Berliner Großkaufleute und Kapitalisten: Band 1 Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges [[Nachdr.] d. 1. Aufl. Berlin, Gsellius, 1934. Reprint 2019] 9783111617541, 9783111241319


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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
VORWORT
Paul Wallich. Leben und Werk
Zur Einführung
Alt-Berliner Verhältnisse
Die Blankenfelde, Deiche und Wins
Joachim Grieben
Die Lindholz
Tempelhof, Mittelstrass, Matthias
Zugewanderte und Fremde
Die Weiler und ihre Seit
Register
Stammtafeln
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Berliner Großkaufleute und Kapitalisten: Band 1 Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges [[Nachdr.] d. 1. Aufl. Berlin, Gsellius, 1934. Reprint 2019]
 9783111617541, 9783111241319

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VERÖFFENTLICHUNGEN DES

VEREINS FÜR

GESCHICHTE DER MARK BRANDENBURG gegr. 1837

Walter de Gruyter & Co.

vormals G. J. Göschen'sehe Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

Berlin 1967

HUGO RACHEL / JOHANNES PAPRITZ PAUL WALLICH

BERLINER GROSSKAUFLEUTE UND KAPITALISTEN

Erster Band

Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges

Neu herausgegeben, ergänzt und bibliographisch erweitert von Johannes Schultze / Henry C. Wallich / Gerd Heinrich

Walter de Gruyter & Co.

vormals G. J. Göschen"sehe Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer • Karl]. Trübner • Veit & Comp.

Berlin 1967

Die erste Auflage des vorliegenden Bandes erschien im Jahre 1934 als Ver­ öffentlichung des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg im Verlag von Gsellius in Berlin Vereinsveröffentlichungen Band 32, Neudrucke Band 1

© Archiv-Nr. 4779 67/1 Copyright 1967 by Walter de Gruyter öc Co. • vormals G. J. Göschen’sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit 8t Comp. • Printed in Germany • Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der An­ fertigung von Mikrofilmen — auch auszugsweise — vorbehalten.

Satz und Druck: Rotaprint AG., Berlin; Werner Hildebrand, Berlin; Thormann 8c Goetsch, Berlin

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT von Hugo Rachel, Johannes Papritz und Paul Wallich VII PAUL WALLICH. LEBEN UND WERK von Henry C. Wallich IX ZUR EINFÜHRUNG von Johannes Schultze XXXIII ALT-BERLINER VERHÄLTNISSE

Handel und Grundbesitz als Wohlstandsquellen 1 Kreditwesen undDarlehnsgeschäfte im 15. und 16. Jahrhundert 8

DIE BLANKENFELDE, REICHE UND WINS

Vermögen und Schicksale der älteren Blankenfelde und Reiche 21 Handel und Darlehnsgeschäfte bis zum Tode des Kurfürsten Joachim I. Thomas Blankenfelde und seine Söhne 26 • Joachim (II.) und Jhan (II.) Reiche 34

Die Wins 36 Hofdienst und Niedergang seit Kurfürst Joachim II. Johann Blankenfelde 42 • Ausgang der Blankenfelde 50 • Blüte und Niedergang der Reiche 52 • Der letzte (Henning) Reiche 57

JOACHIM GRIEBEN

Familie, Persönlichkeit und Anfänge Griebens 62 Das Salzversorgungsgeschäft Erste Anleihen und Privilegien 69 • Die Drachenfuß und ihr Privileg 75 • Der Griebensche Salzvertrag und der Lüneburger Eibschiffahrtsvertrag 81 Beginn der Salzversiedung 89 • Grieben und die Loitz-Lindholz 94 • Schlechter Fortgang des Unternehmens 101

Geldbedrängnisse und Abrechnungen Erste Zwistigkeit und Verträge mit dem Kurfürsten 105 • Die Geheim­ kunst 112 • Bemühungen um Geldbeschaffung 114 • Abrechnungen mit Jakob Grieben und dem Kurfürsten 119 • Die Städtebürgschaft 126

Liquidation Ende des Salzhandels 130 - Abwicklungsverhandlungen 132 - Neue Nöte 140 • Rückzahlungen des Kurfürsten 143

Griebens nordische Geschäfte 147 Zusammenbruch Neue Schläge und Darlehen 154 • Der Bruch mit dem Kurfürsten 161 • Gefangennahme und Gläubigerkampf in Leipzig 169 • Auslieferung und Abrechnung 174

Inhaltsverzeichnis

VI

Griebens Schulden, Gläubiger und Bürgen 179 Die Gläubiger 181 • Die Bürgen 187 • Neuer Salzhandelsversuch 193

Ende Joachim Griebens und Schicksal der Familie 196

DIE LINDHOLZ Andreas Lindholz’ Darlehen an den Kurfürsten 204 • Lindholz und die Loitze 211 • Grundstückserwerb und Faktorei 215 • Einschreiten gegen Lindholz 218 • Andreas Lindholz’ Ausgang 223 • Die späteren Lindholz 230

Der „Einfall“ vom August 1567 234

TEMPELHOF, MITTELSTRASS, MATTHIAS Tempelhof und Eckart 244 • Hieronymus Tempelhof’s Zusammenbruch 254 • Eckart’s Ausgang 258 • Die Mittelstraß 261 • Thomas Matthias 269

ZUGEWANDERTE UND FREMDE Michel Jude 274 • v. Staupitz 288 • Christoph Frey 294 • Lampert Distelmeier 298 • Lippold 304 - Leonhard Thurneißer 311

DIE WEILER UND IHRE ZEIT Die Häuser Krappe-Weiler und Sturm-Essenbrücher 320 Der Zusammenschluß 324

Geschäfte der Handelshäuser Geschäfte mit dem Kurfürsten 330 • Sonstige Darlehnsgeschäfte 334 • Schuldverpflichtungen der Weiler und Consorten 342 • Sonstige bankmä­ ßige Tätigkeit 350 • Kippereigeschäfte 352 • Immobiliarbesitz 354

Die Handelsherren und ihre Nachkommen 357 Andere Geschäftsleute der Weiler’schen Zeit (Földerich, Fritze, Niclaus-Cassel) 365 Kurfürstliche Faktoren (Scholle, Vossenholl) 373

AUSGANG DER KREDITWIRTSCHAFT IM 30JÄHR. KRIEGE 379 REGISTER 391 STAMMTAFELN 1. Die Blankenfelde 2. Die Reiche (Ryke) 3. Die Grieben

4. Die Lindholz 5. Die Tempelhof 6. Die Weiler (Krappe, Engel)

VORWORT

In dem vorliegenden Werke wird versucht, die kapitalistische Entwicklung Berlins — Großhandel und Unternehmung, Geld- und Darlehnsverkehr — in ihren Erscheinungen und Trägern zur An­ schauung zu bringen. Es sind dabei die Spuren dieser Entwicklung nach rückwärts so weit verfolgt worden, wie sie in den Quellen er­ kennbar werden; da sie im 16. Jahrhundert erst deutlich hervor­ treten, so setzt die zusammenhängende Darstellung auch erst mit dieser Zeit ein. Nach der Gegenwart hin soll nicht über die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinausgegangen werden, in denen Berlin mit dem Entstehen der Großbanken und der Entfaltung seiner Industrie in sein hochkapitalistisches und weltwirtschaftlich orien­ tiertes Zeitalter eingetreten ist. Hier, wo die unmittelbare Verbin­ dung mit der Gegenwart beginnt, ergab sich der natürliche Abschluß für eine rein geschichtliche Arbeit. Der vorliegende erste Band behandelt den Wirtschaftsabschnitt, der mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges ausläuft. Der Band ist im wesentlichen auf archivalischen Quellen aufgebaut und beruht auf der gemeinsamen Arbeit der drei Unterzeichneten. Im einzelnen hat Dr. Rapritz eingehende Vorarbeiten zur Handels- und Familien­ geschichte des 16. Jahrhunderts zur Verfügung gestellt und den großen Abschnitt über Joachim Grieben verfaßt. Dr. Wallich hat neben umfangreicher Materialsammlung und allgemeiner Mitarbeit im besondern die darstellenden Teile über den „Einfall* von 1566, Distelmeier. Lippold. Thurneißer und den Ausgang der Kreditwirt­ schaft geliefert. Im übrigen beruht der Band in Forschung und Dar­ stellung hauptsächlich auf der Arbeit von Dr. Rachel. Für das Entgegenkommen bei der Benutzung des archivalischen Materials danken die Unterzeichneten aufrichtig den Leitern und Beamten des Geheimen Staatsarchivs und des Archivs der branden­ burgischen Provinzial-Verwaltung (Stände-Archiv) zu Berlin, der Staatsarchive zu Danzig und Stettin und des Ratsarchivs zu Leipzig. Wir sprechen ferner dem Vorstande des Vereins für die Geschichte der Mark Brandenburg unseren Dank dafür aus, daß er sich hat

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Vorwort

bereitfinden lassen, das Werk in die Reihe seiner Veröffentlichungen aufzunehmen. Die beiden weiteren Bände, deren zweiter die Zeit bis 1806 und deren dritter die Zeit bis 1856 behandeln sollen, werden voraus­ sichtlich im Laufe der nächsten Jahre erscheinen.

Berlin, im Oktober 1934 Dr. Hugo Rachel, Dr. Johannes Papritz, Dr. Paul Wallich

Die dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin-Dahlem entstammenden Quellen sind nur mit der Aktensignatur angegeben.

HENRY C. WALLICH

Paul Wallich Leben und Werk Das Werk „Berliner Großkaufleute und Kapitalisten“ verdankt seine Entstehung einem langjährigen Interesse Paul Wallichs. Be­ reits vor dem ersten Weltkriege sammelte er dafür Material. In den Jahren bald nach 1920, als ihm klar wurde, daß die notwendige Forschungsarbeit in den Archiven mit anderer vollberuflicher Tä­ tigkeit nicht zu vereinigen war, begann die Zusammenarbeit mit Hugo Rachel1. Auch vorher schon hatte er gelegentlich über Spezial­ themen Untersuchungen durch andere anstellen lassen und auch eigenes veröffentlicht. Johannes Papritz2, dessen Bekanntschaft Ra­ chel und Wallich bei ihren Archivforschungen machten, vereinigte sich mit ihnen zur Zusammenarbeit am ersten Bande. Für die Organisa­ tion dieser Zusammenarbeit sowie der weiteren mit Rachel allein an Band 2 und 3 war Wallich sowohl Unternehmer wie Finanzmann. Inhalt, Umfang und die Ausrichtung der Schilderung mehr auf die Personen als auf die Verhältnisse spiegeln im wesentlichen die Inter­ essen Wallichs wider. Der Umfang des Beitrages der jeweiligen Mit­ arbeiter ist in den Vorworten angegeben. Unter diesen Umständen kann es für den kritischen Leser von In­ teresse sein, näheres über den Urheber des Unternehmens zu wissen. Alle Geschichte wird von einem persönlichen Standpunkt geschrie­ ben. Welche Umstände führten zu Wallichs Interesse an der Ge­ schichte Berliner Großkaufleute und Kapitalisten? Wie hat seine fachliche Vorbereitung als Nationalökonom und seine Tätigkeit als Privatbankier seine historische und wissenschaftliche Einstellung be1 Rachel bearbeitete für die Acta Borrusica die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik Brandenburg-Preußens, 3 Bde., 1911—28. 2 Papritz promovierte 1924 mit einer Dissertation über Die Beziehungen des Bank- und Handelshauses der Loitz zum brandenburgischen Kurhause. Ber­ lin, 1932.

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Henry C. Wallich

einflußt? Welche Wechselwirkung hat, möglicherweise, die intensive Beschäftigung mit der historischen Materie auf seine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt? Das sind Fragen, denen in diesem Vorwort nachgegangen werden soll.

Schul- und Studienzeit

Zum Bankfach kam Paul Wallich durch seinen Vater, Hermann Wallich, der 1833 in Bonn geboren wurde. Auch das historische In­ teresse ist möglicherweise durch den Vater geweckt oder zumindest gefördert worden. Hermann Wallich schrieb seine Memoiren als Sechsundsechzig) ähriger, veröffentlicht im Auszug von der Deut­ schen Bank, deren Vorstande er 1871—94 und deren Aufsichtsrat er bis zu seinem Tode 1928 angehörte. In diesen Memoiren bekundet sich nicht nur ein lebhafter Blick für Zeitereignisse, sondern auch eine gewisse Neigung, wirtschaftliche Fakten wie die Bewegung des Zinsfußes und die Einkommensteuer in historischer Perspektive zu sehen. In seiner aus dem Jahre 1899 stammenden Prognose, daß seine Kinder vielleicht eines Tages durch die Flucht aus Deutschland ihr Leben würden retten müssen, hat Hermann Wallich historischen Weitblick gezeigt. Hans Gehrig, damals Professor der National­ ökonomie in Dresden, berichtet von einem Besuch bei Hermann Wallich im dreiundneunzigsten Lebensjahre, bei dem der alte Herr noch Bemerkungen über die Lektüre von Mommsen und Ranke ge­ macht habe. Noch in anderer Hinsicht dürften die Interessen, die zum vor­ liegenden Buche führten, durch die Lebenserfahrungen des Vaters gefördert worden sein. Der Vater ermöglichte Paul Wallich eine ganz ungewöhnliche und sehr lange dauernde Vorbereitung auf den Bankiersberuf, über die noch zu sprechen sein wird. Persönliche Be­ ziehungen zu Bankiers und Bankiersfamilien spielten in derselben eine bedeutende Rolle. Der Vater hatte den Wert einer guten Er­ ziehung und bis zu einem gewissen Grade den Wert guter Beziehun­ gen an sich selbst erfahren. In sehr bescheidenen Verhältnissen aus­ gewachsen, wurde ihm durch erfolgreiche Brüder seiner frühver­ storbenen Mutter, trotz des ständigen Rückganges des kleinen Fami­ lienbetriebes, eine Erziehung im Internat des Kortegarnschen In­ stituts in Bonn ermöglicht. Später war er lange Jahre in den Bank­ häusern zweier Verwandten tätig, begann jedoch seine eigentliche

Paul Wallich. Leben und Werk

XI

Karriere erst, nachdem er diese verlassen hatte. Solche Erfahrungen dürften für den Erziehungsgang, den er dem Sohn zukommen ließ, eine Rolle gespielt haben. Auch auf Paul Wallichs geschäftliche Prinzipien, die sich natur­ gemäß auf die Beurteilung der in diesem Buche geschilderten Finanz­ operationen aus wirkten, dürfte die große Autorität des Vaters ein­ gewirkt haben. Der alte Hermann Wallich war ein sehr konserva­ tiver, der Spekulation abgeneigter, aber äußerst rühriger Bankier. „Das Gewissen der Deutschen Bank" nannte ihn sein viel risiko­ freudigerer Kollege Georg von Siemens. Weil ihm Siemens’ große Projekte zu gewagt erschienen, zog er sich schon sechzigjährig aus dem Vorstand der Deutschen Bank zurück. Seine Vermögensanlagen bestanden weitgehend in solidesten festverzinslichen Werten; Aktien betrachtete er als spekulativ. Dreißig Jahre später, als Teilhaber von J. Dreyfus & Co., konnte Paul Wallich nicht ganz die gleiche Bankpolitik betreiben wie sein Vater. Aber er hatte die gleiche Überzeugung, daß der Kern des Bankgeschäftes in der Gewährung kurzfristiger Kredite bestehe, eine Einstellung, die sich viel mehr dem angelsächsischen Begriff des commercial banking nähert, als dem kontinentalen der Universalbank. Dies väterliche Erbteil machte sich naturgemäß erst viel später geltend. Zunächst war wesentlich der elterliche Entschluß, Paul Wallich nicht in Berlin das Abitur machen zu lassen, wo man un­ günstige Einflüsse des üppigen Milieus befürchtete. So kam er im Jahre 1897, auf Anraten des väterlichen Kollegen Roland-Lücke, als Fünfzehnjähriger in die Untersekunda des bekannten humani­ stischen Gymnasium Schulpforta bei Naumburg an der Saale. Die Interessen, Freundschaften und Einflüsse, die dort entstan­ den, haben Paul Wallich sein Leben lang begleitet. Obwohl nicht besonders auf das Historische hinzielend, haben sie zweifellos eine Wirkung auf das Buch ausgeübt. In Schulpforta fand Wallich ein intensives intellektuelles Milieu, keineswegs besonders preußisch orientiert, auch finanziell durchaus bescheiden. In seinen Schulauf­ gaben zeigte er eine gewisse mathematische Begabung, aber sein Hauptinteresse galt der zeitgenössischen Literatur. Mit Geld gut versehen, konnte er schon als Gymnasiast den Grundstock zu einer Buchsammlung legen, die später erheblichen Umfang annahm. „Erstausgaben zweitklassiger Autoren" nannte er nicht ganz zutref­ fend sein Sammelprinzip. Scharfe literarische Urteile machten ihn

XII

Henry C. Wallich

bei seinen Lehrern nicht unbedingt beliebt — wie etwa über Richard Dehmel als „reif für die Gartenlaube“. Auch die Neigung zu einer gewissen Unabhängigkeit in der Le­ bensführung meldete sich an. So beteiligte er sich zwar an den häufi­ gen Bierkommersen — er gehörte zu dem in Almerich verkehrenden Gros der Prima, nicht zu der sich als vornehmer absondernden Klique, der zumeist Extraner angehörten, die, wie auch er, in Pen­ sion bei einem Lehrer waren, und deren Stammlokal der „Mutige Ritter“ in Kosen war —, trank jedoch aus dem Tonseidel Milch. Seine Kameraden ließen es ihm durchgehen. Gleichzeitig bekam er von seiner sehr energischen Mutter immer noch detaillierte Verhal­ tensmaßregeln, wie etwa, an welchem Platz des Eisenbahnabteils er sich bei der Heimfahrt zu setzen habe. Aus den in Schulpforta geförderten Interessen ergab sich ein erster Entschluß, Philosophie zu studieren. Die Eltern, und beson­ ders die Mutter, waren nicht restlos begeistert von der brotlosen Gelehrtenkarriere, die sich hiermit anzubahnen schien. Die wissen­ schaftliche und literarische Veranlagung jedoch und die Mittel des Vaters ließen eine solche Laufbahn passend und finanziell nicht zu drückend erscheinen. Er begann, nach bestandener Abiturientenprüfung im März 1901, das Studium in Freiburg, wo er, gut empfohlen, als erstes Semester bereits Zulassung zu dem Seminar des Philosophen Heinrich Rickert fand, an dem er mit größtem Eifer teilnahm. Daneben hörte er Schulze-Gävernitz über theoretische Nationalökonomie. Diese Ma­ terie bezeichnete er als „unverständlich“ und gab den Besuch der Vorlesung nach einem halben Semester auf. Es folgten zwei Seme­ ster in Berlin, wo Wallich unter anderen Simmel hörte. Dann kam das Militärjahr, bei den Königsjägern zu Pferde in Posen, während dessen er sich intensiv und erfolgreich bemühte, Reserve-Offizier zu werden. Der Militärdienst dämpfte das Interesse für die Philosophie, und die Aussicht auf den Reserveleutnant machte ihm klar, daß er sich vernünftigerweise um eine angesehene und einträgliche Stellung be­ mühen sollte. Unter mütterlichem Drängen kam ihm der Entschluß — in einer Droschke auf der Leipziger Straße, wie er erzählte —, Bankier zu werden. In konzentriertester Form arbeitete er nun auf den Doktor der Nationalökonomie hin. Ein Semester lang hörte er Schmollet über

Paul Wallich. Leben und Werk

XIII

Wirtschaftsgeschichte und Adolph Wagner über Finanzwissenschaft. Schmollet gefiel ihm nicht. Es fehlten die großen Zusammenfassun­ gen und die entschiedenen Stellungnahmen, das regelnde System. Jedoch beeindruckte ihn die Darstellung von Friedrichs des Großen Einrichtung der Seidenmanufaktur in Schlesien. Bei Adolph Wagner spürte er eine verwandte Ader in der theoretischen, systematisieren­ den Darstellung. Auch schätzte er die Bereitwilligkeit des siebzig­ jährigen Gelehrten, selbst mit jüngeren Studenten auf gleichem Fuße zu debattieren. Später hat sich Wallichs Einstellung geändert. Die „Berliner Großkaufleute und Kapitalisten" atmen mehr vom Geiste Schmollers als Wagners. Während er diese Kollegs besuchte und bevor er noch in National­ ökonomie weit vorgedrungen war, begann er seine Doktorarbeit. Um ein Thema auszuwählen, wurde der zufällig seinem Vater be­ kannte Professor Warschauer von der Technischen Hochschule Charlottenburg ausgesucht, der ein Buch über „Physiologie des deutschen Bankwesens“ geschrieben hatte. Dieser empfahl ein Thema über die Finanzen Friedrichs des Großen und ein zweites über Kon­ zentration im Bankwesen. Wieder im Gegensatz zu seinen späteren Interessen wählte Wallich das zweite. Im Laufe eines halben Jahres brachte er ein Manuskript zustande, weitgehend beruhend auf intensiven Forschungen im Archiv der Deutschen Bank, aber gestützt mehr auf die im Gymnasium erwor­ bene Schulung des systematischen Denkens als auf volkswirtschaft­ liche Kenntnisse. Selber meinte er, mit charakteristischer Herab­ setzung der eigenen Leistung, daß seiner statistischen und klassifi­ zierenden Darstellung eine Analyse der Ursachen und der wirt­ schaftlichen Folgen der Bankenkonzentration fehle. Das Motto der Arbeit sei: „Es ist keine Kunst, etwas zu leisten, wenn man etwas kann.“ Zwei Semester waren noch zu absolvieren. Halle kam in Frage, wo der namhafte Professor Conrad bereit war, ihn in zwei Seme­ stern mit seinem Konzentrationsthema promovieren zu lassen. Schließlich fiel aber die Wahl auf München, wo das Jahr gemeinsam mit Friedel von Koch absolviert werden sollte, dem Sohne eines Kollegen des Vaters bei der Deutschen Bank. Während der zwei Semester, die Wallich in München verbrachte, hörte er bei Lujo Brentano Wirtschaftsgeschichte und Wirtschafts­ politik und bei Lotz Bank- und Börsenwesen. Brentano beeindruckte

XIV

Henry C. Wallich

durch Brillanz, aber der Geistreichtum schien Wallich manchmal schlecht fundiert. Lotz sprach über Dinge, die er tatsächlich be­ herrschte, aber seine Vorlesungen hatten den Nachteil, nicht inter­ essant zu sein. Der Schwerpunkt des Münchener Studiums lag für Wallich im Brentano-Lotzsdien Seminar. Hier trug er gleich zu An­ fang sein Dissertationsthema vor, und zwar den theoretischen, syste­ matisierenden Teil. Brentano war anerkennend. Lotz, der für dies Thema entscheidend war, erklärte zunächst das Vorgetragene als untauglich für die Wissenschaft im allgemeinen und für eine Dok­ torarbeit im besonderen. Die historische Darstellung des Stoffes fehle. Auf Wallichs Antwort, auch diese sei vorhanden, wurde ihn auferlegt, diese im folgenden Semester zum Vortrag zu bringen. Im Laufe des Seminars bewirkte dann ein leiser, dauernder Druck von Lotz, daß der theoretische Teil fast ganz aus der Dissertation verschwand. Nur ein Kapitel davon verblieb, welches Wallich zunächst für den besten Teil des Werkes hielt. Später kam er zu dem Schluß, daß es der „wertloseste“ Bestandteil der Dissertation sei. Die Wandlung im Urteil trägt bei zum Verständnis der Methode der „Berliner Großkaufleute und Kapitalisten“, wo jegliche Theo­ rie streng verbannt bleibt. Um Brentano, Lotz und ihre Assistenten sammelte sich auch ein geselliger Kreis. Bei Lotz blieb der Hausherr gewöhnlich bei seinen Fachinteressen, und Wallich bemerkte, daß die Unterhaltung zwan­ zig Minuten nach dem Essen in die Brüche ging. Der Hausherr löste das Problem, indem er sich ans Klavier setzte und klassische Musik spielte — eine beachtliche Fähigkeit, die bei Wallich leider nicht auf gebührendes Verständnis stieß. Bei Brentano war die Gesellschaft bunter und die Konversation lebhafter. Bei Halpern, einem von Brentanos Assistenten, traf Wallich außer anderen auch die Tochter von Georg Friedrich Knapp, die spätere Frau des Bundespräsiden ten Theodor Heuss. Wallichs durch einen Brief erhalten gebliebene Beschreibung sei­ ner Doktorprüfung, die er summa cum laude bestand, ist wiederum charakteristisch für seine Tendenz, eigene Leistungen ironisierend zu verkleinern. Es sei in München die Regel gewesen, den Professor der Statistik am Tage vor dem Examen zu fragen, worin er prüfen wollte. Wallich begnügte sich damit, ihm vorher zu versichern, er sei in examinibus gewöhnlich sehr nervös. „Tags darauf fragte er mich bei der Prüfung zunächst, was eine Sterbetafel sei. Ich wußte

Paul Wallich. Leben und Werk

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es nicht und hatte das Examen in Statistik bestanden. Lotz und Brentano machten es nicht viel schwerer. In der Tat verließ ich, nachdem die fürs Examen eingepaukten, auf die prüfenden Lehrer zugeschnittenen Bruchstücke vergessen waren, die Universität ohne mehr nationalökonomische Kenntnisse als ein gebildeter Mensch ohne fachwissenschaftliche Vorbildung." Tatsächlich hatte Wallich zwar eine recht unsystematische, aber auf manchen Gebieten doch intensive Schulung erfahren. Seine Dissertation wurde vor dem ersten Weltkriege, zusammen mit der seines Freundes und Studien­ kollegen Otto Jeidels über Beziehungen zwischen Großbanken und Industrie, in einschlägigen Seminaren als Literatur benutzt.

Eine erste Auswertung seiner Doktorarbeit wurde Wallich ermög­ licht, als er während einer kurzen Volontärstätigkeit an der Deut­ schen Überseeischen Bank vom „Verein der Bankbeamten in Berlin" aufgefordert wurde, an der Fachschule des Vereins einen Zyklus von Vorträgen über Geschichte des Bankwesens in Deutschland zu halten. Für die Zeit nach 1850 war das nötige Material in der Dis­ sertation vorhanden. Bei der Präparation über die vorhergehenden Jahrhunderte kam er zum ersten Male intensiv mit dem Thema der Großkaufleute und Kapitalisten in Berührung. Da er sehr schnell arbeiten mußte, half er sich aus mit Büchern aus seiner soeben be­ gonnenen Sammlung von Schriften über Reichtum und Geld. Das historische Material teilte er, seiner damaligen systematisierenden Tendenz folgend, in zeitliche Perioden und lokale Entwicklungen ein. Die Vortragsserie, über die Paul Wallich später unnötig un­ barmherzig urteilte, wurde 1906 in einer Ausgabe von dreißig Stück „Nur für Freunde“ auf Büttenpapier gedruckt. Lotz, dem ein Exem­ plar verehrt worden war, dankte mit der Bemerkung, daß ihm „vor allem die Ausstattung" gefallen habe. Volontärjähre Die fünf seinem Studium folgenden Jahre verbrachte Wallich als Volontär in einer Reihe von befreundeten Privatbanken und Han­ delshäusern. Diese langwierige Vorbereitung auf den Bankiersberuf sollte die Schwierigkeit lösen helfen, welche darin bestand, daß der Vater zwar mancherlei Beziehungen, aber kein eigenes Geschäft be­ saß, in dem ihm der Sohn hätte nachfolgen können. Daß die alter-

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Henry C. Wallich

native Möglichkeit, in einer festen Anstellung durch Tüchtigkeit und Beziehungen Karriere zu machen, als weniger aussichtsreich aus­ geschaltet wurde, ist nicht ohne Bedeutung für Wallichs Buch geblie­ ben. Fünf Jahre lang bewegte er sich nun unter Großkaufleuten und Kapitalisten, lernte manches über die Entwicklung von Unterneh­ men und die Fähigkeiten ihrer Leiter und konnte sich somit eine ganz andere Urteilsfähigkeit erwerben, als er es aus der „Froschper­ spektiveeiner Anfängerstellung hätte tun können.

Allerdings erforderte die erfolgreiche Ausnutzung einer Volon­ tärexistenz erhebliche Anstrengung und Geschicklichkeit. Der Ideal­ fall, den Wallich suchte, war selten: ein Chef, der den jungen Mann in die großen Linien des Geschäftes ein weihte und ihn gleichzeitig in jedem der wichtigsten Büros kurz arbeiten ließ. Häufiger geschah es, daß der oder die Chefs kein persönliches Interesse nahmen oder auch positiv zu verhindern suchten, daß der Volontär Geschäfts­ geheimnisse erfuhr, die er eines Tages in Konkurrenz mit ihnen aus­ nutzen oder zumindest der väterlichen Bank zugänglich machen konnte. Unmittelbare Vorgesetzte und Kollegen hatten kein beson­ deres Interesse, einen Neuling anzulernen, den sie vielleicht nicht als seriös ansahen und der auf alle Fälle binnen kurzem weiterversetzt werden würde. Anderen bei der Arbeit zuzusehen, anstatt sie selber zu machen, ist bekanntlich sowohl weniger lehrreich als auch erheb­ lich ermüdender. Wenn der Volontär im Büro fehlte, so fehlte im Grunde niemand. Gegen mancherlei Ablenkung mußte angekämpft werden. Noma­ disierende Volontäre verkehrten zum guten Teil mit anderen Vo­ lontären. Bei gut finanzierten jungen Leuten ergaben sich leicht Zeit­ vertreibe, die das Geschäftliche nicht förderten. Paul Wallichs erste Station als Volontär war das alte Handels­ haus Gebrüder öttling in Hamburg. Hier sah er ein wohletablier­ tes, aber nicht mehr dynamisches Unternehmen, welches, dem Zug der Zeit folgend, sich von dem zurückgehenden Import auf den Export umzustellen suchte. Er erlernte die Bürotechnik dieser Bran­ chen, bekam aber nur wenig Einblick in die Faktoren, die über den Erfolg eines solchen Unternehmens entscheiden. Durch einen Freund, Julius vom Rath, bekam er Anschluß an die Hamburger Gesellschaft. Er gestattete sich in dieser Hinsicht Ambi­ tionen — mit dem Erfolg, daß er nach neun Monaten in einen ex-

Paul Wallich. Leben und Werk

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klusiven Hamburger Klub ausgenommen wurde, zu dem nicht ein­ mal seine Chefs Zutritt gefunden hatten. Aber diese Neigungen brachten auch Rückschläge, und für die Zukunft dienten ihm die Hamburger Erfahrungen eher als Warnung vor gesellschaftlichem Ehrgeiz. Ein Mangel an wirklichem Interesse an dem Treiben dieser Kreise mehr als, wie er gelegentlich meinte, seine Schüchternheit, sein nicht genügend imposantes Äußeres oder seine Eigenschaft als Nichttänzer dürften ihn in späteren Jahren von allzuvieler Gesellig­ keit abgehalten und dürften ihm damit die Stunden für wesentlichere Interessen verschafft haben. In diese Zeit fiel auch seine Wahl zum Reserve-Offizier. Diese Ambition hat, wie bei vielen jüngeren Leu­ ten der Zeit, eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Ihr zuliebe ritt er, nach erfolgter Wahl, Hindernisrennen in Posen, von denen er eines gegen den bekannten Schmidt-Pauli, vom gleichen Regiment, gewann. Auch in Travemünde ritt er, während seiner Hamburger Zeit, ein Rennen, welches allerdings seinem alten Vollblut-Fuchs zum Verhängnis wurde. Nach Hamburg und nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in der Deutschen Überseeischen Bank kam er nach London zu Speyer Brothers, wo er sein erfolgreichstes Volontärjahr verbrachte. Hier lernte er eines der führenden Emissionshäuser der Welt kennen. Durch große Zähigkeit seinem Chef Sir Edgar Speyer gegenüber brachte er es dahin, aus dem weniger interessanten laufenden Ge­ schäft überzuwechseln in das Konsortialbüro. Schließlich durfte er mitarbeiten an einem großen Geschäft, das für die Firma Speyer von schwerwiegender Bedeutung war und äußerst geheim gehalten wurde: die Sanierung einer notleidenden Emission der Londoner Untergrundbahn, die Speyers ursprünglich herausgebracht hatten. Beim Fortgang wurde ihm eine feste Stellung angeboten, und vier Jahre später, bevor er Direktor der Berliner Handelsgesellschaft wurde, bot ihm Sir Edgar Speyer an, Teilhaber in seinem Hause zu werden.

Auf eine kurze Tätigkeit bei der Londoner Filiale der Deutschen Bank folgten drei Monate in Paris bei Gaben d’Anvers & Co. Mit den Inhabern dieses Hauses war die Familie Wallich entfernt ver­ wandt; der Vater hatte fast sechzig Jahre früher dort lange Zeit gearbeitet. Hier sah Wallich, wie ein altes und sehr reiches Bank­ haus unter stabilen Verhältnissen sich mit einem Minimum von Ini-

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Henry C. Wallich

tiative behaupten kann und langsam zur Vermögensverwaltung wird. Geschäftlich zu lernen war wenig, und auch persönlich ist Paul Wallich in Paris nicht ganz warm geworden.

Ein weiteres Jahr arbeitete er in New York bei Goldman, Sachs & Co. Hier lernte er ein energisch geführtes großes Bankgeschäft kennen, das viele finanzielle Spezialitäten zu bieten hatte. Aller­ dings gelang es ihm nicht, wie sein Vater gehofft hatte, eine so regu­ läre Tätigkeit im Betrieb für sich aufzubauen wie in London. In den USA aber begann er zum ersten Male, sich intensiv für die Wirt­ schaft des Landes zu interessieren. Zusammen mit Otto Jeidels, mit dem er schon von den Studienzeiten her befreundet war, unternahm er eine Reise durch die Südstaaten zur Besichtigung von Industrieund anderen Betrieben. In New York gewann er sich einen Freun­ deskreis, der nun schon zum Teil aus erfolgreichen jüngeren Ban­ kiers und weniger aus Volontären bestand. Den Schluß des Aufent­ halts in den USA bildete eine Reise nach dem Westen, die dem ge­ nauen Studium des amerikanischen Eisenbahnwesens dienen sollte. Sie wurde von dem langjährigen Vertrauensmann der Deutschen Bank in New York, Edward D. Adams, in gut gemeinter, aber üb­ liche Verhältnisse weit übersteigender Form organisiert. Ein ehe­ maliger Chefingenieur der New Haven Railroad wurde als Cice­ rone engagiert, besondere Karten wurden angefertigt, ein nachfol­ gender längerer Aufenthalt als Privatschüler eines Professors der Betriebswissenschaft in Aussicht genommen. Nach den ersten Statio­ nen verbreitete sich bei den Eisenbahngesellschaften das Gerücht, Wallich reise im Auftrag der Deutschen Bank, um Finanzierungs­ möglichkeiten zu sondieren, worauf fast durchweg Privatwagen ge­ stellt wurden. So durchquerte man besonders den Westen verschie­ dene Male auf immer neuen Bahnen. Da Wallichs spätere Beziehun­ gen zu den Vereinigten Staaten geldsuchender statt geldgebender Natur waren, haben die spezifischen Erkenntnisse dieser Reise kei­ nen besonderen Nutzen getragen. Aber die wirtschaftliche Kapazität der USA wurde ihm genügend klar, so daß er nach dem Eintritt Amerikas in den ersten Weltkrieg den Ausgang klar voraussah. Es folgte eine Reise durch die Hauptländer Südamerikas, für die Wallichs Vater als Mitbegründer der Deutschen Überseeischen Bank viel getan hatte, ohne sie je zu besuchen. Anfang 1910 kam damit das Volontärdasein zu seinem Ende.

Paul Wallich. Leben und Werk

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Bankier vor dem Ersten Weltkrieg

Nun mußte sich zeigen, ob diese langwierige berufliche Vorberei­ tung, deren Kosten Wallich seinem Vater gegenüber auf 250 000 Mark schätzte, den erhofften Erfolg bringen würde. Bei der Deut­ schen Bank, zu der Hermann Wallich seinen Sohn zunächst führte, wurde Prokura angeboten, aber nicht die gewünschte Stellung als Stellvertretender Direktor. Auch die Zusicherung, diese in abseh­ barer Zeit zu gewähren, konnte nicht fest gegeben werden, obgleich die Aussichten nicht ungünstig erschienen. Carl Fürstenberg, mit dem Hermann Wallich befreundet war, bot bei der Berliner Handelsge­ sellschaft die entsprechende Zusicherung an. Obgleich man wußte, daß mit dem erfolgreichen Fürstenberg nicht leicht zusammenzuar­ beiten war, ging Paul Wallich zur Berliner Handelsgesellschaft. Dank intensiver Arbeit, verbunden mit glücklichen Umständen, rückte Wallich bei der BHG in drei Jahren über den versprochenen Posten hinaus zum Geschäftsinhaber der Bank auf. Mit einund­ dreißig Jahren war dies eine ungewöhnliche Karriere. Jedoch brachte sie ihn, wie er befürchtet hatte, auch in Situationen, wo Konflikte mit Fürstenberg schwer zu vermeiden waren. Die BHG war eine Großbank und als solche ein für Wallich bis­ her ungewohnter Unternehmungstyp. Aber da die überragende Er­ scheinung Fürstenbergs die Bank durchaus beherrschte, sah Wallich auch hier wieder eine Unternehmung geprägt von einer Persönlich­ keit. Seine Arbeit allerdings war hauptsächlich Kleinarbeit, da er dem laufenden Kontokorrentgeschäft der Bank vorstand und täg­ lich 2000 Stück Postsachen durchsah, deren wesentlichen Inhalt er kennen mußte. Aber er vertrat auch die BHG in Verhandlungen mit anderen Berliner Banken, wo Kredit und andere Konditionen aus­ gehandelt wurden. Hier kam er mit den führenden Berliner Ban­ kiers zusammen und wieder zeigte es sich, daß sein Interesse weniger dem Detail der zu verhandelnden Sache galt als der Person des Unternehmers und seinem Verhältnis zu dem Unternehmen. Es ist das gleiche Interesse, das sich in den „Großkaufleuten und Kapita­ listen" ausprägt. Andere Schriften

Zum Abschluß der Vorkriegserfahrungen Wallichs sind einige Schriften zu erwähnen, die teilweise den „Großkaufleuten" recht 2 a*

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Henry C. Wallich

fern standen. Einmal handelt es sich um verschiedene kleine Gedicht­ bände, von denen einige — entsprechend Ort und Zeit ihrer Ent­ stehung — Münchener Sommerverse, Hamburger Winterverse, Lon­ doner Lenzverse und Pariser Frühlingsverse benannt waren. Wallich besaß dichterisches Talent, das in der Finanzsprache der „Groß­ kaufleute“ kaum zum Ausdruck kommt. Jedoch war seine Muse weniger lyrischer als satirischer Art. Die kurzen, sehr eingängigen Gedichte haben zumeist einen ironischen, manchmal melancholi­ schen, fast immer einen selbstpersiflierenden Ton. Das folgende ist charakteristisch: T out Comme Chez Vous

Trüber Westwind, Regenlachen, Deinen Schirm spannst Du vergebens, Alte Zweifel neu erwachen, Ob das Leben wert des Lebens. Weise, wer, anstatt zu klagen, Sich mit halbem Trost bescheidet, Daß man im Mercedeswagen Unter gleichem Zweifel leidet.

Wallich gab sich mit Druck und Einband — einseitig auf Bütten­ papier in Pergament — große Mühe. Er verschenkte sie restlos an seine männlichen Freunde, — der Inhalt war stellenweise nicht un­ bedingt für den Familienkreis geeignet.

Sodann hatte er, schon während der Studienzeit, zusammen mit seinem Pfortaer Freunde Johannes Schultze, einem gemeinsamen historischen Interesse folgend, Ahnenforschung getrieben. Schultze hat die wissenschaftlichen Resultate dieser Arbeit veröffentlicht3 und damit die Hauptarbeit geleistet. Wallich verarbeitete den Stoff in Form einer Serie von Ahnenbildern. Schließlich ist ein längerer Artikel »Beiträge zur Geschichte des Zinsfußes“ zu erwähnen4. Die Darstellung ist, den Anforderungen des Verlegers und mehr noch der Schulung des Autors entsprechend, un theoretisch. 3 Vgl. das Quellen- und Literaturverzeichnis in Bd. 3 unter Schultze. 4 Beiträge zur Geschichte des Zinsfußes. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Dritte Folge, Band 19.

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Kriegsdienst

Während seines Aufenthaltes im Felde blieb Wallich haftender Gesellschafter der Berliner Handelsgesellschaft. Er fühlte sich also berechtigt und verpflichtet, über gewisse die Bank betreffende Fra­ gen, und besonders ihre Bilanzen, seine Meinung zu äußern. Die hieraus entstehende Kritik verschärfte die Entfremdung von Für­ stenberg. Zu dieser Zeit handelte es sich für ihn darum, über seine militä­ rische Zukunft eine Entscheidung zu treffen. Die Tätigkeit als Ritt­ meister bei der Kolonne mit ihren hohen körperlichen und morali­ schen Anforderungen, bei geringer geistiger Anregung und militäri­ scher Anerkennung, erweckte Überdruß. Der Versuch, an einen Frontstab versetzt zu werden, mißlang. So blieb die Möglichkeit, eine Infanteriekompagnie zu übernehmen, wozu ein kurzer Kursus nötig gewesen wäre, oder in eine Behörde überzuwechseln. Ersteres schien ihm das ehrenvollere, traf aber auf starken Familien wider­ stand. Deswegen, und vielleicht mehr, wie er sagte, wegen der „Un­ bequemlichkeit des Schützengrabens“ als aus Sorge um sein Leben, entschloß er sich für eine Behörde. Zur Wahl standen ein Posten in Lille und ein zweiter beim Ingenieur Comite in Berlin. Wallich ent­ schloß sich zum Ingenieur Comite.

Privatbankier Zu der Spannung mit Fürstenberg kam inzwischen das Vorwärts­ drängen anderer Kräfte innerhalb der BHG. Seine Funktionen, während seiner Abwesenheit notwendigerweise an andere verteilt, wuchsen diesen fest zu. Ohne Stützung seitens Fürstenbergs ging es ihm wie vielen anderen vor ihm, die Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft gewesen waren, — er verließ die Bank.

Nach Kriegsende und nach der Teilnahme an den militärischen Maßnahmen gegen die Revolution in Berlin mußte er sich eine neue Existenz aufbauen. Die Situation war nicht einfach. Ein ehemaliger Inhaber der BHG konnte nicht jede beliebige Stellung annehmen. Seinen Lebensstil wollte er nicht wechseln. So behielt er die Woh-

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nung in Berlin und das Haus in Potsdam bei. „Wenn der Privatban­ kier zeigt, daß er nichts mehr hat, kommt keiner mehr zu ihm", sagte er einmal. Bei der Deutschen Bank, wo früher Aussichten be­ standen hätten, waren diese unter den neuen, beschränkteren Um­ ständen verbaut. So ergab sich als die naheliegendste Lösung der Anschluß an ein Bankgeschäft. Im Herbst 1919 liierte er sich mit der Frankfurter Firma J. Dreyfus & Co. Wallich kannte den Hauptinhaber des Geschäftes, den um zwei Jahre jüngeren Willy Dreyfus, seit seinen Londoner Volon­ tärstagen. Dem kurz vorher eingetretenen Fritz Fiersheim war er durch seine Doktorarbeit bekannt. Hand in Hand mit der Asso­ ziierung vollzog sich die Übernahme der alten Berliner Firma S. L. Landsberger, von der Kurt und Robert Landsberg als persön­ lich haftende Gesellschafter bei J. Dreyfus & Co. eintraten. Mit der Assoziierung wurde das Ziel verfolgt, dem Frankfurter Hause die großen Möglichkeiten zu eröffnen, die der Berliner Platz bot, wel­ cher Frankfurt längst überholt hatte. Davon unabhängig konnte auf den Traditionen der Firmen Dreyfus und Landsberger fußend, ein großes eigenständiges Wirken entfaltet werden. Diese Aufgabe empfand Wallich als höchst reizvoll. Einerseits glaubte er, daß der Sinn des Bankierberufs nicht nur im Geldverdie­ nen liege, sondern ganz wesentlich in der konstruktiven Leistung für das Gemeinwohl. Diesem Zweck diente der Aufbau von etwas Neuem mehr als der routinemäßige Betrieb einer Großbank. So­ dann besaß er eine Art höflicher Geringschätzung für die Tätigkeit eines Großbankdirektors, wie er es gewesen war, im Vergleich zu der des Inhabers eines eigenen Geschäftes. „Alle guten Geschäfte werden dem Großbankdirektor ins Haus gebracht, er braucht nur zu warten. Nur was dieser ablehnt, kommt zum Privatbankier. Gute Geschäfte muß der Privatbankier sich selber schaffen." Zu die­ ser Art der Tätigkeit sollte er reichlich Gelegenheit haben. Zunächst kamen vier schwierige Inflationsjähre, zu deren Bewälti­ gung weder seine geschichtlichen noch seine geschäftlichen Studien viel halfen. Es ist eine bekannte Tatsache, daß das Wesen der Infla­ tion nach dem ersten Kriege auch von vielen Finanzleuten erst spät erkannt wurde. Das Steigen der Preise wurde weitgehend als Knappheitserscheinung erklärt, d. h. von der Seite der Güter statt der des Geldes her. Tatsächlich war auch das Güterangebot vermin­ dert, aber in viel geringerem Grade als die Geldmenge sich erhöht

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hatte. Das Steigen des Dollarkurses wurde mit der passiven Zah­ lungsbilanz erklärt, die teilweise durch Reparationen hervorgerufen worden sei. Der Glaube an die Stabilität der Währung war derart eingewurzelt, daß man noch eine Rückkehr zur ursprünglichen Goldparität erwartete, als der Dollar schon auf RM 50,— und mehr gestiegen war. Als historisches Vorbild bot sich der Dollar selbst an, der während des amerikanischen Bürgerkrieges um etwa fünfzig Prozent gefallen war und danach doch wieder zur Parität aufgestie­ gen war. Südamerikanische Erfahrungen, die besonders dem alten Hermann Wallich nahe lagen, betrachtete man offenbar als für Deutschland unmaßgeblich. Ebenso scheint die deutsche Nationalökonomie der Vorkriegszeit, als Wallich studierte, den berühmten Bullion Report aus dem Jahre 1810 den Studenten nicht nähergebracht zu haben. Im Bullion Re­ port handelt es sich um die Erklärung des Sinkens des Pfundkurses während der napoleonischen Kriege. Ganz wie in Deutschland nach dem ersten Weltkriege, wurde diese Tendenz — in den der Bank von England nahestehenden Kreisen — weitgehend durch die pas­ sive Zahlungsbilanz erklärt, hervorgerufen durch Subsidienzahlung. Die Verfasser des Bullion Report legten dagegen dar, daß das Sin­ ken des Pfundkurses durch übermäßige Schöpfung von Zahlungs­ mitteln seitens der Bank von England verursacht wurde, nachdem die Goldkonvertibilität des Pfundes aufgehoben worden war. Aus der Bekanntschaft mit der preußischen Wirtschaftsgeschichte waren derartige Erkenntnisse vermutlich nicht leicht zu schöpfen. Aber abgesehen vom Zeitpunkt des Erfassens dieser Zusammen­ hänge, fiel es Wallich nicht leicht, sich und seine Firma gegen die Inflation zu verteidigen. Die hierzu erforderlichen Maßnahmen entsprachen insofern nicht seinem Empfinden von der konstrukti­ ven Rolle des Bankiers, als sie im wesentlichen darin bestanden, sich in Mark zu verschulden und Dollars, Aktien oder Grundbesitz zu kaufen. Zum guten Teil dank der Geschicklichkeit von Willy Dreyfus kam jedoch die Firma einigermaßen wohlbehalten durch die Inflation, an deren Ende „unser Kapital plötzlich auf dem Gewinn­ konto stand“, wie sein Sozius Fiersheim es ausdrückte. Nach der Inflation kam die Periode des Aufbaus. Für die Firma war es eine jener Perioden raschen Erfolges, wie Wallich sie bei einigen in diesem Buche genannten Häusern darstellt. Das Geschäft weitete sich nach allen Seiten. Als Mitglied der Stempelvereinigung,

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d. h. der zwölf Banken, die Zugang zum Privatdiskontmarkt und damit zu besonders günstigen Kreditbedingungen bei der Reichs­ bank hatten, stand die Firma in Hinsicht auf Bonität, wenn auch nicht auf Geschäftsumfang oder gar Kapitalkraft, in einer Linie mit den ersten Banken Deutschlands. Innerhalb dieses Rahmens bemühte sich Wallich besonders um das Kreditgeschäft und um das Konsor­ tialgeschäft. Die Börse lag ihm weniger, und er war wohl mit Recht der Meinung, daß ihm für Aktien das Fingerspitzengefühl abgehe. Verschiedene Reisen nach den Vereinigten Staaten wurden unter­ nommen, davon die erste bereits 1920. Die früher aufgebauten Be­ ziehungen erwiesen sich als nützlich. Die Firma J. Dreyfus & Co. hatte fast überall Zugang. Kreditfazilitäten wurden geschaffen, größere Kredite unter Selbstbeteiligung bei amerikanischen Banken plaziert, Emissionen untergebracht. Audi in London war Wallich besonders gern, den guten Erfahrungen seiner Volontärzeit ent­ sprechend, weniger gern dagegen in Paris. Seine Eigenschaften als Bankier wie als Mensch kamen voll zur Entfaltung. Persönliche Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit und Großzügigkeit machten ihn zu einem angenehmen Verhandlungs­ partner. Seine große Zähigkeit wiederum ermöglichte es ihm, auch sehr langwierige Geschäfte schließlich zum Erfolge zu führen. „Der Erfolg ist das letzte Glied einer Kette von Mißerfolgen" sagte er, und ließ sich demgemäß durch anfängliche Rückschläge nicht ent­ mutigen. Die expansive Tendenz der Zeit gab ihm besonders Gele­ genheit zur Betätigung der Eigenschaft, die er bei den von ihm beschriebenen Bankiersfiguren am meisten schätzte: des „kaufmän­ nischen Blicks". Es war wohl unvermeidlich, daß eine solche Expansionsperiode auch Schwächen im Geschäft einreißen ließ. Man hatte ein für den Umfang des Betriebes sehr erhebliches Personal, zum Teil noch ein Erbe der Inflationszeit und ihrer hektischen Aktivität. Man baute eine dem Eigenkapital gegenüber zu hohe Bilanzsumme auf, sowie ein starkes Obligo aus Kreditvermittlungen und Garantien. Die Unabhängigkeit, welche die harmonisch arbeitenden Sozien ein­ ander gewährten, war nicht immer zuträglich für das Kreditgeschäft. Im Jahre 1929, noch vor dem vollen Einsetzen der Weltkrise, erlitt J. Dreyfus & Co. große Kreditverluste. Die Bewältigung der Folgen wurde erschwert durch den allgemeinen Rückgang der fol­ genden Jahre. Immerhin war es ein relativer Glücksfall, daß die

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Verluste bei der Firma früher eintraten als bei anderen. So konnte man noch auf zuverlässige Freunde rechnen, bevor diese selbst unter Druck gerieten. Als die Wirtschaftskrise auf ihrem Höhe­ punkt war, im Jahre 1932, hatte J. Dreyfus 8c Co. die eigenen Schwierigkeiten bereits überwunden und stand, mit erheblich klei­ nerem Geschäft, aber innerlich gefestigt da. Auch in dieser Zeit bewährten sich Wallichs persönliche Eigen­ schaften. Er hatte außerordentlich gute Nerven, vielleicht weil er weder trank noch rauchte —, oder lief das Kausalverhältnis um­ gekehrt? Er konnte überall und jederzeit schlafen. Nie aus der Ruhe geratend, konnte er auch anderen etwas von dieser Sicherheit mit­ teilen. In einer Zeit, in der die mit ihrem persönlichen Vermögen wie mit ihrem Firmenanteil haftenden Sozien den schweren Risiken der Zeit gegenüberstanden, waren gute Nerven vonnöten.

Entstehung der „Großkaufleute und Kapitalisten“

Einen Teil der unter solchen Umständen erwünschten Entspan­ nung schaffte die Arbeit am Buche, dessen erster Band während dieser Zeit schon gute Fortschritte gemacht hatte. Jedoch war es durchaus eine Freizeitbeschäftigung. Seine Sozien merkten von sei­ nem Entstehen so wenig, daß er sie mit dem ersten Band als Ge­ schenk überraschen konnte. Möglich machte diese Leistung die große Arbeitskraft, die er schon Fürstenberg zwanzig Jahre früher hatte zusagen können. Er stand um halb sieben morgens auf und brachte, von Potsdam kom­ mend — er chauffierte selbst —, den Verfasser dieses Vorworts in die Schule, das Bismarck-Gymnasium zu Berlin-Wilmersdorf. Dies erlaubte ihm, sich danach rasieren zu lassen — er tat es höchst ungern selbst und ließ nach Möglichkeit auch sonntags einen Friseur ins Haus kommen — und noch vor den meisten Angestellten im Büro zu sein. Nach der Mittagspause, gewöhnlich im Club von Berlin, wurde gearbeitet bis sieben oder acht Uhr abends. Auf der Rück­ fahrt fuhr er nicht selber, weil er noch „zu voll vom Geschäft" war. Nach dem Abendessen — wie das Mittagessen und anfänglich auch das Frühstück hauptsächlich aus Fleisch bestehend —, setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann seine wissenschaftlichen Arbeiten. Er brauchte wenig Schlaf und arbeitete oft durch bis nach Mitter­ nacht. Seine Fähigkeit, schnell zu lesen, und seine enorme Konzen-

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trationsgabe erlaubten ihm, vieles Material zu sichten und seine Gedanken niederzuschreiben, trotz oft gleichzeitiger Gespräche von Frau und Kindern. Der Arbeit an den „Großkaufleuten und Kapitalisten" konnte jedoch keineswegs die gesamte Freizeit gewidmet werden. Sonn­ abend nachmittags, zum Beispiel, wurde zunächst einmal Tennis gespielt, weshalb, als die Kinder groß genug waren, ein eigener Tennisplatz im Garten angelegt wurde. Sonntag morgens wurde um sieben wiederum Tennis gespielt, mit relativ geringerer Be­ geisterung der jüngeren Generation. Dann wurde den Rest des Tages über auf der Havel gesegelt. Im Laufe der Zeit stieg die Größe der Boote, schließlich bis zu einem Boot der acht Meter RFormel, für das es auf den kleinen Havelseen kaum Konkurrenz gab. Auf der Kieler Woche 1934, unter Führung von Kapitän Howald, hat sich dieses Boot vorzüglich bewährt. Während der sonn­ täglichen Fahrten auf dem Jungfernsee und Wannsee war es wesent­ lich wichtiger, daß zahlreiche Freunde und Kinder an Bord Platz fanden. Den Urlaub verbrachte man häufig auf dem väterlichen Gute Jerchel. Wie die Bankiers, über die er schrieb, hatte sich auch sein Vater ein Landgut zugelegt. Jerchel lag in der Provinz Sachsen, in der Nähe von Rathenow, von Berlin aus leicht zu erreichen. Die Mutter hatte auf diesem Aspekt bestanden —, sie wollte keine „Bettenknüller“, die über Nacht blieben, wenn man sie nur auf einen Tag einlud. So genügte Jerchel den praktischen Ansprüchen der Hausfrau, dem bescheidenen Repräsentations- und dem recht erheblichen Raumbedürfnis der Familie. Aber die Nachbarschaft der Mark Brandenburg machte sich bemerkbar durch einen recht sandigen Boden. Die landwirtschaftlichen Erträge der 2300 Morgen waren entsprechend mager. Es wurde viel an der Wirtschaft herum­ laboriert, besonders nach dem Tode des Vaters, 1928, als das Gut in den gemeinsamen Besitz Paul Wallichs und seiner Schwester Ilse Mulert übergegangen war, allerdings mit mäßigem Erfolge. Auch in Jerchel dürfte während verschiedener Urlaubsperioden ein Teil der Beiträge zu den „Großkaufleuten und Kapitalisten“ geschrieben worden sein. Hauptsächlich aber wurde geritten — ge­ wöhnlich mit der Frau und manchmal mit den Kindern, wobei dann die rittmeisterlichen Gewohnheiten wieder zu Tage traten —, auf die Jagd gegangen und Tennis gespielt. Die Jagd blieb hauptsächlich

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auf Kaninchen beschränkt, da Wallich sich scheute, ein so schönes Tier wie einen Rehbock zu schießen. Der Hauptteil der Arbeit an den drei Bänden wurde in Potsdam geleistet, wo die Familie seit 1930 das ganze Jahr über wohnte, nachdem die Winterwohnung in Berlin aufgegeben worden war und der halbjährliche Umzug damit ein Ende gefunden hatte. Dieses Haus, an der Neuen Königstraße neben der Glienicker Brücke ge­ legen, war ursprünglich von Persius für einen Kammerherrn Frie­ drich Wilhelms IV. gebaut worden, im italienischen Stil der Zeit. Wallichs Großvater mütterlicherseits hatte es gekauft, als er um 1860 aus Portugal zurückkam; es ging dann an Hermann Wallich und schließlich an Paul Wallich über. Paul Wallich hatte es wesent­ lich vergrößert. Doch trotz der vielen Zimmer bot das Haus nur ungenügend Raum für die verschiedenen Büchersammlungen, die von Berlin nach Potsdam umgesiedelt werden mußten. Diese Sammlungen wurden ständig vergrößert, wenngleich nicht in allen Richtungen. Mit der Zeit konzentrierte sich das Sammel­ interesse immer mehr auf Gebiete, die mit den „Großkaufleuten und Kapitalisten“ zusammenhingen. Das ursprüngliche Interesse an literarischen Erstausgaben trat zurück. Es bestanden im wesentlichen die folgenden Abteilungen: 1. Deutsche Literatur der Jahrhundertwende (teilweise noch auf seine Schülerzeit zurückgehend). 2. Deutsche Barockliteratur (ebenfalls ein sehr frühes Interesse). 3. Wirtschaftswissenschaftliches Material, mehr oder weniger eng mit seiner Forschung zusammenhängend; seit etwa 1950 in der Baker Library der Universität Harvard. 4. Preußische Geschichte, ebenfalls auf die Forschung ausgerichtet; seit etwa 1953 in der Sterling Library der Universität Yale. 5. Handschriften, Marginalien und dergleichen, besonders Friedrich den Großen betreffend. Über diese Sammlung erschien 1938 ein Katalog5. In früheren Jahren scheint auch eine spezielle Voltaire-Sammlung bestanden zu haben, auf Grund deren er, in Verbindung mit Hans von Müller, eine Bibliographie der Deutschen Voltaire Litteratur 5 Aus der Sammlung Paul Wallich — Urkunden und Aktenstücke, Manu­ skripte und Drucket Zeitungen und Adreßbücher zur Geschichte BrandenburgPreußens , insbesondere zur Wirtschafts- und Familiengeschichte Berlins. Als Manuskript gedruckt: 1938.

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des 18. Jahrhunderts verfaßte®. Diese Sammlung verschenkte er An­ fang der zwanziger Jahre an eine staatliche Bibliothek. Das Sam­ meln von Büchern und Handschriften vollzog sich systematisch an Hand von Katalogen. Glückliche Funde ergaben sich beim Durch­ stöbern von Antiquariaten, besonders im Auslande. So erwarb er eine Erstausgabe von Hans Sachs’ „Die Wittembergisch Nachtigall“ in London für zehn Schillinge. Alle diese Bücher blieben während des Krieges in dem Hause in Potsdam. Nach dem Kriege wurden sie zuerst nach Berlin und dann, während der Blockade, nach den USA transportiert. In der Hitlerzeit konnte die Firma J. Dreyfus & Co. ihr Geschäft, nachdem die Wirtschaftskrise überstanden war, zunächst noch eini­ germaßen normalisieren. Im Jahre 1935 wurden nicht nur die Zinsen auf das Kapital verdient, sondern darüber hinaus genug, um etwaige Schwächen in der Bilanz auszugleichen. Die Engagements der Firma gegenüber ausländischen Gläubigern, ursprünglich von erheblichem Gewicht, seit 1931 unter dem allgemeinen Stillhaltabkommen, konn­ ten mit geringen Verlusten abgebaut werden. Sie betrugen 1938 nur noch 5 Prozent des Ausgangsbetrages. Aber das ausländische Ge­ schäft, das die besondere Stärke Paul Wallichs wie auch Willy Drey­ fus’ war, fiel der Devisenbewirtschaftung zum Opfer. Das inlän­ dische wurde durch die NS-Maßnahmen langsam zerstört. Wallichs Suche nach einem geeigneten Partner, an den das Geschäft mög­ licherweise hätte übergeleitet werden können, führte zu immer neuen Enttäuschungen. Von Jahr zu Jahr mehr bezeugen seine Briefe, wie jede Alternative, auf persönlichem wie auf geschäftlichem Gebiet, sich immer nach der negativen Seite entscheidet. Das persönliche Leben wurde drückend. Der Kreis seiner Freunde verengerte sich, wenngleich er alte Gewohnheiten, wie etwa die, seine früheren Schulfreunde einmal im Jahr bei sich im Hause zu sehen, oder näheren und entfernteren Freunden finanziell beizu­ stehen, beibehalten konnte. Wenn die Kinder in den Ferien in Deutschland waren, machte er mit ihnen größere Autoreisen. Ob­ wohl er in manchen Städten des Auslands heimisch war, wollte er sich nicht von Deutschland trennen. Im Jahre 1937 wurde klar, daß die Bank nicht zu halten war. Der Verkauf an die Münchener Firma Merck, Finck & Co. wurde in die 6 Gedruckt 1921 in 300 Exemplaren für die Gesellschaft der Bibliophilen.

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Wege geleitet und im März 1938 zum Abschluß gebracht. Wallich schloß einen zehnjährigen Vertrag mit den Käufern für eine Bera­ tertätigkeit. Im Herbst des Jahres 1938 war er noch einmal in New York zur Bereinigung einer Anleihe der pfälzischen Städte, welche J. Dreyfus & Co. zusammen mit der Firma Arnes Emerich & Co. während der zwanziger Jahre emittiert hatte. Wenige Tage nach seiner Rückkehr nach Berlin ging er freiwillig aus dem Leben. Grundlagen des Werkes Vor seinem Tode noch war Band 2 des Werkes erschienen, im Jahre 1938 als Manuskript gedruckt. Band 3, den er in seinem Testa­ ment vorfinanzierte, wurde von seinem Mitarbeiter Dr. Hugo Rachel vollendet und erschien, als Manuskript gedruckt, 1939. Zwi­ schen dem Erscheinen des ersten und des letzten Bandes liegen also fünf Jahre. Die Arbeit an den drei Bänden erstreckte sich über eine erheblich längere Zeit, in gewissem Sinne beginnend schon mit dem Zyklus von Vorträgen über die Geschichte des Bankwesens in Deutschland aus dem Jahre 1906, nachdem das Thema über die Finanzen Frie­ drichs des Großen, das als Doktorarbeit vorgeschlagen war, nicht aufgegriffen wurde. Diesem war im Jahre 1921 ein Aufsatz über Gebr. Berend & Co., Berliner Heereslieferanten, Bankiers und In­ dustrielle aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts1 gefolgt. Der Kontakt mit dem Thema wurde intensiviert durch Eintritt in den „Verein für Geschichte der Mark Brandenburg", dem auch sein Schulfreund, der Historiker Johannes Schultze, angehörte. Die­ sem Verein konnte er in der Inflationszeit Dienste erweisen, 1922 wurde er zum Schatzmeister gewählt. Er verpflichtete sich damit zur aktiven Mitarbeit an der brandenburgisch-preußischen Ge­ schichte. Der empirische Charakter der Berliner Großkaufleute und Kapi­ talisten lag von Anfang an fest. Der Einfluß von Lotz hat hier, wie schon beschrieben, eine Rolle gespielt. In gleicher Richtung hat die Tatsache gewirkt, daß Paul Wallich steigendes Interesse an produk­ tiver Tätigkeit gewann, wie er sie im Beruf ausübte. Dieser Drang zur Produktivität zeigte sich, ebenso wie beruflich, in der Tatsache, 7 In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 33 (1921), S. 369—407.

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daß das schöngeistige Interesse des Büchersammlers überging in das Bedürfnis, selbst zu schreiben. Für den in der Geschichte der Lehrmeinungen Bewanderten wäre es verlockend, die „Großkaufleute und Kapitalisten“ dem Ideen­ kreis von Joseph Schumpeter zuzuordnen. Wallichs Interesse an der Person des großen Geldmannes und an seinem „ kaufmännischen Blick“ entspricht Schumpeters Betonung des Entrepreneurs und sei­ ner Innovation als dem primum movens der wirtschaftlichen Ent­ wicklung. Jedoch wäre es falsch, in Wallich einen bewußten Schumpeterianer zu sehen. Schumpeters Werke erschienen nach Wallichs Studienzeit. Wallich dürfte Schumpeters Namen als den eines füh­ renden Bonner Professors und natürlich als den eines ehemaligen Wiener Bankiers und österreichischen Finanzministers gekannt haben. Ob und inwieweit er jedoch mit Schumpeters Ideen vertraut war, ist unbekannt. Wahl und Behandlung des Themas ergaben sich aus Beruf, Wohn­ ort und auch aus der wachsenden Neigung zu einer antitheoretischen Einstellung. Er war Bankier, in Berlin großgeworden, hier lag sein Arbeitsfeld. Woher die besondere Bewunderung für Friedrich den Großen stammt, ist nicht ganz klar. Daß sie bestand, ergibt sich sowohl aus dem Buche wie aus seiner Sammlung zu dieser Persön­ lichkeit. Es dürfte die Vielseitigkeit Friedrichs des Großen gewesen sein, die ihn beeindruckte. Daß die Zeit Friedrichs des Großen und seiner Vorgänger sich hinsichtlich der absoluten Größe der finanziellen Transaktionen nicht mit der des Deutschen Reiches messen konnte, bedeutete Wal­ lich nicht viel. Wesentlich war ihm das Interesse an der Qualität der kaufmännischen Leistung, gemessen an den Möglichkeiten der Zeit. Abgesehen von der Wahl des Themas und seiner formalen Be­ handlung, läßt der untheoretische und unideologische Charakter des Werkes nur gelegentlich den persönlichen Standpunkt des Autors durchschimmern. Man darf mit Sicherheit davon ausgehen, daß Wallich den Bankiersberuf für einen wirtschaftlich wichtigen Beruf ansah. Er witterte nicht hinter jedem Zinssatz, jedem Agio eine Ausbeutung. Er glaubte gewiß an das kapitalistische System, an die wesentliche Rolle des Unternehmertums innerhalb desselben, an die Rechte des Gläubigers und die Notwendigkeit, Schulden zu bezah­ len, an die Bedeutung der Stabilität von Währungen, Institutionen und Gesetzen.

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Als Wissenschaftler enthält er sich jedoch fast durchweg der Wer­ tung. Wo Fürst oder Bankier gegen die ihm selbstverständlichen Maximen verstoßen, wird der Vorgang erzählt, aber nicht moniert. Im allgemeinen bewegen sich die Ereignisse ja auch im Rahmen des preußischen Rechtsstaates, — Schulden wurden weitgehend bezahlt, Währungen, Institutionen und Gesetze blieben einigermaßen stabil. Die Verstöße, im Sinne der theoretischen Nationalökonomie, gegen eine vernünftige Wirtschaftspolitik seitens des Staates und die — wiederum im Sinne der Theorie — manchmal wirtschaftsschädigen­ den Handlungen der Unternehmer werden objektiv dargestellt. Es ist wahrscheinlich, daß der Autor bewußt eine Wertung vermied; es ist aber auch denkbar, daß er in manchen Fällen die Schwächen nicht als solche empfand. Gewertet wird — und auch da hauptsächlich impliciter — die unternehmerische Leistung. Schneller Aufbau eines großen Geschäfts, der kaufmännische Blick, aber auch die entsprechenden Fähigkeiten und Leistungen im Staatsdienst werden öfter mit Achtung vermerkt. Gleichzeitig wird das Absinken eines Unternehmens registriert als normales Unternehmer-Schicksal. Manchmal geschieht dies fast im Sinne einer klassischen Tragödie, mit der ja die zu einem Bankerott führenden Umstände oft eine starke Ähnlichkeit aufweisen. Als wertvoll erweist sich in den von Wallich beigesteuerten Teilen des Buches seine finanzielle Sachkenntnis. Selten gibt er einen ur­ sprünglichen Quellentext in einer Form wieder, die den Leser im unklaren läßt, wie der Geschäftsvorgang war. Er weiß immer, wer Schuldner, wer Gläubiger ist, ob gekauft oder verkauft, ob gezahlt oder nicht gezahlt wurde, und in welcher Form es geschah. Er kennt die Usancen, versteht die wirtschaftlichen Gründe der Operation und legt sie dar. Die Behandlung von Andreas Kraut ist in dieser Hinsicht bei­ spielhaft. Die positive Einschätzung des schon früh erfolgreichen Mannes ist unverkennbar, im Gegensatz etwa zu der im Text öfters zitierten Bewertung durch Hinrichs. Kraut hatte den kaufmänni­ schen Blick, war wirkungsvoll im Geschäftsgebaren, baute ein gro­ ßes Vermögen auf. Das waren für Wallich wesentliche Momente. Zugleich schützt ihn seine Kenntnis der Währungsusancen vor der Annahme, der andere Historiker verfallen waren, alle für Agio berechneten Summen seien in Krauts Tasche geflossen8. 8 Berliner Großkaufleute und Kapitalisten, Band II, S. 159 f.

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Henry C. Wallich

Diese Fachkenntnis half Wallich auch, aus dem meist einseitigen Material ein einigermaßen abgerundetes Bild zu schaffen. Für die meisten der zu schildernden Personen und Vorgänge, besonders die früheren, sind Geschäftsakten nicht erhalten. Das Material besteht im wesentlichen aus Gerichtsakten, obrigkeitlichen Dokumenten und Grundbucheintragungen. Eine weniger geschickte Darstellung würde also den Eindruck erwecken, daß die Großkaufleute und Kapitali­ sten hauptsächlich Prozesse geführt, Geschäfte mit dem Staat ge­ macht und Grundstücke gekauft oder belieben hätten. Mit vieler Geschicklichkeit haben Wallich und seine Mitarbeiter es verstanden, aus dem einseitigen Material Rückschlüsse auf die Art des Ge­ schäftes und seine Fortschritte zu ziehen. Die Natur des Materials, in Verbindung mit der beabsichtigten Darstellung, hatte noch eine zweite Folge. Sie verlangte genaue Forschungsarbeit. Um ein allgemeines Bild der wirtschaftlichen Ver­ hältnisse zu geben, soweit die Einseitigkeit des Materials dies über­ haupt zuläßt, würden Übersichten und Stichproben allenfalls genü­ gen. Die Verfolgung der Schicksale eines bestimmten Personen­ kreises erforderte eine sorgsame Durchforschung aller erreichbaren Primärquellen. Die Fußnoten der „Großkaufleute und Kapitali­ sten" zeigen, wie weit diese Arbeit getrieben wurde. Wenn heute Interesse an einer Neuauflage besteht (— bei Band 2 und 3 handelt es sich wegen der anomalen Zustände 1938/39 und wegen der weitgehenden Zerstörung des ausgedruckten Bestandes beinahe um eine erste Veröffentlichung —), so ist das in nicht gerin­ gem Maße zurückzuführen auf das sorgfältige Studium von Quellen, die überdies heute mindestens teilweise nicht mehr vorhanden sind. In zweiter Linie hat sich das Werk als beständig erwiesen, weil es einen ideologischen oder theoretischen Standpunkt vermieden hat. Ein Versuch, die wirtschaftlichen Ereignisse im Sinne einer bestimm­ ten Wirtschaftstheorie darzustellen, hätte die drei Bände schnellem Veralten ausgesetzt. So wie es vor uns liegt, darf das mit einigen Zusätzen und Ver­ besserungen versehene Gesamtwerk heute vielleicht mit einem stär­ keren Interesse der Forschung rechnen als in den sich verdüsternden dreißiger Jahren. Als damals (1938) der zweite Band erschienen war, ließ ihn Paul Wallich seinem Freunde Johannes Schultze mit der Widmung zugehen: pinxit in tormentis.

JOHANNES SCHULTZE

Zur Einführung Der Kaufmann ist eine sehr vielgestaltige, sich wandelnde Er­ scheinung, die für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Völker von größter Bedeutung war und ist. Der Händler war in der Frühzeit ein reisender Unternehmer, aber von wesentlich anderem Format als der spätere Hausierer, von dem er sich schon dadurch unterschied, daß er vornehmlich auch als Einkäufer wirkte. Bei der geringen Kenntnis der geographischen und ethnischen Ver­ hältnisse im Altertum und bei den Mängeln der Straßen stellte eine solche Tätigkeit hohe Anforderungen an Wagemut, körperliche Lei­ stung und Betriebsmittel. Die damit verbundenen Gefahren ließen sich, wie das wohl meist bei großen Entfernungen geschah, durch Zusammenschluß solcher Unternehmer verringern. Das Erscheinen des Handelsmannes setzte bereits städtische Kultur, Kunstgewerbe und gesteigerte Lebensbedürfnisse voraus. Für die Entstehung der Handelswege zu Lande dürfte der frühzeitig einsetzende regel­ mäßige Viehhandel die maßgebende Rolle gespielt haben. Der hohe Gewinn, der sich durch den Austausch von Kulturgütern gegen Lan­ desprodukte erzielen ließ, gab neben dem Reiz des Abenteuers den stärksten Anreiz dazu. Griechische, etrurische, römische, dann jü­ dische und arabische Händler haben in der Frühzeit zwischen Rhein und Weichsel Handel getrieben. Neben dem Vieh bildeten hier auch Sklaven einen lebenden Hauptausfuhrartikel aus den slavischen Ländern. Aufgeschlossen für Kunstgewerbe und Handel waren auch Angehörige der germanischen Völker. Ein fränkischer Handelsmann namens Samo trieb Anfang des 7. Jahrhunderts im Verein mit ande­ ren Kaufleuten Handel mit slavischen Völkern. Er zeichnete sich dort zugleich als Kriegsmann aus, wurde zum König erwählt und begründete, wohl von Böhmen aus, ein großes Reich, das jedoch mit seinem Tod nach fünfunddreißig Jahren schon sein Ende fand1. 1 Chronik des Fredegar, Kap. 48; vgl. auch L. v. Ledebur, Samo's Heimath und Reich. Castrum Vogastense. In: Mark. Forsch. 2 (1843), S. 37 ff.

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Johannes Schultze

Er muß ein Kaufmann von größtem Format und zugleich, wie auch spätere Kaufleute des Mittelalters, von adlig-ritterlichem Stande gewesen sein. Der Aufstieg des Samo ist zugleich Zeugnis von dem großen Ansehen, das der Kaufmann bei den Völkern der Frühzeit genoß. Auch die Friesen galten schon früh als vorzügliche Kauf­ leute. Es waren vornehmlich Angehörige der oberen Volksschicht, die kaufmännischen Handel trieben, der keineswegs das persönliche Ansehen schädigte, wie etwa später der Handel des kleinen Hausie­ rers. So bildete z. B. im alten Rom der Ritterstand eine Geldaristo­ kratie, zu der die Großkaufleute gehörten. Die Entstehung fester Marktorte und Marktzeiten an Fürstenund Bischofssitzen führte zu räumlich und zeitlich festliegenden Handelsreisen. Mit den großzügigen Städtegründungen im 12. und 13. Jahrhundert ergab sich für den Kaufmann die Möglichkeit zur Seßhaftigkeit, wenngleich Beschaffung und Absatz der Waren wei­ terhin Reisen zu Lande und Wasser notwendig machten. Bemer­ kenswert ist die ungemein schnelle Besetzung der zahlreich zwischen Elbe, Oder und Warthe im 13. Jh. von den Landesherren gegründe­ ten Städte, die schon in kürzester Zeit mit einer vollständigen aus Kaufmannschaft und Gewerben aller Art bestehenden Einwohner­ schaft in Erscheinung traten. Solches läßt sich allein aus einem da­ maligen starken Überschuß entsprechender Bevölkerung im deut­ schen Westen erklären. Nach Berlin und Cölln dürfte der Zuzug vornehmlich aus der Gegend des Niederrheins erfolgt sein, worauf der Name Colonia deutet, wo auch die Familie des ersten Schult­ heißen Marsilius beheimatet war. 1244 wird Berlin zuerst urkundlich genannt, aber der Ursprung städtischer Siedlung reicht hier bis in die Zeit der Jahrhundert­ wende zurück. 1253 war die Stadt schon so bedeutend, daß sie bei der Gründung der Oderstadt Frankfurt als Rechtsvorbild dienen konnte. 1280 erscheint sie als Tagungsort einer ritterschaftlichen ständischen Versammlung in der Rolle eines Landesmittelpunktes. Sie war bereits in der Lage, mindestens 100 anspruchsvollen Perso­ nen (57 adlige Teilnehmer werden mit Namen genannt, denen je ein mehrköpfiger Anhang zuzurechnen ist) mit Pferden Herberge und Verpflegung zu gewähren. Schon aus solchen allgemeinen Ver­ hältnissen darf man schließen, daß neben dem üblichen städtischen Gewerbe hier ein umfangreicher Handel seßhaft war. In vorliegendem Werk wird auf Seite 2 gesagt: „Hinsichtlich des

Zur Einführung

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Handels ist zunächst festzustellen, daß Berliner niemals gewinn­ bringenden Fernhandel getrieben haben, wie es von anderen west­ fälischen und altmärkischen Binnenstädten geschah. Wenn Berliner Roggen schon im 13. Jh. in Flandern vorkommt, so war er nicht durch Berliner, sondern durch Seestädter dahin gebracht.“ Diese Meinung bedarf der Einschränkung. Aus den Eintragungen eines Hamburger Schuldbuches aus den Jahren 1288 bis 13232 geht zweifelsfrei hervor, daß von Berliner Kaufleuten ein ansehnlicher Export von Roggen, Holz und anderen Waren nach Hamburg betrieben wurde, die von dort zu Schiff zum Teil auch weiter nach Flandern und England gingen. Berliner konn­ ten mit ihren Spreekähnen natürlich nur bis Hamburg gelangen, die Weiterverschiffung mußten sie anderen überlassen. Aus den in Zoll­ rollen der Grafen von Holstein um die Mitte des 13. Jhs.3 enthalte­ nen Bestimmungen für die Kaufleute der Markgrafen von Branden­ burg geht eindeutig hervor, daß von solchen Handel über Hamburg nach Flandern und England betrieben wurde, wobei es sich um die Ausfuhr von Roggen und anderen Waren und um die Einfuhr von flanderischen Tuchen handelte. Der unmittelbare Handel von Mär­ kern nach Holland ist weiter durch ein Zollprivileg König Wilhelms von 1252 für die mit ihren Waren die Grafschaft Holland durch­ reisenden Kaufleute aus der Mark bezeugt. Sicher ist auch, daß die Ausfuhr nach Hamburg zu Schiff auf märkischen Fahrzeugen er­ folgte, da die genannte Zollrolle ausdrücklich Schiffe erwähnt, die Korn aus der Mark nach Hamburg brachten und wieder zurück­ fuhren. Es wurden dabei mehrere Schiffsarten unterschieden. Daß um diese frühe Zeit bereits Händler aus Berlin an diesem märki­ schen Handel beteiligt waren, ist natürlich nicht erwähnt, es war aber ganz zweifellos um 1280 der Fall, da der durch das Hambur­ ger Schuldbuch zahlreich erwiesene Anteil nicht erst um 1288 ent­ standen sein kann, sondern bereits eine ältere Gewohnheit voraus­ setzt. Müller-Mertens4 zählt auf Grund des Hamburger Schuld2 Das Hamburgische Schuldbuch von 1288. Bearbeitet von Erich v o n L e h e , Hamburg 1956. 3 A. F. R i e d e 1, Codex dipl. Brand. B I, S. 74 ff. 4 Eckhard Müller-Mertens, Untersuchungen zur Geschichte der brandenburg. Städte im Mittelalter, Teil IV. In: Wissenschafti. Zeitschrift der Hum­ boldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- u. Sprachwissenschaft!. Reihe, Jg. VI (1956/57), Nr. 1, S. 9 ff.

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Johannes Schultze

Buches in den Jahren 1288 bis 1323 86 Eintragungen von Schuld­ verpflichtungen, an denen Händler aus Berlin und Cölln Beteiligt waren, bei insgesamt 138 Eintragungen von märkischen Kaufleuten überhaupt. Allein diese Zahlen und das Zahlenverhältnis besagen genug für die damalige Bedeutung des Berlin-Cöllner Handels auch im Vergleich mit dem altmärkischen. Haupthandelsware war Rog­ gen. Da dieser als „Roggen von Berlin“ bezeichnet wurde, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß dieser damals umfangreiche märkische Exportartikel vornehmlich durch Berliner Händler nach Hamburg gelangte. Soweit er etwa nach Holland oder England bestimmt war, mußte er in Hamburg umgeladen werden. Eine Schiffsladung um­ faßte auf den flachen Flußkähnen nicht mehr als 2 Wispel (=48 Scheffel), an Gewicht 2000 kg. Von größtem Umfang war aber in diesen Jahren die Ausfuhr von „Wagenschott“, womit man ge­ schnittenes Eichenholz bezeichnete. Es wurde besonders für den Wiederaufbau in Hamburg nach einem Brande von 1284 benötigt, aber auch nach Flandern (Gent) geliefert. In den Jahren 1288 bis 1295 wurden rückständige Zahlungen oder Lieferungen für 85 000 Stück Wagenschott für Berlin-Cöllner notiert. Beteiligt an diesem Geschäft waren: Typo Crumvoet in Cölln, Thile von Hameln, Jo­ hann Rode, Hermann Mucke, Thide Man, Konrad von Beliz, Hein­ rich Wiprecht, Albert Kreyenvoet (Krähenfuß), in denen wir sämt­ lich Berlin-Cöllner Händler von Format zu erblicken haben. Genannt werden ferner noch aus Berlin-Cölln: Heinrich Longus (Lange), Willekin, Heinrich Smersnider, Hagedorn, Johann Mosecou. Selbstverständlich muß dem Export ein Import entsprochen haben, bei dem besonders Tuche aus Flandern erwähnt werden. Die im Schuldbuch notierten Summen für Kaufleute in Gent und Utrecht lassen auf beträchtliche Lieferungen schließen. Müller-Mertens faßt seinen Eindruck von diesen Berliner Händlern dahin zusammen: „Sie waren Großhändler im Sinne ihrer Zeit, deren Tätigkeits­ bereich sich weit überwiegend auf den Fernhandel erstreckte und die sich dem Einzelverkauf nur noch am Rande gewidmet haben werden.“ Für diesen Fernhandel spricht auch ein Privileg Markgraf Woldemars von 1317, in dem er den Bürgern in Berlin und Cölln freie Schiffahrt mit ihren Waren über Oderberg und freie Ausfuhr von Getreide bei ausreichender Ernte bewilligte. Bei der Verschif­ fung über Oderberg mußte die Ware auf dem Landwege zur Oder

Zur Einführung

XXXVII

gebracht werden5. Ziel dieser Verschiffung von Oderberg aus war Stettin, während die Getreideausfuhr zu Schift von Berlin auf dem Wasserweg nach Hamburg erfolgte. 100 Jahre später, 1409, erteilte Markgraf Jobst den Bürgern von Berlin und Cölln das Privileg, ihre Kaufmannswaren in Freienwalde oder in Finow ein- und aus­ zuschiffen. Offenbar war das Privileg von 1317 nicht mehr genutzt worden. Wenn in diesem Buch gleich zu Anfang (Seite 1) die Feststellung gemacht wird: „Für den Wasserweg gewann die Stadt erst einige Bedeutung, als der Spree-Havel-Lauf im 16. Jahrhundert schiffbar gemacht und im 17. Jh. der Oder-Spree-Kanal hergestellt war“, so bedarf auch diese Meinung der Einschränkung. Der Wasserweg über die Spree hat bereits im frühen Mittelalter eine erhebliche Rolle ge­ spielt. Mit den damaligen flachen Schiffen war der Warentransport selbst auf kleinen Flüßchen, wie z. B. auf der Stepenitz bei Perle­ berg, zu bewerkstelligen und dem Transport auf den schlechten und unsicheren Landwegen bei weitem vorzuziehen. So ist auch ohne jeden Zweifel der damalige Berliner Export von Getreide und Holz nach Hamburg nur zu Wasser über Spree und Havel gegangen. Das Schuldbuch erwähnt auch gelegentlich ein Schiff des Berliners Her­ mann Mucke „gen. prahm“ (Prahm). Der Chronist des 16. Jahrhun­ derts Leuthinger sagt (De Marchia, S. 267) von der Spree, daß sie für die Städter von Bedeutung sei für den Transport von allerhand Waren: Holz, Steine, Kalk, Getreide und sonstigem Bedarf, und daß sie den Kaufleuten vom fernsten Ozean den Zugang öffne. Sol­ ches galt also bereits vor der besonderen Schiffbarmachung. Das Fehlen von bestimmten Nachrichten darf nicht zu rein negativen Schlüssen führen. Bekannt ist auch, daß zur Zeit Karls d. Gr. eine Friesenflotte die Operationen des Landheeres östlich der Elbe die Havel weit aufwärts begleitete. Die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert bildete einen Höhe­ punkt in der Entwicklung des brandenburgischen Städtewesens. Die kurz danach beim Erlöschen des askanischen Fürstenhauses einset­ zenden Unruhen und Kämpfe, die auch unter den Wittelsbachern nicht aufhörten, das dadurch begünstigte Anwachsen des Räuber­ unwesens, dem man durch Verstärkung der städtischen Befestigun5 Über diesen Landweg siehe K. F. K 1 ö d e n , Diplom. Geschichte des Mark­ grafen Waldemar von Brandenburg Bd. 2, Berlin 1844, S. 447 ff.

XXXVIII

Johannes Schultze

gen zu begegnen suchte, mußten sich auch stark auf die Handels­ unternehmungen aus wirken. Dazu kamen dann noch die verheeren­ den Seuchen, die nicht minder Handel und Wandel und die Lust zu größeren Unternehmungen lähmten. Auf der anderen Seite dürfte auch zur gleichen Zeit ein Rückgang, ja teilweises Versiegen bei den bisherigen Hauptausfuhrartikeln eingetreten sein. Die frühere groß­ zügige Abholzung hatte kaum schon ausreichenden Nachwuchs ge­ funden, und die Getreideernten gingen wegen Erschöpfung des Bo­ dens, auch klimatischer Einwirkung zurück. Bei Erträgen, die nach späteren Angaben nicht über das vierte oder im besten Falle fünfte Korn hinausgingen, konnten kaum namhafte Mengen für den Ex­ port außer Landes zur Verfügung stehen. Daß trotz alledem die bürgerliche Oberschicht, welche Träger der geschäftlichen Unternehmungen und zugleich Inhaber und Nutznie­ ßer der städtischen Verwaltung war, im besonderen sich auch der Nutznießung des mit den Grundstücken verbundenen einträglichen Brauprivilegs erfreute, über große Vermögen verfügte, zeigt der im Landbuch von 1375 verzeichnete bürgerliche Lehnsbesitz in den Landgemeinden (vgl. unten S. 4 ff.)6. Nach der Aufstellung von Müller-Mertens7 bezogen 1375 rund 40 Familien in Berlin und Cölln zusammen an jährlichen Renten verschiedener Art aus ihrem dörflichen Besitz über 1200 frusta. (Frustum oder „Stück“ bezeichnet eine Recheneinheit für die gleichmäßige Bewertung der verschiedenen Geld- oder Naturalleistungen der Landbevölke­ rung, wobei z. B. 1 Wispel Roggen an Wert 1 Pfund Pfennige — 20 Schilling entsprach). Diese Summe ergibt durchschnittlich eine Rente von 30 frusta für die 40 Familien. Von diesen bezogen aber 6 Familien (der Schultheiß Tilo von Brugge, Hönow, Rike, Rode, Ronnebom, Trebus) allein zusammen 602 frusta, also eine jede durchschnittlich 100 frusta — 100 Pfund Pfennige oder 100 Wispel — 2400 Scheffel Roggen jährliche Rente. Am meisten besaß die Familie Rike mit 135 frusta. Das sind nach heutigem Roggenpreis, der Wispel zu 1000 kg gerechnet, etwa 54 000 DM Kapitalrente (100 kg etwa 40 DM). Vergleichen wir damit die von Müller-Mer-

6 Der Seite 5 aufgeführte Liborius Botel ist zu streichen, er war Bürger von

Bernau. 7 M ü 11 e r - M e r t e n s a. a. O., S. 4.

Zur Einführung

XXXIX

tens für Stendal festgestellten entsprechenden Zahlen, so genossen dort 81 (also doppelt soviel Bürger wie in Berlin und Cölln) zu­ sammen 1749 frusta, durchschnittlich der einzelne 21,5 frusta. In Prenzlau wurden desgl. für 46 Bürgerfamilien Renten in Höhe von 1126 frusta errechnet, so daß sich hier fast die gleichen Verhältnisse wie für Berlin und Cölln zusammen ergeben. Da wir zufällig für Prenzlau die Zahlen aus dem Jahre 1311 über gleichen Lehensbesitz der damaligen Bürger besitzen, wo nur 30 Familien daraus 534 frusta an Rente bezogen, können wir daraus entnehmen, daß sich dort die bürgerliche Vermögensbildung dieser Art von 1311 bis 1375 um über 100% gesteigert hatte, und man kann dies wohl auch bei den anderen Städten annehmen. Schlüsse auf Verdienste aus Großhandel lassen sich daraus um so weniger ziehen, als solcher in Prenzlau bei der Vermögensbildung am wenigsten mitgewirkt haben kann. Ansehnlichen Gewinn zog die Oberschicht jedenfalls aus ihrem Ackerbesitz und der daraus betriebenen Bierbrauerei. Im all­ gemeinen bewegten sich die städtischen Vermögensverhältnisse auch im 15. Jahrhundert rückläufig, wie sich aus dem Verfall von Grund­ stücken und Befestigungswerken ergibt. Andererseits lassen auch zahlreiche fromme Stiftungen, Kirchenausstattungen (Bernauer Al­ tar) und auch stattliche Bürgerhäuser auf ansehnlichen Wohlstand schließen. Der Konflikt der Städte Berlin und Cölln mit Kurfürst Friedrich II., bei dem sie das Niederlagsrecht, das Bündnisrecht, die Gerichtsbarkeit einbüßten und die Angehörigen der patrizischen Oberschicht ihren Lehnsbesitz verloren, trug nicht dazu bei, die bürgerliche Unternehmerlust zu fördern. In gleichem Sinne läh­ mend scheint sich auch die zunehmende Bevormundung durch den Landesherren ausgewirkt zu haben. Die Verlegung der festen Resi­ denz nach Cölln brachte jedoch mit der Versorgung des Hofhaltes eine neue ansehnliche Erwerbsquelle, wie auch die nunmehr ständig in Berlin stattfindenden Versammlungen der Landstände für das Herbergs- und Nahrungsmittelgewerbe ergiebig geworden waren. Der Handel war wie das Gewerbe in Gilden organisiert, die vor­ nehmste, die auch den Großhändler erfaßte, war die Gilde der Ge­ wandschneider, die das alleinige Recht besaßen, den Tuchschnitt zu üben. Sie repräsentierten zugleich das bevorrechtete patrizische Bür­ gertum, in dessen Händen die städtische Verwaltung lag. Merkwürdig ist in dieser Beziehung ein Privileg, das Kurfürst Friedrich II. 1457 Bürgermeister und Rat der Altstadt Branden-

XL

Johannes Schultze

bürg auf deren „fleißiges Bitten“ erteilte. Er verlieh darin ihnen und ihren Kindern, „die da vatleute sein werden“, zu ewigen Zeiten das Recht, in Städten und auf Jahrmärkten „nach eilen zale“ Ge­ wand zu schneiden und die Gewandschneidergilde in der Altstadt zu bestellen. Das gleiche Recht wie die in der Gilde geborenen er­ hielten auch die Schöffen. Niemand, heißt es, dürfe Gewand schnei­ den, der nicht die Gewandschneidergilde vom Landesherren oder vom Rat der Altstadt oder von einer anderen märkischen Stadt er­ halten habe. Diese offizielle enge Verbindung zwischen Rat, Gericht und Gewandschneidergilde stellte jedoch anscheinend einen beson­ deren Fall in der Mark dar. In Berlin-Cölln wurden die Vorrechte dieser Gilde durch die willkürliche Heranziehung von Lieferanten für den Landesherren und seinen Hofhalt übergangen, wie sich auch aus der folgenden Darstellung ergibt. Jedenfalls steht auch dieser Brandenburger Vorgang von 1457 in Kontrast zu dem höchst selbst­ herrlichen und wagemutigen Auftreten der oberen Bürgerschaft im 13. und 14. Jahrhundert. Der Wagemut zum Betriebe eines selb­ ständigen Großhandels war aus diesem Milieu nicht zu erwarten. Es lag vielleicht auch kein Bedarf dafür im Berlin-Cölln des 15. und 16. Jahrhunderts vor. Eine wesentliche Ergänzung zu dem Schlußkapitel des vorliegen­ den Bandes über das 1628 vereinigte Handelsunternehmen der Fa­ milien Weiler und Essenbrücher bietet der schriftliche Nachlaß des aus der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges bekannten Generals Hans Georg v. Arnim8. Während der Verfasser dieses Abschnittes, Rachel, (unten S. 328) eine aktive Beteiligung des Teilhabers Essen­ brücher vermißt, ergibt sich aus den Papieren v. Arnims, daß Essen­ brücher 1628 bis 1635 alle Geschäfte mit ihm tätigte. Die Verbin­ dung Arnims mit den Häusern Weiler und Essenbrücher war schon älteren Datums. Bereits vor 1600 hatte der Vater des Generals dort Geld geliehen. Seit 1628 war dann Essenbrücher sein ständiger Ge­ schäftspartner, der die Kontributionsgelder in Depot nahm, die Aus­ rüstungsgegenstände für seine Truppen, Kürasse, Musketen, Rüst­ wagen, Monturen usw. lieferte, auch den persönlichen Bedarf des Generals an Kleidung, Wein, Delikatessen, auch Gemälde für Schloß 8 K. Schwarz, General Hans Georg v. Arnim u. die Berliner Handelshäuser Weiler u. Essenbrücher im Dreißigjährigen Kriege. In: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 12 (1963), S. 78—102.

Zur Einführung

XLI

Boitzenburg besorgte und Gelder im Bedarfsfälle vorschoß. 1632 wurden, z.B. 700 Rüstungen, 560 Arkebusierrösser, 140 Musketen u. a. von ihm geliefert. Nach der Liquidation der Gemeinschafts­ handlung Weiler-Essenbrücher erhielt Essenbrücher Ende 1632 den Auftrag zur Ausrüstung von 5 Kompagnien, und er fungierte auch weiter als Arnims Bankier. Noch 1635 lieferte er ihm Kleidung und allerhand Lebensrnittel. Wir erhalten damit einen interessanten Ein­ blick in die Geschäfte, die in diesem für die Mark so unheilvollen Kriege noch in Berlin getätigt wurden. Dieser Kriegsgewinn war jedoch nicht von Dauer. Beide Firmen fanden in dem allgemeinen Ruin des Landes ihr Ende. Sie verfielen nach dem Tode ihrer Inha­ ber 1638/39, wo die Leiden der Mark den Höhepunkt erreichten, der Liquidation (vgl. unten S. 300). Für die allgemeinen politischen Vorgänge dieser Zeit bis zum Jahre 1648 sei abschließend auf den vierten Band meiner Darstellung „Die Mark Brandenburg“ 1535 bis 1648 (Berlin 1964) verwiesen.

Nlt-Derliner Verhältnisse Handel und Grundbesitz als Wohlstandsquellen. Die Doppelstadt an der Spree nahm bis zum 18. Jahrhundert weder an Gröhe noch an Reichtum noch an äußerem Ansehen eine nennenswerte Stellung unter den deutschen Städten ein. In einer wenig fruchtbaren und dünn bevölkerten Landschaft gelegen und durch keine natürlichen Vorzüge oder Bodenschätze begünstigt konnte sie zunächst nur sehr begrenzte Möglichkeiten zu Wohlstandsbildung gewähren. Sie hatte lediglich durch ihre Verkehrslage etwas vor anderen Landstädten voraus, da sie an der weithin einzigen Über­ gangsstelle über die breite, versumpfte Flußniederung entstanden war. So war sie ein Knotenpunkt für die Straßenverbindungen zwischen Sachsen-Lausitz und den Ostseestädten sowie den nach dem Osten weisenden Oderübergängen Frankfurt und Küstrin. Für den Wasser­ verkehr gewann die Stadt erst einige Bedeutung, als der HavelSpree-Lauf im 16. Jahrhundert schiffbar gemacht und im 17. Jahr­ hundert der Oder-Spree-Kanal hergestellt war. Aber auch der Straßenverkehr konnte nicht viel bedeuten, da er in älterer Zeit sehr spärlich war und da er sich in Berlin nie recht zu einem Marktoerkehr verdichtet hat, wie das in Nürnberg, Leipzig und den beiden Frankfurt der Fall war. Ein Durchgangsverkehr von Handels- und Fuhrleuten allein aber schafft keinen Wohlstand, selbst wenn ein gewisser Stapelzwang ausgeübt wird. Es bleibt somit die Frage, inwieweit durch die eigene Tätigkeit der Bürger auf ihren besonderen Gebieten, Gewerbe und Handel, Vermögensbildung denk­ bar war. Nun hat Berlin in gewerblicher Hinsicht bis zur neueren Manufakturentwicklung — seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts — sich in keinerlei Weise hervorgetan; denn es wurden hier nur die ganz gewöhnlichen Handwerke betrieben. Selbst in dem einzigen namhaften Gewerbe, der Wollweberei, stand Berlin hinter anderen märkischen, 1

Großkaufleute 1

Lausitzer oder sächsischen Städten zurück, und von einer kapitalistischen Konzentration durch Verlag und Gesellschaftsbildung, wie in Süd­ deutschland, ist hier nie die Rede gewesen. Hinsichtlich des H a n d e l s in älterer Zeit ist zunächst festzustellen, daß Berliner niemals den gewinnbringenden Fernhandel getrieben haben, wie es von anderen, von westfälischen und altmärkischen Binnenstädten aus geschah. Wenn Berliner Roggen schon im 13. Jahrhundert in Flandern vorkommt, so war er nicht durch Ber­

liner, sondern durch Seestädter dahin gebracht. Denn die unmittel­ baren Berliner Handelsbeziehungen reichten nur bis in die nächsten Seestädte: Hamburg, Lübeck, Rostock und Stettin; im Anfang des 16. Jahrhunderts bestand auch etwas Verkehr mit Danzig. Land­ wärts scheint man nicht über die Niederlausitz und Sachsen hinaus­ gekommen zu sein, mit Schlesien und Polen sind keinerlei Beziehungen festzustellen. In diesen Grenzen haben die Berliner allerdings Eigen­ handel getrieben; das geht daraus hervor, daß die beiden schon sehr früh, 1252, die Zollfreiheit in der Kurmark (mit Einschränkungen) erkauft haben. Da diese nur für Eigengut hätte sie keinen Sinn gehabt, wenn die Städte sich auf den

Städte einigen galt, so Passiv­

handel beschränkt und Fremden die Ein- und Ausfuhr überlassen hätten. Auch das gleichfalls früh gehandhabte Niederlags- und Fremden­ recht und

die unterschiedliche Zolltarifierung beweisen,

daß der

bürgerliche Eigenhandel hochgehalten und begünstigt wurde. Dieser bestand vornehmlich in der Einfuhr und dem Vertrieb von allerlei Gebrauchs- und Genußgütern, Weinen, Material- und Kramwaren, aber auch im Handel mit Landesprodukten. Letzteres erhellt aus den Klagen der Städte im 16. Jahrhundert,

daß nun Adel,

Prälaten

und Bauern selbst Kaufmannschaft trieben zum Nachteil der Städte­ bürger, daß ferner die Hamburger in das Land eindrängen und viel

Holz und Korn aufkauften und ausschifften'). Mit der dabei gemachten

Bemerkung, die Hamburger hätten mit dem Korn den Blanken­ felde und Tempelhof großen Schaden zugefügt, erhalten wir

einen Hinweis, daß diese Berliner Geschlechter den Getreidehandel

in größerem Maße getrieben haben müssen. Wir wissen das aber auch aus viel älterer Zeit, denn es heißt 1317 und 1319, daß „die Reichen" versucht hätten, den Getreidehandel für sich zu monopoli-

*) Friedensburg, Kurmärkische Ständcakten aus der Regierungszeit Joachims II., Bd. I, S. 37, 695. 2

fieren. Das Getreide aber war neben Holz und Wolle die Ausfuhr­

ware der Mark; dies waren die Produkte, mit denen Geld verdient und der notwendige Import bezahlt werden konnte. Man kann wohl annehmen, daß der Wohlstand jener Familien vorwiegend aus solchem Ein- und Ausfuhrhandel herrührt. Die vielfältig erörterte Bermögensbildung aus akkumulierten städtischen

Grundrenten*) kommt bei den kleinen und dürftigen Verhältnissen des alten Berlin, wo die Grundrente nur sehr gering gewesen sein

kann, für sich allein kaum in Frage. Es gab hier anscheinend nie ganz große Grundstückbesitzer; das höchste, was hier und da fest­

gestellt werden kann, waren drei oder vier Häuser in einer Hand,

dazu Garten- und Ackerland in und bei der Stadt. Die durch Miete oder Pacht daraus erzielten Überschüsse können nicht sehr erheblich gewesen sein. Erst wenn mehrere Umstände zusammentrafen, wenn zu den Einnahmen aus Grundrente solche aus glücklichen Handels­ und allenfalls Darlehnsgeschäften traten, konnte eine nennenswerte

Vermögensbildung eintreten, die natürlich durch persönliche Ver­ hältnisse — Sparsamkeit und kluges Zusammenhalten, wenig zahl­ reiche Nachkommenschaft, günstige Heiraten, Erbschaften — erheblich

gefördert werden konnte.

Sicher ist, daß, soweit wir das zurück­

verfolgen können, in den märkischen Städten gewisse Beträge über­

schüssigen, anlagesuchenden Vermögens immer vorhanden waren, und daß die Anlagemöglichkeiten in der Stadt und im Weichbild nicht

ausreichten, sondern auch in der näheren und weiteren Umgebung gesucht wurden.

Neben dem festen Besitzkauf waren die gebräuchlichen mittelalter­ lichen Anlagen der Rentenkauf und der Wiederkauf. Der Rententauf bedeutet den Erwerb einer zeitlich begrenzten oder lebens­ länglichen Rente gegen Zahlung eines einmaligen Betrages. Ver­

käufer solcher Renten waren Fürsten, Städte oder sonstige Geld­ bedürftige, deren Zahlungsfähigkeit außer Zweifel stehen mußte. Die Stadt Berlin hat in der Zeit von 1397 bis 1431 an 26 Personen Renten gegen insgesamt 1100 Schock böhm. Groschen (etwa 3000 Gulden) verkauft-), was im Vergleich zu andern Städten eine sehr

geringe Verschuldung bedeutete. Der Wiederkauf, im wesent­

lichen ein Ersatz für das von der Kirche verbotene Zinsgeschäft, be*) Vgl. Sombart, Der moderne Kapitalismus, 3. Aufl., Bd. I, S. 643 ff 2) Clauswitz, Geschichtl. Einleitung zu Borrmann, Bau- u. Kunstdenk­ mäler von Berlin, S. 31 ff.



3

stand darin, daß ein Grundbesitz oder eine Gerechtigkeit aus be­

stimmte Zeit verkauft wurde und nach Ablauf dieser Frist zum Ver­ kaufspreis zuzüglich einer festen Entschädigung, auch Schadegeld ge­

nannt, zurückgekaust werden mußte.

Man kann den Wiederkauf

daher auch als ein Kreditgeschäft mit Sicherstellung bezeichnen. Ebenso

wie Grundbesitz dienten geldwerte Rechte, die wiederkäuflich oder auch erblich erworben wurden, als Kapitalanlage. Solche Rechte, in denen ein mehr als gelegentlicher Handel statt­ fand, waren Bede, Zins, Pacht, Wagendienst, Gerichtseinnahmen

und andere Einkünfte und Nutzungen. Die außerstädtifchen Grund­ stücke und Rechte waren durchweg Lehen, zu deren Erwerb neben dem

Kaufgeschäft die Konzession des Lehnsherren erforderlich war, was natürlich den Handel mit solchen Werten empfindlich erschwerte. Lehnsherr war in der Regel der Markgraf, in manchen Fällen auch Städte oder Adelsherren. Vielfach ergaben sich, namentlich solange die Mark im Besitz nicht ortsanwesender Markgrafen war, Schwierig­

keiten im Nachweis der Berechtigung, wenn Lehnsrechte ohne be­ sondere Einwilligung des Lehnsherrn weiterverkauft waren. Hierin

lag einer der hauptsächlichen Streitpunkte, die 1448 zum Kampf zwischen dem Markgrafen und der Stadt führten. Lehnsbesitz be­

deutete in der Regel keineswegs den eignen Betrieb der Land­

wirtschaft. Vielmehr berechtigte er den Belehnten meist nur zur Erhebung einer im Lehnbrief festgesetzten Abgabe von den unter«

tanenen Bauern. Die Frage, wer die oben erwähnten „Reichen" waren, läßt sich nur aus den Nachrichten über Grundbesitz beantworten, weil dafür

allein urkundliche Belege aus alter Zeit vorliegen, über das städtische Grundeigentum dürfte eine zu erwartende Veröffentlichung über die Berlin-Cöllner Feldmark gründlich Aufschluß geben. Für den außer­ städtischen haben wir im Landbuch Karls IV. von 13751) den frühesten

Nachweis. Danach besaßen eine Anzahl von Bürgern Liegenschaften und Einkünfte im Teltow und Barnim und teilweise noch darüber hinaus. Es seien hier nur diejenigen angeführt, die ganze Dörfer mit allen oder dem größten Teil der Rechte — hoher und niederer Ge­ richtsbarkeit, Kirchenpatronat, Diensten, teilweise auch der Bede, der

ehemaligen Landessteuer — besaßen, die also wirkliche Patrimonialherren waren.

*) Hrsg, von Fidicin, 1856.

Im Besitze mehrerer Dörfer oder Dorfteile waren: Die Blan­ kenfelde und Rathenow zu Berlin, die Ry ke zu Berlin und Cölln; auch Peter Rode und Liborius Botel zu Berlin und Hans Hoge zu Cölln besaßen jeder zwei Dörfer mit allen Rechten fast ganz. Ähnlich begütert waren Hans von Aken und Thilo von Brugge; dieser,

damals wohl der reichste und vornehmste Bürger, hatte auch die obere

und niedere Gerichtsbarkeit in beiden StädtenH vom Markgrafen er­

worben, war also Vogt und Schultheiß sowie markgräflicher Münz­ meister. Kleinere Grundbesitzer jener Art waren Henning Honow, die Döbler (Pfandbesitz), Litzen, Storkow, Nik. Sunde, Trebbus, Thilo

Wardenberg zu Berlin, die Bever, Thile Glase und die Wusterhuse in

Cölln. Einige von ihnen hatten daneben noch Einkünfte in anderen Orten; dazu kommen eine Reihe von Bürgern, die nur Grundstücke und Einkünfte ohne patrimoniale Rechte in meist mehreren Dörfern besahen, unter ihnen die Schum in Cölln und mindestens acht andere.

Es handelt sich dabei durchweg um Stadtbürger, die Landbesitz er­ worben haben, wohl kaum in einem Fall um ländliche Grundsassen, die in die Stadt gezogen sind. Vielfach ist angegeben, von wem die

Güter und Rechte erworben sind und von wem sie zu Lehen gehen; in

den meisten Fällen waren die Markgrafen, in einzelnen Fällen Adlige, ganz selten auch die eigenen Magistrate die Veräußerer.

Sicherlich war es in jenen Zeiten dauernder Wirren und Fehden möglich, von der stets geldbedürftigen Landesherrschaft oder ver­

armten Adligen auch um mäßige Geldbeträge etwas zu erkaufen. Daher die erstaunlich große Ausdehnung dieser Vorgänge.

Im nächsten

Jahrhundert

waren sie schon

zurückgegangen.

Nach den Schoßregistern von 1450 und 14802) und urkundlichen Nach­

richten waren in dieser Zeit von den oben genannten Familien nur noch die Blankenfelde, Rathenow, Ryke, Storkow, Schum und Trebbus unter den Landbesitzern; dagegen werden neu angeführt die

Boytin, Brackow, Freiberg, Heidecke, Krewitz, Markow, Stroband und Wins zu Berlin, die Berkholtz, Glienicke und Hoppenrade zu Cölln.

Hans Markow hatte 1444 drei Dörfer — Jahnsfelde,

Heinersdorf, Wedigendorf — und noch vier Hufen als kurfürstliches Lehen von seinem Vater her. Die Berkholz besaßen 1449 gleich­

falls drei Dörfer: Schmöckwitz, Bohnsdorf und Ruhlsdorf; desgleichen *) Er hat sie 1291 an die Städte veräußert, so daß diese seitdem das Stadtgericht besaßen. -’) Fidicin a. a. O.

waren 1480 die Wins, die ebenso wie die Stroband auch in Frankfurt a. d. O. ansässig und wahrscheinlich erst von da herüber­ gezogen sind, im Besitz von drei Dörfern: Blankenburg, Blankenfelde und Seeburg; ebenso gegen 1500 die Krewitz, denen die Dörfer Schönfeld, Selchow und Wilkendorf gehörten.

Die Schum haben

ihren Besitz stark vermehrt, sie besaßen nach 1470 Lichtenrade und Buckow, acht Hufen in Karow, zwei in Teltow, Renten in Rudow und Steglitz. Dagegen waren die von Aken, die noch zu Ende des 15. Jahrhunderts in Cölln und Danzig saßen, nun anscheinend ohne Landbesitz, über den starken Besitzwechsel bei den Blankenfelde und den Ryke wird noch zu sprechen sein. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts waren auch die oben ge­

nannten Familien bis auf die Blankenfelde, Ryke, Schum und Wins verschwunden, dagegen waren nun mit Land besessen: die Döring, Grieben, Lindholz, Mittelstraß, Tempelhost). Der bürgerliche Land­

besitz ist aber damals nur ein geringer Teil des früheren. Das ist

daraus zu erklären, daß die den Adel ruinierenden Fehden und damit die hauptsächlichste Ursache seiner Verschuldung aufgehört hatten, daß

anderseits die Preise der Produkte und der Wert der Güter gewaltig

gestiegen waren und endlich, daß der Adel zur Gutswirtschaft über­ gegangen war. Dies wurde zugleich für den Handel der Binnenstädte außerordentlich nachteilig, indem nämlich der Adel nun an die See­ städte unmittelbar absetzte, und indem diese eine den Binnenstädten

zunehmend abträgliche Handelspolitik trieben und deren Handels­ betätigung empfindlich einschränkten. Darüber ertönten im 16. und 17. Jahrhundert viele Klagen. Rur wenige Städte konnten sich durch besondere Gunst der Handelslage behaupten, wie Magdeburg und Breslau; Leipzig wurde sogar gerade jetzt durch das Aufblühen seiner Messen zu einem Knotenpunkt des binnenländischen Berkehrs und

wurde nun auch für Berlins Waren- und Geldhandel der zentrale Marktort. Die Verschlechterung der Wirtschaftslage veranlaßte manche der

Wohlhabenden, sich von der Stadt zu lösen. Darüber sagt Thomas

Matthias 1. November 15642): Vor alters ist das Vermögen in Städten gewesen und haben die Einwohner derselbigen stattliche Landgüter gehabt. Jtzo hat sichs verkehrt und zieht, der auf dem Lande etwas hat oder überkommen kann, hinaus, wie dann Andreas ’) Vgl. Fidicin, Territorien: Kirchenvisitation von 1541. ") Friedensburg, Ständeakten II, S. 318 ff.

6

Lindholz deshalb auf dem Lande auch gekauft und Jan Reiche sich gleichergestalt hinaus begibt. Wenn solches die Länge währet und

man auf die Städte nicht acht hat, wird man eitel Bettler in Städten ... behalten ... Man bedenke allein, was Stendal gewesen sei und

itzo ist...

Ein bezeichnendes Beispiel bietet vor allem die Familie Wins. Sie hat der Stadt zwischen 1458 und 1518 vier Bürgermeister ge­ geben, bis 1525 ist noch einer im Rat nachweisbar, wenige Jahr­

zehnte später ist sie aus ihr fast verschwunden; zwei Linien sind zum Landadel übergegangen, eine andere, die noch in Berlin blieb und in Blankenburg mäßig begütert war, ist völlig verarmt.

Berlin-Cölln fand einen gewissen Ausgleich für das auf der einen Seite wirtschaftlich Verlorene dadurch, daß es feit dem Ende

des 15. Jahrhunderts die ständige Haupt- und Residenzstadt, Sitz des Hofes und der Landesverwaltung, sowie Tagungsort der Stände war. Das bedeutete einen wesentlichen Wandel der wirtschaftlichen Struk­ tur. Die beiden Städte hatten nun hauptsächlich Bedeutung dadurch, daß sie die Landstädte durch gehobenen Konsum überragten. Davon

gewannen aber nicht die früher stärksten Träger des Wirtschafts­ lebens, die Geschlechter, sondern die Kleinhändler und Handwerker.

Dies zeigt sich deutlich in der Tatsache, daß im 16. Jahrhundert die meisten Innungen sich gebildet haben. Vorher waren nur die aller­ gewöhnlichsten Gewerbe, wie sie auch jede Landstadt aufweist, als Innungen vertreten, jetzt erst traten die besseren, in Metall, Holz,

Leder usw. arbeitenden hinzu, ferner Feinhandwerker, Künstler, Buch­ drucker, und es wurden viele Fremde durch die gesteigerte Erwerbs­ möglichkeit herbeigezogen. Der Handel hielt sich dadurch über dem örtlich begrenzten Zu­ schnitt einer Land- und Marktstadt, daß hier der Waren- und Geld­

bedarf des Hofes befriedigt wurde, hier die Einnahmen des Landes zusammenkamen und hier der Adel des ganzen Landes infolge der ständigen Tagungen häufig verkehrte.

doch

vornehmlich

dem

Einzel-,

dem

Aber diese Konjunktur kam

Ladenhandel

zugute.

Der

patrizische, grundbesitzende Kaufherr, der auch mit Tuchen, Pelzwerk, Geschmeiden und Weinen, doch nicht für den Kleinbedarf handelte,

wich den berufsmäßigen Spezialhändlern, den Gewandschneidern, Seiden- und Gewürzkrämern, die sich in Leipzig und Hamburg ver­ sorgten und nach Elle und Gewicht verkauften. Was weiterhin hoch­

kam, ist aus dem Stande der kramenden Kaufleute hervorgegangen.

Diese organisierten sich als Gilden: die Gewandschneider, mit dem alleinigen Recht, ellenweise auszuschneiden und „schönes Tuch" zu führen, 1540, die Kramer 1601. Die letzten hervorragenden Vertreter des Großbürgertums aber, die Handel trieben, starben im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts ab: Joachim Reiche, Andreas und Joachim Grieben um 1575, Johann Blankenfelde 1579, Hieronymus Tempelhof 1581, Andreas Lind­ holz 1589.

