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German Pages [744] Year 2005
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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Harald Schultze
Reihe A: Quellen Band 10
Vandenhoeck & Ruprecht
Berichte der Magdeburger Kirchenleitung zu den Tagungen der Provinzialsynode 1946–1989
Herausgegeben von
Harald Schultze
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-55760-4
© 2005, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Satzspiegel, Nörten-Hardenberg Druck und Bindung: Hubert & Co. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Inhalt
INHALT Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Berichte und Beschlüsse (Dokumente) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 21 21 22 23 23 24
a b c a b a
Bericht von Präses Ludolf Müller (22. Oktober 1946) . . . Bericht von Präses Ludolf Müller (15. April 1947) . . . . Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (12. Oktober 1948) . Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (10. Mai 1949) . . . Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (22. November 1949) Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (30. Juni 1950) . . . Bericht von Propst Oskar Zuckschwerdt (29. Mai 1951) . Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (11. Februar 1952) . Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (13. April 1953) . . Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (3. Mai 1954) . . . Bericht von Bischof D. Ludolf Müller (13.–14. Juni 1955) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (9. April 1956) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (25. März 1957) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (2. Juni 1958) . . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (9. März 1959) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (20. März 1960) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (11. März 1961) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (12. Mai 1962) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (11. Mai 1963) . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (29. Februar 1964) Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (13. März 1965) . Bericht der Kirchenleitung (13. März 1965) . . . . . . . Vorlage des Berichtsausschusses (17. März 1965) . . . . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (26. März 1966) . Bericht der Kirchenleitung (10.–15. März 1967) . . . . . Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (11. März 1967) . Bericht der Kirchenleitung (19. März 1968) . . . . . . .
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33 52 57 63 70 76 85 92 102 114 119 124 138 145 156 165 174 177 182 188 198 205 208 211 219 220 236
6 24 25 25 26 27 27 28 28 29 29 30 30 30 31 32 32 32 32 33 34 34 35 36 37 38 39 40 41 42 42 43 44
Inhalt
b Beschluss der Synode (20. März 1968) . . . . . . . . . . a Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke (19. Oktober 1968) b Beschluss der Synode (22. Oktober 1968) . . . . . . . . . Beschluss der Synode (13. April 1969) . . . . . . . . . . a Bericht der Kirchenleitung (15. November 1969) . . . . . . b Bericht von Bischof Dr. Werner Krusche (15. November 1969) a Bericht der Kirchenleitung (6. November 1970) . . . . . . b Beschluss der Synode zum Bericht (10. November 1970) . . a Bericht der Kirchenleitung (6. November 1971) . . . . . . b Beschluss der Synode zum Bericht . . . . . . . . . . . . a Bericht von Präses Helmut Waitz (5. Mai 1972) . . . . . . b Diskussionsbeitrag von Bischof Dr. Werner Krusche (6. Mai 1972) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c Erklärung der Synode zum Bericht der Kirchenleitung und zur Aussprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (17. November 1972) . . . . . . a Vortrag von Bischof Dr. Werner Krusche (17. November 1973) b Beschluss der Synode zum Vortrag Bischof Dr. Werner Krusche c Bericht der Kirchenleitung (18. November 1973) . . . . . . d Beschluss der Synode zum Bericht der Kirchenleitung (20. November 1973) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (15. November 1974) . . . . . . a Bericht der Kirchenleitung (24. Oktober 1975) . . . . . . . b Beschluss der Synode zum Bericht der Kirchenleitung (26. Oktober 1975) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (13. Mai 1976) . . . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (28. Oktober 1976) . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (3. November 1977) . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (16. November 1978) . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (16. November 1979) . . . . . . Wort von Bischof Dr. Werner Krusche (13. März 1980) . . Bericht der Kirchenleitung (14. Juni 1980) . . . . . . . . . a Bericht der Kirchenleitung (13. November 1980) . . . . . . b Beschluss der Synode zum Bericht der Kirchenleitung (16. November 1980) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (4. November 1981) . . . . . . Beschluss der Synode über das Tragen des Symbols „Schwerter zu Pflugscharen“ (28. März 1982) . . . . . . .
237 240 250 252 254 257 266 274 276 283 284 286 293 294 301 312 313 319 321 331 338 340 346 363 374 389 392 396 400 410 413 427
Inhalt
45 46 47 48 a 48 b 48 c 49 50 51 52 53 a 53 b 54 55 a 55 b
Bericht von Bischof Dr. Werner Krusche (28. Oktober 1982) Bericht der Kirchenleitung (24. November 1983) . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (25. Oktober 1984) . . . . . . . Beschluss der Synode betr. „Frieden, Gerechtigkeit, Schöpfungsverantwortung“ (16. Juni 1985) . . . . . . . . . Beschluss der Synode betr. „Mitarbeit im Umweltschutz“ (16. Juni 1985) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschluss der Synode betr. „Fonds für ‚Ökumenische Solidarität‘“ (16. Juni 1985) . . . . . . . . . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (24. Oktober 1985) . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (30. Oktober 1986) . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (29. Oktober 1987) . . . . . . . Beschluss der Synode (20. März 1988) . . . . . . . . . . Bericht der Kirchenleitung (27. Oktober 1988) . . . . . . . Beschluss der Synode zu den Berichten der Kirchenleitung und des Konsistoriums (30. Oktober 1988) . . . . . . . . Beschlüsse der Synode (18. Juni 1989) . . . . . . . . . . Bericht von Bischof Dr. Christoph Demke (2. November 1989) [Schriftlicher] Bericht der Kirchenleitung (3. November 1989)
7 429 446 460 481 486 488 491 501 521 533 535 548 554 557 568
Anhang Anlagen I. II.
III.
IV. V.
Kanzelabkündigung vom 31.3.1950 . . . . . . . . . . . . a) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949. Kap. B. V. Religion und Religionsgemeinschaften . . . . . . b) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6.4.1968. Abschn. II Art. 39 . . . . . . . . . . . . . . . Beschluss der Synode der KPS vom 13.6.1956 auf der 1. Tagung der III. Synode vom 8.–13. April 1956 und Brief des Präses der Synode Dr. Kreyssig im Auftrag der Synode an den Vorsitzenden des Ministerrates Otto Grotewohl vom 17.4.1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht zur Volksbildungssituation 1971 . . . . . . . . . Auszug aus der Ansprache des Vorsitzenden der KL bei dem Gespräch zwischen dem Rat des Bezirkes Magdeburg und der KL am 14.11.1975 . . . . . . . . . . . . . . . . .
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583 585
586 589
596
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Inhalt
VI.
Brief der 8. Tagung der IX. Synode an die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom 26.11.1983 . . . . . . VII. Wort an die Gemeinden (Beschluss der 8. Tagung der IX. Synode vom 23.–27. November 1983) . . . . . . . . . VIII. Wort zur Friedensverantwortung der Kirche – an die Eingeber an die Synode (Beschluss der 8. Tagung der IX. Synode vom 23.–27. November 1983) . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten – OWVO – vom 22.3.1984. § 4 Störung des sozialistischen Zusammenlebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Erklärung zur Einschätzung des Staates über die Provinzialsynode in Halle 1988; Erläuterungen zu den Beschlüssen der Synode . . . . . . . . . . . . . . . . .
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603
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Übersicht über die Synodaltagungen . . . . . . . . . . . . . .
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Mitglieder der Kirchenleitung
. . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .
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Biogramme und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachregister
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722
Ortsregister
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Vorwort Vorwort
VORWORT
Vor langen Jahren schon hatte Prof. Dr. Martin Onnasch angeregt, die gesellschaftspolitisch relevanten Abschnitte der Berichte, die die Magdeburger Kirchenleitung in der Zeit der DDR jährlich der Synode der Kirchenprovinz Sachsen erstattet hat, zu publizieren. In ihnen spiegeln sich Handlungsfelder und Konflikte des kirchlichen Lebens. Sie sind Dokumente der verantwortungsvollen Auseinandersetzung einer evangelischen Landeskirche mit den Lebensbedingungen unter der Herrschaft des SED-Regimes. Sie unterlagen keiner staatlichen Zensur und wurden öffentlich vorgetragen. In einem Staatswesen, das sonst alle Formen des öffentlichen Diskurses streng kontrollierte und manipulierte, war das eine Ausnahmesituation. Daraus erklärt sich, dass diese Berichte von der Staatssicherheit der DDR argwöhnisch registriert und ausgewertet wurden; Tagesberichte über den Synodenverlauf wurden vom MfS nach Berlin geschickt. Auch von den westdeutschen Partnerkirchen wurden die Magdeburger Synodalberichte aufmerksam gelesen. Es ist daher eine lohnende Aufgabe, dieses Textcorpus der zeitgeschichtlichen Forschung zur Verfügung zu stellen. Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen hat mir im Jahr 2001 den Auftrag erteilt, die Herausgabe dieser Texte zu übernehmen. Prof. Martin Onnasch hat – angesichts anderer beruflicher Verpflichtungen – diese Aufgabe nicht selbst durchführen können, hat aber dankenswerterweise wesentliche Vorbereitungen veranlasst. Er konnte uns die Computer-Abschrift der hektographierten Texte als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stellen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dipl.-Theol. Heinrich Löber und Herrn Sebastian Nickel M. A., die jeweils mehrere Monate hindurch sich umsichtig und selbstständig der komplizierten Aufgabe der Textbearbeitung, Materialbeschaffung und Kommentierung gewidmet haben. Sebastian Nickel hat mich bei den aufwändigen Arbeiten der Endredaktion sachkundig und verlässlich unterstützt. Ermöglicht wurde die Bearbeitung durch die großzügige Bereitstellung technischer Mittel, die fachliche Beratung und Begleitung von Frau Kirchenarchivrätin Dr. Margit Scholz und ihrem Mitarbeiterteam im Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. Konsistorialpräsident i. R. Martin Kramer hat freundlicherweise den gesamten Text kritisch durchgesehen.
10
Vorwort
Unser Dank gilt weiter dem Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt und der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Deutschen Demokratischen Republik. Unterstützt hat uns ebenfalls Herr Dr. Peter Beier in der Informations- und Dokumentationsstelle der EKD. Die Drucklegung wird finanziell möglich durch Druckkostenzuschüsse der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen sowie durch einen namhaften Beitrag des Vereins zur Erforschung kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland nach 1945 e. V. in Münster. Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte hat diesen Band aufgenommen in die Reihe der Quellen-Veröffentlichungen der Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Herr Prof. Dr. Carsten Nicolaisen hat, auf der Basis seiner reichen Fachkenntnis und seiner langen Herausgebererfahrung, die Arbeit mit Empfehlungen zur Gestaltung und inhaltlichen Hinweisen unterstützt. Dem Lektorat des Verlagshauses Vandenhoeck & Ruprecht danke ich für die freundliche Zusammenarbeit. Ohne diese vielfältige Begleitung und Unterstützung wäre das Wagnis einer so umfangreichen Dokumentation nicht denkbar. Als Herausgeber spreche ich allen Beteiligten meinen aufrichtigen, herzlichen Dank aus. Im Dezember 2004
Harald Schultze
Einleitung Einleitung
EINLEITUNG
1. Rahmenbedingungen und Profil der Berichte Rechenschaftsberichte einer Kirchenleitung sind eigentlich spröde Texte. Nur in Ausnahmefällen haben sie die Form des Grundsatzvortrages, der über den konkreten Anlass hinaus Orientierung geben kann für mehrere Jahre. Vielmehr werden sie erarbeitet, um das Handeln der Kirchenleitung während eines bestimmten Jahres durchschaubar zu machen für die Synodalen, für die Vertreter der Gemeinden und der verschiedenen kirchlichen Arbeitsbereiche. Sie beziehen sich auf konkrete Abläufe, die z. T. auch nur ephemere Bedeutung haben. Von daher könnten solche Berichte in den Aktenbänden belassen werden, zugänglich für die Forschung von Spezialisten. Wenn mit diesem Band die gesellschaftspolitisch relevanten Abschnitte aus den Jahresberichten der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen veröffentlicht werden, geschieht dies in der Überzeugung, dass sich von diesen Texten her ein exemplarischer Einblick in die Bedingungen kirchlichen Handelns in der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik eröffnet. In ihnen spiegelt sich – in unterschiedlicher Dichte – die Lebenssituation der evangelischen Kirche im SED-Staat. Regionale Interessen spielen nur gelegentlich eine Rolle (z. B. bei der Benennung von Sorgen um Wiederaufbau und Erhaltung kirchlicher Gebäude oder beim Insistieren auf der Bewilligung von einer eigenen Kirchenzeitung und einem Amtsblatt). Im Vordergrund stehen die politischen und gesellschaftlichen Probleme im „real existierenden Sozialismus“. Es ging um die geistliche Orientierung für die Gemeinden. Das ließ sich aber nicht diskutieren, ohne Stellung zu nehmen zu deutschlandpolitischen Fragen und zum nötigen Friedenszeugnis in der Zeit des Kalten Krieges. Das machte den kontinuierlichen Protest gegen die ideologisierte Bildungspolitik und den Totalitätsanspruch der marxistischen Doktrin nötig. Immer wieder ergab sich daraus die Forderung nach Gleichachtung und Gleichberechtigung der christlichen Bürger in einer Gesellschaft, in der Berufschancen an die Mitgliedschaft in der SED gekoppelt waren. In dem zentralistischen Staatswesen der DDR stand schon der Widerspruch in einer Einzelfrage unter dem Verdacht staatsfeindlicher Haltung.
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Einleitung
Aus solchen Rahmenbedingungen ergibt sich, dass eine Kirchenleitung ihre Verantwortung nicht zureichend hätte wahrnehmen können, wenn sie sich allein den innerkirchlichen Themen zugewandt hätte. Wer zur Lebenssituation der Gemeinden reden wollte, redete notwendigerweise politisch. In diesem Sinne kommt den Berichten – unabhängig von dem an sich begrenzten regionalen Verantwortungsbereich – repräsentative Bedeutung zu. Vielleicht bedarf die Entscheidung, die Berichte des ganzen Zeitraums von 1946 bis 1989 zur Verfügung zu stellen, einer besonderen Begründung. Bisherige Quellenveröffentlichungen zur DDR-Kirchengeschichte sind zumeist thematisch gebunden – bezogen auf einen Zeitabschnitt, ein Sachproblem, auf eine besondere Konfliktsituation. Demgegenüber lässt sich aus dem umfangreichen Bestand der Kirchenleitungsberichte der KPS gut ein Gesamtüberblick gewinnen. Erkennbar werden die Argumentationsstrukturen in unterschiedlichen Phasen, Unterschiede auch im Stil theologischer und politisch-diplomatischer Argumentation. Die hier vorliegende Dokumentation bietet die thematisch relevanten Abschnitte der Berichte ungekürzt. Daraus ergeben sich mehrfach Wiederholungen, Redundanzen. Manchmal wird in einem Bericht auch zwei Jahre später noch einmal mit gleicher Gründlichkeit entfaltet, worauf es in einer Sache (z. B. bei Verteidigung der Distanz zur politischen Propaganda in der Zeit von 1950, oder bei dem Engagement in der Friedensfrage 1980 bis 1984) ankam. Bei der Publikation sollte aber der Verdacht ausgeschaltet werden, dass durch eine Textauswahl nachträglich bestimmte inhaltliche Interessen profiliert, andere weggeblendet werden. Die Tendenz, bestimmte Grundanliegen zu wiederholen, ergibt sich einerseits aus der formalen Struktur: der Synode war jeweils aktuell zu vermitteln, wo die Schwerpunkte der kirchenleitenden Entscheidungen lagen. Andererseits ergaben sie sich aus dem Fortbestand belastender Konstellationen. So spielen die Themen der ideologischen Bildungspolitik kontinuierlich eine Rolle, ebenso wie das Eintreten für die Legitimität der Verweigerung des Waffendienstes oder des Wehrdienstes überhaupt. Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen im Zeitraum der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik ist noch nicht geschrieben worden1. In einer solchen Gesamtdarstellung müsste nachgezeichnet werden, in welchem Maße die Rahmenbedingungen des politischen Aufbaus der DDR zu einer Volksrepublik im Herrschaftsbereich der Sowjetunion mit den Konsequenzen
1 Eine wichtige Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1962 stellt die Arbeit von P. GABRIEL, Die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen dar. Vgl. außerdem den kurzen Abschnitt in H. SCHULTZE, Sachsen, S. 583–586. Dort auch Literatur.
