich der Forderung nach einer reinen Konsumstrafbarkeit sowie der Richtlinie 2011 / 92 / EU ausführlich unten unter E. IV. 2. 74  Vgl. Hörnle, NStZ 2010, 704 (706); Kritik an der „Strafbarkeit durch Betrachten“ auch bei Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (629); siehe auch Handke, Bekämpfung, S. 67. 75  So i. E. auch Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 52; Palm, Kinderpornographie, S. 133 in Fn. 636, die ebenfalls darauf hinweist, dass auf die mit dem Betrachten verbundenen Verhaltensweisen abzustellen ist. 76  Siehe zu den technischen Abläufen bereits ausführlich oben C. III. 2.



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 201

breitung77 –, dass es „durch [den] Abruf einer Internetseite (…) nicht möglich [ist], Besitz an den Speichermodulen des Servers zu erlangen, auf denen eine kinderpornografische Datei gespeichert ist“78. Anknüpfungspunkt kann daher grundsätzlich nur der Arbeitsspeicher bzw. die Festplatte des Computers sein, von welchem der Abruf vorgenommen wird79 bzw. in welchen die Datei geladen wird.80 a) Erfordernis der Dauerhaftigkeit Gegen eine Strafbarkeit im Falle des bloßen Betrachtens lässt sich zunächst erneut das Element der Dauerhaftigkeit anführen. Auch unter grundsätzlicher Anerkennung des Arbeitsspeichers als Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB und den in diesem Zusammenhang gefolgerten „geringen Anforderungen an die Dauerhaftigkeit“81, müsse nach verbreiteter Ansicht für den Besitz an diesem etwas anderes gelten. Allein aus dem Umstand, dass es sich bei dem Arbeitsspeicher nach dem Willen des Gesetzgebers82 um einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB handelt,83 ließe sich noch nicht dessen Besitzbarkeit herleiten. Vielmehr würde das bloße Laden in den Arbeitsspeicher während des Betrachtens gerade keine notwendig gefestigte Herrschaft im Sinne einer Sachherrschaft an einem, die inkriminierenden Inhalte bereithaltenden Speicher darstellen; zum einen spräche ein bloßes Betrachten bereits sprachlich gegen eine Herrschaft, zum anderen sei die nötige Manifestation auch gar nicht gewollt.84 Dies ergebe sich unter 77  Siehe hinsichtlich des internetspezifischen Verbreitungsbegriffs unten E. I. 2. d) aa). 78  Müller, MMR 2010, 344 (345); ähnlich Palm, Kinderpornographie, S. 134, mit Kritik an Müller, MMR 2010, 344 (345). Palm geht dabei jedoch irrtümlich davon aus, dass Müller die Gegenauffassung vertrete – stattdessen stellt er diese bloß dar. Vgl. auch Schreibauer, Pornographieverbot, S. 309; a. A. wohl Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 9. 79  Siehe auch König, Kinderpornografie, Rn. 251; Palm, Kinderpornographie, S. 134; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 310. 80  Siehe zu den technischen Abläufen oben unter C. III. 2. 81  Vgl. nur Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 147. 82  BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 83  So die überwiegende Ansicht; vgl. nur Fischer, § 11 StGB Rn. 36; siehe ausführlich oben unter C. II. 4. 84  Vgl. Brodowski, StV 2011, 105 (107); Fischer, § 184b StGB Rn. 21b; Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 331; ders., CR 2010, 798 (802); ders., ZUM 2010, 633 (642); Harms, NStZ 2003, 646 (649); Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 309; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 44; dies., NStZ 2010, 704 (705) Laubenthal, Handbuch, Rn. 1173; Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 35; Müller, MMR 2010, 344 (345); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 13. Siehe insbesondere Scheffler, Herzberg-FS 2008,

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anderem aus einem Vergleich mit den zivilrechtlichen Besitzregeln, nach welchen bloßer Kurzbesitz ebenfalls für § 854 BGB nicht ausreichend ist.85 Aus diesem Grund ist weder der Benutzer einer Parkbank noch der Restaurantgast auf einem Stuhl Besitzer an dem jeweilig „besessenen“ Gegenstand.86 Die Flüchtigkeit der Arbeitsspeicherung spräche daher gegen die Annahme eines für einen Besitz erforderlichen Herrschaftsverhältnisses.87 Die teilweise gleichzeitig stattfindende Cachespeicherung wird demgegenüber überwiegend als hinreichend dauerhaft und damit als tatbestandlich angesehen.88 Daher wird aufgrund der Flüchtigkeit der Arbeitsspeicherung zum Teil gefordert, dass es grundsätzlich zu einer über diese hinausgehenden, dauerhaften Speicherung, wie der automatischen Cachespeicherung kommen müsse.89 Da erst durch die Cachespeicherung im Browser-Cache die inkriminierenden Inhalte auf der Festplatte ablegt werden und dadurch im Gegensatz zur Arbeitsspeicherung auch nach einem Neustart verfügbar sind, sei anders als beim Arbeitsspeicher der objektive Tatbestand verwirklicht;90 nur in diesem Fall könne von der für einen Besitz notwendigen DauerhafS. 627 (629), der sich vor dem Hintergrund gegen eine Strafbarkeit durch bloßes Betrachten ausspricht, dass auch derjenige nicht als Besitzer anzusehen sei, der eine kinderpornografische Darstellung durch ein Schaufenster betrachte. Scheffler übersieht dabei, dass der Besitz nicht aus dem Betrachten als solchem, sondern aus der damit einhergehenden Nutzerhandlung entsteht, welche durch die Datenübertragung in einen Datenspeicher des Täters ein entsprechendes Herrschaftsverhältnis begründet. Mangels gleicher Vorgänge beim analogen Betrachten sind die beschriebenen Situationen nicht miteinander vergleichbar (so auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (20 in Fn. 36); Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 52). 85  Hörnle, in: MüKo, 1. Aufl., § 184b StGB Rn. 27 in Fn. 64 mit Verweis auf Bassenge, in: Palandt, § 854 BGB Rn. 8. 86  Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 23 m. w. N.; i. E. zustimmend Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 11 f., der jedoch nicht auf die Dauer, sondern auf die die Schutzwürdigkeit der Sachbeziehung abstellt. 87  So. z. B. Harms, NStZ 2003, 646 (649); Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 35. 88  Vgl. nur BGH StV 2012, 539; Eckstein, NStZ 2011, 18 (19); Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 8; Palm, Kinderpornographie, S. 98. 89  So z. B. BGH NStZ 2007, 95; LG Stuttgart, NStZ 2003, 36 (37); Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 51; Gercke, Inhalte, S. 76; Fischer, § 184b StGB Rn.  21 f.; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 309; Hörnle, in: MüKo, 1. Aufl., § 184b StGB Rn. 27; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1175; Laue, in: Dölling / Duttge / Rössner, § 184b StGB Rn. 6; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 227; Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 35; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a; a. A. Lackner / Kühl, § 184b StGB Rn. 8, der noch eine über die automatische Cache-Speicherung hinausgehende Speicherung fordert. Ebenso Gössel, Sexualstrafrecht, S. 235 in Fn. 154, der die Cachespeicherung für zu „flüchtig“ hält. 90  Vgl. Harms, NStZ 2003, 646 (650); M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (364); Laubenthal, Handbuch, Rn. 1175; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a.



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tigkeit ausgegangen werden.91 Der Hinweis, dass dies beim Abruf von Darstellungen im Internet „regelmäßig“92 geschehe und damit die Arbeitsspeicherung mit der Speicherung in einem anerkannten Datenspeicher zusammenfalle,93 vermag eine eindeutige Festlegung bezüglich der Besitzverschaffung des Tatobjekts Arbeitsspeicher jedoch nicht zu ersetzen.94 Stattdessen müssen auch hinsichtlich des Arbeitsspeichers eindeutige Kriterien gelten, über welche eine Einordnung vorgenommen werden kann. Hinsichtlich des besitzkonstituierenden Zeitarguments lässt sich daher zunächst neben dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen vor allem der Besitzwille vorbringen. Auch für die Dauer der Arbeitsspeicherung ist allein das Nutzungsverhalten und damit der Besitzwille ausschlaggebend.95 Zwar wird der Arbeitsspeicher vom Computersystem verwaltet, ob aber neue Programme ausgeführt oder andere Darstellungen aufgerufen werden – was eine zwangsläufige Änderung des Arbeitsspeicherinhalts zur Folge hätte – liegt allein in der Hand des Nutzers.96 Dieser entscheidet sowohl über das „Ob“ als auch über das „Wie lange“ der Speicherung, ohne dass das Computersystem darauf einen Einfluss hat.97 Solange er diesen Speicherplatz nicht selbst wieder freigibt, kann er auf diese Daten zugreifen,98 weswegen dieser Zustand der beliebigen Speicherbarkeit der typischen, den Besitz konstituierenden Beherrschungsmöglichkeit entspricht. Dass die Inhalte nach dem Ausschalten nicht mehr vorhanden sind oder nutzungsbedingt überschrieben werden, kann einem grundsätzlichen Besitz nicht entgegenste­ hen;99 schließlich können auch auf Festplatten Dateien gelöscht oder Papier 91  Vgl. an dieser Stelle nur Harms, NStZ 2003, 646 (650); M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (363). 92  König, Kinderpornografie, Rn. 250. 93  Vgl. Schreibauer, Pornographieverbot, S. 309; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 13. 94  So aber z. B. König, Kinderpornografie, Rn. 250; ähnlich auch M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (363), nach dem Besitz „jedenfalls dann“ gegeben sei, wenn die Daten im Cache gespeichert worden seien. 95  Siehe hinsichtlich der Funktionsweise des Arbeitsspeichers oben C. III. 2. 96  So auch OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (42); Eckstein, NStZ 2011, 18 (20); ders., ZStW 117 (2005), 107 (121); Exner, Pornografiestraftaten, S. 33; Palm, Kinderpornographie, S. 135 f.; a. A. Gercke, Inhalte, S. 77, nach dessen Ansicht die „Dominanz des Betriebssystems“ gegen eine Sachherrschaft auf Seiten des Nutzers spricht. 97  Vgl. Exner, Pornografiestraftaten, S. 33; so auch Fuchs, jurisPR-ITR 19 / 2010 Anm. 6. 98  BGH NStZ 2007, 95; OLG Hamburg NJW 2010, 1893 (1896); Palm, Kinderpornographie, S. 136. 99  A. A. König, Kinderpornografie, Rn. 250, die mit Verweis auf Schreibauer, Pornographieverbot, S. 309 davon ausgeht, dass von einer Verfügungsmacht nur

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vernichtet werden.100 Gleiches gilt für den Einwand, dass die „volle Verfügungsgewalt“ – sofern diese überhaupt besteht101 – nur für den Zeitpunkt andauernder Stromzufuhr bestünde, diese aber „gefährdet“ sei, da sie jederzeit unterbrochen werden könne.102 Dem ist bezüglich des durch die Flüchtigkeit des Arbeitsspeichers bedingten Erfordernisses andauernder Strom­ zufuhr zwar zuzustimmen, die Annahme, dass dies einem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis entgegensteht, überzeugt hingegen nicht. Ob es zu einer Unterbrechung kommt, ist schließlich genauso vom Zufall abhängig, wie es auch zu einer anderweitigen Zerstörung des Besitzobjektes kommen kann.103 Ebenfalls abzulehnen ist der Ansatz Müllers, der in der Arbeitsspeicherung lediglich eine Vorstufe zur Herbeiführung der eigentlichen Verfügungsgewalt sieht, welche erst durch eine dauerhafte Speicherung gegeben sei.104 Vor dem Hintergrund, dass Herrschaft lediglich die Möglichkeit der Ausübung der Macht bedeutet,105 ist es auch hinsichtlich des digitalen Besitzes ausreichend, wenn die Macht nicht vollständig ausgeübt wird.106 ausgegangen werden könne, wenn die entsprechenden Dateien „nach dem Aufrufen neuer Seiten oder dem Ausschalten des Computer wieder verwend(…)[et]“ werden können. 100  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 136. 101  Zweifelnd Hörnle, NStZ 2010, 704 (705), die in der ungenutzten Möglichkeit, die Darstellungen abzuspeichern oder auszudrucken, lediglich eine „Verhaltens­ option [Hervorh. im Text]“ sieht. Ähnlich Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (629). Siehe dazu sogleich unter D. 102  So aber Hörnle, NStZ 2010, 704 (705). 103  Auch die Besitzposition des vielzitierten Pfluges des Bauern auf einem entfernten Feld ist gegenüber dem Verbringen in eine Scheune „gefährdeter“, ohne dass in diesem Fall der Gewahrsam und damit das tatsächliche Herrschaftsverhältnis des Bauern an diesem bezweifelt wird. 104  Vgl. Müller, MMR 2010, 344 (345). Das von Müller zur Verdeutlichung seiner Ansicht angebrachte Beispiel vom Betrachten eines auf dem Display einer Digitalkamera angezeigten kinderpornografischen Bildes vor dem Auslösen überzeugt ebenfalls nicht. So fehlt es gegenüber dem Arbeitsspeicher eines Computers an der aufgrund unterschiedlicher Funktionsweise vergleichbaren Beherrschbarkeit. Anders als im Falle des Computers ändert sich die Anzeige auf dem Kameradisplay in Abhängigkeit des betrachteten Fotoobjekts, ohne dass die Möglichkeit bestünde, diesen Zustand ohne eine gesonderte Speicherung festzuhalten. Das Betrachten einer kinderpornografischen Darstellung mit Hilfe einer Digitalkamera entspricht trotz des technischen Charakters mangels Beherrschbarkeit gerade nicht dem Betrachten am Computer. 105  Siehe oben B. III. 2. b) bb) (1). 106  Auch der Bauer muss seinen Pflug auf dem Acker nicht dauerhaft in den Händen halten, um Besitz an diesem auszuüben. Siehe hierzu bereits ausführlich oben B. III. 2. b) bb) (1). A. A. Hörnle, NStZ 2010, 704 (705), nach der die bloße Verhaltensoption gerade keine Herrschaft begründet.



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Neben den tatsächlichen Erwägungen muss auch der gesetzgeberische Wille berücksichtigt werden, nach welchem sich die Besitzvoraussetzungen der §§ 184 ff. StGB an denen aus § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG orientieren,107 welche auch den kurzzeitigen Besitz in gewissen Maßen erfassen.108 Dass dabei nicht jeder Kurzbesitz besitzbegründend sein soll,109 steht einer generellen Besitzbarkeit weder der von dem Besitzverbot erfassten Betäubungsmittel noch der des Arbeitsspeichers entgegen. Insbesondere besteht zwischen den beschriebenen Fällen des Kurzbesitzes und der Arbeitsspeicherung ein tatsächlicher Unterschied. In den analogen Fällen existiert in der Regel neben dem Kurzbesitzer noch eine weitere Person, die die Sachherrschaft über das Besitzobjekt ausübt. Allein diesem Umstand ist auch die Entscheidung des BGH geschuldet, der Transportperson für die kurze Strecke von 20 Metern im Beisein des tatsächlichen Besitzers die Sachherrschaft abzusprechen.110 Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen der Arbeitsspeicherung, in welchen im Wege der Zwischenspeicherung Kopien der Ursprungsdatei hergestellt werden. An diesen Exemplaren hat der Besitzer des Ursprungsdatenspeichers in der Regel jedoch gerade keinen Besitz. Einzige Bezugsperson ist der Besitzer des verarbeitenden Arbeitsspeichers. Entscheidendes Abgrenzungskriterium in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ist der Besitzwille, welcher für die Fälle bloß kurzzeitiger Hilfstätigkeit abgelehnt wird, in welchen der Wille gerade nicht auf eine „nennenswerte Dauer ausgerichtet (…)“111 ist,112 der Täter also gar nicht Besitzer sein will. Die Dauer des Herrschaftsverhältnisses kann daher für den Besitz nicht allein ausschlaggebend sein.113 Grundsätzlich ist daher eine Besitzverschaffung auch dann möglich, wenn diese in der Absicht der alsbaldigen Entledigung geschieht, also beispielsweise in den Fällen, in welchen Eltern Betäubungsmittel ihrer Kinder in Besitz nehmen, um die Betäubungsmittel der Polizei zu übergeben.114 Da das Verbringen in der Regel einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, sei sowohl von einem auf eine gewisse Dauer angelegten Besitz als auch einem Besitzwillen für diesen Zeitraum 107  Vgl.

nur den Wortlaut in BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5 f. oben B. IV. 1. a) aa) (1). 109  Einen strafrechtlichen Besitz daher für den Fall nur kurzer Transporttätigkeit für eine Strecke von 20 Metern bei gleichzeitiger Anwesenheit des eigentlichen Besitzers ablehnend, BGHSt 26, 117. 110  Vgl. BGHSt 26, 117. 111  Vgl. BayObLG, StV 1988, 206. 112  Vgl. auch Palm, Kinderpornographie, S. 137. 113  So auch OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (42); Eckstein, Besitz, S. 105; Palm, Kinderpornographie, S. 137. 114  Siehe oben B. IV. 1. a) aa) (2); Patzak, in: Körner, § 29 BtMG, 13. Teil / Rn. 45, 56; a. A. Weber, § 29 BtMG Rn. 1208, nach dem es „an der Ausrichtung auf eine nennenswerte Dauer des Herrschaftsverhältnisses“ fehlt. 108  Siehe

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auszugehen,115 da es für den Besitzwillen allein erforderlich ist, dass der Ansichnehmende die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache – jedenfalls kurzfristig – erhalten möchte.116 b) Besitzwille Entscheidendes Element ist mithin nicht die Dauer des Besitzes, sondern der zu diesem Zeitpunkt vorliegende Besitzwille. Dieser muss zu dem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis hinzutreten und konstituiert zusammen mit diesem den Besitz als solchen als objektives Tatbestandsmerkmal. In den Fällen, in welchen der Täter jedoch lediglich eine Webseite betrachtet, könnte das Unterlassen einer gesonderten Speicherung auf einer Festplatte oder ähnlichem nach Mintas, gerade für einen dem Besitz entgegenstehenden „Nicht-Besitzwillen“ sprechen.117 Denn erst mit einer bewussten, in diesem Fall jedoch unterlassenen Abspeicherung stünden die Darstellungen dem Täter auch nach der aktuellen Sitzung sachherrschaftlich zur Verfügung.118 Unterlässt der Täter eine solche Speicherung, komme damit zum Ausdruck, dass er die entsprechenden Darstellungen gerade nicht besitzen wolle; das Vorliegen eines Besitzwillens sei in diesen Fällen daher abzulehnen.119 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass bei grundsätzlicher Anerkennung des Arbeits- und Cachespeichers als taugliche Tatobjekte120 eine gesonderte Speicherung eine weitere Verschaffungshandlung darstellen würde, für die weder ein Bedarf noch eine Notwendigkeit besteht. Die Forderung nach einer gesonderten Speicherung hätte auf analoge Sachverhalte übertragen zur Folge, dass der Täter, der sich in seiner Wohnung eine kinderpornografische Schrift beschafft, diese erst in sein Regal stellen müsste. Dem bloßen In-den-Händen-Halten der Schrift wäre dabei genau wie der Arbeitsspeicherung sowohl die notwendige Dauerhaftigkeit als auch eine darüber hinaus115  Vgl. Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 946; Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 227; Patzak, in: Körner, § 29 BtMG, 13. Teil / Rn. 56; kein Besitzwille ist dann gegeben, wenn die Drogen sofort vernichtet werden (BGH NStZ 2005, 155 [156]). 116  Vgl. Patzak, in: Körner, § 29 BtMG, 13. Teil / Rn. 56. 117  Vgl. Mintas, NJW 2010, 1897. 118  So z. B. Müller, MMR 2010, 344 (345); i. E. auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 44; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a. 119  Vgl. Mintas, NJW 2010, 1897; i.  E. auch Fuchs, jurisPR-ITR 19 / 2010 Anm. 6, nach der sich der Täter beim bloßen Betrachten einer Internetseite damit abfände, dass die Daten nur während der Betrachtung zur Verfügung stünden und sodann unwiderruflich aus dem System entfernt würden. 120  Siehe oben unter C. II. 3. und C. II. 4.



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gehende Manifestation des Besitzwillens abzusprechen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Täter die Schrift dauerhaft in seinen Händen behält. Der A wäre nach dieser Ansicht in Fall 1a121 selbst dann straflos, wenn er die DVD übergeben bekommen hätte, da diese Erlangung lediglich als Vorbereitungshandlung zu werten wäre. Allein der Umstand, dass der Täter die Darstellungen nicht noch gesondert auf seiner Festplatte speichert, kann daher nicht grundsätzlich gegen eine Besitzverschaffung durch das bloße Betrachten sprechen.122 Der generell ablehnenden Haltung von Mintas ist daher zu widersprechen. aa) Genereller Herrschaftswille Hinsichtlich des Besitzwillens ist daher zu beachten, dass sich weder aus dem Zeitelement noch aus anschließenden Handlungen, wie dem gesonderten Speichern auf einer Festplatte, Rückschlüsse auf den Besitzwillen zum Zeitpunkt der Besitzverschaffung schließen lassen. Die Strafbarkeit ist grundsätzlich nicht von der Dauer, sondern allein von der Intention des Täters abhängig. Für eine Strafbarkeit kommt es daher entscheidend darauf an, ob der Täter im Zeitpunkt der Begründung des Herrschaftsverhältnisses, in diesem Fall also im Zeitpunkt der Arbeits- oder Cachespeicherung mit Herrschaftswillen und Vorsatz gehandelt hat.123 Nach Gercke fehlt dem Nutzer im Internet im Regelfall jedoch bereits ein entsprechender Besitzwille, da er von den technischen Zusammenhängen, wie der Arbeits- und Cachespeicherung, nichts wisse.124 Auch Harms125, Heinrich126 und Hilgendorf / Valerius127 weisen jeweils darauf hin, dass dem Laien die technischen Vorgänge oftmals nicht geläufig sind, weswegen eine Strafbarkeit auch hinsichtlich der automatischen Cache-Speicherung ausscheiden müsse. Vor dem zutreffenden Hintergrund, dass „die Kenntnis der Speicherung (…) für die Strafbarkeit konstitutiv“128 ist, ist der Forderung nach einem entsprechenden Besitzwillen dem Grunde nach zuzustimmen. Erst in Kombination mit dem Beherrschungswillen wird aus dem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis Besitz i. S. d. Strafrechts. Die Ansicht, dass ein solcher 121  Siehe

oben unter D. I. aber ausdrücklich Mintas, NJW 2010, 1897; ebenfalls für eine „Fixierung“ Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 13. 123  Vgl. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (121); Eckstein, Besitz, S. 98 ff., 104 ff. 124  Vgl. Gercke, Inhalte, S. 79 f. 125  Harms, NStZ 2003, 646 (650). 126  Heinrich, in: Wandtke-Medienrecht, 5. Band, Kap. 5, § 3 Rn. 274. 127  Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 309. 128  Eckstein, NStZ 2011, 18 (20). 122  So

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Besitzwille mangels Kenntnis der technischen Umstände in der Regel nicht vorläge, erscheint jedoch zu vorschnell. Nach dem dem Urteil des AG Hamburg-Harburg129 zugrundeliegenden Sachverständigengutachten sei mittlerweile grundsätzlich davon auszugehen, dass der „durchschnittlich erfahrene Internetnutzer“ die Existenz und Funktion des Internet-Caches kenne.130 Auch Palm unterstellt dem heutigen Internetnutzer ein gewisses Grundverständnis hinsichtlich der tatsächlichen Abläufe beim Surfen im Internet.131 So sprächen Alltagsformulierungen, wie „die Seite lädt noch“ oder „Informationen aus dem Internet ziehen“, für ein zumindest laienhaftes Verständnis, ohne dass dabei die genauen technischen Abläufe erfasst würden.132 Auch der Umstand, dass eine geöffnete Webseite auch nach Trennung der Internetverbindung weiter auf dem Bildschirm anzeigt werden würde, sei dem Computernutzer bekannt und ließe daher auf ein solches Verständnis schließen.133 Da für den Besitzwillen lediglich ein genereller Herrschaftswille über das tatsächliche Herrschaftsverhältnis erforderlich ist,134 sei eine darüber hinausgehende „Kenntnis der konkreten Speicher­ abläufe (…) nicht zwingend erforderlich“135. Der Täter wisse, dass er die Darstellung am Bildschirm beliebig lange geöffnet lassen und den Inhalt speichern oder ausdrucken kann, so dass von einem Besitzwillen ausgegangen werden könne.136 Laut Hörnle „(…) überzeugt [dieser Ansatz] jedoch nicht“.137 Die bloßen Verhaltensoptionen, wie das Ausdrucken oder Abspeichern, würden – solange nicht ausgeübt – gerade keine Verfügungsgewalt darstellen,138 so dass „das bloße Surfen ohne Abspeicherung (…) vom geltenden Recht nicht erfasst [werde].“139 Vor dem Hintergrund, dass Herrschaft jedoch lediglich die Möglichkeit der Ausübung einer Machtposition bedeutet,140 läuft diese Kritik ins Leere. Vom Bestehen einer tatsächlichen Sachherrschaft ist daher 129  AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 23.  Februar 2009 (unveröffentlicht), Vorinstanz zu OLG Hamburg, NJW 2010, 1893. 130  Vgl. OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1894). 131  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 137. 132  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 137. 133  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 137. 134  Siehe oben B. III. 2. a) bb). 135  Palm, Kinderpornographie, S. 136 f. 136  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 137. 137  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 138  So auch Brodowski, StV 2011, 105 (106 f.); Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 52; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35; dies., NStZ 2010, 705; Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (629). 139  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 140  Siehe oben unter B. III. 2. b) bb) (1).



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 209

bereits dann auszugehen, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, auf die Sache unter Ausschluss anderer einzuwirken.141 Ein tatsächliches Ausdrucken der zwischengespeicherten Dateien ist dabei genauso wenig erforderlich wie ein ständiges In-den-Händen-Halten des Pfluges durch den Bauern auf seinem entfernten Feld. Das Bestehen eben dieser Verhaltensoptionen ist es, was die Herrschaftssituation konstituiert, weswegen auch schon das Bestehen der Möglichkeit des Ausdruckens, Speicherns oder Veränderns der im Arbeitsspeicher zwischengespeicherten Daten ausreicht, um einen Besitzwillen zu begründen. Es kann daher keinen Unterschied machen, „ob ein Betrachter entsprechender Seiten als Konsument diese speichert oder nicht.“142 Mit Blick auf die geringen Anforderungen,143 die an den Herrschaftswillen im Allgemeinen im Rahmen der untersuchten Personen-Sach-Beziehungen zu stellen sind, erscheint dieses Ergebnis zunächst plausibel. So ist im Rahmen des strafrechtlichen Gewahrsams i. S. d. § 242 ff. SGB ein „latenter, genereller Gewahrsamswille“144 ausreichend145 und auch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt im Waffenrecht erfordert lediglich einen generellen Herrschaftswillen über sämtliche Gegenstände, die sich im eigenen Herrschaftsbereich befinden.146 Auch für den zivilrechtlichen Besitz ist bereits das Vorliegen eines generellen Herrschaftswillens ausreichend.147 Nur so kann der antizipierte Besitzerwerb an in den Briefkasten eingeworfenen Sendungen148 oder an in den eigenen Geschäftsräumen gefundenen Gegenständen149 angenommen werden.150 Diese in allen Rechtsgebieten vorzufindende Generalisierung des Herrschaftswillens macht eine spezialisierte Kenntnis von jedem Gegenstand damit überflüssig.151 Bei einem unterstellten Grundverständnis ließe sich somit ein Besitzwille auch auf zwischengespeicherte Inhalte in Arbeits- oder Cachespeicher übertragen. 141  Vgl.

Rn. 8.

142  OLG

Westermann, Sachenrecht, Rn. 25; Wolf / Wellenhofer, Sachenrecht, § 4

Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (42 f.). zum Besitzwillen ausführlich oben unter B. III. 1. a) bb). 144  RGSt 50, 48; RGSt 56, 207. 145  Vgl. nur Wittig, in: Beck’scher OK, § 242 StGB Rn. 18; siehe ansonsten oben B. III. 2. b) bb) (1). 146  Vgl. nur Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 152; siehe ansonsten oben B. III. 2. b) dd). 147  Siehe oben B. III. 2. a) bb). 148  Vgl. Bassenge, in: Palandt, § 854 BGB Rn. 4. 149  Siehe BGHZ 101, 186 (187). 150  Vgl. z. B. Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 25; Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 10. 151  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 99. 143  Siehe

210

D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

Einen solchen generellen Herrschaftswillen lehnt Gercke jedoch mit dem Hinweis ab,152 dass auch auf einem Grundstück versteckte Waffen oder Drogen nicht automatisch im Gewahrsam des Grundstückinhabers stünden.153 Der Umstand, dass die Zwischenspeicherung auf ein Verhalten des Nutzers zurückzuführen sei, könne eine abweichende Behandlung für den Besitzwillen nicht rechtfertigen,154 so dass nach Gercke eine Strafbarkeit auch bei nicht nur vorübergehender Zwischenspeicherung im Cache ausscheiden müsse. Der Hinweis Gerckes auf den generellen Herrschaftswillen vermag allerdings nur zum Teil zu überzeugen. Richtigerweise sind Besitz oder Gewahrsam an in eigenen Herrschaftssphären versteckten Gegenständen bei fehlender Kenntnis abzulehnen; der Vergleich mit der automatischen Cachespeicherung hingegen überzeugt in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Auch dem durchschnittlichen Internetnutzer ist im Zeitalter von Computerviren und -trojanern bewusst, dass ungewollte Programme und Ähn­ liches beim Surfen im Internet auf den eigenen Rechner geladen werden können.155 Nach Palm sprechen gerade die umgangssprachlichen Beschreibungen dieser Vorgänge für ein gewisses Grundverständnis, welches vor dem Hintergrund des normativen Tatbestandsmerkmales „Besitz“ bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre ausreichend sei.156 Muss der Nutzer aber grundsätzlich während seines Surfens im Internet mit der Zwischenspeicherung von aufgerufenen Inhalten rechnen, entspricht der Cachespeicher eher dem Briefkasten als genereller Empfangsvorrichtung als dem Grundstück. Der im Hintergrund ablaufende Download ist daher den unbestellt zugesendeten Waren bzw. dem Päckchen Drogen im Briefkasten vergleichbar, so dass dieser von einem generellen Besitzwillen des Täters durchaus erfasst sein kann.157 Auch ein vermeintlich oder ausdrücklich entgegenstehender Wille vermag das entstehende Besitzverhältnis nicht einzuschränken. AndeGercke, Inhalte, S. 80. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 77. 154  Vgl. Gercke, Inhalte, S. 80. 155  Vgl. hinsichtlich der Kenntnisse des „durchschnittlichen Internetnutzers“ den Jahresbericht des BSI 2010, S. 36 (http: /  / goo.gl / T9H8hR, BSI Jahresbericht, 12.04.2014), sowie die BSI-Bürgerumfrage zur Internetsicherheit (http: /  / goo. gl / yvLphw, Bürgerumfrage, 12.04.2014) wonach 60–90 % der Befragten die Gefährdungen, die beim Surfen bestehen, bekannt sind. Auch eine Suche nach dem Suchwort „Trojaner“ in den Onlinearchiven der großen deutschen Tageszeitungen führt im Schnitt jeweils über 200 Treffer zu Tage (http: /  / www.faz.net / suche / ?query= trojaner, http: /  / suche.sueddeutsche.de / ?query=trojaner, http: /  / www.tagesspiegel. de / suchergebnis / ?sw=Trojaner, alle Webseiten 12.01.2014), so dass auch von einer Sensibilisierung durch die Medien ausgegangen werden kann. 156  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 137. 157  Siehe oben B. IV. 2. b) aa), wonach der generelle Herrschaftswille auch das ungewollt in dem Briefkasten deponierte Päckchen Drogen umfasst. 152  Vgl. 153  Vgl.



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 211

renfalls würde das verbreitete Hinweisschild auf Briefkästen „Bitte keine Werbung“ aus der eingeworfenen Werbung mit Einwurf eine herrenlose Sache machen. Gleiches ließe sich pointiert ebenfalls wenig überzeugend auf ein fiktives „Bitte keine Drogen“-Schild übertragen. Auch wenn grundsätzlich ein ausdrücklich erklärter Wille dem unterstellten vorzuziehen ist, entspricht das Aufstellen eines Briefkastens bereits solch einer ausdrück­ lichen Erklärung. Diese ausdrückliche Bereitschaft, Sendungen entgegenzunehmen spricht zusammen mit dem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis an den eingeworfenen Gegenständen ebenso für ein durch den Einwurf entstehendes Besitzverhältnis, wie dies auf digitale Sachverhalte übertragen durch die automatische Zwischenspeicherung der Fall ist. Der Vergleich mit auf dem Grundstück versteckten Waffen oder Drogen entspricht auf digitale Sachverhalte übertragen stattdessen eher dem Fall, in welchem die kinderpornografischen Darstellungen unbemerkt und gerade nicht als Nebenprodukt eines bewussten Nutzerverhaltens, wie dem Surfen im Internet auf den Computer gelangen. Dies kann zum einen durch eine unbemerkte Übertragung durch einen Dritten beispielsweise von einem Speicherstick oder einer DVD oder aber auch durch im Hintergrund unbemerkt ablaufende Malware158 geschehen. Dateien, die auf diesem Wege auf den Computer gelangt sind, sind nicht von dem generellen Herrschaftswillen erfasst, da der Computernutzer weder von deren Existenz weiß noch mit der Erlangung hätte rechnen können. Der entscheidende Unterschied zu der automatischen Zwischenspeicherung während des „normalen“ Surfens im Internet liegt darin, dass diese, obwohl sie ebenfalls im Hintergrund und größtenteils unbemerkt abläuft, durch ein bewusstes Nutzerverhalten angestoßen wird. Insoweit ist zwischen der während des Surfens im Internet unbewusst im Hintergrund heruntergeladenen Schadsoftware oder kinderpornografischen Darstellung und solchen Dateien oder Schadprogrammen zu unterscheiden, welche selbstständig im Wege einen selbst angestoßenen, eigenen Downloadvorgangs durch eben solche Schadsoftware zusätzlich heruntergeladen wird.159 Einer solchen Auslegung stehen auch die auf den ersten Blick strenger erscheinenden Anforderungen an den Herrschaftswillen in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG nicht entgegen. Für eine Besitzstrafbarkeit i. S. d. BtMG muss der Besitzwille des Täters darauf gerichtet sein, für sich selbst die 158  Kofferwort aus malicious (engl. Bösartig) bzw. malus (lat. schlecht) und Software. „Malware“ wird als Sammelbegriff für Schadsoftware, wie Computerviren und Trojaner, verwendet (vgl. z. B. Kramer / Bradfield, J Comput Virol 2010, 105. 159  Siehe hinsichtlich des sogenannten „Drive-by-Downloads“ und dem Nachladen von weiterer Schadsoftware bzw. kinderpornografischen Darstellungen sogleich unter D. III. 3.

212

D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel herzustellen oder diese zu erhalten.160 Die bloße Kenntnis der tatsächlichen Einwirkmöglichkeit soll dabei in den Fällen nicht ausreichend sein, in welchen jemand ohne Zutun in eine Situation gerät, in welcher die bloße Möglichkeit der Ausübung der Herrschaft besteht.161 Als Beispiele für einen fehlenden Herrschaftswillen lässt sich der Fall ungewollt in die eigene Wohnung verbrachter Betäubungsmittel162 oder der Betäubungsmittelbesitz des Mitbewohners oder Ehegatten163 anführen. Zwar bestünde in diesen Fällen eine grundsätzliche Einwirkmöglichkeit, mangels Willen, diese Betäubungsmittel für sich zu besitzen, scheidet ein strafrechtlicher Besitz an den Betäubungsmitteln in den aufgezeigten Fällen jedoch aus.164 Aufgrund der vom Gesetzgeber angestrebten Vergleichbarkeit der Besitzbegriffe müssen diese Voraussetzungen an den Herrschaftswillen aus dem Betäubungsmittelstrafrecht ebenfalls auf die digitale Besitzverschaffung durch die automatische Zwischenspeicherung in einen Arbeits- oder Cachespeicher übertragbar sein. Auf den ersten Blick wäre dem Computernutzer im Falle dieser automatischen Speicherung daher ebenfalls der Besitzwille abzusprechen, da auch in diesem Fall die inkriminierenden Inhalte vermeintlich ohne sein Zutun in seinen Herrschaftsbereich gelangen.165 Der Täter nimmt gerade keine weiteren Handlungen vor, um für sich selbst die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die zwischengespeicherten Inhalte herzustellen oder diese zu erhalten.166 Dieser Ansatz geht jedoch nicht nur fälschlicherweise von einer Vergleichbarkeit der beiden Situationen aus, er verkennt daneben auch die tatsächlichen technischen Abläufe. Anders als in den beschriebenen BtMG-Fällen erlangt der Computernutzer die Herrschaft über die Darstellungen entgegen verbreiteter Ansicht gerade nicht ohne sein Zutun.167 Durch das Aufrufen der entsprechenden Webseiten setzt er stattdessen eine Kausalkette in Gang, die unter anderem zu einer Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 940; Weber, BtMG, § 4 BtMG Rn. 39. z. B. BGHSt 26, 117; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1998, 27; OLG Dresden, StraFo 2005, 522; Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 940; Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, Rn. 223. 162  Siehe KG, NStZ-RR 1996, 345; siehe auch LG Oldenburg, StV 1985, 331. 163  Siehe KG, StV 1985, 18. 164  Vgl. zum Ausschluss des Herrschaftswillens in den beschriebenen Fällen Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 940 m. w. N. 165  So z. B. ausdrücklich M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (363). 166  Vgl. auch Fischer, § 184b StGB Rn. 25, der jedoch allein auf den Vorsatz abstellt; vgl. ansonsten nur Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 225; Wüstenberg, StraFo 2009, 233 (234). 167  So aber unter anderem auch M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (363), der davon ausgeht, dass die Cache-Speicherung „ohne besonderes Zutun“ des Täters vonstattengehe. I. E. auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 160  Vgl.

161  Siehe



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 213

Zwischenspeicherung im Hintergrund führt. Der Hinweis, dass diese automatisch erfolge,168 ist zwar grundsätzlich zutreffend, bezieht sich aber nicht auf das Auslösen des Vorganges, sondern lediglich auf den Ablauf im Einzelnen. Ruft der Täter gar keine Seite auf, wird auch nichts zwischengespeichert. Im Ergebnis erlangt der Täter die Einwirkmöglichkeit allein durch eine von ihm vorgenommene Handlung, so dass diese auch von einem Herrschaftswillen getragen sein kann. Insoweit ist auch die Ansicht Hörnles169 abzulehnen, die der Cachespeicherung aufgrund der Automatisierung jegliche Handlungsqualität abspricht. Ihrer Ansicht nach würde daher hinsichtlich des Caches allenfalls eine Strafbarkeit wegen des anschließenden Besitzes nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in Betracht kommen.170 Da es sich trotz der Automatisierung sowohl bei der Arbeits- als auch der Cachespeicherung um einen von dem Nutzer angestoßenen Ablauf handelt, kann diese Speicherung grundsätzlich auch von einem Herrschaftswillen getragen sein. Aufgrund zunehmender Technisierung und medialer Sensibilisierung der Gesellschaft ist dem durchschnittlichen Internetnutzer zumindest ein gewisses Grundverständnis zu unterstellen, so dass im Ergebnis von einem generellen Herrschaftswillen bezüglich des eigenen Arbeits- und Cachespeichers ausgegangen werden kann.171 Ein nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB strafbares Sich-Verschaffen des Besitzes an kinderpornografischen Schriften ist daher grundsätzlich auch im Wege der während des Betrachtens stattfindenden automatischen Arbeits- und Cachespeicherung möglich, da „eine Aufteilung in erwünschte und unerwünschte Zwischenspeicherung (…) nicht möglich [ist].“172 bb) Löschen als Indiz gegen einen Besitzwillen Gegen einen Besitzwillen könnte in Einzelfällen – anders als ein bloß erklärter entgegenstehender Wille173 – jedoch das ausdrückliche Nutzerverhalten sprechen. So löscht A in Fall 3b im Anschluss an das Betrachten der kinderpornografischen Darstellungen auf seinem Bildschirm seinen Cachespeicher mit der Folge, dass keine lokalen Kopien mehr auf seinem Com168  Das Merkmal des Automatischen besonders hervorhebend Fischer, § 184b StGB Rn. 25; Gercke, Inhalte, S. 79; Harms, NStZ 2003, 646 (650); M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (363); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 25; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 227. 169  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 170  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 171  Siehe nur Palm, Kinderpornographie, S. 137 m. w. N.; a. A. z. B. AG Saarbrücken, BeckRS 2011, 00854; Gercke, ZUM 2010, 633 (642). 172  Wüstenberg, StraFo 2009, 233 (234). 173  Siehe dazu oben D. I. 2. b).

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

puter gespeichert bleiben.174 In diesem Löschen ließe sich möglicherweise ein ausdrücklicher „Nicht-Besitzwille“ vermuten, welcher gegen eine Besitz- bzw. Besitzverschaffungsstrafbarkeit sprechen könnte. Ebenso könnte auch das Verhalten des A im Fall 3c gegen einen Besitzwillen sprechen, da er umgehend das Browserfenster schließt, als er die kinderpornografische Darstellung entdeckt. Diese Überlegung ist auf den vom Gesetzgeber intendierten Vergleich mit dem Betäubungsmittelstrafrecht175 zurückzuführen, in welchem die sofortige Vernichtung erlangter Betäubungsmittel ebenfalls gegen einen Besitzwillen sprechen soll.176 Da der Besitzwille grundsätzlich auf eine Sachherrschaft von gewisser Dauer ausgelegt sein muss, spricht eine „bloße Augenblicksherr­ schaft“177 daher ebenso gegen einen Besitzwillen wie die umgehende Vernichtung. Aufgrund der vom Gesetzgeber angestrebten Vergleichbarkeit der Besitzbegriffe müsste dieses Ergebnis auch für die Fälle gelten, in welchen der Täter die Darstellungen nur online betrachtet und anschließend den Cache-Speicher löscht bzw. umgehend die Anzeige beendet. Das Löschen als Vernichten der gespeicherten Daten entspräche dabei der sofortigen Vernichtung von Betäubungsmitteln. Im Falle einer bloßen Arbeitsspeicherung ist hingegen kein gesondertes Löschen erforderlich, da aufgrund der Flüchtigkeit das Herrschaftsverhältnis bereits mit Ausschalten des Computers beendet wird. Schließt der Computernutzer daher umgehend die ungewollt geöffnete kinderpornografische Darstellung, könnte ebenfalls vom Fehlen eines entsprechenden Besitzwillens ausgegangen werden. Dass sowohl die Löschung als auch das Schließen der Anzeige umgehend erfolgen muss, ergibt sich aus den gegenüber dem Betäubungsmittelrecht bestehenden Unterschieden im Besitzobjekt. Denn während mit den typischen Konsumformen von Betäubungsmitteln, wie Rauchen oder Injizieren, eine gleichzeitige Vernichtung einhergeht,178 kommt es beim Konsum179 kinderpornografischen Materials typischerweise nicht zwangsläufig zu einer 174  Tipps zum Leeren des Cachespeichers finden sich z. B. unter http: /  / goo. gl / MAjmm, Browser-Cache, 12.04.2014. 175  Siehe BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; siehe ausführlich oben B. IV. 1. a) bb). 176  Vgl. an dieser Stelle nur Patzak, in: Körner, § 29 BtMG, 13. Teil / Rn. 45; siehe oben B. IV. 1. a) aa) (2). 177  Eckstein, Besitz, S. 104. 178  Siehe hinsichtlich der verschiedenen Konsumformen Malek / Endriss, Betäubungsmittelstrafrecht, § 2 Rn. 18, 29, 31, wonach die typischen Konsumformen von Cannabis, Heroin und Kokain Rauchen, Kauen, Essen, Trinken, Schnupfen, Inhalieren oder Injizieren und damit jeweils substanzvernichtende Handlungen darstellen. 179  „Konsum bedeutet Mitgenuss / Verbrauch an Ort und Stelle“ (Kotz, in: MüKo, § 29 BtMG Rn. 931); „Konsum“ von lat. consumere: „verbrauchen“; siehe auch Duden „Verbrauch“, Bedeutung.