Kreditwesen und Darlehnsgeschäfte im 15. und 16. Jahrhundert. Bis zur Regierungszeit des Kurfürsten Joachim II. waren die Ansprüche an den Geldmarkt bescheiden, auch hemmten die kirchlichen Zinsverbote. Mit verhältnismäßig bedeutenden Gelddarlehen wird zuerst Bürgermeister Henning Stroband erwähnt: ihm zahlt 1424 Markgraf Friedrich I. ein Darlehen von 150 Schock böhm. Groschen (etwa 500 ft.) zurück, und 1429 leiht Stroband dem Mark­ grafen Johann 400 Schock (etwa 1200 fl.), wofür er die Urbebe von Strausberg zum Pfande erhält'). Im übrigen waren neben dem Rentenkauf und dem Wiederkauf die — anscheinend zinslose — Hypo­ thek die übliche Darlehnsform. Hypothekarische Darlehen wurden in die städtischen Schöffenbücher eingetragen unter der Formel: N. N. hat einen Frieden an (habet pacem ad) N. N. über x Groschen oder Gulden oder um x Schock über all sein Gut. Diese Eintragungen sind von Anfang des 16. Jahrhunderts sehr zahlreich überliefert, aber an Höhe sehr gering. Um eine ausnahmsweise hohe Summe handelt es sich bei einer Eintragung im Schöffenbuch (173) vom 1. August 1515: Gorgen Marcus verwilligt sich einen „freden" im Beiwesen seiner Hausfrau und Thomas Mittelstraßen gegen Claus Wins zu Frankfurt (vertreten durch seinen Sohn Bastian Schulte) und den Berliner Bürgermeister Benedict Kroll sämtlich und sonderlich so hoch als 1240 Gulden über all sein Gut zu Berlin und anderswo. Eine Zinsgebühr ist nie vermerkt, offenbar galt, worauf auch der Wortlaut hindeutet, die Sicherheit der Anlage als ausreichende Ver­ günstigung für die Leihe. Unter Joachim I. finden sich namentlich einige größere Geld­ geschäfte mit den Berliner Blankenfelde. Sonst hat er 1531 vom Rat zu Cottbus 310 fl. erhalten, von Valtin und Hieronymus Jobst in J) Dermiichte Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins I, Tafel 3.

Prag 360 fl. (ä 32 märt. Gr.), von denen 100 schon nach vier Monaten in Frankfurt durch den kurfürstlichen Küchenmeister zurückgezahlt werden, ferner von Thewes Wins' Diener Heinrich Schindt zu Prag 100 fl., alles durch den kurfürstlichen Kanzleischreiber Zeidler'). Bon Joachim I. sind auch zwei Obligationen erhalten, wonach er von den Gebrüdern und Vettern den Fuggern 1530 auf dem Augsburger Reichstage 4000 fl. auf ein Jahr und 1532 durch seinen Diener Thomas Lapi von Florenz 6000 fl. auf sechs Jahre entliehen hat; im letzteren Fall versprach er auch denen zu haften, bei denen die Fugger das Geld etwa aufbringen würden"). Von gewerbsmäßigen Geldhändlern oder Vermittlern verlautet in älterer Zeit nichts, außer daß es von den markgräflichen Münzm e i st e r n im 14. Jahrhundert heißt: daß sie nicht nur die für die Stadt geltenden Pfennige zu prägen, sondern auch eine Wechselbank zu halten hatten und damals die einzigen Bankiers waren'). „Bankiers" ist sicher zuviel gesagt, wenn sie den einfachen Handwechsel betrieben und, wie es weiter heißt, „sogar" an Fürsten Geldsummen ausliehen. Denn daß die Fürsten sich von ihren Münzmeistern Geld geben ließen, zumindest in Form von Kautionen, war ja wohl selbstverständlich; es käme hauptsächlich darauf an, ob jene private Geldgeschäfte machten oder vermittelten. Im Anfang des 16. Jahr­ hunderts tätigte der Münzmeister Andres Boldicke öfters Geld­ geschäfte mit Berlinern. So nahm er 1511 bei Hans Tempelhof und zwei andern 600 Rh. Gulden auf unter Einsetzung aller seiner Güter in Berlin und Frankfurt; 1513 wieder 500 fl. bei Christoph und Antonius Wins und Hans Tempelhof, und 854 fl. bei Christoph und Hans Wins und zwei andern; 1520 lieh er Antonius und drei andern Wins 584 fl/). Völlig andere Verhältnisse traten ein unter Joachim II., ein­ mal im Zusammenhang mit seiner berüchtigten Schuldenwirtschaft, sodann infolge der in ganz Europa sich durchsetzenden Revolution des Geldwertes und der Warenpreise. Daß ein Landesfürst auch auf knapper Grundlage wirtschaften konnte, zeigt das Beispiel des jüngeren der beiden fürstlichen Brüder, *) Rep. 61. 22. ■) Rep. 61. 28a. ’) Fidicin, Landbuch (1856), S. 340b. über die Rolle des oben­ genannten Thilo v. Brügge als surf. Geldmann vgl. Bahrfeldt, 550 Jahre Berl. Münzgeschichte, Archiv der Brandenburgia IX, S. 106. ') Berl. Schöfsenb. 101, 248, 269.

die von Juli 1535 bis Januar 1571 getrennt die Mark Brandenburg beherrschten, des Markgrafen Johann von der Neumark, gewöhnlich Hans von Küftrin genannt. Er war nicht nur ein vortrefflicher Haus­ halter, sondern auch ein Mann von ausgeprägtem und rücksichtslosem Geschäftsgeist, der bedeutende Geld- und gelegentlich auch Wucher­ geschäfte mit Kaiser und Fürsten, unter der Hand auch mit Kauf­ leuten machte und ein Kapitalvermögen von mehr als y2 Mill. Gulden hinterließ. Im Gegensatz zu diesem fürstlichen Finanzmann war sein Bruder, der Kurfürst Joachim II., ein sorgloser Ver­ schwender, der sich um die Verwaltung nicht bekümmerte, den Ge­ nüssen des Lebens und dem Prunk in ausschweifendem Maße huldigte, sich gutmütig von Günstlingen jeder Art ausbeuten ließ, daneben allerdings auch für eine ehrgeizige Reichs- und Hauspolitik große Summen zur Verfügung stellte. Seine ganze Regierungszeit war daher angefüllt von einem geradezu fieberhaften Drang, Geld zu be­ schaffen um jeden Preis, in oder außerhalb des Landes; es war die wildeste Schuldenwirtschaft, die in der Mark je geherrscht hat. Ob­ wohl das Domanium durch die Säkularisation der meisten geistlichen Güter bedeutend vermehrt worden war, obwohl die Stände für die Tilgung der Schulden einige Millionen aufbrachten, hinterließ Joachim noch eine Schuldenlast von 2% Mill. Gulden. Ein großer Teil der aufgenommenen Gelder ist allerdings gar nicht wieder­ erstattet worden, vielmehr haben die Gläubiger an Kapital und Zinsen gewaltige Einbußen erlitten. Die Darlehen wurden haupt­ sächlich beschafft durch Verpfändung von Domänenstücken und Regal­ einkünften, namentlich Zöllen, und Antizipationen auf das Salz- und das Bergwerksregal. Zumal diese gaben Anlaß zu allerlei Unter­ nehmungen von Finanzleuten, wie die Loitz, Lindholz, Grieben, Frey, die uns noch näher beschäftigen werden. Auch weitere absonderliche Mittel und Wege der kurfürstlichen Schuldenwirtschaft werden ge­ legentlich aufgezeigt werden können. Es seien hier vorweg zwei Unternehmungen erwähnt, bei denen Berliner sich genossenschaftlich beteiligt haben. Das erste war die Ausbeutung des neuen S a l z q u e l l s „auf dem Theuer" bei Beelitz, für die 1544 eine stattliche Gewerkschaft gegründet wurde, vermutlich, nachdem der Kurfürst mit dem Werke begonnen hatte und der Kosten halber damit nicht weiter kam. Als Gesellschafter wurden belehnt*)

*) Kurs. Lehnbrief Rep. 78. 29, fol. 224 v.

10

(„Großes

Salzprioileg"),

Cölln, 13. Juli 1544.

außer dem Fürsten Johann von Anhalt, mehreren Adligen, dem Kanzler Dr. Wolfgang Kettwich und anderen Beamten: Die Bürger­ meister Georg Freiberg und Georg Matthias von Berlin, Levin Prafche von Cölln, und etwa 30 Berliner Bürger, darunter Baltin Döring, Hieronymus und Joachim Reiche, Andreas und Jakob Grieben, Wolff Feyel, ein angesehener Kaufmann, Martin Gotzke, Peter Krause, Caspar und Veit Theyß. Dagegen sind keine Blanken­ felde, Wins, Tempelhof oder Lindholz beteiligt. Die Vergünstigung der Gewerkschaft bestand hauptsächlich darin, daß sie das Holz aus der kurfürstlichen Heide auf drei Jahre unentgeltlich, dann um drei Groschen die Rute haben sollte. Über das völlig gescheiterte und wohl von vornherein aussichtslose Unternehmen wird noch zu sprechen sein. Ein anderes war ein Kupferschiefer - Bergwerk zu Könnern bei Halle, zu dem Christoph Frey aus Magdeburg den Kurfürsten und anscheinend auch dessen Sohn, den Magdeburger Erzbischof Sigis­ mund beredet hatte (vor 1555). Da es aber in dieser Form nicht gelang, so suchte man das Unternehmen als Gewerkschaft zustande zu bringen. So wurde den kurmärkischen Städten 1559 zugeredet, sie möchten Anteile übernehmen; ja, der Kurfürst wollte ihnen auf dem Landtage am 2. Februar 1560 von einer Willigung von 74 000 ff. 20 000 nachlassen, falls diese 20 000 zu Erkaufung und Erbauung von sechs Teilen des Bergwerks gebraucht würden. Die mittelmärkischen Städte sind auch darauf eingegangen, die altmärkischen und priegnitzfchen schlossen sich aus, anscheinend auch Cöllns. Das Bergwerk aber ist, obwohl Th. Matthias seinen Wert und möglichen Ertrag recht hoch einschätzte'), nicht in Gang und zu einigem Nutzen gekommen'). Immerhin hat Johann Blankenfelde 1563 für die Gewerkschaft Kohlen zum Bergwerk verschiffen lassen4). Auch war Jakob Lutter zu Mans­ feld am 8. Dezember 1559 vom Kurfürsten und Erzbischof Sigismund neben den Konnerischen Gewerken zu einem Diener aufs Bergwerk bestellt, auf fünf und dann auf weitere fünf Jahre, für jährlich 300 Tl.; er hatte 1571 2700 Tl. darauf zu fordern, also neun Jahres­ besoldungen'). Th. Matthias hatte ihm schon 460 Tl. bezahlt. Als Gewerke waren u. a. beteiligt die Bürgermeister Th. Matthias, Johann Blankenfelde, Valtin Döring, auch Levin Wins, Hans ’) 2) ’) *) 6)

Friedensburg, Ständeakten II. 128, 183, 189, 196, 207k., 209, 212. 1563/64, Friedensburg II. 278, 323. Stände-Archiv A 6 2f 96. Rep. 43.139. Stände-Archiv B 1.8, S. 195.

Trebbow, Rüdiger Rost, Jochim Wilke, Balthasar Schuler, die zu dem Zweck 1000 Goldgulden von einem v. Klitzing ausgenommen hatten, deren Bezahlung an Blankenfelde hängen geblieben mar1). Valentin Döring verkaufte seinen Anteil zu Martini 1563 dem Kur­ fürsten für 2000 Tl., hat aber außer einer Verschreibung nichts dafür erhaltens.

Unter Joachim II. hat das jedes vorherige Maß übersteigende Kreditbedürfnis der Landesherrschaft eine nie erlebte Bewegung auf

dem Kapitalmarkt verursacht.

Es wurden nun Summen umgesetzt

und verrechnet, die in keinem Verhältnis mehr stehen zu den be­ scheidenen Beträgen, die noch in der Zeit Joachims I. genannt werden. Handelte es sich damals im Einzelfall um einige 100, so ging es jetzt

um ebenso viel Zehntausende von Talern. Wesentlich spricht bei den größeren Ziffern mit, daß der Geldwert im Laufe des 16. Jahr­ hunderts infolge des starken Silberbergbaus, dann auch des Ein­

strömens von Edelmetall aus Amerika sehr bedeutend gesunken ist. Jene immerhin für die Verhältnisse des Landes recht hohen Kredit­ operationen konnten nur auf Grundlage des städtischen und vor allem -es ländlichen Jmmobilienbesitzes erfolgen: es waren adlige und

bürgerliche Grundbesitzer, die als Darleiher und Bürgen die Beträge stellten. Namentlich der Adel ist jetzt in weitem Maße Kreditgeber geworden^), nachdem er sich, wie erwähnt, wirtschaftlich umgestellt i) Streitsachen von 1578 und 1614. R. 97. I. 52 u. 69. Die Blanken­ felde beziffern ihre Forderung 4. 11. 1614 auf 4682 Tl. Mit dieser Gewerk­ schaft hängt vielleicht eine zu Berlin Donnerstag nach Jubilate 1568 aus­ gestellte Schuldverschreibung zusammen, worin Johann Blankenfelde, Va­ lentin Döring, Joh. Brettschneider, Andreas Lindholz zu Trebus, Joachim Damsdorf, Joachim Reiche, Merten Gotzke, Hieronymus Tempelhoff, Christoffer Roch zu Altstadt Brandenburg, Andreas Massow, Joachim Stein­ brecher und Simon Mellmann bekennen, daß Markgraf Johann Georg ihnen zu höchst nötigen und bedranglichen Ausgaben 3000 Tl. bar bis Laetare 1569 gegen einen Jahrzins von 180 Tl., bei Einsetzung aller ihrer Güter, die ohne weiteres einzunehmen, vorgestreckt habe (Rep. 9 ZZ d). Auf jene Gesellschaft bezieht sich vermutlich auch eine Feststellungsklage von Thomas Fahrenholz' Witwe und Kindern, 500 Tl. Hauptsumme halber, wo­ bei Dezember 1575 Bürgermeister Th. Matthias, Johann Blankenfelde d. Ae., Bürgermeister Valtin Dörings, Dietrich Bardelebens und Joachim Fuhrmanns Erben, Peter Tile, Joachim Willicke, Jobst Krappe, Matthis Francke, Caspar Boling und Lorenz Blankenburgs Erben zu Berlin zu Recognoscirung von Brief und Siegel bei Meldung der Pfändung vor das Kammergericht beschieden wurden (Rep. 97. 1.23). 8) Stände-A. B 1, 8, S. 103. 8) Vgl. dazu auch Friedensburg, Ständeakten II. S. 318, 363.

hatte und da er aus der Geldabwertung und dem damit verbundenen Steigen der Preise für ländliche Produkte den größten Nutzen zog. Seine finanzielle Stärkung erhellt auch daraus, daß der vor­ her so häufige Übergang ländlicher Grundstücke und Einkünfte in bürgerliche Hände im Laufe dieses Jahrhunderts fast ganz nachlieh, ja es ist mancher Landbesitz des niedergehenden Großbürgertums (so der Wins, Grieben, Mittelstraß) wieder in adlige Hände gelangt. Auch erhellt aus den Sentenzen des Kammergerichts, daß in länd­ lichen Grundstücken die größten Umsätze gemacht wurden, wogegen in bürgerlichen Häuserkäufen, Erbregelungen und Warengeschäften nur geringfügige Beträge nachgewiesen werden.

Zur Aufnahme größerer Anleihesummen bedurfte es besonderer Bermittler, die auf Grund kurfürstlicher Bollmachten und erwirkter Privilegien die Beträge im einzelnen zusammenbrachten, die Gelder „negotiierten". Solche, in dieser Zeit zum erstenmal hier erscheinen­ den Finanzoperateure, die Vorläufer gewerbsmäßiger Bankiers, waren in Berlin namentlich Joachim Grieben und Andreas Lindholz; aber auch adlige Herren haben sich bei diesen Geschäften betätigt, so Anselm o. Zaschwitz, Heine v. Brösicke, Heinrich v. Staupitz. Die vom Hofe ausgehende Schuldenwirtschaft, das massenhafte Borgen und Bürgschaftsleisten haben arge materielle und moralische Schäden verursacht. Ein Chronist berichtet bereits 1551, daß sich nicht nur viele mit Schuldenmachen und Verbürgen ruiniert hätten, sondern daß auch eine gewaltige Spielleidenschaft bei „Stadtjunkern und Mercadanten" eingerissen fei1); ein anderer, der Nachwuchs der reichen Kaufmannsfamilien habe durch übermäßigen Kleiderluxus und hohes Glücksspiel Anlaß zu zahlreichen Bankerotten gegeben2).

Was die Formen des Darleihens angeht, so findet sich jetzt nicht mehr die gerichtliche Bekundung mit Eintragung in das Schöffen­ buch; üblich ist vielmehr die förmliche Schuldverschreibung mit Unter­ schrift und Siegel, Angabe der Sicherheit, Zins- und Rückzahlungs­ versprechen. Im kaufmännischen Verkehr sind Darlehen auf sechs oder vier Monate gebräuchlich; Zahltermine waren vornehmlich die Leipziger Messen zu Ostern und Michaelis, weniger die zu Neujahr. Der gebräuchliche Zinsfuß ist 6 %, er wird öfters in den Ver­ schreibungen gar nicht genannt. An diese Norm waren jedoch Juden 1) Riedel, Cod. dipl. Brand. D 1 6.113. 2) Schriften d. 23er. f. d. Gesch. Berlins 1, S. 14; Buchholz, Gesch. i>. Churmark Bd. III S. 413 f., nach Locceliue.

nicht gebunden, und auch bei den Geschäften von Kaufleuten unter­ einander galt freie Vereinbarung über Zinshöhe. Diese ist daher je nach Konjunktur und Sicherheit des Leihenden sehr verschieden. Als üblicher Satz für Darlehen von einer Messe zur andern gelten 4 %, das sind auf das Jahr 12 %; es werden aber auch, namentlich bei Prolongationen, dringenden Verlegenheiten und unsicherem Kredit, wesentlich höhere Sätze gefordert. Joachim Grieben mußte in seiner

späteren Zeit bis zu 32 % geben. Die Höhe des kaufmännischen Zins­

fußes übertrug sich naturgemäß leicht auf den übrigen Darlehnsverkehr. So konnte Grieben dem Kurfürsten lange Zeit 8 % Halb­ jahrszinsen anrechnen, da ihn selbst das Geld sehr teuer kam. Mark­

graf Hans, der sich bei größeren Darlehen in der Regel mit 6 % pro anno begnügen mußte, pflegte kleinere Kapitalien an Kaufleute in den Leipziger Messen zu 6 bis 10 % Halb jahrszinsen aus­ zuleihen. An Lindholz gab er einmal 7000 Tl. gegen 6 %, aber mit der Bedingung, nach drei Jahren 10 000 zurückzuzahlen; das wären

über 20 Prozent*) I Bei Zahlungsverzug wurde oft noch „Schadegeld" aufgeschlagen.

So berechnet Grieben dem Uhrmacher Balzer Marquart 1567 für Beträge von 66% und 115 Tl., die dieser an den Verfalltagen nicht

erlegt hatte, 19y2 bzw. fast 21 %, bei ein- bzw. dreivierteljähriger Verlängerung. Er begründete es damit: „Weil mir ein mehrers wegen des Verzugs auf dem Gelde gangen, bin ich der Zuversicht, Meister Balzer wird sich dasselbe wieder zu erstatten nicht be­ schweren", und erbietet sich, „wenn er mir hinwieder solche Summa in Jahres Zeit auf dergleichen Termine fürstreckt, ihm auch soviel Inter­ esse davon zu geben2)." „Schadengeld" wird auch bei den Ab­

rechnungen über die kurfürstlichen Schulden 1571/72 öfters gefordert, von den Landräten aber nie zugestanden.

Zuweilen werden auch übernormale Zinssätze beanstandet. So hat Valtin Priort dem Peter Krause zu Weihnachten 1566 1000 Tl., jährlich mit 80 Tl. „zu verpensionieren, vorgesetzt", wofür sich Caspar Meinow, Johann Reiche, Hans Mittelstraß und Andreas Lindholz in solidum verpflichteten. Als Meinows Erben später allein

in Anspruch genommen wurden, behaupteten sie nicht nur, daß sie unschuldig und fast übel zu dieser Bürgschaft gekommen, sondern auch,

daß der Zins, der übrigens drei Jahre bezahlt worden war, sehr un*) Mollwo, Markgraf Hans v. Küstrin (1926), S. 492 f. -) Rep. 61. 29c I. 14

gewöhnlich und übermäßig sei. Im endlichen Vergleichsverfahren wurden auch die 1110 Tl. rückständiger Zinsen auf 400 ermäßigt; für die zusammen 1400 Tl. wurde das Meinowsche Haus samt vier freien

Buden am Grauen Kloster „hinter der Mauer" übergeben1).2 3Der

Kurfürst erhielt zu Martini 1554 von Matthias Hacke 2000 fl. zu 71/2 %, so daß 1571 2400 fl. an Zinsen gefordert wurden. Bei der Abrechnung wurde wegen des ungewöhnlichen Zinses gleich über

die Hälfte desselben abgezogen-). Weniger als 6 % kommt kaum vor. Wenn in einer Verschreibung

Jakob Griebens für Wolf v. Lindenau über 10 000 fl. vom 9. Oktober 1559 nur 5 % ausbedungen wurden, so war das vielleicht in dem glänzenden Kredit des Entleihers begründet, es könnten aber auch gewisse, nicht schriftlich niedergelegte Abmachungen der Partner da­ hinter stecken.

Die üblichen Sicherungen waren: 1. Einsetzen eines dinglichen

Unterpfandes, meist, selbst bei

kleineren Darlehen, von allem Hab und Gut. Es war trotzdem oft

unzulänglich, weil keine Sicherheit bestand, daß der Schuldner nicht gleichzeitig verschiedenen Gläubigern dies zum Unterpfand setzte; das kam denn auch öfters vor, so daß eintretendenfalls um die Priorität

gekämpft werden mußte. Bei Zahlungsversäumnis konnte der Gläubiger bei dem für den Schuldner zuständigen Gericht (Stadt­ gericht, in weiterer Instanz Kammergericht) gegen dessen Güter Arrest

oder, wie es damals meist hieß, „Kummer" nachsuchen und dann „Immission" oder „Execution" erhalten. In Ermangelung greifbarer Güter wurde der Arrest gegen die Person des Schuldners vollstreckt.

Oft findet sich auch die schärfere Verpflichtung, daß der Gläubiger, ohne den umständlichen Rechtsweg zu suchen, an der Person und den Gütern des Schuldners sich schadlos halten dürfe. Landesherren

gaben sogar ihren Gläubigern aus solchen Fall nicht selten das Recht, ihre Untertanen und deren Güter unterschiedslos aufzugreifen und sich daran schadlos zu halten1). Markgraf Hans hat von solcher Befugnis öfters rücksichtslos Gebrauch gemacht.

2. Mithaftung von Personalbürgen mit Unterschrift und Siegel war daneben oder auch allein für sich am häufigsten. Die Willfährig*) 4. Juli 1589. Rep.97. I. 34. 2) Stänbe-Archio Bl. 8, S.25. 3) Zahlreiche Beispiele aus den ständischen Akten bei Buchholz, Proo.-A. Brand. 16, 1 f.

feit von Verwandten und Freunden wird auffallend oft benutzt und mißbraucht: selbst Personen, bei denen ein näheres Verhältnis zum Schuldner gar nicht erkennbar ist, bürgen oft für hohe Beträge mit. Die Bürgen hafteten in der Regel solidarisch, und es blieb dem

Gläubiger überlassen, ob er sich im Nichterfüllungsfall an den Schuld­ ner oder einen oder mehrere der Bürgen hielt. Nur ausnahmsweise

kam es vor, daß Bürgen sich anteilweise verpflichteten. 3. Für den Fall der „Nichthaltung von Brief und Siegel" ver­ pflichteten sich Schuldner und Bürgen, sich mit ihren Personen zur Verfügung zu stellen, indem sie mit mindestens zwei Pferden und einem Knecht an einem gewissen Orte „einreiten" und so lange Her­ berge halten sollten, bis sie sich losgelöst hatten. Solches „Einlager", auch „Leistung" genannt1), war ursprünglich wohl ein Ersatz der

Schuldhaft für rittermähige Personen, aber auch bürgerliche gingen vielfach diese Verpflichtung ein, und selbst bei einem Juden (Michel) werden wir solches feststellen können.

Wurde weder gezahlt noch einer sonst eingegangenen Verpflich­ tung (Einlager) genügt, so

konnte der Gläubiger die säumigen

Schuldner und ihre Bürgen durch Schmähschriften und Schand­ gemälde und deren öffentliche Verbreitung als ehr- und siegellose Be­ trüger hinstellen2). Von einer solchen Schrift berichtet ein Berliner

Chronist):

„Eod. (1580) hat Bernt v. Bredow auf Vehlefanz und Flatow

schändliche Schmäh-Briefe und Gemählde an Rathhäusern zu Berlin, Cöln, Brandenburg und Spandau, wider Petern von Hoppenrade zu

Stolpe, Friedrich Hacken zu Machenow, Otto Britzken, Jan Reichen Erben und Martin Grieben, welche in Bürgschafft vor Bürger-Mstr. Jeronimus Tempelhoffen bey ihm gehafftet, anschlagen lassen, in welchen er sie nicht allein mit Nahmen genennet, sondern auch aus­

drücklich treulose vor der Welt aufgeblasene Betrüger, falsche, siegel­ lose, unehrliche, glaublose, untreue, böse, lügenhaffte, unehrlich ver*) Vgl. G. Friedländer, Das Einlager, Münster 1868. Danach be­ deutet das einerseits auf Freiheitsliebe, anderseits auf dem Gefühl für Treu und Glauben begründete Einlager ursprünglich die freiwillige Auf­ gabe der Freiheit im Falle nicht eingehaltener Verpflichtung. In Deutsch­ land zuerst 1182 nachweisbar, 1577 durch Reichs-Polizeiordnung verboten, ist es als ritterlicher, auch von Bürgern und Geistlichen übernommener Brauch bis zum 30jährigen Krieg in Übung geblieben. 2) O. Hupp, Scheltbriefe und Schandbilder, München 1930. ’) Chronicon Berolinense, in Schr. d. Ver. f. d. Gefch. Berlins 4, S. 26 f.

rätherische Leute, die Lügen mit Siegeln und falschen Zeugen ge­ trieben, die alte und junge betrogen, denen Betrug keine Schande deuchte, und die nicht wehrt, daß man mit ihnen umgehen, oder den Hut für ihnen abziehen sollte, gescholten, nebst ganz hehlichen, un­

flätigen, garstigen und abscheulichen Gemälden, und zwar öffentlich

dieses alles unter seinem Namen." Solche eigenartigen Gepflogenheiten im Darlehnsverkehr waren recht unrational und verhalfen oft auch wenig zu ihrem Zweck. Sie

find daher gegen Ende des 16. Jahrhunderts anscheinend ganz außer Gebrauch gekommen. Schon Joachim Grieben hat sich auf Einlager nie eingelassen, wie er selbst bekundet; er hat allerdings einmal Hein­ rich v. Thümen „in Leistung gefordert", woraus dieser befreit wurde,

als Claus v. Arnim 800 Tl. für ihn beim Gericht hinterlegte (10. März 1568). Noch im September 1574 wurde im Kammergericht verab­ schiedet, daß Hans o. Taubenheim dem Berliner Asmus Stolper 1500 Tl. für Einlager schuldig sei, zu dem ihn Andreas Lindholz ge­ nötigt hatte. Wegen der übermäßigen Kosten, die beim „Einreiten

und Leisten" draufgingen, haben sich etwas später Kaiser und Kurfürst einer Moderation verglichen. Danach sollte hinfort kein Wirt mehr als 18 sgr. auf Mann und Pferd des Tages rechnen, auch die Ein­ lager Haltenden keine Gäste auf Unkosten des Leistens ferner ein­

laden, womit man bisher den allergrößten Schaden verursacht tjabe1).

Im allgemeinen blieb es recht schwer, gegen säumige Schuldner wirksam vorzugehen. Ein großer Herr, der ausnahmsweise als Dar­ leiher auftrat, wie Markgraf Hans, hatte es noch verhältnismäßig

einfach. Dieser konnte derartige Bürgschaftsklauseln fordern, daß die

Städte für ihren Kredit fürchteten, wenn die Form bekannt wurde, und von dem gewaltsamen Zufahren gegen Personen und Güter hat er öfters rücksichtslos Gebrauch gemacht?). Auch jener Berndt v. Bredow hat 1580 durch Überfall auf der Landstraße und Warenraub versucht, Geld einzutreiben, das ihm bei der Landschaft zustand. Solches Vor­ gehen fiel aber doch schon als ungewöhnlich auf. Dem Privatmann

blieb jedenfalls nur der gerichtliche Weg übrig; der aber war mit großen Umständen und Kosten verbunden, dabei äußerst zeitraubend

und ungewiß, zumal bei interterritorialen Schuldklagen. So wurde *) Bericht des Hauptmanns zu Cottbus vom 7. April 1577. Danach brachten die Einlager nach Cottbus, das ein besonders beliebter Ort dafür war, jährlich etliche 1000 Tl. (Rep. 56.17.) -) Vgl. Mollwo, a. a. O., S. 495, 497, 500, 501, 502, 504.

dem Gläubiger, der gegen einen nichtzahlenden Schuldner Personal­ arrest verhängen ließ, angesonnen, daß er für den Unterhalt des auf seinen Antrag Festgesetzten aufkomme und für etwaige Schaden­

ansprüche wegen unberechtigten Zufahrens Kaution stelle. Trotz aller Mühen und Kosten lief er dennoch Gefahr, das bloße Nachsehen zu haben. Gelegenheiten, Gelder anzulegen, boten die Rats-oder Kämmerei­ kassen der Städte, also im besonderen die von Berlin und Cölln. Als Sicherheit für die Anlage von Geldern diente der städtische Grund­

besitz, darüber hinaus aber auch das gesamte Eigentum der orts­ ansässigen Bürger, so daß jeder einzelne zu etwaiger Schadloshaltung

herangezogen werden konnte. In der zweiten Hälfte des 16. Jahr­

hunderts wurde die Göllner Stadtkasse infolge ihrer guten Ver­ waltung gern für Anlagen, auch von Mündelgeldern, Legaten und Wohlfahrtsstistungen, benutzt; sie war auch in der Lage, Gelder aus­ zuleihen. Dagegen war die Berliner Finanzverwaltung seit der Bür­ germeisterschaft von Th. Matthias (f 1576) in trostlosem Zustand;

sie konnte keine Rückzahlungen leisten, ja auch die Zinszahlungen nur mit Verzögerung, so daß ihr Kredit dahin roar1). Gläubiger der Stadt Berlin waren teilweise auch Adlige, so: Matthias v. ©albern, Hans v. Buch (5500 Tl.), Heine v. Brösicke (1569,

1000), Otto v. Krummensee (1577), Adam v. Oppen, H. v. Groeben. Sonst finden sich der Rentmeister Panthel Thum mit 6000 (1560), der

Nürnberger Nie. Loneisen mit 1600 Tl., alles ju 6 %. Anna Sydow,

die Witwe des Zeugmeisters und Stückgießers Nickel Dietrich, hat der Stadt Cölln am 2. Februar 1566 1000 und am 8. Januar 1567 1700 Rh. Goldgulden mit kurfürstlichem Consens gegeben2).

Als öffentliche Kaffen, die gleichfalls Gelder negotiierten, be­ standen feit 1541 die Ständekassen, die begründet waren, um die neu beschlossenen Steuern zu sammeln und daraus die kurfürstlichen Schul­ den zu tilgen2). Es waren, neben den für bürgerliche Geldgeber *) Thaus, Kassen- und Schuldenwesen Berlins u. Cöllns i. d. 2. Hälfte d. 16. Ihs., S. 183, 185, 188, 190 f., 210, 227, 228.

-) Rep. 61. 24 u. 3) Vgl. F. L. Buchholtz, Histor. Nachricht v. d. Fundation usw. d. Chur­ märk. Landschaft und deren Kaffen. Handschrift (1750), Provinz.-Archiv Bran­ denburg 16 If; M. Haß, die kurmärk. Stände im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts. S. 228, 235, 284 ff.; Thaus, S. 190 f.

weniger in Betracht kommenden Hufen- und Giebelschoßkassen, die Neubiergeldkasse und die besonderen Kassen der mittelmärkischen und der altmärkisch-priegnitzer Städte. Die Städtekassen galten als be­

sonders sicher, da für ihre Anleihen die Haupt- oder alle Immediat-

städte des betreffenden Städtekorpus mit unbeschränkter Solidarhaft sämtlicher Bürger für Kapital und Zins einstanden.

So legten

schon im Frühjahr 1541 Catharina Wins 700 fl. gegen Obligation von Berlin, Fabian Wins 1000 fl., Magdalena Reiche 1000 fl. gegen Obligation von Berlin-Cölln ein, alles zu 6 % bei vierteljährlicher

Kündigung*). Bei der Biergeld- und der Hufenschoßkasse waren nach der ersten erhaltenen Rechnung von 1549/50 auf 73 261 fl. Steuer­ eingänge 32 467 fl. Darlehen negotiiert. Diesen Kassen hielt es oft

schwer, genügende Fonds zur Abdeckung

der ihnen obliegenden

Zahlungen durch Darlehen beizutreiben, zumal da für jedes Dar­ lehen Personalbürgschaft geleistet werden mußte; daher mußten, wenn andere Bürgen nicht aufgetrieben werden konnten, die Verordneten

der Landschaft selbst einspringen.

Alle ständischen Kassen boten genügende Sicherheit, so daß auch

Witwen- und Unmündigengelder da angelegt wurden; andererseits haperte es gelegentlich, namentlich bei der Neubiergeldkasse, mit der

Tilgung und selbst der Zinszahlung. Die Gläubiger stammten aus allen Schichten; bei den Städtekassen überwog das bürgerliche Ele­

ment, doch finden sich auch Ausländer, ferner Korporationen und Institute, wie Kirchenkassen, Hospitäler und Klöster. Einmal haben

die mittelmärkischen Städte

10 534 Tl. durch Cuno Teuerlein in

Leipzig negotiieren lassen, und ein Dietrich Weinkempf verpflichtete sich durch Revers, ihnen zu gut 80 000 Tl. aufzubringen*). Manche Gläubiger wurden zu solchen durch Anweisungen dritter; auf solche

Weise hatten 1621 die Weiler und nachher Joh. Fritze 5000 Tl. bei der Landschaft stehen*). Der Zinsfuß war der landesübliche von 6 %, bet den landschaftlichen Städtekassen wurden öfters auch nur 5 % ge­ zahlt. Eine Reduktion auf 5 % wurde bei der Stadt Berlin (1585)

und bei der Neubiergeldkasse (1593 und 1624) erwogen, konnte aber nicht durchgeführt werden. -) Stände-A. III 223, IV 20, 24.

') Stände-A. B 1. 8. S. 365. -) Berl. Stadt-Archiv, Urk. III, 209.

Selbst Darlehen zu gewähren war natürlich nicht die Aufgabe dieser Kassen, doch kam das ausnahmsweise auch vor. So hat der

Berliner Rat bei der Neubiergeldkasse einmal etliche 1000 Tl. aus­ genommen und dafür Stadtgüter zum Unterpfand gesetzt. Auch Th. Matthias hat 1566 unter Bürgschaft des Berliner Rats 1000 fl.

bei der Priegnitzer Städtekasse entliehen') *)~Rep. 97. I. 37 u. 39.

Die Blankenfelde, Deiche und Mns Vermögen «nd Schicksale -er älteren Blankenfelde «nd Reiche. Die oberste Schicht in den Städten bildeten eine beschränkte An­ zahl von Familien, die in folgender Weise über die breite Masse der Gewerbetreibenden und Ackerbürger emporragten:

1. Sie waren nicht nur mit Haus und Hof in der Stadt und mit

Grundbesitz in der Feldmark angesessen, sondern besaßen auch draußen im Lande Güter, Untertanen und Renten, hatten da oft alle patrimonialen Rechte, nebst unterer und oberer Gerichtsbarkeit und dem

Kirchenpatronat, und waren markgräfliche Lehnsleute. 2. Sie lebten von ihren Renten, gaben sich daneben wohl mit kaufmännischen Geschäften, nicht aber mit Handarbeit ab. 3. Ihre ökonomische Unabhängigkeit dagegen erlaubte ihnen weit­

gehende Beteiligung an der städtischen Verwaltung, so daß sie die Rats- und Bürgermeisterstellen vorwiegend und vielfach in erblicher Folge innehatten.

4. Sie hielten es nicht mit den Zünften und mischten sich auch

nicht durch Heiraten mit Handwerkern u. dgl., sondern versippten sich

nur mit ihresgleichen; die Söhne pflegten nach ritterlicher Art und hochfahrend aufzutreten und werden noch um die Mitte des 16. Jahr­ hunderts als Stadtjunker bezeichnet. Diese Familien bildeten also tatsächlich einen Stadtadel, obwohl sie rechtlich nicht nach unten abgeschlossen waren und — seit 1448

wenigstens — keinen ausschließlichen Anspruch auf die Ratsämter hatten. Sie waren auch teilweise adliger Herkunft oder hielten sich dafür. Von allen sind die Blankenfelde und die Reiche am längsten

und in der hervorragendsten Weise mit unseren Städten verbunden'). ') über beide vgl.: Brecht, Berk. Geschlechter, Vermischte Schriften des Vereins f. d. Gesch. Berlins, Bd. I (1888): Tafel 1 und 2 (auf Tafel 3—9 sind behandelt die Stroband, Matthias, Tempelhof, Boytin, Grieben, Wins, Rathenow): Schwebe! im Bär 1887/88 6.650 ff., 663 ff.; 1889 S. 543 ff. Brechts Angaben find vielfach unzutreffend.

Andere altangesehene Geschlechter sind wesentlich früher ausgeschieden, so die Wardenberg vor 1450, die Rathenow Ende des 15., die Stro-

band anfangs des 16. Jahrhunderts, dagegen die Wins und be­ sonders die Grieben erst später hier aufgetreten; wieder andere, wie die Schum (Schaum), Brackow und Freiberg, können es an Bedeu­ tung nicht mit jenen aufnehmen. Die Lindholz,

Tempelhof und

Matthias, die auch nicht vor der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts

hier erscheinen, entstammten dem einfachen Bürgerstande und können nicht eigentlich zu den „Geschlechtern" gerechnet werden.

Die Blankenfelde, die schon 1287 im Berliner Rat nach­ weisbar sind, erhielten 1474 vom Kaiser den Adel zuerkannt, jeden­

falls doch auf Grund eines Nachweises ihrer adligen Herkunft. Die Ryke oder Reiche, in lateinischen Urkunden auch „dives“ genannt, womit dem Namen eine symbolische Bedeutung beigelegt roirb1), sind erst später, 1326, im Rat erkennbar, zunächst in Cölln, wo sie (1380) ein Haus in der Brüderstraße hatten, dann (1351) auch in Berlin erwähnt, über sie sagt ein Nachkomme, Henning Reiche, um 1600:

„Meine Boreltern sind lange Jahre in diesem Lande gewesen, und da sie viele Dörfer und Güter gehabt, haben sie unter anderen

das Gut Rosenfelde über 300 Jahre besessen, und ist aus Mark­ graf Ottos (des Bayern) unterschiedlichen Lehnsbriefen zu be­

finden, daß sie damals sich aller Gerechtigkeiten und Befreiungen gleich anderen Landsassen erfreut, haben sich auch stets in Kriegsläuften mit gebrauchen lassen und sind in den Kriegszügen bis

zum Saganschen Kriegs) allzeit selber mit sortgezogen. Zudem, da

etzliche so itzo vor Vornehme vom Adel gehalten werden, aus der Reichen Gütern in diesem Lande ihre Ankunft haben, so sind

meine Lehngüter, die ich itzo noch habe und besitze, mehrersteils

Ritterlehne . . . und haben meine Voreltern solche Ritterlehne von den von Adel, als von den von Milo, von den von Rochow, von den von Acken, von den von Schlieben, von den von Thümen und von den von Lindenberg erkauft und an sich gebracht und

ist laut der Herrschaft Briefe caviret und vorsehen, daß die

Reichen solche Güter mit aller Gerechtigkeit, wie dieselben so sie ’) Es gab indessen auch arme Reiche in Berlin; so haben 1460—97 vier Rykes das Bürgerrecht um 22—30 gr. erworben, einer für 1 und noch y» Schock, 1500 einer, ein Schmied, für 1 Gulden. ’) Ende des 15. Jahrhunderts.

hiebevor innegehabt, aller Dinge auch also besitzen und sich ge­ brauchen sollen . . Z'1) Nur wenige dieser Erwerbungen lassen sich im einzelnen ver­ folgen. 1344 kauft Johann Ryke aus Cölln von dem Obersten Gebietiger des Johanniter Ordens, Hermann v. Werberg, das Schulzen­ gut in Marienfelde mit drei Hufen und dem damit verbundenen Rechte der Präfectur des Bischofs, außerdem noch 11 Hufen, 2 Hufen zum Schulzengerichte, 5 zum alten Hofe Biesenthals und 4 zum Hofe Stephans gehörige Hufen, mit dem Rechte, von jeder Hufe V» Mark Brandenburgischen Silbers und Gewichtes zu erheben.

1356 verkauft der gleiche Johanniterordens-Gebietiger den Söhnen Johanns, Bürgern zu Cölln und Berlin, und deren Erben eine jähr­ liche Erhebung von 2 Mark brandenburgischen Silbers im Dorfe Marienfelde für 16 Mark?) Diese Geschäfte mit den Johannitern in Tempelhof, die gleich ihren Vorgängern, den Tempelherren, im Geld­ verkehr eine erhebliche Rolle spielten, sind anscheinend fortgesetzt worden, aber nicht immer gefahrlos gewesen; sie führten 1390 Peter Ryke auf den Scheiterhaufen. Im Geschäftsverkehr mit dem Rat der Stadt Berlin treffen wir die Reiches zuerst 1365, in welchem Jahre Bernd Reiche als Bürge für die Stadt aufgeführt wird.

Einen Anhalt für die Höhe des Vermögens beider Familien geben die Aufzeichnungen des Landbuches Kaiser Karl IV. vom Jahre 1375. Hiernach besah Peter Blankenfelde, der zwischen 1365 und 1395 sechs­ mal Bürgermeister war: in Wardenberg: die Pacht von 23 Hufen und gemeinschaftlich mit Jan Mildenhoft die Bede, das oberste und niederste Gericht und den Wagendienst vom Markgrafen, in Rodensee: Pacht und Zins von 5 Hufen, von 1 Hufe % Pacht und Zins an Hafer und Gerste, in Groß-Zieten: von 5 Hufen je % Mispel Roggen und Hafer, in Birckholz bei Bernau: 1 Stück Geldes (= 1 Pfund Silber oder 1 Mispel Roggen), in Malchow: 5 Stück Geldes in Pacht vom Markgrafen, in Berlin: 2 Häuser, das eine an der Marienkirche, das andere in der Spandauer Straße, ‘) Prov.-Archiv Brand., Mühlenhof 2. 2) Brecht, a. a. O., Tafel 2.

während Jacob Blankenfelde der Jüngere mit Kuno Britzik zu»

stimmen das ganze Dorf Bredereiche, doch ohne Wagendienst, vorn Markgrafen besaß. Johannes Blankenfelde, Bürger in Brandenburg, hat damals,

1375, ein Dorf im Havelland von einem v. Lochow als markgräfliches Lehen gekauft. Die Mitglieder der Familie Reiche in Berlin besaßen nach der gleichen Quelle: in Grünthal: die eine Hälfte des Dorfes, von alters,

in Schmargendorf: % Mispel Roggen vom Markgrafen, in Malow: Vi Mispel Roggen und 8 Schillinge von der Bede sowie 4 Schillinge Zins vom Markgrafen,

in Wiesenthal: von 4 Hufen je % Mispel Roggen und Gerste, in Weißensee: Pacht, Zins und Bede von 4 Hufen, in Rüdnitz: 15 Scheffel Roggen vom Markgrafen, in Bredow (Havelland): 5 Stück Geldes als Lehn von Matthias v. Bredow, in Danewitz: Pacht und Zins von 6 Hufen vom Markgrafen, in Potsdam: 4 Pfund von der Fischerei, von den Berliner Mühlen je 3 Mispel Roggen und Malz. Die Cöllner Familienmitglieder besaßen: in Rosenfelde (dem heutigen Friedrichsfelde): 65 (von 104) Hufen mit

der oberen und niederen Gerichtsbarkeit, den Wagendiensten und dem Patronatsrecht, feit alten Zeiten erblich, 40 Rauchhühner, in Brunow: 71/2 Schillinge Bede, Pacht, Zins, oberstes Gericht, Wagendienst und Patronatsrecht, von alters vom Markgrafen zu Lehen; außerdem war der Bogt zur Stellung der Lehnpferde an Bernd Ryke verpflichtet,

in Schöneberg: 10 freie Hufen, in Groß-Machnow: 3 Hufen vom Markgrafen, in Kaulsdorf: 8 Hufen vom Markgrafen, in Marienfelde: die Pflege (d. h. den Schoß) von 18 Hufen, in Gersdorf: die Pacht von 24 Hufen an hart Korn und Gerste, in Tempelhof: den Zehnten vom Sommergetreide; in Werpfuhl hatten beide Rykesche Zweige zusammen 6 Husen. Diese Aufstellungen geben indessen kein vollständiges Bild, da das Landbuch im wesentlichen dem Zwecke diente, dem Markgrafen einen Überblick über die ihm zustehenden Lehnsrechte zu geben, so daß weitere Lehen von der Stadt Berlin und von ritterlicher Seite

vorhanden gewesen sein mögen, ferner erblicher Besitz.

Beide Familien behielten ihre führende politische Stellung zu­ nächst bis in die vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts bei1).

Der Aufstand Berlins gegen den Markgrafen Friedrich II. im Jahre 1448 sieht, gleich anderen Familien des Patriziats, auch die Blankenfelde und Reiche unter den Aufrührern. Noch kurz zuvor, 1446, war Wilke Blankenfelde, der 1436 zum erstenmal zum Bürger­ meister gewählt worden war, vom Kurfürsten mit dem Dorfe See­ feld und Rechten und Renten in Groh Zieten, Herzfelde, Rüdersdorf und Pankow belehnt worden. Die Blankenfelde waren 1436 schon Erbherren zu Pankow, das sie teilweise, und Weißensee, das sie ganz besaßen. Auch Bernd Reiche befand sich 1443/44, d. h. nach der ersten Verständigung zwischen der Stadt und dem Kurfürsten, offenbar in dessen Gunst. Er wurde 1447, im Augenblick der Re­ bellion, zum Bürgermeister gewählt. Um den Bau der im Herzen der Doppelstadt geplanten Burg des Markgrafen zu verhindern, ver­ jagte der Rat von Berlin den landesherrlichen Richter und be­ mächtigte sich der dem Markgrafen gehörigen Mühlen. Bon der Bürgerschaft nicht hinreichend unterstützt, mußte der Rat indessen nach kurzem Widerstand kapitulieren, und das Strafgericht Fried­ richs II., in Spandau ab gehalten (Sept. 1448), richtete sich in erster Linie gegen die Patrizierfamilien als Hauptschuldige. Sie wurden als kurfürstliche Lehnsträger und Vasallen der Felonie für schuldig erkannt und mußten ihr Lehen zurückgeben; zu der kleinen Gruppe derer, deren Lehnsverlust das höchste Maß, 3000 Schock böhmischer Groschen, erreichte, gehörten die Blankenfelde und die Reiche. Während die Blankenfelde sehr bald begnadigt wurden und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts den Höhepunkt ihrer Lauf­ bahn erreichten, verschwanden die Reiche zunächst aus Berlin. Bernd Reiche, dem außerdem auferlegt ward, die vier Hauptstädte der Mark zu meiden, ging außer Landes und wurde nahe der Grenze, angeb­ lich von einem Ritter, der sich Dank vom Markgrafen verdienen wollte, erschlagen. Erst sein Sohn Joachim erhielt vom Kurfürsten die Lehen?): Höfe und Einkünfte in Strausberg, Wiesenthal und Schmargendorf, zurück; ein Teil von Rosenfelde aber kam während ’) Bei Anwesenheit Dietrichs v. Quitzow in Berlin 1404 war es Berndt (II.) Reiche, der als einer der reichsten Bürger jenen wiederholt festlich bewirtete. ") über die Wciterverleihung oder Rückgabe der 1448 «ungezogenen Güter vgl. Schapper, Hofordnung von 1470, S. 274 ff.

seiner Unmündigkeit an die beiden Städte. Diesen sind dort, wie es im Schoßregister von 1451 heißt, 36% Hufen von Henning Reiche „an­

gestorben". Weitere 36% Hufen in Rosenfelde besaß Joachim als Lehen der Städte. Er hat ferner Güter in Löwenbruch und Rotzis

erworben, worüber er 1479 und 1487 kurfürstliche Belehnung erhielt. Der Familie gehörte seit 1486 auch das halbe Dorf Ianshagen in der Herrschaft Zossen als kurfürstliches Lehen. Joachim Reiche, der

von 1496 bis zu seinem Tode 1518 Bürgermeister von Berlin war, wird in den erhaltenen Steuerrechnungen der Stadt mit großen Beträgen aufgeführt.

Wilke Blankenfelde wurde — eine kluge Maßregel der Bersöhnungspolitik Friedrichs II. — schon 1454 mit seinem ganzen

früheren Besitz wiederbelehnt, besonders mit Pankow, das zum Familiensitz der Blankenfeldes wurde, wie Rosenfelde es für die

Reiches war. Auch in seine Bürgermeisterstelle rückte Wilke Blanken­ felde (1457) wieder ein. Die Annahme3*),2 die Berliner Geschlechter seien nach dem Strafgericht von 1448 größtenteils abgewandert — nach Frankfurt, Wittenberg oder auf ihre Güter —, die zurückbleibenden bescheidene Bürger geworden, entspricht nicht den Tatsachen. Höchstens

die Wardenberg könnten infolge jener Ereignisse verschwunden sein. An Vermögen und Einfluß und wohl auch an Handelsbedeutung sind allerdings wohl nicht geringe Einbußen erlitten worden.

Handel und Darlehnsgeschäste bis zum Tode Joachims I. Thomas

Blankenfelde

und

seine

Söhne.

Der erste aus den Alt-Berliner Familien, der in seiner Geschäfts­ tätigkeit deutlicher erkennbar wird, und nach Priebatsch3) der erste „Kaufmann großen Stils" in der Mark, war Thomas Blanken­

felde, der einzige Sohn jenes Wilke Blankenfelde, der beim Aufstand von 1448 und dann wieder zwischen 1457 und 1463 Bürgermeister von Berlin war und 1474 starb. Thomas, geboren etwa 1436, hat 1453 in Leipzig studiert3), war zwischen 1481 und 1493 Bürgermeister *) Bei Holtze, Geschichte der Stadt Berlin (1906), S. 21 f. 2) Der märkische Handel am Ausgang des Mittelalters, Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins XXXVI. S. 29. 3) Girgenfohn, Die ältesten Berl. Kämmereirechnungen, S. 137 (nach Lasch).

und starb 1504. Zu dem Familienbesitz — Seefeld, Güter und

Renten in Pankow, Weihensee, Kaulsdorf und Gr. Zielen, alles in gesamter Hand der Blankenfelde — erwarb er seit 1476 Renten zu Marzahn, Finow, Gr. Zieten und Lohme wiederkäuflich oder pfandweise, kaufte 1477 das halbe Dorf Wittstock von Bernd v. Torgau und 1490 ein Drittel Ahrensfelde von Hans Stroband wiederkäuflich für 435 fl. Er war sicher einer der wohlhabendsten Bürger, an Landzins wenigstens war er mit dem zweitgröhten Betrage angesetzt*). Nach dem Grundbuch von 1503 besaß er zwei Häuser in Berlin, sein Oheim Hans eins in der Jüdenstrahe. Daß Thomas Getreidehandel trieb, geht aus einer Untersuchung hervor, in die er wegen Gebrauchs eines unrichtigen Scheffels verwickelt war, wobei er jedoch freigesprochen wurdet. Seine geschäftlichen Be­ ziehungen reichten weit; so wurde er um 1485 mit Wahrnehmung der Interessen der Nürnberger Händler in Berlin betraut3). Thomas stand, wie schon sein Bater, mit den Kurfürsten, von Friedrich II. bis Joachim I., in regen geschäftlichen Beziehungen, lieferte ihnen Waren und Kleidung und lieh ihnen Gelder, worüber sich gelegentliche Quittungen und Anerkenntnisse finden. So schuldete ihm Kurfürst Friedrich 1470 353 Schock böhm. Gr., worauf dessen Nachfolger Albrecht 200 fl. abbezahlte. Mit einem Betrage von nicht ganz 700 Rhein. Gulden wird er als Hauptgläubiger des Kurfürsten bezeichnet. Joachim I. ließ 1506 an Thomas' Witwe 100 fl. auf seine Schuld zurückzahlen. Für den Fürsten Georg von Anhalt wurden 295 Rhein. Goldgulden 1498 zurückgezahlt. Den Herzog von Mecklen­ burg versorgte Blankenfelde offenbar mit allem, was zu einer Hof­ haltung nötig war. Ein Brief Blankenfeldes vom Jahr 1495, der mit einer Ansichtssendung von Waren an den Herzog nach Schwerin gerichtet ist, gilt als der einzige erhaltene Berliner Geschäftsbrief aus dem Mittelalters. Thomas Blankenfeldes kaufmännisch auf­ gezogenes Warengeschäft unterschied sich wesentlich von dem noch stark naturalwirtschaftlich fundierten Vermögen, das seine Vorfahren hundert Jahre vorher verwaltet hatten. Sein Tuch-, Getreide- und Luxuswaren-Handel erscheint indessen primitiv, wenn wir daran denken, daß zur Zeit Thomas Blankenfeldes in Augsburg die Fugger ’) ä) ’) 4)

40% gr., Kerstian Mattis (^Matthias) mit 46%, Mrgensohn 6. 115. 1484. Rep. 61 n. 2; Priebatsch, S. 29. Priebatsch, 6.23«. Abgedr. bei Priebatsch, o. a. O. 6.54. Rep. 61. 486.

durch großzügige Bergwerks- und Übersee-Unternehmungen die finan­ ziellen Unterlagen für die Weltpolitik der deutschen Kaiser schufen.

Sonst ist Thomas wie auch seine Frau, Margarete v. Buch, in den Schöffenbüchern vielfach als Darleiher kleiner Beträge an Bürger bezeugt (1503—06). Anderseits hat Thomas größere Summen, offen­ bar für geschäftliche Zwecke, ausgenommen. So erhielt er nebst Kerstian Buchholz in Frankfurt a./O. 1491 vom Kurfürsten 2200 ft. rhein., wofür beide alle ihre Güter einsetzten, und verschaffte sich im gleichen Jahre 1000 fl. rhein. vom kurfürstlichen Sekretär Fritz Funcke, dem er 9Betf$enfee1) und seine Hälfte von Seefeld auf Wieder­ kauf versetzte. Es war vielleicht zur Ablösung dieser Schulden, daß er 1493 sein Haus dem Ritter Eitelwolf v. Stein verkaufte, der übrigens auch an Thomas' Witwe zu Weihnachten 1510 200 Gold­ gulden, rückzahlbar zu Ostern, lief)2).3 Mit Thomas hat die kauf­ männisch-bürgerliche Tendenz wieder derart die Oberhand gewonnen, daß der von seinem Bater und Oheim erworbene kaiserliche Adel von der Familie für eineinhalb Jahrhunderte nicht mehr geführt wurde.

Nach dem Tode von Thomas Blankenfelde führte seine Witwe, die Mutter von 23 Kindern geworden war, von denen 15 den Vater überlebten, das Geschäft mit Umsicht und Tatkraft weiter, obwohl sie gewiß hochbetagt war und erwachsene Söhne besaß. Ihre erhaltenen Aufzeichnungen und Rechnungen2) gewähren einen näheren Einblick in die Art dieses Geschäfts. Es war recht vielseitig: neben dem Waren­ handel im Groß- und Kleinverkauf — mit Tuchen, Leinwand, Seidenund Kramwaren — wurden auch Kommissions- und Speditions- so­ wie richtige Bankgeschäfte, bestehend in Vermittlung von Darlehen, Annahme von Einlagen, Besorgung von Zahlungen und Geldwechsel, betrieben. Rach dem Tode des Gatten hat die geschäftstüchtige Frau sich mit Energie an das Einklagen ausstehender Schulden gemacht; es sind acht solcher Klagen wider märkische Adlige erhalten, die Posten beliefen sich auf insgesamt an 500 Gulden, hauptsächlich von Waren­ lieferungen her, teilweise aber auch von Darlehnsvermittlung. So hat sie für Balzer o. Krummensee auf dessen Ersuchen 150 Gulden „bei *) Nach Giertz, Chronik der Gemeinde Weißensee, war Thomas Bl. damals Ortsherr des ganzen Dorfes geworden. 2) Rep. 61. 40 a. 3) Nach den von Herrn Dr. Girgensohn hergestellten, im Berliner Stadtarchiv deponierten Abschriften, die mir Herr Stadtarchivdirektor Dr. Kaeber in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.

der Stormyr" aufgebracht „auf Zinse und Rente". Sie berechnete sich dabei 10 fl. Provision, der Zins betrug 7 %. Sie beging indessen die Unvorsichtigkeit, dem Schuldner die von ihm gesiegelte Verschreibung zu überlassen, damit er die Unterschrift von zwei Bürgen beschaffe, gegen sein Versprechen, den Brief in acht Tagen wieder zuzustellen.

Die Folge war, daß sie noch nach VA Jahren weder Brief noch Zahlung hatte, trotz Mahnungen und Klagen vor dem Kammer­ gericht, und daß sie die Geldgeberin selbst befriedigen mußte (1505

bis 1506). Ein Bredow zu Friesack, für den zwei Vettern bürgten,

war zu Anfang 1506 sogar schon 3% Jahre hinterstellig mit einer auf über 115 fl. angewachsenen Schuld. Außer diesen wird ein Fall berichtet, daß Andres v. Röbell Geld für seinen Bruder Achim bei ihr einlegte, um es diesem auf Martini auszuzahlen. Da aber Achim sie „höher denn auf solche Summe beschädigt" habe, hat sie „solch Geld,

wie recht und gewöhnlich, erklaget und erstanden". Sie wurde des­ wegen von drei Verwandten Röbells verklagt. Ein großes Konto hat Margareta Blankenfelde ihrem Sohn Jo­

hannes eröffnet, als dieser 1514 zu hoher kirchlicher Würde empor­ stieg und Bischof von Reval wurde. Sie hat damals für ihn 1200 fl.

aufgebracht, und zwar je 200 zinslos beim Bischof von Lebus und dem Johannitermeister, je 300 beim Vikar zu Fürstenwalde und bei Peter Schenkenberg in Prenzlau, je 100 bei Christoph v. Krummen­ see und Joris Schumacher in Cölln, diese 800, teils in Gold, teils in

Groschen, gegen 53 fl. Jahreszins, der vorausgezahlt wurde. Dazu kamen vielerlei Warenlieferungen und Auslagen; im ganzen schwoll das Konto bis auf 1870 fl. an, war aber im September 1516 bis auf

253 fl. getilgt. Größere Rückzahlungen waren einmal 400 fl. durch die Fuggerischen, auf Peter und Pauli zu Leipzig, ein andermal

900 „bei" Hieronymus Hackftrow im März 15161). Von den Söhnen Thomas Blankenfeldes machten die beiden

ältesten Paul (studierte 1474 in Leipzig) und Wilke (geb. 1465) schon zu Lebzeiten des Vaters selbständige Darlehnsgeschäfte; die Be­ ziehungen zu Oberdeutschland treten bei ihnen noch deutlicher hervor. ') 900 Gulden waren vermutlich für Rom bestimmt, denn sie muhten in Gold umgewechselt werden. Dadurch kamen bei der Aufnahme 85 fl. Auf­ geld hinzu und gingen bei der Rückzahlung 62 fl. 15 Sgr. ab. Im Verkehr wurde mit „Rheinischen" Gulden oder mit Gulden „Münze" gerechnet; jene hotten nur ein geringes Disagio gegen Gold. Der Gulden betrug 21 Sgr. ä 12 oder 32 schlechte Groschen ä 8 Pfg.

Beide standen mit allerersten oberdeutschen Handelshäusern in Ver­ bindung. So schuldeten sie 1513 den Fuggern 385 Goldgulden,

weswegen damals ein Bevollmächtigter der Fugger in Berlin vor zwei kurfürstlichen Kommissaren mit ihnen einen Vergleich traf: Rückzahlung in drei Jahresraten, jedesmal zum Leipziger Neujahrs­

markt, wofür sie alle ihre Erbgüter einsetzten, doch unschädlich der Verschreibung und Versorgnis, die der Kurfürst darüber (jabe1).* Paul und Wilke Blankenfelde haben ferner Leonhard Hirschvogel

(Nürnberg?) 1000 fl. inhalts einer Verschreibung gelobt; ihre Brüder Dominicus und Peter Blankenfelde, sowie Hans Hackstrow haben mitgelobt und erhielten 1517 Schadlosverschreibung mit Einsetzen der

Güter von Paul und Wilke. Die Hirschvogel klagten 1520 wider die

drei Bürgens. Die Söhne von Thomas Blankenfelde, die kaufmännisch tätig waren, haben, mit Ausnahme Wilkes, anscheinend nicht glücklich

operiert. Der älteste, Paul, sah sich 1514 genötigt, wegen einer

Streitsache mit Lübeck seine Güter seinem Bruder Wilke vor den kurfürstlichen Räten zu übertragen3) und wurde seither von diesem

rechtlich vertreten. Dominicus Blankenfelde muhte 1516 von einer Witwe Fritze 100 fl. aufnehmen und dafür den ungewöhnlich hohen Jahreszins von 12 fl. von seinen Güteranteilen auf Wiederkauf geben4).

Er kaufte 1519 in Hamburg englische und andere gute Laken für 350 fl. auf Borg und stellte als Bürgen den Hamburger Stadtsekretär Joh. Wetke, konnte aber nicht zum gesetzten Termin zahlen.

Do­

minicus versprach, bis Michaelis 1520 zu zahlen, andernfalls sollte sein Schwiegervater Hornung in Leipzig der Frau erblich Gut mit

50 fl. jährlich an den Bürgen übereignen. Ferner versprach er im Sep­ tember 1521 einem Bürger zu Brandenburg, seine Schuld künftige

Ostern zu bezahlen gegen Verpfändung seiner Güter, auch seiner

Ehefrau Geschmuck3). Beide Ehegatten erhielten zur Ausfechtung ihrer

(Erbschafts-?)Sache zu Leipzig vom Kurfürsten Ostern 1524 800 fl. Rhein, (ä 32 gute märt, gr.) auf demütig Ansuchen geliehen, ver­

sprachen, dies vom ersten Geld, das sie daraus bekämen, vor allen

andern *) -) ’) *) 3)

zurückzuzahlen

und setzten

Also wohl noch für die Berl. Schöffenbuch 213, Chron. March. 45, fol. Ebda. 43, fol. 179. Berl. Schöffenbuch 270,

alle

ihre

oben erwähnte Schuld. 272. 252. 290.

Habe,

nichts

aus-

Berl. Schöffenb. 30.

genommen, zum Unterpfand'). Das Haus von Dominicus, am Grauen Kloster, gehörte schon bei seinen Lebzeiten, 1545, seinen vier Kindern, deren Anwalt, dann Vormund, der Buchbinder Hans Reiser war;

dieser gewann für sie 1546 in dem Rechtsstreit gegen Wolf Preuser zu Leipzig 842 fl.; sie quittierten ihm 1546 darüber, aber 1548 quittierte ihr Vater nach Vergleich mit dem Vormund nochmals3*).2 Peter Blankenfelde schuldete dem Claus Schenkenberg zu Prenzlau von dessen Vater her 281% fl. mark, und zahlte teilweise mit Kleinodien und Silberwerk, auf 154% fl. gewürdigt; die restlichen

127 wurden 1525 auf seine Lehngüter in Pankow, Weißensee und Kaulsdorf verschrieben zu 1% fl. jährlicher Rente; Zinsen und Schäden

sollten noch verrechnet werden, Bürgen waren Joachim Reiche und Johann Langen.

Dominicus und Peter waren auch in eine etwas verdächtige Sache verwickelt. Ihr Schwager, der Stettiner Kauf- und Rats­ mann Paul G o l d b e ck hatte auf einigen Leipziger und Naum­

burger Märkten 1513—1515 von Marcus und Hieronymus Gienger

aus Ulm und Peter Stolz aus Aachen, mit denen er große Hand­ lung pflegte, größere Posten Samt- und andere Tücher gekauft, war

dafür insgesamt 1556 fl. schuldig geblieben und hatte den Gläubigern dagegen sein Haus, Hof und alle im Stettiner Gericht befind­ lichen Güter gerichtlich als Sicherheit eingesetzt. Goldbeck und seine Frau starben 1522, ohne daß die Schuld beglichen war, aber die Gläubiger konnten die ihnen hypothekarisch versicherten Güter nicht bekommen, weil Peter Blankenfelde, Goldbecks Schwager, ein älteres Recht daran geltend machte. Goldbeck soll nämlich') am Tage, bevor

er obige Sicherheit gab, dem Dominicus und Peter Blankenfelde eine Handsetzung auf alle seine Güter in Höhe von 2100 fl. getan haben, ohne daß er diesen etwas schuldig war, also in der Absicht, die

Güter dem Zugriff der fremden Gläubiger zu entziehen. Die Klage

dieser wurde vom

Stettiner Schöffengericht,

auf Belehrung des

Magdeburger Schöppenstuhls, Ende Oktober 1524 abgewiesen, auf

ihre Appellation aber entschied das herzogliche Hofgericht für sie. Darauf rief Peter Blankenfelde das Reichskammergericht 1528 an. *) Rep. 61. 2. 2) Berl. Stadt-A., Verträge 299, 197, 280. 3) Zeugenaussage des Bürgermeisters Hans Loitz vom November 1526, St.-A. Stettin, Reichs-Kammerger.-Akten B 91.

starb jedoch über dem Prozeß; seine Mutter, der er mit Schulden ver­ haftet war, und die all seinen Nachlaß testamentswetse geerbt hatte, setzte ihn (Weihnachten 1531) fort. Doch drängten die Gienger noch im März 1536 auf endliche Erledigung in Speyer.

Von ganz anderer Art als seine Brüder war der schon erwähnte Johannes, der als Dr. utriusque juris 1506 zum Ordinarius der Rechtsfakultät an der neuen Universität Frankfurt bestellt, 1514 aber Bischof von Reval, 1518 auch von Dorpat und endlich 1524 Erzbischof von Riga wurde und 1533 in Spanien starb*). Durch ihn kamen auch einige andere Mitglieder der Familie nach Livland. Während Johannes dasLuthertum leidenschaftlich bekämpfte, mußte er sich von Luther vorhalten lassen, daß seine Schwester Katharina, die mit dem Berliner Bürger Wolff Hornung verheiratet war, Mai­ tresse des Kurfürsten Joachim I. fei2). Was die oben erwähnten unmittelbaren Handelsverbindungen zwischen Oberdeutschland und Berlin betrifft, so haben diese offenbar begonnen, seitdem der kurfürstliche Hof hier ständig weilte und damit Nachfrage nach Luxuswaren entstanden war. Sie waren im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, nach mancherlei darüber vorhandenen Nachrichten zu urteilen, ziemlich lebhaft; nachher wurden sie durch

die Leipziger Messe ersetzt, wo man von beiden Seiten zusammen­ traf. 1514 ließen sich die Welser und ihre Gesellschafter, sowie Peter Zimmer und Lucas Meyer aus Augsburg und Lorenz Villani aus Florenz in kurfürstlichen Schutz nehmen, wobei die ersteren und der letztgenannte für jeden Schutzbrief ein Fäßchen Süßwein jährlich versprachen'). Es ist dies ein sicheres Zeichen, daß die Genannten Handel nach der Mark betrieben. Ja, einige Oberdeutsche zogen ganz nach Berlin und wurden hier Bürger. So 1508 die Brüder Stephan und Hans Kuns (Khüns, Kunis) und Hans HackstrowH. Hans Kuns wurde Eidam von Thomas Blankenfelde; er trieb *) M. F. Seidel, Bilder-Sammlung (Berl. 1751) S. 29. '-) Zimmermann, Der Streit Wolff Hornung's mit Kf. Joachim I. Zeitschrift f. preuh. Gesch. u. Landeskunde, Jahrgang XX, S. 310 ff. «)Chron. March. 45, fol. 259, 275. ') Berl. Bürgerbuch, S. 62, 10. bzw. 20. Mai 1508, 3 bzw. 4 fl. Bürger­ geld; Hackstrow, mit den Blankenfelde verschwägert, wurde 1520 gar Bürger­ meister. Ein Nickel Kun war 1508 schon Bürgermeister in Frankfurt a. 0., sein Rechtsstreit mit dem Danziger Claus Dreyer ist in Danziger Akten erwähnt.

„mannigfaltig Kaufhandlung und Gewerb" mit dem erwähnten Florentiner Kaufherrn Lorenzo V i l l a n i **). Da er bei seinem Tode (1513) diesem 1253 Rheinische Goldgulden schuldig geblieben war, so legte Villani auf alle nachgelassenen Güter und Habe von Hans Kuns Kummer (d. i. Arrest) und Haft und verkaufte sie Dezember 1513 an des Verstorbenen Bruder Stephan für 1000 fl. Rhein, (ä 33 mark. Gr.)» zahlbar jährlich mit 250 auf den Märkten zu Frankfurt a. O., von Martini 1514 angefangen. Der Käufer setzte dafür alle seine Güter zum Unterpfand. Da er aber nachher fand, daß die ihm verkaufte Schuld und Gerechtigkeit weniger als die Hälfte wert sei, focht er den Kontrakt als hinfällig an, wurde von Villani vor dem kurfürstlichen Kammergericht verklagt und erhielt da Unrecht, worauf er am 12. September 1515 an das kaiserliche Kammergericht in Worms appellierte. Es lassen sich damals auch sonstige Beziehungen mit Florentinern nachweisen. So bekennt der Cöllner Bürger Jurge Brugk 25. Juli 1515, für Lorenz Villani zu Florenz 300 fl. vom Kurfürsten erhalten zu haben; Dominicus Blankenfelde hat 1518 einen Rechtshandel mit Rudolf Torisan?); der Kanzler Wolfgang Kettwich erhält 1. Mai 1522 50 fl. von Villani; Rentmeister Lorenz Reuber zahlt 1534 886 fl. an den Diener des Thomas Lapi, Florenz?). Die beiden Brüder Kuns (oder Kuniß) waren auch Schuldner von Vincens Meyfsen und Andres Raminger zu Nürnberg, laut eines zu Leipzig im Frühjahr 1513 aufgerichteten Vertrags. Nach dem Tode von Hans wurde darüber 28. Oktober 1513 zu Berlin im Beisein von Valentin Wins und Thomas Freiberg, Berliner Bürgern, und Lorenz Villani von Florenz zwischen dem Anwalt der Nürnberger und Stephan Kuns eine Vereinbarung getroffen, daß dieser sich mit den beiden Gläubigern auf dem bevorstehenden Markt zu Frank­ furt a. O. vertragen und ihnen ihr Genüge machen wolle'). *)Rep. 174 n. 41. Später sind die de Nobili von Florenz und ihre Gesellschafter in lebhaften Handelsbeziehungen mit den Kurfürsten. So war ihnen Joachim I. 1531 5356 fl. schuldig, Joachim II. 1538 911M Tl. für Perlen (R. 61.28a); 1550 hatten jene 8324% II. Kapital und 1500 Tl. rückständige Zinsen zu fordern. Anton Fuggers Schuldforderung an den Kurs, be­ trug 1551 9400 fl (Stände-Archiv, Surrn. 62 fol. 49). ") Berl. Schöffenb. 228. a) Rep. 61. 28a. *) Berliner Schöffenbuch 140. Hans K. hatte auch Verpflichtungen in Danzig und gegen die Stadt Lüneburg (Ebda. 139, 140). Ein Caspar Kune batte 1518/19 Geldgeschäfte mit Antonius Wins (Ebda. 235). 3

Großkaufleute 1

33

Ein aus Oberdeutschland Zugewanderter war offenbar auch der Federmacher Hans P h e n d e (gcnbe)1), der im Juni 1516 vor Ge­ richt bekannte, daß er an Conrad Humpis und feine Ravensburger Gesellschaft2)* 737 * * 6fl. 9 schill. in Gold für Federn, Saffran, Unzengold und Samt schulde. Er gelobte, 500 fl. auf den Frankfurter Margaretenmarkt (Juli) einzulegen, daß sie zu Leipzig auf Michaelis be­ zahlt würden, dann auf den drei Leipziger Märkten 1517 je 75 fl. 16 schill., alles in Gold, und bei Nichthaltung alle Schäden zu er­ statten, unter Verpfändung seiner beweglichen und unbeweglichen Habe').

Joachim (II.) und Ihan (II.) Reiche. Von den beiden Söhnen Joachims (I.) Reiche war der ältere, Joachim (II.), in der Weise seines Vaters tätig, in städtischen Ämtern, als Bürgermeister, und sonst mit vielerlei Darlehnsgeschäften. Er heiratete die Tochter von Merten Brackow, offen­ bar die letzte Erbin dieser angesehenen und wohlhabenden Familie, die 1517 im Mannesstamm erlosch*); der Schwiegervater übergab ihm schon 1508 seinen Berliner Besitz: 2 Häuser mit Brauerei und großem Garten, eine Schäferei und 2 Hufen Landes, und behielt nur auf sein und seiner Frau Lebzeiten Wohn- und Braurecht vor. Da­ gegen ist das den Brackow gehörige Dorf Czuten (Zeuthen) als kur­ fürstliches Lehngut 1517 dem Richter zu Brandenburg, Andreas Rauch, übertragen worden. Joachim Reiches lebhafte Teilnahme an öffentlichen Dingen erhellt daraus, daß er auf Grund der Erfahrungen, die er auf Landtagen und Heereszügen im Gefolge des Kurfürsten gemacht hatte, eine Vergleichung'), wie die brandenburgischen Städte auf Herren- und Landtagen gehen, sitzen und in Heereszügen reiten sollen, verfaßt hat. Anders wie Joachim verlegte sich sein jüngerer Bruder Jhan auf den Fernhandel'). Am Heiligabend 1511 schloß er ein Geschäft über Safran und Parchent in Danzig ab mit dem Nürnberger ^Berl. Bürger 23.12.1512 (2 fl.); 18.5.1514 (2 gr.).

2) Vgl. Moys Schulte, Geschichte der großen Ravensburger Handels­ gesellschaft 1380—1530, 3 Bde., 1923. ’) Bert. Schöffenb. 196. ♦) über sie vgl. Kaeber in Mitt. d. Der. f. d. Gesch. Berl. 1931, S. 2. 6) Haftiz, Schrift, d. Ver. f. d. Gesch. Berlins 31, S. 17. 6) Jhan Reiche besaß nach dem Grundbuch von 1503 zwei Häuser in Cölln.

Matthes König, von dem er auch schon anderes gekauft hatte*). In

Danzig heiratete er auch, zuerst die aus einer der ersten Danziger Familien stammende Christina Ferber, nach deren baldigem (kinder­ losen?) Tode (1516) Anna Mandt, Tochter des Bürgermeisters

Georg Mandt und Witwe des Bürgermeisters Johann Scheweke. Alsbald begannen Erbschaftsstreitigkeiten mit den Mandts, na­ mentlich der Schwiegermutter Sophia. Reiche erbat schon am 5. April 1516 des Kurfürsten Hilfe gegen diese, und der Kurfürst schrieb mehr­ mals deswegen an den Danziger Rat. Jhan wird April 1516 vom

Danziger Rat „unser Bürger" genannt, der Kurfürst nennt ihn 1517

„unsern belehnten Mann"; er war also nicht Berliner Bürger, auch wird seine Sache nicht vom Berliner Rat verfochten, sondern immer vom Kurfürsten. In der Streitsache3*)* hat Jhan schon bald Danziger

Güter bekümmern und aufhalten lassen, doch vereinbarte ein Abge­ sandter der Stadt in Berlin mit ihm, daß sie unter gewissen Bedin­

gungen den Besitzern wieder ausgefolgt würden. Jhan erhielt freies

Geleit, um seine Sache in Danzig zu regeln, seine Gläubigem sollten bis dahin nichts Gewaltsames vornehmen3). Jhan war im Frühjahr 1518 in Danzig und stellte da zwischen

Ostern und Pfingsten eine Verschreibung mit Bürgschaft seines Vaters

über 1200 preußische Mark, die er Peter Falckner schuldete, aus; er

beglich nachher die Schuld mit 1000 Mark und gab dafür drei Zimmer Zobel, was zu Danzig Januar 1519 bekundet wird. Der Gläubiger Falckner forderte später (1525) aber noch 500 Mark. Auch reiste 1518

der kurfürstliche Rat Dr. Wolfgang Kettwich für Jhan nach Danzig und brachte mit vieler Mühe einen Teilungsvertrag zustande, wonach Reiches Ehefrau die Hälfte des mütterlichen Erbes erhalten sollte*).

Schon bald aber gingen kurfürstliche Klageschreiben nach Danzig, daß Reiches Verwandte und Gegner den Vertrag gebrochen hätten, und wurde Abhilfe gefordert3). Diese Danziger Angelegenheiten Jhans müssen viele Kosten ver­

ursacht haben, so daß die beiden Brüder 1519 Rangsdorf, über dessen Erwerb eine Nachricht fehlt, dem Berliner Rat verpfändeten für *) Reiche hatte 1519 auch eine Sache mit Leipzigern, nach Berliner Schöffenbuch 6.247. ■) Stadt-Arch. Danzig 300 U 23 B; 300 Abt. 53, Nr. 885 3) Kurf. Schreiben vom 21. August und 22. November 1517. ') Desgl. vom 7. Juni 1518. ’) 14. Dezember 1518, 17. März und 16. Mai 1519.

einen Vorschuß, den dieser beim Danziger Rat in der Angefällesache von Jhans erster Frau getan hatte*2).3

In den noch bis 1523 durch mehrere Bevollmächtigte in Danzig

geführten Verhandlungen forderte Reiche 2056 pr. Mark von den

Mandts, dazu wenigstens 1000 M. Interessen für das, was er in der Sache ausgegeben, verzehrt und versäumt habe; zumal, da er nach seiner Angabe, wenn ihm Bezahlung vermöge aufgerichteter Verträge geschehen wäre, wohl 1000 Gulden damit geworben haben

wollte. Nachdem ihm endlich wegen verweigerten Rechts vom Kur­ fürsten wieder rechtlicher Kummer gegen der Danziger Kaufleute Habe und Güter verstattet worden war, ließ Reiche am 20. Mai 1525

durch das Berliner Gericht anzeigen, daß er die Güter mehrerer Danziger Bürger arrestiert habe. Der König von Polen erhob des­ halb beim Kurfürsten Vorstellung, der ihm darauf am 13. September 1525 die Gründe auseinandersetzte, warum er Reiche, wie vorher Antonius Wins, Repressalien gegen Danzig gestattet habe. Doch wurde auf weiteres Drängen des Polenkönigs diesem zu Gefallen ange­

ordnet, daß den Danzigern ihre Güter unverhindert folgen sollten2). Reiche, dessen Besitz in Danzig von seinen Gläubigern beschlag­

nahmt war, starb nicht lange danach, ohne sein Recht erlangt zu

haben2). Seine Witwe heiratete schon 1527 den Antonius Goldbeck, der in Frankfurt a. O. Bürger wurde; beide sind bald danach mit zu­ gesichertem Geleit nach Danzig zur Regelung der Sache gekommen, erreichten aber auch nichts, so daß der Kurfürst zwei Jahre später4) wieder drohte, an des Polenkönigs Gericht zu gehen oder schließlich Repressalien mit Anhaltung Danziger Güter zu gestatten.

Die Wins. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheint Thomas Wins als Bürger in Berlin; er erwarb 1427—1443 ansehnliche Güter:

Dorf Blankenburg, Besitzungen in Wartenberg, Kl. Klienitz, Falken­ berg, Biesdorf, Hebungen zu Alt-Landsberg und anderwärts2). Auch die Wins fielen 1448 in Ungnade, doch unterwarfen sich ihrer drei,

*) Chron. March. 36, fol. 402. 2) Kurs. Schreiben vom 28. Juni 1526. 3) Dgl. v. 17. März 1527. 4) 12. August 1529. ») Riedel A XI, S. 318, 332, 338, 357—360; XII, S. 51, 52.

Thomas, Michael und Claus, dem Kurfürsten schon 14491)2 und er­ hielten ihre Lehen zurück.

Claus Wins ist 1458 Bürgermeister,

Thomas' Sohn Valentin zwischen 1465 und 1473. Die Berliner Wins kauften in der Folge noch weitere Güter und Renten; sie hatten auch die gesamte Hand an dem Lehnsbesitz der Frankfurter Linie ihres Hauses.

Die Wins sind die ersten vom Stadtadel, die sich dem kurfürst­ lichen Dienst zuwendeten. So erhielt Jacob Wins, der zwischen 1490

und 1499 Bürgermeister in Berlin war, vom Kurfürsten schon 1481 einen Hof zu Treben a. Oder, im Lande Stolpe, für seine öfteren

Dienste, die auch in Geldhilfen bestanden haben könnten, zu An­ gefälle und Mannlehen3). Valentin d. I. aber, Valentins d. Ä. Sohn, war 1497 surf. Kanzleischreiber und 1499 bereits Rentmeister, also

in einflußreicher Stellung. Dieser Valentin Wins gelobte 1504, nach­ dem er 400 Rhein, fl. von Berndt, Achim und Hans von Arnim zu Gerswalde geliehen, die dafür zu Bürgen gesetzten: Hans v. Krummensee

zu

(Alt-)Landsberg

und

die

Berliner Thomas

Blankenfelde, Joachim Ryke, Hans Brackow, Thomas und Caspar

Freiberg, Thomas Stroband und Melcher Funcke, schadlos zu halten; er setzte dafür alle seine und seiner Mutter Güter in und außer

Berlin und Cölln an Haus, Hof, Äckern, Schäfereien, Hufen, Wiesen und Weingärten ein3). Christoph (Christopher, Christoffel) Wins, der 1501 und 1518 als Bürgermeister genannt wird, erscheint häufig als Ausleiher kleiner Beträge im Schöffenbuch. Er hat, wie gleichzeitig die Blankenfelde,

mit auswärtigen Großhandlungen Beziehungen.

Denn er bekennt 1515, dem Peter Stoltze (aus Aachen) und seiner Gesellschaft 306 fl.

ä 32 gr. zu schulden, rückzahlbar in sechs Raten, und bewilligt darüber einen Frieden über all sein Gut. Er verspricht auch Rückzahlung der 80 fl., die er den Gebr. Marcus und Lucas Gienger zu Ulm

schuldete, auf sechs Leipziger Märkten, unter Verpfändung von Haus

und Hof zu Berlin. Ferner verspricht er 1516 auf Klage des Vollmächtigers jener, des Leipzigers Hans Webel, auf den nächsten Leipziger Märkten in Raten von je 20 fl. zu zahlen, und will sich bei *) Brose, Siegel 25, 27. Auch die o. Rathenow in Berlin wurden 1449 neu belehnt (Brecht, Tafel 9). 2) Riedel A XII, S. 401. ’) Verlesen Mittwoch nach Invocavit 1508 durch Christoph und Caspar Wins. Berl. Schöfsenb., S. 13.

Versäumnis Pfändung gefallen lassen1). 1518—1520 werden Anto­ nius, Christoph und andere Wins mit ziemlich hohen Geldgeschäften erwähnt2). Antonius Wins und seine Brüder (Bastian, Fabian, Joachim) schossen in jener Zeit auch dem Hochmeister Markgrafen Albrecht 3000

preuß. Mark ä 20 gr. vor; das Geld sollte durch die Bürger von Braunsberg zu Jakobi (25. Juli) 1520 in Danzig zurückgezahlt und bei Eggert v. Kempen und Jakob v. Werder hinterlegt werden1). Die Braunsberger entrichteten aber nach vielem Mahnen nur etwa 2000 Mark. Wins hat deswegen ihre Güter zu Danzig rechtmäßig be­ kümmert, von den Danzigern aber keine Hilfe erlangt und hat dar­ über manche Unkosten und Zehrung angewandt. Er bat daher (1522) den Kurfürsten um eine „Fürschrift" an die Danziger und Braunsberger, daß diese letzteren ihn bezahlen sollten, widrigenfalls ihre Güter in Danzig mit Arrest belegt werden sollten. Obwohl der Kur­

fürst mehrmals an Danzig schrieb und Wins dort zweimal vor Gericht

erschien, erfolgte nichts. Daher erwirkte Wins, daß im Oktober 1524 14 Danziger, jedenfalls auf der Rückkehr von der Leipziger Michaelis­ messe, in Berlin mit ihren Gütern arrestiert wurden. Sie wurden

entlassen, nachdem etliche einen körperlichen Eid und Vorstand getan hatten, daß sie alsbald nach Ausgang des Leipziger Neu­ jahrsmarktes vor den kurfürstlichen Räten zu Cölln erscheinen und persönlich oder mit Gütern im Wert von 1500 fl. oder mit genugsam besessenen Bürgen einstehen wollten, daß sie Winsen seiner An­ sprüche und des Arrests halben zu Recht antworten und Erkenntnis

erwarten wollten. Der Kurfürst erklärte auch den Danzigern (27. No­ vember), der wider sie und ihre Güter gelegte Kummer werde nicht eher abgeschafft, bis sie jenem wider die Braunsberger zu Hab und Gut verhalfen hätten. Die Sache kam nun in Fluß, und 7. Februar 1525 bekannte Wins vor Gericht, die fehlenden 1000 Mark der Braunsberger wegen auf Befehl des Bischofs Polenz von Samland

empfangen zu haben. Trotzdem machte nach Antonius' Tode fein Bruder Joachim als Erbe die Forderung, auf etwa 900 fl. lautend, wieder geltend und veranlaßte den Kurfürsten, deshalb vom Dan­ ziger Rat 25. März 1531 Befriedigung zu fordern, andernfalls er 1T®erI. Schöffenb., S. 182, 184, 193.

2) Vgl. oben S. 9 und 33. -) Danzig, Stadtarchiv 300 U 23 b Nr. 166, 172, 174, 177, 179, 181; 300 Abt. 53 Nr. 946.

verursacht werde, jenem die Repressalien und die Hilfe zu vergönnen.

Der richtige Sachverhalt ist zweifellos alsbald aufgeklärt worden.

Ein anderer Zweig dieser söhnereichen Familie hatte 1504 vom Grafen Joachim von Ruppin die Dörfer Birkenwerder (samt dem Wohnhof), Hohen-Neuendorf, Borgsdorf und Hermsdorf, samt der wüsten Feldmark Birkholz, alles zwischen Berlin und Oranienburg gelegen, gekauft, doch ohne Wissen und Willen des Kurfürsten als Lehnsherrn. Daher ließ Joachim I. diese Güter nach dem Aussterben der Grafen und Heimfall ihrer Lehen, Januar 1524, durch seinen

Hauptmann zu Bötzow einfach einziehen. Die Inhaber, Brüder Gregor und Hans Wins, Bürger zu Berlin, klagten gegen den Kur­ fürsten wegen Beraubung-). Ein Lehnsgericht, mit Otto Schenck zu Landsberg, Herrn zu Teupitz, als Richter, drei kurfürstlichen Haupt­ leuten, vier andern Adligen und dem Kanzler Dr. Stublinger als Beisitzern, entschied im Januar 1527, daß der Kurfürst die Wins

restituieren müsse und das directum dominium an jenen Gütern ver­

loren habe, auch die abbehändigten Nutzungen erstatten und Gerichts­ kosten erlegen

müsse.

Der Kurfürst appellierte darauf an das

kaiserliche Kammergericht, doch bestätigte dieses das erste Urteil und wies seine Klage kostenpflichtig ab. Auf Ansuchen der Wins erging

von Speyer 18. Dezember 1531 eine Exekutorialverfügung an den Kurfürsten, jene Besitzungen binnen sechs Wochen und drei Tagen

samt Erstattung der Nutzungen wieder einzuräumen, bei 20 Mark lötigen Goldes. Der Kurfürst versuchte zwar, das Urteil des höchsten

Gerichts durch Appellation an den Kaiser selbst anzufechten, hatte aber damit wohl kaum Glück. Jedenfalls blieben die Wins im Besitz der Güter als kurfürstlicher Lehen, Lehnsbriefe von 1610 und 1620

sind darüber erhalten-); Joachim I. hat sich aber damit gerächt, daß

er die genannten Brüder, weil sie um Exekution wider ihren Landes­ herrn gebeten, „lange Zeit in harter Gefängnis" gehalten und Februar 1533, rote ihr Anwalt damals angab, noch hielt. Die Berliner Wins verschuldeten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ganz. Merten Wins mußte Ostern 1566 seine Wiesen

und Acker vor Cölln an den Kammersekretär Panthel Thum für eine Schuld von 421 fl. verpfänden; 1547 mußten drei Vettern Wins ihren Besitz Falkenberg verkaufen, und Hieronymus Tempelhof erlangte wegen einer ihm zedierten Schuld, die bis 1587 auf 1876 Tl. anschwoll, *) Rep. 174. 1. ’) Rep. 78. II. W. 85.

Einweisung in die übrigen Lehen, die aber auch mit vielen andern Schulden beschwert waren. Ihr Stammgut Blankenburg war 1600 im Besitz der Erben des Kammermeisters Straube; das alte Burg-

lehnshaus

in

der

Klosterstraße

(76)

wurde

1593

an

Joachim

von Lunenburg verkauft4).

Ein anderer Zweig kaufte seit 1564 drei adlige Lehngüter im Storkowschen (Colberg, Eichholz, Streganz), die auch noch 1670 in dessen Besitz waren. Dieser Zweig, ebenso wie der schon längst zu Birkenwerder gesessene, ging völlig zum Adel über und führte, wie

schon 1600 berichtet wird, den Adelstitel*2).3 Aus der letzteren Linie ist der kaiserliche Obrist Hans o. Wins, der Berlin im 30jährigen Kriege schätzte, hervorgegangen.

Im Bürgerstande dagegen blieben die erwähnte Berlin-Blankenburger und die Frankfurter Linie. Dieser gehörte Levin, Sohn des Mattheus Wins an, ein unruhiger Geist. Er ging von Frankfurt nach Leipzig, wurde da 1557 als „Handelsmann" Bürger'), 14. Dezember 1574 aber Berliner Bürger. Er mußte 10 Tl. dafür geben und wurde auch nur „in Ansehung dazu gelassen, weil er sich beklagt, daß er wegen des Rates in Aufbringung etliches Geldes großen Schaden genommen"4). Dennoch kam er schon nach zwei Monaten in den Rat und wurde 18. Februar 1575 vereidigt. Er ist schon 14. Mai 1581 gestorben und hinterließ ein übles Andenken, da er, wie in der Cöllner Stadtschreiberchronik') vermerkt ist, „vielen Leuten das Ihrige bis in die 20 000 Tl. ab geliehen und sie schändlichen

darum gebracht". Hauptsächlich hat er seinen Vetter Jacob Wins zu Birkenwerder geschädigt, so daß dieser genötigt war, seine Lehngüter zu verpfänden. Jacob klagte gegen Levin beim Kurfürsten, daß dieser ihn „wegen Nichtzahlung und Bürgschaft in die äußerste Not und Ungelegenheit" gesetzt, worauf der Kurfürst Levin durch den Hausvogt festsetzen, durch das Stadtgericht all sein Hab und Gut inventarisieren und versiegeln und Jacob darein einweisen ließ (Juni 1578). Levin beschwerte sich beim Rat von Berlin über solches 4) Rep. 78.66. fol. 88. 2) Rep. 22.362; Rep. 78. II. W 85. Nach Gritzner, Chronolog. Matrikel, S. 3, erhielten Georg Wins und seine drei Söhne 1. Juni 1631 den Reichs­ adel. 3) (Bert). Fischer, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte, 1929 S. 182. *) Berl. Bürgerbuch, S. 108. 6) S. 137.

unrechtmäßige Verfahren, und dieser bat, da Jacob nicht bei den

städtischen Gerichten geklagt noch Immission verlangt, ihre Gerichte nicht zu schmälern und Levin freizulassen*2).3 Dies geschah zwar nicht,

doch ersuchte der Kurfürst, als Levins Ehefrau, Magdalena Döring, um Entledigung ihres Mannes 29. März 1579 supplizierte, den Jacob

Wins: Weil Levin den hiebevor angestellten bürglichen Vorstand (d. i. Kaution) nicht bestellen könne, ihn aber eidlich zu tun und bis zu Austrag der Sache stillzuhalten erbötig sei, möge er sich auch des­

wegen erklären oder sich sonst mit ihm irgendwie vergleichen. Ein zu Pfingsten deswegen angeordneter Tag blieb jedoch fruchtlos, und es wurde auf Supplik Levins bei Kanzler und Räten ein neuer Tag beantragt2), damit Jacob zufriedengestellt und Levin des Gefängnisses erledigt werde.

Levin war überhaupt ein zweifelhafter Geschäftsmann. So hatte

er zwei Becher von 50 Lot, die er vom Goldschmied I. Wilcke nur leih­ weise erhalten, anderweitig versetzt, und der Berliner Rat mußte auf

Supplik des Geschädigten angewiesen werden, ihm seine Becher wieder zustellen zu lassen (1579).

Für Levin hatte auch Dietrich

v. Flanh einen ansehnlichen Posten zahlen müssen und suchte, da Jacob Wins ihn dafür schadlos gelobt, im Mai 1571 die Exekution

in dessen Güter. Diese aber hatte, wie Jacob einwandte, die ver­

witwete Herzogin Magdalena von Lüneburg, eine geborene Branden­ burgerin, inne, und es waren auch noch andere Kreditoren vorhanden. Immerhin wurde verabschiedet, Jacob sollte Flaus bis Johannis befriedigen, oder es solle diesem wider ihn gebührlich verhalfen

werden, den anderen unschädlich. Jener große Besitz war demnach

überverschuldet.

Die Kreditoren der inzwischen verstorbenen Jacob

und Gregor v. Wins haben 5. Juli 1634 Birkenwerder für 18 000 Tl.

an Levin von dem Knesebeck verkauft2). Die Wins besahen aber um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch

die oben erwähnten Lehngelder in Frankfurt a. d. £)., und eines ihrer zahlreichen Mitglieder, Nicolaus, bekleidete die Würde eines kaiser­ lichen Hofpfalzgrafen (1656). Die adligen Wins lebten gegen Ende

des 19. Jahrhunderts noch in einigen Mitgliedern, die dem Offizier­ stande angehörten.

') Rep. 21. 23a. 2) Rep. 21. 127a. 1. I. 3) Rep. 97.1. 109.

Hofdienst und Niedergang seit Kurfürst Joachim IL

Johann Blankenfelde. Wir haben gesehen, daß im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts bei den Großbürgern Berlins eine gewisse Neigung herrschte, sich in der Art oberdeutscher oder hansischer Kaufherren im Fernhandel zu betätigen und damit zu Ansehen und Reichtum zu kommen. Biel ist

daraus nicht geworden, und jenes Streben scheint mehr Berlust als Erfolg eingebracht zu haben.

Jedenfalls sind solche hochfliegenden

Versuche nicht fortgesetzt worden, ja, bei den alten Familien, den Blankenfelde, Reiche und Wins, hörte mit der folgenden Generation

die Verbindung mit dem Warenhandel überhaupt auf. Dagegen läßt sich bei ihr eine merkliche Annäherung an den kurfürstlichen Hof und dessen Geschäfte feststellen. Dies ist auch nicht verwunderlich, da unter

dem stets geldbedürftigen Joachim II. nach Leuten, die Kredit ge­ währen oder beschaffen konnten, immer aufs eifrigste gefahndet

wurde. Daher finden wir die vermögenden Bürger der Residenzstädte sämtlich mehr oder weniger in die Finanzgeschäfte dieses Hofes ver­ wickelt. Es ergaben sich damit so enge Beziehungen zwischen Hof und Bürgertum, wie zu keiner anderen Zeit, allerdings sehr zum Schaden des letzteren.

Auch im unmittelbaren Dienste des Kurfürsten erscheinen jetzt mindestens

drei

angesehene

Bürger:

Hans

Tempelhof,

Johann Blankenfelde und Thomas Matthias, alle zugleich an der Spitze der Stadtverwaltung, als Bürgermeister, tätig. Diese Verbindung ist jedenfalls auch vom Hofe hergestellt worden, der damit seinen Einfluß auf die Berliner Verwaltung, vornehmlich

zugunsten

seiner

Geldbedürfnisse,

verstärkte.

Im

unmittelbaren

landesherrlichen Dienst ist vordem nur ein Angehöriger des Berliner Patriziats, der oben erwähnte Valentin Wins, erkennbar.

Johann Blankenfelde, Wilkes Sohn, war schon unter Joachim I. Kastner (Amtsverwalter) zu Tangermünde und trat bald

Joachim II. näher. Denn dieser verlieh ihm zu Michaelis 1537 auf

seine Bitte, daß er für seinen freien Wohnhof in seinem Dorfe Weißen­

see (mit vier abgabefreien Hufen) Brennholz aus den kurfürstlichen Heiden für immer unentgeltlich haben solle, und zwar als rechtes

Mannlehen'). Als Begründung ist nur auf feine Dienste als Kastner und sonst verwiesen, doch darf man nach sonstiger Kenntnis der herr­

schenden Berhältnisse annehmen, daß besondere Gefälligkeiten voran­

gegangen sind. Johann trat dann (1544) in den unmittelbaren Hof­ dienst, indem er als Nachfolger des verstorbenen Bürgermeisters Hans Tempelhof kurfürstlicher Küchenmeister wurde, d. h. Vorsteher der Küchen- und Kellerverwaltung, der den Hof mit Lebensmitteln zu versorgen hatte. Zweifellos hat man für diesen Posten geflissentlich einen Angehörigen der vermögenden Stadtaristokratie genommen, der

Vorschüsse leisten konnte. Johann wurde daneben Bürgermeister von Berlin').

Er war ein unternehmender Mann, der „in seinem Leben mit wunderseltsamen und vielfältigen Gebäuden an Teichen, Gräben, Schleusen u. a. viel Wesens getrieben"3*).2 Aus seinem Briefwechsel mit

dem Markgrafen Hans von 1563 geht hervor, daß Blankenfelde Schiffe bauen und damit Holz, Kohlen und Kalk führen ließ, daß er eigenes Personal hielt, auch Schiffe verkaufte (ein altes für 150 fl., ein neues für 200 Tl.) und vermietete (so 1568); er hat ferner die sog. Fangschleuse für die Kalksteinfuhren („im Kalkstrom") angelegt, die 1565 fertiggestellt war'). Obwohl er bei der Gründung der Beelitzer Salzgewerkschaft noch nicht mit angeführt wird3), erscheint er später als Seele dieses völlig verunglückten Unternehmens. Auf sein

Betreiben hat, nachdem da eine merkliche Summe Geldes erfolglos verbaut worden, ein Vetter, Asmus Blankenfelde in Joachimsthal in

Böhmen, von dort zwei „Meister der Wasserkunst", Claus und Her­ mann Hirsch aus Fulda, Übermacht, die mit ihrer Kunst die wilden Wasser heben und die Salzader fasten und zum Laufen bringen sollten. Der Versuch verlief 1549 völlig ergebnislos, so daß Joh. Blanken­

felde selbst veranlaßte, daß die „Kunstmacher" entfernt wurden und um den ausbedungenen Lohn von 8000 Tl. kamen, was dann zu

einem langwierigen Prozeß am Reichskammergericht fjihrte3). Johann war auch sonst regen Geistes; so schlug er auf der Städte­ tagung 1564 als finanzielle Hilfsmittel vor: Wucherische Händel abzu­ schaffen, so daß, was über 5 % gegeben wird, der Kurfürst zu sich ') Rep. 21. n. 30. 2) Schon 1547; im Bürgerbuch 1558—70 als Bürgermeister angegeben. 3) Cölln. Stadtschreiber-Chronik S. 14. *) Rep. 43.13 g. 3) Vgl. oben S. 10 f. ’) Rep. 18. n. 4. I u. II; Rep. 174.32.

nehme; item Belegung der Waren, so außerhalb Landes gebracht werdens. Und schließlich stand er im Hause seinen Mann. Er hatte von seiner ersten Frau Dorothea Vintzelberger 14 Kinder, heiratete

noch 6. Dezember 1571 die Tochter Tilicke Mollers zu Hamburg, Mette (Maria Müller), und starb in hohem Alter 9. Oktober 1579.

Johann wurde natürlich stark in die kurfürstlichen Geldhändel hineingezogen. 1544 und 1545 quittiert er wiederholt über — aller­ dings kleine — Zinsbeträge, die ihm der Kurfürst zahlte2). Als er

in seiner Eigenschaft als kurfürstlicher Küchenmeister den Weihnachts­

markt 1544 in Leipzig besuchte, um Gewürze u. a. Bictualien für ein Beilager einzukaufen, wurde er auf Anforderung von Jacob

Herb rot zu Augsburg nebst dem kurfürstlichen Rat Dr. Joh. Falcke und einem Wagen mit eingekauften Gütern arrestiert, weil der Kur­ fürst eine Schuldverschreibung nicht innegehalten hatte. Diese war zu Cölln, Mittw. nach Exaudi 1544, über 10 869 Tl. oder gülden Groschen ausgestellt. Darin verbürgten sich Graf Wilhelm zu Hohnstein und zehn Adlige dafür, daß die Stadt Magdeburg die Rückzahlung, % zum Neujahrsmarkt, % zum Ostermarkt 1545, übernehme und daß deren Schuldbrief zum 27. August gen Leipzig beschafft werde. Andernfalls sollten sie zu Naumburg in Leistung einreiten und da leisten, bis alles

bezahlt fei, auch setzte der Kurfürst seiner Untertanen Leib und Güter für Erfüllung ein. Da Blankenfelde den Wagen mit den kurfürst­ lichen Gütern ungeachtet geschehenen Kummers aus den Gerichten

von Leipzig wegführen ließ, wurde gegen ihn am 13. Mai 1545 er­ kannt: er solle ihn wiederschaffen und sich selbst nicht eher von dannen wenden, bis die Schuld samt ausgelaufenem Schaden, 5 % Interesse und Unkosten ganz entrichtet sei. Einige Zeit vorher (1541) war auch der kurfürstliche Sekretär Johann Bredtschneider in Leipzig, wohin er in kurfürstlichen Geschäften abgefertigt war, arrestiert und be­

kümmert worden und konnte seine Freilassung nur dadurch er­ reichen, daß er sich durch Jakob Grieben verbürgte, sich in wenigen Tagen wieder da einzustellen2). *) Friedensburg, Ständeakten II S. 415. 2) Rep. 61.2. Kf. Schuldverschreibungen 1549—59, meist wegen Küchenund Kellerschulden, Stände-A. C 50.1 (la). ’) Rep. 41. n. 6. Später ging es einmal ähnlich dem markgräflichen Kammersekretär Caspar Meinow, der im Michaelismarkt 1570 durch den Bevollmächtigten des Markgrafen Georg Friedrich von Ansbach wegen Nichthaltung der märkischen Städte arrestiert, aber mit Entschuldigung (vom 28. Oktober) wieder freigelassen wurde. (Ebenda.)

über die Vorschüsse und Darlehen, zu denen der Kurfürst seinen Küchenmeister nötigte, erfahren wir Folgendes. Schon 1546 ist eine

Handschrift, d. i. Schuldverschreibung, von ihm samt Hans Zeidelers Schadlosbrief in Händen der Stettiner Loitzes. 1547 bürgte Blanken­ felde mit Hans Tempelhof für den Kurfürsten auf dessen Begehren gegenüber Gotthard König von Nürnberg für 2418 II., wofür ihnen

das

Dorf

Unterpfand

Röxe

des

Stendaler

gesetzt mürbe*2).

Kapitels

(bei

Stendal)

zum

Wegen einer weiteren Schuld von

1000 II., die Johann Blankenfelde seit langem vom Kurfürsten zu fordern hatte, suchte dieser ihn auf originelle Weise zu befriedigen, in­ dem er zu Weihnachten 1560 an Jakob Grieben in Leipzig schrieb: „Nachdem wir Dir eine Verschreibung vor wenig Jahren zu­ gestellt, darunter 1000 II., die wir wegen unseres Küchenmeisters Johann Blankenfeldt und sonderlich aus dem Gelde so Dir bewußt von Doctor Innigen Herkommen, sollten restlich zahlt haben, welches

dann zu der Zeit nicht geschehen, und wir nochmal gerne sehen, daß er derselben zufrieden gestellt, denn er sich gegen uns beklagt, wir auch gesehen, daß er einen feinen jungen gewachsen Gesellen zum Sohn hat, der uns gerühmt fleißig studieren soll, und er ihn gern in welschen Landen weiter in seinen Studien fortzufahren gefördert wissen wollte, er auch uns und unserm Vater nun viele Jahre gedient, und da wir aus vieler Leute Bericht gut Wissen tragen, daß Du die Jugend so zu Studien Lust haben, gern fortsetzen helfest, ist unser Begehr, Du wolltest unsern Küchemeister mit jenen 1000 thl. unsertwegen zu­

frieden stellen und uns, da es nicht geschehen, nochmalen in unsre Rechnung bringen, die wollen wir Dir zum schirsten auf den bewußten Handel ohne allen Deinen Schaden zahlen, auch jetzt ihm auf sein An­ suchen mit Würz u. a., das er Befehl hat, bei Dir und andern in

Leipzig auszurichten, von unsertwegen gute Förderung erzeigen, solches wollen wir Dich auch auf die Zeit, als er Dir anzeigen wird, zahlen lassen"2). Ein ähnliches Mittel, sich Geld zu verschaffen, wandte der Kur­

fürst mit einer Verschreibung von Martini 1564 an, worin es heißt: Wir haben Bürgermeister Valtin Döring vermocht, daß er uns ’) Papritz, Korrespondenzblatt des Gesamtvereins usw., 1931, Sp. 95. 2) Rep. 61.24 u. Eine Urkunde Joachims II. für Johann von 1524 (1564?) über 3000 fl. in bar und Viktualien besaß Teppichfabrikant Julius Blankenfelde zu Spandau 1865, desgl. Emma 58., 1890. Hausarchiv Rep. 30. ’) Rep. 21.23a.

1000 Gulden mark, zu Unterhaltung seines Sohns Georg studii auf­

bracht und überantwortet hat, wollen sie ihm jährlich auf Martini ver­ zinsen und dieselben 60 fl. aus unserer Kammer verrechnen lassen, daß Georg davon zum Studium erhalten werden solle'). Döring hat noch zu Weihnachten desselben Jahres dem Kurfürsten durch Blan­

kenfeldes Vermittlung 1422 Tl. und noch weitere 1515 Tl., alles zu 6 %, vorgeschossen, und hatte außerdem bis 1571 fast 1000 Tl. für Tuch und Wein zu fordern. Ferner mahnte er 1572 noch 1887 Tl., die er teils für den Kurfürsten bei Galle Becken zu Stettin auf­ gebracht, teils Caspar Theyssen zum Bau des Jagdschlosses im Grüne­ wald vorgestreckt, auch Heinrich Bolandt bezahlt haben will. Für diese

als eine veraltete Schuld wurden ihm nur 500 Tl. zugestanden?). Um ein Darlehen für den Kurfürsten handelt es sich jedenfalls auch, wenn dieser einmal zwölf Bürgern gestattete, ihre Güter und Einkünfte dem Markgrafen Johann für 3000 Tl. Hauptsumme und

180 Tl. Zins zum Unterpfand zu setzen für den Fall, daß sie nicht zu Laetare des nächsten Jahres diese Summen zahlen sollten. An der Spitze der Darlehnsnehmer finden sich wieder Blankenfelde und Döring, außerdem sind u. a. Joachim Reiche, Hier. Tempelhof, Andreas Lindholz, Christoph Roch angeführt?). Johann Blankenfelde hat an Rückzahlungen des Kurfürsten wegen erhalten: 1563 zusammen mit dem Bürgermeister von Altstadt Brandenburg, Anton Holstein, 16 000 fl. von den neumärkischen Städten, die dafür Geld gegen Zinsen aufnehmen muhten; 1566 aus

städtischen Hilfsgeldern 1611 und 1700 Tl. an HauptsummenH. Rach der 1571 von den Landräten gehaltenen Abrechnung hat Hans Blan­ kenfelde dem Kurfürst Joachim II. vorgeschossen: 11422 Tl., die im Landtag 1564 ins Schuldregister eingetragen wurden, und 7411 Tl. laut der auf kurfürstlichen Befehl von Reminiscere 1567 mit dem

Rentmeister Rüdiger Rust gehaltenen Berechnung. Er forderte aber weiterhin 3204 Tl. für 1570—71, 4828 Tl. für sonstige Schulden, 4400 Tl. für die ihm 22 Jahre hindurch nicht gezahlte Besoldung (von je 200 Tl.), ferner 3974 Tl. Zinsen, zusammen 35 239 Tl. Darauf

hat er seit 1564 nach und nach erhalten 15103 Tl., so daß 20 136 Tl. Testeten. Weil aber dieses, wie es heißt, eine wunderlich zufammen1) Rep. 61.24d. 2) Stände-A. B 1.8, S. 103, 380. ’) 13. V. 1568. Cod. March. 50 fol. 534. 4) Friedensburg, Ständeakten. I. 156 2Inm.; II. 799.

geflickte Rechnung und Schuld gewesen, der man ihm aus vielen Ur­ sachen nicht geständig sein könne, wurde es mit seiner Einwilligung

dahin gerichtet, daß man ihm nur 5000 Tl. zinsbarer und 3000 wachender (d. h. zinsloser) Schuld passieren ließ1). Außerdem hatte Johanns Sohn Franz für eine Verschreibung von Johannis 1564

3000, an Zinsen und Auslagen 907 % Tl. zu fordern; zugestanden

wurden ihm 3000 und 300 Tl?). Johann hat 1574 von den altmärkisch-priegnitzer Städten 1500 Tl. wachender Schuld ausgezahlt erhalten; wegen seiner übrigen Forde­

rung bei der Landschaft entschied der Kurfürst 19. Januar 1576, er

möge deren bezahlt werden').

Wie alle, die mit dem Kutfürsten zu tun hatten, ist Johann Blankenfelde durch dessen Schuldenwesen in Bedrängnis und Ver-

lust geraten. Schon 1559 erinnerte er an seine Bezahlung und Ein­ lösung seines Anteils an Pankow'), den er also um des Kurfürsten

willen versetzt hatte; ja er hat zwei Teile von Pankow an den Span­ dauer Rat verkaufen müssen, die dieser, von Johanns Söhnen darum gerichtlich angefochten, Pfingsten 1578 mit Erlaubnis des Kammer­ gerichts an Simon Mellmann für 2681 fl. erb» und eigentümlich

weiter verkaufte').

Johann Blankenfelde wurde ferner 1571 von Heine v. Brösicke verklagt wegen einer Verschreibung über 1200 Tl., die Brösicke von Joachim Grieben erhalten hatte, die aber Blankenfelde Grieben schuldig geworden war, samt Zinsen und Schäden; Blankenfelde be­

hauptete, Grieben habe sich mit Bezahlung an die Landschaft ver­

weisen lassen, konnte das aber anscheinend nicht beweisen'). Brösicke

tat danach Kummer (d. i. Arrest) auf das Geld, das Blankenfelde bei

der Küstriner Kammer stehen hatte, doch wurde durch kurfürstliche Verordnung vom 17. Oktober 1579 erklärt, daß Johann Blanken­

feldes Schuld getilgt, der Kummer aufgehoben fei und das Geld den Erben ausgefolgt werden foüe7).

-) -) =>) *) °) •) ’)

Stände-A. B 1.8, S. 350. Ebenda S. 140. Bep. 61.48 b. Friedensburg II, S. 142. Bep. 78. II. B. 9. Bep. 97 1.19. Bep. 21. 127a. 1. I.

1574 ist von Einlösung von Pfändern, die Blankenfelde beim Juden Lippold versetzt hatte, um 50 Tl. die Rede**). Seine Ein­

künfte in Kaulsdorf hat Johann dem Gotteskasten in Fürsten­ walde verpfändet. 1575 (Frühjahr) klagt Heinrich Becker, der für Johann Blankenfelde über 1200 und 220, für dessen Sohn Benedikt

über 600 Tl. gebürgt und bezahlt, gegen beide. Benedikt zahlte erst 15792). April und Dezember 1575 wurde Ernst und Christoph von

Burgsdorf zu allen Gütern Johann Blankenfeldes Arrest verstattet; der eine Schuldbetrag (Bürgschaft) war 1000 Tl., der andere ist nicht genannt2). Eine kleine Schuldsache, die der Komik nicht entbehrt, die

aber die bedrängten Berhältnisse beleuchtet, in die Johann geraten war, sei noch erwähnt. Johann wurde 1576 Joachim v. Brietzkes

Witwe 22 Tl. schuldig; da er nicht zahlte, wurde ihm auf kurfürst­

lichen Befehl durch den Hausvogt ein Pferd abgepfändet. Dieses war viele Wochen eingestellt und verzehrte 12 Tl., dabei wurde es selbst durch die „Landscheppen" auf nur 7 Tl. geschätzt. Das Gericht entschied 2. Oktober 1579: Blankenfelde soll die 22 Tl. zahlen und sein Pferd wieder nehmen, in die Unkosten sollen sich beide teilen. Da Blanken­ felde „itzo zur Zahlung nicht kommen können", wurde ihm auf An­ halten bis Weihnachten Anstand gegeben, doch starb er schon einige Tage darauf*).

Wollte man aus diesen trübseligen Umständen den Schluß ziehen, daß Johann Blankenfelde völlig verarmt gestorben sei, so entspräche

dies keineswegs den Tatsachen. Wir besitzen eine genaue Aufstellung des Vermögens, das Johann Blankenfelde hinterlassen hat. Sie ist

aus Anlaß des Streites aufgestellt worden, den seine Erben mit der Stadt wegen der schon seit Ostern 1569 von Johanns Grundstücken nicht mehr gezahlten Schöße hatten, ein Streit, in dem schließlich

kurfürstliche Kommissare verordnet werden mußten, und in dem erst Februar 1582 eine Entscheidung erging5). Nach dieser Vermögens­ ausstellung stellten sich Johann Blankenfeldes Aktiven und Passiven

bei seinem Tode wie folgt: Das große alte Wohnhaus in der Span­ dauer Straße, zwischen Th. Gategast und Dr. Lindholz' Häusern

-) -) ») •) 6)

Rep.97 1.22. Rep. 971. 23 und 26. Rep. 971.23. Rep. 971.26. Rep. 21.23a.