Einleitung
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für Eigentumsverhältnisse und Wirtschaftsstrukturen, für die Kultur- und Bildungspolitik die evangelischen Landeskirchen strukturell geprägt und verändert haben. Im Vordergrund ist zu beachten, welche Dimensionen der Rückgang der Gemeindegliederzahlen für die Kirchenprovinz hatte: 1946 ergab die Volkszählung die Zahl von 3.465.951 Evangelischen; 1978 gab die Kirchenprovinz ihre Gemeindegliederzahl mit 1.500.000 an; am 31.12.1990 war sie auf 750.000 gesunken2. Bodenreform und Kollektivierung in der Landwirtschaft wirkten sich auf die Struktur ländlicher Gemeinden ähnlich aus wie die Enteignungen der Privatbetriebe, die Verstaatlichung von Handel und Hotelwesen in den Städten. Die Westflucht als Folge dieser Zwangsmaßnahmen betraf in überproportionalem Maße Gemeindeglieder. Das Problem der Übersiedlung in die Bundesrepublik stellte sich in empfindlichen Einzelvorgängen auch für manche Pfarrerfamilien3. Hinzu kam die große Zahl aktiver junger Menschen, die wegen der restriktiven Zulassungspolitik zum Hochschulstudium in den Westen gingen. Dem korrespondierte die Kaderpolitik der SED, die für Funktionäre im Staatsapparat, in Justiz, Polizei und später in der NVA den Kirchenaustritt forderte oder zumindest dringlich nahe legte. Langfristig wirkte sich auch die Bindung der Nomenklaturstellen und darüber hinaus von vielen Leitungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur an die Mitgliedschaft in der SED aus. Die Konsequenzen der Koppelung von Jugendweihe und Bildungschancen sind bekannt. Wer aber nicht mehr konfirmiert war, ließ sich später auch nicht kirchlich trauen und brachte die Kinder nicht zur Taufe. Das alles bildet die Folie für die sich wiederholenden, drängenden Beschwerden und Forderungen, die dem Staat gegenüber in den Kirchenleitungsberichten vorgetragen werden. Von diesen Jahresberichten kann aber nicht erwartet werden, dass sie jeweils einen Rückblick auf alle wichtigen kirchlichen Ereignisse des zurückliegenden Jahres vermitteln. In diesem Sinne sind sie unvollständige Informationen. So verzichtet z. B. Bischof Christoph Demke in seinem Bericht vom November 1989 auf einen Rückblick. Vielmehr bietet er eine aktuelle Analyse in einer Situation, in der sich von Woche zu Woche neue Handlungsperspektiven eröffneten. Ähnlich ist der Bericht von Bischof Ludolf Müller im April 1953 eine aktuelle Stellungnahme mitten in der äußerst prekären Situation der massiven Angriffe des Staates gegen kirchliche Arbeitsbereiche. Oder es fällt auf, dass über das konfrontative Gespräch, das Staatssekretär Seigewasser am 9.12.1970, gemeinsam mit den Räten der für die KPS relevanten Bezirke, in Erfurt inszeniert hatte, im
2 Quellen der Zahlenangaben: 1946 in: KJ 1949, S. 583; 1978 in: R. HENKYS, Die evangelischen Kirchen, S. 424; 1990 in: KJ 1990/91, S. 405. 3 Vgl. R. SCHULZE/E. SCHMIDT/G. ZACHHUBER, Gehen oder bleiben.
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Einleitung
Kirchenleitungsbericht vom November 1971 nicht berichtet wird4. Ein solcher Vorgang wird verständlich, wenn man einbezieht, dass die Kirchenleitung durch Jahrzehnte die Kanäle mündlicher Information nutzte. Weil die Tagespresse parteipolitisch gebunden war und daher über kirchliche Ereignisse nur manipulierend berichtete, stand auch die kirchliche Wochenpresse unter Zensur und war zu aktueller Information über politisch relevante Vorgänge nicht in der Lage. Deshalb wurden die Möglichkeiten, mündlich „Berichte zur Lage“ zu geben, intensiv genutzt: bei den Ephorenkonventen der Pröpste, in den Dienstbesprechungen, die vom Konsistorium einberufen wurden, bei Kreissynoden, Pfarrkonventen und anderen Zusammenkünften5. Die Kirchenleitungsberichte sind also eher Positionsbestimmungen. Als solche wenden sie sich nach innen, an die Synodalen und damit an die Gemeinden, und ebenso nach außen, an die Staatsvertreter, die Schwesterkirchen in der DDR und in der Bundesrepublik. Vielleicht ist es für Leserinnen und Leser, die diese Berichte kritisch auf ihre politische Dimension hin durchsehen, befremdlich, in welch starkem Maße sie nicht nur in der Diktion „kirchlich“ sind, sondern gerade auch, wie ausführlich und prägend theologisch-geistlich argumentiert wird, wenn es doch oft genug um die Markierung einer bestimmten politischen Haltung geht. Die Kirchenleitungen waren bemüht, wenn sie politische Entscheidungen trafen und interpretierten, zugleich durchschaubar zu machen, dass dies Handeln sich aus dem Hören auf die Stimme Jesu Christi ergibt. Johannes Jänicke hat dies in seinem Bericht vom 11.5.1963 unmittelbar ausgesprochen: „Ich habe mich nach solchen Gesprächen oft gefragt: Ist jetzt dem Gesprächspartner etwas deutlich geworden, was es um Jesus und seine Gemeinde, was es um die Nachfolge des Herrn und um das Thema ist, von dem es in den 10 Artikeln heißt, daß die Kirche dabei bleiben müsse?“ Und er fragt sich weiter, ob er dem Gesprächspartner6 „den Herrn Jesus so bezeugt“ habe, dass dieser gespürt habe, „es geht dir ja um mich?“7 Hier kommt in besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die Bischöfe 4 Vgl. unten Dokument 27a, Anm. 1, S. 254. 5 Konvente und Konferenzen waren keine öffentlichen Veranstaltungen wie die Synoden. Selbstverständlich wurde es einkalkuliert, dass es Personen gab, die über diese Berichterstattung ihren Partner beim MfS unterrichteten. „Nicht öffentlich“ bedeutete nicht, dass in strengem Sinn mit Vertraulichkeit gerechnet werden konnte. Trotzdem war es kirchliche Praxis, bei diesen Konventen „offen“ zu reden. Es war ja ohnehin klar, dass der Staatsapparat die kirchliche Anschauung kannte. Es musste aber versucht werden, dem Mangel an Information wenigstens auf diesem Wege abzuhelfen. Die Nachfrage nach solcher Hintergrundinformation war bei Mitarbeitern und Gemeindegliedern groß. 6 Man denke also an Staatssekretär Seigewasser oder den Magdeburger Ratsvorsitzenden Ranke! 7 S. oben Dokument 19, S. 186.
Einleitung
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– wie auch die Mitglieder der Kirchenleitung insgesamt – sich nicht einfach auf das Parkett pragmatischen, institutionell-politischen Verhandelns begeben wollten, sondern zu vermitteln suchten, woher kirchliches Reden in diesem Raume seine unauswechselbare Legitimation hat. Daraus ergab sich eine völlig ungleiche Partnerschaft. Die Vertreter der Kirche setzten sich mit dem Mittel öffentlicher Rede im Auftrag des Evangeliums für konkrete Belange von Gemeindegliedern und damit auch für Strukturen kirchlicher Arbeitsbereiche ein. Die Vertreter der Partei- und Staatsführung der DDR haben aber nur die politische Relevanz dieser Äußerungen gewertet. Dabei war von Bedeutung, ob angesichts scharfer Beschwerden der Kirche mit einem für die DDR peinlichen Echo in westlichen Medien gerechnet werden musste. Hinzu kam die kritisch-soziologische Kalkulation, ob Kirchenleitung und Synode überhaupt damit rechnen konnten, dass ihre Orientierungen von den Gemeindegliedern umgesetzt würden. Repräsentativ war etwa die Erfahrung bei der Jugendweihe: die Kirchenleitungen hatten noch 1955 gemeint, dass die volkskirchliche Sitte der Konfirmation ein Bollwerk darstelle, an dem die staatliche Agitation scheitern werde. 1962 war klar geworden, dass die Partei gesiegt hatte und die Konfirmanden nur noch eine Minderheit in ihren Schulklassen waren. Das Gegenüber von geistlichem Auftragsverständnis und politischem Machtkalkül der anderen Seite führte immer wieder zu Konfrontationen mit höchst ungleichen Durchsetzungsmöglichkeiten.
2. Kirchenleitungsberichte im Kontext der Gesamtkirche Die Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen von 1950 verzeichnet unter den Aufgaben der Kirchenleitung in Artikel 147 (6): „Die Kirchenleitung erstattet der Synode der Kirchenprovinz auf jeder Tagung einen Rechenschaftsbericht“8. Dieser Berichtspflicht ist die Magdeburger Kirchenleitung mit großem Verantwortungsbewusstsein nachgekommen. Das Verfahren zur Erstellung der Texte ist dabei unterschiedlich gewesen. Bischof Ludolf Müller hat offenbar die Berichte persönlich konzipiert, hat aber in umfangreichem Maße Vorarbeiten der Fachdezernate des Konsistoriums ausgewertet oder unmittelbar einbezogen. Auch die Berichte von Bischof Johannes Jänicke tragen meist seine persönliche Handschrift, sind aber jeweils von der Kirchenleitung vor der Synodaltagung rezipiert worden. Bischof Wer8 In der GrO von 1980 lautet die Vorschrift in Art. 80 (2)13.: „Sie erstattet der Synode einmal im Jahr einen Rechenschaftsbericht.“
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Einleitung
ner Krusche hat sich gern auf Vorarbeiten von Mitgliedern der Kirchenleitung oder des Konsistoriums gestützt. Mehrfach gab es umfangreiche Redaktionsarbeit, auch in Plenarsitzungen der Kirchenleitung. In Einzelfällen wurde von ihm ausdrücklich der eigene, persönliche Bericht erwartet9. Entsprechend wurde in der Dienstzeit von Bischof Christoph Demke verfahren. Auch er hat einzelne Berichte ganz persönlich verfasst. Seit 1964 wurden (meist im Abstand von zwei Jahren) außerdem vom Konsistorium Tätigkeitsberichte in schriftlicher Form gegeben, die in gründlicher Form das ganze Spektrum kirchlicher Tätigkeiten in der Provinzialkirche darstellen, weitgehend auch statistisches Material enthalten. Ebenso hat das Diakonische Werk der Kirchenprovinz schriftliche Berichte vorgelegt. Die Kirchenprovinz Sachsen ist stets darum bemüht gewesen, konform mit der Gesamtkirche zu handeln. Grundsätzliche politische Äußerungen waren Sache der Synoden der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seit der Polemik der DDR-Regierung gegen den Militärseelsorgevertrag 1957 wurde es jedoch zunehmend schwieriger, die Einheit der EKD in Ost und West gerade im politischen Zeugnis zu wahren. Wichtiger wurde die theologische Arbeit auf den Synoden der Evangelischen Kirche der Union: die DDR-Gliedkirchen der EKU konnten hier, im Dialog mit den Kirchen des Rheinlands und von Westfalen, Grundsatzäußerungen zum „Christsein in der DDR“ erarbeiten. Die lebhafte Kontroverse um die Obrigkeits-Schrift von Bischof Otto Dibelius führte faktisch zu einer neuen Auseinandersetzung mit den Existenzbedingungen der Christenheit in der DDR, die dann – gemeinsam mit den Vertretern der lutherischen Landeskirchen – 1963 ihren Niederschlag in den „Zehn Artikeln von Freiheit und Dienst der Kirche“10 fanden.
9 Werner Krusche erläuterte seine Handhabung dieser Praxis zu Beginn seines letzten Synodalberichts am 28.10.1982: „Da dieser Bericht der Kirchenleitung der letzte ist, den ich als deren Vorsitzender mitzuverantworten habe, hat die KL gemeint, es sei gut, mich mit der Erarbeitung dieses Berichtes zu beauftragen. In den ersten Jahren nach der Aufnahme meines Dienstes in der Kirchenprovinz Sachsen habe ich mich an die Praxis gehalten, die ich vorfand, und den KL-Bericht selbst entworfen. In den Folgejahren ist er dann aus der Zusammenarbeit verschiedener Mitglieder der KL entstanden. Immer jedoch hat die KL als ganze den Entwurf diskutiert, verändert und den endgültigen Text beschlossen und ihn gemeinsam verantwortet. Auch der diesjährige Bericht ist also nicht ein Bericht des Bischofs, sondern ein Bericht der KL. Die Berichte unserer KL waren nie nur Rechenschaftsberichte in dem Sinne, daß sie darüber informierten, womit sich die KL befaßt und was sie beschlossen hat, sondern sie haben immer versucht, den Weg unserer Kirche zu reflektieren, ein Stück Orientierung zu leisten, Wegmarkierungen zu setzen und Denkimpulse für das Weitergehen zu vermitteln.“ (AKPS, Rep. C 1, Nr. 120, Dr. 14/82, S. 1). 10 S. unten Dokument 19, Anm. 2, S. 183.
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Es konnte nicht Sache einer einzelnen Landeskirche sein, sich neben solchem Konsens ein eigenes Profil zu geben. Dem DDR-Staat war ja daran gelegen, die Selbstständigkeit der Landeskirchen zu nutzen, um sie auseinander zu dividieren. Dass die Thüringer Landeskirche unter Landesbischof Moritz Mitzenheim ein Jahrzehnt lang einen eigenen Kurs verfolgte, bedeutete eine Gefährdung für die Gemeinschaft der Kirchen in der DDR. Wenn also die Kirchenleitung Magdeburgs sich immer wieder auf Synodalworte der EKD, der EKU und später des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR bezog, geschah dies in wechselseitigem Interesse: die Kirchenprovinz nutzte das Zeugnis zur Legitimierung der eigenen Position, stärkte aber zugleich die Gesamtkirche. Man war sich dessen bewusst, dass die SED-Führung sehr genau registrierte, wie weit politisch deutliche Äußerungen von Bischöfen oder Synoden in den einzelnen Landeskirchen rezipiert und mit getragen wurden. Wiederholungen von Aussagen der EKD oder des BEK wurden so zu einem politischen Instrument, um die Geschlossenheit der Kirchen im Gegenüber zur Regierung zu zeigen. Diese Haltung entspricht sehr vielen Synodaltexten anderer Landeskirchen. Es kommt aber immer wieder vor, dass gerade einzelne Passagen der Magdeburger Kirchenleitungsberichte als besonders markante Texte von den politischen Organen der DDR ebenso wie von Seiten der EKDGliedkirchen gewertet wurden. Ein herausragendes Beispiel für die Orientierungshilfe, die von einer Synode der Kirchenprovinz ausgehen konnte, ist der Vortrag von Bischof Werner Krusche 1973 unter dem Titel „Der Weg der Gemeinde Jesu Christi auf dem Weg in die Diaspora“11.