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 215

Vernichtung in Form eines Aufbrauchens. Da das kinderpornografische Material in seiner Substanz erhalten bleibt, bleibt sowohl der Besitz an diesem bestehen als auch das mit diesem verbundene Risiko. Eine spiegelbildliche Übertragung der Grundsätze aus dem Betäubungsmittelstrafrecht ist daher nicht möglich, da dort Konsum und Vernichtung in einem Exklusivitätsverhältnis stehen.180 Vernichtet daher der Besitzer gefundene Betäubungsmittel umgehend, kann im Vorfeld weder ein Konsum noch eine Weitergabe durch diese Person stattgefunden haben. Aus diesem Grund vermag auch die Annahme, ein Löschen des Caches würde grundsätzlich gegen einen Besitzwillen sprechen, nicht zu überzeugen und kann höchstens als Indiz gegen einen Besitzwillen gewertet werden.181 Die Möglichkeit des verlustfreien Konsums lässt keine Aussage darüber zu, ob das Löschen vor oder nach einem eventuellen Konsum oder einem Verbreiten182 stattgefunden hat. Der Täter könnte anderenfalls durch regelmäßiges Löschen des Cachespeichers nach dem bewussten und gewollten Betrachten kinderpornografischer Darstellungen im Internet die Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 StGB unkompliziert umgehen. Palm stellt in diesem Zusammenhang die pointierte Frage, ob vor diesem Hintergrund nicht auch die unverzügliche Entledigung einer Videokassette nach dem Gebrauch zu einer Straflosigkeit führen müsste.183 Allein aus der Löschung der kinderpornografischen Darstellungen lässt sich daher kein Rückschluss auf einen eventuell bestandenen Besitzwillen schließen. Dem BGH ist demgegenüber zwar insoweit zuzustimmen, dass ein gezieltes Löschen der Dateien aus dem Cachespeicher für ein entsprechendes technisches Verständnis und damit auch für ein entsprechendes Bewusstsein spräche, der Rückschluss, dass daher ebenfalls von einem entsprechenden Besitzwillen zum Zeitpunkt der Cachespeicherung ausgegangen werden müsse,184 überzeugt hingegen nicht. Gerade vor dem Hintergrund der automatischen Speicherung kann das gezielte Löschen dem Internetnutzer nicht zur Last gelegt werden. Auch wenn ein regelmäßiges, bewusstes Lö180  Nach dem Konsum von Betäubungsmitteln ist eine anschließende Vernichtung daher in der Regel schlicht nicht mehr möglich. Nur in Einzelfällen verbleiben auch beim Konsum betäubungsmittelrechtlich relevante Reste, wie Opiumasche, an denen ein strafbarer Besitz möglich sein kann (vgl. LG Berlin, NStZ 1985, 128; Patzak, in: Körner, Stoffe Rn. 201; Weber, § 1 BtMG Rn. 539). 181  So i. E. wohl auch OLG Hamburg, StraFo 2009, 165; zustimmend Burmeister / Böhm, StV 2009, 471 (472). 182  Siehe hinsichtlich des Verbreitens via Internet sogleich unter E. I. 2. d). 183  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 138. 184  Vgl. BGH, NStZ 2007, 95; kritisch zu dem vom BGH gezogenen Schluss auf den Vorsatz über die Verknüpfung von „gezielt“ und „Aufsuchen“ Fischer, § 184b StGB Rn. 21b.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

schen des Cachespeichers tatsächlich für ein Grundverständnis zumindest hinsichtlich der automatischen Zwischenspeicherung sprechen kann, vermag es doch keine Aussage über die Tätervorstellungen zum Zeitpunkt der automatischen Speicherung zu treffen.185 Die Löschung könnte auch gerade deswegen vorgenommen werden, um unbeabsichtigt zwischengespeichertes Material zu entfernen. Daneben weist dieser Ansatz aufgrund der Einordnung der Besitzstrafbarkeit aus § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB als echtes Unterlassungsdelikt186 auch strukturelle Defizite auf. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist das Unterlassen der Entledigung oder Vernichtung.187 Entdeckt daher der Nutzer kinderpornografische Daten in seinem Cachespeicher, muss er diese löschen, um sich nicht einer Unterlassungstat strafbar zu machen. Nach der Ansicht des BGH könne aus dieser Löschungshandlung jedoch wiederum auf einen Besitzwillen im Zeitpunkt des Downloads geschlossen werden, so dass wiederum eine Strafbarkeit durch positives Tun anzunehmen sei. Die Handlungsbzw. Unterlassungspflicht zur Straflosigkeit ließe sich so ins Unendliche führen, ein Ergebnis, was weder rechtlich noch praktisch überzeugt.188 Überträgt man diesen Ansatz auf eine lediglich im Browser geöffnete und nur im Arbeitsspeicher zwischengespeicherte kinderpornografische Darstellung, werden die Defizite dieser Ansicht noch deutlicher. Schließt er die Anzeige, wird ihm ein entsprechender Wille im Zeitpunkt des Abrufes unterstellt, so dass er möglicherweise nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB zu bestrafen wäre, lässt er die Anzeige hingegen geöffnet, unterlässt er es, das Herrschaftsverhältnis zu beenden, so dass er nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB zu bestrafen wäre. Es erscheint daher trotz der durch die Eigenheiten der Tatobjekte bedingten Unterschiede sachgerechter, bei unmittelbarer Löschung des Cachespeichers oder beim umgehenden Schließen einer Webseite mit entsprechenden Inhalten ebenso wie bei der umgehenden Vernichtung der erlangten Betäubungsmittel von einem fehlenden Besitzwillen auszugehen.189 Anderenfalls 185  Aufgrund des dem Strafrecht zugrunde liegenden Simultanitätsprinzips müssen Herrschaftswille und Vorsatz im Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlung vorliegen (Vgl. Heinrich, AT, Rn. 288; Joecks, in: MüKo, § 16 StGB Rn. 14; Kudlich, in: Beck’scher OK, § 16 StGB Rn. 9; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 206). 186  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 13. 187  BGH NJW 2009, 692 (693); Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7. 188  Kritik daher auch bei Wüstenberg, StraFo 2009, 233 (234); siehe zu den sich daraus ergebenden Konfliktsituationen umfassend am Beispiel des BtMG Eckstein, Besitz, S.  250 ff. 189  So i. E. auch OLG Hamburg, StraFo 2009, 165; LG Aachen, MMR 2008, 764; Burmeister / Böhm, StV 2009, 471 (472); Eckstein, Besitz, S. 107; Harms,



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 217

müsste aufgrund des hier unterstellten generellen Herrschaftswillens190 grundsätzlich von einem strafbaren Besitz hinsichtlich aller zwischengespeicherter Inhalte ausgegangen werden. Das Löschen muss dabei jedoch genauso, wie im Falle der Vernichtung der Betäubungsmittel oder der Vernichtung von klassischen Datenspeichern, wie DVDs oder Festplatten, umgehend erfolgen. Sollen jedoch fest verkörperte Schriften, wie Bücher oder auch DVDs oder ganze Festplatten, als Löschungsäquivalent erst der Polizei übergeben werden, ist ebenso für die Dauer des längeren Transportes zu der nächsten Polizeiwache hingegen ebenfalls ein Besitzwille anzunehmen,191 wie auch für die Fälle, in welchen die Gegenstände zunächst gesammelt werden, um ein weiteres Vorgehen abzuwägen.192 Die Straflosigkeit dieses Verhaltens ergibt sich entgegen Mitsch193 nicht aus § 184b Abs. 5 StGB, sondern aus dem Umstand, dass in diesen Fällen bereits kein entsprechender Vorsatz194 vorliegt.195

NStZ 2003, 646 (647); Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 309; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1176 f.; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a; i. E. ebenfalls für eine Straflosigkeit Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38, die jedoch nicht auf das Fehlen des Besitzwillens abstellt, sondern die Tatbestandsmäßigkeit mit der Begründung ablehnt, dass es noch gar nicht zu einem Besitz und damit auch zu keinem Unterlassungstatbestand gekommen sei. Siehe ausführlich unten unter E., wonach die Anerkennung eines Besitzes aufgrund tatsächlicher Datenherrschaft diese Frage obsolet macht, so dass auch die Fälle erfasst werden, in welchen der Täter die bewusst betrachteten kinderpornografischen Darstellungen nach dem Konsum wieder schließt, um so einer eventuellen Besitzstrafbarkeit zu entgehen. 190  Siehe zum generellen Herrschaftswillen hinsichtlich des Arbeits- und Cachespeichers oben D. I. 2. b) aa) und bei Palm, Kinderpornographie, S. 137. 191  Vgl. Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 9. Dies folgt auch aus einem Umkehrschluss aus dem gesetzgeberischen Willen, wonach der Besitz zur Ablieferung vorsatzlos und damit straflos bleiben solle (BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6). Da in diesem Fall jedoch von einem – wenn auch unvorsätzlichen – Besitz ausgegangen wird, muss der Besitzwille ebenfalls gegeben sein, da dieser für den Besitz konstitutiv ist. 192  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38; vgl. für den spiegelbildlichen Fall im BtMG Patzak, in: Körner, § 29 BtMG, 13. Teil / Rn. 47. 193  Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 34; gegen eine Anwendbarkeit des § 184b Abs. 5 StGB in diesen Fällen auch Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 16. 194  Siehe hinsichtlich der Anforderungen an den subjektiven Tatbestand sogleich unter D. II. 195  So ausdrücklich für diese Fälle BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

(1) Anforderungen an das Löschen Spricht ein umgehendes Löschen der unbeabsichtigt zwischengespeicherten kinderpornografischen Dateien damit gegen einen entsprechenden Besitzwillen, stellt sich die Frage, welche Anforderungen an das Löschen zu stellen sind. In dubio pro reo wird dabei ein „logisches Löschen“196 als ausreichend angesehen werden müssen, da dem durchschnittlichen Computernutzer zwar die grundsätzliche Möglichkeit der Datenrettung und damit die nur unzureichende Vernichtung der Dateien bekannt sein dürften, weitergehende Kenntnisse, wie das Wissen um die Möglichkeit und Durchführung eines endgültigen physischen Löschens197, können hingegen nicht unterstellt werden.198 Insoweit kommt der Nicht-Besitzwille in der Regel bereits dadurch ausreichend zur Geltung, dass die Dateien mit den im Standardumfang des Betriebssystems vorhandenen Mitteln entfernt werden. Unabhängig von der möglichen Wiederherstellbarkeit lediglich logisch gelöschter Dateien, sind die Daten mit dem Löschvorgang der Verfügungsgewalt eines regulären Computerbenutzers entzogen.199 Ein bloßes Verschieben in den systemeigenen Papierkorb200 reicht dafür jedoch ebenso wenig aus, 196  Als logisches Löschen wird das Entfernen der Verknüpfungsinformationen in den Speichertabellen, welche mit einer Art Inhaltsverzeichnis verglichen werden können, bezeichnet. Auf diese Weise wird die gelöschte Datei vom System nicht mehr angezeigt und der ehemals „belegte“ Speicherabschnitt als wieder beschreibbar registriert. Solange es jedoch zu keiner Überschreibung eben dieses Speicherbereichs kommt, bleiben die „alten“ Daten erhalten, so dass sie wiederherstellbar sind (vgl. Schiffmann, Informatik, S. 294). Das logische Löschen entspricht dem „normalen“ Löschungsvorgang moderner Datenverarbeitungssysteme, wie dem Leeren des Papierkorbes bei Windows- oder Apple-Betriebssystemen. 197  Bei einem physikalischen Löschen wird im Gegensatz zum logischen Löschen nicht nur der Zuordnungsvermerk der Datei entfernt, sondern der belegte Speicherbereich der gelöschten Datei gezielt überschrieben. Die gelöschten Daten sind – nach mehreren gezielten Überschreibungsvorgängen – in der Regel nicht wiederherstellbar (vgl. Fox, DuD 2009, 110 [111]). 198  So auch Gercke, Inhalte, S. 81; ders., ZUM 2010, 633 (642); vgl. auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (118 in Fn. 56). 199  Vgl. Gercke, ZUM 2010, 633 (642). 200  Der Papierkorb moderner Betriebssysteme stellt lediglich einen Sammelordner für nicht mehr benötigte oder unerwünschte Dateien dar, welche im Anschluss noch durch den Nutzer oder durch zuvor eingerichtete Automatismen endgültig von dem Computer entfernt werden müssen (vgl. Fox, DuD 2009, 101). Im Endeffekt entspricht der Papierkorb eines Betriebssystems in seiner Funktion dem analogen Papierkorb in der eigenen Wohnung, in welchen zu entfernende Schriften u. ä. gesammelt werden. Wirft der Täter daher eine kinderpornografische Schrift, sei es in Buchform oder als DVD, unbeschädigt in seinen Papierkorb, so besitzt er diese Schrift weiterhin i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB. Eine strafbefreiende Vernichtung setzt mithin eine endgültige Unbrauchbarmachung bzw. Verbringung aus dem eige-



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 219

wie das einmalige Zerreißen eines Fotos.201 Entscheidend ist auch im Falle des Löschens, dass der eindeutige Wille zum Ausdruck kommt, keinen Besitz an der Schrift ausüben zu wollen. Dass durch das Löschen des Cachespeichers ebenso wie beim Ausschalten des Computers zum Zwecke der vollständigen Löschung des Arbeitsspeichers möglicherweise auch andere nur zwischengespeicherte Daten gelöscht werden, muss aufgrund der durch den ansonsten weiterhin bestehenden Besitz drohenden Rechtsgutsgefährdung von dem Computernutzer in Kauf genommen werden. Im Übrigen dienen sowohl Arbeits- als auch Cachespeicher vornehmlich der Zwischenspeicherung bzw. dem Bereithalten von Inhalten zur Beschleunigung eventueller erneuter Abrufe, weswegen zu befürchtender Datenverlust auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen ist.202 (2) Pflicht zur Vernichtung aller Exemplare Nach Eckstein entspricht die Löschung der Dateien vom Ergebnis her jedoch nicht vollständig der Vernichtung von Betäubungsmitteln, da nur die Kopie auf Seiten des Nutzers entfernt wird und das Original weiterhin beim Anbieter abrufbar bleibt.203 Erst eine DoS-Attacke204 auf den Anbieterserver nen Herrschaftsbereich voraus, welche auch dadurch erzielt werden kann, dass der Täter den digitalen Papierkorb leert bzw. den Müll rausbringt. 201  So auch Burmeister / Böhm StV 2009, 471; Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 48; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38. 202  Kritik jedoch bei Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (628), der anmerkt, dass die Pflicht zu löschen „merkwürdige Folgen haben dürfte“, wenn es mangels „gewisse(…)[r] PC-Kenntnisse“ zu einer Löschung aller und damit auch tatbestandlich irrelevanter zwischengespeicherter Daten kommt. Dieser Kritik ist zum einen entgegenzuhalten, dass – sicherlich mit einigem Mehraufwand – auch ein Löschen einzelner Cacheinhalte möglich ist, zum anderen jedoch steht das Interesse am Erhalt lediglich zum Zwecke kürzerer Ladezeiten bei erneutem Seitenaufrufs zwischengespeicherter Inhalte dem Besitz kinderpornografischer Daten gegenüber. Das Risiko des Verlustes des Cacheinhaltes stellt gegenüber dem Schutzgedanken des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB ein zu vernachlässigendes Interesse dar. 203  Vgl. Eckstein, NStZ 2011, 18 (21). 204  Denial-of-Service (vgl. nur Möller / Klem, DuD 2000, 292). Ob eine DoSAttacke überhaupt das richtige Mittel sein kann, andere existierende Kopien zu vernichten, kann an dieser Stelle dahinstehen. Bedenken bestehen jedoch dahingehend, dass mittels einer DoS-Attacke lediglich der Zugriff auf den Datenbestand behindert wird und es in der Regel nur dann zu einer Löschung kommt, wenn die entsprechenden Inhalte lediglich im Arbeitsspeicher vorrätig waren und der Rechner aufgrund der Attacke abstürzt (vgl. auch Ernst, DS 2004, 14 [17]). Darüber hinaus kommt durch die DoS-Attacke möglicherweise auch eine Strafbarkeit des Angreifers selbst in Betracht. Zwar ist § 303 Abs. 1 StGB mangels Substanzeinwirkung trotz

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

könne den Besitztatbestand völlig ausschließen.205 Damit nimmt Eckstein den digitalen Besitzer jedoch in eine Pflicht, für die es weder eine Vergleichbarkeit noch ein Erfordernis gibt. So muss derjenige, der in seinem Herrschaftsbereich eine analoge Schrift mit kinderpornografischem Inhalt findet, sich dieser zwar sofort wieder entledigen, um nicht nach § 184b Abs. 4 StGB strafbar zu sein; eine Pflicht, das Original oder andere Kopien aufzuspüren und ebenfalls zu vernichten, existiert jedoch nicht. Etwas anderes ließe sich nur dann begründen, wenn das Besitzobjekt nicht die lokale Kopie, sondern der die Ursprungsdarstellung beinhaltende Server-Datenspeicher wäre. Jedoch besitzt der Täter nicht die Datenspeicher des entfernten Servers, sondern nur die seines Computers.206 Auch aus der Funktion der Besitzstraftatbestände lässt sich das Postulat der Vernichtung aller existierender Exemplare nicht entnehmen. Der Strafgrund des § 184b Abs. 4 StGB liegt unter anderem in der Verfügungsmöglichkeit des Täters über den besessenen Gegenstand.207 Löscht der Internetnutzer nun die inkriminierende Datei, besteht die Verfügungsmöglichkeit genauso nicht mehr, wie er auch nach dem Vernichten einer Schrift nicht mehr über diese verfügen kann. Da in diesem Fall aber das aus dem Besitz resultierende Risiko nicht mehr besteht, hat der Täter durch die Beseitigung das seinerseits Erforderliche getan. Dass außerhalb seines Herrschaftsbereichs noch Kopien, Duplikate oder Originale der Datei bzw. der Schrift existieren, hat für seinen Besitz aber keine Relevanz, da dieser allein von dem vernichteten Besitzobjekt abhängig war. Greift der Täter jedoch nach dem Löschen seiner Kopien erneut auf die Originale auf dem Anbieterserver zu und lädt sich dadurch neue Kopien auf nicht nur unerheblicher Beeinträchtigung nicht verwirklicht, (Vetter, Internetkriminalität, S. 67), die DoS-Attacke kann jedoch den Tatbestand des § 303a Abs. 1 StGB in der Variante der Datenunterdrückung erfüllen (OLG Frankfurt, MMR 2006, 547 [551]; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 592; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn.  150 f.; Vetter, Internetkriminalität, S. 68, die jeweils darauf hinweisen, dass es unerheblich ist, dass die angegriffene Webseite für Dritte unerreichbar ist. Entscheidend sei nur, dass der Berechtigte nicht mehr auf seine Daten zugreifen kann) oder den des § 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB (BT-Drucks. 16 / 3656, 23; Ernst, NJW 2007, 2661 [2665]; Gercke, ZUM 2012, 625 [631]; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 610; Stree / Hecker, in: Sch / Sch, § 303b StGB Rn. 7; Weidemann, in: Beck’scher OK, § 303b StGB Rn. 10). Für § 303b StGB ist dabei zusätzlich eine Nachteilszufügungsabsicht erforderlich. Ob die von Eckstein, NStZ 2011, 18 (21) in diesen Fällen geforderte DoS-Attacke daneben auch rechtswidrig wäre, erscheint aufgrund der rechtlichen Pflicht, die entdeckten kinderpornografischen Darstellungen umgehend zu löschen, zumindest fraglich. 205  So jedenfalls Eckstein, NStZ 2011, 18 (21). 206  Siehe oben D. I. 2. 207  Siehe hinsichtlich der Funktion von Besitzdelikten oben B. IV. 2. a).



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 221

seinen Computer herunter, stellt dies keine Verfügung über einen bereits besessenen Gegenstand dar, sondern möglicherweise ein erneutes strafbares Besitzverschaffen.208 Das mit den verbleibenden Exemplaren verbundene Risiko bleibt daher auch weiterhin strafrechtlich sanktionierbar. c) Zwischenergebnis Ausgehend davon, dass „es sich (…) [sowohl beim Arbeits- als auch beim Cachespeicher] um ein taugliches Tatobjekt [handelt], kann die physikalisch technische Funktionsweise dieses Tatobjekts die tatsächliche Sachherrschaft nicht grundsätzlich in Frage stellen.“209 Mithin ist durch das bloße Betrachten kinderpornografischer Darstellungen am Computerbildschirm ein Sich-Verschaffen strafbaren Besitzes i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB grundsätzlich auch dann schon möglich, wenn es lediglich zu einer Arbeits- oder Cachespeicherung der inkriminierenden Darstellungen gekommen ist. Dem Erfordernis der Dauerhaftigkeit ist dabei nur eine geringe Bedeutung beizumessen, da nicht die Dauer, sondern der während des Herrschaftsverhältnisses bestehende Besitzwille den Besitz konstituiert.210 Dies muss insbesondere vor dem Hintergrund gelten, dass sich für eine ausreichende Dauer keine nachvollziehbaren Kriterien festlegen lassen. Unter Zugrundelegung eines generellen Herrschaftswillens ist im Ergebnis sowohl durch die automatische Cache-Speicherung als auch durch die bloße Arbeitsspeicherung ein tatbestandsmäßiges Sich-Verschaffen i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB möglich, da die „volle Verfügungsgewalt über den Inhalt des Arbeitsspeichers (…) den Zeitfaktor zurücktreten [lässt]“211. Da es in der Hand des Täters liegt, die Internetseite zu schließen, den Cache zu leeren oder zumindest die entsprechenden Dateien zu löschen, beherrscht er mithin zumindest für die Dauer des Betrachtens den die Darstellungen beinhaltenden Datenspeicher.212 Dieses Herrschaftsverhältnis entsteht jedoch weder ohne Zutun des Täters noch kann von einer generellen Unkenntnis zugunsten des Täters ausgegangen werden. Auch ein nachgewiesenes Löschen der im Cache gespeicherten Daten kann weder grundsätzlich 208  Nach Wüstenberg, StraFo 2009, 233 (234) kann bei einem wiederholten Zugriff auf die gleiche Quelle richtigerweise auf einen entsprechenden Besitzwillen und Vorsatz geschlossen werden. So auch OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41; Fischer, § 184b StGB Rn. 25. 209  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (121). 210  Mit der gleichen Begründung spricht sich auch Joost, in: MüKo, § 854 BGB Rn. 11 f. gegen ein Abstellen auf die Dauer der Sachbeziehung aus. 211  Eckstein, NStZ 2011, 18 (20). 212  Vgl. zum „Beherrschen“ der Bildschirmdarstellung OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (42); siehe ausführlich zum Besitz durch Datenherrschaft unter E. II. 1.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

für noch gegen einen Besitzwillen sprechen, wobei die Parallele der §§ 184 ff. StGB zu den Betäubungsmitteldelikten im Falle einer sofortigen Löschung eher gegen einen Besitzwillen spricht, da auch dort die sofortige Entledigung erlangter Betäubungsmittel gegen einen Besitzwillen sprechen soll.213 Dies stellt gegenüber einem im Voraus geäußerten ausdrücklichen, strafrechtlich aber bedeutungslosen Willen, keine zwischengespeicherten kinderpornografischen Darstellungen besitzen wollen,214 auch keine Inkonsequenz dar, da durch das Löschen nicht nur der eindeutige Nicht-Besitzwille zum Ausdruck kommt, sondern darüber hinaus auch das tatsächliche Herrschaftsverhältnis aufgehoben wird. Keinen Willen, eine Sache für sich zu besitzen, hat hingegen derjenige, der den bloßen Besitz eines anderen duldet.215 Im Ergebnis spricht auch die Vergleichbarkeit von Arbeits- und Cachespeicher mit einem Briefkasten daher grundsätzlich für einen generellen Besitzwillen. Ob ein solcher Besitzwille zum Zeitpunkt der Speicherung tatsächlich vorliegt, ist jedoch vom Einzelfall abhängig.216 Eckstein ist daher insoweit beizupflichten, dass „[die] Achillesferse der Beweisführung (…) der Herrschaftswille [bleibt].“217 3. Tathandlung des Besitzens, § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB Während sich nach 184b Abs. 4 Satz  1 StGB derjenige strafbar macht, der sich vorsätzlich kinderpornografische Schriften verschafft, stellt Satz 2 den Besitz eben solcher Schriften unter Strafe. Unter Besitz wird dabei nach bisherigem Verständnis die tatsächliche Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand verstanden, welcher von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen ist,218 so dass der Tatbestand des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB grundsätzlich dann erfüllt ist, wenn der Täter bewusst und vorsätzlich die Herrschaft über kinderpornografische Schriften ausübt. Dies ist hinsichtlich digitaler Inhalte insbesondere dann der Fall, wenn diese auf einem „klassischen“ Datenspeicher, also als DVD, Festplatte oder einem anderen perma213  Vgl. an dieser Stelle nur BGH NStZ 2005, 155 (156); siehe ausführlich oben B. IV. 1. a) aa) (2). 214  So steht auch der Aufkleber „Bitte keine Werbung“ dem Besitz an in den Briefkasten eingeworfener Werbung nicht entgegen. 215  Vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1998, 27; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1098; Malek, Strafsachen, Rn. 223; siehe ansonsten bereits oben B. IV. 1. a) aa) (2). 216  So auch Gercke, CR 2012, 798 (802). 217  Eckstein, NStZ 2011, 18 (20). 218  Vgl. an dieser Stelle nur BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; BGHSt 53, 69 (70); siehe ausführlich oben unter B. III. 4.



I. Tathandlung des Sich-Verschaffens und des Besitzens 223

nenten Medium, gespeichert vorliegen und sich im tatsächlichen Herrschaftsbereich des Täters befinden.219 Gleiches gilt in analogen Fällen für Bücher, Gemälde oder Fotoabzüge.220 Aus diesem Grund hat sich A sowohl im Fall 2221 als auch im Fall 1222 nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB strafbar gemacht. Da dem Besitz in der Regel jedoch bereits eine strafbare Verschaffungshandlung vorausgegangen ist, kommt der Regelung in Satz 2 lediglich eine Auffangfunktion zu.223 Relevant wird die Besitzstrafbarkeit daher zum einen in den Fällen, in welchen die Verschaffenshandlung entweder nicht bewiesen werden kann oder bereits verjährt ist;224 zum anderen dann, wenn der Besitz ursprünglich unvorsätzlich erlangt wurde.225 Aufgrund der Ausgestaltung der Besitzstrafbarkeit aus § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB als echtes Unterlassungsdelikt, trifft den Besitzer grundsätzlich die Pflicht, auch unvorsätzlich erlangten Besitz nach Kenntniserlangung umgehend zu beenden.226 Eine unvorsätzliche Besitzerlangung ist in analogen Sachverhalten beispielsweise in den Fällen vorstellbar, in denen die kinderpornografischen Schriften ohne das Zutun und Wissen des Täters etwa durch einen Dritten in seinen Herrschaftsbereich verbracht werden, auf digitale Sachverhalte übertragen beispielsweise dann, wenn entsprechende Darstellungen automatisch unbemerkt zwischengespeichert oder durch Dritte heruntergeladen 219  Vgl. z. B. OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 329; Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 329; ders., CR 2010, 798 (801); Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 307; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1174; Malek, Strafsachen, Rn. 324; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 225; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 16. 220  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 14. 221  Siehe oben unter D. I. 222  Siehe oben unter D. I. 223  Vgl. BGH NStZ 2009, 208; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 37; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15; i. E. ähnlich Laubenthal, Handbuch, Rn. 1095; Schroeder, NJW 1993, 2581 (2583); a. A. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 328, nach dem § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB nicht auf „Internetsachverhalte“ anwendbar ist, weswegen der Regelung in Satz 2 eine besondere Bedeutung beizumessen sei. 224  Vgl. Laubenthal, Handbuch, Rn. 1096; Palm, Kinderpornographie, S. 129; siehe hinsichtlich der Funktionen der Besitzdelikte im Allgemeinen ausführlich oben B. IV. 2. a). 225  OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (43); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15; siehe zur Kritik an der Strafbarkeit des Besitzes Schreibauer, Pornographieverbot, S.  312 ff. 226  Siehe oben B. IV. 1. a) bb); vgl. ansonsten nur BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

worden sind.227 Erlangt der Täter Kenntnis von diesen Schriften und beendet darauf hin nicht umgehend das Herrschaftsverhältnis, macht er sich – in analogen, wie auch in digitalen Fällen – regelmäßig nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB strafbar.228 Dies ist auch dann der Fall, wenn unbeabsichtigt und unvorsätzlich kinderpornografische Darstellungen im Internet aufgerufen und dann bewusst betrachtet werden.229 Für die Frage, wer alles Besitzer i. S. d. Vorschrift sein kann, ist wie schon im Betäubungsmittelstrafrecht230 allein der strafrechtliche Besitzbegriff ausschlaggebend, weswegen neben dem mittelbaren Besitzer auch der zivilrechtliche Besitzdiener als Täter in Betracht kommt.231 Auch wenn der Besitzdiener aufgrund seiner Weisungsgebundenheit gemäß § 855 BGB selbst keinen zivilrechtlichen Besitz ausübt, kann er entgegen Hörnle232 dennoch selbstständig am Markt teilnehmen. Allein der Umstand, dass der Besitzdiener die Sachherrschaft über eine kinderpornografische Schrift zivilrechtlich für seinen Besitzherren im Rahmen dessen Weisungen ausübt, vermag das aus diesem Herrschaftsverhältnis resultierende strafrechtlich relevante Risiko nicht einzudämmen. Die Annahme, dass daher allein eine mögliche Teilnahmestrafbarkeit in Betracht käme,233 überzeugt vor dem Hintergrund des in erster Linie faktisch geprägten Besitz- und Gewahrsamsverständnisses des Strafrechts nicht. Dies muss insbesondere für den Fall digitaler Inhalte auf Trägermedien gelten. Anders als bei der analogen Schrift, bei welcher das zivilrechtliche Verhältnis einer Weitergabe und damit Teilnahme am Markt vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber dem Besitzherren tatsächlich ein Hindernis oder Hemmnis darstellen könnte, ist eine Marktteilnahme des Besitzdieners hinsichtlich digitaler kinderpornografischer Schiften gerade unproblematisch möglich.234 Gleiches gilt auch für den z. B. Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 48. Burmeister / Böhm, StV 2009, 471 (472); Harms, NStZ 2003, 646 (647); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 37 f. 229  Siehe hinsichtlich des erforderlichen Vorsatzes sogleich unter D. II. 230  Siehe oben unter B. IV. 1. a) aa) (1). 231  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5 f.; Eckstein, Besitz, S. 109 f.; ders., ZStW 117 (2005), 107 (109); Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Harms, NStZ 2003, 646 (648); Lackner / Kühl, § 184b StGB Rn. 8; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1097; Palm, Kinderpornographie, S. 129; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 16; siehe aber auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 28, die die zivilrechtlichen Besitzregeln nur bei körperlichen Schriften und Datenspeichern für anwendbar hält; siehe hinsichtlich der Unterschiede zwischen zivil- und strafrechtlichem Besitzbegriff ausführlich oben unter B. III. 2. c). 232  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 34. 233  So aber Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 34. 234  Siehe hinsichtlich des digitalen Verbreitens und Zugänglichmachens unten unter E. I. 2. d). 227  Vgl. 228  Vgl.



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mittelbaren Besitzer, sofern er entsprechenden Zugang zu der Schrift hat und ohne weiteres über sie verfügen kann.235 Dies ist bei digitalen Inhalten beispielsweise dann der Fall, wenn der Leiter eines Rechenzentrums oder der Administrator bzw. jeder mit entsprechenden Rechten und Befugnissen236 eines Unternehmens Kenntnis der auf den Servern gespeicherten kinderpornografischen Dateien hat und diese trotz Zugriffsmöglichkeit nicht löscht.237 Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB erfordert damit wie auch der zivilrechtliche Besitz ein von einem generellen Besitzwillen getragenen tatsächlichen Herrschaftsverhältnis und stellt nach überwiegender Ansicht ein echtes Unterlassungsdelikt238 dar. Hinsichtlich heruntergeladener bzw. anderer gespeicherter Daten ergibt sich das notwendige Herrschaftsverhältnis „noch zwanglos aus der tatsächlichen Sachherrschaft über (…)[die] Datenspeicher des eigenen Computers.“239 Daneben kann der Besitzwille im Rahmen der digitalen Besitz- und Besitzverschaffungsdelikte bezüglich des eigenen Arbeits- und Cachespeichers vermutet werden, da dem durchschnittlichen Internetnutzer zumindest der Umstand der automatischen Zwischenspeicherung bekannt sein dürfte,240 ohne dass es dabei auf die konkreten Daten im Einzelnen ankäme.

Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15, 15a. Rechte und Befugnisse sind in diesem Fall analog wie digital zu verstehen, da allein aus der digitalen Zugriffsmöglichkeit aufgrund entsprechender Passwörter noch keine Berechtigung erfolgen kann, beliebig Daten zu löschen. Da das Wissen um ein Passwort noch keine Berechtigung begründet (Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 92), erfüllt das Löschen entsprechender Daten möglicherweise neben § 303a Abs. 1 StGB auch § 202a Abs. 1 StGB. Die Kollision der Handlungspflicht aus § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB mit der Verletzung der §§ 202a, 303a StGB ist in diesem Fall über § 34 StGB zu lösen. Siehe hinsichtlich der Löschungspflicht von Host-Providern bei Kenntnis auch Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 602 ff.; Palm, Kinderpornographie, S. 252 ff. 237  Vgl. Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a; siehe auch Laubenthal, Handbuch, Rn. 1097. 238  So z. B. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Fischer, § 184b StGB Rn. 22; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 13; a. A. z. B. Eckstein, Besitz, S. 150 ff., 171 ff., 213 ff.; ders., ZStW 117 (2005), 107 (112), der sich stattdessen für eine Zustandshaftung ausspricht; kritisch auch Lackner / Kühl, § 184b StGB Rn. 8; siehe aber auch Laubenthal, Handbuch, Rn. 1096, der § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB als unechtes Unterlassungsdelikt ansieht. 239  Eckstein, Besitz, S. 109. 240  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 137. 235  Vgl. 236  Die

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

II. Subjektiver Tatbestand Strikt vom Besitzwillen ist der Vorsatz zu trennen.241 Der Besitzwille ist konstitutives Element des objektiven Tatbestandsmerkmals „Besitz“,242 während der Vorsatz alleiniges subjektives Merkmal des § 184b Abs. 2 und 4 StGB ist. Da sich der Vorsatz auf alle objektiven Tatumstände beziehen muss, muss dieser neben dem Tatobjekt der kinderpornografischen Schrift auch die Tathandlung des Besitzes einer solchen umfassen.243 Von einem entsprechenden Wissen und Wollen des Herrschaftsverhältnisses ist daher beispielsweise grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Täter dieses bewusst und durch eindeutig nachvollziehbare Handlungen i.  S.  d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB hergestellt hat und gleichzeitig weiß, dass es sich bei den besessenen Gegenständen um kinderpornografische Schriften handelt. Dies ist in analogen Fällen zum Beispiel unstreitig dann gegeben, wenn der Täter kinderpornografische Schriften ankauft oder auf andere Art an sich nimmt. In digitalen Fällen ist ein entsprechender Vorsatz anzunehmen, wenn der Täter die Daten im Wissen ihres Inhaltes gesondert auf Datenspeichern, wie einer Festplatte sichert oder eine DVD mit entsprechendem Inhalt ankauft,244 da durch diese Handlung ein bewusstes Sich-Verschaffen nach außen tritt.245 Auch das wiederholte Aufrufen ein und derselben Webseite mit kinderpornografischem Inhalt spricht bei Zugrundelegung eines generellen Besitzwillens nach verbreiteter Ansicht246 für einen entsprechenden Vorsatz bezüglich der zwischengespeicherten Inhalte. Andererseits vermögen weder allein die Anzahl der Aufrufe noch die jeweilige Verweildauer 241  So auch Eckstein, Besitz, S. 107 ff.; König, Kinderpornografie, Rn. 250; mit kritischer Vorsicht ist daher den Kommentierungen zu begegnen, die die systematische Trennung von Besitzwillen und Vorsatz nicht eindeutig einhalten. So z. B. Fischer, § 184b StGB Rn. 25. 242  Siehe zum Besitzwillen oben B. III. 2. a) bb). 243  BGH NStZ 2007, 95; OLG Hamburg, NJW 2010, 1893; Burmeister / Böhm, StV 2009, 471; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 317, Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 43; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 17; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 17. 244  Vgl. Exner, Pornografiestraftaten, S.  38; Wüstenberg, StraFo 2009, 233 (234). Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Täter z. B. beim Ankauf alter CDs und DVDs auf einem Flohmarkt keine Kenntnis von dem jeweiligen Inhalt der Speichermedien hat, OLG Oldenburg, MMR 2011, 118. Erlangt der Täter jedoch später Kenntnis von dem kinderpornografischen Inhalt, kommt eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in Betracht. Siehe dazu sogleich unter D. II. 1. 245  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 44; Laue, in: Dölling / Duttge / Rössner, § 184b StGB Rn. 6; i. E. auch Gercke, CR 2010, 178 (801). 246  OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1894); OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 44; siehe zum Vorsatz bei digitalen Besitzstraftaten ausführlich Wüstenberg, StraFo 2009, 233 ff.



II. Subjektiver Tatbestand227

auf einer entsprechenden Webseite eine sichere Aussage hinsichtlich des Tätervorsatzes zu treffen, weswegen die Feststellung des Vorsatzes einzelfallabhängig ist und anders als der generelle Besitzwille nicht ohne weiteres vermutet werden kann. Nach Ansicht des LG Aachen247 spricht daher eine kurze Verweildauer zusammen mit der Vielzahl der zwischengespeicherten Bilddateien eher für eine automatische und ungewollte Zwischenspeicherung von einer Übersichtsseite als für einen gezielten Aufruf und Konsum und damit gegen einen Vorsatz im Zeitpunkt der Zwischenspeicherung, während das LG Stuttgart bei einer Verweildauer von 30 Minuten auf einer einschlägigen Webseite hingegen von einem entsprechenden Vorsatz ausgeht. Gleiches gilt nach Ansicht des OLG Schleswig in den Fällen, in welchen der Täter, nachdem „sich der kinderpornografische Inhalt dieser Internetseiten bestätigt hatte[,] (…) in einer Vielzahl von Fällen diese Seiten gezielt immer wieder (…) [aufruft und betrachtet]“.248 1. Trennung von Vorsatz und Besitzwillen Wie wichtig eine saubere Trennung zwischen Besitzwillen und Vorsatz ist, wird wiederum bei genauer Betrachtung von Arbeits- und Cachespeicherung deutlich. Machte die Generalisierung des Herrschaftswillens eine spezialisierte Kenntnis von jedem Gegenstand im Rahmen des den Besitz konstituierenden Besitzwillens noch überflüssig,249 erfordert der Vorsatz hingegen eine konkrete Kenntnis der Tatumstände;250 der Täter muss sowohl Kenntnis von dem Besitz haben und diesen auch wollen, wie er auch wissen muss, dass es sich bei dem besessenen Gegenstand um kinderpornografische Schriften handelt.251 Daher lässt sich auch unter Anerkennung eines generellen Besitzwillens, welcher auch die Zwischenspeicher umfasst, nicht ohne weiteres ebenfalls auf mindestens bedingten Tatvorsatz schließen.252 Vielmehr kann aufgrund der Automatisierung der Zwischenspeicherung der Vorsatz in diesen Fällen zu Recht bezweifelt werden.253 Allein aus der 247  Siehe

LG Aachen, MMR 2008, 764. Schleswig, NStZ-RR 2007, 41. 249  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 99; siehe ansonsten oben unter D. I. 2. b) aa). 250  Vgl. nur Fischer, § 15 StGB Rn. 4; Heinrich, AT, Rn.  266 f. 251  Vgl. Fischer, § 184b StGB Rn. 25a; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 43. 252  Vgl. Fischer, § 184b StGB Rn. 25a; Gercke, CR 2010, 798 (802). 253  So auch Harms, NStZ 2003, 646 (650); Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 309; Laue, in: Dölling / Duttge / Rössner, § 184b StGB Rn. 6; MarberthKubicki, Internetstrafrecht, Rn. 227; Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 35; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 13; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 15. 248  OLG

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

Existenz von Dateien mit Miniatur-Vorschaubilder kinderpornographischen Inhalts in einem automatischen Speicher ist daher ein Rückschluss auf einen entsprechenden Vorsatz nicht möglich;254 weder für den Zeitpunkt der Besitzerlangung i. S.d § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB noch für den auf diesen folgenden Besitz gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB, da die Vorschaubilder auch automatisch im Hintergrund und damit möglicherweise auch unvorsätzlich in den Herrschaftsbereich gelangt sein können. Ebenso wie der Briefkastenbesitzer zwar Besitzer der eingeworfenen Drogen wird, bei mangelnder Kenntnis des Umstandes ein Vorsatz und damit auch ein strafbarer Besitz aber regelmäßig abzulehnen ist,255 will der Computernutzer, der zwar generell seinen Arbeits- und Cachespeicher besitzen will, sich nicht zwangsläufig auch den Besitz an kinderpornografischen Schriften i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB verschaffen.256 Sofern er nicht weiß, dass er kinderpornografische Inhalte gespeichert hat, fehlt es in diesen Fällen an der vorsätzlichen Besitzverschaffung.257 Dies ist zum Beispiel auch dann der Fall, wenn der Täter auf der Suche nach Erwachsenenpornografie Übersichtsseiten mit einer großen Anzahl von kleinen Vorschaubildern aufruft, unter denen sich auch kinderpornografische Darstellungen befinden. Nimmt er diese nicht gesondert wahr, entsteht durch die Zwischenspeicherung zwar ein Besitzverhältnis, mangels Kenntnis kinderpornografischer Darstellungen geschieht dies jedoch vorsatzlos und damit straffrei.258 Gleiches gilt auch für die Fälle, in welchen die kinderpornografischen Darstellungen unbemerkt im Hintergrund heruntergeladen werden. Auf analoge Fälle übertragen ist dies beispielsweise dann der Fall, wenn A ein verschlossenes Behältnis seines Bekannten B zur Aufbewahrung in seine Wohnung nimmt, ohne zu wissen, dass sich in diesem DVDs mit kinderpornografischem Material befinden.259 Auch in diesem Fall entsteht 254  Vgl. AG Saarbrücken, BeckRS 2011, 00854; Gercke, in: Spindler / Schuster, § 184b StGB Rn. 10; ders., ZUM 2010, 633 (641); ders., CR 2010, 798 (802); Harms, NStZ 2003, 646 (650); Wüstenberg, StraFo 2009, 233 (234); ebenso Hörnle, NStZ 2010, 704 (705), nach der bezüglich des Wissens um die Existenz zwischengespeicherter Inhalte „Vorsicht notwendig [sei]“. 255  Siehe oben B. IV. 2. b) aa); vgl. zum vorsatzlosen Besitz an dieser Stelle nur BGH StV 1981, 127 (128) zu § 11 BtMG a. F. 256  So auch Palm, Kinderpornographie, S. 139. 257  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 139. 258  Vgl. LG Aachen, MMR 2008, 764; ähnlich AG Saarbrücken, BeckRS 2011, 00854, das aber bereits den Besitzwillen mangels hinreichender Computerkenntnisse des Täters abgelehnt hat. 259  Ähnlich OLG Oldenburg, MMR 2011, 118. Vgl. hierzu auch den OLG Braunschweig, GA 1978, 245 (247) zugrunde liegenden Fall, in welchem sich in



II. Subjektiver Tatbestand229

an dem Behältnis samt Inhalt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und damit Besitz, welchen sich der A durch das Verbringen in seine Wohnung auch i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB verschafft hat. Da sich das Wissen und Wollen jedoch nicht nur auf den Besitz als solchen, sondern auch auf die Tatobjektsqualität als kinderpornografische Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB beziehen muss, ist A solange straffrei, wie er nichts von dem tatsächlichen Inhalt weiß bzw. ahnt. Erst dann kommt möglicherweise eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in Betracht. Durch die systematisch erforderliche Trennung von Besitzwillen und Vorsatz kommt es auch zu keiner Ausweitung der Strafbarkeit:260 Wer nur zufällig Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt aufruft, macht sich mangels Vorsatzes trotz der zwischengespeicherten Darstellungen nicht gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB strafbar. Erst wenn der Nutzer Kenntnis von dem Inhalt der Daten erlangt, muss er sich dieser umgehend entledigen. Anderenfalls kommt eine Strafbarkeit wegen Besitzes nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in Betracht.261 Dies ist auch dann der Fall, wenn der Täter entsprechende Darstellungen nicht löscht, nachdem er seinen Cachespeicher gesichtet hat.262 Da es nach Exner263 auf diese Sichtung ankäme, sei dem Internetnutzer, der unkontrolliert große Mengen an Erwachsenenpornografie herunterlädt und abspeichert, sogar ein entsprechender Vorsatz bezüglich eventuell dabei heruntergeladener kinderpornografsicher Darstellungen zu unterstellen. Eine Pflicht zum regelmäßigen Sichten lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. 2. Irrtumsfälle Nach § 16 Abs. 1 StGB handelt derjenige ohne Vorsatz, der einen zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstand bei Begehung der Tat nicht kennt, weswegen in den obengenannten Fällen eine Strafbarkeit immer dann ausscheidet, wenn der Täter nichts von den in seinem Besitz befindlichen kinderpornografischen Darstellungen weiß.264 Weiß der Täter hingegen von der Zwischenspeicherung und geht jedoch davon aus, dass ein strafbarer dem Handschuhfach eines entgegengenommenen PKW eine Waffe befand. Siehe dazu ausführlich bereits oben unter B. IV. 1. b) bb). 260  Dennoch Bedenken äußernd Fischer, § 184b StGB Rn. 21c. 261  Vgl. OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (43); OLG Oldenburg, MMR 2011, 118; LG Freiburg, CR 2011, 647; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 309; Palm, Kinderpornographie, S.  139; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a. 262  So jedenfalls Exner, Pornografiestraftaten, S. 37 f. 263  Exner, Pornografiestraftaten, S. 38. 264  Siehe oben D. II. 1.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB erst dann vorliegt, wenn die online betrachteten Dateien gesondert gespeichert wurden, bewertet er die Voraussetzungen eines (normativen) Tatbestandmerkmals falsch und unterliegt damit einem Subsumtionsirrtum als Fall des Verbotsirrtums i. S. d. § 17 Satz 1 StGB.265 Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Täter irrig davon ausgeht, sich auf § 184b Abs. 5 StGB berufen zu können.266 Da sich der Vorsatz bei § 184b Abs. 4 StGB jedoch nicht nur auf den Besitz, also das tatsächliche Herrschaftsverhältnis, sondern auch das Tatobjekt kinderpornografische Schrift beziehen muss, sind Fälle vorstellbar, in welchen sich der Täter hinsichtlich des Tatobjekts irrt, also beispielsweise einen kindlichen „Darsteller“ für einen Jugendlichen hält.267 Bei der Altersklassenzugehörigkeit handelt es sich um einen zum objektiven Tatbestand gehörenden Umstand, so dass die Fehlvorstellung des Täters einen Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 StGB darstellen kann.268 Entscheidender Zeitpunkt für die Bewertung ist dabei nicht der Tatzeitpunkt, sondern der der Schriftproduktion, da nur so gewährleistet ist, dass die Schrift auch 265  Siehe zum Subsumtionsirrtum z.  B. bei Heinrich, AT, Rn.  1078 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, AT, 242. 266  Vgl. nur Fischer, § 184b StGB Rn. 26; siehe hierzu ansonsten insbesondere den „Fall Tauss“ (LG Karlsruhe, Urteil vom 28.05.2010 – 2 KLs 310 Js 323 / 09 [unveröffentlicht], BGH, Beschluss vom 24.  August 2010 – 1 StR 414 / 10). Der Bundestagsabgeordnete Tauss war als Abgeordneter weder Amtsträger i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. BVerfGE 76, 256 [341]; Fischer, § 11 StGB Rn. 16; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 11 StGB Rn. 32; Trüg, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 15) noch gehörte die Recherche zu seinen beruflichen Pflichten (Kreutz, DÖV 2010, 599 [602 f.]), weswegen eine Anwendung von § 184b Abs. 5 StGB von vorne­ herein ausscheidet. Die Fehlvorstellung bezüglich eines Tatbestandsausschlusses stellt einen vermeidbaren Subsumtionsirrtum dar und ist nach § 17 Satz 1 StGB zu behandeln (Fischer, § 184b StGB Rn. 26; Kreutz, DÖV 2010, 599 [605]). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Weitergabe kinderpornografischen Materials durch einen Verteidiger an seinen Mandanten, OLG Frankfurt a. M., NJW 2013, 1107 m. Anm. König. 267  Mangels Vorsatzes bezüglich der Besitzverschaffung einer kinderpornografischen Schrift muss in diesem Fall gemäß § 16 Abs. 1 StGB eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB ausscheiden. Gleiches gilt für andere in Betracht kommende Tatmodalitäten. Stattdessen „versucht“ der Täter, sich den Besitz einer jugendpornografischen Schrift zu beschaffen, so dass er sich aufgrund der Ausgestaltung als Unternehmensdelikt nach § 184c Abs. 4 Satz 1 StGB strafbar macht (Fischer, § 184b StGB Rn. 25; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 43). In den nicht als Unternehmensdelikt ausgestalteten Tatmodalitäten handelt es sich hingegen um einen untauglichen Versuch, der mangels Versuchsstrafbarkeit straflos bleiben müsste. Nach Mitsch, ZStW 124 (2012), 323 (337) ist der Täter in diesen Fällen über § 16 Abs. 2 StGB ebenfalls nach § 184c StGB zu bestrafen (so auch Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184c StGB Rn. 11; Wolters, in: SK-StGB, § 184c StGB Rn. 5). Siehe zu dem möglichen Irrtumskonstellationen umfassend Mitsch, ZStW 124 (2012), 323 ff. 268  Vgl. Mitsch, ZStW 124 (2012), 323 (234).



II. Subjektiver Tatbestand231

„Jahre später immer noch ein Kind ‚zum Gegenstand‘ hat“269.270 Irrt der Täter hingegen über den pornografischen Charakter der Schrift, liegt wiederum ein Subsumtionsirrtum vor.271 3. Zwischenergebnis Entscheidend für eine Strafbarkeit des Besitzes ist damit ebenso wie im Falle des Sich-Verschaffens neben dem tatsächlichen Beherrschungsverhältnis das Vorliegen eines entsprechenden Tatvorsatzes. Für die Fälle der im Hintergrund automatisch ablaufenden Zwischenspeicherung in Arbeits- und Cachespeicher bedeutet dies, dass solange der Computernutzer nichts von der Existenz der auf seinem Computer gespeicherten Daten weiß, eine Strafbarkeit zumindest auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes ausscheiden muss. Insbesondere lassen sich aufgrund der Automatisierung des Vorganges allein aus der Existenz kinderpornografischer Darstellungen im Browser-Cache keine Rückschlüsse darauf schließen, dass diese vom Nutzer vorsätzlich heruntergeladen worden sind.272 Weiß der Täter jedoch um die technischen Gegebenheiten und ruft dennoch einschlägige Seiten im Internet auf, ist ein entsprechender Vorsatz anzunehmen.273 Werden hingegen versehentlich kinderpornografische Darstellungen aufgerufen, etwa auf der Suche nach Erwachsenenpornografie, trifft den Internetnutzer aufgrund der Vergleichbarkeit der Arbeits- und Cachespeicher mit einem Briefkasten die Pflicht, das entstandene Herrschaftsverhältnis wieder zu beenden.274 In analogen Fällen hängt es demgegenüber davon ab, ob mit einem entsprechenden Besitz zu rechnen ist. Erwirbt daher jemand beispielsweise auf einer Kofferauktion einen unbekannten Koffer, in dem er im Nachhinein Waffen, Drogen oder kinderpornografische DVDs oder andere verbotene Gegenstände entdeckt, entsteht ein Besitzverhältnis nicht schon mit dem Erwerb oder dem Verbringen in den eigenen Herrschaftsbereich, sondern erst mit Kenntnis eben dieser Gegenstände.275 Werden diese Gegenstände hingegen in den Briefkasten eingeworfen, erfasst der generelle 269  Hörnle,

Schroeder-FS 2006, S. 477 (482). Mitsch, ZStW 124 (2012), 323 (235) siehe auch BGHSt 47, 55 (61 f.); Fischer, § 184b StGB Rn. 25. 271  Vgl. Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 17. 272  Vgl. Hörnle, NStZ 2010, 107 (705). 273  Vgl. BGH NStZ 2007, 95; Popp, ZIS 2011, 193 (197 in Fn. 32). 274  A. A. wohl Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 15a. 275  Vgl. auch OLG Braunschweig, GA 1978, 245 (247), wonach der Erwerber eines Kfz nicht mit in dem Handschuhfach versteckten Waffen rechnen müsse. Siehe dazu auch oben unter B. IV. 1. a) aa) (2). 270  Vgl.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

Beherrschungswille auch diese Gegenstände. Findet sich der Erwerber in einem dieser drei Fälle mit dem Besitz ab, ist jedoch kein Grund ersichtlich, wieso das jeweilige Verhalten straflos bleiben soll. Nur wenn er das entstandene Besitzverhältnis umgehend auflöst, kann vom Fehlen eines entsprechenden Vorsatzes ausgegangen werden.276 Die Grenze zur Strafbarkeit ist daneben, wie bei jedem Unterlassungsdelikt, bei der Möglichkeit und Zumutbarkeit des geforderten Verhaltens zu ziehen.277 Allein auf die Möglichkeit auf Anwenderebene abzustellen, ist hingegen nicht ausreichend,278 da dem Besitzer auch dann die Aufhebung des Besitzverhältnisses im Zusammenhang mit digitalen Daten möglich ist, wenn diese in den Tiefen des Computersystems verborgen sind, er aber mangels eigener EDV-Fähigkeiten nicht auf diese zugreifen kann. Tatobjekt bleibt auch hier der Datenspeicher, auf dem die kinderpornografischen Darstellungen gespeichert sind. Mit diesem rein körperlichen Gegenstand kann der Täter ohne weiteres nach Belieben verfahren, weswegen er diesen weiterhin i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB besitzt. Die Annahme, dass mangels Beherrschungsmöglichkeit der Daten eine Strafbarkeit entfallen müsste, basiert auf einer unzulässigen Trennung zwischen Daten und Datenspeicher.279 Datei und Festplatte bilden zusammen das Tatobjekt kinderpornografischer Datenspeicher i. S. d. § 184b StGB und stellen damit anders als beispielsweise ein in einem Safe deponiertes Päckchen Drogen und eben dieser Safe eine Einheit dar. Während im Falle von Drogen und Safe die Besitzverhältnisse auseinanderfallen können,280 so dass der Safebesitzer bei fehlender Zugriffsmöglichkeit auf den Inhalt nicht auch Besitzer i. S. d. BtMG sein muss, besitzt der Festplattenbesitzer aufgrund der bestehenden Untrennbarkeit i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB auch bei digitalem Zugriffshindernis den Datenspeicher mit samt den auf diesem gespeicherten kinderpornografischen Dateien. Vielmehr kann der Besitzer das Herrschaftsverhältnis über seinen Datenspeicher kinderpornografischen Inhalts – ebenso wie schon im Falle des BKA-Trojaners –281 auch dadurch beenden, dass er sich des gesamten 276  So

auch der ausdrückliche gesetzgeberische Wille BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6. dazu im Allgemeinen Baumann / Mitsch / Weber, AT, § 23 Rn. 7; Heinrich, AT, Rn. 903; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 746; siehe auch Sieber, JZ 1996, 494 (504); Vassilaki, CR 1999, 85 (91). 278  So aber anscheinend z. B. Burmeister / Böhm, StV 2009, 471; Gercke, ZUM 2010, 633 (642); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 38; siehe auch Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (636), 279  Siehe hinsichtlich der Trennung „Datei“ – „Datenspeicher“ ausführlich unten unter E. III. 280  Siehe oben unter B. IV. 1. b) bb). 281  Siehe sogleich unter D. III. 3. 277  Siehe



III. Besondere Tatbestandskonstellationen233

Computers entledigt. Ebenso wie man jedoch weder von demjenigen verlangen können wird, seinen Urlaub nach Kenntniserlangung abzubrechen, um die zwischenzeitlich in seinen Briefkasten geworfene DVD mit kinderpornografischem Inhalt wegzuwerfen oder seinen Garten umzugraben, nachdem er Kenntnis von dort versteckten kinderpornografischen Darstellungen erlangt hat, wird man in den oben genannten Fällen den Besitzer zwingen können, seinen Computer zu zerstören. Eine Strafbarkeit muss in diesen Fällen, trotz bestehender Möglichkeit, das Herrschaftsverhältnis zu beenden, mangels Zumutbarkeit des rechtlich geforderten Verhaltens ausscheiden. Der Pflicht, das Herrschaftsverhältnis zu beenden, wird vielmehr bereits dadurch Genüge getan, dass sich der Besitzer fachkundigen Beistand sucht.