1500 Tl.

Ein kleines Haus daneben

700 „

Ein von ihm gebautes Haus in Stralauer Straße

der

1000 „

Eine Ziegelscheune vor dem Spandauschen

Thor mit Zubehör Eine Meierei mit Schäferei und Garten Zwei Hufen Land vor Berlin Ein großer Weinberg auf der Leimgrube Zinsbare Forderungen:

1000 „ 500 „ 300 „

Bei der Landschaft Eine Verschreibung, an Peter Schulze in

5 000 Tl.

Hamburg verpfändet Bei seinem Sohn Joachim Beim Rat von Frankfurt Wachende oder unoerzinsbare

1600 „ 1000 „ 400 „

300 „

die einzulösen waren .............. ................. An verschiedene Gläubiger:

Peter Schulze .................... Für versessene Schöße ...

Dem Rat ............................ Sonstige Schulden ........... Gesamtsumme der Passiven

8 000 „

Forde­

rungen bei der Landschaft und sonst Gesamtsumme der Aktiven Demgegenüber war er schuldig: Für verpfändete oder verkaufte Lehen,

Thomas Matthias ........... Heine Brösicke ....................

5 300 Tl.

3 384 „ 16 684 Tl.

3 700 Tl.

2 290 Tl?)

1500 779 300 138

„ ,, „ „

2 593 „

7 600 Tl. 11 300 Tl.

Dieser Bermögensstand von über 5000 Tl. stimmt einigermaßen mit einer eigenen Angabe Johanns überein, worin er sich als „bei 5000 Gulden reich" bezeichnet.'). Obige Zusammenstellung wird durch andere zahlenmäßige Angaben ergänzt, die seine Gesamt­ lage eher noch günstiger erscheinen lassen. Während die Schulden nur dadurch erhöht erscheinen, daß die versessenen Schöße anderweitig mit 1586'/, Tl. angegeben werden, schätzt ihm die andere Aufstellung erhebliche weitere Vermögenswerte zu, näm*) Wegen eines Restes aus dieser Schuld klagte noch 4. November 1614 Thomas Matthias' Sohn Daniel beim Kammergericht (Rep. 97.1.69). ’) Zeugenaussage vom 23. März 1564. Rep. 174.32. 4 Großkaufleute 1

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lich noch ein Haus, noch einen Weinberg, vier Hufen, sechs Stück Kavelland und fünf Wiesen, ferner ein Haus in Frankfurt a. d. £)?). Nicht eingeschlossen ist in diesen Zusammenstellungen das Vermögen seiner zweiten Frau, wohl aber dasjenige, was er von seiner ersten Frau Dorothea Vintzelberger geerbt hatte, deren Ver­ lassenschaft 1571 oder 1572 zur Erbteilung gekommen war-). Da er aus dieser nach und nach nicht weniger als 13110% Tl., ungerechnet Haushaltsvorräte, Vieh, Pferde, Wagen, Harnisch u. a. erhalten hatte, so würde das allein vier Fünftel seiner hinterlassenen Aktiven ausgemacht haben, falls nicht vieles, wie anzunehmen ist, anderweitig verloren worden ist. Die vorstehenden Angaben decken sich weit­ gehend mit dem Berliner Stadtbuch, nach dem Johann Blankenfelde 1571 mit vier Häusern, die auf 7000 Tl. geschätzt waren, und son­ stigem Grundeigentum im Werte von etwa 9000 Tl. der größte Grundbesitzer in Berlin gewesen war. Nicht verarmt, aber stark ver­ schuldet und in offenbar durchaus ungeordneten Verhältnissen ist Johann Blankenfelde 1579 gestorben.

Ausgang der Blankenfelde. Von Joh. Blankenfeldes Söhnen wurde Johann kurfürstlicher Amtskammersekretär, starb aber schon kurz vor dem Vater, 2. Sept. 1579. Er hatte 1572 die Tochter des kurfürstlichen Rats und Kammer­ gerichtsadvokaten Simon Mellmann, Katharina, geheiratet und hinterließ eine Tochter des gleichen Namens. Seine Witwe heiratete den Dr. Christoph Beneckendorf. Für das ihr verschriebene Leibgeding wurde sie Februar 1582 mit jährlich je zwei Mispel Roggen und Hafer, mit 400 Tl. ablösbar, abgefunden.

Die anderen Söhne waren Joachim, der Bürgermeister von Frankfurt wurde, Franz, Benedikt und Wilhelm. Eine Tochter Mag­ dalene heiratete den Kammermeister Heinrich Straube auf Blanken­ burg, eine andere den Dr. Hieronymus Schultheß. In Weißensee hatten Christoph v. Burgsdorf und Hans v. Sydow Einweisung erhalten, Franz und Benedikt Blankenfelde haben das *) Dies Haus, das sein Sohn Joachim erhielt, wurde von der Familie 1609 verkauft. 2) Streitigkeiten Johann Blankenfeldes mit vier Söhnen über Ver­ mögensteilung vor dem Kammergericht, 30. Okt. 1574. (Rep. 97.1.28)

Dorf 1579 mit 1700 Tl. wieder an sich gebracht'). Die Lehngüter in

Pankow und Blankenburg waren, soweit sie nicht verkauft waren, an Simon Mellmann verpfändet, der 1581 sein Geld aufkündigte'). Auch die im Besitz des jüngeren Johann Blankenfelde befindlichen

Berliner Liegenschaften: Meierei, Schäferei, Garten, vier Hufen, zwei

Wiesen, wurden nach dessen Tode (1579) Mellmann zugeschlagen. Außerdem hatte dieser 1295 Tl. von dem auch sonst stark verschuldeten Joachim, je 432 Tl. von Franz und Benedikt Blankenfelde zu fordern,

sowie andere, teilweise vom alten Blankenfelde herrührende Posten (Mai 1582).

Das Blankenfeldesche Stammhaus in der Spandauer Straße') wurde von den Söhnen Johanns 1612 an den Berliner Handelsmann Ambrosius Berndt verkauft; die Söhne aus beiden Ehen hausten hauptsächlich auf dem noch verbliebenen Gute Weißensee, in vielen Streitigkeiten und anscheinend ziemlich kümmerlich. Franz wohnte bis 1629 in der Burgstraße zur Miete. Das halbe Gut Weihensee hatte eine Zeitlang Kaspar v. Klitzing als Gläubiger inne, es brachte

aber nicht so viel, als seine Zinsen ausmachten; er bot auf die An­ teile von drei Brüdern 1600, 1500 bzw. 1200 Tl. (April 1612). Als Curator hatte Klitzing Franz den Älteren (t 1617) bestellt, dieser hat seinem Stiefbruder Franz 1609 Bieh pfänden lassen wegen 250 Tl.

Die Klitzingsche Schuld rührt vermutlich daher, daß Johann Blanken­ felde neben Thomas Matthias u. a. in Verlegung des Könnernfchen Bergwerks von Dietrich v. Klitzing 1000 Goldgl. ausgenommen hatte

und Blankenfelde allein dafür haftbar geblieben war. Der Wert der Schuld wird 1614 auf 4682 Tl. angegeben. Auch der letzte Besitz ging bald verloren. Denn 1614 wurden die den Blankenfelde noch gehörigen beiden Lehnsanteile von Pankow wiederkäuflich an Christoph Beneckendorf für nur 1905 Tl. ver­ äußert'). Bon Weißensee wurde eine Hälfte im Herbst 1612, die andere 1616 verkauft. Diese veräußerte Wilhelm Blankenfelde, der sich 1604 in Köpenick als Freisaß angekauft hatte, im November 1616 mit Einwilligung der Gröben als Afterlehnsherrn um 4000 Tl.

wiederkäuflich an Ambrosius Berndt, der schon das Haus in der *) Sentenz vom 1. Juli 1581 (Rep. 97.1.27). s) Rep. 97.1.28. ’) Haus Blankenfelde, Spandauer Str. 23, Reste der Ornamente und Wappen im Märkischen Museum. Das Haus gehörte nachher (1654) dem Rat Martin Friedrich Seidel, dann Daniel Stephani (f 1709). *) Berliner Stadt-A., Urk. 1633. A’-

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Spandauer Straße gekauft hatte. Nachdem Weihensee bald in andere Hand übergegangen war, verzichtete ein Sohn Wilhelms 1663 auf das Wiederkaufsrecht gegen Zahlung von 200 fl?). Wie Weißensee blieb auch Pankow veräußert, und das Köpenicker Gütchen war 1647 gleichfalls in anderer Hand. Der Versuch der Blankenfelde, zum Kraut­ junkertum überzugehen, war gescheitert, hauptsächlich infolge der Ver­ mögenszerrüttung, in die sie unter Joachim II. geraten waren.

Einen Gottfried Blankenfelde finden wir 1622 in kurfürstlichen Diensten in Königsberg; ein Sohn von Wilhelm Blankenfelde, Hans Wolf, geb. 1600, der studiert hatte und Amtmann auf Burgsdorffchen Gütern war, wurde 1634 dem Kurfürsten, da er ein „feiner Geselle" sei, zum Amtsschreiber in Reetz empfohlen und auch dazu ernannt2).

Nachmals haben Wilhelms Kinder den Adelstitel gemäß dem alten Diplom wieder ausgenommen, jedenfalls um so im Herrschafts­ dienst besser fortzukommen. Auch machte 1648 und 1649 eine Anna Maria v. Blankenfelde, die Jungfer am Hofe des Markgrafen Christian von Bayreuth war, namens der Erben Ansprüche auf etliche 1000 Tl., von Kurfürst Joachim II. herrührend, beim Kurfürsten geltend und bediente sich dafür fürstlicher Interzessionen, natürlich ohne Erfolg2).

Blüte und Niedergang

der Reiche.

Zeitgenossen von Johann Blankenfelde waren zwei der besten Vertreter des ausgehenden Patriziats, die Söhne des 1540 ver­ storbenen Joachim (II.) Reiche: Joachim (III.), f 1575 (24. April), und Hieronymus, f 1560. Beide wurden vom Kurfürsten 1544 mit den Familienlehen Rangsdorf, Besitz in Rotzis, V» Rosenfelde und der Sperenberger Mühlenpacht zu gesamter Hand belehnt. Rosenfelde war allerdings eigentlich städtisches Lehen, doch hatten die Reiche schon 1518 ihren dortigen Freihof mit 16 Hufen dem Kurfürsten zu Lehen aufgetragen. Die Brüder erwarben 1553 in Rotzis, wovon Teile schon 1482 und 1517 erworben waren, eine weitere Hälfte als Afterlehen von den o. Rochow auf Zolchow; sie kauften 1555 einen -Up. 78. II. B 92.

’) Rep. 21 n. 132. 3) Rep. 61.241. Nach Kneschke, Adelslexikon (1859) I S. 461, hätten die v. Blankenfelde um 1700 noch ein Gut Oehna bei Bautzen besessen; nachmals ist der Adel der Familie Meder erloschen (vgl. oben S. 45 Anm. 2).

Hof mit drei Hufen in Rosenfelde, der Freihof wurde, und 1559 die Diepenseesche Feldmark von Hans Bretschneider3). Hieronymus kaufte ferner 1543 ein Haus mit Brauwerk in Berlin für 750 fl., Joachim 1554 das „Hohe Haus" in der Klosterstraße — ehemaliges kurfürst­ liches Schloß, 1451 zum Burglehen erklärt und Jürgen v. Waldenfels verliehen — von Georg v. Thümen zu Stücken; er verkaufte dagegen dem Kurfürsten das Haus, „darin jetzt Dr. Lindholz wohnt", für 2000 fl. märk. Diese blieb der Kurfürst allerdings schuldig und gab dafür eine Wiederkaufsoerschreibung von Lehnin (von 1514), auf die der Leipziger Rat jährlich 80 fl. Rh. zahlte, zum Unterpfand. Joachim war nun „Burg- und Freiseß zum Berlin", auch „Erbseß zu Rosen­ felde".

Beide Brüder waren vortreffliche, hochangesehene Männer, mit lebhaften Beziehungen zum Hofe. Ein Chronist nennt den dritten Joachim einen Mann von antiker Tugend und Treue, der schlecht und Recht bewahrt habe, bescheiden und in theologischen Schriften, in der Geschichte und in Medizin bewandert gewesen sei, seine größte Lust an dafür einschlägigen Büchern gehabt und sich nicht, wie andere Patrizier, mit wucherischem Handel beschäftigt, sondern den Armen stets Liebes und Gutes erzeigt habe. Seine Frau stand in besonderem Ansehen bei Hofe, und auf ihre Fürbitte wurde die Schule zu St. Marien, die offenbar eingegangen war, wieder ins Leben ge­ rufen^). Sein Bruder Hieronymus, seif 1540 als Ratsmann, von 1545 bis zu seinem Tode als Bürgermeister tätig und dem kurfürst­ lichen Kanzler Lampert Distelmeier befreundet, wird ein weiser, ver­ ständiger und beredter Mann genannt, der vom Kurfürsten für Gesandtschaften viel gebraucht worden fei3), unter anderm 1558 zu Verhandlungen mit den Abgesandten des Kaisers zu Müllrose über den Plan eines Kanals zwischen Oder und Havel. Hieronymus hat, wie ihm der Kurfürst zu Martini 1559 beglaubigt, diesem viele getreue Dienste lange Zeit her in vielfältigen Schickungen u. a. Hän­ deln mannigfaltig getan und erhielt dafür einen dem Kloster Spandau gehörigen Jahrzins von 6 fl. in RosenfeldeH. *) Akten über Rosenfelde u. a. Lehen: Prov.-A. Brand. R. 2, II. DomReg., Amt Mühlenhof Nr. 2, 4 und 5. -)P. Hafftiz, Riedel Dl, S. 131, 113. ’) Edda. S. 121. •) Mühlrnhof 2.

Beide Brüder sind dem Kurhause auch mit ihren Geldmitteln bei­ gesprungen. Hieronymus soll sich in Bürgschaften für den Kurfürsten eingelassen haben; als direktes Darlehen wird nur eins von 200 II,

erwähnt, das er dem Markgrafen Johann Georg machte und über dessen Rückerstattung er 17. September 1554 quittierte1). 1558 zahlte der Markgraf noch 78 II. rückständige Zinsen. Joachim lieh 1556 dem Kurfürsten 650 sl. gegen Einkünfte in Rotzis (Wiederkauf), und noch 100 fl. Dies mit den 2000 fl. für den gleichfalls 1556 getätigten Hauskauf wurde 1572 für zusammen 3000 II. von der Landschaft zu

6 % übernommen. Ferner gab Joachim zu Weihnachten 1560, 1562 und 1563 Darlehen von 1100, 1000 und wieder 1100 II., die nebst 6prozentigen Zinsen 1563,1566 und 1568 den Städte- bzw. Neubier­ geldkassen zugeschlagen wurden-).

Wie viele andere wurden auch die Reiche durch die verwegenen Spekulationen und Zusammenbrüche jener Zeit stark betroffen, aller­ dings nur mittelbar, durch ihr weitgehendes Bürgschaftleisten. Joachim (III.) und seine Söhne hielten sich von den verlustbringen­ den Händeln frei, dagegen waren jenes Bruders Hieronymus und

namentlich dessen Sohn I h a n (III.) darin verstrickt. So gehört Hiero­ nymus zu den Bürgen lempelhofs, die später von Bernd v. Bredow mit Schmähbriefen angegriffen wurden. Wenn nicht schon er selbst, so hat doch seine Witwe ihrem lochtermann Joachim Grieben Geld

geborgt, wogegen sie dem Berliner Rat 800 II. schuldete-). Jhan aber hat für Lindholz und namentlich für Grieben schwer zahlen müssen. Wir haben darüber vor allem folgendes Bekenntnis von Jhan Reiche

selbst1): „Nachdem ich mich vor meinen Schwager Joachim Grieben in viel und mancherlei ansehnliche Bürgschaften eingelassen, der ungezweifel­ ten Zuversicht, daß er mich seiner vielfältigen Zusage nach derselben

benehmen und schadlos halten würde, wann aber Joachim Grieben nicht allein in Ungedeih geraten, sondern auch mit ihm dahin kommen, daß er ... in weiter Gefängnis gehalten worden, und noch, daher er mich und andere so vor ihm gebürgt, ungelöst stecken lassen, also daß wir dadurch in die höchste Beschwerung geführt und, wofern wir ^Bsp. 61.17. 2) Bep. 61.39a und Stände-A. B 7. s) Bries ©siebens vom 25. Februar 1561. Stände-A. C 50. 11, Anl. 1. *) Berlin am Tage Michaelis 1572. Abschrift. Stände-Archiv 049 R6; auch Bep. 62 n. 184 a.

nicht an Ehren und guten Namen verletzt werden wollen, uns selbst lösen und ©rtebens Gläubiger zum Teil befriedigen müssen.

Deswegen mußte, weil mit barem Geld und aus den Erbgütern zu zahlen nicht vermag, meine Lehngüter auch angreifen, habe mein halbes Dorf Rangenstorf verkauft um 4000 Tl., 3300 aus dem Lehen, 700 aus dem Erbe, was hineingewandt, mit Bewilligung meines Vetters Joachim Reiche d. A. auch namens seiner Söhne. Ver­ spreche, wenn durch ©rieben u. a., da ich gesiegelt, meiner Bürgschaft

gefreit werde, die 3300 Tl. wieder zu Lehen zu machen .... Weil

ich aber bereits wieder meinen Hof zu Rosenfelde erkauft, der mir vom Kurfürsten zu Lehen verliehen, auch dahin gebaut und ferner

bauen werde, soll das an den 3300 Tl. Lehngeld abgekürzt werden. Gestehe jenen gleiche Verfügung über ihr Halbteil Rangenstorf zu,

auch daß sie ihr Haus und Burglehen zum Berlin nach Belieben ver­ kaufen mögen. Hiernach ist verzeichnet, wo ich vor Joachim ©rieben Bürge worden, soviel ich mich erinnern kann und meine Registratur aus« weiset." (1569, nach Michaelis.)

Es folgt die Aufzählung der Beträge, auf die er für Joachim ©rieben gegen Heine v. Brösicke, Bernd v. Winterfeld, Otto v. Hacke,

Chr. v. Thümen, A. v. Greiffenberg, Bernd v. Bredow, Erdmann v. Klodt und Jakob ©Hebens Erben gebürgt, samt Angabe der Mit­ bürgen. Im ganzen sind es 63 300 Tl., 5240 ©oldgulden, 3000 Gulden. Dazu kommen „545 Tl. Hauptsumme samt sechs Mispel Roggen Zins

gegen Barthelt Schneider, auf Neujahr 70 zu bezahlen", für die Andreas ©rieben an Stelle seines Sohnes Schuldner geworden, mit Chr. Rauch und Ihan Reiche als Bürgen. Ferner hatte Jhan zwei

Mitbürgen, I. v. Bettin und Kurt v. Schlaberndorf, schadlos versichert. Er hatte „1000 Tl. ungefähr bar Geld inhalts der Rechnungen be­

reits vor ihm (Joachim ©rieben) bezahlt" — nach einer anderen

genauen Aufstellung*) waren es zu Michaelis 1569 schon 1500 Tl. —

„2500

Tl.

ihm

bar

Geld

geliehen

und

vorgestreckt,

so

auf

jetzigen Michaelis 69 fehlhaftig gewesen. Sa. davor ich gesiegelt und selbst ausgelegt, thut ungefährlich an Hauptsumma 77 050 Tl.

ohne Zins und ausgelaufene Schaden." Henning Reiche erklärt dazu: „welche Bürgschaft mein Vetter durchaus nicht eingegangen swärej,

wenn er nicht dagegen die stattlichen Vorschreibungen der gn. Herr*) Vom 29. Mai 1570. Bep. 61.29 c I.

schäft selber gesehen und daraus getrauet, auch wohl gewußt hätte, daß auf solche und dergleichen stattliche Siegel und Briefe er solcher

schweren Bürgschaft benommen werden können." Beigefügt ist fol­ gendes Bekenntnis Joachim Griebens, d. Leipzig, 22. Oktober 1569: „Nachdem mein l. Schwager Jhan Reiche meinetwegen neben andern vorgeschriebenen Hauptsummen und Interesse halben sich in

sämtliche und sonderliche Bürgschaft eingelassen, und er der jetzigen Beschwerung und Hinderung halben, so mir von Philipp Preu v. Augsburg zugefügt, welches mein endlich Verderben verursachen möchte, auch Schadlosversicherung obgemelter Glubnis halben bei mir gesucht, als sage ich ihm kraft dieser meiner eigen Handschrift ... zu,

inwendig 14 Tagen nach dato ihm der losgebürgten und vorgestreck­ ten verzeichneten Hauptsumma, Zinsen und Schäden halben (sonder­

lich, weil ich indes meine Erledigung von Preuen zu erlangen hoffe)

hier notdürftige Versicherung zu thun, will auch vor dem aus dieser Stadt nicht weichen, ich habe ihm dann erwähnte Versicherung ge­ fertigt.

Nur wegen Heine Brosickens Summa, die der Gläubiger selber geteilt und Dietrich v. Rochow und Hans Speten einen jeden um sein Anteil insonderheit gemahnt, und dieselben mir hinwieder auch ver­ haftet und schuldig sein, gestehe ich meinem Schwager keine Versiche­

rung zu bestellen schuldig zu sein." Jhan war durch seine Gutmütigkeit in so hohe Schulden ge­ raten, daß nach seinem 1576 erfolgenden Tode seine Erben seine Ver­ lassenschaft nur cum beneficio inventarii übernehmen wollten und sie also — ohne weitergehende eigene Haftung — den Gläubigern

und Bürgen zur Abfindung überließen. Diese sollten alle, gemäß einem Abschied von September 1578, auf einen gewissen Tag zitiert, und es sollte dabei über die Priorität entschieden werdens. Andreas Grieben d. I. zu Mahlsdorf hatte sich schon gleich nach Ihans Tode

Arrest auf alle seine hinterlassenen Lehen- und Erbgüter verschafft-).

Trotzdem stand, wie Henning Reiche 1601 angibt, Ihans Siegel solcher Bürgschaft halber noch über 80 000 Tl. aus, deswegen er, Henning, große Reisen, Zehrungen und Versäumnis habe aufwenden müssen.

Jhan hatte schon 1565 einen Weinberg an die Gießerin verkauft.

Neben seinem halben Anteil an dem „altväterlichen Stammlehen" Rangsdorf ging auch sein Anteil an Colberg und Eichholz Griebens

-) Rep.971.25. -) 23. November 1576 (Rep. 97 1.24). 5(3

wegen verloren (1576), und halb Rosenfelde

mußte

aus

gleicher

Ursache an Heine von Brösicke verpfändet werden. Als Brösicke durch Urteil vom 21. Dezember 1582 Immission darin erlangte, protestierten

allerdings die Stadträte sogleich, da Verpfändung ohne ihren, der Lehnsherren, Consens unzulässig sei. Anderseits hatte Jhan sich einen Hof zu Rosenfelde hinzugekaust, sich damit vom Kurfürsten belehnen lassen und ihn zum Wohnhof ausgebautH.

Der letzte Reiche. Nachdem auch Joachim (IV.) am 4. Januar 1580 gestorben, war dessen Bruder Henning, Ihans Vetter, letzter männlicher Sproß

des Geschlechts; eine Schwester hatte einen Zeidler in Sachsen ge­ heiratet. Schon nach dem Tode von Jhan Reiche hatten 1577 der

Kammermeister Heinrich Straube und der Rentmeister Jakob Piete-

rich die gesamte Hand an den Reicheschen Lehngütern vom Kurfürsten erhalten, erhielten sie 1582 auch am Hohen Hause und 1588 das An­

gefälle an halb Rosenfelde, wogegen die Räte der zwei Städte Ein­

spruch erhoben. Hennings Landbesitz war trotz aller Einbußen noch immer recht stattlich; er umfaßte 1. das halbe Dorf Rosenfelde mit den halben Gerichten, Schulzen- und Pfarrlehen, vier Bauern mit

17 Hufen, neun Kossäten (1414 waren es acht Bauern mit 31 % Hufen, 14 Kossäten), vier eigenen Höfen (drei freie Höfe oder Rittersitze mit

26, ein Bauernhof mit sechs Hufen, zehn Mispel Aussaat), eine

Schäferei mit Kossätenhof, über acht Morgen Weinwuchs, Wald mit 14 000 Bäumen, Fischerei, Jagd; 2. das halbe Dorf Rangsdorf: Fünf

Bauern mit 13 Hufen, vier Kossäten; 3. das Dorf Rotzis mit obersten

und niederen Gerichten, Kirchlehen und allem Zubehör und Diensten: 9 Bauern mit 16 Husen, dazu als Rochowsches Lehen von 1553 10 Bauern, 31 Hufen,

Diepenseeschen Feldmark;

3 Kossäten; 4. 8% freie Hufen

auf der

5. ein Mispel Roggen von der Speren-

berger Mühle. Die jährlichen Pacht- und Zinseinnahmen von den

Untertanen betrugen überhaupt: 19 Mispel Getreide, etwa 50 fl.

ä 18 gr. und 20 Schillinge an Geld, 33 Viehzehnten, 115 Hühner, dazu

Dienste, über diese Stücke hat Henning zu Weihnachten 1581 die kur­ fürstliche Belehnung erhaltens.

*) Rep. 22.265. 2) Amt Mühlenhof 2. 57

Henning kaufte dazu zwei Bauernhöfe mit 13 Hufen in Rosen­ felde von der Propstei Spandau (die dortigen 22 Propsteihufen hatte

Hieronymus Reiche vom Kurfürsten „erbeten und losgemacht"): 1590 das halbe Dorf Marzahn von den v. Lindenbergs mit Gerichten, Kirchlehen, einem Rittersitz, 10% Hufen (62/, Mispel Aussaat), vier Pflugdiensten, zwei Kossäten usw. Er verkaufte dagegen auch seine Hälfte von Rangsdorf für 3200 Tl?). In Rotzis kaufte er 1589 die drei Höfe des Schulzen, des Müllers und des Krügers mit zehn Hufen

auf, erbaute ein Gutshaus mit Brauhaus, richtete eine Schäferei ein und will 5000 fl. an dieses neu eingerichtete Gut verwandt haben, das

er 1608 zu einem Rittergut zu erheben bat3). Henning war überhaupt ein rechter Landraffer. Der Verlust von Gütern durch die Griebenschen Bürgschaften, wegen deren er seit 1577 große Unkosten, Schaden, Versäumnis und Bedrängnis erlitten habe — wie er 1605 und 1606 klagt — ging ihm sehr nahe, und er

scheint es als Aufgabe betrachtet zu haben, ihn wieder auszugleichen. Er

bat daher den Kurfürsten 1601, ihm zum Ersatz die von dessen Vor­ gänger

eingezogenen

Griebenschen

Lehngüter,

ein

Drittel

von

Schmöckwitz und Bohnsdorf, sowie Chr. Rauchs Waldstück bei Schul­ zendorf einzuräumenH. Wegen Rosenfelde hatte er mit dem Berliner Rat beständige Streitigkeiten. Der Nachkomme und Erbe so vieler Generationen Berliner Ratsmannen und Bürgermeister hatte sich

dem städtischen Interessenkreis völlig entfremdet und glaubte sich zu­ dem durch den Rat der Stadt benachteiligt. Nachdem er erhebliche Mittel auf Rosenfelde angewendet und den Besitz damit verbessert

hatte, fühlte er seine Familieninteressen begreiflicherweise durch das Vorkaufs- und Heimfallrecht der Stadt bedroht.

Der Streit der

beiden Parteien spielte sich vor dem Kurfürsten ab, dessen Entscheidung jede von ihnen anrief. Der Rat protestierte öfters dagegen, daß die

Reiche ihren Anteil vom Kurfürsten zu Lehen nahmen, Henning da­

gegen behauptete, der Rat habe keinen rechtlichen Anspruch auf die andere Hälfte und könne weder Kaufbrief noch Konsens vorweisen (so

1577,1578 und sonst). „Als mein Eltervater (gemeint ist Joachim I.)

‘Mlep. 971.34. Nach Brecht, Geschichte des Dorfes Friedrichsfelde, S. 13 f., befaßen die Reiche gegen 1600 in Rosenfelde 58%, der Magistrat 40% Hufen. ’) Rangsdorf gehörte 1610 Dr. Joseph Köppen dem Alteren. ’) Mühlenhof 5. Rep. 22.265.

der letzte im Geschlecht und unmündig gewesen, hat der Rat halb Rosenfelde wider ihr eigen Brief und Siegel an sich gebracht und

nichts Hinwider zu Lehn gemacht worden." Er bat den Kurfürsten festzustellen, mit welchem Recht die Stadt seinerzeit seine Vorfahren um die andere Hälfte von Rosenfelde gebracht habe. Der Rat dagegen erhob, wiewohl vergeblich, Einspruch, als Henning 1580 einen neuen Kossätenhof ohne seine vorherige Einwilligung aufzubauen begann. Dem Rate lag, da Henning kinderlos und letzter Lehnträger war, vor

allem daran, sein Heimfall- und Vorkaufsrecht an dessen Hälfte von Rosenselde zu behaupten. Er hat immerhin erreicht, daß Henning 1583 auch von ihm die Belehnung nahm.

Um den jahrelangen Streit zu beenden, beauftragte Kurfürst Johann Georg 1588 (17. Oktober) den Kanzler Distelmeier und zwei Räte, die Rechte der Stadt auf Rosenfelde zu prüfen. In der Vor­

legung der mehrere Jahrhunderte zurückreichenden Dokumente zeigte sich die Stadt säumig, während Reiche in der Lage war, seine Lehnsbriefe einzureichen. So erfolgte 1589 eine Verfügung, die diesem den Hof zu Rosenfelde als unmittelbares Lehen vom Kurfürsten zu­ sprach. Damit hatte Reiche einen entscheidenden Vorteil errungen. Die Entscheidung des Kurfürsten machte ihm, wenn auch etwas gewalt­ sam, den Weg zu einem günstigen Verkaufe frei. In der Tat leitete Henning Reiche nun Verhandlungen mit

dem Kurfürsten selbst ein, die dazu führten, daß er 5. Mai 1601 seinen gesamten Besitz in und bei Berlin, also sein Haus in der Klosterstraße, das erst zehn Jahr vorher erworbene halbe Gut Marzahn und das

halbe Rosenfelde in Tausch gegen das Amt Karthause bei Schievelbein in der Neumark verkaufte. Dagegen behielt er seinen Besitz in

Rotzis, Diepensee und die Pacht zu Speerenberg. Natürlich erhob der Rat Einspruch unter Hinweis auf seine Rechte: „Reiche hat uns nicht auf rechte Weise zum Kaufe angeboten ... hatte auch keine Notwendigkeit zu verkaufen, wie es für Verkauf von Lehen erforderlich, sondern Reiche ist notorisch vermögend und reich, von Lehnsgütern und andern bovis, auch Baarschaften. Mr

haben uns das ius successionis auf der Reiche unserer Vasallen tät­ lichen

Abgang an solchem halben Dorf Rosenfelde

Vorbehalten.

Henning Reiche ist der letzte seines Geschlechtes, hat keine Leibes­ erben, durch seine unbefugt und uns unwissend vorgenommene Alienation hat er sich aus lauter Haß und Neid unser Recht aus den

Händen zu reißen unterstanden." Der Verkauf erfolge, so heißt es an

anderer Stelle, mehr „ex petulantia aut in odium et contemptum nostri als aus Not oder andrer erheblicher Ursachen halber**)." Dem­

gegenüber verwies Henning Reiche darauf, daß er der Stadt das Gut Rosenfelde angeboten habe, daß es aber „des Rates Gelegen­ heit nicht sein will, selbst zu taufen". Der Kurfürst ging ohne weiteres über den Einspruch der Stadt hinweg. Der Wert des fortgegebenen Reicheschen Besitzes wurde in der Tauschverhandlung auf rund 20 000 Tl. geschätzt, und zwar im

einzelnen Yi Rosenfelde auf 11836 Tl. % Marzahn auf ................................ 4856 „

Burglehn in der Klosterstraße ...........

2 700 „

500 „ 19 892 Tl. Der Wert von Karthaus wurde mit 25 272 Tl. angenommen. Henning Rosenfeldische Jagd

............................

gewann damit eine Herrschaft mit drei Borwerken, sieben Dörfern, Ober- und Niedergerichten, Kirchlehen, Diensten und allen Nutzungen

und Gerechtigkeiten, mit sieben Lehenschulzen, 75 Hufnern, zwölf Kossäten, 23 yt Mispel Aussaat, wofür er Roßdienste wie andere Lehns­ leute zu leisten hatte. Da deren Wert 5380 Tl. mehr betrug als die abgetretenen Besitzungen, so sollten 5000 Tl. als unablösliche Hypothek stehen bleiben und mit 3 % von Martini 1602 an verzinst werden. Nach seinem Tode sollten seiner Witwe und Erben 1500 Tl. aus der Karthause entrichtet werden. Als Henning noch zu Rosenfelde saß, berief er sich einmal stark darauf, daß seinem Geschlecht von altersher alle adligen Rechte zu­ kämen^). Obwohl ihre Güter und Dörfer in Kriegszeiten mehrenteils hinweggekommen und sie sich also mit geringeren Lehngütern be­ helfen müßten, seien diese doch mehrenteils Ritterlehen und von Adligen erkauft, ihnen auch ausdrücklich alle Gerechtigkeit, so sie zuvor innegehabt, reversiert. Demnach müßten sie auch, worauf es ihm an­ kam, adlige Zollfreiheit genießen, und hätten er und sein Better

niemals Zoll entrichtet. Der Kurfürst bestätigte ihm nun (1601) seine „Haben auch Hennning Reichen und seinen Lehnserben gewilligt, daß sie in Städten, Dörfern, Ritter­

ritterlichen Rechte wie folgt:

sitzen in Kaufen und Verkaufen, Verführung des Getreides (von) Zöllen und andern Sachen gleich andern Landsassen vom Adel befreit

*) Vorstellung vom 20. Mai 1601, Mühlenhof 2. *) Siehe oben Seite 22.

sein sollen, da sie von Alters nach ihren Lehnsbriefen dessen genossen, und ihnen Rittersitze gleich andern von Adel befreit, confirmirt und

verliehen." Henning hatte seit dem Berkaus seinen Sitz zu Rotzis, das er

von den alten Familiengütern behalten hatte, und war nur gelegent­ lich auf der Karthause. Er starb 1620 ohne leibliche Lehnserben, Rotzis fiel an die Lehnsherrn zurück, und Reiches Witwe, Maria v. Britzke, deren Bormund der Hausvogt Johann Ritter war, wurde 4. November 1620 angewiesen, das Gut zu räumen1). Der kurfürst­

liche, ehemals Reichesche Anteil von Rosenfelde gelangte später an den Geh. Rat Joachim Ernst o. Grumbkow und wurde 1686 dem Marinedirektor Benjamin Raule für 8000 Tl. überlassen; als 1695 auch der Berliner Magistrat seinen Anteil an diesen für 2200 Tl. ver­ kaufte, war endlich das ganze Dorf in einer Hand'). Spuren

des

Reicheschen

Vermögens

erhielten

sich noch

in

bei der Landschaft angelegten Kapitalien, wie aus folgendem Schreiben des Churmärkischen Pupillen-Collegiums an die Landschaft vom 21. Mai 1768 hervorgeht: Da die einigen

Erbschaftssache

des

Försters

Reiche

noch

nicht

völlig

reguliert

ist, sollen die Zinsen der bei der Landschaft belegten beiden Reicheschen Kapitalien von 1000 und 2000 Rtl. laut Obliga­ tionen vom 24. Juni 1738 und 29. Juli 1752 an keinen dieser Erben, sondern den zur Regulierung der Reicheschen Erbschaftssache

verordneten Kommissar, Bürgermeister Francke zu Beeskow, aus­ gezahlt werden'). Für Berlin ist die Familie Reiche vom Jahre 1600 an ohne Be­

deutung.

Ein merkwürdiges Spiel des Zufalls will es, daß die

gleiche Zahl von Generationen, mit denen die Familie Blankenfelde in Berlin führend gewesen ist, auch bei den Reiche eine Rolle ge­ spielt hat: Zehn Generationen Reiche liegen in der Nicolaikirche begraben. ') Rep. 97180. 2) Rep. 62.184a. Rosenfelde wurde nach Raules Sturz 1698 vom Kur­ fürsten eingezogen und erhielt nach diesem seinen jetzigen Namen Friedrichs­ felde. Vgl. Brecht, Geschichte des Dorfes Friedrichsfelde, 1877, S. 15 f. ’) Stände-Archio C 49 R 6.

Joachim Grieben Familie, Persönlichkeit und Anfänge Griebens.

Die Familie Grieben ist in Berlin wesentlich jünger als die bis­ her behandelten Familien, denn sie wird hier erst ganz am Ende des 15. Jahrhunderts erkennbar, und noch vor Ablauf des nächsten Jahr­ hunderts ist sie aus der Stadtgeschichte so gut wie verschwunden. In dieser begrenzten Zeitspanne allerdings gehörte sie zu den ersten Ge­ schlechtern der Stadt: sie stellte in drei Generationen Ratsherren und Bürgermeister, war mit angesehenen Familien, wie den Wins, Tempelhof und Reiche, verschwägert und hatte Grundbesitz in der Stadt und auf dem Lande. In Berlin selbst besaßen die Grieben das Haus und Burglehen am Georgentor (Königstraße 28), das bis um 1500 der angesehenen Familie Krewitz gehörte'); um 1540 war das Dorf Mahlsdorf im Barnim Familienbesitz*2) sowie Teile von Selchow und Waßmannsdorf im Teltow'). Auch daß zwei Angehörige, Claus Grieben und Margarete, geb. Rust, in der Nicolaikirche um 1500 ihre Ruhestätte fanden, läßt auf gehobene Stellung schließen. Schon früh hat Joachim II. auch mit den Grieben geldliche Be­ ziehungen eröffnet. Der Bürgermeister Jakob Grieben streckte ihm 3. November 1536 150 Tl. und 400 fl. bis zum Leipziger Ostermarkt vor und seine Witwe Gertrud 31. Oktober 1540 600 fl., gleichfalls bis zur nächsten Leipziger Messe. Jakob Grieben fällt überhaupt auf durch die ungewöhnlich große Zahl hypothekarischer Darlehen, die er, wenn auch im einzelnen von sehr geringer Höhe, in den Jahren 1504 bis ') Kurfürstliche Belehnung für Jakob Grieben 1536, seine fünf Söhne 15. August 1539 (Chron. March. 48, fol. 228). 2) Kurfürstliche Belehnung derselben mit Mahlsdorf, Pfingsten 1539; Angefälle auf die Anteile der v. Falkenberg in Mahlsdorf, 28. November 1539. (Ebenda 48, fol. 225; 46, fol. 240).

’) Kirchenvisitation von 1541. Riedel XI, 479 und XII, 8—37.

1527 machte, und worin wir wohl die Anlage von Handelsgewinn

erkennen können. Desgleichen hat seine Witwe auch weiterhin verschiedentlich Gelder ausgeliehen sowie Tuchlieferungen an den Hof gemacht'). Für den Wohlstand des Paares zeugt die Tatsache, daß

auf eines ihrer acht Kinder, die vorher verstorbene Ursula Fuhr­ mann, 1551 aus dem mütterlichen Nachlaß 3793 ft. ausgezahlt wurden. Von den Söhnen Jakob Stiebens hat der älteste, Andreas,

sich als Kaufmann in Cölln niedergelassen und erscheint dort schon seit 1531 im Rat, seit 1547 als Bürgermeister. Er besaß dort das stattliche,

später Derfflingersche Haus am Fischmarkt und erwarb auch bedeuten­ den Grundbesitz. Vor allem war er, wie später noch näher ausgeführt werden wird, der erste und reichste Tuchhändler in den Residenz­

städten, zugleich auch Juwelenhändler und Geldwechsler).

Der zweite der Brüder, Jakob, war in gleichem Handel tätig,

aber er wendete sich, an Begabung und Unternehmungslust wohl der bedeutendste, einem ergiebigeren Felde zu: er zog 1538 nach der

aufstrebenden Messestadt Leipzig, wurde Hausbesitzer und Bürger (1543) und hat sich rasch zu einem der im Warenhandel, in Geld­ geschäften und Bergwerksunternehmungen maßgebenden und reichsten

dortigen Großhändler emporgearbeitet3*).2 Neben Leipzig war Frank­ furt a. d. O., wo er auch ein Haus erwarb, Stützpunkt seines Handels, der sich namentlich auf Pelzwerk und Metallwaren erstreckte. Dort erscheint er auch 1546 mit dem Ostseehandelshause der Loitz in Ge­ schäftsverbindung, als Gläubiger.

Ihm ist später der vierte der

Brüder, S e b a st i a n, nach Leipzig gefolgt, der 1556 dort das Bürgerrecht erwarb; doch hat er sein Geschick nicht mit dem des glücklicheren Bruders verbunden, sondern sich als Faktor der Her­ brodts betätigt, eines schnell emporgestiegenen und zeitweise ge­

schäftlich und politisch führenden Augsburger Hauses, das aber nach

verwegenen Spekulationen 1562 zusammenbrachH.

Sebastian war

*) Vgl. Friedensburg, Ständeakten II 6.680, 693, 752, 756, 757. 2) Vgl. unten „Einfall vom August 1567"; Friedensburg, Ständeakten II 683. 3) Vgl. $). Fischer, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte (1929), S. 26, 167, 182, 222, 369 ff. *) über Jakob Herbrodt, Führer der zünftlerischen und evangelischen Partei in Augsburg — gegen die Geschlechter und die Fugger —, vgl. Hecker in Ztschr. d. hist. Ver. f. Schwaben u. Neuburg I S. 34 ff. Jakob starb 1564 in Schuldhaft. Er hat u. a. auch dem Kurfürsten Joachim II. Darlehen ge­ geben, vgl. oben S. 44.

später in Breslau; eine selbständige Rolle hat er nie gespielt, ebenso­ wenig der dritte der Brüder, Martin, der in Berlin und Mahlsdorf

ansässig war. Eine stärkere Persönlichkeit dagegen tritt uns in der nächsten Generation entgegen, in des Andreas Grieben

ältestem Sohne

Joachims. Wir sind über sein Wesen recht gut unterrichtet. Sprachgewandt und schreibselig, hat er zahlreiche und umfangreiche Briefe und Schriftstücke von eigener Hand hinterlassen. Selbstbewußt,

öfters

etwas

großspurig

und

theatralisch

sich

gebärdend

tritt

er uns darin entgegen. Das und manche phantastischen und wunder­

lichen Züge hat er mit andern Kaufleuten seiner Zeit gemeinsam. Man wird ihn trotzdem nicht umsympathisch finden, jedenfalls seinem

traurigen

Schicksal das

Mitgefühl nicht

versagen wollen, auch

wenn man leider feststellen muß, daß es mit seiner kaufmännischen Moral nicht zum besten bestellt gewesen ist, selbst nach dem Maße

jenes darin recht weitherzigen Jahrhunderts gemessen.

Ein Pläne­

macher von suggestiver Wirkung hat Joachim Grieben nicht nur den

Kurfürsten, sondern auch seinen nüchternen Onkel Jakob zur Teil­ nahme an seinen Unternehmungen zu bewegen verstanden.

Ver­

weisen ihn Charakter und Stil seiner Unternehmungen, großer

Finanz-, Handels- und Monopolgeschäfte, in nächste Nachbarschaft mit

oberdeutschen Firmen, so unterscheidet er sich doch von ihnen durch die erstaunlich primitive Art seiner Geschäftsführung.

Fast seinen

gesamten Schriftverkehr und sein Rechnungswesen bewältigt er mit

eigner Hand, selbst in seinen besten Zeiten hat ihm nur hin und wieder ein Schreiber geholfen, nur selten hören wir einmal von

einem Handlungsdiener, der Griebens Interessen auf den Geld­

märkten für den verhinderten Herrn wahrnehmen konnte.

So ist

x) Das Material für die nachfolgende Darstellung boten namentlich: Geh. Staatsarchiv Berlin, Eep.61 n. 29c Vol. I, II und adhib. (Acta betr. Grieben 1519—98); Bep. 61 n. 7 (Quittungen Griebens 1551—69); sowie Bep. 19 n. 17 a und Bep. 21 n. 23 c; ferner die Sentenzenbücher des kf. Kammergerichts, Bep. 971 Bd. 17 ff.; R a t sa r ch iv L e i p z i g, Handels­ akten XLV G I a, Vol. 1—8 (betr. Jakob und Joachim Grieben 1571—75) und Alte Gerichtsakten AA 472. Wesentliche Ergänzungen lieferten auch das Ständische Archiv (besonders C50n. 11) und das Stadt-Archiv zu Berlin sowie das Staatsarchiv zu Danzig.

Grieben auch ohne Buchführung ausgekommen. Seine ganze Hand­ lung war auf feine eigne Person gestellt und begründet3).

Anderseits setzte er auch seine Person ausschließlich für seinen Handel ein.

Während sein Bater wie seine Verwandten in Leipzig

langjährig städtische Ämter bekleideten, hielt sich Joachim Grieben von solchen Bindungen geflissentlich frei, ja er ist nicht einmal Bürger geworden, was er allerdings als Mitinhaber eines Burglehns und Freihauses auch nicht nötig hatte. Aber auch durch eine Lehnseigenschaft wollte er nicht gebunden sein, und als er einen Lehnsbesitz in

Schmöckwitz und Bohnsdorf erwarb, legte er Wert darauf, daß jener der Lehnseigenschast entkleidet und damit auch frei veräußerlich

wurde. So erscheint dieser Mann, der sich absichtlich immer nur als „Freiseß zum Berlin" bezeichnete, als ein früher, aber leidenschaft­

licher Vertreter einer rein kapitalistischen Sinnesart. Die früheste Nachricht von Joachim Griebens Handel führt uns

in das Jahr 1556 und deckt gleich eine weitreichende und höchst be­ deutsame Verbindung auf. In einer Abrechnung3) des Haupthauses der Kaufherren Loitz zu Stettin mit ihrer Danziger Filiale heißt es

„item ich hab bey Jochen Grieben von Berlin ubergeschrieben vor 50 Last Weizen, ist 300 Taler". Der Hergang des Geschäftes läßt sich

aus diesen Worten nicht mehr sicher rekonstruieren, aber es genügt

doch zu wissen, daß Grieben mit den Loitz, denen er später in

schärfstem Konkurrenzkampf manche wichtige Position abgewinnen sollte, geschäftliche Beziehungen hatte, die bis nach Danzig reichten. Joachim Grieben dürfte damals kaum mehr als 25 Jahre gezählt

haben, über seine Jugend schweigen sich die Akten aus. Ob er seine kaufmännischen Lehrjahre im Kontor eines oberdeutschen Handels­ hauses, der kaufmännischen Hochschule jener Zeit, zugebracht hat, läßt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Jedenfalls hat er früh eigene

Geschäfte betrieben, und zwar mit Geschick und Glück, wie er denn selbst einmal äußert: Gott habe seine Anfänge gesegnet, so daß er

in groß Aufnehmen und Vertrauen gekommen sei und vielen Leuten durch Geldhergabe habe helfen sönnen3). Wo und wie er selbst sich Kapitalien beschaffte, darauf weist das älteste von ihm erhaltene Ge*) In den ersten Jahren seines Handels war für Grieben in Antwerpen ein Faktor tätig: später treten als seine Handlungsdiener auf: Hans Seger (1561), Melchior Esterle (1564) und Kaspar Miser (1569). ') St.-A. Danzig 300, 40, 4 Nr. 25. *) Schreiben Griebens an den Herzog von Mecklenburg, 25. April 1569. Bep. 61, 29 c I. 5 Großkaufleute 1

65

schäftsdokument

hin: auf dem Leipziger Ostermarkt setzte er seinem

Oheim Jakob in einer Schadlosoerschreibung seine gesamten Güter zum Unterpfand, da Jakob sich für seine am Michaelismarkt des Jahres

fälligen Schulden in Höhe von 4000 Gulden gegen Wolf von Nauestedt und den Leipziger Ratsoerwandten Georg Helfferichr) verbürgt hatte. Auch bei der Abdeckung der Schuld muhte Jakob Grieben einspringen.

Die Rückzahlung an die mitteldeutschen Gläubiger hatte in Antwerpen zu geschehen. Zu diesem Zweck eröffnete dort Jakob dem Handlungs­ diener seines Neffen bei Gilius de Greff einen Kredit in Höhe von 2700 Talern. Dafür bezog Joachim auch die Güter seines Vaters Andreas in dessen Namen in seine Schadlosverschreibung mit ein. Welchen Zwecken die von Joachim Grieben aufgenommenen Kapitalien dienen sollten, ist nicht ersichtlich. Es ist gewiß kein Zufall, daß wir fast eher von Joachim ©Hebens Verschuldung als von seinen Unternehmungen hören. Sein eigenes Vermögen stand

offensichtlich in keinem Verhältnis zu seinem Betätigungsdrangs, und so galt es für Joachim Grieben vom ersten Tage seines Handels an,

sich ausreichende Geldquellen zu erschließen. Das hat er lange Zeit hindurch mit glänzendem Erfolge verstanden. Zweierlei Beziehungen kamen für ihn in Frage: der mit oberdeutschem Kapital gespeiste Geldmarkt auf den Leipziger und Naumburger Messen, den er sich dank der Vermittlung seines Oheims Jakob Grieben zu eröffnen in

der Lage war, und bald in steigendem Maße der neue Wohlstand des nordostdeutschen Adels, der sich von Getreidegroßproduktion und Kriegsgeschäften herschriebb). Der Kapitalismus des brandenbur­ gischen Adels hat keine eigenen Geldmärkte entwickelt, wie etwa der holsteinische in Kiel und der pommersche in Stolp. Das ließ die große Nähe der Leipziger Messen nicht zu. Die drei Leipziger Messen zu Neujahr, Ostern und Michaelis wurden durch den Naumburger

Peter- und Paulsmarkt so ergänzt, daß ein System von vier Märkten mit annähernd gleichen dreimonatigen Abständen entstand. Als wichtigste Halbjahrs-Geldtermine hoben sich Oster- und Michaelis­

markt von den übrigen ab. Gegenüber diesem Leipzig-Naumburger System vermochte sich die einzige einigermaßen hervorragende kur1) Vom 4. Mai 1556. Rats-A. Leipzig XLV G 1 a Vol. 1. 2) Trat 1570 in die Messinghandelsgesellschaft Jakob Griebens d. I. ein, f 1571. Fischer a. a. O. S. 373. 3) Vgl. Joh. Papritz, Die Beziehungen des Bank- und Handelshauses der Loitz zum brandenburgischen Kurhause (1932), S. 7.

brandenburgische Messe, der Reminiszere-Markt zu Frankfurt a. d. O., als Zahltermin nicht durchzusetzen.

Joachim Grieben hat nicht gezögert, seinen Kredit noch weit stärker als bisher anzuspannen, als er sich in einige seine finanzielle Leistungsfähigkeit weit überschreitende Geschäfte mit Kurfürst Joachim II. einließ. Dieser stand schon längst mit den Grieben in

Beziehungen: Andreas, Joachims Vater, weist einmal auf eine bis in die 20er Jahre zurückreichende Bekanntschaft hin, und der Kurfürst hat sich bei seinen beständigen Geldbedürfnissen auch seinen

in

der

Fremde

reich

gewordenen

einstigen

Untertan

Jakob

Grieben natürlich nicht entgehen lassen. So wird unterm 8. Oktober

1551 die Rückzahlung von 1710 Tl. an diesen erwähnt*). Doch hat Jakob später unmittelbare Geldkredite für den Kurfürsten vorsichtig vermieden. Um so bereitwilliger erwies sich sein Neffe Joachim. Dieser hat es später so dargestellt, als hätten ihn, nachdem er sich einen guten Namen als Geschäftsmann gemacht, der Kurfürst und

etliche seiner Räte an sich gezogen, allerlei Händel mit ihm geschlossen und ihn zur Beschaffung großer Summen vermocht*2). Soweit die Nachrichten jedoch erkennen lassen, erscheint vielmehr Joachim Grieben dabei als der werbende und anregende Teil; offenbar trieb

ihn das Verlangen, die Verhältnisse am kurfürstlichen Hofe für seinen Aufstieg auszunutzen, ehe man dort auf den noch kaum bekannten

jungen Mann aufmerksam geworden war. Vielleicht eröffnet es einen Einblick, welcher Mittel und Personen sich Grieben dabei bediente, wenn wir erfahren, daß er dem kurfürstlichen Kämmerer Wolf vom Kloster 1557 das Geld zum Ankauf des wertvollen Gutes

Buckow vorgeschoffen hat.

Derselbe erscheint auch später mehrfach

als Mittelsmann Griebens beim Hofe.

Mit dem Kammerjunker

Tobias v. Spiegel stand Grieben gleichfalls in geschäftlichen Be­ ziehungen, die allerdings wenig durchsichtig sind; Grieben hatte von ihm noch 1571 eine kurfürstliche Verschreibung über 4000 Tl. in Händen, während anderseits Spiegel ihn schon 1568 wegen 14 000 Tl., die Grieben statt des Kurfürsten zu zahlen übernommen und wovon

8000 verbrieft und besiegelt waren, belangt hat.

Zum erstenmal trat Joachim Grieben

gegen Ausgang des

Jahres 1556 an den Kurfürsten heran3), indem er sich erbot, das *j Rep. 61. 7. 2) So im Schreiben vom 8. April 1569. 3) Stände-A. C 50, Nr. 11. 5‘>

67

Gewürz für den kurfürstlichen Hofhalt und den gesamten sonstigen Bedarf der Hofküche billiger, als es bis dahin geschehen, zu beschaffen. Er erreichte es, daß er in aller Form zum „Verleger der Küche" bestellt wurde. Seit Beginn des Jahres 1557 übernahm er die Lieferungen, deren Wert sich im Herbst des Jahres auf an­ nähernd 8000 Taler belief. Daneben finden sich reine Geldgeschäfte. Ausgangs des Jahres 1557 vermochte Grieben den kurmärkischen Ständen zwei Darlehen zu gewähren, von denen das eine in Höhe von 2000 Talern dazu benötigt wurde, um von den Erben Rüdigers auf der Burg zu Nürnberg „den Kelch zu bekommen", den wohl der Kurfürst verpfändet hatte. Die Summe wurde Neujahr 1558 zurück­ gezahlt und brachte Joachim Grieben 100 Taler Zinsen für 2 Monate ein. Das zweite Darlehen belief sich auf 4900 Gulden — 3675 Tl. und währte von Dezember (Lucie) 1557 bis Ostern 15581). Auch sonst stand Joachim Grieben im Auftrage Dritter in mancherlei Geld­ verkehr mit den ständischen Kassen. Ähnliche kleine Finanz- und mannigfaltige Warengeschäfte kommen auch in den Briefen an Jakob Grieben zur Sprache. Man wird mit der Vermutung wohl nicht fehlgehen, daß sie sich zum größeren Teil aus dem Verhältnis zum Kurfürsten Joachim II. herschreiben. Zuweilen — so bei einer Kupfer­ lieferung, deren Bezahlung Jakob vorlegen mußte — wird der Kur­ fürst als Empfänger der Waren genannt. In nahen Geschäftsbeziehungen stand Grieben auch zu dem Kurprinzen, dem Markgrafen Johann Georg. Sie reichen in ihren Anfängen etwa in die Zeit des ziemlich gleichartigen 58er« lagsgeschäftes betreffend den kurfürstlichen Küchenbedarf zurück. Grieben lieferte für den markgräflichen Hof bereits im Jahre 1557 die Kleidung, die nach dem Brauche der Zeit den fürstlichen Beamten und Dienern als ein bei ihrer Bestallung ausdrücklich ausbedungener Teil ihrer Besoldung zustand, über den Bezahlungsmodus erfahren wir nichts, er wird aber dem des folgenden Jahres entsprochen haben. Auch für 1558 wurde Grieben die Lieferung der mark­ gräflichen Hofkleidung übertragen2), „nämlich limbisch Tuch, Futter­ tuche, Parchent und andere Notdurft". Die Kosten sollten gegen den Ertrag eines großen Wollkaufes verrechnet werden. Grieben hatte nämlich vom Markgrafen die gesamte in dessen beiden Stiftern Lebus und Havelberg und einigen andern Schäfereien im Jahre 1557 *) Friedensburg, Ständeakten II, S. 744, 752, 753, 759. ’) 25. März 1558. Bep. 61. 7.

68

erwachsene Wollernte zum Preise von einem Gulden für den Stein

Wolle erworben. Noch im Frühjahr 1566 hat Grieben gelegentlich

einer Reise nach Hamburg ein Gut von den Plugen zu Lüneburg int Auftrage des Markgrafen um 900 Tl. getauft; die Bezahlung sollte

Andreas Lindholz regeln1).

Das Salzversorgungsgeschäft. Erste Anleihen

und Privilegien.

Joachim Grieben war indessen schon früh an geschäftliche Unter­ nehmungen weit größeren Umfangs herangegangen, für die er sich den finanziellen Rückhalt bei seinem Leipziger Oheim zu verschaffen

wußte.

Es handelte sich darum, die Salzversorgung der Kurmark

in die Hand zu bekommen. Der Salzhandel war dort bislang frei,

es wurde Lüneburger und Hallesches Salz eingeführt, das dem Landesherrn zustehende Salzregal wurde nicht ausgeübt. Die Ver­ suche, einheimische Salzquellen, im 15. Jahrhundert bei Saar­ mund, im 16. bei Beelitz, zu erschließen, waren gescheitert. In der Zeit des Beelitzer Unternehmens, an dem auch Griebens

Vater und Oheim beteiligt waren-), in den vierziger Jahren aber fand das viel wohlfeilere atlantische Seesalz, das die Hanseaten vorwiegend

aus der Bai von Bourgneuf an der Loiremündung holten und daher Baien- oder B o i s a l z nannten, auch im Osten Deutschlands über Danzig und Stettin Eingang. Der Handel mit dem roh eingeführten und dann durch Versieden gebrauchsfertig gemachten Seesalz erwies sich als gewinnbringendes Geschäft, das namentlich von den Loitzen in Stettin betrieben wurde. Seit 1553/1554 hat die kaiserliche Ver­ waltung die Versorgung Schlesiens mit Seesalz einer Danziger

Gesellschaft übertragen, und auch im neumärkischen Krossen und im kurmärkischen Frankfurt entstanden kleine Siedereien. Hier war es der Ratsmann Konrad Affe, der eine solche in Gang gebracht hat. Dessen Beispiel lockte zur Nachahmung. Ein Edelmann, Joachim v. R o ch o w auf Kammer, der den Kurfürsten schon seit 1519 gedient

hatte, hatte von Joachim II. die Anwartschaft auf ein ansehnliches Gut erhalten; da aber der Kurfürst, wie das bei ihm häufig vorkam,

dies auch anderen versprochen hatte und Rochow nicht dazu gelangen

*) Schreiben Kaspar Meinows an Lindholz, Palmsonntg. 1566. Rep. 61. 33b II. -) Vgl. oben S. 10 f.

konnte, so erbat und erhielt er statt dessen das Monopol, das „grobe französisch oder spanische Boyensaltz" in der Kurmark zu versieben und zu verkaufen.

Obwohl in dem am 24. August 1557 erteilten

kurfürstlichen Privileg Griebens Name gar nicht erwähnt ist, so wissen wir doch aus den Aufzeichnungen von Thomas Matthias, daß

er mit Rochow dabei zusammenging. Ja, dieser war wohl nur der Schrittmacher für Grieben als die ausführende und kaufmännische Kraft, und Grieben wird es auch gewesen sein, der diesen Plan

angeregt und Rochow dazu veranlaßt hat. Schon bald sehen wir Grieben weiter am Werke. Das Seesalz

wurde durch hansische Schiffe nach Hamburg gebracht und muhte dort eingekauft werden. Die Salzschiffahrt ließ sich rentabler machen, wenn man darauf bedacht war, daß die Salzschiffe nicht leer zurück­ fuhren, sondern Ladung erhielten, womöglich solche, durch deren Erlös zugleich die weiteren Salzeinkäufe bestritten werden konnten. Aus diesem Gedankengang heraus ist jedenfalls das Privileg zu verstehen, das Grieben sich schon 5 Wochen später, unterm 1. Oktober, vom Kurfürsten ausstellen lieh und womit zugleich die Forderungen, die er gegen diesen hatte, abgegolten werden sollten. Diese beliefen sich auf annähernd 8000 II., auf deren bare Bezahlung man sich kaum Hoffnung machen durste. Da vielmehr der Kurfürst für eine

bevorstehende Reise zum Kurfürstentage in Frankfurt a. M. dringend Geld benötigte, so muhte Grieben nicht weniger als 4500 Taler zu­

legen,

ehe

er

seine

Verschreibung

bekam,

die

somit

auf

12 500 Taler lautete. Grieben hatte dem Kurfürsten einen eigenen Entwurfs für die Vertragsurkunde unterbreitet. Aus den daran

vorgenommenen Korrekturen läßt sich noch recht gut der Gang der Verhandlungen rekonstruieren. Grieben hatte in seinem Konzept keine Zahlen vorgeschlagen, und anfangs hatte man versucht, ihm noch 500 Taler mehr abzunötigen, schließlich aber die schon ein­ gesetzten „13 000 Taler" in „12 500" abgeändert.

Im großen und

ganzen wurde der Wortlaut des Entwurfs unverändert in die Aus­ fertigung übernommen, die unter dem Datum des 1. Oktober 1557 vom Kurfürsten und seinem Sohne Markgraf Johann Georg unter­ schrieben und gesiegelt wurde. Dadurch wurde dem Joachim Grieben das Recht in Form eines „Wiederkaufs" verbrieft, bis zur Einlösung

*) Stände-A. C5O. 11, fol. 200; Ausfertigung auf Pergament, durch Kassierschnitt und Entfernen der Siegel ungültig gemocht, in Rep. 61 adhib. zu 29 c.

der Schuldsumme jährlich 50 Schiffe mit Getreide und andern Waren („mit Roggen, Weitzen, Gersten, Habern und andern Getredich oder

gewechse, gemahlen oder ungemahlen, sampt allen und jeden andern

zahl- und unzolbaren Haben, Guetern und Wahren") elbabwärts an den beiden brandenburgischen Zöllen zu Tangermünde und Lenzen abgabenfrei vorbeiführen zu dürfen.

Falls er seine Gerechtsame

einmal nicht voll auszunutzen in der Lage sein würde, sollte ihm in den folgenden Jahren die Zahl der zollfrei zu passierenden Schiffe

entsprechend erhöht werden. Gleich darauf ist Grieben in Sachsen, um mit Hilfe des Oheims die nötigen Gelder für sein Unternehmen aufzutreiben. Indem Jakob Grieben die Bürgschaft übernahm, gelang es, bei Joachim Wins zu Dresden 10 000 XL, im nächsten Ostermarkt rückzahlbar, aufzunehmen, ferner 6000 Tl. bei Hans Hatzold (Hattzelt), dem

Handlungsdiener des Gilius de Greff in Antwerpen, durch einen dort einzulösenden Wechsel. Am 16. Oktober 1557 verpflichtete

sich Joachim Grieben, seinem Oheim einen Schadlosbrief seines Vaters für beide Summen beizubringen. Für weitere 5000 XL, die

der

sächsische

Kapitalist

und

Montanunternehmer

Wolf

v. Lindenau lieh, bekannte sich Jakob neben seinem Neffen als Mitschuldnrr; im Ostermarkt 1558 wurden, wohl unter Einrechnung der alten Schuld, 10 000 Gulden daraus*). Die Anleihen Griebens vom Herbst 1557 sollten offenbar nicht

allein dem Salzhandel dienen, denn inzwischen hatte er sich auch in andere weit ausschauende Händel mit dem Kurfürsten eingelassen. Joachim II. setzte große Hoffnungen auf die Ausbeute des Bergwerks Könnern bei Halle, und er ließ kein Mittel unversucht, dessen Ausbau zu fördern. In Christoph Frey, damals zu Magdeburg wohn­

haft, glaubte er einen geeigneten Verleger seines Anteils am Berg­ werk gefunden zu haben. Frey vermochte indessen seinen Ver­ pflichtungen, die er mit dem Kurfürsten wegen des Bergwerks und

eines „Koken- (d. f. Holzkohlen) und Saigerhandels" eingegangen war, nicht nachzukommen. Joachim II., der nicht zum Frankfurter Kur­ fürstentag abreisen wollte, ehe er dem Mangel abgeholfen hätte, sprach

darüber mit Grieben gelegentlich der Verhandlungen um die zoll­ freie Elbschiffahrt. Durch Vermittlung des Eustachius von Schlieben, der sich im Gefolge des Kurfürsten befand, kam in Leipzig auf der *) Der Kurfürst konnte um dieselbe Zeit eine Anleihe bei Dr. Mel­ chior Wins aufnehmen.

Hinreise zum Frankfurter Tag zwischen Joachim II. und Trieben

eine Vereinbarung zustande, wonach Grieben den Verlag und alle sonstigen Pflichten, die Frey in den genannten Unternehmungen oblagen, übernehmen und den für Frey vorgesehenen Gewinnanteil genießen sollte. Diese Maßnahme des Kurfürsten scheint nicht ein­ wandfrei, zum mindesten nicht sorgfältig bedacht gewesen zu sein. Ärgernisse und Schaden waren die Folge. Alsbald nach der Rückkehr

des Kurfürsten fand sich Frey an dessen Hofe ein und führte lebhafte Beschwerde, daß diese Abmachungen ohne sein Wissen getroffen worden seien. Auf ihn Rücksicht zu nehmen war der Kurfürst nicht

geneigt, aber hinter Frey stand der Rat von Magdeburg, der sich als dessen Mitgesellschafter an dem Unternehmen zu erkennen gab. Trotzdem glaubte sich Joachim Grieben seiner Sache beim Kurfürsten sicher. „Mein gnädigster Herr wil mihrs vor allen andern halten", schrieb er in diesen lagen1) an den Oheim in Leipzig, als er ihm

von dem Vorgehen Freys und des Magdeburger Rats Mitteilung machte, und fährt fort: „Wollet Ihr mihr nhun helfen, das wil ich an Euch er f ar en; wie nicht, weis ich Forteil davon zu haben, wan

ich davon abstehen wil, dieweil mihrs von meinem gnädigsten Herrn

verschrieben."

Dennoch ist aus dem Ganzen für Grieben weiter nichts heraus­ gekommen als ein reines Finanzgeschäft mit dem Kurfürsten. Vom 2. Mai 1558 datiert die Urkunde-), in der Joachim II. bekennt, dem

Joachim Grieben und seinen Mitverwandten 20 000 Taler schuldig zu fein, die ihm in 20 jährlichen Raten von 1000 Talern aus dem

kurfürstlichen Zoll zu Lenzen, der zugleich als Pfand gesetzt wird,

zurückgezahlt werden sollen. Wer unter den „Mitverwandten" gemeint ist, läßt sich zum Teil

wenigstens aus dem eben erwähnten Briefe Joachims entnehmen, in dem er den Oheim bittet, die ihm, dem Neffen, „ohne Interesse" vorgestreckten 4600 Tl. nicht als dem Kurfürsten geliehenes Geld aus­ zugeben. Es handelt sich dabei zweifellos um einen Beitrag zu den

20 000 Tl., die gleichfalls ein unverzinsliches Darlehen waren. Diefer Umstand muh um so mehr auffallen, als wir noch öfters sehen werden,

wie hohe Zinssätze sonst genommen wurden und wie hart darum

gekämpft wurde. Eine Erklärung gibt wohl eine nur zwei Wochen April 1558. R.-A. Leipzig a. a. O. -) Abschr. in Rep. 61. 29 c. 72

ältere, im Original erhaltene Schuldurkunde Joachims II?), in der er

bekennt, dem Joachim Grieben 15 350 Taler schuldig zu sein, die dieser ihm „zu gute aufgebracht und widderumb vorgestrackt" habe. In drei Raten soll die Schuld bis zum Jahr 1561 durch den Zoll zu Lenzen abgetragen werden, der als Pfand eingesetzt wird.

Neben

dem Kurfürsten unterschrieb und siegelte auch sein Sohn Markgraf Johann Georg. Diese Schuldurkunde, die dann kassiert wurde, nennt offenbar den ursprünglichen Schuldbetrag, in dem alte und neue

Darlehen zusammengefaht sind; die zweite, an ihre Stelle tretende mag deshalb auf einen wesentlich höheren Betrag ausgestellt sein,

weil nun eine wesentlich langsamere Tilgung ausbedungen war, und vielleicht ist auch eine angemessene Verzinsung schon gleich mit

hineingerechnet. Wäre nur die Urkunde vom 2. Mai 1558 erhalten geblieben, so würde niemand ihren Zusammenhang mit dem Frey'schen Berg­ werkshandel ahnen können, da sie der Vorgeschichte nicht mit einem einzigen Worte gedenkt. Wir verdanken die Aufhellung der Hinter­

gründe einem besonders glücklichen Umstande. Nach dem Tode Kur­ fürst Joachims II. sah sich der schwer kompromittierte Thomas Matthias veranlaßt, zur Information der vom neuen Herrn mit der Untersuchung der Griebenschen Händel betrauten Räte eine Dar­

stellung von deren Verlauf zu verfassen, die als Quelle einen ganz

einzigartigen Rang beanspruchen darf. Fünfzig eng beschriebene Seiten Text und ein dickes Konvolut-) sorgfältig geordneter, mit umfangreichen Erläuterungen und sogar einem vorzüglichen Namens­ und Sachindex versehenen urkundlichen Anlagen gestatten einen tiefen Einblick hinter die Kulissen des uns sonst nur aus den ab­ schließenden Vertragsurkunden bekannten Getriebes. Die Erkenntnis, ein wie unzureichendes Bild der Wortlaut solcher Urkunden von den wahren Verhältnissen vermittelt, mahnt zu bescheidenster Vorsicht bei deren Deutung, sobald nicht andere Quellen hinzutreten, und

steigert nur den Wert der Darstellung des Thomas Matthias im vor­ liegenden Fall. Mit jenem Bergwerkshandel hatte Grieben fortan gar nichts mehr zu tun, wenigstens wird nirgends mehr etwas davon

*) Dom 14. April 1558. Rep. 61. 29 c adhib. über eine Rückzahlung des Kurf. vgl. Friedensburg, Ständeakten II S. 752, 759: Die Michel Jüdin hatte eine Forderung an Peter Krause dem Kurfürsten zediert und dieser überließ sie Joachim Grieben, der darauf zu Weihnachten 1558 500 Tl. Haupt­ summe und die Zinsen von 2000 Tl. für 3% Quartal (105 Tl.) erhielt. -) Stände-Arch. 050 Nr. 11.

erwähnt.

Wenn er später im Besitz eines Biertelanteils am Berg­

werk zu Könnern erscheint, den er 1562 dem Kurfürsten für den viel zu hohen Preis von 800 Tl. anbietet, so wird er dazu durch Zession gekommen sein.

Die Finanzlage Joachim ©Hebens war, wie seine im Jahre 1558 an den Oheim gerichteten Briefe*) erkennen lassen, damals schon eine recht bedenkliche. Es gehörte schon ein tüchtiges Maß von Waghalsig­ keit dazu, so schwierige Finanzmanöver wie die mit Kurfürst Joachim II. auf so geringer Basis eigenen Kapitals zu gründen. Jedes Wort zeigt, wie die Fülle der Verlegenheiten ständig zunimmt. Es

kommen bereits Sätze vor, wie: „So ist mir auch nicht möglich, dismals obgemelte summa abzulegen, idoch erbiete ich mich. Euch das Wechsel­

gelt oder Interesse, soviel Euch des von andern gewissen Leuten ge­

geben wird, gutwilligh davon zu geben und zu bezahlen. Do Ihr auch an meines Vatern Schadloßgelubnis nicht Genügen hapt, kan ich Euch mher gute Burgen schaffen, damit Ihr des Ewern gewisser sein soll." Diese Worte beziehen sich auf die Schuld bei Joachim Wins, für die Jakob Grieben gebürgt hatte-). Sie konnte weder zu ihrem Fälligkeitstermin noch auch ein halb Jahr später auf der Leipziger Herbstmesse des Jahres 1558 erstattet werden. „Das leigt mihr Tagt und Nacht im Sin", seufzt Joachim. Wins scheint ein

unbequemer Gläubiger gewesen zu sein. Um sich ihn vom Halse zu schaffen und die drückende Verpflichtung beim Onkel in Leipzig los zu werden — Grieben beziffert die beiden Verbindlichkeiten selbst mit

16 000 Talern — macht er den Versuch, mit Hilfe des Frankfurter Bürgermeisters Thomas Riebe wenigstens 9000 Taler aufzu­ bringen. Auch dabei war dem Jakob Grieben die entscheidende Rolle zugedacht. Der Versuch scheiterte, und nicht genug damit, Joachim

mutzte den Onkel bitten, ihm alles bare Geld, das er in den nächsten

vier Wochen einbekommen würde, nach Frankfurt zu senden, „damit mir diesmal geholfen werden kann". „Meine Händel stehen also, daß ich zur Zeit muß Geld leihen und in Händen haben, wollet mich in dem willig fordern. Gegen genugsam Versicherung, will es um Euch

und die Stiern wieder verdienen, werde es mit der Zeit thun können, das weiß ich". Allerdings ist seine Zuversicht nicht immer so fest, zu­ weilen klingen bereits leise Zweifel an: „Got weis, wie ich das und *) Namentlich vom 4. April, 1. (?) und 3. Oktober 1558. R.-L. Leipzig a. a. O. und Vol. 2. ') Vgl. oben S. 71.

anders, so ich ... ihrer churfürstlichen Gnaden geliegen, noch wieder bekumme". Auch sonst gilt es bereits allerlei empfindlichen Schaden zu verschmerzen. So scheint der Handlungsdiener Joachim ©rieben» in Antwerpen — wohl um sich der Gläubiger zu erwehren, die schon ein Jahr früher dort Schwierigkeiten machten — Wechsel auf Danzig

gezogen zu haben, deren Einlösung ärgerliche Verluste zur Folge hatte.

große Sorgen

machte und

In seiner Not muß es sich Joachim Grieben recht sauer werden lassen, den Oheim aus seiner vorsichtigen Zurückhaltung heraus­ zudrängen. Und wenn die beweglichen Bitten nichts mehr fruchten

wollen, dann müssen verlockende Versprechungen zukünftigen reichen Lohns herhalten. So läßt Joachim beiläufig mit einfließen, er habe ein Angefälle auf ein Lehen zu gewärtigen, das nur auf zwei Per­ sonen stehe und gut und gern 20 000 Taler wert sei. Da er, Joachim, allein stehe und keinen Sohn habens, wolle er gern mit sich handeln

und den Onkel und dessen Erben als Mitanwärter in die Ver­ schreibung aufnehmen lassen. Oder er munkelt von großen Geschäften, die ihm wer weiß wie viel Nutzen versprächen. Dabei kommt es ihm auf 10 000 oder 20 000 Taler nicht an. Stets kehrt der Refrain wieder „Got wirts reichlich belohnen, für Schaden soll Ihr Euch . . . nicht befahren borfen*. Kurfürst Joachim hat, wie wir später sehen werden, den Versuch gemacht, die Griebenschen Verschreibungen über 12 500 und 20 000 Taler auf dem Ostermarkt 1559 einzulösen; allerdings sollte Grieben

nur mit etwa drei Viertel ihres Nennwerts abgefunden werden. Der an sich unzulängliche Versuch scheiterte jedoch. Je fester nun die Kredite beim Kurfürsten einfroren, um so stärker wurde die Abhängig­ keit Joachims von seinem reichen Oheim, und man hat schließlich den Eindruck, als habe er jede Bewegungsfreiheit verloren, als fei er be­ dingungslos darauf angewiesen gewesen, Jakob bei guter Laune zu

halten. Die Drachenfuß und ihr Privileg.

Während keinerlei Nachrichten darauf hindeuten, daß Grieben

und Rochow mit ihrem Salzhandel einen Anfang gemacht hätten, erschienen im Oktober 1558 am Hofe des Kurfürsten zwei aus Öster­ reich stammende Doktoren der Medizin, Johann und Georg ') Nicht lange darauf muß ihm ein Sohn geboren sein.

Drachensu fj1), und gaben mit wichtigtuerisch-hochfahrendem Ge­

baren ott, sie hätten „mit sonderer gnedigen verleihunge des Almechtigen eine newe Kunst und Handel auf die Bersidung des Mher und Wiyen Saltzes erfunden" und feien untertänig geneigt, „folichen grossen Schatz dem Kurfürsten zu gunnen und zuzuwenden". Sie be­ gehrten durchaus, mit dem Kurfürsten allein zu verhandeln, da sie für Fürst und Land gleich bedeutsame Dinge zu melden hätten. Durch

ihre Geheimniskrämerei erreichten sie jedoch gerade das Gegenteil; augenscheinlich erwartete man von ihnen doch nichts Gutes. Obgleich sie in ihren Briefen versicherten, sie wollten den Kurfürsten „ane beysein etlicher ir churfürstlichen Genaden Rethen nicht verdrowen oder es mit iren churfürstlichen Gnaden und derselben Land und Leuten übel meynen", denn sie seien hochgelehrte, ordentlich promo­ vierte Doktoren u. ä., haben sie doch zu ihrem großen Arger keine Audienz zu erreichen vermocht. Sie mußten sich also dazu bequemen, ihre Pläne schriftlich — doch zu eigenen Händen des Kurfürsten —

vorzulegen. Großartig war ihr Projekt ohne Zweifel; den Kurfürsten lockten in erster Linie die Riesensummen, von denen darin die Rede war. Richt weniger als 50 000 Gulden sollte er jährlich bekommen, wenn er den Gebrüdern Drachenfuß die Ausübung der neuen Kunst in seinem Lande gestattete. Wenn jedoch die „Drachenfüße" auf die Begehrlichkeit des Kurfürsten spekuliert und gehofft hatten, durch ihr großartiges Angebot leichtes Spiel zu haben und ihre Bedingungen

reibungslos durchsetzen zu können, so sahen sie sich bald sehr getäuscht. Der Kurfürst war allerdings durch die großen Summen geblendet, aber er hoffte nun mit einem Schlage seine Finanzen sanieren zu können. An dem Privilegsentwurf wurde herumgefeilscht, daß den

Drachenfüßen dabei sehr übel zu Mute wurde.

Immer neue Be­

dingungen wurden aufgestellt, der anfangs hochfahrende Stolz der beiden ging allmählich in immer heftigeres Schimpfen über. Es wurde ihnen zugemutet, R o ch o w und Grieben abzufinden,

auch sollten sie einige Personen, die sich vergeblich an dem Ausbau der brandenburgischen Salzquellen versucht hatten, entschädigen. Ver­ mutlich ist damit das Konsortium von 1544 gemeint. Mit

aller Kraft wehrten sich die Brüder gegen diese Zu­

mutung; es komme schließlich dahin, schrieb Johann Drachenfuß, daß „in summa schier jedermenniglich Feuer bey uns holen will". Es solle endlich mit dieser Methode Schluß gemacht und ihr Entwurf, so *) Das Folgende in der Hauptsache nach Bep. 9 T6.

heißt es in einem andern Schreiben, „de verbo ad verbum“ an­

genommen werden, „dan wir keine eloquentiam oder juristischen stilum hietzu dorfen noch haben wollen, sinttemal solich Privilegium

auf keinen Reichstag! kommen, viel weniger gedruckt dorffen soll

werden". Man sieht, wie gut sich die beiden gelehrten Herren dessen be­ wußt waren, daß ihr Borhaben mit den Reichsgesetzen gegen Monopol­ wirtschaft nicht in Einklang zu bringen war und bei Bekanntwerden

einen Entrüstungssturm der Öffentlichkeit zur Folge haben würde. Vielleicht sollte eine in keinem Zusammenhang mit dem Gegen­

stand des Vertrages stehende Bedingung der Gebrüder ein mora­ lisches Gegengewicht bedeuten gegen solche unchristliche Mono­ poliererei: verlangten sie doch vom Kurfürsten die sofortige Ver­

treibung sämtlicher Juden aus der Mark! Sie machten sich damit eine schon seit Jahren eifrig vertretene Forderung der kurmärkischen Stände zu eigen. Richt ausgeschlossen, daß sie, von einem mit den Verhältnissen bestens vertrauten Gewährsmann beraten, diese Klausel als eine captatio benevolentiae einer etwaigen ständischen Opposition gegenüber ausspielen wollten; Konkurrenz­

sorgen waren jedenfalls nicht im Spiel. Sie ließen sich dieses An­ liegen nicht wenig kosten:

10 000 Taler versprachen sie dem Kur­

fürsten dafür zu zahlen. Bei den Zuständen am Hofe Joachims II. war an eine Geheim­

haltung einer so einschneidenden Maßnahme nicht zu denken: schon

in den ersten Tagen sickerte etwas davon durch. Daß die Juden nicht ruhig ihrem Verderben zusahen, ist verständlich; allerdings war ihr Einfluß am Hofe gering und verkörperte sich in der Person des

Münzmeisters Lippold, dessen sich der Kurfürst bei seinen kleineren Privatgeschäften in der Art eines geheimen Kämmerers zu bedienen pflegte1). Da der wenig zahlreichen Gemeinde wohl kaum die Mittel

zureichten, um das Angebot der Drachenfuß zu überbieten, blieb den Juden nichts weiter übrig, als mit Hilfe der ihnen gewogenen Räte und Hofbeamten der Werbung der Gebrüder Drachenfuß entgegen­

zuwirken.

Vielleicht darf man die beharrliche Verweigerung der

Audienz und die großen Schwierigkeiten bei den Verhandlungen

schon als erste Erfolge der Abwehrmaßnahmen

von feiten der

jüdischen Partei deuten. Mitten hinein in das wilde Getriebe rings

um den Kurfürsten versetzt uns ein Brief des Johann Drachenfuß an *) Vgl. die Darstellung über Lippold unten.

den Kanzler Distelmeier, der ihnen als Verhandlungspartner und offensichtlich recht wohlwollend gegenüberstand.

Als Illustration des dramatischen Verlaufs der Verhandlungen und der Persönlichkeit der Gebrüder Drachenfuß sollen einige Stellen daraus im Wortlaut wiedergegeben werden: „Weil wir aber mittler zeyt ... glaubhaftig erfharen, daß umb disen unsern heilihen, großen Schatz Juden und ire Mitgenossen wissen, und sich etliche frume ir churfürstlichen Gnaden Reihe aufs höchst wider uns gelegt, und von besen jüdischen Praktiken weder essen noch schlafen kunnen, inen auch

herzlich zuwider und leid ist, daß iren frumen Fürsten und disen armen Landen durch uns geholfen, und also ir jüdischer Spiß, den sie gegen iren frumen Herrn so lange zeyt gebraucht haben, do nicht

gaar zerbrechen, doch große Scharten bekumen und stumpf soll wer­ den, — weil wir nun, wie gemeldet, Heren und gewissen, daß dise unsere große Wolthath, Rath und Hilf inen aufs höchst zuwider, und sie vil lieber die gottlosen Juden ire Mitgenossen bey sich haben und

in disen Landen leiden, dann daß sie solliche großes Glükh iren un­ schuldigen, frumen Fürsten und disen Landen von unß zuekumen wollen lassen; er auch, der frume, unschuldige Fürst sollichen Ge­ sellen meer glaubt und folget, dann unß, die wir biff bey iren churfürst­

lichen Genaden thuen haben wollen, welliches sie alle, wen man sie alle miteinander auf einen Haufen schmelzen solle, nie rathen oder thuen haben kunnen, auch künftig nicht thuen werden, — weil dem

also und nicht anders, und wir von wegen der gottlosen, verreterischen Juden und irer Mitgenossen allhie nimmer sicher und unß der Gefhar Leibs und Lebens befharen muessen, wollen wir unß morgen mitt der Hilfe Gottes hinwekh machen und zuvor vor Gott und allen eherlichen dreoherzigen Leuten, die es mit iren Herrn und disen [Sanbett]

dreuelich meynen, protestirt und bezeuget haben, daß wir es mit chur­ fürstlicher Gnaden und disen elenden Landen drewlich und wol ge­ meint, wenn man es nur reht beherzigen und annehmen hette wollen.

Weil es aber nicht sein hat wollen, wissen wir einen andern Prauti-

gam, der ein solliche feiste, schöne Braut ambabus ulnis cum summa gratitudine annhemen und amplectiren swirds ... Vale! Datum Collen an der Sprew den 15. octobris 1558 ante caenam. Johann Drachen­ fuß D." Der Bruder Georg fügt am Schluß noch zu: „Wen ein ver­

dorbener, verlauffer Alchimist oder ein vereterischer, verlogner Jud

also hieher turnen und sich etwas vernhemen hette lassen, er hette von Stund an patronos und promotores bekumen und für ire chur-

fürstlichen Genaden persönlich turnen und gnedigste Audienz be-

tumen, auß einem Dopf essen und auß einem Daß trinken müssen, nos autem, qui non acceptum, sed datum venimus, nec audimur

nec etc."

Aus der angedrohten Abreise scheint aber doch nichts geworden zu sein. Unter Zetern und Drohen wurde endlich am 28. Oktober 1558 ein Vertrag*) geboren, der vermöge seiner einschneidenden Maßnahmen die Wirtschaftspolitik des Kurstaates in wesentlichen Punkten auf Jahrzehnte hinaus festzulegen geeignet war; übertrug er

doch den Inhabern des Privilegs die gesamte Salzversorgung des Landes vermittels des Boifalzes als Monopol unter Aus­ schaltung jeglicher andern Einfuhr bei hoher Strafe.

Namentlich

werden bei dieser Gelegenheit folgende Sorten aufgezählt: polnisches, schlesisches, lausitzisches, lüneburgisches, Danziger, stettinisches,

hallisches, Neustädtisches, Boi-(„Way") und anderes Salz. Die infolge des starken Brennstoffbedarfs der Salzkokturen zu befürchtende Holz­ preissteigerung und Waldoerwüstung machten ein allgemeines kur­

märkisches Holzausfuhrverbot erforderlich.

Bon nicht ge­

ringerer Bedeutung versprach die Verpflichtung des Kurfürsten zu werden, für die unbehinderte Freiheit der E l b s ch i f f a h r t Sorge

zu tragen; sie wurde jedoch durch die Klausel entwertet, Unmögliches solle in dieser Hinsicht nicht von ihm verlangt werden dürfen. Immer­

hin versprach er alle seine Machtmittel bei der Stadt Lüneburg und den Herzögen einzusetzen, vor allem zur Beseitigung der Hindernisse, die die Zölle zu Hitzacker und Bleckede bedeuteten. Die Drachenfuß legten gerade auf diesen Punkt ihres Vertrages besonderen Wert und ließen sich seine Aufnahme in die Verschreibung 5000 Taler kosten. Von allen kurmärkischen Wasser- und Landzöllen waren sie gänzlich

befreit. Schließlich wurde den Gebrüdern das Recht eingeräumt, nach Salz und Metallen zu schürfen und Bergwerke anzulegen, wo­ bei mit Zehnten und Silberkauf analog dem herkömmlichen Brauch anderer Bergbaubetriebe verfahren werden sollte. Besonders umständliche Artikel sind der Anlage der Salzkokturen

und

der

damit verbundenen

Arbeitersiedlungen

gewidmet.

Als

Rechtsmuster dienen dabei die freien Bergwerke und Bergstädte im

Reich. Die Siedearbeiter sollen auf eigens dazu angewiesenen landes­ herrlichen Grund und Boden sich anbauen und von jeder Abgabe, wie ’) Das kassierte Original in G.St.-A., Urkunden, Haussachen Nr. 90. Korrigiertes Konzept: Stände-A. 0 50 Nr. 11 fol. 164.

Zoll, Türkensteuer usw., befreit sein, die Drachenfuß ihre rechten ErbHerren sein und sogar die hohe Gerichtsbarkeit über sie ausüben.

Das war sehr nötig, da die „Siedeknechte, Holluncken und Schweracken" als „sehr wild, ungehorsam und untreu" bekannt waren. Zur

Speisung des Volkes darf in den Siedestätten gebacken, geschlachtet und gebraut werden. Brenn- und Bauholzversorgung werden genau geregelt, um Waldverwüstung zu vermeiden, Fischerei und niedere

Jagd freigegeben. Die Preispolitik wird nur durch recht dehnbare Bestimmungen eingeengt. Die Unternehmer müssen sich verbindlich machen, die kur­ fürstlichen Untertanen „mit dem Salzkaufe nicht übersetzen noch be­

schweren zu wollen"; jedenfalls wird es für möglich gehalten, daß andere Konkurrenten den Versuch machen werden, den Preis zu

unterbieten und zu drücken. Alle derartigen Versuche, ganz gleich „wie dan solichs und dergleichen der listige Kaufman und menschliche Arglistigkeit erdenken oder fürnemen kunnte", soll der Kurfürst durch harte Strafen unterdrücken. Als Gegenleistung für alle diese z. T. sehr ansehnlichen und wert­

vollen Rechte machten sich die Drachenfüße anheischig, 50 000 Gulden jährlich in barer Münze in die kurfürstliche Kammer zu zahlen. Doch

sollte mit der Zahlung erst am Ende des dritten Jahres begonnen werden; Stundung bei Krieg und Pestilenz war vorgesehen. Im Verlaufe der schwierigen Verhandlungen hatten sich die Drachenfuh dazu bequemen müssen, dem Kurfürsten bereits vor Ablauf der drei Freijahre ansehnliche Vorschüsse zuzusichern. So sollten im Februar 1559 15 000 Gulden, Michaelis desselben Jahres 10 000 Gulden, Michaelis 1560 weitere 10 000 und schließlich Michaelis 1561 wieder 15 000, zusammen also 50000 Gulden, gezahlt werden. Beim Feil­ schen um die einzelnen Vertragspunkte hatten die Drachenfuß sich zu verschiedenen besonderen Geldbewilligungen bereit gefunden; das hatte zur Folge, daß von dem „Vorschuß" tatsächlich nur 20 000 Gulden auf die beiden ersten Jahreszahlungen angerechnet wurden, 10 000 sollten dem Kurfürsten für die Vertreibung der Juden gut­ geschrieben werden, 20 000 gingen also ä fonds perdu. Durch eine

besondere Obligation') machten sich die Drachenfuß verbindlich, die erste Vorschußrate von 15 000 Gulden pünktlich zu zahlen, eine Liste ihrer Gesellschafter einzureichen und sie persönlich am kurfürstlichen Hofe vorzustellen.

»Hom 23. Oktober 1558. Bep. 9 T6.

Das Ringen um das große Salzprivileg war beendet. Es galt

nun, das nötige Kapital zu beschaffen. Im November machten sich die

Drachenfuß auf die Fahrt zu den oberdeutschen Geldmärkten.

Der

Griebensche

Salzvertrag

und der Lüneburger Elbschiffahrtsvertrag. Während der Zeit der Berhandlungen des Kurfürsten mit den

Gebrüdern Drachenfuh befand sich Joachim Grieben nicht im Lande,

doch wurde von den kurfürstlichen Räten korrekt verfahren und Joachim von R o ch o w unterrichtet. Er machte keine Einwendungen

unter der Voraussetzung, daß er abgefunden würde. Der Auftrag, mit ihm die Höhe der Entschädigung zu vereinbaren, wurde Thomas Matthias zuteil, der bis dahin von der früheren Verschreibung

Rochows keine Kenntnis gehabt hatte und auch zu den Verhand­

lungen mit den Drachenfuh nicht hinzugezogen wurde. Am selben Tage, an dem die Drachenfuß ihr Privileg erhielten, wurde Joachim

von Rochow eine in sechs Jahresraten zu zahlende Abfindung von insgesamt 24 000 Talern verbrieft*), die auf die Einkünfte des Kur­

fürsten aus dem Monopolvertrag mit den Drachenfüßen angewiesen wurden.

Waren diese nicht imstande, ihren Verpflichtungen nach­

zukommen, sollte Joachim von Rochow in seine alten Rechte wieder

eintreten. Als Grieben bald darauf heimkehrte, „ist er, daß er solche Ge­ legenheit, darzu er selbst trachten wollen, vorseumet und ime die durch andere entzogen worden, fast bekümmert gewesen".

Aber mit der

ihm eigenen geistigen Beweglichkeit hat er bald ein neues Mittel

ersonnen, den Drachenfuß ihr Privileg wieder abzujagen. Hatten schon die Drachenfuh ein großes Aufhebens von ihrer neuen Kunst gemacht,

so wußte Grieben noch viel mehr eine nur ihm bekannte technische

Neuerung beim Salzsieden zu rühmen, die mit Geld kaum zu be­ zahlen sei. Es läßt sich vermuten, daß er die im Lande vorgefundene

schwache Sole, z. B. im Salzbrunnen zu Beelitz, mit Boisalz anreichern

und somit eine nicht unwesentliche Ersparnis erzielen wollte. Der Geheimniskrämerei war kein Ende; Grieben kannte seinen kurfürst­ lichen Herrn nur zu gut: es währte nicht lange, so ließ sich Joachim II.

*) Das Konzept von der Hand des Thomas Matthias vom 18. Oktober 1558 in Stände-Arch. C 50 Nr. 11. fol. 216.. 6 Großkaufleute 1

81

in Unterhandlung mit ihm ein. Am 3. Dezember 1558 hatte er bereits

seinen neuen Vertrags) in Händen! Da das Recht der Griebenfchen „Heimlichkeit" im Privileg der Drachenfuß gar nicht erwähnt war und der Kurfürst sich dessen folg­ lich auch nicht begeben hatte, sollte Grieben — auf eigene Kosten — den Gebrüdern nachreisen und mit kurfürstlicher Vollmacht und In­

struktion dahin zu wirken suchen, daß sie ihm gestatteten, gleichfalls in der Kurmark Salz zu sieden unter Ausnutzung seines Geheim­ verfahrens. Falls sich die Drachenfuß zu solch einer Vereinbarung bereit fanden, sollte die Hälfte des Gewinns, den Grieben nach Abzug der aufgewandten Unkosten und der Zinsen des notwendigen Verlags-

Kapitals erzielen würde, dem Kurfürsten zufallen. Wenn sich die Drachenfuß dazu entschließen sollten, Grieben seine „Heimlichkeit"

abzukaufen, so sollte der Preis zwischen ihm und dem Kurfürsten ge­ teilt werden. Schließlich war auch noch der Fall vorgesehen, daß sich die Drachenfuß überhaupt nicht auf Grieben und sein Geheimnis ein­ ließen: dann sollte niemand davon Nutzen ziehen, wofern nicht die Brüder wider Vermuten beweisen könnten, daß sie das geheime Ver­

fahren zuvor ebenso gut wie Grieben gekannt hätten. Das wahre Gesicht der kurfürstlichen Vereinbarung mit Joachim

Grieben enthüllen erst einige weitere Abmachungen, die bereits dazu übergehen, die Nachfolge der Drachenfuß zu regeln, wenn sie nicht

imstande sein sollten, ihren Verträgen nachzukommen.

Ermutigt

durch die großsprecherischen Verheißungen Griebens willigte der Kur­ fürst ein, daß den Drachenfuß beim geringsten Verzug in ihren Ver­

pflichtungen ihr Recht entzogen und auf Grieben übertragen werden solle. Obschon das durch eine neu zu stipulierende Verschreibung ge­

schehen sollte, fand man es doch für nötig, schon jetzt die wesentlichen

Punkte festzusetzen.

An die Stelle der festen Jahreszahlung von

50 000 Gulden trat die Abmachung, daß zwei Drittel des Rein­

gewinnes dem Kurfürsten, ein Drittel Grieben und seiner Gesell­ schaft zustehen sollten.

Die Zollbefreiung und unentgeltliche Holz­

nutzung sollten fortfallen. Die Gesellschaft war verpflichtet, jährlich Rechnung zu legen.

Ein Vergleich der neuen und der früheren Bedingungen ergibt für den Kurfürsten eine zweifellose Verbesserung hinsichtlich der nicht

*) Das Original in Geh.St.-A. Urk., Haussachen Nr. 92; Konzept von der Hand des Thomas Matthias in Stände-Arch. C 50 Nr. 11 toi. 208.

mehr aufrecht erhaltenen zusätzlichen Berechtigungen. Anderseits war die Befreiung von dem starren System der hohen Jahreszahlungen

ein Erfolg Griebens. Zu diesem trug am meisten bet, daß er sich erbot, alsbald die erste 15 000 Guldenrate in Berlin zu erlegen und sich dafür

in Nürnberg oder Augsburg bezahlt zu machen, wo die Drachenfuß ihre Zahlung leisten wollten, weil sie die Schwierigkeiten mit dem Hinüberwechseln des Geldes nach Berlin nicht zu meistern verstanden. Sollten die Drachenfuß die 15 000 Gulden in Oberdeutschland nicht aufzubringen vermögen, dann war weiterhin vereinbart, daß

Grieben sich 6000 Gulden auf Zölle und Holzlieferungen anrechnen

dürfe, die restlichen 9000 Gulden sollten dem Kurfürsten von seinem ersten Jahresertrag abgezogen werden.

Daß Grieben unter diesen Umständen keine Ursache hatte, sich den Drachenfuß aufzudrängen, versteht sich. Ja, er ist ihnen nicht ein­ mal nachgereist, wie er eigentlich verpflichtet gewesen wäre, und der Kurfürst hat seine Einwilligung dazu gegeben, denn Grieben hatte genug zu tun, das versprochene Geld aufzubringen. Augenscheinlich hat er den Neujahrsmarkt in Leipzig dazu benutzt, denn schon am

6. Januar 1559 konnte ihm der Kurfürst und sein Sohn Markgraf

Johann Georg den Empfang der 15 000 Gulden quittieren1) und bei dieser Gelegenheit nochmals versichern, es solle ihm nicht abträglich

sein, daß er mit den Drachenfuß nicht verhandelt habe. Ahnungslos, was sich hinter ihrem Rücken abspielte, bemühten sich die beiden gelehrten Herren währenddessen, für ihr Unternehmen die oberdeutschen Bankiers zu gewinnen. Bor deren kritischen Augen

verlor das kurfürstliche Privileg den Schimmer und Glanz, sie sahen

nur Verbindlichkeiten von phantastischem Ausmaß. Der Salzhandel konnte unmöglich soviel abwerfen, daß noch ein Gewinn neben den Abgaben übrig blieb.

Tatsächlich erreichten später die branden­

burgischen Salzeinnahmen erst unter bedeutend günstigeren Um­

ständen und nach langjähriger Bewirtschaftung in den besten Jahren eine Höhe von 50 000 Gulden. Die beiden großsprecherischen Doktoren

hatten sich allzu viel zugetraut, sie konnten den Termin der ersten Zahlung nicht einhalten. Thomas Matthias berichtet, man habe auch

„sonsten andere Weitleufftigkeiten, darauf inen wenig zu trawen ge­ wesen, bey inen gespuret".

Es wird deshalb nicht sonderlich ver­

wundern, daß wir bei der nächsten Nachricht, die das lückenhafte

*) Rep. 61, 29c adhib. 6*

83

Material hergibt, Johann Drachenfuß schon in Spandau im Gefängnis des Kurfürsten wiederfinden. Des Unglücklichen Gattin, Helene Wurm, flehte den Erzherzog Ferdinand um Hilfe an, und er ließ sich auch schließlich zu einer Intervention beim Kurfürsten bewegen. Er bat schriftlich*2) um Freilassung des Gefangenen, der sich seiner Zeit an seinem Hofe aufgehalten und dort als Arzt viel Gutes geschaffen habe. Die Fürbitte war nicht vergeblich. Der Kurfürst scheint die Entlassung des Johann Drachenfuß ohnedies beabsichtigt zu haben, denn er hatte den Gefangenen bereits an dem Tage, als das Schreiben des Erz­ herzogs von Prag abging, nämlich am 29. Juli 1559, Urfehde schwören lassen. Kurz nachdem er dies Gelöbnis, sich nach seinem Abzüge gebührlich und ruhig zu verhalten, abgelegt hatte, scheint Drachenfuß auf freien Fuß gesetzt worden zu sein. Mit Schanden und Schaden brach sein Luftschloß zusammen. Joachim Grieben behauptete siegreich das Feld. Eigentlich hatte ihm ein neues Privileg ausgestellt werden sollen, man begnügte sich indessen damit, ihm die Drachenfuß'sche Urkunde zu übergeben. Die Abänderungen waren ja genügend verbrieft. Da die Vorschußzahlungen bis auf die erste wegen der prozentualen Ge­ winnbeteiligung des Kurfürsten in Fortfall gekommen waren, bleibt das Schicksal der Judenklausel ungewiß. Nur soviel steht fest, daß es ihretwegen nicht zu einer Vertreibung der Juden aus der Mark kam. Für den Kurfürsten war das die bequemste Lösung, zumal da Joachim Grieben kaum Neigung verspürt haben dürfte, für diesen Zweck 10 000 Taler aufzuwenden. Die vorteilhafte Wirkung einer solchen Klausel bei Verhandlungen mit den Abgeordneten der Stände hat auch Grieben zu würdigen gewußt. Das einzige Mal, wo er nach Aussage der uns überkommenen Akten auf diesen Punkt seines Ver­ trages zurückgriff, geschah es zu dem Zweck, um dadurch den Ver­ tretern der kurmärkifchen Stände die Übernahme einer Bürgschaft für ihn schmackhafter zu machens. Übrigens hat es Joachim II., wenn ihn nicht andere Rücksichten behinderten, an tatkräftiger Unterstützung Griebens nicht mangeln lassen. Seiner Zusage, für die Öffnung der Elbe Sorge zu tragen, kam er um so bereitwilliger nach, als es sich dabei um ein altes Projekt der kurbrandenburgischen Wirtschaftspolitik handelte. Der Kurfürst hatte letztmalig im Jahre 1558 dem Kaiser Ferdinand in *) Prag, 29. Juli 1559. Bep. 9 T6. 2) Friedensburg, Ständeakten II, S. 247 Anm.

Frankfurt a. M. versprochen, sich voll für die Freiheit der Elbschiffahrt einzusetzen, ohne die der Müllroser Kanalbau zwecklos gewesen wäre. Alle anliegenden Mächte, insbesondere die Städte Magdeburg und

Hamburg, unterstützten die brandenburgische Elbpolitik, nur die Her­

zöge von Braunschweig-Lüneburg und ihre Stadt Lüneburg machten eine Ausnahme*). Sie hatten Proben genug geliefert, daß sie es mit ihrer Weigerung gegen eine unbehinderte Elbschiffahrt bitter ernst

meinten. Es gehörte ein starker Optimismus dazu, zu hoffen, man werde den Elbweg gerade für die Boisalzfchiffahrt öffnen, die

für den Lüneburger Salzhandel und damit für die wirtschaftliche Existenz der Stadt eine tödliche Gefahr bedeutete. Und doch konnte Grieben einen vollen Erfolg buchen. Allerdings hatte der Kurfürst

dabei nicht wesentlich helfen können; das meiste muhte Grieben selbst

tun und auch schwere finanzielle Opfer auf sich nehmen. Die ungehinderte Zufuhr des Boisalzes auf der Elbe war für die Seesalzversorgung der Mark von entscheidender Bedeutung. Wäh­

rend sich der Bezug auf dem Umwege über Stettin wegen der Placke­ reien im Sund und auf der Oder nicht empfahl und womöglich gar mit teurer Landfuhr verknüpft war, führte der Elbe-Havel-Spree-Weg

mitten ins Herz des Landes.

Diese Zufuhrstraße zu eröffnen, be­

trachtete Grieben nach Abschluß der Verhandlungen mit Kurfürst Joachim II. als seine erste und vornehmste Aufgabe.

Zuerst galt es, die erforderliche finanzielle Grundlage zu schaffen. Wieder war es der Oheim Jakob in Leipzig, der

das nötige Kapital hergeben mußte. Schon am 3. März 1559 bat ihn Joachim brieflich, ungefähr 20 000 Taler flüssig zu machen, er werde ihm den Schaden ersetzen, falls er das Geld nicht brauchen würde. Bald mußte er erkennen, daß es nicht einmal mit 20 000 Talern ge­ macht war. Er kam deshalb im Juli mit Jakob persönlich zusammen, und da er es sicher verstand, seine Privilegien im glänzendsten Licht erscheinen zu lassen, fand er ihn tatsächlich nicht ganz abgeneigt. Jakob verlangte jedoch als Vorbedingung, Joachim solle zuerst eine brauch­

bare Zusicherung der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg beibringen und ihn dann erneut angehen. Eine Erschwerung der Verhandlungen mit den Herzögen bedeutete es, daß der Zoll zu Bleckede an die Stadt Lüneburg verpfändet war, die ihre Position dazu ausnutzte, von dieser Stelle aus den Elbverkehr zu sperren.

Die Herzöge gaben zu er«

*) Baasch, Der Kampf des Hauses Braunschweig-Lüneburg mit Ham­ burg um die Elbe (1905) S. 4 ff.

kennen, daß sie bereit wären, Grieben das Recht der Boisalzschiffung erblich und als Monopol zu verkaufen, wenn er den Zoll sowie die Häuser Rethem und Lüdershausen auslöste. Dazu waren 10 000 Taler

erforderlich. Sobald Joachim die prinzipielle Bereitschaft der Herzöge erwirkt hatte, wandte er sich, kurz bevor er zu ihnen nach Celle reiste, noch einmal brieflich an Jakob in Leipzigs). Die Summe, die er jetzt

für nötig erachtete, war erheblich höher: 50 000 Taler sollte ihm der Oheim unkündbar auf 3 bis 4 Jahre zur Verfügung stellen. Zugleich erklärte Joachim, daß er die schon früher bei Jakob kontrahierten

Schulden auf dem nächsten Leipziger Michaelismarkt nicht zurück­ zahlen könne, vielmehr noch 8000 Taler dazu nötig habe. Wenn Jakob ihm in allen Wünschen willfahre, so solle er sich 3000 Taler

mehr als bezahlt in den Schuldschein setzen dürfen. Schließlich bat Joachim, dem Andreas Riebe ein noch nicht fälliges Darlehen, das Jakob schuldete, vorzeitig zurückzuerstatten, da ihm Riebe das Geld — 10 000 Taler — zu leihen zugesagt habe. In Summa war also Joachim Grieben willens, 71000 Taler neue Verpflichtungen auf sich zu nehmen! Die Reise nach Celle erbrachte den gewünschten Erfolg.

Am

4. Oktober 1559 wurde ein Vertrag unterzeichnet, demzufolge Grieben am Donnerstag vor Ostern des folgenden Jahres zu Salzwedel 10 000 Goldgulden und 10 000 Taler erlegen sollte. Die erste Summe

sollte als Entgelt für Gewährung der zollfreien und unbehinderten Verschiffung des Boisalzes elbaufwärts gelten. Gegen die zu er­

wartenden rechtlichen Anfechtungen durch die Stadt Lüneburg sollten die Herzöge die Verteidigung auf eigene Kosten führen. Für den Fall, daß der Prozeß zu ihren Ungunsten auslief, sicherten sie die Rückzahlung der Kaufsumme und 10 000 Goldgulden Schadenersatz zu, von dem aber für jedes Jahr ungehinderter Schiffahrt 500 Gold­ gulden gekürzt werden sollten. Die 10 000 Taler waren zur Ein­ lösung des verpfändeten Zolls und der beiden festen Häuser aus­ ersehen. Sie waren nur ein Darlehen, das mit 5 Prozent zu ver­ zinsen und nach drei bzw. sechs Jahren je zur Hälfte zurückzuzahlen

war. über den Empfang der beiden Summen versprachen die Herzöge durch Ausstellung einer noch genauer zu formulierenden Kausverschreibung zu quittieren. Inzwischen war es höchste Zeit geworden, Vorsorge für den Leipziger Michaelismarkt 1559 zu treffen, drückten doch die von einem *) 25. September 1559. R.-A. Leipzig XLV G la fol. 1.

zum andern Markt verschleppten und vermehrten Schulden bereits recht erheblich; vor allem galt es, Wolf von Lindenau zufrieden­

zustellen.

Auch Jakob Grieben drängte auf Rückzahlung der aus­

gelaufenen Schulden. Da Joachim durch Verpflichtungen am Kurhof zurückgehalten wurde, mußte er den Oheim bitten1), seine Interessen auf dem Markte wahrzunehmen. Zugleich forderte er ihn zu einer

Erklärung auf, ob er noch bereit sei, sein Unternehmen im Sinne der

Abmachungen vom Juli zu finanzieren. Joachim konnte der werbenden Wirkung seines in Abschrift beigefügten Geller Vertrages gewiß sein.

Tatsächlich ist Jakob auch seinen Wünschen nachgekommen und hat

z. B. seinen Kredit zur Verfügung gestellt, um Wolf von Lindenau zur erneuten Verlängerung des Darlehns von 10 000 Gulden bis

zum nächsten Ostermarkt zu bewegen.

Aus taktischen Erwägungen

scheint es allerdings Jakob vorgezogen zu haben, sich weiterhin ab­ lehnend zu zeigen und auf Zahlung der alten Schulden zu drängen;

und wenn Joachim zuweilen Miene machte, als wolle er sich das Kapital anderswo beschaffen, so geschah das aus dem gleichen Grunde. Ausgangs des Neujahrsmarktes 1560 waren sich beide soweit einig, daß Joachim über eine Schuld von 37 800 Talern quittieren tonnte2),

und im folgenden Ostermarkt trat Jakob dem Neffen als selbst­ schuldnerischer Bürge zur Seite, um Wolf von Lindenau zu be­ wegen, seine auf 18 000 Taler erhöhte Forderung als Darlehn mit festgesetzten Kündigungsfristen zu 8 Prozent stehen zu lassen und

damit die Not von einem zum andern Geldmarkt endlich abzu­

wenden2). Auch die Angelegenheit mit Andreas Riebe scheint zu Ostern 1560 im Sinne Joachim Griebens ihren Fortgang genommen zu haben, dem: er bescheinigte am 13. Mai zu Leipzig"), 8000 Gulden von Riebe erhalren zu haben, die dem Kurfürsten zustanden. Später, in seinem Unglück, behauptete Joachim Grieben, der Oheim habe ihm

damals durch schriftlichen Vertrag einen Kredit in 5) öh e von

70 000

Talern zugesichert. Eine solche Urkunde hat sich aber

*) 6. Okt. 1559. R.-A. Leipzig XLV G 1 a, vol. 1. -) 10. Januar 1560. Edda. 3900 Tl. sollten zu Ostern 1561, der Rest Ostern 1562 zurückgezahlt werden. 3) Urkunden vom 12. und 26. Mai 1560. Edda. «) (Ebba. Andreas Riebe als Vormund der Erben des Thomas Riebe schuldete die Summe dem Dr. und kfl. Hofrat Melchior Wins als Vormund der Erben des Hans Schenk zu Frankfurt a. O. Wins hatte die Schuld an den Kurfürsten zediert, dieser Grieben mit der Einziehung beauftragt.

nicht gefunden, und es ist aus mehr als einem Grunde fraglich, ob

sie überhaupt oder doch in dieser Form bestanden hat. Obschon die Verpflichtungen Joachim Stiebens beträchtlich an­

gewachsen waren, hatten sie ihm doch, da alte Schulden und Zinsen

einbezogen worden waren, nicht soviel Mittel an die Hand gegeben,

daß er die Abmachungen mit den Herzögen von Braunschweig-Lüne­ burg termingemäß zu erfüllen vermochte. Diese Verlegenheit machte

sich die Stadt Lüneburg zunutze.

Bisher waren ihre Proteste

wirkungslos geblieben. Der Boihandel hatte ihr schon im Osten schweren Schaden zugefügt. Sein Aufblühen in Stettin und auf der Oder war nicht zu hemmen gewesen. Desto eifriger ergriff sie jetzt

die Gelegenheit, wo der Boihandel in ihre Reichweite kam. Grieben hatte im Vertrauen, mit den Herzögen zum vereinbarten Termin ins Reine zu kommen, Anfang April 1560 ein mit Boisalz

befrachtetes Schiff elbaufwärts geschickt: es wurde von den Lüne­ burgern in dem ihnen noch verpfändeten Zoll zu Bleckede arrestiert.

Grieben ließ dagegen seine einflußreichen Beziehungen spielen: die

Herzöge forderten sogleich energisch von der ©tabt1) die Freigabe des

Salzes, denn es sei ihr zwar der Zoll, nicht aber die Elbschiffahrt versetzt worden, und ihre Privilegien, die sich nur gegen die Salz-

schiffung stromabwärts richteten, ermächtigten sie keinesfalls zu einem Einfuhrverbot.

Auch der Kurfürst schrieb einen heftigen Brief an

den derzeitigen Inhaber des Hauses Bleckede, Kurt von Rohr, Haupt­

mann der Priegnitz und des Landes Ruppin. Der Erfolg war, daß

Lüneburg für dieses eine Schiff die Fahrt frei gab. Durch eine Gesandtschaft an den Berliner Hof suchte die Stadt unter Vorlage ihrer Privilegien — die ihr aber kein Recht dazu geben konnten — alle weiteren Versuche, Boisalz zu schiffen, im Keime zu ersticken2).

Natürlich war ihr Unternehmen aussichtslos. Trotz aller Gegenwehr und Proteste der Stadt vermochte viel­

mehr Joachim Grieben endlich sein Abkommen mit den Herzögen durchzusetzen und die versprochene KaufverschreibunF zu erhalten. Am 11. November 1560 — also ein halbes Jahr später

als vorgesehen war — beurkundeten sie die im Celler Vertrage ver­

einbarten

Punkte.

Ausdrücklich

wird

*712. April 1560. Bep. 19. 17 a. 2) Instruktion vom 22. Mai 1560. Ebba. 88

hervorgehoben,

daß

aus-

schließlich

Grieben

allein

das

Boischiffahrtsrecht zustehen

solle*1).2 3 4 5

Durch gleichzeitige Verhandlungen hat Grieben auch beim Rat der Stadt Hamburg Vorsorge getroffen, daß nicht dort irgendwelche

Schwierigkeiten gemacht würden, und der Rat verbriefte ihm das Recht, das Boifalz gegen Erlegung des gebührlichen Zolls stromauf

zu schiffen').

Beginn der Salzversiedung. Das nach der wirtschaftspolitischen Konstellation seiner Zeit schier aussichtslose Vorhaben Griebens war gelungen, der Elbweg stand ihm offen! Nun zögerte Kurfürst Joachim II. nicht mehr: einen Monat später ließ er durch ein offenes gedrucktes Mandat ver­

künden, daß dank gewisser technischer Neuerungen seine Beelitzer Salzquelle so ergiebig sei, daß jede Einfuhr fremden Salzes verboten werden könne. Alle seine Untertanen wurden verpflichtet, ihr Salz fortan in Beelitz zu beziehens. Wenn wir recht vermutet haben,

bestand das technische Geheimnis Griebens eben in der Vermischung des Boisalzes mit der einheimischen Sole. Das Seesalz wurde grob und unrein, wie es durch Verdunstung des Meerwassers in Frank­

reich erzielt wurde, eingeführt und im Verbrauchslande in klarem Wasser wieder aufgelöst und in Dleipfannen versotten. Die Beelitzer Sole, mit deren Ausbeute man sich schon so oft abgequält hatte, war infolge der Unmöglichkeit, sie von dem zuströmenden wilden Wasser

zu isolieren, immer wieder als zu schwach befunden worden, um ihre J) 1568 hatten die Erben Jakob Griebens von Joachim Grieben folgende Urkunden in Verwahrung, die sich auf das Verhältnis zu den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg bezogen: 1. Die Lüneburger Verschreibung wegen Freischiffung des Boisalzes. 2. Eine Zusage der Herzöge, Grieben 10 000 Goldgulden auf das Amt Bleckede zu versichern. 3. Lüneburger Brief und eine Verschreibung über das Boisalz, wofür 10 000 Goldgulden Kaufgeld gegeben und 10 000 Taler auf Zins ge­ liehen sind, vom 5. April 1560. 4. Eine Lüneburger Verschreibung. (Fehlte damals schon.) 5. Eine Lüneburger Verschreibung vom Herzog über das Boisalz. Es haben demnach noch verschiedene Verschreibungen bestanden, die verloren sind. Zur Klärung des Sachverhaltes genügt das erhaltene Material jedoch vollauf. 2) In dem gleichen Urkundenverzeichnis erwähnt. 3) Mylius, Corpus Const. March. IV. 2.1. Vgl. Papritz, a. a. O., S. 48.