3. Thematik der Kirchenleitungsberichte Bei der Durchsicht der hier wiedergegebenen Ausschnitte aus den Magdeburger Kirchenleitungsberichten muss also im Auge behalten werden, dass jeweils nur der Sektor politisch-gesellschaftlicher Relevanz kirchlichen Handelns in den Blick kommt. Entsprechend dem breiten Spektrum kirchlicher Arbeit befassen sich die Kirchenleitungsberichte insgesamt mit ganz unterschiedlichen Themen12. Es kam mehrfach vor, dass ganz andere, politisch nicht relevante Themen im Mittelpunkt standen – die Einführung der Agende, die Einführung 11 Auszugsweiser Abdruck unten Dokument 32 a, S. 301–312 mit der dortigen Kommentierung. 12 Sofern die Kirchenleitungsberichte eine Einteilung in Kapitel und Zwischenüberschriften enthalten, wird dies in den Regesten der einzelnen Berichte aufgeführt, um einen Überblick zu ermöglichen.
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neuer Leitungsformen auf der mittleren Ebene, Raumordnung und Stellenplanung etc. Ebenso ging es in den Kirchenleitungsberichten um Fragen der Mitarbeitersituation, der kirchlichen Ausbildung und von Fall zu Fall auch um besondere Personalentscheidungen. Jedoch wurden Berufungsvorgänge, die der Synode vorbehalten waren (Bischof und Pröpste) selbstständig vorgetragen in den Vorlagen des Wahlkollegiums. Breiten Raum nahmen die Aufgaben des Gemeindeaufbaus, der Gottesdienstordnungen, der Seelsorge und der Lebensordnung ein. Dazu gehört auch die Kirchentagsarbeit, die seit Mitte der 70iger Jahre wieder einen Aufschwung nahm. Außerdem wurde berichtet über den Aufbau der Christenlehre und das konfirmierende Handeln. Auf die Einführung der Jugendweihe reagierten die einzelnen Landeskirchen mit unterschiedlichen Regelungen. Das ergab Verunsicherungen und zugleich die Herausforderung zu gründlichen theologischen Überlegungen. Die Zuordnung von eigenem Bekenntnis der Konfirmanden und dem Jugendweihegelöbnis brachte Zerreißproben, die sich in den Berichten spiegeln. Über die kirchliche Jugendarbeit wurde nicht regelmäßig, in manchen Jahren aber ausführlich berichtet. In mehreren Berichten spielen auch Baufragen eine Rolle – wegen der Schwierigkeit, Baukapazitäten für Wiederaufbau und Gebäudesanierung zu bekommen, oder aber wegen der Ermöglichung von Neubauten auf der Basis westlicher Finanzhilfe. Dagegen wurde zur Finanzsituation kaum generell berichtet. Der Haushaltsplan der Kirchenprovinz hatte stets einen eigenen Tagesordnungspunkt. In zunehmendem Maße spielte die ökumenische Verantwortung eine Rolle in den Berichten: nicht nur die Partnerschaft zur katholischen Kirche, sondern auch die zu Kirchen in anderen Ländern, vor allem aber die Orientierung auf die Aktivitäten des Ökumenischen Rates der Kirchen. Die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft 1966, die Vollversammlungen des ÖRK, das Antirassismusprogramm spiegeln sich gerade deshalb in den Berichten, weil die Kirchenleitung bemüht war, die Fixierung auf den verengten DDR-Horizont zu durchbrechen. In unterschiedlicher Dichte ist aber erkennbar, wie die Kirchenleitung bemüht war, geistliche Wegweisung zu geben. Was an bedrängenden Problemen die Gemeinden verunsicherte, was an staatlichen Repressalien zornig machte, was zur Anfechtung wurde unter der Perspektive, dass die DDR ihren antikirchlichen Weg mit allen Machtmitteln weiterverfolgte – das sollte reflektiert und beantwortet werden im gemeinsamen Hören auf die Stimme des Evangeliums. Sachfragen verbanden sich auf diese Weise oft notwendig mit Grundfragen des kirchlichen Zeugnisses. Die Berichte der Kirchenleitung sind auf den Synoden diskutiert, zumeist in ihrer Intention uneingeschränkt bestätigt worden und wurden an die Gemeinden weitergeleitet zur Orientierung. So haben – um nur einige Bei-
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spiele zu nennen – der Bericht Ludolf Müllers zur ersten Synodaltagung nach dem Kriegsende, der Bericht von Johannes Jänicke in Wittenberg 1959, die Überlegungen der Kirchenleitung nach der Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz 1976 oder die engagierte Stellungnahme Christoph Demkes im Herbst 1989 zur geistlichen Klärung der jeweiligen Situation wirksam beigetragen13. Das politische Zeugnis der Kirchen in der DDR lässt sich nicht ganz leicht verständlich machen. Die Verkündigung des Evangeliums gewinnt in einem Staat, der durch das Herrschaftsmonopol einer stark ideologisch orientierten Partei geprägt ist, notwendig eine politische Dimension. Auch wenn sie zu politischen Vorgängen schweigt, handelt die Kirche politisch. Wo sie Erwartungen des Staates und der herrschenden Partei widerspricht, gerät sie in den Verdacht, politische Opposition zu betreiben. Sofern die Kirche aber für die Gesamtheit ihrer Gemeindeglieder zu sprechen bemüht ist, muss sie berücksichtigen, dass aus dem Glauben nicht notwendig bestimmte parteipolitische Bindungen resultieren. Konkret bedeutete dies, dass Angehörige unterschiedlicher Blockparteien in den Gemeinden aktiv waren – auch ein Mitglied des Hauptvorstandes der DDR-CDU gehörte jahrelang zur Kirchenleitung. Viele Gemeindeglieder waren bemüht, nicht durch politischen Widerspruch aufzufallen, um nicht ihre berufliche Stellung oder die Bildungschancen ihrer Kinder zu gefährden. Wenn die Kirche einseitig zur Sprecherin westlicher (liberaler) Demokratie geworden wäre, hätten Gemeindeglieder die Folgen zu tragen gehabt. Man hätte ihnen unterstellt, mit ihrer Kirche den Klassenfeind zu unterstützen. Häufig wurde das Eintreten für das Recht auf Wehrdienstverweigerung vom Staat als Weigerung, die sozialistische Gesellschaftsordnung zu verteidigen gewertet – nicht als ein echter Pazifismus. Der Gewissensentscheidung wurde unterstellt, in Wirklichkeit eine politische Option zu bemänteln. So ist die Sprache dieser Berichte engagiert, aber oft auch sehr vorsichtig und abgewogen. Zwischentöne sollten mitgehört werden14. Die Hoffnung, dass es in der DDR allmählich zu einer gewissen Toleranz, vielleicht sogar zu Veränderungen kommen könne, wurde nicht aufgegeben. Die Verantwortungsträger im SED-Staat mussten auf ihre Verantwortung für die gesamte Bevölkerung angesprochen werden. Zugleich aber erwarteten die Kirchen nicht anders als die Bürgerinnen
13 Vgl. unten Dokumente 1, S. 33–51; 15, S. 156–163; 36, S. 346–362; 55 a, S. 557–568. 14 Dass sich die evangelischen Kirchen in der DDR „weder Opposition noch Akklamation“ vorwerfen lassen wollten, hat bereits R. HENKYS, Die evangelischen Kirchen, S. 49–52 analysiert. Dies Thema ist nach 1989 in der zeitgeschichtlichen Literatur vielfach (kontrovers) diskutiert worden. Vgl. insbesondere W. KRUSCHE, Rückblick. Charakteristisch auch der Titel des Dokumentenbandes: ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG.
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und Bürger, dass die DDR fortbestehen werde und alles Leben sich nur auf diesen Rahmen beziehen könne. Eine wirkliche Wende kam erst im September 1989 in Sicht. Oft genug wurden Familien davor gewarnt, ihre Kinder an der Jungen Gemeinde teilnehmen oder in der Studentengemeinde mitwirken zu lassen, wenn sie erfolgreich Abitur machen oder eine Stellung als Akademiker erreichen wollten. Die Kirche wurde von staatlicher Seite immer wieder als „fünfte Kolonne“ des Westens betrachtet und faktisch als Gegner des Sozialismus eingeschätzt. Es bedeutete in der Tat eine Gratwanderung, sich konsequent für die Freiheit des Glaubens und des Redens einzusetzen – und dabei zu betonen, dass man zur verantwortlichen Mitarbeit in dieser Gesellschaft bereit sei. Wie missverständlich in den 70iger und 80iger Jahren die Standortbestimmung als „Kirche im Sozialismus“ gewesen ist, ist inzwischen gründlich erörtert worden15. Die Magdeburger Kirchenleitung hat sich der Aufgabe gestellt, in diesem Sinne die Eigenständigkeit christlichen Zeugnisses in dieser Gesellschaft zu vertreten und zu erklären.
4. Berichterstattung in Konfliktsituationen Das Verhältnis der Kirche zur Staatsmacht ist im gesamten Zeitraum außerordentlich konfliktreich gewesen. Wenn eine Kirchenleitung ihren Gemeinden Orientierung geben wollte, musste sie Position beziehen. So lange die DDR-Verfassung von 1949 in Geltung stand, konnte sich die Kirche auf den Artikel 41 berufen, der erklärte, dass „das Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten“ sei16. Die evangelischen Landeskirchen in der DDR haben stets von diesem Recht Gebrauch gemacht. Auch wenn in der Ulbrichtschen Verfassung von 1968 ein solcher Satz fehlte, so war doch auch dort gemäß Artikel 20 die Gewissens- und Glaubensfreiheit gewährleistet. Die Kirchen haben es daher auch weiterhin als ihre Aufgabe betrachtet, sich für die Chancengleichheit von Christinnen und Christen in der sozialistischen Gesellschaft und für die Wahrung der Menschenrechte einzusetzen. Dem totalitären Anspruch des Marxismus-Leninismus, der das Leben in allen Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen überformte, galt es zu widerstehen. Dabei konnten sich die Kirchen nicht auf einen 15 Vgl. u. a. G. BESIER, SED-Staat und Kirche 1 u. 2; R. MAU, Realsozialismus; W. THUMSER, Kirche im Sozialismus; R. SCHRÖDER u. a., Versuch einer Standortbestimmung. 16 S. unten Anhang, Anlage Nr. IIa, S. 583 ff.
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wirklichen Dialog berufen. Was in Österreich, Frankreich oder Italien als christlich-marxistischer Dialog stattfand und eine kurze Phase lang während des Prager Frühlings auch in der CSSR möglich wurde, war in der DDR nicht zugelassen. Was aber von einzelnen kirchlichen Gruppen, von Ausschüssen der EKU, der VELKD und des BEK auf diesem Felde erarbeitet wurde, konnte in den Kirchenleitungsberichten aufgegriffen und auf den Synodaltagungen behandelt werden. Immer wieder gaben Vorkommnisse im Schulbereich Anlass zu energischem Protest gegen den Absolutheitsanspruch sozialistischer und kommunistischer Bildungspolitik17. In den Jahren bis zu Konsolidierung der DDR ergaben sich harte Konflikte aus dem staatlichen Versuch, Pfarrer und kirchliche Gremien zu instrumentalisieren für Akklamationen zu den politischen Zielsetzungen der SED-Führung. Bodenreform, Friedensbewegung (im Sinne der von Moskau gelenkten Weltfriedensbewegung), Volksabstimmungen sollten durch möglichst zahlreiche Stimmen von kirchlichen Amtsträgern unterstützt werden. Solchen Ansinnen hat sich die Magdeburger Kirchenleitung ausdrücklich widersetzt. Die kirchenkampfähnlichen Maßnahmen gegen die Jungen Gemeinden, die Studentengemeinde und dann auch gegen Diakonie-Einrichtungen fanden auf dem Höhepunkt der Ereignisse, im April 1953, im Bischofsbericht ihren Niederschlag. Die Einführung der Jugendweihe mit ihren Konsequenzen für die Neuordnung der Konfirmation und die Minorisierung der Gemeinden wurden zu einem Dauerthema. Neue Konflikte tauchten in der ganzen DDR 1957/58 auf; Magdeburg war durch die Inhaftierung von Konsistorialpräsident Kurt Grünbaum und OKR Siegfried Klewitz besonders betroffen. Durch mehrere Jahre stand das Engagement für das Recht auf Wehrdienstverweigerung im Mittelpunkt der Berichte, nachdem die Republik 1962 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt hatte. Die DDR-Führung hatte sich auf die Ermöglichung eines zivilen Ersatzdienstes für Wehrdienstverweigerer nicht eingelassen. Mit der Aufstellung der Baueinheiten war aber – wenn auch unter restriktiven Bedingungen – ein waffenloser Wehrdienst in der NVA möglich geworden. Der Kirchenleitung war bewusst, dass diese Regelung im Kontext der sozialistischen Staaten einzigartig war. Vielleicht ist es gerade deshalb aber nötig geblieben, kontinuierlich für die Bausoldaten und ihre Rechte einzutreten. Die neue Friedensbewegung mit dem Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ führte zu einem Höhepunkt der Auseinandersetzung. Selbstverständlich spielte dies Thema in den Synodaltagungen von 1981 bis 1983 eine große Rolle18. 17 Vgl. dazu unten Anhang, Anlage Nr. IV, S. 589–595. 18 M. HOHMANN, Friedensarbeit; A. SILOMON, „Schwerter zu Pflugscharen“.