III. Besondere Tatbestandskonstellationen 1. Bloße Suche nach Kinderpornografie im Internet Fraglich ist weiterhin, ab welchem Zeitpunkt eine Strafbarkeit des Internetsurfers gegeben ist, und ob bereits die erfolglose, aber gezielte Suche282 nach kinderpornografischen Daten unter § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB fällt,283 da insbesondere das erfolglose Suchen von einem Verschaffensvorsatz getragen ist.284 Problematisch ist in diesem Zusammenhang allein die Frage, welches konkrete Verhalten Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit sein muss und bis zu welchem Zeitpunkt noch eine straflose Vorbereitungshandlung285 vorliegt. Anknüpfungspunkt kann zum einen bereits die Suche im Internet sein, also schon das Benutzen diverser Suchmaschinen oder das Herumklicken auf einschlägigen Webseiten, ohne dass dabei bereits kinderpornografische Darstellungen angezeigt werden. Zum anderen ließe sich 282  Da es sich bei § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB um ein Unternehmensdelikt handelt, ist der Tatbestand bereits mit Eintritt in das Versuchsstadium verwirklicht (vgl. an dieser Stelle nur Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 36; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 15). 283  So z. B. OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (42); a. A. Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 51; Handke, Bekämpfung, S. 66; M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (364); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 36; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1172; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 14; kritisch z. B. Fischer, § 184b StGB Rn. 21c; Popp, ZIS 2011, 193 (197). 284  Eine erfolglose Handlung setzt vor dem Hintergrund, dass Erfolg das „positive Ergebnis einer Bemühung“ ist (Duden „Erfolg“, Bedeutung), voraus, dass die Bemühung zielgerichtet und damit mit Wissen und Wollen vorgenommen worden ist. 285  Siehe zur Abgrenzung BGHSt 5, 281; BGHSt 33, 381; Fischer, § 11 StGB Rn.  28 f.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

ein Sich-Verschaffen aber auch erst durch das gezielte Anklicken der gesuchten Information annehmen. Hörnle geht noch einen Schritt weiter und fordert, dass der Täter für ein unmittelbares Ansetzen objektiv feststellbar Anstalten machen muss, die entsprechenden Darstellungen abzuspeichern.286 „Die bloße Intention, (…) Dateien auf den eigenen Rechner herunterzuladen“287, könne keinen Versuchsbeginn darstellen. Ihrer Ansicht nach würde in letzter Konsequenz eine Strafbarkeit mangels Eintritts in das Versuchsstadium daher auch dann scheitern, wenn lediglich das Sichtbarmachen einer gefundenen Datei an technischen Problemen scheitert.288 Eine Versuchsstrafbarkeit komme damit nur noch in den Fällen in Betracht, in welchen allein das Abspeichern scheitert,289 da erst mit dem Ansetzen zum Speichern in das Versuchsstadium eingetreten wird und mit Abschluss des Speichervorgangs Vollendung eintritt. Dieses Abstellen auf das Abspeichern als den letztmöglichen Zeitpunkt290 kann vor dem Hintergrund, dass schon das Laden in den Arbeitsspeicher ein strafbares Sich-Verschaffen darstellt, jedoch nicht überzeugen.291 Mit der Zwischenspeicherung ist § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB als Unternehmensdelikt bereits vollendet,292 so dass der Zeitpunkt für den Versuchsbeginn noch vor der Arbeits- oder Cachespeicherung liegen muss.293 Auch bliebe anderenfalls für eine Versuchsstrafbarkeit ein nur sehr eingeschränkter Anwendungsbereich, der darüber hinaus für einen eventuellen Rücktritt kaum Möglichkeiten bietet. Da die Zwischenspeicherung mit dem Aufrufen der entsprechenden Webseiten ausgelöst wird, beginnt der Versuch des § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB nach verbreiteter Ansicht294 bereits mit dem Anklicken 286  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 36; so auch schon LG Stuttgart, NStZ 2003, 36 (37). 287  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 36; i. E. so auch Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 51, der in der Suche im Internet lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung sieht. 288  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 36. 289  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 36. 290  Das Ansetzen zum Abspeichern stellt die letztmögliche Versuchshandlung dar, da mit dem erfolgten Abspeichern bereits Vollendung eintritt. 291  So auch Palm, Kinderpornographie, S. 140; da nach Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35 die bloße Arbeitsspeicherung für sich jedoch noch nicht tatbestandsmäßig sein soll, ist das Verlagern auf einen späteren Zeitpunkt jedoch konsequent. 292  Siehe oben D. I. 1. a). 293  „Das Delikt darf [für eine Versuchsstrafbarkeit] nicht vollendet sein.“ (Heinrich, AT, Rn. 653); siehe hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Versuchsstrafbarkeit im Allgemeinen nur Heinrich, AT, Rn.  631 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn.  590 ff. 294  So jedenfalls OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41; Eckstein, NStZ 2011, 18 (21); Laufhütte, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 10; Palm, Kinderpornographie, S. 141.



III. Besondere Tatbestandskonstellationen235

des verweisenden Links bzw. dem Eintippen der entsprechenden URL in einen Browser. Bis zu diesem entscheidenden Klick, der die kinderpornografischen Darstellungen aufrufen soll, sind noch nicht alle notwendigen Zwischenschritte vollzogen, so dass das Geschehen auch noch nicht unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden könne.295 Das bloße Stöbern oder Suchen mittels einer Onlinesuchmaschine soll nach Eckstein daher noch nicht ausreichen, da die für das Versuchsstadium notwendige Rechtsgutsgefährdung bei dem bloßen Suchen noch nicht gegeben sei.296 Das bloße Suchen nach kinderpornografischen Darstellungen im Internet ist daher solange straflos, wie es nicht bereits selbst zu Zwischenspeicherungen führen kann. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine der GoogleBildersuche ähnliche Suchmaschine verwendet wird, die in ihren Suchergebnissen Vorschaubilder anzeigt, da die automatische Zwischenspeicherung dieser Vorschaubilder die Voraussetzungen für einen strafbaren Besitz nach § 184b Abs. 4 StGB erfüllt. Auch die allgemeinen Regeln über den Versuchsbeginn lassen kein anderes Ergebnis zu. Ein unmittelbares Ansetzen i. S.d § 22 StGB liegt erst dann vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung in der Form angesetzt hat,297 dass der Tatablauf ohne Zäsur und ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die eigentliche Tatbestandshandlung einmünden soll und kann.298 So hat der BGH299 die Wesentlichkeit in einem Fall verneint, in welchem der Täter zunächst nur an den Rädern geparkter Autos rüttelte, um zu überprüfen, ob das Lenkradschloss eingerastet war. Der BGH sah darin bereits ein unmittelbares Ansetzen und in dem noch erforderlichen Aufbrechen lediglich einen unwesentlichen Zwischenakt.300 Vor diesem dem Hintergrund, ließe sich der Versuchsbeginn möglicherweise auch auf den Beginn des Stöberns vorverlagern. Gerade beim Stöbern im Internet sind Konstellationen vorstellbar, in welchen ein gezieltes Anklicken des Eckstein, NStZ 2011, 18 (21). Eckstein, NStZ 2011, 18 (21); i. E. wohl Palm, Kinderpornographie, S. 141, die jedoch das Stöbern und Suchen dann für ausreichend hält, wenn der Täter auf einen gefundenen Link klickt. I. E. stellt sie damit jedoch – wie auch Eckstein – auf den Klick und gerade nicht auf das Stöbern bzw. Suchen ab. 297  Vgl. z. B. Heinrich, AT, Rn. 725, 727; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 601. 298  Vgl. BGHSt 26, 201 (203); BGHSt 28, 163; BGHSt 30, 363 (364); Fischer, § 22 StGB Rn. 10; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 601. 299  BGHSt 22, 80 (81). 300  Vgl. Heinrich, AT, Rn. 729 mit Verweis auf BGHSt 22, 80 (81). Mit der gleichen Begründung ließe sich ein Versuchsbeginn auch in den Fällen annehmen, in welchen der Täter auf einem Parkplatz nach unverschlossenen Autos sucht, indem er an den Türgriffen zieht. Dass im Anschluss noch ein Kurzschließen notwendig wird, stehe der unmittelbar bevorstehenden Rechtsgutsgefährdung nicht entgegen. 295  Vgl. 296  Vgl.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

entscheidenden Links nicht mit Sicherheit feststellbar ist. Anders als beim Suchen mittels einer Suchmaschine, welche nach Abschluss des Suchvorgangs eine Ergebnisseite mit verschiedenen Suchergebnissen samt verweisenden Links präsentiert und damit noch einen Zwischenschritt in Form des Klicks auf eben diesen Ergebnislink erfordert, ist dem Stöbern das Finden von Zufallstreffern immanent. Sucht der Täter daher mit entsprechendem Vorsatz hinsichtlich der Besitzverschaffung wahllos im Internet herum, könnte möglicherweise bereits darin der Versuch des Sich-Verschaffens zu sehen sein. Auf der anderen Seite stellt das Stöbern auf beliebigen Webseiten an sich noch keine Rechtsgutsgefährdung dar. Auch wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt möglicherweise für sich die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten hat, fehlt es noch an dem entscheidenden Klick und damit an der das Rechtsgut bedrohenden tatsächlichen, objektiven Komponente. Bei Ablehnung eines reinen Gesinnungsstrafrechts, kann allein der innere Entschluss des Täters für den Versuchsbeginn nicht ausreichend sein.301 Entscheidend für das unmittelbare Ansetzen und damit für den Versuchsbeginn ist mithin der Zwischenschritt des Anklickens des auf die schlussendlich gefundene kinderpornografische Darstellung verweisenden Links bzw. des Eingebens der entsprechenden URL.302 Dieser Zwischenschritt ist dabei auch als wesentlich einzustufen, da das bloße Stöbern bis zu diesem Zeitpunkt allein von dem Vorsatz getragen ist, entsprechende Darstellungen zu finden und zu besitzen. Auf das Beispiel mit dem Autodiebstahl übertragen, stellt das Stöbern im Internet lediglich die Suche nach einem Parkplatz mit geparkten Kraftfahrzeugen dar. Anders als beim Rütteln an den Vorderrädern, ist diese Suche unstreitig als straflose Vorbereitungshandlung einzustufen. Das gleiche gilt daher auch für das bloße Stöbern und Suchen im Internet. 2. Verschaffungszweck als Begrenzungskriterium Sucht der Computernutzer jedoch im Internet nach nicht-kinderpornografischen Kindesdarstellungen303 mit dem Wissen, dass durch die automa­ nur Heinrich, AT, Rn.  701 f. i. E. auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (21). 303  Um taugliches Tatobjekt i. S. d. § 184b StGB zu sein, muss die Schrift neben dem gezeigten Kind auch pornografischen Charakter haben (Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 3; Fischer, § 184b StGB Rn. 3; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 14; dies., NJW 2008, 3525; Palm, Kinderpornographie, S. 102, 107; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 3a; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 3). Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Darstellung keine sexuelle Handlung in Bezug auf das Kind zeigt (Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 17 301  Vgl. 302  So



III. Besondere Tatbestandskonstellationen237

tische Zwischenspeicherung möglicherweise auch kinderpornografisches Material auf seinen Computer gelangen könnte, ist nach M. Heinrich hinsichtlich dieser Zwischenspeicherung aufgrund des Wissens um diesen Umstand von einem bestehenden Eventualvorsatz bezüglich der Besitzverschaffung auch kinderpornografischen Materials auszugehen.304 Vor dem Hintergrund der Ausgestaltung der Verschaffensstrafbarkeit als Unternehmensdelikt, wäre daher selbst die erfolglose Suche nach nicht-kinderpornografischen Darstellungen dann jedoch strafbar,305 während der Besitz derselben Darstellungen hingegen straflos wäre.306 Um diesen „krassen Wertungswiderspruch“307 zu vermeiden, schlägt M. Heinrich ein um den Verschaffungszweck erweitertes Begriffsverständnis der Verschaffungshandlung vor.308 Erst wenn der Täter sich die Darstellungen verschafft, um diese zu erhalten, sei eine Tatbestandsmäßigkeit anzunehmen.309 Diese Ansicht begründet M. Heinrich zum einen mit dem Wortlaut der Norm und der Annahme, ein „Verschaffen“ beinhalte grundsätzlich auch ein finales Elem. w. N.), es zum Beispiel lediglich nackt beim Baden (Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 17) oder in natürlicher, normaler Pose nackt auf einem Bett liegend abgelichtet wird (BGHSt 43, 366 [367 f.]; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 4); Palm, Kinderpornographie, S. 109). Gleiches soll – mangels Handlungsqualität – selbst bei einem einzelnen Foto gelten, das nicht das Kind beim Posieren zeigt, sondern lediglich als „anatomische Großaufnahme“ der Genitalregion (Hörnle, NJW 2008, 3521 [3525]; Röder, NStZ 2010, 113 [117 f.]; vorzugswürdige a. A. bei Baier, ZUM 2004, 39 [40]). Erst bei einer expliziten Betonung der Genitalien oder des Gesäßes oder der Einnahme einer unnatürlichen Körperhaltung (sog. Posing), liegt eine solche Handlung vor (Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 17). Als nichtkinderpornografische Darstellungen kommen damit all jene in Betracht, die das nackte Kind ohne jeglichen sexuellen Bezug oder ausschließliche Detailaufnahmen der kindlichen Geschlechtsteile zeigen – auch wenn sie damit für den Betrachter möglicherweise zur sexuellen Stimulation dienen (Palm, Kinderpornographie, S. 112; kritisch OLG Koblenz, NJW 1979, 1467 [1468]; Baier, ZUM 2004, 39 (40) je zu § 184b StGB a. F.). 304  M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (365 f.). Ein dolus directus 2. Grades ließe sich nur annehmen, wenn der Täter sicher mit einer Zwischenspeicherung kinderpornografischer Darstellungen rechnet. Aufgrund der bloß in Kauf genommenen Möglichkeit einer eventuellen Zwischenspeicherung kommt daher – wenn überhaupt – allein dolus eventualis in Betracht. 305  Siehe zur Ausgestaltung des § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB als Unternehmensdelikt oben unter D. I. Von einer Versuchsstrafbarkeit im Zusammenhang mit dem bloßen Suchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn es bereits mit dem Anzeigen der Suchergebnisse zu einer besitzbegründenden Zwischenspeicherung kommt (so auch Palm, Kinderpornographie, S. 140; a. A. Hörnle, in: MüKo § 184b StGB Rn. 28). 306  Vgl. M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (366). 307  M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (366). 308  Vgl. M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (366). 309  Vgl. M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (366).

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

ment, zum anderen ergebe sich dieses Erfordernis auch aus dem Strafgrund des Besitztatbestandes aus § 184b Abs. 4 StGB, der Marktaustrocknung, weswegen ein „Nachfragen“ am Markt erforderlich sei.310 Bei genauerer Betrachtung des unterstellten Eventualvorsatzes stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche zusätzliche Anforderung wirklich notwendig ist. Unter der Prämisse, dass Vorsatz das Wissen und Wollen der Tat­ bestandsverwirklichung ist,311 ist nach überwiegender Ansicht bedingter Vorsatz in den Fällen anzunehmen, in welchen der Täter die den Tatbestand erfüllenden Umstände erkannt und ernst genommen hat und den Erfolgseintritt billigend in Kauf nimmt.312 Für den vorliegenden Fall der Suche nach nicht-kinderpornografischen Darstellungen würde dies bedeuten, dass der Suchende nicht nur um den Umstand der Möglichkeit der automatischen Zwischenspeicherung eventuell gefundener kinderpornografischer Darstellungen weiß, sondern dass er sich auch mit der Zwischenspeicherung abfindet. Er nähme dann mithin die Zwischenspeicherung kinderpornografischen Materials billigend in Kauf. Es erscheint fragwürdig, darin noch ein vorsatzloses Verhalten annehmen zu wollen. Vertraut der Surfende hingegen darauf, dass es bei seiner Suche zu keiner entsprechenden Speicherung kommen wird, ist hingegen eine bewusste Fahrlässigkeit gegeben, die mangels Normierung im Zusammenhang mit § 184b StGB straflos ist. Darüber hinaus vermag weder das Finalitätsargument noch das Erfordernis einer „nachfragenden“ Beteiligung am Markt zu überzeugen. Zum einen spricht die innere Struktur des § 184b StGB gegen ein solches um einen Verschaffenszweck erweitertes Begriffsverständnis, da anderenfalls die Besitzstrafbarkeit aus § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB mangels gleichlautenden Zweckerfordernisses einen viel weiteren Anwendungsbereich erfahren würde als die diesen Besitz begründende Handlung. Dies erscheint nicht nur vor dem Hintergrund zweifelhaft, dass die Besitzstrafbarkeit einen bloßen Auffangtatbestand hinter der strafbaren Besitzverschaffung darstellt;313 die Ausgestaltung der Strafbarkeit als reines Besitzdelikt wäre darüber hinaus auch inkonsequent, da dem Gesetzgeber für den Fall, dass eine über den bloßen Besitz hinausgehende Absicht unter Strafe gestellt werden soll, speziellere Formulierungen zur Verfügung stehen.314 Hätte der Gesetzgeber M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (366). z. B. BGHSt 36, 1 (10); BGH NStZ 1988, 175; Fischer, § 15 StGB Rn. 3; Heinrich, AT, Rn. 264; Kudlich, in: Beck’scher OK, § 15 StGB Rn. 3; Rengier, AT, § 14 Rn. 5; Roxin, AT I, § 10 Rn. 62; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 203. 312  Vgl. Fischer, § 15 StGB Rn. 9a f.; Geppert, Jura 2001, 55; Rengier, AT, § 14 Rn. 26; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 226. 313  Siehe nur Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 37; siehe zur Tathandlung des Besitzens nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB oben unter D. I. 3. 314  Siehe zu den unterschiedlichen Besitzarten oben unter B. VI. 1. 310  Vgl.

311  Siehe



III. Besondere Tatbestandskonstellationen239

dem Marktaustrocknungszweck ein höheres Gewicht beimessen wollen, hätte er anstelle des Besitzes ein Lagern oder Vorrätighalten in § 184b Abs. 4 Satz  2 unter Strafe gestellt. Da das Vorrätighalten jedoch schon von § 184b Abs. 1 Nr. 3, 4. Fall StGB erfasst ist, spricht die Ausgestaltung als reines Besitzdelikt für einen entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen. Zum anderen findet der Besitzzweck anerkannter Weise bereits im Rahmen des Besitzwillens Berücksichtigung,315 weswegen für eine Verortung in den objektiven Bestandteil der Tathandlung kein Bedarf besteht. Bereits über den Willen, die Sachherrschaft für eine gewisse Dauer erhalten zu wollen, wird dem Besitzzweck Rechnung getragen. Aus diesem Grund ist auch derjenige straffrei, der sich der in seinem Herrschaftsbereich befindlichen, unvorsätzlich erlangten kinderpornografischen Darstellungen umgehend entledigt. Auch hier fehlt es bereits an dem Willen, das Herrschaftsverhältnis auf Dauer aufrechtzuerhalten, so dass entgegen Mitsch316 in diesen Fällen auch kein Rückgriff auf § 184b Abs. 5 StGB von Nöten ist.317 Für das Erfordernis eines um einen Verschaffenszweck erweitertes Verständnis der Tathandlung des Sich-Verschaffens in § 148b Abs. 4 Satz 1 StGB besteht daher keine Notwendigkeit. Darüber hinaus ist die Suche nach nicht-kinderpornografischem Material entgegen M. Heinrich318 gerade nicht von einem auch kinderpornografisches Material umfassenden Willen getragen. Geht der Nutzer während seiner Suche nach bloßen Nacktbildern von Kindern jedoch davon aus, dass auch kinderpornografische Darstellungen in seinen Herrschaftsbereich gelangen können, steht einer Annahme eines zumindest bedingten Tatentschlusses auch dann nichts im Wege, wenn keine entsprechenden Bilder gefunden werden.319

315  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 104 f.; siehe ausführlich bereits oben unter B. IV. 1. a) aa) (2). 316  Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 34. 317  Siehe auch BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 9; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 16. Auch wenn § 184b Abs. 5 StGB von der Rechtsfolge auf den Fall der Ablieferung unvorsätzlich erlangter Schriften anwendbar scheint, scheidet eine Strafbarkeit nach dem oben Gesagten bereits wegen fehlender Tatbestandlichkeit aus (so z. B. auch Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 16). In der Formulierung unklar, i. E. so wohl aber auch Palm, Kinderpornographie, S. 149. Siehe zur Zwecksetzung im BtMG bereits oben unter B. IV. 1. a) aa) (2). 318  M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (366). 319  Siehe hinsichtlich der in Betracht kommenden Irrtumskonstellationen oben unter D. II. 2.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

3. Besitzerlangung durch „Drive-by-Downloads“ Eine neue Dimension der ungewollten Besitzerlangung kinderpornografischer Darstellungen ist durch die aktuelle Version des sogenannten „BKATrojaners“ erreicht.320 Während die Ransomware321 in bisherigen Versionen lediglich den Zugriff auf den Computer mit einem Hinweis blockierte, der Rechner würde aufgrund – unterstellten – illegalen Nutzerverhaltens von vermeintlich offizieller Seite gesperrt, lädt die aktuelle Version zusätzlich selbstständig kinderpornografische Bilder auf den infizierten Computer und zeigt diese zusammen mit einem Hinweis auf den nun bestehenden strafbaren Besitz kinderpornografischer Schriften auch an.322 Die Schadsoftware selbst ist dabei in der Regel im Wege eines sogenannten „Drive-by-Downloads“ auf den Computer übertragen worden,323 welche im Anschluss selbstständig kinderpornografische Darstellungen herunterlädt. Da sowohl die Übertragung der Ransomware als auch der durch diese heruntergeladenen 320  Bei dem BKA-Trojaner handelt es sich um Schadsoftware, welche den Zugriff auf das Betriebssystem blockiert und vorgibt, diesen erst wieder nach einer erfolgten „Strafzahlung“ freizugeben, wodurch in der Regel § 253 Abs. 1 StGB ver­ wirklicht wird (vgl. auch Brodowski / Freiling, Cyberkriminalität, S. 108). Die Bezeichnung „BKA-Trojaner“ ist dem Umstand geschuldet, dass der Sperrhinweis auf dem Computerbildschirm den Eindruck erwecken will, von offizieller Stelle zu stam­men. Andere vermeintliche Urheber der Sperrung sind die Bundespolizei, die GEMA, die GVU oder Microsoft (siehe zu den unterschiedlichen Varianten http: /  / goo.gl / wcbpo, BKA-Trojaner.de, 12.04.2014). Der „BKA-Trojaner“ darf dabei nicht mit dem „Bundestrojaner“ verwechselt werden, welcher von den Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungszwecken eingesetzt werden soll. 321  Kofferwort aus ransom (engl. Lösegeld) und Software. 322  Vgl. Eikenberg, c’t Magazin, 12 / 2013, S. 50; http: /  / goo.gl / Y1XlN, BotfreiBlog, 12.04.2014; http: /  / goo.gl / 77996, heise security, 12.04.2014. 323  Während die Übertragung von Malware auf den Nutzercomputer früher in der Regel durch täuschungsbedingtes Nutzerverhalten ausgelöst wurde (Kasperskij, Malware, S. 126; z. B. durch Öffnen einer E-Mail angefügter Dateien, die vermeintlich Rechnungen oder ähnliches enthalten sollten [Hossenfelder, Malware, S.  118; http: /  / goo.gl / J3xZW, heise security, 12.04.2014]), wird die Schadsoftware immer häufiger im Wege sogenannter „Drive-by-Downloads“ übertragen. Hierfür ist es ausreichend, dass der Nutzer eine entsprechende Webseite besucht, welche im Hintergrund die sich selbst ausführenden Dateien überträgt. Häufig geschieht dies durch manipulierte Werbeeinblendungen auf ansonsten harmlosen Webseiten (Borges / Schwenk / Stuckenberg / Wegener, Identitätsdiebstahl, S. 92 ff.; http: /  / goo.gl / FxmXLo, Heise Security, 12.04.2014; http: /  / goo.gl / X8TVR, Pressemeldung des BSI, 12.04.2014; siehe aus diesem Grund auch den offenen Brief unter http: /  / goo. gl / KByla, Botfrei-Blog, 12.04.2014). Hinsichtlich des „Drive-by-Downloads“ gilt bezüglich des Besitzwillens das oben Gesagte: Dem durchschnittlichen Internetnutzer dürfte zumindest die Möglichkeit bekannt sein, dass Schadsoftware beim Surfen auf seinen Computer gelangen kann. Jedoch fallen weder der Besitz noch die Besitzverschaffung der Ransomware unter § 184b Abs. 4 StGB, da diese selbst keine kinderpornografische Darstellung darstellt und somit schon kein taugliches Tatobjekt ist.



III. Besondere Tatbestandskonstellationen241

kinderpornografischen Bilder ohne Zutun des Nutzers im Hintergrund ablaufen, kann mangels Kenntnis der von diesem durchgeführten Downloads nicht von einem vorsätzlichen Sich-Verschaffen i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB ausgegangen werden. Durch den Download wird jedoch ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis begründet, da sich die kinderpornografischen Darstellungen im Anschluss an die Übertragung auf der Festplatte des Nutzer-Computers befinden. Aufgrund der bildschirmfüllenden Anzeige, die nicht mehr ohne weiteres geschlossen werden kann,324 ist neben dem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis nun aber auch von einer entsprechenden Kenntnis des Nutzers hinsichtlich des auch tatsächlich bestehenden Besitzverhältnisses auszugehen. Es kommt daher allein eine Strafbarkeit wegen Besitzes nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in Betracht. Um nicht gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB strafbar zu sein, muss der Nutzer daher umgehend nach Kenntniserlangung dieses Herrschaftsverhältnisses durch Löschen der kinderpornografischen Darstellungen beenden. Problematisch ist hierbei jedoch, dass dem Nutzer anders als im Falle der bloßen Zwischenspeicherung im Browser-Cache325 der Zugriff auf seinen Computer durch das Schadprogramm verwehrt wird und er deswegen ohne externen Zugriff kaum Möglichkeiten besitzt, die inkriminierenden Darstellungen zu löschen.326 Da Anknüpfungspunkt im Rahmen des § 184b StGB aufgrund der Verweisung auf § 11 Abs. 3 StGB jedoch der Datenspeicher selbst und nicht die einzelne Datei als solche ist,327 steht dieses digitale Zugriffshindernis dem Herrschaftsverhältnis nicht entgegen; der Nutzer beherrscht zumindest seinen Computer als körperlichen Gegenstand, so dass zusammen mit dem sicheren Wissen um dieses Herrschaftsverhältnis ein vorsätzlicher, wenn auch ungewollter Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB vorliegt. Der Umstand, dass der Nutzer aufgrund der durch den BKA-Trojaner ausgelösten Sperrung seinen Computer nicht mehr uneingeschränkt bedienen und die Dateien auch nicht mehr ohne weiteres löschen kann, könnte jedoch gegen das Bestehen eines solchen Herrschaftsverhältnisses sprechen. Die tatsächliche Sachherrschaft hat unter anderem zum Gegenstand, dass der Besitzer mit dem Gegenstand nach seinem Belieben uneingeschränkt verfahren kann. Dies ist dem Nutzer aufgrund der Sperrung jedoch nicht 324  Das Verhindern von Nutzeraktionen am infizierten Computer ist Bestandteil der beabsichtigten Erpressung. Die Aufrechterhaltung dieses Zustandes der Nichtbenutzbarkeit stellt dabei das eingesetzte Drohmittel dar. 325  Siehe oben C. III. 1. 326  Siehe zu den Möglichkeiten, den Computer von der Schadsoftware und den durch diese heruntergeladenen kinderpornografischen Darstellungen zu entfernen, http: /  / goo.gl / CTREy, heise security, 12.04.2014. 327  Siehe zu § 11 Abs. 3 StGB ausführlich bereits oben C. II. 2. c); siehe zur Konstellation „Besitz an Daten“ sogleich unter E.

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D. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB bei digitalen Inhalten

mehr möglich. Dabei ist aber auch in diesem Fall zu beachten, dass nicht der Besitz der einzelnen kinderpornografischen Datei, sondern der eines kinderpornografischen Datenspeichers und damit der physikalischen Festplatte unter Strafe gestellt ist. Das digitale Zugangshindernis steht der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Festplatte damit nicht im Wege; mit der Festplatte kann der Besitzer noch tun und lassen, was ihm beliebt. Darüber hinaus stehen weder der Zweck der Besitzdelikte noch der Schutzzweck des § 184b StGB einer Besitzstrafbarkeit in diesen Fällen entgegen. Zwar kann der Täter die kinderpornografischen Dateien mangels Zugriffsmöglichkeit möglicherweise nicht mehr digital verbreiten,328 ein Zugänglichmachen oder Anbieten i. S. d. § 184b Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB beispielsweise ist immer noch genauso möglich wie das Verschaffen von Drittbesitz i. S. d. § 184b Abs. 2 StGB, weswegen das mit dem Besitz eines verbotenen Gegenstandes verbundene Risiko erneuter Rechtsverletzung329 bestehen bleibt. Da die Bildschirmanzeige sowohl geeignet ist, den Markt zu fördern, als auch durch jedes Zugänglichmachen und jeden Konsum eine weitere Würdeverletzung des kindlichen „Darstellers“ droht, ist auch der gesperrte Computer, der dauerhaft die kinderpornografischen Darstellungen anzeigt, taugliches Tatobjekt für eine Besitzstrafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB.330 Ohne die notwendigen Kenntnisse oder Zusatzprogramme kann der Nutzer das Herrschaftsverhältnis jedoch nur durch vollständiges Löschen oder – im Extremfall – durch physische Zerstörung der Festplatte oder des gesamten Computers aufheben. Da diese Lösungen weit über das geforderte Ziel hinausschießen dürften, muss dem Computernutzer in diesen Fällen die Möglichkeit gegeben werden, sich fachmännischen Rat einzuholen und im Zweifelsfall mit Hilfe Dritter den Computer von den kinderpornografischen Darstellungen zu befreien, auch wenn dies nicht mehr den Anforderungen einer sofortigen Löschung entsprechen dürfte. Umgehend muss aus Praktikabilitätsgründen daher allein der Versuch des Löschens bzw. das Hilfesuchen erfolgen. Ansonsten wird der erpresste Computernutzer in eine Strafbarkeit gedrängt, für die er keine Verantwortung trägt. Unterlässt er jedoch die Einleitung entsprechender Schritte und hält die Anzeige geöffnet, spricht nichts gegen eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB. Auch ein bloßes Ausschalten des Computers vermag weder den Besitz noch das aus diesem resultierende Risiko zu beenden, da Besitzobjekt die Festplatte mit den gespeicherten kinderpornografischen Darstellungen ist. 328  Siehe hinsichtlich der unkörperlichen Verbreitung via Internet sogleich unter E. I. 2. d) aa). 329  Siehe hinsichtlich des Strafzwecks von Besitzdelikten oben unter B. IV. 2. a). 330  Siehe hinsichtlich des Schutzzwecks des § 184b StGB ausführlich Palm, Kinderpornographie, S.  91 ff. m. w. N.

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft Damit ist ein strafbares Sich-Verschaffen bzw. ein strafbarer Besitz kinderpornografischer Schriften grundsätzlich auch im Zusammenhang mit digitalen Inhalten möglich. Bei allen bis zu dieser Stelle untersuchten Fällen hing die Strafbarkeit dabei davon ab, ob der Täter vorsätzlich Besitz an den zwischenspeichernden Datenspeichern, wie Arbeits- oder Cachespeicher, erlangt hatte. Dazu war es für einen entsprechenden Vorsatz von entscheidender Bedeutung, ob der Täter um diesen Zwischenspeicherungsvorgang wusste. Dieser Vorsatz darf dabei nicht mit dem bloß generellen Herrschaftswillen hinsichtlich der eigenen Datenspeicher verwechselt werden, weswegen unproblematisch ein den Besitz konstituierender Besitzwille gegeben sein kann, der aufgrund seiner Unbestimmtheit auch die zwischengespeicherten kinderpornografischen Daten umfasst,1 während gleichzeitig kein tatsächliches Wissen und Wollen i. S. d. strafrechtlichen Vorsatzes gegeben ist, bzw. ein entsprechender Nachweis nicht geführt werden kann.2 Aus diesem Grund muss nach bisheriger Ansicht beispielsweise eine Strafbarkeit in den Fällen ausscheiden, in welchen der Täter entsprechende Darstellungen in einem Internetcafé aufruft. Mangels eigenes Herrschaftsverhältnisses an dem eingesetzten Computer ist ein Sich-Verschaffen i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB an den Datenspeichern in der Herrschaftssphäre des Cafébetreibers nicht möglich, so dass eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 StGB nach bisherigem Meinungsstand ausscheiden muss. Da der Täter die kinderpornografischen Darstellungen jedoch bewusst aufgerufen und betrachtet hat, stellt sich die Frage, ob auch in denjenigen Fällen von einem strafbaren Besitz ausgegangen werden kann, in denen sich der Täter die kinderpornografischen Darstellungen lediglich online mittels seines Browsers ansieht, ohne dabei aber Kenntnis bezüglich irgendeiner Zwischenspeicherung zu haben. Unabhängig von den technischen Abläufen ist dem Internetnutzer dabei sowohl der kinderpornografische Inhalt der betrachteten Darstellungen bekannt als auch die Möglichkeit, diese beliebig lange geöffnet zu lassen oder abzuspeichern. 1  Siehe 2  Siehe

oben D. I. 2. b). oben D. II.

244

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Ob dieses Wissen jedoch für ein vorsätzliches Besitzverhältnis und damit für eine Strafbarkeit nach § 184 Abs. 4 Satz 1 oder 2 StGB ausreichend ist, gilt es im Folgenden ebenso zu untersuchen, wie die Fälle, in welchen der Täter nicht den entsprechenden Datenträger, sondern nur die inkriminierten Dateien „besitzt“. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Täter lediglich über den Zugriff auf einen entfernten Server verfügt, auf welchem er die Dateien kinderpornografischen Inhalts gespeichert hat. Bei der Frage, ob diese Form der bloßen Datenherrschaft ebenfalls einen strafbaren Besitz begründet, ist zunächst zu bedenken, dass im Rahmen der Besitzverschaffung i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB der bloße Zugriff auf die digitale Information als nicht ausreichend angesehen wird. Vielmehr wird die Verschaffung des Besitzes an einem verkörperten Gegenstand, wie Arbeitsspeicher oder Cache-Speicher, gefordert,3 so dass nach verbreiteter Ansicht eine vom körperlichen Gegenstand, wie der Festplatte oder ähnlichem Datenträger, getrennte Datenherrschaft ebenfalls nicht ausreichend sein könne.4 Hintergrund ist die Annahme, dass das Gesetz mit der Besitzstrafbarkeit lediglich die tatsächliche Sachherrschaft über den Datenspeicher und gerade nicht die unkörperliche Datei normiere.5 Aus diesem Grund ist eine Strafbarkeit wegen Besitzes oder Besitzverschaffung i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB allein auf das Betrachten bezogen nur dann möglich, wenn auch durch das Betrachten als solches eine Besitzverschaffung bzw. ein Besitz i. S. d. Vorschrift möglich ist.6 Dies könnte zum einen dann der Fall sein, wenn sich der Besitz nicht nur auf den Datenspeicher als körperlichen Gegenstand, sondern auch auf die Datei als Träger der verbotenen Darstellungen bezieht oder zum anderen, wenn ein strafbarer Besitz neben der tatsächlichen Sachherrschaft auch die bloße Datenherrschaft, also die Möglichkeit, nach eigenem Belieben auf Daten einzuwirken, umfasst.

3  Siehe

oben D. I. 1. z. B. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (122); ders., Besitz, S. 110; Palm, Kinderpornographie, S. 130; a. A. Germann, Gefahrenabwehr, S. 202. 5  Vgl. an dieser Stelle zunächst nur Palm, Kinderpornographie, S. 130. 6  Siehe bereits oben unter D. I. 1., wonach die Strafbarkeit im Zusammenhang mit dem bloßen Betrachten von kinderpornografischen Darstellungen im Internet nicht an das Betrachten als solches, sondern an die damit einhergehenden Zwischenspeicherungen in Arbeits- oder Cachespeicher anknüpft. Dabei muss sich der Vorsatz des Täters auch auf eben dieses tatsächliche Herrschaftsverhältnis bezüglich des Arbeitsspeichers bzw. der Festplatte als Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB beziehen. Siehe zur Kritik an der Begrifflichkeit „Strafbarkeit durch Betrachten“ z. B. Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (629). 4  So



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs245

I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs Dass unter Besitz die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft verstanden wird, wurde bereits an den verschiedensten Stellen hervorgehoben.7 Im Zusammenhang mit digitalen Inhalten ist hinsichtlich der tatsächlichen Sachherrschaft ein besonderes Augenmerk auf die Verfügungshoheit des Computernutzers über im Internet abgerufenen Daten zu legen. So ist ein strafbares Sichverschaffen von Besitz an kinderpornografischen Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB bereits dann möglich, wenn der Täter die inkriminierenden Inhalte durch sein Nutzungsverhalten in seinen Arbeitsspeicher geladen hat und um diesen Umstand auch weiß. Die notwendige Intensität dieses Herrschaftsverhältnisses wird dabei mit der Möglichkeit des Nutzers begründet, nach Belieben über die abgerufenen Daten zu verfügen. Es liegt allein in seiner Hand, ob er die Anzeige unbegrenzt geöffnet lässt oder wieder schließt oder ob er diese ausdruckt, speichert oder anderweitig über sie verfügt.8 Der Besitz des Täters umfasst mithin neben der reinen Sachherrschaft auch den inkriminierenden Datenbestand,9 da nur diese Einheit aus beiden Elementen das taugliche Tatobjekt „kinderpornografische Schrift“ i. S. d. § 184b StGB bildet. Vor dem Hintergrund, dass bereits „das Laden in den Arbeitsspeicher (…) ein hohes Maß an Datenherrschaft [begründet]“,10 welches für die Annahme eines Besitzverhältnisses als ausreichend angesehen wird, stellt sich die Frage, ob im Zusammenhang mit digitalen Inhalten auch bereits die bloße Ausübung eben dieser Datenherrschaft besitzbegründend sein kann. Die Annahme bloßer Datenherrschaft würde eine vertiefte Kenntnis der Zwischenspeicherung und technischen Abläufe während des Betrachtens kinderpornografischen Materials obsolet machen und den Anknüpfungspunkt weg von den technischen Bauteilen hin zu dem strafrechtlich relevanten Risiko lenken. Darüber hinaus ließen sich so auch die Fälle erfassen, in welchen Sachherrschaft und Datenherrschaft auseinanderfallen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Täter sich die kinderpornografischen Darstellungen nicht an seinem Computer, an dessen Bauteilen, wie Festplatte und Arbeitsspeicher, er unstreitig Besitz hat, sondern in einem Internetcafé oder an seinem Arbeitsplatz ansieht. Trotz der Benutzung des Computers durch den Täter wird die tatsächliche Sachherrschaft in diesen Fällen regelmäßig dem Internetcafébetreiber bzw. dem Arbeitgeber zuzuordnen

7  Siehe

z. B. B. V. ausführlich oben unter D. I. 2. b) aa). 9  Vgl. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (122). 10  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (120). 8  Siehe

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

sein. Infolgedessen wäre die Strafbarkeit ein und desselben Verhaltens davon abhängig, mit welchem Tatmittel es begangen wird.11 Ebenso würden bei Anerkennung des digitalen Besitzes auch die Fälle erfasst, in welchen der Täter unbeabsichtigt kinderpornografische Darstellungen aufruft, ihm im Zeitpunkt des Aufrufens also ein entsprechender Verschaffungsvorsatz i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 fehlt, dann aber die Darstellungen bewusst konsumiert und im Anschluss jegliche zwischengespeicherte Kopien aus seinem Cachespeicher löscht. Zwar hat das Löschen i. R.d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB umgehend zu erfolgen, da ein strafbarer Besitz nur dann anzunehmen ist, wenn das Herrschaftsverhältnis von nicht nur ganz geringer Dauer ist,12 eine gesicherte Feststellung über die tatsächliche Dauer der Anzeige wird sich kriminalistisch jedoch nur selten treffen lassen. Eine Strafbarkeit wegen Besitzes i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB wird in diesen Fällen mithin nur selten nachweisbar sein. Die Anerkennung eines digitalen Besitzbegriffs würde auch diese Nachweisproblematik lösen, da Anknüpfungspunkt allein die tatsächliche Datenherrschaft im Augenblick des Konsums ist. Ob der strafrechtliche Besitzbegriff auch die bloße Datenherrschaft umfasst, ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln.13 Unter tatsächlicher Datenherrschaft ist dabei die Möglichkeit zu verstehen, aufgrund digitaler Einwirkung über die digitalen Darstellungen nach eigenem Belieben zu verfahren, also die Möglichkeit, über Dauer und Art der Anzeige sowie die Weiterverbreitung und Weiterverarbeitung entscheiden zu können. 1. Wortlaut Erster Ansatz einer Auslegung ist dabei die Frage nach dem möglichen Wortsinn,14 also die Frage, welche Bedeutung der jeweilige Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch und im Rahmen des betreffenden Gesetzes hat. „Besitz“ bedeutet nach Westermann15 umgangssprachlich das „Haben einer Sache“, so dass vorliegend zu fragen ist, ob unter „Besitz“ auch das „Haben von Daten“ verstanden werden kann. Entscheidend ist dabei, worauf 11  Kritik daher auch bei Müller, MMR 2010, 342 (345), der jedoch der gesamten Arbeitsspeicherung die Tatqualität abspricht. 12  Siehe oben unter D. I. 2. b) bb). 13  Vgl. auch die Forderung von Haft, NStZ 1987, 6 zur Auslegung, da es „unerfindlich“ sei, wieso „man (…) [es] sich antut, [neue Tatbestände zu schaffen], wenn es nur darum geht, kleine, teilweise winzige Lücken zu schließen, ja, womöglich gar nur Auslegungszweifel zu beheben.“ 14  Ganz überwiegende Ansicht, vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 320; Wank, Auslegung, S. 39; Zippelius, Methodenlehre, S. 35; siehe bereits ausführlich oben unter B. III. 1. b) aa). 15  Westermann, Sachenrecht, Rn. 22.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs247

der Schwerpunkt des Begriffsverständnisses zu legen ist, also ob Besitz eher ein Element des Habens erfordert, oder ob die Voraussetzungen eng mit der besessenen Sache verknüpft sind. In dem zweiten Fall wäre ein auch den unkörperlichen, digitalen Besitz umfassendes Begriffsverständnis nicht möglich, da das Strafrecht auch bei Zugrundelegung eines eigenen Sachbegriffs das Vorliegen eines körperlichen Gegenstandes erfordert.16 Gleiches gilt auch im Zusammenhang mit den §§ 854 ff. BGB oder bei § 29 Abs. 1 Satz  1 Nr. 3 BtMG, weswegen das „Haben einer Datei“ als unkörperliche elektronische Information bei dem bestehenden Begriffsverständnis nicht Gegenstand des strafrechtlichen Besitzes sein kann.17 Andererseits muss vor dem Hintergrund der Relativität der Rechtsbegriffe18 grundsätzlich auch hinsichtlich des Besitzbegriffs ein abweichendes, kontextbezogenes Begriffsverständnis möglich sein, da „derselbe sprachliche Ausdruck, in verschiedenen Gesetzen verwendet, nicht überall in demselben Sinn verstanden werden muss.“19 Dass bereits unterschiedliche Verständnisse des Besitzbegriffs existieren, zeigt dabei ein kursorischer Blick auf die Alltags- und Fachsprache. So kennt schon die Alltagssprache neben dem oben genannten Begriffsverständnis unterschiedliche Bedeutungen des Wortes „Besitz“, ohne dass diesen grundsätzlich körperliche Gegenstände zugrunde lägen. Beispiele für den körperlosen Besitz in der Alltagssprache sind das Besitzen von Charisma und anderer Eigenschaften oder das Besitzen von Wissen.20 Aber auch dem umgangssprachlichen Begriffsverständnis vom „Haben einer Sache“ liegt insbesondere im Zusammenhang mit digitalen Inhalten nicht grundsätzlich der körperlicher Sachbegriff i. S. d. Zivil- oder Strafrechts zugrunde. So sind Dateien und Ordner in Computersystemen verschiedenen Besitzern zugeordnet, man besitzt eine E-Mail-Adresse, ein Passwort oder ein Backup, ohne dass es dabei jeweils auf eine Verkörperung ankommen würde. In allen Fällen beschreibt der Besitz die Zuordnung einer Person zu etwas Unkörperlichem dergestalt, dass die Person über dieses verfügen kann, ohne dass es dabei auf das Besessene ankäme. Der Besitzbegriff der Alltagssprache definiert sich mithin allein durch die Möglichkeit, nach eigenem Belieben mit dem unkörperlichen bzw. digitalen Gegenstand zu verfahren. Dieses Begriffsverständnis lässt sich auch etymologisch herleiten. Der Begriff „besitzen“ entsprach nach Köbler21 im Alt- und Mittelhochdeutschen 16  Siehe

oben unter B. III. 2. d) cc). an dieser Stelle zunächst nur Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (125). 18  Siehe oben unter B. III. 1. c). 19  RGSt 70, 251 (254). 20  Vgl. auch Duden, „besitzen“ Bedeutung [1 a)], wo als Beispiele übertragener Bedeutung „Mut, Talent, große Fähigkeiten und Geschmack“ genannt werden. 21  Köbler, Etymologisches Wörterbuch, „besitzen“. 17  Siehe

248

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

– neben der klassischen Bedeutung im Sinne des Sachenrechts – unter anderem dem heutigen Begriff „Belagerung“. Dieses Verständnis ergebe sich nach Pfeifer22 aus der ursprünglichen Bedeutung im Sinne eines „um etwas Herumsitzens, Dabeisitzens“.23 Aus diesem „Herumsitzen“ habe sich „in Besitz nehmen, haben“ entwickelt,24 was wiederum aus dem Verständnis eines „leiblichen Aufsitzens“ im Sinne eines „Besetzen“ folge.25 „Besitz“ lässt sich mithin als Folge eines Nähe- und des daraus abgeleiteten Herrschaftsverhältnisses beschreiben. Derselbe Grundgedanke spiegelt sich auch in dem heutigen auf der tatsächlichen Sachherrschaft aufbauenden Besitzverständnis wider. Losgelöst von der rechtlichen Herleitung aus dem römischen Recht und dem lateinischen Begriff possesio entspricht der klassische „Besitz“ der detentio, also der bloßen Innehabung in Form eines Beherrschungsverhältnisses.26 Besitzer ist mithin, wer über den besessenen Gegenstand nach Belieben verfügen kann.27 Dieser Beherrschungsgedanke lässt sich aber auch unproblematisch auf die Datenherrschaft übertragen. Diese hängt allein von der Möglichkeit des Nutzers ab, über das „Ob“ und „Wie“ zu entscheiden. In welcher Form und an welchem Ort die Daten vorliegen, ist im Rahmen der Datenherrschaft von nur untergeordneter Bedeutung. Neben der Alltagssprache existieren darüber hinaus auch innerhalb des Strafrechts Konstellationen, in welchen „Besitz“ bzw. eine Erscheinungsform des Besitzes unabhängig von einem körperlichen Gegenstand verwendet wird. Ein Beispiel hierfür stellt der Begriff des „Führens“ dar.28 Wird unter dem Führen einer Waffe in § 1 Abs. 3 WaffG unter anderem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt außerhalb der eigenen Wohnung und damit der qualifizierte Besitz eines Gegenstandes verstanden,29 so führt unbefugt einen Titel i. S. d. § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wer durch aktive Äußerung gegenüber seiner Umwelt die Bezeichnung in einer die geschützten Interessen berührenden Weise und Intensität in Anspruch nimmt, ihn also aktiv im sozialen Leben verwende.30 Auch in diesem Fall bezieht sich das Besitzderivat nicht auf einen körperlichen Gegenstand31 und definiert 22  Pfeifer,

Etymologisches Wörterbuch, „besitzen“. auch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, „Besitz“, 7. 24  Kluge, Etymologisches Wörterbuch, „besitzen“; Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch, „besitzen“. 25  Vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, „Besitz“; ebenfalls Kluge, Etymologisches Wörterbuch, „besitzen“. 26  Siehe hierzu bereits oben unter B. III. 2. a) bb). 27  So auch Duden, „besitzen“ Bedeutung [1 a)]. 28  Siehe oben unter B. IV. 1. c). 29  Vgl. an dieser Stelle nur Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 168. 30  Vgl. an dieser Stelle nur Fischer, § 132a StGB Rn. 21. 31  Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter B. IV. 1. c) aa). 23  So



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs249

sich allein dadurch, ob und wie der Täter den Titel verwendet, weswegen das bloße Dulden der durch einen Dritten verwendeten Bezeichnung daher in der Regel nicht ausreicht.32 Noch deutlicher wird die Differenzierung zwischen Führen und Besitzen an einem Beispiel aus dem Jahre 1954. Der BGH33 musste sich dabei mit der Abgrenzung der Formulierungen in §§ 4, 71 StVZO a. F. und des bis 196534 geltenden § 24 StVG a. F. auseinandersetzen. Während nach §§ 4, 71 StVZO a. F. derjenige eine Übertretung35 beging, der als Fahrzeugführer seinen Führerschein nicht bei sich führte und damit nicht „dem öffentlichen Interesse an der sofortigen [Herv. im Text] Feststellung der Befähigung des Führers [gerecht werden konnte]“36, beging nach § 24 StGB a. F. hingegen unter anderem ein Vergehen, „wer ein Kraftfahrzeug führt, ohne einen Führerschein zu besitzen“. Im vorliegenden Fall war der Führerschein des Angeklagten bei der Entnahme einer Blutprobe im Rahmen einer Verkehrskontrolle am Vortag einbehalten worden. Durch Vorlage durch das OLG Hamm musste der BGH die Frage entscheiden, ob das Fahren am Folgetag ein Fahren ohne Führerschein und damit ein Vergehen darstellt, oder ob der Angeklagte lediglich eine Übertretung begangen hat, da er bei der Kontrolle keinen Führerschein bei sich führte. Entscheidungserheblich war dabei, ob der Angeklagte einen Führerschein besaß. Nach überwiegender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung war das Besitzen im zivilrechtlichen Sinne zu verstehen,37 so dass § 24 StVG a. F. nur dann Anwendung finden konnte, wenn noch kein Führerschein erteilt, dieser eingezogen oder verloren war.38 Da der Führerschein des Angeklagten jedoch nur einbehalten war,39 war dieser „dem Inhaber auch nicht abhandengekommen, sondern für ihn nur zeitweise nicht greifbar.“40 Damit Geppert, Jura 1986, 594; Hohmann, in: MüKo, § 132a StGB Rn. 26. 6, 364. 34  1965 wurde § 24 StVG durch das 2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs (BGBl. I 1964, S. 291) dahin gehend geändert, dass nur noch das Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Strafe gestellt wurde. 35  Siehe zum Deliktstyp der Übertretung und dessen Umwandlung in Vergehen: Art. 300 EGStGB; BT-Drucks. VII / 550, S. 190; siehe auch Gropp, AT, § 3 Rn. 39; Hilgendorf, in: LK, 12. Aufl., § 12 StGB Vor Rn. 1. 36  BGHSt 6, 364 (365). 37  Vgl. BayObLG, JW 1926, 2768. 38  Vgl. BGHSt 5, 364 (367). 39  Das Einbehalten entspricht im Umkehrschluss zu § 42m Abs. 2 StGB a.  F. nicht dem Einziehen. Es entsteht durch das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis darüber hinaus auch kein mittelbares Besitzverhältnis. Stattdessen ergebe sich die Nichtanwendung des § 24 StVG a. F. aus dem Schutzgedanken der Norm (vgl. BGHSt 6, 364 (368 f.). 40  Vgl. BGHSt 5, 364 (368). 32  Vgl.