Versiedung rentabel gestalten zu können.

Es war unzweifelhaft

eine ausgezeichnete Idee, das Boifalz in dieser Sole aufzulösen.

Dem Kurfürsten und seinen Räten kam es sicher sehr gelegen, die Einführung des Salzmonopols — dieser Ausdruck wurde im Edikt begreiflicherweise sorgfältig vermieden — mit der ein­ heimischen Beelitzer Quelle motivieren zu können. Ohnedies entstand

im Lande darüber ein heftiger Unwille, und vielfacher Widerspruch wurde laut. Aber der Kurfürst ließ sich nicht beirren, sondern sorgte dafür, daß sein Mandat mit Nachdruck durchgeführt wurde, z. B.

wurden einigen Zuwiderhandelnden Fuhrleuten Pferde und Wagen beschlagnahmt. Grieben hat später angegeben, er habe dem Salzhandel „einen feinen Anfang" gemacht, und alle erhaltenen Nachrichten stimmen darin überein, daß dem wirklich so war. Sein Hauptinteresse muhte

sich naturgemäß auf die Beelitzer Quelle richten. Zuerst einmal galt es, einen tüchtigen Techniker zu gewinnen. Grieben fand ihn im Meister Hans Guldenzopf aus Weimar, der im Auftrage Joachims II. zusammen mit dem kurfürstlichen Küchenmeister Hans

Blankenfelde und einigen andern Sachverständigen das Beelitzer Salzwerk einer genauen Untersuchung unterzog und darüber ein ausführliches Gutachten einreichte*). Seine Vorschläge, wie man die

wilden Wasser abfangen und die Sole rein zutage fördern könne, lauteten dahin, daß man einen, vielleicht sogar zwei neue Schächte mit je einer Pferdekunst^) außer den bereits vorgefundenen zwei

alten versoffenen anlegen müsse, da anders der Solschacht nicht frei zu bekommen sei. Er glaubte ferner, den Mangel der im Jahre 1544

eingerichteten Pferdekunst, die nur mit Aufbietung größter Kraft in Gang hatte gehalten werden können, erkannt zu haben und wußte

auch dafür Abhilfe. Schließlich erbot er sich, einem Baumeister die nötige Anleitung beim Ausbau des Salzwerks zu geben. Es ist zu

vermuten, daß sich Joachim Grieben dieses Bauprogramm zu eigen machte, der Erfolg dürfte jedoch nicht den Erwartungen entsprochen

haben.

Grieben war indessen mit

seinem Bergtechniker auher-

*)~Rep. 9 T5a, fol. 12 ff. 2) Die beiden „Roßkünste" bestanden, wie bei einer Besichtigung im März 1564 befunden wurde, aus zwei großen, auf beiden Seiten der Grube stehenden hölzernen Rädern mit eisernen Ketten, mittels deren das Wasser durch hölzerne Rohre gehoben und in hölzernen Rinnen abgeleitet wurde. Die ganz aus Eisen gefertigte Hirsch'sche Wasserkunst von 1549 (vgl. oben S. 43) war abgebaut.

ordentlich zufrieden, hatte er doch im Lande eine Sole aufgefunden, die angeblich dreimal so stark als die Beelitzer war. Inmitten seiner verheißungsvollen Arbeit wurde Guldenzopf zum großen Leidwesen seines Auftraggebers von einem plötzlichen Tode ereilt1). Soviel steht fest, daß in Beelitz und außerdem in Brandenburg von Joachim Grieben Salzkokturen in größerem Stil betrieben wurden. Eine nicht weniger bedeutende Anlage sollte in Havelberg erstehen: schon waren die erforderlichen Gebäude errichtet, auch Salz und Holz in genügender Menge beschafft, als eine nicht vorher­ zusehende Überschwemmung das Salz fortschwemmte und auch sonst großen Schaden verursachte. Der Kurfürst, der sich für die Errichtung der Koktur in Havelberg anfangs sehr eingesetzt hatte, sorgte nach dieser Erfahrung dafür, daß sie wieder aufgegeben wurde. Daraus leitete später Joachim Grieben die Berechtigung ab, dem Kurfürsten die Schuld an dem mißglückten Unternehmen in Havelberg zu­ zuschreiben und ihn für den Schaden verantwortlich zu machen, den er mit 25 000 Talern berechnete1). Ohne Zweifel stand diese Summe in keinem Berhältnis zu dem wirklich erlittenen, wesentlich geringeren Berlust. Außer diesen großangelegten muß es auch eine Anzahl primitiver Sudküchen gegeben haben, z. B. in Schmöckwitz. Leider ist die einzige Quelle, die darüber etwas verlauten läßt, eine flüchtige, schwer zu deutende Notiz des Kanzlers Distelmeier1). So­ viel scheint jedoch sicher, daß der Inhaber des Lehngutes Schmöckwitz, Paul Freiberg, auf seiner Besitzung eine Boikoktur angelegt und Joachim Grieben ihm die für die Einrichtung und den Betrieb erforderlichen 475 Taler vorgelegt hat. Das Unternehmen scheint mit einem Mißerfolg geendet zu haben. Jedenfalls war Paul Freiberg nicht imstande, den Borschuß zurückzuerstatten, so daß Grieben ge­ zwungen war, die Schuld einzuklagen. Er wurde gemäß gerichtlichem Urteil durch den Hausvogt in das Gut Schmöckwitz eingewiesen, um sich daraus für seine Schuldsumme nebst 60 Talern, die ihm als Schadenersatz zuerkannt wurden, bezahlt zu machen. Paul Freiberg erreichte durch seinen Protest, daß die Angelegenheit noch einmal vor Gericht aufgerollt wurde, aber ohne besseren Erfolg. Schließlich *) Mitteilung Joachim Erlebens an Jakob am 25. September 1559. R.-A. Leipzig a. a. O. 2) Stände-Arch. C50 Nr. 11 fol. 192. •) Rep. 21. 23a.

verklagten nach seinem Tode seine Söhne und die Witwe Joachim Grieben aufs neue und bezichtigten den Beklagten unlauterer

Machenschaften; so habe er ein Blankett des Verstorbenen mißbraucht, übrigens aber nach erlangtem Urteil ihr Lehngut durch Raubbau verwüstet. Über den Ausgang dieses Prozesses schweigen die Akten. Von einer weiteren, ursprünglich nur provisorisch gemeinten

Sudküche erfahren wir leider nur, daß sie in der „S a i g e r h ü t t e" untergebracht worden war, nicht aber, wo diese lag. Nachdem Grieben versichert hatte, er wolle den Saigerbetrieb nicht behindern

und sein Salz an einem andern Ort versieben, „darzu dan damals Blankenfelds Ziegelscheune am bequemsten geachtet worden", hatte man ihm gestattet, sich der technischen Einrichtungen der Hütte zu bedienen. Bald aber kam es zu blutigem Streit zwischen dem Griebenschen Salzmeister und Andreas Lotter, der die Saigerhütte im Namen der Gewerke, die sie erbaut hatten, verwaltete. Lotter erhob Einspruch dagegen, daß sich Griebens Leute immer mehr aus­ dehnten und schließlich die ganze Hütte einnahmen. Bei der Aus­ einandersetzung darüber wurde Lotter von dem Salzmeister schwer verwundet. Sofort griff der Hauptmann von Saarmund, Joachim

von Rochows Sohn Abraham, zugleich der vornehmste und Leiter der Gewerke, zu und vertrieb die Arbeiter Griebens mit Gewalt aus

der Saigerhütte, riß die Salzpfannen ein, zerschlug die Bottiche und bemächtigte sich des vorgefundenen Salzes und Brennholzes. „Daß es zu erbarmen gewesen", schrieb Grieben später darüber und be­ hauptete: „dergestalt ist es an andern Orten, do es angerichtet worden, auch zugangen, und ist mir und meinen Leuten ghar nicht mehr hinzukommen gebotten roorben"1). Der Kurfürst bestritt es, daß Grieben zu solchen Vorwürfen berechtigt sei; im Gegenteil könne er ihm nur dankbar sein, daß er das Verfahren gegen den Salzmeister

niedergeschlagen habe, gerade weil er den Salzhandel auf keinen Fall stören wollte.

Laut Abmachung mit den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg sollte

der

Elbschiffahrtsbetrieb

genommen werden.

zu

Ostern

1560

aus­

Das Salzschiff, das gerade in jener Zeit der

Stadt Lüneburg beim Zoll zu Bleckede in die Hände fiel, sollte

offenbar die Kampagne eröffnen. Im nächsten Jahr (1561) gelangte eine Fracht von 72 Last bereits unbehindert von Hamburg auf der

*) Stände-A. a. a. O., fol. 141 v.

Elbe nach ihrem Bestimmungsort. Grieben rühmte sich des Ver­ dienstes, im ganzen etliche hundert Last Salz in die Mark geschifft

und dort versotten zu haben. Was wollte das aber schon bedeuten, wenn er selbst den Jahresbedarf der Kurmark mit 6000 Last be­

rechnete!

In Hamburg hatte Grieben zwar größere Einkäufe von

Boisalz getätigt, 1562 lagerten dort 1050 Last für ihn, zu ihrer Verschiffung nach Brandenburg ist es jedoch nicht mehr gekommen.

Da die Griebensche Salzoersorgung so wenig imstande war, den Bedarf des Landes zu decken, ließ sich die vom Kurfürsten verordnete Einfuhrsperre keineswegs aufrechterhalten.

Sie scheint nur

ganz kurze Zeit und auch nicht an allen Grenzen gleichmäßig wirksam gewesen zu sein. Kurfürst Joachim II. hatte in dieser Hinsicht jeden­ falls seine Schuldigkeit getan; überhaupt scheint ihm das Griebensche

Unternehmen am Herzen gelegen zu haben, wußte er es doch den

Ständen gegenüber recht energisch zu vertreten. Und trotzdem hat er nicht gesäumt, seine bündigsten Versprechungen hintanzusetzen und Joachim Grieben, der ohnedies schon schwer zu ringen hatte, in

seinen Rechten zu beeinträchtigen, wenn nur damit ein augenblick­ licher finanzieller Vorteil verknüpft war. Der erste Anlaß dazu bot sich schon im Jahre 1560, gerade als sich Stiebens Handlung noch verheißungsvoll entwickelte. In Frankfurt a. d. O. hatten zwei verschiedene Unternehmer begonnen, Boisalz zu oersieden. Der eine,

Konrad Affe, wußte sich dank seiner Konnexionen als Ratsherr ein Privileg der Stadt darüber zu beschaffen, der andere, Peter

von Dhorn, verfuhr eigenmächtig*). Im Interesse des Griebenschen Monopols sah sich der Kurfürst Joachim II. veranlaßt, am 15. Juli 1560 bei der Stadt Frankfurt gegen das dort eingerissene

Boisieden einzuschreiten. Aber Konrad Affe verstand es, durch Zahlung von 800 Talern das kurfürstliche Verbot ins Gegenteil umzukehren: unter dem 22. September 1560 privilegierte ihn Joachim II. dazu, als einziger in Frankfurt mit zwei Pfannen See­ salz zu versieben und es wie zuvor zu verhandeln. Die gleichfalls erteilte Berechtigung, das erforderliche Brennholz vor den Toren der

Stadt aufkaufen zu dürfen, nahm wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse

der Einwohner und führte unvermeidlich zu einer starken Preis­ steigerung des Brennmaterials, die in Frankfurt sehr böses Blut *) Papritz a. a. O. S. 48 und Anm. 50, wo die weiteren Schicksale der Frankfurter Siederei angegeben sind. Für das Folgende sei überhaupt auf diese Darstellung verwiesen.

erregte. Grieben ging bei diesem Handel leer aus. Sein Monopol in der Kurmark war durchbrochen, noch ehe er überhaupt Zeit gehabt hatte, es durchsetzen zu können. Vielleicht hat der Kurfürst nicht einmal ganz ohne sein Wissen gehandelt, aber was sollte Grieben

dagegen unternehmen! Ihm lag auch wohl anfangs mehr daran,

den westlichen, durch Elbe und Havel erschlossenen Teil der Kurmark zu erfassen. Er mußte es sich genügen lassen, daß in Asses Verschreibung ausgemacht war, es solle gegen Rückzahlung der 800 Taler die Frankfurter Siederei ein Ende haben. Wer diese Summe zur Einlösung des Privilegs dereinst würde aufzubringen haben, konnte Grieben nicht zweifelhaft sein.

Grieben und die Loitz-Lindholz.

Kurfürst Joachim II. war noch weit stärkere Proben von seiner Unzuverlässigkeit zu geben imstande. Die Voraussetzung dazu waren

zwei zahlungsfähige Rivalen: auf der einen Seite Joachim Grieben mit seinem reichen Leipziger Verwandten im Hintergrund, auf der andern das Großhandels- und Bankhaus der Loitz und ihr Gesellschafter Andreas Lindholz. Das hemmungslose Hin- und Herschwanken des Kurfürsten zwischen den beiden Parteien, je nach­ dem die eine oder die andere mehr zu bieten verstand, der tolle

Wechsel sich widersprechender und gegenseitig aufhebender Privi­ legien, und im Gegensatz dazu die feierlichen Worte von Treu und Glauben bieten ein so bedenkliches Bild, daß es der unzweideutigen Darstellung des Thomas Matthias bedarf, um diese Widersprüche nicht etwa mit einem Mangel der Überlieferung zu motivieren. Die Loitz hatten im Herbst des Jahres 1560 als Nachfolger der zusammengebrochenen Gesellschaft des Danzigers Antoni Schmidt die

Salzoersorgung Schlesiens in ihre Hand genommen, ihnen konnte deshalb die Entwicklung in der Kurmark nicht gleichgültig sein. Um sich vor Griebens Ansprüchen zu sichern, wußten sie im April 1561 den Kurfürsten vermöge einer Anleihe von 72 000 Talern unter anderm dazu zu bewegen, ihnen das alleinige Recht zu ver­ schreiben, Boisalz aufderOder durch die Mark zu verschiffen.

Ein solches Privileg war gleichbedeutend mit einem Monopol für Schlesien und die Lausitz, denn wie sollte es andern möglich sein,

mit Hilfe der Wagenfuhren über Land mit der billigen Oderschiffahrt zu konkurrieren?

Die Loitz hatten guten Grund, mit dieser Ver­

schreibung, die der Wirtschaftspolitik des Nachbarlandes zwingende

Fesseln anlegte, nur recht behutsam vorzugehen. Zuerst einmal liehen

sie nichts davon verlauten. Bei den Verhältnissen am Hofe Joachims II. war es unvermeid­ lich, daß Joachim Grieben alsbald davon unterrichtet war, was sich hinter seinem Rücken abgespielt hatte. Nun ließ sich zwar das Recht der Verschiffung von Boisalz auf der Oder nach Schlesien und der Lausitz formell mit den eigenen Privilegien in Einklang bringen,

aber bei dem unfertigen Zustand der kurmärkischen Boisalzversorgung waren selbstverständlich Unterschleife im großen Stil zu be­ fürchten. Mehr noch aber fühlte sich Grieben deswegen benachteiligt,

weil er selbst sich Hoffnungen machte, die schlesische Salzversorgung

übertragen zu erhalten, und die war nicht durchzuführen, solange das Privileg der Loitz und Lindholz im Wege stand. Grieben ließ sofort seine Gegenmine springen.

Die Gelegenheit dazu bot ihm eine

besonders bedeutende Finanztransaktion mit dem Kurfürsten, von

der noch weiterhin zu handeln sein wird. Der Kurfürst hatte kaum

den Loitz und Lindholz die Verschreibung über 72 000 Taler unter­ zeichnet, als er sich bereits wieder heimlich mit Joachim Grieben

einließ. Dessen Anspruch, „daß der Pah mit der Boie auf den Wasser­ strömen dieses Landes, sonderlich aber auf der Oder außerhalb ime sonsten niemants werde Derftatteöt"1), konnte der Kurfürst beim

besten Willen noch nicht willfahren, aber er versprach ihm doch, das den Loitz und Lindholz eingeräumte Recht mit allen Kräften und Mitteln zu sabotierens. Ein entsprechender Passus fand auch

in die Urkunde vom 28. Juni 1561 Aufnahme, die den Abschluß des Griebenschen

Geldhandels

mit

dem Kurfürsten

bildete.

Thomas

Matthias konnte bei seiner Darstellung dieser Händel sich nicht

enthalten, darauf hinzuweisen, wie unwahrhaftig diese kurfürstlichen Zusagen gewesen seien, „da doch ire Durchleuchtickeidt solchs (nämlich

die

Boischiffahrt)

erstlich

der

keyserlichen

Majestät

und

dan

darneben auch den Loitzen und Lindholzen oormoge irer damals

besonderen mit inen habenden Vergleichungen mit einigem Schein oder Fuge gar nicht vormogen zu weren". Es war dem Kurfürsten Vorbehalten, sich in der gleichen An­

gelegenheit zur selben Zeit noch nach einer dritten Richtung hin fest« *) Stände-Arch. C 50 Nr. 11 fol. 36. 2) „Das ire churf. Durchlauchtickeidt die Boienschiffahrt jeder Zeit höch­ stes ires Vormagens und soviel ir ummer geburen werde, hindern und weren wollen." Edda.

zulegen. Der Danziger Niklas Hawel hatte vom Kaiser die Boisalzversorgung der Lausitz übertragen bekommen, war aber dabei auf Schwierigkeiten bei der Stadt Frankfurt a. d. O. gestoßen. Wider Erwarten, denn er glaubte, sich auf eine Zusage des Kurfürsten vom Jahre 1555 berufen zu können (dieselbe, auf die Thomas Matthias mit feinen oben wiedergegebenen Worten anspielt), wonach der vom

Kaiser privilegierten Gesellschaft des Antoni Schmidt auf 13 Jahre

das Recht zustand, das zur Versorgung Schlesiens erforderliche Boisalz oderauf zu schiffen. Im Vertrauen darauf hatte Hawel in Guben bereits große Anstalten zur Versiedung getroffen. Frankfurt suchte

Schutz bei seinem Landesherrn, bei dem in Hawels Interesse Erz­ herzog Ferdinand zu wirken suchte. Und der Kurfürst brachte es fertig, die Boiverschiffung auf der Oder nach der Lausitz mit der

Begründung zu verbietens, er habe sich auf Grund sorgfältiger Nach­ prüfung davon überzeugt, daß sie seiner Stadt Frankfurt in jeder Hinsicht schädlich sei. Die Zusage von 1555 bezöge sich auch nur auf

die Schiffahrt nach Schlesien. Frankfurt war über diesen Bescheid hocherfreut; es muhte sich in bester Hut seines Kurfürsten wähnen. Sehr lange sollte

diese Freude nicht währen.

Genau drei

Monate später — Mitte September 1561 — mußte sich Joachim II. unter dem Druck seiner Geldgeber dazu entschließen, den interessierten Städten die offizielle Mitteilung von dem Boischisfahrtsprivileg der Loitz-Lindholz zu machen! Was half da alles Appellieren Frankfurts an die handelspolitische Einsicht des Kurfürsten, an das Herz des

„Vaters des Vaterlandes", die Sperre am Oderberger Zoll wurde

sofort mit aller Schärfe durchgeführt! In Stettin hatte man bisher

von der Griebenschen Salzversorgung noch keine unangenehmen Folgen zu spüren bekommen. Wohl wußte man sich zu erinnern, vor Jahren etwas von einem kurmärkischen Salzeinfuhrverbot gehört zu

haben, auch beobachtete man argwöhnisch die Entwicklung in Beelitz;

eine Behinderung hatten die Stettiner Salzkaufleute jedoch nicht zu beklagen gehabt. Jetzt war es deutlich zu spüren, daß größere Mächte am Werke waren, lagen doch in kurzer Frist zahlreiche Stettiner

Salzschiffe in Oderberg fest. Stettin antwortete seinerseits mit der

Verkündung einer allgemeinen Sperre der Boischiffahrt, die sich infolge weiterer Ärgernisse bald zu der Oderhandelssperre des Jahres 1562 auswuchs. *) Am 12. Juni 1561. Vgl. Papritz a. a. D. S. 63.

Ungeachtet dessen ging der Kampf der Rivalen mit unver­

minderter Schärfe weiter. Welche Methoden dabei zur Anwendung

kamen, läßt uns eine Stelle aus einem Brief ahnen, den Joachim Grieben am 25. Februar 1561 an Thomas Matthias richtete2). „Der

Loyzen Vertragt", heißt es da, „solt Ihr bei der alten Kantzlerin aufsuchen lassen, weil Ruckers nicht damit herfur wil. Es ton nicht

feilen, es muß etwas dahinder stecken, daran churfurstlicher Gnaden gelegen sein wirbt. Und Hans Bretschneider sollet Ihr befhelen, das ehr den Loyzen die Verschreibunge nicht wider zustellen sol; sie

werden nicht feiren und darumb bei ihm anhalten". Grieben ging also offenbar darauf aus, irgendwelche unlauteren Machenschaften

der Loitz aufzudecken und beim Kurfürsten anzuzeigen, um so das Zustandekommen eines Vertragsabschlusses zu hintertreiben. Eine gegen Lindholz gerichtete Supplik an den Kurfürsten blieb indessen wirkungslos, und Grieben glaubte, deshalb Grund zur Beschwerde zu haben: man dürfe es ihm nicht verargen, wenn er nunmehr zur

Selbsthilfe schreite2). Er war sich allerdings der Folgen seines Unter­ fangens bewußt. Zum mindesten muhte es große Mlltel erfordern, denn der Kurfürst war sicher nicht eher zu bewegen, von den Loitz abzulassen, als bis ihm eine andere Quelle erschlossen war, aus der er seinen Geldbedarf würde decken können. Joachim Grieben schrieb deshalb am 15. Mai nach Leipzig: „Ich besorge, sol der Loyzen Dingt zuruck gestoßen werden, werde ich selber noch Gelt aufbringen müssen". Diese Konsequenz mag Grieben unbehaglich genug gewesen sein und seiner Aktion die rechte Kraft genommen haben. So blieb

ihm nichts übrig, als resigniert am 28. Juni nach Leipzig zu melden: „Die Handlung mit Loizen und Lintholzen ist für sich gangen, unangesehen, was Ihr und ich solchen Schaden zu wheren furgewandt

haben. Mus es dem Almächtigen befhelen! Es wird mit der Zeit am Tage kommen, wie dieselben, die es getrieben, die Herrschafft gemeint haben."

Mit der offiziellen Bekanntgabe des Loitz-Lindholzschen Oder­ schiffahrtsmonopols hatte Joachim II. deutlich genug bekundet, daß er keine Rücksicht mehr auf die Interessen seiner Stadt Frankfurt oder gar auf sein dem Joachim Grieben schriftlich gegebenes Ver­

sprechen, die Salzschiffahrt auf der Oder hindern zu wollen, zu *) Stände-A., C 50, Nr. 11 fol. 41. 2) Wohl der kurf. Rentmeister Rüdiger Rust. ’) Michaelis 1562. Stände-A. C 50 Nr. 11 fol. 78v. 7 Großkaufleute 1

97

nehmen

gesonnen

war.

Diesmal

hatten

die

Loitz

das

Spiel

gewonnen, und es galt vorläufig, sich dreinzuschicken und auf eine günstige Gelegenheit zu hoffen. Daß die nicht lange auf sich warten lassen würde, darauf durfte Grieben angesichts des unsteten Charakters des Kurfürsten und der verworrenen Lage der Finanzen des Kurstaates mit Bestimmtheit rechnen. So ließ er sich nicht ein­ schüchtern: vielmehr suchte er jetzt einen zentralen Stoß gegen die Stellung des Feindes zu führen und den Loitz am kaiserlichen Hofe bei der Bewerbung um das schlesische Boisalzmonopol den Rang abzulaufen. Dieser Plan macht dem Unternehmungsgeist und Wagemut Joachim Griebens alle Ehre, aber zweifellos ging er weit über seine Kräfte hinaus. Zu seinem eignen Glück blieb seinen wiederholten

Bewerbungen in Prag der Erfolg versagt, wenn er sich nicht schon daran genug sein lassen wollte, wenigstens auch den verhaßten

Konkurrenten das Geschäft verdorben zu haben.

Zwei Briefe, vom 8. und 12. November 1561, an den Oheim in Leipzig, der natürlich auch hierbei finanzielle Hilfestellung leisten mußte, schildern den bewegten Verlauf der Verhandlungen. Recht wohl war Joachim Grieben bei dem Gedanken, offen den Loitz ins Gehege zu kommen, doch nicht. Er warnte deshalb den Onkel: „Aber

last Euchs legen Wusthuffen oder fünften kegen einigen Menschen mit keinem Wort vermerken, dan do die Loyzen oder andere im

geringsten etwas davon erfharen wurden, börste mihrs zu unverwintlichem Schaden auch wol zu Gefhar meins Leibs gereichen." Diese Sorge war nicht ungerechtfertigt, wie der Bericht über die

Ereignisse in Prag beweist. Joachim, der sich gerade wieder zum kaiserlichen Hof zu reisen anschickte, hatte den Onkel inzwischen nicht

sprechen können und sah sich deshalb genötigt, schriftlich zu berichten: „Freundlicher lieber Vetter Jakob! ... Wil Euch ... nicht bergen, das ich mit der keyserlichen Mayestät noch nichts geschlossen, unan­

gesehen, das mich ihr keyserliche Mayestät nach der Lenge gehöret und heimlich Horen lassen. Verhoff aber, etwas fruchtbarlichs albet zu schaffen. Der Almechtige verleihe sein Gnade zu allem, was mihr zu Erhaltung der Sehlen Heil gut und nützlich sein möge. Amen!

Ich bitte aber, Ihr wollet dis alles aufs vertraulichst bei Euch bleiben lassen, damit es kein Mensch erfharen muge, den ich Euch nicht bergen wil, das mihr Hans Loytz und Andres Lintholz zu Prag im Schlöffe und in der Freiheit gantz abgesagt, so fern ich Ihnen des

Handels halben (Eintrags thun werde; und nicht allein mich, fundern gesagt, sie wollens an mich und den Meinen rechen, wie Euch das alles Jacob Deterdt berichten ton, wan Ihr zu Berlin kumpt. Es ton aber den Dingen allen Rath gefunden werden, wan ich nuhr mit Gots Hülffe wider zu Prag kumme und etwas ausrichte." Für diesen Fall rechnet er bestimmt auf die Hilfe des Onkels und bittet, ihm diese unverzüglich zuzusichern. „Im Blawen Löwen aufm Retschin (Hradschin) sol man mich finden. Dan Loyze und Lintholtz haben Ihr Mayestät 30- oder 50 000 Thaler vorzustrecken an­

geboten ... Es ist auch mein Bit, ... wollet mihr zur Freundschaft von Diterich Affen, Servatius Radtman oder andern, die nach Präge handeln, ein Schreiben an einen gewissen Man daselbst schaffen, der

mihr auf mein Ansuchen zu 500 oder 1000 Thalern bis auffs Neu» jhar oder zu Frankfurt zu begasen im Fall der Noth Helffen

muchte ..., dan man offte mit ein Geringen etwas großes ausrichten kan."

Die Aufwendungen waren vergeblich. Man scheint am kaiser­ lichen Hofe nur die Gelegenheit benutzt zu haben, Grieben tüchtig nach Verhältnissen und Technik des Seesalzhandels auszuhorchen. Immerhin glaubte Grieben auch nach seiner Rückkehr aus Prag, sich

noch Hoffnungen auf das schlesische Salzmonopol machen zu dürfen,

um so mehr, wenn es ihm gelang, den Loitz und Lindholz ihr Recht der Boisalzschiffung auf der Oder doch noch abzugewinnen. Grieben

drang deshalb erneut aufs heftigste in den Kurfürsten, er solle ihm

dieses Recht übertragen. Nach dessen bisherigem Verhalten in dieser

Angelegenheit durfte Grieben durchaus hoffen, zu seinem Ziel zu gelangen — wenn er nur genügend Geld sehen ließ. Von dieser Werbung erfuhr auch Thomas Matthias, der zu seiner nicht geringen Verwunderung feststellen mußte, daß sein Herr bereits früher ohne sein Wissen dem Joachim Grieben durch die Klausel der Urkunde vom

28. Juni 1561 die unhaltbare — und wie wir sahen, ja auch nicht gehaltene — Zusage gemacht hatte, die Boischiffahrt auf der Oder

verhindern zu wollen. Matthias hielt es für feine Pflicht, den Kur­ fürsten „mit Erzelung allerley Ungelegenheiten, Schimpfs und Nach­

teils, so irer Durchlauchtickeidt bey der keyserlichen Mayestät und sonsten daraus erwachsen worden" zu warnen. Doch umsonst! Am 4. Januar 1562 hatte Grieben den erwünschten Schein gegen Zahlung von 5000 Talern in Händen*)! Danach sollte ihm allein und *) Stände-Arch. BIOS Nr. 1. 7*

99

erblich das Recht zustehen, auf der Oder B o i f a l z zu schiffen, wenn die Loitz und Lindholz sich nicht mit dem Kaiser über das schlesische Monopol einigen würden. Einen Tag später versicherte der Kurfürst noch durch einen besonderen Revers, er wolle die 5000 Taler nebst Zinsen zurückerstatten, wenn Grieben bei diesem Handel vom Kaiser behindert mürbe1). Wenigstens soviel setzte

Matthias nachträglich durch, daß auch Grieben einen Revers unter­

zeichnen .mußte, die kurfürstliche Berschreibung geheim halten und niemandem zeigen zu wollen und sich des Rechtes der Boifchiffahrt auf der Oder nicht eher zu bedienen, als bis das schlesische Salz­ monopol den Loitz und Lindholz abgeschlagen und ihm selbst über­ tragen worden fei2). Besonders die letzte Bedingung legt ein gutes Zeugnis für das Geschick des kurfürstlichen Kammerrates ab, bot sie doch einige Aussicht, aus dem Wirrsal der sich widersprechenden Zu­ sagen Joachims II. einen leidlichen Ausweg zu finden. Grieben mag nicht sehr erbaut davon gewesen sein, seine Berschreibung so ver­

wässert zu sehen. Als Druckmittel bei den Berhandlungen mit dem Kaiser ließ sie sich schon gar nicht mehr verwenden. Für die großangelegten Pläne der Loitz war gleichwohl die Position, die Grieben in der Mark gewonnen hatte, unbequem.

Ihre Versuche, sie irgendwie zu erschüttern, waren mißlungen, so blieb ihnen nichts übrig, als die weitere Entwicklung abzuwarten, und da wird es ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, daß die Salzversorgung der Kurmark nicht eben schnell zu Werke kam und mit größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Ihre ausgezeichneten Informationen und ihre nahen Beziehungen zum Berliner Hof haben ihnen ohne Zweifel Griebens bedenkliche Finanzlage offenbart. So

ließen sie ihn auf dem Ostermarkt 1563 in Leipzig, auf dem Grieben verzweifelt um Erhaltung seines Kredites zu kämpfen hatte, durch

Andreas Lindholz daraufhin ansprechen, ob er nicht bereit sei, ihnen sein märkisches Salzhandelsprivileg abzutreten. Er solle seine Forderungen zu Papier bringen, damit man darüber verhandeln

könne, sobald die Loitz auf der Messe erschienen. Grieben war trotz seiner augenblicklichen schweren Notlage bestimmt nicht besonnen genug, um die Gelegenheit richtig wahrzunehmen; vielmehr suchte er den Konkurrenten durch maßlos übertriebene Forderungen zu be­ weisen, was sein Monopol wert sei und wie gut er dastände. Das

*) Stände-Arch. A 6 Nr. 2 fol. 74. -) Stände-Arch. C 50 Nr. 11 fol. 37.

hat er in ähnlicher Lage stets getan. Um so weniger verwunderlich ist es, daß wir von diesem Angebot, das für Grieben eine Wendung

seines Schicksals herbeiführen konnte, nie wieder etwas hören. Bezüglich des schlesischen Monopols hatten schließlich die Loitz

nicht mehr Glück als Grieben: der Kaiser nahm die Salzversorgung seines Landes in eigene Regie. Aber es glückte dem Kurfürsten Joachim II., die Last der Entschädigung wenigstens für das Privileg

der Loitz-Lindholz auf den Kaiser abzuwälzen, dem die Abfindung nicht weniger als 18 000 Taler kostete.

Von Stiebens geheimer

Verschreibung hatte man natürlich nichts verlauten lassen dürfen. Nach dem klaren Buchstaben seines Reverses, den die kluge Voraus­ sicht des Thomas Matthias formuliert hatte, konnte Grieben nur die

Rückzahlung seiner 5000 Taler nebst Zinsen verlangen. Er hat sich jedoch später nicht gescheut, 6000 Taler für die ihm entgangene

Nutzung dieses Privilegs pro anno dem Kurfürsten in Rechnung zu setzen und für die Wiedereinlösung seiner Verschreibung nicht weniger als 12000 Taler zu fordern!

Schlechter Fortgang des Unternehmens. Wenn wir der Behauptung Joachim Griebens, er habe seinem Salzhandel „einen feinen Anfang gemacht", glaubten beipflichten zu dürfen, so muß leider die Einschränkung hinzugefügt werden, daß es bei dem feinen Anfang sein Bewenden gehabt hat. Schon bei k>er Geschichte der Griebenschen Salzkokturen war von einer Serie von Mißerfolgen zu berichten. Die Verhandlungen in Prag endeten nicht

besser, sie forderten vergebliche Unkosten, genau so wie das letzten Endes unverwertbare Oderschiffahrtsprivileg. Dem Betrieb der kur­ märkischen Salzversorgung war es auch gewiß nicht förderlich, daß

Grieben zu Anfang des Jahres 1561 sich nicht sicher im Lande fühlte und seinen Wohnsitz auf einige Wochen oder Monate nach Witten­ berg verlegte. Sein Vater Andreas Grieben und Jakob Detert hatten von ihm Vollmacht, in seiner Abwesenheit den Salzhandel zu

fördern. Alles das hätte wohl überwunden werden können, wenn sich nicht die Grundlage des ganzen Gebäudes verändert hätte: der

S a l z p r e i s.

Der plötzliche Übergang großer Gebiete zur Ver­

sorgung mit Seesalz führte zu einer so starken Nachfrage, daß die

Preise steigen mußten. Die Rentabilitätsberechnungen der Salz­ monopole basierten auf bald überholten Einkaufsbedingungen. Wollte oder konnte man die vorausgesetzte Gewinnspanne nicht ver-

ringern, so mußte man beim Verkauf wohl oder übel die Preis­ bewegung des Rohsalzes mitmachen. Joachim Grieben war durch das Drachenfuhsche Privileg in seiner Preispolitik nicht eindeutig

festgelegt, verpflichtete es doch seine Inhaber nur dazu, die Käufer nicht zu überteuern. Der Kurfürst wollte sich indessen, wie er Thomas Matthias mehrfach erklärte, deutlich erinnern, Joachim

Grieben habe bei seiner Bewerbung um das Monopol versprochen,

er wolle das Salz abgeben, wie es zu Groß-Salze und Staßfurt verkauft werde. Wenn Grieben schon, wie man wohl glauben darf, solche Äußerungen getan hat, so fühlte er sich doch nur durch den Wortlaut seines Privilegs gebunden. Schon im Herbst des Jahres 1561 wurden Klagen in der Kur­

mark über Preissteigerungen laut.

Als Frankfurt a. d. O. gegen

das Loitz-Lindholzsche Oderschiffahrtsprivileg Stellung nahm, be­ schwerte es sich darüber, daß das Boisalz, nachdem es anfangs durch

billigen Preis alles andere Salz verdrängt habe, nunmehr schon teurer sei, als das gute Salz je zuvor**). Im gleichen Sinne äußerten sich die Abgesandten der kurmärkischen Städte wenige Wochen später3). Der von Anfang an gegen das Seesalz gehegte Verdacht, es sei nicht gesund, und zum Einsalzen und Pökeln nicht brauchbar, wurde bei solchen Gelegenheiten wieder laut. Als besonders schwer zu tragender Nachteil wird von den Städten die Verteuerung des

Holzes bezeichnet: bald werde unter zehn nicht mehr ein einziger bauen können, heißt es einmal. Diese Steigerung der Brennstoff­ preise mußte naturgemäß auch wieder auf die des Salzes zurück­ wirken. Es währte nicht lange, so entstand ein heftiger Konflikt zwischen Joachim II. und Grieben, der den Preis nach eigenem Ermessen festsetzte und sich nicht an Weisungen und Verbote des Kurfürsten kehren wollte. Als er schließlich dazu gezwungen wurde,

erklärte er, dann lieber überhaupt nicht mehr weiter sieden zu wollen, und stellte den Betrieb ganz ein. Diejenigen Orte, die es mit dem Einfuhrverbot genau genommen hatten, litten sehr bald Mangel.

Dazu mag nicht wenig auch der Handelskrieg zwischen Brandenburg und Pommern beigetragen haben, denn es heißt, daß die Not im Odergebiet

besonders

groß

gewesen

sei.

So

führte

die

Stadt

Wriezen beim Kurfürsten Beschwerde, sie habe kein Salz, um die

*) Papritz a. a. O. S. 67. *) Am 7. Oktober 1561. Friedensburg, Ständeakten II, 6.214. auch die ähnliche Beschwerde der Stadt Stendal, ebenda S. 245. 102

Vgl.

Fische einzulegen. Thomas Matthias berichtet, Grieben habe sich an­ gesichts dieser Mißstände erst recht halsstarrig gezeigt, „vielleicht der Meinung, eine Kaufsteigerung seines Gefallens zu erzwingen". Das

gelang ihm jedoch nicht, und damit war das Ende des Unter­ nehmens besiegelt. Der genaue Termin des Zusammenbruchs läßt sich nicht angeben. Ein reger Betrieb ist überhaupt nur in den Jahren 1560 und 1561 spürbar, 1562 ist bereits alles verdächtig still.

Im Jahre 1564 war die Beelitzer Anlage schon wieder verrottet und verkommens. Schon Thomas Matthias hat Grieben in Verdacht gehabt, die Halsstarrigkeit, mit der er die Wiederaufnahme des Betriebs ab­

lehnte, schreibe sich vielleicht daher, daß er aus Kapitalmangel gar nicht mehr dazu imstande gewesen sei: „Und lest es sich fast ansehen", schreibt er, „nachdem Joachim Grieben villeicht das Cantate hoher

angefangen, dan er es vermocht auszusingen, das er unvermugens halben weiter nicht vortgekondt und vor sich aus eigener Nodt muffen stecken bleiben". Diese Vermutung hat viel für sich, wenn man erwägt,

daß bei einer Jahresoersorgung von 6000 Last Boisalz allein der Einkauf in Hamburg an 100 000 Tl. erforderte, daß Transport, Ver-

siedung und Absatz sehr viel Zeit beanspruchten, und daher die Gelder nur langsam wieder eingingen. Insgesamt dürfte der Verlag kaum

unter 150 000 Tl. benötigt haben. Solchen Anforderungen war weder Joachim Griebens Vermögen und Kredit noch seine Finanz- und Wirt­ schaftstechnik gewachsen. Was die Rentabilität des Unternehmens an­

geht, so nahmen Grieben und der Kurfürst einen jährlichen Reinertrag von 75000 Tl., also 50% des Kapitals, an. Davon sollten aber dem Kur­

fürsten zwei Drittel, dem Unternehmer nur ein Drittel oder 16% % zufallen. Das war für jene Zeiten, die mit ganz anderen Gewinnen rechneten, und in Anbetracht des Wagnisses nicht eben viel. Zudem sind die Aufwendungen für die Privilegien bei dieser Berechnung nicht einmal berücksichtigt. So galten die 10 000 Goldgulden, die den Her*) Cramer, Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Provinz Bran­ denburg Heft 9 (1885), S. 26. In Rep. 174 n. 32 ist eine kurze Darstellung des Befundes „des Salzbrunns und der dabei stehenden Künsten" durch eine ge­ richtliche Kommission vom März 1564 erhalten. Die ohnehin dürftigen An­ lagen an und über der großen mit abflußlosem Wasser gefüllten Grube, waren danach verrottet und anscheinend lange nicht benutzt. Kurfürst Joh. Georg soll jedoch noch im Jahre seines Regierungsantritts Anstalt gemacht haben, den „Salzbrunn wieder aufrichten zu lassen" (Schr. d. Der. f. d. Gesch. Berl. Heft 23, S. 179).

zögen von Braunschweig ausgezahlt worden waren, als unverzins­ licher Kaufpreis für die zollfreie Elbpaffage; von den außerdem in Form einer Anleihe hergegebenen 10 000 Tl. gab es nur 5 %. Für die 15 000 Gulden Vorschuß, die Grieben dem Kurfürsten gewährt hatte, und die 5000 Tl., die die geheime Verschreibung der Oder­ schiffahrt gekostet hatte, berechnete sich Grieben allerdings 8 % Halb­ jahrszinsen, vermochte aber eine Anerkennung seiner Forderung nicht durchzusetzen. Im Jahre 1569 dachte Grieben bereits wesentlich nüchterner über die Ertragsmöglichkeiten seines Salzhandels. Er glaubte sich noch Hoffnung auf 12 000 Tl. jährlichen Reinertrag für seinen Drittelanteil machen zu dürfen, vorausgesetzt, daß der Kurfürst es an der erforder­ lichen Unterstützung nicht mangeln lasse. Unter Zugrundelegung einer sechsprozentigen Verzinsung errechnete er den Wert seiner Beteiligung auf 200 000 Tl. Zu einer Ausnutzung seines für 12 500 Tl. erkauften Elb schiffahrtsprivilegs ist Grieben vollends nicht gekommen. Er begnügte sich damit, die ihm dadurch entgangene Einnahme dem Kurfürsten bei anderer Gelegenheit in Rechnung zu setzen, und zwar bemaß er den Ertrag der Verschreibung auf nicht weniger als 1777 Tl. Diese steigerte Grieben später, auf Grund einer Zollerhöhung und angeblich mit mündlicher Zustimmung des Kurfürsten, gar auf 2000 Tl., was dem auch sonst von ihm in Anrechnung gebrachten Zinssatz von 16 % entsprach. Schließlich, als ihn das ernste Zerwürf­ nis mit dem Kurfürsten jede Rücksicht und Scheu vergessen ließ, nahm Grieben keinen Anstand, als jährliche Vergütung für die ihm auf Grund des Elbschiffahrtsprivilegs entgangene Einnahme die runde Summe von 10 000 Talern pro anno, das heißt 80 %, zu verlangen I

Grieben stand von Anfang an im Bann der großen Finanz­ operationen mit seinem Landesherrn, später auch mit andern Fürsten, und fand deshalb an kaufmännischer Handlung nur dann rechten Ge­ fallen, wenn sie seinen größeren Zwecken dienen konnte. Da die Naturalwirtschaft der kurfürstlichen Hofhaltung noch immer das Gepräge gab, waren allerdings reine Finanzgeschäfte eine Aus­ nahme. Es wurde zumeist in Waren geliefert und mit Ware bezahlt, der Geldwert wurde nur zur Verrechnung ermittelt und benötigt. Bargeld trat bei diesem Verfahren kaum je in Er­ scheinung, meist nur in Summen von einigen hundert, selten einmal über 1000 Talern. Eine solche Ausnahme wird jedesmal mit der

feierlichen Umständlichkeit, wie es nur die Sprache des 16. Jahr­ hunderts vermag, hervorgehoben. Es ist erstaunlich, mit wie ge­ ringen Barmitteln die großartigsten Finanzoperationen durchgeführt wurden; gerade die Griebenschen Abrechnungen mit dem Kurfürsten bilden ein interessantes Beispiel, aus wie vielen kleinen und kleinsten, sehr oft unsicheren und nicht anerkannten Überweisungen, Ver­

rechnungen, Warenlieferungen und andern Leistungen verschiedenster Art in buntem Durcheinander sich schließlich, durch Zinswucher poten­ ziert, jene großen Endzahlen ergeben, wie sie manche Abrechnungen aufweisen. Ist man heute vielleicht geneigt, das ganze Geschäft im Grunde als unbedeutend anzusehen und den großen Abschlußzahlen einen realen Wert nicht beizumessen, so mahnt doch ein tieferer Ein­ blick zur Vorsicht. Die Bargeldlosigkeit entspricht nicht immer einem Kapitalmangel; im Gegenteil: zuweilen vermag diese Technik des

finanziellen Verkehrs noch heute zu importieren, wenn man etwa

beobachtet, wie es die Finanziers jener Tage verstanden, auf den Leipziger Messen sich bei unzweifelhaft sehr bedeutenden Trans­ aktionen fast ganz ohne Barmittel lediglich durch Verrechnung zu be­ helfen. Um so beweglicher wird das Klagen, wenn wirklich einmal bares Geld ausgenommen werden muß.

Geldbedrängniffe und Abrechnungen 1561—1563. Zwistigkeit und Einigung mit dem Kurfürsten (1561).

Wir haben mit der Schilderung des Zusammenbruchs der Griebenschen Salzversorgung den übrigen Ereignissen in seiner Hand­ lung weit vorgegriffen. Ihre Betrachtung, der wir uns nun zu­ wenden wollen, wird zeigen, wie recht Thomas Matthias mit seiner Vermutung hatte. Schon von Anfang an war zu beobachten gewesen,

wie Joachim Grieben nur mit Mühe die schwere Last seiner Verbind­ lichkeiten von einem Geldmarkt zum andern hatte weiterschleppen können, bis ihm endlich die große Krediteröffnung seitens seines

Oheims auf dem Leipziger Neujahrsmarkt des Jahres 1560 zu Zwecken des märkischen Salzhandels Erleichterung verschaffte. Diese hielt spürbar das ganze Jahr 1560 hindurch an. Aber wir hören, daß schon wieder einige, wenn auch nicht allzu bedeutende Summen beim Kurfürsten festlagen. Zu Ostern 1560 hatte Grieben seine For­ derungen aus verschiedenen kleinen Lieferungen — zumeist Lebens-

mittel und Getränke — und Geldgeschäften auf 3325 Taler berechnet, im Herbst waren es bereits 6022 Taler. Thomas Matthias wollte diese Rechnung allerdings nicht gelten lassen, da Grieben dem Kurfürsten

für 2000 Taler Waren hineingesetzt hatte, die weder bestellt noch emp­ fangen seien, z. B. ein seidenes Zelt. Außerdem mangelten an einer Kupferlieferung noch volle 50 Zentner. Diese und ähnliche Irrungen trübten das bisher ungestörte Ver­

hältnis Griebens zum Kurfürsten. Ja, es drohte darüber zum offenen Bruch zu kommen. Wie bereits erwähnt, fühlte sich Grieben nicht mehr sicher in der Mark und hielt sich außer Landes auf, zumeist

in Wittenberg. Fast scheint es, als ob der eigentliche Anlaß dazu der blutige Streit in der Seigerhütte gewesen sei. Das wäre der Fall, wenn man ihn mit einem gefährlichen Handel, dessen Mittel­ punkt ein gewisser Bernd von Gruningen bildete, gleich­ setzen darf. Soviel die dunklen Andeutungen Griebens erkennen lassen, hatte dieser Bernd von Gruningen') eine Verschreibung von ihm in Händen, die er auszuliefern bereit war, wenn Grieben ihn nicht vor Gericht ziehen würde. Auf dieses Angebot ging Grieben nicht ein, angeblich, weil es nicht im Interesse des Kurfürsten gelegen hätte. So habe sich ein schwieriger Prozeß entwickelt, obschon es Thomas Matthias ein leichtes gewesen wäre, die Sache in Güte bei­ zulegen. Schließlich brachte es Gruningen fertig, einen Schutz­ befohlenen Griebens, namens Ciltacus Wegner, festnehmen zu lassen und wie einen Mörder in den tiefsten Turm zu werfen. Man ist ver­ sucht, in diesem Unglücklichen den Salzmeister bei der Seigerhütte zu sehen. Gruningen, wiewohl verklagt, ging frei einher, so daß

Grieben für seine eigene Sicherheit glaubte fürchten zu müssen. Er hielt sich für verraten und schlecht bedankt von seinem kurfürstlichen

Herrn und fand in seinem Ingrimm darüber die heftigsten Worte. Auch Thomas Matthias bekam Vorwürfe zu hören, da dessen „Ge­ sellen"') sich in dieser Sache parteiisch gezeigt und zudem Grieben

übel verleumdet hätten. Der Aufforderung des Kurfürsten, zur Verhandlung an seinen

Hof zu kommen, leistete Grieben keine Folge. Er rooOte vorher in aller Form freies Geleit zugesichert erhalten, andernfalls der kurfürst­

lichen Unterhändler in Wittenberg gewärtig sein. Ultimativ verlangte *) Thomas Matthias nennt ihn Bernt S t r a n tz. *) Thomas Matthias gibt als einen derselben „Pantel" an, womit wohl der Kammersekretär Pantel Thum gemeint ist.

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er Antwort bis zum Sonntage Oculi 1561, andernfalls „wil und mus ich meiner Ehren Notturft nach die Sachen anders angreifen. Der almechtige Got wirdt mihr noch einen Beschützer zufugen, der mich in der Welt bei Ehren, Bermugen und Leben wirdt Helffen erhalten, und wil hoffen, der Teuffel nicht an allen Orten oberster Regent sein roirbt"3). Diese aufgeregten und unbedachten Worte hätten Thomas Matthias, an den sie gerichtet waren, Veranlassung genug geben

können, die Majestät seines Kurfürsten verletzt und sich selbst beleidigt zu fühlen. Er hat sich jedoch begnügt, die Anwürfe in gemessener Ruhe zurückzuweisen: Grieben fühle sich völlig zu Unrecht vom Kur­ fürsten und andern Leuten verfolgt und beeinträchtigt; im Gegenteil

sei er noch immer in Gnade, nur könne er nicht das bei Untertanen nicht übliche sichere Geleit fordern, wohl aber sei der Kurfürst bereit,

ihm einen Schutzbrief auszustellen. Davon dürfte Grieben Gebrauch gemacht haben, denn zu Ostern des Jahres 1561 finden wir ihn bereits

in lebhafter Verhandlung am Kurhofe wieder. Zuerst einmal scheint die Angelegenheit des Bernd von Gruningen in seinem Sinne er­ ledigt worden zu sein, denn er bewahrte später einen kurfürstlichen Steckbrief auf, wonach alle brandenburgischen Amt- und Hauptleute

gehalten waren, Bernd von Gruningen gefangen zu setzen. Schwieriger war die Einigung über die von Grieben eingereichten Rechnungen zu erzielen. Sie bezogen sich nur auf die sog. „unver­ sicherten Schulden", d. h. die Forderungen, über die er nicht schon Brief und Siegel in Händen hatte. Seinen heftigen Briefen an Thomas Matthias hatte er eine bis auf den Neujahrsmarkt 1561 weitergeführte Abrechnung beigefügt, die von den 6022 Talern der Michaelisrechnung ausging, ohne auf die Beanstandungen Rücksicht zu nehmen. Sie schloß mit einer Forderung von 14 286 Talern. Schon wenige Wochen später berechnete sich Grieben 20 214*4 Taler. Pflicht­

gemäß unterzog sich Thomas Mattbias der Mühe einer sofortigen Nachprüfung. Er befand, daß von den 17 Posten dieser Rechnung nicht weniger als elf mit einem Betrage von rund 13 500 Talern kurfürstliche Schulden betrafen, die Grieben nichts angingen und die

er angeblich im Interesse des Kurfürsten, jedenfalls ohne dessen Auf­ trag und Wissen abgelöst oder doch abzulösen versprochen hatte. Trotz­ dem fand sich der Kurfürst bereit, diese Posten anzuerkennen, nur

fünf weitere im Betrage von rund 6600 Talern verwarf er völlig

*) Stände-Arch. C50 Nr. 11. Zwei Schreiben Griebens an Thomas Matthias vom 25. und 28. Februar 1561; Antwort vom 11. März.

und einen ließ er nicht in voller Höhe gelten. Noch war diese Ange­

legenheit nicht geklärt, da brachte der Leipziger Ostermarkt des Jahres 1561 eine erneute Veränderung der Lage. Die Summe der noch nicht durch besondere Verschreibungen versicherten Schulden be­ lief sich jetzt nach Griebens Berechnung bereits auf 27 250 Taler, wo­ zu er noch die bereits 1557 verbrieften 12 500 Taler addierte, deren Verzinsung durch das Recht der zollfreien Passage von 50 Korn­

schiffen auf der Elbe hatte abgelöst und geregelt sein sollen; ferner setzte er 16 050 Taler wegen der bei Übernahme des Salzhandels dem

Kurfürsten laut Urkunde vom 6. Januar 1559 vorgestreckten 15 000 Gulden ein, und schließlich noch 9000 Taler von der zinslosen Schuld von 20 000 Talern, die am 2. Mai 1558 auf den Zoll zu Lenzen zwecks Amortisation durch Rückzahlung von jährlich 1000 Talern verschrieben

war. Drei Jahresraten waren bereits gezahlt, so daß sich die Schuld

noch auf 17 000 Taler belief. Aber Grieben hatte sich mit großzügiger Geste bereit erklärt, ganze 8000 Taler davon ohne jede Entschädigung zu streichen; allerdings müsse man ihm die

restlichen 9000 dann wenigstens verzinsen.

Der Kurfürst ließ sich

durch diese scheinbare Opferwilligkeit seines Finanzmannes einfangen,

aber Thomas Matthias erkannte den wahren Charakter der geschickten Manipulation. Bei dem von Grieben berechneten Zinssatz von 16 % hätte er sich, ohne daß die Restsumme dadurch amortisiert worden wäre, annähernd 1500 Taler Zinsen jährlich gutschreiben können.

Das selbstlose Geschenk von 8000 Talern war in Wahrheit ein vor­

teilhaftes Geschäft! Die Schlußsumme der nach Ablauf des Ostermarktes im Jagd­ schloß Grünewald dem Kurfürsten übergebenen Rechnung lautete

auf 65 070 Taler. Es waren darin sämtliche verbrieften und unver­ sicherten Schulden des Kurfürsten erfaßt. Nicht in Ansatz gebracht war lediglich der anzunehmende Wert des Drachenfußschen Salz­ handelsprivilegs, der sich aus dem Wortlaut der Verschreibung nicht

ergab, aber bei einer gänzlichen Abfindung Griebens berücksichtigt werden mußte.

Zu seinem nicht geringen Erstaunen stellte Thomas Matthias fest, daß Grieben nicht nur drei der beanstandeten Posten, sondern weitere drei, die vom Kurfürsten bereits anerkannt waren, abgesetzt hatte! An Stelle dessen wurden neue Forderungen in Höhe von 17 600

Talern erhoben.

Die Entrüstung des Thomas Matthias über dies

leichtfertige Hin und Her kommt in folgenden Worten zum Ausdruck:

„Dise freche und ganz unzulesliche Durstickeit in so großen Summen und Sachen habe ich als ein Diener und Underthan ihe (-je) billich

angemeldet und gefochten." Insbesondere trat er dagegen auf, daß sich Joachim Grieben kurfürstlicher Schulden annahm, deren Ver­ längerung zu niedrigem Zinssatz oder Abzahlung zu bequemen Ter­ minen sich mit Leichtigkeit durch direkte Verhandlungen mit den Gläubigern hätte erreichen lassen. So hatte Joachim Grieben einen

Betrag von 3500 Talern in Rechnung gesetzt, den der Kurfürst seinem Onkel Merten Grieben schuldete. Thomas Matthias brachte in Er­ fahrung, daß Joachim Grieben den Onkel für die Zession dieser Schuld sehr billig abgefunden hatte: brauchte er ihm doch die Summe nur

in Raten und ohne jede Zinsberechnung zu erstatten. Dem Kurfürsten wurden indessen 8 % für das halbe Jahr in Rechnung gesetzt! In

einem andern Fall verhalf Grieben seinem Geschäftsfreund Jakob Detert zu einem kurfürstlichen Gnadengeld, das ihm auf dem Erbwege zugefallen war, dessen Auszahlung er aber angesichts der trostlosen

Kassenlage des Kurfürsten kaum hätte erlangen können. Grieben nahm einfach die 997 y2 Taler in seine Rechnung auf. Aus dergleichen Posten setzte sich der größte Teil der Rechnung zusammen. Waren­ lieferungen bilden eine seltene Ausnahme: z. B. kostete ein Fäßlein Weißblech sechs Taler, „hundert Ahm guter blancker brandenburgischer Wein" 400 Taler. Nicht anerkannt und von Grieben später wieder aufgegeben wurde eine Forderung, die wegen ihres mutmaßlichen Zusammenhanges mit dem Salzhandel Interesse verdient: „So habe ich zwei hupscher langer newer Schiffe bawen lassen, hat mihr Hans Blanckfelde sagen lassen, mein gnedigster Herr bedorffe sie nöthig

und wolle sie haben, kosten 700 Thaler."

Thomas Matthias hat es sich in seiner Sorge, sein Herr möchte

dem Drängen Griebens gegenüber nicht standhaft bleiben, nicht ver­ drießen lassen, eine umfangreiche Gegenaufstellung zu verfassen. Seine schriftlichen und mündlichen Warnungen verfehlten den Eindruck auf Joachim II. nicht. Solange ihm sein Kammerrat zur Seite stand, durfte Grieben nicht hoffen, seinen zweifelhaften Rechnungen die kurfürstliche Billigung zu verschaffen.

Es galt also, den hinderlichen Einfluß des Thomas Matthias auszuschalten.

Wie es dem auf die sonderlichen Verhältnisse dieses

Kurhofes bestens eingespielten Grieben schließlich doch gelang, sich in

Abwesenheit des Thomas Matthias an den Kurfürsten zu machen, läßt sich nur vermuten. Derselbe Trick, der schon gegen die Drachenfuß ge-

holfen hatte, mußte wieder herhalten. Man ging dem Kurfürsten mit einem Geheimnis, noch viel mysteriöser, noch viel verheißungs­ voller, als alles bisher dagewesene, unter die Augen. Davon wird noch weiter zu handeln sein. Joachim II. ließ sich leicht ködern, und das Ergebnis war, daß Grieben im Jagdschloß Grünewald ohne Beisein und Wissen des Thomas Matthias mit dem Kurfürsten über

seine Finanzgeschäfte verhandeln konnte. Er bediente sich dabei der Vermittlung seines Vaters Andreas und des Leipziger Oheims. Zu­

erst einmal gelang es, den Kurfürsten zur Anerkennung der Griebenschen Forderungen in Bausch und Bogen zu bewegen, wobei die Kauf­ leute es geschickt verstanden, die Rechnungen dem Kurfürsten aus den

Händen zu praktizieren und sie damit jeder weiteren peinlichen Nach­ prüfung zu entziehen. Auch die Verzinsung zu 8 % für das halbe Jahr ließ sich der Kurfürst gefallen. Da die Grieben es versäumten, den Kurfürsten seine Erklärungen schriftlich bezeugen zu lassen — viel­ leicht vermochten sie das auch trotz alles Drängens nicht durch­ zusetzen — so entstanden später Meinungsverschiedenheiten, wie weit

die Zusagen des Kurfürsten gingen.

Ganz in Abrede konnte sie

Joachim II. nicht stellen, aber er wandte ein, er habe sie an die Be­ dingung geknüpft, daß ihm dafür der versprochene Jahresertrag von

50 000 Talern aus dem Salzhandel zuteil werde. Grieben wollte eine solche Bedingung nicht wahrhaben: er habe lediglich zugesagt, den Salzhandel nach Kräften zu verlegen und zu fördern. Für Thomas

Matthias war es eine peinliche Überraschung, als er von diesen Ab­ machungen erfuhr, und soviel Mühe er sich auch gab, sie durch allerlei

Dialektik in ihrer Wirkung abzuschwächen oder gar ganz abzuleugnen:

sie lähmten ihn doch empfindlich. Er kannte ja nicht einmal ihren Umfang und war, wenn nicht gar auf Joachim Griebens Behaup­

tungen, allein auf gelegentliche Bemerkungen seines kurfürstlichen Herrn und auf Vermutungen angewiesen. Diese mündlichen Vereinbarungen waren indessen nicht das

schlimmste, über sie ließ sich zur Not noch debattieren, aber nichts zu deuteln gab es an den klaren Worten einer Urkunde, die der Kurfürst den Kaufleuten am 28. Juni 1561 unterschrieb und mit der sie ihrem Werk die Krone aufsetzten*). In einer Formulierung,

die sich die Gedankengänge Joachim Griebens ganz zu eigen machte, bescheinigte sie, daß der Kurfürst im Widerspruch zu seiner gegebenen *) Stände-Arch. a. a. O. fol. 66 f.

Zusage und bündigen Verpflichtung dem Joachim Grieben die von ihm geliehenen Kapitalien nicht habe zurückzahlen können. Um ihn

zufrieden zu stellen und sich selbst die hohen Verzugszinsen zu er­ sparen, gab der Kurfürst Joachim Grieben den Auftrag, 100 000 Taler oder mehr zu 6 % Jahreszins für ihn aufzubringen, für die er und sein Sohn Markgraf Johann Georg sich verschreiben wollten. Mit dieser Summe sollte sich Joachim Grieben dann bezahlt machen. Falls

etwas übrig bleiben würde, so sollte es dem Kurfürsten zufliehen,

damit er nicht nötig habe, das Recht der Boifalzverschiffung auf der Oder an andere zu verkaufen, „welche wir auch niemandts nachgeben oder verstatten, sondern dieselbe jederzeit unsers höchsten Vermögens und sovil uns ummer gepüren will, hindern und weren sollen und wollen". Dieser Passus ist bereits in seinem innern Zusammenhang oben näher beleuchtet worden. An alledem war es noch nicht genug! Der Kurfürst bekannte sich obendrein schuldig zu einem „Schaden­ ersatz" von 30 000 Talern, verzinsbar mit 6 % jährlich. Die Moti­

vierung dieses gewiß nicht alltäglichen Bekenntnisses läßt in ihrer

weitgehenden Verleugnung des bisher behaupteten kurfürstlichen Standpunktes nur zu gut erkennen, wer hier die Feder führte. Es heißt da: „Und als er (Grieben) dann auch mit der vorschriebnen Kornschiffart uf der Elben uf unser gnedigs Begern (!) nutzn etliche Jar stillgehalten, zudeme auch, das wir den Salzhandel allerhandt furgefallener Ungelegenheit halben dergestalt, wie es die Notturft wol erfurdert, biß anher nicht haben können fortsetzen Helffen (!), nicht

wenig Schaden erlitten, auch dadurch, das er solcher Summen zu rechter Zeit nicht hat wider mechtig werden können, an großen Sachen, die er damit auszurichten gewußt, vorhindert worden, und

auch von deswegen, das er sich in Aufbringung diser Summa (der 100 000 Taler) bemühet und deshalb mit Vorpflichtung wirdet be­ laden müssen, wollen wir zu Crgetzung desselben erlittenen Schadens, Etillhaltens, Sorge, Mühe und Verseumnis" ihm 30 000 Taler zu­

sichern. Ein erstaunliches Bertragswerk l Der Kurfürst hat sich gründlich Übervorteilen lassen: er hat sich sämtlicher Vorteile entäußert, er hat trotz aller nur zu gerechtfertigten Warnungen seines Kammerrates

die zweifelhaften Rechnungen Griebens in Bausch und Bogen aner­ kannt, er hat 8 % Halbjahrszinsen zugestanden, er hat einen schweren

Vertrauensbruch gegenüber den Loitz und Lindholz auf sich geladen,

er hat Grieben obendrein 30 000 Taler geschenkt!

Die Geheimkunst.

War die Sorge des Kurfürsten um das Gedeihen der branden­

burgischen Salzversorgung so groß und seine Bereitschaft, Joachim Grieben um jeden Preis durch seine Nöte hindurchzuhalten, so be­ dingungslos, daß sie zur Motivierung dieses Vertrages ausreichten? Diese Frage zu verneinen wird man um so eher bereit sein, wenn man erfährt, daß ihm gerade in jenen entscheidenden Tagen die Kaufleute mit einem alchemistischen oder anderen geheimen Zauber

unter die Augen gingen, mit dem man bei dem leicht zu betörenden Kurfürsten unschwer Wirkung erzielen tonnte1). Die Kenntnis dieser schwarzen Kunst gehörte zu den Aktiven der Firma Herbrodt in Augsburg, die mit Jakob und Sebastian Grieben in engen, doch ver­

hängnisvollen Verbindungen stand. Auch Joachim hatte ihnen und Sebastian Grieben im Ostermarkt 1560 5000 Goldgulden vor­ geschossen, genoß dagegen von Michaelis 1560 bis ebendahin 1561 einen kleinen Vorschuß von ihnen. Im Sommer 1561 neigte sich das noch vor zwei Jahrzehnten zu den kräftigsten Europas zählende Haus bereits zum Falle.

Es galt, die geheime Kunst an den Mann zu

bringen. Der Kaiser hatte, obschon die Herbrodt bereit gewesen wären, ihm ihre Erfindung „billig" für 200 000 oder schon für 150 000 Taler zu veräußern, anscheinend keine Neigung gezeigt, sich in einen solchen

Handel einzulassen. Im Juni 1561 begab sich deshalb Sebastian Grieben als Faktor der Herbrodt auf die Reise nach Mecklenburg, da

man sich dort irgendwie einen Erfolg versprach. Unterwegs suchte er seinen Neffen Joachim in Berlin auf. Das war der richtige Mann für ihn. Sehr bald kamen die beiden überein, den mecklenburgischen

Plan fallen zu lassen und „die große geheime und wichtige Sache" lieber dem Kurfürsten Joachim vorzutragen.

Niemand hätte das

besser verstanden, als Joachim Grieben, und der Oheim Sebastian, der sich großartige Gewinne erträumte, glaubte allen Grund zu haben, mit ihm zufrieden zu sein. „Ich spüre an ihm", schrieb er aus

Berlin am 24. Juni an den Leipziger Bruder, „daß es ihm an seinen

Sachen sehr fürträglich sein wird, und so Gott will, uns alten2)!" 1) Joachim II. lieh sich natürlich ständig von Goldmachern betören. Nach seinem Tode hatten zwei Alchemisten noch 8646 Tl. zu fordern, sie wurden mit 2500 Tl. zinslos bei der Landschaft abgefunden (Stände-A. B1.8). ') R.-A Leipzig XLV G la I.

Leider wird das Geheimnis so gut gewahrt, daß man sich kaum ein Bild zu machen vermag, um was es sich eigentlich handelte. Es bleibt deshalb nichts übrig, als die dunklen Andeutungen, die Sebastian darüber zu Papier gebracht hat, hier wiederzugeben: „Wann wir uns nun mit dem Haus Brandenburg vergleichen, können sie diese Sache gegen dem Reich und Erbfeind (die Türken) lOOfechtig, ja lOOOmal mehr genießen. Ja der rote Adler (Brandenburgs) mit der Zeit in schwarz möchte verkleidet (d. h. kaiserlich) werden, alles mit Gott und Ehren zu verstehen, wie du im selb nachdenken kannst. Ich acht, wenn man fremden Nationen als den Venedigern diese großwichtige Sache hätte wollen offenbaren, man sollt ein 25 Tonnen Goldes bekommen haben. Heut soll der Kurfürst rein kommen, morgen heben wir an zu handeln, soll ihm die Probe geschehen ... So der Handel fortgeht, wie ich kein Zweifel, so wird man die Künstler und alle ihre Zugethanen der Billigkeit nach" in kurfürstlichen Schutz und Geleit nehmen. Fast scheint es so, als handele es sich um ein mili­ tärisches Machtmittel; wie hätte es sonst gegen die Türken Ver­ wendung finden können? Mit seiner Hilfe sollte sich Brandenburg nach Meinung Sebastian Griebens offenbar des Reichs und der Kaiserwürde bemächtigen können. Daß wir mit dieser Vermutung auf der richtigen Spur sind, dafür zeugen einige Posten aus Joachim Griebens späteren Rechnungen. So berechnete er sich 400 Taler „Herbrodts und der andern halben, so mit der Kunst alhie gewesen, vor Zerung". Doch soll er auch, nach Sebastians Angabe, für die Auf­ nahme der offenbar insgeheim in Cölln weilenden Herbrodts zwei Stück Seiden-Tapesierie als Pfand einbehalten haben. Kurze Zeit vorher hatte er neun Taler und 13 Groschen „dem Steinmetzen geben, der die sechs Kugeln ausgehauen und gezogen". Daß dieser Eintrag mit der geheimen Kunst in Zusammenhang stand, läßt sich wahrscheinlich machen. Fraglicher sind die Beziehungen des unmittelbar in der Rechnung folgenden Postens, der auf eine rein alchimistische Prozedur schließen ließe: „Noch dem Dechent geben, so der G o l t m a ch e r, den Balthasar Schopf zu im bracht, bey ihm vorzert hat, zwölf Taler."

Sebastian Grieben hatte Veranlassung genug, seinem Bruder die verheißungsvolle Kunst und deren zukünftigen Ertrag in den rosigsten Farben zu schildern: seine Handelsherren, die Herbrodt, waren Jakob Grieben stark verpflichtet, und angesichts ihrer bereits stark gefähr­ deten Lage galt es, Zeit zu gewinnen und das Vertrauen der Gläu8 Großkaufleute 1

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biger zu stärken. Aber schon ein gutes halbes Jahr später wußte Joachim nach Leipzig zu melden'), daß Christoph Herbrodt „wider Ehr und Billigkeit flüchtig geworden und nichts sunderlichs als die Kugel hinder sich verlassen". Sie bildete augenscheinlich den Kern» punkt des Geheimnisses. Joachim forderte deshalb den Oheim auf, doch ja nach dieser Kugel zu trachten. „Ich glaube, die andern Gleubiger werden sich nicht weigern. Euch die Kugel folgen zu lassen, weil sie nicht wissen, wozu sie gut ist. Und rathe Euch, wan gleich Hans Scheffler kumpt mit andern, die zu der Kugelkunst gehören werden, Ihr wollets ihnen nicht folgen lasten". Da die Sache am brandenburgischen Hofe von Anbeginn an mit der größten Heimlichkeit betrieben wurde — auch Thomas Matthias hat davon anscheinend nie etwas Richtiges erfahren — so schweigen auch die Akten, wie sie ausgelaufen ist. Am totalen Mißerfolg ist kaum zu zweifeln. Immerhin hegte Joachim Grieben noch im März 1562, als er die oben wiedergegebenen Worte schrieb, die bestimmteste Hoffnung, er werde noch Mittel und Wege finden, sich und seine beiden Oheime für die beim Bankrott der Herbrodts erlittenen Schäden mit Hilfe der Kugelkunst bezahlt zu machen. Bemühungen um Geldbeschaffung.

Die Abmachungen im Jagdschloß Grünewald und der Vertrag vom 28. Juni 1561 haben die Gefahr eines Bruches zwischen Grieben und dem Kurfürsten noch einmal gebannt: er befand sich wieder in Gnade am Hofe, wie denn Joachim II. seinem vielseitigen Finanzier in seiner patriarchalischen Art gewogen war. Auch das negative Er­ gebnis der alchemistischen Experimente scheint die Beziehungen nicht getrübt zu haben. Jedenfalls hat sich der Kurfürst recht energisch bemüht, für die aufzubringende Summe eine Bürgschaft der Städte zu erwirken. War es doch nur auf solche Weise möglich, bares Geld zu geringen Zinssätzen in die Hand zu bekommen. Der Eifer des Kurfürsten war im übrigen nicht ganz selbstlos. Hatte er den Städten anfangs noch 100 000 Gulden vorschlagen lassen, so wurden daraus sehr bald 150 000 Taler. Wir wissen aus dem Ver­ trage vom 28. Juni 1561, daß davon nur 95 070 Taler für Joachim Grieben bestimmt waren, während der Überschuß dem Kurfürsten zu­ fließen sollte, so daß dieser eine Anleihe von über 50 000 Talern *) 25. März 1562. Ebenda.

erhalten hätte, für deren Einlösung er nicht einmal selbst aufzukommen hatte. Aber die städtischen Abgeordneten zeigten trotz dringender Vor­

stellungen von kurfürstlicher Seite recht wenig Neigung dazu und

zogen die Sache in die Sänge1). Erst Ende Juni 1562 bequemten sie sich dazu, näher darauf einzugehen. An der ihnen von Grieben zugestellten Liste der Bürgen, die den Städten als Rückversicherung dienen sollten1), vermochten sie nichts auszusetzen, denn es handelte sich

großenteils um wohl angesehene Geldleute oder Grundbesitzer. Als

erster verbürgte sich Joachim Grieben selbst, ferner nannte er als „gute Freunde": Jakob Grieben, Ulrich Meier, seinen Vater Andreas Grieben, Hans Mittelstraß, Jhan Reiche, Joachim Reiche, Hans Blanckenfeldt, Anselm von Zaschwitz, Wolf vom Kloster, Claus von Arnim, Merten Grieben, Christoph Rauch, Hans Meier, Hans Buch,

Germanus Rauch, Caspar von Klitzing, Thomas Matthias, Hiero» nimus Rauscher und Magister Paul Schultz. Offenbar hat Grieben

hier einfach die Leute zusammengezählt, mit denen er in geldlichen Beziehungen stand. Richt ohne Berechtigung wandten die Städte

ein, daß es angesichts solcher Bürgen ihrer Bemühung gar nicht be­ dürfe. Auf ihr Befragen, wo und zu welchen Bedingungen er denn

das Geld aufnehmen wolle, gab Grieben, der den Verhandlungen per­ sönlich beiwohnte, zur Antwort, er wolle an 150 000 Taler gu 6 % zu Wiederkaufsrecht voraussichtlich in Holstein aufbringen; er ver­

sprach, sich zu bemühen, 5000 Taler jährlich wieder einzulöfen. Grieben ließ sich schließlich bis auf 100 000 Gulden herunterhandeln, die Städte wollten indessen nicht mehr als 40—50 000 Gulden zugestehen. Dies Angebot lehnte Grieben ab, da ihm damit nicht geholfen sei. Die Ver­

handlungen gingen weiter, ließen sich zeitweise auch günstiger an, aber schließlich mußte sich Grieben im Frühjahr 1563 mit einem noch ge­ ringeren Ergebnis zufrieden geben.

Wir kehren indessen zum Jahre 1561 zurück, dem Jahr der

großen Projekte, das aber auch wieder dringendste Geldverlegenheiten brachte. Grieben lag deshalb dem Kurfürsten täglich in den Ohren und klagte ihm seine Rot. Joachim II. lieh sich auch herbei, die Fülle der Gnadenerweisungen, die er ihm im Schloß Grünewald und im Vertrage vom 28. Juni 1561 zukommen ließ, durch eine Anweisung von 8000 Talern zu vermehren, um dem bedrängten Finanzmann

*) Vgl. Friedensburg, Ständeakten II, S. 215, 232 ff., 239, 241—250. ’) Ebenda S. 247 Anm.



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die nötigsten Mittel an die Hand zu geben. 3000 Taler wurden auf

Heinrich von S t a u p i tz verwiesen und waren sofort auf dem Naum­ burger Peter-Paulsmarkt 1561 fällig, 5000 weitere Taler sollte ihm Andreas Lindholz auf dem folgenden Leipziger Michaelismarkt erlegen. Ohne erhebliche Aufregungen ging es auch bei diesen Zahlungen nicht ab. Staupitz vertröstete Stiebens Diener, der das Geld erheben sollte, von Tag zu Tag, da er selbst auf seine Außen­ stände warten müsse. Als sie nach drei Wochen wirklich eingingen, schickte er den Diener trotzdem unverrichteter Dinge heim und händigte das vorhandene Geld dem Kurfürsten aus, der es gerade brauchte!

Nun hatte Joachim seinen Oheim noch kurz zuooti) mit den feierlichsten Worten vertröstet: „Ewere Zahlung auf Petri et Pauli soll Ihr haben, soll ichs auch vom Merten Mertens, Adrian von Hilst oder andern das 100 umb 18 aufnehmen muffen!" Aber als

der Naumburger Markt herannahte, stellte es sich heraus, daß er zu­ viel versprochen hatte. Die Hoffnung auf die 3000 Taler von Staupitz ging nicht in Erfüllung, und auch sonst war kein Geld aufzutreiben. Was halfen etliche Berschreibungen und Zusagen, die er gerade in diesen Tagen erhielt, wenn es nicht einmal gelang, den verhältnis­

mäßig geringen Verpflichtungen eines Geldmarktes nachzukommen. Joachim Grieben wollte nichts unversucht lassen. Er schickte, da er

selbst Berlin nicht verlassen konnte, seinen Handlungsdiener Hans Seger auf die Messe: „Sol von etlichen Gelt einfordern, so mir zu thun schuldig sein, von etlichen Gelt entlehnen, die mich darauff ver­ tröstet, von etlichen Gelt zu leihen fordern, die sich solchs wegen mihr verpflichtet vorzustrecken."

Er empfahl seinen Abgesandten dem

Oheim. „Wollet ... ihm in allem gutten Radt mitteilen und fordern

Helffen, damit ich bei Trawen und Glauben bleiben müge; wollet Euch nicht beschweren, meinetwegen Bürge zu werden, wan es die Leute haben wollen, dan ich hab ihm befohlen, alles, was ehr über 1550 Taler zusammen bringen und schaffen wirbt, das solt Ihr haben. Ich bitte, wollet gunstiglich zufrieden sein, das ich Euch mit solcher un­ richtiger Zalung contentiere." Unter anderm hatte Joachim seinem Diener auch Briefe an Mertens und Hilst mitgegeben, um von jedem

von ihnen 5000 Taler zu erhandeln. Er befürchtete aber, daß Seger den gewiegten Finanzleuten nicht gewachsen sein würde, „dan ehr (zu) solchem Handeln fünften noch etwas zu schlecht ist". So bat er

den Oheim inständig, alles zu versuchen, um ohne dieses letzte Mittel *) 15. Mai 1561. R.-A. Leipzig a. a. O.

auszukommen, und versprach ihm feierlichst, er solle keinen Schaden

davon haben. „Es sol Euch mit Hulffe des Almächtigen so gewiss« sein, als wan Ihrs im Kasten hettet." Diese gut gemeinten Worte werden Jakob Grieben wenig ge­ tröstet haben, denn Hans Seger vermochte für seinen Herrn keinen

Heller aufzubringen. Jakob verfügte unzweifelhaft über Kredit genug, um sich aus seiner üblen Lage herauszuhelfen. Aber manche saure

Mühe wird ihn die Naumburger Peter-Paulsmesse 1561 gekostet

haben. Mit „beschwertem Gemüt" schrieb Joachim nach Schluß der Messe an den Oheim, habe er von den vergeblichen Bemühungen seines Dieners gehört und fährt fort: „Ich zweifle gleichwohl nicht,

Ihr werdet Euern Markt doch nichts weniger bestellt haben ... Gott weiß, daß ich ... herzlich betrübt bin,... daß ich Euch so habe müssen stecken lassen." Mit Mühe erreichte er, daß Staupitz dem Leipziger Oheim wenig­ stens noch vor dem Michaelismarkt 2400 Taler zahlte, auf dem nach

Aussage der Griebenschen Rechnungen diese und die Lindholzsche Angelegenheit endgültig geregelt wurde. Die 8000 Taler reichten zur Befriedigung der Bedürfnisse noch nicht aus, deshalb sahen sich Joachim und Jakob Grieben veranlaßt, bei dem kurfürstlichen Rat und Finanzmann Anselm von Zaschwitz 10000 Taler aufzu­ nehmen*). In einem besonderen Revers bekannte Joachim, das Geld

allein erhalten zu haben, und verpflichtete sich dem Oheim gegenüber unter Verpfändung aller seiner Habe zu pünktlicher Rückzahlung. Auch sonst mußte Jakob seinen Namen hergeben, um dem Neffen

Geld zu verschaffen. So nahm er 1500 Taler gegen Verschreibung einer Rente von 90 Tl. vom Rate zu Cölln a.S. auf; dabei

mußte allerdings sein Bruder Andreas bürgen, der auch die Vermitt­

lung übernommen hatte.

Das Geld war zweifellos für Joachim

Grieben bestimmt, dürfte aber ebensowenig wie die große Anleihe bei Zaschwitz ihm direkt zugeflossen sein, sondern nur zur Befriedigung

der Ansprüche des Oheims gedient haben. Nicht viel anders stand es mit 3607 Gulden, die Jakob dem Leipziger Bürgermeister Hiero­

nymus ßotter2) verbriefte.

Sie kamen ihm gleichfalls zugute auf

Grund eines nicht mehr genau zu entwirrenden Wechselgeschäftes des Neffen. ‘) 10. Ott. 1561. Ebenda. Wiederzuzahlen Michaelis 1562. ’) Der bekannte Leipziger Baumeister. Vgl. Fischer a. a. O., S. 20.

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Trotz aller dieser Abzahlungen nahm die Bedrängnis Joachim Griebens schon auf dem nächsten Geldmarkt zu Neujahr 1562 wieder

bedrohliche Formen an.

Nochmals mußte der K u r f ü r st helfen.

Er fand sich auch bereit, unterm 5. Januar 1562 dem Jakob Grieben zwei Schuldverschreibungen über 10000 und 6000 Taler

auszufertigen. Für die Einlösung der beiden Summen auf dem kommenden Leipziger Ostermarkt verbürgte sich Joachim Grieben, zu dessen Schuldentlastung das ganze Verfahren dienen sollte. Ihm gegenüber haftete in Art einer Rückversicherung Thomas Matthias mit 1000 Talern laut seiner schriftlichen Erklärung für die eine der Verschreibungen, die über 6000 Taler lautete. Auch der Kurfürst

scheint noch besondere Schadlosversicherungen für Joachim Grieben ausgestellt zu haben, für den auch sonst diese Neujahrsverhandlungen

recht erfreulich verliefen. Denn er verdankte ihnen auch die geheime

Verschreibung der Salzschiffahrt auf der Oder, von der wir schon berichteten*2). Bis Ostern 1562 brachte Thomas Matthias im Namen seines

Herrn 9111 Taler auf, die Joachim Grieben zugute kamen. Auf diese Weise wurde, wie es scheint, die eine der Verschreibungen, über

10 000 Taler lautend, wieder eingelöst. Die andere sollte noch lange eine Rolle in den Beziehungen der beiden Grieben zum Kurfürsten spielen. Denn „allerhandt Ungelegenheiten halben, so ... itzo über

Zuvorsicht furfallen", vermochte Joachim II. die 6000 Taler zu Ostern

nicht zu erlegen. Er bat deshalb Jakob ©rieben2), sich mit der Bezahlung bis zum Michaelismarkt gedulden zu wollen und den als

Bürgen eingesetzten Neffen nicht haftbar zu machen, ihn auch wegen seiner übrigen Schulden nicht zu drängen, sondern bis Michaelis mit seinen Forderungen zu verschonen. Um seinem Anliegen mehr Gewicht zu geben, sandte der Kurfürst seinen Finanzrat Thomas

Matthias persönlich nach Leipzig.

In ähnlicher Weise muhte sich

Wolf vom Kloster bequemen, dem Jakob Grieben schriftlich zu er­ klären, daß er dem Neffen 1600 Taler schulde'), aber unvorher­

gesehenerweise die Rückzahlung zu Ostern nicht bewerkstelligen könne. Der Oheim möge deswegen dem Neffen, wenn der dadurch in

Schwierigkeiten gerate, Aufschub bis zum nächsten Markt gewähren. ') Oben S. 99 f. 2) 4. März 1562. R.-A. Leipzig a. a. O. ') Vgl. oben S. 67.

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Ohnedies vermochte Joachim nicht auszukommen, ohne neue Schulden zu kontrahieren. So bat er den Oheim, er solle ihm seinen Kredit zur Verfügung stellen, um eine weitere Anleihe beim Rate von C ö l n a. S. in Höhe von 1000 Talern aufnehmen zu können.

„Ist derwegen mein freundlich Bit", so fährt er fort, „weil Euch bewust, was ich alsdan (d. h. auf dem Ostermarkt) Euch und andern

verschrieben, Ihr wollet, was Euch von Summen furstoßen muchte,

nicht ausschlagen und sie mihr zu Gefallen besprechen Helffen, damit ich noch von diesem Markte kommen muge mit Ehren und ohn Schimpf."

Unter diesen Umständen war an eine Tilgung der alten, gemein­ sam verbrieften und jetzt wieder fällig gewordenen Schuld bei Wolf

von Lindenau nicht zu denken. Sie war bereits einmal bis auf 18 000 Taler aufgelaufen, doch hatten auf dem Ostermarkt 1561 davon 7000 Taler abgetragen werden können. Der Rest, 11000 Taler, blieb stehen. Jetzt wurden die ausgelaufenen Zinsen zum Kapital

geschlagen und dem Gläubiger am 4. Mai 1562 eine neue Obligation über 12 000 Taler ausgehändigt.

Abrechnungen mit Jakob Grieben und dem

Kurfür st en. Jakob Grieben hatte wiederholt für den Neffen einspringen müssen und geriet deshalb tiefer in dessen Geschäfte, als ihm vielleicht

lieb war. Das mag ihn veranlaßt haben, eine Generalabrech­

nung vorzunehmen; die letzte lag nun schon über zwei Jahre zurück'). Nach Regelung der Verbindlichkeiten des Ostermarktes 1562 befand sich, daß Joachim dem Oheim 3 3 9 0 0 Taler schuldete. So

sagt eine am 9. Mai von Joachim Grieben unterschriebene und ge­ siegelte Urkunde aus. Aber je nach der Auslegung, die man einem

undatierten, etwa ein Jahr später abgefaßten Brief Joachims geben will, kann man auch eine mutmaßliche Gesamtschuld von 67 800

Talern errechnen. Joachim forderte nämlich „zwei Verschreibungen,

ein jede 33 900 Taler antreffend, so ich den Handel zu thun gewesen", als erledigt zurück, ohne daß sich ein Anhaltspunkt ergäbe, ob man an eine doppelte Ausfertigung der Schuldurkunde zu denken hat oder die beiden Summen addieren muß. *) S. oben S. 87.

Ein halbes Jahr später (am 3.11.1562) belief sich Joachims ge­ samte Verpflichtung seinem Oheim gegenüber nach unmißverständ­ lichen Zeugnissen auf 7 5 2 9 4 Taler, deren Abzahlung in vier Raten bis Neujahr 1564 vorgesehen wurde. Als Unterpfand dienten das Privileg der Herzöge von Celle über die Elbschiffahrt und einige andere Urkunden. Die genaue Beschreibung von Jakobs Hand be­ findet sich noch bei den Akten. Sie verrät durch ihre typischen Formu­

lierungen die Schulung in einem oberdeutschen Kontor. Zu Jakobs Lebzeiten ist es nur noch zu einer einzigen Ab­

rechnung mit dem Neffen gekommen. Ihre Ergebnisse sollen zu besserer Vergleichsmöglichkeit hier oorweggenommen werden. Es be­ durfte bereits zweier Schiedsmänner, um die beiden inzwischen un­

einig gewordenen Verwandten wieder zu versöhnen. Der Vater Joachims, Bürgermeister Andreas Grieben, und der kurfürstliche Rat

Dr. Albrecht Thum unterzogen sich diesem Geschäft. Die Verhand­

lungen fanden in Berlin im Anschluß an den Frankfurter Martini­ markt 1563 statt, den Jakob und Joachim besucht hatten. Es kam am 2. Dezember zu einem geheimen Vergleich, wonach sich Joachim an Stelle einer buchmäßig errechenbaren Gesamtschuld von 75 294 Talern

nur zu einer Verpflichtung von 6 2 617 Talern zu bekennen brauchte, für die gewisse jährliche Amortisationsquoten von 10 000 bzw. 7000 Talern vereinbart wurden. Auch in der Bemessung des Zins­ fußes kam der Oheim entgegen, indem fortan nicht mehr wie bisher 13%, sondern nur noch 11 % Zinsen berechnet werden sollten. Angesichts der ausreichenden Faustpfänder, die Jakob von seinem Neffen erhalten hatte, kann auch der ermäßigte Zinssatz nicht als billig angesehen werden; man wird es Joachim nicht verdenken, wenn er gegen den harten und allzu geschäftstüchtigen Leipziger Verwandten einen von Jahr zu Jahr steigenden geheimen Groll nährte. Joachim Grieben hatte es inzwischen nicht an Versuchen fehlen

lassen, seine Angelegenheiten mit dem Kurfürsten in Ordnung zu

bringen. Er entschloß sich, als die Verhandlungen mit den Städten

sich immer weiter hinauszögerten, zu Michaelis 1562 eine neue Abrechnung*) vorzulegen, da die letzte, die im Jagdschloß Grüne-

wald als Unterlage gedient hatte, bereits iy2 Jahre zurücklag. Im

Interesse seiner Darstellung von den Vorgängen „zur Grunenheide" hätte Grieben peinlich darauf achten müssen, die vorgeblich vom Stur-

-Htände-Arch. 050 Nr. 11, fol. 69—75.

fürsten damals als richtig anerkannte sogenannte „grunenheidische" Rechnung unverändert zu übernehmen. Er trug jedoch noch 7 Posten in Höhe von 2076 Talern und 7 Groschen für die Zeit bis Ostern 1561 nach: für Thomas Matthias ein Grund zu der Erklärung, Grieben sei selbst von der Grünheidischen Rechnung abgewichen, so daß der Kurfürst nunmehr gleichfalls nicht mehr daran gebunden sei. Bis dahin hatte dem eifrigen Finanzrat nur das eine Argument zur Verfügung gestanden, der Kurfürst habe seine Zustimmung an die Bedingung geknüpft, daß er 50 000 Taler jährlicher Nutzung aus dem Salzhandel erhalte. Die Rechnung von Michaelis 1562 schloß mit 12 7 609 Talern, worin aber die gesamten bereits verbrieften Kapitalien, wie das 1561 verschriebene Gnadengeld von 30 000 Talern, die 12500 Taler der zollfreien Kornschiffahrt auf der Elbe und der Kaufpreis des geheimen Oderschiffahrtsprivilegs in Höhe von 5000 Talern') einbegriffen sind, die Grieben in Art eines Anhanges der eigentlichen Rechnung an­ fügte. Zieht man diese Summen ab, so bleiben noch 8 0 10 9 Taler übrig oder 55 059 Taler, sofern man die 15000 fl. des Salzhandels­ vorschusses vom 6. Januar 1559 und die nach Abzug des „Geschenks" von den 20 000 Talern vom 2. Mai 1558 übrig bleibenden 9000 Taler als ausreichend versichert ansieht; Grieben tat das nicht und hatte auch darüber keineswegs Obligationen im Rechtssinne. Der Betrag verteilt sich auf rund 60 Posten aus der Zeit von August 1560 bis Michaelis 1562. Nicht viel später übersandte Joachim Grieben dem Kurfürsten aus Wittenberg eine neue Berechnung-), die an dem Anhang der vorigen einige Korrekturen vornahm. So waren die 5000 Taler des Oderschiffahrtsprioilegs wieder gestrichen. Dafür erschienen 3160 Taler als Entgelt für anderthalbjährigen Verzicht auf die Realnutzung des Kornschiffahrtsprivilegs. Diese Unbeständigkeit der Griebenschen Rech­ nungen hat Thomas Matthias zu Heller Empörung gereizt. Die neue Berechnung wies eine kurfürstliche Verpflichtung in Höhe von 12 5 919 Talern aus. Thomas Matthias gab sich redliche Mühe, die Forderung zu reduzieren. Jedem einzelnen Posten ging er zu Leibe. Allerdings war es mit dem von ihm beliebten drastischen Ableugnen, mit dem er sich die Arbeit zumeist erleichterte, nicht getan. Zu einem ernstlichen Gegenbeweis reichten seine Unter') Vgl. oben S. 99 f. ’) Stände-A. a. a. O., fol. 77—79. Dgl. oben S. 107 f. 121

lagen mangels einer geordneten Buchführung am Hofe Joachims II. zumeist nicht aus. Er mußte sich also an Griebens Darstellung halten und, wo ihm nicht die persönliche Kenntnis der behandelten Dinge zu Hilfe kam, sie durch innere Widersprüche u. ä. zu widerlegen trachten. Das hat er aufmerksam und geschickt getan. Dennoch wird man seiner Kritik nicht immer beistimmen. Ein gewisser Teil der Griebenschen Rechnung war, nach den Maßstäben jener Zeit gemessen, nicht unberechtigt. Und wenn man bedenkt, daß Grieben seinem eigenen Oheim schon 13 % Zinsen erlegen mußte, so wird man auch den Zinsfuß von 8 % für das halbe Jahr — den sich ja der Kurfürst hatte gefallen kaffen — verständlicher finden. Daß ein Halbjahrszins von 8, ja sogar 10 % auf den Leipziger Messen nicht ganz ungewöhn­ lich war, lehren die Geldgeschäfte des Markgrafen Hans von Küstrin. Dessen Kammermeister Leonhard Stör, der das fürstliche Bankgeschäft leitete, vergab zu diesen Bedingungen das Geld seines Herrn auf den Leipziger Messen'). Zieht man in Betracht, daß Joachim Grieben für die Hälfte seiner Forderungen keine Sicherheiten, geschweige förm­ liche Schuldurkunden in Händen hatte, so wird man ihm ein be­ sonders wucherisches Verfahren nicht vorwerfen können. Thomas Matthias wandte sich in seinem Gutachten, das er in Grimnitz am 28. Januar 1563 zu Papier brachte, mit besonderem Eifer einer Reihe von Ausführungen zu, die Grieben seiner berich­ tigten Rechnung angehängt hatte. Die Aussicht auf die 100 000 TalerBürgschaft der Städte hatte Griebens empfängliche Phantasie be­ fruchtet, und so erging er sich in allerlei Projekten und Vorschlägen, die dem Kurfürsten, selbst nach Abzug jener 100 000 Taler, neue Ver­ bindlichkeiten in Höhe von 61559 Talern eingetragen hätten. Der nüchterne Thomas Matthias entsetzte sich vor solch einem Verfahren und nannte es „ungereimt, bedenklich und abscheulich".

Diese Ausführungen Griebens verschaffen uns die Gelegenheit, feine wahre Einstellung zu dem Vorhaben der 100 000 Taler-Anleihe kennen zu lernen. Die brandenburgischen Städte wußten, was sie taten, wenn sie sich gegen Übernahme der Bürgschaft wehrten, denn eine Rückzahlung kam für Grieben anscheinend von vornherein nicht in Betracht: er sah die Anleihe als eine Ablösung kurfürstlicher Schulden durch die Städte an. Dementsprechend war er bereit, die 100000 Taler von seiner auf 125 919 Taler lautenden Forderung ') Mollwo, Markgraf Hans o. Küstrin, S. 492.

in Abzug zu bringen, vorausgesetzt, daß der Kurfürst ihm jene Schad­ losoerschreibung ausstellte, die Grieben in Hinsicht der aufzunehmen­ den Gelder sicherstellte. Grieben stellte ferner dem Kurfürsten in Aussicht, er wolle beim Zustandekommen der Anleihe ihm gern einige Mittel zur Verfügung

stellen; allerdings machte er dabei zur Bedingung, daß er sich die Verbindlichkeiten des Kurfürsten, die er damit ablösen wollte, aus­ suchen dürfe. Eine größere Anzahl solcher Posten ließ er gleich auf­ marschieren. Bei den meisten handelte es sich um restierende Gehälter kurfürstlicher Bedienter. Als nach dem Tode Kurfürst Joachims II. sein Sohn eine generelle Bestandsaufnahme der bestehenden Ver­ pflichtungen des Hofes durchführte, zeigte es sich, daß die Gehalts­

zahlungen in größtem Umfange und z. T. feit vielen Jahren im Rückstand waren. Unter solchen Umständen waren gewiß nicht un­ ansehnliche Provisionen bei diesem Vermittlungsgeschäft zu verdienen, überhaupt nahm sich Grieben verschiedener Forderungen an den Kur­

fürsten an, die ohne solche Nachhilfe wohl kaum befriedigt worden wären.

Eine andere Gruppe der Vorschläge betrifft allerlei Immobilien, die Grieben an den Kurfürsten losschlagen möchte. So seinen dritten Teil an den Gütern Schmöckwitz und Bohnsdorf und das halbe Dorf Rosenthal für 8000, ein Haus zu Cöln a. S. („damit ir churf. Gnaden

einen Diener vorsehen können") für 500 und sein Viertelanteil am

Bergwerk zu Könnern für 800 Taler, überall leuchtet der Versuch heraus, auf bequeme Weise faule und böse Schulden loszuwerden und zu Gelde zu machen. Am dreistesten ist in dieser Hinsicht das An­

sinnen, der Kurfürst solle Grieben den Schaden ersetzen, den ihm einer seiner Bedienten namens Hans G r a s m u s durch falsches Würfelspiel verursacht hatte. Grieben war eine Kiste Perlen, eine goldene Kette und 700 Taler bar Geld dabei losgeworden. Er be­ klagte sich nun, es seien ihm, obwohl der Kurfürst die falschen Würfel selbst in Augenschein genommen habe, nur die Perlen zurückerstattet worden. Er bat deshalb, ihm die Kette wieder verschaffen zu wollen und setzte die 700 Taler in Rechnung mit der Bemerkung, der Kur­

fürst solle sie sich von den Erben des Grasmus zurückfordern!

Schließlich trug Grieben noch eine lange Reihe persönlicher und privater Beschwerden und Wünsche vor, z. B. gegen Bernd von Gruningen, Andreas Lindholz u. a. Oder es handelt sich um Angelegen­

heiten seiner ländlichen Besitzungen, z. B. betr. die Mühle in Mahls-

darf, die Anwartschaft auf die Friedlandschen Klostergüter u. ä. Nach­ dem er dem Kurfürsten noch in Aussicht gestellt hatte, er wolle ihm letztlich bis zu 100 000 Talern vorstrecken, bat er ihm selbst wenigstens etwas bares Geld für den Michaelismarkt an die Hand zu geben. Das wolle er dem Kurfürsten bestimmt zurückerstatten oder 40 000 Taler Strafe zahlen!

Welch ungünstigen Eindruck die hemmungslosen Phantastereien und der überhebliche Ton dieser „Rechnung" auf den Kurfürsten machten und welche unangenehmen Folgen das hatte, werden wir noch erfahren. Zur Entschuldigung Griebens kann man vielleicht anführen, daß er in seiner schweren Bedrängnis anscheinend die Nerven verloren hatte. „Wäre nicht Wunder, ich gar töricht würde, so als mit mir gefahren wird", schrieb er an den Oheim in diesen Tagen. Er hatte wahrhaftig guten Grund dazu, denn auf dem Michaelismarkt 1562 sah es böse für ihn aus. Wieder mußte der Kurfürst eingestehen, daß er seine 6000 Taler nicht bezahlen könne. Aber das war noch nicht das Ärgste. Joachim Grieben hatte sich darauf eingelassen, für Thomas Matthias Bürge zu werden, als dieser andernorts für seinen Herrn Geld aufbrachte. Da Matthias zur Rückzahlung nicht imstande war, mußte Joachim Grieben für ihn entspringen. Hans von Lind e n a u hatte 2550 Taler, Merten Mertens und Wolf von Lindenau 12000 Taler zu fordern. Beide Grieben mußten als Selbstschuldner ihren Namen hergeben, um die Gläubiger zu be­ wegen, die Summen weiter anstehen zu lassen. Thomas Matthias mußte ihnen dafür eine Schadlosverschreibung ausstellen, und Joachim Grieben benutzte die Gelegenheit, ihn gehörig ins Gedränge zu bringen, um ihn sich etwas gefügiger zu machen. Wenn auch Joachim Grieben beide Summen und das draufgezahlte Schadengeld dem Kurfürsten in Rechnung setzte, so war ihm doch wenig damit geholfen.

Der Kurfürst war bei dieser Entwicklung der Dinge in Sorge, Jakob Grieben könnte darüber unwillig werden und ernstlichere Gegenmaßnahmen ergreifen. Er hielt es deshalb für angebracht, sich bei ihm schriftlich zu entschuldigen und sich für Joachim Grieben, der ja für ihn gebürgt hatte, zu verwenden. Zugleich aber suchte er Vor­ sorge zu schaffen, daß Jakob in seinem Ärger nicht etwa dem kurfürst­ lichen Küchenmeister Johann Blankenfelde Lieferungen und Verlag sperre. Daß die Angelegenheit mit den Städten noch nicht

geregelt fei, entschuldigte er mit der langen Abwesenheit Joachims. Der hatte sich nämlich inzwischen bemüht, sein in Hamburg lagerndes Salz irgendwie zu Gelde zu machen. Ein Versuch, bei

seinem alten Geschäftsfreund Benedikt Gundermann 12—14 000 Taler gegen Verpfändung von 1050 Last Boisalz, die Bürgschaft Jakob Griebens und andere Sicherungen aufzubringen, schlug gänzlich fehl; Gundermann war auf Joachim Grieben nicht mehr gut zu sprechen, da er ihm 114 Taler Fracht für zwei im vorigen Jahr mit Boisalz nach Berlin verschiffte Kähne schuldig geblieben war. Ganz ergebnislos scheint die Hamburger Reise nicht gewesen zu sein, denn gegen Bürgschaft Jakob Griebens gab ein Verwandter des

Merten Mertens namens Johann Leuchtmacher 3500 Taler her. Joachim setzte seine Versuche, seine Warenlager zu räumen und um jeden Preis zu verwerten, fort. Ob ihm sein Vorhaben gelungen ist, 60 Zentner Kupfer, die in Berlin lagerten, nach Braunschweig zu verhandeln, steht dahin. Mit seinem Hamburger Salz hatte er auch weiterhin kein Glück. So mußte er dem Oheim am & Januar 1563

eingestehen, daß er seinen Verpflichtungen auf dem Neujahrsmarkt nicht nachkommen könne, da er nur 5000 Taler an der Hand habe. In der letzten Minute wußte er allerdings Anselm von Z a s ch w i tz zu bewegen, sein Darlehen von 10 000 auf 17 000 Taler zu er­ höhen. Aber für den Neujahrsmarkt kam das Geld zu spät.

Jakob scheint diesmal in ernste Bedrängnis geraten zu sein. Er

war augenscheinlich nicht mehr gewillt, Rücksicht auf den Neffen zu nehmen. Ohne dessen Wissen und Willen hatte er bereits in den letzten Dezembertagen Verhandlungen eingeleitet, um das ihm ver­ pfändete herzoglich-lüneburgische Privileg, diesen Eckstein des Unter­

nehmens seines Neffen, zu Gelde zu machen. Auf dem Markte aber nahm er kein Blatt vor den Mund und schalt tüchtig über die Zah­ lungsunfähigkeit Joachims. Was halfen da dessen bewegliche

Klagen, auch wenn er beteuerte: „daß ich Euch so ungerecht in meiner Zahlung über mein Zuschreiben werde, habe ich mit be­ kümmertem Gemüte vernomen und ist mir so leid, als mir die Tage meines Lebens kein Unglück, so mir zugestanden, also be­

kümmert hat! Wollet noch eine kleine Geduld haben und mich der Nichthaltung halber nicht anziehen, ich käme sonst in den Tod da­ durch, würde nicht lange währen". Noch einmal zählte er alle feine

Bemühungen und Aussichten, Geld zu bekommen, auf, um den Oheim

gnädig zu stimmen. Wir verstehen den Seufzer, mit dem er seinen

Brief schloß: „Gott helfe mich aus den Händeln mit Ehren! Ist mir leid, daß ich darin kommen bin!"

Den Oheim vermochte das nicht zu rühren. Er verlangte un­ nachgiebig, Joachim solle entweder bis zum 1. Februar zahlen oder sich in Leipzig persönlich stellen. Dieser wandte sich in seiner Not an

den Kurfürsten und brachte es fertig, daß eine Interzession an den Leipziger Oheim erging, in der er gemahnt wurde, „mit Ausbietung

und Verkaufung der Unterpfande und anderer Bedrängung gemach zu tun", da der Schaden auch den Kurfürsten treffen würde. Jakob Grieben dürfte selbst eingesehen haben, daß ein starres Festhalten an seiner Forderung den Neffen ins Verderben gestürzt hätte, ohne daß ihm selbst dadurch geholfen gewesen wäre. So benutzte er seine Anwesenheit in Berlin gelegentlich seiner Rückkehr vom Frankfurter Reminiszere-Markt, um sich mit Joachim zu vergleichen. Der ließ es am guten Willen nicht mangeln und brachte Geld auf, wo er nur konnte. Wir hören, daß er dem Oheim Anfang März bereits

3000 Taler zuleiten konnte und wegen weiterer 4000 in Verhand­ lungen stand. Er hat es sich etwas kosten lassen. Er durste sich auf Thomas Matthias als Zeugen dafür berufen, daß er „zum offtern 10,12,16, 20, 24 auch 32 pro cento gegeben". Inzwischen hatte Joachim Grieben feststellen müssen, daß die bisher freundliche Haltung des Kurfürsten in das Gegenteil um«

geschlagen war. Die Veranlassung dazu hatte Grieben selbst durch seine unvernünftigen „Rechnungen" vom Herbst 1562 gegeben; im Januar konnte Thomas Matthias sein Gutachten darüber abschließen und dem Kurfürsten vorlegen. Dem riß die Geduld. „Demnach nuhe Churf. Durchlauchtigkeit bi,en Unbestandt bey ime gespuret, zu dem

er auch mit dem Saltzhandel nicht gehalten, was er versprochen und gesolt, und sich durchaus also erzeiget, das man sich nichts anders dan eitel geferliche Geschwindickeit zu ime zu vorfehen gehapt", habe er. so berichtet Thomas Matthias, ihm ultimativ erklären lassen, entweder solle Grieben diesem Unwesen ein Ende machen und seine Verpflichtungen erfüllen, oder der Kurfürst wolle sich seiner Zusagen ihm gegenüber für frei und ledig erachten.

Die Städtebürgschaft. Joachim hatte am 12. Februar nach Leipzig geschrieben, der Oheim solle noch eine kurze Weile Geduld mit ihm haben: „weil die Sachen mit mir und den Städten nun fast zu Ende gearbeitet

wären".

Im März wurden sie jedoch erneut dadurch kompliziert,

daß der Kurfürst wieder auf die ursprünglich geforderte Summe von 150 000 Talern zurückkam, an der er, wie wir sahen, ein besonderes Interesse hatte. Er meinte, daß „die von Stedten daran gar nichts verlieren, wie hoch sie sich vor Joachim Grieben einlassen, wenn sie genügsame Kegenvorwarung überkommen"'). Für Joachim Grieben

bedeutete das neuen Verzug. Der Kurfürst aber hat in einem besonders vertraulichen Artikel seiner Instruktion bereits Vorkeh­ rungen getroffen für den Fall, daß der Handel zwischen ihm und Joachim Grieben „nichtig solle zergehen". Diese geheime Anweisung richtete sich an Thomas Matthias und Andreas Grieben, den Vater Joachims. Kein Wunder, wenn trotz der feierlichsten Mahnungen,

die Maßnahmen geheimzuhalten, der davon Betroffene sehr bald Bescheid wußte. Verbittert beklagte er sich wenige Tage barauf2)

beim Oheim, der Kurfürst halte ihm seine Versprechungen nicht, des­ halb solle er — wohl als Repressalie — ihm die Lieferung von Ge­ würz und andern Waren sperren. Für die gefährlichen Dinge, die sich hinter seinem Rücken abspielten, glaubte er auch dem Oheim einen Teil der Schuld zumessen zu sollen, wie folgende Worte lehren: „denn man mir in meinen Sachen, weil Ihr Euch meiner nicht an­ genommen und sie allerlei mir zu Nachteil von Euch gehört haben sollen, seltsam genug unter Augen geht". Vier Wochen später hören wir immer noch das gleiche Lied über den Kurfürsten: „In meiner Handlung geschicht nichts, man gibt mir

gute Worte und thut nichts. Vergebe ihm Gott, wie er seine statt­ liche Verheißungen, so er mir in der Not getan, bedenkt. . . . An­ dere würden an meiner Stelle wohl anders davon schreiben und

sagen." Joachim, der inzwischen unzweifelhafte Beweise erhalten hatte,

daß er sich in Ungnade am Hofe befand, wußte keinen andern Aus­ weg, als den Oheim zu bitten, auf feine Kosten nach Berlin zu kommen und zu vermitteln. Diesem Wunsch hat Jakob im eigenen Interesse entsprochen. Als erster Erfolg der am 29. April 1563 auf­ genommenen Verhandlungen, auf die wir noch genauer eingehen werden, ist es wohl anzusehen, daß Joachim Grieben für einige zu

Ostern 1563 getätigte Anleihen die Bürgschaft kurfürstlicher Städte in Anspruch nehmen konnte. *) Friedensburg, S. 287. ’) 10. März 1563. R.-A. Leipzig XLV G 1 a II.

127

Was aber war inzwischen aus dem großangelegten Sanierungs­

plan geworden! Nicht mehr von 100 000 oder gar 150 000 Talern ist

die Rede — nur bis zu einer Gesamthöhe von 30 000 Talern durfte sich Grieben des städtischen Kredits bedienen.

Die Anleihe wurde in folgender Weife aufgebracht: 1. 2000 Taler von Magister Heinrich Jager zu Prenzlau, fällig

Weihnachten 1564; Bürgen: Berlin, Cölln, Frankfurt, Anger­ münde und Eberswalde. 2. 1000 Taler vom Bürgermeister Konrad Dufter zu Tanger­ münde, fällig nebst Zinsen zu Ostern 1564; Bürgen: beide

Städte Brandenburg. 3. 800 Taler vom Amtsschreiber Kaspar Helmereich, ebenda, zu denselben Bedingungen. 4. 12 000 Taler vom Hofmeister Ludolf von Aloensleben, fällig Ostern 1564 nebst 720 Taler Zinsen; Bürgen: Berlin und

Cölln. (Ausgenommen Ostern 1563.)

5. 2000

Taler und 850 rhein.

Goldgulden von Bernd von

Bredow auf Kremmen, fällig Ostern 12 Städte. (Ausgenommen Ostern 1563.)

1564;

Bürgen:

6. 5000 Taler von Adrian von Hilst (Leipzig). 7. 5500 Taler von Bartel Schnelle (Leipzig?).

Zu 6. und 7. vermerkte Grieben:

„Die beiden sind nit voll­

zogen, weil die allererst in Fastnacht vor Ostern 64 zu siegeln ge­ sucht, da doch der Datum Mittwochs in Ostern 1563 datirt und die

Zahlung in den 8-Tagen zu Ostern 64 wiederum geschehen soll." Daß es nur 30 000 Taler und nicht mehr wurden, hat seinen Grund in der sich immer mehr verschärfenden Krise der Beziehungen zwischen dem Kurfürsten und Grieben. Aber auch von anderer

Seite scheinen sich Schwierigkeiten eingestellt zu haben. Das Risiko dieses Anleihewerkes lastete allein auf der S ch a d l o s v e r -

fchreibung, die den Städten den Rücken sicherte.

Und damit

scheint es nicht ganz in Ordnung gewesen zu sein. Joachim Grieben hatte zwar vornehme Namen zu nennen gewußt; wieweit deren

Träger aber bereit waren, sie unter eine solche Verschreibung zu setzen, war nichts weniger als geklärt. Er hatte nicht mehr als acht

dazu bewegen können, die Rückbürgschaft für eine zeitweise vor­ gesehene interimistische 60 000 Taleranleihe zu übernehmen, während die Städte 50 verlangt hatten und für die spätere Anleihe doch wenigstens 25 vorgesehen waren.

Welche Schwierigkeiten zu über»

winden waren, können wir an Jakob Erlebens Beispiel ermessen. Verlangte er doch seinerseits wieder eine Rückendeckung. Der Neffe mußte sich feierlich verpflichten, seinen Vater Andreas in bestimmter Frist dazu zu bewegen, diese Versicherung auf sich zu nehmen,

andernfalls sollte Jakob das Recht haben, den Städten die Bürg­ schaft aufzukündigen. Um den Vater und sich zu entlasten, suchte Joachim Deckung beim Kurfürsten, der nicht nur die letzte Haftung für die aufgenommenen Summen, sondern auch für etwaige nach­ teilige Folgen der Judenvertreibung, die für die Städte mit diesem Handel unlösbar verbunden war, auf sich nehmen sollte. Ein Erfolg

scheint dieser Werbung nicht beschieden gewesen zu sein. Sie hätte dem reichlich komplizierten Rückversicherungssystem einen gewissen Halt geben können und den Ring geschlossen. Es gab noch andere schwache Punkte in dieser Schadlosver­ schreibung. Joachim Grieben hatte — so stellte er es wenigstens

später dar — eine Blankovollmacht von den Bürgen derart erhalten, daß die Summe in die sonst fertig unterschriebene und gesiegelte Urkunde nicht eingesetzt, sondern dafür ein entsprechender Raum freigelassen wurde. Ihm sei es überlassen gewesen, eine dem Er­ gebnis der Verhandlungen mit den Städten entsprechende Zahl in beliebiger Höhe nachzutragen. Das habe er getan und anfangs

30 000 Taler hineingeschrieben, später aber auf Wunsch der Städte die Zahl in 60 000 verbessert. Hingegen wollte Jakob nur von einer Gesamtverpflichtung der Bürgen bis zu 30 000 Taler etwas wissen, für die der einzelne nur anteilig aufzukommen habe. Er scheute, um sich seiner Verpflichtung entziehen zu können, nicht vor dem schweren

Vorwurf einer Urkundenfälschung zurück, indem er auf die Rasuren und Verbesserungen in der Urkunde hinwies und be­

hauptete, sie sei nicht mehr in dem Stande, wie er sie unterschrieben habe, deshalb könne er auch nicht dafür haften. Diese ehrenrührige Anschuldigung gegen Joachim Grieben, noch dazu von feiten eines

so nahen Verwandten, war wohl dazu angetan, ein großes Aufsehen

am Berliner Hofe zu erregen. Joachim Grieben hat dem Oheim diese Handlungsweise nie verziehen. Vorerst blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Zorn zu mäßigen und die Vergeltung für einen

günstigeren Zeitpunkt aufzusparen.

Die Urkunde selbst liegt heute nicht mehr vor; daß sie Rasuren aufwies, will noch nichts gegen Joachim Grieben beweisen, wenn

man seiner Darstellung Glauben schenkt. Es gibt anderseits untrüg9 Großkaufleute 1

129

liche Beweise, daß Jakob über den Hergang genauestens unterrichtet war. Wie hätte er sonst von seinem Bruder Andreas eine Versiche­ rung über 60 000 anstatt 30 000 Talern in Anspruch nehmen können. In einem undatierten Schreiben, das wohl aus der Zeit des Leip­

ziger Neujahrsmarktes 1564 stammt, bat der Neffe, ihn nicht in letzter Stunde im Stich zu lassen, denn, so fährt er fort, „sollten die Städte meines Nichthaltens berichtet werden, dürften sie Ursache

nehmen und den ganzen gewilligten Handel der 60 000 Taler betr. umstoßen". Aber es war von keiner praktischen Bedeutung, wer von beiden in diesem Streit Recht hatte, denn Joachim Grieben hatte ja

das Instrument gar nicht voll ausnutzen können und nur 30 000 Taler darauf erhalten. Die moralische Haltung Jakob Erlebens in dieser Angelegenheit ist demnach wenig rühmlich gewesen. Joachim Grieben hatte während der Verhandlungen mit den Städten selbst zum Ausdruck gebracht, daß ihm mit 40 000 bis

50 000 Gulden nicht geholfen sei. Nun hatte er sich mit 30 000 Talern begnügen und selbst darauf volle zwei Jahre warten müssen! Die Hilfe war nicht nur unzureichend, sie kam auch viel zu spät.