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Seit Beginn der 70iger Jahre geriet die Kirchenprovinz – offenbar im Unterschied zu manchen anderen Landeskirchen – in stärkerem Maße ins Visier des Staatsapparates. Mit der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im Jahr 1969 schien sich ein entspannteres Verhältnis zum DDR-Staat anzubahnen. Bischof Werner Krusche fiel aber bereits bei seinen Antrittsbesuchen bei den Räten der Bezirke auf, weil er sich an ein Tabu nicht gehalten hatte: mit seinem Eintreten für die Einhaltung des Wahlgeheimnisses hatte er indirekt die Legitimation der Staatsorgane der DDR angefragt. Das führte zum Eklat; der Vorsitzende des Rates des Bezirkes Halle weigerte sich, Bischof Krusche zu empfangen. Staatssekretär Seigewasser inszenierte ein konfrontatives Gespräch in Erfurt, das der „Disziplinierung“ von Krusche dienen sollte. Zeitgleich hatte sich die Magdeburger Kirchenleitung mit einer besonders umfangreichen Beschwerde über die Situation auf dem Bildungssektor an die Regierung gewandt19. Mit erheblichem Misstrauen wurde die weitere Entwicklung in Magdeburg beobachtet. Als sich am 18. August 1976 Oskar Brüsewitz vor der Michaeliskirche in Zeitz öffentlich verbrannte, kam es zu konfrontativen Konfliktsituationen, die gleichermaßen den Bund der Evangelischen Kirchen tangierten. Die Ereignisse griffen über auf interne Auseinandersetzungen der SED, als Wolf Biermann sein Auftrittsverbot durchbrach und öffentlich in einer Kirche in Prenzlau im September 1976 seine Solidarität mit den DDRKritikern bekundete20. Wie scharf der SED-Staat die politische Position der Magdeburger Kirchenleitung und ihres Bischofs beurteilte, zeigt beispielhaft eine Personalcharakteristik über Bischof Werner Krusche aus dem Jahr 1977: „Somit kann nachgewiesen werden, dass Krusche sich zu einem gefährlichen Gegner unseres Staates entwickelt, der mit sehr politisch abgewogenen und auf sein ‚Langzeitprogramm‘ orientierten kirchlichen und politischen Maßnahmen gegen ausgewählte Bereiche unserer Gesellschaftsordnung wirksam wird. Bischof Krusche und die unter seiner Regie wirkende Kirchenleitung stellen einen potentiellen Störfaktor für unsere Gesellschaft dar und bilden den Ursprung von feindlichen Aktivitäten gegen das sozialistische Bildungswesen, gegen die Wehrbereitschaft, gegen das sozialistische Bewusstsein breiter Schichten der Bevölkerung und speziell zu Menschenrechtsfragen im Sozialismus. Die Gefährlichkeit dieser Aktivitäten wird durch Versuche des K. zur Verschleierung dieser Absichten erhöht. Durch die Gestaltung eines guten offiziellen Verhältnisses zum Staatsapparat und die scheinbare Wahrung kirchlicher Demokratie
19 S. unten Dokument 29a, S. 276 ff.; vgl. außerdem unten Anhang, Anlage Nr. IV, S. 589–595. 20 Darüber ist an anderer Stelle ausführlich berichtet worden: vgl. H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz; H. MÜLLER-ENBERGS/W. STOCK/M. WIESNER, Das Fanal.
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ist Krusche bestrebt, nach Außen und auch nach Innen im kirchlichen Bereich seine Stellung auszubauen und Anerkennung zu erhalten.“21
Konfliktreich ist auch das letzte Jahrzehnt der DDR-Kirchenpolitik geblieben, obwohl es in einigen, durchaus wichtigen Bereichen Lockerungen gab. Bischof Krusche zeigte deutlich, dass er das Gespräch des Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen mit Erich Honecker vom 6. März 1978 positiv bewertete und gewillt war, die dadurch eröffneten Handlungsspielräume voll auszunutzen. Indem die Republik aber im gleichen Jahr den Wehrkundeunterricht in allen allgemeinbildenden Schulen einführte, ergab sich noch im gleichen Sommer neuer Konfliktstoff. Seit im Zeichen des Symbols „Schwerter zu Pflugscharen“ die Friedensdekaden eingeführt wurden, sah die DDR in dem wachsenden Pazifismus kirchlicher Gruppen eine Gefahr für die Verteidigungsbereitschaft. Die Konfrontation verstärkte sich durch die Ausstrahlung der westdeutschen und niederländischen Friedensbewegung gegen die Raketen-Hochrüstung der Supermächte. Im Bund der Evangelischen Kirchen spielte die Friedensarbeit eine zunehmende Rolle. Die Initiative des Moderamen der westdeutschen reformierten Gemeinden, angesichts der atomaren Gefahr den „status confessionis“ zu erklären, fand breites Echo in der DDR. Mit hohem Engagement widmete sich die Magdeburger Kirchenleitung durch mehrere Jahre hindurch dieser Thematik. Dass sie in diesem Zusammenhang unsinnige Formen der Vorbereitung von Zivilverteidigung kritisierte, führte zu neuen Aktivitäten des MfS. Hinzu kamen Grundsatzprobleme der Umweltverantwortung, die dann auf einer thematisch konzipierten Synodaltagung 1985 in Erfurt exemplarisch diskutiert wurden. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 löste eine Vielzahl von Gesprächen aus, da gerade in Stendal ein neues Kernkraftwerk der DDR gebaut wurde. Propst Heino Falcke hatte bereits bei der Vollversammlung des ÖRK in Vancouver den Aufruf zu einem Ökumenischen Konzil unterstützt. Die Kirchenleitung beteiligte sich an der daraus entstehenden Initiative für den konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die internationale Tendenz zur Entspannung seit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki 1975 führte in der DDR zu einer immer stärker werdenden Ausreisebewegung. Während die Kirchenleitung die Forderungen nach Reiseerleichterungen uneingeschränkt unterstützte, geriet sie angesichts der wachsenden Zahl von Übersiedlungsanträgen in Verlegenheit. Wo es um Familienzusammenführung ging, hat sie solche Anträge unterstützt. Hinzu kamen eine Reihe von Einzelfällen, wo die repressive Behinderung von Menschen in ihrer beruflichen Existenz zu psychischen 21 So das Urteil der Bezirksverwaltung Magdeburg/Abt. XX des MfS vom 21.11.1977. BStU, BV Magdeburg XX, Nr. 2354, Bl. 11; 14 f.
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Belastungen geführt hatte – auch da befürwortete sie Übersiedlungsanträge und suchte nach Kanälen, die eine Lösung ermöglichten. Prinzipiell aber konnte und wollte sie nicht von der geistlichen Einsicht abgehen, dass es für Christinnen und Christen möglich sei, in der DDR zu bleiben und hier Zeugnis zu geben von der freimachenden Kraft des Evangeliums. Um der anderen Menschen in der DDR willen, die hier gebunden waren, wurden doch Ärzte und Krankenschwestern, Ingenieure und Lehrer gebraucht. Das nötigte zur Argumentation nach beiden Seiten – zur Bitte an die Gemeindeglieder, hier zu bleiben – und zur Mahnung an den Staat, Toleranz zu üben und den Bürgern unabhängig von ihrer westanschaulichen oder kirchlichen Bindung volle Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. Es war selbstverständlich, dass die Kirchenleitung auch über solche Entscheidungen der Synode Rechenschaft gab22. Über die letzten Jahre der DDR liegt umfangreiches zeitgeschichtliches Material vor. Seit Michail Gorbatschow eine „Perestroika“ gefordert und in Gang gesetzt hatte, wurden in der DDR die Forderungen nach Veränderung lauter und drängender. Wie unkoordiniert und nervös die DDR-Führung auf diese Entwicklung reagierte, wird exemplarisch an der Aktion gegen die Umweltbibliothek in der Berliner Zionsgemeinde im November 1987 erkennbar23. So werden die verschiedenen Äußerungen auf den Synoden der Landeskirchen im Herbst 1988 kritisch analysiert – und wiederum geschieht es, dass die Magdeburger Synode als besonders provozierend eingestuft wird. Erneut war die heikle Frage der Wahlen angeschnitten worden.
5. Spiegelung in den Berichten des Staatsapparates und des MfS Verhandlungen und Verlautbarungen der Synoden der evangelischen Kirchen sind vom Staatsapparat der DDR mit nervöser Aufmerksamkeit verfolgt worden. Beispielhafte Vorgänge wie z. B. während der Verhandlungen des Militärseelsorgevertrages auf der EKD-Synode 1957 sind bekannt. Für die Arbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR hat Anke Silomon exemplarisch die Vorgänge im Kontext der Görlitzer Synode im September 1987 dargestellt24. Der Kirchenleitung der Kirchenprovinz und dem Präsidium der Synode war bekannt, dass es mehrfach bereits vor der Tagung der Synode Gespräche von Staatsvertretern mit Synodalen gab. Z. B. konnte ein Synodaler in seinem eigenen Betrieb zu einer Aussprache bestellt werden, wo 22 Vgl. dazu unten Dokument 37, Zi. 5.4, S. 367–370; Dokument 47, Zi. 5.4., S. 476–478; Dokument 51, Zi. 2.1.5, S. 526 f. 23 Vgl. dazu unten Dokument 53 a, Anm. 4, S. 536. 24 A. SILOMON, Synode und SED-Staat.
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er nach dem Programm der Synode befragt und – je nach der Einschätzung, wie weit man auf ihn Druck ausüben könne – aufgefordert wurde, seinerseits dafür zu sorgen, dass keine „negativen Beschlüsse“ gefasst würden. Dass in solcher Weise nicht nur Einfluss genommen, sondern faktisch auch Druck ausgeübt wurde, war ein perfides System: Faktisch wurde auf diese Weise zugegeben, wie sehr es der Staat fürchtete, dass eine nicht gleichgeschaltete öffentliche Institution – die Synode einer evangelischen Landeskirche – Kritik an staatlichen Maßnahmen zu üben vermochte. Die Praxis, Mitarbeiter aus staatlichen Betrieben vor der Tagung ins Gespräch zu ziehen, beruhte auf der Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses: der Synodale wusste, dass er beobachtet wurde und musste seinerseits kalkulieren, ob er trotzdem öffentlich seine Meinung sagte oder ob er lieber schwieg. In den Plenardebatten war spürbar, dass eher kirchliche Mitarbeiter bei den politisch relevanten Themen das Wort ergriffen. Die Beratungen in den Ausschüssen (dort war die Öffentlichkeit nicht zugelassen) und die Abstimmung bei der Beschlussfassung zeigten dann aber, dass die Synode einmütig die kritische Position der Kirchenleitung unterstützte. Dessen ungeachtet haben aber auch Laiensynodale oft genug mutig das Wort ergriffen25. Archivbestände des Rates des Bezirkes Magdeburg und der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes belegen sogar eine doppelte „Begleitung“ für die Tagungen der Synode der Kirchenprovinz26. Der Leiter des Sektors Kirchenfragen im Rat des Bezirkes Magdeburg hatte eine „wissenschaftliche Arbeitsgruppe“ zur Verfügung, die das schriftliche Material der Synode und die Berichterstattung der offiziell eingeladenen Staatsvertreter aus den Plenarsitzungen auswertete zu Tagesberichten, die unmittelbar weitergegeben wurden. Daraus wurde ein 25 Über solche Gespräche ist z. B. auf der Tagung der Synode im Oktober 1985 Beschwerde geführt worden (vgl. unten Dokument 49, Anm. 1, S. 491). Im Informationsbrief „So ist es“, hrsg. von der Pressestelle beim Konsistorium (Nov. 1985, Nachschau auf die 4. Tagung der X. Synode der KPS, S. 6 f.; AKPS, Rep. C 1, Nr. 126) wird dies mitgeteilt. Während der Aussprache zum Rechenschaftsbericht der Kirchenleitung war über Vorgespräche mit Synodalen berichtet worden; von Belastungen für die Synodalen war die Rede. Dazu nahm Bischof Demke Stellung: „Gespräche von Staatsvertretern mit Synodalen sind nichts Neues [. . .] Was die Kirchenleitung als belastend empfindet, ist einfach die zahlenmäßige Dichte. Das ruft den Eindruck einer Aktion hervor, die schwer anders zu deuten ist, als dass hier der Versuch einer inhaltlichen Einflussnahme gemacht wird. Und das andere ist, dass die Einbeziehung von Vorgesetzten der Arbeitsstelle von Synodalen, wo ja dann Abhängigkeitsverhältnisse ins Spiel kommen, von uns als ein Vorgang gewertet wird, der eigentlich mit dem Grundsatz der Trennung zwischen Staat und Kirche nicht zusammenpasst.“ 26 Vgl. dazu die Übersicht über die Archivbestände des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt und des Archivs der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes unten im Quellen- und Literaturverzeichnis.
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zusammenfassender Bericht erstellt, der nach Abschluss der Synodaltagung an die Bezirksleitung der SED und an die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen gegeben wurde. Parallel dazu arbeitete eine Arbeitsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit. Vorbereitend wurden MfS-Mitarbeiter aus den Bezirken, die zum Territorium der Kirchenprovinz gehörten, zusammengezogen. Ebenso gab es eine Liste der Inoffiziellen Mitarbeiter, deren Berichte während der Synodaltagung angefordert wurden. Vor der Synodaltagung hatte die federführende Bezirksverwaltung bereits den „Maßnahmeplan“ für die Überwachung der Synode an die anderen MfS-Behörden weitergegeben. Weder dem Präsidium der Synode noch der Kirchenleitung war bekannt, welche Synodalen und welche Mitarbeiter im Konsistorium in solcher Weise Berichte an das MfS gaben. Trotzdem wurde in allen Landeskirchen damit gerechnet, dass es solche Berichterstatter gab. Nach 1990 sind dann eine Reihe von Enthüllungen erfolgt. Wie weit technische Mittel für die Überwachung der Synoden eingesetzt wurden, ist noch nicht feststellbar gewesen. Mit geheimen Tonbandaufnahmen muss selbstverständlich gerechnet werden. Einzelne IM sind nachweislich technisch perfekt ausgerüstet gewesen. Trotzdem ist damit zu rechnen, dass gewöhnlich eher auf die mündliche Vermittlung gesetzt wurde. Auch die Arbeitsgruppe des MfS gab Tagesberichte nach Berlin als Fernschreiben durch. Zusatzberichte hielten fest, was „operativ“ bekannt wurde, d. h. durch IM-Berichte aus den Ausschusssitzungen oder Pausengesprächen ermittelt wurde. Der Gesamtbericht über die Synode wurde in der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK der SED ausgewertet. Eine Übersicht über die landeskirchlichen Synodaltagungen wurde an das Politbüro weitergeleitet. Ein charakteristisches, besonders genau belegtes Beispiel bietet die staatliche Überwachung der Novembersynode 1980 in Halle. Der „Maßnahmeplan zur politisch-operativen Sicherung“ der Synodaltagung war bereits im Oktober erstellt worden, verantwortlich zeichneten die Leiter der Abteilung XX in den Bezirksverwaltungen des MfS Halle und Magdeburg. In Halle verfügte man schon am 24. Oktober über den Entwurf des Kirchenleitungsberichtes27. In der Analyse des MfS Halle vom 3.11.1980 wird folgendermaßen prognostiziert:
27 BStU, BV Halle XX, Nr. 138. Es besteht die begründete Vermutung, dass KonsR Detlef Hammer (als „Offizier im besonderen Einsatz“ mit Decknamen „Günter“) als Mitglied des Konsistoriums den vertraulichen Entwurf (der zum Schluss der zweitägigen KL-Sitzung wieder abgegeben werden musste!), nachts auf Tonband diktiert hat; die Tonbandabschrift des MfS trägt das Datum des 24.10.1980.