33  BGHSt

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

besitzt der Führer eines Kraftfahrzeuges seinen Führerschein auch dann, wenn er diesen nicht bei sich führt. Dass nicht nur der Begriff des Besitzes nicht untrennbar mit einer Sache, also einem körperlichen Gegenstand, verbunden ist, zeigt ergänzend ein Blick auf den dem Besitz nahestehenden Begriff des „Eigentums“. Obwohl man im Zusammenhang mit „unkörperlichen Gegenständen [eher] von Inhaberschaften [sprechen würde]“41, existiert auch der Begriff des „geistigen Eigentums“42, welcher nach Götting als „gemeinsame Klammer des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts anerkannt und etabliert werden [sollte]“.43 Unabhängig von der dem Begriff einerseits entgegengebrachten Kritik als „ideologischen Kampfbegriff“44 und dem verfassungsrechtlichen Schutz andererseits, dem das Grundgesetz dem geistigen Eigentum in Art. 14 GG zuteilwerden lässt,45 handelt es sich bei dem Begriff um einen Rechtsbegriff, der die Zuordnung einer Person zu etwas Unkörperlichem beschreibt.46 Dass als ein entscheidender Unterschied zum Sacheigentum der „ ‚Gegenstand‘ (…) ein unkörperliches, immaterielles Geistesgut“47 darstellt, steht dabei der Bezeichnung als „Eigentum“ nicht entgegen. Wie das zivilrechtliche Eigentum ist auch das geistige Eigentum Ausdruck eines rechtlichen Beherrschungsverhältnisses. Mit Blick auf die Relativität der Rechtsbegriffe und die unterschiedlichsten Kontexte, in welchen ein und derselbe Begriff bei verschiedener Bedeutung auftreten kann, kann der nur vermeintlich eindeutige Wortlaut „Besitz“ nicht grundsätzlich gegen eine unkörperliche Datenherrschaft sprechen; diese „[gleicht] funktional gesehen (…) [vielmehr] kraft technischer Zugriffsmöglichkeit der tatsächlichen Sachherrschaft.“48 Die Grenze dieses erweiterten Begriffsverständnisses bildet jedoch das Erfordernis kontextbezogener Auslegung. Vor dem Hintergrund der Relativität der Rechtsbegriffe, welche ein solches Begriffsverständnis erst ermöglicht, ist die Auslegung grundsätzlich nur im Verwendungszusammenhang möglich.49 Zwar steht der Wortlaut für sich betrachtet einem um die Datenherrschaft erweiterten Be41  Fritsche,

in: Beck’scher OK, § 903 BGB Rn. 4. 17, 266 (278 f.). 43  Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 1 Rn. 3. 44  Rehbinder, Urheberrecht, Rn. 97; Jänich, Geistiges Eigentum, S. 54 ff., 102 ff. 45  Vgl. BVerfGE 31, 229 (239); BVerfGE 79, 1 (25); Ohly, JZ 2003, 545 (546). 46  Vgl. z. B. Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5 Rn. 1; Grzeszick, ZUM 2007, 344; Ohly, JZ 2003, 545 (550); i. E. auch Jänich, Geistiges Eigentum, S. 198 ff., 349, nach dem die Gemeinsamkeiten, nämlich den Ausschließlichkeitscharakter mit dem etwas einer Person zugewiesen ist, die Unterschiede überwiegen. 47  Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5 Rn. 1. 48  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (124). 49  Siehe oben unter B. III. 1. c). 42  BGHZ



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs251

sitzbegriff nicht entgegen, der Verweis in § 184b Abs. 1 StGB auf den Schriftenbegriff aus § 11 Abs. 3 StGB könnte jedoch ein anderes Ergebnis erfordern.50 a) Körperlichkeitserfordernis in § 11 Abs. 3 StGB Nach überwiegender Ansicht stellen Schriften i. S. v. § 11 Abs. 3 StGB eine durch Buchstaben, Bilder oder Zeichen verkörperte Gedankenäußerung dar, welche durch Augen oder Tastsinn wahrnehmbar sind.51 Dieses Körperlichkeitserfordernis müsse aufgrund des Verweises auf § 11 Abs. 3 StGB ebenfalls für § 184b Abs. 4 StGB gelten, mit der Folge, dass nach bisheriger Ansicht die kinderpornografischen Schriften als Tatobjekt ebenfalls körperlich sein müssen. Da die Datenherrschaft jedoch auf Daten und somit auf unkörperliche Gegenstände „zielt“52, würde die bloße Datenherrschaft das Tatobjekt „verfehlen“53, weswegen ein Besitz kraft Datenherrschaft ausgeschlossen ist.54 Strafbarer Besitz bzw. die Besitzverschaffung i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB erfordere daher, dass es neben der Datenherrschaft noch zu einer Verkörperung auf Besitzseite komme.55 Diese Verkörperung stellt entweder der Arbeitsspeicher oder die Festplatte des im Internet Surfenden dar.56 Im Ergebnis müsse für einen strafbaren Besitz die Datenherrschaft daher aus der Sachherrschaft folgen, ohne dass diese lediglich nebeneinander vorlägen.57 Anknüpfungspunkt für den Besitz bleibt daher die tatsäch­ liche Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand. b) Körperlichkeitserfordernis als Zirkelschluss Dieses Abstellen auf das nach Bornemann „allgemein anerkannte“58 Erfordernis der festen Verkörperung stellt jedoch einen Zirkelschluss dar. Nach überwiegender Ansicht ergebe sich das Körperlichkeitserfordernis in § 11 Abs. 3 StGB neben dem allgemeinen Sprachverständnis und der ge50  So z. B. jedenfalls Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (125); Popp, ZIS 2011, 193 (195). 51  Vgl. an dieser Stelle nur Fischer, § 11 StGB Rn. 34; siehe ansonsten ausführlich unter C. II. 2. a) aa). 52  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (125). 53  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (125). 54  Vgl. nur Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (125). 55  Vgl. Müller, MMR 2010, 342 (345). 56  Siehe oben D. I. 1. 57  Vgl. Müller, MMR 2010, 342 (345). 58  Bornemann, MMR 2012, 157 (158) m. w. N.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

schichtlichen Entwicklung der Norm insbesondere aus der Gesetzessystematik.59 Jedoch vermag schon der allgemeine Sprachgebrauch eine körperliche Fixierung jeglicher Schriften, Abbildungen oder anderer Darstellungen nicht zu begründen.60 Die entscheidende Gemeinsamkeit liegt vielmehr in der Funktion einer Gedankenvermittlung, ohne dass es dafür einer Körperlichkeit bedürfe. Hörnle ist daher insoweit zuzustimmen, als dass eine Abbildung bereits dann vorläge, wenn sich der Inhalt der Darstellung über optische Wahrnehmung erschließen lässt.61 Im Rahmen des Versuchs einer systematischen Begründung für die Körperlichkeit wird daneben zum einen das Erfordernis einer Sache als Anknüpfungspunkt für den Besitz, die Einziehung nach §§ 74 ff. StGB und die Tathandlung des Verbreitens angeführt.62 All diesen, auf § 11 Abs. 3 StGB verweisenden Handlungen, würden jeweils körperliche Gegenstände zugrunde liegen, weswegen die Verweisungssystematik ein Körperlichkeitserfordernis in § 11 Abs. 3 StGB bedinge. Diese in § 11 Abs. 3 StGB hineingelesene Körperlichkeit ihrerseits wiederum als Begründung für ein Körperlichkeitserfordernis hinsichtlich des Besitzes anzuführen, vermag jedoch nicht zu überzeugen. Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB können nicht allein deswegen körperlich sein müssen, weil Besitz einen körperlichen Gegenstand voraussetzt, wenn sich eben dieses Erfordernis seinerseits erst aus der Bezugnahme auf § 11 Abs. 3 StGB ergibt. Mit der gleichen Begründung lässt sich aber auch unproblematisch das Gegenteil begründen. Nach der hier zu überprüfenden Ansicht umfasst der strafrechtliche Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB neben der tatsächlichen Sachherrschaft auch die tatsächliche Datenherrschaft. Datenherrschaft entspricht dabei der Herrschaft über unkörperliche Daten, weswegen aus der Verweisung des § 184b StGB auf § 11 Abs. 3 StGB ohne weiteres folgen müsste, dass Schriften ebenfalls nicht körperlich sein müssen. Aus dem Körperlichkeitserfordernis des Schriftenbegriffs lässt sich das Körperlichkeitserfordernis des Besitzes mithin nicht herleiten. Beide Körperlichkeitserfordernisse bedingen sich lediglich, ohne dass sie sich unabhängig voneinander begründen ließen. Darüber hinaus streitet auch der Wortlaut des § 11 Abs. 3 StGB, wonach den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen gleichstehen, für sich 59  So z. B. Sieber, JZ 1996, 494 (495); siehe ausführlich bereits oben unter C. II. 1. a). 60  Vgl. Duden „Abbildung“, Bedeutung „etwas bildlich darstellen“; „Darstellung“: „Wiedergabe in einem Bild, beschreibendes Wiedergeben“. 61  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 16. 62  Vgl. an dieser Stelle nur Fischer, § 184b StGB Rn. 8.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs253

betrachtet nicht für ein Körperlichkeitserfordernis. Da § 11 Abs. 3 StGB lediglich eine Aufzählung beinhaltet, kann eine Begriffsauslegung nur im Verwendungszusammenhang mit der jeweiligen verweisenden Norm getroffen werden. Für die Frage nach dem Körperlichkeitserfordernis im Zusammenhang mit § 184b Abs. 4 StGB ist daher ebenfalls nur diese Norm heranzuziehen. Da tatbestandliche Besonderheiten eine vom allgemeinen juristischen Sprachgebrauch abweichende Auslegung rechtfertigen können,63 ist auch ein gegenüber den anderen auf § 11 Abs. 3 StGB verweisenden Normen abweichendes Begriffsverständnis möglich. Obwohl neben § 184b StGB noch eine „beträchtlich[e]“64 Anzahl von Normen auf § 11 Abs. 3 StGB verweist, wird an dieser Stelle nur § 74d StGB als Vergleichsnorm herangezogen. Denn während in den meisten anderen auf § 11 Abs. 3 StGB verweisenden Normen größtenteils das Verbreiten entsprechender Schriften unter Strafe gestellt ist – welches nach vordringlicher Ansicht auch körperlos erfolgen kann –,65 regelt § 74d StGB die Einziehung von Schriften, die einen solchen Inhalt haben, dass jede vorsätzliche Verbreitung in Kenntnis ihres Inhalts den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen würde. Aufgrund der gleichen Bezugnahme wie § 184b StGB könnte § 74d StGB daher möglicherweise in der Auslegung Berücksichtigung finden müssen, um systematische Widersprüche zu vermeiden. Nach überwiegender Ansicht setzt die Einziehung i. S. d. § 74d StGB einen körperlichen Gegenstand voraus, so dass eine Einziehung bei unkörper­ lichen Daten schlicht nicht möglich ist.66 Aber auch unabhängig von der Frage, ob für die Einziehung i. S. d. § 74d StGB eine Körperlichkeit erforderlich ist, stünde dieses Erfordernis einer anderen Auslegung im Rahmen des § 184b StGB nicht entgegen, da mit § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB eine für § 184b Abs. 4 StGB abweichende Regelung existiert. Nach § 184b Abs. 6 Satz  2 StGB ist eine Einziehung der Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach § 184b Abs. 2 oder 4 StGB 63  Vgl. nur BGHSt 48, 360 (364) zu § 263 Abs. 3 Satz  2 StGB; siehe im Allgemeinen: Larenz, Methodenlehre, S. 321. 64  Valerius, in: Beck’scher OK, § 11 StGB Rn. 58; siehe hierzu bereits oben unter C. II. 65  Siehe ausführlich dazu sogleich unter E. I. 2. d). 66  So z. B. Heinrich, in: Wandtke-Medienrecht, Band  5, Kap. 5, § 2 Rn. 62; siehe dazu auch die Kritik bei Vassilaki, MschrKrim 1997, 442 (443 f.), der die durch das IuKDG getroffene Neuregelung des § 74d StGB „weniger sinnvoll erscheint“, da dadurch der „überwiegende Teil des Datennetzmißbrauchs (…) nicht erfasst [werde]“; i. E. ebenso Bär, in: Roßnagel-Multimedia, 7. Teil, § 74d StGB Rn. 11, der jedoch lediglich § 74d StGB im Falle unkörperlicher Gegenstände für unanwendbar hält, ohne daraus einen Rückschluss auf ein eventuelles Körperlichkeitserfordernis in § 11 Abs. 3 StGB zu ziehen.

254

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

bezieht, zwar „obligatorisch“67, da es sich bei der Regelung jedoch um eine besondere Vorschrift i. S. d. § 74 Abs. 4 StGB handelt, erfolgt die Einziehung unabhängig von den Voraussetzungen des § 74d StGB.68 Selbst wenn § 74d StGB daher eine Körperlichkeit voraussetzt, kann aus diesem Erfordernis noch keine verallgemeinernde Aussage über ein eventuelles Körperlichkeitserfordernis in § 11 Abs. 3 StGB getroffen werden,69 welches sich seinerseits wieder in § 184b StGB niederschlagen würde. Anders als § 74d StGB bezieht sich § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB auch nicht auf Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB, sondern auf „Gegenstände“. Der Begriff „Gegenstände“ ist jedoch weiter als der der Schrift und umfasst nach richtiger Ansicht nicht nur körperliche Gegenstände. Anderenfalls hätte es beispielsweise in § 90 BGB des Hinweises auf die Körperlichkeit nicht bedurft.70 Eine Einziehung unkörperlicher Daten könnte demnach über § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB ebenfalls möglich sein. Es lässt sich daher weder aus den auf § 11 Abs. 3 StGB verweisenden Besitzregelungen noch aus den Voraussetzungen der Einziehung nach § 74d StGB ein für § 184b StGB verbindliches Körperlichkeitserfordernis ableiten. Gleiches gilt auch für die Tathandlung des Verbreitens in § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB, welche durch den BGH71 eine Anpassung hin zu einem – teilweise – unkörperlichen Verbreiten erfahren hat. Unabhängig von der Kritik, der sich diese Erweiterung ausgesetzt sieht,72 löst sich der „inter­ netspezifische Verbreitungsbegriff“73 teilweise von dem Körperlichkeitsdogma dahingehend, dass ein Verbreiten von Schriften auch durch das unkörperliche Versenden über das Internet möglich ist, sofern „die elektronisch 67  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6 zu § 184 Abs. 7 a. F. mit dem zutreffenden Hinweis, dass ein fortdauernder Besitz wiederum strafbar wäre. Mit dem gleichen Hinweis auch Fischer, § 184b StGB Rn. 27. 68  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6 für § 184 Abs. 7; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 20; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 18. 69  So i. E. auch Bär, in: Roßnagel-Multimedia, 7. Teil, § 74d StGB Rn. 11. 70  Siehe hinsichtlich des Gegenstandsbegriffs ausführlich sogleich unter E. I. 2. c). 71  Vgl. an dieser Stelle nur BGHSt 47, 55 (58); siehe hinsichtlich des „internetspezifischen Verbreitungsbegriffs“ sogleich unter E. I. 2. d) aa). 72  Siehe z. B. Eisele, Computerstrafrecht, §  21 Rn. 38; Fischer, § 184 StGB Rn. 35; Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 312; ders., in: Spindler / Schuster, § 184a StGB Rn. 5; ders., MMR 2001, 678 (679); ders., ZUM 2002, 283 (288); ders., CR 2010, 798 (800); Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 305; Kudlich, JZ 2002, 310 (311); König, Kinderpornografie, Rn. 218; Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (207 f.); Palm, Kinderpornographie, S. 123; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5; Popp, ZIS 2011, 193 (198). 73  Vgl. BGHSt 47, 55 (59), wonach „die Datenübertragung im Internet (…) einen spezifischen Verbreitensbegriff“ erfordere.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs255

übertragenen Daten [am Ende des Übertragungsprozesses] auf einem neuen Datenträger gespeichert werden und somit auf einem körperlichen Medium beim Empfänger zur Verfügung stehen.“74 Da nach Auffassung des BGH ein Verbreiten jedoch erst dann vorliegt, wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers „angekommen ist“,75 knüpft die Vollendung wiederum an einen körperlichen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB an.76 Hinsichtlich der Körperlichkeit des Tatobjekts vermag dieser Umstand jedoch genau wie schon das subjektive Element der Verbreitungsabsicht keine Aussage treffen; das Körperlichkeitserfordernis ist hier ebenfalls Bestandteil der Tathandlung und nicht des Tatobjekts. Damit lässt sich zunächst festhalten, dass sowohl der Begriff „Besitz“ für sich genommen als auch der Verwendungszusammenhang der Besitzstrafbarkeiten in § 184b Abs. 2 und 4 StGB einen unkörperlichen Besitz in Form der Datenherrschaft stützen. Insbesondere erfordert der Besitzbegriff entgegen verbreiteter Ansicht selbst keine zwingende Körperlichkeit des Besitzobjekts. c) Verfassungskonformität der Wortlautauslegung Wie im Rahmen jeder Auslegung, muss auch dieses Ergebnis auf seine Verfassungskonformität überprüft werden.77 Dabei gilt vor dem Hintergrund, dass allein der Gesetzgeber zur Rechtsetzung demokratisch legitimiert ist, der Grundsatz, dass sich die Auslegung einerseits in dem von dem Gesetzgeber gesteckten Rahmen zu halten hat78 und andererseits – insbesondere im Strafrecht – das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Bestimmtheitsgebot und das daraus folgende Analogieverbot zu beachten sind.79 Das Bestimmtheitsgebot „befiehlt [dabei dem Gesetzgeber], seinen Willen so genau wie möglich zum Ausdruck zu bringen“80 und Gesetze zu schaffen, „die dem Bürger und den Rechtsanwendern Orientierungssicherheit biete[n], (…) [und] an (…) [denen] die Normadressaten ihr Verhalten ausrichten können.“81 74  Bär,

MMR 2000, 760. 47, 55 (59). 76  Vgl. Fischer, § 184b StGB Rn. 9. 77  Siehe dazu Larenz, Methodenlehre, S. 339, der die „Verfassungskonformität“ als weiteres Auslegungskriterium bezeichnet; siehe z. B. auch Dannecker, in: LK, 12. Aufl., § 1 StGB Rn. 337. 78  Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 339. 79  Vgl. auch Demko, Relativität, S. 174. 80  Hassemer / Kargl, in: NK, § 1 StGB Rn. 14. 81  Dannecker, Roxin-FS 2011, S. 285 (287); vgl. auch BVerfGE 73, 206 (234); BVerfGE 75, 329 (340); BVerfGE 78, 374 (381 f.); BVerfGE 105, 135 (152); 75  BGHSt

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Dabei richtet sich der Bestimmtheitsgrundsatz an den Gesetzgeber, während das Analogieverbot den Rechtsanwender in die Pflicht nimmt.82 Röder führt insoweit treffend aus, dass „Art. 103 Abs. 2 GG (…) es dem Rechtsanwender strikt und ausnahmslos [verbietet], Strafbarkeitslücken ohne gesetzliche Grundlage zu schließen; nicht der Rechtsanwender ist in solchen Fällen zum Handeln berufen, sondern der Gesetzgeber.“83 Bleibt die Auslegung hingegen „innerhalb der Normgrenze, ist Art. 103 Abs. 2 GG (…) überhaupt nicht berührt.“84 Für die Auslegung im Allgemeinen wird dabei die „Wortlautgrenze“ als spezielle Ausprägung des strafrechtlichen Analogieverbots angeführt, welche insbesondere im Strafrecht als „Hüter des Analogieverbotes [und] Wächter vor richterliche Rechtsfortbildung“85 avanciere.86 Als problematisch gestalten sich in diesem Zusammenhang die Relativität der Rechtsbegriffe und das Fehlen eindeutiger Rechtsvokabeln.87 Da es aufgrund der mangelnden Eindeutigkeit von Alltags- und Fachsprache dem Wortlaut an der notwendigen Präzision fehlt,88 kann die Grenze maximal die „mögliche Wortbedeutung“89 sein, also das, was „irgendwie noch mit dem ‚Wortlaut‘ des Gesetzes vereinbar (…), irgendwie im Gesetz zum Ausdruck gekommen (…) [sei].“90 Da aber die vermeintliche Bedeutung in der Fachsprache nicht zwingend mit der der Alltagssprache übereinstimmen muss und auch die Fachsprache nicht „fest und sicher“91 ist, kann sich die Grenze der Auslegung – wie auch die Auslegung als solche – nicht allein aus dem Wortlaut ergeben.92 Vielmehr lässt sich eine solche Grenze nur aus der Gesamtbetrachtung aller AusleBVerfG, NJW 2005, 2140 (2141); BVerfG, wistra 2010, 380 (386); BGHSt 18, 136 (140); Roxin, AT I, § 5 Rn. 80 f.; Schmitz, in: MüKo, § 1 StGB Rn. 39. 82  Vgl. BVerfGE 75, 329 (340); Depenheuer, Wortlaut, S: 9; Greco, GA 2012, 452 (457); Hassemer / Kargl, in: NK, § 1 StGB Rn. 71; Jähnke, ZIS 2010, 463; Jescheck / Weigend, AT, § 15 III 2 a); Roxin, AT I, § 5 Rn. 7; siehe kritisch zu dieser Unterscheidung Kuhlen, Auslegung, S.  94 ff. 83  Röder, NStZ 2010, 113 (114). 84  Jähnke, ZIS 2010, 463 in Fn. 10; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 1848 (1849); BVerfG NJW 2005, 2140 (2141). 85  Depenheuer, Wortlaut, S. 11. 86  Vgl. Demko, Relativität, S. 175; siehe zur Wortlautgrenze bereits oben unter B. I. 1. b) aa). 87  Siehe oben unter B. I. 1. a). 88  So auch Depenheuer, Wortlaut, S. 10. 89  Vgl. z. B. BVerfGE 105, 135 (152 ff.); BGHSt 1, 158 (168); BGHSt 48, 354 (356); Bydlinksi, Methodenlehre, S. 467 f.; Engisch, Einführung, S. 73; Larenz, Methodenlehre, S. 340; Zippelius, Methodenlehre, S. 50. 90  Engisch, Einführung, S. 100. 91  Müller-Erzbach, in: Krawietz, S. 201. 92  Siehe zur Relativität der Rechtsbegriffe ausführlich oben unter B. III. 1.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs257

gungsmethoden bilden.93 Die Auslegung, die „keinesfalls (…) das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkte verfehlen oder verfälschen [darf]“94, ist daher nicht an den „Buchstaben (…), sondern [vielmehr] (…) an Sinn und Zweck des Gesetzes“95 gebunden. Nach Küpper muss sich die Auslegung mithin nicht an der Wortlautgrenze, sondern allein an der Grenze von Sinn und Zweck der Rechtsbestimmung ausrichten.96 Dennoch stellt der Wortlaut nicht nur den ersten Anhaltspunkt für den Beginn einer Auslegung dar. Vielmehr gilt es für die vorliegende Auslegung des Besitzbegriffs der Frage nachzugehen, ob der Betrachter einer kinderpornografischen Darstellung im Internet eine Verfügungsgewalt erlangt, die ohne Verstoß gegen die Wortlautgrenze „Besitz“ genannt werden kann.97 Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert dabei eine sprachliche Fassung der Verbotsnorm, welche dem Normadressaten eindeutig den Regelungsgehalt der Norm vermittelt. Stellt § 184b StGB unter anderem den Besitz kinderpornografischer Schriften und Darstellungen unter Strafe, muss der Normadressat erkennen können, dass davon auch der digitale Besitz erfasst wird. Sowohl Alltags- als auch Fachsprache bezeichnen mit dem Begriff „Besitz“ zunächst nur ein Herrschaftsverhältnis über einen Gegenstand.98 Nach Westermann99 bedeutet Besitz umgangssprachlich schlicht das „Haben einer Sache“. Dass es sich dabei nicht zwingend um einen körperlichen Gegenstand, also eine Sache, handeln muss, hat die vorangegangene Analyse bereits ergeben. Entscheidend ist mithin nicht die Sachqualität des Besitzgegenstandes, sondern vielmehr das „Habens-Element“. Dieses Herrschaftselement lässt sich als tatsächliche Datenherrschaft unproblematisch auch auf digitale Daten und Dateien übertragen, ohne dass dieses Begriffsverständnis den Rahmen, den der Begriff „Besitz“ selbst vorgibt, überschreiten würde. Der digitale Besitz konstituiert sich daher allein durch die Herrschaftsmacht, welche aufgrund der bestehenden Möglichkeiten, mit der geöffneten Darstellung nach Belieben zu verfahren, auch beim bloßen Betrachten im Internet besteht. Dass es sich bei dem Herrschaftsverhältnis nach Hörnle100 lediglich um „Verhaltensoptionen“101 und damit gerade nicht um eine „Verfügungsmacht“ handelt, wurde bereits widerlegt. auch Demko, Relativität, S. 185. 8, 28 (34). 95  BVerfGE 35, 263 (278 f.). 96  Vgl. Küpper, JuS 1996, 783 (785). 97  So auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 98  Siehe oben unter E. I. 1. 99  Westermann, Sachenrecht, Rn. 22. 100  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 101  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35. 93  So

94  BVerfGE

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Ein auf dem Herrschaftselement aufbauendes Begriffsverständnis findet sich auch in der Alltagssprache, in der es häufig zur Vermischung der Begriffe „Besitz“ und „Eigentum“ kommt. Der Besitz bzw. die Bezeichnung „Besitzer“ wird dabei oft synonym für eine Eigentumsbeziehung verwendet,102 was verstärkt für ein herrschaftsorientiertes Verständnis spricht. Auch aufgrund dieses Umstandes überschreitet eine auf dem Herrschaftselement aufbauende Auslegung den begrifflichen Erwartungshorizont des Normadressaten nicht und verstößt somit auch nicht gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegten Bestimmtheitsgrundsatz. Nach Bornemann müsse hingegen die „Kreation eines eigenen, ‚spezifischen‘ Begriffs zur strafrechtlichen Erfassung einer Tathandlung, die beim gewohnten allgemeinen wie auch rechtswissenschaftlichen Sprachverständnis nicht unter den Straftatbestand fiele, (…) [dennoch] letztlich als strafbegründende Analogie bezeichnet werden, die Art. 103 Abs. 2 GG kategorisch ausschließt.“103 Da das Gesetz lediglich die Verbreitung und den Besitz körperlicher Schriften regele, „verbiete(…) der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz die Subsumtion von Verbreitungshandlungen unter den Straftatbestand, die in der unkörperlichen Weitergabe der Information bestehen, die auf Schriften verkörpert ist.“104 Die Aussage Bornemanns basiert jedoch auf der fälschlichen Annahme, § 11 Abs. 3 StGB erfasse grundsätzlich nur körperliche Gegenstände.105 Stattdessen hat jedoch die Auslegung des Schriftenbegriffs ergeben, dass für ein solches Erfordernis keinerlei Berechtigung existiert;106 insbesondere lässt sich eine solche auch nicht aus dem Besitzbegriff herleiten.107 Darüber hinaus sprechen weder das allgemeine noch das rechtswissenschaftliche Sprachverständnis für eine derartige Einschränkung. Vielmehr hat die Auslegung der Begrifflichkeiten ergeben, dass der strafrechtliche Besitz keine Körperlichkeit erfordert. Entscheidend ist bereits auf Wortlautebene das dem Besitz zugrundeliegende Herrschaftsverhältnis. 102  Siehe

an dieser Stelle nur Duden „Besitz“, Bedeutung [besonderer Hinweis]. MMR 2012, 157 (159). 104  Bornemann, MMR 2012, 157 (159). 105  Vgl. Bornemann, MMR 2012, 157 (159), nach dem infolgedessen eine Weitergabe körperlicher Propagandamittel bzw. pornografischer Schriften weder per E-Mail noch über das Internet möglich sei. 106  Darüber hinaus streitet das von Bornemann, MMR 2012, 157 (159) geforderte Körperlichkeitserfordernis auch beim Verbreiten über das Internet für kein anderes Ergebnis, da der erweiterte Verbreitungsbegriff ebenfalls an körperliche Tatobjekte anknüpft (siehe oben unter E. I. 2. d) dd); vgl. auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 [123]). 107  Siehe hinsichtlich des Nichtbestehens eines Körperlichkeitserfordernisses bei § 11 Abs. 3 StGB oben unter E. I. 1. b). 103  Bornemann,



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs259

Richtigerweise kann daher allein das bloße Betrachten im Sinne eines optischen Wahrnehmens keinen Besitz begründen. Wer nur schaut, beherrscht nicht. Insoweit ist Hörnle108 zuzustimmen, dass der Besucher einer Kinovorführung oder ein Fernsehzuschauer die Bilder auf der Leinwand bzw. dem Bildschirm nicht besitzt. Dies als Besitz zu bezeichnen, würde tatsächlich „die Grenzen des Alltagssprachgebrauchs und somit die Grenzen des Art. 103 Abs. 2 StGB überschreiten.“109 Eine Auslegung, die darüber hinaus das – wenn auch nur technisch bedingte und gegebenenfalls unbewusste – Herunterladen in den flüchtigen Arbeitsspeicher zum Zweck des bloßen Betrachtens erfasst, überschreitet hingegen nicht die Grenzen des Wortsinns. Das entstandene Herrschaftsverhältnis konstituiert den Besitz als solchen und unterscheidet das Betrachten am bedienten Computer vom bloßen Betrachten. Die Verfügungsgewalt und die Möglichkeit, mit der Anzeige nach Belieben zu verfahren, entspricht spiegelbildlich den Möglichkeiten, die der Bauer hinsichtlich seines auf einem entfernten Feld stehenden Pfluges innehat. Eine Auslegung, die diese Grundsätze auf vergleichbare Anwendungsfelder überträgt, verstößt daher nicht gegen den im Strafrecht geltenden Bestimmtheitsgrundsatz und das daraus folgende Analogieverbot. d) Zwischenergebnis Im Ergebnis lässt sich für die Wortlautauslegung festhalten, dass zum einen sowohl der Besitzbegriff in der Alltags- als auch in der Rechtssprache einen auch digitalen Besitz umfassen und dass weder der Verwendungszusammenhang der Besitzstrafbarkeiten in § 184b Abs. 2 und 4 StGB noch der Begriff selbst eine Körperlichkeit erfordern. Insbesondere steht auch der Verweis in § 184b Abs. 1 StGB auf den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB entgegen Eckstein110 einem solchen Verständnis nicht entgegen, da sich die geforderte Körperlichkeit der Schriften entgegen verbreiteter Ansicht nicht aus dem Schriftenbegriff als solchem, sondern allein aus dem Verwendungszusammenhang der jeweils auf § 11 Abs. 3 StGB verweisenden Normen ergibt. Für die Frage, ob ein strafbarer Besitz kinderpornografischer Schriften i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB auch aufgrund bloßer Datenherrschaft möglich ist, ist daher ebenfalls nur diese Regelung für die Wortlautauslegung heranzuziehen. Aus dem Wortlaut des § 184b Abs. 4 StGB als 108  Hörnle, NStZ 2005, 704 (705); vgl. auch Mintas, NJW 2010, 1897, die für ein Abstellen auf das „bloße (…) Wahrnehmen“ richtigerweise einen Verstoß gegen den Gesetzeswortlaut annimmt. 109  Hörnle, NStZ 2005, 704 (705). 110  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (125).

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

solchem lässt sich ein Körperlichkeitserfordernis jedoch nicht herleiten. Der Begriff „Besitz“ kann daher dem Begriff nach grundsätzlich auch die Herrschaft über Daten umfassen. Aufgrund der begrifflichen Weite des Besitzbegriffs und des Umstandes, dass nicht das sächliche Element, sondern das Herrschaftselement den Besitz dominieren, ist dieses Ergebnis zum anderen auch bestimmt genug i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG und verstößt mithin nicht gegen das Analogieverbot. 2. Systematik Der Umstand, dass der Begriff „Besitz“ auch den digitalen Besitz umfasst, vermag für sich alleine jedoch noch nicht für ein erweitertes Begriffsverständnis auch im Rahmen des § 184b StGB streiten. Vielmehr kann ein Begriff nie für sich alleine, sondern grundsätzlich nur im Verwendungszusammenhang der betreffenden Norm ausgelegt werden, wes­ wegen sich eben diese Norm wiederum im systematischen Zusammenhang des jeweiligen Gesetzes und der Rechtsordnung als Ganzem messen lassen muss. Nach v. Savigny bezieht sich „das systematische Element [der Auslegung] auf den inneren Zusammenhang, welcher alle Rechtsinstitute und Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft“111, weswegen „wir seinen Gedanken [den des Gesetzgebers Anm. d. Verf.] nur dann vollständig erkennen, wenn wir uns klar machen, in welchem Verhältnis dieses Gesetz zu dem ganzen Rechtssystem steht, und wie es in das System wirksam eingreifen soll.“112 Die systematische Auslegung lässt sich dabei in ein „inneres“ und „äußeres System“ aufteilen.113 Die Auslegung dem „äußeren System“ nach bezieht dabei unter anderem die Stellung der Vorschrift innerhalb eines bestimmten Gesetzesabschnitts sowie die amtliche Überschrift der Norm, die auch ohne Bestandteil des Tatbestandes zu sein zur Auslegung herangezogen werden kann,114 mit in die Auslegung ein. Im Falle des § 184b StGB lassen daraus jedoch nur schwer verbindliche Aussagen über die Vereinbarkeit eines digitalen Besitzes treffen. Zwar umfasst der 13. Abschnitt des StGB die „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ und § 184b StGB stellt 111  v.

Savigny, System, S. 214. Savigny, System, S. 214. 113  Diese begriffliche Unterscheidung ist auf Heck, Begriffsbildung, S. 139  ff., 143 zurückzuführen und findet sich in der Literatur an den verschiedensten Stellen. Siehe z. B. Demko, Relativität, S. 123 f.; Kramer, Methodenlehre, S. 67; Larenz, Methodenlehre, S. 326; Simon, Gesetzesauslegung, S. 388; Zippelius, Methodenlehre, S. 46. 114  Vgl. Simon, Gesetzesauslegung, S. 390. 112  v.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs261

die „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften“ unter Strafe, so dass der digitale Besitz den angestrebten Schutz sogar erweitern würde, konkrete Anhaltspunkte, die für oder gegen eine entsprechende Auslegung sprechen, liefern die Stellung im Gesetz und die Überschrift in diesem Fall jedoch nicht. Darüber hinaus kann die äußere Systematik auch nur einen ersten Hinweis bieten, da sich allein aus dem formellen Aufbau des Gesetzes noch keine allgemeingültigen Aussagen treffen lassen. So kann sich beispielsweise zum einen „die Bezeichnung des Abschnitts als unpräzise (…) [oder zum anderen] eine bestimmte Norm gewollt oder ungewollt als Fremdkörper im Abschnitt erweis[en],“115 weswegen die Stellung im Gesetz nicht überschätzt werden darf.116 Die Feststellung, dass ein Besitz durch Datenherrschaft sich unproblematisch in das äußere System des § 184b StGB einfügen würde, kann daher auch nur ein erstes Indiz117 für die weitere Auslegung sein. Ein größeres Gewicht ist stattdessen der „inneren Systematik“ beizumessen,118 also dem Verhältnis des einzelnen Rechtsbegriffs zur Gesamtrechtsordnung. a) Der Begriff „Besitz“ in der Gesamtrechtsordnung Der Überblick über die Besitzdelikte und deren Funktion spricht auf einen ersten Blick zunächst gegen eine Erweiterung des Besitzbegriffs hin zu einer Datenherrschaft. Typische Besitzobjekte im Strafrecht sind Betäubungsmittel in § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, Waffen in §§ 51 ff. WaffG oder andere Sachen, von denen oder von deren Verwendung Gefahren ausgehen.119 Einen unkörperlichen Besitz kennt demgegenüber weder das Strafrecht noch das Zivilrecht. So knüpft zwar das Führen eines Titels i. S. d. § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB an etwas Unkörperliches an, stellt aber trotz der Verwendung des Begriffs „Führen“ kein Besitzdelikt dar. Vielmehr ist die Begrifflichkeit auch hier auf die Relativität der Alltags- und Rechtssprache zurückzuführen.120 Zu dem gleichen Ergebnis führt auch ein Vergleich der unterschiedlichen Personen-Sach-Beziehungen. So definieren sich sowohl der unmittelbare 115  Simon,

Gesetzesauslegung, S. 389. jedenfalls Larenz, Methodenlehre, S. 326; vgl. auch Zippelius, Methodenlehre, S. 46, nach dem der „Standort der auszulegenden Norm im ‚äußeren System‘ (…) nicht allzu gewichtige Auslegungsargumente liefern [könne].“ 117  Vgl. auch Demko, Relativität, S. 124, die der äußeren Gesetzessystematik lediglich einen „Hinweischarakter“ als eine „Art Auslegungshilfe“ zuspricht. 118  Vgl. Demko, Relativität, S. 124. 119  Siehe ausführlich zu den unterschiedlichen Besitzdelikten oben unten B. IV. 1. 120  Siehe zur Relativität der Rechtsbegriffe im Allgemeinen oben unter B. III. 1. 116  So

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Besitzer i. S. d. § 854 BGB als auch der strafrechtliche Gewahrsam i. S. d. §§ 242 ff. StGB und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt aus dem Waffenrecht über das Herrschaftsverhältnis einer Person zu einer Sache.121 Besonders deutlich wird dies im Falle des Zivilrechts, wo in § 90 BGB der BGB-weite Sachbegriff legal definiert wird.122 Eine Sache, auf welche sich aufgrund des Zusatzes „im Sinne des Gesetzes“ insbesondere auch die Besitzregeln der §§ 854 ff. BGB beziehen, ist hiernach jeder körperliche Gegenstand. Auch andere, vergleichbare zivilrechtliche Sachbegriffe, wie Ware, Gut oder Produkt, legen in der Regel einen körperlichen Gegenstand zugrunde.123 Software oder Computerdaten sind hingegen nach verbreiteter Ansicht auch im Sinne des Zivilrechts keine Sachen, da ihnen die abgrenzbare Körperlichkeit fehlt.124 Das Gleiche gilt für den strafrechtlichen Besitz und den strafrechtlichen Gewahrsam bei denen ebenfalls ein körperlicher Gegenstand Anknüpfungspunkt für die jeweilige Strafbarkeit ist. Nach § 252 SGB wird daher beispielsweise bestraft, wer unter anderem Gewalt gegen eine Person ausübt, „um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten“. Dabei knüpft § 252 StGB als eigenständiges Anschlussdelikt125 an einen vorangegangenen Diebstahl oder Raub an, so dass das „gestohlene Gut“ aufgrund des Tatobjekts „fremde, bewegliche Sache“ in §§ 242 ff. StGB selbst ein körperlicher Gegenstand sein muss. In Abgrenzung zu §§ 249 ff. StGB muss der Gewahrsamswechsel bereits vollzogen sein,126 weswegen bei kleineren Gegenständen der Besitz des gestohlenen Gutes auch in einer fremden Herrschaftssphäre unproblematisch möglich ist. Ebenso geht die bisherige, überwiegende Ansicht davon aus, dass kinder- oder jugendpornografische Schriften i. S. d. §§ 184b, 184c StGB ebenfalls körperliche Gegenstände sein müssten.127 Infolgedessen spricht der systematische Vergleich mit den klassischen Personen-Sach-Beziehungen eher für die Notwendigkeit eines körperlichen Besitzes. Ein unkörperlicher Besitz müsste demnach ausscheiden, so dass auch ein Besitz allein aufgrund von Datenherrschaft nicht möglich wäre. 121  Siehe

oben unter B. III. 4. nur Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 90 BGB Rn. 1, wonach dieser Sachbegriff zumindest „im Sachenrecht uneingeschränkt zu beachten [ist]“. Siehe auch oben unter B. III. 2. d). 123  Vgl. Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 90 BGB Rn. 37. 124  LG Konstanz, NJW 1996, 2662; Fritsche, in: Beck’scher OK, § 90 BGB Rn. 25; Junker, NJW 1993, 824 (830); Stresemann, in: MüKo, § 90 BGB Rn. 25; a. A. König, NJW 1993, 3121. 125  Vgl. RGSt 6, 325, 328; BGHSt 3, 76, 77; Fischer, § 252 StGB Rn. 1 m. w. N.; Sander, in: MüKo, § 252 StGB Rn. 5. 126  Vgl. nur Sander, in: MüKo, § 252 StGB Rn. 6. 127  Siehe oben B. IV. 1. a) bb). 122  Vgl.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs263

Andererseits definieren sich der unmittelbare Besitz, der strafrechtliche Gewahrsam und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt in erster Linie durch die Intensität des zugrundeliegenden Herrschaftsverhältnisses und gerade nicht durch die Beschaffenheit des Besitzobjekts, weswegen beispielsweise auch der Aggregatzustand irrelevant ist.128 Ausschlaggebend ist für die Frage der Besitzbarkeit eines Gegenstandes daher nicht allein die körperliche Form als solche, sondern deren Beherrschbarkeit. Aus diesem Grund ist beispielsweise auch das Meerwasser zunächst keine Sache i. S. d. BGB und erst dann besitzfähig, wenn es in Flaschen abgefüllt worden ist; Anknüpfungspunkt für einen Besitz ist dann dieses abgefüllte Wasser.129 Für die Abgrenzbarkeit ist dabei „in erster Linie die Verkehrsauffassung und weniger die Physik entscheide(…)[nd]“130, weswegen zum Beispiel auch der menschliche Leichnam nicht unter den Sachbegriff fällt.131 Während das Römische Recht132 auf die Greif- bzw. Berührbarkeit einer Sache abstellte, findet sich diese Einschränkung im deutschen Recht nicht. Vielmehr kommt es allein auf die Beherrschbarkeit an, die im Falle des Meerwassers erst durch Abgrenzung hergestellt werden muss. Eben dieses Herrschaftsverhältnis ist die Grundlage für die zivilrechtlichen Fiktionen aus §§ 855, 857 BGB. Allein die Weisungsgebundenheit bzw. die Erbenstellung schaffen ein von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichendes Besitzverständnis. Dass Grundlage dieser Konstellationen rechtliche Erwägungen darstellen, steht der Schwerpunktsetzung auf das Herrschaftselement nicht entgegen. Im Strafrecht ist hinsichtlich des strafrechtlichen Besitzes und Gewahrsams hingegen von einem hauptsächlich faktischen Verhältnis auszugehen, mit der Folge, dass diese zivilrechtlichen Besonderheiten keine Beachtung finden können.133 Aus diesem Grund ist beispielsweise auch die Rechtsfigur der Gewahrsamsdienerschaft abzulehnen und der Gewahrsam demjenigen zuzuordnen, der über die Sache tatsächlich verfügen kann. Die zivilrechtliche Weisungsgebundenheit vermag die Faktizität nicht zu überwinden, nur Ellenberger, in: Palandt, § 90 BGB Rn. 1. z. B. Larenz / Wolf, AT § 20 Rn. 12; Stresemann, in: MüKo, § 90 BGB Rn. 8; Ellenberger, in: Palandt, § 90 BGB Rn. 1; Jickeli / Stieper, in: Staudinger, § 90 BGB Rn. 1. 130  RGZ 87, 43 (45); so auch Stresemann, in: MüKo, § 90 BGB Rn. 8. 131  Vgl. OLG Bamberg, NJW 2008, 1543 (1547); Ellenberger, in: Palandt, Überbl. § 90 BGB Rn. 1; Zimmermann, NJW 1979, 569 (570). 132  Im Römischen Recht wurde zwischen res corporales, also res, quae tangi possunt und res incorporales also res, quae tangi non possunt und damit zwischen Sachen, die greifbar und solchen, die man nicht greifen kann, unterschieden (Kloeß, AcP 103 (1908), 34 [58]). Diese Unterscheidung wurde jedoch gerade nicht ins BGB übernommen (vgl. Motive II, S. 2, 32; Kloeß, AcP 103 (1908), 34 [58]). 133  Siehe oben B. III. 2. b) cc). 128  Vgl. 129  Vgl.