Liquidation. Ende des Salzhandels.

Die Vermittlungsaktion Jakob Griebens hatte inzwischen eine entscheidende Wende in den Unternehmungen seines Neffen herbei­

geführt. Sie kam in gewisser Hinsicht einer Liquidation gleich. Die Verhandlungen begannen am 29. April 1563 und währten mit gewissen Pausen bis in den März des Jahres 1564.

Das hauptsächlichste Bemühen richtete sich darauf, die Salzoersorgung der Mark in Gang zu bringen. Ein naheliegender Vorschlag Joachim Griebens fand die Zustimmung des Kurfürsten. Er ging dahin, das ganze Unternehmen den Städten zu übertragen. Sie sollten Grieben abfinden und für den erforderlichen Verlag sorgen. Dafür war ihnen die Hälfte des Gesamtertrages zugedacht. Der Kur­

fürst war unter diesen Umständen bereit, sich mit der andern Hälfte zu begnügen. Thomas Matthias berichtet, daß die Abfindungssumme, die dabei in Erwägung gezogen wurde, „kümmerlich den vierten Teil so hoch" gewesen sei, wie Grieben noch 1569 seine Beteiligung be­

wertete. Er hatte sich — wie bereits erwähnt*) — entsprechend einem

*Töben S. 104.

mutmaßlichen Gewinn von jährlich 12 000 Talern ein Kapital von 2uu 000 errechnet. Demnach hätte die jetzt zur Sprache stehende Ab­

findung noch nicht 50 000 Taler betragen. Die Städte waren jedoch

nicht zu bewegen, auf dieses Angebot einzugehen. Dem Kurfürsten gefiel der Plan anscheinend gut, er ließ nicht davon ab, so daß Grieben später behaupten konnte, er habe sich in Erwartung einer gebührenden Abfindung über seine Kraft und Vermögen hinaus von Jahr zu Jahr vertrösten lassen. Während der Verhandlungen wußte er noch einen zweiten Vor­ schlag zu machen, als der Erfolg des ersten zweifelhaft wurde.

Er wollte seine Gerechtigkeit an mehrere kleinere Unter­ nehmer abtreten, die das Salzsieden auf ihre eigenen Unkosten

betreiben und von jeder eingeführten Last Boisalz 3 Taler abgeben

sollten. Bei einem auf 6000 Last zu schätzenden Jahresbedarf hätte

der Kurfürst auf wärtigen gehabt. wegs gefallen, er Talern stand mit

seinen Teil 12 000, Grieben 6000 Taler zu ge­ Dieser Vorschlag wollte dem Kurfürsten keines­ lehnte ihn entschieden ab. Der Ertrag von 12 000 den 50 000, die der Kurfürst im stillen immer noch

erhoffte, in gar zu großem Widerspruch. In seiner Meinung, daß aus dem Salzhandel mehr herauszuholen sei, hatte ihn Jakob

Grieben, vor dessen kaufmännischer Autorität er den größten Respekt

hatte, noch bestärkt. Sie saßen beide allein zusammen eine ganze Nacht über dem Salzversorgungsprojekt, berechneten hin und her

und überschlugen die Ertragsmöglichkeiten. Das Ergebnis war, daß der Kurfürst sich weiterhin eine Nutzung von jährlich 50 000 Talern

versprach. Eine solche soll ihm angeblich Jakob Grieben sogar zu­ gesichert haben. Joachim Grieben wollte davon nichts wissen. Er behauptete, sein geschäftstüchtiger Oheim habe die verheißungsvolle Zusicherung, die zu Lasten des Neffen ging, nur gegeben, um ein recht großes Gnadengeld zu erzielen. Er soll auf diese Weise — nach Aussage seines Neffen — 4000 Taler bekommen haben, dazu ein ansehnliches Jahrgeld, Kleidung und Unterhalt! Eine jährliche Be­

soldung van 1000 Talern hat Jakob tatsächlich herausgeschlagen, sie

ist aber nie gezahlt worden, und als die Erben später deren Nach­ zahlung forderten, konnten sie damit nicht durchdringen, weil sie keine Bestallung vorzulegen vermochten').

überhaupt spürte Joachim sehr bald, daß Jakob bei den Ver­ handlungen, zu denen der Neffe nicht hinzugezogen wurde, zuerst

*) Stände-Arch. B 1.8, S. 188. 9*

131

einmal die eigenen Interessen wahrnahm. Er glaubte sogar Beweise dafür zu haben, daß Jakob ihm beim Kurfürsten einen bösen Leu­

mund verschaffte. „Zaschwitz sonderlich schreit umher, sein eigener Better (d. i. Jakob) redet ihm nichts guts nach", hielt er dem Oheim vor, der den Peter-Paulsmarkt des Jahres 1563 in Naumburg wahrnahm. Dennoch sah er sich genötigt, seine Sache ganz in de» Oheims Hände zu legen, wie zwei Briefe vom Ende Juli und

Anfang August 1563 beweisen. In diesen Tagen befand sich Jakob wieder beim Kurfürsten, der in Spandau weilte. Etwas Ernstliches brachten die Verhandlungen Jakobs in der

Salzhandelsfrage nicht zuwege. Es blieb bei Halbheiten, man beriet und debattierte, während indessen der Handel völlig zusammenbrach und erst wieder von Grund auf neu hätte begonnen werden müssen, wenn man wirklich einen Weg zu seiner Sanierung gefunden hätte. Der große Plan Griebens war damit gescheitert — für ihn, nicht für die Zukunft. Unter der folgenden Regierung ist der Gedanke^ die Salzversorgung der Mittelmark einem Unternehmer zu über­ tragen, ausgeführt worden, allerdings in einfacherer Steife1). Denn

es handelte sich nun nicht um das Boisalz, das Siedereianlagen er­ forderte, sondern um das altgewohnte Lüneburger Salz, das ge­

brauchsfertig bezogen wurde. Graf Rochus Lynar, der kurfürstliche Kriegsbaumeister, war der Unternehmer, der die Kapitalien vorschoß, und den Handel (seit 1583) führte, und zwar gegen einen Anteil von 25 % am Reingewinn. Nach seinem Tode (1596) übernahmen die mittel- und uckermärkischen Städte das Geschäft, wie es ja auch schon einmal vorgeschlagen worden war, und zwar auf eigenen Ge­ winn und Berlust. Dem Kurfürsten als Regalsherrn mußten sie 12 000 Taler jährlich abgeben, und das mußte ihnen nachgehends auf 10 000 Taler ermäßigt werden. So wenig entsprach die frühere Annahme eines Regalgewinns von 50 000 Gulden oder Talern den

tatsächlichen Verhältnissen. Allerdings war damals ein volles Mono­ pol ins Auge gefaßt, während nun eine beschränkte Einfuhr von anderem Salz zugelassen blieb und die Oberstände freie Salzver­ sorgung behielten. Abwicklungsverhandlungen.

Für Grieben bedeutete jener Ausgang ein furchtbares Fiasko. Er will, wie er später behauptete, an der Salzhandlung weit über

»sFröbrich, a.a.O., S.29ff.; Acta Bor., Akzise I 6.656 f.

100000 Taler aufgewendet haben, während er nach einer von kur­ fürstlicher Seite stammenden Angabe nur für 18000 Taler ge­ sottenes Salz verkauft hat. Mag man auch seine Behauptung für stark übertrieben, wie gewöhnlich, halten, der sich ergebende Fehl­ betrag ist zweifellos riesig gewesen, gemessen an den Verhältnissen der Zeit und des unglücklichen Unternehmers. Diesem blieb nur noch übrig, seine Verpflichtungen und Forderungen abzuwickeln unter Verwertung der ihm verbliebenen Activa. Diese schmerzliche und dornige Aufgabe der Liquidation nahm ihn für die weitere Zeit in Anspruch; an ihr ist er nach einigen Jahren völlig zusammen­ gebrochen.

Es kam vor allem darauf an, die beim Kurfürsten ausstehenden Forderungen beizutreiben, über deren Höhe war man indessen beiderseits noch ganz uneins. Darin eine Einigung herbeizuführen, war eine weitere Aufgabe der Vermittlungsaktion Jakob Grieben», und er hat sich dieser, wie sich feststellen läßt, wenigstens anfangs ehrlich und unparteiisch unterzogen und sich reichlich Mühe gegeben, eine Einigung zu erzielen. Kurz vor Beginn der Verhandlungen, am 7. März 1563, hatte Joachim Grieben eine neue bis auf Ostern 1563 vervollständigte Ab­ rechnung vorgelegt, die bereits ein Saldo von 230 000 Talern aufwies! Sie fußte auf der „grunheidischen" Rechnung von Ostern 1561 und stimmte für die nachfolgende Zeit mit Griebens inzwischen eingereichten Angaben überein. Am Schluß folgt eine ansehnliche Reihe neuer Posten, darunter befinden sich nicht wenige der von Thomas Matthias so entrüstet zurückgewiesenen „ungereimten" Vor­ schläge der Wittenberger Rechnung von Michaelis 1562. So finden wir die 800 Taler für den Anteil am Bergwerk zu Könnern wieder, desgleichen den Ersatz des Schadens, den der Falschspieler Grasmus angerichtet hatte. Auch die Güter Rosenthal, Schmöckwitz und Bahns­ dorf fehlen nicht, im Gegenteil, es wird auch noch der Anteil des Paul Freiberg in Schmöckwitz und Bohnsdorf zu einem Preis von 475 Talern in Rechnung gestellt. Grieben war auf Grund seiner Forderungen an Freiberg, der, wie wir schon hörten, in Schmöckwitz ohne Erfolg Salz versotten hatte, im Herbst 1562 gerichtlich in dessen Anteil eingewiesen worden. Vorher hatte sich aber die Freibergsche Verwandtschaft durch eine schonungslose Waldverwüstung noch rasch eine Entschädigung zu schaffen gesucht. Den Schaden schätzte Joachim Grieben mit 400 Taler — und stellte ihn dem Kurfürsten gleichfalls

In Rechnung, wobei nicht zu ersehen ist, wie der sich dafür bezahlt machen sollte. Nicht viel anders steht es mit 450 Talern, um die ihn der Jude Benisch „mit unerhörten Schelmstücken" gebracht hat.

Auch dafür sollte der Kurfürst aufkommen, da es für ihn ein leichtes sei, sich die Summe von dem säumigen Schuldner wieder zu ver»

schaffen.

Ein anderer Posten heißt so: „Noch hab ich zu Spando

etlich Zimmerholtz im Wasser ligen; dazu wil Ihrer churf. Gnaden

noch soviel Zimmer- oder Brenholtz liebern, das es wirdig sein sol

100 Taler", die dem Kurfürsten natürlich sofort angerechnet werden. Alles das hätte noch nicht 230 000 Taler zusammen ergeben. Dazu

waren folgende Forderungen nötig, über die wir sonst nichts hören, offenbar weil sie nie ernstlich Gestalt gewonnen haben und in den ersten Berhandlungen stecken geblieben sind:

„Noch wollen Ihr churf. Gnaden, das ich derselben wegen allen Stedten vergnügen soll 40 000 Taler.

Noch wollen Ihr churf. Gnaden zu Ablegung der franckfurdischen Schulde und sonsten abgetretten haben 30 000 Taler."

Mit einer solchen Unterlage ließen sich ernstliche Verhandlungen nicht in die Wege leiten. Ehe sich Jakob Grieben an sein schweres Werk machte, hat er zuerst einmal den Neffen zu einer wesentlich

gemäßigteren Aufstellung genötigt, die er am 29. April dem Kur­ fürsten unterbreitete. Sie sah den bisherigen Rechnungen Joachim Griebens erstaunlich wenig ähnlich. Auch sie ging von der „grün» heldischen" Rechnung aus, aber sie berechnete nicht mehr 8, sondern

nur noch 4 % Halbjahrszinsen. Und für die Zeit von April bis Michaelis 1561 waren auch nicht einmal diese in Anrechnung

gebracht, weil der Kurfürst mit Ausbringung der Verschreibung bis dahin „Ziel" gehabt Habel Ferner hatte Joachim Grieben in feinen seit der „grunheidischen" übergebenen Rechnungen — auch wenn

man die mehrfach erwähnten phantastischen Vorschläge außer acht

läßt — über 50 neue Posten für die Zeit vom April 1561 bis April 1563 aufgeführt.

Davon waren nach Jakobs kritischer Musterung

knapp die Hälfte übrig geblieben, alles solche, denen man auch heute noch ansieht, daß es sich nicht um irreale Wunschgebilde Joachim Griebens handelt (darunter aber doch auch die oben angegebene

Spandauer

Holzlieferung).

Das

Endergebnis

kann

nicht

über»

raschen: an Stelle der 230000 sind nur noch 120 642 oder, mit

Einschluß zweier versicherter Kapitalien von 12 500 und 5000 Taler,

die

Thomas

Matthias hinzu

addierte,

138 142

Taler

übrig­

geblieben. Dieser vernünftigen und wohlbegründeten Rechnung gegenüber

hatte es Thomas Matthias nicht leicht. Im Grunde fand er nichts

von Bedeutung daran auszusetzen. Er beanstandete, wie schon früher, die angebliche Bewilligung des Kurfürsten, daß aus der auf den Lenzer Zoll verschriebenen unverzinslichen Summe vermöge des zweifelhaften Griebenschen „Geschenks" von 8000 Talern eine ver­ zinsliche Schuld von 9000 Talern gemacht wurde. Dementsprechend

stellte er 17 000 — soweit waren die 20 000 Taler amortisiert — in Rechnung. Andere kleine Posten schaltete er ohne ersichtlichen Grund

aus. Sein Saldo lautete auf 13 9 3 8 01/2 Taler, also — wegen

des abgelehnten „Geschenks" — etwas höher, als ihn Grieben be­ rechnet hatte. Davon machten die verschiedenen verbrieften Kapi­ talien 64 500 Taler aus, und 74 880 % Taler ergab die Addition der einzelnen Posten nebst den 4prozentigen Halbjahrszinsen. Zu den „unversicherten" Schulden zählte Thomas Matthias jene 15 000 fl. (- 16 050 Taler nach ©Hebens Umrechnung) des SalzhandelsVorschusses, nicht aber den Restbetrag der 20 000 Taler-Verschreibung vom 2. Mai 1558.

Thomas Matthias hatte seine mit eigener Hand verfaßte Gegen­ rechnung in den ersten Tagen des Mai Jakob Grieben ausgehändigt, der sie seinem Vetter überbrachte. Joachim erkannte den Wert, den

für ihn eine (wenn auch begrenzte) Bestätigung seiner Forderungen von der Hand des kurfürstlichen Finanzrats haben konnte. Er ließ

sie flugs abschreiben und behielt das Original zurück. Zu spät er­ kannte Matthias seine Unvorsichtigkeit. Halb besorgt, halb tröstlich notierte er auf der zurückerhaltenen Abschrift, daß es „gewißlich geferlicher Meinunge von ime geschehen, wiewohl er damit nicht

vermag! auszurichten". Um so mehr freute er sich, als Joachim Grieben sehr bald wieder zu seiner alten Forderung einer acht­ prozentigen Halbjahrsverzinsung zurückkehrte und durch einen Nach­ trag den Unterschied der Zinsberechnungen auf 8488 Taler feststellte. Matthias meinte, nun sei Grieben von seiner letzten Rechnung wieder

abgefallen, deshalb sei er nun auch nicht mehr an die Gegenrechnung gebunden.

Joachim Grieben addierte zu seinem Schlußsaldo den Zinsunter­ schied und den Betrag, der auf die zollfreie Elbpassage verschrieben

war, nämlich 12 500 Taler, hinzu — dagegen nicht die 5000 Taler 1.35

des Oderschiffahrts-Privilegs — und bekam damit eine Gefamtfchull» von 141 6 6 2 Talern. Er behauptete, in dieser Form sei sie durch Matthias und den Leipziger Oheim anerkannt und ihm zugesichert

worden, daß er noch vor dem nächsten Leipziger Markt darüber eine formgerechte kurfürstliche Verschreibung in Händen haben solle, um

sich auf dieser festen Grundlage mit seinen Gläubigern einigen zu können. Indessen verweigerte der Kurfürst seine Zustimmung, weil ihm die Summe „viel und groß" erschien.

Joachim Grieben war um neue Vorschläge nicht verlegen. Er erbot sich, die 12 500 Taler der Elbpassage und weitere 19162 heraus­ zulassen, so daß die Schuldverschreibung, auf die der Kurfürst und seine beiden ältesten Söhne sich verpflichten sollten, nur auf 110 000 Taler hätte zu lauten brauchen. Die 19162 Taler versprach Grieben bis auf 20 000 aufzufüllen, bat aber, der Kurfürst möge, weil er sich chm weit über seine Verpflichtungen hinaus willig erzeigt habe und „gros Elend und Bekümmernis und Scheden" über sich ergehen lasten müsse, ein Gnadengeschenk von 5000 Talern hinzufügen. Für diese Schuld von 25 000 Talern, für die eine Verzinsung in Höhe von 10 % in Aussicht genommen wurde, wollte sich Grieben mit der Unter­

schrift der Kurfürsten allein begnügen. Da der Kurfürst auch für diese Lösung nicht zu gewinnen war, bequemte sich Grieben zu weiterem Entgegenkommen. Die feierliche Hauptverschreibung sollte nur noch auf 80 000 Taler lauten. Auch gab er sich redliche Mühe, den Prinzen die geforderte Verpflichtung zum Einreiten schmackhaft zu machen. Nach Griebens Behauptung, die er auf sein Gewissen nehmen wollte, hat ihm der Kurfürst zu wiederholten Malen persönlich mit Hand und Mund seine Zustimmung zu diesem Plan zu erkennen gegeben. Aber Thomas Matthias stellte

es ebenso entschieden in Abrede, daß der Kurfürst sich irgendwie ge­ bunden habe — obschon eine erneute Gegenrechnung, die er am 19. September 1563 fertiggestellt hatte, nur um 1640y2 Taler von

Griebens Schlußsumme (141662 Taler) differierte. Waren die Verhandlungen allmählich von Jakob auf den Neffen abgeglitten, so schien es jetzt erforderlich, den Oheim wieder hinzuzu­ ziehen. Noch im September trat dieser zum zweitenmal in Aktion.

Es würde zu weit führen, das Hin und Her der Verhandlungen weiter zu verfolgen, wie es die ausgezeichnete Überlieferung wohl gestatten würde. Es soll hier nur das Endergebnis ermittelt werden, was nicht ganz leicht ist, da die verhandelnden Parteien sich nicht zu

einem abschließenden Rezeß durcharbeiten konnten, sondern letzten Endes ohne endgültige Klärung auseinandergingen. Zu diesem Zweck bedarf es zuerst einer Übersicht über sämtliche kurfürstlichen Schuld­ verschreibungen und Privilegien, auf Grund deren Joachim Grieben Geldansprüche erheben konnte.

1

2

3

4

5

Datum

Gegenstand der Verschreibung

'Taler

1. 10. 1557

Zollfreie Schiffahrt auf der Elbe für Ge­ treide

12500

Entschädigung für den Kohlen- und Sai­ gerhandel, versichert auf den Zoll zu Lenzen

20000

Vorschuß bei Beginn des Salzhandels (15000 fl., gerechnet zu:)

16050

Gnadengeschenk (infolge des tzerbroischerr Handels)

30000

2.

6.

28.

5. 1558

1. 1559

6. 1561

4/5. 1. 1562

Geheime Verschreibung der Boisalzschifffahrt auf der Oder

5000

83550

Bon diesen Kapitalien war das unter Nr. 3 aufgeführte bereits in die „grunheidische" Rechnung mit eingeschlagen, brauchte also, da

man sie als Grundlage benutzte, nicht mehr berücksichtigt zu werden. Jakobs neue schriftlich fixierten Vorschläge gingen dahin, die an« derenKapitalienals genügend versichert anzusehen und außer Betracht zu lassen. Es ergaben sich nun, da von den 20 000 Talern unter Nr. 2 jetzt 6000 Taler als amortisiert bezeichnet wurden (wäh­ rend nach Joachims noch 1568 gegebener Versicherung nur 3000 ab­ gezahlt waren) und da anderseits von den 30 000 Talern unter Nr. 4 6400 Taler Zinsen hinzugerechnet wurden, 67 900 Taler.

Die Verzinsung der zuerst genannten Summe und die Amorti­ sation zu Nr. 2 wurden in den laufenden Rechnungen berücksichtigt; über die Zinsen der 5000 Taler des Oderschiffahrtsprivilegs sollte bei dessen Einlösung befunden werden. Für die übrigen, unversicherten Forderungen des Neffen bediente

sich

Jakob

kurzerhand

der

Ergebnisse

der

sorgfältigen

Gegen«

rechnungen, die T h o m a s M a t t h i a s bis auf Ostern 1564 weiter«

geführt hatte. Folgende Übersicht soll sie veranschaulichen: 1. 819431/2 Taler: Schlußsaldo sämtlicher Rechnungen (ausgehend

von der „grunheidischen") bei Gewährung von 4 % Halbjahrszinsen. Stand: Ostermarkt 1564. 2. 14 2191/2 Taler: Unterschied, der Grieben zu vergüten wäre, falls der Kurfürst statt 4 % für das Halbjahr 8 %

bewilligen sollte. 3. etwa 4500 Taler: Summe einiger aus der Gesamtrechnung heraus­

gezogener Posten, die gesondert abgegolten werden sollten (darunter Entschädigung für das Gut Rosenthal, Kosten einer Weinlieferung u. ä.). Jakob schlug vor, der Kurfürst solle dem Neffen, wenn er ihm schon nicht 8 % für das Halbjahr zugestehen wollte, von den 14 2191/2 Talern des zweiten Postens wenigstens 10 000 Taler bewilligen. Mit der ersten Summe zusammen hätte das 91 9 431/2 Taler ergeben. Um die Abfindung Joachims in sichere Bahnen zu lenken, hatte Jakob einen Aufteilungsplan ausgearbeitet, der, wenn auch mit nicht unerheblichen Einschränkungen, im Prinzip zur Durch­

führung gelangte. 40 000 Taler, die ihm der Neffe zediert hatte, sollte ihm der Kurfürst auf bestimmte Fristen verschreiben, wobei er nicht versäumte, 13 % Zinsen pro Jahr in Ansatz zu bringen. 30 000 sollten

die Städte übernehmen, der Rest Joachim interimistisch verbrieft

werden. Eine günstige Korrektur dieses Planes stellte sich noch da­ durch ein, daß auf die Städte im ganzen 37 000 Taler abgewälzt werden konnten. Don kurfürstlicher Seite wurde der Plan Jakobs zwar nicht offi­ ziell genehmigt, man hätte sich aber unter gewissen Bedingungen ohne

Zweifel dazu bereitgefunden. Das wollte aber Joachim Grieben keines­ wegs tun. Er beharrte mit größter Entschiedenheit auch weiterhin auf

seiner Forderung von 8 % Halbjahrszinsen und wollte sich deshalb die Kürzung des Postens 2 um 4219 Taler nicht gefallen lassen, obschon die Verzinsung noch immer über 11 % ausgemacht hätte. Auf der andern Seite war man mehr als höchstens 12 % zu

bewilligen nicht bereit. Ferner blieb weiterhin strittig die Bewertung des nicht aus­ geübten Nutzungsrechtes der zollfreien Elbpasiage, für die Joachim

Grieben jährlich 2000 Taler verlangte, während Thomas Matthias den alten Zollsätzen entsprechend nur einen Anspruch auf rund 1700

Taler im Jahr als gerechtfertigt ansah. Im Grunde war es auch

hier derselbe Streit über die Höhe der Zinssätze, der die Parteien trennte. In anderen Punkten hat Joachim nachgegeben oder erklärte sich

zu weiteren Verhandlungen bereit. An der Zinsforderung aber scheiterten schließlich die Verhandlungen, nachdem sie über ein Jahr

hindurch gedauert hatten. Zum letztenmal kam man im März 1564 zusammen, als Jakob vom Besuch des Frankfurter Reminiszeremarktes heimkehrte. Der Kurfürst erklärte sich, um den leidigen Streit aus der Welt zu schaffen, schließlich bereit, die ganze Angelegenheit Jakob

und Andreas als Schiedsrichtern zur Entscheidung zu übertragen,

ungeachtet ihrer nahen Verwandtschaft mit Joachim Grieben. Der aber hat sich — so berichtet wenigstens Thomas Matthias — darauf keineswegs entlassen wollen.

Gegenüber solcher Halsstarrigkeit wandelte sich allmählich der gute Wille des Kurfürsten.

Joachim Grieben bekam die erneute

Ungnade seines Herrn bald deutlicher zu spüren. So mußte er seinem

Oheim, der ihm vertraulich allerlei verheißungsvolle Äußerungen des Kurfürsten mitgeteilt hatte, im Februar 1564 eingestehen» daß er seit Neujahr keine Audienz mehr erhalten habe und der Kurfürst ihn nicht mehr sehen wolle. Unter solchen Umständen blieb Jakob Grieben nichts mehr übrig, als seine Aktion abzubrechen. Wenn auch eine endgültige Vereint» gung nicht erzielt wurde und daraus später die schwersten Ärgernisse für beide Parteien erwuchsen, so gelangte doch wenigstens der Teil der Punkte zur Durchführung, über den man sich hatte einig werden können. Darauf wird noch einzugehen sein.

Für uns ist der Einblick in diese Verhandlungen besonders des­ halb wertvoll, weil er es uns ermöglicht, eine einigermaßen gerechte Abschätzung der Gesamtschuld des Kurfürsten vorzunehmen, ohne daß wir ein Opfer jener bereits genügend gekennzeichneten phantasievollen Aufstellung (Stiebens oder der zuweilen mit vorgefaßter Mei­ nung allzu streng durchgeführten Kritik von feiten des kurfürstlichen Finanzrates werden. Zu Ostern 1564 betrug die Gesamtschuld rund 164 000 Taler. Davon mochte annähernd je ein Drittel aus wirkliche Leistungen in bar oder Waren, auf Ab­ findungen und Gnadenbewilligungen und auf Zins und Zinseszins (hier mit etwa 11% pro Jahr bemessen) zurückgehen. Es ist bei dieser

Schätzung nicht versucht worden, den Handelswert der verschriebenen

Monopole und Vorrechte zu ermitteln, vielmehr sind sämtliche Privif39

legten nur mit dem Betrage der investierten Kapitalien in Rechnung gesetzt. Deshalb mußte das Salzhandels-Monopol in diesem Zu­ sammenhang außer Betracht bleiben.

Neue Nöte. Über den Verhandlungen waren fünfLeipzigerMärkte ins Land gegangen. War es schon vorher verwunderlich, wie Joachim Grieben sich von einem Termin zum andern durchgewunden

hatte, ohne zu Fall zu kommen, so erst recht jetzt. Die ärgsten Stöße mußte nach wie vor der Leipziger Oheim auffangen. Aber auch er scheute sich nicht, den Neffen nach Kräften zu pressen und zu peinigen, um sich für seine Hilfeleistung überreichlich bezahlt zu machen. Joachim Griebens hauptsächlichstes Bemühen richtete sich darauf, ja

nicht beim Oheim aufs neue in Verzug zu geraten. Immer wieder lesen wir in seinen Briefen aus dieser Zeit, daß er nach wie vor aller­ orten Geld aufzutreiben trachtet und, sobald er einer Summe habhaft geworden ist, sie nach Leipzig überweist. Und doch reichte alles nicht hin! Weder zu Ostern 1563 noch auf dem folgenden Peter-PaulsMarkt vermochte Joachim seine Zusagen zu halten, so daß der Oheim in größten „Ängsten und Nöten steckte". Jakob hat nun nicht mehr gezögert, sondern seinen schon längst gefaßten Plan ausgeführt und das herzoglich-braunschweigische Privileg Joachims für 15 000 Taler verpfändet. Vergeblich suchte ihn der Kurfürst durch erneute ernste Mahnung von diesem bedenklichen Verfahren abzuhalten. Obschon sich allmählich die Bürgschaft der brandenburgischen Städte günstig auf Joachim Griebens Lage ausgewirkt haben muh, vermochte er doch auch im August nicht, seinen Verpflichtungen nach­

zukommen, als es galt, dem Oheim 9000 Taler zu erlegen. Bis

zu 8000 war es unter spürbaren Mühen und Nöten gelungen, die letzten 1000 blieben rückständig. Obendrein ließ der Neffe den Oheim

durch Jakob Detert ersuchen, Bürgschaft für 2000 Taler zu leisten. Nicht wenig verärgert schlug es Jakob ab und mußte sich noch von Detekt „unnütze Worte" sagen lassen. Als Beispiel dafür, wie es um Jakob und Joachim Grieben auf

den Geldmärkten dieses Jahres bestellt war, sind ihre Händel mit der Witwe des Joachim Wins, Anna, geb. von Kettwich, beson­ ders gut geeignet. Wir erinnern uns, daß Wins im Herbst des Jahres

1557 Joachim Grieben als einer seiner ersten Gläubiger mit 10000 Taler zur Hand gegangen war, ihm aber später wegen der Rück-

erstattung großen Kummer verursachte. Nach Aussage eines Über­ einkommens, das mit der Winsschen Witwe auf dem Neujahrsmarkt 1560 zustande kam, war die Schuldsumme bis auf 6000 Taler redu­

ziert. Für pünktliche Rückzahlung des Restes zu Ostern desselben Jahres mußten sich Jakob und Sebastian Grieben verbürgen. Gleich­ wohl schleppte sich die Schuld, wenn auch weiter vermindert, fort. Ostern 1563 wurde sie wieder einmal fällig; sie bestand damals noch aus 3000 Talern. Hatte man schon seinerzeit mit dem Ehemann rechte Not gehabt, so erst recht mit seiner anscheinend sehr energischen Witwe. Es ist eine ganze Reihe von kleinen Handzetteln von diesem Ostermarkt vorhanden, die Joachim dem Oheim zustellen ließ. Unter all den darin behandelten Bedrängnissen nehmen die, die die „Winsin" verursachte, den Mittelpunkt ein. Mehr als 1000 Taler ver­

mochte Joachim nicht zu beschaffen, so wandte er sich um weitere 1000, mit denen die Witwe vorerst zufrieden sein wollte, an den Oheim: „dann sie läßt mir sonst böse Worte sagen". Im gleichen und den folgenden Billets mußte er aber eine Hiobspost nach der andern vermelden, da es ihm nirgends glücken wollte, Geld zu be­ schaffen. Um so dringender wird sein Flehen wegen der 1000 Taler. Er gesteht, daß er sich nicht mehr in seiner Herberge habe sehen lassen dürfen, da ihn die Winsin schon etliche Male habe suchen lassen. Zu allem Unglück regte sich noch ein anderer Gläubiger, Anselm von Zaschwitz, der 2—3000 Taler haben wollte. Grieben konnte sich seiner gleichfalls kaum erwehren, „denn ich heute über 10 Boten von ihme gehabt, die das Geld holen sollten". Als er gar nicht aufzu­ finden war, ließ die Winsin bestellen, daß sie ihn und die Bürgen „anschlagen", das heißt, öffentlich als zahlungsunfähig erklären und

brandmarken wolle, wenn sie das Geld nicht innerhalb einer Stunde

in Händen habe. „Und die Stunde ist bald weg", schreibt er geängstigt an den Oheim. Auf diese Weise kam die geschäftstüchtige Frau zu ihrem Recht. Aber als sie die restlichen 1000 Taler, die sie ein halbes Jahr hatte anstehen lassen, auf der Herbstmesse einkassieren wollte,

wiederholten sich die Szenen vom Ostermarkt. Durch ein eiligst aus­ gebrachtes Schreiben Kurfürst Joachims II. vermochten beide Grieben

endlich die Witwe zu bewegen, ihre 1000 Taler noch einmal ein halbes Jahr anstehen zu lassen; auch versprach sie deshalb Schuldner und

Bürgen nicht ungebührlicherweise zu schmähen und auszutragen. Bald

aber hat sie ihr Zugeständnis gereut, so daß es erst einer erneuten Mahnung von feiten des Kurfürsten bedurfte. Auf dem Ostermarkt

1564 kam es dann zwischen Joachim und der Winsin zu den heftigsten Auftritten. Er hatte zwar 1000 Taler beisammen, aber sie verlangte Schadenersatz, den er nicht leisten wollte. Sie drohte nun, ihn öffent­ lich als insolvent anschlagen zu lassen, und scheint auch Jakob als Bürgen scharf zur Zahlung gemahnt zu haben. Bestürzt über die

unangenehme Entwicklung der Händel schrieb der dem Neffen: „Bitte um Gotteswillen, wollest die Winsin zufrieden stellen; besser, du gibst ihr 30 bis 50 Taler und kamst von ihr, als daß sie dich schinden und schmähen soll und mich auch. Erforderlichenfalls will ich dirs wieder­ geben und über mich gehen lassen, damit ich mein Siegel wieder zu meinen Händen bekommen mag." Bon diesen Sorgen ließ Jakob allerdings in seinem ablehnend gehaltenen Antwortschreiben an die Witwe vom gleichen Tage nichts merken. Joachim erklärte trotz der Bitten des Oheims, er wolle zwar versuchen, mit der Winsin ins Reine zu kommen, er gedenke ihr aber keinen Pfennig für die Schäden zu geben, da er sie nicht verursacht habe. Wie er die streit­ bare Witwe endlich losgeworden ist, läßt sich nicht mehr feststellen.

Besser als diese Geschichte vermag wohl nichts die traurige Lage Joachim Griebens zu beleuchten. Auch der Leipziger Oheim war augenscheinlich je länger je mehr in die Enge geraten, sonst könnte man dieses Ringen um 1000 Taler nicht verstehen.

übrigens scheint es um Neujahr 1564 gelungen zu sein, Anselm von Z a s ch w i tz zur Erhöhung seines Darlehns auf 18 000 oder 20 000 Taler zu veranlassen. Das wollte jedoch wenig besagen an­ gesichts der Tatsache, daß der größere Teil der im Vorjahr unter Bürgschaft der Städte an verschiedenen Stellen aufgebrachten An­ leihen — 15 800 Taler — zu Ostern 1564 fällig wurde, ohne daß es gelungen war, über ihre Berlängerung oder Abfindung gültige Ab­

machungen zustande zu bringen.

Aus diesem Anlaß wurde Joachim Griebens Zahlungs­ unfähigkeit zum erstenmal offenkundig, und es wurden feine Bürgen, die Städte, in aller Form eingemahnt. Die städtischen

Abgeordneten traten noch während des Marktes in Berlin zusammen, um dafür zu sorgen, daß ihre Rückversicherung in Wirksamkeit trat.

Sie ließen entsprechende Mahnschreiben ausgehen, u. a. auch an

Jakob Grieben nach Leipzig.

wähnten

bedenklichen

Dieser hat sich durch den schon er­

Borwurf

der

Urkundenfälschung

aus

der

Berlegenheit zu ziehen gesucht. Auch Thomas Matthias bekam scharfe Worte von ihm zu lesen. Damit vermochte er aber nicht den Gang

der Ereignisse aufzuhalten; mit gemischten Gefühlen wird er den Brief des Handlungsdieners seines Neffen, Melchior Esterle, gelesen

haben, der ihm eröffnete, er brauche sich laut Berschreibung erst sechs Wochen nach geschehener Mahnung persönlich zu stellen, und jetzt seien erst drei verflossen. Joachim Grieben war bereits seit mehreren Wochen — offenbar sobald die Mahnung gefährliche Formen an­ nahm — verreist. Niemand wußte, wohin. Selbst sein Vater wollte seinen derzeitigen Aufenthaltsort nicht kennen. Mitte Juni liefen gleich drei Briefe mit einemmal bei Jakob aus Berlin ein, von seinem Bruder Andreas, von Simon Mellemann und dem kurfürstlichen Küchenmeister Hans Blankenfelde. Sie lauteten alle gleich bedrohlich. Die Städte hatten beschlossen, da ihre Bürgen nach Ablauf der sechs Wochen nicht „eingeritten" seien, sich mit Hilfe des Rechts an deren Personen und Gütern schadlos zu halten. Zu diesem Zweck sollten sich Abgesandte zum Leipziger Rat

begeben. In eine solche Lage war Jakob Grieben zeit seines Lebens noch nicht geraten. Eine letzte ernste Mahnung richtete er an den Neffen: „Ist mir sehr schwer, daß ich in meinem Alter deinthalben also sollte geschmerzt werden. ... Wollest mich nicht um Ehr und

Redlichkeit bringen und etwan um das Leben." Jakob und Joachim Grieben waren unterdessen nicht müßig ge­ wesen und hatten dem Kurfür st en vorgestellt, daß letzten Endes er selbst den Schaden werde tragen müssen. Zudem hatten sich die Städte, wie die Verhandlungen zwischen dem Kurfürsten und Jakob offenbart hatten, zwar nicht zur Übernahme der gesamten ©rieben« schen Schulden, aber doch wenigstens von 30 000 Talern prinzipiell

bereit finden lassen. Es bedurfte also nur noch eines kurzen Auf­ schubes, um alles in Ordnung bringen zu können. Jakob bat deshalb, der Kurfürst solle die Städte veranlassen, wenigstens noch ein Jahr zu haften. In diesem Sinne wurde, wie es scheint, die Sache in aller­

letzter Minute doch noch glücklich geregelt.

Rückzahlungen des Kurfür st en. So mündete die Bürgschaftsleistung der brandenburgischen Städte in die bedeutenden Transaktionen ein, die von kurfürstlicher Seite in den nächsten Jahren mit dem Ziel der Liquidation sämt­

licher Griebenschen Forderungen nach Maßgabe des von Jakob Grieben entworfenen Plans durchgeführt wurden. Es gibt über das Ausmaß der kurfürstlichen Leistungen mehrere über« 14.3

lieferungen, die aber nicht wesentlich voneinander abweichen. Eine sorgfältige Musterung ergab folgendes Bild, wobei auch die bereits früher getätigten Rückzahlungen (Nr. 1 und 2) noch einmal mit auf­ geführt sind:

Zeit

Taler

1

Mich. 1561

8000

durch Stäupt- und Lindholz gezahlt

2

Ostern 1562

9111

durch Thomas Matthias gezahlt

3

Rens. 1564

40000

von Joachim an Jakob Grieben zediert und diesem nebst Zinsen, zusammen 50 270 Taler, vom Kurfürsten verbrieft am 5. 1. 1564

4

Mich. 1564

1875

von Joachim Grieben auf Rechnung des Kurfürsten bei Joachim Zierer ausge­ nommen

5

Mart. 1564

19000

von den Städten übernommene Schulden Griebensbei: Maa. Paul Praetorius, Kaspar Helmereich, Bernd von Bredow, „dem Herrn Canzler" (Distelmeier?) und Heine o. Brösicke

6

Ostern 1565

8000

von den Städten übernommene Schuld bei Markgraf Hans von Küstrin

7

Neus. 1565

5000

8

Ostern 1565

5000

von Anshelm von Zaschwttz im Auftrag des Kurfürsten für Rechnung Joachims an Jakob Grieben gezahlt

9

Ostern 1566

10000

von den Städten übernommene Schuld bei Markgraf Hans von Küstrin

10

1569

22000

an Gotthard König bei Einlösung der Griebenschen Privilegien gezahlt

Bemerkungen

127 986

*) Das ist bet Rest bet 30000 Taleranleihe vom April 1563, für bie bie Ötäbte gebürgt hatten.

Auf Fürsprache des Markgrafen Hans ließ sich der Kur­ fürst zu einer weiteren Bewilligung herbei. Er gab Anweisung, daß mit dem 1565 ausgeschriebenen Roßdienstgeld der Stände, das aus­ drücklich zur Wiedereinlösung der verpfändeten Ämter und Zölle be­ stimmt war, Griebens Zollbefreiung mit 12 500 Taler abgefunden werden sollte. Trotzdem ging Grieben dabei leer aus. Als Ursache

144

dessen gab er erbittert an: Andere, die weniger Anspruch darauf gehabt, hätten durch Bestechung erreicht, daß sie das Geld bekamen, wie denn überhaupt einige Räte des Kurfürsten mit solchen des jungen

Herrn unter einer Decke steckten und sich zum Schaden des kurfürst­ lichen Hauses die Vorteile gegenseitig in die Taschen spielten. Damit hatte Grieben bestimmt nicht zu viel gesagt; da er aber selbst sich

ebensolcher Methoden nach Kräften bediente, so stand ihm wenig zu, sich zum Richter über dergleichen Verfehlungen aufzuwerfen, nur weil sie diesmal zu seinem Schaden sich auswirkten.

Wurde diese Hoffnung auch zu Wasser, so reichten doch die übrigen Zahlungen des Kurfürsten hin, Griebens Lage wesentlich zu er­ leichtern. Besonders mit der Zession von 40 000 Talern an den Leip­

ziger Oheim war Joachim Grieben viel geholfen. Jakob hatte seinen Anspruch auf 13 % Jahreszinsen gegen die von Thomas Matthias

unternommenen. Versuche, den Zinssatz auf 11% zu senken, glücklich durchgefochten und auch darin seinen Willen durchgesetzt, daß seine

Verschreibung, die erst in den Verhandlungen im Februar 1564 perfekt wurde, eine Zurückdatierung auf den 5. Januar erhielt. Bis zum Neujahrsmarkt 1567 sollte die Schuld in drei genau bestimmten Raten abgetragen werden. Um jeden Streit unmöglich zu machen, wurden die Zinsen sogleich zum Kapital geschlagen und nicht 40 000, sondern 5 0 2 7 0 Taler verbrieft. Zur Sicherung nahm der Kur­ fürst die Verpflichtung zum Einlager mit Hofmarschall und 50 Pferden auf sich.

Die bisherigen Erfahrungen hatten gelehrt, daß trotz aller Sicherheits- und Strafklauseln mit einer pünktlichen Einlösung kur­ fürstlicher Schuldverschreibungen nicht zu rechnen war. Jakob wußte sich ausgezeichnet zu helfen. Er bot seine Urkunde dem Bruder des Kurfürsten Joachims II., dem Finanzmann auf dem Fürstenthrone, Markgraf Hans von Küstrin, zum Kauf an und wurde mit ihm handelseinig. Der Kurfürst hat der Zession an den Bruder seinen

Konsens (vom 4. August 1564) nicht verweigern können und sich oben­ drein (am 14. August) verpflichtet, seine Stände zu veranlassen, dem

Markgrafen bei Schluß des nächsten Landtages eine entsprechende Obligation auszufertigen. Wieder mußten die Städte herhalten. Ihre zu Ostern 1565 ausgestellte Urkunde nannte bereits 61 2 0 3 Taler Kapital und 5733 Taler Zinsen! Markgraf Hans verstand

sich auf das Finanzgeschäft nicht schlechter als die bürgerlichen Kapi­ talisten seiner Zeit. Bis dahin hatte er sich gehütet, den Handel in 10 Großkaufleute 1

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aller Form abzuschließen. Zu weiteren Bedenken lag nun kein Grund mehr vor. Am 16. Juli beurkundete er Jakob Grieben die erfolgte Abtretung der Schuld. Der Markgraf versprach, sobald er genügend Sicherheiten von den Städten in Händen habe, dem Jakob Grieben 20 000 Taler in Form einer Anleihe zu 7% jährlich zu verzinsen und nach zwei, höchstens drei Jahren auszuzahlen.

Welchen Preis er außer dieser Summe an Grieben gezahlt hat, ist leider nicht überliefert. Ludwig Mollwo, der in seiner Biographie des Markgrafen Hans dieser Borgänge im Rahmen der zahlreichen anderen Darlehnsgeschäfte des Markgrafen mit seinem Bruder und dessen Ständen gedenkt, gibt als Gesamtentschädigung 40 000 Taler

an, und zwar habe der Markgraf die Bezahlung durch Verrechnung auf eine gleich hohe Forderung, die er an Jakob Grieben zu stellen

hatte, erledigt. Mit den Angaben der zuletzt genannten Urkunde vom 16. Juli läßt sich die Darstellung Mollwos nicht leicht verein­ baren; zu ihrer Nachprüfung sind wir nicht in der Lage. Sollte sie zutreffen, dann hat sich Jakob Grieben einen Verlust von über

10 000 Talern, d. i. ein Fünftel seiner Forderung gefallen lassen müssen. Aber mit gutem Grund standen selbst die feierlichsten Schuld­ urkunden Kurfürst Joachims II. sehr schlecht im Kurs. Die kurfürst­ liche Genehmigung der Obligation seiner Städte gegenüber Markgraf

Hans ließ ein ganzes Jahr auf sich warten. Sie erfolgte erst am 26. April 1566; unter demselben Datum erteilte der Kurfürst auch

seine

Zustimmung

zu

einer

gleichartigen

Obligation

betr. 10 000 Taler, worin wir wohl die unter Nr. 9 auf­ geführte Joachim Griebensche Schuld wiedererkennen dürfen. Jakob Grieben ist, wenn nicht schon früher, so durch diesen An­

laß in nahe Geschäftsbeziehungen zum Markgrafen Hans gekommen. Am 16. Oktober 1564 meldet der markgräfliche Kammermeister Leon­

hard Stör seinem Herrn, daß Jakob einem Fuhrmann 10 000 Taler in einem Eisenstock, dessen Schlüssel Stör überschickt wurde, auf­ geladen habe und sehr bald weitere 3000 bis 4000 folgen lassen werde. Für den Rest bitte er, da der Markt „bös" gewesen sei, Anstand bis Ostern. Dieser Transport scheint mit einem wechselseitigen Anleihe­ geschäft des Markgrafen und Jakob Griebens in Zusammenhang zu stehen, worüber sich ein Vertrag vom 1. April 1567 erhalten hat. Danach sollte Grieben dem Markgrafen 20 000 Taler auf ein halbes Jahr leihen und dafür 600 Taler (=6%) Zinsen erhalten. Dagegen

war der Markgraf verpflichtet, später Jakob eine Anleihe zu gleichen

Bedingungen auf Abruf zu gewähren. Der Markgraf, der persönlich nicht gern als Bankier in Erscheinung trat, weil sich die Geldgeschäfte nicht gut zu seinem fürstlichen Stande schickten, hat sich des Jakob Grieben als Mittelsmann bedient für eine Anleihe von 20 000 Taler

an den Markgrafen Friedrich von Ansbach.

Einige Worte sind noch zu den Posten 7 und 8 der kur­ fürstlichen Rückzahlungen zu sagen. Es hatte damit folgende Bewandnis: Um die Zeit des Neujahrsmarktes 1564 hatte Jakob Grieben einen seiner Gläubiger namens Kilian Külwein') mit einer Forderung von 10000 Talern an den Neffen verwiesen, der sich, wenn auch widerstrebend, bereit fand, die Schuld zu über­

nehmen und auf dem nächsten Peter-Pauls-Markt zu erlegen. Die

Bezahlung erfolgte jedoch nicht, so daß Jakob wieder einspringen mußte. Inzwischen hatte Joachim den Kurfürsten bewogen, diese Schuld abzulösen; Thomas Matthias und Zaschwitz erledigten dies Geschäft und setzten sich mit Külwein und Jakob Grieben ausein­ ander. Am 16. Oktober 1564 konnte Joachims Diener Melchior Esterle

über Rückempfang der eingelösten Schuldurkunden und der Pfand­ objekte — darunter befand sich anscheinend auch das geheime Oder­

schiffahrtsprivileg — quittieren.

Die kurfürstlichen Leistungen in den Jahren 1564 bis 1566 — zusammen fast 89 000 Taler — haben der zunehmenden Be­ drängnis Joachim Griebens schnell abgeholfen. Er wurde endlich seinen Oheim und die übrigen Quälgeister — wenigstens für eine

geraume Frist — los. Das Hangen und Bangen von einem Geldmarkt

zum andern und das Betteln um verhältnismäßig geringe Beträge hörte auf. Er konnte sich endlich wieder freier rühren und hat Zeit und Gelegenheit nicht versäumt. Allerdings in seiner Art.

Griebens nordische Geschäfte. Bei der Griebenschen Liquidation kamen neben der geldlichen Abwicklung auch Warengeschäfte in Betracht; galt es doch, nachdem

der Salzhandel in der Kurmark endgültig zusammengebrochen war, das in Hamburg lagernde Boisalz so gut wie möglich zu verwertens. *)~SgL Fischer a. a.O., S. 236. *) Das Folgende nach: Bep. XI 66—70, Dänemark, 1 F und 1 G; Danzig 300, 27, 29; 300, 28, 102; 300, 53, 946. Dgl. auch Mollwo, Markgr. Hans, S. 523, 547 f.; Holtze, in Schr. d. Derf. f. d. Gesch. Berlins, 41, S. 30. 10’

147

Da das Hinterland dafür nirgends aufnahmefähig war, ließ sich die Ware am Ort nur mit größtem Verlust unterbringen. Jakob ließ sich aus Hamburg damals berichten, die Last Seesalz gelte dort nur 7 Taler — also ein Drittel oder kaum die Hälfte des in Danzig gezahlten Preises. So mußten sich die Blicke von selbst über See nach dem Osten richten, wo mit dem Seesalz reichlicher Gewinn zu er­ zielen war. Der livländische Krieg machte zwar die Kauffahrt auf

der Ostsee zu einem äußerst gewagten Unternehmen, das aber, wenn

es glückte, nur um so erträglicher war. Als gefährlichste Fahrt konnte die nach Narwa gelten, das sich damals in russischer Hand befand; der polnische König hatte sie verboten, um dem Feinde die Zufuhr abzuschneiden, und versuchte, seinem Verbot durch Ansetzung einer Kaperflotte zur Wirksamkeit zu verhelfen. Gerade Narwa hatte sich Joachim Grieben ausersehen. Mit einem Wagnis großen Stils wollte er nicht nur sein unverkäufliches Seesalz loswerden, sondern sich auch für die Enttäuschungen der letzten Jahre Entschädigung ver­

schaffen. Ohne einen Freipaß des dänischen Königs, der den Weg durch den Sund und die dänische Kriegsflotte öffnete, war ein solcher Versuch von vornherein unmöglich. Joachim Grieben begab sich deshalb nach Kopenhagen. Seine Werbung verlief wunschgemäß, da

er sich mit den am kurbrandenburgischen Hof erprobten Methoden an König Friedrich II. heranzumachen verstand. Ja, er wußte ihn bald völlig einzufangen dank seiner suggestiven Art, mit der er allerlei rasch ins Kraut schießende Projekte vorzutragen verstand,

und nicht zuletzt durch die Lockung mit märchenhaften Summen, die dabei die Hauptrolle spielten.

Mit dem nötigen Paß versehen kehrte Joachim Grieben nach Hamburg zurück. In jenen Tagen — im September 1564 — be­ richtete Jakob Stiebens Handlungsdiener von dort, der Neffe habe soeben an die neun Schiffe mit annähernd 800 Last Salz von Ham­ burger Schiffern gekauft und sie nach Narwa in Fahrt gesetzt. Außer­ dem habe er noch von früher her 1073 Last lagern, von denen die kleinere Hälfte verpfändet sei; die größere wolle er anscheinend gleichfalls nach Narwa verfrachten.

Selbst wenn man den geringen Hamburger Preis zugrunde legt, stellte sich der Wert der gesamten vorgesehenen Fracht noch auf rund 10 000 Taler. Grieben war sich wohl selbst nicht bewußt, wie

sehr seine Zukunft von dem Gelingen dieses Unternehmens abhing.

war es doch die letzte Rettungsmöglichkeit, die ihm das Schicksal ge­ währte. Es ist nicht bekannt, ob Grieben, wie beabsichtigt, außer der ersten Flotte noch eine zweite nach Narwa hat abgehen lassen und ob diese ihr Ziel erreichte. Mit der ersten hatte er jedenfalls kein Glück! Sie bestand aus acht Hamburger Schiffen, die mit ins­ gesamt 800 Last französischem Seesalz befrachtet waren. Grieben hatte

nur eine Anzahlung auf den Kaufpreis geleistet, und die Hamburger Schiffer hatten sich damit um so eher abgefunden, als ihnen vom dänischen König die Sundpassage sonst grundsätzlich verwehrt wurde.

Grieben verzollte sie als sein Gut und brachte sie vermöge seines königlichen Passes auch hindurch. Im Kaufverträge waren übrigens Bestimmungen für den Fall vorgesehen, daß die Schiffe von schwe­ discher oder anderer Seite gekapert würden. Es sollten die Schiffer, wenn sie trotzdem einen Schadenersatz zu erhalten wüßten, sich davon bezahlt machen und den nach Abzug des Kaufpreises etwa übrig­

bleibenden Rest an Grieben abführen. Die Schiffer verpflichteten sich vor der Abfahrt feierlich, den Kriegsschiffen mindestens 10 Meilen aus dem Wege zu gehen und somit die Gefahr der Wegnahme nach Möglichkeit zu mindern. Grieben glaubte ihnen jedoch vorwerfen zu müssen, daß sie diesem Versprechen nicht nachgelebt hätten, sondern gerade auf die Orlogschiffe zugefahren seien. Ob mit oder ohne ihre Schuld: sie wurden jedenfalls von der dänischen Flotte angehalten und mußten mehrere Wochen liegen bleiben. Schließlich ließen sie sich von dem dänischen Admiral das Versprechen abnehmen, nach

Danzig zu fahren und dort ihre Fracht zu löschen. Nach einem mehr­ wöchigen weiteren Aufenthalt in Danzig entschlossen sich die Schiffer, die Flotte zu verlassen und nach Hamburg zurückzureisen. Mit Fug und Recht beschwerte sich Grieben über ihr Verhalten, da sie ihm währenddessen nicht ein einziges Mal hatten Nachricht zukommen

lassen und er nur durch Zufall gelegentlich einer Anwesenheit in Hamburg den Verlauf der Dinge erfuhr. Sofort machte er sich auf

den Weg zum dänischen Königshof und brachte (am 12. September

1564) außer einem Seepah, der die Anordnung des Admirals als Mißverständnis bezeichnete und den Weg nach Narwa erneut öffnete,

auch ein königliches Schreiben an den Rat der Stadt Danzig aus,

das unter Berufung auf die gemeinsame Sache gegen Schweden die Freilassung der Griebenschen Flotte forderte.

Grieben fügte eine

eigene Anfrage bei, wie der Danziger Rat sich zu verhalten gedenke, damit er, falls die Ausfahrt der Schiffe nach Narwa nicht gestattet

werde, die (Erstattung des vom dänischen Admiral verursachten Schadens bei König Friedrich II. nachsuchen könne. Der Danziger Rat lieh auf seine Antwort nicht warten; sie er­ ging am 8. Oktober an den dänischen König und am 9. Oktober an Grieben. Der Rat berief sich auf den polnischen König, der in seinem schweren Kampf gegen „den Erbfeind gemeiner Christenheit" die Narwaschiffahrt verboten habe. Der Rat könne deshalb nicht selbst entscheiden, sondern müsse erst den König befragen. Das tat er am 5. November durch eine Instruktion an seinen am polnischen Hof weilenden Gesandten, den späteren Bürgermeister Dr. Kleefeld, die allerdings sehr viel anders lautete, als nach den Antwortschreiben an den König und Grieben zu vermuten war. Kleefeld erhielt den Auf­ trag, falls jemand in dieser Sache an den König herantreten sollte, da­ für Sorge zu tragen, daß der König keinesfalls die Weiterfahrt der Schiffe nach Narwa gestatte. Unter solchen Umständen mußte auch eine zweite Mahnung des dänischen Königs (vom 12. Dezember), die Schiffe freizugeben, in Danzig fruchtlos bleiben. Inzwischen war zwischen Grieben und den Hamburger Schiffern offener Streit ausgebrochen. Diese verlangten anscheinend den Rest ihres Kaufpreises, hingegen glaubte Grieben ihnen alle Schuld zumessen zu sollen und wollte sich für feine Derluste an ihren Gütern schadlos halten. Zu diesem Zweck verschaffte sich Grieben ein Fürschreiben seines kurfürstlichen Landesherren an die Stadt Danzig, das ihm dabei behilflich fein sollte, die Schiffe nebst Fracht zu beschlagnahmen. Weiter läßt sich die Angelegenheit nicht verfolgen. Daß sie Grieben nur Schaden und Ärger eingetragen hat, ist ohnehin sicher. Doch wenn das Unternehmen auch mit einem Fehlschlag endete, soll darüber nicht vergessen sein, daß es ©Hebens kaufmännischem Wagemut das beste Zeugnis ausstellt. Dürfte er doch der erste Ber­ liner Kaufmann gewesen sein, der sich an einem Handel über See versuchte. Anfangs mochten ihn über sein erneutes Mißgeschick die sich groß­ artig anlaffenben Finanzprojekte hinwegtrösten, die er ant dänischen Hof entwickelte. Der Boden war dafür bestens bereitet, denn die schweren Lasten des schwedischen Krieges stellten die größten Ansprüche an die wirtschaftliche Widerstandskraft des Königs und seines Landes. Neue Ideen ließ sich Grieben seinen dänischen Finanz­ plan nicht kosten: er bediente sich des herkömmlichen Schemas, wie er

es selbst in der Kurmark versucht hatte, und wie es seine erfolg­

reicheren Konkurrenten, die Loitz — denen er auch hier am dänischen

Hofe begegnete —, oder oberdeutsche Häuser anzuwenden gewohnt

waren. Eine große Staatsanleihe (100 000 Taler) wurde ausgewogen durch die Vergebung eines Monopols. Für Grieben kam natürlich nur ein Boisalzprioileg in Frage. Man wird sich wundern, daß Grieben die Lehre noch nicht ge­ nügte, die ihm der gleiche Plan in der Kurmark eingetragen hatte, noch mehr aber, wie er, der sich vor Schulden kaum selbst zu helfen

vermochte, sich anheischig machen konnte, große Staatsanleihen zu finanzieren. Die Quellen, aus denen er bisher geschöpft hatte, waren für ihn versiegt. Daß der Leipziger Oheim sich erneut mit ihm ein­

lassen würde, war gänzlich ausgeschlossen. Dafür war es ihm, wie

wir bereits gesehen haben, gelungen, den Markgrafen Hans von Küstrin zur Hergabe namhafter Darlehen zu bewegen. Seine geschäftlichen Beziehungen zum fürstlichen Bankier und zum dänischen König verstand er als Mittelsmann geschickt auszunutzen und auf diese

Weise noch einmal die Rolle des großen Finanzmanns zu spielen. Es war allerdings nicht leicht, mit dem vorsichtigen und geschäftstüchtigen Markgrafen übereinzukommen. Die in einem umfangreichen Dokument1) niedergelegten zahlreichen und verwickelten Bedingungen legen Zeugnis davon ab. Der Markgraf erbot sich, die dänische Anleihe zu übernehmen,

aber nur 62 500 Taler wollte er in bar erlegen, auf den Rest sollten 37 500 Taler verrechnet werden, die Joachim Grieben dem Mark­ grafen schuldete. Die Hergabe des Geldes sollte jedoch nur unter der Voraussetzung erfolgen, daß Grieben, wie er sich erboten hatte, den dänischen König vorher zu bestimmten Erklärungen veranlaßte. Don einer formellen Schuldurkunde sah der Markgraf zunächst ab, verlangte aber, daß der König ihm eine solche durch einen Brief in Aussicht stellte. Sie sollte über 100 000 Taler lauten, ein Wieder­ kaufsrecht nach drei Jahren und eine fünfprozentige Verzinsung vor­

sehen und durch ansehnliche Bürgen — etwa den Kurfürsten von Sachsen oder' eine der Städte Stettin, Danzig oder Lübeck — ver­ sichert werden.

Außer diesem Brief sollte Grieben eine Quittung des Königs, die

den Empfang von 100 000 Talern bescheinigte, beibringen, alsdann *) Vergleichung, d. Peitz 1. Oft. 1564; 7 Folioseiten von Erlebens Hand , sondern von 5 %

ausgegangen. Beide Summen wurden in die Rechnung gesetzt! Wenn Kurfürst Joachim II.

bis dahin

aus

einem gewissen

Schuldbewußtsein heraus in seiner gutmütigen Art Joachim Grieben in Gnaden gewogen blieb und ihm vielleicht auch die harten Worte des „Fehdebriefes" vergeben hätte, so faßte er jetzt einen Zorn

gegen ihn, der bis zu seinem Tode nicht nachgelassen hat. Die Blamierung vor dem fürstlichen Better hat ihn zu tief gekränkt. Johann Albrecht hatte Griebens Denkschrift und Rechnungen in wohlmeinen­ dem Tone kommentiert, u. a. den Kurfürsten auf das Gerede der Leute aufmerksam gemacht, in das er bereits geraten sei; überhaupt

sei die Angelegenheit peinlich, und es sei zu besorgen, daß sie vor Kaiser und Reichstag gebracht, unangenehme Folgen haben könnte.

Es findet sich bei den Akten das Konzept einer Antwort des Kurfürsten auf das Schreiben Herzog Johann Albrechts, doch scheint

sie nie abgegangen zu sein. Im Gefühl, daß es mit einem Brief nicht getan sei, entschloß sich Joachim II., eine Gesandtschaft nach Schwerin abzuordnen, die zugleich versuchen sollte, den Herzog zur Gefangen­ nahme und Auslieferung Griebens zu veranlassen. Die Instruktion, die den beiden kurfürstlichen Räten Hieronymus Schulz und Christoph

Meyenburg mitgegeben wurde, hatte viel Kopfzerbrechen verursacht,

wie die mehrfach korrigierten Entwürfe beweisen. Erst am 14. Sep­ tember 1569 — fünf Monate nach Empfang des mecklenburgischen Schreibens — wurde sie endgültig fertiggestellt, zu spät, um für Griebens Schicksal Bedeutung gewinnen zu können. Grieben hatte sich von der Wirkung seiner mecklenburgischen Unternehmung falsche Vorstellungen gemacht, sonst hätte er nicht

wenige Tage darauf, noch von Schwerin aus, an den Kurfürsten das Ansinnen richten können, seinem Diener Kaspar Miser') auf dem Leipziger Ostermarkt mit 10 000 Talern beizuspringen. Persön­ lich in Leipzig zu erscheinen hatte er nicht gewagt, und damit war sein Untergang besiegelt. Nicht nur, daß ihn Breu und Mühe wort­

brüchig befanden, auch König sah sich im Stich gelassen. Dieser griff jetzt, als von kurfürstlicher Seite erneut die Versuchung an ihn herantrat, zu und machte mit den Unterhändlern Panthel Thum, Simon Mellemann und Johann Bredtschneider die

Bedingungen

aus. Am 20. August 1569 konnte im Jagdschloß Grünewald von ihm

*) Später Berliner Ratskämmerer. Dgl. Thaus a. a. O., S. 205 ff.

und dem Kurfürsten der Vertrag unterzeichnet werden, demzufolge er die ihm verpfändeten kurfürstlichen Privilegien über den Boisalzhandel (v. 28.10. und 3.12.1558 und 6.1.1559) und die Verschrei­ bung über zollfreie Elbschiffahrt (v. 1.10.1557) nebst der Pfandsetzungsurkunde Griebens, die ihm das Recht zur Veräußerung gab, an die kurmärkische Landschaft auszuliefern verpflichtet war, sobald er die erste Rate der auf 2200011. bezifferten Abfindung erhalten habe. Wenige Tage später, am 24. August, quittierte König in Berlin den ständischen Verordneten im voraus über den Empfang der ganzen Summe und zedierte ihnen in aller Form seine Pfänder. Er war aber doch so vorsichtig, sich vom Kurfürsten eine Schadlosversicherung gegen etwaige Anfechtungen von Griebens Seite ausstellen zu lassen.

Der Verlust der verpfändeten Privilegien war der härteste Schlag, der Grieben überhaupt noch treffen konnte. Es scheint, als habe ihn die Nachricht von der vollzogenen Abtretung erst auf dem Michaelismarkt 1569 in Leipzig erreicht. Ihn zu besuchen, dürfte er sich wohl nur deshalb entschlossen haben, um dieses schlimmste Unheil abzuwenden. Er wußte, welche Gefahren ihn in Leipzig erwarteten, daß es ihm seine Freiheit kosten konnte. Aber es mußte gewagt seinl

Gefangennahme und Gläubigerkampf in Leipzig'). Schon am Tage nach seiner Ankunft, am 9. Oktober 1569 — noch ehe die eigentliche Zahlungswoche begonnen hatte — wurde Joachim Grieben in Leipzig auf Antrag von Philipp Breu und Balthasar Mühe verhaftet, als ein „verdorbener Kaufmann", der flüchtig, nirgends wohnhaft, nirgends anzutreffen und nicht zahlungsfähig sei und dem schon von verschiedenen Seiten nach­ getrachtet werde! Grieben versuchte eine letzte Abwehr, indem er sich erbot, als Sicherheit Verschreibungen des Kurfürsten von Bran­ denburg bei Gericht zu hinterlegen, die viel mehr wert sein sollten als die Forderung des Breu und Mühe. Aber Breu ließ sich auf nichts ein, sonder drang auf sofortige Gefangensetzung, und so wurde es nicht auch noch offenbar, daß Grieben über die angebotenen Ver­ schreibungen gar nicht mehr verfügen konnte! Vielleicht erst in seiner Gefangenschaft mußte Grieben feststellen, daß sein so übel ausgelaufenes Wagnis von vornherein vergeblich *) Dies nach Rats-A. Leipzig, Alte Gerichtsakten 472.

und daß nichts mehr zu retten gewesen war. In verbissener Wut suchte er sich an Gotthard König wenigstens zu rächen und sich an ihm, wenn möglich, schadlos zu halten.

Obschon selbst in

strenger Haft, lieh er ihn aufs Rathaus vorladen und verlangte zur Sicherung seines Schadenersatzanspruches — er bezifferte ihn später auf mindestens 50 000 Taler — daß König gleichfalls festgenommen werde. Nun fiel es König nicht schwer, die Haltlosigkeit des Antrages zu erweisen, indem er kurz den Hergang der Sache schilderte und sich auf den Wortlaut der Griebenschen Pfandurkunde berief, die ihm bei

Versäumnis der Zahltermine das Recht gewährte, die Pfänder zu ver­ äußern. Es ist nicht recht verständlich, wie trotzdem der Leipziger Rat

dem Stadtrichter die Anweisung geben konnte, König gefangen zu setzen. Drei Tage lang mußte dieser unter scharfer Bewachung in seiner Haft ausharren; er wurde erst entlassen, nachdem er durch Eid gelobt hatte, Leipzig vor Austragung des Prozesses nicht verlassen zu

wollen. Außerdem mußten sich vier angesehene Bürger der Stadt für die Wahrung seiner Eidespflicht verbürgen! Der Berhandlungstermin wurde auf den 4. November angesetzt,

und zwar sollte im beschleunigten mündlichen Verfahren vorgegangen und nach drei Sätzen zum Urteil geschritten werden. Auf diese Weise schien der Prozeß einen für König gefährlichen Verlauf nehmen zu wollen. Der von ihm unterrichtete Kurfürst Joachim wandte sich sofort an den Leipziger Rat, um zu erwirken, daß Grieben seine Klage schrift­ lich einreiche, damit König sich nach angemessener Frist dazu äußern

könne. Da die Entscheidung nicht in diesem Sinne fiel, sah sich König gezwungen, an den sächsischen Landesherrn zu appellieren. Aber damit

ergab sich ein neues Übel: ein solcher Prozeß konnte von langer Dauer sein. König glaubte sie nicht unter einem Jahr veranschlagen zu dürfen. Der für ihn damit verbundene Zwangsaufenthalt in Leipzig muhte

zu einer schweren Schädigung seines Kaufhandels führen. Deshalb scheute er weder Mühen noch Kosten, um von der leidigen Bindung an den Ort befreit zu werden. Kurfürst Joachim II. hatte ihm zu­ gesagt, er wolle in dieser Absicht eine Gesandtschaft an den kursächsi­

schen Hof abordnen. Aber es vergingen Wochen und Monate, ehe sie sich wirklich in Bewegung setzte.

Inzwischen hatte König noch anderen Kummer wegen seiner Abmachungen mit dem Kurfürsten bekommen. Obschon er den Ver­ ordneten der Stände eine Generalquittung erteilt hatte, war ihm die auf Michaelis 1569 festgesetzte erste Rate von 10 000 Talern nicht bar

bezahlt worden. Der Kurfürst hatte statt dessen zwei seiner Räte, den Oberst Heinrich von S t a u p i tz und Dr. Hieronymus Schulze, ent­ sandt, die ihn vertrösten mußten. Auf dem Neujahrsmarkt 1570 schien sich dieser Vorgang wiederholen zu sollen. Auf Königs dring­

liche Vorstellungen, ihn nicht wieder im Stich zu lassen, wurde Dr. Hier. Schulze vom Kurfürsten bevollmächtigt, die Angelegenheit

in Ordnung zu bringen. Schulze und sein Geldmann Georg ©darbt wußten durch allerlei Andeutungen und Gerüchte Gotthard König für ihre Absichten etwas gefügiger zu machen. So drohten sie ihm, wenn

er auf ihre Vorschläge nicht einginge, würde der Kurfürst die Privi­ legien öffentlich widerrufen und anullieren. Auch würde er dann keine Veranlassung haben, sich seiner anzunehmen, und er müßte selber sehen, wie er mit Grieben fertig würde. Unter diesem Druck entschloß sich König, von Eckardt eine Reihe von Schuldurkunden ihm völlig unbekannter adliger Herrens anstelle baren

Geldes anzunehmen.

Bald mußte er finden, daß diese Gelder nicht einzutreiben waren. Trotzdem strich Dr. Schulze für seine famose Vermittlung eine Pro­

vision von 500 Talern ein und ließ sich

die

Reisekosten reichlich

erstatten. König aber quittierte dem Georg Eckardt über den richtigen Empfang von 22 000 Talern und lieferte ihm die Urkunden aus.

Dr. Schulze blieb, um König beistehen zu können, bei ihm in Leipzig und ließ es sich auf dessen Kosten gut gehen. Endlich konnte

gelegentlich der Hochzeitsfeier des Markgrafen Joachim Friedrich in Küstrin von dem daran teilnehmenden sächsischen Kurfürsten eine Zu­

sage erwirkt werden, gegen einen Revers Joachims II., für etwaige Schäden zu haften, für die völlige Befreiung Königs Sorge tragen zu wollen. Bis dahin vergingen gleichwohl noch einige Wochen. Nach fünfmonatigem Warten durste endlich Gotthard König Leipzig verlassen, nachdem er einen neuen Eid geleistet und Bürgen dafür beigebracht hatte, daß er sich jederzeit dem Gericht stellen wolle, solange der Prozeß währe. König begab sich sofort an den Hof Joachims II., um Erstattung seiner vielfachen Schäden zu erhalten.

Der Kurfürst versprach zwar, ihm die verlangten 4135 Taler durch Einweisung in das Amt Potsdam zu verschaffen, aber König mußte auf die Einlösung des Versprechens vergeblich warten. Von Tag zu

Tag vertröstet, war er genötigt, dem Hofe auf seinem Zuge von einem Schloß zum andern zu folgen und Zeit und Geld dabei einzubüßen.

*) Namentlich genannt werden Hans v. Schlaberndorf und Kuno v. Thümen.

Dem Kurfürsten hingegen war es angenehm, einen leistungsfähigen Kaufmann in seiner Umgebung zu wissen, der seine mannigfachen Wünsche und Bestellungen prompt erledigte. So bezog er durch ihn

verschiedene Sorten Wein für den Hofhalt, aber auch ein Uhrwerk

im Wert von 1500 Talern, ein „vergoldetes Schiff" für 200 Taler, roten Damast für die schöne Gießerin, zwei Bilder der Grafen

Egmont und Hoorn u. a. m. Schließlich riß König die Geduld. Seine Geschäfte vertrugen es nicht, daß er Wochen und Monate untätig im kurfürstlichen Gefolge verbrachte. Ohne sich zu verabschieden, zog er

eines Tages davon. Der Kurfürst war über die heimliche Abreise unwillig; unter erneuter Zusicherung, es solle sofort abgerechnet und alles in beste Ordnung gebracht werden, forderte er König auf (am 1.12.1570), sobald wie möglich wieder an den Hof zurückzukehren. Dazu ist es, da der Kurfürst schon vier Wochen später starb, nicht mehr gekommen, und König sah sich genötigt, seinen Schadenersatz, den er zu Lebzeiten Joachims II. nicht hatte erhalten können, von dessen

Nachfolger zu fordern. Mit welchem Erfolg, ist ungewiß.

Von Eckardt hat König keine Befriedigung erhalten; dessen An­ gebot, ihn mit „vornehmen" Waren zu bezahlen, lehnte er ab (Jan. 1572). König brach danach zusammen und muhte flüchtig werden; sein Sturz riß auch den Leipziger Handelsmann und Rats­ herrn Bartholomäus Scherl, seinen Schwager, mit, so daß er „auf­ gestanden" ist und „die Bank umgeworfen" hat. Zu dem, was beide an Außenständen greifbar hinterließen, erhielt Kammermeister Stör rechtlichen Summer1).

der

neumärkische

Auch Georg Eckardt hat mit den Griebenschen Urkunden keine

Freude erlebt. Es wurde ihm zwar ein Anspruch von 26 000 Talern

zuerkannt, der aus dem neuen Biergelde der altmärkischen Städte innerhalb dreier Jahre abgefunden werden sollte; es gab jedoch noch

allerlei Auseinandersetzungen, u. a. mit dem Markgrafen Johann Georg, der sich persönlich für die 26 000 Taler verbürgen sollte, ehe

sich die altmärkischen Städte zu

einer

jährlichen

Leistung

von

10 000 Talern verpflichteten. Auf diese Weise sind die heißumkämpf-

ten Pergamente wieder in kurfürstlichen Besitz zurückgelangt

und

werden noch heute im Geheimen Staatsarchiv aufbewahrt.

Nach dem Verluste seiner Privilegien hatte Joachim Grieben nichts mehr zu hoffen. Mit dem ganzen Aufgebot seiner noch immer

*) Jan. 1574. Rep. 97 1 19, 20 und 21.

ungebrochenen Kraft suchte er sich wenigstens die verlorene Freiheit wieder zu erkämpfen. Sein Gegner B r e u hatte es nicht leicht, muhte er doch nicht nur für die Kosten aufkommen, die der Prozeß und die Gefangenhaltung Griebens verursachten; er hatte auch zur Sicherung des Leipziger Rates, da er ortseingesessene Bürgen nicht beizubringen vermochte, die Griebenschen Schuldverschreibungen und Kleinodien im

Wert von 12 000 oder 16 000 Talern hinterlegen müssen. Griebens Gegenwirkung setzte mit einigen Schreiben des Herzogs von Mecklenburg ein, der ihm anscheinend sehr gewogen war. Er

bescheinigte ihm, daß er sein Untertan sei und in seinem Dienst den Michaelismarkt besucht habe. Als seinem Ersuchen, den Gefangenen freizulassen, nicht stattgegeben wurde, versuchte es Grieben mit einem dreisten Bluff. Dem Richter, der den Vorschriften der Prozeß»

ordnung gemäß die Parteien in Güte zu vergleichen suchte, unter­ breitete er folgenden Borschlag: Er wolle Breu bis spätestens Michaelis 1570 eine Verschreibung über 10 000 Taler beibringen, für die eine der — damals kaiserlichen — Städte Görlitz, Bautzen, Zittau, Freystadt, Glogau oder Sagan die Bürgschaft übernehmen sollte. Bis dahin beanspruchte er, von der Haft befreit zu werden; doch wolle er sich verpflichten, Leipzig nicht zu verlassen und sich freiwillig wieder in die Haft zu begeben, wenn er sein Angebot nicht zu erfüllen imstande sein sollte. Um seinem Vorschlag mehr Nach­

druck zu verleihen, ließ Grieben wenige Tage später — am 20. Januar 1570 — durch seinen Diener ein Protestschreiben seiner Gläubiger

dem Gericht unterbreiten. Darin wurde kühnlich behauptet, die Gläubiger hätten bestes Vertrauen, Grieben würde seinen Verpflich­ tungen nachkommen. Daran hindere ihn allein die Gefangenschaft, und wenn Breu ihn wieder freigäbe, würden auch diejenigen, die

seinem Beispiel gefolgt und gegen Grieben vorgegangen seien, ihre

bereits unternommenen Schritte wieder rückgängig machen. Cs fanden sich unter diesem Schriftstück sogar Hans Mittelstrah' Witwe und Erben verzeichnet, über deren rücksichtsloses Vorgehen Grieben sich sonst so bitter beklagte.

Breu wandte sofort ein, daß dieses

Schreiben, das die Dinge auf den Kopf stellte, erdichtet sei, und es wurde auf Grund einer Nachprüfung vom Gericht festgestellt, daß

Grieben die Namen alle selbst unterschrieben habe!

Mit verständ­

licher Entrüstung wandte Breu sich gegen Griebens Vorschlag zur Güte. Selbstverständlich war er keineswegs geneigt, Grieben noch

einige tausend Taler mehr zu leihen, wie es

das

Projekt

der

10000 Taler-Anleihe verlangte. Heftige Worte gab ihm der Zorn über die angebotene Bürgschaft der schlesischen Städte in die Feder:

„gleich als müßten und würden die Kaiserlichen Städte in Schlesien flugs thun, was Grieben wollte, und wäre ich ein Kind, daß ich solche faule und schlimme Vorschläge nicht verstände und flugs ja dazu sagen müßte, ehe ich der sechs Städte in Schlesien Gemüt dazu vernommen." Später vermochte er die schriftlichen Erklärungen der

benannten Städte oorzulegen, daß sie Grieben nie gekannt hätten,

er auch an sie nicht wegen einer Anleihe herangetreten sei und sie sich noch viel weniger darauf eingelassen hätten!

Grieben stellte, obschon seine reichlich plumpen Tricks entlarvt waren, gleichwohl am 28. Januar den Antrag, ihn seiner Haft zu entledigen. Als er damit nicht durchdrang und einsehen muhte, daß

er in Güte bei Breu keinen Erfolg mehr erzielen würde, versuchte er das gleiche Mittel, das ihm bei König so ausgezeichnet geglückt war: er bat das Gericht, Breu wegen der Gegenforderungen, die er gegen ihn erhob, gleichfalls in Haft zu nehmen. Aber auch diesem Antrag gab das Gericht nicht nach. Grieben appellierte von diesen Bescheiden an den Kurfürsten von Sachsen und reichte in aller Form seine Gegenklage gegen Breu ein, die auf der Behauptung fußte, dieser habe ihn durch Lieferung schlechter Waren betrogen. Es lohnt nicht, den weiteren Verlauf des Prozesses zu verfolgen. Zäh schleppte er

sich, von einer Instanz zur andern hin und hergeschoben, durch mehrere Jahre hin. Das Urteil, das 1575 gefällt wurde und kraft dessen sich Breu in die Güter ©Hebens hätte einweisen lassen können, war völlig wertlos, denn die übrigen Gläubiger hatten sich bereits

längst der wenigen vorgefundenen Aktiven bemächtigt. Breu und Mühe bekamen keinen Heller wieder, sie hatten obendrein noch die erheblichen Kosten des langwierigen Prozesses zu tragen. Auch an Griebens Person konnten sie sich nicht mehr schadlos halten, sie war

ihrem Zugriff durch höhere Gewalt längst entzogen. Auslieferung und Abrechnung.

Sobald die Verhaftung Griebens bekannt geworden war, hatten sich in Leipzig alle diejenigen, denen er bisher entgangen war, gemeldet. Zuerst Kurfürst Joachim II.; außer ihm Claus von Arnim, der aus einem nahen Freunde zu einem heftigen Feinde Griebens

geworden war. Zuletzt traten auch die Jüterboger Bürger auf, froh, ihren Flüchtling wieder sicher zu wissen. Doch erwirkte Joachim II.

gleichzeitig mit Gotthard Königs Haftentlassung vom Kurfürsten von Sachsen auch den Befehl zur Auslieferung ©siebens an ihn. Die

wiederholten Einwendungen des Leipziger Rats fruchteten ebenso­ wenig wie der Protest Breus. Dieser hatte schließlich noch Not, seine Kaution zurückzuerhalten, obschon ihm sein Gefangener entführt

wurde. In der Nacht vom 23. zum 24. Mai 1570 wurde Grieben vor

dem Grimmaischen Tor, in dem man ihn bisher gefangengehalten hatte, der kurfürstlich brandenburgischen Abordnung ausgeliefert!

Der spärliche Hausrat, dessen er sich in seiner Haft hatte bedienen dürfens, wurde seinem Diener Henning Dietrich überantwortet.

Grieben hatte von dem ihm drohenden schweren Verhängnis rechtzeitig Kunde bekommen. Das Bewußtsein jener unehrerbietigen Schreiben aus Wittenberg und Schwerin mochte jetzt schwer auf ihm lasten. Sorgenvolle Stunden mußte er durchleben, bis es schließlich Gewißheit wurde, daß er ausgeliefert werden sollte. In der Vor­ ahnung künftigen Unheils suchte sein Vater Andreas Joachim II. durch flehentliches Bitten zu bewegen, seinen Sohn freizugeben. Aber der Kurfürst schlug es mit Hinweis auf die ehrverletzenden Worte,

die Joachim auch noch im Gefängnis über ihn gesprochen haben

sollte, ab. In seiner Bedrängnis ergriff nun Joachim Grieben die Feder zu einem demütigen Schreiben an den Kurfürsten-). Man wird seine Worte nicht ohne Anteilnahme lesen: „Ob ich wol nicht zweiffel, das meine Widerwertigen Euer churfurstlichen Gnaden

allerlei Boses von mihr mugen furbracht haben, so hab ich doch wider Euer churfurstlichen Gnaden Person in diesem Gefencknis noch fünften

nichis Boses geredet.

Was ich aber an Euer churfurstliche Gnaden

oder etliche derselben Rethe und fünften magk geschrieben haben, dazu hat mich der Hendel Gelegenheit nach die eußerste Noth ge­ drungen, und ist nichts gescheen, das ich hatte umbgehen mögen. Dan

man hat mihr von allen Ecken dermaßen also zugesatzt, als kaum magk erhört sein, und bin anders nicht gemartert worden, als wie man einen Bheren mit einem Haussen Hunde pflegt zu hetzen und mat zu machen. Und weil ich dan also wider Euer churfurstlichen Gnaden oder derselben Rethe nichts unverantwortlichs gethan, dazu ich nicht

*) Neben etwas Bettzeug: 1 Kännchen und 1 Schüsfelchen aus Zinn, 1 Muldgen und 10 Teller aus Holz, 1 Messing-Leuchter (Leipzig, Kontrakt­ buch 1570, Bl. 79). ') Leipzig, 19. Mai 1570. Bep. 61. 29 c fol. 94.

tausendtfachtige Ursache gehapt, so bitte ich zum underthenigsten, Euer churfurstliche Gnaden wollen mein gnedigster Herr und Churfürst sein und die gefaste Ungnade fallen lassen, in gnedigster Betrachtung, das ichs umb dieselbe nicht verdienet. Und hab ohn das derselben halben mein Leib, Ehre und Gut in eußerste Gefhar gesetzt, hab

Gefengknussen und allerlei Elende und Herzleidt, das dergestaü unerhört ist bis daher erduldet. Item muß solche Nachrede zum Teil von etzlichen losen Leuten Horen, das ich ein Mörder und Berauber meiner eigenen Eltern, Schwestern, Schweger, Vettern usw. bin, das es wol Got vom hohen Himmel und einem Steine erbarmen mögt."

Wieder war sein Weib guter Hoffnung, und er glaubte, deswegen

wie einst auf das Mitleid des Kurfürsten rechnen zu dürfen. Nur um 14 Tage Urlaub bat er, um seiner Frau beistehen und sich seiner

abgerissenen Kleider entledigen zu können. Er wurde keiner Antwort gewürdigt und konnte daraus er­

kennen, was ihn erwartete. Sobald man ihn in Berlin in sicherer

Verwahrung hatte, berief der Kurfürst seine Räte zusammen. Auch Markgraf Johann Georg war zugegen, als über Griebens Schicksal

entschieden wurde.

Der Kanzler Distelmeier brachte selbst die Be­

schlüsse in einem umfangreichen Promemoria zu Papier.

Danach

sollte Grieben zuerst eröffnet werden, daß der Kurfürst sich die Ein­ leitung eines peinlichen Prozesses vorbehalte, weil er ihn beim Herzog von Mecklenburg und sonst verleumdet und in aller Welt ver­

breitet habe, der Kurfürst schulde ihm an die 800 000 Taler. Zuvor

aber sollte mit Grieben endgültig abgerechnet werden, und zwar, um jeden bösen Anschein zu vermeiden, in öffentlicher Verhandlung

und in Gegenwart der vornehmsten kurfürstlichen Land- und Hof­

räte. An Hand einer von Thomas Matthias anzufertigenden Gegen­ rechnung sollte die Aufstellung, die Grieben als endgültig bezeichnen

würde, von Posten zu Posten durchgegangen werden. Distelmeier empfahl, ein notarielles Protokoll über die Verhandlung aufnehmen

zu lassen.

Das ist leider nicht geschehen, zum mindesten ist das

Protokoll nicht mehr erhalten. Es war auch nicht mit einem Termin

abgetan, wie man sich anfangs vorgestellt hatte. Am 8. Iuni 1570

„ist des gefangenen Joachim Griebens

Sache, so er mit dem Churfürsten etzlicher vormeinten Schulde halber

gehabt, öffentlich, das es jederman frey gestanden mit anzuhorn, gehandelt worden", schrieb der Chronist in das älteste Cöllner

DürgerbuchH und läßt uns damit ahnen, welches Aufsehen die Ver­

handlung erregte. Aus den Rechnungen der kurmärkischen Stände erfahren wir, daß deren Verordnete nach Berlin beordert worden waren, um der Abrechnung beizuwohnen. Sie haben ein Zehrgeld für 11 Tage liquidiert, doch scheint nur an dem oben genannten Tage wirklich mit Grieben verhandelt worden zu sein.

Thomas Matthias und feine Gehilfen waren nicht müßig gewesen. Mit emsigem Fleiß hatten sie umfangreiche Gegenrechnungen aufgestellt, ihre nach Hunderten von Seiten zählenden Elaborate füllen noch heute die Akten. Je nach Laune kam man zu einer Gegen­ forderung des Kurfürsten von 1 541 653 Talern oder lieh sie allenfalls mit Griebens Rechnung gerade die Wage halten. Matthias

selbst bekannte sich, wie es scheint, zu einer für Grieben wesentlich günstigeren und — wie wir hinzufügen dürfen — leidlich gerechten Fassung. Sie wich in folgenden wesentlichen Punkten von Grieben»

Rechnung ab: 1. waren nur 5 % Halbjahrszinsen statt 8 % berechnet;

2. ging sie nicht von der „Grünheidischen" Rechnung des Jahres 1568 aus, sondern griff mit ihrer Zinsberechnung und den Ab­ strichen an den einzelnen Posten bis auf den Anfang der Griebenfchen Handlung zurück; 3. wies sie das mehrfach erwähnte „Geschenk" Griebens zurück

und ließ, wie es in der Verschreibung über die 20 000 Taler vom 2. Mai 1558 vorgesehen war, eine zinslose Amortisation in Jahresraten von 1000 Talern stattfinden. 4. Sie

setzte

die

5000

Taler

der

geheimen

Oderschiffahrts­

oerschreibung vom 4. bis 5. Mai 1562 mit in Rechnung und

verzinste sie wie die übrigen Forderungen zu 5 % pro Halbjahr. Grieben hatte diese Summe sonderbarerwetse in seine letzten Rechnungen nicht mehr ausgenommen, wohl um der über­

spannten Ablösungsforderung von 162 000 Talern, wie sie seine mecklenburgische Aufstellung zum erstenmal zum brachte-), nicht den Weg zu verbauen.

Vorschein

5. Grieben hatte die 15 000 Gulden des Salzhandelsvorschusses zu

einem Phantasiekurs zu 16050 Talern umgerechnet, während Matthias nur 10 666 dafür zugestehen wollte.

*) Chronicon Berolinense, Schr. d. SB er. f. d. Gesch. Berlins, Heft 4. -) Vgl. oben S. 167 f. 12 Großkaufleute 1

177

6. Matthias leugnete die Verpflichtung des Kurfürsten zu dem am 28. Februar 1561 verschriebenen Gnadengeschenk von 30 000 Talern gänzlich ab, da Grieben die von ihm angeblich gemachte mündliche Zusage eines Jahresertrages von 50 000 Talern aus dem Salzhandel gleichfalls nicht innegehalten habe. 7. Die Schäden, die der Einfall verursacht und die Grieben auf

29 000 Taler nebst 4436 Talern Zinsen veranschlagt hatte, nahm Matthias nicht auf, weil sie gesondert behandelt werden müßten. Trotzdem bekam Matthias für den Ostertermin des Jahres 1570 eine Schuld des Kurfürsten von rund 10 000 Talern heraus. Ferner waren weitere 8000 Taler in 8 Jahren zinslos zu amortisieren.

Selbst wenn man alle sonstigen Einwendungen des kurfürstlichen Finanzrates und den ermäßigten Zinssatz gelten lassen will, bei der Beurteilung des sechsten und siebenten Punktes wird man ihm nicht beipflichten können. Die kurfürstliche Verpflichtung von 30 000 Talern

bestand zu Recht. Ebenso — wenn auch vielleicht nicht in dem von Grieben geforderten Ausmaß — die Entschädigungspflicht für den Einfall. Matthias hatte in seiner Rechnung die gesamten Leistungen des

Kurfürsten berücksichtigt und selbst die zur Auslösung der Urkunden dem Gotthard König angewiesenen 22 000 Taler nicht vergessen. Wir brauchen sie also nicht mehr in Anschlag zu bringen, wenn wir uns selbst ein Urteil darüber bilden wollen, wie hoch sich die Gesamt­ oerpflichtung des Kurfürsten zu Ostern 1570 Joachim Grieben gegen­ über belief. Folgt man der Rechnung des Matthias mit Ausnahme

der oben angezogenen beiden Punkte, so ergibt sich noch immer eine

Forderung

Griebens

in

Höhe

von

80 000

bis

90 000 Talern. Zu solchen Konzessionen waren die führenden Persönlichkeiten auf kurfürstlicher Seite keineswegs bereit. Man bediente sich lieber

der andern Berechnungsmethoden, gewährte nur 6 % Zinsen für das ganze Jahr und bekam so für die „unversicherten" Schulden an Stelle einer Verpflichtung des Kurfürsten umgekehrt eine Griebens zustande. Dieses Minus wurde ausgeglichen durch das Plus, das Griebens verbriefte Forderungen darstellten. Im Jahre 1574 machte

das Minus 47 428 Taler aus, aber Grieben konnte trotzdem noch auf einen geringen Uberschuß seiner Forderungen hoffen. Der ersten öffentlichen Verhandlung müssen im Laufe der nächsten Jahre noch eine Anzahl weiterer gefolgt sein. Von einer

einzigen, die am 18. Juni 1571 stattfand, ist der Ansatz eines Proto­ kolls von der Hand des Kanzlers Distelmeier erhallen. Er läßt nur

so viel erkennen, daß der Streit um die oben gekennzeichneten Punkte ging. Grieben führte zur Verteidigung seiner Zinsforderung an, daß er selbst gleiche und sehr oft viel höhere Zinsen habe zahlen müssen.

Wenn man ihm jetzt nur 6 % bewilligen wolle, während man einst,

als das Geld gebraucht wurde, nicht nach dem Zinssatz fragte, so müsse er notwendigerweise ins Verderben geraten, da er ja seine Zinsen längst habe bezahlen müssen. Dieser Einwurf scheint einen gewissen Eindruck gemacht zu haben. Man verlangte von Grieben

Beweise für seine Behauptung, und er reichte eine große Zusammen­ stellung seiner Schäden und Zinsverluste ein. Sie vermochte zwar einzelne Übertreibungen nicht zu decken, offenbarte aber zur Genüge,

daß Grieben seine Darlehen teuer hatte erkaufen müssen. Die kur­ fürstlichen Räte müssen trotzdem bei ihren 6 % verblieben sein. So

konnten sie viele Jahre später behaupten, es habe sich nach gründlicher

Berechnung gefunden, daß nicht der Kurfürst Grieben, sondern Grieben dem Kurfürsten erhebliche Summen schuldig gewesen sei.

Im Innersten waren wohl weder der Kurfürst noch seine eifrigen Räte ganz von ihrem Recht überzeugt. Das mag auch der Grund gewesen sein, daß man von dem peinlichen Prozeß, wie es scheint, ganz Abstand nahm. Schon 1570 hatten die Juristen am Hof ein Rechtsguthaben abgefaßt, das vor unbedachtem Vorgehen gegen

Grieben warnte. Wenn sie es auch nicht klar auszudrücken wagten, so deuteten sie es doch an, daß ihres Erachtens die Voraussetzungen für

die Einleitung eines peinlichen Prozesses nicht gegeben waren. Trotzdem blieb Grieben in Haft.

Sie wurde damit begründet,

daß man ja Leipzig und Breu gegenüber verpflichtet sei, ihn gefangen­

zuhatten. Aber der wahre Grund war doch wohl der, daß man ihn fürchtete. Man wußte, daß er freigelassen nicht ruhen und rasten würde, um seinen Forderungen Gehör zu verschaffen und Vergeltung für die erlittene Unbill und Gefangenschaft zu üben.

Griebens Schulden, Gläubiger und Bürgen. Grieben ist unrecht geschehen! Daran kann nicht gezweifelt werden. Aber sein kaufmännischer Ruin wäre wohl auch durch eine

Zahlung von 80 000 bis 90 000 Talern nicht mehr

aufzuhalten

gewesen. Schon im April 1569 schätzte er seine Verpflichtungen auf 12»

179

insgesamt 160 000 Taler, 1575 waren sie infolge rückständiger Zinsen bereits auf über 200 000 Taler angewachsen. Da Grieben ein Der» zeichnis seiner gesamten Verpflichtungen nicht hinterlassen hat, ist die Nachprüfung seiner Angaben schwierig. Aber wir haben doch An­ haltspunkte genug, um sagen zu können, daß seine Zahlen nicht über­ trieben sind. Eine Addition aller Obligationen, von denen die in dieser Hinsicht unsichere und lückenhafte Überlieferung meldet, ergibt für das Jahr 1570 etwa 150 000 Taler Kapitalschulden, zu denen die

verfallenen Zinsen noch hinzukämen. Leider ist es nicht möglich, die zahlreichen Fehlerquellen, denen eine solche Berechnung unterliegt, ganz auszuschalten. Sie beeinträchtigen deren Wert sehr, aber zu ähnlichen Ergebnissen führen auch folgende Beobachtungen. Claus von Arnim hatte sich nach dem glaubhaften Zeugnis des Kanzlers Distelmeier für 126 000 Gulden Griebenscher Schulden verbürgt. Mag

darin auch die eine oder andere Obligation mit einbegriffen sein, die bereits eingelöst war, und Claus von Arnims Haftung sich nicht ganz so hoch belaufen haben, so ist andererseits zu berücksichtigen, daß er nur bei einem Teil der Griebenschen Schulden als Bürge gedient hatte, und zwar gerade nicht bei jenen großen Anleihen, die wir bereits kennen gelernt haben. Eine sorgfältige Berechnung, die Grieben mit Ihan Reiche im Oktober 1569 vornahm*), ergab, daß

Reiche die Bürgschaft für etwa ein Dutzend Obligationen in Höhe von insgesamt 77 000 Talern auf sich geladen hatte. Es handelt sich dabei zumeist um Gläubiger, die in der Kurmark ansässig waren. ©Hebens finanzielle Basis war von Anbeginn zu schmal gewesen,

um das künstliche Finanzgebäude der kurmärkischen Anleihen zu tragen; sie mußte vollends in die Brüche gehen nach jener Serie kaufmännischer Mißerfolge, die im Jahre 1564 einsetzte. Nur seine

unbeugsame Energie und Zähigkeit, unterstützt durch die mangel­ haften wirtschaftlichen Organisationsformen jener Zeit erlaubten es Grieben, den unvermeidlichen Zusammenbruch um Jahre hinauszuschieben. Die von ihm in Kauf genommenen Einbußen und Wucherzinsen machten eine Gesundung seiner Verhältnisse von Jahr zu Jahr unmöglicher. Schon 1563 konnte sich Grieben auf das Zeugnis des Thomas Matthias berufen, daß er sich 10, 12, 16, 20, 24 und auch 32 % Zinsen habe gefallen lassen müssen. 1564 behauptet er, 20, 30, 40, ja bis an 50 % Jahreszinsen gezahlt zu haben. Das

ist wohl reichlich übertrieben, denn 1568, in wesentlich schlechterer *) Prov.-A. Brandenburg, Mühlenhof 2.

Lage, gab er nur 20, 25 und auch wohl einmal über 30 %. Diese

Zahlen standen natürlich nicht in den betreffenden Schuldurkunden,

sie ergaben sich aber praktisch dadurch, daß Grieben die ihm zu über­ triebenen Kursen mit in Kauf gegebenen Waren und unsicheren

Forderungen nur mit schweren Einbußen zu Gelde machen konnte,

umgekehrt aber die Gläubiger seine Pfänder nur zu einem Bruch­ teil des Wertes annahmen.

Die Gläubiger. Unter Griebens Gläubigern*)

nahmen noch

immer

Jakob

Grtebens Erben mit ihrer Forderung von über 24000 Talern

den ersten Platz ein. Da die seit Neujahr 1573 fälligen Abzahlungen

nicht geleistet wurden, so kam es, bei Joachim Griebens völliger Zah­ lungsunfähigkeit, zur Klage gegen feine Bürgen, worauf noch einzu­

gehen fein wird.

Was die übrigen auswärtigen Gläubiger betrifft, so waren die Lindenau

und

Z a s ch w i tz

mit

ihren

großen,

Riebe,

Frankfurt, und Lotter, Leipzig, mit ihren kleineren Darlehen schon vor 1568 abgefunden. Die Forderungen Gotthard Königs galten durch dessen Privilegien-Beräuherung und die dafür erhaltene kurfürstliche Verschreibung in Höhe von 22 000 Talern für abgelöst.

Damit wohl auch die von Barthold Vogel in Wittenberg gewährte

Anleihe von 12 000 fl.

Von dem Darlehen Peter Engels aus

Leipzig von 10 000 Talern ist gleichfalls später nicht mehr die Rede; ebensowenig von kleineren Forderungen, die Adrian v. H i l st und Peter Hoffmann ebendort hatten.

Mit dem Leipziger Hans Meier hat Grieben, wie er 1570

schrieb, „viel großer Hendel gehapt". Damals vermeinte er, den Erben des inzwischen Verstorbenen noch 13 000 Taler schuldig zu sein, über

die erwähnten Geschäfte ist fast nichts bekannt.

Nur von kleinen

Darlehen der Jahre 1561 und 1563 wissen wir aus dem Briefwechsel Joachim Griebens mit seinem Oheim Jakob. Im allgemeinen kam

ihn das Geld von Meier auf 16 % zu stehen; die Schuld wird 1572 als

getilgt angegeben.

Auch mit dem Großkapitalisten am sächsischen Hofe, dem Kammer­

meister Hans Harrer, bestanden bedeutende Beziehungen Joachim *) Für die folgenden Angaben ist namentlich Joachim Griebens Über­ sicht, die er 1. Juni 1570 dem Kurfürsten einreichte (Bep. 61. 29 c I fol. 217 ff.), verwertet; ferner seine Zeugenaussagen vom 27.12.1572 und 14.1.1573 (Bert. Stadt-A., Notar.-Reg. Heyde f. 111, 211).

Erlebens, obwohl sie in der Monographie Harrers von S. Müller nicht erwähnt werden. Die Höhe des Darlehns, das Harrer Grieben gewährte, muß eine sehr beträchtliche gewesen sein, wollte Grieben doch allein an den Unterpfänden, die er Harrer eingesetzt, aber infolge seiner Zahlungsunfähigkeit nicht zurückerhalten hatte, 13 000 Taler Schaden erlitten haben. Auch in andern Stücken trat die Geschäfts­ tüchtigkeit Harrers in Erscheinung: so mußte Grieben zweihundert Stück „Harraß" (= Arras, Wollengewebe) von ihm als Zahlung an­ nehmen, an denen er 400 Taler verlor. Weniger überzeugend ist (Stiebens Darstellung, daß ein Verlust von 2000 Talern, den er bei einem Weinverkauf erlitten hat, gleichfalls auf Harrers Konto zu schreiben sei. Unter den einheimischen Gläubigern erscheint Heine v. B r ö s i ck e zu Ketzür mit einer Forderung von 22 500 Talern an erster Stelle. Die erste Anleihe kam etwa 1560 zustande. Brösicke hat die Verlegen­ heit seines Schuldners kräftig auszunutzen verstanden. Unter dem Vorwand, er brauche das Geld zu diesem oder jenem Geschäft — etwa dem Ankauf eines Schlosses —, wußte er den Zinssatz allmählich von 12 auf 20 % hinaufzuschrauben. Grieben mußte ihm obendrein sein Korn zu hohem Preise abnehmen, und da ihm ähnliches auch von andern adligen Gläubigern zugemutet wurde, erwuchs ihm ohne seinen Willen zuweilen ein lebhafter Kornhandel. So wurden ihm z. B. 1566 in Boitzenburg drei mit Getreide befrachtete Schiffe be­ schlagnahmt. Die Schuld von 22 500 Talern datierte vom Jahre 1566; Andreas Grieben, Hans Mittelstraß und Claus von Arnim hatten sich dafür verbürgt. Sie wurde zu Ostern 1568 fällig, gerade in jenen Tagen, die Griebens Zahlungsunfähigkeit an den Tag brachten. Auch Brösicke griff scharf zu. Grieben vermochte größeres Unheil dadurch zu vermeiden, daß er ihm eine Forderung an Claus von Arnim in Höhe von 8000 Talern zedierte, der ja ohnehin als Bürge hätte einspringen müssen. Aus Mangel an Barschaft war Arnim ge­ zwungen, Brösicke sein Gut Mürow für 7500 Taler abzutreten. Der Verlust schmerzte ihn um so mehr, als Grieben für die beiden andern Bürgen, seinen Vater Andreas und Hans Mittelstraß, einen ein­ jährigen Aufschub bis Ostern erwirkte und sich dies nicht weniger als 6000 Taler kosten ließ. Als das Jahr um war, wiederholte sich das Verfahren. Die erneute, anderthalbjährige Fristverlängerung war nur mit einem Verlust von 7296 Talern zu erkaufen. Die ver­ schriebene Schuldsumme hatte sich trotz des Fortfalls des Arnimfchen

Drittels nicht verringert, sondern war auf 22 800 Taler angewachsen. Eine neue Urkunde wurde ausgestellt und neue Bürgen dafür ein­ gesetzt, nämlich Hans v. Späth, Dietrich von Rochow, Andreas Grieben und Jhan Reiche; Hans Mittelstraß war inzwischen ge­ storben. Trotzdem gab Brösicke die alte Verschreibung über 22 500 Taler nicht heraus, ja er ließ sich später nicht davon abhalten, die alten wie die neuen Bürgen zu belangen. Claus von Arnim benutzte in seiner Bedrängnis die Gelegenheit, um vor Gericht zu behaupten, die neue Verschreibung Brösickes habe die alte, für die er hafte, in ganzem Umfange ersetzen sollen. Das Kammergericht vermochte in­ dessen nach mehrmaliger Verhandlung die Frage zu klären und beließ es bei der inzwischen verordneten Einweisung Brösickes in Arnims Anteil am Gute Mürow. Der heftigen Prozesfiererei durch alle möglichen Instanzen und den im Laufe der Zeit hinzugekommenen Beleidigungsklagen konnte durch Vermittlung adliger Verwandter 1572 ein Ende gemacht werden. Claus von Arnim bekannte sich zu einer Schuld von 10 600 Talern. Dafür behielt Brösicke das Gut Mürow, das er erst 1587 wieder räumte, nachdem Claus von Arnim für die Ablösung bzw. anderweitige Sicherstellung der Schuldsumme Sorge getragen hatte.

Ähnlich wie Arnim versuchte einer der neuen Bürgen, Jhan Reiche, sich aus der Schlinge zu ziehen, indem er das Vorgehen Brösickes gegen ihn als unrechtmäßig bezeichnete, da ja gleichzeitig die alten Bürgen belangt würden. Auch in diesem Fall gab das Kammergericht Brösicke recht. Reiche mußte zahlen, doch blieb ihm vorbehalten, seine vermeintlichen Ansprüche auszuklagen. Brösicke vermochte nicht nur seine 22 500 Taler samt Zins und Zinseszins glücklich wieder beizutreiben, auch eine von Grieben ihm zedierte Schuld Claus von Arnims über 3000 Taler mahnte er, wie wir noch hören werden, erfolgreich ein. Auf der andern Seite mußte er als Griebens Bürge, allerdings nur in geringem Umfange, einstehen: Christoph Hacke zu Machnow erhielt von ihm 850 Taler, da weder Joachim Grieben, der Schuldner, noch Andreas Grieben und Christoph Rauch, die Mitbürgen, zur Zahlung imstande waren. Rauch verstand Brösicke durch Androhung von Schuldhaft wenigstens das Zugeständnis abzupressen, er wolle die Hälfte der Summe auf sich nehmen, sobald er wieder zu Gelde kommen sollte. Brösicke wird auch in diesem Fall keinen schweren Schaden genommen haben. Letzten Endes konnte er sich an die kurfürstliche Verschreibung über

30 000 Taler halten, die ihm anscheinend Trieben als Pfand eingesetzt hatte. 1590 wurde sie ihm vom Kurfürsten Johann Georg als er­

ledigt abgefordert; Brösicke kam diesem Ansinnen auch nach und lieferte die Urkunde der kurmärkischen Landschaft aus.

Der Höhe seines Darlehns nach folgt Hans M i t t e l st r a ß mit 20 000 Talern, aus denen, da „allerlei Partiten mit eingeschlagen",

22 000 wurden. Er ist schon im Jahre 1563 in Geschäften mit Joachim Grieben nachzuweisen. Von welchem Jahr die große Anleihe datiert,

ist unbekannt.

Der Zinsfuß betrug 9% % jährlich.

Grieben be­

hauptete, er hätte lieber 13 % gezahlt, wenn er nicht wieder Waren

und Pferde an Stelle baren Geldes hätte annehmen müssen. Hans Mittelstraß erlebte Griebens Zusammenbruch nicht. Seine Witwe und Erben waren unter den ersten, die im Frühjahr 1568 zugriffen'). Sie wußten sich eines Außenstandes Joachim Griebens bei Baltzer Uhrmacher, einem getauften Juden, in Höhe von 2100 Talern zu

bemächtigen. Joachim Grieben war ihnen besonders deswegen gram, weil sie die Einweisung in die Lehengüter seines Vaters Andreas und

seines Oheims Merten Grieben durchgesetzt hatten und obendrein ankündigten, sie würden es mit deren Hausbesitz nicht anders machen.

Gegen die Rechtmäßigkeit der gerichtlichen Einweisung erhob er den schärfsten Einspruch beim Kurfürsten. Er behauptete, sie sei entgegen dem klaren Buchstaben seiner Verschreibung geschehen, und wies eine Quittung von Hans Mittelstraß vor, aus der hervorgehen sollte, daß

Grieben nur noch 8000 Taler schuldig war und die Bürgen ihrer Haftpflicht entlassen seien. Einst hatte enge Freundschaft zwischen Mittelstraß und Grieben bestanden — 1562 verwendete sich zum Bei­

spiel Grieben beim Kurfürsten dafür, daß vom Berliner Domkapitel

ein Tausch von Pächten in den Dörfern Klein-Kienitz und Glasow mit gleichwertigen im Dorfe Schönfeld, die Mittelstraß gehörten,

einem darüber geschlossenen Vergleich gemäß auch durchgeführt wurde, woran Mittelstraß augenscheinlich sehr gelegen war. Aller­ dings hat dieser auch in ausgiebigem Maße für Grieben gebürgt; aus dieser vielfältigen Haftung ist das Vorgehen der Erben zu erklären.

Von seinen Verpflichtungen gegenüber Peter von Hohen­ dorf auf Falkenhagen sagte Grieben im Juni 1570, sie seien von 5300 Talern, auf Martini zu zahlen, bisher auf 10 617 54 Taler, in­

folge großer Schäden durch Einreiten usw., angeschwollen. Ein Teil *) Die übrigen damals zugreifenden Gläubiger werden 1570 nicht mehr genannt, waren also wahrscheinlich abgefunden.

184

dieser Schuld begründete sich auf eine Obligation des Jahres 1562

über 5000 Taler, für die sich Joachim von Bredow, Joachim Reiche, Hans Mittelstraß, Claus von Arnim, Andreas und Merten Grieben

verbürgt hatten. Diese Geldgeschäfte wurden infolge einer eigen­ artigen Entwicklung mit den Händeln um das Gut Rosenthal ver­ quickt. Der Kurfürst hatte das Gut kurzerhand seinem bisherigen Besitzer Joachim Grieben fortnehmen lassen, um es der schönen

Gießerin schenken zu können. Dem Geschädigten versprach er volle Genugtuung zu verschaffen und setzte dafür Johann Bredtschneider und Thomas Matthias zu Bürgen ein. Die Abfindung Griebens sollte in der Weise geschehen, daß er zu Michaelis 1563 in des ver­

storbenen Kaspar Barfuß' Anteil am Dorfe Selchow eingewiesen wurde und zugleich 2038 Taler in bar ausgezahlt erhielt. Auf diese Forderungen hatte Grieben seinen Gläubiger Hohendorf angewiesen, doch hatte der nichts erhalten können. Bredtschneider und Matthias

wandten vor, Grieben habe sich auf andere Weise bezahlt gemacht,

indem er seine Ansprüche bezüglich des Gutes Rosenthal in seine Rech­ nungen ausgenommen habe. Grieben beteuerte wiederholt, er sei weder auf die eine noch die andere Art zu seiner Entschädigung ge­

kommen. Hohendorf hielt sich an seine Bürgen und nötigte sie zum Einlager. Das geschah bereits 1567! Grieben, der damals abwesend war, war nicht wenig erbost, denn er wußte zu gut, wie sehr sein Kredit darunter leiden würde. Er konnte aber nicht nachgeben und

seinen Bürgen beispringen, um das Druckmittel gegen Bredtschneider und Matthias nicht zu verlieren. Auf diese beiden häufte er in seinem

Zorne alle Schuld. Hohendorf zwang indessen seine Bürgen durch Einlager dazu, ihren Anteil aufzubringen, zuletzt Claus von Arnim, der sich mit ihm noch 1579 vor Gericht herumschlug').

Eine

weitere Verpflichtung Griebens

gegenüber

Peter

von

Hohendorf mochte dadurch entstanden sein, daß er 1562 eine Schuld

des Kurfürsten („wegen Bartholomesen Petersdorffen") vom Jahre 1557, für die die Städte Müncheberg und Wriezen gebürgt hatten, mit 2409% Talern einlöste oder doch dem Kurfürsten als eingelöst in *) Merten Grieben, der auch hatte „leisten" und sich dann seines Anteils halber „losen" müssen, bewahrte allein 25 Briefe und 2 Rechnungen Gregor Kulischs, offenbar des Herbergwirtes, „wegen des Leistergeldes". Im Zu­ sammenhang mit der äußerst verwickelten Hohendorfschen Angelegenheit beanspruchte auch ein Wilhelm v. Steinkeller 1500 Tl. Schadenersatz. (Bep. 22 n. 111.)

Rechnung stellte; desgleichen für Jakob von Hohendorf 2400 und 1000 Taler. Mit Christoph von T h ü m e n auf Waltersdorf hatte Joachim

Grieben „lange Ihar her fast große gelthandel"; eines seiner Darlehen gibt er mit 8000 bis 10 000 Talern an. Ein anderes, von Ostern 1568, betrug 4000 Taler, die jährlich mit 1000 abzulösen waren; das geschah

durch die Bürgen, als welche Otto von Schlaberndorf, Bernd von Winterfeld, Andreas Grieben, Jhan Reiche, Hans Meier, Joachim Zerer hafteten, bis 1572. Da Getreide und Pferde eingeschlagen, auch

„Verehrungen" ausbedungen waren, rechnet Grieben die Verzinsung auf 11 bis 12 %; dazu kamen Schadengelder, einmal 600 Taler. Außerdem hatten Thümens Erben noch 1000 Taler zu fordern, die

zu Michaelis 1569 fällig waren und wofür Reiche und Rauch bürgten; diese haben vor Oktober 1570 gezahlt, doch ohne 22 Taler Schadengeld. Ähnliche Geldgeschäfte hatte Grieben mit Christoph von Hacke auf Machnow. Ein etwa 1563 gegebenes Darlehen von 5000 oder 6000 Talern war getilgt; ein anderes von 2000 Talern und 1000 Goldgulden, wofür Otto von Schlaberndorf, Andreas Grieben, Mittelstraß, Reiche und Rauch bürgten, wurde am Fälligkeitstage, zu Dreikönige 1570, jedenfalls nicht eingelöst; einen Posten von 850 Talern hat der eine Bürge, Brösicke (neben Andreas Grieben und Rauch), 1572 allein bezahlt. Auch dabei waren bisweilen Getreide und Pferde eingeschlagen und wurde Zinsoorauszahlung gefordert, so daß dafür auch etwa 11 % zu rechnen waren. Hackes Witwe hat

für eine Verzögerung von wenigen Wochen auf 51 Taler Zinsen

37 Taler Schadengeld aufgeschlagen. Bernd von Winterfeld hat 6000 Taler unter siebenfacher

Bürgschaft gegen 6 % ausgeliehen, doch mußten für Fristverlänge­ rung 1000 Taler zugeschlagen werden. Einer der Bürgen, Kurt von Schlaberndorf, der sich durch die Mitbürgen Andreas Grieben und Jhan Reiche hatte schadlos geloben lassen, ließ diese wegen

weniger Wochen Anstand auf 950 Taler 120 und auf 85 Taler gar

60 Taler Schadengeld zahlen. Bei einem lange stehenden Darlehen Bernd von Bredows auf Flatow von 4000 Goldgulden kam der Zins infolge jährlicher Vorauszahlung und jährlicher Verehrungen auf fast 9 %. Antonius von Greifenberg hatte 3000 ft. und 1000 Taler dargeliehen, die auf etwa 8% % gu stehen kamen; 1570 standen noch

3500 Taler aus.

Die von Erdmann von K l o d t auf Lünow entliehenen 2500 Taler kamen durch „Vorteilgeld" und eingeschlagenes Getreide auf über 10 % Zins; außerdem mußten die Bürgen — Claus von Arnim, Andreas und Merten Grieben, Mittelstraß, Reiche — noch 500 Taler Verehrung mitversichern. Die Abdeckung dieser Schuld war mit langjährigen Streitigkeiten der Bürgen verknüpft. Die Grieben nahestehenden bürgerlichen Gläubiger verfuhren auch nicht glimpflicher. Christoph Rauch ließ sich für 8000 Taler, die er zu fordern hatte, 13% % jährlich verschreiben; da er über­ dies einen Weinberg und eine unsichere Schuld von Balthasar Uhr­ macher in den Betrag eingerechnet hatte, so hätte Grieben nach seinem Geständnis statt dessen lieber 16 bis 17 % gegeben. Hieronymus Tempelhof ließ sich für einen Betrag von etwa 1000 Talern, in dem auch ein unkündbares Guthaben beim Berliner Rat enthalten war, 14 % jährlich geben; die Schuld wurde durch Andreas Grieben eingelöst. Eine Jhan Reiche zu Michaelis 1569 zustehende Schuld von 2500 Talern war 1570 getilgt; desgleichen wurden 545 Taler, die Barthold Schneider nebst 6 Mispel Roggen zu Neujahr 1570 zu fordern hatte, von Andreas Grieben und Jhan Reiche eingelöst. Die Bürgen. Die Schuldenlast Erlebens wurde dadurch noch furchtbarer, daß sie infolge der hohen Zinsen und Schadenersatzansprüche wie eine Lawine von Jahr zu Jahr schneller anschwoll. Die kleine Schar der Bürgen sah sich ihr schutzlos gegenüber, sie mußte den Stoß auf­ fangen und sich mit ins Verderben reißen lassen. Drei Männer hatten vor andern ihre Namen rücksichtslos für Joachim Grieben eingesetzt: sein Vater Andreas und seine Schwäger Jhan Reiche und Christoph Rauch. Sie taten es noch, als bereits alle Hoffnung schwand, und sie haben ihm auch in seiner Not die Treue nicht gebrochen. Außer ihnen hatten sich Claus von Arnim, Hans Mittelstraß und Merten Grieben mit schwerer Bürgschaftspflicht beladen. Von ihnen hat Hans Mittelstraß den Zusammenbruch nicht erlebt. Seine Erben kannten keine Rücksicht, als es galt, sich die letzten Aktiven zu sichern. Ihr Beispiel hat den Sturm der Gläubiger und Bürgen erst richtig entfesselt. Die Freundschaftsbande, die C l a u s v o n A r n i m mit Joachim Grieben verbanden, waren nicht so stark, daß sie eine so schwere Probe

überstanden hätten.