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„Auf der Grundlage erarbeiteter inoffizieller Informationen über Reaktionen und Verhaltensweisen kirchenleitender Mitarbeiter zu den aktuell-politischen Ereignissen, wie – Situation in der VR Polen – Anordnung über den Mindestumtausch – Rede des Genossen Honecker vor dem Parteiaktiv in Gera sowie über geplante feindlich-negative Aktivitäten im Zusammenhang mit der Herbstsynode muß eingeschätzt werden, dass diese Tagung erneut durch bekannte feindlich-negative klerikale und konfessionell gebundene Kräfte missbraucht wird, um Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung sowie gegen die Politik der Partei zu führen. Dabei sind die Tendenzen feststellbar, dass diese Kräfte in Gesprächen mit Vertretern des Staatsapparates in provokatorischer Weise ihre ablehnende Haltung zu den Maßnahmen unserer Partei- und Staatsführung sowie ihre Sympathie für die konterrevolutionären Kräfte in der VR Polen bekunden.“28
Daraufhin wurde eine energische Intervention organisiert: Theo Pöhner, Stellvertreter des Ratsvorsitzenden des Bezirkes Halle, bat Bischof Krusche zu einem Gespräch nach Halle, das am 6.11.1980 stattfand29. Die „Zielstellung des Gespräches bestand in [. . .] der Zurückweisung der Einmischungsversuche kirchlicher Kreise in staatliche Angelegenheiten“ und „der vorbeugenden Verhinderung eines politischen Missbrauchs der bevorstehenden Synode der Kirchenprovinz Sachsen für Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung“. Mit dieser Demarche wurde erreicht, dass der Rat der Magdeburger Kirchenleitung entsprechende Passagen des Kirchenleitungsberichtes überarbeitete und einige Passagen, die als provozierend empfunden wurden, herausnahm (z. B. die Erhöhung des Mindestumtauschs für Besucher aus der Bundesrepublik in der DDR). Während der gesamten Synodaltagung waren fünf MfS-Offiziere als Mitglieder der „Einsatzgruppe“ in Halle präsent. Die politische Situation im Herbst 1980 war offenbar – wegen der Lage in Polen – besonders nervös. Paul Verner hatte mit Albrecht Schönherr am 22. Oktober ein Gespräch geführt, in dem die staatliche Position ungewöhnlich scharf vorgetragen wurde30. Das bildete den Hintergrund für die staatliche Strategie gegenüber der Synode der KPS. Befriedigt wird dann in der Auswertung festgestellt, dass auf der Synode „offensichtliche politische Provokationen“ weitgehend vermieden worden seien und der Verlauf eine Tendenz zur Versachlichung zeige. Im Hintergrund blieb aber auch für den Staat deutlich: 28 BStU, BV Halle XX, Nr. 119, Bl. 35. 29 BStU, BV Halle XX, Nr. 119, Bl. 78–80. 30 Ausführlich referiert in G. BESIER, SED-Staat und Kirche 2, S. 356 f.; zur Gesamtsituation in diesem Herbst EBD., S. 343–368.
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„Inoffiziell konnte dokumentiert werden, dass diese Verhaltensweise von Bischof Krusche und weiterer Kirchenleitungsmitglieder aus taktischen Erwägungen erfolgt, um das gegenwärtig angespannte Verhältnis Staat-Kirche nicht weiter zu belasten und dem Staat keinerlei Anlaß zu geben, von den Grundsätzen des 6.3.1978 abzugehen.“31
Ein Jahr später war die Einschätzung schon wieder anders: „Die politisch-operative Auswertung der Ergebnisse der 4. Tagung der IX. Synode im Herbst 1981 ergab, dass in der Tendenz in verstärkter Form offen die Politik von Partei und Regierung verleumdet wurde und in den Massenmedien der BRD als ein ‚mutiger Schritt‘ bei der Durchsetzung des sogenannten Mitspracherechts der Evangelischen Kirche in unserem Staat gewertet wurde. Die 4. Tagung der Synode übertraf in ihrer negativen Grundaussage alle Tagungen der Synode der letzten Jahre.“32
6. Bemerkungen zur Kommentierung Einen so umfangreichen Bestand offizieller, nur in wenigen Partien persönlich eingefärbter Texte zu veröffentlichen, stellt insofern ein Wagnis dar, als Leserinnen und Leser zu einzelnen Ereignissen, Personen und Anspielungen ausführlichere Informationen wünschen werden. Etliche Prozesse (Gründung der DDR, Kampf gegen die Junge Gemeinde 1953, Mauerbau 1961, Friedensbewegung der 80iger Jahre in der Kirche, Lutherjubiläen) sind allgemein bekannt – für andere bedarf es eigentlich der historischen Erläuterung. Durch die Aufgabenstellung, die politisch relevanten Abschnitte der Magdeburger Kirchenleitungsberichte ungekürzt zu veröffentlichen und damit einen Überblick zu geben über kirchliches Handeln im gesamten Zeitraum von 1946 bis 1989, ist aber ein anderer Schwerpunkt gesetzt. Die Kommentierung muss sich also auf ein Mindestmaß beschränken. Hintergrundinformationen zu einzelnen Vorgängen und zum Kontext des Handelns der Kirchenleitung wären nur denkbar, wenn sich die Publikation auf einen knappen Abschnitt einzelner Jahre beschränken würde. Dann könnte die Arbeit der Kirchenleitung und des Konsistoriums im Berichtsjahr und deren Erörterung auf der Synodaltagung selbst dargestellt werden. So kann die Kommentierung nur in der Gestalt versucht werden, dass Hinweise auf bereits vorhandene Literatur und auf wichtige Aktenbestände im zuständigen Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen gegeben werden. 31 BStU, BV Halle XX, Nr. 119, Bl. 33. 32 Maßnahmeplan der Abteilung XX der Bezirksverwaltung Magdeburg des MfS zur Vorbereitung der Synode im März 1982 in Wernigerode (15.3.1982). BStU, BV Halle XX, Nr. 182, Bl. 4.
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Auch darf hier nicht der Überblick über die Gesamtarbeit der Synoden der Kirchenprovinz Sachsen erwartet werden33. Die Sacharbeit der Synoden ist jeweils einer umfangreichen Tagesordnung verpflichtet. Der geistlichen und politischen Wegweisung in den Kirchenleitungsberichten und der öffentlichen Aussprache darüber kam freilich ein besonderer Stellenwert zu. (Die Beratungen der Ausschüsse zur gleichen Thematik waren dagegen nicht öffentlich.) Eine lohnende Aufgabe der Forschung wird es sein, jene Hintergründe einzelner Kirchenleitungsberichte zu ermitteln. Das müsste bedeuten, die Sachvorgänge zu beschreiben, den Auseinandersetzungen mit staatlichen Stellen auf der Ebene der Räte der Bezirke und der DDR-Regierung nachzugehen, Parallelvorgänge in anderen Landeskirchen zu vergleichen, um dann die Stellungnahmen bewerten zu können. Für einige Berichte lässt sich auch der Entstehungsprozess, von ersten Entwürfen über die Behandlung in Sitzungen der Kirchenleitung und des Rates der Kirchenleitung bis zur veröffentlichten Textfassung verfolgen. Auf eine so weitgehende Analyse musste hier allerdings verzichtet werden. Wiederholt sind Passagen der Magdeburger Kirchenleitungsberichte bereits vor 1990 in Westdeutschland gedruckt worden. Dies wird jeweils nachgewiesen (z. B. Kirchliches Jahrbuch, epd-dokumentation). Eine regelmäßige Dokumentation der Berichte etwa im Amtsblatt der Kirchenprovinz war in der Zeit der DDR wegen der faktisch wirksamen PresseZensur nicht möglich. Die Synode hat auf den Bericht der Kirchenleitung unterschiedlich geantwortet. Es war die Aufgabe der Tagungsausschüsse der Synode, die Stellungnahme zum KL-Bericht vorzubereiten. Federführend war der Berichtsausschuss; je nach Sachgebieten wurden aber auch die Fachausschüsse mit Einzelthemen befasst. Wenn es um aktuell besonders heiße Probleme ging, verfolgte oft ein Mitglied des Synodalpräsidiums die Arbeit des Berichtsausschusses. Bei den dann verabschiedeten Beschlüssen der Synoden handelte es sich meist um die ausdrückliche Bestätigung der Tendenz der Berichtsaussagen, gelegentlich sogar um verstärkende Unterstreichung. Es gab aber auch formale Beschlüsse ohne besonderen Schwerpunkt. Deshalb wird hier nur eine Auswahl der Beschlüsse der Synode zum jeweiligen Bericht wiedergegeben. Andererseits kam es bei einigen Synodaltagungen, zu denen kein eigener Bericht der Kirchenleitung erstattet wurde, zu politisch wichtigen Beschlüssen auf Grund aktu33 Für die Synodaltagungen bis 1954 (Dokumente 1–10) liegt das stenographisch erstellte Protokoll der Plenarsitzungen vor; seit 1955 wurden die Plenarsitzungen auf Tonband aufgenommen; Abschriften dieser Tonbänder sind bisher nicht gefertigt worden. Über die Sitzungen der Ausschüsse wurden nur die üblichen Verhandlungs- und Beschlussprotokolle geführt.
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eller Vorgänge in der Gesellschaft. Solche Beschlüsse sind in die Dokumentation aufgenommen worden34. Die Anzahl der Texte, die zur Erläuterung der Aussagen der Berichte herangezogen werden könnte, ist groß; nur wenige von ihnen sind als Anlagen beigefügt worden, um den Band nicht zu überfrachten. Die Kommentierung der Berichte hat sich auf folgendes konzentriert: – Zu wichtigen Themen wird jeweils die Sekundärliteratur benannt. – Wo sich die Berichte auf amtliche Veröffentlichungen oder auf offizielle kirchliche Texte beziehen, werden die Fundorte nachgewiesen. Das gilt auch für Entwürfe zu Gesetzesvorhaben, die in der DDR vor der Verabschiedung in der Volkskammer in der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt wurden. – Bei einer Reihe von Vorgängen wird das einschlägige Aktenmaterial im Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen nachgewiesen. Freilich geschieht dies eher exemplarisch als flächendeckend. Vollständigkeit war nicht erreichbar. – Für die zeitgeschichtlichen Vorgänge in Kirche und Gesellschaft, im Staatsapparat der DDR und im politischen Kontext muss generell auf die zeitgeschichtliche Literatur verwiesen werden. Historiker werden nach maßgeblichen Personen in der Geschichte der Kirchenprovinz und unter den Synodalen fragen. Die Biogramme bieten – soweit erreichbar – wichtige Lebensdaten. Eine Würdigung der Bischöfe, der Präsides der Synoden und der Mitglieder der Kirchenleitung in den verschiedenen Legislaturperioden fehlt. Diese Würdigung dürfte nicht nur die leitenden Theologen und Juristen erfassen, sondern müsste gleichermaßen die prägenden Persönlichkeiten in der Synode in den Blick nehmen. Dies kann die vorliegende Quellenpublikation nicht leisten. So will dieser Band der historischen Forschung Material zur Verfügung stellen – in der Hoffnung, damit zugleich einen Impuls zu geben für weitere Arbeiten.
34 Dokumente Nr. 26, 44, 48 a–c, 52, 54.
PräsesLudolfMüller,22.Ok BerichteundBeschlüsse tober1946
BERICHTE UND BESCHLÜSSE (DOKUMENTE)
1 Bericht von Präses Ludolf Müller auf der 1. Tagung der I. Synode Halle Bartholomäuskirche, 22. Oktober 19461 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 77, S. 1–10 (masch.). Teilabdruck in: J. J. SEIDEL, Aus den Trümmern, S. 219–228.
Schwerpunkte: Konstituierung der Vorläufigen Kirchenleitung; Neubeginn des kirchlichen Lebens in der Kirchenprovinz Sachsen Gliederung: I. [ohne Überschrift]. II. [ohne Überschrift]. III. 1. Pfarrstellenbesetzung. 2. Superintendenturbesetzung. 3. Politische und kirchliche Sichtung. 4. Angelegenheiten des inneren kirchlichen Aufbaues. a. Unsere Worte zu politischen Angelegenheiten. b. Angelegenheiten kirchlicher Ordnung. c. Die Christenlehre. d. Der theologische Nachwuchs. e. Die theologische Betreuung des Pfarrerstandes. 5. Das Amt der Pröpste. IV. 1. Die Erhaltung der kirchlichen Einheit unserer Kirchenprovinz. 2. Unsere Stellung zur katholischen Kirche. 3. Unsere Stellung zur Union. 4. Die Flüchtlingsfrage und das Hilfswerk der Evangelischen Kirche.
I. 1. Die Provinzialsynode, die heute ihren Anfang nimmt, ist die erste ordentliche Provinzialsynode seit dem Jahre 1929. Wohl haben nach 1929, 1 Der Bericht von Präses L. Müller zur Konstituierung der Provinzialsynode unterscheidet sich in seiner Funktion von den nachfolgenden Rechenschaftsberichten: L. Müller gibt einerseits einen Rückblick auf die Situation der Kirchenprovinz Sachsen in der NS-Zeit, andererseits erläutert er die Maßnahmen zur Neukonstituierung der Leitungsgremien. Der Bericht wird deshalb ungekürzt wiedergegeben. Im Vorfeld der Synode gab es Auseinandersetzungen mit den staatlichen Stellen. Die russische Militärbehörde verlangte die Vorsprache von Präses Ludolf Müller und Konsistorialpräsident Lothar Kreyssig, die am Montag, dem Tag des Beginns der Synode, stattfand. Während des Gesprächs forderte die russische Behörde von den Kirchenvertretern die Herausgabe der gesamten Synodalunterlagen, insbesondere des Rechenschaftsberichts, von dessen Vorlage die Erlaubnis für das Abhalten der Synode abhängig gemacht wurde. Unter Protest kirchlicherseits kam es dann zur Übergabe des Berichts der VKL. Des weiteren durfte nicht über die Schulfrage, d. h. über den Religionsunterricht verhandelt werden (vgl. unten Dokument 2, Anm. 2, S. 53). Vgl. J. J. SEIDEL, Aus den Trümmern, S. 207–211.