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weswegen auch dem Spediteur grundsätzlich zumindest untergeordneter Gewahrsam an dem Transportgut zuzusprechen ist.134 Die Annahme, dass das hunderte Kilometer entfernte Speditionsunternehmen allein aufgrund des Wissens um die Route Alleingewahrsamsinhaber sein soll, vermag daher nicht zu überzeugen. Die faktische Einwirkmöglichkeit liegt stattdessen – zumindest auch – bei dem Fahrer. Gleiches gilt für das Führen einer Waffe i. S. d. § 1 Abs. 3 WaffG, welches selbst dann gegeben ist, wenn die Waffe lediglich kurzfristig für das Schießen überlassen worden war;135 zivilrechtlich ließe sich diese Form des Kurzbesitzes nicht unter die §§ 854 ff. BGB subsumieren. Ausschlaggebend ist in allen Fällen die Möglichkeit, mit der Sache nach eigenem Belieben zu verfahren und andere von dem Zugriff auszuschließen. Da dies auch dem zivilrechtlichen Besitzdiener möglich ist, kommt dieser ebenfalls als Täter für §§ 184b Abs. 4, 184c Abs. 4 StGB in Betracht. Dass der Besitzdiener trotz seiner faktischen Nähe zivilrechtlich keinen Besitz innehat, ist dabei dem rechtlichen Charakter des § 855 BGB geschuldet, der weniger das tatsächliche als das rechtliche Verhältnis normieren soll. Ausschlaggebend sind hinsichtlich der strafrechtlichen Personen-Sachbeziehungen damit allein das faktische Näheverhältnis und die daraus resultierende Möglichkeit, auf das Bezugsobjekt einzuwirken. b) Systematische Vergleichbarkeit der Besitzbegriffe Die unterschiedlichen Personen-Sach-Beziehungen zeichnen sich im Ergebnis allein durch den zugrundeliegenden Herrschaftsgedanken und nicht durch ihre Körperlichkeit aus. Das Körperlichkeitserfordernis resultiert vielmehr kontextabhängig aus der jeweiligen rechtlichen Bezugnahme, weswegen der sachenrechtliche Besitzbegriff beispielsweise ebenso einen körperlichen Gegenstand erfordert, wie dies bei den §§ 242 ff. StGB der Fall ist. Dieser Herrschaftsgedanke lässt sich jedoch auch unproblematisch auf einen körperlosen digitalen Besitz übertragen. Entscheidendes Kriterium für einen digitalen Besitz ist danach wiederum nicht der Besitzgegenstand, sondern die Intensität des Herrschaftsverhältnisses. Datenherrschaft hat danach derjenige, der unter Ausschluss anderer mit den Daten nach seinem Belieben verfahren kann. Diese Möglichkeit steht dabei demjenigen offen, der aufgrund ungehinderten tatsächlichen Zugriffs mittels eines Computers in der Form auf die Daten zugreifen kann, dass er Daten ändern, löschen, 134  Siehe

oben B. III. 2. b) dd) (1) (c). OLG Hamburg, NJW 1930, 2150; Heinrich, in: MüKo, § 1 WaffG Rn. 170; Potrykus, NJW 1965, 1164 (1165). 135  Vgl.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs265

kopieren, verschieben oder ausdrucken kann.136 Der Anerkennung eines solchen digitalen Besitzbegriffs steht neben der Gesamtrechtsordnung auch die innere Struktur des § 184b StGB nicht entgegen. Stattdessen sprechen die Existenz der Sondereinziehungsregelung in § 184b Abs. 6 Satz  2 StGB sowie die Tathandlungen des Verbreitens und öffentlichen Zugänglichmachens vielmehr für einen Besitz durch Datenherrschaft. c) Der Begriff des „Gegenstands“ als Auslegungshilfe Im Rahmen der Diskussion ist der Blick bereits an verschiedenen Stellen auf die §§ 74 ff. StGB gelenkt worden. Vor allem nach Harms137 spräche der Umstand, dass eine Einziehung nach § 74d StGB nur bei körperlichen Gegenständen möglich sei, gegen einen Besitz durch Datenherrschaft.138 Auch Sieber begründet ein Körperlichkeitserfordernis für § 11 Abs. 3 StGB unter anderem über die Einziehungsregelungen in § 74d StGB.139 Für die Frage, ob § 184b Abs. 4 StGB auch einen körperlosen Besitz erfasst, vermag § 74d StGB entgegen Harms und Sieber jedoch keine Auslegungshilfe darstellen,140 da die Norm im Zusammenhang mit § 184b Abs. 4 StGB nicht anwendbar ist. Bezüglich der Besitzregelungen in § 184b Abs. 2 und 4 StGB existiert stattdessen mit § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB eine Sondervorschrift i. S. d. § 74 Abs. 4 StGB. Während § 74d Abs. 1 StGB damit nur in den Fällen des § 184b Abs. 1 und 3 StGB Anwendung findet und damit nur dann, wenn die Schriften zur Verbreitung oder zum öffentlich Zugänglichmachen bestimmt sind, soll die Sonderregelung in § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB für die Fälle des Besitzes bzw. der Besitzverschaffung eine Einziehung unter anderem in den Fällen ermöglichen, in welchen eine solche Verbreitungsabsicht nicht vorliegt.141 Ohne diese Sondervorschrift ließe sich § 74d StGB mit seinem unterstellten142 Körperlichkeitserfordernis auch im Zusammenhang mit § 184b Abs. 4 StGB als mögliches Argument gegen einen unkörperlichen Besitz durch Datenherrschaft anbringen; vor dem Hintergrund der Sonderregelung in i. E. auch Germann, Gefahrenabwehr, S. 202. NStZ 2003, 646 (649). 138  Siehe ausführlich oben unter C. II. 4. c). 139  Vgl. Sieber, JZ 1996, 494 (495). 140  Mit ablehnendem Ergebnis so aber ausdrücklich Harms, NStZ 2003, 646 (649). 141  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 53. 142  Siehe hierzu bereits oben unter C. II. 4. c), wonach die „Sinnlosigkeit der Einziehung“ keine Aussage über die grundsätzliche Möglichkeit der Einziehung zu treffen vermag. 136  So

137  Harms,

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§ 184b Abs. 6 Satz 2 StGB müssen stattdessen die tatbestandlichen Besonderheiten und damit insbesondere die Verwendung des Begriffs „Gegenstände“ Berücksichtigung finden. Denn anders als der vielzitierte § 74d StGB verweist § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gerade nicht auf den Schriftenbegriff aus § 11 Abs. 3 StGB, sondern lediglich auf entsprechende „Gegenstände“. Diese abweichende Formulierung spricht daher für die Existenz eines körperlosen Besitzbegriffs. Würde § 184b Abs. 4 StGB stattdessen nur körperliche Gegenstände umfassen, hätte es in § 184b Abs. 6 StGB keiner anderen, von der Bezugnahme auf die – vermeintlich allein körperlichen – Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB abweichenden Formulierung bedurft. Vielmehr könnte durch die Verwendung des Begriffs „Gegenstände“ auch eine Einziehung unkörperlicher Daten möglich sein, mit der Folge, dass die obligatorische Einziehung143 damit auch im Falle digitalen Besitzes möglich wäre. Es gilt daher im Folgenden zu überprüfen, ob der Begriff des Gegenstands darüber hinaus unkörperliche Gegenstände und möglicherweise sogar elektronische Daten erfasst. Dazu bietet sich neben einem Vergleich mit dem strafrechtlichen Gegenstandsbegriff auch ein Vergleich mit den Regelungen der StPO an. Die Überlegung, auch den strafprozessualen Gegenstandsbegriff bei der Auslegung zu berücksichtigen, basiert zum einen auf der Nähe der strafrechtlichen Einziehung zu den strafprozessualen Regelungen der Sicherstellung bzw. Beschlagnahme nach § 94 und §§ 111b, 111c StPO, welche ebenfalls „Gegenstände“ betreffende Regelungen enthalten. Zum anderen lassen sich die in dem Zusammenhang mit der Beschlagnahme bzw. Sicherstellung unkörperlicher Daten gefundenen Erkenntnisse möglicherweise in einem weiteren Schritt auch auf einen unkörperlichen Besitz übertragen. In diesem Fall ist im Rahmen der systematischen Auslegung des § 184b StGB – auch mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung – der Frage nachzugehen, ob die §§ 94 ff., 111b und 111c StPO auch unkörperliche Gegenstände bzw. Daten erfassen. aa) Begriffsbestimmung Die Bestimmung des Gegenstandsbegriffs ist mangels einer allgemeingültigen Legaldefinition, wie auch schon die des Besitzes oder der Schrift, im Wege der Auslegung zu ermitteln. Im Rahmen der Wortlautauslegung ist daher wiederum zunächst der Blick auf die Alltagssprache und die juristische Fachsprache zu richten. Weder der Begriff „Gegenstand“ selbst noch seine Verwendung in der Alltagssprache spricht zunächst für eine zwingen143  Vgl. den Wortlaut des § 184b Abs. 6 Satz  2 StGB, wonach „Gegenstände (…) eingezogen [werden]“. Siehe ansonsten nur Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 20.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs267

de Körperlichkeit.144 Aber auch die Verwendung in der juristischen Fachsprache spricht nicht zwangsläufig für ein Körperlichkeitserfordernis. So sind Sachen i. S. d. § 90 BGB „körperliche Gegenstände“, weswegen schon aus der Verwendung des Adjektivzusatzes sprachlich folgt, dass auch andere, nicht körperliche Gegenstände existieren müssen.145 Der Begriff des Gegenstands findet sich neben § 90 BGB noch in zahlreichen Vorschriften des BGB und umfasst neben körperlichen Objekten alle vermögenswerten Rechte, wie Immaterialgüterrechte, Forderungen oder auch technisch beherrschbare Energien.146 Entgegen Bär147 beschränkt sich aber auch das StGB nicht auf einen allein körperlichen Gegenstandsbegriff. Zwar ist der zugrunde gelegten Annahme, dass eine Begriffsbestimmung für das Strafrecht „nur eigenständig und damit unabhängig von anderen Rechtsgebieten erfolgen [kann]“148 grundsätzlich zuzustimmen, die Ausführungen hinsichtlich des strafrechtlichen Gegenstandsbegriffs überzeugen hingegen nicht. So ist der Aussage, dass im Rahmen von § 242 StGB „ebenfalls nur eine Entziehung von körperlichen Gegenständen möglich ist“,149 zwar zuzustimmen, einen Rückschluss bezüglich des Gegenstandsbegriffs im Allgemeinen lässt sich aufgrund des anderen Bezugsobjekts jedoch gerade nicht treffen.150 Vielmehr ist Tatobjekt des § 242 StGB eine Sache und damit gerade nicht jeder beliebige Gegenstand; der strafrechtliche Sachbegriff erfasst aufgrund seines Schutzzwecks und der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Begriff „Sache“ eben nur körperliche Gegenstände.151 § 242 StGB kann als Auslegungshilfe für den Gegenstandsbegriff mithin nicht herangezogen werden. Stattdessen findet sich der Begriff neben den §§ 73 ff. und §§ 74 ff. StGB, welche den Verfall bzw. die Einziehung regeln, in §§ 109f Abs. 1 Nr. 2 StGB, 176a Abs. 3 StGB oder in den §§ 184a, 184b, 184c StGB. In diesen Fällen ist „Gegenstand“ vielmehr – so wie schon in der Alltagssprache – im Sinne 144  Vgl. nur Duden „Gegenstand“, Bedeutung, wonach ein Gegenstand neben dem körperlichen Objekt auch das Thema einer Unterhaltung oder das einer wissenschaftlichen Arbeit i. S. v. „Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung“ oder auch das Bezugsobjekt eines bestimmten Handelns, Denkens oder Fühlens sein kann. 145  Vgl. nur Stresemann, in: MüKo, § 90 BGB Rn. 4. 146  Vgl. Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 90 BGB Rn. 4, nach dem „das Gesetz mit dem Begriff Gegenstand idR (…) [ein] Verfügungsobjekt [meint]“; siehe auch Heinrichs, in: Palandt, Überbl. V. § 90 BGB Rn. 2; Stresemann, in: MüKo, § 90 BGB Rn.  4 ff. 147  Bär, Zugriff, S. 242. 148  Bär, Zugriff, S. 242. 149  Bär, Zugriff, S. 242. 150  So auch Böckenförde, Ermittlung, S. 277. 151  Siehe oben unter B. III. 2. d) cc).

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

einer inhaltlichen Ausrichtung152 zu verstehen.153 Aber auch innerhalb der StPO kann der Gegenstandsbegriff körperlich wie unkörperlich verstanden werden, weswegen sich nach Böckenförde im Rahmen der §§ 94 ff. StPO keine eindeutige Aussage treffen lässt, so dass sprachlich eine Beschlagnahme auch unkörperlicher Gegenstände grundsätzlich möglich erscheint.154 Auch eine systematische Auslegung des § 94 StPO führt zu keinem anderen Ergebnis. Der noch von Bär155 vorgenommene Vergleich mit § 111b Abs. 1 StPO a. F. ist durch die durch die Neufassung156 bedingte Streichung des Passus „und andere Vermögensvorteile“ nicht mehr zielführend.157 Darüber hinaus verfolgt § 111b StPO auch mit der Vorbereitung der Einziehung einen gänzlich anderen Zweck als § 94 Abs. 1 StPO, der die Sicherstellung solcher Objekte regelt, die „als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können“,158 weswegen § 111b StPO sich nicht als Vergleichsnorm eignet. Auch § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO ist hinsichtlich eines Körperlichkeitserfordernisses ebenso wenig eindeutig,159 wie es § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist. Nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO unterliegen „andere Gegenstände“ zwar einem Beschlagnahmeverbot, sofern sie sich gem. § 97 Abs. 2 Satz 1 StPO im Gewahrsam eines zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten befinden. Daneben sprechen auch die §§ 97 Abs. 5 Satz 1 und 98a ff. StPO eher für einen ebenfalls unkörperliche Gegenstände umfassendes Begriffsverständnis. Unabhängig davon, ob sich die unkörperliche Datei auch unter die Aufzählung in § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO subsumieren lässt,160 lässt sich das 152  Vgl.

Duden, „Gegenstand“ Bedeutung [2 lit. a)] mit Verweis auf „Thema“. aber z. B. Harms, NStZ 2003, 646 (648), nach dem die Formulierung „zum Gegenstand haben“ ihrerseits für eine „gewisse Permanenz“ spricht. 154  Vgl. Böckenförde, Ermittlung, S. 278; i. E. ebenso Bär, Handbuch, Rn. 406; Korge, Beschlagnahme, S. 45; Matzky, Zugriff, S. 90; nicht eindeutig Bär, Zugriff, S. 242. 155  Bär, Zugriff, S. 243 f.; ders., CR 1996, 675 (677). 156  BGBl. I 1992, S. 375. 157  Vgl. Böckenförde, Ermittlung, S. 285. 158  Siehe hinsichtlich des Körperlichkeitserfordernisses im Zusammenhang mit der Einziehung bereits oben unter C. II. 4. c). 159  So aber Bär, Zugriff, S. 244, nach dem es der Aufnahme des auch Unkörperliches umschreibenden Begriffs „Spuren“ nicht bedurft hätte, wenn diese auch schon vom Gegenstandsbegriff erfasst wären. Bär übersieht dabei jedoch die sprachliche Trennung der Aufzählung in § 103 Abs. 1 Satz  1 StPO, wonach „Spuren“ verfolgt werden und nur Gegenstände beschlagnahmt werden (vgl. auch Böckenförde, Ermittlung, S. 286). Zwischen den „Spuren“ und den „Gegenständen“ besteht stattdessen keine sprachliche Verbindung, so dass § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht als Auslegungshilfe für den Gegenstandsbegriff aus § 94 StPO herangezogen werden kann. 160  Zumindest die Formulierung „und andere Darstellungen“ erfasst auch unkörperliche Dateien. 153  A. A.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs269

Beschlagnahmeverbot seiner Ratio nach161 in zumindest analoger Anwendung162 auf elektronisch gespeicherte Daten erweitern.163 Ausdrücklich werden elektronische Daten daneben in den §§ 98a ff. StPO erwähnt, die den maschinellen Abgleich und die Übermittlung personenbezogener Daten sowie die anschließende Löschung regeln. Dabei wird neben der Übergabe des Speichermediums auch die unkörperliche Übertragung elektronischer Daten normiert. Darüber hinaus regelt § 100 Abs. 3 StPO die der Beschlagnahme vorgelagerte Durchsuchung auch räumlich getrennter elektronischer Speichermedien und über Satz 2 auch die Sicherung für die Untersuchung erheblicher Daten. Diese Anerkennung elektronischer Daten als beweiserheblich lässt sich jedoch ebenfalls auf § 94 StPO übertragen,164 weswegen die §§ 98a ff., 100 Abs. 3 StPO wie auch § 97 Abs. 5 StPO für einen unkörper­ lichen Gegenstandsbegriff sprechen. Für ein solches Ergebnis spricht auch der Telos des § 94 StPO. Zweck der Beschlagnahme ist die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Durchführung von Strafverfahren.165 Dazu wird der sicherzustellende bzw. zu beschlagnahmende Gegenstand in staatliche Gewalt genommen, um die Beweismittel vor Veränderung oder Verlust zu bewahren.166 Da sich auch unkörperlich elektronisch gespeicherte Daten grundsätzlich zum Beweis eignen,167 kann eine Sicherstellung eben dieser Daten für die Durchführung des Strafverfahrens dienlich sein. Das staatliche Gewaltverhältnis wird in diesem Fall über den Trägerspeicher hergestellt, auf welchen die entsprechenden Daten zur Sicherstellung kopiert wurden; ein Verlust jeglicher Einwirkmöglichkeit, wie sie beispielsweise Lemcke168 fordert, ist hingegen nicht erforderlich169 und steht daneben insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen. 161  So jedenfalls Korge, Beschlagnahme, S. 50; a.  A. Bär, CR 1996, 675 (677) nach dem aus der Ratio genau das Gegenteil folge. 162  Der analogen Anwendung ist entgegen Seitz, Strafverfolgungsmaßnahmen, S. 124 in Fn. 343 auch nicht mit Vorsicht zu begegnen, da sie der Erweiterung einer geschützten Rechtsposition dient (i. E. auch Böckenförde, Ermittlung, S. 363). 163  Vgl. Böckenförde, Ermittlung, S. 363, 365; i. E. daher ebenfalls für eine Einbeziehung unkörperlicher Daten Meyer-Goßner, § 97 StPO Rn. 32. 164  Vgl. Korge, Beschlagnahme, S. 51. 165  Vgl. nur Schäfer, in: LR, § 94 StPO Rn. 1. 166  Vgl. Ritzert, in: Beck’scher OK, § 94 StPO Rn. 6. 167  Vgl. Matzky, Zugriff, S. 101; siehe zur Bedeutung beispielsweise im Rahmen der Wirtschaftskriminalität Lemcke, Sicherstellung, S. 2; Kemper, NStZ 2005, 538. 168  Lemcke, Sicherstellung, S. 23. 169  Die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme dient allein der Sicherung möglicher Beweise und erfordert anders als die §§ 73 ff. StGB gerade keinen Verlust möglicher Einwirkung seitens des Maßnahmensempfängers. So i. E. daher auch Böckenförde, Ermittlung, S. 336; Korge, Beschlagnahme, S. 55 f.; Matzky, Zugriff, S. 101.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Als Ergebnis lässt sich daher an dieser Stelle festhalten, dass der strafprozessuale Gegenstandsbegriff aus § 94 StPO entgegen verbreiteter Ansicht auch unkörperliche, elektronisch gespeicherte Dateien umfasst.170 (1) Der strafprozessuale Gewahrsamsbegriff Gegen ein auch unkörperliche Gegenstände umfassendes Begriffsverständnis könnten jedoch möglicherweise die Gewahrsamsregelungen der §§ 94 Abs. 2, 97 Abs. 2 StPO sprechen.171 Nach § 94 Abs. 2 StPO sind Gegenstände zu beschlagnahmen, die sich im Gewahrsam einer Person befinden, sofern sie nicht nach Absatz 1 sichergestellt werden können; § 97 Abs. 2 StPO normiert in diesem Zusammenhang Beschlagnahmeverbote i. V. m. §§ 52 ff. StPO. Sollte – wie schon im materiellen Strafrecht – der Gewahrsamsbegriff der StPO einen körperlichen Gegenstand erfordern, wären die §§ 94 Abs. 2, 97 Abs. 2 StPO aufgrund des Gewahrsamserfordernisses nicht auf die Beschlagnahme unkörperlicher Daten anwendbar. Das Beschlagnahmeverbot würde sich in diesen Fällen zwar auf die körperlichen Datenspeicher, nicht aber die darauf gespeicherten Daten erstrecken, so dass ein auch die Daten umfassendes Gegenstandsverständnis möglicherweise eine Umgehung der §§ 52 ff. StPO darstellen könnte.172 Dazu müsste der strafprozessuale Gewahrsamsbegriff jedoch zunächst eine Körperlichkeit voraussetzen. Einigkeit besteht dabei zumindest hinsichtlich des strafrechtlichen Gewahrsamsbegriffs, welcher unstreitig nur körperliche Gegenstände umfasst.173 Dies ergibt sich – ebenfalls mangels sprachlicher Eindeutigkeit – in erster Linie aus der Eigenschaft der §§ 242 ff. StGB als Eigentumsdelikte und der damit verbundenen Bezugnahme auf das Tatobjekt „Sache“, welches auch im Strafrecht einen körperlichen Gegenstand darstellt und zum anderen in der Abgrenzung zur einfachen Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 StGB.174 In der Strafprozessordnung beschreibt der Gewahrsamsbegriff zwar ebenfalls eine Personen-Gegenstands-Beziehung, auf den Gegenstand als solchen kommt es dabei nach Böckenförde175 jedoch nicht an. Zum einen ist, anders als im StGB, nicht eine Sache, also 170  So i. E. auch LG Hamburg, CR 2013, 742 (743); Korge, Beschlagnahme, S. 55; Matzky, Zugriff, S. 103. 171  So z. B. Lemcke, Sicherstellung, S. 21 f. 172  So z. B. Lemcke, Sicherstellung, S. 22, der jedoch ein Körperlichkeitserfordernis im Rahmen des strafprozessualen Gewahrsamsbegriffs voraussetzt, ohne sich mit diesem gesondert auseinanderzusetzen (siehe daher auch die Kritik bei Böckenförde, Ermittlung, S. 287 f.); ferner Korge, Beschlagnahme, S. 56. 173  Siehe ausführlich bereits oben unter B. III. 2. b) bb) (1). 174  Siehe oben unter B. III. 2. b) bb) (1). 175  Böckenförde, Ermittlung, S. 341 f., 344.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs271

ein körperlicher Gegenstand, sondern lediglich irgendein Gegenstand Gewahrsamsgegenstand und zum anderen dient das Gewahrsamsverhältnis in der StPO vielmehr der Beschreibung des Zuordnungsverhältnisses eines Gegenstandes zu einer Person und damit allein der Konkretisierung entsprechender Personengruppen. So regelt § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO das Beschlagnahmeverbot hinsichtlich „andere[r] Gegenstände“, sofern sich diese „im Gewahrsam“ von zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigter befinden und beschreibt damit nicht das Gewahrsamsverhältnis, sondern diese Personengruppe. § 97 Abs. 1 StPO erfasst dabei nicht nur körperliche Gegenstände, da sich unter alle in der Norm genannten Begriffe, wie die der schriftlichen Mitteilung oder Aufzeichnung, auch unkörperliche Gegenstände subsumieren lassen.176 Gleiches gilt auch für den Fall des § 95 StPO. Hier trifft das Herausgabeverlangen nach § 95 Abs. 1 StPO denjenigen, der den Gegenstand in seinem Gewahrsam hat und im Falle einer Weigerung nach § 95 Abs. 2 StPO mit Zwangsmitteln belegt werden kann. Gleiches gilt für den § 94 Abs. 2 StPO. Kommt es im Rahmen der Sicherstellung nach § 94 Abs. 1 StPO grundsätzlich nicht auf Eigentum, Besitz oder Gewahrsam an den sicherzustellenden Beweismitteln an,177 sind nach § 94 Abs. 2 StPO Gegenstände zu beschlagnahmen, die sich im Gewahrsam einer Person befinden und nicht freiwillig herausgegeben werden. Die Voraussetzungen der Beschlagnahme richten sich nach § 98 StPO. Das Gewahrsamserfordernis in § 94 Abs. 2 StPO beschreibt dabei zum einen wiederum den Adressaten der Beschlagnahmeverfügung, dient aber zum anderen auch der Abgrenzung zwischen der Sicherstellung und der Beschlagnahme.178 Eine Aussage hinsichtlich einer erforderlichen Körperlichkeit lässt sich daraus jedoch nicht herleiten, weswegen die Verwendung des Begriffs „Sachherrschaft“ durch Eckstein179 in diesem Zusammenhang irreführend ist. Stattdessen lassen sich die Voraussetzungen der Beschlagnahme auch auf die Sicherung unkörperlicher Dateien übertragen; das Gewahrsamsverhältnis beschreibt auch in den Fällen der §§ 94 Abs. 2 und 97 Abs. 2 StPO lediglich den Adressaten der Maßnahme. (2) Sicherstellung und Beschlagnahme unkörperlicher Daten Vor dem Hintergrund, dass der strafprozessuale Gewahrsamsbegriff aufgrund seiner Funktion anders als der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff nur Böckenförde, Ermittlung, S. 357. Nack, in: KK, § 94 StPO Rn. 6. 178  So auch Böckenförde, Ermittlung, S. 341. 179  Eckstein, Ermittlung, S. 117. 176  Vgl.

177  Vgl.

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keine Körperlichkeit voraussetzt, ist im Rahmen des § 94 StPO jedoch auch die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme unkörperlicher Daten möglich, ohne dass dies über § 97 Abs. 2 StPO eine Aushöhlung der §§ 52 ff. StGB darstellen würde.180 Des von Korge181 unternommenen Umweges über die Ratio der Regelung als Minusmaßnahme gegenüber der Beschlagnahme des entsprechenden Datenträgers bedarf es daher nicht.182 Im Übrigen stößt diese Ansicht auch dort an ihre Grenzen, wo der Zugriff auf den Datenspeicher gerade nicht möglich ist. Vielmehr eignen sich auch unkörperliche Gegenstände als Beweismittel und können ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises in das Hauptverfahren eingebracht werden. Da es für den prozessualen Begriff der Urkunde allein entscheidend ist, dass sich ihr Inhalt allein durch Lesen erschließen lässt,183 lässt sich auch eine digitale Datei unter den Urkundenbegriff des § 249 Abs. 1 StPO subsumieren.184 Anderenfalls lassen sich digitale Dateien als Objekt des richterlichen Augenscheins gem. § 86 StPO in das Hauptverfahren einbringen, da dieser jede sinnliche Wahrnehmung durch Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder Fühlen umfasst.185 Da es grundsätzlich nur auf die optische oder akustische Wahrnehmbarkeit ankommt, ist auch in diesem Fall eine Körperlichkeit entbehrlich, so dass auch digitale Dateien Gegenstand des Augenscheinbeweises sein können.186 bb) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass § 94 StPO auch die Beschlagnahme unkörperlicher Daten erfasst, ohne dass es dafür der Beschlagnahme des diese beinhaltenden, körperlichen Datenspeichers bedarf; mangels eigener Greifbarkeit ist die Sicherstellung bzw. Be180  So aber z.  B. Lemcke, Sicherstellung, S. 22; Mitsch, Medienstrafrecht, § 4 Rn. 46; von einem ebenfalls körperlichen Gewahrsamsbegriff ausgehend auch Korge, Beschlagnahme, S. 61, der sich jedoch für eine Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Daten über die Ratio des § 94 StPO ausspricht. 181  Korge, Beschlagnahme, S. 63. 182  Ebenfalls von der Beschlagnahme elektronischer Daten als Minusmaßnahme Wohlers, in: SK-StPO, § 94 StPO Rn. 26. 183  Vgl. Ganter, in: Beck’scher OK, § 249 StPO Rn. 9. 184  Für den Fall der Verlesbarkeit daher auch Diemer, in: KK, § 249 StPO Rn. 27; vgl. auch Böckenförde, Ermittlung, S. 311, der als einzig relevante Charakteristika des strafprozessualen Urkundenbegriffs die Merkmale der Schriftlichkeit und Verlesbarkeit hervorhebt. 185  Vgl. nur BGHSt 18, 51 (53); Meyer-Goßner, § 86 StPO Rn. 1; Ritzert, in: Beck’scher OK, § 86 StPO Rn. 1. 186  Vgl. Böckenförde, Ermittlung, S. 313 f.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs273

schlagnahme im Wege einer Datenübertragung auf einen Datenspeicher der Ermittlungsbehörde vorzunehmen.187 Einer solchen Annahme steht auch die Rechtsfolge des § 94 Abs. 1 StPO entgegen, wonach die sicherzustellenden Gegenstände in Verwahrung zu nehmen oder anders zu sichern sind,188 da dieses Verwahrungsverhältnis bzw. die Sicherstellung in anderer Weise an der Kopie der entsprechenden Dateien auf einem Übertragungsmedium erzielt wird.189 Dieser unkörperliche Gegenstandsbegriff der §§ 94 ff. StPO lässt sich aufgrund der sachlichen Nähe zur prozessualen Sicherstellung bzw. Beschlagnahme unproblematisch auch auf die Einziehung nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB übertragen. Die Einziehungsregelungen im Rahmen der Besitzdelikte haben vornehmlich Sicherungscharakter und dienen der Abwendung von Gefahren, die von der Art des Einziehungsgegenstandes her drohen. Da ein fortdauernder Besitz kinderpornografischer Schriften für sich genommen wiederum eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB nach sich ziehen würde, ist das Sicherungsziel dann erreicht, wenn das Herrschaftsverhältnis durch die Einziehung beendet worden ist. Wie auch beim klassischen Besitz eines körperlichen Gegenstandes ist dies im Falle des digitalen Besitzes dann der Fall, wenn beim Täter keine (digitalen) Kopien verbleiben. Daher ist die zwingende Einziehung nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB und die Erreichung des Sicherungsziels grundsätzlich theoretisch auch dann möglich, wenn der Täter lediglich durch Datenherrschaft i. S. d. §  184b Abs. 4 Satz 2 StGB besitzt. Dass eine solche Einziehung aufgrund der Flüchtigkeit der digital besessenen Darstellungen praktisch unmöglich und damit möglicherweise sogar „sinnlos“190 ist, kann der grundsätzlichen Möglichkeit – auch wenn diese nur theoretischer Natur sein mag – nicht entge187  So i. E. auch BVerfGE 113, 29 (50); Böckenförde, Ermittlung, S. 471; Eisele, Computerstrafrecht, § 52 Rn. 3; Klein, NJW 2009, 2996 (2998); Meyer-Goßner, § 94 StPO Rn. 16a; Möhrenschlager, wistra 1991, 329; Nack, in: KK, § 94 StPO Rn. 4; Pfeiffer, § 94 StPO Rn. 1, 3; Ritzen, in: Graf-StPO, § 94 StPO Rn. 1 m. w. N.; Singelnstein, NStZ 2012, 593 (596); a. A. z. B. Kemper, NStZ 2005, 538 (540); Klesczewski, ZStW 123 (2011), 737 (748 f.); Mitsch, Medienstrafrecht, § 4 Rn. 46; Möhrenschlager, wistra 1991, 321 (329); Roxin / Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 4; a. A. auch Bär, Zugriff, S. 240; ders., CR 1996, 675 (676); zustimmend, sofern die Daten wiederum mittels eines anderen Datenträgers gesichert werden und somit auch wieder verkörpert vorliegen, Bär, Handbuch, Rn. 407; so auch Beulke, StPO Rn. 253b; siehe hierzu auch Eckstein, Ermittlungen, S. 119, der den Gesetzgeber zu einer für Daten abschließenden Klarstellung auffordert. 188  So aber z. B. Bär, Zugriff, S. 268, 270. 189  Vgl. Beulke / Ruhmannseder, Strafbarkeit, Rn. 505; Böckenförde, Ermittlung, S. 355; Korge, Beschlagnahme, S. 63; Matzky, Zugriff, S. 135; Ritzen, in: Graf-StPO, § 94 StPO Rn. 10; i. E. auch Bär, Handbuch, Rn. 407; a. A. Lemcke, Zugriff, S. 100. 190  Siehe zu der Kritik ausführlich oben unter E. I. 1. b).

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genstehen. Infolgedessen erzwingt auch die Sonderregelung des § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB keine andere Beurteilung hinsichtlich einer Anerkennung eines unkörperlichen Besitzes im Rahmen des § 184b StGB, weswegen auch die §§ 74 ff. StGB und insbesondere § 74d StGB entgegen verbreiteter Ansicht mangels Anwendbarkeit ebenfalls kein anderes Ergebnis erfordern. Vielmehr stützt die Sonderregelung zur Einziehung des § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB einen unkörperlichen Besitz durch Datenherrschaft. d) Die Tathandlungen der § 184b Abs. 1 Nrn.  1, 2 und Abs. 2 als Auslegungshilfe Neben dem systematischen Vergleich mit der Sonderregelung zur Einziehung sind auch die übrigen Tathandlungen des § 184b StGB zur Auslegung heranzuziehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Norm auch bei Anerkennung eines Besitzes durch Datenherrschaft in sich schlüssig bleibt. Anderenfalls droht ein Auslegungs- und Tatobjektsdilemma, wie beispielsweise beim „gefährlichen Werkzeug“, welches je nach Tathandlung mal mehr oder weniger abstrakt gefährlich sein muss.191 aa) Der „internetspezifische Verbreitungsbegriff“ des BGH Neben der Tathandlung der Besitzverschaffung bzw. des Besitzes in § 184b Abs. 4 StGB stellt § 184b StGB unter anderem in Absatz 1 Nr. 1 die Verbreitung kinderpornografischer Schriften unter Strafe.192 Wie schon im Fall des strafrechtlichen Besitzes findet sich keine Legaldefinition des „Verbreitens“ im Gesetz,193 weswegen die Voraussetzungen ebenfalls durch tatbestandsorientierte Auslegung ermittelt werden müssen.194 Nach verbreiteter Ansicht wurde im Rahmen der §§ 184 ff. StGB unter der Tathandlung des 191  Siehe

dazu oben unter B. III. 1. b) bb) (1). wird nach § 184b StGB bestraft, wer kinderpornografische Schriften öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht (Abs. 1 Nr. 2), herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen (Abs. 1 Nr. 3) oder es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornografischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben (Abs. 2). Abs. 4 stellt neben dem bloßen Besitz (Satz 2) auch das Unternehmen der Besitzverschaffung (Satz 1) unter Strafe. 193  Die Tathandlung des Verbreitens findet sich neben den §§ 184 ff. StGB unter anderem noch in §§ 86 Abs. 1, 86a Abs. 1 Nr. 1, 109d Abs. 1, 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, Nr. 2, 130a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 186, 187, 202c Abs. 1, 303a Abs. 1 StGB. 194  Vgl. Laufhütte / Kuschel, in: LK, 12. Aufl., § 86 StGB Rn. 19. 192  Daneben



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Verbreitens das einem größeren Personenkreis Zugänglichmachen einer Schrift i. S. v. § 11 Abs. 3 StGB durch körperliche Weitergabe verstanden.195 Das Erfordernis der körperlichen Weitergabe wurde dabei aus einem Vergleich mit dem Verbreitungstatbestand des § 3 PresseG a. F. aus der Annahme hergeleitet,196 dass „nur wer ein Druckstück selbst erhält, (…) es wiederlesen, vervielfältigen und weitergeben [und damit verbreiten]“197 könne.198 Die strafbewährte Gefährlichkeit der Schriften mit verbotenen Inhalten ergebe sich vor allem „aus der diesen innewohnenden Möglichkeit einer erleichterten Perpetuierung der bewussten Inhalte an eine unbestimmte Vielzahl von Personen.“199 Aufgrund der geforderten Körperlichkeit stieß diese Ansicht im Zusammenhang mit der digitalen Weitergabe von Dateien im Internet jedoch schnell an ihre Grenzen. Weder das bloße Bereitstellen im Internet noch der Versand von Dateien inkriminierenden Inhalts ließen sich unter eine so verstandene Tathandlung des Verbreitens subsumieren, da es in diesen Fällen zu keinerlei körperlicher Weitergabe des Tatobjekts, sondern lediglich zu einer Reproduktion kommt.200 Die Aufnahme des Datenspeichers in § 11 Abs. 3 StGB durch das IuKDG im Jahre 1997 brachte diesbezüglich ebenfalls keine Klärung. Unabhängig davon, dass auch vor der gesetzgeberischen Klarstellung Datenspeicher von dem Schriftenbegriff erfasst waren,201 ergänzte das IuKDG § 11 Abs. 3 StGB lediglich um den Begriff des Datenspeichers und gerade nicht um die Datei als solche.202 Um dennoch auch die Formen der digitalen Datenverbreitung unter den Verbreitungsbegriff zu fassen und vermeintliche Strafbarkeitslücken zu schließen, erweiterte der BGH in einer vielbeachteten Entscheidung im Jahre 2001 den Verbreitungsbegriff auch auf unkörperliche Daten. Nach 195  Vgl. RGSt 16, 245; BGHSt 13, 257; BGHSt 18, 63 (65); OLG Hamburg, NStZ 1983, 127; BayObLG, StV 2001, 16, 17; Hörnle, in: MüKo, 1. Aufl., § 184b StGB Rn. 18; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1078; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Auflage, § 184b StGB Rn. 33; Sieber, JZ 1996, 494 (495); Tröndle / Fischer, 54. Aufl., § 184b StGB Rn. 8; Walther, NStZ 1990, 523 (525). 196  So z. B. RGSt 16, 245; BayObLG, MDR 1958, 443; OLG Hamburg, JR 1983, 298; OLG Frankfurt, NJW 1984, 1128; Hilgendorf, JuS 1997, 323 (330); ausführlich Löffler / Ricker, Handbuch, Kap. 1, Rn. 23 ff. 197  BGHSt 18, 63 (65). 198  Vgl. Jofer, Strafverfolgung, S. 167; Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (207); Walther, NStZ 1990, 523 (525). 199  Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (207). 200  Vgl. Gercke, Inhalte, S. 42  f.; König, Kinderpornografie, Rn. 211; Römer, Verbreitungsdelikte, S. 96; Sieber, JZ 1996, 494 (495); Walther, NStZ 1990, 523 (525). 201  Siehe oben unter C. II. 2. c) aa). 202  Siehe dazu ausführlich bereits oben unter C. II. 2. c) bb).

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Ansicht des Gerichts ist ein Verbreiten auch dann anzunehmen, „wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers (…) angekommen ist. Dabei ist unerheblich, ob dieser die Möglichkeit des Zugriffs auf die Datei genutzt oder ob der Anbieter die Datei übermittelt hat.“203 Der BGH vertritt dabei die Auffassung, dass eine solche Auslegung zum einen dem gesetzgeberischen Willen entspräche und zum anderen so „den Jugendschutz gerade auch im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie effektiv (…) gewährleiste (…)“204. Die Schaffung eines „internetspezifischen Verbreitungsbegriffs“ ist in weiten Teilen der Literatur jedoch auf heftige Kritik gestoßen. So wird dem BGH unter anderem zu Recht vorgeworfen, seine Argumentation entgegen dem eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs. 3 StGB auf die einzelne „Datei“ zu stützen und sich so von dem Wortlaut der Norm, dem Verbreiten von Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB, zu lösen.205 Richtigerweise stellt der Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB den Schriften lediglich den Datenspeicher, nicht aber die einzelne Datei gleich. Die Erweiterung um die einzelne Datei als solche stützt der BGH206 dabei auf die Gesetzesbegründung zum IuKDG, wonach auch der Arbeitsspeicher einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstelle.207 Der daraus gezogene Schluss, der Gesetzgeber spräche sich durch die Bezugnahme auf den Arbeitsspeicher seinerseits für eine Abkehr des Körperlichkeitserfordernisses in § 11 Abs. 3 StGB aus,208 vermag jedoch nicht zu überzeugen und deutet aufgrund der Beschreibung des Arbeitsspeichers durch das Gericht als „flüchtig, unkörperlich“ auf ein falsches Verständnis der Funktionsweise hin.209 203  BGHSt 47, 55 (58 f.); einen ähnlichen Verbreitungsbegriff schon vor dieser Entscheidung vertretend: BayObLG, NJW 2000, 2911; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2000, 307; Bär, MMR 2000, 760; Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Pelz, wistra 1999, 53 (54), die ein Verbreiten auch in digitalen Sachverhalten für die Fälle annahmen, in welchen die Dateien beim Empfänger gespeichert wurden. Ob dies mittels Upload oder Download geschehe, sei dabei unerheblich (Pelz, wistra 1999, 53 [54]). 204  BGHSt 47, 55 (58 f.). 205  Siehe z. B. Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (123); Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 38; Fischer, § 184 StGB Rn. 35; Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 312; ders., in: Spindler / Schuster, § 184a StGB Rn. 5; ders., MMR 2001, 678 (679); ders., ZUM 2002, 283 (288); ders., CR 2010, 798 (800); Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 305; Kudlich, JZ 2002, 310 (311); König, Kinderpornografie, Rn. 218; Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (207 f.); Palm, Kinderpornographie, S. 123; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5; Popp, ZIS 2011, 193 (198); Wolters, in: SK-StGB, § 184 StGB Rn. 12. 206  BGHSt 47, 55 (58 f.). 207  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 208  Vgl. BGHSt 47, 55 (58 f.). 209  So auch Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 304; Lindemann / Wachs­ muth, JR 2002, 206 (208).



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Neben dem Wortlautverstoß wird dem BGH darüber hinaus noch vorgeworfen, mit der Bezugnahme auf die Datei als solche würde er in unzulässiger Weise die in § 11 Abs. 3 StGB gebotene Trennung von Inhalt und Trägermedium aufgeben und dadurch insbesondere die Grenzen zur Tathandlung des öffentlichen Zugänglichmachens verwischen.210 Im Ergebnis bestünde für die Schaffung eines „internetspezifischen Verbreitungsbegriffs“ keine Notwendigkeit, da sich das beschriebene Verhalten bereits unter die Tatvariante des öffentlichen Zugänglichmachens subsumieren ließe.211 Schlussendlich spräche auch die Erweiterung des § 86 Abs. 1 StGB um die Tathandlung des öffentlichen Zugänglichmachens in Datenspeichern gegen einen modifizierten Verbreitungsbegriff; der weiteren Tathandlung hätte es nicht bedurft, wenn dies schon vom Verbreitungsbegriff abgedeckt wäre.212 bb) Stellungnahme Der dem BGH entgegengebrachten Kritik ist nur zum Teil zuzustimmen. So geht das Gericht zwar richtigerweise, anders als noch die Vorinstanz, davon aus, dass § 176a Abs. 2 StGB a. F. nicht bloß auf die Tathandlung des Verbreitens in § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB a. F., sondern auf alle in Absatz 3 und 4 aufgeführten Tathandlungen und damit auch auf die Tathandlung des öffentlichen Zugänglichmachens gem. §  184 Abs.  3 Nr.  2 StGB a.  F. verweist,213 wieso es dann aber einer ausführlichen Auslegung des Verbreitungsbegriffs bedurfte, erschließt sich hingegen nicht.214 Stattdessen wäre der zugrunde liegende Sachverhalt auch nach §§ 176a Abs. 2, 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB a. F. strafbar gewesen.215 Auf der anderen Seite kommt es entgegen der vorgebrachten Kritik bei einer Ausweitung des Verbreitungsbegriffs um eine auch unkörperliche Übertragung hingegen zu keiner Aufgabe der Trennung von Inhalt und Träger.216 210  Vgl. z. B. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 312; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 303; König, Kinderpornografie, Rn. 216; Kudlich, JZ 2002, 310 (311); Wolters, in: SK-StGB, § 184 StGB Rn. 12. 211  So z. B. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 312; Palm, Kinderpornographie, S. 123. 212  Vgl. König, Kinderpornografie, Rn. 219; Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (208); Palm, Kinderpornographie, S. 123; so auch schon Cornils; JZ 1999, 394 (397). 213  Vgl. BGHSt 47, 55 (58). 214  Kritik daher zurecht auch bei Gercke, MMR 2001, 678 (679); Kudlich, JZ 2002, 310 (311). 215  So auch Kudlich, JZ 2002, 310 (312). 216  So aber ausdrücklich z. B. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 312; siehe auch Palm, Kinderpornographie, S. 122.

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Der BGH217 fordert stattdessen ein „Ankommen“ beim Empfänger, so dass der Verbreitungserfolg wiederum den Besitz eines von § 11 Abs. 3 StGB erfassten Datenspeichers zur Folge hat.218 Wie schon im Falle der Tathandlung der Besitzverschaffung hat eine elektronische Übertragung, und damit auch das internetspezifische Verbreiten, grundsätzlich die Schaffung eines neuen Exemplars auf Empfängerseite zur Folge, ohne dass dies eine grundsätzliche Unanwendbarkeit auf Internetsachverhalte zur Folge haben muss.219 In Abgrenzung zur Drittbesitzverschaffung und um dem ursprünglichen Verbreitungsbegriff weiterhin gerecht zu werden, muss daher auch das internetspezifische Verbreiten auf einen unkontrollierbaren Empfängerkreis abzielen. Die Formulierung des BGH, dass ein Verbreiten dann vorliegt, „wenn die Datei auf dem Rechner des Internetznutzers (…) angekommen ist“220, ist insoweit lediglich unpräzise. Mit dem Abstellen auf ein „Ankommen“ auf Empfängerseite bleibt die notwendige Trennung zwischen den Tathandlungen des Verbreitens und des öffentlich Zugänglichmachens jedoch bestehen. Anders als beim öffentlichen Zugänglichmachen ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts durch den Empfänger daher nicht ausreichend.221 Die vorgeworfene Trennung von Träger und Inhalt nimmt der BGH daher nicht vor. Den größten berechtigten Kritikpunkt bildet vielmehr das „eher beiläufig[e]“222 Abstellen auf die „auf einem Speichermedium – in der Regel der Festplatte des Servers – gespeicherte[n] Daten“223, welche nach Ansicht des Gerichts selbst Datenspeicher seien. Die Bezugnahme des Gerichts auf die Datei als solche und die damit verbundene Vermischung von Daten und Datenspeicher vermag dabei nicht zu überzeugen. Insbesondere unterliegt der BGH einem Irrtum, wenn er die Aufgabe des Körperlichkeitserfordernisses aus dem den Arbeitsspeicher betreffenden Hinweis in der Gesetzesbegründung zum IuKDG224 folgert. Bei dem Arbeitsspeicher handelt es sich stattdessen unstreitig um „kein virtuelles Gebilde“225, sondern ebenfalls um einen körperlichen Datenspeicher, weswegen allein die Erwähnung des Arbeitsspeichers noch nicht für einen auch unkörperliche Darstellungen umfassenden Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB spricht. Die Flüchtigkeit der Arbeitsspeicherung ist lediglich seiner Funktionsweise ge217  BGHSt

47, 55 (58). auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (124). 219  So aber Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327 bzgl. § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB; siehe dazu oben unter D. I. 1. a). 220  BGHSt 47, 55 (59). 221  Siehe dazu ausführlich sogleich unter C. II. 1. b) dd). 222  Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (207). 223  BGHSt 47, 55 (58). 224  BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 225  Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 170. 218  So



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schuldet und hat entgegen der Ansicht des BGH auch keine Abkehr des Körperlichkeitserfordernisses zur Folge. Die Einbeziehung der Datei als solche in den Schriftenbegriff ist daher weder gesetzgeberisch gewollt noch über die Funktionsweise des Arbeitsspeichers begründbar. cc) Eigene Begründung des „internetspezifischen Verbreitungsbegriffs“ Dieser Fehlschluss des BGH steht der grundsätzlichen Annahme eines internetspezifischen Verbreitungsbegriffs jedoch nicht entgegen; er zwingt lediglich zu einer dogmatisch tragbaren, neuen Begründung. So erfordert weder der Begriff des Verbreitens eine zwingende körperliche Weitergabe,226 noch sprechen systematische Erwägungen für ein solches Erfordernis. Da der Gesetzgeber es bewusst unterlassen hat, den Begriff des „Verbreitens“ näher abzugrenzen, ist bei der Auslegung auf die Grundgedanken des Gesetzes zurückzugreifen.227 Mit Blick auf das Pressewesen sei dabei grundsätzlich von einer Verkörperung der Gedanken auszugehen, da es gerade darauf ankäme, dass sie „im Unterschied zum bloß gesprochenen Wort jederzeit wieder nachgelesen, vervielfältigt und weitergegeben werden [können]“.228 Dies sei aber nur dann möglich, wenn nicht nur lediglich der Inhalt vermittelt würde, weswegen für ein Verbreiten ein körperliches Zugänglichmachen wesentlich sei.229 Eben diese Möglichkeiten der erneuten Wahrnehmung und weiteren Verbreitung können jedoch unproblematisch auch der digital verbreiteten Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB zugesprochen werden.230 In Abgrenzung zu der Tathandlung des bloßen Zugänglichmachens, welches demgegenüber lediglich die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inhalts erfordert,231 wird der internetspezifische Verbreitungsbegriff diesem Erfordernis dadurch gerecht, dass es zu einem „Ankommen“232 auf Empfängerseite kommen muss bzw. ein solches beabsichtigt wird. Ob dabei 226  So z.  B. auch Heinrich, in: Wandtke, 5. Band, Kap. 5, Rn. 171; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 303; Walther, NStZ 1990, 523 (525). Die Aussage von Hörnle, NJW 2002, 1008 (1010), dass es dem „Alltagssprachgebrauch [entspräche], auch von Inhalten (…) zu sagen, dass sie verbreitet werden“, ist jedoch irreführend, da das Gesetz nur die Verbreitung von Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB und damit allein die Verbreitung des Datenspeichers, nicht aber die der einzelnen Datei normiert (Kritik daher zurecht auch bei Fischer, § 184 StGB Rn. 35). 227  Vgl. BGHSt 18, 63 (64) mit Verweis auf die Motive zu § 3 PressG a. F. 228  BGHSt 18, 63 (64). 229  Vgl. BGHSt 18, 63 (64). 230  So z. B. auch Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 89. 231  Vgl. an dieser Stelle nur Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 28; siehe ausführlich sogleich unten. 232  Vgl. BGHSt 47, 55 (59).