Es ist bereits berichtet worden, daß Grieben

zwar seinen Bater und Jhan Reiche vor den Folgen ihrer Bürgschaft

für das Darlehen des Heine von Brösicke zu schützen wußte, Claus von Arnim aber preisgab. So empfand es dieser wenigstens. Wenn auch die Dinge noch etwas anders lagen, so läßt sich doch nicht

abstreiten, daß Grieben ein gut Teil Schuld am Bruch der Freund­ schaft trug.

Claus von Arnim mochte auch sonst nicht unberechtigten Groll gegen ihn hegen. Grieben hatte sich seine Jugend und Unerfahrenheit in gefährlicher Weise zunutze gemacht. Es wurde ihm nachgesagt, er habe den jungen Arnim an sich gezogen, ihn eingeladen und im Rausch zum Spiel bewogen; das Geld dazu habe er ihm selbst ge­ liehen und sich dafür von Arnim Blankette geben lassen, in die die Schuldsumme erst nach dem Spiel eingetragen wurde. Grieben ist uns bereits aus der Affäre mit dem Falschspieler Grasmus als leidenschaftlicher und waghalsiger Spieler bekannt,

sonst hätte ihm der nicht 700 Taler und obendrein eine Kiste Perlen nebst einer goldenen Kette abnehmen können. Bei dem jungen Arnim hatte Grieben ein auffallendes Glück. Bald beliefen sich dessen Spiel­ schulden auf an die 20 000 Taler. Wenn Grieben — so behauptete

er wenigstens — auch auf annähernd 10 000 Verzicht leistete, so ließ er sich doch von Arnim zwei Schuldurkunden über 8000 und 3000 Taler ausstellen. Trotz Griebens gegenteiliger Behauptungen ist kaum daran zu zweifeln, daß es sich dabei in der Hauptsache um Spielschulden handelte. Für Griebens auffallendes Spielerglück fand Arnim bald eine erstaunliche Erklärung: Als sie wieder einmal, zu­ sammen mit Germanus Roch, beim Spiel saßen, ertappte er Grieben mit einer gezinkten Karte. Germanus Roch nahm sie zuerst an sich,

mußte sie aber auf kurfürstlichen Befehl dem Hofmarschall, den wir bereits als Griebens Widersacher kennen, auf dem Landtag aus­

händigen, der das wichtige Beweisstück in der kurfürstlichen Kanzlei hinterlegte. Leider ist es nicht auf uns gekommen.

Es mag schwer gehalten haben, Grieben wirklich des Falsch­

spiels zu überführen. Arnim gab jedenfalls durch weitere Zins­ zahlung zu erkennen, daß er gegen die Rechtmäßigkeit seiner Schuld nichts einzuwenden wußte. Rach Griebens Zusammenbruch aber brachte er diese alten Geschichten wieder zum Vorschein, auch nahm er sonst keine Rücksicht mehr, belangte ihn in seiner Haft in Jüterbog und Leipzig, prozessierte gegen ihn vor dem kursächsischen Hofgericht

usw. Dabei nahm sich seiner eine ausgedehnte adlige Verwandtschaft

— auch der Stettiner Kaufherr Hans Loitz — wärmstens an. Im Dezember des Jahre 1570 kam es zu einer dreitägigen Verhand­

lung zwischen Grieben und Arnim unter Vorsitz des Kanzlers Distelmeier. Es wurde befunden, daß Arnim für 126 000 Gulden Kapital Bürgschaft übernommen hatte. Grieben vermochte nachzuweisen, daß

beträchtliche Summen bereits wieder eingelöst seien. Er behauptete,

Arnims Haftpflicht als Bürge mache insgesamt nicht mehr aus, als er ihm schulde, denn von den beiden Schuldverschreibungen waren seit längerer Zeit keine Zinsen mehr gezahlt worden. Auf Arnims

Angebot, er wolle ihm genügend gesicherte Schuldverschreibungen in Höhe von 12 000 bis 13 000 Talern ausstellen, dafür aber von der Bürgschaftspflicht befreit sein und das Gut Mürow zurückerhalten, ließ sich Grieben nicht ein. Er müsse erst mit dem Kurfürsten ver­

glichen sein; vorher könne er gar nichts versprechen. Das weitere Schicksal der Obligation über die 8000 Taler wurde bei Gelegenheit der Forderung Brösickes geschildert. Auch die zweite Schuldurkunde über 3000 Taler hatte Grieben dem Brösicke aus­ gehändigt, jedoch, wie er mehrfach betonte, nicht verpfändet. Trotz­ dem klagte Brösicke die Summe ein. Der Prozeß zog sich durch In­ stanzen und Vergleichsversuche nachweislich bis zum Jahre 1593 hin. Arnim mußte trotz seines Sträubens für die auf 4000 Taler auf­

gelaufene Forderung aufkommen. Weit schwerer als Claus von Arnim wurde Griebens Vater, der

in Ehren ergraute Cöllner Bürgermeister Andreas Grieben von dem Unglück des Sohnes betroffen. Andreas hat sich für diesen in einem Maße eingesetzt, das seinen Vatergefühlen alle Ehre macht:

soweit sich die Bürgschaften erkennen lassen, ist er bei sämtlichen be­ teiligt. Während Andreas vor Beginn der Laufbahn seines Sohnes noch stattliche Beträge zinstragend anlegen konnte'), wurde 15 bis 20 Jahre später seine völlige Zahlungsunfähigkeit vor Gericht als

bekannt vorausgesetzt, wenn es galt, die Anteile der Bürgen festzu­ stellen. Viele Jahre später erzählte man sich, er habe fünfzigtausend Taler wegen seines Sohnes zahlen müssen und deswegen seine sämtlichen Lehn- und Erbgüter verloren. Am meisten verbittert waren er und sein Sohn, daß es nahe Verwandte — die Mittel­ straß'scheu Erben — waren, die ihn seiner Güter entsetzten. Diese

*) Rem. 1554 den Städten Brandenburg und Berlin-Cölln 1200 Tl. zu 6 % geliehen. Stände-A. III 82.

haben die gerichtliche Einweisung in alle Güter Andreas Grieben»

im Frühjahr 1571 erlangt. Sofort meldete sich protestierend ein Mit­ bürge von Andreas, Dietrich von Rochow, der sich von ihm eine Schadlosbürgschast hatte erteilen lassen und daraufhin 7500 Taler Hauptsumme und 6500 Taler Schadengeld als liquidierte und bekannte

Schuld, ohne die weiterhin erwachsenen Interessen und Schäden, forderte*2). Andreas ist in der Zeit der Gefangennahme seines Sohnes gleichfalls mit Hausarrest bedacht worden, und erst auf seine Bitten

hat der Kurfürst „solche Ungnade gelindert" und ihm erlaubt, seiner „Notdurft und Gelegenheit nach wieder aus und einzuziehen" und seiner „Nahrung zu warten"2). Dies alles, die Schmach, der Zu­ sammenbruch und die Not und das Elend seines Sohnes haben Andreas Grieben einen traurigen Lebensabend bereitet. Es konnte für ihn nur eine Erlösung bedeuten, als ihn am 9. August des Jahres 1573 „Gott der Allmechtige zu sich in sein Reich gnedigst"

abforderte und aller weiteren Mühsal überhob. Einen völligen Vermögenszusammenbruch erfuhr auch Andreas' Bruder Merten, allerdings nicht nur infolge seiner Bürgschaften für den Neffen, sondern auch durch eigene unglückliche Geldgeschäfte. Er hat nämlich gleichfalls für den Kurfürsten 1564 im Sommer 8500 und im Herbst 3500 Taler aufgebracht. Mit Zinsen und

Schadegeld (2200 Taler), das er anderen darauf hatte geben müssen, sowie zwei kleineren Forderungen machte das im Sommer 1571 über 20 000 Taler; er mußte sich aber mit 10 840 Taler bei der Landschaft

zufrieden geben, die er sogleich zur Abfindung zweier Gläubiger,

namentlich der Mittelstraß, verwandte'). Wegen seiner Haftung für den Neffen hat Merten sich von diesem allerlei Schuldverschreibungen zedieren lassen und versuchte darauf 1578 und 1579 Zahlungen zu

erlangen. Auf seine wiederholten Suppliken befahl endlich Kurfürst Johann Georg seinen Räten, sie sollten die bei Merten befindlichen kurfürstlichen Schuldtitel auslösen, um des Bittstellers ferneren Schaden und „vorstehende äußerste Not" zu verhüten2). Als Merten

nach vielerlei Streitigkeiten mit Gläubigern und Mitbürgen starb, legte Panthel Thum zu Falkenberg auf seine ganze Berlassenschast

*) 2.4.1571; Klage „wegen Nichthaltung" war seit etwa 2% Jahren erhoben (Bep. 97 I 19). 2) Undatiertes Bittschreiben Andr. Griebens an den Kurf. Bsp. 61. 29 c II. 'i Stände-A. B 1. 8, S. 235. *) 13.12.1579. Bep. 21. 127 a 1 I fol. 304.

Arrest'). Die Hinterlassenschaft war aber derart mit Schulden über»

lastet, daß Mertens einzige Tochter es vorzog, das väterliche Erbe gor

nicht anzutreten'). Wie die beiden Trieben, so hatten auch Jhan Reiche und

Christoph Rauch zeit ihres Lebens nur noch Widerwärtigkeiten zu bestehen. Die beiden hatten eine ganze Reihe von Schadlosversiche­ rungen Griebens in Händen; von einigem Wert erwiesen sich jedoch nur die realen Pfänder, z. B. die Christoph Rauch am 14. April 1568 übergebene kurfürstliche Schuldverschreibung über 20000 Taler und

die ihm am gleichen Tage beurkundete Zession der Hälfte des Griebenschen Boisalzmonopols. Rauch war nicht nur als Bürge, sondern auch als Gläubiger Griebens zu Schaden gekommen, und dieser mußte ihm, wenn auch ungern, zu Michaelis 1569 das Recht zugestehen, 300 Last Boisalz auf Grund der lüneburgischen Privilegien zollfrei elbauf zu schiften. Die betreffenden herzoglichen Urkunden

aber hat Grieben am 15. November 1569 Jhan Reiche als Pfand aus­ gehändigt, ohne ihm deshalb das Recht der Boifalzschiffahrt damit zu übertragen.

Bedrohlich wurde die Lage für Reiche und Rauch, als die Erben Jakob Griebens gegen sie am 3. September 1571 die

Kummerklage beim Kammergericht erhoben und damit Erfolg hatten'). Der über die sämtlichen Güter der beiden verhängte Arrest konnte erst nach anderthalb Jahren wieder beseitigt werden. Das war

nicht zuletzt den Anstrengungen Joachim Griebens zu verdanken, der sich seiner Bürgen nach Kräften annahm. Deren Lage war dadurch nicht entscheidend gebessert, denn zu Neujahr 1573 war die erste Rate der 1568 verschriebenen Schuld von 24 286 Talern fällig, nämlich

9196 Taler. Gegen diese Forderung vermochte Grieben seine Bürgen nicht zu schützen, obschon er sich die erdenklichste Mühe gab. Er ver­ langte, daß man einen Verhandlungstag ansetze, auf dem er mit den Leipziger Bettern abrechnen könne, und zwar nach denselben Grund­ sätzen, die ihm gegenüber von kurfürstlicher Seite zur Anwendung gebracht worden waren. Trotzdem mußten Reiche und Rauch ein kurfürstliches Schreiben hinnehmen, das Griebens Einwände al-

nichtig bezeichnete und sie mahnte, den Verpflichtungen ihrer Bürg') 3.12.1582. Bep. 97 I 28. ’) Erklärung Mittw. n. Okuli 1596, mit Hinzufügung, sie sei auch wegen ihres mütterlichen Erbes auf 1400 Tl. noch nicht kontentiert. Bep. 97 I 40. •) R-A. Leipzig a. a. O., Dol. VI.

schäft nachzukommen. Sie wendeten ein: Da nun einmal die Wucher­

zinsen so streng verpönt seien und man ihrem Prinzipal nur 6 % zugebilligt habe, müßten sich auch die Jakob Griebenschen Erben

eine neue Berechnung gefallen lassen. Außerdem habe der Kurfürst Zahlungen an sie, die Leipziger, auf Ansuchen von Georg Eckard verboten; sie müßten also zuerst diesen zufriedenstellen. Der vor dem Kammergericht in mehreren Verhandlungs­ terminen geführte Streit fand am 28. Juli 1573 einen vorläufigen Abschluß. Joachim Grieben versuchte zuerst die Rechtskräftigkeit des

Vertrages vom Neujahrsmarkt 1568 anzufechten, indem er behauptete,

er sei ihm durch Drohung mit Gefängnis abgenötigt worden. Des

weiteren legte er eine Berechnung auf Grundlage ermäßigter Zins­ sätze von 6 % vor, derzufolge nicht er den Griebenschen Erben, sondern sie ihm, und zwar etwa 40 000 Taler (1) schuldeten. Der Spruch des Gerichts bedeutete keine klare Entscheidung: er legte den Bürgen auf, bis Michaelis die fälligen 9196 Taler zu zahlen oder den Beweis zu erbringen, daß Joachim Grieben seinen Vettern nichts mehr schuldig sei. Diesem Beweise sollte wohl die Klageschrift Joachim Griebens

dienen, die der Kurfürst am 27. September 1573 den Erben Jakobs zur Gegenäußerung zustellen ließ. Vom weiteren Verlauf des Pro­

zesses ist nur soviel bekannt, daß noch im November 1583 eine

Appellationsklage der Rauchschen Erben und des Kurators

der

Reicheschen Verlassenschaft wider die Grieben den Geheimen Räten

zugeschrieben rourbe1). Jhan Reiche war ohnehin schon gezwungen, da seine Barmittel

bei weitem nicht reichten, außer seinen Erbgütern auch seinen Anteil

am Lehngut Rosenfelde für 3300 Taler zu veräußern. Sein Erbe Henning Reiche wußte später zu berichten, daß seine Familie wegen

der Griebenschen Bürgschaft auch die Dörfer Kolberg und KleinEichholz eingebüht habe. Im Mai 1570 berechnete Jhan Reiche, daß

ihm seine Bürgschaft bereits 1995 Taler gekostet habe. Seine Auf­ stellung ’) läßt gut erkennen, was ein Griebenscher Bürge auszustehen hatte.

Der genannte Betrag setzt sich hauptsächlich zusammen aus

anteiligen Zinszahlungen, die Reiche an Bredow, Greifenberg, Hacke, Kloth, Winterfeld, für Zins und Tilgung an Schlaberndorf und

Thümen vom Sommer 1568 bis Ostern 1570 entrichtet hatte. Dazu

Oep. 21. 127 a 1 II fol.134. ») Bep. 61. 29 c II. 192

kamen kleinere Beträge an Schaden- und Anstandsgeldern, Aufbringungs- und Zehrungskosten, einmal auch für Auslösung aus der Herberge (Bernd von Bredow 8 $4 Taler). Ferner mußte Reiche einmal (1569) 4 Wochen und im Ostermarkt 1570 3% Wochen Griebens wegen zu Leipzig in der Herberge liegen, was er mit 27% bzw. 37 % Taler berechnete; dazu kamen 15 X Taler für Rechtsgebühreu und Botenlohn und bis Michaelis 1569 über 250 Taler für Umherreisen in den Bürgschaftssachen, nach Berlin, Hamburg und zweimal nach Schwerin. „Ungerechnet die viele Versäumnis in der Hausnahrung, Sorgen und Mühen, die ehrenverletzliche Worte und Schreiben, damit ich angegriffen worden. Setze dafür die 2 Jahr über 300 Taler" {über die 1995 Taler). Es sollte aber noch viel schlimmer kommen, denn das war noch vor den schwersten Schlägen. Bis 1574 hat Reiche schon 14 000 Taler erlegen müssen. Im ganzen hatte er (zusammen mit andern Bürgen) für 77 050 Taler gut gesagt.

Neuer Salzhandelsoersuch. Nicht viel anders als Jhan Reiche erging es Christoph Rauch. Auch er wurde über Griebens Bankrott zahlungsunfähig, und 1572 konnte Heine Brösicke selbst mit Androhung von Gefängnis nichts mehr aus chm herauspressen. Als er im Frühjahr 1575 starb, hat er „sein Erbe und Lehngüter mit Schulden beschwert verlassen". Da feine Erben das „beneficium inventarii" in Anspruch nahmen, ist schon daraus als sicher anzunehmen, daß die Gläubiger, zumal die Leipziger Grieben, keineswegs voll befriedigt wurden. Ein Versuch Rauchs, das ihm von Joachim Grieben eingeräumte Recht zollfreier Boifchiffahrt auf der Elbe nutzbar zu machen, scheint nicht über ein an die Herzöge von Lüneburg gerichtetes Ansuchen, ihn mit seinem Salz passieren zu lassen, hinaus gediehen zu sein. Hingegen machte sich Reiche mit allem Nachdruck ans Werk, den Boisalzhandel wieder in Schwung zu bringen. Am 4. Oktober 1573 unterbreitete er Grieben ein weitausschauendes Projekt, wie man sich helfen könne. Eine Weiterverpfändung der Privilegien kam nicht in Betracht, da Reiche die Zinsen für eine Anleihe nicht mehr aufzubringen imstande war. Auch ein Verkauf schien keinen Nutzen zu versprechen, zudem war dann alle Hoffnung auf eine bessere Zukunft verloren. Reiche schlug deshalb vor, den Versuch zu machen, vom Kurfürsten die Er­ laubnis zur Wiederaufnahme der Boisalzeinfuhr zu erwirken. Dafür sollte ihm eine gewisse jährliche Abgabe geleistet werden. Um das 13

Großkaufleute 1

193

zum Betrieb erforderliche Kapital in Höhe von 1200 Talern aufzu­ bringen, wollte er eine Gesellschaft bilden, die als Verzinsung 2 Taler von jeder Last erhalten sollte.

Joachim Grieben war im Gefängnis um so leichter dazu zu bewegen, dem Plan zuzustimmen, als Jhan Reiche ihm einredete,

von dem zu erwartenden Überschuß könne Griebens Ehefrau erhalten und ihm selbst womöglich geholfen werden. Er arbeitete sofort das Projekt weiter aus und stellte eingehende Rentabilitätsberechnungen

auf.

Die Lage hatte sich inzwischen dadurch ungünstig verändert,

daß Reiche in äußerster Rot das Privileg für 12 000 Taler verpfändet

hatte. Die Gesellschafter hatten dementsprechend 16 000 Taler aufzu­ bringen, wovon 12 000 für die Wiedereinlösung und 4000 für den Wiederaufbau der Salzkoktur und die Betriebskosten vorgesehen waren. Die Berechnungen sind deshalb interessant, weil sie Rück­ schlüsse auf die Verhältnisse der nun bereits fast 10 Jahre zurück­ liegenden ersten Versuche Griebens gestatten. In einer ersten Auf­

stellung wird der Preis für eine Last grobes Salz in Hamburg mit 20, die dazu kommenden Unkosten (Fracht, Zölle, Holz, Lohn) mit 7,

die kurfürstliche Abgabe mit 3 Talern angegeben, so daß eine Last auf insgesamt 30 Taler zu stehen käme. Davon können mindestens 14 Tonnen zu 2^ Taler gesotten werden, das macht 35 Taler pro

Last und ergibt einen Überschuß von 5 Talern; bei 500 Last würde der Gewinn 2500 Taler betragen.

Eine andere Berechnung geht von der Siedepfanne aus. Eine Pfanne leistet 1% Last pro Woche, das sind 65 Last grobes Salz int Jahr, wofür die Kosten mit 1430 Talern berechnet werden. Aus 65 Last Boisalz können 975 Lüneburger Tonnen gesotten werden. Diese erbringen, bei 2% Taler je Tonne, zusammen 2435 Taler. Es er­

gibt sich also pro Pfanne im Jahr ein Überschuß von 1005 Talern. Bei

8 Pfannen, die in Betrieb gesetzt werden sollen, würde der Ertrag 8040 Taler ausmachen bei einem Kapital von 16 000 Talern. Doch

sind die Berechnungen offenbar ungenau. Bei der zweiten sind unter den Unkosten die Zölle, die Fracht und die Abgabe an den Kurfürsten nicht veranschlagt; nur so kommt ein Jahresüberschuß von 50 % zustande.

Grieben hatte seine Zusage an die Bedingung geknüpft, daß der Kurfürst seine Einwilligung erteile. Es ist sehr fraglich, ob das ge­ schehen ist, noch fraglicher, ob die Gesellschafter das Kapital aufzu­

bringen imstande waren. Als Reiche am 16. Juni 1574 die Lüne-

burger Herzöge ersuchte, sie möchten auf Griebens Privileg 50 Last

Boi vorüberlassen, scheint er bereits auf eigene Faust gehandelt zu haben. Die Herzöge, an die das gleiche Ersuchen von zwei Seiten, von Rauch und Reiche gelangt war, ließen in Berlin Erkundigungen ein­ ziehen. Grieben wurde zu diesem Zweck im kurfürstlichen Schloß („im Gemach am untersten Sahl legen der Bahne roert"1) in Gegenwart

des Oberhofmeisters Christoph Sparre und des Kanzlers Distelmeier vernommen-). Während er Rauchs Gesuch als gerechtfertigt erklärte, nahm er gegen Reiches Vorhaben Stellung. Er habe ihm zwar das Privileg als Unterpfand eingesetzt, damit aber nicht das Recht der Boifchiffahrt abgetreten, überhaupt „gienge Jhan Reiche felzam hinder ihme her". Zu allem Überfluß erhoben die beiden kurfürstlichen Räte Einspruch gegen die Boifchiffahrt, da nach dem alten Privileg

dem Kurfürsten zwei Drittel des Gewinns Zuständen. Reiche sollte wider Erwarten auf eine andere Weise entschädigt werden. Der Kaiser bemühte sich schon seit 1563 um Freigabe der

für feine böhmischen Lande wichtigen Schiffahrt die Elbe aufwärts, wobei es im besonderen auf das Boisalz abgesehen war. Die Herzöge von Lüneburg waren nach ihrem Vertrag mit Grieben verpflichtet, bei 5000 rheinischen Goldgulden Pön keine weitere Boifchiffahrt auf der Elbe zuzulassen; sie schlugen deshalb die Forderungen auf Öffnung

der Elbe anfangs ab. Nachdem aber 1571 Hamburg freie Schiffahrt für das kaiserliche Salz zugestanden hatte, erklärten sich auch die

Herzöge gegen Auslösung des Griebenschen Privilegs und ein dazu nötiges Darlehen von 5000 Gulden bereit, die Schiffahrt dem Kaiser zu gestatten. Es wurde dann auch die Zusage des brandenburgischen

Kurfürsten, die Boischiffmtg erlauben zu wollen, erreicht. Mit den Herzögen von Lüneburg wurde am 7. März 1572 zu Celle vereinbart, daß sie die Elbschiffahrt gegen eine Verdoppelung

ihrer Zölle in Schnackenburg und Bleckede freigeben wollten. Was die Boifchiffahrt betraf, sollte der Kaiser erkennen und den Herzögen dafür bürgen, daß das Griebensche Privileg gegen ihn als supremum

principem nicht gelten könne, und deshalb das Vorgehen der Herzöge

nicht der Pön unterliege. Zehntausend Gulden sollte dann der Kaiser an Grieben zahlen, wovon die Hälfte von den Herzögen in einem Jahr zurückerstattet werden sollte. Vertragsgemäß suchte nun der Kaiser Grieben abzufinden. Der aber glaubte wohl, seine alte Politik trage

*) d. h. nach der Stechbahn zu. a) 26.8.1574. Rep. 19. 17 a fol. 46. 13*

195

jetzt endlich die ersehnten Früchte und er könne die schlesische Salz­

versorgung durch Abdrosselung der Zufuhr in seine Hand bekommen. Er zeigte sich dem Werben der kaiserlichen Gesandten gegenüber von

einer Hartnäckigkeit, die im gröbsten Mißverhältnis zu seiner Lage stand. Helfen konnte ihm sein Verhalten nichts, da die Herzöge infolge der Auslegung des Kaisers dessen Boischiffahrt nicht hinderten. Sie schickten einen Gesandten nach Berlin, der den Fall dem Kurfürsten, unterbreiten und, wenn Grieben die 10000 Gulden wieder nicht

nehmen würde, das Geld mit Protest beim Berliner Rat deponieren

sollte. Inzwischen hatte der Kaiser nach langen Verhandlungen auch mit dem brandenburgischen Kurfürsten eine Einigung über die Zölle für

die Boischiffahrt durch die Mark erzielt. Bis zum Jahre 1574 hatte sich infolge der zahlreichen Widerstände die Öffnung der Elbe ver­ zögert. Jetzt sollte auch das letzte Hindernis, das Griebenfche Privileg, aus dem Wege geschafft werden. Die Kaiserliche Kammer hatte fest­ zustellen vermocht, daß nicht Grieben, sondern Reiche derzeitiger

Inhaber des Privilegs war. Mit ihm wurde sie handelseinig, und

er nahm auch die Anzahlung von 5545 Tl. an, obschon er selbst nicht mehr im Besitz der Urkunde war. Darüber starb er wie auch der letzte Inhaber der Urkunde. Beider Erben verweigerten die Rückgabe der

von der schlesischen Kammer geleisteten Anzahlung. Als sich der Kaiser deshalb an den Kurfürsten wandte und bat,

ihn aus Reiches Nachlaß zu entschädigen, wurde ihm mitgeteilt, daß

Reiche viele große Schulden hinterlassen habe, daß seine Witwe aus der Masse ihr eingebrachtes Ehegeld fordere, und seine Mutter noch ansehnliche Ansprüche habe. Dem Kaiser konnte nur anheimgestellt werden, auf die durch Inventar nachgewiesene geringe Erbschaft

Kummerklage zu erhebens.

Ende Joachim Griebens und Schicksal der Familie.

Es ist zu bewundern, daß Joachim Grieben trotz seiner tausend­

fachen seelischen und körperlichen Not — er war in Halsband und Ketten geschmiedet — nicht zusammenbrach. Er wurde nicht müde, den Kurfürsten um Erleichterung seiner Lage zu bestürmen, er bot *) Schreiben des Kaisers vom 14.1., des Kurf, vom 10.3.1581. Bep. IS. 17 a, fol. 90, 94.

Bürgen*) und alle erdenklichen Sicherheiten, wenn es ihm vergönnt

würde, aus der Haft die Kirche zu besuchen und mit seinen Schuldnern und Gläubigern in der Stadt zu verhandeln. Er wandte sich mit Weib und Kindern flehentlich an die Kurfürstin, bei ihrem Gatten ein gutes Wort für ihn einzulegen. Als alles nichts half, da bat er, daß man ihn doch wenigstens mit dem Halsband verschonen und seinen Diener, wenn nicht zu ihm herein, so doch ans Gitter seines Gefängnisses treten lasse, daß er mit ihm reden könne. Der lange verhaltene Groll gegen Jakob Grieben kam zum Aus­

bruch, als dessen Erben gegen seine Bürgen Reiche und Rauch ge­

richtlich vorgingen. Sein noch immer reger und phantasiebegabter Geist gab ihm einen Plan ein, der für Grieben das denkbar schlech­ teste Zeugnis ablegen würde, wollte man seine überaus erbärmliche Lage vergessen. Mit der so oft erprobten Geheimniskrämerei machte

er sich über den Hausvogt an den Kurfürsten heran. Er habe ihm ein

Projekt zu unterbreiten, mit dem er 150 000 Taler verdienen könne, doch lasse es sich nur mündlich und vertraulich mitteilen. Grieben hatte indessen nicht sich durch das sich Grieben bringen, doch

mehr Joachim II. vor sich: Kurfürst Johann Georg lieh

Geheimtun nicht verlocken. Nach langem Berhandeln lieh schließlich dazu herbei, seinen Vorschlag zu Papier zu mußte sich der vermittelnde Hausvogt dafür verbürgen,

daß er die Niederschrift Grieben wieder zustellen würde. Auch hatte der Kurfürst strenge Geheimhaltung zugesagt oder doch zusagen sollen.

Daraufhin trug Joachim Grieben über seinen verstorbenen

Oheim und seine Neffen alles Böse und Schlechte zusammen, was er

von ihnen wußte oder zu wissen vorgab. Es wurde ihnen nichts ge­ spart. Nachdem er geschildert hatte, wie sie sich gegen ihn vergangen, führte er allerlei Missetaten gegen den Kurfürsten auf. So sollten sie gute Münze in seinen Landen aufgekauft und ausgeführt haben

u. a. m. Deshalb fei der Kurfürst im Recht, wenn er sie persönlich ver­ haften lasse und ihre Güter konfisziere. Dieser niederträchtige Vorschlag hat Grieben die letzten Sym­ pathien am Hofe gekostet. Er bekam zwar seine Aufzeichnung zurück,

aber erst, nachdem der Kurfürst eine notarielle Abschrift hatte nehmen lassen. Er gab sich auch nicht die geringste Mühe, die Sache geheim­ zuhalten. Bald war sie Stadtgespräch. Und die Abschrift, die sich von *) Er führt einmal 27 Personen namentlich an, aus denen 8 als Bürgen «usgewählt werden könnten, und nennt dabei sogar den ihm doch wahrlich nicht gewogenen Thomas Matthias.

dem verleumderischen Schreiben unter den Papieren der Leipziger

Grieben noch heute findet, zeigt zur Genüge, welchen Verlauf die Dinge nahmen. Nicht zu unrecht hatte einer der kurfürstlichen Räte Grieben prophezeit, daß ihm diese Handlungsweise großes Unheil bringen

würde. Die Wirkung mußte auch ihm klar werden, und so werden seine Bittgesuche seltener und immer demütiger und hoffnungsloser. Ohne Aussicht, je wieder befreit zu werden, wagte Grieben einen letzten, verzweifelten Schritt. Seit einiger Zeit hatte sein inzwischen herangewachsener gleichnamiger Sohn Zutritt zu ihm. Mit ihm ar­

beitete er einen Fluchtplan aus. Der junge Grieben vermochte Waffen, Feilen und andere Instrumente dem Vater zuzuführen, und er hatte ihn auch bereits von den Ketten befreit und mit ihm zusammen den Fußboden des Gefängnisses aufgehoben, um auf diesem Wege zu ent­ fliehen; als sie überrascht wurden, sollen sie den Wärter angefallen und fast ermordet haben. Die Folge davon war, daß nicht nur der

Vater, sondern auch der Sohn in sicheres Gewahrsam nach Küstrin überführt und beide dort in besonders strenge Haft genommen wur­ den. Joachim Grieben hat dieses Unglück nicht mehr lange über­ standen: er hat sich in der Christnacht desselben Jahres (1576) im

Turm zu Küstrin erhängt*).

So hat dieser Mann nach einem an Unruhe, Aufregungen und Sorgen ungewöhnlich reichen Leben, nach wahrhaft dramatischen Schicksalsschlägen ein tragisches, in seinen Einzelheiten erschütterndes

Ende gefunden. Im besten Mannesalter wurde er bereits aus der

Bahn gerissen, und hat dann den Quakn, die eine siebenjährige Ge­ fangenschaft, die aussichtslosen Kämpfe wider übermächtiges Miß­

geschick und der Rückblick auf ein früh verfehltes Leben verursachten,

selbst ein Ende bereitet. Es war ein Schritt, der dem frommen Sinn älterer Zeiten so anstößig war, daß er nur in sehr seltenen Fällen unternommen wurde und nur höchste seelische Zerrüttung ihn erklär­ lich macht. Warum es dahin kam und warum hochfliegende Pläne und

rastlose Tätigkeit in so entsetzlichem Mißerfolg ihren Abschluß fanden, das ist nicht nur durch äußere Unglücksfälle, durch Unzuverlässigkeit *) Dieser Ausgang ©Hebens ist bezeugt durch ein kurf. Schreiben an den Kurf. v. Sachsen vom 28.11.1578 und eine Eingabe der Griebenschen Vormünder von 1584, beide in Rep. 61. 29 c II. Die auch von Brecht über­ nommene irrige Angabe Leuthingers, er habe sich bereits 1571 erhängt, ist danach zu berichtigen.

und Schlechtigkeit anderer zu erklären, wie Grieben selbst immer ver­ sicherte und jedenfalls auch fest glaubte. Es lag vielmehr zum guten Teil an ihm selbst. Grieben besah sicherlich kaufmännische Fähig­ keiten, aber sie standen doch wohl nicht im Einklang mit seinem un­ bändigen Ehrgeiz und Streben. Es fällt zudem auf, daß er für einen Geschäftsmann öfters wenig Augenmaß und Blickschärfe für Tatsachen und Umstände zeigte, was ihn leicht zu unbegründetem und verhäng­ nisvollem Optimismus verleitete und ihn in der Wahl der Mittel auf­ fällig fehlgreifen ließ. Daher kam es, daß er durch Maßlosigkeit und unangebrachten Starrsinn sich immer wieder selbst schädigte, daß er etwaige günstige Möglichkeiten durch übertriebene Forderungen zer­ schlug, daß er durch arg überspannte, ja geradezu unsinnige Ansprüche und persönliche Ausfälle seine Sache mit dem Kurfürsten gründlich verdarb. So kann man wohl sagen, daß Grieben selbst sein schlimmster Feind gewesen ist. Da er viele andere in sein Verderben mitriß, so haftet an ihm der Ruf des übelsten Spekulanten und Bankerottierers, den das Land heroorgebracht hat. Er war immerhin nicht schlechter, wenn auch nicht besser als andere Kaufleute seiner Zeit. Auch lassen die argen Nöte, in denen er sich fast ständig, durch anderer und eigene Schuld, befand, manches Unschöne in seiner Handlungsweise milder beurteilen, und man wird die Buße, die ihm das Schicksal auferlegt hat, als übermäßig hart empfinden.

Sein Sohn mußte die acht besten Jahre seines Lebens im Ge­ fängnis zu Küstrin verbringen, bis es seinen Verwandten gelang, eine Milderung seines traurigen Loses zu erwirken. Das Bewußt­ sein, an dem tragischen Ausgang nicht ganz unschuldig zu sein, mag den Kurfürsten und seine Räte bewogen haben, eine mit ihrem bis­ herigen Verhalten in scharfem Widerspruch stehende Milde walten zu lassen. Am 25. März 1584 erhielt die Witwe vom Kurfürsten ein Privileg, wonach sie selbst die Forderungen ihres Gatten eintreiben konnte — zu diesem Zweck wurden ihr dessen Papiere ausgehändigt —, selbst aber für seine Schulden nicht zu haften brauchte. Obendrein wurden ihr 10 000 Taler bei der Landschaft angewiesen und den Töchtern eine Aussteuer von je 1000 Talern in Aussicht gestellt. Auch der junge Joachim Grieben sollte die Veränderung bald zu spüren bekommen. Am 17. April 1584 hatte sich in der Hoffnung auf eine glückliche Wendung der Kammermeister Stoer von Küstrin aus für ihn beim Kanzler Distelmeier verwandt, „damit der arme Gesell wo nicht weiter, doch nur alleine aus den Eisenbanden erlediget würde".

Er legte es dem Kanzler ans Herz, alles zu tun, „das dem armen jungen Blut einmahl mochte geholfen werden". Am 24. Mai erging bereits die Weisung an den Kammermeister, den jungen Grieben der

Haft zu entledigen und bei der neumärkischen Kammer als Gehilfen

einzustellen, wenn er sich verpflichte, Küstrin ohne Erlaubnis nicht zu verlassen. Die Vormünder der Witwe und des jungen Joachim mußten

sich in einem besonderen Revers, dessen Formulierung sich der Kanzler selbst angelegen sein ließ, für ihre Mündel verpflichten. Auch wurde nicht versäumt, die Witwe mit Fleiß nach ihrer Wissenschaft von den Geschäften ihres Mannes zu befragen.

Auf die Familie Joachim Griebens ist durch seinen unheilvollen und schmählichen Ausgang kein Makel gefallen. Seine jüngeren

Geschwister und seine Kinder haben Heiraten gemacht, die sie durch­ aus noch als Angehörige des gehobenen Bürgerstandes erkennen lassen. Und wenn auch der frühere Wohlstand dahin war, so hat man doch offenbar zu verhüten verstanden, daß sie an den Bettelstab ge­ raten sind; vermutlich ist für Sicherstellung mütterlichen Vermögens

gesorgt worden. Es wird schließlich zu betrachten sein, wie weit durch den Zu­

sammenbruch der Berliner Grieben das liegende Vermögen

der

Familie betroffen wurde. Joachim selbst war an diesem kaum be­ teiligt, solange sein Vater lebte; er hat aber auch die von ihm er­ worbenen Besitzungen in Schmöckwitz und Bohnsdorf, wie schon ver­ merkt, 1567 eingebüßt und war seitdem „unbesessen", „vagabundus". Sein Vater und sein Oheim Martin aber konnten ihre Besitzteile auch nicht halten. Martin muh schon 1565 die Mahlsdorfsche Mühle an den Kurfürsten, für 500 Taler im Biergeld, verkauft haben; im November 1568 wird ein Einschreiten der Leipziger Söhne Jakobs gegen Martin

„verkaufter Lehen und Burggüter halben" vermerkt. Martin hat dann (1571) seinen Anteil an Mahlsdorf an Jakobs zweiten Sohn Andreas verkauft, und bis 1574 hat dieser auch die Anteile Bastians

und des älteren Andreas — letzteren von den Gebrüdern Mittelstraß — erworben, so daß er allein % und mit seinen Brüdern zusammen das restliche yt besaß. Andreas d. I. hat bis 1583 in Mahlsdorf als

Guts-, Gerichts- und Ki^chenherr Haus gehalten und ist dann nach Jüterbog, später nach Schlieben verzogen. Mahlsdorf ist zu Ostern 1583 an den Kanzler Distelmeier verkauft worden. Im Anfang des 17. Jahrhunderts besaß Distelmeiers Schwiegersohn, der Rat Gott­

fried v. Kötteritz, den ganzen Ort. Was aus den übrigen Besitzungen

und namentlich aus dem Familienhause und Burglehen in Berlin geworden ist, hat sich nicht ermitteln lassen. Noch 1583 hatten übrigens 4 Berliner und Leipziger Grieben das vorher Thümensche Gut in Blankenburg?) Das Leipziger Haus Grieben ist weiterhin in Geschäftsverbindung mit dem brandenburgischen Kurfürsten geblieben, durch beträchtliche Waren- und Weinlieferungen, deren Begleichung sich bis 1602 ver­ folgen läßt. Jakob d. I., der Chef des Hauses, schon seit 1571 im Leipziger Rat, wurde 1598 Bürgermeister und starb als hochange­ sehener und reicher 3Rann*2) 1601. Nachfahren der Berliner Grieben dürften wohl sein: Andreas Grieben, der 1659 als Bürger und Gast­ wirt in Berlin und als gerichtlicher Vertreter eines Herrn v. Barde­ leben, und Johann Grieben, der 1661 als Advokat beim Kammer­ gericht erwähnt wird?)

*Tr. 97

I 29. 2) Er besaß 3 Häuser in Leipzig und eins in Frankfurt a. d. O. -) R. 97 I 146, 149.

Die «Lindholz Bald nach Joachim Grieben trat auch ein anderer Sohn der

Stadt, Andreas Lindholz, in Beziehung zum Kurfürsten, um in

ähnlicher Weife wie jener durch große Geschäfte mit dem Hofe reich zu

werden. Auch e r ist dabei gescheitert. Die Lindholz sind einfach bürgerlicher Herkunft; ihrer

zwei

werden bald nach 1450 als Berliner Bürger genannt. Recht erkenn­ bar aber ist erst im Anfang des 16. Jahrhunderts Peter Lindholz, «in wohlhabender und angesehener Mann und lange Zeit (1512

bis 1536) Bürgermeister in Cölln; er besaß da mehrere Häuser sowie Güter in Buckow und Rudow und kaufte 1518 jährliche Pachte von

je 18 Mispel Roggen und Hafer in Teltow. Diese kurfürstlichen Lehen trat er 1536 seinem Sohne Peter und dessen Vetter Bartholomäus

ab, die dafür 1542 die kurfürstliche Belehnung erhielten2). Ein anderer Lindholz, Andreas in Berlin, dagegen ist im Anfang 1519 mit un­ gewöhnlich vielen und hohen Schulden, die einen Ansturm der Gläu­ biger auf seinen Nachlaß verursachten, gestorben2). Peter der Jüngere in Cölln war wohl gelernter Kaufmann, denn er wird als Kauf- und Handelsmann bezeichnet, was bei den handeltreibenden Patriziern nie geschieht; er erscheint in den 40er Jahren nebst seinem Better

Bartholomäus als Geschäftsfreund und geradezu Faktor der Stettiner Loitze2). Zudem war er 1525—1557 Ratsmann, 1564—1566 Kämmerer seiner Stadt.

Dagegen hat er seinen Anteil an den

Familiengütern schon frühzeitig an seinen Sohn Andreas abgetreten,

gegen eine jährliche Pension von 42 fl. und 2 Mispel Roggen. Auch die Forderungen, die Peter Lindholz an den Kurfürsten hatte, gehörten schon 1557/58 seinem Sohn, so daß dieser zu Trinitatis t) Chron. March. 48. 202; 74. 80. -) Berl. Schöffenbuch 244, 247, 248'9. ’) Papritz a. a. O., Spalte 97—100.

1558 aus dem Neuen Biergeld 200 Tl. Rückzahlung und die Zinsen von 400 Tl. (24 Tl.) erhielt'). Peter war mit

einer Anna

Wins

verehelicht;

sein Sohn

Andreas heiratete vor 1562 die Tochter des Cöllner Bürger­ meisters Joh. Brettschneider. Doch hat sich Andreas trotz dieser Verwandtschaft nie um ein städtisches Amt bekümmert, er wird auch

nie als Kaufmann oder gar „vornehmer" Kaufmann, wie andere, bezeichnet, sondern war lediglich Bürger in Cölln. Diese Äußerlich­ keiten sind nicht ohne Bedeutung: die Nichtachtung alles äußeren Scheins und Ansehens stimmt durchaus mit der ganzen Tätigkeit des Mannes überein, der nur das Streben nach Gewinn kannte und dabei keiner Bindungen oder Rücksichten achtete. Heimatland, Bater-

stadt, Familie, Amt bedeuteten ihm nichts, sein Landesherr war ihm nur ein wichtiger Posten in seinen Berechnungen. In seiner nur kapitalistischen Einstellung hat er etwas von einem Jakob Fugger.

Auch das wenige, was von Lindholz' Hand überliefert ist, läßt ihn

als eine nüchterne, sachliche Natur erkennen; es ist da nichts von der lebendigen, impulsiven Art, die aus allen Schriftstücken Joachim Griebens hervorleuchtet und diesen Mann uns menschlich näher bringt, über dessen Persönlichkeit sind wir ohnehin viel besser unter­

richtet, da von ihm eine Fülle eigener Aufzeichnungen und Briefe er­ halten ist, während von Lindholz fast nur Rechnungen und ein aller­ dings nicht unbedeutender Teil der an ihn gerichteten Korrespondenz überkommen sind. So bleibt Lindholz uns im ganzen ferner und

weniger greifbar als fein wohl nur um wenige Jahre älterer Zeit­ genosse Joachim Grieben. Auch dessen Lebensschicksal erscheint plastischer, dramatischer, allerdings auch unvergleichlich tragischer. Sonst aber haben beide Männer viel Gemeinsames: in gleicher Weise sind sie von Ehrgeiz und rastlosem Erwerbsstreben getrieben, be­

gegnen sich in der Art ihrer Tätigkeit und auf den gleichen Gebieten und scheitern aus denselben Ursachen. Während Joachim Grieben an seinem reichen Vetter Jakob Grieben in Leipzig einen kräftigen, doch nur gelegentlichen Rückhalt

gefunden hat, hat sich Andreas Lindholz eine derartige Anlehnung

in stärkerem Maße zu verschaffen gewußt. Er hat seine Geldgeschäfte im engen Zusammengehen mit dem großen Stettin-Danziger Handels­ hause der L o i tz betrieben, die schon seit etwa 1538 Geschäfte mit dem *) Friedensburg, Ständeakten II, S. 753 f.

Kurfürsten Joachim II. betrieben und sich, wie erwähnt, der Lindholz' als ihrer Kommissionäre bedienten. Andreas aber begnügte sich mit dieser bescheidenen Rolle nicht: obwohl er nur ein unbekannter

junger Geschäftsmann in dem unbedeutenden Cölln war, stand er zu jenem mächtigen Hause nie in einem anderen Verhältnis als dem

eines gleichberechtigten Genossen. Es war ein kühnes Unterfangen, das von großem Selbstvertrauen, wenn nicht von Selbstüberschätzung zeugt. Andreas Lindholz' Darlehen an den Kurfür sie n1).

1. In einem Abkommen zwischen dem Kurfürsten und den

Städten vom 2. Februar 1560 wird über Rückzahlung einer kurfürst­ lichen Schuld von 12 500 Tl. an Andreas Lindholz in 3 Terminen gehandelt2).3 Da nun die Loitze dem Kurfürsten 28. März 1559 12 500 Tl. gegen Verpfändung des Zolls zu Lenzen geliehen hatten'),

so hat zweifellos Lindholz die Verschreibung darüber an sich gebracht. Der Kurfürst hat trotzdem zu Michaelis 1560 den Schreckschen Erben zu Leipzig 600 Tl. jährlich aus dem Lenzer Zoll wiederkäuflich für 10 000 Tl. verschrieben; die Zinsen wurden aber nur zwei Jahre gezahlt, und die 10 000 Tl. nebst 5400 rückständiger Zinsen 1571 auf die Landschaft übertragen'). Die Rückzahlung des Lindholzschen Geldes ist auch verspätet erfolgt, denn 11. Mai 1565 wurde ver­ einbart, daß die Verordneten der Landschaft 3500 Tl. nebst 2250 Tl. hinterstelliger dreijähriger Zinsen (6%) sogleich, die restlichen 9000

nebst Zinsen in drei Osterterminen zahlen sollten. 2. Gleichfalls unter dem 2. Februar 1560 ist eine kurfürstliche Verschreibung ausgestellt über 6200 Tl., die Lindholz zur Aussteuer der kurfürstlichen Tochter Hedwig vorgestreckt hat. Versicherung

der Landstände zu Rückzahlung auf Michaelis 1560 und 1561 war in Aussicht gestellt. Außerdem verpflichteten sich vier Adlige und Thomas Matthias als selbstschuldige Bürgen, einer für alle, wenn sie die Hauptsumme auf Michaelismarkt d. I. nebst Schaden und Interesse nicht zahlten, ungefordert acht Tage danach in Leipzig

mit je drei Pferden rittermäßig Einlager zu halten, andernfalls Inhaber der Verschreibung Macht haben solle, sie mit Schmäh-

’) 2) 3) *)

Hauptsächlich nach Rep. 61.33 b. 1 Vol. I—III. Friedensburg, Ständeakten II. 197. Papritz a. a. O., Sp. 107 (S. 40 ff.). Stände-A. B. 1. 8, S. 162.

schriften und Gemälden anzugreifen und zu schelten, ohne daß es Frevel sein solle. Außer diesem Darlehen berechnete Lindholz bis Ostern 1561 an allerlei Auslagen, die ihn geradezu als Hoflieferanten und -bankier erkennen lassen, dem Kurfürsten 6959 XL, einschließlich unmäßiger Zinsen, worauf weiter unten (S. 220) eingegangen werden wird.

3. Um dieselbe Zeit kam ein ganz großes Darlehnsgeschäft zu, stände, das die Loitz und Lindholz zu gleichen Teilen mit dem Kurfürsten kontrahierten. Dieser bekannte sich durch eine 23er, schreibung vom 11. April 1561 zu einer Schuld von 72 000 Tl. sächs. Schrots und Korns an die Gebrüder und Vettern Loitz und Andreas Lindholz, versprach 6 % Zinsen und Rückzahlung jährlich zu Michaelis, von 1562 an, aus dem Zoll zu Lenzen, der ihnen dafür zum Pfand gesetzt wurde; der Zöllner sollte den Gläubigern dafür vereidigt werden. Als einziger Bürge zeichnete der Kurprinz*).

Nach einem späteren Bericht über diese Geldhändel, vermutlich

von 1571, verhielt es sich damit so.

Die Gläubiger erboten sich,

zum Spandauer Festungsbau 52 000 fl. - 39 000 Tl., und zwar zwei Jahre lang wöchentlich 500 fl. zu zahlen, dazu für 25 000 Tl., ebenfalls während zweier Jahre, Pulver, Kugeln, Kupfer, Wein (3400) und Hofkleidung (6000) zu liefern, und berechneten dazu

eine frühere Schuld von 14 000 Tl., für die sie Bürgen hatten. Für diese insgesamt 78 000 Tl. sollte das Amt Lehnin verpfändet werden; da aber dieses an den Obristen o. Staupitz vergeben wurde, so

einigte man sich auf 72 000 Tl. und den Lenzer Zoll als Pfand.

Man rechnete ihnen kurfürstlicherseits nachträglich nach, daß sie bei den Lieferungen, ohne die Kleidung, um 5341 Tl. zu hoch gerechnet und die Zinsen immer auf die ganze Hauptsumme geschlagen hätten, ungeachtet die Abzahlungen und obwohl das Kupfer nie vollständig geliefert worden. Beide Partner hatten überdies ein Dienstgeld von jährlich 300 Tl. nebst Hofkleidung auf drei Mann ausbedungen. Die Gläubiger hatten sich indes über säumige Zahlung zu be­ schweren.

Sie erwirkten daher, als die Stände ein Roßdienstgeld

gewilligt hatten, 11. Mai 1565 eine neue Versicherung vom Kur­ fürsten und den Landschaftsverordneten, wonach diese daraus die weitere Tilgung ebenso wie die der erwähnten 12 500 Tl. über­

nahmen. Es waren von den 72 000 noch 60 286 Tl. Kapital und die Zinsen seit Michaelis 1564 zu zahlen; die Landschaft hat bis Weih-

*r$g[. Papritz, 6p. 108 ff. (6.40 ff.).

nachten 1565 5286 Tl. und die bis dahin fälligen Zinsen (4443)

entrichtet; die restlichen 55 000 Tl., die vom 21. Dezember 1567 an mit jährlich 8000 Tl. abgezahlt werden sollten, blieben rückständig, auch die Zinszahlung davon. Lindholz war schon vorher genötigt, Gelder aufzunehmen: 5000 Tl. bei der Witwe des Johann Hackelbusch

in Salzwedel gegen Verpfändung der Verschreibung vom 11. Mai 1565, auf fünf Jahre, 29. September 1565 ; 7000 bei Markgraf Hans zu ungewöhnlich harten Bedingungen: 6 %, Zinsen und Rückzahlung von 10 000 Tl. nach drei Jahren. Als jener Vertrag also nicht gehalten wurde, wünschten die Gläubiger wieder von der Landschaft auf den Zoll verwiesen zu

werden, und erreichten endlich auch eine kurfürstliche Versicherung vom 25. Januar 1569, daß, wenn die Landschaft sie bis Pfingsten nicht befriedige, die alten Verschreibungen und die Verweisung auf den Zoll wieder gelten sollten. Aber es geschah auch dann nichts. Die Gläubiger erreichten endlich, daß sie nebst dem Zöllner auf Michaelis in das Hoflager beschieden wurden, wo ihnen gänzliche

Befriedigung zugesichert ward. Aber die Ausführung wurde durch

Quertreibereien verhindert; schließlich erwirkten sie einen kurfürst­ lichen Befehl an den Zöllner, 17. Dezember 1569, wieder aus dem Zoll zu zahlen, doch wurde die kurfürstliche Unterschrift durch andere verhindert. Die Loitze mit Lindholz schrieben hin und her, holten sich dabei vom Markgrafen Johann Georg eine ziemlich grobe Ab­ fertigung (Zechlin, 30. Mai 1570) und dürsten kaum etwas erzielt

haben'). 4. Schon 1562 schossen die Loitz und Lindholz dem Kurfürsten

folgende weitere Beträge vor: 5000 Tl., auf den Zoll zu Oder­ berg versichert, zu 6 % verzinslich von Ostern 1562 an — es sind wohl die 5000 Tl.,

die Lindholz zu Michaelis 1561

an Grieben

zahlen sollte2) —, und 10 000 Tl., die sie „gegen den Reichstag 1562 aufgebracht", von Michaelis 1562 an verzinslich und Michaelis 1563 rückzahlbar, laut kurfürstlicher Verschreibung, Cölln, Sonntags nach Michaelis 1562. An diesem Michaelismarkt kamen aber noch 9000 Tl. hinzu, die teils Anselm v. Zaschwitz, teils Magister Simon

Mellmann versicherten und die zu Neujahr, dann Ostern 1563 zurückgezahlt werden sollten, über das Ganze stellte Thomas

Matthias zu Berlin 6. Januar 1563 eine Jnterimsverschreibung aus,

') Näheres bei Papritz, Sp. 214. ') Vgl. oben S. 116.

wonach der ganze,

aus 25 000 Tl. angeschlagene Betrag ihnen

entweder mit Lehn- und Landgütern in der Uckermark, „die sie dazu namkündig gemacht", oder, wenn dies nicht möglich, durch die von Städten versichert werden sollte. Doch sollten die Kleinode und Zobeln, die sie jetzt von Stettin herbringen lassen und auf 7000 Tl. angeschlagen hatten, in billigem Wert in die 25 000 Tl. eingerechnet werden. Matthias verpflichtete sich, dies bis Ostern 1563 auszu­ richten oder andernfalls mit zwei reisigen Knechten und drei leist­

baren Pferden in eine offene ehrliche Herberge einzureiten und gewöhnliches Einlager zu halten, bis die ganze Summe nebst allen Schäden, Zehrungen, Interesse und Unkosten bezahlt sei. An den 25 000 Tl. war Lindholz mit 14 418 Tl. und 822 Tl. Zins,

die Loitz mit 10 582 und 678 Tl. Zins beteiligt. Außerdem aber waren nach Lindholz' Aufstellung zu Ostern 1563 noch 2950 Tl. rückständig, nämlich je 300 Tl. einjähriger Zins von 5000 und einhalbjähriger von

10 000 Tl., 1200 Tl. für zwei Iahresbesoldungen oder Dienstgelder, die ihnen 1561 zugesichert waren, 600 für Viktualien, dazu (Lindholz allein) 75 für einen Gaul, 475 für Vorschüsse. Die gemeinsame Rech­

nung wurde dann mit Th. Matthias auf 30 000 Tl?) geschlossen, so

daß jeder Partner 15 000 Tl. zu fordern hatte. Lindholz ließ sich so­ gleich, zu Ostern 1563, vom Kurfürsten über seine 15 000 Tl. eine Jnterimsoerschreibung ausstellen, worin Verzinsung jährlich zu

Ostern und Rückzahlung auf einvierteljährige Loskündigung ver­ sprochen wurde. Da der Kurfürst in Eile keine bürgliche Versicherung tun konnte, wollte er sorgen, daß auf nächstem Landtage Lindholz wegen Zahlung an die Landschaft oder die von Städten verwiesen werde. Letztenfalls wurde, wie auch bei der Post der 72 000 Tl., dem

Gläubiger Macht gegeben, sich an den kurfürstlichen Untertanen schad­ los zu halten. 5. Schon 9. Oktober 1563 ersuchte der Kurfürst Lindholz, er möge neben Zaschwitz bürgen für eine Summe, die Wolf v. Lindenau auf­

bringen wolle, und möglichst selbst noch weiteres Geld aufzubringen suchen. Dagegen blieben die endgültigen Verschreibungen über die 15 000 Tl. aus, obwohl Hans Loitz deshalb öfters „unnütze Briefe" an Matthias schrieb. Trotzdem lieferte Lindholz' Vertrauter Brett­ schneider zum schweren Arger der Loitz, ohne deren Vorwissen, die

Kleinodien und Zobeln an den Kurfürsten aus. Um die noch immer ausstehenden Verschreibungen endlich zu bekommen, löste Lindholz

*) Papritz, Sp. 196: etwas über 2000 Tl. als „Schadegeld" gerechnet. 207

im Michaelismarkt 1565 etliche Kleinodien des Kurfürsten, die dort bei den Lußloischen Erben versetzt waren, für 3000 Tl. ein, auf Zu­

reden des durch kurfürstliches Kreditiv vom 14. September bevollmäch­ tigten Kammersekretärs Johann Brettschneider, seines Schwieger­ vaters; dieser stellte ihm dafür eine Versicherung aus, daß er die 3000

nebst Zins auf Neujahrsmarkt 1566 von den Verordneten der Land­ schaft haben solle, und daß auch wegen der anderen Schulden, die sich in die 40 500 Tl. erstreckten, bis dahin Vergleich getroffen werden solle1).

Diese Versicherung, zu der Brettschneider nicht bevollmächtigt war, war wertlos, wurde auch nicht innegehalten; Lindholz mahnte, Trebus, 2. November 1566, daran, sowie an endliche Erledigung aller

seiner stattlichen Ausstände durch die Landschaftsoerordneten, da er zu Luciae (13. Dezember) selbst große Rückzahlungen zu leisten habe. Die Gläubiger haben später die fehlenden Verschreibungen erhalten, je eine für die Loitz und für Lindholz, datiert auf Michaelis 15652).* 4 5 6. Folgende Posten von 1565 hängen vermutlich mit kurfürst­ lichen Geldbedürfnissen aus Anlaß der Griebenschen Forderungen zu­

sammen: 1000 Tl. im Leipziger Neujahrsmarkt 1565 ausgeliehen an Anselm v. Zaschwitz auf Schnatitz; 1030 und 2874 Tl. in Cölln zu Reminiscere 1565 an Zaschwitz und Matthias; 5870,5125 und 2060 Tl. im Ostermarkt 1565 an Zaschwitz. Dieser schon mehrfach genannte')

adlige Finanzmann, ein sächsischer Junker, hatte 16 000 Tl. bei den mittelmärkischen Städten schon von 1557 her stehen1); er trat 1559 in

den Dienst des Markgrafen Johann als Oberhauptmann von BeeskowStorkow, 1561 in den des Kurfürsten als Rat'). Die zwei letzt­ genannten Beträge lieh Lindholz gemeinsam mit Hans Loitz d. Ä.; insgesamt hat Lindholz 10 774 Tl. allein, 7185 mit Loitz zusammen ge­

zahlt. Rückzahlung sollte teils auf dem Naumburger Petri und Pauli-

markt,

teils

auf

dem

Leipziger

Michaelismarkt

1565

erfolgen.

Außerdem bürgte Lindholz damals für Anselm v. Zaschwitz zusammen mit dessen Bruder Balzer bei Heinrich Kramer in Leipzig auf *) Vielleicht hängt das mit den 43122 Tl. zusammen, die 10. April 1567 den Loitz versichert wurden. (Dgl. Papritz, Sp. 211.) 2) In den Ständeakten A 62 fol. 80 ist eine kf. Verschreibung an Lind­ holz über 2500 Tl. von 1565, die Christoph v. Thümen u. Th. Matthias ver­ sichert haben (R. 18.10), eine Obligation L.'s über 5000 Tl. von 1565, endlich der Loitzen Bürgschaft wegen 25 000 Tl. von 1571. ’) Oben S. 117, 125. 4) Friedensburg II 799. 5) Ein Zaschwitz auf Schnatitz war übrigens der Junker, durch den die Kohlhaseschen Händel verursacht worden waren.

8000 IL, wogegen Zaschwitz Schadloshaltung mit Verpfändung seiner Güter gelobte.

Von Zaschwitz sind drei Gesuche aus Torgau um Stundung er­ halten, vom 25. und 28. August und 7. Oktober 1566; er starb, ohne

bezahlt zu haben. Lindholz hielt sich an seine Erben, namentlich den kursächsischen Rat Hans v. Taubenheim und Hans v. Spiegel. Es kam zweimal zum Einreiten, das ein 1566 als „Diener" des Zaschwitz bezeichneter Gottfried vom Ende für jene übernahm, 1568 und dann

1570—72 über IV2 Jahre, mit drei Pferden; das kostete einmal 765,

dann 3000 Tl., die teils von den Erben bezahlt, größtenteils aber auf eine

Forderung

des

verstorbenen

Zaschwitz

bei

der

Land­

schaft verwiesen wurden. Wie es scheint, hat Lindholz auf dem Ein­

reiten bestanden und Stephan Loitz darin für Taubenheim zu ver­ mitteln versucht. Die obigen sieben Verschreibungen Zaschwitz' von 1565 hat Lindholz für eine Schuld von 10 000 Tl. an Hieronymus

Tempelhof verpfändet und ihm 2. Februar 1574 erblich zediert.

Über die Geldgeschäfte des Zaschwitz mit dem Kurfürsten sei

noch folgendes mitgeteilt1). Zaschwitz' Erben, vertreten durch Hans v. Taubenheim, legten bei der Abrechnung vor den Landschafts­

verordneten, 1572, vier kurfürstliche Verschreibungen von 1565 über 8000, 4000, 18 000 und

61566,

zusammen 91566 Tl., vor und

forderten darüber hinaus 20 568 Tl. laut Brief und Siegel, ferner

17 500 Tl. gemäß einer Forderung von 20 000 ft. schwerer Münze,

schließlich 10 920 Tl-, womit der Kurfürst Zaschwitz gegen Andreas Lindholz vermöge habenden Reverses zu vertreten schuldig sei. Alles zusammen 140 554 Tl. Darauf waren von der Landschaft schon be­ zahlt 47800 Tl., davon zu Johanni 1566 37500, blieben 92754, darauf den ordentlichen Zins von 1565 bis Ostern 1571: 33 402, zusammen

126156 Tl. Taubenheim wollte noch viel mehr rechnen an Schäden,

Interesse, „Partiten, so er mit annehmen müssen", Zehrungen und

Botenlohn, dem ist aber nicht stattgegeben worden. Aber auch sonst wurde vieles beanstandet, und wurden endlich nach längeren Verhand­

lungen und nach Jnterzession des Kurfürsten von Sachsen den Erben für alle Anforderungen nur 55 000 Tl. zugestanden. Rach einem Verzeichnis vom 2. August 1574 war der Kurfürst

den Erben von Zaschwitz an Hauptsumme 75124, an Zinsen bis Ostern 1571 36 637, zusammen 111761, schuldig. Dazu 5000 fl. nebst 2000 ft.

‘) Stände-A. B. 1.8. 14

Großkaufleute 1

209

Zinsen, die Lindholz für eine Schuld des Kurfürsten, für die Zaschwitz Bürge gewesen war, den Erben abgezogen hatte. Auf alles hat der Kurfürst 57 000 Tl. zu geben gewilligt, so daß die Erben 60 900 ent-

raten muhten. Lindholz hatte von ihnen 30 703, die Loitz 26 782 Tl. zu fordern, wegen deren noch Verhandlungen schwebten-).

7. Schließlich war Lindholz noch in Geldhändel, die die Junker

v. Spiegel mit dem Kurfürsten hatten, verwickelt. Lindholz lieh dem Bernhard v. Spiegel auf (Brunau 3670 Tl., während Spiegel dem Kurfürsten 16 750 Tl. zu Ostern 1561 vorstreckte, wofür sich die vor­ nehmsten Städte in Brandenburg verschrieben. Diese Bezahlung ver­ zögerte sich, Spiegel wurde von seinen Gläubigern mit Einreiten, hohem Interesse und „unchristlichem" Schadegeld hart bedrängt; end­

lich schlossen Vertreter der Stände im Leipziger Neujahrsmarkt 1567

mit ihm einen Vergleich, wonach sie u. a. die Lindholzsche Schuld auf

die Landschaft übernahmen, auch wegen der von Lindholz darüber geforderten

696

Tl.

Schadloshaltung

zusagten-).

Ferner

hatte

Tobias v. Spiegel-) eine kurfürstliche Verschreibung über 10 000 Tl., die „von eitel retardierten Zinsen und Gnadengeldern zusammen­

geschlagen" war; diese brachte Lindholz gegen ein Darlehen von 4300 Tl. an sich. Er hat die Verschreibung aber nachher drei

Adligen wegen einer für ihn geleisteten Bürgschaft zur Schadlos­ verwahrung eingesetzt, und einer von diesen, Hans v. Schlabrendorf^ hat sie in Lübeck den Cramerschen zu Leipzig zugeschlagen. Brettschneider suchte im Ostermarkt 1566 Lindholz zu überreden, daß er dem Berndt v. Spiegel die 16 000 Tl., die dieser vom Kur­

fürsten forderte, bezahle; sie sollten ihm von der Landschaft mit 6 % Zinsen versichert werden, auch wolle er ihm das Amt Potsdam, das

Spiegel dafür innehatte, mit 500 Tl. Iahreseinkünften und Deputaten, verschaffen. Nach den Ständeakten hat der Kurfürst 1563 den Spiegeln für

18 000 Tl. nicht nur kurfürstliche Güter obligiert, sondern auch der Untertanen Hab und Güter, solche in und außer Landes zu belegen, Untertanen mit eigener Gewalt überall zu arrestieren, arretierte Güter ohne Rechnung zu nutzen, zu veräußern usw., verstattet. Brett*) Rep. 41. n. 6. ’) Rep. 20.5. ’) Eine surf. Verschreibung von 1558 über 4000 Tl. hatte Spiegel an Joachim Grieben zediert. Er forderte bei der Abrechnung von 1572 insgesamt 31610 Tl. Zugestanden wurden 24 000 Tl. Hauptsumme und 3106 Tl. an Zinsen (Stände-A. B. 1.8., S. 49).

schneider selbst hatte eine Forderung von 2000 II., die die Landschaft übernommen hatte, und schrieb wegen dieser 1570, die Städte sollten die Assignationen sofort bezahlen, oder er wolle sich an deren Leib, Habe und Güter rächen, es gereiche, wozu es wollens. Lindholz

und

die

Loitz.

Gleichzeitig mit dem erwähnten Darlehnsvertrag vom 11. Aprll 1561 schloß Lindholz mit den Gebrüdern Stephan und Hans Loitz «inen Vertrag wegen des Salzhandels nach Schlesien, wonach sie auf gemeinsame Rechnung Boisalz in Danzig und Stettin einkaufen und an die kaiserlichen Siedereien in Breslau, Sabor und Glogau liefern wollten. Sie haben dafür ein kaiserliches Privileg erwirkt, desgleichen ein Privileg vom Kurfürst Joachim und Markgraf Johann Georg, daß außer ihnen keiner Boisalz die Oder aufwärts führen dürfe. Sie sicherten sich damit das Seesalzmonopol in den Oderlanden. Eine kur­ fürstliche Verwarnung an die Stadt Danzig, vom 14. September 1561, zeigt diesen Tatbestand an*2). Offenbar ist das große Darlehen der 72 000 II. an den Kurfürsten von April 1561 der Preis für dieses Privileg. Außerdem war dem Kammersekretär Johann Georgs, Caspar Meinow, ein Viertel an diesem Salzhandel zugestanden, so daß die Loitze einhalb, Lindholz und Meinow je ein Viertel hatten. Diese wichtige Persönlichkeit hatte man also um hohen Preis ge­ wonnen. Er schreibt am 8. Februar 1567, sein Anteil trage 22500 II. aus. Verhandlungen, die kaiserliche Gesandte 1563 in Berlin und Stettin führten, hatten das Ergebnis, daß die Loitz-Lindholz gegen erhebliche Abfindung (18 000 II.) auf das kaiserliche Privileg ver­ zichteten und sich mit dem Versprechen begnügten, daß man ihnen jährlich einen gewissen Betrag Salzes abnehmen wolle. Näheres über das Salzgeschäst ergibt die Papritzsche Veröffentlichung. Nachdem allerlei Mißhelligkeiten zwischen den Partnern vor­ gefallen, schlossen sie am 3. Mai 1565 zu Angermünde einen Vertrag, wodurch Lindholz für sich und Meinow auf alle Beteiligung ver­ zichtete und den Salzhandel allein den Loitzen überließ. Dagegen verzichteten die Loitz auf die Forderungen, die sie an Lindholz hatten 1. von einigen Salzkaufrechnungen her, 2. wegen der zu Prag auf *) Buchholz, vgl. oben S. 18. 2) Danz. Stadtarch. 300, 53 Nr. 887. Vgl. Acta Bor., Akzisepol. I 125, und ganz ausführlich bei Papritz a. a. O. Desgl. oben S. 94 ff. 14*

211

Beförderung des Salzhandels aufgewandten Kosten (für das kaiser­

liche Privileg) und Zehrungen, für welche beiden Posten den Loitz nach ihrer Rechnung an 2500 Tl. nachständig waren. Ferner sollte Lindholz das erhalten, was über die erwähnte Forderung der

15 000 Tl. beim Kurfürsten an Zinsen und nachständigen Schulden übrig sei und was 1600 Tl. ausmachte; Th. Matthias solle ihm zu­

sagen, daß ihm die vom Kurfürsten versichert würden. Dazu kamen Lindholz bei der gemeinsamen Forderung der 30 000 Tl. auf sein Halbteil noch 726 Tl. und 84 Tl. Zins zu. Im ganzen machte alles 2410 Tl., worüber die Loitz Cesfion erteilten.

Ferner wollten die

Loitz ihm zu Michaelis und Ostern je 30 Ztr. guten Schwefel zum

Puloermachen in Stettin liefern, dann auf den Leipziger Öfter­

märkten 1566 und 1567 je 1000, 1568 500 Tl. ohne Zinsen oder

Interesse leihen. Die gemeinsame Hauptforderung der ursprünglich 72 000, jetzt

noch rund 60 000 Tl. im Zoll zu Lenzen, die ihnen in einer unge­ schiedenen

Verschreibung

versichert

waren,

wollten

beide

Teile

weiterhin gemeinsam vertreten und einer dem andern zu gut für Bezahlung sorgen, und sollte keiner ohne des andern Vorwissen und

nur zu eigenem Nutzen darin etwas tun.

Ebenso wollten sie, was

an Pulver und Lot zu liefern nachstellig sein solle, gemeinsam be­

sorgen und auch sonst in allem aufrichtig und ehrlich gegeneinander handeln.

Es wurde aber von vornherein ausgemacht, daß dieser Vertrag zwischen ihnen ganz geheim gehalten werde und es keinen andern

Namen haben solle, als wenn sie noch in Gesellschaft seien.

auch bei dem Churfürsten und Markgrafen auf

der

„Was

kaiserlichen

Kommissorien Nichthaltung, ferner auf das Privilegium zu fordern und mit Anhaltung der Schiffe und Salzes alles nach Inhalt des Buchstabens, auch in gleicher Weise an die kaiserliche Majestät zu

schreiben, zu suchen, zu fordern und was nötig, wie dieselbigen der Notdurft nach geschehen sollen und mögen, soll alles auf Lindholz

und seinen Namen mit gesucht und gefordert werden, nicht anders, als wenn ihm der Handel noch eigentümlich mit zustände." Das ge­ schah, damit, wenn der Karren mit einem umfiele, sie den halben

Teil wenigstens behielten, wie man kurfürstlicherseits nach Bekannt­ werden kommentierte.

Dieser

Geheimhaltung

halber

wurde

der

Vertrag zu Angermünde geschlossen, also halbwegs zwischen Stettin

und Berlin, wohin die Loitz sich begaben, denn acht Tage später ist

hier die Abmachung wegen Übernahme der großen Schuld auf die Landschaft getroffen. Obwohl beide Teile am Schluß versicherten, daß sie bei diesem und allen jetzigen und künftigen beiderseitigen Kontrakten in Hand­

lungen ohne Eigennutz aufrichtig und ehrlich einander unter Augen gehen wollten, damit kein Mißverstand zwischen ihnen vorfalle, kam es doch nach kurzer Zeit dazu. Denn die Loitz bezahlten ihren Halbteil

an den 3000 II., die Lindholz im Michaelismarkt 1565 für den Kurfürsten auslegte, nicht, wie versprochen, im Neujahrsmarkt, und nun gab Lindholz nicht, wie er seinerseits im Vertrag zugesichert, das

kurfürstliche Privileg und den mit den kaiserlichen Kommissaren über den Salzhandel geschlossenen Vertrag, die er in Verwahrung hatte, heraus.

Darauf kündigten die Loitz den Vertrag kurz vor Ostern

1566 auf, was Lindholz aber nicht annehmen wollte, und sein Freund

Meinow bestärkte ihn mehrfach darin, nicht aus dem Vertrag zu gehen*). Die Loitz aber zahlten nun nicht das vertragsmäßig Aus­ bedungene; ja, Stephan Loitz nahm überdies im Ostermarkt 1566

in Abwesenheit von Lindholz von dessen Vertreter Andreas Massow 1013 Tl., ohne Quittung darüber zu geben. Lindholz forderte im ganzen zu Michaelis 1567 4114 Tl. und 72 Ztr. Schwefel, Zinsen und Schaden eingerechnet, von ihnen. Darin sind auch 400 Tl. Schadegeld

wegen einer Wechselzahlung von 4000 Tl. nach Lübeck, die von den Loitzen zu Reminiscere 1565

halb

in

schlechtem

Geld

geleistet

worden war. Nach der Loitze Darstellung verhielt sich aber alles ganz anders. Danach habe Hans Loitz zu Ostern 1565 auf Lindholz' Rat und mit

eigener höchster Ungelegenheit 5500 Tl. zum Darlehen für Zaschwitz hergegeben, Lindholz aber habe sich mit jenen 5500 Tl. für eine alte Schuld des Zaschwitz bezahlt gemacht und dem letzteren kein neues Darlehen gegeben, und überdies vom Kurfürsten sich eine „Ver­ ehrung" von 1000 Tl. geben lassen. Loitz sei also ohne Nutzen das Geld losgeworden, ja in merklichen Schaden gekommen, insonderheit habe Zaschwitz —

offenbar

wegen Nichtzahlung von Loitz ver­

klagt — beim sächsischen Hofgericht vorgewandt, er habe keinen Heller dieser Schuld halber eingenommen, die darüber von ihm

gegebenen

Handschriften

seien

wollte diese Handlung fast

als

*) So noch Febr./März 1567.

mit

List herausgebracht,

Betrug

hinstellen.

Es

und

er

handelt

sich da um die beiden Verschreibungen über 2060 und 5125 = 7185 (nicht 11000) Tl. von Zaschwitz für Hans Loitz und Lindholz;

letzterer hat also mindestens einen Teil der vereinbarten 11000 Tl. anders verrechnet. Ferner habe Hans Loitz damals 2500 Tl. „auf

eine Wiederleihung" an Lindholz gegeben, ebenso wie die 5500 ohne Handschrift oder Versicherung, in gutem Vertrauen.

Die wollte

Stephan Loitz im Ostermarkt 1566 wiederhaben, Lindholz habe das

auch mündlich und schriftlich zugesichert, sei aber zum Ostermarkt nicht gekommen, und Stephan habe mit vieler Mühe 1000 Tl. (von Andreas Massow) erhalten. Tatsächlich hatte Lindholz Massow be­ auftragt, den Loitz die 2500 auf ein halbes Jahr wiederzuleihen, allerdings mit Abhaltung der 1000 Tl., die sie ihm vertragsmäßig zu Ostern 1566 geben sollten, und gegen Handschrift, die nicht erfolgte.

Es fällt jedenfalls auf, daß weder eine geschäftsmäßige Ord­

nung noch Aufrichtigkeit bei dem Hin und Her der Geldbeträge be­ obachtet wurde; auch daß in dem Angermünder Vertrage vom Mai 1565

auf eine Verrechnung

der von den Loitzen dargeliehenen

Posten nicht Bedacht genommen wurde. Dieser Mangel gab Anlaß zu allerlei gegenseitigen Beschuldigungen, wie das aus einem großen

Schreiben des Dietrich Picht an seinen Freund oder Verwandten Andreas Lindholz, d. Thorn 1. September 1566, und aus dem Bericht

Lindholz' von 1567 hervorgeht. Im Pichtschen Schreiben wird denn auch angeführt: Zaschwitz habe den Loitzen seltsame Händel von Lind­

holz berichtet, auch von etlichen Anschlägen, Rechnungen u. a. ihnen Kopien zugestellt; wenn die an den Kurfürsten, den Markgrafen und die Landschaft kämen, sollte es vielleicht sein Frommen nicht sein und erfolgen, und solle Zaschwitz diese Händel gar gefährlich hinter Lind­

holz ausbreiten. Stephan Loitz verübelte es Lindholz auch, daß dieser

ihm einmal eine Bitte um nur 100 Tl. auf 14 Tage abgeschlagen

habe, obwohl er den Loitzen von einer Rechnung doppelt so viel schuldig war.

Um den Mißverstand zwischen ihnen abzuschaffen, sollte eine Tag­ fahrt mit Zuziehung von Freunden — Caspar Meinow und Simon

Mellmann wurden vorgeschlagen — vereinbart werden.

Darüber

wurde (November 1566 bis April 1567) in mehreren Schreiben ver­

handelt, doch war einmal dieser, dann jener verhindert. Diese Ver­ zögerung veranlaßte wohl Lindholz, in einem „kurzen Bericht", der

zwischen April und August 1567 abgefaßt sein muß, seine Beschwerden

und Forderungen darzulegen. Inzwischen und auch später (1569/70)

haben die Partner ihre gemeinsamen Forderungen gegen den Kur­ fürsten in gutem Einvernehmen zusammen betrieben. Es kam aber ein Vorfall dazwischen, durch den das, was Picht nicht lange vorher befürchtend angedeutet hatte, eintrat. Bevor wir darauf eingehen,

seien noch die übrigen Geschäfte des erstaunlich rührigen Lindholz

erwähnt.

Grund st ückserwerb

und

Faktorei.

Neben den großen Geldsummen, die Lindholz für den Kurfürsten

und in den Loitzschen Sachen aufbrachte, hat er auch viel Geld in

Landkäufen anlegen können. Von dem vom Vater übernommenen Anteil an dem Tettowschen Familienbesitz Buckow und Rudow machte er anscheinend keinen Gebrauch, dieser findet sich später in der

Hand von Bartholomäus Lindholz und dessen Erben.

Dagegen ist

Andreas Lindholz in den 60er Jahren in T r e b u s nördlich Fürsten­ walde „crbfeffen" (so März 1565, Oktober 1566); im Juli 1566 werden ihm und dem Kammersekretär Caspar Meinow vom Markgrafen Johann Georg vier Hufen usw. im Amt Lebus zu Anrichtung eines

Vorwerks oder einer Meierei zugeschlagen. 1567 besitzt Lindholz auch

Reuten östlich Spremberg in der Niederlausitz, über eine andere auswärtige Erwerbung sind wir aus Reichs-Kammergerichtsakten*)

unterrichtet. Lindholz kaufte Michaelis 1563 von dem geldbedürftigen Grafen Volrath zu Mansfeld einen Jahreszins von 1200 fl. = 1050 Tl. aus Schloß und Amt Rammelburg am Südharz samt allen Zu­ behörungen und Rechten wiederkäuflich auf 4 Jahre für 20 000 Gulden oder 17 500 Tl.; er sollte als Amtmann dort eingewiesen werden und

dazu laut einer besonderen Verschreibung 400 fl. jährlich Dienstgeld erhatten. Zwei Tage, nachdem er sich dies zu Mansfeld hatte verschreiben

lassen, erhielt er schon zu Halle den Konsens des Oberlehnsherrn, des Erzbischofs Sigismund von Magdeburg. Der Graf hatte sich auch unter Stellung von Bürgen verpflichtet, die sonst auf Rammelburg stehen­

den Schulden bis Ostern 1564 abzulösen und es von allen Ansprüchen zu befreien. Da er es nicht tat, mahnte Lindholz alsbald die Bürgen und forderte sie zum Einlager, doch stellten sich bis Juli 1565 nur zwei

dazu; Lindholz aber klagte, daß ihm ein Schaden und eine Zehrung nach den andern aufgelaufen feien. Der Graf zahlte aber auch keine

*) St.-A. Magdebg. B 100 und M 101.

Zinsen und kein Dienstgeld und verpfändete Rammelburg sogar weiter

an Gyso v. Bortfeld, der es auch tatsächlich einnahm. Auf Klagen von Lindholz ermahnte der Erzbischof den Grafen im Dezember 1564, die Zinsen richtig zu machen, andernfalls werde man Lindholz die gebetene Hilfe auf Rammelburg leisten. Lindholz erreichte auch in Halle durch einen Spruch der erzbischöflichen Räte, daß Bortfeld

räumen müsse und Lindholz am 26. Mai 1565 eingewiesen werden solle. Bortfeld aber widersetzte sich und appellierte an das Reichskammer­ gericht, und Lindholz konnte die Einweisung, die im Juli endgültig

erfolgen sollte, nicht erreichen. Schließlich wurde zu Halberstadt 4. De­

zember 1566 unter Bermittlung Bartholds v. Mandelsloh ein Ver­ gleich geschloffen,') wonach Hennig (Sohn?) v. Bortfeld Amt und

Schloß einnehmen und Lindholz nur ein 14tägiger Besuch jährlich

freistehen solle; er ließ sich aber noch zusagen, daß er auch auf H Jahr dort, auf eigene Kosten, Aufnahme finden solle, falls er in Unglück

geriete oder, wie Lindholz selbst auf der Verschreibung genauer ver­ merkt: „wenn ich in der Mark nicht sicher wäre". Dieselbe Absicht mag ihn zum Ankauf von Reuten bestimmt haben.

Ob und wie Lindholz für seine Rammelburger Geldansprüche, die

er im Mai 1565 schon auf 23 305 Tl. bezifferte, abgefunden wurde, ist nicht erkenntlich. Die Mansfelder Grafen erklärten ihr Verhalten

damit, daß der Vertrag wucherisch sei, denn Lindholz habe nicht mehr als 17 000 fl. gezahlt und sich doch 20 000 verschreiben lassen. Es ist

wohl denkbar, daß der skrupellose Lindholz die beständige Geldnot der Grafen in solcher Weise ausgenutzt hat, aber diese hatten im Vertrag

anerkannt, 20 000 erhalten zu haben, und sich des Einwands nicht­ gezahlten Geldes ausdrücklich begeben. Wenn sie ferner ausführten, daß nach gemeinen Rechten und Reichsabschieden bei Wiederkauf nicht mehr als 5 % jährlich Pension gezahlt werden solle, so wurde dies

zwar zugegeben, aber darauf hingewiesen, sie hätten doch 6 % gut­

willig zugestanden, und dieser Zinssatz sei auch von vielen Jahren her so gebräuchlich. Lindholz hat seine Ansprüche auf Rammelburg nachmals an seinen Schwiegervater und Gläubiger Brettschneider

übertragen, denn es heißt Oktober 1581: Die Brettschneiderschen Erben hätten von Lindholz herrührend am Haus Rammelburg eine Anforderung, davon sie was zu erlangen gute Hoffnung hätten*2).

') Bep. 61.33b 2. 2) R. 97 I. 27.

In einem besonderen Verhältnis stand Lindholz zu dem Sohne

und späteren Nachfolger Joachims II., dem Markgrafen Johann

Georg. Er kann als dessen Faktor angesehen werden, wenn auch eine förmliche Bestallung nirgends überliefert ist. Vor ihm hat, wie schon erwähnt, Joachim Grieben eine ähnliche Stellung eingenommen, in

den 60er Jahren aber war Lindholz, wie Meinow 20. November 1566 schreibt, „alwege in s. f. g. dienst", mußte oft 2000—3000 Tl. bar auf ein ganzes Jahr auslegen, kaufte Wein von ihm in größeren Postens und das Getreide der markgräflichen Ämter. Das Getreide, das er

1562 von Fürstenwalde und Lebus haben sollte, ist verzeichnet; es sind nicht weniger als 714 Mispel Roggen und Gerste, die auch fast voll­

ständig an ihn geliefert wurden. Der markgräfliche Kammersekretär

C. Meinow stand mit ihm im regsten Briefverkehr, teilte ihm auch alles mit, was gegen Lindholz unternommen wurde, so wenn ein anderer diesen aus dem Weinhandel drängen wollte, wenn etliche ihm das Korn um den gebotenen Preis nicht gönnen wollten u. a.; an­

scheinend hatten Meinow und Lindholz zusammen die Salpetersiederei in den markgräflichen Ämtern Lebus und Fürstenwalde. Andreas und

Bartholomäus Lindholz lieferten auch Federn (Flaumfedern aus Polen); jener besorgte Viktualien aus Hamburg, wo er einen Faktor hielt. Lindholz wurde auch mit Geldbeschaffung betraut. So ersuchte

Meinow ihn namens des Markgrafen 7. April 1566, Lindholz möge eiligst bei seinem Faktor in Hamburg veranlassen, daß dieser 900 Tl.

zu Ostern den Plugen in Lüneburg erlege, als Kaufpreis für ein

Gut, das Joachim Grieben von diesen für den Markgrafen gekauft

hatte, und der bis Ostern erlegt sein mußte. Es handelte sich um einen günstigen Kauf, den der Markgraf nicht scheitern lassen wollte. Rück­ zahlung nebst Interesse wurde bis Pfingsten versprochen. Der Mark­

graf bat auch, für augenblickliche Ausgaben 600—700 Tl. für ihn

aufzunehmen, die vor dem Leipziger Markt zurückerstattet werden sollten. Besonders im Herbst 1566 wurde über bedeutende Lieferungen und Zahlungen hin und her verhandelt. Lindholz hat dabei einen

Kauf von 850 Mispel Korn zu besonders günstigen Preisen, 10 M

und 11 Tl., im ganzen für 9050 Tl., durchgesetzt. Auch weitere, bis in den nächsten Sommer sich erstreckende gegenseitige Zahlungen

wurden erörtert. Johann Georg bekundet noch in einem Geleitsbrief, d. Zossen 21. September 1569: daß wir unsern Factor u. I. getr. *) Weinhandel trieb Lindholz 1567 zusammen mit Georg Möller.

Andreas Lindholzen auf schierst Michaelismarkt gen Leipzig, unser Sachen, so wir ihm auferlegt, da zu verrichten und zu bestellen abge­ fertigt?) Einschreiten gegen Lindholz.

Am Abend des 9. August 1567 wurden auf besonderen kurfürst­ lichen Befehl Andreas Lindholz' Güter, Haus, Hof in Cölln und alles was darin war, in rechtlichen Arrest genommen und inventarisiert. Das geschah einige Tage, nachdem der Kurfürst bei einer Reihe Berliner Bürger einen „Einfall" hatte machen und bei ihnen alles von Wert seststellen, versiegeln und großenteils beschlagnahmen lassen. Hierauf wird noch näher eingegangen werden. Der Grund dieses Ein­ schreitens wird in beiden Fällen nicht angegeben. Lindholz selbst war auf seinem Niederlausitzer Gute Reuten; sein Haushalter in Cölln, Peter Lindholz, jedenfalls sein Vater, sagte dafür gut, daß ohne Dorwissen -es Kurfürsten im geringsten nichts weggebracht werden solle. Es fand sich übrigens nichts von Wert: etwas Hausgerät und Kleidungsstücke, sonst nur ein Packen gelber Futtertücher und ein Faß voll zinnerner Gefäße, beides dem Markgrafen Johann Georg gehörig, ca. 15 Mispel Hafer auf dem Boden und drei Faß roten Weins im Keller. Auch daraus wird ersichtlich, daß Lindholz Korn-, Wein- und Kram­ handel trieb. Wenige Tage danach wurde Lindholz' Schreiber Joachim Schönebach in Peitz durch den neumärkischen Hauptmann Melchior v. Löben angehalten und bestrickt im Namen des Markgrafen Johann. Schönebach sollte von Lindholz' Frau in Trebus „etliche Werbung und Bericht" an Lindholz in Reuten überbringen, der Kutscher drei Laden, die er bei Peter Krause, Lindholz' Schwager, empfangen. Als Grund der Aufhaltung wurde jenem mitgeteilt: weil die kurmärkischen Städte dem Markgrafen auf Ostern eine Summe hätten erlegen sollen nnb dies nicht getan, dem Markgrafen aber für den Fall der Nichtzahlung freigegeben hätten, alle ihre Mitbürger und ihrer selbst Leib, Habe und Güter aufzuhalten, wo sie auch betroffen würden. Folgenden Tages, 13. August, hat der Hauptmann mit dem Hofrichter und einem Schreiber im Beisein Schönebachs die Laden geöffnet, allen Inhalt verzeichnet und sie versiegelt. Das Inventarverzeichnis wurde dem Schönebach übergeben, der eine Abschrift davon 14. August nebst

*)Üu5f. Rep.9 E E11.

Bericht seinem Herrn übersandte und dabei vermeldete, dah man,

wie er vernommen, das in den Laden Gefundene ihm nicht zukommen

lassen werde, ehe der Markgraf bezahlt sei. Der Inhalt wurde aber so bemerkenswert gefunden, daß am 16. August ein zweites, vollständi­ geres Inventar ausgenommen wurde, im Beisein von Günther v. Kottwitz, Melchior v. Löben, Vincenz v. Waldow und des Schreibers Peter

Lagow. Etliche Tage nach Palmarum 1568 wurde nochmals ein Ver­ zeichnis, worin das vorige „etwas richtiger erklärt und gemacht"

wurde, aufgesetzt, unbekannt von wem und im Beisein wessen. In den drei Laden befanden sich viele goldene Ketten, Ringe und Armbänder, Kleinodien, silberne Kannen und Becher, im ganzen

doch nur auf etwa 1800 fl. Wert geschätzt. Wichtiger war, dah man damit des in Lindholz' Verwahrung befindlichen Schriftwerks, einer

großen Masse von Briefen, Rechnungen und Verschreibungen und auch seiner geheimen Abmachungen, habhaft wurde. Offenbar hatte Lindholz Wind bekommen, daß gegen ihn etwas geplant sei, und nicht nur sich selbst außer Landes begeben, sondern auch seine Wert- und Geheimsachen nachkommen lassen, obwohl, wie sein Schreiber vor Markgraf Johann und Löben aussagte, der Kurfürst durch den Fiskal

hatte verbieten lassen, daß jemand aus dem Lande etwas ausführte, bei Verlust Leibes und Guts. Nun war es gerade in unrechte Hände

gefallen. Denn Markgraf Johann hat die Schriftsachen gründlich unter die Lupe nehmen lassen und Abschriften und Gutachten dem Mark­

grafen Johann Georg übersandt. Er riet diesem, die Sache dem Kur­ fürsten vorzutragen; Johann Georg aber meinte, das ließe „die Ge­ legenheit der Orte" (b. h. die am Hofe herrschende Unordnung und Unehrlichkeit), nicht zu, weil das etlichen Leuten nur Anleitung und Ursache geben möchte, den Dingen nicht allein vorzubauen, sondern

zeitig aus dem Wege zu räumen, was sonst in solchen Sachen, der­ gleichen ohne Zweifel mehr vorhanden sein werden, zu erlangen wäre.

Es handelte sich speziell um Lindholzens und der Loitzen über­ mäßige Zinsforderung auf die „82 000 oder 70 000 II." (gemeint ist

die Lenzensche Post der 72 000) und die 10 000 II. „weil zu besorgen, daß dieselben in duppelte Bezahlung gebracht worden sein mögen"?) Allzu erstaunt war man nicht, wußte man doch, wie leichtfertig und unkontrolliert beim alten Kurfürsten mit Geldsachen und Verschrei­

bungen umgegangen wurde. Es war wirklich nicht zu verwundern, H Schreiben des Mgr. Joh. Georg an Mgr. Johann v. 18. Oktober und 1. November 1567.

daß die mit ihm handelnden Geschäftsleute diese bodenlose Unordnung sich zu Nutze machten, zumal da ihnen selbst Treu und Glauben dort

nie gehalten wurde. Ein Beispiel, wie Lindholz verfuhr, bietet seine oben erwähnte, zu Ostern 1561 übergebene Rechnung über 13159 Tl. Forderungen*) Darin sind u. a. folgende Posten:

1. 420 Tl. „an etlichem Korn verloren." 2. 520 Tl. Zinsverlust für bereitgehaltene 5200 Tl.!

3. 300 Tl. Vierteljahrszins für die vorher aufgeführten Posten (die selbst schon teilweise Zinsen waren) in Höhe von 10 981 Tl. 4. 300 Tl. Zinsen von 1517 Tl. für Südweine auf % Jahr, das wären über 38 %! Für den Gesamtbetrag rechnete er 789 Tl. oder 6 % Halbjahrszinsen, schlug dies dann zum Kapital und forderte von dem so vergrößerten

für das nächste Halbjahr 836 Tl. Zinsen (- 6 %). Dabei hatte der Kurfürst schon zu Michaelis 1560 3500 Tl. zurückzahlen lassen, was Lindholz aber erst am Schluß der Berechnung in Abzug brachte. Er hat also sich selbst hohe Zinsen, ja Zinseszinsen berechnet, für die Gegenzahlung aber keine Verzinsung berücksichtigt. Diese durch so vielfältigen Wucher ausgezeichnete Rechnung hat Thomas Matthias

unbeanstandet gelassen, und es wurden darauf zu Ostern 7500 Tl. bezahlt. Für den Restbetrag von 3784 Tl. rechnete Lindholz 248 Tl. oder

6% % Hallljahrszins. Ferner setzte er für 50 Mühlsteine 700 Tl. an, während die Loitz nur 500 berechneten. Über den Hauptposten, die 6200 Tl. vom 6. Februar 1560, besaß

Lindholz eine besondere Obligation und verpfändete diese 1572 an

Johann Brand v. Lindau zu Senftenberg, wobei er für ausgelaufene

Zinsen noch 5120 Tl. aufschlug. Er hat also von der Forderung samt Zinsen noch Gebrauch gemacht, nachdem sie längst erledigt war.

Aus den Lindholzschen Papieren entdeckten die nachforschenden Räte weiter mit großem Befremden, daß Lindholz in seinem und der Loitze Namen im Leipziger Michaelismarkt 1562 dem Kurfürsten

eine Rechnung von 9000 Tl. weniger 6 sgr. aufmachte, sich aber am Sonntag danach in Cölln vom Kurfürsten eine Verschreibung über 10 000 Tl. ausstellen ließ, und daß der Posten dann noch in 25 000 Tl.

enthalten war, die Th. Matthias 6. Januar 1563 versicherte. Unerklärt l) Bgl. oben S. 205, auch Papritz, Sp. 191 bz. S. 117 f.

blieb auch, was die 1000 Tl. mehr in der kurfürstlichen Verschreibung bedeuteten, ob sie vom Kurfürsten dem Lindholz geschenkt oder von diesem zu viel gerechnet waren; bezeichnenderweise taucht in den

breiten Erörterungen gar nicht der Gedanke auf, den Kurfürsten selbst darüber zu fragen. Unter jenen 9000 Tl. waren 5160 Rhein. Gold­ gulden ä 27 sgr. = 5793% Tl., die der Loitzen Diener empfangen, ohne daß angegeben wird, wofür, und 2706 Tl., die Zaschwitz für vier

verschiedene Vorlagen erhalten hatte. Daß Zaschwitz nun neben Mellmann diese versichert hatte, wurde einer

Decke

gesteckt

dahin

hätten.

ausgelegt,

Mit

Rechnung

als wenn

Genugtuung

sah

auch

beide unter man

aus

dem Schreiben von Picht, daß Zaschwitz gegen Lindholz ver­ steckte Anschuldigungen erhob und „daß sie einander selbst ihre Händel als nicht recht richtig aufrucken." Höchst mißtrauisch wurde auch geprüft, was Johann Brettschneider als Sachwalter des Kur­

fürsten mit Lindholz, der ja Brettschneiders Schwiegersohn war, alles verhandelt hat, desgleichen die öfteren Zahlungen, die er von Lindholz

erhalten und die dieser dem Kurfürsten zu Lasten gebucht hatte?) Lindholz bat von Reuten 1. Dezember 1567 den Markgrafen Jo­

hann um Freigabe seiner Sachen, da, wie er gehört, die Städte gezahlt hätten. Wenn aber der Markgraf sich vorher wegen etlicher Briefe,

die in den Laden gefunden worden sein sollten, wie ihm (Lindholz) der Hauptmann von Cottbus, Barthold v. Mandelsloh, berichtet, mit ihm unterreden wolle, fei er bereit zu kommen, sofern man ihm sicheres Geleit biete; er wolle sich verantworten und zeigen, daß er seiner

Händel gar keine Scheu habe. Das Geleit wurde ihm gewährt, obwohl die Städte noch nicht gezahlt hatten; Lindholz zog es aber vor, nicht zu kommen und wurde 20. April 1568 von Küstrin nochmals daran erinnert. Inzwischen mag wohl folgender Befehl des Kurfürsten Jo­

achim II. an die Hauptleute von Fürstenwalde und Rüdersdorf und einen (Landreiter?) Christoph Mentzinger ergangen sein, der aller­

dings nur undatiert erhalten ist: Da Andreas Lindholz wider das Reichsverbot des Granulirens und Brechens der Münzen und das kurfürstliche Edikt gegen ungebührlichen Wucher gehandelt, und anderer Ursachen halber sollten sie ihn, wo er anzutreffen, bestricken

und ins Hoflager liefern, alle seine Lehen und Güter, zu Trebus, *) Späteres scharfes Urteil über die 72 000 Tl.: Friedensburg, Ständeakten II 619 f.

Schuldverschreibung

der

Fürstenwalde, Beerfelde und anderswo gelegen, zu des Kurfürsten Händen einziehen, alle Kleinodien, Silbergeschirr und Barschaften,

auch Brief und Siegel inventieren und besiegeln und, wie solches alles befunden, melden. Man hatte demnach neben dem Vorwurf des Wuchers, den man aus der übermäßigen Zinsberechnung und dgl. herleitete, noch den des Münzverbrechens, der Kipperei, gegen Lind­ holz ausfindig gemacht, den wahrscheinlich seine zahlreichen Feinde

und Neider erhoben hatten. Bei dem wider ihn eingeschlagenen Verfahren ist aber offenbar nicht viel herausgekommen, denn Lindholz erwähnt in einem Schreiben, das er gleich nach dem Tode des alten Kurfürsten an dessen Nachfolger richtete, 11. Januar 1571, nur: Der verstorbene Kurfürst ist mir etwa vor drei Jahren (wiewohl sonder all mein Verschulden) in meine Lehen und Erbgüter eingefallen und hat mir durch den

Heidereiter zu Cöpenick etzlich Getreide einziehen lassen, das ich noch auf diese Stunde nicht bezahlt bekommen, auch darüber in etlichen Jahren weder Hauptsumme noch Zinsen erlangen können. Die Lehen hat Lindholz wohl nicht verloren, er wird im Frühjahr 1571 noch als zu Trebus erbsessen bezeichnet. Dagegen mußte an Gläubiger allerlei preisgegeben werden. Sein Gut zu Beerfelde und Besitzungen vor Fürstenwalde hat sein Schwager Peter Krause zu Fürstenwalde 1567 gekauft; derselbe hat auch das Lindholz'sche Vor­

werk vor Lebus wegen seiner Bürgschaftszahlungen an sich genommen und 1583, allerdings unter Protest von Lindholz, um 800 Tl. weiter verkauft. In Lindholz' Wohnhaus in der Breiten Straße ließ ein Dr. Lukas Hoffmeister sich einweisen, doch erhob Lindholz' Schwager

Michael Damerow wegen einer Forderung von 500 Tl. im Dezember 1570 darauf Anspruch. Das Burglehen, Klosterstraße 73, das 1540 an Andreas Lindholz (d. Alteren) verliehen worden war, wurde 1568 vom Kurfürsten an den Professor theol. Abdias Praetorius verliehen?)

Lindholz hat indessen trotz der kurfürstlichen Ungnade von Mark­ graf Johann Georg 21. September 1569 den oben erwähnten Geleit­ brief auf Leipzig erhalten und wird darin als dessen Faktor bezeichnet. Daß die

früheren Beziehungen weiterbestanden,

geht

auch aus

einer Rechnung von Ostern 1570 hervor, wonach Lindholz für ge­ kauftes Amterkorn 5334 Tl. entrichten mußte und in jenem Jahr auch bezahlt hat. Davon sollte er 2071% Tl. „zu Bezahlung der alten

*) Heidemann, Graues Kloster, S. 24.

Schulden

und

Rechnung, so er s. f. g. (Markgraf Johann Georg)

4. Nov. 1569 übergeben, Andreas Massowen (für Wein) ablegen, 2000 an Jacob Griebens Erben auf Abschlag ihrer Forderung". Diese betrug 1572 noch 5600 Tl., die auf die Neumark angewiesen

wurden. Lindholz hat ferner namens des Markgrafen Johann Georg an den Grafen Botho zu Reinstein und Blankenburg 900 Tl. rück­ ständiger Besoldung gezahlt').

Die große Schuldensache mit dem Lenzer Zoll aber betrieben 1569

und 1570 die zwei Gebrüder Loitz allein, und wenn Lindholz in Schreiben, die im Januar und Februar 1570 von Stettin ausgingen, mit unterzeichnet erscheint, so ist wohl sein Name nur von den Loitzen als eines Teilhabers zugefügt, ihrer Abmachung von 1565 gemäß.

Tatsächlich muß die kurfürstliche Schuldverschreibung über 72 000 Tl.

in den Alleinbesitz der Loitze übergegangen und von ihnen 1569 oder 1570 an ihre pommerschen Gläubiger cediert worden sein. Die neuen Inhaber waren acht pommersche Adlige; sie machten, als durch ein

offen angeschlagenes Edikt von Anfang November 1571 alle Gläubiger und Bürgen vor die mit Untersuchung der kurfürstlichen Schulden­

sachen beauftragten Hof- und ßanbräte*2) beschicken wurden, durch Vertreter ihre Forderung geltend, mußten aber erfahren, daß zwei märkischen Adligen, Georg v. Blankenburg zu Wolfshagen und Joachim v. d. Schulenburg zu Löcknitz, die auf die 72 000 Tl. Kummer­ klage erhoben hatten, deswegen die Priorität zuerkannt war, und sie

selbst zu rechtlichem Prozeß verwiesen wurden. Jene beiden Gläubiger haben dann die Urkunde über die 72 000 Tl. dem Kurfürsten gegen Zahlung von 22 000 Tl. ausgefolgt.

Andreas Lindholz' Ausgang. Lindholz kehrte sogleich nach dem Tode Joachims II. (3. Jan. 1571)

nach Berlin zurück und wandte sich alsbald an den neuen Kurfürsten mit einem Bericht vom 11. Januar: Er habe die seinerzeit (1565) durch ihn eingelösten kurfürstlichen Kleinodien, weil er keine Be­

zahlung erhielt, notgedrungen zu Erhaltung seines guten Glaubens versetzen müssen und sei jetzt, weil ihm eine Zeitlang von seinen Schuldnern (er sagt „Gläubigern") wenig Zahlung geschehen, nicht

des Vermögens, sie einlösen zu können. Er erbot sich, wenn ihm auf seine ausstehenden Forderungen 12 000 Tl. abgezahlt würden, die

*) Quittung v. 1V. Oktober 1569, Rep. 9 YYc. 2)Rep. 61.33a. Dgl. Haß, Stände, S.179. 223

Kleinodien wieder auszulösen und an den Kurfürsten auszuantworten. Daß seine Beziehungen zu Johann Georg auch vorher nicht abge­

brochen waren, geht aus seiner weiteren Angabe hervor, der nun­ mehrige Kurfürst habe ihm schon zweimal den Verkauf seines Korns aus allen Ämtern angeboten und es ihm vor allen andern gönnen

wollen. Er erklärt sich auch dazu bereit und bittet um Angabe der Menge aus jedem Amt, worauf er fein Angebot machen wollte. Bei der Abrechnung mit den Landräten 1571/721) forderte Lind­

holz nur 3232 Taler 19 gr., die Kurfürst Johann Georg ihm in die wachende Schuld zu setzen schuldig sei, laut zugeschickten Zettels. Es

handelt sich dabei offenbar nur um eine Forderung aus den Faktor­ geschäften, nicht um eine von dem verstorbenen Kurfürsten her­

rührende Geldangelegenheit. Denn diese alten Sachen sind vermut­

lich gänzlich niedergeschlagen und jedenfalls in jenem Verfahren gar nicht berücksichtigt worden.

Lindholz erscheint in der Folge mehrfach vor dem Kammergericht in streitigen Geldsachen. So forderte er im Oktober 1571 Jobst Krappe, der neben ihm und Massow für Christoph Rauch auf 800 Taler ge­ bürgt und drei Viertel des Betrags zu Ostern bezahlt hatte, wegen Nichthaltung vor die Schranken, obwohl er selbst Krappen 448 Taler Michaelis schuldig geblieben war. Lindholz tat ferner im März 1572

neben drei Adligen zu allen hinterlassenen Gütern seines einstigen Mitarbeiters Andreas Massow, der 1570 schon tot war, Arrest und Kummer. Ihm selbst aber ging um diese Zeit, wohl 1573, Trebus verloren: der kurfürstliche Kämmerer Ludwig v. d. Groeben, dem Lindholz 10 000 Taler schuldete, wurde wegen dessen Nichtzahlung eingewiesen und hatte es eine Zeitlang inne. Doch erhielt Groeben 1573 Befriedigung seitens der fünf Bürgen (C. Meinow, Joh. Brett­ schneider, A. Massow, P. Krause, Joachim Zerer) bzw. deren Erben für das Kapital und die seit 62/3 Jahren rückständigen Zinsen

(4000 Taler), teils durch Versicherung bei der altmärkischen Städte­

kasse, teils „mit Abtretung zinsbarer Schulden". Dadurch kam Trebus an drei der Bürgen: Brettschneider, Zerer und die Meinowschen Erben, und schließlich, nach vielerlei Streitigkeiten und Besitzwechseln,

an die letztgenannten allein (1561)2). Lindholz besaß also nur noch Reuten (1574). ‘) Stände-A. Bl n.8, S.372. *) Trebus gehörte später einem v. Petersdorf, 1651 dem gewesenen Amtsschreiber zu Fürstenwalde, Antonius König.

Lindholz hat noch um Jubilate 1572 für eine Schuld von 8000 Talern samt gebührenden Zinsen Peter v. Hohendorf zu Falkenhagen nebst anderen (darunter Brettschneider und Hieronymus Tempelhof) gegen Kuno v. Thümen in Bürgschaft ausgesetzt und seinen Schwager Krause sowie seinen Bruder Christoph bewogen, für Hohendorf Schad­

losversicherung auszustellen. Lindholz ließ die Bürgen sitzen, sie mußten alle zahlen.

Auch eine an Caspar Flanß, Hauptmann zu

Fürstenwalde, zu Neujahr 1572 fällige Schuld von 4000 Talern und 1000 Rhein. Goldgl. (ä 27 sgr.) konnte Lindholz nicht bezahlen, und es mußten die Bürgen: Hans Brettschneider, Hier. Tempelhof, Jhan Reiche, Caspar Meinows und Joachim Fuhrmanns Witwen und

Erben, für das ganze samt und sonders eintreten. Sie verglichen sich mit Flanß Anfangs Februar, 1000 Taler nebst 235 Taler Zins und

Interesse zum Leipziger Ostermarkt, alles übrige auf Neujahrstag 1573 abzulegen, samt etwaigen durch Nichthaltung verursachten Un­ kosten und Schäden, und hafteten dafür mit sämtlichen Gütern**).

Trotzdem war der Kredit und das Ansehen des einst so gewichtigen Geldmanns, wie es scheint, noch nicht völlig geschwunden. Der end­ gültige Zusammenbruch, der sich in gehäuften Kummerklagen be­

kundete, trat erst 1573 ein. Lindholz hatte außer seinen wenig aus­ sichtsreichen Schuldverschreibungen nur noch ein Guthaben bei der Landschaft von seinen Spiegelschen Forderungen her-). Unter den Gläubigern sind Berndt von Winterfeldt mit 13500, Kuno von Thümen

mit

8000,

Kaspar von

Flanß mit 3000

Talern

und

1000 Goldgl., Kurt Barnstedt mit 1500, Christoph von Ziegesar mit

1500, Wichmann von Hacke mit 3500 Talern. Lindholz' Bürgen wurden für die einzelnen Posten herangezogen, und es ergingen 1573 und namentlich im Frühjahr 1574 Zahlungsurteile gegen sie. Schon im Juli 1573 taten die Bürgen, da sie rückständige Zinsen von 23 000 Talern Schuldsumme zahlen mußten, Kummer zu Lindholz' Gut­

haben bei der Landschaft. Dieses zedierte Lindholz selbst aber dem Oberschenken Hans von Thümen, dem er mit einer ansehnlichen Summe verhaftet war, und im Frühjahr 1580 erhielt auch Otto von Krummensee Arrest dazu.

wegen

einer

alten

Schuld

von

1690)4

Talern

*) Dem Dietrich Flanß hatte Lindholz 1564 mehrere Zahlungsforde­ rungen, die er an den Kurfürsten wegen ausgelegter Beträge hatte, zusammen gegen 3000 II., übertragen. (Stände-Arch. B. 1. 8, S. 81.) *) Siehe oben S. 210.

Unter den leidtragenden Bürgen waren vor allem Lindholz' Schwiegervater, der Cöllner Bürgermeister Joh. Brettschneider, und Hieronymus Tempelhof, feit 1575 Berliner Bürgermeister, ferner Lindholz' Bruder Christoph, seine Bettern Bartholomäus und Joachim, Dr. jur. und kurfürstlicher Rat, seine Schwäger Krause und Damerow, Jan Reiche und viele Adlige. Tempelhof hat sich schon vor gerichtlichem Austrag von Lindholz selbst Schuldverschreibungen

in Höhe von etwa 15 000 Talern zu verschaffen gewußt, auf die aber Lindholz schon längst (von den Zachwitzschen Erben) durch Zwangs­ maßnahmen, was nur möglich war, beigetrieben hatte. Sie waren jetzt wertlos. Tempelhof ist namentlich durch Lindholz in schwere Schulden geraten, aus denen er sich nicht wieder heraushelfen

konnte. Brettschneider berechnete das, was er für seinen Schwieger­ sohn unmittelbar ausgelegt hatte, Ostern 1566 auf 8230 Taler ohne die Zinsen; er wollte 8000 Taler bis Ostern 1570 stehen lassen, aber 600 Taler jährlich Zinsen davon haben. Biel höher waren seine Bürgschaftsoerpflichtungen. Da er Frühjahr 1574 seine Bürgschafts­ anteile nicht alle zahlen konnte, erhielten seine Mitbürgen (gegen Winterfeldt und Thümen) Arrest zu allen seinen Gütern. Claus

von Arnim bekundet 1593, er habe Hansen Brettschneider als seinen unvermögenden Mitbürgen in vielen Posten mit aufnehmen und Übertragen helfen müssen. Brettschneider starb noch in jenem Jahre (1. Juli 1574). Im Januar 1576 wurde entschieden, daß seine Witwe

und Kinder sein Haus, in das drei andere Gläubiger für zusammen 3960 Taler Einweisung erhalten hatten, räumen müßten; auch der Rat zu Cölln legte wegen einiger 100 Taler versessener Schösse und

anderer Schulden Arrest auf Brettschneiders Berlassenschaft und pfändete einen Garten.

Zur Erholung seines Schadens hatte Brettschneider Anweisung an die Einkünfte von Buckow und Rudow erhalten, die dem Bater von Andreas, Peter, zustanden und nach dessen Tode Brettschneider zu­ fallen sollten. Der Alte hatte zwar schon frühzeitig seine sämtlichen

Güter seinem Sohn Andreas übergeben und sich nur 42 fl. und zwei

Wispel Roggen zum jährlichen Unterhalt Vorbehalten. Da der Sohn ihm aber diesen schuldig blieb, so daß es fast in die 800 fl. ging, und sich darüber noch bei 128 Tl. vom Bater oorstrecken lieh, so hat dieser

„zeitlich zu solchen Lehnstücken gekümmert und sich daran gehalten".

Peter Lindholz starb 1578, nachdem er sich schon „vor etlichen Jahren wegen Alters und Schwachheit von seinem Amt als Ratskämmerer

beim Kurfürsten losgebeten". Seine Erben suchten den Brettschneiderschen ihren Anspruch zu bestreiten; es wurde Dezember 1578 verab­ schiedet, die Sache beträfe sämtliche Lindholzschen Kreditoren. Wegen

der Einkünfte aus Rudow entstand auch Streit zwischen Peter Lind­ holz' Landerben Michael und Hans Damerow und Bartholomäus

Lindholz'). Durch einen Abschied von Michaelis 1588 wurden Bartholo­ mäus' Erben in der Possession von Andreas' Anteil an Buckow, Rudow und Teltow geschützt").