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nämlich in den Jahren 1933 und 1934 noch Synoden stattgefunden, aber sie verdienen nicht als solche bezeichnet zu werden, weder ihrer Entstehung noch ihrem Inhalt nach. Die Synode von 1933 wurde auf Anforderung des damaligen Staatskommissars unter starkem Druck der Nationalsozialistischen Partei gewählt2. Am Abend vor der Wahl setzte sich in einer Radioansprache Hitler selbst für die deutschen [sic!] Christen ein. Es war daher nicht verwunderlich, daß die so gewählte Synode eine überwältigende Mehrheit der Deutschen Christen aufwies. Die Folge war, daß auch inhaltlich die Tagungen der Synode ganz vom deutschchristlichen Geiste beherrscht waren und in ihnen keinerlei Möglichkeit gegeben war, vom kirchlichen Standpunkt aus zu sprechen. Die Synode vom 24. August 1933 bestand lediglich aus einer Ansprache des bisherigen Präses Dr. Eger, aus einem Grußwort des Generalsuperintendenten D. Lohmann, das mit einem Bericht über die kirchliche Lage verbunden war. Nach der Konstituierung der Synode und der Wahl des Präses Noack wurden drei Resolutionen an die Gemeinden, an die Presse, an den Kanzler ohne Besprechung angenommen, einige Wahlen vollzogen, Telegramme an die 3 Gauleiter3 und „unseren Kampfgenossen Pfarrer Hossenfelder“ beschlossen. Nach einer Dauer der Synode von 80 Minuten erklärte der Präses: „die erste Provinzialsynode im dritten Reich ist geschlossen“. Kein Synodaler hatte gesprochen. Am 16. März 1934 fand wieder eine Sitzung der Synode statt. Sie war nur einberufen, um sich selbst durch die Wahl einer neuen Provinzialsynode von 18 Mitgliedern zu entmachten. Sie begann 15.15 Uhr, 15.45 Uhr wurde sie geschlossen. Nur der Präses sprach. Die Opposition war nicht erschienen, weil der Präses ihr nicht gestatten wollte, auch nur eine Erklärung von 11 Zeilen abzugeben. In der Synode begründete der Präses sein Verhalten gegenüber der Opposition mit folgenden Worten: „Es ist tief beschämend, 2 Ludolf Müller nimmt hier und im Folgenden Bezug auf gravierende Veränderungen der Synode und der Kirchenleitung durch die NS-Kirchenpolitik seit 1933: Die Einsetzung von Staatskommissaren durch den preußischen Kultusminister [für die KPS Noack!] und die Anordnung von allgemeinen Kirchenwahlen durch Hitler hatten die nationalsozialistisch orientierten DC im Sommer/Herbst 1933 in Schlüsselpositionen gebracht. Die häretische Theologie der DC und ihre verfassungswidrige Umgestaltung kirchlicher Organe löste eine Opposition aus, die zur Entstehung der BK führte. Um diese Spannungen zu beheben, setzte der im Juli 1935 von Hitler berufene Reichskirchenminister neue Kirchenleitungen („Kirchenausschüsse“) ein, die aber bereits im Laufe des Jahres 1937 wieder zurücktraten. Daraufhin übertrug der Reichskirchenminister im Dezember 1937 die Kirchenleitung auf den Konsistorialpräsidenten; neben ihm stand die wohl bereits 1935 vom Staat eingesetzte Finanzabteilung (vgl. dazu K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 301 ff.; Bd. 2, S. 210–218; Bd. 3, S. 316 f. sowie M. ONNASCH, Kirchliche Macht, Dok. Nr. 29). 3 Das Gebiet der Kirchenprovinz Sachsen gehörte zu den NS-Verwaltungs-Gauen Thüringen, Halle-Merseburg und Magdeburg-Anhalt.
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wenn in dieser Zeit des Erwachens unseres Volkes Männer nicht mitarbeiten wollen und sich vor der Verantwortung drücken. Ich möchte mal den sehen, der nach den Gesetzen fragt, die die Revolution rechtfertigen. Eine Revolution rechtfertigt sich nicht aus menschlichen Gesetzen, sondern diese Gesetze sind im Himmel geschrieben. Dies gilt auch in der Kirche. Auch hier gelten nicht Gesetze von Menschenhand, sondern die von Gott uns gegeben sind, der uns den Mann Adolf Hitler an die Spitze gesetzt hat.“ Bischof Peter rechtfertigte die Auflösung der erst 9 Monate zuvor gewählten Synode damit, daß wir mit der Beseitigung der Synoden nicht uraltes Gut, das zur Grundlage der Kirche gehöre, aufgäben, sondern eine erst 60 Jahre alte Ordnung der Kirche, die lediglich dem Parlamentarismus politischer Prägung des 19. Jahrhunderts nachgebildet sei. Die 18-Männer Synode hat soviel ich sehe am 24. und 25. Juli 1934 zur Erledigung einiger geschäftlicher Angelegenheiten getagt. Ob sie später noch einmal zusammengetreten ist, weiß ich nicht, jedenfalls hat man es nicht für nötig gehalten, in den Akten von ihr noch weitere Notiz zu nehmen. Ich will mit dem, was ich eben gesagt habe, nicht alte Dinge wieder aufwärmen, aber es mußte gesagt werden, um das zu verstehen, was später (1945) geschehen ist. Ein großes gewichtiges Stück, ja vielleicht das wichtigste der kirchlichen Verfassung von 19224 war zerbrochen, die Synode. Damit war die Gemeinde auf allen Stufen des kirchlichen Aufbaues ausgeschaltet, keine Kreis-, keine Provinzial-, keine Generalsynode wurde mehr gehalten. Auf der Stufe der Einzelgemeinde hörten bald danach die Gemeindevertretungen auf. 2. Wie die Synode, so verschwand im Laufe der Jahre nach 1933 auch der 2. Pfeiler des kirchlichen Verfassungsaufbaues, nämlich das leitende geistliche Amt. Dieses lag nach der Verfassung in der Hand der Generalsuperintendenten. Als das Amt der Generalsuperintendenten beseitigt wurde, trat der Bischof an ihre Stelle. Das Bischofsamt ist niemals offiziell beseitigt worden, hörte aber tatsächlich auf. Jetzt übernahm der Provinzialkirchenausschuß, für eine Höchstzeit von 2 Jahren berufen, dieses Amt, trat aber bereits im Frühjahre [richtig: im August] 1937 wieder ab, weil nach seinen eigenen Worten, sein „Auftraggeber ihm die Erfüllung seines Auftrages unmöglich“ machte. Jetzt gab es ein leitendes geistliches Amt nicht mehr. Die Kirchenleitung lag in der Hand des juristischen Konsistorialpräsidenten. In unserer Provinz trat dieser Tatbestand nicht 4 Verfassungsurkunde für die Evangelische Kirche der altpreußischen Union, beschlossen 1922, in Kraft gesetzt zum 1.10.1924. Vgl. dazu G. BESIER in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 94–102 (Lit., S. 76 f.).
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klar in die Erscheinung und wurde deshalb auch von vielen nicht gesehen, weil von den bis 1933 im Amte gewesenen Generalsuperintendenten einer, nämlich D. Lohmann weiter im Konsistorium verblieb und weil er nicht bloß durch seinen Titel, sondern auch durch seine Persönlichkeit weithin als geistliche Autorität galt und der Konsistorialpräsident ihm in seiner geistlichen Tätigkeit freie Hand ließ. Durch den tragischen Tod D. Lohmanns im April 1945 trat aber vor aller Welt dieses Fehlen des leitenden geistlichen Amtes deutlich in die Erscheinung. 3. So war als Leitung der Kirchenprovinz nur noch das Konsistorium da. Aber auch dieses war nicht mehr die in der Verfassung vorgesehene kirchliche Behörde. Es war durch die Einrichtung der staatlichen Finanzabteilung in allen mit den Finanzen zusammenhängenden Angelegenheiten – und wo gäbe es eine kirchliche Angelegenheit auch rein geistlicher Art, die nicht irgendwie mit finanziellen Dingen im Zusammenhang gebracht werden könnte – in allen seinen Entscheidungen durch staatliche Stellen beschränkt. II. 1. So war die Lage, als im April und Mai 1945 der Zusammenbruch kam. Gewiß, es war noch Kirche da, es wurde noch in den meisten Gemeinden unserer Provinz das Wort Gottes verkündigt. Aber der verfassungsmäßige kirchliche Aufbau war in den 12 Jahren seit 1933 völlig zerschlagen. Es war zu befürchten, daß der vorhin geschilderte Zustand, sich nun unter den Trümmern des Zusammenbruchs verhängnisvoll auswirken mußte. Darum sah es der Bruderrat der Bekennenden Kirche der Provinz Sachsen5, in dem sich der kirchliche Widerstand gegen die Überfremdung der Kirche durch die nationalsozialistische Weltanschauung gleichsam verkörperte, für seine Pflicht an, einzuspringen. Er tat es zu einer Zeit, in der die Zerschlagung des Transportwesens noch nicht überwunden war und sich jeder Reise die größten Schwierigkeiten entgegenstellten, schon Ende Mai 1945. Er machte nicht den Versuch, die Gunst der Lage zu einer kirchlichen Revolution zu benutzen, sondern ging daran, in Zusammenarbeit mit dem Vorstand, der vom Landesbischof Dr. Wurm in Stuttgart während des Krieges angeregten Einigungsaktion6 in Verhandlungen mit dem Konsistorium zunächst als wichtigste Aufgabe das leitende geistliche Amt in der Provinz wieder zu begründen7. Nach langwierigen Verhandlungen kam es am 8. August 1945 5 Zum Aufbau des Bruderrats der BK in der Kirchenprovinz Sachsen im Jahre 1934 vgl. M. ONNASCH, Um kirchliche Macht, S. 78 ff. 6 Mit seinem „Kirchlichen Einigungswerk“ hatte Wurm seit 1941 eine von allen kirchlichen Kräften mit Ausnahme der Deutschen Christen getragene bekenntnisgemäße Kirchenleitung angestrebt (J. THIERFELDER, Einigungswerk). 7 Vgl. M. ONNASCH, Um kirchliche Macht, S. 268–280, hier: S. 272: „Der ungewöhnliche
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zu dem Übereinkommen, durch das dieses Ziel erreicht wurde. Es wurde nicht, wie in der Nachbarprovinz Brandenburg, ein Bischof eingesetzt8, sondern eine aus sieben Männern gebildete vorläufige geistliche Leitung gegründet. Dieser geistlichen Leitung wurden die Funktionen übertragen, die nach der Verfassungsurkunde von 1922 den Generalsuperintendenten zustanden, außerdem die Funktionen des Provinzialkirchenrates. Sofort ins Auge gefaßt wurde die Neubildung der Gemeindekirchenräte, Kreissynoden und einer verfassunggebenden Provinzialsynode. Das Konsistorium blieb in seinem verfassungsmäßigen Befugnissen bestehen. Von den Mitgliedern der Vorläufigen Geistlichen Leitung9 wurden 3 von der bekennenden Kirche, 2 von der Einigungsaktion (darunter einer, der der bekennenden Kirche angehörte), 2 vom Konsistorium gestellt. Zur Orientierung der Superintendenten über die Vereinbarung vom 8. August wurden Dienstbesprechungen am 5. September in Magdeburg und am 7. September in Halle abgehalten. Fast alle Superintendenten waren zugegen. Wohl wurden einige Einwände gegen die Art des Zustandekommens der Vereinbarung erhoben, aber eine grundsätzliche Ablehnung trat von keiner Seite zutage. Eine Frage, ob die Besatzungsmächte um ihre Mithilfe angegangen seien, konnte verneint werden. Erst im späteren Verlauf ergaben sich, etwa vom Februar 1946 an, Berührungen mit der Besatzungsmacht. Der Präsident der Provinz10, der über die Neugestaltung der kirchlichen Verwaltung unterrichtet wurde, erhob zunächst rechtliche und politische Einwände, die jedoch durch eine eingehende Aussprache geklärt wurden. Seitdem hatte sich, wie ich es schon in der Begrüßung des Herrn Präsidenten habe aussprechen dürfen, die Beziehungen zur Provinzialverwaltung sehr freundschaftlich gestaltet11.
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Erfolg des Wurmschen Einigungswerkes in der Kirchenprovinz Sachsen beruht auf der Tatsache, daß der Provinzialbruderrat sich seit längerer Zeit zur Mitte hin orientiert hatte [. . .]. Die volle Auswirkung der Arbeit wurde nicht mehr während der Kriegszeit erreicht. Vielmehr zeigt sich ihre eigentliche Bedeutung erst nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, als die vorbereitenden Verhandlungen um eine neue Leitung der Kirchenprovinz Sachsen an der Arbeit des Vertrauensrates und dessen Mitglieder anknüpfen konnte.“ Vgl. auch K. MEIER, Volkskirchlicher Neuaufbau, S. 214 f.; J. THIERFELDER, Einigungswerk. In Berlin-Brandenburg hatte Dibelius zusammen mit nicht-deutschchristlichen Mitgliedern des Konsistoriums und einem Beirat bereits im Mai 1945 eine neue Kirchenleitung gebildet und sich die Amtsbezeichnung „Bischof“ zugelegt. Diese Entscheidungen wurden von der Berliner und Brandenburger Bekenntnissynode später bestätigt (M. GRESCHAT, Christenheit, S. 90). Vgl. Anhang, S. 629. Vgl. M. TULLNER/W. LÜBECK (Hg.), Erhard Hübener; M. WILLE, An der Spitze Sachsen-Anhalts; DERS.: Erhard Hübener (1881–1958); E. HÜBENER, Lebenskreise. Protokoll der Synode vom 22.10.1946, S. 11 (AKPS, Rep. C 1, Nr. 77). Erhard Hübener war der Vetter von Ludolf Müllers Frau Irmgard. Müller selbst schildert diesen Umstand
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3. Eine Weiterentwicklung des bisher geschaffenen Zustandes ergab sich mit Notwendigkeit, aus der Vereinbarung vom 31. August 1945, die zwischen Vertretern des Bruderrats der Evangelischen Kirche der APU und zwischen Vertretern der inzwischen auf bekenntnismässiger Grundlagen gebildeten Kirchenleitungen der Kirchenprovinzen Berlin-Brandenburg, Schlesien, Westfalen und der Rheinprovinz in Treysa beschlossen war. Durch diese Vereinbarung wurde festgestellt, daß die Kirchenleitung in den Provinzen durch die bisherigen Konsistorien aufgehört habe. Als Kirchenleitungen seien an die Stelle der Konsistorien in den genannten Provinzen bekenntnisgebundene Leitungen getreten. In den übrigen Provinzen seien solche zu bilden. Aus den Kirchenleitungen solle sodann eine Leitung der evangelischen Kirche der APU gebildet werden12. Die Provinz Sachsen stand damit vor der Frage, ob sie sich dieser Vereinbarung anschließen und damit weiter in engster Verbindung mit den anderen Provinzialkirchen der APU verbleiben, oder ob sie sich isolieren solle. Wir entschieden uns für einen Beitritt zur Treysaer-Vereinbarung und nahmen bereits an der ersten Sitzung der Altpreußischen Kirchenleitung am 2. Oktober teil. In dieser Sitzung wurde ein über die Treysaer-Vereinbarung hinausgehender engerer Zusammenschluß der im russischen Machtbereich stehenden Provinzialkirchen beschlossen13. Daraus ergab sich für unsere Provinz die Notwendigkeit, über die bisherige Entwicklung hinaus zur Bildung einer Vorläufigen Kirchenleitung zu kommen. Die Konstituierung dieser Vorläufigen Kirchenleitung fand am 10. Januar 1946 statt. Zu ihr so: „Es war wie ein Stück gnädiger Fügung, daß in dem Augenblick, in dem ich die Leitung der Evangelischen Kirche der Provinz Sachsen übernahm, ein Mann an der Spitze der staatlichen Verwaltung stand, der mir verwandt war und mit dem ich alle Probleme, die zwischen Staat und Kirche schwebten, ruhig und verwandtschaftlich besprechen konnte. Nicht daß er sich in seinen Anschauungen und Entschlüssen durch diese verwandtschaftlichen Beziehungen hätte bestimmen lassen, aber doch so, daß ich jederzeit auch in kritischen Situationen zu ihm Zugang hatte und in Gesprächen von Mensch zu Mensch alle Schwierigkeiten mit ihm durchsprechen konnte.“; s. L. u. K. MÜLLER, Lebenserinnerungen 4, S. 18. Von der Synode 1946 berichtet Müller: „Nach der die Synode beschliessenden Abendmahlsfeier veranstaltete Präsident Hübener [. . .] einen festlichen Abendempfang, bei dem es großes Aufsehen erregte, als Dr. Hübener mich als ‚Sehr geehrter Herr Präses, lieber Vetter Ludolf Müller‘ und ich ihn bei meiner Erwiderung als ‚Sehr verehrter Herr Präsident, lieber Vetter Erhard Hübener‘ anredete.“; EBD., S. 42. 12 Vgl. die in Treysa am 31.8.1945 beschlossene „Urkunde über die Neuordnung der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union“ (G. BESIER u. a., Kompromiss, S. 318–322). 13 Zur Treysaer Konferenz vom August 1945 vgl. M. GRESCHAT, Evangelische Christenheit, S. 117 ff. Außerdem: Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche, Bd. 1, S. 1–22. – Die kirchenpolitische Konstellation innerhalb der Kirche der altpreußischen Union und die Beschlüsse vom 2. Oktober 1945 werden ausführlich erläutert von J. KAMPMANN in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 604 ff.