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allein auf die Intention des Täters beim „Auf-den-Weg-Bringen“233 oder ein tatsächliches Ankommen bei den Empfängern abzustellen ist,234 ist für die grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit eines unkörperlichen Verbreitens unerheblich. Entscheidend ist die zumindest beabsichtigte235 erneute Verkörperung der Inhalte auf Empfängerseite, welche, wie schon im Falle der Besitzverschaffung, bereits mit der notwendigen Arbeitsspeicherung den Anforderungen des § 11 Abs. 3 StGB erreicht ist. Aus diesem Grund vermag auch das von Saliger236 vorgenommene Gegenbeispiel des Abspielens einer Schallplatte nicht zu überzeugen; anders als bei der digitalen Datenübertragung führt das Abspielen der Schallplatte in der Regel zu keiner erneuten Verkörperung beim Empfänger. Die angekommene Fernkopie der ursprünglichen kinderpornografischen Schrift kann aufgrund der erneuten Verkörperung in Arbeitsspeicher oder Festplatte ihrerseits weiterverbreitet, zugänglich gemacht oder erneut konsumiert werden und stellt damit das gleiche Risiko erneuter Rechtsgutsverletzung dar wie die analoge Weitergabe digitaler Speichermedien.237 Tatsächlich dürfte das Risiko erneuter Verbreitung aufgrund der geringen technischen Anforderungen an eine digitale Weitergabe sogar noch deutlich höher sein als in analogen Vergleichsfällen, in welchen erst noch weitere physikalische Kopien zur Verbreitung hergestellt werden müssten; eine Verbreitung via E-Mail bedarf demgegenüber lediglich einiger Klicks. Da nach der überwiegenden Ansicht die Tathandlung des Verbreitens bereits mit dem Versenden vollendet ist,238 ist eine tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts auch im Falle des internetspezifischen Verbreitens nicht erforderlich.239 Ein 233  So z. B. RGSt 16, 245 (246); 64, 292 (293); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5a; Palm, Kinderpornographie, S. 122. 234  So z. B. BGHSt 47, 55 (59), Wolters, in: SK-StGB, § 184a StGB Rn. 6; siehe auch Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 79, nach der von einer abstrakten Gefahr erst bei mindestens drei Empfängern ausgegangen werden könne; siehe hinsichtlich des presserechtlichen Verbreitungsbegriffs Kitzinger, Reichspressegesetz, S. 20. 235  Siehe hinsichtlich des finalen Moments bei der Tathandlung des Verbreitens OLG Bremen, NJW 1987, 1427 (1428); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5a. 236  Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 78. 237  So i. E. auch Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 93; M. Popp, Verantwortung, S. 110; a. A. z. B. Mintas, NJW 2010, 1987, die jedoch allein auf das Wahrnehmen abstellt und die technischen Besonderheiten der Arbeits- bzw. Zwischenspeicherung außer Acht lässt. 238  Vgl. z. B. RGSt 16 246; RGSt 64 292; Fischer, § 74d StGB Rn. 4; Perron /  Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5a; a. A. Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 79, § 184b StGB Rn. 22, die mindestens drei tatsächliche Empfänger fordert. 239  A. A. Fischer, § 184b StGB Rn. 8.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs281

Verbreiten liegt daher in analogen wie in digitalen Fällen bereits dann vor, wenn die Exemplare mit der Intention einer erneuten Verkörperung auf Empfängerseite auf den Weg gebracht worden sind. Damit ist jedoch zum einen ein Versuch nicht möglich240 und zum anderen ist der Tatbestand auch dann verwirklicht, wenn es aufgrund technischer Übertragungsschwierigkeiten zu keiner Übermittlung an die Empfänger kommt. Auch wenn es durch die Aufgabe des Erfordernisses einer körperlichen Weitergabe in vielen Fällen zu einer Überschneidung mit der Tathandlung des öffentlichen Zugänglichmachens kommen kann,241 existieren dennoch Fälle, in welchen lediglich eine der Tatvarianten vorliegt. Der Streit kann daher entgegen Piazena242 auch nicht dahingestellt bleiben. So erfordert auch der internetspezifische Verbreitungsbegriff in letzter Konsequenz eine zumindest beabsichtigte – wenn auch erneute – Verkörperung auf Empfängerseite, während ein öffentliches Zugänglichmachen lediglich die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inhaltes erfordert.243 Aus diesem Grund erfüllt das Bereitstellen kinderpornografischer Bild- und Videodateien im Internet schon dann den Tatbestand des § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn lediglich eine öffentliche244 Zugriffsmöglichkeit besteht.245 240  Siehe zur Möglichkeit des untauglichen Versuchs König, Kinderpornografie, Rn. 220; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 292. 241  Vgl. Gercke, ZUM 2002, 283 (288); ders., MMR 2001, 678 (679). 242  Piazena, Verabreden zu Straftaten, C. IV. 4., nach dem der Streit in denjenigen Fällen kaum Konsequenzen hat, in welchen der Tathandlung des Verbreitens, wie im Falle des § 184b StGB, auch noch ein öffentlich Zugänglichmachen als Handlungsvariante normiert ist (so z. B. auch Laubenthal, Handbuch, Rn. 1167). 243  So auch Malek, Strafsachen, Rn. 320; siehe hinsichtlich der Voraussetzungen eines öffentlichen Zugänglichmachens ausführlich z. B. Fischer, § 184 StGB Rn. 10; Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 309; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn.  291 ff.; Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 28. 244  Siehe hinsichtlich der Anforderungen an das Merkmal „öffentlich“ ausführlich bei Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 76 m. w. N. 245  Vgl. LG München, NJW 2000, 1051; Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Fischer, § 184b StGB Rn. 10; Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 324; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1009); König, Kinderpornografie, Rn. 227; Kudlich, JZ 2002, 310 (311); Lackner / Kühl, § 184 StGB Rn. 5; Palm, Kinderpornographie, S. 125; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 6; Popp, ZIS 2011, 193 (196); Römer, Verbreitungsdelikte, S.  94. Eine solche unmittelbare Zugriffsmöglichkeit lehnt ­Heghmanns, JA 2001, 71 (73) jedoch ab, solange im „Heuhaufen Internet (…) die Stecknadel“ des jeweiligen kriminellen Inhalts gesucht werden müsse, weswegen ein direkter Verweis, wie beispielsweise ein Link, auf die entsprechende Ressource erforderlich sei. Richtigerweise ist die Information jedoch unabhängig von dem Link online verfügbar und damit auch zugänglich gemacht i. S. d. Norm (vgl. M. Popp, Verantwortung, S. 184). Siehe dazu umfassend Detlefsen, Verantwortlichkeit, S.  100 ff., 102 ff.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Der Hinweis des BGH, dass der Unterschied zum Verbreiten darin zu sehen sei, dass es für ein Zugänglichmachen ausreichend sei, „wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt (…) [würde]“246, verkennt hingegen die technischen Abläufe.247 Stattdessen fallen bei dem Bereitstellen von Informationen im Internet § 184b Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StGB regelmäßig zusammen, da es mit jedem Abruf zu einer Verkörperung auf Nutzerseite kommt und somit in dem Bereitstellen grundsätzlich auch ein Verbreiten zu sehen ist.248 Ein solches Verbreiten ist aber auch dann anzunehmen, wenn der Empfängerkreis zwar unkontrollierbar, aber dennoch nicht öffentlich i.  S.  d. § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB ist.249 Dies wird beispielsweise beim Versenden kinderpornografischer Daten an geschlossene E-Maillisten relevant, denen aufgrund des definierten Empfängerbereichs einerseits zwar die Öffentlichkeit i. S. d. des Zugänglichmachens abzusprechen ist,250 die aber andererseits den Rahmen des Kontrollierbaren regelmäßig überschreiten.251 Mangels Unkontrollierbarkeit fällt das Versenden einer E-Mail an nur einen Empfänger daher nicht unter § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB.252 Daneben kann auch das Verteilen von Daten in Tauschbörsen im peer-to-peer-Verfahren 246  BGHSt

47, 55 (60). i. E. auch Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 91; Gercke, MMR 2001, 678 (679); König, Kinderpornografie, Rn. 216; siehe zu den technischen Zusammenhängen oben unter C. III. 1. a). 248  Siehe an dieser Stelle nur Hilgendorf / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184 StGB Rn. 33; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 20; a. A. Fischer, § 184 StGB Rn.  33 m. w. N. 249  Dies auch anerkennend z. B. Gercke, ZUM 2002, 283 (288). 250  Vgl. Matzky, ZRP 2003, 167 (168). 251  So z. B. LG Traunstein, BeckRS 2007, 04556; Bär, MMR 2000, 760 (761); Hörnle, NStZ 2002, 113 (118); Stegbauer, NStZ 2008, 73 (78); i. E. wohl auch Fischer, § 184 StGB Rn. 35; ein Verbreiten in analogen Fällen ebenfalls bejahend BGHSt 13, 257 (258), wonach bereits ein Personenkreis von 20–25 Personen unkontrollierbar ist, wenn die Aufnahme in diesen Kreis lediglich von geringen Anforderungen abhängig ist. Siehe auch BayObLG, NStZ 1996, 436. Siehe aber auch Wüstenberg, TKMR 2003, 4 (6), der der E-Mailliste zwar die Unkontrollierbarkeit zuspricht, sich aber mangels Substanzübertragung gegen ein Verbreiten via Datenübertragung ausspricht. Ähnlich auch Bornemann, MMR 2012, 157 (158), nach dem die Annahme eines digitalen Verbreitungsbegriffs „die Grenzen der Physik [verkennt].“ Ein digitales Verbreiten ablehnend z. B. Gercke, MMR 2001, 678 (679); ders., in: Praxishandbuch, Rn. 309; Palm, Kinderpornographie, S. 123 in Fn. 574; Soiné, Kriminalistik 2002, 218 (222). 252  Vgl. z. B. Fischer, § 184 StGB Rn. 35; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1012); dies., in: MüKo, § 184b StGB Rn. 19; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1079; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5a; vgl. auch BayObLG, NJW 2000, 2911 (2912), wonach aus einem Versenden an fünf nur unter „Deckadressen“ bekannte Personen noch kein unkontrollierbarer Personenkreis folge. 247  So



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs283

zum einen öffentlich,253 zum anderen aber auch nicht-öffentlich erfolgen.254 In letzteren Fällen ist daher nur § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht, wenn die geschlossene Nutzergruppe, wie im Falle einer Mailingliste, für den einzelnen unüberschaubar und damit auch unkontrollierbar ist. Dies gilt auch für das Bereitstellen entsprechender Daten zum Download in geschlossenen, aber für das einzelne Mitglied unkontrollierbaren Nutzergruppen in Usenet oder IRC. Neben den Tathandlungen des Verbreitens und des Öffentlich-Zugänglichmachens kommt im Falle des Versendens von E-Mails mit entsprechenden Dateianhängen255 grundsätzlich auch eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 2 StGB in Betracht.256 Nach § 184b Abs. 2 StGB wird derjenige bestraft, der es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Es stellt sich daher die Frage, ob, wie schon mit Blick auf das Öffentlich-Zugänglichmachen, überhaupt ein Bedarf an einem 253  So z. B. LG Wuppertal, NStZ 2008, 463, welches das Anbieten der Dateien in Tauschbörsen jedoch anstelle des öffentlich Zugänglichmachens unter die Tathandlung des Ausstellens subsumierte (kritisch hierzu Palm, Kinderpornographie, S. 124); Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 309, nach dem der Datenaustausch in Tauschbörsen trotz der Direktverbindung zwischen den einzelnen Teilnehmern als ein öffentliches Zugänglichmachen zu bewerten ist. A. A. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 20, die in diesen Fällen ein Verbreiten i. S. d. § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB annimmt. 254  Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Dateien über private Tracker vermittelt werden. In diesen Fällen werden die Dateien, ähnlich wie in geschlossenen Mailinglisten oder geschlossenen IRC-Channels, nur zwischen den registrierten Nutzern verteilt, ohne dass Außenstehende an dem Verteilungsverfahren teilhaben können (vgl. aber auch Soiné, NStZ 2003, 225 [228], nach dem der Kreis der Empfänger in diesen Fällen fest umrissen ist und damit gerade nicht unkontrollierbar sei). Demgegenüber ist stattdessen auch dann von einer Öffentlichkeit auszugehen, wenn der Zutritt zu diesen Gruppen an nur geringe Anforderungen geknüpft wird (i. E. ebenso BGHSt 13, 269 [270]; Derksen, NJW 1997, 1878 [1881]; Palm, Kinderpornographie, S. 125; Römer, Verbreitungsdelikte, S. 95; Sieber, JZ 1996, 494 [495]; vgl. auch BT-Drucks. 15 / 350, S. 20 f., wonach in den Fällen, in welchen die geschlossene Nutzergruppe zu klein ist, um den Anforderungen der Öffentlichkeit bzw. der Unkontrollierbarkeit zu genügen, von einer Besitzverschaffung i. S. d. § 184b Abs. 2 StGB auszugehen ist.). 255  Die bloße Schilderung eines Kindesmissbrauchs ist indes nicht ausreichend, da diese die Anforderungen an ein wirklichkeitsnahes Geschehen nicht erfüllt (BGH NJW 2013, 2914). 256  Vgl. BGH NStZ 2005, 444 (445); BGH NJW 2013, 2914; BayObLG, NJW 2000, 2911 (2912); Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 42; Fischer, § 184b StGB Rn. 15; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 22; dies., NJW 2002, 1008 (1012); König, Kinderpornografie, Rn. 251; Palm, Kinderpornographie, S. 132; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 10; a. A. Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 334; ders., CR 2010, 520 (524), der die § 184b Abs. 2 und 4 StGB auf Internetsachverhalte nicht anwendbar hält (siehe dazu sowie zur Kritik daran ausführlich oben unter D. I. 1. a]); a. A. z. B. auch Popp, jurisPR-ITR 25 / 2013, Anm. 2.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

„internetspezifischen Verbreitungsbegriff“ besteht und nicht § 184b Abs. 2 StGB ausreichenden Schutz gewährleistet. Für das bloße Bereitstellen entsprechender Dateien im Internet zum Download lehnen jedoch Teile der Literatur257 eine Anwendung von § 184b Abs. 2 StGB mit der Begründung ab, ein Besitzverschaffen erfordere, dass das Herrschaftsverhältnis „vom Sender“258 vermittelt wird; ein Herunterladen durch den Empfänger spräche daher gegen ein Verschaffen. Das Gleiche müsste daher auch in den Fällen gelten, in welchen eine E-Mail noch vom Server des E-Mailproviders auf den eigenen Computer heruntergeladen werden muss. Auch hier erfolgt das Verbringen in den Herrschaftsbereich erst durch eine zusätzliche Nutzer­ interaktion, so dass eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 2 StGB in diesen Fällen grundsätzlich ausscheiden müsste. Richtigerweise erfasst das Unternehmensdelikt der Drittbesitzverschaffung hingegen jede Handlung, die darauf gerichtet ist, ein Herrschaftsverhältnis bei einem Dritten zu begründen. Dies kann vor dem Hintergrund, dass auch die bloße Vermittlung ohne Eigenbesitz erfasst sein solle,259 daher bereits mit der Bereitstellung erfüllt sein. Denn stellt bereits der Versuch, sich eine entsprechende Datei herunterzuladen, eine Vollendung von § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB dar, muss spiegelbildlich die Schaffung dieser Möglichkeit das Unternehmen der Drittbesitzverschaffung darstellen.260 Die Gegenansicht müsste darüber hinaus auf analoge Sachverhalte übertragen eine Anwendung von § 184b Abs. 2 StGB konsequenterweise auch in den Fällen ablehnen, in welchen der Täter die entsprechende Schrift dem Dritten lediglich entgegenhält und dieser sich diese erst nehmen muss. Pointiert wäre ein Drittbesitzverschaffen nur dann möglich, wenn der Täter die Schrift dem Empfänger in die Tasche steckt. Der Download entspricht dabei dem analogen Ergreifen einer Schrift und führt ebenfalls zur Schaffung eines neuen Besitzverhältnisses.261 Das Bereitstellen von Dateien kinderpornografischen Inhalts zum Download erfüllt mithin ebenfalls den objektiven Tatbestand des § 184b Abs. 2 StGB.262 Dieser Ansatz entspricht darüber hinaus auch dem gesetzgeberischen Willen, 257  Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 41; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 311; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 30; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 10; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 310. 258  Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 30. 259  So jedenfalls Schreibauer, Pornographieverbot, S. 307. 260  So auch Palm, Kinderpornographie, S. 142; a.  A. z.  B. Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 10, die stattdessen eine Strafbarkeit gem. §§ 184b Abs. 4 Satz 1, 27 Abs. 1 StGB in Betracht ziehen. 261  Siehe hinsichtlich der Besitzverschaffung durch Download ausführlich oben unter D. I. 1. 262  So auch Matzky, ZRP 2003, 167 (168); Palm, Kinderpornographie, S. 142; Stadler, Haftung, Rn. 182a; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 12; a. A. z. B. Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 311, die demgegenüber inkonse-



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs285

eben jene Fälle digitaler Datenverbreitung zu erfassen, die nicht unter die Nrn. 1 und 2 des Absatz 1 fallen,263 z. B. wenn es sich um einen individualisierten Empfänger oder Empfängerkreis handelt. Das Versenden oder Bereitstellen von lediglich auf die an anderer Stelle264 gespeicherten kinderpornografischen Dateien verweisenden Links lässt sich hingegen nicht unter § 184b Abs. 2 StGB subsumieren.265 Anders als das Bereitstellen oder Versenden entsprechender Dateien führt das Versenden eines Links weder zu einem „Ankommen“ der Daten bei dem Empfänger noch zu einer Kenntnisnahme des entsprechenden Inhaltes. Hierin liegt auch der wesentliche Unterschied zur Besitzverschaffung nach § 184b Abs. 2 StGB durch bloße Vermittlung ohne Eigenbesitz. Anders als das Versenden des Links führt die Vermittlung selbst zu einer Besitzverschaffung. Bei einem Link handelt es sich hingegen lediglich um einen Wegweiser,266 weswegen allein durch den Hinweis, an welcher Stelle – online wie offline – eine kinderpornografische Schrift zu finden ist, diese weder zugänglich gemacht noch verbreitet wird.267 Unabhängig von der Frage, ob für ein Zugänglichmachen zusätzlich zu der bloßen Vermittlung der Zugriffsmöglichkeit268 noch eine gewisse Herrschaftsmacht über die Information erforderlich ist,269 kann allein das Versenden des verweisenden Links daher noch nicht tatbestandlich sein. quenter Weise das Zusenden einer E-Mail auch dann als tatbestandlich ansehen, wenn diese nicht abgerufen wird; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 30. 263  Siehe dazu BT-Drucks. 15 / 350, S. 20. 264  Verweist der Link lediglich auf auf eigenen Servern gespeicherte verbotene Darstellungen, stellt bereits das Anbieten derer ein Zugänglichmachen dar, hinter dem das Verbreiten der Links zurücktritt (so auch M. Popp, Verantwortung, S. 183). 265  So aber BGH StraFo 2012, 195 (196); OLG Stuttgart, MMR 2006, 387 (388); Boese, Verantwortlichkeit, S. 115, 129; Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 39; Vassilaki, CR 1999, 85 (86); siehe auch Stadler, Haftung, Rn. 183, nach dem der Unterschied zu einer bloßen Fußnote unter einem abgedruckten Text darin läge, dass der Nutzer die Inhalte „nach Aktivierung des Hyperlinks unmittelbar zur Ansicht erhält“ (Stadler, Haftung, Rn. 182a). Dies ist jedoch auch bei analogen Wegweisern der Fall. Folgt man diesen, erreicht man ebenfalls das ausgewiesene Ziel. Der digitale Link verkürzt lediglich den Weg dorthin. Noch offen gelassen vom AG Berlin-Tiergarten, CR 1998, 111 mit Anmerkung Vassilaki, CR 1998, 111 f. 266  So i.  E. auch Kaufmann / Köcher, MMR 2005, 335; Palm, Kinderpornographie, S. 275; M. Popp, Verantwortung, S: 74 f., 182 f.; siehe auch BGH MMR 2003, 719 zu § 15 UrhG; siehe umfassend Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 18 ff., der in dem Link in der Regel nicht bloß einen Beleg i. S. e. Fußnote sieht. 267  A. A. aber z. B. LG Stuttgart, CR 2005, 675; Heghmanns, JA 2001, 71 (73); S. Müller, Hyperlinks, S. 122 f. 268  Allein auf das Vereinfachen des Zugriffs abstellend z.  B. Al. Koch, MMR 1999, 704 (709). 269  So jedenfalls Germann, Strafverfolgung, S. 212; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1010); M. Popp, Verantwortung, S. 112.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Auch der von S. Müller270 gezogene Schluss, dass ein Zugänglichmachen aus systematischen Gründen auch durch das Versenden von Links möglich sein müsse, vermag nicht zu überzeugen. Der Ansatz ist vor dem Hintergrund, dass S. Müller in dem Versenden eines Links bereits ein Verbreiten annimmt,271 zwar in sich konsequent, geht aber von einem abzulehnenden Verbreitungsverständnis aus.272 Warum die Links auf der Ergebnisseite einer Suchmaschine ihrer Ansicht nach darüber hinaus nicht tatbestandlich sein sollen, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Annahme einer Tatbestandlichkeit i. S. d. § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB führt vielmehr zu einer unzulässigen Vorverlagerung der Strafbarkeit und entspricht stattdessen einer typischen Beihilfehandlung.273 Ebenfalls keine Besitzverschaffung stellt daher das bloße Verabreden zur späteren Übersendung oder die Kontaktanbahnung im Vorfeld dar.274 dd) Ergebnis Als Ergebnis lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass entgegen verbreiteter Ansicht ein Verbreiten i. S. d. § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB auch über das Internet möglich ist. Unabhängig von der Notwendigkeit, einen „internetspezifischen Verbreitungsbegriff“ zu bilden und der Vermutung Gerckes, der BGH habe den Fall nur zum Anlass genommen, „um allgemein die Grundlagen für weitere Entwicklungen vorzugeben“275, existieren dennoch ausreichend Anwendungsfälle, die die vorliegende Auslegung rechtfertigen. Die dem BGH entgegengebrachte Kritik, der Entscheidung könne „sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung“276 nicht zugestimmt werden, vermag dabei ihrerseits nicht uneingeschränkt zu überzeugen und ist insbesondere vom Ergebnis her auch nicht „fast durchweg abzulehnen“277. Stattdessen 270  S. Müller,

Hyperlinks, S. 122 f. S. Müller, Hyperlinks, S. 122 f. 272  Siehe oben. 273  So z. B. auch LG Karlsruhe, MMR 2009, 418 (419); Hörnle, NJW 2002, 1008 (1010); Liesching, MMR 2006, 390 (391) kritisch zu OLG Stuttgart, MMR 2006, 387; a. A. BGH StraFo 2012, 195 (197); Matzky, ZRP 2003, 167 (168); Palm, Kinderpornographie, S. 280, die in Abgrenzung zum Zugänglichmachen jedoch eine Individualisierung des Empfängers fordert. Siehe auch das Beispiel von M. Popp, Verantwortlichkeit, S. 113, der den Link mit dem Transport zu einer verbotenen Schrift via Flugzeug vergleicht und pointiert fragt, ob sich dadurch auch die Fluggesellschaft strafbar machen würde (kritisch dazu S. Müller, Hyperlinks, S. 123). 274  Vgl. Fischer, § 184b StGB Rn. 15; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 31. 275  Gercke, MMR 2001, 678 (679). 276  Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (208). 277  Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206 (210). 271  Vgl.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs287

bedarf es lediglich einer dogmatisch sauberen Herleitung des internetspezifischen Verbreitungsbegriffs. Da ein Verbreiten i. S. d. § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB nach überwiegender Ansicht die mit einer körperlichen Weitergabe der Schrift verbundene Tätigkeit darstellt, die darauf gerichtet ist, die Schrift ihrer Substanz nach – also nicht nur bezüglich ihres Inhalts oder durch bloßes Vorlesen, Anschlagen, Ausstellen, Anbringen von Aufklebern usw. – einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen,278 ist im Zusammenhang mit digitalen Inhalten unproblematisch dann von einem Verbreiten auszugehen, wenn dies durch die körperliche Weitergabe klassischer Speichermedien wie DVDs geschieht.279 Ein Verbreiten im Internet erfordert daher ebenso wie ein Verbreiten in analogen Fällen das Vorliegen folgender zwei Voraussetzungen. Zum einen muss vor dem Hintergrund des Strafzwecks, der Eindämmung möglicher weiterer Verbreitung durch die Empfänger, eine Verkörperung auf Seiten der Empfänger zumindest beabsichtigt sein.280 Aus diesem Grund ist das bloße Zugänglichmachen des Inhalts der kinderpornografischen Schrift nicht ausreichend und erfüllt in analogen wie auch digitalen Fällen allein § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB. Zum anderen erfordert auch das digitale Verbreiten einer Schrift einen unkontrollierbaren Empfängerkreis. Das bloße Zuschicken einer entsprechenden Datei an einen oder wenige Empfänger via E-Mail stellt daher kein Verbreiten, sondern vielmehr ein Drittbesitzverschaffen i. S. d. § 184b Abs. 2 StGB dar. Vor diesem Hintergrund lässt sich mit einer von der des BGH abweichenden Begründung auch ein „internetspezifischer Verbreitungsbegriff“ vertreten; das Verbreiten via Internet zielt ebenso auf eine – zumindest erneute – Verkörperung auf Empfängerseite und erfordert – entgegen der nicht eindeutigen Aussage des BGH – einen unkontrollierbaren Empfängerkreis. Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass ein Verbreiten kinderpornografischer Schriften gem. § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB grundsätzlich auch über das Internet möglich ist.281 278  Vgl. z. B. BGHSt 13, 257 (258); BGHSt 18, 63; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5 m. w. N. 279  So auch Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht; Rn. 301; Piazena, Verabreden zu Straftaten, C. IV. 4. 280  Da nach überwiegender Ansicht ein Verbreiten bereits mit dem „Auf-denWeg-Bringen“ vollendet ist, kann im Rahmen der Bewertung allein auf die Intention des Täters abgestellt werden. 281  So auch BGHSt 47, 55; Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 91; Fischer, § 184b StGB Rn. 9; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 19; Lackner / Kühl, § 184 StGB Rn. 5; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 7; Marberth-Kubicki, Internetstrafrecht, Rn. 221; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 23 IV Rn. 21; Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 8.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

(1) Widerspruch zu § 184d StGB Einem solchen Verbreitungsbegriffsverständnis stehen auch die Regelungen in § 184d Satz 1 StGB und § 86 Abs. 1, 6. Fall StGB nicht entgegen. Nach § 184d Satz  1 StGB wird auch derjenige nach den §§ 184 bis 184c StGB bestraft, der eine pornographische Darbietung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet. Die Regelung wurde 2003 als § 184c StGB a. F.282 in das StGB eingeführt, um auch die Fälle der Verbreitung kinderpornografischer Darstellungen zu erfassen, die mangels Körperlichkeit nicht unter den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB fallen und damit auch nicht von den §§ 184 ff. StGB erfasst werden.283 Aus diesem Grund ist die Tathandlung des Verbreitens weiter zu verstehen als in den §§ 184a ff. SGB und entspricht eher dem Begriff der „Verbreitung“ in den Überschriften der §§ 184 ff StGB und in § 74d StGB, die auch das Zugänglich­ machen erfassen.284 Der abweichende Verbreitungsbegriff spricht dennoch nicht gegen den auch eine unkörperliche Verbreitung umfassenden internetspezifischen Verbreitungsbegriff. Vielmehr ist die Ausweitung in § 184d StGB in Abgrenzung zu den §§ 184a ff. StGB dem Umstand geschuldet, dass die verbreitete Darbietung, anders als im Falle des internetspezifischen Verbreitungsbegriffs, zu keinem Zeitpunkt eine Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstellen muss. § 184d StGB erfasst daher insbesondere auch Live-Darbietungen über Webcam oder Pay-TV, welche – trotz technisch notwendiger zumindest kurzzeitiger Zwischenspeicherung285 – nicht das Dauerhaftigkeitserfordernis des § 11 Abs. 3 StGB erfüllen286 und damit schon kein taugliches Tatobjekt287 darstellen und somit auch nicht unter die §§ 184 ff. StGB fallen. Da ein Verbreiten auch i. S. d. § 184d Satz 1 StGB eine gewisse Öffentlichkeit voraussetzt,288 fallen Übertragungen an einen individuellen Empfängerkreis 282  BGBl. I

2003, S. 3007. BT-Drucks. 15 / 350, S. 21; Fischer, § 184d StGB Rn. 2; Palm, Kinderpornographie, S. 179; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184d StGB Rn. 1. 284  Vgl. Fischer, § 184d StGB Rn. 5; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184d StGB Rn. 5; neben dem Zugänglichmachen umfasst § 184d StGB sämtliche Tathandlungen der §§ 184–184c StGB, soweit sie keine Verkörperung oder Speicherung voraussetzen (Laubenthal, Handbuch, Rn. 1113). 285  Siehe hinsichtlich der technischen Abläufe oben unter C. III. 2. 286  Aus diesem Grund fällt das Verbreiten von Aufzeichnungen und damit z. B. auch das Video-on-Demand-Verfahren nicht unter § 184d StGB. Insoweit liegt eine Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB vor, so dass grundsätzlich eine Strafbarkeit nach §§ 184a ff. StGB in Betracht kommt. 287  So z. B. auch Heinrich, in: Wandtke-Medienrecht, Band 5, Kap. 5, § 2 Rn. 61. 288  Vgl. Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 315; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1113; Palm, Kinderpornographie, S. 183. 283  Vgl.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs289

ebenfalls nicht unter das Verbreiten i. S. d. § 184d Satz 1 StGB. Aufgrund der für den Empfang und die Anzeige notwendigen Zwischenspeicherung auf Empfängerseite kommt stattdessen im Falle kinder- oder jugendpornografischer Darbietungen – wie auch in allen anderen Fällen digitaler Übertragung – eine Strafbarkeit des Übertragenden nach § 184b Abs. 2 bzw. § 184c Abs. 2 StGB in Betracht.289 Der Empfänger selbst macht sich dabei regelmäßig wegen Eigenbesitzverschaffung nach beispielsweise §  184b Abs. 4 Satz 1 StGB strafbar.290 (2) Widerspruch zu § 86 StGB Daneben spricht entgegen verbreiteter Ansicht291 auch die in § 86 Abs. 1 StGB abweichend von den §§ 184 ff. StGB formulierte Tathandlung des „in Datenspeichern öffentlich Zugänglichmachens“ nicht gegen den internetspezifischen Verbreitungsbegriff. § 86 Abs. 1 StGB stellt neben dem Zugänglichmachen unter anderem das Verbreiten entsprechender Propagandamittel unter Strafe. Dieses Verbreiten stellt ebenso wie in den §§ 184 ff. StGB die körperliche Weitergabe an einen unkontrollierbaren Empfängerkreis dar.292 Um darüber hinaus auch die Fälle zu erfassen, in welchen die Propagandatexte beispielsweise „per elektronischer Post Anderen zur Kenntnis gebracht oder angeboten werden“293, hat der Gesetzgeber durch das IuKDG § 86 StGB um die Tathandlung des Zugänglichmachens in Datenspeichern erweitert. Zugänglichmachen bedeutet dabei auch im Rahmen des § 86 StGB, anderen die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch sinnliche Wahrnehmung vom Inhalt der Schrift Kenntnis zu verschaffen.294 Die Annahme, die Aufnahme der Tatvariante des Zugänglichmachens in § 86 Abs. 1 StGB spräche auch im Rahmen der §§ 184 ff. StGB für einen grundsätzlich „engen Begriff der Verbreitung“295, vermag dabei jedoch nicht zu überzeugen. Unabhängig von der Frage, ob die Tathandlung des Verbreitens in § 86 Abs. 1, 1. Fall StGB i. S. d. des §§ 184 ff. StGB auszui. E. auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (119 in Fn. 62). i. E. auch Fischer, § 184d StGB Rn. 9. 291  Gercke, Inhalte, S. 42 f.; Lackner / Kühl, § 74d StGB Rn. 5; Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 204 (208); Palm, Kinderpornographie, S. 122 f.; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5. 292  Vgl. nur BGHSt 18, 63; OLG Frankfurt a. M., StV 1990, 209; Franke, GA 1984, 452 (460 f.) m. w. N. 293  BT-Drucks. 13 / 7385, S. 36. 294  Vgl. Steinmetz, in: MüKo, § 86 StGB Rn. 36. 295  Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5; vgl. auch Gercke, MMR 2001, 678 (679). 289  So 290  So

290

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

legen ist296 oder, so wie es die wohl überwiegende Ansicht297 vertritt, alle Tathandlungen des § 74d Abs. 1 StGB umfasst, lässt sich aus § 86 Abs. 1, 6. Fall StGB keine Aussage bezüglich des Verbreitens i. S. d. § 184b Abs. 1 StGB treffen.298 Entspräche die Tathandlung des Verbreitens der „Verbreitung“ i. S. d. § 74d StGB, wäre die gesetzgeberische Erweiterung um ein Zugänglichmachen schlicht überflüssig; dieses wird unstreitig bereits von dem Verbreitungsbegriff des § 74d StGB umfasst.299 Ist der Verbreitungsbegriff des § 86 Abs. 1 StGB hingegen i. S. d. §§ 184 ff. StGB zu verstehen, fehlte es bis 1997 an einer auch das Zugänglichmachen umfassenden Tatvariante,300 so dass der Gesetzgeber tatsächlich eine Lücke geschlossen haben könnte.301 Das vom Gesetzgeber verwendete Beispiel des Zugänglichmachens durch E-Mails vermag dann jedoch nicht zu überzeugen. Genau wie das Bereitstellen auf einer Webseite kommt es bei erfolgreicher Übermittlung auch bei einer E-Mail zu einer Verkörperung auf Empfängerseite und damit zu einem Verbreiten.302 Ein öffentliches Zugänglichmachen ist hingegen immer dann gegeben, wenn eine solche Verkörperung nicht gewollt oder nicht möglich ist. Aus diesem Grund fällt beispielsweise das Abspielen eines digital gespeicherten Propagandafilms auf einem öffentlichen Platz unter die Tatvariante des Zugänglichmachens.303 Die Gesetzesänderung erscheint vor den Ausführungen zum internetspezifischen Verbreitungsbegriff, welcher insbesondere die Übermittlung via E-Mail erfasst, und der tatsächlichen Widersprüche in analogen Sachverhalten nicht gänzlich durchdacht. Statt eines Zugänglichmachens in Datenspeichern hätte es einer jegliche Formen des Zugänglichmachens umfassenden Tathandlung bedurft. Nur so ließen sich auch die Fälle erfassen, in welchen beispielsweise Propagandamittel durch das Anbringen von Plakaten oder nur Franke, GA 1984, 452 (460 f.) m. w. N. z. B. BGH MDR / H 1977, 809; OLG Hamburg, NStZ 1983, 127; Franke, NStZ 1984, 126 (127); Lackner / Kühl, § 86 StGB Rn. 6; Sternberg-Lieben, in: Sch / Sch, § 86 StGB Rn. 14; Steinmetz, in: MüKo, § 86 StGB Rn. 27. 298  So aber z. B. Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 204 (208); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 5. 299  So auch Fischer, § 86 StGB Rn. 12; Paeffgen, in: NK, § 86 StGB Rn. 29, nach dem die Gegenansicht vor diesem Hintergrund noch eine überzeugende Begründung schuldet. 300  Vgl. Gercke, MMR 2001, 678 (679); siehe zur Gesetzesbegründung BTDrucks. 13 / 7385, S. 36. 301  Vgl. Derksen, NJW 1997, 1878 (1881), nach dem das Zugänglichmachen nicht vom Verbreitungsbegriff umfasst ist. 302  Siehe oben unter E. I. 2. d) aa). 303  So i. E. auch Paeffgen, in: NK, § 86 StGB Rn. 36. 296  Vgl.

297  Siehe



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs291

Aufklebern304 veröffentlicht werden. Die Annahme des BGH305, dass das Plakatieren ein Verbreiten, also eine körperliche Weitergabe der Plakate, darstellt, überzeugt hingegen nicht. Das Plakatieren macht vielmehr allein den Inhalt zugänglich306 – eine Tathandlung, die auch von der aktuellen Fassung des § 86 StGB nicht erfasst wird. Darüber hinaus erfüllt das Versenden von E-Mails in den meisten Fällen307 gerade nicht das Kriterium der Öffentlichkeit, da die Empfänger auch bei Massenmails über E-Maillisten zwar in der Regel nicht individualisiert und unkontrollierbar, aber dennoch abgegrenzt sind, so dass sich die Eignung der Gesetzesänderung vor dem erklärten gesetzgeberischen Willen zumindest bezweifeln lässt. Aufgrund des Umstandes, dass sich die Tathandlung des In-Datenspeichern-Zugänglichmachens allein in § 86 StGB findet, erscheint es zusammen mit den aufgezeigten Auslegungsschwierigkeiten problematisch, § 86 StGB im Rahmen der Auslegung des Verbreitungsbegriffs in § 184b StGB ein großes Gewicht beizumessen. (3) Widerspruch zu § 1 Abs. 2 Satz 2 JuSchG Ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führt der Vergleich mit § 1 Abs. 2 Satz 2 JuSchG. Zwar steht den in § 1 Abs. 2 Satz 1 JuSchG genannten Tathandlungen nach § 1 Abs. 2 Satz  2 JuSchG „das elektronische Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen gleich“, weswegen mangels gleichlautender Regelungen im StGB ein digitales Verbreiten oder Besitzen von vornherein ausgeschlossen sein könnte.308 Eine solche Übertragbarkeit kann jedoch nicht vorgenommen werden. Die Gleichstellung der elektronischen und gegenständlichen Verbreitung gilt vielmehr nur für den Anwendungsbereich des JuSchG und entfaltet über dieses hinaus keine Gültigkeit in anderen Gesetzen.309 Dies gilt insbesondere vor dem Umstand, 304  Vgl. Laufhütte / Kuschel, in: LK, 12. Aufl., § 86 StGB Rn. 26; a. A. richtigerweise OLG Hamburg, NStZ 1983, 127, wonach der Aufkleber auf einem PKW nicht „substantiell zugänglich gemacht [wurde]“. 305  BGHSt 19, 308, wonach ein Plakat seine Körperlichkeit durch „Formgebung, Farbe und sonstige Aufmachung“ vermittle (berechtigte Kritik daher bei Paeffgen, in: NK, § 86 StGB 25). 306  So auch OLG Hamburg, NStZ 1983, 127. 307  Von einer Öffentlichkeit ist dennoch auch bei geschlossenen Nutzergruppen in den Fällen auszugehen, in welchen der Zutritt von nur geringen Anforderungen abhängt (siehe oben unter E. I. 2. d] cc]; vgl. BGHSt 13, 257 [258]; BT-Drucks. 15 / 350, S. 20 f.). 308  So z. B. Harms, NStZ 2003, 646 (649). 309  So auch Bornemann, MMR 2012, 157 (159); Liesching / Schuster, § 1 JuSchG Rn. 17, 25.

292

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

dass § 1 Abs. 1 JuSchG anders als § 11 Abs. 3 StGB nicht den Begriff des Datenspeichers, sondern den des Trägermediums verwendet, welches nach überwiegender Ansicht anders zu verstehen ist.310 Darüber hinaus rechtfertigt die Gesetzesbegründung311 die Einführung der abweichenden Begrifflichkeit „nicht mit Mängeln des Schriftenbegriffs, sondern mit Abgrenzungsproblemen zwischen den Tatobjekten Schrift, Mediendienst und Teledienst“312. Die vermutete Klarstellung gegen einen strafrechtsweiten digitalen Verbreitungsbegriff kann daher nicht angenommen werden. e) Ergebnis der systematischen Auslegung Als Ergebnis der systematischen Auslegung lässt sich festhalten, dass sowohl die innere als auch die äußere Systematik der Norm für einen digitalen Besitzbegriff durch Datenherrschaft sprechen. Die Erweiterung des Besitzbegriffs im Rahmen des § 184b StGB stellt daher eine konsequente Weiterführung des internetspezifischen Verbreitungsbegriffs dar. Diesem Ergebnis stehen auch die Einziehungsregelungen der §§ 74 ff. StGB nicht entgegen, die zum einen aufgrund der Sonderregelung in § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB auf die Besitzgegenstände in § 184b Abs. 2 und 4 StGB keine Anwendung finden. Zum anderen stützt die von der üblichen Bezugnahme auf den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB abweichenden Verwendung des Begriffs „Gegenstände“ in § 184d Abs. 6 Satz  2 StGB, der seinerseits weder in der StPO noch im StGB eine Körperlichkeit voraussetzt, vielmehr den digitalen Besitz. 3. Historische Auslegung Im Ergebnis spricht daher neben dem Wortlaut der Norm, insbesondere auch die systematische Auslegung des § 184b StGB für ein auch den digitalen Besitz umfassendes Begriffsverständnis. Der Begriff „Besitz“ drückt 310  Siehe z. B. Liesching, in: Erbs / Kohlhaas, § 1 JuSchG Rn. 6; ders., NJW 2002, 3281 (2383); insoweit ist auch die gesetzgeberische Intention, eine allgemeine, Medieninhalte besser erfassende Begrifflichkeit einzuführen, (so die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfes, vgl. BT 14 / 9013, S. 17) zumindest missverständlich, wonach der Oberbegriff der Schriften durch den Begriff der Trägermedien „ersetzt“ werde (vgl. BT-Drucks. 14 / 9013, S. 17), da der Begriff des Trägermediums mit dem der Schrift nicht deckungsgleich ist (so auch Stath, Jugendmedienschutz, S. 50) und damit neue Auslegungsschwierigkeiten nach sich zieht (vgl. dazu Eckstein, ZStW 117 [2005], 107 [119 in Fn. 61] mit Kritik an Harms, NStZ 2003, 646 [649]). Siehe darüber hinaus auch Palm, Kinderpornographie, S. 213 ff. 311  BT-Drucks. 14 / 9013, S. 17 f. 312  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (119 in Fn. 61) mit Verweis auf BT-Drucks. 14 / 9013 S. 16, 18.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs293

grundsätzlich ein Herrschaftsverhältnis aus, welches auch digital bestehen kann. Die aus eben diesem Herrschaftsverhältnis resultierenden Gefahren für die Rechtsgüter anderer bestrebt der Gesetzgeber mit den Besitz(-verschaffungs)verboten in § 184b Abs. 2 und 4 StGB einzudämmen. So erweitert seit einigen Jahren der Gesetzgeber in regelmäßigen Abständen Tatbestände und verschärft Strafen, um den Markt für pornographische Produkte mit minderjährigen Darstellern zu bekämpfen.313 Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist eine Austrocknung des Marktes für kinderpornografische Produkte, da von einer „mittelbare[n] Verantwortlichkeit des Verbrauchers für die Existenz des Videomarktes für Kinderpornographie und den mit der Befriedigung des Marktes verbundenen Kindesmißbrauch[s]“314 auszugehen sei. Gleichzeitig sollte der Unrechtsgehalt des Erwerbs und Besitzes von kinderpornografischen Schriften stärker betont und durch „ein Signal für eine unvermindert nachdrückliche Strafverfolgung“315 die generalpräventive Wirkung gegenüber potenziellen Tätern verstärkt werden.316 Durch das 27. StrÄndG317 wurde dazu durch die Einführung des § 184 Abs. 5 StGB a. F. der Besitz und die Besitzverschaffung verboten,318 da die bestehenden Vorschriften die Entstehung und Ausbreitung des Videomarktes für Kinderpornografie und den damit verbundenen sexuellen Missbrauch von Kindern nicht hatte verhindern oder eindämmen können.319 Da der bloße Besitz bis zu diesem Zeitpunkt nicht strafbar war, bestand nach Auffassung des Gesetzgebers für Händler die Möglichkeit, sich als Sammler zu tarnen und nur im Bedarfsfall Kopien der Masterkopie zu ziehen und zu verkaufen.320 Mit dem Besitzverbot soll deswegen unter anderem ein entsprechender Nachweis entbehrlich werden.321 Darüber hinaus strebt der Gesetzgeber mit § 184b StGB eine Eindämmung des Marktes für Kinderpornografie an und schuf dazu unterstützend die Besitzregelungen in den Absätzen 2 und 4.322 Aus ähnlichen Erwägungen stellt der Gesetzgeber schon seit Jahrhunderten Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 7. 12 / 3001, S. 5; BT-Drucks. 12 / 4883, S. 8. 315  BT-Drucks. 15 / 350, S. 2. 316  Vgl. Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 13; kritisch dazu z. B. Amelung / Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 270. 317  BGBl. I 1993, S. 1346. 318  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 7. 319  Vgl. Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184 StGB Entstehungsgeschichte. 320  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 4; BR-Drucks. 207 / 92, S. 4. 321  Dass die Beweiserleichterung nicht alleiniger Strafzweck sein kann, kann an dieser Stelle noch dahingestellt bleiben; siehe dazu bereits oben unter B. IV. 2. a) cc); siehe zu § 184b StGB ausführlich sogleich unter C. II. 1. d). 322  Siehe bezüglich des geschützten Rechtsguts sogleich unten unter C. II. 1. d) aa). 313  Vgl.

314  BT-Drucks.

294

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

den Besitz diverser Gegenstände unter Strafe.323 In der Regel ist der Gegenstand seinerseits gefährlich, zum Teil drohen die Gefahren für die Rechtsgüter anderer erst aus dem Umgang mit den verbotenen Gegenständen. Dem technischen, gesellschaftlichen und politischen Wandel ist es dabei geschuldet, dass der Katalog der Besitzdelikte laufend zunimmt.324 So reagierte der Gesetzgeber beispielsweise für den Fall des Schriftenbegriffs aus § 11 Abs. 3 StGB mit der Erweiterung der Gleichstellung um den „Datenspeicher“ durch das IuKDG im Jahre 1997 auf die zunehmende technische Entwicklung, da Datenspeicher in vergleichbarer Weise zur Wiedergabe rechtswidriger Inhalte geeignet sind wie die übrigen Darstellungsformen des § 11 Abs. 3 StGB.325 Eben diese technische Entwicklung ist es auch, die die Schaffung eines digitalen Besitzbegriffs notwendig macht. Doch anders als in den Fällen, in welchen Besitzkataloge lediglich um neue Gegenstände erweitert oder neue Besitzdelikte geschaffen wurden, stellt sich an dieser Stelle nicht die Frage nach einer Erweiterung der Tatobjekte, sondern danach, ob der bestehende Besitzbegriff auch einen unkörperlichen Besitz durch Datenherrschaft umfassen kann. Ausdrücklich existieren dazu jedoch keinerlei Aussagen seitens des Gesetzgebers. Insofern lassen sich hinsichtlich des Besitzes durch Datenherrschaft nur die oben genannten Gemeinsamkeiten zwischen analogem und digitalem Besitz anführen. Die historische Auslegung führt mangels Auseinandersetzung des Gesetzgebers mit dieser Fragestellung an dieser Stelle daher nicht weiter. Allein die gesetzgeberische Bestrebung, ein umfängliches Verkehrsverbot kinderpornografischer Schriften zu erreichen, spricht für die Möglichkeit eines digitalen Besitzes. 4. Teleologische Auslegung Doch auch wenn damit Wortlaut, Systematik und gesetzgeberischer Wille für ein erweitertes Begriffsverständnis streiten, „verträgt [kein Gesetz] eine starre Begrenzung seiner Anwendbarkeit auf solche Fälle, die der vom Gesetzgeber ins Auge gefaßten Ausgangslage entsprechen; denn es ist nicht toter Buchstabe, sondern lebendig sich entwickelnder Geist, der mit den Lebensverhältnissen fortschreiten und ihnen sinnvoll angepaßt weitergelten will, solange dies nicht die Form sprengt, in die er gegossen ist.“326 Es gilt daher vielmehr im Einklang mit den gefundenen Ergebnissen im Wege der 323  Siehe

hinsichtlich der Entwicklung der Besitzstrafbarkeiten oben unter B. II. 1. Eckstein, Besitz, S. 23. 325  Vgl. Hilgendorf, in: LK, 12. Auf., § 11 StGB Rn. 121. 326  BGHSt 10, 157 (159 f.). 324  Vgl.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs295

teleologischen Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Regelung zu fragen und zu überprüfen, ob der digitale Besitzbegriff geeignet ist, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. Die teleologische Auslegung wird dabei auch als „Krone der Auslegungsverfahren“327 bezeichnet, welche nach verbreiteter Ansicht den Schwerpunkt der Auslegung darstellt.328 Zur Beantwortung der Frage, ob der Besitzbegriff der §§ 184 ff. StGB auch einen Besitz durch Datenherrschaft umfasst, ist daher auch der Blick auf den Schutzgedanken der Regelungen zu richten. Dazu gilt es in einem ersten Schritt, das bestehende Verständnis darzustellen und im Anschluss den digitalen Besitz daran zu messen. a) Schutzzweck des § 184b Abs. 2 und 4 StGB Geschütztes Rechtsgut des § 184b StGB ist zunächst, wie bei §§ 184 und 184a StGB, der Jugendschutz.329 Anders als im Falle des § 184 und § 184a StGB dient § 184b  StGB dabei jedoch vor allem dem Darstellerschutz;330 die Verteilungsverbote aus Absatz 1 und die Besitzverbote aus den Absätzen 2 und 4 sollen darüber hinaus die Austrocknung des Marktes für kinderpornografische Schriften fördern.331 Keine Schwierigkeiten im Hinblick auf das Schutzgut bereitet dabei beispielsweise die Begründung des Herstellungsverbots in § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB332 oder des Verbots, kinderpornografische Schriften anderen zugänglich zu machen i. S. d. § 184b Abs. 1 327  Jescheck / Weigend,

AT, § 17 IV 1 b). BVerfGE 1, 299 (312); BGHSt 15, 118 (121); BGHSt 26, 156 (159); BGHSt 30, 98 (101); Heinrich, AT, Rn. 147; Larenz, Methodenlehre, S. 332; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 57; siehe dazu auch noch unten unter E. I. 4. 329  Vgl. z. B. Fischer, § 184b StGB Rn. 2; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1062; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 1; Palm, Kinderpornographie, S.  91 ff.; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 1. 330  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001 S. 4; BT-Drucks. 12 / 4883 S. 8; BGHSt 45, 41 (43); BGHSt 47, 55 (61); LG Stuttgart, NStZ 2003, 36; VGH Mannheim, NJW 2008, 3084; Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 (754); Fischer, § 184b StGB Rn. 2; Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (259 f.); Harms, NStZ 2003, 646; Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1; König, Kinderpornografie, Rn. 96; Laubenthal, Handbuch, Rn. 1062; Palm, Kinderpornographie, S. 91 ff., nach der die Darstellungen von Kindesmissbrauch den Hauptanwendungsfall der Norm bildet (Palm, Kinderpornographie, S. 93); Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 1; Wolters, in: SK-StGB, § 184b StGB Rn. 1. 331  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; BT-Drucks. 12 / 4883, S. 7; OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 (42 f.); OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896 f.); Böse, Schroe­ der-FS 2006, S. 751 (753); Harms, NStZ 2003, 646 f.; M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1. 332  Siehe nur BT-Drucks. VI / 1552, S. 35 f.; Hörnle, Verhalten, S. 423. 328  Vgl.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Nr. 2 StGB333; diese Fälle lassen sich leicht unter Darstellerschutz und Menschenwürdeverletzung subsumieren.334 Die Begründung der Besitz (-verschaffungs)verbote gestaltet sich demgegenüber als problematisch, da die Besitzdelikte in erster Linie dem Schutz bestimmter Rechtgüter vor Gefahren dienen, die von dem Besitzgegenstand selbst oder aus dem Umgang mit diesem ausgehen.335 Anders aber als bei dem Besitz einer Handgranate, radioaktiven Stoffen oder eines infektiösen Erregers336 drohen von dem Besitz kinderpornografischer Schriften für sich genommen noch keine Gefahren für die Rechtsgüter anderer.337 Insbesondere liegt der dokumentierte Kindesmissbrauch in der Regel338 in der Vergangenheit und wird strafrechtlich von den §§ 176 ff. StGB erfasst,339 so dass es nach Jäger „gar nicht so einfach [ist], zwischen dem Sichverschaffen bzw. schlichten Besitzen einer kinderpornographischen Darstellung und dem sexuellen Missbrauch der dargestellten Kinder eine Brücke zu schlagen.“340 Dennoch soll dem gesetzgeberischen Willen nach auch mit dem Besitzverbot dem mit der Herstellung kinderpornographischer Darstellungen verbundenen sexuellen Missbrauch von Kindern entgegen getreten werden,341 so dass Schutzgut des § 184b Abs. 2 und 4 StGB ebenfalls der kindliche Darsteller sein könnte. Die Erreichung dieses Ziels ist in Fällen der Besitzverschaffung bzw. des bloßen Besitzes jedoch nur bedingt möglich, da eine Zurechnung des der kinderpornografischen Darstellung zugrunde liegenden 333  Siehe hinsichtlich der wiederholten Würdeverletzung durch erneuten Konsum der Dokumentation Hörnle, Verhalten S. 131 ff., wonach in jedem Vorführen oder Zeigen einer kinderpornografischen Schrift „eine selbstständige Verletzung der Menschenwürde [liegt]“ (Hörnle, Verhalten, S. 134). 334  Vgl. nur Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 4. 335  Siehe zur Funktion der Besitzdelikte oben unter B. IV. 2. a); siehe im Allgemeinen auch Eckstein, Besitz, S. 66 ff. 336  Siehe zu den verschiedenen Besitzdelikten ausführlich oben unter B. IV. 1. 337  So auch Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (636); Schroeder, NJW 1993, 2581 (2582). 338  Dies gilt nicht in den Fällen, in welchen die kinderpornografische Darstellung bereits während des Missbrauchs live über das Internet übertragen wird (so z. B. bei http: /  / goo.gl / pHvAOz, Abendzeitung vom 09.04.2013, 12.04.2014; http: /  /  goo.gl / pnjU8S, Welt vom 24.04.2012, 12.04.2014). In diesen Fällen kommt neben einer Strafbarkeit nach § 184d Satz 1 StGB aufgrund der Verkörperung im Arbeitsspeicher auf Empfängerseite auch eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 2 StGB in Betracht. 339  Vgl. Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 (753); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1; dies., Verhalten, S. 423; Schroeder, ZRP 1990, 299 (300); i. E. ebenso Pastor Muñoz, GA 2006, 793 (798), die die Besitzdelikte als klassische Anschlusstaten bezeichnet. 340  Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (260). 341  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 1.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs297

Kindesmissbrauchs im Nachhinein nicht möglich ist342 und insbesondere auch nicht über die §§ 26, 27 StGB erfasst werden kann.343 Neben dem Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte dient § 184b StGB auch der Verhinderung von etablierten Marktstrukturen, deren Existenz den zukünftigen sexuellen Missbrauch anderer Kinder anregt.344 Statt demjenigen, der sich den Besitz kinderpornografischer Schriften verschafft, den dokumentierten und damit bereits abgeschlossenen Kindesmissbrauchs zuzurechnen, wird versucht, über das Marktargument dem Marktteilnehmer eine mittelbare Verantwortung an möglichen zukünftigen Missbräuchen zuzuschreiben.345 Die Marktteilnahme schaffe einen Anreiz für die Herstellung neuer kinderpornografischer Aufnahmen, so dass der Strafgrund insofern nach vereinzelter Ansicht mit dem der Hehlerei vergleichbar sei.346 Eine solche Verantwortlichkeit des Marktteilnehmers will Gropp347 unproblematisch nur bei einem kleinen, überschaubaren Abnehmerkreis aner342  Vgl. Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 (754); Duttge / Hörnle / Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1070), die den Versuch, den bereits begangenen Kindesmissbrauch dem Konsumenten anzulasten, als einen „Denkfehler“ bezeichnen; Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (636); Schroeder, ZRP 1990, 299 (300). 343  Vgl. zur Kausalitätsproblematik allgemein: Hörnle, Schroeder-FS 2006, S. 477 (491); für § 184 Abs. 3 StGB a. F. / § 184b Abs. 4 StGB: Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 (754); Duttge / Hörnle / Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1070); Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (636); Schroeder, ZRP 1990, 299 (300); siehe auch Jäger, Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (232), nach dem „leichthändig die neuartige Rechtsfigur einer Art rückwirkender Anstiftung konstruiert [werde].“ 344  Hörnle, Verhalten, S. 423. 345  So z. B. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 5; BT-Drucks. 12 / 4883, S. 8, wonach „eine mittelbare Verantwortlichkeit des Verbrauchers für die Existenz des Videomarktes für Kinderpornographie und den mit der Befriedigung des Marktes verbundenen Kindesmißbrauch“ festzustellen ist; Duttge / Hörnle / Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1070); Fischer, § 184b StGB Rn. 2; M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1; König, Kinderpornografie, Rn. 109; Palm, Kinderpornographie, S. 128; Perron / Eisele, in: Sch / Sch, § 184b StGB Rn. 1, 9; Schreibauer, Pornographieverbot, S. 75; Schroeder, ZRP 1990, 299 (300); kritisch hinsichtlich der mittelbaren Verantwortlichkeit z. B. Jäger, Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (233); Popp, ZIS 2011, 193 (200). 346  Vgl. Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 (753); Schroeder, ZRP 1990, 299 (300); ders., NJW 1993, 2581 (2582); ders., JZ 1999, 827 (831); siehe auch Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 23 Rd. 23, die von einer „hehlereiähnliche mittelbare Förderung des Kindesmissbrauchs“ ausgehen; kritisch aber z. B. Jäger, Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (233), der zutreffend darauf hinweist, „daß der Strafgrund der Hehlerei in der Aufrechterhaltung einer durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage besteht.“ Eine entsprechende Situation stellt sich beim bereits beendeten – und ja auch nicht zwangsläufig vorausgesetzten – Kindesmissbrauch jedoch nicht. 347  Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (259 f.); so auch Schroeder, ZRP 1990, 229 (300); ders., NJW 1993, 2581 (2582); ders., JZ 1999, 827 (831).