Brettschneider hat auch Verschreibungen von seinem Schwieger­ sohn selbst erhalten. So eine Post von 7000 Tl. bei der Landschaft, die Lindholz von Nickel Langen, einem Lausitzer Adligen, überkommen

hatte. Darauf, nebst den betagten Zinsen, die März 1588 auf 7800 Tl. angegeben werden (also bei 6 % 20 Jahre, von 1567 her), hat später der Rat von Berlin „Kummer getan". Doch erhoben auch Meinow „und Consorten" wegen der Forderungen, die sie von Lindholz zu mahnen hatten, Anspruch darauf. Brettschneider hatte ferner eine Cession über die Rammelburgische Forderung, die später beim Berliner

Rat in deposito verwahrt wurde und 1599 den Hübnerschen Erben

ausgefolgt werden mußte; sie muh ganz wertlos gewesen sein. Andreas' Bruder Christoph konnte, da er „offenbar noch zur Zeit

nicht des Vermögens" war, im Frühjahr 1574 keinerlei Bürgschafts­ anteile zahlen, auf seinen Besitz wurde Arrest gelegt. Im Februar 1576 erhielt noch sein Schwager P. Krause wegen der gemeinsamen Schadlosbürgschaft für P. v. Hohendorf Arrest und Kummer zu allen

Gütern, die Christoph hatte und von seinem Vater, Freunden u. a. zu erwarten habe. Die völlige Zahlungsunfähigkeit von Lindholz ist daraus zu er­

klären, daß er für seine größten Forderungen, die vom verstorbenen Kurfürsten herrührenden, keine Befriedigung erhielt. Hatte man doch bei der Nachprüfung des kurfürstlichen Schuldenwesens gefunden, daß das Loitz-Lindholzsche Gebaren geradezu ein Musterbeispiel wuche­

rischer Ausbeutung darstellte"). So mochte man annehmen, daß diese Gläubiger mit dem bisher Erhaltenen zur Genüge abgefunden seien

und nichts weiter zu beanspruchen hätten. Lindholz wird sich, nachdem er auch Trebus verloren, auf seine Niederlausitzer Besitzungen begeben *) Abschied v. 20. Dez. 1581: alle Teile sollen zunächst in Possession bleiben. Bep. 97.1. 27. 2) Bep. 97. I. 33. 3) Friedensburg, Ständeakten, II. S. 617 fs. Dgl. oben S. 224. 15»

227

haben; im Frühjahr 1574 heißt es: Andreas Lindholz „zu Reuthen",

und 2. Februar 1574 hat er zu Oberin (jetzt Kreis Luckau) die Zafchwitzschen Schuldverschreibungen an Hieronymus Tempelhof ab­ getreten. Dieser Ort liegt halbwegs zwischen Berlin und Reuthen,

südöstlich von Teupitz, in dem am weitesten nach Berlin zu vor­ springenden Zipfel der Lausitz, so daß man vermuten kann, er sei zu einer Zusammenkunft deshalb gewählt worden, weil Lindholz mär­ kischen Boden nicht mehr betreten konnte. Ob das kurfürstlicher Un­ gnade oder der unbefriedigten Gläubiger halber geschah, muh aller­ dings dahingestellt bleiben. Lindholz aber hat seine Ansprüche gegen

den Kurfürsten beim Kaiser, der ja sein Landes- und Lehnsherr war, betrieben, und Maximilian II. sich mehrfach beim Kurfürsten für ihn

verwendet. Dieser hat schriftlich und dann auch zu Regensburg münd­ lich dem Kaiser Gegenbericht getan, doch ist dieser Schriftwechsel und

wessen der Kurfürst sich erboten hat, leider nicht zu finden. Kaiser Rudolf II. schrieb schon acht Tage nach seinem Regierungsantritt (20. Oktober 1576) von Regensburg wieder an den Kurfürsten wegen Lindholz' Beschwerde, daß man ihm der Schuld nicht geständig sei

und keine kommissarische Untersuchung bewillige, und befürwortete, daß ihm das gebetene Verhör nicht ferner verweigert, sondern ohne Verzug verstattet werden möge. Der Kurfürst aber bestritt kurz und

entschieden, daß Lindholz alles Verhör abgeschlagen sei, und verwies lediglich darauf, was er schon in der Sache berichtet, wessen er sich er­

boten und wie der verstorbene Kaiser darauf der Billigkeit gemäh dekretirt habe^). Lindholz versuchte inzwischen, seine drängenden Gläubiger und Bürgen hinzuhalten, indem er ihnen kurfürstliche Schuldurkunden für

unverhältnismäßig kleine Beträge verpfändete; er verklagte endlich 1579 die Verordneten der Landschaft auf Erfüllung ihrer Zahlungs­

verpflichtungen. Das Ende des Prozesses erlebte er nicht mehr. Lindholz suchte immerhin noch einzuheimsen, was irgend möglich war.

Ein

Hieronymus v. Minkwitz auf Friesen und Selchenstadt (Sachsen) war ihm mit 1500 Taler verhaftet. Auf diese Summe erhielt Jhan Reiche,

weil er viel für Lindholz zahlen müssen, Kummer, mit der Bedingung aber, daß er Minkwitz für etwaigen daherrührenden Nachteil schadlos halten müsse. Da Lindholz deshalb an Minkwitz nicht herankam, hat

er dessen Bürgen „eingefordert und Schaden auf sie geschlagen", so daß. Ö~Rep. 1. 4 E.

Minkwitz nach seiner Angabe 842 Taler Schaden daraus gelitten und erlegen müssen. Diese forderte er von Reiches Erben wieder und er­ wirkte September 1578 durch Kammergerichtsabschied Arrest und

Kummer zu Reiches Verlassenschaft**).

Andreas Lindholz starb am 6. Oktobers 1589 „an einem andern Ort, da er hausgehalten", wie es in der Cöllner Chronik heißt, also

vermutlich zu Reuten, dem einzigen Besitz, der ihm geblieben war. Er hinterließ seine Witwe in dürftigsten Berhältnissen. Sie ver­ zichtete 1615 gegen ganze 600 Taler förmlich auf sämtliche Ansprüche

ihres Gatten an die Landschaft und auf die Fortführung des von ihm begonnenen Prozesses. Die ständischen Verordneten haben auch

einige der von Lindholz verpfändeten Verschreibungen für die ver­ hältnismäßig sehr geringen Pfandbeträge einlösen können. Bald nach Lindholz' Tode trat sein Schwager Joachim Brett­ schneider^), der Sohn des einstigen Bürgermeisters Johann Brett­

schneider, mit einer von Lindholz herrührenden Verschreibung über 1500 Taler an die Verordneten zum Neuen Biergeld heran und

forderte dringend Bezahlung. Die Verordneten berichteten, als Brett­ schneider sich nicht abweisen lieh, darüber an den Kurfürsten*): Diese Forderung rühre von Christoph Romanus und Cornelius Bur-

ling, einem welschen Juwelier her, „denen diese Schuld in geschehener Liquidation, da sie auch nur für wachende Schuld angegeben wurde,

so hoch nie gestanden" worden sei. Weil sie die Zeit damit nicht fort­

kommen mögen, hätten sie diese „Lindholzen, vielleicht umsonst, cediert und abgetreten,, inmaßen Lindholz solcher Posten mehr an sich ge­ bracht, der dann ferner nicht gesäumt, sondern oom verstorbenen

Kurfürsten — wie dazumal leicht geschehen können — eine Ver­ schreibung erpracticiert und, als er die wegbekommen, solche Post

bei der Landschaft angegeben, da sie auch verzeichnet, Lindholzen aber darauf nichts gut gethan worden, sondern also stehen geblieben, bis

er bald hernach diese Post mit in seiner ganzen Liquidation auch ge­

bracht, da auch diese und andere Posten streitig gemacht und aus­ gesetzt, und kann wohl sein, daß er sie dazumal Jochim Brettschneidern

cedirt. Endlich sind auf diese und andere Lindholzen unrichtige For­ derungen auf kurfürstliche vielfältige ernstliche Befehle der Witwe *j-Rep. 97. I. 25.

s) So nach Bürgerbuch; nach Papritz, Sp. 216: November. Joachim Brettschneider ist 1596 kurfürstlicher „Futtermarschalk". *) Undatiert, Bep. 20. 5.

Markgraf Johanns und derselben wegen dem Kurfürsten selbst, Lud­ wig v. d. Groeben, Christoph Sparren, C. Meinows sei. Witwen und anderen viele große Summen bezahlt worden, daß man also nun Lind­

holzen, dessen Witwen, Erben und Gläubigern vor ausgehender Rechtfertigung durchaus nichts geständig." Es sei befremdlich, daß Brettschneider erst bald nach Lindholz' Absterben damit Herfür komme.

Sie baten, jenem aufzuerlegen, daß er sein habend Brief und Siegel der Landschaft einantworte und sie ungemahnt lasse. Lindholz' anderer Schwager Peter Krause hatte an den Kur­ fürsten Forderungen für Vorschüsse, Bürgschaftszahlungen, Liefe­ rungen und zwei Häuser, insgesamt 11829 Taler. Weil er jedoch darin auch eine Auslage für einen Iudenbrief, 4102 Taler, angesetzt, aber keinen kurfürstlichen Befehl hatte, ihn an sich zu losen, derselbe

auch schon durch andere eingelost war, er auch viel übermäßigen Schaden zugeschlagen hatte, wurden ihm nur 2000 Taler zinsbar, 3000 wachend bewilligt*2).* * Die

späteren

Lindholz.

Andreas Lindholz hinterließ ebenso wenig wie sein Bruder Christoph Nachkommenschaft; die zahlreichen späteren Berliner Lind­

holz gehen auf Andreas' Better Bartholomäus zurück, teilweise auch auf den Strausberger Zweig der Familie, von dem schon 1553 ein Dr. Joachim Lindholz als kurfürstlicher Kammer-Gerichtsrat hier genannt wird (gestorben 1574). Bartholomäus war, wie schon sein

Vaters, „vornehmer Handelsmann" in Cölln und Mitbesitzer der Landgüter im Teltow. Er war als mehrfacher Bürge in den Zusammenbruch von Andreas verwickelt; daher rührt es wohl auch, daß er im Herbst 1574 bei Jobst Brand v. Lindau 1100 fl. schwerer Münze aufnahm; der Gläubiger ließ deswegen schon

nach Jahresfrist Arrest zu allen seinen Gütern in der Mark tun. Im April 1573 hat Bartholomäus als Bürge für den Berliner Ratsmann Joachim Wilcke sich erboten, an dessen Gläubiger Dr. Georg Coelestinus

1700 Taler bei der Landschaft abzutreten, wovon aber 700 „wachend"

und nicht zinsbar roaren8). Die Vermittlung scheiterte, denn Wilcke, der dem Dr. Coelestinus, der übrigens Schwiegervater des jüngeren ^Stände-Arch. B. 1. 8, S. 340. 2) Andreas, wohl nicht Peter, wie Hendreich und König, beide nach einer Leichpredigt, angeben.

a) Bert. Stadt-A., Not. Heyde 179.

Bartholomäus Lindholz war, 2700 Taler zinsbar schuldete, wurde

wegen Nichtzahlung „in der Thorstube bestrickt". Im Juli 1573 lösten ihn Bürgermeister Christoph Roch, Bartholomäus Lindholz, Levin Wins und Jacob Zobell aus der Haft, indem sie bei Verpfändung aller ihrer unter dem Kurfürsten habenden Güter gelobten, ihn, sofern er inner sechs Wochen nicht Zahlung leiste, darin wieder einzustellen oder andernfalls samt und sonders und einer für alle für Befriedigung des Gläubigers zu haftens.

Bartholomäus hinterließ bei seinem Tode (3. Mai 1585) sechs Kinder aus zwei Ehen; bei der Erbteilung zwischen den drei Söhnen

erster Ehe übernahm der eine, Bartholomäus, das Haus zu Cölln, das die Vorfahren schon über 100 Jahre innehatten, samt Braugerechtigkeit und Äckern, für 886 Taler, zu einem billigerweise wohlfeilen Anschlag; die Landgüter im Teltow blieben gemeinsam. Sie hatten auch ihres Oheims Andreas Lehnanteil inne wegen der Aufwendungen, die ihr

Vater für ihn gemacht, und wurden zu Michaelis 1588 darin be­ stätigt-). Das Dorf Buckow samt oberen und niederen Gerichten und

Kirchlehen besaß dieser Zweig der Lindholz noch 16493*).2

Bartholomäus d. J.H war einer der reichsten Kaufleute der Stadt;

er trieb sowohl Warenhandel wie Geldgeschäfte, diese vornehmlich mit dem märkischen Adel, auch den ständischen Körperschaften. Er genoß offenbar besonderes Ansehen und erscheint schon als Geldvermittler in der Art eines Bankiers. So wurde er im Januar 1600 von Georg

v. Bredow ersucht, für ihn 2000 Taler zinstragend unterzubringen. Er versuchte das bei Dietrich v. Flanß, der aber nicht genügende

Sicherheit stellen konnte, so daß sich das Geschäft nach längerer Zeit zerschlug. Bredow wollte nun von Lindholz Ersatz für halbjährigen

Zins haben, der ihm dadurch entgangen sei, doch entschied das Kammergericht, daß Lindholz, der nach seiner Angabe in dieser Sache

nur ein Unterhändler gewesen und sich in einige Obligation für Flanß nicht eingelassen habe, dafür nicht mit Fug belangt werden

könne3). *) Rep. 97. I. 21. 2) Rep. 97. I. 33. 3) Kurfürst!. Lehnbriefe o. 1599 u. 1620; Kurf. Bestätigung v. 9. 3. 1607. Rep. 78. II. L. 57. *) Bürger zu Cölln 1584, Ratsmann 1598, Kämmerer 1600—06, wurde 1621 von Hans Jürgen v. Hacke erschlagen. -) Rep. 97. I. 47.

Bartholomäus hatte ferner mit Bürgermeister Scholle eine Sozien tät wegen des Handels mit Mastbäumen, worüber Streit zwischen beiden entstand und am 20. Juni 1604 ein Abschied erteilt rourbe1).

Bartholomäus hat dem Kurfürsten Johann Sigismund 142 Eimer Rheinwein ä elf Taler zum Liegnitz-Briegschen Beilager geliefert, für 1562 Taler, laut Schein vom 1. Februar 1611. Er wird am 22. Januar 1614 wegen Zahlung an die neumärkischen Kontributionsgelder ver­ wiesen und ihm werden von da an auch Zinsen zugebilligt. Gezahlt wurde aber trotz vielfältigen Anhaltens nichts, so daß die Schuld bis Johannis 1623, laut der mit kurfürstlichen Deputierten gehaltenem Liquidation, auf 2452 Taler angewachsen war. Lindholz' Tochter Ursula, Witwe des Advokaten Marcus Crambehr, supplizierte noch 1651 um eine erkleckliche Abzahlung, sie habe bis dato fast wenig trotz flehentlichen Anhaltens erhalten können, sei daher in Armut und Schulden geraten. Der Posten belaufe sich an Kapital und Zinsen noch auf etwa 4000 Taler-). Bartholomäus weigerte sich einmal, für seinen Sohn Kaspar, der Offizier wurde, Schulden, die dieser bei Berliner Kramern und in Wittenberg, wo er studiert hatte, gemacht, zu bezahlen, da er dem Sohn 200 Taler jährlich als Alimentation verordnet habe-). Bartholomäus' Bruder Andreas heiratete die Tochter Ursula des bekannten Kaufmanns und Stadtkämmerers Krappe und war von 1597 bis zu seinem Tode 1617 kurfürstlicher Geh. Sekretär. Andreas Lindholz hatte nicht nur Philipp Krappe 1800 Taler auf Zinsen ge­ geben, sondern auch 2000 Taler an Geld und brieflichen Urkunden bei ihm niedergelegt. Nach Krappes Tode 1592 hatte er aber Schwierigkeiten, seinen Teil, 1730 Taler, herauszubekommen. Noch 1599 erging wegen Zahlung eines Restes von 267 Talern samt beweislichen Unkosten ein Abschied"). Andreas Lindholz hatte mit Bürgermeister Georg Rost, dem kur­ fürstlichen Kanzleiverwandten Burkhard Rahfuß und Joachim Hart­ mann für Joachim Grieben (den Sohn des bekannten) eine Bürgschaft übernommen; die Bürgen ließen sich dafür von Griebens Ehefrau Ursula Trebbow eine Verschreibung über 1000 Taler geben, die diese aber als nichtig und erzwungen und ohne Vormund gegeben bald danach *) Rep. 21. 23 a. 2) Rep. 61. 33 b. 2. ’) 28. Juli 1614. Rep. 97. I. 70. *) Rep. 97. I. 38. u. 43.

durch notariellen Akt widerrief.

Das wurde durch Abschiede vom

5. Oktober und 2. Dezember 1605 anerkannt und entschieden, die

Bürgen sollten an Joachim Grieben sich anderweitig erholen'). Andreas Lindholz hat auch den Kurfürsten Geld geliehen. So einmal 600 Taler, worauf am 23. Februar 1601 aus der Hofrentei 200 Taler bezahlt wurden-). Ferner lieh er 1612 dem Kurfürsten 1360

Taler nach Nürnberg, auf Begehren des Statthalters Adam v. Putlitz, also offenbar in dringlicher Sache, gegen eine Verschreibung der Amts» kammerräte, zu 6 % Zinsen. Bis 1623 war weder Kapital noch Zins

gezahlt, die Schuld daher auf 2257 Taler gestiegen-).

Kammerpräsident Berndt v. Arnim zedierte an „Lindholz und Consorten" April 1630 560 Reichstaler, die die Stadt Bernau zur Juli­ anischen Kontribution schuldete. Lindholz' Erben klagten deswegen im November 1651 wider den Rat von Bernau'). Andreas'

gleichnamiger

ältester Sohn

war Kammergerichts­

advokat, 1641—55 Bürgermeister, 1642 auch Stadthauptmann von

Berlin. Er hatte in den v. Pfuel hartnäckige Schuldner, gegen die er mehrfach vorgehen mußte (1636—44).

1644—45 erscheint er als

Rechtsvertreter der Erben der Großkaufleute A. Sturm und P. Engel. Er kaufte 1643 einen Hackeschen Bauernhof mit fünf Hufen in Rudow,

den seine Söhne aber 1660 wieder veräußerten"). Der Kurfürst befahl mehrmals von Preußen aus, gegen Andreas Lindholz wegen „geübter wucherischer Händel" einzuschreiten; der

Fiscal meldete 1612 nach Preußen, die Cöllner Räte hätten es immer gehindert").

Welcher Andreas damit gemeint ist, erscheint jedoch

fraglich. Tobias Lindholz, jüngster Stiefbruder des Geh. Sekretärs Andreas Lindholz, war Bürger und Weißgerber in Cölln; er hat den

mittelmärkischen Städten 2000 Taler zu 6 % geliehen'). Dessen einer Sohn Tobias war 1645 Kammergerichtsadvokat und Syndikus der *) Rep. 97. I. 49. 2) Hausarch. 12 A 3) Rep. 61. 33 b 1. •) Rep. 97. 131. ») Rep. 78. II. 57. *) Rep. 9. II. 10 a. Ein anderer Andreas Lindholz ist um 1600 Ziese­ meister zu Strausberg, ein weiterer Andreas Lindholz, auch von dem Straus» berget Zweig, ist Tuchhändler (Gewandschneider) und Bürger zu Berlin (so 1611 u. 1633). *) Berschreibung von Michaelis 1621. Stände-Arch. III. 126.

Universität Frankfurt; «in anderer, Christian, wurde 1641 Handels­

mann und Kramer in Berlin. Er handelte mit Seiden- u. a. Kauf­ mannswaren, teils in „Maskopei", teils für eigene Person, kämpfte aber dauernd mit Geldschwierigkeiten. Er verpfändete seit 1646 seine Lehngüter und Pächte an verschiedene und verkaufte trotzdem die Pächte 1657 an einen anderen, was nun wieder lange Rechtsstreitig­

keiten ergab. Seine Waren befanden sich 1649 in gerichtlicher „Ver­ wahrung"; er selbst hat schon 1650 seinen Handel nach Neu-Ruppin verlegt. Zwei Hamburger Kaufleute versuchten noch 1653 und 1654 auf gerichtlichem Wege zur Bezahlung für gelieferte Waren zu gelangen; der eine konnte sich wegen seiner 645 Taler wenigstens an den Cöllner Handelsmann Niklas Jdeler halten, der für Lindholz ge­ bürgt hatte. Ein dritter klagte noch 1659, doch sollen ihm schon je 500 Taler Kapital und Zinsen anderwärts zediert worden sein. Ferner klagte Jakob v. Zieten gegen Lindholz 1652 um 1500 Taler. Doch hatte dieser auch erhebliche Guthaben bei Adligen und handelte in

Gütern. Er kaufte zu Weihnachten 1655 das Bellinsche Gut Barsikow für 3000 Taler und gab für einen Teil des Preises einen Hof zu Templin mit drei Hufen; 1660 bot er für das fubhastierte Gut Brauns­ berg eines v. Lose 2500 Taler*). Schließlich wird 1684 erwähnt, daß er sich absentiert habe und es unbekannt sei, ob er lebe2). Bon den Söhnen des Bürgermeisters Andreas Lindholz war der ältere, Andreas, jahrzehntelang in der Berliner Kammerverwaltung eine der geschätztesten Persönlichkeiten und starb als Geheimer Hofund Kammerrat am 11. Dezember 1702; sein Bruder Balthasar war

Halberstädter Kammerrat, überlebte ihn und hatte Söhne.

Der Einfall vom August 1567, Der so bezeichnete eigenartige Vorfall ist in den Ausführungen

über Grieben wie über Lindholz bereits mehrfach erwähnt worden. Es soll im folgenden versucht werden, ihn zu schildern und zu deuten. Am 3. und 4. August 1567 wurde bei den Berliner Kaufleuten auf Befahl des Kurfürsten durch dessen „Geschickte" ein „Einfall" aus« geführt, indem alles, was sich an Wertsachen, Geld und Waren bei ihnen befand, festgestellt, ausgezeichnet und versiegelt, das, was an

*TRep. 97. I. 136, 137, 143, 145, 147. -) Bep. 78. II. L. 57.

Edelmetall, Schmuck und Münzen sich vorfand, größtenteils dem Kur­ fürsten „überantwortet", d. h. zugestellt, ein kleiner Teil der Silber­ sachen aber an den Münzmeister Lippold gegeben wurde. Von dieser Maßnahme wurden betroffen: Andreas, Merten und Joachim Grieben, Hieronymus Tempelhof, Thomas Gategast, Andreas und Nickel Hartmann, Hans Mittel st ratz' Witwe, Andreas M a s s o w; die Kramer: Merten G o tz k e oder Jetzke, Jobst Krappe, Hans Meyer, Franz M u s e l o w und der Goldschmied Joachim Wilke. Erst am 9. August wurde Andreas Lindholz — als einziger Cöllner neben Andreas Grieben — dem gleichen Ver­ fahren unterworfen. Ferner wurden nachträglich auf kurfürstlichen Befehl die unbeweglichen Güter aller Genannten mit Angabe ihres veranschlagten Wertes verzeichnet, und zwar merkwürdigerweise durch den Rat zu Cölln; vielleicht, weil man diesen bei einer vorwiegend gegen Berliner gerichteten Maßregel für unparteiischer hielt. Nicht be­ troffen wurden die Berliner Bürgermeister Joh. Blankenfelde und Thomas Matthias, die zugleich in kurfürstlichen Diensten standen, aber auch die Bürgermeister Valentin Döring, obwohl er Kaufmann (Tuchund Weinhändler) war, und Christoph Rauch, ferner von bemittelten Bürgern: Franz Blankenfelde, Peter Krause, Joachim und Jhan Reiche, Merten Wins. Das sonderbarste bei dieser an sich befremdlichen Maßnahme ist die Tatsache, daß der Anlaß für ihre Durchführung nirgends an­ gegeben wird, und daß auch die Namen der die Sache durchführenden Kommissare nirgends erwähnt sind. Von der Hand des obersten Justiz­ beamten, des Kanzlers Lampert Distelmeier, wird am 21. August 1567 verzeichnet, „was im Einfall von den Bürgen genommen"1). Man

kann daraus schließen, daß der ungewöhnliche Schritt, wenn er nicht schon im Augenblick des Geschehens eine Rechtsunterlage besah, zum mindesten nachträglich legalisiert worden ist. Von Widerstand oder auch nur Widerstreben der Betroffenen verlautet nichts. Vielfach wird sogar erwähnt, daß die Gold- und Silbersachen „ganz gutwillig" heroorgeholt worden seien. Nur Andreas Grieben, der bei weitem am schwersten Betroffene, bittet in einer undatierten späteren Eingabe, der Kurfürst möchte in Anbetracht seiner 40 Jahre lang der Stadt treu geleisteten Dienste die ihm abgeforderte Barschaft, Silberwerk und Schmuck zurückgeben und sich in Ansehung seiner Unschuld künftig ‘Tßep. 21. 23 a.

nicht, ohne ihn zu hören, wider ihn zu Ungnaden bewegen lassen1). Immerhin bleibt zweifelhaft, ob von den andern betroffenen Kauf­ leuten die Berechtigung der Maßnahme anerkannt worden ist, oder ob ihnen vielleicht beruhigende Zusagen gegeben worden sind.

über den engsten Kreis der Beteiligten hinaus ist jedenfalls nur

der Einfall selbst, nicht seine Beranlassung bekannt geworden, woraus

man schließen möchte, daß für die Geheimhaltung dieser Veranlassung Gründe vorgelegen haben müssen. Von den Zeitgenossen erwähnen das Vorkommnis die Chronik der Cöllner Stadtschreiber-), Haftiz-)

und CreusingH; desgleichen findet es sich bei Locket"). Die Stadtschreiber-Chronik teilt mit, 1567 seien „der Bürger Güter in diesen beiden Städten Berlin und Cölln, auch an andern Orten, durch D. Christoph Bruckmann und andere churfürstliche Verordnete getaxieret und geschatzet worden, wie dieselben hinfüro sollen verschösset werden". Die Mitwirkung Pruckmanns, des Vaters des späteren Kanzlers, ist anderweitig nicht bezeugt. Im übrigen gibt diese Dar­

stellung offenbar nur einen Teil des Geschehenen — und wohl nicht den wichtigsten — wieder, indem sie die Einziehung des Bargeldes und der Gold- und Silbergeräte nicht erwähnt. Daß diese Darstellung die offiziell ausgegebene Version enthält, könnte man eventuell

daraus entnehmen, daß die Originalprotokolle — von dem etwas später aufgenommenen Distelmeierschen Verzeichnis abgesehen — den Vorgang wie folgt erwähnen: „Diese nachfolgende mit Namen hat Chf. Gnaden durch ihre Chf. Gn. Geschickten visitieren lassen" und „Verzeichnis, was man bei den Bürgern zu Berlin auf Churf. Gnaden gethanen Einfall befunden".

Creusing erwähnt, daß der Kurfürst 1567 „etzlicher Bürger Silber und Gülden Geschmeide zu Berlin und Spandow gevisitieret und nach sich gezogen". Er gibt dies als ein Beispiel dafür an, daß der Kurfürst in seinem Alter „seltsam und wunderlich" geworden sei, und stellt den Einfall auf eine Stufe mit dem sog. Knüttel-Krieg, einem vom Kurfürsten veranstalteten Kampfspiel zwischen den Berliner, Cöllner und Spandauer Bürgern, das offenbar nicht ganz harmlos aus­ gegangen war. Die Darstellung Lockels geht von ähnlicher Auffassung ÖRep. 61. 29cII. ’) Schrft. d. Der. f. d. Gesch. Berlins I. S. 5. ») Ebenda XXXI S. 62. ') Ebenda XXIII S. 168. 6) Handschrift im Besitz Dr. Wallichs, IIS. 226.

wie diejenige Creusings aus, vermischt indessen Knüttelkrieg und Ein­

fall vollkommen, indem sie diesen nur als eine Episode des Knüttel­

krieges ansieht. Zwischen der anscheinend offiziellen Darstellung der Stadtschreiber-Chronik und der den Eindruck des Volkes wiedergebenden der

beiden andern Chronisten steht Haftiz in der Mitte, damit auch wohl der Wahrheit am nächsten kommend: „Bald darauf ist man mit den Visitierwagen für der Landrentei und der fürnehmsten reichen Leute Häuser gefahren, was man an Gelde, Gold und Silbersachen gefunden, inventiret, in Laden geschlagen, gegen Hofe geführet, dafür doch etz-

liche hernach genügsame und überwichtige Erstattung bekommen, als ihnen genommen". Der doppelte Charakter der Maßnahme, einerseits als Inventuraufnahme, andererseits als Einziehung von Geldwerten, kommt hier richtig zum Ausdruck. Die sonst nicht erwähnte Tatsache,

daß später zum mindesten ein Teil der Bürger reichlich entschädigt worden sei, würde die aus den Akten hervorgehende relative Bereit­

willigkeit der Betroffenen zur Hergabe ihres Eigentums rechtfertigen.

Eine Erklärung der Maßnahme versucht merkwürdigerweise auch Haftiz nicht. Diese Erklärung ist später wiederholt unternommen wor­

den, ohne daß irgendeiner dieser Versuche befriedigen könnte. Moehsen*) möchte den Juden Lippold für den Vorschlag der Be­ schlagnahme von Gold und Silber verantwortlich machen. Der Um­

stand, daß nur der weitaus geringere Teil des gefundenen Edelmetalls an Lippold abgeliefert wurde, und die Inventarisierung der gesamten Vermögenswerte machen Moehsens Annahme, für die sich auch in den Akten kein Anhalt findet, unwahrscheinlich. Zimmermanns, der

ebenso wie Moehsen die Akten eingesehen hat, spricht von einer Auf­

lage auf Luxusartikel, die von Kurfürst Joachim II. zur Aufbesserung seiner Kasse erlassen worden sei, und die den Charakter einer Zwangs­ anleihe gehabt habe. Im übrigen glaubt auch er, daß die Anregung dazu von Lippold ausgegangen sei. Die Annahme einer Art von

Zwangsanleihe widerspricht indessen durchaus der damaligen Steuer­ verfassung. Die Erhebung einer Steuer wäre im 16. Jahrhundert nur durch die Stände oder ihre Organe möglich gewesen. Ein eigen­ mächtiges Vorgehen des Kurfürsten auf diesem Gebiet hätte zweifel­ los den Protest nicht nur der Betroffenen, sondern auch der Stände *) Gesch. d. Wissensch. in der Mark Brandenburg II. S. 515. 2) Versuch einer histor. Entwicklung der Märkischen Städteverfassun­ gen III. S. 123.

als solcher hervorgerufen. Im übrigen gibt auch Zimmermann zu, daß bis 1704 eine derartige Steuer in Brandenburg nicht wieder erhoben worden sei. Schließlich widerspricht der Annahme einer Luxussteuer auch die Angabe des Hastig, daß weitgehende Rück­ erstattungen erfolgt seien. Nicht viel mehr Wahrscheinlichkeit kommt den Hypothesen zu, die Fr. Holtze2) aufgestellt hat. Seine erste, dahinlautend, es handele sich um eine Taxe für die Vermögenssteuer, bei der man vielleicht einigen Defraudanten unängezeigt gebliebenes Gut fortgenommen habe, zeigt, daß er die Akten nicht gesehen hat. Ebenso wenig deckt sich mit der Wirklichkeit seine zweite Annahme, daß der Kurfürst bei reichen Bür­ gern gegen Schuldschein Darlehen ausgenommen und dabei statt baren Geldes auch Gold und Silber gegen eine mit den Herleihern verein­ barte Taxe angenommen habe. Weder von Schuldscheinen noch von vereinbarten Taxen ist in den Protokollen die Rede. Wenn man den Gedanken an eine Art von Zwangsanleihe aus­ schaltet — für die es schwer wäre, einen Präzedenzfall nachzuweisen —, so bleibt noch die Möglichkeit übrig, den Einfall als eine wenn auch etwas gewaltsame Kreditoperation — im weitesten Sinne — zu er­ klären, nämlich wenn man voraussetzt, daß die Berliner Kaufleute Bürgen für Schulden waren, die der Kurfürst einem Dritten gegen­ über eingegangen war. Daß Joachim II. die Städte veranlaßt hatte, für seine Schulden Bürgschaft zu übernehmen, und daß im Falle der Nichthaltung das Eigentum der Städte und ihrer Bürger zur Schadloshaltung ausdrücklich eingesetzt war, ist vielfältig bekannt. Gerade im Jahre 1567 fahndete sein Bruder, Markgraf Hans von Küstrin, auf wohlhabende Frankfurter Kaufleute aus Anlaß von Forderungen, die ihm gegen Joachim II. zustanden, und die von der Stadt Frankfurt a. d. Oder verbürgt roaren2). Dies Verhältnis wird auch bei der einige Tage nach dem Einfall erfolgenden Beschlagnahme der Lindholzschen Fahrhabe bei Peitz2) als Grund angegeben. Es ist deshalb vielleicht zulässig, auch für die Berliner Maßnahme zu ver­ muten, daß der Kurfürst auf Ersuchen des Markgrafen wegen Nicht­ haltung Berlins gegen dessen Bürger beschlagnahmend und sicher­ stellend vorging. Daß es zunächst darauf ankam, die Vermögenswerte der Betreffenden festzustellen und für einen etwaigen rechtlichen ZuUchrft. d. 58er. f. d. Gesch. Berlins XXXI. S. 63. *) Mollwo, Markgraf Hans von Küstrin, S. 502. 3) Vgl. oben S. 218 f.

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griff sicherzustellen, erhellt auch aus einer Bemerkung des Protokolls: zwei versiegelte Behältnisse der Mittelstrahin seien einige Tage später

eröffnet, d. h. entsiegelt worden, weil sie die darin enthaltenen Kleider und Schmucksachen benötigte und weil sie „zu Rechte stille zu stehen

erbötig gewesen". Daß gleichzeitig auch in den altmärkischen Städten eine Taxierung der Grundstücke vorgenommen wurdet, könnte als Bestätigung dafür dienen, daß es sich bei dem allem um eine städtische

Bürgschaftsverpflichtung handelte. Der groteske Umstand, daß die angerufene und pfändende Obrig­ keit der ursprüngliche Schuldner selbst war, würde gleichzeitig die Er­

klärung dafür abgeben, daß die Begründung des Einfalls sowohl gegenüber den Akten wie gegenüber der Öffentlichkeit geheim gehalten worden ist, und daß die Namen der durchführenden Beamten in den Akten fehlen. Auch die Tatsache, daß ein Teil des Edelmetalls an Lippold abgeliefert wurde, braucht unsere Annahme nicht zu er­ schüttern. Die Auflösung aller finanziellen Moralbegriffe in den letzten Regierungsjahren Joachims II. lassen es keineswegs unmöglich erscheinen, daß die zunächst als Rechtssicherung geplante Handlung

schließlich doch dazu führte, daß der Kurfürst die beschlagnahmten Dinge ganz oder teilweise für sich verwandte. Wenn damit die vor­ stehend aufgestellte Hypothese auch viel Wahrscheinlichkeit für sich hat, so wird sich mit völliger Sicherheit auf Grund des bisher bekannten Materials eine Aufklärung des Einfalls doch nicht geben lassen. Der Vorgang gewährt immerhin einen bemerkenswerten Einblick

in die Besitzverhältnisse. Weitaus der begütertste unter den Genannten war der Bürgermeister Andreas Grieben. Sehr stattliche Bar­ schaften an gemünztem Geld — 1769 Taler ohne die Goldmünzen —,

an Goldschmuck und Silbergeschirr wurden vorgefunden und ein großer Posten der verschiedenartigsten Tuche, teils in ganzen Stücken, teils angeschnitten. Wir ersehen daraus, daß Grieben Tuchhändler

war, den Tuchhandel im großen wie auch den Gewandschnitt betrieb, und zwar gab es offenbar keinen, der sich an Warenvorrat wie an Barerlös mit ihm messen konnte. Er hat auch den größten Grund­

besitz: Haus, Hof, Garten, Weinberg, Schäferei, Äcker und Wiesen, im

ganzen auf 922% Schock gr. angeschlagen. Mit diesem sehr soliden Besitz war Andreas Grieben der einzige unter den Aufgezählten, den

man als reichen Kaufherrn bezeichnen kann. *) Friedensburg, Ständeakten II523 ff.

Sein Sohn Joachim dagegen, der so große Geldgeschäfte machte, hatte in Berlin wenigstens kein eigen Haus, nur einen Wein­ berg, den er von Peter Krause gekauft hatte. In seiner und seiner Frau Abwesenheit wurde weiter nichts bei ihm gefunden als ein großer kupferner Kessel und ein Kasten. Dagegen hatte er im Hause

der Witwe von Hieronymus Reiche drei Laden und drei Packen stehen, ferner lagen auf der Wasserkunst (Schleuse) acht Fässer mit Röte, die nach Angabe des Schleusenwärters Grieben und Massow ge­ hörten. Dieses alles wurde beschlagnahmt; aus den Laden wurden nur genommen — als offenbar einziger Inhalt von Wert — acht Becher,

drei gülden Ringe, zwölf gülden Knöpfe, ein gülden Bildnis des Erz­ bischofs (Sigismund von Magdeburg). Grieben selbst gab seinen Ver­ lust, sicher viel zu hoch, mit 10 000 Talern an, noch höher aber die Ein­ ziehung seiner Landgüter Schmöckwitz und Bohnsdorst). MertenGrieben hatte nur ein Haus und eine Scheune. Im Hause wurden nur wenige Edelmetallsachen — einige Becher, Ketten und Gürtel — gefunden und beschlagnahmt.

Nächst Andreas Grieben war Andreas Lindholz der ver­ mögendste. Sein Haus und Hof in Cölln und sein Weinbergbesitz werden beinahe so hoch wie der Griebens angeschlagen (401% gegen 426 Schock), dazu kommt sein halbes Lehngut Buckow (125 Schock) und

seine hier nicht angegebenen auswärtigen Besitzungen. Sein beweg­ liches Eigentum von Wert hatte er in oder bei Trebus; es ist, wie

anderwärts erwähnt, bei Peitz beschlagnahmt worden. Der nächste ist Hans Mittel st raß oder vielmehr seine Witwe und Erben. Hier ist der liegende Besitz ziemlich stattlich: Zwei Häuser, zwei Hufen Land, ein Weinberg, 13y2 Stück Ackers. Im Hause einige Gold- und Silbersachen, gar kein Bargeld, die Witwe gab vielmehr an, sie habe heute einen Taler geliehen. Hieronymus Tempelhof hatte ein Wohnhaus und etliche von seiner Mutter ererbte liegende Gründe, die noch nicht verzeichnet waren. Wertsachen: Reun goldene Ringe, zwei Ketten, etliche Silber­

sachen. Auch er hatte kein Bargeld, mußte sogar neulich zehn Taler

von der Caspar Meinowen leihen. 14 Fässer französischen Weins lasten auf Weinhandel schließen. Andreas Massow, hauptsächlich Weinhändler, hatte an Waren: Zwei Lundische Tücher, Rhein- und

Landwein 18 Fässer, Bernauisch Bier, Butter u. a. Etliche Wertsachen waren da, von Gelde wollte die Frau nichts wissen. Einer der wohl-

*) Vgl. oben S. 156 f.

habendsten war Martin I e tz k e, auch Gotzke genannt, ein Tuch­ händler. Er besaß ein Haus, Weinberg, Garten, drei Hufen, Äcker und Wiesen, einen ziemlichen Vorrat an feinen sächsischen und Landtüchern, 20 Goldgulden, etliche Schmucksachen.

Sonst sei Thomas G a d e g a st, weil er öfters in Verbindung mit den bekannten Geldleuten genannt wird, angeführt. Er besaß Haus, Hof, Garten, einen Weinberg, zehn Stück Landes; gefunden wurden 15 Taler, eine Kette, vier Ringe, neun Becher. Nach Schuld­ verschreibungen wurde geforscht, doch wußte seine Frau von Hand­ schriften nichts. Von den übrigen Handelsleuten (Kramern und einem Goldschmied) wäre nur noch Jobst Krappe hervorzuheben, als Be­ gründer des nachmals berühmten Weilerschen Hauses, damals noch ein kleiner Mann. Sein Besitz war: ein Haus, ein Garten, vier silberne Becher, zwei silberne Löffel, keine Barschaft, da er alles auf den letzten Frankfurter Jahrmärkten ausgegeben und dazu viel Geld habe leihen müssen. Kennzeichnend für das unruhige Leben des damaligen Handels­ mannes ist es, daß von 13 visitierten Männern sechs abwesend waren, in zwei Fällen (Joachim und Merten Grieben) auch die Frau; zwei waren eben von dem Frankfurter Sommermarkt zurück. Vom Kurfürsten eingezogen wurde folgendes bare Geld und Edelmetall: Des Andreas Grieben 1769 Taler 5 gülden groschen (davon 1190 Taler Mattheus dem Kammerknecht zugestellt), 71 Mark an verbotenen Talern, vier Mark 6y2 Lot an Pagament in die Münze (Lippold Juden); ferner an Gold: 47 Rhein, fl., zwei Portugaleser, 14 Kronen, fünf Krosaken; 216 Rhein. Goldgulden an drei Ketten, 15 goldene Ringe mit Edelgestein, ein gülden Conterfei des Kur­ fürsten; 15 Mark 15 Lot Silbergeschirr. Davon gingen sechs Mark 14y2 Lot Rhein. Gold, zwei Mark 2% Lot Silber in die Münze. Zurückgegeben wurden nur eine vergoldete Kanne und zwölf goldene Ringe „von den geringen". Aus den Laden Joachim Griebens wurde alles einbehalten.

Aus Merten Griebens Lade: Ein Perlengewinde um einen Rock, eine gülden Kette, ein silbern Becher, eine indianische Nuß in vergoldet Silber gefaßt; acht Mark sechs Lot an silbern Dechern und Löffeln wurden an Lippold gegeben.

Aus Andreas Masiows Lade: Sieben Becher, elf Löffel, ein gülden Ring, ein Rosenobel; fünf Ringe, eine goldene Gürtelborte wurden am 10. August zurückgegeben.

Aus der Mittelstraßen Erben Lade: Drei goldene Ketten, sieben goldene Ringe, 13 silberne Löffel, drei vergoldete Becher; dagegen nicht einige Gürtel, Becher, eine Spange, zwei goldene Ketten, die

der demnächst heiratenden Tochter gehörten. Bon M. Ietzke: Fünf Becher-drei Mark 14 Lot, 20 Goldgulden;

nicht einbehalten: Drei goldene Ketten = 8% Gürtel. Von Hans Meyer:

Lot, vier kostbare

Zwei gülden Ketten -13% Lot und das

Futter zu den Ringen; sechs goldene Ringe, vier silberne Becher an­ scheinend nicht.

Von Joachim Wilkes vielem Silberzeug sind jedenfalls fünf Mark sechs Lot an Lippold gegeben, das übrige gehörte großenteils anderen Leuten, waren teils versetzte Sachen. Es handelte sich bei alledem

meist um eine endgültige Beschlagnahme; fraglich ist eine solche von den bei Hieronymus Tempelhof, Nickel Hartmann (ziemlich viel Groschen und Münze), Franz Muselow, Th. Gategast, Jobst Krappe gefundenen Wertsachen. Denn da ist nur vermerkt, daß sie ein­ gepackt, versiegelt und dem Kurfürsten zugestellt seien; bei Tempelhof heißt es noch: ist alles in der Lade geblieben. Andreas Hartmann war der einzige, bei dem sich überhaupt nichts von Wert fand; er war vermutlich noch ein junger Anfänger, hatte er doch auch nur „ein Häuslein, das er noch neu bauet".

Hinsichtlich der Schätzung des Grundbesitzes fei nur angeführt,

daß die „Bude "von Franz Muselow mit 160 Schock fast ebenso hoch geschätzt ist, wie Haus und Hof von Andreas Lindholz (176 Schock) und Andreas Grieben (185 Schock inkl. Garten) und weit höher als Lindholz' halbes Lehngut (125 Schock). Der Wert dieser Schätzungen dürfte also recht fraglich sein.

Bei der Abrechnung mit der nach dem Tode Joachims II. zur

Nachprüfung der Schuldensachen eingesetzten Kommission wurden einige von jener

Beschlagnahme herrührende

Forderungen vor-

gebracht*). Andreas ©Hebens Hausfrau legte Verzeichnis und Rech­ nung über 3598 Taler vor wegen des ihr an barem Geld, Silberwerk und Getreide damals Weggenommenen. Ihr wurden dafür auch 3800 Tl. zinsbarer Hauptsumme, die Kurfürst Johann Georg ihr aus Jnterzession der alten Kurfürstin, seiner Gemahlin und der Herzogin

von Lüneburg verschrieben hatte, zuerkannt. Andreas Massows Witwe ^Stärke-Arch. B 1. 8, SS. 133, 15,17, 235, 398.

wurde mit 600 Taler, die sie für abgeforderte Gvldketten, Ringe, Becher usw. mahnte, an den Kurfürsten verwiesen; auch Merten Gotzke

erhielt nicht die 80 Taler, die er für abgeforderte Becher und Gold­ gulden rechnete. Merten Grieben forderte 60 Taler, da er von dem Be­ schlagnahmten nicht alles wiederbekommen habe; der kleine Posten verschwand bei der starken Reduktion seiner hohen Gesamtforderungen.

Hans Mittelstrahen Witwe und Erben mahnten für etlich abgefordert

Silber und ein Mispel Korn, den der Heidereuter zu Cöpenick von ihnen geholt, 675

Taler; dafür wurden ihnen zusammen 500 Taler

wachender Schuld gewilligt. Es ist also nur in zwei Fällen eine Ersatz­ verpflichtung zugestanden worden, ohne daß eine Erklärung vorliegt,

warum in derselben Sache so ungleich erkannt wurde.

16*

243

Tempelhof, Mittelstrap, Matthias Tempelhof und Eckart.

Die Tempelhof waren eine Familie, die anscheinend nicht zu den „Geschlechtern" gehörte und erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts mit mehreren Angehörigen in Berlin erkennbar wird. Der erste, der einigermaßen hervortrat, war Hans Tempelhof (1475—1544), der

feit 1504 vielfach genannt wird; er war mit Haus, Hof und Äckern angesessen, welches elterliche Erbe ihm sein geistlicher Bruder Simon 1509 ganz überließ. Hans war wohl juristisch gebildet, denn er hatte seit etwa 1516 das Untergericht in beiden Städten, das seine beiden

Söhne nach seinem Tode wieder an die Städte verkauften. Er scheint vor allem verhältnismäßig bedeutende Geschäfte gemacht und dazu Gelder ausgenommen zu haben. Allein 1513 nahm er 608 fl. Mündel­ gelder und 416 fl. von Jakob Grieben auf und schuldete Merten Richter

in Leipzig eine nicht genannte Summe, die er in Raten zu 50 fl. in Leipzig abzuzahlen versprach, alles unter Verpfändung seiner liegen­

den Gründe'); 1515 hat er 200 fl. von Jürgen Marx entliehen*2). 1509

hatte er seinen Bruder für ein Darlehen und etliche gekaufte Pferde mit Perlen, Ringen und Goldgulden bezahlt. Neben Handelsgeschäften betrieb er Güterkäufe; vor allem hat er mit seinem Bruder Ruhlsdors

im Teltow erblich gekauft, womit beide am 4. November 1518 vom

Kurfürsten belehnt wurden. 1536 wird Hans als begütert zu Dyrotz, Markee und Markau angegeben. Seit 1531 war er Bürgermeister und zugleich kurfürstlicher Küchenmeister, neben seinem Stadtrichter­ amt, also sicher einer der gewichtigsten Männer im damaligen Berlin. Das bekunden auch sein und seiner Frau Epithaphien in der Nikolai­ kirche. *T»erI. Schöffenbuch 127, 128, 134.

2) Ebenda 179. über feine Beteiligung an zwei Darlehen von 600 und 500 fl. f. oben S. 9.

Sein Sohn Hans wurde schon zu Lebzeiten des Baters (1542) Bürgermeister; er bürgte 1547 für den Kurfürsten über 2400 Taler*).

Der andere Sohn Georg verkaufte zu Ostern 1547 das väterliche Haus in der Spandauer Straße dem Kurfürsten und streckte diesem auch Geld vor; für das alles bekannte der Kurfürst zu Ostern 1548 Georgs Witwe 1000 Taler, ju 6 % verzinslich, zu schulden. Das gute An­

sehen, das die Familie seit Hans I. erworben, geht auch daraus hervor, daß Töchter hohe kurfürstliche Beamte, Johann Weinleben und Hein­ rich Goldbeck, heirateten. Von den (fünf) Söhnen von Hans II. (gest. 1557), die Ruhlsdorf und andere Lehngüter zu gesamter Hand besaßen, wurde Hieronymus Bürgermeister in Berlin (1575),

Thomas in Spandau (1571)..

Hieronymus, der 1568/69 auch Pachte zu Blankenfelde und Tas­ dorf besaß, trieb vielfältige Waren- und Geldgeschäfte. So hatte er einen Faktor zu Hamburg, an den er in den Fasten 1568 ein Fuder

Hopfen von etwa 16 Mispel schickte, um es für ihn zu verkaufen. Da­

bei hatte er argen Verlust, da der Verkauf nicht gelang und der Ham­ burger Rat die Erlaubnis, den Hopfen wieder abzuführen, bis zur neuen Ernte verzögerte, so daß Tempelhof deswegen 300 Taler zinsbar aufnehmen mußte. Auch mit einem Darlehnsgefchäft hatte Tempelhof sonderbares Mißgeschick. Er hatte im November 1566 dem Albrecht v. Hoppenrade auf Stolpe 3000 Taler gegen 6 % auf zwei Jahre ge­ liehen; doch wurde bald danach der Schuldner landflüchtig, sein Bruder, der gebürgt hatte, getötet, so daß Tempelhof sich nur noch an einen

mitbürgenden Vetter, Thomas v. Hoppenrade, halten konnte. Dieser versprach nun in einem Vergleichsverfahren am 30. November 1568,

die noch rückständigen 2315 Taler bis Weihnachten zu zahlen, andern­

falls sollte Tempelhof gerichtliche Hilfe auf Ansuchen gewilligt werden.

Tempelhof selbst sah sich 1569 genötigt, Güter zu Berkholz (Birk­ holz?) und Carow, die er und seine Brüder von den von der Groeben zu Lehen besaßen, für 4500 Taler zu verpfänden, und 1572 haben die Brüder diese Güter ganz an die v. Röbel für 8000 Taler verkauft; eine

von ihnen früher gegebene Schuldverschreibung über 2400 Taler gab ihnen Joachim v. Röbel erst im nächsten Jahr zurück. Den größten Schaden erlitt Hieronymus Tempelhof aus seiner

Verbindung mit dem Cöllner Georg Eckart. Dieser, der Sohn eines weiter nicht bekannten Mattheus Eckart, war 1565 Handelsdiener der

S. oben S. 45.

Loitz und scheint sich in diesem Dienst hervorragende Fähigkeiten an­

geeignet zu habens. Denn er brachte es, obwohl er sicherlich selbst

ganz unvermögend war, schon bald fertig, mit geborgten Geldern sehr bedeutende Geschäfte zu tätigen. Er hat sich namentlich beim Adel in unbegreiflichem Maße Kredite verschafft. So hat er allein 1569—70

von Hans v. Tresckow 5000, von Heine v. Brösicke 10 000, von Georg

v. Blancken auf Waren 8000 Taler erborgt oder war es ihnen für Bürgschaften schuldig. Dem Gotthard König zu Nürnberg schuldete er gar 26 000 Taler, offenbar von dem schon erwähnten Geschäft her, wobei er im Neujahrsmarkt 1570 die ehemals Griebenschen Privilegien

von König erhandelt und diesen mit uneinbringlichen Verschreibungen abgefunden, selbst aber 26 000 Taler im altmärkischen Biergeld er­ halten hatte*2). Anderseits hat Eckart 1570 die Lehngüter des Sixtus v. Britzke zu Rudow wiederkäuflich für 15 000 Taler an sich gebracht, diese aber zum mindesten nicht vollständig bezahlt, denn im Frühjahr 1572 verklagte Britzke ihn und seine Bürgen, worunter Andreas Grieben, Andreas Lindholz und Christoph Rauch waren, schulden­

halber. Mit Lindholz hatte Eckart 1571 rechtliche Auseinandersetzung um 1120 Taler. Auf die Lehngüter Dietrichs v. Rochow zu Goltzow hatte Eckart Ostern 1571 eine Forderung von 12 000 Taler und hat sie auch, nachdem er Arrest darauf ausgewirkt hatte, verkauft und verpfändet, wurde allerdings 1572 zur Rückgabe von 14000 Talern verurteilt. Es ist da ein Wirrsal von Forderungen und Gegenforde­ rungen, Klagen und Widerklagen, wobei auch Hans v. Schlabrendorf, Otto v. Krummensee, Kuno v. Thümen, Matthias v. Lindenberg ver­ wickelt sind. Aus dem Durcheinander ist kaum ein Bild zu gewinnen, nur daß es sich insgesamt um erhebliche Summen handelte. Mit den

v. Hoppenrade stand Eckart schon im Anfang 1568 in Rechtshändeln wegen gegenseitiger Forderungen vor dem Kammergericht. Bei alledem steht auch hier wieder der Kurfürst Joachim II. als größter Schuldner im Hintergrund. Denn nach dessen Tode 1571

brachte Eckart eine Rechnung über 57179 Taler 19 gr. vor, die ihm

jener schuldig geblieben fei3). Einwandfrei war sie allerdings sicher nicht, denn Eckart ließ sich ohne weiteres dahin behandeln, daß für das

*) Eckart wohnte im Hause von Andreas Lindholz, denn es heißt bei der Bestandsaufnahme dieses Hauses 10. Aug. 1567: „In Eckarten sondern Hausgemach stehen künstliche gemachte hulzern Ketten und etliche schöne Thürgeräte und zugehörende Thüren." (Rep. 21. 23a) 2) Oben S. 171,172. ’) Stände-Arch. B 1. 8, S. 379.

Ganze nur der sechste Teil, 9500 Taler, auch davon nur 4000 Taler zinsbar, der Rest als wachende Schuld, ihm bei der Landschaft gut­ geschrieben wurden. Vermutlich beruhte jene hohe Forderung auf kur­ fürstlichen Verschreibungen, die Eckart billig erworben hatte, samt auf­ geschwollenen Zinsen, denn solche Schuldbriefe gingen ja hin und her.

Es ist nämlich sonst nirgends erkennbar, daß Eckart mit dem Kur­

fürsten unmittelbar in Beziehung gestanden hätte. Dagegen hat Thomas Matthias von ihm 2200 Taler geborgt, laut Verschreibung vom 1. Januar 1569, wofür drei Meienburgs bürglich, einer für alle, hafteten. Diese Verschreibung wurde von Eckart an Tempelhof, von diesem an Adlige, die für ihn gebürgt, zediert. Sie war noch im Mai 1588 unbeglichen, denn damals wurde rechtlich erkannt, die Meien­ burgs sollten den Betrag samt Zinsen und Unkosten bis Johannis

zahlen. Jene 9500 Taler, die Eckart bei der Landschaft zugesprochen wur­

den, hat er sogleich auf einige seiner dringendsten Gläubiger verteilt: an Hieronymus Tempelhof 3000 zinsbar, an die Mittelstraß 1000 zinsbar, 1200 wachend, an Otto v. Krummensee 2500 wachend, den

Rest, 1800 wachend, an Heine v. Brösicke.

Tempelhof hatte Eckart

wegen jener 3000 Taler schon 1570 zitieren lassen. Er ließ zugleich mit Otto v. Schlabrendorf am 1. Mai 1571 rechtlich Kummer und

Arrest zu allen Gütern und Forderungen Eckarts legen, weil sie beide für diesen ziemlich große Summen teils bar vorgestreckt, teils in Bürg­ schaften für ihn bezahlt und noch bürglich für ihn hafteten. Gleichzeitig ließ auch Levin Wins zu Eckarts Gütern Arrest tun wegen 1500 Taler,

die er in Bürgschaft für ihn bezahlt habe'). Schon vorher hatten aller­ dings Dietrich v. Rochow, Heine v. Brösicke und Mercurius Herdegen Arrest auf alle dessen Güter ausgebracht-). Ob jene Gelddarlehen von vornherein für Eckarts weitreichende Handelspläne bestimmt waren oder ob Eckart erst nachträglich seine drängenden Gläubiger auf solche verlockenden Unternehmungen hin­

gelenkt hat, läßt sich nicht erkennen. Sicher ist nur, daß im August 1571 Hieronymus Tempelhofs Brüder Jakob und Bartholomäus mit

vier Kaufleuten von Leipzig, Aschersleben und Jüterbog in Moskau erschienen, dort Waren an den Großfürsten Iwan IV., den Schreck­ lichen, verkauften und russische Waren dafür einhandelten. Das Haupt­ stück, das sie hinbrachten, war ein gülden mit edlen Gesteinen und *) Rep. 97. I. 19, toi. 760. -) Herbst 1570, Rep. 97. I. 18, toi. 421, 465, 504.

247

Perlen besetztes Halsband, das Eckart als echt orientalisches Kleinod

von Heinrich Cramer (v. Clausbruch) und Kaspar Schellhammer in Leipzig gekauft hatte. Eckart hat in der Tat bei diesen am 9. Januar 1571 Juwelen im Werte von 35 000 Talern gekauft, wie wir auanderer Quelle erfahren'). Er hatte dafür eine Verschreibung Wolfs v. Rauchhaupt über 6000 Taler und eine des Berliner Rats über

13 000 Taler gegeben; außerdem verbürgten sich Hieronymus Tempel­ hof, Otto v. Schlabrendorff und der Obrist Heinrich v. Staupitz für

Eckart auf 14 000 Taler gegen die Verkäufer samt und sonderlich. Dagegen haben die Verkäufer für das Kleinod trotz ihrer Zusage und

Zuschreiben keine notdürftige Gewährsverschreibung gegeben. Der Großfürst hatte ein so heftiges Verlangen nach den Waren der Deut­ schen, daß diese sogleich nach ihrer Ankunft, ohne daß man ihnen Zeit zum Umkleiden ließ, zu Hofe kommen mußten.

Sie wurden

gnädig ausgenommen und sogar von Hofe mit Essen und Trinken

stattlich versehen,

über den Kauf wurde man dahin einig, daß für

das Kleinod und die anderen Güter Tempelhofs und Eckarts 245 Zimmer-) Zobelfelle und anderes Rauchwerk (50 000 Grauwerk, 70 Wölfe) sowie 350 Rubel gegeben werden sollten. Nachher fand sich jedoch, daß 40 Zimmer Zobel fehlten, auch wurden 100 Rubel „ab­ gebrochen".

Als die beiden Tempelhof mit einem ihrer Begleiter deshalb bei

Hofe vorstellig wurden, hat man sie übel angesahren und unter harten Drohungen geheißen, sich schleunigst ganz wegzupacken, so daß sie unter

Ungnaden und Leibesgefahr sogleich abreisen mußten. Bartholomäus Tempelhof schrieb dann noch von Narwa an einen Landsmann in

Moskau, daß er bei Hofe für sie eintreten solle, doch war nichts zu erreichen, da der Großfürst es selbst so angeordnet hatte.

Da ein

anderer von der Gesellschaft, Peter Hoffmanns Diener zu Leipzig, der auch etlich Edelgestein für orientalisch Gut verkauft hatte, voll be­ friedigt worden und in Gnaden geschieden war, so vermuteten sie, daß

es mit der Echtheit des Kleinods als orientalisch Stück wohl nicht seine Richtigkeit gehabt habe.

Mehr konnte Hieronymus Tempelhof, der

darüber in seinem Berliner Hause am 24. Januar 1572 mit drei der

fremden Teilnehmer ein notarielles Verhör anstellte-), nicht ermitteln, *) Fischer a. a. O., S. 418. ’) 1 Zimmer = 40 Stück. 3) Berl. Stadt-Arch., Notar Heyde, fol. 173.

248

Das ergab also keine Möglichkeit, jemanden für den Schaden haftbar zu machen.

Es wurde aber doch versucht, „wider Heinrich Cramern umzu­

treten, ihn eines Falsi zu beschuldigen". Dies hat Schlaberndorff, von Eckart und Tempelhof beredet, unternommen, aber es geriet ihm sehr übel'). Denn Staupitz, an den sich die Verkäufer wegen Bezahlung hielten"), hat Schlaberndorff als seinen Schadlosbürgen in Leipzig

ins Gefängnis legen und fast ein Jahr darin quälen lassen. Schlabern­ dorff hat später gegen Tempelhof und Eckart als seines Verderbens

Ursacher beim Kammergericht geklagt, denn er sei um ihretwillen um sein väterlich Stammlehen und stattliche Geldsummen gebracht, auch

fast seiner Gesundheit beraubt und sollte noch auf Ostern 1575 eine ziemliche Summe zahlen, wobei ihn jene ganz im Stiche ließen. Offen­ bar hat Eckart den Schlaberndorff bei seinen Geschäften, besonders den Kleinodienkäufen, erfolgreich vorzuschieben verstanden. So blieb denn auch Schlaberndorff, nicht Eckart, in den Cramerschen Handelsbüchern mit einer Schuld von 2632734 Talern hängens. Staupitz hatte schon 1573 um Hilfe in Tempelhofs Gütern ansuchen lassen, aber beim

Kammergericht wollte man ihm diese erst gewähren, wenn er wirklich zur Zahlung verurteilt werde. Tempelhof hingegen hatte Oktober 1572 Eckart vor Gericht bescheiden lassen, damit er ihn den zwischen ihnen aufgerichteten Verträgen gemäß vergleichen solle; Eckart jedoch ließ sich nicht fassen.

Die Zobel hatte Tempelhof wenigstens teilweise in seiner Ver­ wahrung; er mußte damals an Eckarts Gläubiger Otto ».Schlabern­

dorff etliche Zimmer ausfolgen lassen.

Die Rauchhauptschen Ver­

schreibungen über 5000 und 1000 Taler sind auch später in Tempelhofs

Hand4* );2 3wegen der ersteren nebst Zinsen und Schäden forderte er Rauchhaupts Bürgen vor Ostern 1575 in das Einlager und drohte, bei

Nichthaltung mit Schmähschriften gegen sie zu verfahren. Er hat aber auf Fürsprache des Kurfürsten August von Sachsen und Joachims II. ') Rep. 97. I. 21 u. 23. 2) 1572 belangte Tempelhof den v. Staupitz Wegen 1600 Tl. (Ebda. 18.) 3) R.-A. Leipzig, Gerichtsakten 327, Inventar. Cramer v. 1599, Bl. 217. Dgl. auch Fischer a. a. O. S. 418. Es ist da allerdings nur von einem Hans v. Schlaberndorff die Rede, nicht Otto, wie in den Berliner Akten. Welleicht handelt es sich um Brüder. 4) Rauchhaupt, ein Sachse von Adel, gab an, er sei nur 5000 fl. schuldig, davon habe ihm Eckart nur 2000 bar gegeben, für das übrige Kleinode auf­ gedrungen. (Rep. 41. 6.)

noch Anstand gegeben und Rauchhaupt vor Gericht Michaelis 1575 eine Frist zur Bezahlung oder zu neuer gebührender Versicherung bis

14 Tage nach Martini und wegen der 1000 Tl. bis Ostern zugestanden.

Tempelhof selbst wurde noch 1578 von Andreas v. Klitzing wegen 1500 Tl. nebst Zinsen, auf die er neben Hans v. Schlaberndorf für Eckart gebürgt, in Anspruch genommen und versprach, die Hälfte der Forderung bei der Städtekasse anzuweisen und, wenn Schlaberndorf nicht zahlen könne, auch für die andere Hälfte einzustehen. Eckart muß ein Mann von unbändiger Unternehmungslust und

fortreißender Überredungsgewalt gewesen sein.

Es ist erstaunlich,

welche Mittel dieser aus dem Nichts gekommene Cöllner Bürger zu­

sammenbrachte und wie er seine Gläubiger an sich zu ketten wußte. So sehen wir ihn mit Tempelhof 1573/74 wieder zu einer noch be­

deutenderen Unternehmung nach Moskau verbunden*). Eckart kaufte «mit Darstreckung alles seinen und anderer Leute Vermögen", wobei

auch Tempelhof sich für ihn „sehr hoch vertiefte", wieder wertvolle Kleinodien, worunter eine stattliche Krone, ein Königszepter und ein gülden Halsband mit kostbaren Gesteinen genannt werden, und schickte sie 1574 „sub festa Bachanaliorum" (= Fastnacht) über Narwa nach Moskau. Diesmal machten aber nicht die Tempelhofs, sondern Eckarts Bevollmächtigte und Diener: Friedrich Aepinus, Nico­

laus de Hane und Johann Bornick, die Fahrt. Der Handel ging dies­ mal glatt vonstatten. Anfang Mai waren Eckarts Leute mit den in

Moskau erhandelten Gütern, einer großen Masse Zobelfelle und

anderen groben Waren, wieder in Narwa und luden die Fracht in Lübecker Schiffe ein zur Beförderung an Eckarts Lübecker Faktor Thomas Gude.

Das Unheil trat erst jetzt ein, und zwar viel verheerender als bei der ersten Expedition. Denn obwohl Eckyrt schon zuvor durch Für­ sprache seines Kurfürsten vom König Johann III. von Schweden freien Transit zu Wasser und zu Lande erwirkt hatte, so wurden

die Schiffe durch schwedische Auslieger und Orlogschiffe in den Nar-

waschen und dann den Pernauschen Gewässern gekapert oder aus­

geraubt.

Man hatte, wie es einmal hieß, es allein auf Lübecker

Schiffe abgesehen, obwohl Lübeck 1570 Frieden mit Schweden ge­ schlossen hatte. Eckart aber hat dabei anscheinend alles verloren; er gab den Schaden nachher auf insgesamt 92 600 Tl. an. Die Sachlage ^Danzig Stadt-Arch. 300, Abt. 33, Nr. 2123; 300, Abt. 53, Nr. 859, 946, 983.

wurde noch dadurch erschwert, daß mehrere an dem Raub beteiligt waren: zuerst ein „Seeräuber" Otto Weidenstrauch oder Wittstruck,

dann ein Fahrzeug des schwedischen Statthalters in Reval, Pontus de la Gardie, und schließlich Kriegsschiffe des Königs selbst. Dieser gab später (1586) an, zur Rechnung der kgl. Kammer sei nicht mehr als die Hälfte des von Eckart gemeldeten Wertes gekommen. Den Witt­ struck hat la Gardie schon bald in Reval gefänglich einziehen lassen,

ihm auch einen Teil der Waren abgenommen. Trotzdem schob man schwedischerseits die Sache mit Vorliebe auf jenen Kaper und stellte

dem klagenden Eckart anheim, wider ihn sein Recht zu suchen. Eckart selbst vermochte den Kurfürsten, daß Friedrich Aepinus, jedenfalls auf Eckarts Kosten, aber als kurfürstlicher „Secretarius",

nach Stockholm geschickt wurde. Dieser erwirkte dort ein königliches Patent, daß Eckart berechtigt sein solle, die wider königlichen Befehl weggenommenen Güter, wo er sie antreffe, für sich zu beschlagnahmen, und in dem ersucht und den Schweden befohlen wurde, ihm zu Recht zu verhelfen. Darüber stellte der Stockholmer Stadtrat ein „Irans» sumpt" 18. Oktober 1574 aus. Die Schweden dachten aber gar nicht daran, selbst etwas herauszurücken, und Eckart hat nie etwas wieder­

erlangt.

Einen kleinen Teil des Raubes, 2S Zimmer Zobel, gelang es im Sommer 1574 in Danzig festzustellen, und um sie führte Eckart einen hartnäckigen und kostspieligen Rechtsstreit, doch auch ohne jeden

Erfolg. Jene Zobelfelle hatte Lagardie 24. Juni an den Revaler Kaufmann Hans Wangersen für 1850 II. verkauft, doch so, als wenn sie diesem nur zum Unterpfand gesetzt und das Geld nur zur Be­

zahlung von Kriegsvolk vorgeschossen sei, so daß also der Statthalter formell noch als Besitzer auftreten konnte. Diese Felle wurden durch einen Kaufdiener Wangersens bei einem Danziger Bürger (Otto Hencke) zum Verkauf gebracht und dort durch Eckarts Diener Nikolaus Creutziger arrestiert. Der Danziger Rat verstattete auf ein kurfürst­ liches Schreiben vom 27. Juli den Arrest, verlangte aber (19. August)

von Eckart Beweis, daß diese Zobel auch die ihm geraubten seien,

und Bürgschaft für Schadenhaftung. Diese übernahm der Danziger Cyriacus von Vecheldt für Eckart.

Eckart selbst hat nicht nur, wie

erwähnt, nach Stockholm geschickt, sondern auch im Lübecker Stadt­

gericht die Aussagen von 4 Zeugen: Gude, de Hane und Eckarts Diener Bornick und Creutziger, über das, was sie wußten, aufnehmen

lassen (16. Oktober)). Doch war auch damit der Beweis nicht hinläng-

lich erbracht, wie der Danziger Rat 3. Dezember endgültig entschied. Eckart ließ darauf durch seinen Bevollmächtigten Georg v. Stein Appellation beim König von Polen einlegen und suchte beim Kur­

fürsten um Repressalien gegen Danzig nach, was ihm jedoch nicht ge­ willigt wurde. Eckart hat aber bald alle seine Ansprüche auf die von den Schweden geraubten Güter an Tempelhof abgetreten, für die hohen Summen, die dieser geliehen, und die Bürgschaften, die er geleistet,

auch erlittener Schäden halber. Es wurden zwei Verträge zwischen ihnen geschlossen, einer 1. Januar 1575 zu Berlin und einer Montag nach Palmarum 1575 zu Lübeck, wo Eckart sich nun, und zwar für mehrere Jahre, befand. Tempelhof ließ, unterstützt durch kurfürst­ liches Schreiben vom 10. Juli 1575, durch seinen und Eckarts „Diener"

Georg von Stein in Danzig Arrest gegen 14 Zimmer Zobel aus­ bringen, die ein Stockholmer, aber aus Perleberg stammender Kauf­ mann Hans Schultze dahin gebracht hatte. Auch dies blieb jedoch ver­ geblich, da Schultze schwor, daß die Felle dem König von Schweden gehörten und zu dessen Besten schon vor ausgebrachtem Arrest ver­

kauft seien. Tempelhof bemühte sich auch wegen der anderen Zobel; 29. Januar 1576 interzedierte der Berliner Rat um deren Losgabe

bei Danzig, und im Februar 1576 wird in Danzig vorgestellt, Tempel­

hof habe am kurfürstlichen und kaiserlichen Hofe allerlei erlangt, so zu

merklichem Schaden Danzigs gereichen möchte. Danzig wurde auch von la Gardie und vom Schwedenkönig öfters bedrängt und von letzterem mit Repressalien bedroht, wenn die Felle nicht herausge­ geben würden (so August 1576). Anderseits setzte Eckart im September 1577 noch den Herzog Franz von Sachsen-Lauenburg in Bewegung, denn Eckart besaß auch das Gut Schenkenberg im Lauenburgschen und war

so

des

Herzogs „ehrbar Unterthan"; so wurden auch von daher den Danzi­ gern Repressalien angedroht. Inzwischen war endlich, im Dezember 1576, das Urteil des polnischen Hofgerichts ergangen und fiel völlig gegen Eckart aus, der sich gar nicht mehr hatte vertreten lassen und sich der Zahlung von Schaden und Gerichtskosten entzog. Nachdem

er zweimal vom Danziger Rat zur Exekution des Urteils zitiert wor­ den und nicht erschienen war. wurden die umstrittenen Zobelfelle im Dezember 1578 an la Gardies Bevollmächtigten zurückgegeben. Eckart aber veranlaßte den Kurfürsten noch 1586 (1. Dezember) zu

einer Anfrage an Danzig, wohin die Zobel gekommen und auf wessen

Befehl sie ausgeliefert feien, worauf der Rat mit einer Schilderung des Herganges antwortete (25. Mai 1587). Tempelhof war durch den völligen Fehlschlag des russischen Geschäfts schwer betroffen. Er hatte viele Gelder bei Adligen ausge­ nommen. So hatte Bernd v. Winterfeld zu Dalmin Berschreibungen über 6000, 4000 und 2000 von ihm, für die neben vielen Adligen Friedrich Trebbow und Henning Reiche Bürgen waren. Dagegen waren die ihm von Eckart gegebenen Schuldverschreibungen (von Rauchhaupt 6000, Sixtus v. Britzke 2500) uneinbringlich. Hierony­ mus und seine Brüder Thomas und Bartholomäus hatten 1574 ihr Lehngut Ruhlsdorf an Hermann v. Bellin zum Unterpfand gegeben für 3500 II., die er ihnen „in ihren Röten "geliehen. Auch der Bruder Jakob war in die Geschäfte verwickelt, denn 1584 erhob seine arme Witwe in Spandau noch Klage um über 2000 Tl., die Eckart ihrem seligen Hauswirt schuldig geworden sei. Tempelhof konnte 1575 den Gebrüdern v. Bornstedt eine Schuld von 850 Tl. nebst 51 Tl. Zins nicht zurückzahlen und mußte zweimal Aufschub erbitten, über die verzweifelten Bemühungen Tempelhofs, Geld zu be­ schaffen, unterrichtet eine in Leipzig aufgenommene Berhandlung. Danach sind am 7. Mai 1575 Marsilius von der Heiden aus Frank­ furt a. M. und Georg Kramer „von Heinrich Kramern und Mitver­ wandten dem Güterbockischen Vertrag nach" in Tempelhofs Herberge in des Ratsherrn Ulrich Meyer Behausung geschickt worden, wo ihnen Tempelhof 7 Zimmer Zobel vorlegte, die jene beiden auf 1300 bis höchstens 1400 Tl. Bargeld schätzten. Georg Kramer sagte, er habe solche und noch bessere Zobel und wolle sie um das Geld mit Vz Jahr Stundung geben. Dagegen hätten „Tempelhofs Leute", nämlich Friedr. Trebbow und Thomas Guthe, die 7 Zimmer auf 2100 Tl., allerdings nicht auf Bargeld, sondern „auf Handlung" (gegen Waren) angeschlagen. Folgenden Tags gingen jene beiden wieder zu Tempelhof und bekamen von diesem nun 8 Zimmer vor­ gelegt, die beide „dazumal" auf 1700 Tl. Bargeld taxierten, während Tempelhofs Leute sich „Undanks halber" der Schätzung enthielten. Der Vorgang wurde, vermutlich als verwertbares SachverständigenGutachten, registriert1). Immerhin konnte Tempelhof 1576 an Gerd von Lüderitz 2000 Tl. für Bürgschaft, die er für Bastian v. Wulfen übernommen hatte, zahlen. Im Januar dieses Jahres hatte er alle *) Ratsarchiv Leipzig, Kontraktbuch S. 5. 1575, Bl. 55. Vgl. Fischer a. a. O., S. 419 f.

Güter Mathias v. Lindenbergs bekümmern lassen, weil er für diesen auf 1300 Taler Bürge war und wegen Ansturms der Gläubiger auf Lindenberg besorgte, daß er darüber in Schaden kommen sönne1). Hieronymus

Tempelhofs Zusammenbruch.

Die Gläubiger schritten endlich gegen Hieronymus Tempelhof ein: am 28. Oktober 1578 suchte Merten Grieben zu allen dessen Lehn- und Erbgütern Kummer, im Januar 1579 folgten Ernst v. Sparre, Otto v. Krummensee, Hermann v. Bellin, im Februar Henning Reiche. Hieronymus aber ging im Januar 1579 außer Landes, angeblich um seine Forderungen einzumahnen und seine Sachen in Richtigkeit zu bringen. Im Frühjahr war er in Prag und Wien. Rach seiner Angabe sei, da er über Vermuten länger ausbleiben müssen, darüber beschwerliche Nachrede Mißgünstiger entstanden und sämtlichen Gläubigern Anlaß gegeben worden, ihm aufzukündigen. Als er durch seine Reise nichts erreichte, erbat er beim Kurfürsten freies Geleit bis Estomihi 1580, um feine Schulden zu regeln. Das wurde am 3. Juli 1579 gewährt-), mit der Bedingung, daß er den Gläubigern, soweit er sich mit ihnen in Güte nicht vertragen könne, zu Recht antworten und mit seinem Vermögen Richtigkeit machen solle. Tempelhof konnte aber weder bar bezahlen noch Bürgen er­ langen. Er einigte sich mit einigen Gläubigern gütlich dahin, daß sie sich geduldeten, bis er seine Forderungen beitriebe, mit anderen wurde er vor dem Kammergericht verglichen; etliche aber drangen auf Barzahlung oder bürgliche Versicherung und wollten sich mit Über­ tragung seiner Schuldverschreibungen nicht zufrieden geben, obwohl er darüber alles, was er in der Welt besitze — was allerdings nicht mehr viel gewesen sein mag — zum hypothekarischen Unterpfand setzte. Tempelhof erschien daher am 22. Jgnuar 1580 wieder vor dem Kammergericht-), wies mit eingelösten Briefen und Quittungen nach, wieviel er für seine aus Gutwilligkeit übernommenen Bürgschaften schon bezahlt habe, und deponierte zwei Schuldverschreibungen über je

10 000 Taler, damit die noch ausstehenden Gläubiger sich damit be­ friedigen könnten. Er bat ferner den Kurfürsten in einem ausführ­ lichen Schreiben, ihn bei solchem billigen Erbieten zu schützen. Die Ver*) Bep. 97. I. 24. -) Bep. 9. E E 11. ’) Bep. 9 Y 1 I; Bep. 21. 23a.

schreibungen waren allerdings wertlos und konnten den Gläubigern

nichts nützen. Es waren folgende: a) Vier Schuldverschreibungen Anselms v. Zaschwitz über zusammen

14 055 Taler, im Leipziger Neujahrs- und Ostermarkt 1565, und zwei von Zaschwitz und Thomas Matthias, zu Cölln am Tage Reminiscere 1565 ausgestellt, über 3904 Taler, alle an Andreas Lindholz. Dieser hat sie an Tempelhof anfangs verpfändet, dann

zu Oberin, am 2. Februar 1574, ganz zediert, wegen einer Summe

von über 10 000 Talern, die Tempelhof für ihn in Bürgschaft

bezahlt hatte. b) Zwei Verschreibungen eines niederösterreichischen Grundbesitzers Balthasar Geyer zu Osterburg und Crollendorf über je 5000 Taler, zu Prag ausgestellt, die eine am 1. Januar 1578 an Albrecht Mittelstraß, die andere am 4. Mai 1578 an Hieronymus Tempel­ hof; die erstere hat Mittelstraß in Wien Ostern 1579 an Tempelhof zediert und außerdem noch eine Zession über 10000 Taler aus­ gestellt, Wien, 11. Juni 1579. Bürge war nur ein Krämer Matthias Priel in Königshofen, der zudem schon vor Ostern 1579

gestorben ist. Geyers Güter Crollendorf und Hernals bei Wien waren verschuldet, Zinsen waren für die 10 000 Taler nicht gezahlt

worden.

Tempelhof

wollte

mit diesen beiden Verschreibungen

sieben

Gläubiger, meist Adlige, mit Forderungen von insgesamt etwa 12 000 Talern befriedigen; für zwei andere Schuldposten von zusammen

4500 Talern gab er anderweitige Zusicherungen.

Natürlich waren mit dieser einseitigen Regelung Tempelhofs Schuldensachen nicht abgetan. Es waren auch noch sonstige Verbind­ lichkeiten vorhanden. So geben die mit Tempelhof (wie auch den Reiche) verwandten Zeidler in Leipzig an, Hieronymus Tempelhof sei ihnen über 2000 Taler schuldig geblieben; der kurfürstliche Mund­

koch Hans Baurat hatte 1500 fl. von Tempelhof zu fordern und brachte darüber einen kurfürstlichen Consens auf das Gut Ruhlsdorf aus. Doch war dieses, wie Dezember 1592 verabschiedet wurde, mit „gemeinen" Schulden so hoch belastet, daß jene private Schuld darauf

nicht haften konnte'). Wegen einer andern Schuld erging der oben2) angeführte Scheltbrief. *) Rep. 97. I. 37. ’) S. 16 f.

Tempelhof selbst starb schon einige Monate nach jener Regelung, und seine Witwe Margaretha behielt nur ihre „frauliche Gerechtig­ keit"; den Gläubigern gegenüber wurde durch einen Abschied vom 25. Januar 1583 bestimmt, was ihr deswegen gebühren solle, doch

wurde sie nach ihrer Angabe „dessen weit nicht befriedigt". Sie wird 1583 als „arme" Witwe bezeichnet, doch hatte sie einige auswärtige Forderungen, die offenbar von ihrem Mann herrührten: bei der

böhmischen Kammer 1000 Taler nebst 50 Taler Zinsen und eine jähr­ liche Provision von 100 fl., um deren Ablösung sie nachsuchteH; beim Rat zu Leipzig 207 fl. vorenthaltenen Restes. Auch erscheint sie später

wenigstens als Besitzerin eines Hauses. Dieses haftete 1596 als Unter­ pfand für Forderungen Henning Reiches von etlichen 100 Talern. 1594 wollte es Leonhard Weiler, der eine Forderung wegen verkaufter

Gerste hatte, für 1000 Taler annehmen, die Witwe es aber nicht unter 1400 lassen. Die Forderung wurde 1596 auf 800 Taler ein­ schließlich Zinsen und Kosten behandelt, in drei Jahresraten zu zahlen; außerdem beanspruchte Weiler 224 Taler für Kramwaren und ge­ liehenes Selb*2). Der Sturz von Hieronymus Tempelhof hat die ganze Familie

mitgerissen. Sein Bruder Jakob zu Spandau war allerdings schon 1575 ge­ storben; seine „elende Witwe" Katharina Schulze aber war von Gläu­ bigern bedrängt, während ihr einige große Schuldposten, von Eckart

und ihrem Manne herrührend, nicht bezahlt wurden (1584). Die Schulden des nächsten Bruders Thomas, der als Bürgermeister von Spandau gestorben war, überstiegen seine Verlassenschaft und er­ forderten 1584 kommissarische Untersuchung. Der jüngste Bruder Bartholomäus war Schwiegersohn Caspar Meinows und ist selbst

kurfürstlicher Kammersekretär geworden, wird aber 1582 nur als „Bürger zum Berlin" bezeichnet. Er hatte in seiner Jugend große Reisen nach Frankreich, Spanien, England und Rußland gemacht, um Sprachen zu lernen und Länder zu sehen. Er soll ein hervorragender Büchsenschütze gewesen sein, den der Kurfürst zu einem Schießen nach Dresden mitnahm, wo er den ersten Preis gewann, und der im Graben zu Wien etliche Male mit dem späteren Kaiser Matthias schoß. Schon

aber waren seine zwei Häuser in der Jüden- und der Heiligegeiststraße dem Spandauer Bürgermeister Johann Engel, 1582

*) Bep. 21. 127 a. 1. H. 2) Bep. 97. I. 40.

dem er mit Schulden verhaftet

war,

in solutum zugeschlagen;

einen Rest von 60 Talern sollte Thomas Tempelhof für seinen Bruder zahlen, doch konnten die „nicht gewehrt werden". Es waren also beide

Brüder zahlungsunfähig. Auch das Meinowsche Haus an der langen Brücke, wo die Familie wohnte, muhte nach 1580 verkauft werden; sie wohnten dann in der

Klosterstraße in einem Blankenfeldischen Hause. Doch hatte Bartholo­ mäus noch Schuldforderungen ausstehen; so konnte er seinem Schwager Caspar Meinow einmal die erlangte Immission in das Gut

Trebus streitig machen*), und seine Frau hatte Eckart 400 Taler vorgestreckt,

die

werden mußten.

Januar Schließlich

1587

hatte

von

dessen

Bürgen

Bartholomäus

einen

bezahlt

Garten

nebst etlichen Buden, worauf er 1593 100 Taler bei Kilian Pfeifer aufnahm, die nach Jahresfrist Joachim Klewitz als Bürge nebst 5 Talern Zins bezahlte. Bartholomäus ist überhaupt nach An­ gabe des Berliner Rats „gar in Abnehmen seiner Nahrung geraten". 1594 begleitete er den kurfürstlichen Gesandten Adam o. Schlieben auf

den Reichstag nach Regensburg und reiste von da nach Wien, um eine alte Schuldforderung von 6000 Talern bei Gregor Ulrich Spitz­ weckens Erben und Maximilian Brunnhof einzutreiben. Er soll da 1% Jahr geblieben sein, ohne etwas erreichen zu können. Auf der Rückreise erlag er in Prag in der Herberge zum schwarzen Löwen

einem Schlaganfall (1595 oder 96). Er hinterließ noch Schulden bei Leonhard Weiler ((350 Taler) und anderen. Seine Witwe starb 1598

in äußerster Armut an der Pest. Sie hatte noch von ihrem Vater her einen Anteil an den Pächten des altmärkischen Klosters Krewese; der ging an die Gläubiger drauf, die ohnehin nur teilweise befriedigt

werden konnten.

War Bartholomäus schon ein etwas leichter Bruder, so geriet es ganz übel mit seinem einzigen Sohn Christoph, der zugleich, da keiner der Brüder Söhne hinterließ, der letzte dieses Zweiges war. Christoph, geb. 1580, wurde ein Schandfleck des alten Geschlechts, so daß die ansehnlichen Verwandten, die er von feiten seiner Vaterschwester Ursula Goldbeck in Berlin hatte, nichts von ihm wissen wollten. Er

wurde am 26. Februar 1614 in Augsburg auf Ansuchen zweier Bauern von Mittenwald, die er unter dem Namen eines Grafen zu Naugard und Massow (so hieß ein Schwiegersohn des Kanzlers Distel«

*) 12. 1. 1583. Bep. 21. 127 a. 1. II fol. 6. Auch 1584 ist von Aus­ ständen die Rede. 17 Großkaufleute 1

257

meier) um 370 fl. geprellt hatte, in Haft genommen. Im ganzen war er 2200 fl. „hin und wieder" schuldig. Er blieb dabei, daß seine

Familie von Adel sei. Seine Verwandten in Berlin, namentlich die kurfürstlichen Räte Dr. Joachim Kemnitz und Dr. Ambrosius Hadamar,

aber erklärten, sie wollten sich seiner nicht annehmen, da er durch seine unziemlichen Taten, deren er sich nicht jetzt erst beflissen, der ganzen Freundschaft Schimpf und Spott zugezogen und einige Besserung schwerlich zu hoffen sei. Es ist daher anzunehmen, daß gegen diesen

Nachfahren der angesehenen Familie als einen Landbetrüger und Malefizperson, wie angedroht, nach Inhalt der peinlichen Hals­

gerichtsordnung, d. h. mit dem Strang, verfahren worden ist1). Ob der bekannte Militärschriftsteller Georg Friedrich Tempelhof, der als

Artilleriemajor 1784 geadelt wurde, der gleichen Familie angehört, ist nicht sicher bekannt; sein Vater war Amtsrat zu Ramtitz bei Frankfurt a. d. Oder. Die Nachkommen waren bis in unsere Zeit Gutsbesitzer im Posenschen.

Eckarts Ausgang. Um auf die unzähligen Geldhändel Eckarts zurückzukommen, so klagte Gotthard König aus Nürnberg 1571 wider ihn beim Kammergericht wegen seiner Forderung von 26 000 Talern: Eckart

„zum Berlin" habe ihm dafür etliche Schuldverschreibungen zuge­ schlagen und sich sonderlich verpflichtet, ihm die zu gewehren; er hab« aber weder dies getan noch sie einmahnen helfen. Eckart erbot

Waren

sich nachher,

zu

König

befriedigen,

mit

doch

Zobeln

dieser

und

forderte

andern

vornehmen

bares Geld,

denn

er war selbst stark bedrängt. Schließlich wurde König flüchtig, und seine Außenstände wurden verschiedenen Gläubigern überwiesen-).

Seit 1570 klagte auch der Nürnberger Mercurius Herdegsn wider

Eckart wegen anfänglich 2550 Taler, wozu dann noch 1060 hinzu­ traten; gegen Ende 1573 berechnete jener seine ganze Forderung nebst Unkosten, Zehrung, Zinsen und Schadengeldern auf fast 8000 ^aler. Er hat schließlich seinen Schuldner 1575 oder 1576, wie Eckart selbst 1584 angab, „auf ein ausgebrachtes Churfürstliches Patent zu Lübeck dieser

Schuld halben in weitere Haft nehmen und halten lassen, welche Injurien, auch daher geursachte Schäden" er in allewege wider Her­

degen zu klagen sich wolle vorbehalten haben. 1Herl. Stadtarch. Urt. Nr. 948. -) Abschiede von Januar 1574 und Febriiar 1585. Bep. 97. I. 22 u. 31.

258

Eckart hatte in jener Zeit trotz allem Mißgeschick schon wieder eine Handelsreise nach Moskau vor und wollte, nachdem er durch seine Verhaftung verhindert war, seinen Gläubiger Herdegen zur Vornahme der Reise bewegen (Oktober 1576), um ihn aus dem Han­ delsgewinn zu befriedigen. Doch wurde nichts daraus, Herdegen erhielt nur geringe Teilzahlungen, und noch 1584 schwebte ihre Sache unerledigt3*).* Mehrere Gläubiger Eckarts, wohl alles Berliner: Georg Moller, Jobst Krappe, Joachim Wilke, Adam Wins, Bartholomäus Lindholz, Mattheus und Peter Fuhrmann, erbaten und erhielten am 1. Oktober 1579 ein Fürschreiben-) der kurfürstlichen Räte an den Rat von Lübeck „um Erledigung seiner Haft auf gebührliche Caution, Erlassung der Strafe wegen der angemuteten Maulschellen, auch um frei Zutritt und vertraulich Unterredung mit Eckart ohne des Rats zu Lübeck Zugeordneten". Doch erfolgte die Entlassung erst, als einige Gläubiger 1200 Taler dafür aufbrachten und dem Lübecker Rat zahlten (1581?). Da Eckart aber nicht zurückzahlte, forderten und erhielten Anfang Februar 1583 Jakob Wins, Georg Moller, Thomas Gude, Georg, Peter und Otto Neumann für jene 1200 Taler samt zweimal betagten Zinsen, Unkosten und Schäden Arrest zu 4000 Taler, die Eckart aus dem Gute Gröben laut Verschreibung zustanden. Der Lübecker Asmus Albrecht hat 1582 sogar 2801 Taler teils bar zu Eckarts Wiedererledigung, teils an Waren und anderer Notdurft zu seiner und seiner Familie Haushalt und Auskommen bei andern aufgebracht und vorgestreckt. Albrecht hatte deswegen drei Jahre hin­ durch viele Ungelegenheiten, Versäumnis und Schaden und erreichte 1585 vor dem Rat zu Cölln nur3), daß er mit Versprechungen und Schuldbriefen abgespeist wurde. Es war ein unglaubliches Durcheinander mit diesen unendlichen Verschreibungen, Verbürgungen, Zessionen, dem Aufrechnen von Schulden und Forderungen, vor allem dadurch, daß faktisch kaum ge­ zahlt, immer nur hin- und hergeschoben wurde. Wie es mit diesen Verschreibungen zuging, dafür noch ein Bei­ spiel. Jener Otto v. Schlaberndorff, der so unglücklich in die Eckartschen Händel verstrickt war, hatte dem Eckart einige Untertanen zu Waß­ mannsdorf: den Schulzen, Krüger und zwei Kossäten samt LehniTRep.97. I. 21, 23, 30. -’) Rep. 21. 127 a. 1. I. fol. 220. 3) Cöllner Ratsbuch, Mont. n. Dionysii (12. Ott.) 1585. 17*

259

Pferden, Diensten und Zinsen, abtreten müssen. Diese gingen weiter auf Heinrich Becker, dann auf Tobias Hübner, endlich auf Jobst

Krappe erblich über, und dieser erwirkte Ende 1578 einen Abschied, daß sie ihm bei Vermeidung der Pfändung Dienste und Zinsen weiter leisten müßten, obwohl Hans Albrecht v. Schlaberndorff es ihnen ver­ boten hatte.

Eckart zahlte überhaupt nicht mehr, sein Haus in Cölln, sein Gut Schenkenberg waren auch verschrieben. Er erwirkte 1584 ein kurfürst­ liches offenes Mandat und ließ es an der kurfürstlichen Kanzler anschlagen, daß alle Gläubiger, die ihn zu besprechen hätten, ihre Forderungen wider ihn bis Michaelis am Kammergericht anzugeben

hätten, und nachher nicht mehr gehört werden sollten. Dies rief Un­ ruhe bei den Gläubigern hervor, deren Forderungen schon anerkannt nmren1).2

Eckart fand trotz allem noch immer Kredit, wenn auch in wuche­ rischer Form. So haben drei Berliner für ihn gegen Margareta Tempelhof auf 400 Taler gebürgt, behaupteten aber, als sie zahlen sollten, es seien nicht mehr als 300 Taler ausgekommen; sie mußten 400 zahlen, doch sollten 100 bis zum Austrag der Sache beim Gericht deponiert bleiben (9. Januar 1587). Wegen seiner Forderungen an

Hans Albrecht v. Schlabrendorf hat Eckart dessen Gut Glienicke an

sich gebracht), mußte sich aber mit Kuno v. Thümen, dem 1100 Taler samt Zinsen auf dasselbe Gut verschrieben waren, am 20. April 1588 dahin vergleichen, daß er es nur bis Ostern 1589 innehaben solle. Im Juli 1590 erging ein Abschied, der dem Töchterlein des inzwischen

verstorbenen Thümen zwar den Besitz des in Administration ge­

nommenen Gutes bestätigte, aber zulieh, daß Eckarts Frau, die ihr äußerstes Unvermögen beklagte, mit ihren Kindern noch auf dem

Gute bleiben und einen gewissen Unterhalt bekommen solle bis

Michaelis, „indes man Eckarts Wiederkunft halben auch mehr Ge­ wißheit haben kann". Eckart ist also anscheinend flüchtig geworden.

1590 heißt es, er sei unter dem Herzog von Lauenburg gesessen; am 25. August 1592 schreibt er an Sebastian Mittelstraß aus „Orsula

ins Reich Schweden"3). 1592 erhob Magister Balthasar Heldt und *) Eingaben des turf. Sekretärs Wolf Theuring (2150 II.) und der Witwe des Jakob Tempelhof (über 2000 II.) v. 22. Juli und 26. Sept. 1584. Rep. 97 I. 30. 2) In einem turf. Schreiben v. 1. Dez. 1586 wird er als „unser Unter­ than und Lehnmann" bezeichnet; 1576 noch als Bürger zu Berlin. 3) St.-A. Magdebg., Reichskammerger.-Akten M 219.

1593 die Witwe Joachim Reiches (wegen 200 Talern nebst ZinsenAnforderung auf Eckarts Ansprüche auf Schlabrendorfs Güter').

Die Mittelstraß. Neben den Grieben, Tempelhof und Lindholz treten auch Ange­ hörige der weit weniger bekannten Familie Mittelstrah in den Geld­ händeln des 16. Jahrhunderts häufig hervor. Im Anfang des Jahr­ hunderts gab es in Berlin und Cölln mehrere Mittelstraß als Haus­ besitzer, doch ziemlich verschuldet. Hier handelt es sich indessen um einen Zweig, der in den 30er Jahren aus Bernau zugewandert ist. Es waren drei Brüder, die in Berlin Bürger wurden, während einer in Bernau blieb und da Bürgermeister wurde. Jene waren offenbar schlichte Handwerker oder Brauers, waren aber schon 1536 gemein­ sam in Selchow und Schönefeld im leiten)3*)2 begütert. Einer von ihnen, Hans in Berlin, muß es hier zu Wohlstand gebracht habenH, denn er kaufte 1558 auch Kl. Kienitz und von Johann Brettschneider den Rittersitz zu Rosenthal mit vier Hufen, den er allerdings 1563 wieder dem Kurfürsten für 650 Taler verkaufte, und mit dem dieser den Sohn der „Gießerin", Nikolaus Dieterich, belehnte. Hans machte auch Geldgeschäfte, lieh den Städten mehrfach, noch Ostern 1566, und zedierte eine Verschreibung Claus v. Arnims über 3000 Taler an Tobias Ritter und Konsorten. Da er aber Bürgschaften für Joachim Grieben, Andreas Lindholz, Andreas Maffow u. a. übernahm, geriet er in Schwierigkeiten. Er starb 1566; feine Witwe und zwei Söhne, Albrecht und Bastian, als Erben taten am 24. März 1568 Kummer zu allen Gütern und Schulden Joachim Griebens in kurfürstlichen Landen, der Bürgschaft halber, darin sich Hans Mittelstraß für ihn gegen etliche Gläubiger eingelassen. Die Mittelstraß trafen ferner nach Ostern Vergleich mit Claus v. Arnim, einem Hauptschuldner Griebens, der ihnen 6500 Taler nebst Zinsen und Schäden zu zahlen ') Nach Fidicin, Territorien etc. I 141 gehörte ein Drittel von Waß­ mannsdorf noch 1619 einem Georg Eckart. 2) Ein Georg Mittelstrah wird 1537 Bürger in Berlin, zahlte dafür 1 Schock, dazu 15 gr. „für das Handwerk". Nach seinem Testament von 1544 besaß er ein Wohnhaus mit Braugerechtigkeit und zugehörigen Buden in der Iüdenstraße, einen Garten und zwei Stück Cavelland vor dem Stralauer Tor. (Bep. 78. I. 6.) 3) Beide Dörfer gehörten um 1500 der Berliner Familie Krewitz. *) Hans M. heiratete eine Tochter des (f) Dr. Albrecht Rademann, Stieftochter von Andreas Grieben.

hatte. Dafür zedierte er ihnen eine kurfürstliche Verschreibung über 4500 Taler nebst 945 Talern betagter Zinsen (also von 3% Jahren, von Michaelis 1564 herrührend) und verwies sie damit an die Land­

schaft. Der Rest von 1055 wurde auf 900 Taler moderiert; die ver­ sicherte ihnen Curt o. Flanß als Arnims selbfchuldiger Bürge derart,

daß er sie nebst 54 Talern Zinsen auf Ostern 1569 zahlen wollte. Dar ist auch geschehen, wogegen Arnim dem Flanß 1569 Einkünfte in Höhe von 1000 Talern verpfändete. Anderseits wurden damals die Mittelstraß als Bürgens neben

Andreas Grieben und Jhan Reiche verurteilt, die Gebrüder Hans und Albrecht v. Schlabrendorf zufrieden zu stellen. Immerhin mögen die von Hans Mittelstraß herrührenden Schulden sich leidlich abge­

wickelt haben, da es seinen Erben durch rücksichtsloses Zufahren ge­ glückt ist, rechtzeitig ausreichende Pfandstücke an sich zu bringen. So konnten sie von Merten Grieben eine hohe Zahlung erhalten, und

konnte Albrecht Mittelstraß auf Selchow von Jhan Reiche auf Rosen­ felde dessen halben Anteil von Rangsdorf 1571 an sich bringen. Albrecht

und Bastian hatten 1574 auch das Griebensche Gut Mahlsdorf inne,

doch wohl nur vorübergehend, denn dieses wurde zu Ostern 1583 von

Andreas Grieben d. I. als Besitzer an den Kanzler Lampert Distel­ meier verkauft.

Von Merten Grieben hatten die Mittelstraß 10 000 Taler zu

fordern, vielleicht aus einer Schadlosbürgschaft für Joachim Grieben. Merten mußte ihnen 1571 6000 Taler zinsbar und 1717 y2 Taler wachend bei der Landschaft abtreten; ein noch ausstehender Rest von

652% Taler sollte ebenda angewiesen werden-). Der unbequemste unter den Gläubigern der Mittelstrah war der schon mehrfach erwähnte H e i n e v. B r ö s i ck e, ein Mann, der schon

dadurch merkwürdig ist, daß er gleichzeitig zweien Landesherren diente, denn er war magdeburgischer Hauptmann zu Querfurt (1570 bis 1594) und brandenburgischer zu Lehnin (1572 bis 1598). Er spielte vor allem aber in den Geldhändeln jener Zeit eine große Rolle und scheint an Finanzkraft wie an Wendigkeit alle andern übertroffen zu

haben. Sein Reichtum geht u. a. daraus hervor, daß er 50 000 Reichs­ taler bei der churfächsifchen Land- und Tranksteuer zinsbar hinterlegt hatte, deren Auszahlung fein Enkel im Oktober 1681 beantragte3*).* Die *) Für wen, ist nicht gesagt, vermutlich Hieronymus Tempelhof. ?) Stände-Arch. B 1. 8, S. 235.

3) Rep. 41 n. 5.

262

von ihm herrührende Forderung an den Kurfürsten wird 1623 noch mit 16 750 Talern angegeben1). Er war einer der ganz wenigen, der ohne Schiffbruch durchgekommen ist; er starb erst 1609 in gutem An­ sehen und Wohlstand auf seinem Erbgute Ketzür. Hans Mittelstraß hatte neben anderen für Joachim Grieben gegen Brösicke gebürgt, auf 3000, dann 5000, zuletzt 22 500 Taler. Die vorhergehende Post ist immer in die nachfolgende mit hinein verrechnet. Darauf sollen von Grieben und dessen Fideiussor Claus v. Arnim dem Brösicke über 10 000 Taler gezahlt worden sein. Der Nachstand, durch anderen hohen Zuschlag wieder auf 24 000 und mehr Taler gebracht, wurde nach dem Tode von Hans Mittelstrah von neuem erhöht, dem Brösicke durch Grieben neu verschrieben und durch Dietrich v. Rochow, Hans v. Späth, Andreas Grieben und Ihan Reiche versichert. Brösicke hat nachher auch zu dieser Bürgen Güter geklagt und sie in Beschlag ge­ nommen; er soll allein durch Einnahme von Rochows Gütern mehr als 8000 Taler bekommen haben. Obwohl durch das alles nach Meinung der Mittelstraß ihres Vaters Bürgschaften aufgehoben waren, verweigerte Brösicke deren Herausgabe und diffamierte die Mittelstraß als böswillige Schuldner. Es kam am 5. August 1574 in Berlin zwischen den Parteien zu einem Vergleichs), wobei Hieronymus Tempelhof beteiligt gewesen sein muß. Dabei übergab Albrecht Mittelstraß an Brösicke einige Verschreibungen zur Verwahrung als Unterpfand für die Ausführung übernommener, sonst nicht bekannter Verpflichtungen. Diese Verschreibungen, die von sächsischen Adligen stammten, verblüffen durch ihre Höhe. Albrecht Mittelstrah, obwohl er nicht zu den begütertsten Berlinern gehörte, muß großzügige Geldoperationen im Sächsischen getätigt haben. Denn da haben ein Georg Blancke zu Wahren und für ihn mitversichernd die Vettern Wolf und Caesar v. Pflugk zu Kaufungen und Posterstein einen Schuldbrief über 104 600 Taler ausgegeben und diesen dtrnn auf 123 000 erneuert und erhöht; dazu gehörte noch eine „Quitanz" über 72 800 Taler. Brösicke fügte in seinem Revers hinzu: „Noch eine Ver­ schreibung auf 137 000 Taler empfangen, welche G. Eckart, H. Tempel­ hof und A. Mittelstraß hiebevor eingesetzt". Brösicke schalt später stark auf seine Partner, sie hätten ihre Anteile nicht abgetragen, ihn allein zahlen lassen und überhaupt ehrlos gehandelt, alle hielten die Ver*) Bep. 61. 52 e. ■) St.-A. Magdeburg, Reichekammergerichtsakten M 219.

träge nicht. Einen andern Schuldbrief Blanckes und Konsorten über 22 000 Taler samt zugehöriger Abrechnung und Quitanz über 13 906 24 Taler und einem kursächsischen Konsens auf 14 000 Taler gab Albrecht seinem Vetter, dem Magister Tobias Hübner, dem er auch verschuldet war, gleichfalls nur in Verwahrung, ohne Zession. Man darf wohl die in den „Quitanzen" angegebenen Beträge als die ursprünglichen Schuldsummen ansehen, obwohl versichert wird, auch die andern nennten nur Kapital, enthielten also keine Zinsen.

Albrecht Mittelstraß war aber auch sonst noch hoch verschuldet. Dem Gert v. Lüderitz zu Walsleben schuldete er 6000 Taler, wofür zwölf Bürgen, alle von Adel, hafteten, und 6000 fl., mit acht Bürgen, darunter zwei Adlige; dem Kuno v. Thümen 7400 Taler; dem Otto v. Krummensee 8000 Taler, wofür Bürgermeister Jacob Detert, der landschaftliche Rentmeister Thomas Gategast und Friedrich Trebbow bürgten; dem Heinrich v. Bellin 1100, dem Jochim Krisle zu Neu­ ruppin 2500 Taler, beides von 1575. Vor allem findet sich Albrecht Mittelstraß unter den Debitoren des großen Leipziger Handelsmanns Heinrich Cramer von Claußbruch an erster Stelle mit nicht weniger als 110 351 fl. angeführt). Dem Tobias Hübner schuldete er nach Abrechnung im Ostermarkt 1576 4443% Taler, darunter 2250 für 15 Zimmer Zobel.

Beide Brüder, namentlich Albrecht, hatten auch noch eine Reihe kleinerer Schulden, auf die einzugehen zu weitläufig wäre. In der Thümenschen Sache sandten Bastian Mittelstraß, Kilian Hohenzweig und Tobias Ritter am Abend Martini 1575 ihren Anwalt Joachim Hartmann zu Kuno v. Thümen in seine Behausung und ließen anzeigend: Nachdem sie sich für Albrecht Mittelstraß gegen Thümen in Bürgschaft einer ziemlichen von Caesar Pflug herrührenden Summe (7400 Taler) eingelassen, und der Termin vorüber sei, habe Thümen von ihnen Leistung verlangt. Da Albrecht jetzt zu Geld keinen Rat wisse, möge er die von ihm angebotenen Güter als Zahlung in billiger Taxe annehmen, was auch die kurfürstlichen Räte für billig erachteten, um so mehr, da Thümen selbst Güter und Waren in die Summe eingeschlagen habe. Thümen bestand aber auf Barzahlung oder Ein*) Inventarium v. 1599 im Rats-A. Leipzig. Vgl. auch Ernst Kroker, Heinr. Gramer v. El. (1895), S. 366, mit der irrigen Angabe, die zwei Mittel­ straß seien Leipziger Goldschmiede gewesen. ■ ’) Berl. Stadt-Arch., Notar Heyde 371.

lager, worauf die Bürgen erklärten: Sie würden einreiten, machten

Thümen aber für Schaden haftbar.

Dem Thomas Gategast und Hans Meyer schuldeten beide Brüder 8000 Taler, anscheinend aus Bürgschaften, und setzten dafür alle ihre

Lehngüter zum Unterpfand, worüber Gategast auch einen kurfürst­

lichen Konsens erlangte. An diesen aber hatte die Landschaft erheb­

liche Forderungen, da in der Kasse 18 000 Taler fehlten, die er den

jungen Mittelstraß vorgesetzt haben soll. Die Landschaft legte daher, als Gategast am 30. Mai 1576 starb, nicht nur auf seine ganze Erb­ schaft, die an 8000 Taler betrug, Beschlag, sondern auch auf die

26 000 Taler, die die Mittelstraß bei der Landschaft stehen hatten, nebst ihren Lehn- und Erbgütern, die auf 18 000 Taler geschätzt wurden. Es ist bemerkenswert, daß die Landschaft ein Borrecht vor allen andern Gläubigern beanspruchte und unangefochten durchsetzte. Das Borgehen der Landschaft soll nach der Brüder späteren Dar­

stellung die Ursache ihres Verderbens gewesen sein. Sie sind aber

schon seit Ostern 1575 mit den Zinsen in Rückstand geblieben; im Juni 1576 taten einige Gläubiger (Otto o. Krummensee, Heine v. Brösicke, T. Hübner) zu ihren Gütern Kummer. Da die Landschaft zum Ver­

kauf der Lehngüter zu Selchow, Schönefeld und Kienitz drängte, so schlug sie Albrecht mit ungern erteilter Genehmigung seines Bruders

für 26 000 Taler Thomas Göden zu Lübeck und Friedrich Trebbow

zu Berlin zu.

Davon erhielten die Mittelstraß' natürlich nichts.

Albrecht verpflichtete sich daher gegen seinen Bruder Bastian, Selchow

am 30. August 1576, ihm seinen halben Anteil von 13 000 sowie

1150 Taler, inklusive Zinsen, die er Albrecht zu Beförderung dessen

Händel in Kursachsen vorgestreckt hatte, baldmöglichst mit andern Lehngütern oder barem Geld zu erstatten und bis dahin mit 6 % zu verzinsen. Er setzte zum Unterpfand alle seine Güter, speziell seine in Kursachsen bei Blancke und den Pflugk ausstehende Schulden,

wie er die Dorrn Jahr in der Liquidation zu Leipzig vor den kur­ sächsischen Kommissaren angegeben und bereits Arrest darauf er­ langt habe. Trebbow hat damals dem einen Gläubiger, Otto o. Krummensee, 5000 Taler gezahlt und muhte die restlichen 3000 auf Ostern 1579 er­

legen; auch mußte er die Landschaft wegen Gategast befriedigen. Die drei Lehngüter wurden weiter verkauft oder verpfändet. 1578 erhielt

Otto v. Hacke zu Machnow ihretwegen kurfürstlichen Konsens, Selchow

kam aber an Carl v. Bardeleben, der da 1583 und 1590 sitzt. Göde hat

seine Ansprüche 1588 an die Erben von Merten Zobel zu Augsburg, denen er mit 7000 Rhein, fl. verhaftet war, unterpfändlich über­ tragen^). In die Erbgüter der Mittelstraß in und vor Berlin und Cölln wurde von der Landschaft Henning Reiche wegen Forderung von 20H0 Talern, von Hans Mittelstraß herrührend, 1579 eingewiesen, waren das zwei Häuser, ein Weinberg, zwei Gärten, drei Hufen, eine Meierei, Äcker und Wiesen, Wert zusammen auf 5000 Taler ge­ schätzt. Doch konnten die Häuser erst 1581 für 1100 bzw. 300 Taler, die Meierei erst 1584 für 1200 Taler verkauft werden. An die Meierei und Hufen hatte sich 1581 auch H. 0. Brösicke wegen. 1000 Talern, aus einer Bürgschaft Bastians für Ihan Reiche herrührend, „waldigen lassen". Die Güter Andreas Griebens vor Berlin und Cölln, die die Mittelstraß' beschlagnahmt hatten, kaufte Thomas Göde von Albrecht Mittelstraß; Andreas Griebens Haus nahm Brösicke de facto ein. Die beiden Mittelstraß wurden von ihren Gläubigern derart bedrängt, daß sie es vorzogen, sich außer Landes zu begeben. Albrecht ist Neujahr 1578 in Prag, und 10. April stellt er dort eine Schuld­ verschreibung über 102 000 Taler für Heinrich Cramer aus*2),3 Ostern und 11. Juni 1579 zediert er in Wien Verschreibungen an Tempel­ hof2). Sie baten im Sommer 1579 von Reuten in der Niederlausitz, wo auch Andreas Lindholz sein Gut hatte, den Kaiser um Fürsprache beim Kurfürsten und baten diesen selbst um freies Geleit. Sie führten darin aus, sie feiert als damals junge und der Handlung unerfahrene Leute wegen ihres Vaters vielfältigen schweren Bürgschaften, dann wegen des nun ins sechste Jahr gehenden unziemlichen Nichthaltens ihrer Debitoren und durch das Zufahren der Landschaftsverordneten, obwohl sie ein ansehnliches bei diesen zu fordern gehabt hätten, in die größten Beschwerungen geraten und müßten „ins Elend herum­ ziehen". Sie hofften nun endlich die schleunige Exekution wider ihre Debitoren, namentlich in Kursachsen, die sie trotz allem Fleiß nicht er­ langen konnten, zu erreichen und danach sich mit den Kreditoren zu vergleichen, sonderlich den Verordneten und Gategasts Erben, die ihre Briefe und Sachen in Händen hätten. Es wurde ihnen dann auch das erbetene Geleit auf zwei Jahre von Weihnachten an bewilligt *jÜep. 97. I. 33 und 41. 2) R. A. Leipzig, Invent. Cramer, Bl. 71 f. 3) Rep. 18. n. 15.

266

(d. Grimnitz, 27. November 1579). Sie sind trotzdem nicht zurück­ gekommen; vielmehr schloß Albrecht am 26. Juni 1580 zu Wien einen

Vergleich mit Th. Göde wegen der Griebenschen Güter ab. erreichte von Mittelstraß,

daß er ihn

Göde

gegen andere Kreditoren

Griebens und sonst vertrete, und hat dagegen in einem Revers gewisse,

nicht angegebene, Verpflichtungen übernommen. Magister Tobias Hübner mußte als Bürge für Albrecht Mittel­

straß 2500 Taler, ungerechnet Zinsen (750 Taler), Unkosten und

Schäden, dem Ruppiner Bürgermeister Joachim Kriele bezahlens. Er erreichte durch Klage, Oktober 1581, daß Johann Brettschneiders Erben als Mitbürgen ersatzpflichtig gemacht und Hübner in deren

Gut Tegel eingewiesen wurde.

Joachim Brettschneider verkaufte

1596 Tegel an Graf Johann Casimir zu Lynar, den Schwiegersohn

Lampert Distelmeiers, für 23 000 later*2),3 worauf Hübner befriedigt werden konnte.

Rach Albrechts frühem Tode machte fein Bruder Sebastian, zugleich als Vormund von Albrechts Witwe und Kindern, 1583 fünf Prozesse in Berlin beim Kammergericht gegen alle Gläubiger, die

der Mittelstraß' Güter innehatten, anhängig2). In allen Instanzen abgewiesen, ging Bastian an das Reichs­

kammergericht. Schon 1587 verklagte er dort den Herzog Wilhelm den Jüngern zu Braunschweig und Heine v. Brösicke; Gegenstand dieser Klage war das Lüneburgische Privileg Joachim Griebens, das dieser 1569 Jhan Reiche zediert hatte. Dieser soll es Bastian Mittelstraß ver­ schrieben haben, doch habe Henning Reiche diesem zum Nachteil es an

sich gebracht und an Brösicke gegeben, der ihm dafür Jhan Reiches Lehngüter überlieh. Brösicke behauptete jedenfalls, er habe das Privi­ leg „mit gutem Titel" an sich gebracht. Schon im Oktober 1586 waren die beiden in der Fürstlichen Kanzlei in Halle aneinander geraten, und hat Brösicke den Mittelstraß, nach dessen Angabe, mit gewehrter Hand überfallen und wütend auf ihn eingeschlagen.

Seit 1590 liefen auch die Klagen des Mittelstraß beim Speyrer Reichskammergericht wider die verschiedenen Gläubiger und Inhaber *) Bep. 97. I. 34. 2) über Tegel vgl. Wietholz in Mitt. d. Ver. s. d. Gesch. Berl. 1931, S. 73 f. Brettschneider hatte Tegel 1558 gekauft, nachdem er das ihm gehörige Gut Rosenthal an die Mittelstraß verkauft hatte. 3) Bep. 18 n. 15; Bep. 174 n. 51. 267

der ehemaligen Familiengüter und der Verschreibungen, u. a. wider Brösicke, Eckart, die Erben von Hieronymus Tempelhof.

Damit vergriff sich Mittelstraß am kurfürstlichen Hoheitsrecht

de non appellando; außerdem soll er den Kurfürsten mit Lügen ver­

unglimpft haben, indem er behauptete, ihm sei vom Kurfürsten sein Recht verweigert worden. Er war notgedrungen außer Landes und konnte ohne Gefahr Leibes und Lebens nicht zurück. Er hielt sich

teilweise zu Speyer auf; August 1592 wird an den Kanzler Distel­ meier berichtet, er weile bei einem v. Krosigk im Magdeburgischen,

vier Meilen vor Halle und wäre wohl leicht zu bekommen. Der kurfürstliche Anwalt schreibt über ihn: Mittelstraß sei guter Abkunft und habe von seinen Eltern ein ziemliches erlangt, habe sich aber in solche gefährliche Händel und Partiten gesteckt, daß er dadurch und andere unzeitige Fürnehmen von allem gekommen sei, auch seiner

Frau alles umgebracht habe, sie mit den Kindern im Elend sitzen lassen und selbst „als vagabunda persona herumläuft." Er habe, um das

schändlich Vertanene durch üble Künste wiederzuerlangen, allerlei Rechtshändel angefangen, lasse sie nachher diffidentia litis stecken, sei keiner Orten anzutreffen, „und kann man mit dem verwirrten mut­ willigen Kopf nirgends nach Billigkeit fort".