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gehörten die 7 Mitglieder der vorläufigen geistlichen Leitung, 3 Mitglieder des Konsistoriums und 5 Laien14. Später wurde aus dieser Vorläufigen Kirchenleitung ein Rat von 3 Mitgliedern herausgestellt, der in der Zeit zwischen den Sitzungen die laufenden Geschäfte zu erledigen hat. Trotz des klaren Wortlauts der Treysaer Vereinbarung, nach der die Konsistorien nicht mehr die Leitung der Kirche haben, ist die Lage des Konsistoriums unserer Provinz noch grundsätzlich ungeklärt. Es wird die Aufgabe der jetzigen Provinzialsynode sein, die grundsätzliche Klärung aufgrund der Treysaer-Beschlüsse zu vollziehen. III. Es ist nunmehr über die Tätigkeit der vorläufigen geistlichen Leitung und der Vorläufigen Kirchenleitung zu berichten. Vorausgeschickt sei, daß sich diese Tätigkeit in engstem Einvernehmen mit dem Konsistorium vollzogen hat. Es ist nicht nur niemals zu Kompetenzschwierigkeiten gekommen, sondern wir dürfen es dankbar aussprechen, daß wir immer in vertrauensvoller und brüderlicher Zusammenarbeit gestanden haben. Ich greife aus der Fülle der zu bewältigenden Aufgaben folgende heraus: 1. Pfarrstellenbesetzung. Die Synoden seit 192515 zeigen bereits große Besorgnis, ob es gelingen werde, den theologischen Nachwuchs sicherzustellen. In der Zeit nach 1933 sank die Zahl der Theologie Studierenden in beängstigender Weise. Zahlreiche Pfarrer und Hilfsprediger sind Opfer des Krieges geworden. So mußte befürchtet werden, daß der während des Krieges infolge der zahlreichen Einziehungen schon erschreckend große Pfarrermangel auch nach dem Kriege in Erscheinung treten würde. Das ist nicht geschehen. Die Flüchtlingspfarrer aus dem Osten kamen zu uns und erbaten Unterkunft und Arbeit. Wir haben etwa 250 von ihnen unterbringen können. Wir konnten es freilich nur so, daß wir auch solche Pfarrstellen wieder besetzten, die aus finanziellen Gründen unbesetzt bleiben sollten. Dadurch ergab sich dann die zwingende Notwendigkeit zu einer empfindlichen Herabsetzung der Pfarrgehälter. Ob wir die Möglichkeit haben werden, die mit dieser Gehaltsminderung verbundenen Härten vor allem für die kinderreichen Pfarrhäuser irgendwie auszugleichen, hängt entscheidend von der Gesamtentwicklung des kirchlichen Finanzwesens ab. Aber wir 14 Vgl. Anhang, S. 629. 15 VERHANDLUNGEN DER ACHTZEHNTEN PROVINZIALSYNODE [1925 u. 1927]; VERHANDLUNGEN DER NEUNZEHNTEN PROVINZIALSYNODE [1929]; TÄTIGKEITSBERICHT 1931.
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glaubten es vor dem Herrn der Kirche nicht verantworten zu können, die sich bietenden Kräfte bei der Fülle der Arbeit und der Aufgaben, vor denen wir standen, ungenutzt zu lassen. Wir dürfen anerkennen, daß der weitaus größte Teil der Flüchtlingspfarrer mit Eifer und Treue an die neuen Pflichten herangegangen ist und vielfach in unseren Gemeinden und Pfarrerkreisen belebend gewirkt hat. Um die planmäßige Ansetzung der Flüchtlingspfarrer und der aus dem Felde heimkehrenden Hilfsprediger sicherzustellen, haben wir eine Notverordnung über die Besetzung von Pfarrstellen von der Kirchenleitung der APU erbeten, durch die bis zum 31. März 1947 alle freien und frei werdenden Pfarrstellen der Kirchenprovinz durch die Kirchenbehörde besetzt werden. Gegen diese Notverordnung sind mancherlei Einwände erhoben, selbst das schwere Geschütz bekenntnismäßiger Einwendung ist gegen sie aufgefahren. Wir sind uns bewußt, daß eine dauernde Aufhebung des Gemeindewahlrechts nicht zu rechtfertigen wäre. Aber bei der Kürze der Geltungsdauer der Verordnung können wirklich erhebliche Einwendungen gegen sie nicht erhoben werden. Es ist ja auch bei ihrer praktischen Handhabung kaum zu Konflikten gekommen, da die Kirchenbehörde auf berechtigte Wünsche aus den Gemeinden jederzeit Rücksicht genommen hat. Eine weitere Notverordnung gab der Kirchenbehörde die Möglichkeit zur Wiederbesetzung von Pfarrstellen, deren Inhaber aus Anlaß der Kriegsereignisse ihre Gemeinden verlassen haben und nicht zurückgekehrt sind, oder deren Inhaber nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft ohne zureichende Gründe nicht in ihre Gemeinden zurückgekehrt sind. Dagegen konnten wir uns nicht entschließen, wie es Thüringen getan hat, durch eine Notverordnung die Wiederbesetzung solcher Pfarrstellen zu ermöglichen, deren Inhaber seit längerer Zeit vermißt sind. 2. Superintendenturbesetzung. Die Zahl der Neubesetzungen von Superintendenturen16 ist außergewöhnlich groß. Der Grund liegt nicht bloß in Tod und der Emeritierung bisheriger Superintendenten, sondern mehr noch darin, daß es notwendig war, 13 Superintendenten wegen ihrer Zugehörigkeit zur Partei ihres leitenden kirchlichen Amtes zu entheben. 18 Superintendenten sind bereits neu eingesetzt. Da häufig die Behauptung aufgestellt wird, die Bekennende Kirche habe ihre Mehrheit in der Kirchenleitung zu einer rücksichtslosen Machtpolitik, besonders auch in personeller Hinsicht mißbraucht, so sei hier festgestellt, daß von den 18 neu eingesetzten Superintendenten 9 zur 16 Alle Kirchenkreise der Kirchenprovinz Sachsen sind nach dem Stand des Jahres 1946 (ohne die Superintendenten zu nennen) aufgeführt in: J. J. SEIDEL, Aus den Trümmern, S. 205.
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Bekennenden Kirche gehören und 9 nicht. Wenn wir bedenken, daß die Pfarrer der Bekennenden Kirche seit 1933 von der Zulassung zu höheren kirchlichen Ämtern so gut wie ausgeschlossen waren, so kann man der Kirchenleitung gewiß keinen Vorwurf daraus machen, wenn die neueingesetzten Superintendenten zu 50 % der Bekennenden Kirche angehören. Dabei soll gleich festgestellt werden, daß in unseren Sitzungen niemals die Minderheit durch Mehrheitsbeschlüsse vergewaltigt ist, vielmehr sind alle Beschlüsse in voller brüderlicher Übereinstimmung gefaßt worden. Auch sonst sind wichtigste Aufträge an Persönlichkeiten gegeben, die nicht zur Bekennenden Kirche gehören. Prof. Heinzelmann leitet das Prüfungswesen, Prof. Schumann leitet das theologische Amt, Prof. Fascher die Pressekammer. Zum Geschäftsführer des Provinzialverbandes der Inneren Mission ist Pfarrer Materne, zum Provinzialpfarrer für Äußere Mission Pfarrer Hüllmann, zum Leiter des liturgischen Amtes Pfarrer Prautzsch berufen worden. 3. Politische und kirchliche Sichtung. Die schwerste Aufgabe, vor die sich die Kirchenleitung gestellt sah, war die Prüfung der kirchlichen Amtsträger und Angestellten, wie weit sie sich in den Jahren von 1933 bis 1945 dem nationalsozialistischen Staat und der nationalsozialistischen Weltanschauung zur Verfügung gestellt hatten und wieweit in Analogie zu den staatlichen Maßnahmen gegen sie vorgegangen werden müsse17. Wir sind dankbar, daß uns in Verhandlungen mit den staatlichen Stellen zugestanden wurde, daß die Kirche nicht ohne weiteres die gleichen Maßnahmen wie der Staat durchführen könnte. So hat die Kirche selbst vom Grundsatz der öffentlichen Vertrauenswürdigkeit ihrer Diener und von dem Gebot der seelsorgerlichen Sorgfalt gegenüber jedem Einzelfalle her die Sichtung in die Hand genommen. Aufgrund der aufgestellten Richtlinien sind sämtliche Pfarrer überprüft worden. Wir konnten dabei feststellen, daß es wirkliche Aktivisten der Partei in ihr eigentlich überhaupt nicht gegeben hat. Auch die Pfarrer, die Mitglieder der NSDAP waren, haben seit 1936 fast unaufhörlich Konflikte mit der Partei gehabt. Deshalb ist wegen seiner Zugehörigkeit zur Partei von uns kein Pfarrer aus seinem Dienst entlassen. Viel wichtiger 17 Zur Entnazifizierung in den Evangelischen Kirchen der SBZ/DDR vgl. J. J. SEIDEL, „Neubeginn“, S. 93–110; DERS., Aus den Trümmern, S. 367–475, vor allem S. 407–414 (KPS); K. MEIER, Volkskirchlicher Neuaufbau, S. 222 ff. [Entnazifizierung]; M. HEIN, Die sächsische Landeskirche; und ergänzend: C. VOLLNHALS, Evangelische Kirche (Bayern, Württemberg, Hessen und Bremen). Vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 6146. Im AKPS befinden sich zudem eine große Anzahl Akten des Kirchlichen Überprüfungsausschusses (Entnazifizierung) der einzelnen Propsteien (1946–1952).
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war für die Kirche die Frage, ob sie die Pfarrer, die zur Deutschchristlichen Bewegung, namentlich in Gestalt der Thüringer Nationalkirchlichen Einung18 gehört haben, oder ohne ihnen anzugehören ihre Ziele gefördert haben, im kirchlichen Amte belassen könne. Die Notverordnung zur Wiederherstellung eines an Schrift und Bekenntnis gebundenen Pfarrerstandes vom 15. Februar 194619 gab der Kirchenleitung die Möglichkeit, hier die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Gegen alle Pfarrer, die bis zuletzt der Nationalkirchlichen Einung angehört haben, wurde ein Verfahren eröffnet. Teils mit, teils ohne Beurlaubung. Gleichzeitig mit den rechtlichen Maßnahmen aber wurde durch Einrichtung theologischer Rüstzeiten der Versuch gemacht, die betroffenen Pfarrer in seelsorgerlichem und theologischem Gespräch so kennenzulernen, daß die Frage nach der Eignung jedes Einzelnen zu weiterem kirchlichem Dienst geklärt wurde. Dies Verfahren hat sich bewährt. Wir freuen uns, daß es nur in je einem Fall nötig gewesen ist, auf Entlassung aus dem Dienst der Kirche oder auf Entfernung aus dem Amt zu erkennen. Eine Anzahl der betroffenen Pfarrer erklärte sich freiwillig bereit, sich in eine andere Pfarrstelle versetzen zu lassen. Wir hoffen, daß es den in ein anderes Pfarramt versetzten und den in ihrem Amte verbliebenen Amtsbrüdern mit Gottes Hilfe möglich werden wird, einen neuen Anfang zu machen. Eine Reihe von Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. 4. Angelegenheiten des inneren kirchlichen Aufbaues. a. Unsere Worte zu politischen Angelegenheiten. Von vornherein trat uns das Problem „Kirche und Politik“ entgegen. Und zwar zuerst dadurch, daß gleich nach dem Zusammenbruch Pfarrern der Posten eines Bürgermeisters oder andere öffentliche Ämter angeboten wurden. Später nach Begründung der Parteien kam die Frage, ob ein Pfarrer in einer Partei Mitglied sein oder gar agitatorisch für sie tätig sein dürfe. Wir haben bereits frühzeitig Richtlinien20 darüber ausgearbeitet und den Pfarrern zugestellt. Diese konnten zwar nicht bestimmte Weisungen erteilen oder jede politische Tätigkeit verbieten, wie ja auch die Kirche so in die Dinge dieser Welt hineingestellt ist, daß sie sich ihrer Verantwortung ihnen gegenüber nicht entziehen kann. Aber wir haben die Pfarrer immer wieder daran erinnert, welche Gefahren für die Kirche 18 Radikale Gruppierung der DC, die eine überkonfessionelle deutsche Nationalkirche propagierte. 19 ABL. EKD (Berliner Stelle) 1947, S. 64 f. Abgedruckt in: J. J. SEIDEL, Aus den Trümmern, S. 448–451. 20 Wort der VGL der Kirchenprovinz Sachsen vom 5.11.1945 mit Anlage: Theologische Besinnung über die Frage der politischen Betätigung des Pfarrers (6 Thesen eines Halleschen Pfarrerkreises vom 24.10.1945). AKPS, Rep. A, Rundverfügungen 1945.