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kennen, in welchem die jeweiligen kinderpornografischen Darstellungen nachfrageabhängig produziert würden. Auf einen weltweiten Markt im Internet ließe sich dieser Ansatz demgegenüber nur dann übertragen, wenn der „Verbraucher“ aktiv am Markt teilnehme.348 Entgegen Gropp definiert sich ein Markt dabei jedoch nicht allein durch seine Entgeltlichkeit,349 sondern als das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, das die Prozesse der Herstellung, Verbreitung und Verschaffung in Gang hält.350 Eine Marktteilnahme ist daher auch im überwiegend kostenlosen Internet möglich, auch wenn dort der Konsument nur „still und heimlich Webseiten absucht und dabei – bildlich gesprochen – einfach (…) mitnimmt, was dort sowieso herumliegt“351. Unabhängig davon, ob diese Teilnahme zur Produktion neuen Materials motiviert oder lediglich das Interesse am Markt aufrecht gehalten wird,352 ist jedoch ebenfalls eine aktive Teilnahme am Markt erforderlich.353 Eine solche aktive Marktteilnahme kann in den Fällen des § 184b Abs. 2 und 4 Satz 1 StGB grundsätzlich angenommen werden, da die Tathandlungen des Verschaffens selbst dann eine Marktinteraktion darstellt, wenn diese tatsächlich nur in einem kleinen Personenkreis stattfindet. Problematisch gestaltet sich hingegen die Legitimität der bloßen Besitzstrafbarkeit aus § 184b 348  Vgl. Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (260); ähnlich Popp, ZIS 2011, 193 (200). Siehe aber auch den Hinweis Schroeders, ZRP 1990, 299 (300), wonach „die ‚Ursächlichkeit‘ des einzelnen Erwerbers [schon bei einer Auflage von tausend Stück] auf ein Tausendstel [schrumpft]“. Doch auch bei „von vornherein (…) [geringer] Marktrelevanz des betreffenden Einzelverhaltens“ (M. Heinrich, NStZ 2005, 361 [363]) kann sich auch der Einzelne der Verantwortung nicht entziehen (so z. B. Hörnle, Verhalten, S. 424, die von einen „geringen ‚Verantwortungsanteil‘ “ spricht). 349  Siehe zur Entgeltlichkeit auch den Blogeintrag des Strafverteidigers Vetter (http: /  / goo.gl / 4WSQIi, law blog vom 30.09.2012, 12.04.2014), wonach „keiner, ich wiederhole, keiner der in den letzten anderthalb Jahren dazu gekommenen Mandanten (…) auch nur einen Cent für das Material bezahlt [hat].“ 350  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1. 351  M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (364); siehe auch Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (640). 352  Vgl. M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (364), der auch bei kostenlosen Angeboten ein Marktinteresse über Zugriffs- und Klickzahlen der jeweiligen Internetseiten für feststellbar hält. Zustimmend auch Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (257); siehe aber auch Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (640), der dies für „höchst zweifelhaft“ hält. 353  So auch Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (261); M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (364); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 37; Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (639). Siehe zur Kritik am Marktargument Eckstein, Besitz, S. 258 ff.; Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (641), der das Marktargument als reines Lippenbekenntnis abstempelt, da sich die Marktaustrocknung auch ohne Weiteres bereits durch eine Sättigung desselben mit den bereits bestehenden kinderpornografischen Schriften erreichen ließe, so dass der Anreiz für die Herstellung weiterer Schriften entfiele.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs299

Abs. 4 Satz 2 StGB,354 da dem Besitzer „nun gerade keine, selbst noch so geringe Marktbeteiligung durch eine Verschaffenshandlung vorgeworfen werden [kann]“355. Aus diesem Grund müsste auch derjenige, der seine Sammlung kinderpornografischer DVDs lediglich geerbt hat, mangels aktiver Teilnahme am Markt eigentlich straffrei sein.356 Die fehlende Marktteilnahme kann dabei jedoch nicht mit der lediglich unvorsätzlichen Besitzverschaffung gleichgesetzt werden,357 wie es zum Beispiel in den beschriebenen Fällen des Drive-by-Downloads oder der Anzeige über Werbebanner oder Vorschauseiten der Fall ist.358 Auch in diesen Fällen lässt sich für den Anbieter über Klick- und Aufrufzahlen die Breitenwirkung des Angebots messen, so dass dieser dementsprechend marktbezogen tätig werden kann.359 Dennoch lassen sich die noch für die Verschaffungstatbestände – größtenteils – anerkannten Argumente mangels Marktteilnahme nicht ohne weiteres auf den bloßen Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB übertragen; dem bloßen Besitzer kann nicht einmal mittelbar der zu befürchtende neue Kindesmissbrauch zum Zwecke der Marktbedienung zugerechnet werden. Es stellt sich somit die Frage nach der Rechtfertigung der bloßen Besitzstrafbarkeit, die Jäger als „Schulbeispiel (…) für irrationale Kriminalpolitik“360 bezeichnet.361 Denn trotz des „Schauder[s] sittlicher Empörung, der dem durchschnittlichen Nicht-Pädophilen beim Thema Kinderpornografie über den Rücken läuft“362 und des „durchaus begrüßenswert[en]“363 Ziels, ein möglichst um354  Vgl. Palm, Kinderpornographie, S. 128; kritisch auch Duttge / Hörnle / Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1070); Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 2; Lagodny, Schranken, S. 318 ff., 335. 355  Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (639); siehe auch Popp, ZIS 2011, 193 (203), nach dem allein durch den Besitz eines Produktes noch kein Verhalten auf Produzentenseite gefördert werde. 356  Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (261); so auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (22); siehe dazu auch das „digitale“ Beispiel von Palm, Kinderpornographie, S. 128. 357  So aber Eckstein, NStZ 2011, 18 (22), der eine Bestrafung des unvorsätzlich Nachfragenden für unverhältnismäßig erachtet. 358  Siehe ausführlich oben unter D. I. 2. c). 359  So i. E. z. B. auch M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (364); a. A. Eckstein, NStZ 2011, 18 (22); Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (640), dem es „höchst zweifelhaft“ erscheint, dass diese Signale ausreichen, um „dem Markt für Kinderpornographie anzuheizen“. 360  Jäger, Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (233); siehe zur Kritik an dieser Aussage Schreibauer, Pornographieverbot, S. 301 ff. 361  Generell kritisch zu der Rechtsfigur der Besitzdelikte Lagodny, Schranken, S. 318 ff., der diese im Ergebnis für verfassungswidrig hält (335); siehe dazu bereits oben unter B. IV. 2. b) bb). 362  M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362). 363  Palm, Kinderpornographie, S. 127.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

fassendes Verbot kinderpornografischen Materials zu erreichen, „kann auf eine kriminalpolitisch sorgfältige Sacherörterung nicht verzichtet und eine rationale Begründung durch Abscheu nicht ersetzt werden“364. Vielmehr gilt es insbesondere auf einem „so hochtabuisierten und emotionalisierten Gebiet“365 das Hauptaugenmerk auf den Schutzzweck der Norm und damit auf das durch § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB zu schützende Rechtsgut zu legen.366 Nach M. Heinrich ist bei der Frage nach dem Rechtsgut nach einem Drei-Stufen-Schema vorzugehen und zu fragen, „was und wer (…) wovor geschützt werden [solle]“367. Unstreitig nicht erfasst wird dabei der kindliche Darsteller der bereits produzierten kinderpornografischen Schrift, da dessen Missbrauch dem Besitzer nicht zugerechnet werden kann.368 Im Falle des bloßen Besitzes ist jedoch mangels aktiver Marktteilnahme des Konsumenten auch eine mittelbare Verantwortlichkeit für zukünftige Kindesmissbräuche nicht ohne weiteres feststellbar. Die Annahme, der bloße Besitz kinderpornografischer Schriften könnte Begehrlichkeiten und damit eine zukünftige Marktteilnahme hervorrufen, stellt ebenso eine unzulässige Vorverlagerung der Strafbarkeit dar wie die Annahme, die mit dem Besitz verbundene „Möglichkeit problemloser Vervielfältigung und Verbreitung“369 stelle ihrerseits bereits eine Rechtsgutsverletzung dar.370 Ebenfalls nicht empirisch belegt ist die Annahme, der Konsum würde zu sexuellen Missbräuchen motivieren.371 Stattdessen bleiben als mögliche betroffene Rechtsgüter nur die Menschenwürde und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Darsteller sowie der Schutz des Konsumenten vor negativen Auswirkungen auf die seelische 364  Jäger,

Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (232). Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (232). 366  Siehe zur Funktion des Strafrechts bestimmte Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit zu schützen, bereits oben unter B. IV. 2. 367  M. Heinrich, Roxin-FS 2011, S. 131 (148); vgl. auch Roxin, GA 2013, 433 (440), der auch auf dieses Schema zurückgreift. 368  Siehe oben B. IV. 1. a) bb). 369  BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6. 370  Siehe dazu die berechtigte Kritik bei Eckstein, Besitz, S. 77 f.; ders., ZStW 117 (2005), 107 (139); Schroeder, NJW 1993, 2851 (2852). 371  So aber BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; VGH Mannheim, NJW 2008, 3082 (3084); Amelung / Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 265 (270); Eckstein, NStZ 2011, 18 (22); König, Kinderpornografie, Rn. 104 ff.; berechtigte Kritik daher z. B. bei M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362), Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1; dies., Verhalten. S. 428; Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (636). So hat z. B. die Studie von Endrass et al. ergeben, dass bei einer Vergleichsgruppe von 231 Personen, die wegen des Besitzes von kinderpornografischen Schriften verurteilt worden waren, lediglich 1 % in den folgenden sechs Jahren ein Sexualdelikt begingen und ebenfalls nur 1 % im Vorfeld eine solche Tat begangen hatten (Endrass et al., BMC Psychatry 2009, 43 ff.). 365  Jäger,



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs301

Entwicklung und soziale Orientierung372. Ergänzend kommen bei reinen Besitzdelikten grundsätzlich auch Beweiserleichterungen in den Fällen in Betracht, in welchen ein Verschaffen nicht oder nicht mehr nachweisbar ist.373 Bei der Beweiserleichterung handelt es sich jedoch nur um ein „bloße[s] Hilfsziel(…) mit präventivem Schutzreflex“374, ohne dass dies einen isolierten Strafzweck begründen kann.375 Infolgedessen muss neben die Beweiserleichterung zumindest ein weiterer Schutzzweck treten. In Betracht kommt für § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB allein die drohende Würdeund Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den fortdauernden Besitz, welche „auch schon im bloßen Betrachten derartiger Aufnahmen“ festzustellen ist.376 Das Besitzverbot kann daher auch der Verhinderung der „Fortexistenz der in einem Medium dauerhaft verkörperten Menschenwürdeverletzung [dienen]“377. Als problematisch gestaltet sich in diesem Zusammenhang jedoch der Wandel, den der Wortlaut der Norm in den letzten Jahren durchlaufen hat. So werden mit der Aufnahme der auch „wirklichkeitsnahen“ Darstellung in § 184b Abs. 2 und 4 StGB378 auch solche kinderpornografische Darstellungen von den Besitzdelikten erfasst, die keinen tatsächlichen Kindesmissbrauch mehr zum Gegenstand haben.379 Spätestens mit der Streichung der Bezugnahme auf einen tatsächlichen Kindesmissbrauch i. S. d. 372  Vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; zustimmend Eckstein, Besitz, S. 72  f., wonach dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zukommt, welche Fälle er strafrechtlich erfassen will, so dass die fehlende Besitzstrafbarkeit gewaltpornografischer Schriften in § 184a StGB nicht gegen ein solches Rechtsgutsverständnis spräche. 373  Dies als Strafzweck des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB anerkennend z. B. Palm, Kinderpornographie, S. 128 f.; siehe zur Funktion der Besitzdelikte ausführlich bereits oben unter B. IV. 2. a). 374  Eckstein, Besitz, S. 79. 375  So auch Gropp, Otto-FS 2007, S. 249 (259); siehe oben unter B. IV. 2. a) cc). 376  Vgl. Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 4; dies., Verhalten, S.  426 f.; dies., Schroeder-FS 2006, S. 477 (495); Sieber, JZ 2009, 653 (655); Popp, ZIS 2011, 193 (202 f.). 377  Hörnle, Verhalten, S. 131. 378  Vgl. BGBl. I 1997, S. 1870 zu § 184 Abs. 5 StGB a. F.: Aufgrund der Entwicklung der Computertechnik sei es nicht immer leicht zu beurteilen, ob ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben werde (so die Begründung zum IuKDG, BTDrucks. 13 / 7385, S. 60). 379  Vgl. auch Böse, Schroeder-FS 2006, S. 751 (754) m. w. N. Darüber hinaus trifft das Würdeargument dort auf seine Grenzen, wo der kindliche Darsteller bereits verstorben ist. Da es sich nach Vetter (http: /  / goo.gl / 4WSQIi, law blog vom 30.09.2012, 12.04.2014) bei einem Großteil des im Umlauf befindlichen kinderpornografischen Materials um bereits Jahrzehnte alte Bilder und Videos handelt, ist dies nicht einmal unwahrscheinlich. In diesen Fällen bliebe nur ein Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht der Darsteller.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

§§ 176 ff. StGB aus dem Tatbestand des § 184b StGB380 und der Aufnahme „sexueller Handlungen (…) vor Kindern“381 fällt es schwer, die Besitzstrafbarkeit mit Darstellerschutz bzw. Würdeverlust der Darsteller zu rechtfertigen.382 Die Beweiserleichterung, der die Aufnahme der auch „wirklichkeitsnahen Darstellungen“ dienen sollte,383 wird im Rahmen der Rechtsgutsfrage mithin konterkariert. Eine Beeinträchtigung der Würde des kindlichen Darstellers droht schließlich nur bei der Darstellung wirklichen Geschehens,384 was eine Feststellung eines tatsächlichen Missbrauchs schlussendlich doch erforderlich macht. Geschützes Rechtsgut des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB ist im Ergebnis allein die Würde des kindlichen Darstellers. Diese ist durch die Weiterexistenz der perpetuierten Dokumentation des abgeschlossenen Missbrauchs beeinträchtigt,385 da jeder erneute Konsum eine weitere Verletzung der Menschenwürde des kindlichen Darstellers darstellt.386 Ist das Vorliegen eines wirklichen Geschehenes dabei nicht feststellbar, muss mangels Rechtsgutseingriffs eine Strafbarkeit ausscheiden. Andere in Betracht kommende Erwägungen, wie eine drohende Motivation zu eigenem Kindesmissbrauch oder eine drohende Fehlentwicklung, sind empirisch nicht belegt und stellen lediglich Vermutungen dar. Demgegenüber dienen die Besitzverschaffungstatbestände in § 184b Abs. 2 und 4 Satz 1 StGB in erster Linie dem mittelbaren Schutz unbestimmter Kinder vor möglichem Missbrauch zum Zwecke der Bedienung des Marktes mit neuem Material. Eine Würdeverletzung ist in diesen Fällen ebenso gegeben wie beim bloßen Besitz. b) Digitaler Besitz im Lichte des Rechtsgüterschutzes Diesen Schutz vermag aber auch der digitale Besitz durch Datenherrschaft zu gewährleisten. Durch die Erweiterung des Besitzbegriffs über die tatsächliche Sachherrschaft hin zu einem auch die tatsächliche Datenherrschaft umfassenden Besitzbegriff wird dabei nicht nur der gleiche Schutz gewährt und damit der Sinn und Zweck der Norm erfüllt, der Schutzbereich 380  Vgl. Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184b StGB Rn. 1; durch die Aufhebung der Koppelung des § 184b StGB an die §§ 176 ff. StGB werden Posing-Darstellungen wieder von § 184b StGB erfasst (Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 9). 381  BGBl. I 2008, S. 2149, Art. 1 Nr. 10. 382  Siehe auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (22); Popp, ZIS 2011, 193 (200, 203). 383  Vgl. BT-Drucks. 13 / 7385, S. 60; Popp, jurisPR-ITR 25 / 2013, Anm. 2. 384  Aus diesem Grund entschied sich der Gesetzgeber 1992 noch gegen die Streichung des Passus „wenn die Schriften ein tatsächliches Geschehen wiedergeben“ (vgl. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 10). 385  Vgl. nur Palm, Kinderpornographie, S. 129. 386  Vgl. nur Hörnle, Verhalten, S. 131 ff., 430.



I. Auslegung des bestehenden Besitzbegriffs303

wird vielmehr auch auf Fälle erweitert, die von dem bestehenden Begriffsverständnis nicht erfasst werden. So muss eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB nach bestehendem Verständnis in den Fällen ausscheiden, in welchen der Täter sich zwar bewusst kinderpornografische Darstellungen im Internet ansieht, ohne dabei allerdings die technischen Abläufe im Hintergrund zu erfassen. Mangels Besitzwillens und Vorsatzes hinsichtlich der stattfindenden Verkörperung auf seiner Seite durch Arbeits- oder Cachespeicherung entsteht schon kein „klassisches“ Besitzverhältnis.387 Zu diesem Ergebnis hätte auch das OLG Hamburg in dem oben besprochenen Fall kommen müssen.388 Ebenfalls als nach bestehendem Verständnis nicht strafbar i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB werden die Fälle angesehen, in welchen der Täter zwar um die Zwischenspeicherung weiß, die Darstellungen aber beispielsweise in einem Internetcafé konsumiert. In diesem Fall ist zwar die subjektive Tatseite gegeben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis an den Datenspeichern der zur Verfügung gestellten Computer des Internetcafés besteht jedoch nicht.389 Gleiches muss daher auch dann gelten, wenn der Täter sich die kinderpornografischen Darstellungen über eine Terminalverbindung zu einem entfernten Hostcomputer ansieht, der nicht in seinem Besitz steht. Auch in diesem Fall befinden sich die verkörperten Daten nicht in seiner tatsächlichen Sachherrschaft.390 Unabhängig von der streitigen Frage nach der tatsächlichen Sachherrschaft über den Computer übt der Computernutzer in den beschriebenen Fällen jedoch – zum Teil zusätzlich – die tatsächliche Datenherrschaft über die aufgerufenen Daten aus. Es liegt – spiegelbildlich wie bei der tatsächlichen Sachherrschaft – allein in seiner Macht, ob er die Darstellung beendet, speichert, weiterleitet oder sonst auf diese unter Ausschluss anderer einwirkt. Jedes Mal greift der Besitzer mit seinem Verhalten dabei in die Rechte der kindlichen Darsteller ein, ohne dass dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vom klassischen Besitzbegriff erfasst würde. Um diese Rechtsgutsverletzung strafrechtlich zu erfassen und auch im Hinblick auf moderne Kommunikationsmittel einen wirksamen Schutz zu gewährleisten, ist die Erweiterung des Besitzbegriffs im Rahmen des § 184b StGB 387  Siehe hinsichtlich des Besitzwillens und Vorsatzes ausführlich oben unter D.  I. 2. b) und D. II. 388  Siehe zur Kritik oben unter A. II. 389  Ebenso besitzt – rechtlich – auch der Restaurantgast seinen Stuhl nicht. Vgl. dazu nur Fritzsche, in: Beck’scher OK, § 854 BGB Rn. 23 m. w. N. 390  Dies gilt jedoch nur in den Fällen, in welchen der Nutzer nicht auch zusätzlich noch Zugriffsmöglichkeiten auf das Clientsystem hat, da auch eine Terminalverbindung eine Arbeitsspeicherung zumindest der Darstellung des entfernten Systems und damit auch ein Bild des Bildes zur Folge hat.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

unverzichtbar. Neben der wiederholten Würdeverletzung durch jeden einzelnen Aufruf391, ist auch die individuelle Teilnahme am Markt analysierbar, weswegen insbesondere im Internet dynamisch auf das jeweilige Nachfrageverhalten reagiert werden kann. Dienen das Besitzverschaffungsverbot aus § 184b Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 StGB und das Besitzverbot in § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB neben dem Schutz der kindlichen Darsteller vor zukünftigen Missbräuchen dem Schutz der Menschenwürde und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der Austrocknung des gesamten Kinderpornografiemarktes, so wird dieser Schutzzweck über einen digitalen Besitzbegriff nicht nur gestützt, sondern auch erweitert. Mithin sprechen auch der Sinn und Zweck der Norm, wie schon der Wortlaut und die Systematik, für ein um einen durch tatsächliche Datenherrschaft erweitertes Besitzbegriffsverständnis. Eine Erweiterung des bestehenden Besitzverständnisses um den digitalen Besitz in § 184b StGB fördert mithin die gesetzgeberische Intention, den Markt für kinderpornografische Produkte auszutrocknen und durch ein umfassendes Umgangsverbot den Schutz von auch möglichen zukünftigen Darstellern zu intensivieren. Sprechen damit aber Sinn und Zweck der Besitz(-verschaffungs)verbote für ein auch den digitalen Besitz umfassendes Begriffsverständnis,392 so verstößt die vorliegende Auslegung auch nicht aufgrund abweichender gesetzgeberischer Intention gegen Art. 103 Abs. 2 GG; sie fördert diese vielmehr.393 Entgegen Eckstein394 zwingt darüber hinaus das mit der Anerkennung eines digitalen Besitzes verbundene mögliche Auseinanderfallen mit dem Sachbesitz zu keinen anderen Ergebnissen. So kommt es beispielsweise in dem bereits erwähnten Fall der Nutzung eines Computers in einem Internetcafé zwar tatsächlich zu einem Auseinanderfallen der Herrschaftsbeziehungen von Datenherrschaft und Sachherrschaft. Der Nutzer des Computers erlangt aufgrund seiner Möglichkeiten, mit den aufgerufenen kinderpornografischen Darstellungen nach Belieben zu verfahren, die tatsächliche Datenherrschaft an diesen.395 Speichert der Cafébenutzer die geöffneten Darstellungen daraufhin beispielsweise auf einen eigenen USB-Speicherstick, so verschafft er sich durch diese Speicherung zusätzlich „klassischen“ Besitz an einem Datenspeicher kinderpornografischen Inhalts i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB. Gleichzeitig hält jedoch der Cafébetreiber die tatsächliche Sachherrschaft an an dieser Stelle nur Hörnle, Verhalten, S. 131, 426 ff., 430. oben unter E. I. 4. a). 393  So für den internetspezifischen Verbreitungsbegriff grundsätzlich auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (123), der eine Auslegungsgrenze jedoch in dem – vermeintlichen – Körperlichkeitserfordernis aus § 11 Abs. 3 StGB sieht. 394  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (124). 395  Siehe oben unter E. II. 1. 391  Siehe 392  Siehe



II. Abwägung der Auslegungsergebnisse305

der die zwischengespeicherten Daten beinhaltenden Festplatte inne,396 ohne dass dies der durch den Bestimmtheitsgrundsatz geforderten eindeutigen Zuordnung von Tatobjekten entgegenstünde. Vielmehr besteht eine eindeutige Zuordnung auch im Falle des doppelten Besitzes,397 da jede Personen-Tat­ objekt-Beziehung individuell zugeordnet werden kann. Eine „normative Vergeistigungstendenz (…)“398, die Eckstein wie bei den §§ 855, 857, 868 BGB auch für den doppelten Besitz annimmt, ist hingegen gerade nicht gegeben. Stattdessen besteht in beiden Fällen ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis, welches anders als bei der Besitzdienerschaft oder beim Erbenbesitz nicht fingiert werden muss. Daneben kennt auch das Strafrecht beispielsweise mit der Rechtsfigur des Mitbesitzes, welcher sich ebenfalls durch die Herrschaftsbeziehungen der einzelnen Mitbesitzer definiert, Konstruktionen, die über die einfache Personen-Sach-Beziehung hinausgehen.

II. Abwägung der Auslegungsergebnisse Im Anschluss an jede Auslegung stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der einzelnen Auslegungsmethoden zueinander, dem „Kardinalproblem der juristischen Methodenlehre“399. Einigkeit besteht dabei insoweit, dass eine Auslegung nie durch einzelne Methoden allein, sondern nur durch eine Gesamtschau aller erreicht werden kann und darf.400 Mit Blick auf die Feststellung, dass „alle Auslegung (…) beim Worte an[fängt]“401, bietet der Wortlaut einer Norm nicht nur den ersten Anhaltspunkt, er stellt gleichsam auch den maximal zulässigen Rahmen einer Auslegung dar.402 Dennoch 396  Dabei steht der Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Cafébetreiber auch nicht entgegen, dass der Computer von einem Kunden bedient wird. Da der Cafébetreiber die Computer anderen zur Nutzung überlässt, muss er auch damit rechnen, dass diese Daten aufrufen und herunterladen, die möglicherweise verbotene Inhalte beinhalten. Die zeitlich begrenzte Nutzung der Computer in den Geschäftsräumen des Cafébetreibers bei dessen gleichzeitiger Anwesenheit stellt aufgrund dieser Umstände auch keine Sachherrschaft des Nutzers dar. Zusammen mit dem generellen Beherrschungswillen des Betreibers über seine Computer und die darauf gespeicherten Daten ist die Sachherrschaft vielmehr dem Betreiber zuzusprechen. 397  Ablehnend aber Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (124). 398  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (124). 399  Buchwald, ASRP 1993, 16 (26). 400  Vgl. Demko, Relativität, S. 161; Larenz, Methodenlehre, S. 343; Wank, Auslegung, S. 60 f., 85. 401  BGHSt 3, 259 (262). 402  Vgl. z. B. Demko, Relativität, S. 117; Heinrich, AT, Rn. 143; Larenz, Methodenlehre, S. 320; Rengier, AT, § 5 Rn. 5; Schwacke, Methodik, S. 89; Simon, Gesetzesauslegung, S. 100; Wessels / Beulke / Satzger, AT, R. 57; Zippelius, Methodenlehre, S. 50.

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vermag die „übliche Vergötterung des Buchstabens“403 allein noch keine verbindliche Aussage zu treffen. Die Ausführungen zur Relativität der Rechtsbegriffe haben vielmehr gezeigt, wie wichtig im Rahmen einer Auslegung eine Bezugnahme auf den Verwendungszusammenhang und auf das mit der Regelung verfolgte Ziel ist.404 Neben dem Wortlaut sind bei der Auslegung daher grundsätzlich auch die systematische Stellung und der historische Hintergrund der Norm einzubeziehen.405 Das „eigentliche Schwergewicht der Auslegung“406 liegt jedoch auf dem vierten Auslegungskriterium, nämlich dem Sinn und Zweck des Gesetzes.407 Denn nur aus dem Schutzzweck einer Norm heraus lässt sich am sachgerechtesten ableiten, „welchen Inhalt diese Norm und welche Bedeutung ihre einzelnen Rechtsausdrücke haben müssen, um diese, ihre Rechtsschutzaufgabe auch erfüllen zu können.“408 Die Frage nach dem Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander bietet in den Fällen jedoch keine Schwierigkeiten, „wenn alle vier Auslegungskriterien in dieselbe Richtung weisen.“409 1. Besitz als tatsächliche Datenherrschaft Vorliegend galt es den Begriff des „Besitzes“ in § 184b StGB auszulegen und der Frage nachzugehen, ob der Begriff auch einen digitalen Besitz erfasst. Unter dem digitalen Besitz soll dabei die unkörperliche tatsächliche Datenherrschaft verstanden werden, die wie die tatsächliche Sachherrschaft von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen ist. Bereits der Wortlaut der Norm, also der Begriff „Besitz“ stützt dabei eine solche Auslegung. Der Begriff erfasst sowohl in der Alltags- als auch in der Rechtssprache körperliche und unkörperliche Gegenstände und ist als Ausdruck eines Beherrschungsverhältnisses einer Person gegenüber einem Gegenstand zu verstehen. Handelt es sich bei diesem um einen körperlichen Gegenstand, entspricht der Besitz der tatsächlichen Sachherrschaft, ist Anknüpfungspunkt stattdessen ein digitaler Gegenstand, so ist Besitz i. S. d. § 184b StGB als Innehabung der tatsächlichen Datenherrschaft zu verstehen. Die tatsächliche 403  Binding,

Lehrbuch I, S. 384. ausführlich oben unter B. III. 1. c). 405  So auch Demko, Relativität, S. 166. 406  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 57. 407  Vgl. BVerfGE 1, 299 (312); BVerfGE 11, 126 (130); BGHSt 15, 118 (121); BGHSt 17, 21 (23); BGHSt 24 (40); BGHSt 26, 156 (159); BGHSt 30, 98 (101); Demko, Relativität, S. 163 f.; Heinrich, AT, Rn. 147; Jescheck / Weigend, AT, § 17 IV 1 b); Larenz, Methodenlehre, S. 332 ff., 343; Wank, Auslegung, § 9; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 57; Zippelius, Methodenlehre, S. 51. 408  Demko, Relativität, S. 166 f. 409  Wank, Auslegung, § 9. 404  Siehe



II. Abwägung der Auslegungsergebnisse307

Datenherrschaft definiert sich ebenfalls, wie auch die tatsächliche Sachherrschaft, durch die Möglichkeit unter Ausschluss anderer über den besessenen Gegenstand zu verfügen. Nach Hörnle410 ist dies bei Darstellungen im Internet jedoch nicht möglich. Mangels „exklusiven Zugang[s] zu Internetseiten“ könne hinsichtlich der aufgerufenen Darstellungen nicht von einer „vollen Verfügungsgewalt“ der Internetnutzer gesprochen werden. Insbesondere hinge auch die Möglichkeit, die Darstellung nach Belieben zu betrachten, davon ab, dass der Anbieter diese nicht entfernt.411 Eine einen Besitz konstituierende Verfügungsgewalt ist bei im Internet aufgerufenen Darstellungen nach Hörnle412 damit nicht gegeben. Da den Anknüpfungspunkt für den digitalen Besitz grundsätzlich eine lokale Datenkopie, also ein neues Exemplar, darstellt,413 ist der Besitz von dem Fortbestand der Original- bzw. Ursprungsdatei jedoch unabhängig. Insbesondere hat auch der Anbieter nach dem Datentransfer keine Möglichkeit, auf die lokale Kopie des Abrufenden einzuwirken.414 Entgegen der vorgebrachten Kritik415 ist eine Verfügungsmöglichkeit unter dem Ausschluss anderer somit auch dann möglich, wenn die Ursprungsdatei entfernt wird.416 Wie lange die lokale Version geöffnet bleibt, ob sie noch gesondert gespeichert, ausgedruckt oder geschlossen wird, liegt allein in der Macht des Nutzers.417 Mithin eröffnet auch der digitale Besitz die Möglichkeit, unter dem Ausschluss anderer mit dem Besitzgegenstand, in diesem Fall der eigenen Darstellungskopie, nach Belieben zu verfahren. Für dieses Ergebnis spricht auch der Schutzzweck des §§ 184 ff. StGB. So ist beispielsweise ein Zugänglichmachen i. S. d. § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch dann möglich, wenn eine pornografische Darstellung, die ausschließlich im Arbeitsspeicher zwischengespeichert ist, einem Minderjährigen gezeigt wird.418 Ob die Originaldatei auch weiterhin noch im Internet abgerufen werden kann, ist dagegen unerheblich. 410  Hörnle,

NStZ 2010, 704 (705). Hörnle, NStZ 2010, 704 (705). 412  Hörnle, NStZ 2010, 704 (705). 413  Siehe oben unter D. I. 1. 414  Vgl. auch OLG Hamburg, NJW 2010, 1893 (1896); Eckstein, NStZ 2011, 18 (20); Fuchs, jurisPR-ITR 19 / 2010, Anm. 6. 415  So z. B. Hörnle, NStZ 2010, 704 (705); Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (629). 416  So i. E. auch Fuchs, jurisPR-ITR 19 / 2010, Anm. 6. 417  Siehe ausführlich bereits oben unter D. I. 2. b) aa). 418  Vgl. nur Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 278; siehe ansonsten oben unter C.  II. 4. c). 411  Vgl.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Auch die systematische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Durch die Aufnahme eines auch digitalen Besitzes in § 184b StGB werden auch die digitalen kinderpornografischen Schriften von der Norm erfasst, die bei herkömmlichen Begriffsverständnis lediglich unter die Tathandlungen des Abs. 1 fallen. Für einen Besitz durch Datenherrschaft spricht daher zum einen die innere Systematik des § 184b StGB, der neben dem digitalen Zugänglichmachen auch das digitale Verbreiten erfasst. Zum anderen lässt sich weder aus der Norm selbst noch aus dem Vergleich mit anderen Besitzdelikten ein für § 184b StGB zwingendes Körperlichkeitserfordernis herleiten, welches gegen einen digitalen Besitz sprechen könnte. Vielmehr ermöglicht die begriffliche Erweiterung des Besitzbegriffs einen umfassenden Rechtsgüterschutz, der auch tathandlungsübergreifend innerhalb der gesamten Norm gewährt wird. 2. Zwischenergebnis Mithin kommt die vorangegangene Auslegung zu dem Ergebnis, dass der Besitzbegriff im Rahmen des § 184b StGB auch den digitalen Besitz durch Datenherrschaft umfasst. Da dieses Ergebnis von allen Auslegungsmethoden gestützt wird, ist eine Abwägung zwischen diesen nicht erforderlich.

III. Die Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB als Tatobjekt Problematisch gestaltet sich vielmehr die Bezugnahme des § 184b StGB auf den Schriftenbegriff aus § 11 Abs. 3 StGB. Denn auch bei Anerkennung eines digitalen Besitzes durch Datenherrschaft könnte das Tatobjekt „kinderpornografische Schriften“ zusammen mit dem Verweis des § 184b StGB auf § 11 Abs. 3 StGB gegen eine Strafbarkeit beim bloßen Betrachten entsprechender Darstellungen im Internet sprechen. Hat der Täter von der tatsächlich stattfindenden Zwischenspeicherung auf einem körperlichen Datenspeicher keine Kenntnis oder ist ihm diese nicht nachweisbar, handelt er mangels Wissen um die Zwischenspeicherung auch dann ohne Vorsatz, wenn er die entsprechenden Darstellungen bewusst und willentlich aufgerufen hat.419 Sein Wissen und Wollen erstreckt sich dabei jedoch allein auf die abgerufenen kinderpornografischen Darstellungen, nicht aber auf das entstehende tatsächliche Herrschaftsverhältnis hinsichtlich des Arbeitsspeichers bzw. der zwischenspeichernden Festplatte. Das Tatobjekt kinderpornografische Schrift in Form des Datenspeichers scheidet in diesen Fällen daher aus. Gleiches gilt aber auch hinsichtlich der aufgerufenen kinderpornografischen Datei. Etwas anderes würde sich nur dann ergeben, wenn auch der di419  Siehe

oben unter D. II.



III. Die Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB als Tatobjekt309

gitale Besitz an der aufgerufenen Datei tatbestandlich sein würde. Ließe sich daher bereits die bloße Datei unter § 11 Abs. 3 StGB fassen, würden sich die Probleme hinsichtlich des bloßen Betrachtens nicht stellen. Der Täter, der eine entsprechende Bild- oder Videodatei im Internet aufruft, würde die tatsächliche Datenherrschaft an dieser erlangen, da er mit der abgerufenen Datei nach Belieben verfahren kann420 und sich dadurch den Besitz an dieser verschaffen. Indes stellt § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB bzw. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB allein die Besitzverschaffung bzw. den Besitz an kinderpornografischen Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB unter Strafe. Nach § 11 Abs. 3 StGB stehen den Schriften neben den Abbildungen, Ton- und Bildträgern und sonstigen Darstellungen dabei lediglich Datenspeicher gleich. Die Datei als solche ist dabei weder in der Gleichstellung enthalten noch lässt sie sich unter den Begriff des Datenspeichers subsumieren.421 1. Tatbestandliche Voraussetzungen Für die hier untersuchten Fälle des digitalen Besitzes stellt stattdessen nicht der Datenspeicher den Anknüpfungspunkt für die Besitzstrafbarkeit dar, sondern die kinderpornografische Abbildung selbst.422 Abbildungen i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB sind dabei optische Wiedergaben der Außenwelt in Fläche und Raum, die durch Auge oder Tastsinn unmittelbar wahrgenommen werden können.423 Als Beispiele werden dabei unter anderem Gemälde, Zeichnungen oder Fotos genannt.424 Richtigerweise stellen daher digital gespeicherte Bilder in Form einer Computerdatei selbst zunächst keine Abbildungen dar, sondern sind zusammen mit dem Speichermedium Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB.425 Werden jedoch diese dort gespeicherten Information zum Zwecke der unmittelbaren Wahrnehmbarkeit unter Zuhilfenahme beispielsweise eines Bildschirms geöffnet und so dem Betrachter tatsächlich wahrnehmbar gemacht, stellt diese Anzeige ihrerseits eine Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB dar.426 Dass ein und dieselbe kinderpornogra420  Siehe

zu den technischen Abläufen oben unter C. III. oben unter C. II. 5. 422  So auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 29. 423  Vgl. nur Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 149 m. w. N.; siehe ansonsten ausführlich oben unter C. II. 2. b). 424  So z. B. Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 76; Fischer, § 11 StGB Rn. 37; Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 149. 425  So z.  B. auch Fischer, § 11 StGB Rn. 37; Gercke, in: Internetstrafrecht, Rn. 280; Rudolphi / Stein, in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 58. 426  So auch schon Altenhain, CR 1997, 485 (495); kritisch dazu Römer, Verbreitungsdelikte, S. 87 f., die mangels stofflicher Verkörperung einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG annimmt; vgl. aber auch Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 16; 421  Siehe

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

fische Darstellung dadurch sowohl einen Datenspeicher als auch eine Abbildung darstellen kann, ist unproblematisch, da die Grenzen zwischen den einzelnen Darstellungsformen fließend sind und diese nicht exklusiv nebeneinander stehen.427 So stellt beispielsweise eine Audio-CD sowohl einen Tonträger als auch einen Datenspeicher i. S. d. Norm dar. Entscheidend für die Einordnung als Abbildung ist vielmehr die unmittelbare Wahrnehmbarkeit. Während bei einer Schrift, einem Bild- oder Tonträger oder einem Datenspeicher der bloße Besitz an diesem schon strafbar ist, ohne dass beispielsweise der Tonträger abgespielt wird, muss die Abbildung auf dem Bildschirm geöffnet sein. Aus diesem Grund stellt ein über das Internet abgerufenes kinderpornografisches Video solange keine Abbildung i. S. d. § 184b StGB dar, solange diese keine tatbestandlichen Darstellungen zeigt. Ruft der Täter daher eine entsprechende Internetseite auf, auf der ein kinderpornografisches Video zum Abspielen angeboten wird und zeigt das Standbild eine nicht kinderpornografische Szene, so liegt auch keine entsprechende Abbildung vor. Erst mit dem Abspielen und dem tatsächlichen Erscheinen der entsprechenden Szenen können daher strafrechtlich relevante Abbildungen i. S. d. § 184b StGB entstehen.428 Aufgrund der sich laufend ändernden Anzeige wird das Bewegtbild den Anforderungen des Dauerhaftigkeitserfordernisses aus § 11 Abs. 3 StGB jedoch nicht gerecht, so dass das Webstreaming, wie im Fall 3a, trotz der Ähnlichkeit zu dem Betrachten entsprechender Bilder auf einem Computerbildschirm nicht unter § 184b Abs. 4 StGB fallen kann. Bei einer Bilddatei bzw. einem Standbild stellt sich dieses Problem nicht, da dieses entweder kinderpornografischen Charakter hat oder nicht. Zusätzlich kommt aber auch in diesen Fällen die „klassische“ Strafbarkeit an den in Arbeits- und Cachespeicher zwischengespeicherten Videodateien in Betracht.429 Aufgrund der körperlichen Einheit mit dem anzeigenden Bildschirm ist es dabei erforderlich, dass die Video- oder Bilddatei auch wirklich sichtbar geöffnet wurde. Öffnet sich daher eine entsprechende Bilddatei im Hintergrund oder mit einer Transparenz von 100 %, so ist dieses nicht unmittelbar wahrnehmbar und stellt mithin auch keine Abbildung i.  S.  d. § 11 a. A. Gercke, in: Internetstrafrecht, Rn. 279; Derksen, NJW 1997, 1878 (1881); Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (117); Hilgendorf / Valerius, Internetstrafrecht, 174; Sieber, JZ 1996, 494 (495). 427  Vgl. z. B. Eser / Hecker, in: Sch / Sch, § 11 StGB Rn. 67; Rudolphi / Stein, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 145. 428  Siehe hinsichtlich der urheberrechtlichen Bewertung solcher Dateifragmente z. B. AG München, MMR 2014, 197 mit Anmerkung Faber, MMR 2014, 198; Solmecke / Bärenfänger, MMR 2011, 567. 429  Siehe oben unter D. I.



III. Die Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB als Tatobjekt311

Abs. 3 StGB dar.430 Demgegenüber hebt in analogen Fällen das bloße Verhüllen eines kinderpornografischen Gemäldes oder das Verbringen eines entsprechenden Fotos in eine Schublade die Abbildungsqualität nicht auf. Anders als ein im Vordergrund geöffnetes Browserfenster, welches die im Hintergrund geöffnete kinderpornografische Darstellung vollständig überdeckt, so dass die Bildschirmanzeige aufgrund ihrer körperlichen Einheit keine kinderpornografische Abbildung i. S. d. § 184b StGB darstellt, bleibt in analogen Fällen eine Trennung der einzelnen Sachen möglich. 2. Dauerhaftigkeit und Körperlichkeitserfordernis Anders als Live-Übertragungen, Webstreamings, Theateraufführungen oder geschriebene Schriftzeichen im Sand erfüllt ein Nicht-Bewegtbild im Internet als Abbildung auch das Kriterium der hinreichenden Dauer­haftig­ keit,431 da die Dauer der Anzeige in der Macht des Benutzers liegt.432 Dass diese Möglichkeit nicht allein der Bildschirm schafft, steht der Auslegung dabei nicht entgegen.433 Gleiches gilt für den im Rahmen der Datenspeicherdiskussion an verschiedenen Stellen vorgebrachten Hinweis, dass die Bildschirmanzeige selbst nicht unter § 11 Abs. 3 StGB fallen könne. Zwar ist dem Argument, dass die Anzeige allein der Wahrnehmbarmachung diene und daher nicht gleichzeitig selbst Datenspeicher sein könne, zuzustimmen.434 Anstatt jedoch auf den Datenspeicher abzustellen, ist Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit nach § 184b StGB die Abbildung i. S. d. §  11 Abs. 3 StGB. Eine solche liegt dann vor, „wenn sich der Inhalt der Darstellung über optische Wahrnehmung erschließen lässt.“435 Diese Möglichkeit des Erschließens einer vermittelten Vorstellung ist für eine Darstellung 430  Die gleichzeitige dabei stattfindende Zwischenspeicherung kann jedoch wiederum strafrechtlich relevant sein. Siehe hierzu ausführlich oben unter D. I. und D. III. 3. 431  Siehe hinsichtlich des Kriteriums der Dauerhaftigkeit oben unter D. I. 2. a). 432  A. A. Lackner / Kühl, § 11 StGB Rn. 28; Walther, NStZ 1990, 523, nachdem die auf dem Bildschirm sichtbar werdenden Zeichen „keine ‚dauerhaften Gegenstände‘ sind“; a. A. auch Sieber, JZ 1997, 494 (495). 433  So aber Eckstein, NStZ 2011, 18 (20), nach dem diese Möglichkeit nicht der Bildschirm, sondern der Arbeitsspeicher eröffne. Stattdessen hängt die Möglichkeit der Beherrschung von dem gesamten Computer ab und kann mangels direkter Zugriffsmöglichkeiten nicht auf einzelne Komponenten reduziert werden. Der Arbeitsspeicher selbst ist lediglich das speichernde Element, nicht aber das digital modifizierende. Diese Aufgabe kommt stattdessen dem gesamten Computer zu. Siehe zu den technischen Abläufen oben unter C. III. 2. 434  Siehe unter anderem oben unter C. II. 2. c) bb) sowie C. II. 4. b). 435  Hörnle, in: MüKo, § 184 StGB Rn. 16.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB konstitutiv.436 Damit kann die Bildschirmanzeige zum einen Mittel zur Wahrnehmbarmachung einer auf einem Datenspeicher gespeicherten Information sein, ohne selbst unter § 11 Abs. 3 StGB zu fallen, zum anderen stellt jedoch eben diese Anzeige eine Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB dar. Hinsichtlich des in diesem Zusammenhang allzu oft unreflektiert hinzuzitierten Körperlichkeitserfordernisses hat die Analyse des § 11 Abs. 3 StGB ergeben, dass § 11 Abs. 3 StGB seinerseits keine zwingende Körperlichkeit der verschiedenen Darstellungsformen erfordert.437 Vielmehr kann die Norm, die isoliert betrachtet lediglich die Gleichstellungen mit dem Schriftenbegriff regelt, grundsätzlich nur im jeweiligen Verweisungszusammenhang ausgelegt werden.438 Verweist aber der digitale Besitz aus § 184b Abs. 4 StGB auf § 11 Abs. 3 StGB, besteht für eine Körperlichkeit des Tat­ objektes keine Notwendigkeit. Tatobjekt des digitalen Besitzes ist entgegen verbreiteter Ansicht damit nicht der Datenspeicher als solcher, der unstreitig einen körperlichen Gegenstand darstellt, sondern die tatsächlich auf dem Bildschirm betrachtete kinderpornografische Darstellung als Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB. Diese beherrscht der Computernutzer und somit auch das mit dieser verbundene Risiko, welches § 184b StGB einzudämmen versucht.

IV. Ergebnis der Auslegung Der Besitz durch Datenherrschaft definiert sich im Ergebnis allein durch das Herrschaftsverhältnis über eine kinderpornografische Darstellung, welche ihrerseits, wie schon der Besitzbegriff, keine Körperlichkeit erfordert. Insbesondere ist der Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit des digitalen Besitzes nicht der Datenspeicher, sondern die tatsächlich aufgerufene und betrachtete Abbildung. Eine Erweiterung der Aufzählung in § 11 Abs. 3 StGB um „Medien“, wie beispielsweise von Sieber439 in seinem Gutachten für den 69. Juristentag gefordert, bedarf es daher nicht. 436  Siehe oben unter C. II. 2. a) aa); vgl. ansonsten RGSt 47, 404 (406 f.), wonach es sich bei einer Darstellung um „denjenigen körperlichen Gegenstand [handelt], der durch die Tätigkeit des Darstellenden (Schreibenden, Zeichners usw.) geschaffen ist, um die Vorstellung, die dieser hat, einem andern durch Erweckung einer möglichst gleichen Vorstellung zu übermitteln.“ 437  Siehe oben unter D. II. 1. a) cc). 438  Siehe ausführlich bereits oben unter C. II. 2. sowie D. II. 1. a) aa); vgl. ansonsten nur Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 141; Rudolphi / Stein, in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 56. 439  Sieber, Gutachten, C 101; siehe auch Detlefsen, Verantwortlichkeit, S. 97, die eine Gesetzesanpassung für erforderlich hält; ebenso auch schon Funke, Engelschall-



IV. Ergebnis der Auslegung313

Dass es aufgrund der unterschiedlichen Tatobjekte, Datenspeicher und Abbildung zu einem Auseinanderfallen von Sachherrschaft und Datenherrschaft kommen kann, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Insbesondere muss die Datenherrschaft, die beispielsweise auch Eckstein440 anerkennt – aber aufgrund des unkörperlichen Tatobjekts für unzureichend erachtet –, nicht aus der Sachherrschaft folgen,441 sondern kann vielmehr neben dieser bestehen. Nur die gleichzeitige Anerkennung von Daten- und Sachherrschaft führt auch in den Fällen zu überzeugenden Ergebnissen, in welchen der Täter die gleiche Darstellung beispielsweise zum einen an seinem Computer in seiner Wohnung und zum anderen auf einem Computer in einem Internetcafé aufruft. In dem ersten Fall lässt sich, einen entsprechenden, auch die Zwischenspeicherung erfassenden Vorsatz unterstellt, eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB unproblematisch begründen, da sich der Täter mit dem Aufrufen den Besitz an einer kinderpornografischen Schrift verschafft. Nach bisheriger Ansicht musste die Strafbarkeit in dem zweiten Fall mangels Sachherrschaft an dem fremdem Computer in dem Internetcafé jedoch ausscheiden. Ein Ergebnis, welches auch nach Müller442 wenig überzeugen vermag. Dem von Müller daraus gezogenen Schluss, wonach die Datenherrschaft somit zwingend aus der Sachherrschaft folgen müsse und daher nicht isoliert betrachtet werden könne, ist jedoch, wie auch dessen Gegenbeispiel,443 zu widersprechen. Zum einen hat die vorangegangene Auslegung gezeigt, dass gerade teleologische Erwägungen für einen digitalen Besitz durch Datenherrschaft sprechen, da auf diese Weise dem angestrebten Rechtsgüterschutz umfassend Rechnung getragen werden kann, zum anderen geht das Gegenbeispiel, in welchem die in einem Schaufenster ausliegende kinderpornografische Darstellung vor dem Abfotografieren auf dem Display einer Digitalkamera betrachtet wird,444 von einer tatsächlich nicht bestehenden Vergleichbarkeit mit der Situation im Internet aus.445 Auch wenn die Digitalkamera das Vorschaubild mittels eines Arbeitsspeichers abbildet und damit auf den ersten Blick mit den technischen Abläufen beim Surfen im Internet vergleichbar erscheint, so „löst“ die Live-Vorschau FS 1996, S. 143 (149); siehe auch Kudlich, StV 2012, 560 (562), nach dem „[d]iese Forderung (…) jedenfalls dann zu unterstützen [ist], wenn man die einschlägigen Tatbestände ohne Fiktionen auch auf die Verbreitungsdelikte im Internet anwenden möchte.“ 440  Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (122, 125). 441  So aber Müller, MMR 2010, 342 (345). 442  Müller, MMR 2010, 342 (345). 443  Vgl. Müller, MMR 2010, 342 (345). 444  Vgl. Müller, MMR 2010, 342 (345). 445  So auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (20 in Fn. 34) für das Schaufenster-Beispiel.