Bastian gab 1590 sein eigenes Vermögen auf 15 000 Taler an, und 1592: sein verstorbener Bruder Albrecht habe weit über 200 000 Taler zu fordern, darunter wegen Hans v. Schlaberndorf, Kuno v. Thümen, Georg Eckart, Blancke-Pflug und Konsorten über 80 000 Taler Hauptsumme samt 76 000 Taler 19jähriger Zinsen zu 5 %, über 5000 angewandte Unkosten, ohne etliche 1000 erlittener Interessen und

Schäden, für das alles Brösicke wegen erhaltener Schuldbriefe haft­ bar fei. Er hat natürlich nichts erreicht, feine Prozehsache bricht 1593 ab. Im kurfürstlichen Kammergericht ergingen noch 1592 Abschiede in Sachen der Mittelstraß, aus denen sich ergibt, daß ihre Bürgen

hatten zahlen müssen, und daß auch das Mittelstraß'sche Haus im

Pfandbesitz eines adligen Gläubigers roar1). Äußerst hartnäckige Kämpfe mit Klagen und Arresten führte auch Henning Reiche wegen des Erbguts seiner Frau, Katharina Hohenzweig, mit den Mittelstrah und deren Bürgen seit 1573. Die

Streitigkeiten wurden erst nach dem Tode der Frau gemäß deren Ver­ mächtnis 1612 beigelegt. Darauf bescheinigte der einzige noch lebende

-Hk>. 97. I. 37.

Sohn von Bastian Mittelstraß, Bürger in Braunschweig, für sich unfr seine Schwester, am 18. Februar 1613, daß sie die von ihrem Vater im Kammergericht und von sämtlichen Mittelstraß'schen Erben in den

Berliner Gerichten angestrengten Prozesse fahren lassen wollten*2).3

Thomas Matthias. Schließlich sei noch eines Mannes gedacht, der zwar nicht zu den Berliner Kapitalisten und Geldhändlern gehörte, der aber als Finanz­

verwalter oder Berater Joachims II. in dessen Geldgeschäften maß­ gebend mitwirkte, der in diesem Zusammenhang persönliche Ver­ pflichtungen nicht vermeiden konnte, und dem wir daher schon oft

begegnet sind. Thomas Matthias war ein Enkel des angesehenen und wohlhabenden Christian Matthias, der uns 1482 bis 1506 als Berliner Bürgermeister begegnet (gest. 1509); dessen gleichnamiger vierter Sohn, Bürgermeister zu Altstadt-Brandenburg, war sein Vater (gest. 1549). Thomas' Oheim Georg (gest. 1572) war 1538 bis 1554 Bürger­ meister von Berlin und danach weiter in der städtischen Verwaltung

tätig. Die Matthias gehören jedoch nicht zu den vornehmen Familien, die auf Grund ererbten Besitzes in die städtischen Ämter gelangten;

ihre Vorfahren sollen vielmehr im 15. Jahrhundert Tuchmacher ge­

wesen fein2), und die Befähigung zum Verwaltungsdienst wurde

offenbar durch juristische Kenntnisse erworben. Thomas Matthias war seit 1547 im kurfürstlichen Dienst, wurde Hof- und Kammerrat2) und 1561 auch Bürgermeister von Berlin; er war verheiratet mit Ursula, Tochter des Bürgermeisters Michel Meyenburg zu Nord­ hausen.

Nach dem Tode Joachims II. dachte man in Matthias einen

Hauptschuldigen an der heillosen Finanzwirtschaft des alten Kur­ fürsten zu fassen, doch konnte ihm durch die gewiß nicht mit Wohl­ wollen geführte Untersuchung nichts Nachteiliges nachgewiesen wer­ den. Matthias ist in der Tat an keiner der vielen unbegreiflichen

Handlungen seines leichtfertigen Herrn verantwortlich beteiligt, son­ dern wurde offenbar vornehmlich dazu verwendet, um Auswege aus verfahrenen Lagen zu finden und Gläubiger hinzuhalten.

Daß er

*) Stände-Arch. C 49. M 31. Ein Peter Mittelstrah, der 29. Febr. 1608 mit 2 Tl. Berliner Bürger wurde, war Tagelöhner. 2) Haß, Hosordnung, S. 141 f. 3) Vermischte Schriften d. Berf. f. d. Geich. Berlins, Bd. I, Tafel 4. Vgl. auch oben S. 27, Anm. 1.

«in so undankbares Amt nicht aufgab, ist verwunderlich, aber ihn scheint wirklich die ehrliche Überzeugung gehalten zu haben, daß es ohne ihn noch schlimmer werden mürbe1). Materielle Vorteile hatte er dabei nicht, im Gegenteil eher Einbußen und jedenfalls unend­ liche Mühen und Widerwärtigkeiten. Wenn er dabei wohl auch zu­ weilen eine Gelegenheit wahrnahm und für Geldzuwendungen nicht unzugänglich war, wie bei den Loitz-Lindholzschen Händeln erwähnt wurde, so kann dies aus den Anschauungen und der Geschäftsmoral seiner Zeit und namentlich seiner Umgebung heraus nicht allzu hart verurteilt werden. Matthias hat feine Stellung als kurfürstlicher Rat 1571 verloren, ist aber Bürgermeister und Landtagsmitglied geblieben. Er ist in Brandenburg, wohin er sich vor der Pest geflüchtet, von ihr ereilt worden und kurz vor dem 1. August 1576 gestorben. Sofort mel­ deten sich Gläubiger in großer Zahl und erhielten Arrest und Kummer zu seinen Gütern. Unter diesen Gütern werden genannt: ein Haus in Brandenburg, Liegenschaften bei Berlin-Cölln und Brandenburg und ein von Zaschwitz herrührendes Guthaben bei der mittelmärkischen Landschaft, das einmal mit 2646 Taler angegeben wird. Es war von Matthias 1569 an H. v. Staupitz und 1573 an Thomas Göde von Lübeck verpfändet worden. Unter den übrigen Gläubigern befanden sich Hieronymus Tempelhof, Jobst Krappe und Leonhard Weiler, sowie der Rat von Berlin. Die Schulden waren teilweise schon lange verschleppt, einige rührten gar noch von Matthias' Vater her, mehrere stammten aus Bürgschaften.

Andererseits verlangten Witwe und (Erben2) von der Landschaft Rückgabe der von Matthias für Kurfürst Joachim II. vorgelegten Gelder, ohne die sie die großen hinterlassenen Schulden nicht be­ zahlen könnten. Nachdem sie drei Jahre von der Landschaft hinge­ halten waren, behaupteten sie, 2000 fl. Schaden durch diesen Verzug erlitten zu haben, indem ihre (von den Gläubigern eingenommenen) Feldgüter zu Brandenburg und Berlin verdorben seien. Die Erben beantragten, als Peter Krause (2. Juli) gegen sie klagte, am 22. Juli 1579 Liquidation. Darauf verordnete der Kurfürst eine Kommission für die Berechnung mit der Landschaft. Die Kommission lieferte im *) Vgl. darüber Haß, Die kurmärkischen Stände, S. 178.

2) Unter diesen Matthias' Schwiegersöhne, der kurfürstliche Rat Dr. Kemnitz und der Bürgermeister von Neustadt-Brandenburg, Johannes Carpzow, zwei Männer von Ansehen und Einfluß.

Frühjahr 1580 eine Abrechnung an den Ausschuß3). Es ergibt sich auch daraus, daß Matthias, der doch viele Jahre die Kammer und fast alle wichtigen Sachen des verstorbenen Kurfürsten selbständig und ohne Kontrolle verwaltet hatte, sich keinerlei Unredlichkeit hat zu­ schulden kommen lassen; für die unbeschreibliche Schlamperei, die dabei herrschte, trifft ihn keine Schuld; die hätte niemand verhindern können.

In der Zeit, die die Berechnung umfaßt, vom 30. November 1564 bis Ende 1570, hatte Matthias 44 077 Taler, die belegt werden konnten, oorgeftretft*2) und war 25172 % Taler noch zu berechnen schuldig, so daß die Erben einen Rest von 18 904 % Talern zu fordern hatten. An Zinsen wurden dafür 15 058 Taler gerechnet, das macht etwa 5% %, zusammen 34 062% Taler. Dazu kamen aber noch 9675 Taler, die Matthias „von der Erzbischöflichen Übermaß zu seiner Bestallung zukommen sollten", 3743 Taler restierende Besol­ dung als kurfürstlicher Rat, und eine Anzahl anderer Posten, im ganzen 20 913 Taler, so daß sich 55 021 Taler als Forderung er­ gaben. Die Erben verlangten ferner Bezahlung für Pferde, Holz- und Bretterlieferung, aufgewendete Zehrung, Beköstigung etlicher von Frankfurt; auch vermeinten sie noch ein ansehnliches aus Lippold Juden Rechnung fordern zu können. Eine endgültige Regelung er­ folgte auch jetzt nicht; auf weitere, beschwerliche Klagen der Witwe und Erben wider die Verordneten der Landschaft wurde am 2. August 1583 entschieden: es solle endlich verglichen werden, damit das viel­ fältige Anlaufen aufhöre3). Die Hinterbliebenen befanden sich in­ zwischen in sehr bedrängten Umständen, und es mußten ihnen ab und zu einige 100 Taler von den Verordneten abschlagsweise überwiesen werden, namentlich um den Söhnen die Fortsetzung ihrer Studien zu ermöglichens. Mit größerem Recht als bei der kurfürstlichen Finanzverwal­ tung scheint man Matthias eine Mitschuld an der völlig verfahrenen Finanzlage Berlins beimessen zu können, obwohl auch dafür nach­ gewiesen ist, daß sie hauptsächlich durch die Mißwirtschaft Joachims II. verursacht worden ist. Immerhin bleibt an Matthias der Vorwurf 3) Bep. 61. 48 d. -) Darunter waren 1915 Tl. an fünf Juden, Jacob, Samson, Meier, Jobs und Abraham, gegeben, laut kurfürstlichen Schreibens. 3) Bep. 21. 127 a 1II. fol. 63. *) Vgl. Thaus, Kaffen- und Schuldenwefen, 6.204.

haften, daß er zwischen den kurfürstlichen und seinen privaten Geld­ angelegenheiten und denen der Stadt die Grenze nicht genügend scharf gezogen hat4). Die Stadtverwaltung befand sich derzeit wohl

überhaupt nicht in geeigneten Händen, sind doch nicht weniger als drei ihrer Bürgermeister damals überschuldet gewesen, nämlich Christoph Rauch (ober Roch, Bürgermeister seit 1567, gestorben

Januar 1575), Hieronymus Tempelhof und der mit diesem gleichzeitig

(1578, 1580) amtierende Jakob Deterdt.

Die Abrechnungen zwischen der Stadt und den Matthiasschen Erben begannen erst 1589*2); es ergab sich hierbei ein Plus für die

Stadt, das ohne Zinsen etwa 6000 Taler betrug und das 1591 auf 9626% Taler anerkannt wurde, laut Berechnung durch kurfürstliche

Kommissare. Der Rat behauptete, Matthias habe die bei der Land­ schaft und der Städtekasse ausstehenden Gelder der Stadt abgefordert,

aber nur teilweise in des Rats Nutzen verwendet und zum Teil seine Privatschulden damit bezahlt. Der Kurfürst entschied 1591, das Rat­

haus müsse dem Fiskus gleichgestellt und vor andern Gläubigern be­

friedigt werden. Die Landschaft gab aber nur 3000 Taler, und auch

diese nur vorschußweise her, obwohl das Matthiassche Guthaben dort 1599 noch 16 000 Taler betrug. Allen andern Kreditoren waren für

alle Anforderungen 17 000 Taler geboten worden, wie der Rat 1601

angab. Eine besondere Forderung wurde noch 1594 anhängig ge­ macht. Matthias hatte 1566 von den Priegnitzschen Städten 1000 fl. mecklenburgischer Währung ausgenommen und dafür den Berliner Rat zum Bürgen eingesetzt; nun wurde dieser auf Zahlung ein­

schließlich der seit 1566 versessenen Zinsen gemahnt, obwohl das doch mit dem Matthiasschen Landschaftsguthaben hätte verrechnet werden

können. Die Sache wurde denn auch bis zur Abrechnung mit der Landschaft, die also immer noch nicht geschehen war, verschoben^).

Thomas Matthias hatte zwei Söhne im Knabenalter hinterlassen. Born jüngeren, Michael, heißt es, er sei nicht in kurfürstlichen Dienst

getreten, „weil es seinem Pater bei Abwechslung der Regierung nicht am besten ergangen"4); er wird 1619/20 in Berlin als Gläubiger *) 2) s) Thaus, *)

Ebenda, S. 180 f., 197 ff. Acta betr. Th. Matthias' Schuldenwesen 1589—1601, Rep. 21, 23 a. Dezember 1594. Rep. 97. I. 39. Hiernach ist das scharfe Urteil von S. 205, über das Nichtzahlen der Erben völlig ungerechtfertigt. Prov.-A. Brand. Rep. 16 I c, Hendreich, Man. gen. II, 143.

eines v. Arnim und Besitzer ländlicher Liegenschaften erwähnt'). Der ältere Sohn Daniel dagegen ist, nachdem er Kammergerichts-

Advokat, dann Syndikus des Magdeburger Domkapitels gewesen,

1615 in den Geheimen Rat berufen worden, wurde 1616 gar Vize­

kanzler und bald auch Leiter des Kammergerichts. Der offenbar hoch­ befähigte Mann starb allerdings schon 1620, erst 49 Jahre alt. Ein weiterer Nachfahre, Michael (1612—1684), diente in der kurfürst­ lichen Kammer von der Pike auf, wurde 1653 Hofrentmeister und bald auch Hofpostdirektor und hat sich namentlich große Verdienste um den Bau des Müllroser Kanals und um die Organisation des brandenburgischen Postwesens erworben?). Dessen Sohn Johann

Thomas war seit 1698 Geheimer Kammerrat; da er mit dem letzten Sproß der Familie v. Berchem verehelicht war, wurde er am Tage der Königskrönung unter dem Namen „Matthias v. Berchem" in

den Adelstand erhoben.

*) Bep. 97. I. 80. -') Vgl. Jsaacsohn, Gesch. d. Preuß. Beamtentums, II, S. 66 u. 131.

18

Großkaufleute 1

273

Lugewanderte und Fremde Michel Jude. Die Juden spielten im Berliner Geschäftsleben jener Zeit offen­ bar keine wesentliche Rolle. Im Berliner Schöffenbuch sind 1503 bis 1505 neben sehr vielen christlichen Gelddarlehen nur ganz wenig jü­ dische eingetragen, und zudem nur kleine. Von 1511 bis 1542 waren sie ganz ausgesperrt, aber auch danach gab es, wie in den Landtags­ verhandlungen im Januar 1554 bemerkt wird, nur wenig Juden im Lande; ihre Duldung wurde damit begründet, daß sie dem Kur­ fürsten eine stattliche Anzahl Silbers zur Erhaltung der Münze zu liefern sich verpflichtet hätten'). Auch in den Gerichts- und sonstigen Akten, die über Geldgeschäfte und Unternehmungen berichten, treten zahlreiche adlige, patrizische, bürgerliche und beamtete Personen, Juden aber gar nicht hervor. Ausnahmen sind nur zwei Juden, die, durch die besonderen Verhältnisse unter der Regierung Joachims II. aus der Fremde herbeigelockt, als die ersten „Hofjuden" in Branden­ burg vorübergehend eine gewisse Bedeutung hatten: Michael von Derenburg und Lippold von Prag. Der erstere1 2) war in seinen letzten Lebensjahren, 1543—1549, kurfürstlicher Hofjude. Er war — zeitlich vor Grieben und Lindholz tätig — wohl der erste reine Geldmann von Beruf, der in Berlin auftauchte. Der zweifellos außergewöhnliche Mensch, der schon bei Lebzeiten zur Legendenbildung Anlaß gab, hatte bei seiner Hierher­ kunft schon ein so bewegtes und an merkwürdigen Einzelheiten 1) Friedensburg Ständeakten II. 67. 2) Literatur über ihn bei Ackermann: Münzmeister Lippold, Frank­ furt a. M., 1910, S. 6, Anmerkg. 3. Die dort angekündigte Monographie, deren Bearbeitung nach Jakobs Tode in andre Hände übergegangen ist, harrt noch immer der Veröffentlichung. Heise: Die Juden in der Mark Branden­ burg bis 1571, (1932) behandelt Michael auf S. 238—245.

reiches Leben hinter sich, daß auch darauf, wiewohl es noch keinerlei Beziehungen zu Berlin enthält, hier eingegangen werden soll1). Michel kam aus Derenburg am Harz, dem Hauptort einer Herr­ schaft, die den Grafen von Regenstein (Reinstein) als kurbranden­ burgisches Lehen gehörte. Nach einer unverbürgten Nachricht soll er für den unechten Sohn eines der Grafen gegolten habens. Jeden­ falls hatte er äußerlich nichts von einem Juden und trat gern als großer Herr auf. Auch deutet selbst in den trockenen gerichtlichen Akten, aus denen unsere Kunde großenteils stammt, manches darauf Hin, daß er das schier unvereinbare Doppelleben eines jüdischen Geld­ manns und eines Edelmanns geführt habe. Immer erscheint er als Finanzierer von Fürsten und Dynasten, zunächst der Harz-Grafen. Ostermontag 1531 stellten die Grafen Ulrich und Bernhard zu Reinstein oder Regenstein für den „bescheidenen Michel Juden von Derenburg" eine Schuldverschreibung') über 9000 Gulden rhein. aus, Kapital und Zinsen, 6 %, zurückzuzahlen in den Osterfeiertagen 1533, in des Juden Haus zu Hannover. Bürgen waren die vier Grafen Wilhelm zu Henneberg, Botho zu Stolberg, Gebhard zu Mansfeld und Wolfgang zu Barby und neun Adlige. Dieselben sollten bei Nichtzahlung einreiten, und zwar die Grafen mit je acht Pferden und sieben Knechten, die Adligen mit je zwei Pferden und einem Knecht. Weder der Schuldner noch die Bürgen sind ihren Verpflich­ tungen nachgekommen. Graf Gebhard von Mansfeld entlieh von Michel 1530—1532 gegen fünf verschiedene Verschreibungen insgesamt 14180 fl. gegen 6 %, Rückzahlungstermine fünf Monate bis zwei Jahre; in den zwei größten Verschreibungen (Ostern 1531: 2500, Ostern 1532: 6717) ver­ pflichteten sich die Grafen zu Reinstein, Barby und Hoya, acht Tage nach der ersten Mahnung jeder einen adligen Hofdiener mit sechs bzw. zehn reisigen Pferden und fünf bzw. neun Knechten einreiten zu lassen; auch vier Adlige sind 1532 Bürgen. Der Graf von Mans­ feld hat immerhin Zinsen gezahlt, auch etliche Schulden Michels auf sich genommen und beglichen; als er mit der weiteren Tilgung aus­ blieb, hat er sich zu Ilmenau im Juli 1536 vor Graf Wilhelm zu Henneberg mit Micheln aufs neue berechnet und verglichen und eine *) Nach den in Magdeburg befindlichen J 15, II25, 26, 27, 36. -) Riedel v 1 S. 110. ■ ) Kopie in St.-A. Magdeburg R 36. 18*

Reichskammergerichtsakten:

275

neue Gesamtverschreibung ausgestellt über die im ganzen noch rück­ ständigen 12 605 fl. Er verpflichtete sich darin, den Betrag mit 6 % Zinsen an jedem Leipziger Ostermarkt, 1537 beginnend, mit 1000 fl. zu

tilgen, hat aber den Vertrag nicht eingehalten. Mit den Grafen von Reinstem kam es ihrer Nichthaltung wegen, zu argen Konflikten; merkwürdigerweise sind zunächst die säumigen.

Schuldner die

Angreifer,

denn

s i e warfen

(1537)

dem Juden

wucherische Ausbeutung und Injurien vor. Es findet sich auch ein von ihnen ausgehender Auszug aus des Juden Rechnung von

1530—1533, worin nachgewiesen wird, daß viel weniger bezahlt als verschrieben worden sei, so 470 statt 600, 350 statt 450 fl. Ja, die beiden Grafen gingen tätlich gegen ihren Gläubiger vor, denn sie

ließen am 28. Januar 1534 in Michels Behausung in Derenburg durch einen Notar eine Bestandsaufnahme machen und drei Kästen und eine Lade aus seinem Haus auf das Schloß Derenburg bringen. In demselben Jahre erließen sie Schreiben an verschiedene

Fürsten mit dem Ersuchen, den Juden zu gebührlichen Rechten an­ zuhalten. Von den angerufenen Fürsten antwortete der Landgraf Philipp von Hessen dem Grafen Ulrich erst auf ein zweites solches

Ersuchen im November 1534: Michel sei lange Zeit nicht im dortigen Fürstentum gewesen und habe sich unter den Grafen v. Henneberg gewöhnt, wo man also ansuchen müsse. Denn Michel hatte nun in

Schleusingen seine gewöhnliche Behausung. Im Januar 1538 heißt es aber, Pfalzgraf Friedrich sei Michels Landesherr, Michel fei dessen Hintersasse und habe bei ihm sein gewöhnlich Wesen und Auf­ enthalt.

Denn er hatte vom Pfalzgrafen ein Schloß und Flecken

Rothenstatt in der Oberpfalz (bei Weiden) samt allen Zubehörungeu

gekauft und war dessen Lehnsmann; er besah aber nach einem Aus­ weis des Pfalzgrafen noch andere Güter, Häuser und Höfe im Reiche. Er soll auch „viel reisiger Pferde auf der Streu gehalten" haben.

Michel hat auch seinerseits gegen die Grafen geklagt. Im August 1536 soll er vor dem Reichskammerrichter Pfalzgraf Johann in

Speyer den Grafen Ulrich, der seither immer allein genannt ist, be­ schuldigt haben, daß er ihm weder Siegel noch Brief gehalten und ihn einen siegel- und treulosen Grafen gescholten habe. Wegen dieser „After- und Schmachworte" erhoben Graf Ulrich und sein mit ihm beschuldigter Bürge Graf Botho von Stolberg 1537 Klage beim

Reichskammergericht

wider

Michel

Juden

von

Derenburg

auf

100 000 fl. Entschädigung. Die mit der Ladung ausgesandten Boten 276

fanden Michel zweimal nicht vor, da er Geschäfte Halver zum König von Böhmen und weiter auch nach Wien verreist war; erst der dritte traf ihn in seinem Städtlein Rothenstatt an.

In dieser Beleidigungssache scheint weiter nichts erfolgt zu sein; dagegen kam es zu dramatischer Zuspitzung in Sachen der Michelschen Schuldforderung gegen Graf Ulrich von Reinstein und zu einem

Vorgehen, das genau dem schon zuvor und gleichzeitig durch Hans Kohlhas eingeschlagenen entspricht. Es heiht in einer Anwaltschrift vom 10. Oktober 1541: Michel habe vor etlichen Jahren, als er Geld

brauchte, etliche Schuldbriefe des Grafen an einen Wolf Schlesier oder

Schlesinger versetzt und zuletzt verkauft, habe auch den Verkauf vorschienenes Jahr auf dem gütlichen Tag zu Payersdorf anzeigen

lassen. Schlesier habe, nachdem er auf vielfältige Forderung nichts erreicht und keine Aussicht hatte, Recht zu bekommen, dem Grafen

absagen und sein öffentlicher Feind werden müssen und etliche An­ griffe getan. Einige Fehde- oder „Feindbriefe" des „Wulff Schle­ singer", der sich auch „Junker Wolff" nannte, an den Grafen Ulrich sind in Kopien erhalten. Im zweiten Feindbrief, datiert von Montags nach der Apostel­ teilung (15. Juli) 1539, sagt er, er habe mehrere Schuldverschrei­ bungen des Grafen an sich gebracht, nämlich zwei Briefe Leonhard

Gangels über 2400, einen Klaus Kusches über 1200, Wolf Fechters

über 300 und Michel Juden über 3120 fl., um deren Begleichung er schon einmal vergebens ersucht habe. Der Graf sei zu drei festgesetzten Zusammenkünften nicht erschienen. Wenn nun in vierzehn Tagen das Geld nicht in Pilsen, in Hans Selvers Wirtshaus hinterlegt werde, solle für Nichthalten von Brief und Siegel dem Grafen und seiner Herrschaft Fehde und Feindschaft angesagt sein. In einem Briefe vom 10. November kündet „Junker Wulff Schlesinger" an, daß er des Grafen Herrschaft und arme Leute nun mit feindlicher That angreifen werde durch Raub und Unrecht, weil jener Michel Juden das Seine genommen habe wider Recht, Ehre, Brief und

Siegel. In einem Anschlag bekennt er verschiedene Brände angelegt zu haben und noch weitere anzulegen.

Auf der Gegenseite aber war man fest überzeugt, daß Michel selbst dahinter stecke. In einem kaiserlichen Ladebrief, datiert Speyer, 7. Juli 1540, heißt es: Michel Jude habe unter dem erdich­ teten Namen Wolff Schlesinger am 10. August 1539 dem Grafen etliche öffentliche Feindesbriefe vor seiner Stadt Dernburg bei

nächtlicher Weile aufstecken lassen und Landfriedensbruch angedroht und damit um Weihnachten 1539 begonnen, Feuersbrünste angelegt,

einen Müller wegschleppen lassen und anderes mehr. Der Graf hatte auch einen Mosche (Moses) von Hildesheim, der ehemals Diener Michels gewesen, aufgegriffen und von diesem durch die Folter das Geständnis erpreßt, daß Michel der Wolff Schlesinger sei. Der Graf behauptete, es sei durch Michels eigene Handschrift erwiesen, daß er ihn und seine arme Herrschaft mit Mordbrand verfolgt, deswegen er,

der Graf, etliche seiner Bestellten mit dem Feuer und sonst recht­ fertigen lassen. Man vermutete auch, daß Michels Bruder Jobst, der zu Hildesheim wohnte, damit zusammenstäke, doch waren die beiden längst bitter feind „wegen Vorenthaltung etlicher Briefe" und

anderem. Auf des Grafen Betreiben erging an Michel eine Ladung vor das kaiserliche Gericht am 7. Juli 1540 und wurde in Michels Be­ hausung zu Schwabach abgegeben; er ist ihr natürlich nicht gefolgt.

Dagegen schrieb der Graf später (Februar 1541) dem Kurfürsten von Brandenburg: Der Hauptbösewicht Michel sei von einem Ort zum andern flüchtig und solle sich in Posen, zuweilen auch beim Herzog zu Liegnitz aufhalten; er bat um Ersuchschreiben an beide Stellen, ihn nicht zu dulden, sondern auszuliefern. Von Herzog Friedrich von Liegnitz ist dem« auch ein Antwortschreiben an den Markgrafen zu Brandenburg, Mittwoch nach Ocult 1541, erhalten: Der Jude sei erbötig, die Handlung auf Markgraf Georg von Ansbach oder Pfalz­ graf Friedrich oder auch auf König Ferdinand oder dessen Kom­ missare zu stellen und wolle 30 000 bis 40 000 fl. Bürgschaft hinter­ legen, sofern der Graf es auch tun wolle — eine kleine Bosheit gegen den unbemittelten und verschuldeten Grafen. Immerhin war Michel

auch dazu bereit, daß beider Schriften an eine Universität geschickt würden, um ein Erkenntnis herbeizuführen.

Bon Posen aber hat

der Starost auf Schlesingers Begehren und Erbieten den Räten zu

Hildesheim und Magdeburg öffentlich zugeschrieben:

Wofern der

Graf Schlesinger bezahlen wolle und mit genügsamem Geleit ver­ sichern werde, wolle er sich stellen und erbiete sich zur Verhandlung. Michel selbst veranlaßte noch im Frühjahrs 1541 die Stände von

Schweidnitz und Jauer, daß sie auf Grund der ihnen vorgelegten Schreiben des Kaisers und des Königs Ferdinand, in denen auf»

’) Er selbst schreibt am 22. April 1541 von Liegnitz.

gefordert wurde, Micheln in seinen Schuldforderungen gegen die Grafen von Mansfeld und von Reinstem durch gebührliche Re­ pressalien zu seinem Rechte zu verhelfen, den Städten der Stifter Magdeburg und Halberstadt schrieben: Sie könnten dem „Erbaren" Micheln Juden von Dernburg die erbetene Hilfe nicht versagen und

müßten nach zwei Monaten Anstand gegen alle Eingesessene der Stifter vorgehen. Worauf die Städte Magdeburg, Halle und Halber­ stadt jedoch entschieden ablehnten, für diese Sache, die sie nichts an­ gehe, in Anspruch genommen zu werdens.

Der Graf beantragte schließlich, Michel Juden, den er für Wolf

Schlesinger hielt, in die Acht zu erküren; Michels Anwalt protestierte

10. Oktober 1541 dagegen, über den Gang der verschiedenen Reichs­ kammergerichtprozesse ist weiter nichts zu erfahren, als daß nach einer viel späteren Angabe von Michels Sohn Löb der Graf zu Mans­

feld seiner unerfüllten Schuld halber verurteilt worden ist, aber keine Parition geleistet hat3*).2 Der Kurfürst von Brandenburg hatte vom Kaiser Kommission in dieser Sache erhalten und beide Teile auf

Michaelis 1548 beschicken; der Graf leistete aber keine Folge, worauf Michels Witwe Merle 1549 Klage wider ihn einreichte. Die Sache Löbs gegen Graf Christoph von Mansfeld „wegen einer namhaften,

mit Recht zuerkannten Schuldforderung" hing noch 1579 beim Reichs­ kammergericht unerörtert „in Executionibus und Immissiorialibus“3).

Löb hatte wegen seiner auf 25 000 Goldfl. nebst Zinsen sich be­ laufenden Forderung Immission in die Ämter Seeburg und Schraplau erlangt, die Exekution aber wurde verhindert.

über die Darlehen, die Michel selbst ausgenommen hat, finden sich folgende Schuldverschreibungen:

a) Ostermontag 1534, 450 Goldgl. von Gebr. v. Bortfeld, 6 %, Rück­ zahlung Ostern 1535, Bürgen „meine Junkern" Claus v. Pottorff, Heinrich v. Bortfeld, Jobst v. Lenthe; Einreiten jeder mit 2 Pferden zu Witzenhausen, Kassel oder Blumberg. b) Pfingsten 1534, 300 Rh. Goldgl. von Johann v. Spiegel, Erbmarschall des Stifts Paderborn; Michel verpflichtet sich bei Nicht­

zahlung zu Grebenstein in eine gemeine Herberge mit 4 Pferden und Knechten einzureiten. *) Schreiben o. Sonnabend vor Laetare u. Montag nach Quasimodogeniti 1541, St.-A. Magd. R27. 2) Schreiben Löbs, Torgau 19. Nov. 1573, ebda. J 15. 3) Rep.18.9.

c) Osterdienstag 1535, 200 Goldgl. von Hans Landtknecht zu Greffen­ stein, Bürge Fabian v. Uttenhofen, Amtmann zu Schleusingen,

will 8 Tage nach Mahnung einreiten mit 2 Pferden, 1 Knecht.

d) Leonhard Gängel oder Gangelt zu Braunschweig berechnet in Goldgl. ä 25 gr.: 24. August 1535 1100, dazu Schaden an Wechsel 262; Jnoocavit 1537 1000 (Michels Bruder Jobst gegeben, laut Herzog Georgs v. Braunschweig Receß); Sonstiges 111, macht nebst Zins und Interesse (zusammen 6 %, aber jährlich zum Kapi­

tal geschlagen) bis Ostern 1545 4202 fl. Darauf hat er Michels Pfänder verkaufen müssen: 3 Gespanne — 622, Silber für 986 fl. ä 20 gr. - zusammen 1237 Goldgl. ä 25 gr., bleibt 2965; dies schwoll bis Ostern 1557 auf 5964y2 an. Dazu 1538 zu bezahlen 15254/s, macht mit Zins und Interesse bis 1557 4612% Goldgl. Er hat ferner 1555 an Michels Sohn Levi (Löb) 500 Taler ge­

liehen, rechnet dazu für Interesse (14 %), Schaden und Zins 126, für Zehrung zu Berlin bei Warten auf Bezahlung inkl. 1 Pferd % Taler täglich, zusammen für 74 Wochen 242, im ganzen 882 Taler. Diese Verpflichtungen hat Otto Bolandt, gleichfalls Kaufmann zu Braunschweig, zu Berichtigung der Schulden, damit er Achatio von Veltheim, dem derzeitigen Pfandbesitzer von Derenburg, ver­

haftet gewesen, angenommen, konnte aber von Michels Sohn keine Bezahlung erhalten, daher (!) er ihm April 1555 zu Berlin 500 Taler

lieh, die er bei andern aufgebracht, Rückzahlung nächste Exaudi (Mai) in Berlin. Dafür wurden drei Schuldverschreibungen des Grafen Gebhard von Mansfeld über 2000,1200 und 1463 Goldgl. zum Unter­ pfand gegeben, dazu alle Güter Löbs zu Berlin, woraus er auch die

väterlichen Schulden an Gangelt zu zahlen versprach. Durch einen Ver­ trag zu Magdeburg, Donnerstag nach Estomihi (c. 1. Juni) 1557 ge­ schlossen zwischen dem von Löb Juden dazu bevollmächtigten Mosche Jude von Derenburg, wohnhaft zu Stendal, und Otto Bolandt, ver­

kaufte Löb alle Verschreibungen des Mansfelders samt dem auf 12 605 Goldgl. lautenden Rezeß von 1563 an Bolandt für die 6860 Rh. Gold­ gulden, die Levi (— Loeb) dem Gangelt und dem Bolandt schuldig war, und für weitere 4000 Joachimsthaler, die Bolandt mit je 100 in allen Leipziger Märkten ihm zu zahlen versprach. A. von Veltheim hat diese 4000 Taler zu zahlen übernommen.

Michel hatte 1538 seine Behausung in Schleusingen, aber auch in Rothenstatt, 1540 in Schwabach. 9. Februar 1542 schreibt seine Haus-

280

frau Merle, Tochter Joseph Juden zu Schleusingen, aus Schwabach: Mein Hauswirt ist aus Herren und sein selbst Geschäften über sein Gedenken in der Wilden (— Wilna) bis in die 200 Meilen Wegs ver­ reist. Daß er auch in Prag, Wien, Liegnitz und Posen in jenen Jahren weilte, ist schon erwähnt. Daß er 1543 Hofjude des Kurfürsten Joachim II. geworden ist, erfahren wir aus einem Schreiben von D. Joh. Forster an Joh. Schradi vom 13. Juni 1543: Der Kurfürst hat einen namens Michael, den er mit einem auf dem Markt errichteten

Hause beschenkt hat, der ist ihm der erste „a Consiliis et secretis“. Der Kurfürst liebt ihn aber daher, weil er ihm Hoffnung gemacht,

daß er ihn aus den Schulden, darin er aufs höchste verstrickt ist, bald herauskaufen wolleH. Demnach war Michel der erste bekannte unter

den Geldmännern, mit denen der stets verschuldete Fürst sich ein­

gelassen hat. Daß ihm ein Haus in der Klosterstraße, dem früheren Kornmarkt, vom Kurfürsten geschenkt worden, ist auch anderwärts bezeugt. In einem kurfürstlichen Leibgedingebrief für sein Weid, gegeben Cölln Dienstag nach Estomihi (27. Februar) 1544, wird er vom Kur­

fürsten von Brandenburg als „unser Diener und Getreuer" bezeichnet3). Darin wird bekannt, daß Merle 3000 Rh. Goldgl. als Ehegeld mit­ gebracht hat und als Leibgeding außer ihren Kleidern und Schmuck

von Michels bereitester und sicherster Habe, vor Kindern, Gläubigern und anderen 6000 Rhein. Goldgulden haben soll. 1544 gestattete der Kurfürst dem Juden Michel, der mit Weib und Kindern aus Derenburg nach Frankfurt a. d. O. gezogen und zum

kurfürstlichen

Diener

und

Schutzverwandten

ausgenommen

worden sei, daselbst zu wohnen und Geschäfte zu treiben3). Demnach

hat Michel, wahrscheinlich seiner Geschäfte mit den polnischen Juden halber, es vorgezogen, anstatt in Berlin in Frankfurt zu wohnen,

wo er auch ein stattliches Haus am Markt erwarb.

Die Ursache, warum Michel in die Mark kam, waren vielleicht seine noch unerledigten Regensteinschen Forderungen. Jedenfalls soll er beim Kurfürsten, der des Grafen Lehnsherr war, viel Ansuchens

getan haben, daß jener ihm zur Bezahlung durch den Grafen ver­ helfen wolle. Endlich brachte er es dahin, daß der Graf 1546 zur *) Förstemann, Neue Mitteilungen aus dem Gebiet der histor.-antiquarifchen Forschungen (1836), Bd. II S. 99 s. ") Rep. 87.7. Gedr. bei Riedel, Suppl.-Bd. S. 157 s. ”) Chron. March. 52.161.

Verhandlung vor dem Kurfürsten nach Berlin kam, und hier seine

Schuld auf 20 000 Goldgulden verglichen wurde. Darüber fand ein eigentümlicher Handel statt, bei dem offenbar alle drei Parteien ihren

Vorteil gegeneinander zu finden glaubten. Der Kurfürst übernahm nämlich die Regensteinsche Schuld, so daß er des Juden, der Graf sein

Schuldner wurde. Dafür lieh ihm Michel 5000 Goldfl., und der Graf wurde durch eine mit Besoldung ausgestattete Ratsbestallung für den Handel gewonnen. Der Kurfürst stellte demgemäß dem Juden am

Sonntag Vocem Jucunditatis (2. vor Pfingsten) 1546 eine Ver­ schreibung über insgesamt 25 000 Goldfl. aus. Darin hieß es, daß

„der Bescheidene, unser Diener und lieber getreuer Michel Jude von

Derneburg auf unser gn. Gesinnen und Bitten" die 25 000 Rheinische

Goldfl. gegen 5 % Zinsen bar vorgestreckt; es wurde ihm, seinen Erben oder den Briefsinhabern zugesichert, daß jährlich auf Martini (1546 anfangend), von 1548 an auf Weihnachten, 2000 Goldfl. neben gebührlichen Zinsen zu Frankfurt a. d. Oder oder sonst in einer

Micheln gelegenen Stadt zurückgezahlt werden sollten, so daß zu Weih­ nachten 1558 (also in 13 Jahren) Restzahlung erfolgte. Würde der

Kurfürst bei einem Termin säumig, so sollte er den ganzen Rest inner­ halb der nächsten zwei Monate erlegen; wo solches aber nicht geschehe,

sollte der Jude befugt sein, den Kurfürsten in Leistung zu fordern. Dieser verpflichtete sich für solchen Fall, daß er „mit eigenem Leib"

oder an seiner Statt der Hofmarschall mit 12 reisigen Pferden und 11 Knechten in ein öffentliches Wirtshaus in Posen, Breslau oder wo sonst am gelegensten in 14 Tagen nach geschehener Mahnung in

Leistung reiten und da ein ritterlich Einlager halten lassen wolle, „wie Leisten Recht von alter Herkommen ist", so lange, bis der Gläubiger der 25 000 Goldfl. samt gebührlichen Zinsen und derhalben erlittenen Kosten und Schäden gänzlich vergnügt sei. Wenn der Kurfürst auch

darin säumig wäre, soll der Gläubiger alle „unsere und der unseren

Leib, Hab und Güter ... aufhalten, bekümmern, wegführen, ver­ kaufen, einnehmen" dürfen usw. bis zu voller Bezahlung; auch begab

sich der Kurfürst aller Begnadigungen und Behelfe dawider. Der Kur­ fürst aber hat trotz so kräftiger Versicherungen nie etwas bezahlt, da­ gegen vom Grafen eine Schuldverschreibung und später von dessen

Söhnen eine Abzahlung von 10 000 Talern erhalten, die Zaschwitz

empfangen hat; das übrige soll den Grafen aus Gnaden erlassen worden sein.

Als finanzieller Berater des Kurfürsten hat Michel, der ja über die besten Beziehungen nach dem Osten verfügte, den seltsamen Plan

des wallachischen Ochsenhandels aufgebracht, von dem in der Ge­ schichte der Loitze berichtet wird'). Es sollten dabei jährlich viele Tausende von Ochsen vom Fürsten der Walachei geliefert und mit großem Gewinn in Deutschland verkauft werden, wodurch dem Kur­ fürsten eine regelmäßige stattliche Einnahme verschafft werden sollte. Als Geldgeber, mit zunächst 12 000 Talern, waren die Gebrüder Loitz gewonnen, und nur infolge einer Mißhelligkeit zwischen diesen und

Micheln als Beauftragtem des Kurfürsten hat sich das vor dem Ab­ schluß stehende große Lieferungsgeschäft in Lemberg zerschlagen, zum

größten Schaden der Loitz selbst, die vom Kurfürsten mit jahrelangem Arrest ihrer Personen und Güter verfolgt wurden. Die Loitz hatten

sich auch geweigert, die für Michels Sendung nach Lemberg ge­ forderte, nicht eben bescheidene Wegzehrung von 1500 Talern zu zahlen.

Michel hat ferner mit dem Bischof Georg v. Blumenthal zu Lebus Geschäfte gemacht und offenbar bei diesem für den Kurfürsten Gelder ausgenommen2). Der Bischof streckte dem Juden in den Jahren 1546 bis 1549 verschiedene Summen Geldes vor, die er selbst von andern

aufbringen mußte, im ganzen an 5000 Taler, bezahlte auch in Bürg­ schaft für ihn an Jacob Grieben und Thomas Rieben in Frankfurt a. d. O. 1000 Taler nebst 114% Taler Zins auf Martini 1549; der Bischof brachte ferner 1200 Taler zur Bezahlung von des Juden Schulden bei Matthias o. Saldern auf, wobei er fast 100 Taler Schaden erlitten und 120 Taler Jahrzins habe zahlen müssen2). Michel soll dem Bischof dafür alle seine Güter zum Pfand gesetzt, aber lange nicht alles zurückgezahlt haben. Er hatte auch beim Bischof im April

1549, kurz vor seinem Tode, eine Zusammenkunft mit dem Grafen Ulrich v. Regenstein, wobei von dessen Schuld 4000 Goldgulden auf

den Bischof übertragen wurden. Zweifellos versuchte Michel damit, wenigstens zu einem Teil des Regensteinschen Geldes zu gelangen,

da er vom Kurfürsten keine Zahlung erhielt. Er konnte auf diese *) Papritz, a. a. 0. Sp. 96 ff. -) Rep. 18.7. ’) Der Bischof hat dem Kurfürsten selbst im August 1546 12 000 Taler vorgestreckt; wegen der fehlenden Zinsen wurden im Juli 1564 den Erben daraus 15 000 Taler gemacht. Die Bezahlung nebst den. seitherigen Zinsen wurde 1572 den Blumenthal bewilligt (Stände-A. B. 1.8, S. 97).

Weise seine Rechnung mit dem Bischof glattstellen und sollte noch einen Überschuß von 2724 Gulden bekommen. Der ist jedoch um so weniger gezahlt worden, als auch der Bischof beim Grafen nichts

erreichte, obwohl er ihn in Leistung mahnte und dann beim Reichs­ kammergericht verklagte. Schließlich hat der Graf sich seiner Ver­

pflichtung

beim

Kurfürsten

selbst

entledigt,

indem

er

diesem

2000 Gulden zahlte und die andere Hälfte sich auf seine rückständige Ratsbesoldung anrechnen ließ.

Bei

jenen

Geschäften

Michels

hat

anscheinend

auch

eine

hohe, aber wertlose Verschreibung als Pfand gedient. Die Erben des Bischofs v. Blumenthal haben nämlich, als sie 1571 wegen ihrer ziem­ lich hohen Forderungen, die sie an den verstorbenen Kurfürsten hatten, abrechneten, eine „wallachische Verschreibung über 100 000 Taler lautend, so sie bei ihrem Vetter, dem verstorbenen Komtur, gefunden, mit eingeantwortet, damit sie nicht in anderer jüdischer Leute Hände kommen möge". Offenbar rührte sie noch von Michels

walachischem Ochsengeschäft her*2). Michel stand beim Kurfürsten in großem Ansehen und wurde

von ihm in auffälliger Weise begünstigt2). Sein Sohn rühmte, er sei überhaupt „für anderen Juden in vieler Christlichen Fürsten Handel und zu hochwichtigen Sachen gebraucht worden" und habe „oft den Zutritt gehabt, da ein ander wohl für der Thür stehen und bleiben müssen". Michel nahm jedoch ein plötzliches Ende. Als er im Frühjahr 1549 beim Bischof von Lebus war und von da eilends zum Kurfürsten beschieden wurde, um ihm Geld zu bringen, wurde er (23. April) unterwegs von Reitern überfallen und ins Sächsische entführt, bald aber befreit. Der Graf von Regenstein und einige Magdeburger

Bürger sollen den überfall veranlaßt haben2). An demselben Tage

jedoch, da die Strauchdiebe auf Forderung des Kurfürsten Joachim in Torgau hingerichtet wurden, stürzte Michel in seinem Berliner Hause in der Morgenfrühe auf der Treppe zum Abort und brach

den HalsH. Das abergläubische Volk, das den einflußreichen Hofjuden haßte, und auch der Kurfürst hielten das für ein Werk des Teufels,

dem sich Michel verschrieben hatte. *) 2) ’) akten I. ')

Ebenda. Dgl. Heise, S. 241 f. Ausführlich bei Heise, S. 243 f. Vgl. dagegen Friedensburg, Stände­ 6.381, 382, über die Urheberschaft eines Brandenburger Klisto. 17. Mai 1549.

Der gegen ihn herrschende Haß verfolgte auch seine Familie. Die Städte hatten schon vor Michels Erscheinen in der Mark um Abschaffung der Juden aus dem Lande gebeten1)* und wiederholten das auf allen Landtagen; der Kurfürst sagte endlich, am 1. Juli 1550, zu, sie bis Weihnachten auszuweisen"). Das geschah zwar damals und auch später nicht, aber die „Michel Judin", gegen die einige Male be­ sonders geklagt worden, wurde im April 1551 samt Söhnen und Töchtern ausgeroiefen3). Der älteste Sohn Löb oder Levi war „seines vielfältigen Betrugs und großer Schulden halber" in Berlin bestrickt worden, aber aus solcher Bestrickung als ein Ehr- und Eidvergessener entwichen, wie es in einem Schreiben Distelmeiers heißt1). Das mag der Grund zur Ausweisung der Familie gewesen sein, durch die der Kurfürst wohl auch lästige Gläubiger loszuwerden gedachte. Ihnen wurde nachher vorgeworfen, sie hätten sich heimlich, ohne Erstattung des Abzugs, davongemacht, und alles, was sie an Barschaften und versetzten Pfändern von anderen Leuten gehabt, meuchlicherweise aus dem Lande geführt. Ihre Güter wurden „mit zwölf großen Kram­ fassen" nach Prag geschafft; bei der mittelmärkischen Landschaft aber hatten sie noch eine Forderung von 6000 fl., auf die Gläubiger Arrest legten. Mehrere Rechtshändel, die alle auf Micheln zurückgehen, zogen sich indessen noch viele Jahre hin. Schon 1543 hatte der Kurfürst Micheln in Geschäften zum Starosten von Posen geschickt. Nun hatte eine Anna Freibergin, verwitwete Neuhofer, damals den Kurfürsten „als ihren lieben Landesfürsten" um Hilfe gegen die Danziger ange­ halten, für die ihre Mutter 80 000 Ungar. Gulden in Nürnberg be­ zahlt hätte, die auch diese Schuld bekannt, aber nicht gezahlt und darum vor den König von Polen sich berufen hätten. Der Kurfürst beauftragte Micheln, die Sache beim Starosten zu befördern, und die Klägerin gab ihm auf fein Anfordern die vier wichtigsten Dokumente zu treuen Händen mit. Michel richtete aber darin nichts aus und brachte auch die Briefe nicht wieder, hatte sie angeblich verloren und konnte sie nicht wiederschaffen. Nach gegnerischer Darstellung hatte *) So 1542, 1543. Friedensburg I 208, 228, 230. !) Ebenda S. 734. 3) Ebenda 408, 596; entgegen Heise S. 245. Eine Schwester Michels, Lucia, dagegen wohnte noch um 1570 in einer Bude in der Klosterstraße (Heise S. 303). *) Kammergerichtsprozeß Leo Juden contra Churbrandenburg, Rep. 18. 8 und 9.

der „ehrlose Gottesverächter und Gotteslästerer" die Briefe der Be­

sitzerin „mit jüdischen Schleifreden abgelockt" und hatte sie vermutlich „den Leuten überantwortet, die sie gern verloren haben". Endlich,

1546, kam die Sache vor das kurfürstliche Kammergericht, das Micheln in contumaciam zur Zahlung der 80 000 Gulden samt allen Schäden, Interessen, Gerichts- u. a. Kosten verurteilte und der Klägerin auf so hoch Immission in seine Güter verstattete. Er wußte aber die Publi­ kation des Urteils zu verhindern, obwohl Herzog Albrecht von Preußen Fürsprache für die Klägerin einlegte. Die Publikation er­ folgte erst im Dezember 1552; einige Monate später wurde Michels

Witwe auf Betreiben der Gegenpartei in Prag, ihrem Wohnort, ge­ fänglich eingezogen. Ihr Sohn Löb aber erreichte, nachdem er sich

kurfürstliches Geleit (zunächst auf % Jahr) verschafft, in Berlin, daß das erste Urteil (November 1553) aufgehoben wurde, daß der Kurfürst mehrmals für seine Mutter beim Rat der Altstadt Prag intervenierte und auch ihre Freilassung erwirkte (August 1554) und daß schließlich die Klage abgewiesen wurde'). Löb wies an mehreren Original­ briefen, die er aufgetrieben, nach, daß an der ganzen hohen Forde­ rung und vorgeblichen Erbschaft nichts dran und die Sache wohl von Anfang an ein riesiger Betrug sei, wobei viele Leute noch Vorschüsse gemacht und verloren hätten. Die Gegenpartei, die sich ihre Sache

viele Tausende kosten ließ, erwirkte zwar 1567 ein kaiserliches Mandat gegen Michels Nachkommen, doch das blieb ebenso wirkungslos wie

das langjährige Prozessieren der Gegenseite beim Reichskammer­ gericht. Wenn auch Löb in jener Sache wirksame Unterstützung vom Kur­ fürsten erhalten hatte, so konnte er wegen der 25 000 GoldguldenSchuld in Berlin begreiflicherweise nichts erreichen. Er erhob daher

15572) Klage beim Reichskammergericht

in Speyer, mit der

Be­

gründung, daß fein Vater und er öfter darum angehalten, auf fein endliches Ersuchen um rechtlichen Austrag aber dies vom Kurfürsten versagt worden fei3). Von kurfürstlicher Seite wurde nun aber ent­

gegengehalten, die Verschreibung sei nur zum Schein gegeben und nicht mahnbar; der Jude habe deshalb einen Gegenrevers ausstellen sollen, sei aber vor dessen Vollziehung mit Tode abgegangen (das

*) März 1555, bestätigt auf Supplik beim Kurfürsten Ende August 1555. -’) Vgl. Andeutung bei Friedensburg I 596. "•) Kaiserliche Citation 12. November 1557, articuliertes Klagelibell vom 11. Februar 1558. R. 18 n. 9. 286

war drei Jahre nachher!), dann habe Löb den Revers ausstellen sollen,

sei auch dazu bereit gewesen, und sei dies nur durch „Hinterlässigkeit"

der kurfürstlichen Diener verabsäumt worden. Das, sagte Distelmeier, sei mit vielen lebendigen Zeugen zu erweisen. Löb habe sich auch mehr als einmal erboten, daß er die Verschreibung ohne alles Entgelt wieder zurückgeben wolle, eben weil er gewußt habe, daß man nichts darauf

schuldig sei. Jedenfalls lehnte man in einem ausführlichen Gegen­

bericht jede Klageberechtigung ab, worauf Löb den Prozeß fallen ließ und die Verschreibungen veräußerte, über deren weiteres Schicksal werden wir noch berichten.

Ein weiterer Rechtsstreit erwuchs aus den Geldgeschäften mit dem Bischof Georg von Lebus und ergab sich im besonderen aus der feindlichen Haltung, die der Markgraf Johann Georg gegen die

Finanzberater seines Vaters einnahm. Denn kaum war der 10jährige Sohn des Markgrafen, Joachim Friedrich, 1556 Bischof von Lebus

geworden, so forderte der Markgraf in dessen Namen Gelder, die

Michel dem alten Bischof schuldig geblieben sein soll, mit Zinsen

3606% Taler, von Michels Erben und ließ wider sie klagen und mit Arrest Vorgehen. Diese hingegen bestritten nicht nur jeden derartigen Anspruch, sondern machten nun auch die schon erwähnte Gegenforde­

rung von 2724 Gulden geltend. Doch wurden sie von den Berliner

Gerichten in mehreren Instanzen im Abwesenheitsverfahren zur

Zahlung verurteilt, worauf der Markgraf ihr Berliner Haus und ihre bei der Landschaft noch stehenden 2000 Taler einziehen und auch auf einen Regensteinschen Schuldposten von 2000 Goldgulden Arrest

legen ließ. Eine Appellationsklage der Michelschen Erben beim Reichskammergericht schwebte 1573 noch unerledigt^.

Auf die Geldgeschäfte Joachims II. mit Michel Juden bezieht sich ferner ein Befehl Johann Georgs an den Rat zu Frankfurt a. O., d. Köpenick 2. November 1579. Danach hat Peter Krause zu Fürsten­

walde^) die dem Juden gegebenen Schuldverschreibungen Joachims II. bei Michels Sohn „Levi" mit Geld ausgelöst, sie aber nicht erhalten können, offenbar weil sie weitergegeben waren. Daher sollte der Rat

die zum Martinimarkt nach Frankfurt kommenden polnischen Juden, die ihm Krause namkündig machen werde, ernstlich dazu anhalten, daß sie Levi und seine ausgesetzten Bürgen dahin brächten, Krausen die

!) Bep. 18 n. 7; Bep. 174 n. 33. -) P. Krause war der Schwager von Andreas Lindholz. Dgl. oben •S. 73 und Heise, a. a. O., S. 245, 284.

kurfürstlichen Verschreibungen zu verschaffen oder sein ausgezahltes Geld zurückzuerstatten. Sollte es nicht geschehen, so würden sie auf

künftigen Märkten wahrnehmen, was ihnen widerfahren werdet. Wir fassen jedenfalls, was wir aus den verfügbaren Akten er­

kennen, dahin zusammen, daß Michel Jude nur zwischen 1543 und 1549 als Hofjude Joachims II. in der Mark war, und daß die über­ lieferten Gerüchte von seinem großen Reichtum nicht haltbar sind.

Richtig ist, daß er viele und weitreichende Beziehungen hatte, sehr tätig war und bedeutende Darlehen zu mobilisieren verstand. Daß schließlich nur ein Fiasko dabei herauskam, war ein Schicksal, das er mit vielen teilte, die mit Fürsten Geldgeschäfte machten. Aber auch

der Kurfürst dürfte mit diesem seinem Hofjuden nicht den Nutzen ge­ funden haben, den er wohl von einem solchen erwartete. Michel Jude hatte jedenfalls keinen Nachfolger. Der später als kurfürstlicher Ver­ trauter erscheinende Jude L i p p o l d spielte, wie wir sehen werden, eine andere Rolle.

Heinrich von Stanpih.

Die Verschreibung über 25 000 Goldgulden-), die Michel Jude er­ halten hatte, war damit nicht aus der Welt geschafft, daß man kur­ fürstlicherseits die Ansprüche der Michelschen Erben abgewehrt hatte. Nachdem die Schuldurkunde in andere Hände übergegangen war,

scheinen die Mahnungen noch lästiger geworden zu sein, und man war daher am kurfürstlichen Hofe darauf bedacht, die Verschreibung und

zugleich

auch

andere

unangenehme

Verpflichtungen

loszu­

werden-). Zu diesem Zweck wurde mit Otto B o l l a n d t von Braun­ schweig ein Vertrag, Cölln Freitag nach Oculi 1559, abgeschlossen, daß

er die Verschreibung über 25 000 gf. samt 16 250 darauf versessener Zinsen, auch Interesse, Schaden und Unkosten, weswegen man heftig gemahnt werde, von dem Inhaber für 41000 TalerH im nächsten Leipziger Ostermarkt einlösen solle; zugleich solle er an Joachim

Grieben für dessen Verschreibungen über 12 500 Taler von Michaelis 1557 und 20 000 von Ostern 1558, wofür der Zoll zu Lenzen eingesetzt war, also für zusammen 32 500 Taler 24 500 zahlen und auch diese Verschreibungen „freien". Ferner sollte Bollandt sofort 3000 Taler

*) 2) -) 4)

Rep. 29. 127 all. Vgl. oben S. 282 u. 286 f. Das Folgende nach Rep. 18 n. 10. Tatsächlicher Wert, den Goldgl. zu 27 gr. gerechnet: 46406% Taler.

bar erlegen und im nächsten Ostermarkt noch 31500 Taler oorstrecken, also alles in allem 100 000 Taler zahlen. Davon sollten 50 000 gu 5% zehn Jahre, 50 000 gu 6 % fünf Jahre unabgemahnt stehen bleiben. Der Kurfürst wollte Bollandt „und seinen Mitbeschriebenen" die

100 000 Taler samt jährlichen Zinsen durch die Räte der Städte Halle, Halberstadt und Aschersleben versichern; falls er aber deren Ver­ sicherung nicht erhalten könnte, ihm die erhaltenen 3000 Taler und alle Unkosten und Interessen, die er zur Aufwendung solcher Summe,

„weil es in seinem Vermögen allein nicht ist", aufwenden würde, zurückerstatten. Wenn Bollandt aber selbst in einer seiner Verpflich­ tungen säumig würde, solle er der 3000 Taler verlustig sein.

Für die 3000 Taler nebst Unkosten und Interessen mußte der Rat »an Berlin Schadlosbürgschaft übernehmens, wogegen ihm der Kur­ fürst die zwei Lehninschen Dörfer Gohlitz und Wachow zum Unter­ pfand setzte, sowie vier selbstschuldige Bürgen: Caspar v. Klitzing, Michael Hape v. Hapberg, Thomas Matthias und Joachim Grieben. Der letztere allein lieh sich jedoch ausdrücklich versichern, daß er nur

für sein Viertel, also 750 Taler, zu haften habe.

Es kam nun so: der Kurfürst brachte die Hauptverschreibung der drei Städte nicht bei — es ist auch nicht recht einzusehen, wodurch er diese gar nicht zu seinem Machtbereich gehörigen Städte zu einer so hohen Bürgschaftsleistung hätte bewegen können—; er zahlte aber auch die 3000 Taler nebst Unkosten im Leipziger Ostermarkt nicht zurück, so daß der Berliner Rat vertragsgemäß im nächstfolgenden Monat, auf Trinitatis, in Hamburg an Bollandt hätte zahlen müssen. Dieser „und sein Anhang" aber schlug seine ganze Forderung auf fast

55000 Taler an und drang heftig in den Rat, der sich nicht Rats wußte. Endlich hat Joachim Grieben dem Kurfürsten und der Stadt zum Besten deren Verschreibung mit seinem „großen Unstatten" und

„mit allem Fleiß" um 5000 Taler an sich gehandelt und suchte deren Wiedererstattung beim Rat zu Michaelis 1559. Dieser bat den Kur­ fürsten, ihn zu „benehmen" oder in die verschriebenen Dörfer ein­ weisen zu lassen, konnte aber nichts erreichen und wurde nun von ’) Die Städte Berlin und Cölln hatten schon einmal als Bürgen her­ halten müssen, für die 8000 Taler, die der Kurfürst den Wosserkunstmachern Gebr. Hirsch durch Verschreibung vom 28. Januar 1549 versprach, und zwar sollten diese bei Nichthaltung Macht haben, alle Bürger und Untertanen der beiden Städte nebst Habe und Gütern aufzugreifen. (R. 18 n. 4 I.) Die Zahlung kam jedoch nicht in Frage, da die Hirsch das Werk nicht zustande brachten. 19 Großkaufleute 1

289

Grieben zum höchsten bedrängt, der, wie er angav, t«vuliy, oatz der Rat auch im Leipziger Neujahrsmarkt nicht zahlte, bei 1600 Talern Schaden erlitt und dies ersetzt haben wollte. Der Rat mahnte endlich (Sonnabend nach Jnoocavit und Montag nach Judica 1560) die Bürgen, drohte mit Zugriff zu ihren Gütern und trat damit sogar an Grieben selbst, der ja Bürge und Gläubiger zugleich war, heran. Da­ mit aber kam er begreiflicherweise schlecht an, denn Grieben hielt ihm nun in einem längeren Schreiben nachdrücklich vor, daß der Rat sich bei Bersetzung von Ehre, Treu und Glauben und Berwilligung der Repressalien verbrieft habe; Grieben drohte, daß bei längerer Ver­ zögerung die Berschreibung in solcher Leute Hände kommen werde, die sich nicht würden aufhalten lassen, und werde der Rat dann mit 50 000 Talern schwerlich davonkommen. Demnach war bei dem ganzen Geschäft nur soviel erreicht, daß der Kurfürst sich 3000 Taler für nichts verschafft hatte, daß einige Kauf­ leute Provisionen verdient hatten, und daß der Berliner Rat, der unverschuldet dazu gekommen war, die Zeche teuer bezahlen mußte, daß aber zum Hauptzweck, der Auslösung der Verschreibungen, ins­ besondere der jüdischen, noch gar nichts geschehen war. Dafür fand sich endlich ein neuer Geldgeber, den Joachim und Abraham v. Rochow dem Kurfürsten vorschlugen: der Obrist Heinrich o. Stäupitz, Hauptmann auf Belzig und Rabenstein. Mit diesem tritt, annähernd gleichzeitig wie Zaschwitz, wieder ein sächsischer Finanzmann von Adel in den Vordergrunds. Die Verhandlungen mit ihm führte Abraham v. Rochow, Hauptmann von Saarmund, dann auch Thomas Matthias. Nach einer im März 1561 zu Wittenberg getroffenen Abmachung sollte Staupitz 75 000 Taler, wovon 41000 Taler für Auslösung der Verschreibung") angerechnet wurden, geben und dafür das Amt Lehnin (ohne obige zwei Dörfer) erhalten. Staupitz hat danach die auf Bollandt lautende Verschreibung über 41000 Taler mit der jüdischen über 25 000 Goldgulden an sich gebracht, und zwar von den Leipziger Bürgern und Ratsverwandten Conrad Teurlin, Caspar Schellhammer und Heinrich Cramer31).*25 Er hat dafür nur 34 000 oder 36 000 Taler, nach eigener späterer, jedenfalls zutreffender 1) Er war auch bei den TOans selber Bergwerken beteiligt. Fischer a. a. D. S. 403. 2) Wegen der von Bollandt eingelösten Verschreibung haben auch die Loitz-Lindholz dem Kurfürsten 1560 II. zu Ostern 1563 auf Rechnung gesetzt (Papritz a. a. O. Sp. 194). 5) über deren Handelsgesellschaft vgl. Fischer a. a. O., S. 393.

Angabe gar nur 28 000 Taler in schwerem Geld gezahlt, ließ sich aber vom Kurfürsten am 4. Oktober noch ausdrücklich zusichern, daß

ihm oder seinen Mitbeschriebenen deshalb bei Wiederzahlung der aus­ bedungenen 41000 nichts gekürzt werden solle1). Staupitz hat also bei dem vorteilhaften Geschäft 13 000 Taler Gewinn gemacht; er rechnet« davon 5000 für eigene Bemühung und aufgewandte Kosten, 8000 zu­ gleich für seine Mitverwandten. Im Ostermarkt 1561 übergab er die

eingelöste Verschreibung und 12 300 Taler bar, dazu bis zu der am 12. Juni erfolgenden Einweisung in Lehnin noch 27 000; die restlichen 18 000 Taler zahlte Staupitz in zehn einzelnen Posten (darunter 3000

an Jacob Grieben wegen Joachim Grieben) bis 15. Oktober, an welchem Tage Matthias eine vorläufige Generalquittung über die 75 000 in Leipzig ausstellte.

Staupitz blieb auch weiterhin eine wichtige Persönlichkeit in den vielerlei Geldhändeln des Kurfürsten, denn er hatte offenbar Kredit und mußte daher immer wieder in dringenden Nöten ein­ springen. Er konnte dies auch noch tun, nachdem von den Grieben, Lindholz und anderen Geldgebern nichts mehr zu erhalten war, und

blieb bis zum Tode des alten Kurfürsten dessen Rat und Finanz­ mann. Er hatte allerdings auch im Unterschied von jenen ein wert­ volles Realpfand in Händen, das beste Amt des Landes, Lehnin. Die Stände versuchten dieses 1565 auszulösen, konnten aber nur 35 000 Taler nebst 3000 Taler Zinsen nach und nach darauf zahlen, so daß Staupitz das Amt nach einiger Zeit wieder einnahm. Dieser wurde gerade in den letzten Jahren des alten Kurfürsten als Geld­ vermittler besonders angespannt. Hatte man im Juni 1568 mit ihm

auf 31 289 Taler Rückstand abgerechnet, so muhten ihm zu Ostern

1569 schon 65 949 Taler, einschließlich Zinsen, Schäden und Gehalts­

rückständen, neu versichert werden. Danach kamen noch weitere An­ forderungen in Griebens, Lindholz', Gotthard Königs und Zaschwitz' Schuldsachen, für Auslösung des Kurfürsten auf dem Speyrer Reichs­

tag im Sommer 1570 (etwa 6000 Taler), Einlösung des Amts Saar­

mund von dem v. Lindenau (13 500 Taler), Zahlung rückständiger

Ratsbesoldungen (11 000 Taler), nebst vielfältigen Reisen und Zeh­

rungen hinzu. Kein Wunder, daß auch dieser Geldvermittler in Be*) Der Wert der Verschreibung war damals: 25 000 goldfl. ä 26J4 gr. = 27 605 Tl. 4 sgr., dazu 15 Jahreszinsen ä 1380 — 20 700 Tl., Summa 48 305 Tl. 4 gr.; bei 27 sgr. den goldgl. 49218)4 Tl. Davon waren 9661 Tl.

20 gr. des Kurfürsten eigene Schuld. 19*

291

drängnis geriet, wie seine Borgänger, daß er bei Kauf- und anderen Leuten von einer Messe zur anderen Geld aufnehmen und dafür 10 und 20 % Zinsen geben, auch einmal, als Bürge für Zaschwitz, in

Leipzig „leisten" lassen mußte, was 650 Taler Zehrung ausmachte. Auch darin blieb ihm das Schicksal der anderen nicht erspart,

daß seine Forderungen bei weitem nicht in voller Höhe anerkannt wurden.

fürst

Denn nach dem Regierungswechsel hat der neue Kur­

sogleich

die

letzte

Abmachung

mit

Staupitz,

obwohl

sie

mit seinem Vorwissen geschlossen war, in stärksten Zweifel gezogen*2) und von Staupitz vollständige Abrechnung gefordert. Dieser gab

eine solche, doch mit Vorbehalt seiner Rechte und daß er dazu nicht verpflichtet sei, und es wurde darüber verhandelt. Man machte gewaltige Abstriche: statt der 95 608 Taler, die Staupitz insgesamt als Forderung mit Belägen ausgestellt2), ließen die Gutachter, vier kurfürstliche Räte, nur 48 666, 47 302,43 250 bzw. 39 576 Taler gelten. Staupitz selbst erbot sich, an den vom Juden Michel herrührenden

41000 Talern 16 000 schwinden zu lassen; da er aber merkte, daß es mit seiner Sache übel stand, ritt er vor Beendigung der Verhand-

lungen davon und appellierte „a futuro gravamine“ an das kaiser­ liche Kammergericht. Der Kurfürst jedoch ließ am zweiten Sonnabend nach Ostern 1571 in aller Frühe das Amt Lehnin „mit gewehrter Hand und Zerschlagung der Thore und Schlösser" gewaltsam ein­

nehmen.

Da der abwesende Staupitz wohl nicht mit Unrecht ver­

mutete, daß es dabei auf ihn selbst abgesehen gewesen war, bat er den Kaiser Maximilian II. in Prag um Fürsprache und Erwirkung freien Geleits, da er zu gütlicher Handlung bereit sei. Der Kaiser schrieb

in diesem Sinne am 24. Mai an den Kurfürsten; auch acht sächsische Edelleute befürworteten namens Staupitz am 31. Juli eine gütliche Verhandlung, und eine solche wurde auf Anfang Oktober festgesetzt.

Das Ergebnis war schließlich, daß dem Staupitz von den Landräten, gemäß einem Abschied von Johannis 1572, für seine Kapitalforde­

rungen nur 35 000 Taler zinsbar und für die Zinsforderungen 15 000 Taler wachender Schuld zugeschlagen wurden. Was er etlichen Räten

vorgestreckt, dafür sollten die ihn an ihre Guthaben bei der Landschaft verweisen2). *) Vgl. Friedensburg II S. 619, 620. 2) Stände-A. B 1. 8, S 89 ff. “) Nach den Ständeakten von 1571 sogar 116 379.

Mit Staupitz haben auch Thomas Matthias und der Berliner Bürger Friedrich Trebbow 1569 aus dringender Not ein höchst eigen­ tümliches und etwas dunkel gehaltenes Darlehnsgefchäft über 5000 Taler geschlossen, nachdem sich Trebbow für Matthias „vor anderen

sonderlich hoch vertieft" und „hülflos gelassen, hätte gar zu Boden gehen müssen".

Darüber liegt eine Hauptoerschreibung, Leipzig,

10. Januar, und eine Schadlosverschreibung jener

beiden, Belzig,

Sonntag Trinitatis 1569, vor. In jener bekennt Staupitz die 5000 Taler von Trebbow empfangen zu haben (!) und sie in drei Jahres­

terminen nebst gewöhnlichen Zinsen wiederzugeben; in dieser ver­ sprachen die tatsächlichen Schuldner: wenn Staupitz' Handlung wegen der anderen Summen, womit der Kurfürst und die Verordneten der Landschaft ihm verhaftet waren, vollzogen sei, solle er auch vom Kur­ fürsten wegen der 5000 Taler mit versichert werden. Obwohl Matthias ihm diese Versicherung beschaffte, zahlte Staupitz nur 2000 Taler und

wollte die auch samt Interesse zurückhaben, weil der Kurfürst ihm das Verschriebene nicht hielte. Matthias, der das mit Mühe verhindern

konnte, bekennt 1571 darüber:

Dergleichen Händel, darin ich mich

dem verstorbenen Kurfürsten zu Liebe, zu Abwendung von allerlei Unrichtigkeit und Nachteil und aus Drang der Not einlassen müssen, sind wohl mehr vorhanden, daraus man, und sonderlich aus der Handlung mit den Juden, wie meine Gelegenheit gestanden und in was Freuden ich meine Zeit hinbracht, leicht abzunehmen. Gott gebe

Segen zu gnädiger Besserung. AmenH. Wie Staupitz, so standen auch seine Verwandten o. Rochow (Staupitz' Frau war Margarete v. Rochow) in dem Verdacht, den schwachen Kurfürsten nach Kräften

ausgebeutet

zu

haben-).

Der

schon mit seinem Salzprivileg erwähnte Joachim o. Rochow erhob auf Grund von allerlei Verschreibungen nach Joachims II. Tode Forderungen, die sich, nachdem u. a. von der Landschaft bereits 4000 Taler Kapital und 2260 Taler an Zinsen bezahlt waren, noch

auf 31 468 Taler beliefert. Doch wurden nur 8000 Taler zinsbar und 1000 unverzinslich anerkannt). *) Undatierter Bericht von Matthias (1571?) Bep. 18. 10. _>) Vgl. Friedensburg II 619, 620, 621. 3) Stände-A. B 1. 8, S. 121—127.

Christoph Frey. Eine besondere Erscheinung unter den Geschäftsleuten und Aben­ teurern, die beim Kurfürsten Joachim II. ihr Glück versuchten, war Christoph Frey aus Magdeburg: er war Fachmann in Dergwerks-

und Hüttensachen. 1550 war er in den Dienst des Grafen Wolfgang zu Stolberg-Wernigerode getreten, um für ihn einen Handel mit

Blech, Messing, Draht usw. einzurichten; er scheint auch seit 1553 die Ilsenburger Hütte betrieben zu haben. Später hatte er mit dem Grafen

aber langdauernde Rechtshändel, indem beide Teile die übertriebensten Geldansprüche gegeneinander erhoben-). Frey hat schon vor 1555 den Kurfürsten „mit vielen hohen Zusagen und Vertröstungen" zu einer Halbpart-Beteiligung an einem großen Nutzen versprechenden „Koh­ len- und Seigerhandel" und einem Kupferschiefer-Bergwerk zu Kön­ nern bei Halle überredet und ihm eine Verschreibung über 20 000 ft. abgelockt-); auch eine solche, die der Rat der Altstadt Magdeburg dem

jüngsten Sohn des Kurfürsten, Erzbischof Sigismund, über 40 000 fl. gegeben und auf die jährlich 2000 fl. abzuzahlen waren, spielt dabei eine Rolle. Aber Frey hat nichts innegehalten und die versprochenen Zah­

lungen jedenfalls durchaus nicht voll und zu rechter Zeit geleistet, so daß sich „allerlei Irrungen und Weitläuftigkeit" zugetragen, und der

Kurfürst die von ihm verschriebenen Gerechtigkeiten widerrief. Der Kurfürst und der Erzbischof sollen gegen Freys Magdeburger Güter

mit Arrest vorgegangen sein; auch die Stadt Leipzig erbat im Dezem­ ber 1560 Arrest und Steckbrief gegen Frey schuldenhalber. Obwohl

damals auch der Erzbischof seinen Vater warnte, daß Frey „mit selt­ samen, unbilligen und sehr eigennützigen Praktiken und Griffen" um­

gehe, und der Kurfürst „seinen geschmückten Worten" nicht alsbald Glauben geben möge, so hat sich der Kurfürst doch wieder mit ihm

eingelassen

und zu

Grimnitz im Februar 1562 (Donnerstag nach

Estomihi) einen neuen Vertrag geschlossen. Frey verzichtete darin auf sein verschriebenes Halbteil am Kohlen- und Seigerhandel, und *) Rep. 8 n. 188 a. *) Rep. 20 n. 5. Sonst nach Rep. 61 n. 28 a; Ständearchiv C 49 F 18. Hier, A 6. 2 fol. 89, ist noch erwähnt: 1568 Kohlenhandel u. a. Handlung mit dem Grafen von Mansfeld; 1571 Freys Handlung in Holzkohlen und Könne­ rische Bergwerkssachen. Dgl. auch oben S. (Grieben 11 f.) und Fischer a. a. D., S. 411 f.

der Kurfürst versprach, ihm dafür auf jeden Könnernschen Bergteil 1000, zusammen 42 000 Tl. zu geben. Davon wurden 18 000 mit der Verschreibung des Magdeburger Rats gegen Erzbischof Sigismund

über 40 000 fl. beglichen, über die übrigen 24 000 Tl. eine kurfürstliche Schuldverschreibung in Cölln Sonnabend nach Ostern 1562 aus­ gestellt. Frey erhielt noch Michaelis 1562 eine kurfürstliche Ver­ schreibung über 22 572 Taler wegen 20 000 fl., die er dem Kurfürsten

auf den Kohlen- und Seigerhandel 1557 und 1558 auszuzahlen, und 2000 Taler samt einjährigem Interesse, die er Valtin Leisen zu Leipzig für den Kurfürsten im Ostermarkt zu entrichten übernommen, und endlich eine über 9000 Taler, Sonntag nach Michaelis 1562. Diese war bis zum nächsten Ostermarkt zinslos, während die beiden ersten Beträge mit 6 % verzinst und in den drei nächstfolgenden Jahr­ terminen zurückgezahlt werden sollten. Im ganzen waren ihm also 55572 Taler verschrieben.

Dem Frey war in der ersten Verschreibung keine Sicherheit ge­ geben, sondern nur zugestanden, daß er bei Nichtzahlung Hab und Güter des Kurfürsten und dessen Untertanen in und außerhalb Landes anhalten und beschlagnahmen dürfe, auch des Kurfürsten Nutzung aus

dem Könnernschen Bergwerk, dem Seiger- und Kohlenhandel; im be­ sondern sollten alle Schiffe mit Kohlen und Schiefern zu Barby und

Magdeburg angehalten werden dürfen. Erst nachträglich versprach der Kurfürst, für diese Verschreibung die Versicherung durch die Städte

bis Ostern 1563 zu verschaffen. Die zweite Verschreibung hat Mark­

graf Johann Georg mitversichert, was aber nach seiner späteren Auslegung nicht zusätzlich neben seinem Vater galt, sondern erst für die Zeit nach dessen Ableben. Die dritte Verschreibung war dafür erteilt, daß Frey die kurfürstlichen, bei Dr. Lussels Erben in Leipzig

für 5200 Taler verpfändeten Kleinode einzulösen und 1500 Mark Silber jährlich zu liefern übernahm. Dafür wurden ihm des Kur­

fürsten „silberne übergolte Kleinotter oder Trinkgeschirre", die der kurfürstliche Uhrmacher Balzer Marquart Wilhelm Langutts zer­

schlagener Handlung halber gegen Leipzig geführt, 1454 Mark an Gewicht haltend, nebst den eingelösten Kleinoden zum Unterpfand ge­

setzt.

Auch in der zweiten und dritten Verschreibung waren Re­

pressalien bei Nichtzahlung zugestanden; in der dritten war aus­

bedungen, daß der Kurfürst Wechselgeld oder Interesse, die infolge Nichtzahlung erwüchsen, samt sonstigen Kosten und Schäden wieder zu

ersetzen hätte.

Seit 1568 trat Frey, der damals zu Dresden gesessen war, mit Forderungen wegen der Kosten, die er auf das Bergwerk, zu Ein­

lösung des kurfürstlichen Silbergeschirrs und sonst verwendet, an den Kurfürsten heran; er meldete dafür 1571 den ungeheuerlichen Betrag

von 530 000 Reichstalern an und steckte sich hinter Kursachsen*). Kur­ fürstlicherseits suchte man mit Versprechungen hinzuhalten und ver­ wandte sich auch 1568 „fast submisse" bei Kurfürst August von Sachsen, daß Freys Kreditoren zu einiger Geduld angehalten und ihnen keine

Repressalien wider brandenburgische Untertanen verstattet werden möchten; man war auch sehr besorgt, daß Frey das in seinen Händen

befindliche Silbergeschirr etwa verkaufen möge.

Frey wurde ver­

schiedentlich aufgefordert, zur Berechnung herzukommen und ihm da­ für sicheres Geleit versprochen, man wollte ihm auch einen großen

Vorrat an Hafer zur Verschiffung überlassen.

Die Stände aber

waren erbost über ihn und seine kostspieligen Schwindelgeschäfte. Die

märkische Ritterschaft bat Januar 1569 um seine Bestrafung3), die Landschaft wollte ihm nichts gestehen.

Bei der Abrechnung 15713) wollten die Landräte die erste jener

Verschreibungen gar nicht anerkennen, weil der Kohlen- und Seiger­ handel nie zu einiger Nutzung, auch nicht ins Werk gekommen, der Kontrakt also vergeblich und nichtig sei. Auf die zweite wurden mit Berechnung aller Zahlungen hin und her noch 7405 Taler Haupt­

summe und 7212 Taler Zinsen anerkannt.

Die dritte machte bis

Michaelis 1571 mit Zinsen 13 050, alles zusammen also 27 667 Taler aus. Dagegen war das Silbergeschirr, die Mark nur zu zwölf Talern

gerechnet, „da doch der Kurfürst zu 18 Talern etliches kauft", 17 448 Taler wert, dazu kamen 10 366 Taler, die die Verordneten am 6. Juli 1565 dem Dr. Hilliger von Chr. Freyen Summen verschrieben, nebst 3732 Zinsen bis Juli 1571, zusammen 31 546 Taler, so daß

Frey dem Kurfürsten 3880 Taler schuldete, ungerechnet die Ver­ schreibung über 40 000 fl., die ihm für einen ganz nichtigen Kontrakt

zugestellt war. „In geschweigen, in was treffliche Schäden, Schimpf und Nachteil er den verstorbenen Kurfürsten durch diese Handlung geführt hat." übrigens hat Frey seine Verpflichtungen gar nicht er­ füllt, die oben erwähnten Kleinodien zu Leipzig z. B. wurden im Herbst 1565 durch Andreas Lindholz eingelöst. ') Stände-Archio A 6. 2 fol. 96. ) Friedeneburg II 457. ') Stände-A. B 1. 8, S. 63 ff.

Es wurde auch be-

hauptet, die Verschreibungen seien „partitischer Weise ausgewirkt"

und „von etlichen bösen Leuten dem Frey zu gute mit Unfug zu Wege gebracht" worden. Im ganzen soll Frey durch Beredung zu Berg­ werks- oder anderm Handel wohl über 80 000 Taler Schuldbriefe, die

für ausgeliehen Geld gesetzt worden seien, wegbekommen habens.

Inzwischen hatten Freys Erben, die er, wie es heißt, in großer

Armut, Not und Elend hinterlassen, die kurfürstlichen Verschreibungen, da sie trotz verschiedener Anmahnungen von der Landschaft nicht ein­

gelöst wurden, hin und wieder versetzt3*).* Die dritte über 9000 wurde den Cramerischen zu Leipzig zediert, doch galt sie durch das kur­ fürstliche Silbergeschirr als gelöst und getötet. Die beiden andern hatten zuletzt einige Leute in Wittenberg in Händen; die Landschaft erwirkte wenigstens, daß sie „zu Verhütung des Kurhauses ferneren Schimpf und Verkleinerung" beim Rate zu Wittenberg deponiert wurden. Auch auf diese erhoben die Cramer und Hilliger in Leipzig

als Gläubiger Freys Ansprüche').

brandenburgische

Im

Schuldverschreibungen

ganzen

über

sollen

30 746

die

Taler

Freys ver­

pfändet haben4).5 Die Cramerischen sind dabei allerdings leer aus­ gegangen, denn noch 1599 waren die Freys bei ihnen mit 37 376 fl. Schulden verzeichnet6).

Es wurde dann auf vielfältige Interzession des Administrators Joachim Friedrich im April 1605 eine Vereinbarung getroffen, daß die Erben für alle ihre Zusprüche von der Landschaft 10 000 Taler in

Jahresraten

von

1500

erhalten

und

dagegen

die

beiden

Ver­

sollten. Der Kurfürst aber entschied am 20. August 1605, daß der jüngere Christoph Frey abzuweisen sei und wegen seiner unbefugten Forderung bei der Landschaft den Kur­ schreibungen loswirken

fürsten nicht ferner molestieren solle6). Die Abwicklung der Freyschen Sachen und die Auslösung der beiden Verschreibungen hat der Berliner Kramer und Stadtkämmerer David Reetz übernommen. Er hat, wie er 1609 klagt, schon in die

28 Jahre Geld darein gesteckt, auch zu Abfindung der andern Erben

’) Friedensburg II 620 f. Da wird weiter angeführt, daß auch Joachim und Albrecht von Rochow große Summen damit und mit angegebenen Künsten sich verschafft hätten. *) 1571 heißt es: an die Blancken (zu Waren i. d. Niederlausitz). 3) Rep. 41.6. 4) Fischer, a. a. O., S. 411 f. 5) R.-A. Leipzig, Invcnt. Cramer, Bl. 217. 6) Rep. 20. 5.

und Gläubiger des älteren Frey Gelder auf schwere Interessen auf­ nehmen müssen, viele Mühen und Reisen gehabt, und will im ganzen

über 7000 Taler zu fordern haben. Er hat schließlich, 1610, die Ver­ schreibungen erlangt, aber mit schwerer Ungelegenheit, da er über 2500 Taler auf Monatsgeld herzu nehmen müssen. Er bat wiederholt dringend um wenigstens eine abschlägige Bezahlung*).

Lampert Distelmeier. Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts sieht in Berlin nicht nur den Niedergang einer Gesellschaftsklasse, die seit dem Mittelalter

— man kann sagen seit dem Bestehen der Stadt — die wirtschaftlich führende gewesen ist. Dieser Zeitabschnitt wird andrerseits der Nähr­

boden für einige Persönlichkeiten, die wiederum als Borläufer wirt­ schaftlich führender Kreise des 17. und 18. Jahrhunderts anzusehen sind. Die drei Männer, die im folgenden geschildert werden, haben außer der ungefähren Gleichzeitigkeit ihrer Wirksamkeit das eine gemein­

sam, daß alle drei von jenseits der Landesgrenzen nach Berlin kamen. Im übrigen stellen sie drei verschiedene Typen dar, deren geistigen

Enkeln und Urenkeln wir im Verlauf unserer Darstellung häufiger begegnen werden. D i st e l m e i e r, der leitende Staatsbeamte, den seine Mission von historischer Bedeutung und deren meisterhafte Er­ füllung nicht daran hindert, ein großes Vermögen anzusammeln; der kurfürstliche Hoftude L i p p o l d, der die Auswertung der spezifisch

jüdischen Fähigkeiten im Dienst des Landesherren verkörpert; und

schließlich

Thurneißer,

der

vielgewandte

-gewanderte

und

Alchymist, der wahrscheinlich als erster die Konzeption einer großen kaufmännischen Unternehmung in Berlin selbst gehabt hat. Lampert Distelmeier stellt jene Spezies von Verwaltungsjuristen dar, die sich kleinere deutsche Landesherren im 16. Jahrhundert und

auch noch später aus dem Auslands holten, wenn ihnen unter ihren Landeskindern der geeignete Mann für die Besetzung eines Ratspostens nicht zur Verfügung stand. Im Laufe von 37 Jahren

ist

durch

wöhnlichen aus

dem

das

Vertrauen

Geistes-

sächsischen

und

zweier

Kurfürsten,

Charaktereigenschaften

Bürgerssohn

und

das

feine

ihm

Leipziger

unge­

gewannen,

Doktor

juris

der maßgebende Leiter der brandenburgischen Politik und Ver­ waltung, ein standesbewußtes Mitglied des märkischen Adels und *Htände-A. C 49 F 18.

einer der reichsten Privatleute des damaligen Berlin geworden. Siftetmeier1) wurde 1551 im Alter von 29 Jahren vom Kurfürsten Joachim II. als brandenburgischer Hofrat vereidigt; 1558 übernahm

er das Kanzleramt in der Mark; als einziger der vertrauten Mit­ arbeiter Joachims II. behielt er fein Amt auch beim Regierungsantritt des Nachfolgers, Johann Georgs, 1571 bei und verblieb in ihm, äurch die Mitarbeit seines Sohnes Christian unterstützt, bis zu seinem 1588

erfolgenden Tode. Die Leistungen und Erfolge Distelmeiers in der

äußeren Politik lagen zunächst in der Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu Sachsen, sodann in der Sicherung der Stellung

Brandenburgs im Erzstift Magdeburg, sowie darin, daß er für das brandenburgische

Haus

die

Mitbelehnung

über

das

Herzogtum

Preußen erlangte. Hinsichtlich der inneren Politik liegt Distelmeiers bleibendes Verdienst in einer Reorganisation der Berwaltung und in seinem wenn auch nicht restlos geglückten Versuch, die Justiz von Eingriffen des Landesherrn unabhängig zu machen. Hand in Hand mit dieser erfolgreichen öffentlichen Wirksamkeit und — wie Distelmeiers

Tagebuch erweist — mit der gleichen zähen Energie behandelt, ging die Vorsorge für das eigene Haus und der Erwerb eines stattlichen, nach den Regeln des erfahrenen und sparsamen Hausvaters ange­ legten Vermögens.

Schon bei der Wahl seiner Gattin war Distelmeier mit entsprechen­ der Umsicht vorgegangen. 1549 hatte er die Tochter eines angesehenen

und reichen Leipziger Ratsherrn, Elisabeth Goldhahn, geheiratet. Bei seinem zwei Jahre darauf erfolgenden Eintritt in branden­ burgische Dienste war das ihm zugesagte Gehalt nur die gewöhnliche Ratsbesoldung, d. h. 300 Gulden jährlich, Hofkleidung, Tischgeld für

sich und einen Diener, 200 Gulden Umzugskosten und eine Zusage auf 1000 Gulden aus dem nächsten dem Landesherrn anfallenden Lehen. Schon im folgenden Jahr gab ihm die Zufriedenheit des Kurfürsten Gelegenheit, diese Zusage dadurch mit besonderem Nutzen zu reali­ sieren, daß er das am Molkenmarkt Nr. 1 gelegene, mit 1800 Gulden

geschätzte wertvolle Haus gegen Zahlung von nur 300 Gulden zur *) Ich folge im Nachstehenden der ausgezeichneten Darstellung Friedrich Holtzes: Lampert Distelmeicr kurbrandenburgischer Kanzler, in Schr. d. 33er. f.d.Gesch. Berlins, XXXII, S. 1 ff. Die Angaben über die Bildung seines Ver­ mögens hat Distelmeier zum größten Teil in seinem Tagebuch — veröffent­ licht von Heidemann, Beilage z. Programm d. Gymnasiums z. grauen Kloster, 1885 — selbst zusammengestellt. Gundlings Lebensbeschreibung Distelmeiers ist nach Holtze überholt.

Ablösung der Zusage annahm. Zwei Jahre später schenkte ihm sein freigebiger Herr 3000 Gulden zum Lohn für seine erfolgreichen Be­ mühungen, dem jungen brandenburgischen Markgrafen Sigismund die Erzbischofswürde von Magdeburg zu verschaffen. Bald darauf, im September 1555, verlieh ihm der Kurfürst Zinsen und Pachte aus dem Besitz der aufgelösten Klöster Lehnin und Spandau, und zwar als Ersatz für seine Unkosten auf dem Reichstag zu Augsburg und zum Dank dafür, daß Distelmeier dort den durch den Leichtsinn des Markgrafen Albrecht Alcibiades gefährdeten fränkischen Besitz des Hohenzollernhauses energisch verteidigt hatte. Wie wertvoll diese letzten Belehnungen waren, ergibt sich daraus, daß es Distelmeier gelang, für den Verzicht darauf gelegentlich der Schuldenregulierung Joachims durch die Landstände von diesen 6000 Gulden zu erhalten. Eine anderweitige Zahlung seitens der Stände floß ihm 1564 zu, als auf dem Landtag zu Berlin ein Betrag von 1000 Gulden, die ihm einst der Kurfürst bei seinem ersten Besuch zur Ausstattung seines Hauses versprochen hatte, von der Landschaft als deren eigene Schuld übernommen wurde. Inzwischen hatte 1560 ein Lehnsvorgang, der einen ganz besonderen Glücksfall darstellte, seine wirtschaftliche Existenz auf ganz neue Basis gestellt. Eine Mitbelehnung mit dem Angefälle auf die der Familie von Arnsberg gehörigen Güter Wals­ leben, Paalzow und Radensleben im RuppinfchenH, die der Kurfürst 1558 wohl nur in der Absicht vorgenommen hatte, den eben ernannten Kanzler durch Aufnahme in den märkischen Adel in seinem persön­ lichen Ansehn zu heben, führte 1560 nach dem kurz aufeinander folgen­ den Tod mehrerer Mitglieder dieser Familie zur tatsächlichen Be­ lehnung Distelmeiers mit dem Gute Radensleben. Ein weiteres Grundstück, das ihm durch diese Belehnung zufiel, konnte er dem Kur­ prinzen für 6000 Taler verkaufen, während die Teilung der Arnsbergschen Güter mit dem mitbelehnten Andreas von Klitzing ihm weitere 8700 Taler bar einbrachte. Radensleben ist von Fontane eins der schönsten Güter der Grafschaft Ruppin genannt worden.

Weiteren Vermögenszuwachs brachte Distelmeier der Re­ gierungswechsel vom Jahre 1571. Die beim Thronfalle üblichen Lehnsmutungen, d. h. die Gesuche um Erneuerung der Investitur, trugen Distelmeier als dem Chef der Lehnskanzlei erhebliche Beträge ein, die er zu weiteren Landerwerbungen benutzte. So ') Für das Folgende: Kep. 78IID 30; auch Heidemann a. a. O., S. 19 f.

kaufte er, wie schon an anderer Stelle erwähnt, von der im Niedergang befindlichen Familie Grieben deren Stammgut Mahls­ dorf zunächst wiederkäuflich, dann erblich um 4000 Taler, von andrer Seite einen in Teltow liegenden freien Hof zu Rudow, den er durch Zukäufe erweiterte. Seinen Besitz in Radensleben rundete er ab, indem er sich vom Kurfürsten Dienste und Ge­ richte von Höfen, die dort früher der Kirche gehört hatten, ver­ leihen ließ und die Pächte dieser Höfe käuflich erwarb. Als letzte Erwerbung erwähnt sein Tagebuch Wiesen- und Waldstücke, die er zu Berlin, also wohl unmittelbar vor der Stadt, von Berliner Bürgern erwarb. 1583 erhielt er über seine Neuerwerbungen einen Lehn­ brief, in dem nicht nur seine männlichen, sondern nach ihnen auch seine weiblichen Deszendenten zur Lehnfolge berufen wurden, da er diesen Besitz „um sein eigenes und mit schwerer Mühe und Arbeit ver­ dientes Geld" erworben habe.

Nicht oft läßt sich der allmähliche, über mehr als ein Menschen­ alter sich hinziehende Erwerb eines großen Vermögens so klar und geradlinig verfolgen wie bei Distelmeier. Besondere Leistungen und Erfolge im kurfürstlichen Dienste trugen ihm entsprechende Be­ lohnungen ein; Geschick in der Behandlung von Menschen, vor allem solcher, die Macht in Händen hatten, gab ihm Gelegenheit, auch von dritter Seite Vergütungen anzunehmen, ohne seine Pflicht gegen­ über dem Kurfürsten zu verletzen; so etwa von dem Markgrafen Friedrich von Ansbach, der ihm 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg 60 Kronen verehrte, oder von den Landständen oder von einzelnen Persönlichkeiten, von denen er sich Versprechungen für besondere Für­ sprache beim Kurfürsten machen ließ').

Die neben seinem Diensteifer gleich stark hervortretende Erwerbs­ freudigkeit wußte jeden ideellen Erfolg zu materiellem Nutzen aus­ zumünzen. Diese Gaben, gefördert durch die großzügige Freigebigkeit Joachims II. und in Verbindung mit einer glücklichen Hand, ohne die wirtschaftlicher Erfolg auf die Dauer nicht möglich ist, schufen die ') Im G.St.A., Rep. 61 26 b befindet sich ein Schreiben eines Bevoll­ mächtigten seines Sohnes und Nachfolgers im Kanzleramt, Christian Distel­ meier, vom 20. Februar 1590, wonach dieser beim Kurfürsten sich dafür ein­ gesetzt hat, daß ein Posten von 3000 Tl. nebst 6jährigen Zinsen bis Ostern abgetragen werde, und worin es weiter heißt: „Das werden die ... (Gläu­ biger) zweifelsohne mit schuldiger Dankbarkeit der Gebühr nach zu erstatten wissen." Man tut Lampert Distelmeier wohl kein Unrecht mit der Annahme, daß damit sein Sohn nur in die väterlichen Fußtapfen trat.

Vorbedingung für die Bildung eines großen Vermögens. Gelegent­

liche Schwierigkeiten — wie man es damals nannte, „Irrungen" —

waren bei einer so regen Erwerbstätigkeit unausbleiblich. Sie scheinen indessen verschwindend gering gewesen zu fein, verglichen mit den Fehlschlägen, die, wie wir gesehen haben, andere Kapitalisten der Zeit erlitten. 1577 schloß Distelmeier mit Hans v. Britzke einen Wieder­ kaufskontrakt über etliche Pächte und andere Nutzungen in den Dörfern Mehrow und Seeberg, welche Hebungen hernach in einer

Erbteilung Hans von Kottwitz zufielen. Hans v. Britzke beschwerte sich

bei Gericht höchlich über dies Geschäft, als sei er von Distelmeier und Kottwitz dabei „überaus lädiert und verkürzt" worden. Dies wurde indessen als ganz unberechtigt erkannt und dem Kläger sein Undank

gegen den verstorbenen Kanzler verwiesen3*).* 5 Wenn Distelmeier ge­ legentlich — entgegen seinem später noch zu erwähnenden Grundsatz — Bürgschaft in Höhe von 1000 Talern für Pantel Thum-) übernommen

hat, so handelt es sich wohl um Hilfeleistung für einen Untergebenen. Als der Gläubiger, Andreas v. Klitzing zu Dammertin, sich 1574 unter­

stand, deswegen Distelmeier und die andern Bürgen zu mahnen, er­ langte Distelmeier alsbald zu allen Lehn- und Erbgütern Thums

Arrest und Kummer, während dies von den beiden andern Bürgen, Thomas Matthias und Johann Brettschneider, nicht berichtet roirb3). Neben

seiner

regen

Erwerbstätigkeit

tritt

bei

überall Sparsamkeit in der Lebenshaltung hervor.

Distelmeier Als er 1553

das Haus am Molkenmarkt zu billigerem als dem Taxpreise er­ worben hatte, aber zum Taxpreise versteuern sollte, lieh er sich mit dem Rate der Stadt Berlin in eine lebhafte schriftliche Kontro­ verse ein und setzte schließlich durch, daß der niedrigere Wert der Steuer zu Grunde gelegt wurde. Aber auch dieser Erfolg befriedigte

ihn noch nicht.

„Gott helfe, daß das Pfundschoß (Grundsteuer)

bald falle!" schreibt er in sein Tagebuch3). Erst unter Johann Georg,

als seine beiden Töchter wie sein Sohn schon in den märkischen Adel

hineingeheiratet hatten und er deren Zukunft damit gesichert sah, be­

gann er, wie Holtze es ausdrückt3), in bescheidener Weise einen Luxus *) Rep. 97 I 46. *) Pantaleon Thum war kurf. Kammersekretär (Haß, Hofordg. 217; Friedensburg, Ständeakten II Register). 3) Rep. 97 I 22. *) Heidemann, a. a. O., S. 17. 5) A. a. O., S. 48.

zu entfalten, nicht aus Freude daran, sondern um des Glanzes seines Namens willen, den nun auch der Ruhm eines Mäzens umstrahlen sollte. So stiftete er 500 Taler für das als Gymnasium neu ein­ gerichtete Graue Kloster, und auch die Nicolaikirche scheint er als Gönner bedacht zu haben.

über die Grundsätze, die er bei dieser Ansammlung und Er­

haltung des Vermögens verfolgt hat, fetzt uns in erschöpfender Weise sein Testament vom Jahre 1587 in Kenntnis. Regelmäßige Tätigkeit

im Staatsdienst empfiehlt er seinem Haupterben, d. t. seinem Sohn, um das große Vermögen gegen Neider und Feinde am besten ver­ teidigen zu können. Allen seinen Kindern legt er nahe, sich nicht zu übernehmen, andere nicht zu verachten, sich auch vor überflüssiger

Pracht in Kleidern, Bauen und anderm zu hüten. Er selbst sei dadurch, daß er sich still und eingezogen gehalten und gegen jedermann

„glimpflich und willig" gewesen, weiter vorwärts gekommen als durch seine Kunst. Vor allem warnt er wiederholt vor dem „schänd­ lichen Saufen", einem Laster, das er bei seinen dem märkischen Adel entstammenden Schwiegersöhnen wohl besonders fürchten mochte. Sehr charakteristisch sind die Ratschläge, die Distelmeier in seinem Testament den Erben bezüglich der speziellen Vermögensverwaltung gibt. Einen Teil seines Vermögens, und zwar im wesentlichen wohl

das flüssige Geldkapital, scheint er im Auslande, und zwar in der Verwaltung eines Leipziger Verwandten seiner Frau, gehalten zu haben. Er empfiehlt, hieran nichts zu ändern, soweit nicht einzelne Erben eine Umwandlung in Grundbesitz vorzögen. Dann aber warnt er aufs nachdrücklichste vor spekulativen und vor kaufmännischen Ge­

schäften, welch letztere dem Staatsbeamten des 16. Jahrhunderts von

den spekulativen kaum verschieden erscheinen mochten. Seine Erben sollten sich nicht in Kompagniegeschäfte, Bürgschaften und wucherischen Handel einlassen und es ausschlagen, sollte ihnen ein Fürst oder sonst wer mehr als höchstens 6 % Zinsen, Gnadengeld oder sonstigen Vor­

teil anbieten. Noch weniger sollten sie Geld zu einem geringeren Zins­

satz anleihen und zu einem höheren wieder ausleihen; das sei wider Gottes Gebot und die Nächstenliebe, „sind auch unzählige Exempel vor Augen, daß es nie keinem solchen Wucherer und Partitenmacher wohl

gegangen und daß den andern gemeiniglich der große Zins die Haupt­

summe verraten hat*)." Bei diesen Worten hat dem Schreiber neben

’) Holtze S. 89.

andern gewiß der Vorbesitzer seines Gutes Mahlsdors, Joachim

Grieben, und dessen zehn Jahre vorher erfolgtes trauriges Ende vor­ geschwebt.

Der Gegensatz zwischen

notwendigerweise mehr spekulativer,

kaufmännischer Bermögensbildung und der zielbewußten, klug dis­

ponierenden Haushaltung eines leitenden Staatsbeamten tritt in diesem Teil seines Testaments klar zutage. Der gleiche Gegensatz wird uns in unserer Darstellung noch öfter begegnen, und nicht immer wird der Vergleich so stark zum Nachteil der kaufmännischen Seite aus»

schlagen. Im Falle Distelmeiers gibt die nüchterne Zusammenfassung der für seine Familie geleisteten Lebensarbeit den Ausschlag. Der

Kanzler hinterließ, nachdem er jede seiner beiden Töchter mit 5000 Talern zwecks Erwerbes von Landbesitz ausgestattet hatte, ein freies Allodialoermögen von etwa 100 000 Talern. Sein Lehnsbesitz um­ faßte die Güter Radensleben mit hinzuerworbenen vier Höfen, Mahls­ dorf und Rudow sowie Angefälle auf den Besitz der Ruppinischen Familien v. Bettine zu Dittersdorf und o. Bassute zu Wulkow. Sein Herzenswunsch, dies Vermögen, das durch ein weitschauend

und mit größter Vorsorge abgefaßtes Testament für die Familie sicher gestellt war, späteren Generationen zu erhalten, ist in Erfüllung ge­ gangen. Allerdings nicht Generationen seines Namens. Mit seinem

einzig überlebenden Sohn und Nachfolger im Kanzleramt, Christian

Distelmeier, ist das Geschlecht im Mannesstamme bereits 1612 er» loschen*). Von den vier Töchtern Christian Distelmeiers heiratete die älteste, Elisabeth, 1599 den Grafen Johann Casimir zu Lynar, Sohn des Kriegsbaumeisters Rochus zu Lynar. Nach dem Tode ihres Gatten erwarb sie, wohl unter Aufwendung eines erheblichen Teils des Distelmeierschen Vermögens, 1621 die Herrschaft Lübbenau in der Niederlausitz, die im Besitz dieses Geschlechtes geblieben ist. Damit hat sich das Distelmeiersche Vermögen zum Teil bis zur Gegenwart erhalten.

Auch die drei jüngeren Töchter heirateten Herren vom

Adel: den Grafen Albrecht von Eberstein zu Naugard und Massow, Johann von Kötteritz und Jakob von Pfuel.

Lippold.

Wenn wir hier eine kurze Darstellung der Wirksamkeit des Juden Lippold geben, so geschieht es mehr im Hinblick auf den Klang — oder Mißklang —, der seinem Namen in der brandenburgischen *) Vgl. Leichpredigten Graues Kloster 23, 19.

Geschichte anhaftet, als wegen der wirtschaftlichen Bedeutung seiner Person und Wirksamkeit. Die Ziffern, in denen sich, wie wir sehen

werden, Lippolds Geschäftsbetrieb abspielte, erscheinen unbedeutend gegenüber den Summen, die in den gleichen Jahren durch die Hände

etwa Joachim Griebens gingen. Eine Bedeutung kommt im Sinne unserer Darstellung dem Lippold wesentlich nur darum zu, weil er

als Hofjude des Kurfürsten Vorgänger für eine Reihe ähnlicher Er­ scheinungen des 17. und 18. Jahrhunderts gewesen ist. Im übrigen kann ihm auch politische Bedeutung kaum zugeschrieben werden. Es ist zwar anzunehmen, daß es Lippold war, in dem die Gebrüder Drachenfuß 1558 den jüdischen Gegner ihrer Bestrebungen sahen. Die

Tatsache indessen, daß nirgends in den Akten eine Einflußnahme

Lippolds auf die Verhandlungen mit den Drachenfuß oder auch nur ein Zusammenhang mit diesen Verhandlungen ersichtlich ist, erlaubt

den Schluß, daß auch in dieser politischen Frage Lippolds Bedeutung

von jenen überschätzt worden ist. Es ist kein Zufall, daß Lippold irrtümlich wiederholt auch als Leibarzt') seines Herrn, des Kurfürsten Joachim II., bezeichnet wor­ den ist. Der Hofjude des 16. Jahrhunderts war — nicht nur an deutschen Höfen — vielfach gleichzeitig Bankier, Arzt und geheimer Agent für mancherlei oft dunkle Aufträge seines Herrn. Lippold war

weder Hofbankier noch Leibarzt. Dagegen hat er, außer der Tätig­ keit als persönlicher Vertrauensmann des Kurfürsten, noch die Funktionen als Steuereinnehmer der Judenschaft und später als

Münzmeister ausgeübt. Lippold scheint um 1550 mit seinem Vater und seinen Brüdern aus Prag nach Berlin eingewandert zu sein, offenbar unter Einwir­ kung der judenfreundlichen Politik Joachims II. Die Anfänge seiner

Berliner Tätigkeit fallen damit in die ersten Jahre nach dem Tode des Hofjuden Michel. Auf welche Weise Lippold sich das Vertrauen des Kurfürsten erworben hat, ist nicht bekannt. Tatsache ist, daß er am 20. Januar 1556 durch einen Erlaß des

Kurfürsten^), der ihm ungewöhnlich weitgehende Vollmachten gab, ’) Vgl. Ackermann, Münzmeister Lippold, Frankfurt a. M., 1910. S. 23. — Auf dieser Schrift beruht die nachfolgende Darstellung, soweit nicht be­ sondere Quellen angegeben sind. Die van Ackermann benutzten und zum Teil wiedergegebencn Akten des Geh. Staats-Archivs find schon vorher wiederholt verwertet worden, u. a. von König, Annalen der Juden, S. 66 ff. ’) ltep. 21 Nr. 202, wo auch die meisten andern Lippold betreffenden Akten ruhen. 20

Großkaufleute 1

305

auf zehn Jahre zum Obersten aller Märkischen Juden ernannt wurde. „Unser lieber getreuer Lippold Jude" erhielt damit die Auf­ gabe, die den Juden bei ihrer Wiederzulassung auferlegte Lieferung von Silber an die Münze unter die einzelnen Familien zu verteilen, dessen Ablieferung sowie das Vorhandensein von Schutzbriefen zu

kontrollieren, Ausfuhr von Edelmetall und Juwelen nach Möglichkeit zu verhindern, vor allem aber die von den Juden zu zahlenden jähr­ lichen Schutzgelder sowie deren Aufnahme- und Strafgelder einzu­ ziehen und dem Kurfürsten abzuliefern. Als besondere Pflicht wird hervorgehoben, daß, wenn der Kurfürst etwa Geld benötigen würde, Lippold ihm dies eine Zeitlang vorstrecken und sich aus den später eingehenden Judenabgaben bezahlt machen sollte. Die Judenabgaben spielten im Gesamtetat des Kurfürsten, wie wir sehen werden, nur

eine sehr unbedeutende Rolle. Wenn also auch in dem Erlaß von 1556 zunächst kaum an bedeutende Kredite gedacht worden ist, so war mit dem Hinweis auf eventuelle Vorschüsse doch, ganz besonders bei der Veranlagung Joachims II., für Lippold die Handhabe gegeben, sich

zum Hofbankier aufzuschwingen. Diese Gelegenheit hat Lippold, ab­ gesehen von unbedeutenden Beträgen, die sich im Abrechnungsverkehr ergaben, nicht ausgenutzU). Ob hier weitschauende Voraussicht oder

aber Mangel an Befähigung und Beziehungen die Ursache waren, ist schwer zu entscheiden. Bei der auch sonst oft beschränkt erscheinenden Persönlichkeit des Mannes möchten wir eher das Letztere annehmen. So ergab sich, daß Lippold, der auf der einen Seite seinen Glaubens­ genossen gegenüber eine ungewöhnliche, von ihm vielfach in brutaler Weise ausgenutzte Machtstellung einnahm, auf der andern Seite dem Kurfürsten gegenüber eine unbedeutende, oft unwürdige Rolle spielte. Lippold war Schatullenverwalter für die Judengelder und gleich­ zeitig Handlanger für diejenigen privaten Liebhabereien seines Herrn, die dieser der Öffentlichkeit nach Möglichkeit verbergen wollte. In den ersten Jahren kehren in seinen genau geführten Ausgaben besonders solche für alchymistische Zwecke wieder. Diese werden später

in zunehmendem Maße durch galante Passionen des Kurfürsten ver­ drängt. Eintragungen wie: „Frau Anna (Anna Sydow, die schöne Gießerin) 40 Thaler" oder „Churfürstliche Gnaden in der Gießerin *) Haß, Kurmärkische Stände im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts, S. 176 f., hat keine Beweise für seine Annahme, daß sich der Kurfürst den „stets hilfsbereiten jüdischen Geldmann" gehalten habe, „um immer wieder trotz seines geschwächten Kredits neue Gläubiger zu finden".

Haus geben zum Spiel 20 Thaler" häufen sich und lauten auch manchmal derber, wie: „Der Wulffin, der Hure, ein silbern Scheidt

und ein silbern Beschlack, ein silbern Büchslein, güldene Hauben, ein vergülden Becher". Aber auch allgemeine Luxusausgaben, Aufträge

für Goldschmiede, Geschenke und Kleidung für einzelne Mitglieder des Hofes gehörten zu Lippolds Ressort. Man kann ihn auf Grund seiner intimen Funktionen wohl mit Recht als eine Art Kämmerer

oder Kammerdiener des Kurfürsten ansehen. Lehrreich ist dabei die Tatsache, daß, wie der Bericht der nach seiner Verhaftung 1571 ein­ gesetzten Kommission ergab, Lippold in der ganzen Zeit seiner Kassenführung, d. h. von 1556 bis 1571, nur etwa 16 300 Taler ver­ einnahmt und ebensoviel verausgabt hat.

An der Gesamtheit der

Ausgaben Joachims in dieser Zeit — sie sind eher mit sieben- als mit sechsstelligen Zahlen zu beziffern — hatte also die Lippoldsche Privat­ schatulle nur einen sehr bescheidenen Anteil. Umgekehrt ergibt sich,

daß die durch Lippold aufgebrachten Einnahmen im Gesamtbild der brandenburgischen Finanzen der Zeit nur eine ganz untergeordnete

Rolle') gespielt haben.

Keinen großzügigeren Eindruck machen die privaten Geschäfte, die von Lippold bekannt geworden sind. Sein Hauptgeschäft war das Verleihen von Geld auf Pfänder, d. h. der kleine Pfandwucher, der

die Domäne der Juden war. Es werden gelegentlich Darlehnsbeträge

von 250 Talern und 300 Talern genannt-), und auch die von Lippold gerechneten Zinsen — nämlich zwei Pfennig per Woche für den Gulden und einen Dreier per Woche für den Taler — erweisen, daß es sich nicht etwa um größere Finanzgeschäfte, sondern um eben dies Pfandleihgeschäft handelte, bei dem jener 41 bis 54 % per Jahr aus­ machende Zinsfuß im großen und ganzen den behördlichen Vorschriften entsprach.

übrigens nahmen auch angesehene Leute den Pfandkredit Lippolds in Anspruch. 1574 wird in einer Auseinandersetzung zwischen Johann Blankenfelde dem Älteren und seinen vier Söhnen

erwähnt, daß der Alte bei Lippold Pfänder versetzt und für 50 Taler

eingelöst hattet. Christoph Meyenburg erhielt mehrere Monate nach Lippolds Hinrichtung Silbersachen, die er bei Lippold versetzt hatte, ') Entgegen Ackermann, a. a. £>., 6.21. -) Brose, Berliner Siegel, Nr 193 u. 194 in Folio-Schriften b. Der. f. d. Gesch. Berlins. 3) Rep. 97 I 22. 20*

307

— ohne Rückzahlung der gegenüberstehenden Schuld — durch den

Kanzler Distelmeier ausgehändigtH. Diese Silbersachen gehörten zu den bei seiner Verhaftung vorgefundenen Pfändern im Gesamtwert von etwas über 11000 Taler?). Gewiß keine überwältigende Ziffer,

aber angesichts der Vielzahl der daran Beteiligten genug, um die Be­ völkerung des damaligen Berlin zu starkem Haß aufzureizen; zu einem Haß, der den Hintergrund zu dem gegen Lippold geführten

Prozeß hergab und der damit zu seinem schrecklichen Ende erheblich

beigetragen hat. Wie weit Lippold die Pfandleihe mit eigenen und wie weit er sie mit fremden Mitteln betrieben hat, ist schwer ersichtlich. Er erscheint wiederholt als Schuldner, aber nirgends mit Summen, die irgend­

wie mit den Schulden der christlichen Finanziers seiner Zeit ver­ gleichbar wären. 1570 leiht er von einem Eberhard Schobbin 168 Taler an und gibt dafür mehrere silberne und goldene Gefäße als Unterpfand?). Von einem Blasius Dratzieher hat er sich 274 un­ garische Gulden gegen Pagament, d. h. Abfallsilber, geborgt. Sein Gläubiger machte ihm später den Vorwurf falschen Gewichtes und zu

geringer Feinheit der Ware und behauptete, Lippold habe zugegeben, daß er das Silber durch Kipperei gewonnen habeH. Nicht ersichtlich

ist, woher eine nicht bezifferte, aber angeblich ansehnliche Forderung stammt, die die Erben des Thomas Matthias gegen Lippold zu be­ sitzen vorgaben und die sie offenbar nicht übel Lust hatten, gegen den Kurfürsten geltend zu machen"). In etwas gehobenere Stellung gelangte Lippold erst durch die ihm 1565 übertragene Verwaltung der kurfürstlichen Münze. In den

sechs Jahren seiner Tätigkeit bei der Münze prägte er im ganzen eine Wertsumme von 37 581 Gulden aus. Alle von 1568 bis 1571 in der kurfürstlich - brandenburgischen Münze in Berlin hergestellten Geldsorten, hauptsächlich Dreier, tragen als Münzmeister-Zeichen ’) Brose, a. a. O., Nr. 199. ’) Heise — Ztschr. d. Der. f. d. Gesch. Berlins, 1934 S. 65 — sagt, es sei „fast rätselhaft, wie sich Lippold allmählich all diese Kostbarkeiten hat aneignen können". Um die offenbar allgemein geübte Verpfändung von Schmuck- und Silbersachen zu erklären, braucht nur an die Leichtfertigkeit erinnert zu wer­ den, mit der in der gleichen Zeit weit höhere Verpflichtungen leih- und bürgschaftsweise eingegangen wurden. ■’) Brose, a. a. O., Nr. 191. *) Rep. 20 n. 5, fol. 70/71. 6) Rep. 61. 48