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E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

einer Digitalkamera die Daten gerade nicht „aus dem Datenfluss“446 heraus. Vielmehr bildet die Vorschaufunktion laufend die sich verändernde Umgebung ab und ist insbesondere hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Einzelanzeige von dieser abhängig. Betrachtet ein Nutzer hingegen eine kinderpornografische Darstellung an seinem Computerbildschirm, so ist diese Anzeige von der Fortexistenz der Originaldatei nicht abhängig.447 Aus diesem Grund scheidet auch in Fall 5a eine Strafbarkeit aus.448 ­Gleiches gilt darüber hinaus für das Betrachten einer entsprechenden Fernsehsendung, wie im Beispielsfall 4, oder eines kinderpornografischen Webstreams, wie in Fall 3a449. Auch der moderne Fernseher besteht aus technischen Bauteilen, deren Funktion unter anderem denen des Arbeitsspeichers eines Computers entsprechen. Ähnlich wie bei der Vorschau auf der Digitalkamera ist der Fernsehzuschauer jedoch solange von dem gesendeten Signal, also den Umgebungsbedingungen abhängig, wie sein Fernseher nicht über eine Möglichkeit verfügt, Sendungen aufzuzeichnen. Nur in diesem Fällen löst auch ein Auslösen der Pause-Funktion das aktuell angezeigte Fernsehbild aus dem Datenfluss und macht dieses Standbild als Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB verfügbar;450 das bewegte Livebild hingegen wird dem Dauerhaftigkeitserfordernis nicht gerecht. Allein das Standbild kann anderen zugänglich gemacht, gespeichert, gezoomt oder – je nach technischer Ausstattung – sogar ausgedruckt werden. Herrschaftsmöglichkeiten, die unproblematisch einen digitalen Besitz begründen. Beim Betrachten auf dem Kameradisplay bestehen diese Möglichkeiten jedoch nicht. Allein die Ähnlichkeit technischer Bauteile vermag eine Vergleichbarkeit daher nicht zu begründen.451 Aus diesem Grund ist A im Fall 4452 straflos, da ein herkömmlicher Fernseher anders als ein Computer von sich aus keine Möglichkeiten bietet, das Fernsehbild anzuhalten oder zu verändern. In Fall 4a hingegen speichert A eine der Übertragungen mittels seines Festplattenrecorders und verschafft sich somit den Besitz an einem kinderpornografischen Datenspeicher. Er macht sich daher in diesem Fall nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB strafbar. In den Fällen, in welchen er keine Speicherung vornimmt, scheidet eine Strafbarkeit hingegen aus, da das sich laufend ändernde Fernsehbild dem Dauerhaftigkeitserfordernis des § 11 Abs. 3 StGB nicht genügt. 446  Eckstein,

ZStW 117 (2005), 107 (119). ausführlich oben unter C. III. 1. a) sowie D. II. 2. a); vgl. ansonsten nur Fuchs, jurisPR-ITR 19 / 2010 Anm. 6. 448  Siehe oben unter D. I. 449  Siehe oben unter D. I. 450  So im Umkehrschluss auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107 (119). 451  I. E. a. A. Müller, MMR 2010, 342 (345). 452  Siehe oben unter D. I. 447  Siehe



IV. Ergebnis der Auslegung315

Gänzlich anders zu bewerten ist hingegen das von Scheffler453 angebrachte Beispiel, mit welchem er sich gegen das Vorliegen eines Herrschaftsverhältnisses beim bloßen Betrachten ausspricht. Nach Scheffler müsse in denjenigen Fällen ein Besitz ausscheiden, in welchen lediglich in Schaufenstern ausliegende kinderpornografische Darstellungen betrachtet würden.454 Und auch Fischer führt diesbezüglich zutreffend aus, dass eine allzu extensive Auslegung im Ergebnis dazu führe, „dass Betrachten verbotener Bilder als kriminelles Unrecht zu verfolgen.“455 In diesen Fällen des Betrachtens im Wortsinne, also dem bloßen optischen Wahrnehmen,456 scheidet ein Besitz i. S. d. Strafrechts unstreitig aus. Den entscheidenden Unterschied dazu stellt das während des Betrachtens am Computer bereits bestehende tatsächliche Datenherrschaftsverhältnis dar,457 welches es dem betrachtenden Nutzer ermöglicht, mit den Abbildungen nach Belieben zu verfahren. Ein solches Herrschaftsverhältnis besteht weder beim Betrachten einer Schaufensterauslage noch bei Theater-, Rundfunk- und Fernsehsendungen oder einer Kinovorstellung – mangels tatsächlich ausgeübter Herrschaft auch dann nicht, wenn der Betrachtende eine Kamera lediglich in der Tasche bei sich führt. Mangels tatsächlicher Datenherrschaft scheidet daher auch ein Betrachten kinderpornografischer Darstellungen auf einem von einer anderen Person bedienten Computer bzw. Bildschirm aus.458 In Betracht kommt in diesen Fällen jedoch eine Strafbarkeit nach §§ 184b Abs. 4 Satz 1 bzw. 2, 25 Abs. 2 StGB, eine Strafbarkeit in mittelbarer Täterschaft bzw. eine entsprechende Teilnehmerstrafbarkeit.

453  Scheffler,

in: Herzberg-FS 2008, S. 627 (630). Scheffler, in: Herzberg-FS 2008, S. 627 (630); siehe auch Gercke, CR 2012, 520 (523). 455  Fischer, § 184b StGB Rn. 21c. Siehe auch Fischer, 54. Aufl., § 184b StGB Rn. 20, wo es noch drastischer formuliert hieß, dass „es (…)eines Rechtsstaates nicht würdig [wäre], das (bloße) Betrachten von verbotenen Bildern (…) als kriminelles Unrecht zu verfolgen“; siehe dazu auch Ar. Koch, GA 2005, 589 (601 in Fn. 99); Popp, ZIS 2011, 193 (194); Scheffler, in: Herzberg-FS 2008, S. 627 (630). 456  Siehe dazu, dass „Betrachten im Internet“ neben dem bloßen Wahrnehmen auch die technischen Abläufe erfasst bereits oben unter D. I. 2. 457  So auch Eisele, Computerstrafrecht, § 21 Rn. 52. 458  So i. E. auch Mitsch, Medienstrafrecht, § 3 Rn. 33, jedoch für den Fall der fehlenden Sachherrschaft am fremden Computer. Gleiches gilt für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass auf öffentlichen digitalen Anzeigen, wie z. B. am New Yorker Times Square, kinderpornografische Darstellungen gezeigt würden. Auch hier stellt die Darstellung eine Anzeige i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB dar. Mangels Zugriffsmöglichkeit auf den diese steuernden Computer entsteht jedoch kein Besitz durch Datenherrschaft. Siehe auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 29. 454  Vgl.

316

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

V. Besitz als bloße Konsumstrafbarkeit Aufgrund des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses, welches auch der digitale Besitz voraussetzt, verkommt § 184b Abs. 4 StGB darüber hinaus zu keiner reinen Konsumstrafbarkeit. Strafzweck bleibt die Eindämmung der aus diesem Herrschaftsverhältnis resultierenden Risiken für die von § 184b StGB geschützten Rechtsgüter, die über den bloßen Konsum hinausgehen. Zwar lässt sich ohne Zweifel derjenige, der sich an seinem Computer kinderpornografische Darstellungen ansieht, als Konsument bezeichnen, so dass der Umstand, dass Scheffler als Gegenbegriff zum „Verbreiter“ von „Betrachter“ oder allgemeinem „Konsumenten“ spricht,459 nicht verwundert; die Besitzdelikte verfolgen jedoch einen anderen Zweck.460 Dies erkennt auch Scheffler an, nach dem durch die Aufnahme der Besitzstrafbarkeiten durch das 27. StrÄndG 1993 ein Paradigmenwechsel hin zum Konsumenten gerade nicht beabsichtigt gewesen wäre.461 Und auch Eckstein hält „die Legitimationsgrundlagen der Konsumentenstrafbarkeit (…) nicht unbegrenzt belastbar.“462 1. Reformbedürftigkeit des § 184b StGB Den entscheidenden Unterschied zum Konsum von beispielsweise Betäubungsmitteln stellt dabei der Umstand dar, dass der Konsum kinderpornografischer Darstellungen verlustfrei erfolgt, also gerade nicht mit einem Verbrauch einhergeht und der Konsumgegenstand dementsprechend weiter zugänglich bleibt. Ein Verbrauchen hingegen setzt gegenüber dem Konsum durch bloße Wahrnehmung weiterhin zwingend das Bestehen eines Herrschaftsverhältnisses über den Konsumgegenstand voraus.463 So wie im Waffenrecht das Schießen die intensivste Form der Ausübung der tatsäch­ lichen Gewalt darstellt, so lässt sich auch im Betäubungsmittelrecht der Konsum, also das Verwenden bzw. Aufbrauchen, als stärkste Form des Herrschaftsverhältnisses über das Betäubungsmittel verstehen. Der besitzlose Konsum der in einer Schaufensterauslage ausliegenden kinderpornografischen Darstellungen464 setzt demgegenüber gerade kein HerrschaftsverhältScheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (631). zur Funktion der Besitzdelikte ausführlich oben unter B. IV. 2. a). 461  Vgl. Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (633). 462  Eckstein, NStZ 2011, 18 (22). 463  Zwar ist auch ein Konsum ohne Herrschaftsverhältnis vorstellbar, etwa dann, wenn jemandem ein Betäubungsmittel von einer anderen Person verabreicht wird. Mangels eigener Herrschaft ist die vermeintliche Vergleichbarkeit jedoch nicht gegeben. 464  Vgl. Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (629). 459  Vgl.

460  Siehe



V. Besitz als bloße Konsumstrafbarkeit317

nis voraus. Ausreichend ist allein die Wahrnehmung der Darstellung, so dass mangels bestehenden Herrschaftsverhältnisses in diesen Fällen kein Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB vorliegt.465 Die aus diesem Grund aufgestellten Forderungen nach Reformen, wie sie beispielsweise Schreibauer466 oder König467 fordern, die auch ein „SichZugänglich-Machen“ erfassen,468 um eine möglichst umfassende Strafbarkeit herzustellen, schießen jedoch über das angestrebte Ziel hinaus. Zum einen bestehen die vermeintlichen Lücken gerade beim Betrachten kinderpornografischer Darstellungen im Internet nach der hier vertretenen Auffassung nicht, so dass für diesen Lebenssachverhalt bereits kein Anlass für eine etwaige Gesetzesänderung besteht. Doch auch wenn sich durch die Aufnahme einer solchen Tatmodalität in § 184b StGB möglicherweise die Auslegungsprobleme des Besitztatbestandes lösen würden,469 brächte die neue Tathandlung zum anderen ihrerseits neue Schwierigkeiten mit sich.470 Fällt es schon schwer, eine Legitimität der reinen Besitzstrafbarkeit herzuleiten, stellt sich die Frage, wie sich die Strafbarkeit des bloßen Konsums begründen ließe. Denn nimmt schon der bloße Besitzer anders als derjenige, der sich den Besitz erst verschafft, nicht aktiv am Markt teil, kann eine Marktteilnahme des besitzlosen Konsumenten erst recht nicht begründet werden. Damit scheidet für den bloßen Konsum neben dem sekundären Strafzweck der Beweiserleichterung auch die mittelbare Verantwortlichkeit für einen zu befürchtenden zukünftigen Missbrauch weiterer kindlicher „Darsteller“ aus. In Betracht käme damit allein die mit dem Konsum einhergehende erneute Würdeverletzung des Darstellers, welcher aufgrund der Erfassung von auch wirklichkeitsnahen Darstellungen und sexuellen Handlungen vor Kindern als alleinige Rechtfertigung der Tatmodalität nicht zu überzeugen vermag. Nicht jede kinderpornografische Schrift dokumentiert zwingend einen Kindesmissbrauch oder eine ansonsten würdeverletzende Handlung, so dass auch nicht mit jedem Konsum zwingend eine Würdeverletzung einhergeht. Darüber hinaus ist das konsumierte Material oft Jahrzutreffend Scheffler, Herzberg-FS 2008, S. 627 (629). Pornographieverbot, S. 314 f. 467  König, Kinderpornografie, Rn. 257  ff., 258; die Reformbestrebungen gehen dabei zum Teil auf den Bundesrat zurück, der schon 1992 die Forderung aufstellte, dass auch derjenige strafbar sein solle, der sich kinderpornografische Darstellungen „zeigen oder vorführen“ lässt (vgl. BR-Drucks. 207 / 1 / 92, S. 6; BR-Drucks. 207 / 2 / 92). 468  Vgl. auch Handke, Bekämpfung, S. 66, der ebenfalls eine Konsumstrafbarkeit fordert. 469  Vgl. Eckstein, NStZ 2011, 18 (22). 470  So auch Haft, NStZ 1987, 6 zum 2. WiKG, nach dem „neue Tatbestände (…) neue Probleme [schaffen]“. 465  Insoweit

466  Schreibauer,

318

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

zehnte alt, so dass nicht immer gewährleistet ist, dass das Kind noch lebt. In diesen Fällen käme lediglich der postmortale Persönlichkeitsschutz der Darsteller als Schutzgut in Betracht. 2. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2011 / 92 / EU Denselben Kritikpunkten sieht sich auch die Richtlinie zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie 2011 / 92 / EU471 ausgesetzt. Die Richtlinie stellt die erste internet-bezogene Harmonisierungsinitiative der EU nach der Ratifikation des Vertrags von Lissabon dar und enthält neben primär materiellen Strafvorschriften auch Regelungen zum Opferschutz und zur Prävention.472 Zum Zwecke der Aufrechterhaltung des im Rahmenbeschluss 2004 / 68 / JI enthaltenen Schutzniveaus finden sich in der Richtlinie unter anderem Harmonisierungsverpflichtungen bezüglich der Kontaktaufnahme zu Kindern zum Zweck des sexuellen Missbrauchs (Art. 6) und der sexuellen Ausbeutung von Kindern (Art. 4). Neben den – nach Gercke „technologie-neutralen“473 – Tathandlungen in den Art. 5 Abs. 2–6 der Richtlinie, enthält Art. 5 Abs. 3 darüber hinaus eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den bewussten Zugriff474 auf Kinderpornografie mittels Informations- und Kommunikationstechnologie unter Strafe zu stellen. Die neu zu schaffende Tathandlung soll dabei die vermeintliche Strafbarkeitslücke in den Fällen schließen, in denen „das Anschauen von Kinderpornografie auf Webseiten, ohne die Bilder herunterzuladen oder zu speichern, nicht den Straftatbestand des ‚Besitzens‘ oder ‚Beschaffens‘ von Kinderpornografie erfüllt.“475 471  Richtlinie 2011 / 92 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.  Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004 / 68 / JI des Rates. ABlEU L 335 / 1 vom 17.12.2011, S. 1 (Zählung korrigiert durch ABlEU L 18 vom 21.1.2012, S. 7). 472  Vgl. Hecker, Europäisches Strafrecht, § 11 Rn. 34; Geiger, Strafrechtsharmonisierung, S.  229 f.; Gercke, CR 2012, 520 (522); Ziemann / Ziethen, ZRP 2012, 168. 473  Gercke, CR 2012, 520 (523). 474  Dass der „bewusste Zugriff“ neben Erwerb und Besitz aus Art. 5 Abs. 2 eine weitere Tathandlung auf Nachfrageseite erfasst, ergab sich schon vor dem Inkrafttreten der Richtlinie aus dem Vergleich der Tathandlungen in der englischsprachigen Fassung des Richtlinienvorschlages, in dem zwischen in Abs. 3 obtaining access und making available in Abs. 5 unterschieden wird (siehe COM [2010] 94 final, S. 16). Die Übersetzung in KOM (2010) 94 endgültig, S. 17, die die Formulierung „bewusste Zugänglichmachen“ verwendet, stellt insofern einen Übersetzungsfehler dar (vgl. Eckstein, NStZ 2011, 18 [21]; Gercke, CR 2012, 520 [522]; ders., CR 2010, 798 [803]; ders., ZUM 2010, 633 [638]). 475  KOM (2010) 94 endgültig, S. 8; zustimmend Palm, Kinderpornographie, S. 144.



V. Besitz als bloße Konsumstrafbarkeit319

Unabhängig davon, dass die in der Begründung angeführte Strafbarkeitslücke nach der hier vertretenen Auffassung nicht besteht, bringt die Schaffung der Tathandlung des Zugreifens wie auch die Forderung von Schreibauer476 und König477 neue Auslegungsschwierigkeiten mit sich. Ziemann / Ziethen478 haben diesbezüglich einen Vier-Punkte-Katalog erarbeitet, der sich zum Teil mit den oben genannten Kritikpunkten deckt. Neben den Eingrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich des Tatobjektes bedürfte es darüber hinaus unter anderem weiterer Anpassungen in den §§ 184b, 184c StGB hinsichtlich des Täterkreises. Anderenfalls dürfte beispielsweise ein 17-jähriger die einvernehmlich angefertigten Bilder seiner ebenfalls minderjährigen Freundin wegen der Privilegierung479 in § 184c Abs. 4 Satz 2 StGB zwar straflos besitzen, nach Art. 5 Abs. 3480 aber nicht auf diese zugreifen.481 Entscheidender Kritikpunkt bleibt jedoch auch hinsichtlich des von der Richtlinie geforderten Zugriffstatbestandes die rechtliche Legitimation einer solchen Konsumstrafbarkeit. Allein die empirisch nicht belegte Befürchtung, der Konsum könnte zu entsprechenden Taten anregen und sich negativ auf die seelische Entwicklung und soziale Orientierung des Konsumenten auswirken,482 vermag eine solche Strafbarkeit nicht zu begründen. Und auch der von Hörnle483 angemerkte erneute Eingriff in die Menschenwürde und die Persönlichkeitsrechte des kindlichen Darstellers durch jeden einzelnen Konsum, der ohne Zweifel gegenüber Marktaustrocknung und Beweiserleichterung der Funktion des Strafrechts als Rechtsgüterschutz am nächsten kommt, liegt nicht in jedem Fall vor. Da kinderpornografische Schriften i. S. d. § 184b StGB neben der Dokumentation tatsächlicher Kindesmissbräuche auch sexuelle Handlungen vor Kindern und darüber hinaus in Abs. 1 noch fiktionale sowie in den Abs. 2 und 4 wirklichkeitsnahe Darstellungen umfassen, kann die Menschenwürde als alleiniges zu schützendes 476  Schreibauer,

Pornographieverbot, S. 314 ff. Kinderpornografie, Rn. 257 ff., 258. 478  Ziemann / Ziethen, ZRP 2012, 168 (169). 479  Vgl. Ziegler, in: Beck’scher OK, § 184c StGB Rn. 13 m. w. N.; siehe auch die Kritik bei Fischer, § 184c StGB Rn. 10. 480  Art. 5 betrifft zwar nur Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie, der Begriff „Kind“ erfasst nach Art. 2 lit. a jede Person unter 18 Jahren und somit auch die Regelungen in § 184c StGB. 481  Vgl. Ziemann / Ziethen, ZRP 2012, 168 (169). 482  So aber z. B. BT-Drucks. 12 / 3001, S. 6; Amelung / Funke-Auffermann, StraFo 2004, 265 (270); Eckstein, Besitz, S. 72 f., 258 f.; Kritik z. B. bei M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362), Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 1; dies., Verhalten. S. 428; siehe ansonsten oben unter E. I. 4. a). 483  Hörnle, Verhalten, S. 131 ff., 134, 430; dies., in: MüKo, § 184b StGB Rn. 4; dies., Schroeder-FS 2006, S. 477 (494 f.); Popp, ZIS 2011, 193 (202); Sieber, JZ 2009, 653 (655). 477  König,

320

E. Besitz i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB durch bloße Datenherrschaft

Rechtsgut für § 184b StGB nicht in Betracht kommen.484 Ohne Anknüpfung an das objektiv nachweisbare Herrschaftsverhältnis droht vielmehr eine nicht überzeugende Vorverlagerung der Strafbarkeit, weswegen der Konsum nach Eckstein grundsätzlich gegenüber der tatsächlich greifbaren Besitzstrafbarkeit subsidiär bleiben müsse.485 Berücksichtigt man bei der Auslegung des Zugriffs-Tatbestandes den Umstand, dass der Zugriff mittels Informations- und Kommunikationstechnologie vorgenommen werden muss, so verschmelzen die Grenzen zum digitalen Besitz vollends. Der Zugriff i. S. d. Richtlinie entspricht der tatsächlichen Datenherrschaft i. S. d. § 184b StGB geltender Fassung.486 Für die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie geforderte Neuschaffung eines ZugriffsTatbestandes, welcher nach Art. 27 Abs. 1 bis zum 18.12.2013 in nationales Recht umzusetzen ist, besteht damit mangels Regelungslücke jedoch keine Notwendigkeit. Und selbst wenn ein nationaler Regelungsbedarf bestünde, lässt sich ein solcher nicht allein durch die unreflektierte Aufnahme einer weiteren Handlungsmodalität erreichen. So wünschenswert ein allumfassendes Umgangsverbot hinsichtlich kinderpornografischer Darstellungen jeglicher Art ist und auch trotz des „Schauder[s] sittlicher Empörung, der dem durchschnittlichen Nicht-Pädophilen beim Thema Kinderpornografie über den Rücken läuft“487, „kann auf eine kriminalpolitisch sorgfältige Sacherörterung nicht verzichtet und eine rationale Begründung durch Abscheu nicht ersetzt werden“488. Eine reine Konsumstrafbarkeit ist nach deutschem Recht rechtlich jedoch schlicht nicht zu rechtfertigen. Aus diesem Grund ist auch der Vorschlag aus Art. 4 Abs. 4 abzulehnen, wonach derjenige zu bestrafen ist, der an einer pornografischen Darbietung teilnimmt, an der auch ein Kind beteiligt ist.489 § 184d StGB regelt abschließend den Fall der Verbreitung kinderpornografischer Darstellungen, die nicht unter den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB fallen. Die Strafbarkeit auf Nehmer-, Besitzer- bzw. Konsumentenseite hat der Gesetzgeber mit den Regelungen in § 184b Abs. 4 StGB abschließend – und ausreichend – geregelt, da auch das Betrachten am Computerbildschirm in den Fällen unter den digitalen Besitz fällt, in welchen ein Besitzverhältnis aufgrund tatsächlicher Datenherrschaft besteht. Anders als der Zuschauer einer auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 5. Eckstein, NStZ 2011, 18 (22). 486  Siehe auch Hecker, Europäisches Strafrecht, § 11 Rn. 41, der eine richtlinienkonforme Auslegung des § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB grundsätzlich für möglich erachtet. 487  M. Heinrich, NStZ 2005, 361 (362). 488  Jäger, Schüler-Springorum-FS 1993, S. 229 (232). 489  So auch Eckstein, NStZ 2011, 18 (22). 484  So

485  Vgl.



V. Besitz als bloße Konsumstrafbarkeit321

entsprechenden Darbietung, der diese, wie beispielsweise im Kino, nur wahrnimmt, wird durch den analogen wie digitalen Besitz die dargestellte Rechtsgutsverletzung perpetuiert.490 In allen anderen Konstellationen der bloßen Wahrnehmung kinderpornografischer Schriften oder Darbietungen mangelt es hingegen an einer eine Strafbarkeit begründenden vergleichbaren Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung. Aus diesem Grund scheidet auch eine Strafbarkeit des bloßen Kinogängers wie in Fall 5491 aus. Der demgegenüber bei einer Live-Darbietung stattfindende tatsächliche Missbrauch ist dabei von den §§ 176 ff. StGB umfassend erfasst. Für den Zuschauer stellt sich der „Echtzeit-Kindesmissbrauch“ nach Eckstein daneben als Unglücksfall i. S. d. § 323c StGB dar, so dass Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit des Zuschauers nicht der Konsum, sondern das unterlassene Einschreiten und Helfen darstelle.492 Da das angestrebte Verbot demgegenüber vielmehr zum Wegschauen erziehe, „obwohl die Echtzeit-Opfer darauf angewiesen sind, dass offenen Auges aktiv eingeschritten wird“493, „setzt [das Verbot] in bester Absicht falsche Signale.“494

490  Siehe oben unter E. I. 4. a); vgl. ansonsten nur Palm, Kinderpornographie, S. 129. 491  Siehe oben unter D. I. 492  Vgl. Eckstein, NStZ 2011, 18 (22). 493  Eckstein, NStZ 2011, 18 (22). 494  Eckstein, NStZ 2011, 18 (22).

F. Endergebnis Als Ergebnis der Frage nach der Strafbarkeit des bloßen Betrachtens kinderpornografischer Darstellungen im Internet lässt sich mithin Folgendes festhalten.

I. Relativität der Rechtsbegriffe Die Grundlage für die Beantwortung der Frage nach einer auch den digitalen Besitz umfassenden Besitzstrafbarkeit i. S. d. § 184b StGB stellt der Umstand dar, dass Alltags- und Rechtsbegriffe in ihrer Bedeutung nicht „fest und sicher“1 sind und somit eine genaue Begriffsbestimmung nur im Verwendungszusammenhang ermittelt werden kann.2 So können ein und derselbe Begriff sowohl innerhalb einer Norm als auch innerhalb der gesamten Rechtsordnung verschiedene Bedeutungen haben. Entscheidend ist in allen Fällen eine tatbestandsorientierte Auslegung bei besonderer Beachtung des Verwendungszusammenhangs. Während daher der „beschuhte Fuß“ aufgrund seiner Verwendung im konkreten Einzelfall ein gefährliches Werkzeug i. S. d. § 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Fall StGB und § 250 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall StGB darstellen kann, erscheint eine Subsumtion desselben Gegenstandes unter §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 2. Fall, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 2. Fall StGB höchst problematisch.3 Insofern kann es erforderlich sein, ein und denselben Gegenstand je nach Tathandlung verschieden auszulegen. Aufgrund der Relativität der Rechtsbegriffe kann eine solche Auslegung jedoch nie ausschließlich dem Wortlaut nach erfolgen, sondern muss insbesondere Kontext und Telos beachten. Für die Frage nach der Auslegung des Besitzbegriffs in § 184b StGB lässt sich daher an dieser Stelle festhalten, dass dieser grundsätzlich unabhängig von den Besitzbegriffen anderer Gesetze, aber auch unabhängig von anderen Besitzbegriffen innerhalb des StGB erfolgen kann. Grenzen der Auslegung stellen dabei insbesondere im Strafrecht die Einheit der Rechtsordnung sowie das in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegte Analogieverbot und der Bestimmtheitsgrundsatz dar. 1  Müller-Erzbach, 2  Siehe

in: Krawietz, S. 201. hinsichtlich der Relativität der Rechtsbegriffe umfassend oben unter B.

III. 1. 3  Siehe ausführlich oben unter B. III. 1. b) bb) (1).



II. Der Besitzbegriff in der Rechtsordnung323

II. Der Besitzbegriff in der Rechtsordnung Trotz dieser Relativität gebietet nicht nur die Einheit der Rechtsordnung eine umfassende Gesamtschau. Wird daher ein und derselbe Begriff an verschiedenen Stellen im Recht verwendet oder ist dieser sogar einem anderen Rechtsgebiet entlehnt, so gilt es zum einen die Ursprungsbedingungen zu berücksichtigen, zum anderen aber vor allem tatbestandliche Besonderheiten der auszulegenden Norm bei der Auslegung zu beachten. So findet sich der Besitzbegriff an den verschiedensten Stellen im Recht. Unzweifelhaft am prominentesten sind dabei sicherlich die sachenrechtlichen Regelungen der §§ 854 ff. BGB. Besitz i. S. d. BGB definiert sich nach überwiegender Ansicht in einem Umkehrschluss aus dem Erwerbstatbestand des § 854 Abs. 1 BGB als die Ausübung der tatsächlichen, von einem natürlichen Willen getragenen Sachherrschaft. Aufgrund des rechtlichen Rahmens und des Normzwecks der zivilrechtlichen Besitzregelungen finden neben dem tatsächlichen Verhältnis auch Fiktionen wie bei der Besitzdienerschaft nach § 855 BGB und beim Erbenbesitz nach § 857 BGB Beachtung. Im Strafrecht hingegen liegen den Personen-Sach-Beziehungen gerade keine rechtlich konstruierten Erwägungen zu Grunde, weswegen sowohl beim strafrechtlichen Besitz als auch beim Gewahrsam allein tatsächliche und faktische Gegebenheiten ausschlaggebend sind. Besitzer und Gewahrsamsinhaber ist daher in erster Linie derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über einen Gegenstand ausübt, ohne dass es auf rechtliche Beziehungen zu anderen, beispielsweise zivilrechtlich weisungsberechtigten Personen ankäme. Aus diesem Grund ist daher auch die Rechtsfigur der Gewahrsamsdienerschaft abzulehnen. Versucht das Strafrecht den angestrebten Rechtsgüterschutz durch ein umfassendes Besitzverbot, wie beispielsweise im Zusammenhang mit Kriegswaffen, Betäubungsmitteln oder kinderpornografischen Schriften, zu erreichen, ist für eine Tatbestandlichkeit der jeweiligen Verbotsnorm allein das tatsächliche Herrschaftsverhältnis ausschlaggebend. In der Regel wird bei Besitzdelikten das angestrebte Schutzniveau dadurch aufrechterhalten oder erweitert, dass laufend neue Besitztatbestände hinsichtlich weiterer, dem Gesetzgeber strafwürdig erscheinender Gegenstände aufgenommen werden. Demgegenüber stellt sich hinsichtlich des digitalen Besitzes die Frage – entgegen verbreiteter Ansicht – jedoch nicht nach einem neuen Tatobjekt, sondern vielmehr dahingehend, ob bereits während des Betrachtens kinderpornografischer Darstellungen im Internet ein den Besitz konstituierendes Herrschaftsverhältnis entsteht. Auf ein bewusstes Herunterladen oder Abspeichern käme es dann nicht mehr an.

324

F. Endergebnis

III. Besitz durch Datenherrschaft Besitz definiert sich zunächst auch im Sinne der §§ 184 ff. StGB grundsätzlich als die willensgetragene tatsächliche Sachherrschaft einer Person über einen körperlichen Gegenstand. Infolge dieses Begriffsverständnisses macht sich daher beispielsweise derjenige nach § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB strafbar, der sich eine DVD mit kinderpornografischen Bildern und Videos übergeben lässt, um diese zu behalten. Er erlangt durch die Übergabe die tatsächliche Sachherrschaft an einer kinderpornografischen Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB und erfüllt, sofern er vorsätzlich handelt, damit den Tatbestand. Daneben macht sich auch derjenige nach § 184b Abs. 4 Satz 1 bzw. 2 StGB strafbar, der im Internet mittels eines von ihm bedienten Computers kinderpornografische Darstellungen bewusst betrachtet. Durch die für die Anzeige am eigenen Bildschirm technisch essentielle Datenübertragung entsteht beim Täter zum einen ein neues Exemplar der Darstellung, welches zusammen mit dem – zumindest – zwischenspeichernden Arbeits- und / oder Cachespeicher ebenfalls eine kinderpornografische Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB in der Form des Datenspeichers darstellt. Über diesen Datenspeicher kann der Täter nach Belieben verfahren, so dass er sich – nach zumindest hinsichtlich der Cachespeicherung überwiegenden Ansicht4 – aufgrund tatsächlicher Sachherrschaft den Besitz an einer kinderpornografischen Schrift nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB verschafft hat. Weiß der Täter daher um den Umstand, dass sich aufgrund des Abrufs ein neues Exemplar der Darstellung in seinem Arbeits- oder Cachespeicher befindet und erkennt er diese als kinderpornografische Darstellung, ist eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB unstreitig gegeben. Der Umstand, dass § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB eine Neuverschaffung des Besitzes erfordert, steht einer grundsätzlichen Anwendung auf „Internetsachver­halte“5 entgegen Gercke dabei nicht entgegen. Entscheidend ist allein, dass durch die abrufbedingte Zwischenspeicherung überhaupt erst eine kinderpornografische Schrift entsteht, die der Täter zuvor nicht im Besitz hatte. Ruft der Internetnutzer eine solche Darstellung jedoch versehentlich und damit unvorsätzlich auf, so entsteht aufgrund der stattfindenden Übertragung dennoch ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis. Zusammen mit dem zumindest generellen Besitzwillen hinsichtlich seiner Datenspeicher, der 4  Vgl. an dieser Stelle nur Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 35; kritisch Fischer, § 184b StGB Rn. 21b; siehe ausführlich oben unter C. II. 4., wonach auch der bloß flüchtige Arbeitsspeicher einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB darstellt; gegen eine Einbeziehung der Arbeitsspeicherung z. B. Fischer, § 184b StGB Rn. 21b; Hilgendorf / Valerius, Computerstrafrecht, Rn. 309 m. w. N. 5  Vgl. nur Gercke, in: Praxishandbuch, Rn. 327.



III. Besitz durch Datenherrschaft325

dem durchschnittlichen Internetnutzer unterstellt werden kann,6 ist damit zumindest der objektive Tatbestand des § 184b Abs. 4 StGB erfüllt. Aufgrund der Ausgestaltung der Besitzstrafbarkeit als echtes Unterlassungsdelikt trifft den Nutzer bei Kenntniserlangung dieser Umstände die Pflicht, die zwischengespeicherten Daten umgehend zu löschen bzw. die geöffnete Darstellung zu schließen. Unternimmt er daher nichts, macht er sich nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB strafbar. Gleiches gilt in analogen Fällen, in welchen kinderpornografische Darstellungen im eigenen Besitz gefunden werden; auch hier trifft den Finder die Pflicht, das Herrschaftsverhältnis umgehend zu beenden und dazu die kinderpornografischen Schriften bei der Polizei abzuliefern oder selbst zu vernichten. Problematisch gestaltet sich vielmehr die rechtliche Bewertung in den Fällen, in welchen der Täter von den technischen Vorgängen keine Kenntnis hat bzw. ihm ein entsprechender Vorsatz nicht nachgewiesen werden kann. Entgegen verbreiteter Ansichten bedarf es dazu weder der Schaffung reiner Konsumstraftatbestände,7 noch einer auch den technischen Zugriff erfassender Tathandlungen8 in § 184b Abs. 4 StGB. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist vielmehr der Umstand, dass der Täter gleichzeitig die kinderpornografischen Schriften zur Kenntnis genommen hat und mit der geöffneten Darstellung nach Belieben verfahren kann. Es liegt in seiner Macht, die Darstellung aufzurufen, beliebig geöffnet zu lassen, zu verändern oder zu schließen. Da diese Möglichkeit, nach Belieben mit einem Gegenstand zu verfahren, dem klassischen Herrschaftsverständnis entspricht und der Besitzbegriff als solcher keine zwingende Körperlichkeit des Besitzobjektes erfordert, ist auch dieses Verhältnis als Besitz zu definieren. Anstelle jedoch auf die Sachherrschaft über die Computerbauteile abzustellen, ist Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit die über die angezeigte Darstellung ausgeübte tatsächliche Datenherrschaft. Betrachtet der Täter daher diese Darstellungen an einem Computer bei gleichzeitig bestehender Möglichkeit, auf diese einzuwirken, so verschafft er sich mit dem Aufruf gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB den Besitz an einer kinderpornografischen Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB. Geschieht dies mit Wissen und Wollen, so ist eine weitere Kenntnis der darüber hinaus auch eine „klassische“ Besitzstrafbarkeit begründenden Umstände9 entbehrlich. nur Palm, Kinderpornographie, S. 136 f. aber z.  B. König, Kinderpornografie, Rn. 257  f.; Schreibauer, Pornographieverbot, S.  314 f. 8  So aber die Forderung in Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2011 / 92 / EU. 9  Neben dem Besitz durch Datenherrschaft führt der Aufruf entsprechender kinderpornografischer Darstellungen aufgrund der dabei stattfindenden Zwischenspeicherung in Arbeits- oder Cachespeicher grundsätzlich auch zu einer Besitzver6  Vgl. 7  So

326

F. Endergebnis

Der Täter ist aufgrund der Erlangung der tatsächlichen Datenherrschaft nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB wegen der Verschaffung digitalen Eigenbesitzes zu bestrafen. Ruft der Täter hingegen die Darstellung versehentlich auf, so handelte er im Zeitpunkt der Besitzverschaffung i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB ohne Vorsatz. Da dennoch ein digitales Besitzverhältnis entsteht, folgt aus der in Satz 2 normierten Besitzstrafbarkeit die Pflicht, den Besitz umgehend, beispielsweise durch Schließen der Webseite bzw. der Abbildung, zu beenden. Anderenfalls macht er sich auch in digitalen Fällen gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB strafbar. Hat der Täter in diesen Fällen zusätzlich Kenntnis von der gleichzeitig stattfindenden Zwischenspeicherung, so muss er auch die ggf. im Cache gespeicherten Dateien entfernen, um sich nicht nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB strafbar zu machen. Der Annahme eines solchen digitalen Besitzes steht entgegen verbreiteter Ansicht weder die Besitzregelung aus § 184b StGB noch ein vermeintliches Körperlichkeitserfordernis aus § 11 Abs. 3 StGB entgegen. § 11 Abs. 3 StGB enthält anstelle einer Legaldefinition vielmehr eine Gleichstellungsklausel verschiedener Darstellungsformen unter dem Begriff der Schrift als häufigstem Anwendungsfall. Mangels eigener Tatbestandvoraussetzungen kann § 11 Abs. 3 StGB dabei jedoch nie losgelöst außerhalb der jeweiligen Bezugsnorm ausgelegt werden,10 so dass die Auslegung im Rahmen der vorliegenden Frage nach der Strafbarkeit des Betrachtens kinderpornografischer Darstellungen im Internet allein im Zusammenhang mit § 184b StGB erfolgen kann. Da der strafrechtliche Besitzbegriff jedoch anders als der zivilrechtliche selbst keine Körperlichkeit des Besitzgegenstandes voraus­ setzt,11 besteht auch für die kinderpornografische Schrift i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB aus § 184b StGB kein zwingendes Körperlichkeitserfordernis. Der Besitzbegriff konstituiert sich vielmehr allein aus der Stärke und dem Umfang der Herrschaftsmacht und den Besitzwillen. Tatobjekt des digitalen Besitzes ist daher die Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB als optische Wiedergabe der Außenwelt in Fläche und Raum, die durch Auge oder Tastsinn unmittelbar wahrgenommen werden kann.12 Von dem Tatobjekt der Abbildung, welches in § 11 Abs. 3 StGB den Schriften gleichgestellt ist, ist indes zwingend die Datei als solche zu unterscheiden. schaffung an einer kinderpornografischen Schrift, in Form eines Datenspeichers, i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz  1 StGB (siehe ausführlich oben unter D. I. 1.). Übt der Täter gleichzeitig auch die tatsächliche Sachherrschaft an diesem Datenspeicher aus, verschafft er sich daher dadurch ebenfalls Besitz i. S. d. Norm. 10  So z.  B. auch Radtke, in: MüKo, § 11 StGB Rn. 141; Rudolphi / Stein, in: SK-StGB, § 11 StGB Rn. 56; Saliger, in: NK, § 11 StGB Rn. 74. 11  Siehe ausführlich oben unter E. I. 1. 12  So auch Hörnle, in: MüKo, § 184b StGB Rn. 29.



III. Besitz durch Datenherrschaft327

Diese findet in § 11 Abs. 3 StGB weder Erwähnung noch stellt sie einen Datenspeicher i. S. d. Norm dar. Keine Strafbarkeit besteht daher in den Fällen, in welchen der Täter lediglich die tatsächliche Datenherrschaft über kinderpornografische Dateien besitzt, diese jedoch nicht geöffnet hat. Die Abbildung i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB setzt grundsätzlich eine Wahrnehmbarkeit voraus. Hat der Täter daher beispielsweise seine Sammlung kinderpornografischer Bild- und Videodateien auf einem Server im Internet oder auf dem Computer eines Bekannten gespeichert, so stellt die bestehende Zugriffsmöglichkeit zwar möglicherweise Datenherrschaft i. S. d. § 184b Abs. 4 StGB dar,13 die ungeöffnete Datei hingegen unterfällt in keinem Fall dem Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB.14 Mangels tauglichen Tatobjekts scheidet daher eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB aus.15 Erst mit der Anzeige an einem Bildschirm entsteht eine Abbildung i. S. d. Norm. Über diese besaß der Täter bis zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Herrschaftsmöglichkeit, so dass erst durch das Aufrufen ein digitales Besitzverhältnis begründet wird. Darüber hinaus führt die bloße Zugriffsmöglichkeit auf die abrufbaren Dateien allein zu keiner tatsächlichen Sachherrschaft an den diese speichernden Datenspeicher. Die Sachherrschaft über diese übt unstreitig weiterhin der tatsächliche Besitzer der Server aus.16 Ruft der Täter eine solche Datei beispielsweise über das Internet auf, so entsteht in Folge des Übertragungsprozesses ein neues Exemplar in seinem Herrschaftsbereich, welches er analog aufgrund seiner Sachherrschaft über den zwischenspeichernden Datenspeicher oder digital aufgrund seiner Datenherrschaft über die Anzeige besitzen kann. Auf die Ursprungsdatenquelle hat dies jedoch keine Auswirkung. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass Datenherrschaft und Sachherrschaft zwar auseinanderfallen können, die Datenherrschaft in der Regel je13  Die Annahmen von Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 8, wonach die Zugriffsmöglichkeit auf einen entgeltlich genutzten, fremden Server der Wohnraummiete entspräche, so dass auch der Servernutzer die tatsächliche Sachherrschaft ausübe, vermag nicht zu überzeugen. Mangels tatsächlicher, physischer Zugriffmöglichkeit, kann eine Sachherrschaft nicht angenommen werden. Eine Vergleichbarkeit bestünde nur in den Fällen, in welchen sich der gemietete Server im Herrschaftsbereich des Mieters befindet. 14  Das Speichermedium, auf dem diese Dateien gespeichert sind, stellt daneben unstreitig einen Datenspeicher i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB dar. Mangels Sachherrschaft über den entfernten Speicher scheidet aber auch eine „klassische“ Besitzstrafbarkeit aus. 15  Vgl. Eckstein, Besitz, S. 111 f.; ders., ZStW 117 (2005), 107 (122 f.). 16  A. A. Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 8 mit einem Vergleich zur Sachherrschaft des Mieters über seine Wohnung.

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F. Endergebnis

doch der Sachherrschaft folgt. Eine Sachherrschaft durch Datenherrschaft existiert hingegen nicht.17 Wer daher eine kinderpornografische Darstellung im Internet aufruft und aufgrund der ihm durch die Benutzung des Computers offenstehenden Einwirkmöglichkeiten die tatsächliche Datenherrschaft über diese Abbildung ausübt, verschafft sich den Besitz an einer kinderpornografischen Schrift nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB und ist, sofern er vorsätzlich handelt, i. S. d. Norm zu bestrafen. Gleiches gilt gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in den Fällen, in welchen die Abbildung zwar unvorsätzlich aufgerufen, jedoch das dadurch entstandene Herrschaftsverhältnis nach Kenntniserlangung nicht umgehend beendet wird.

17  So i. E. auch zutreffend Fischer, § 184b StGB Rn. 23; Müller, MMR 2010, 342 (345); Palm, Kinderpornographie, S. 130; a. A. jedoch ohne Begründung Laufhütte / Roggenbuck, in: LK, 12. Aufl., § 184b StGB Rn. 8.

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Sachwortregister Abbildung  159, 309, 311 Alltagssprache  142, 247, 256, 266 Analogieverbot  256 Arbeitsspeicher  24, 163, 169, 174, 182, 185, 201, 234, 276, 278 –– Abgrenzung zum Cachespeicher  163 –– Flüchtigkeit  169, 184, 202, 204, 278 –– Funktionsweise  169, 183 Auslegung  40, 245 –– Grenzen der  41 –– historische  292 –– systematische  260, 268 –– teleologische  294 –– Verfassungskonformität der  255 –– Wortlaut  246, 306 –– Wortlautauslegung  41 –– Wortlautgrenze  256 Ausübung der tatsächlichen Gewalt  79, 82, 105, 107 –– Abgrenzung zum Besitz  86 –– Abgrenzung zum Gewahrsam  80 Beherrschbarkeit  139, 263 Besitz  26, 222, 257, 260 –– Abgrenzung zum Gewahrsam  68, 76 –– Abgrenzung zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt  86 –– Begriff, allgemein  34 –– Besitzdiener  81, 87, 88, 103, 305 –– Besitzwille  65, 100, 206, 226, 239 –– Besitzzweck  99, 101, 239 –– Definition  59 –– Erbenbesitz  63, 88, 305 –– Historische Entwicklung  27 –– Körperlichkeitserfordernis  90 –– mittelbarer Besitz  64, 87, 99

–– strafrechtlicher Besitzbegriff  67, 94, 141 –– unmittelbarer Besitz  61, 68, 86, 141 –– zivilrechtlicher Besitzbegriff  60 Besitz als Zustand  134, 136 Besitzdelikte  27, 102, 124, 294 –– Erscheinungsformen von Besitz­ delikten  97 –– Funktionen von Besitzdelikten  96, 123 –– Strukturprobleme von Besitzdelikten  134 Besitzdiener  81, 87, 88, 103, 224, 305 Besitzen  98, 136, 222, 247 Besitzstrafbarkeit  317 Besitzverbot  102, 301, 304 Besitzverschaffung  187, 189, 193, 200, 244 –– durch Betrachten  200 –– Erfordernis der Neuverschaffung  191 Besitzverschaffungsverbot  198, 304 Besitzwille  65, 100, 206, 221, 226, 239 –– genereller  227 –– Löschen als Indiz gegen  213 Besitzzweck  99, 101, 239 Betäubungsmittel  98 Betrachten  200, 221, 244, 259, 315 Beweiserleichterung  134, 302, 319 Bildschirmanzeige  161, 168, 242, 309 Bildträger  158 Browser-Cache  162, 202, 241 Cachespeicher  24, 162, 174, 180, 185, 324 –– Abgrenzung zum Arbeitsspeicher    162 –– Funktionsweise  162

362 Sachwortregister Darstellerschutz  130, 295 Darstellung  148, 158 Datei  147, 172, 177, 185, 232, 244, 309 Daten  142, 147, 159, 182, 232, 246 –– Abgrenzung  269 –– Begriff  142, 143 Datenherrschaft  147, 244, 245, 257, 264, 273, 306, 312, 320 Datenspeicher  159, 163, 169, 172, 294, 309 Dauerdelikt  102 Dauerhaftigkeit  155, 163, 166, 190, 201, 310, 311, 314 digitaler Besitz  246, 302, 306 Download  177, 180, 210, 284 Drive-by-Download  240 Einziehung  148, 171, 253, 265, 273 Erbenbesitz  63, 88, 305 Erleichterung der Strafverfolgung  124, 132, 301 Festplatte  162, 181 Gegenstände  254, 265, 271 –– Begriffsbestimmung  266 Gewahrsam  68, 70, 76, 83 –– Abgrenzung zum Besitz  76 –– Abgrenzung zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt  80 –– Begriff  70 –– Definition  75 –– faktischer Gewahrsamsbegriff  70, 74, 84 –– faktisch-sozialer Gewahrsamsbegriff  72 –– gestufter Gewahrsam  84 –– Gewahrsamsdiener  82, 84, 263 –– normativ-sozialer Gewahrsamsbegriff  71 –– strafprozessualer  270, 271 –– strafrechtlicher  271

–– Verkehrsanschauung  75 Gewahrsamsdiener  82, 84, 263 Herrschaft  74, 86, 201, 204 Herrschaftsverhältnis  63, 99, 102, 108, 137, 141, 241, 243, 248, 259, 273, 305 Herrschaftswille  88, 99, 108, 207, 212, 243 –– genereller Wille  209 HTTP  177, 180 Internetcafé  243, 304, 313 internetspezifischer Verbreitungsbegriff  254, 274, 279, 287 Jugendschutz  130, 295 kinderpornografische Schriften  98, 104, 130, 133, 146, 156, 222, 226, 251, 308 Konsumstrafbarkeit  316, 319 Körperlichkeitserfordernis  90, 147, 154, 160, 251, 252, 264, 265, 311 Löschen  213, 215, 218, 220, 241, 242 –– Anforderungen an das  218 Markt  33, 131, 224, 293 Marktaustrocknung  103, 192, 295, 319 Marktteilnahme  224, 297 –– des Konsumenten  317 Menschenwürde  130, 296, 300, 302 Mit-sich-führen  110 mittelbarer Besitz  64, 87, 99 Persönlichkeitsrecht –– allgemeines  300 Ransomware  240 Rechtsgut  123, 295, 302 Relativität der Rechtsbegriffe  36, 152, 247, 256, 306 –– intra- und interdisziplinäre Relativität  44 Richtlinie  318

Sachwortregister363 Sachbegriff  91 –– Körperlichkeitserfordernis  93 –– strafrechtlicher  91 –– zivilrechtlicher  91, 92 Sache  61, 91, 267, 270 Schriften  153 –– Definition  153 Schriftenbegriff  148, 149, 156, 161, 172, 174, 259, 308 Schriftenverbreitungstatbestände  156, 174 Schutzzweck  192, 295, 304, 307 strafrechtlicher Gewahrsamsbegriff –– Gewahrsam  81 Suche  233, 239 –– erfolglose  237 –– Vorschaubilder  235 tatsächliche Sachherrschaft  61, 77, 84, 99, 141, 208, 222, 244, 251 Tonträger  158 Trägermedium  292 unmittelbarer Besitz  61, 68, 86, 141 Unterlassungsdelikt  102, 216, 223 –– Zumutbarkeit  232 Unternehmensdelikt  187, 234, 237, 284

Verbreiten   154, 253, 274, 279, 282, 286 –– internetspezifischer Verbreitungs­ begriff  254, 274, 279, 287 Verbreitungsabsicht  155, 156 Verkehrsanschauung  75, 108, 141, 193 Verkörperung  163, 247, 280 Verschaffungszweck  237 Versuch  235 –– Versuchsbeginn  234 Verwendungszusammenhang  40, 41, 55, 250, 255, 259, 260 Vorschaubilder  185, 235, 313 Waffenrecht  105 –– historische Entwicklung  30 Wahrnehmbarkeit  146, 272, 309 Webstreaming  179, 311 wirklichkeitsnahe Darstellung  319 Wortlautauslegung  41 Wortlautgrenze  256 Würdeverletzung  304, 317 zivilrechtlicher Besitzbegriff  60 Zugänglichmachen  242, 275, 279, 283, 289 Zwischenspeicherung  166, 211, 227, 229, 234, 238, 313 –– Kenntnis von der  243, 245