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und die Verkündigung des Wortes Gottes in der politischen Bindung und Betätigung des Pfarrers liegen. Wir haben darum, obwohl wir von vielen Stellen aufgefordert wurden, zur Bodenreform21 öffentlich Stellung zu nehmen, dies abgelehnt, sondern haben nur ein seelsorgerliches Wort darüber den Pfarrern zugestellt. Wir haben es abgelehnt, obwohl wir von Seiten der Besatzungsmacht dazu aufgefordert waren, ein empfehlendes Wort zum Volksentscheid in Sachsen22 zu sagen. Auch zu den Wahlen im September und Oktober [1946]23 haben wir nicht Stellung genommen. Damit freilich soll nicht gesagt werden, daß nicht auch einmal die Kirche gezwungen sein könnte, aus ihrer Verantwortung vor Gott heraus auch zu den Dingen des öffentlichen Lebens ein Wort zu sagen. 21 Nach dem Volksentscheid im Land Sachsen (vgl. unten Anm. 22) erfolgte 1946/47 die Umwälzung der Eigentumsverhältnisse in der Landwirtschaft durch die Bodenreform und in der Industrie durch die Teilverstaatlichung. Durch die bereits im September 1945 begonnene Bodenreform wurden ca. 14.000 Betriebe, denen rund ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche gehörten, ohne Entschädigung enteignet. Leitungspositionen wurden zum großen Teil mit Angehörigen aus der Bauernschaft besetzt. Vgl. W. WEIDENFELD/H. ZIMMERMANN, Deutschland-Handbuch, S. 71, 127. Präses Müller hat sich in einem Rundschreiben vom 5.11.1945 betr. Bodenreform an die Superintendenten gewandt. Dieses Rundschreiben beginnt mit folgenden Sätzen: „Aus vielen Kirchenkreisen liegen uns Berichte vor, daß von politischen Stellen versucht wird, die Pfarrer zu einer positiven Stellungnahme zu der im Gange befindlichen Bodenreform zu veranlassen. Das geht so weit, daß den Pfarrern zugemutet wird, in ihren Predigten ganz bestimmt formulierte Äußerungen über die Bodenreform zu tun und sich aktiv an den Feiern zu beteiligen, die bei Übereignung des Landes an die Neubauern veranstaltet werden. Die oft in den Zeitungen wiedergegebenen Äußerungen einzelner Pfarrer oder ganzer Pfarrerkreise werden dann von der Öffentlichkeit als „Wort der Kirche“ gewertet und rufen große Unruhe hervor. Wir können deswegen nicht dringend genug zu größter Zurückhaltung in dieser Frage mahnen. Die Bodenreform ist in erster Linie eine politische und wirtschaftliche Angelegenheit. Als solcher zu ihr Stellung zu nehmen, ist nicht die Aufgabe der Kirche. Sie ist freilich auch eine Frage von ethischer und kirchlicher Bedeutung. Und soweit sie das ist, hat die Kirche nicht bloß das Recht, sondern auch die Pflicht, sich dazu zu äußern. [. . .]“. In: T. Möhlenbrock, Kirche und Bodenreform, S. 344 f. Zu Kirche und Bodenreform allgemein vgl. EBD. Vgl. auch oben Bericht des Bischofs D. Jänicke auf der 1. Tagung der IV. Synode am 20.3.1960, Punkt V, 3. 22 Durch Volksentscheid wird im Land Sachsen im Juni 1946 ein „Gesetz über die Überführung der Betriebe von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes“ mit 77,6 % der Stimmen beschlossen, das in den Monaten Juli/August auch auf die übrigen Ländern und Provinzen übertragen wird. Mit ihm wurden umfangreiche Enteignungen legalisiert. Vgl. K. W. FRICKE, Politik und Justiz in der DDR, S. 569; W. WEIDENFELD/H. ZIMMERMANN, Deutschland-Handbuch, S. 71, 127. Die Haltung der VGL zur Frage der Bodenreform war zunächst unsicher, obwohl es von verschiedenen Seiten ein Eintreten der Pfarrer für Gutsbesitzer gab, die als Patrone gerade in der NS-Zeit konsequent für die Gemeinden eingetreten waren. Zum Gesamtzusammenhang T. MÖHLENBROCK, Kirche und Bodenreform, S. 235–255 u. dort Dokument 8 u. J.-C. KAISER, Anfänge der Bodenreform. 23 Vgl. J. J. SEIDEL, „Neubeginn“, S. 294 f., 297–299 (Dokumente Nr. 27, 29, 29a).
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Hierher gehört die durch die Stuttgarter Erklärung des Rates der evangelischen Kirche in Deutschland vom 18. und 19. Oktober 194524 begonnene Erörterung über die Schuldfrage. Wir haben dazu in einem Schreiben an die Kanzlei der EKD Stellung genommen. Das Material über die Schuldfrage haben wir allen Pfarrern zugestellt mit der Bitte, auf den Pfarrkonventen diese für die innere Genesung unseres Volkes geradezu ausschlaggebende Frage ernstlich zu durchdenken und zu durchsprechen. b. Angelegenheiten kirchlicher Ordnung. Die von der letzten Generalsynode im Jahre 1930 in langen und ernsten Beratungen zustandegekommene Ordnung des kirchlichen Lebens bedeutete sicher einen großen Fortschritt. Aber die hier gebotene Lösung ist auf der einen Seite nicht zur vollen Auswirkung gekommen, auf der anderen Seite ergaben sich gewisse Lücken, die ausgefüllt werden müssen. Die Frage der kirchlichen Zucht, der Konfirmation und andere brechen gerade jetzt wieder stark auf und kamen bei dem von uns den Kreissynoden zur Erörterung gestellten Thema „Lebendige Gemeinde“ immer wieder zur Aussprache. Wir können zu dieser Frage noch nicht abschließend Stellung nehmen. Wohl aber mußten wir zu einigen, in der jetzigen Lage besonders dringlichen Fragen Richtlinien geben. Das haben wir über die Wiederaufnahme von Ausgetretenen in die Kirche, ferner über Taufe von Kindern aus nichtgetrauten Ehen getan. c. Die Christenlehre. Die wichtigste Aufgabe, die die Kirche heute hat, ist der Religionsunterricht. Durch die Errichtung der Einheitsschule ist für den Religionsunterricht kein Platz mehr in der Schule. Wir haben demgegenüber niemals aus unserer grundsätzlichen Forderung der Bekenntnisschule ein Hehl gemacht. Da diese zur Zeit aber nicht zu erreichen ist, auch der Einbau des kirchlichen Religionsunterrichts in den Stundenplan der Schule nicht zu erreichen war, ist es nunmehr zu einer unabweisbaren Pflicht der Kirche geworden, diesen Unterricht selbst in die Hand zu nehmen. Wir kennen die Schwierigkeiten, die sich für die Kirche ergeben. Woher sollen wir die Lehrkräfte nehmen, woher die Räume für den Unterricht, woher die Stunden, die neben dem Schulunterricht für die Kinder möglich sind? Wir haben über diese Fragen mit der Provinzialverwaltung zahlreiche Besprechungen gehalten und sind dankbar für das Verständnis, das wir dort für unsere Anliegen gefunden haben. Wir hoffen, daß diese in diesen Tagen von der Provinzialverwaltung gegebenen Richtlinien viele Schwierigkeiten beseitigen werden. Nun ist es Aufgabe der Kirchengemeinde, 24 Text: KUNDGEBUNGEN EKD 1, S. 14; u. ö.
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von den jetzt gegebenen Möglichkeiten auch Gebrauch zu machen. Die Lehrkräfte müssen gefunden und geschult werden. Eingehende Lehrpläne wird unsere Kammer für den Religionsunterricht herausgeben. Hoffentlich wird auch bald die Genehmigung zum Druck von Religionsbüchern gegeben werden. Ich hoffe, daß ein Ausschuß der Synode sich noch besonders mit allen hiermit in Zusammenhang stehenden Fragen beschäftigen wird, und daß die Synode Gelegenheit haben wird, sich auch in einer Plenarsitzung noch mit dieser Frage zu beschäftigen25. d. Der theologische Nachwuchs. Ernste Sorgen macht uns, ob es gelingen wird, in den nächsten Jahren den so nötigen theologischen Nachwuchs heranzubilden. Wir haben berechnet, daß wir wenigstens 200 bis 250 Theologie-Studenten in den nächsten Semestern haben müßten. In den beiden ersten Semestern nach Wiedereröffnung der Universität in Halle ist nur ein Kontingent von 50 Studenten zugelassen gewesen. Für das jetzt beginnende Semester ist das Kontingent auf 100 erhöht. Wird diese Zahl erreicht werden? Sind die, die das Studium aufnehmen, auch innerlich für den Dienst der Kirche qualifiziert? Es wird eine wichtige Aufgabe der Kirche selbst sein, den theologischen Nachwuchs vom ersten Tage des Studiums an, kirchlich zu betreuen. Wird es nötig werden, auch bei uns, wie es in Berlin und im Westen bereits geschehen ist, kirchliche theologische Hochschulen zu begründen? Wir halten noch immer das Universitätsstudium für unsere jungen Theologen für das Richtige, müssen uns aber auch für andere Möglichkeiten rüsten. e. Die theologische Betreuung des Pfarrerstandes. Aber auch die theologische Weiterbildung der Pfarrer ist uns ein ernstes Anliegen. Das gilt in erster Linie den jungen Brüdern gegenüber, die 5, 6 Jahre durch den Krieg aus aller theologischen Arbeit herausgerissen waren und die sich nur mühselig wieder in dieser so veränderten Welt zurechtfinden. Wir sind ihnen Zeiten der Stille schuldig, in denen sie dazu die Möglichkeit haben können. Und es liegt fast wie ein schweres schuldhaftes Versäumnis auf uns, daß wir diese Aufgabe nicht schon viel kräftiger in Angriff genommen haben. Es lag z. T. daran, daß wir diese jungen Kräfte schon für den pfarramtlichen Dienst brauchten, z. T. daran, dass die theologischen Freizeiten im Zusammenhang mit der Wiederherstellung eines an Schrift und Bekenntnis gebundenen Pfarrerstandes die zur Verfügung stehenden theologischen Kräfte in Anspruch nahmen. Wir hoffen aber, nun bald zu fortlaufenden theologischen Kursen unter Leitung von 25 Vgl. dazu die Schilderung der Situation bei R. HOENEN, Religionsunterricht, S. 70.
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Prof. D. Schumann zu kommen; einen Teil der jüngeren Brüder hoffen wir noch für 3 Monate in das Predigerseminar in Wittenberg einberufen zu können. – Aber auch bei den älteren Pfarrern halten wir eine systematische theologische Weiterbildung unter Leitung der Superintendenten und Pröpste für notwendig; sie wird vor allem im Zusammenhang mit einer verinnerlichten Konventsarbeit und einer regeren Visitationstätigkeit zur Durchführung kommen müssen. 5. Das Amt der Pröpste. Die am 8. August 1945 eingesetzte geistliche Leitung und die seit dem 10. Januar 1946 bestehende Kirchenleitung haben sich mit vollem Bedacht als vorläufig bezeichnet. Es sollte damit zum Ausdruck gebracht werden, daß wir uns nur zu einem Notdienst berufen wissen, der sobald wie nur irgend möglich, einer neuen rechtlich fundierten Regelung des kirchlichen Aufbaues Platz machen sollte. Wir haben unser in dieser Richtung gegebenes Wort durch die Notverordnung über die Bildung neuer Kreissynodalvorstände und Gemeindekirchenräte, durch die Notverordnung über die Bildung von Kreissynoden und schließlich durch die Notverordnung über die Bildung einer Provinzialsynode eingelöst. Wir waren uns bei allen diesen Maßnahmen bewußt, daß die Neuordnung auf völlig legalem Wege nicht möglich war. Die Zerschlagung des kirchlichen Rechtes in den vergangenen 12 Jahren war zu gründlich gewesen, als daß eine einfache Restitution der Verfassung von 192226 möglich gewesen wäre. Wir haben uns jedoch mit Fleiß davon zurückgehalten, die Grundlinien des kirchlichen Neuaufbaues schon festzulegen. Nur an einem Punkte haben wir davon eine Ausnahme gemacht, und das ist mit der Begründung des Propstamtes geschehen. Dieses Amt ist nach langen Erwägungen in der ersten Sitzung der Vorläufigen Kirchenleitung am 10. Januar [1946] ins Leben gerufen. Die Kirchenleitung der APU hat diesem Beschlusse ihre Zustimmung gegeben. Freilich ist auch dieses Amt nicht ganz neu, sondern eine Anknüpfung an die Verfassung von 1922 ist durchaus möglich. Der Artikel 99 der Verfassung sah vor, daß eine Provinz auch mehrere Generalsuperintendenten haben könne. Die Provinz Sachsen hatte 3 Generalsuperintendenten, die aber alle in Magdeburg wohnten und bei der weiten Entfernung der Generalsuperintendenten von ihren Sprengeln nicht wohl in der Lage waren, die ihnen nach Artikel 101 der Verfassung obliegenden Aufgaben wirklich zu erfüllen. Nun mag man das Propstamt so ansehen, daß wir statt der 3 jetzt 7 Generalsuperintendenten berufen und ihren Wohnsitz in ihre Sprengel verlegt haben. Selbstverständlich untersteht auch diese Maßnahme der endgültigen Entscheidung der Pro26 Vgl. oben Anm. 4.
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vinzialsynode. Wir haben allerdings den Wunsch und die Zuversicht, daß diese Entscheidung zustimmend ausfallen wird, denn wir haben dies Amt nicht geschaffen, um damit Machtpositionen zu beziehen, sondern weil wir der Meinung waren, daß die Aufgaben der inneren Erneuerung der Kirche und der inneren Erneuerung des Pfarrerstandes es gebieterisch forderten. Wir sind der Ansicht, daß das Amt in den neun Monaten seines Bestehens sich bereits voll bewährt hat. Wenn die Synode es bestätigt, so darf an der personellen Besetzung nichts geändert werden, wie wir der Synode auch nicht das Recht zugestehen können, an der von uns vollzogenen personellen Besetzung der Superintendenturen etwas zu ändern. Ich sage das, weil ich weiß, daß gerade die pers. Besetzung der Propstämter vielfach kritisiert wird. Es wird darauf hingewiesen, daß 6 von den 7 Pröpsten zur Bekennenden Kirche gehören27. Ich muß aber darauf hinweisen, daß auch alle Beschlüsse über die Besetzung der Propsteien von der Vorläufigen Kirchenleitung einstimmig gefaßt sind. Ich weise weiter darauf hin, daß nicht nur die Propstei Naumburg, sondern auch die Propsteien Halberstadt und Halle zuerst Persönlichkeiten angeboten worden sind, die nicht zur Bekennenden Kirche gehörten. Nur dann würde ich die Kritik für berechtigt halten, wenn uns von irgendeiner der zum Propstamt berufenen Persönlichkeiten nachgewiesen würde, daß sie für ihr Amt ungeeignet sei. Ich habe das feste Vertrauen zur Synode, daß sie ihre Entscheidung nicht nach kirchenpolitischen Schlagworten treffen wird, sondern daß sie sich allein von der Frage leiten läßt, wie der kirchlichen Erneuerung der uns anvertrauten Provinz am besten gedient ist. IV. Ich habe noch über einige besondere Angelegenheiten zu sprechen. 1. Die Erhaltung der kirchlichen Einheit unserer Kirchenprovinz. Schon in der letzten Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft war die Einheit der ehemaligen Provinz Sachsen dadurch zerrissen, daß der Regierungsbezirk Erfurt an das Land Thüringen angegliedert wurde. Die damalige Maßnahme ist bei der Neueinrichtung der Verwaltung nach dem Zusammenbruch bestehen geblieben. Dazu ist zu der jetzigen Provinz 27 Am 1.3.1946 traten ihren Dienst als Propst an: Oskar Zuckschwerdt, Propstei Magdeburg; Helmut Schapper, Propstei Altmark; Franz-Reinhold Hildebrandt, Propstei Halberstadt-Quedlinburg; Prof. Julius Schniewind, Propstei Halle-Merseburg; Wolfgang Staemmler, Propstei Kurkreis; Max Müller, Propstei Naumburg; Dr. Gerhard Gloege, Propstei Erfurt. Vgl. J. J. SEIDEL, Aus den Trümmern, S. 205.
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Sachsen das frühere Land Anhalt als besonderer Regierungsbezirk hinzugeschlagen worden. Erhebliche Teile des Regierungsbezirks Magdeburg sind diesem Regierungsbezirk Dessau angegliedert worden. Es ist vom staatlichen Standpunkt aus verständlich, wenn die Staatsverwaltung den Wunsch hat, in ihrem Verwaltungsbezirk nur mit einer kirchlichen Verwaltung zu tun zu haben. So ist denn, sowohl von der Provinzialverwaltung in Halle, wie von der Landesverwaltung in Weimar, der Wunsch an uns herangetragen, daß die Grenzen unserer Provinzialkirche entsprechend den Grenzen der staatlichen Verwaltungsbezirke geändert werden, d. h., daß der bisherige Regierungsbezirk Erfurt sich kirchlich an die Thüringer Lutherische Kirche angliedert, und daß dafür die Anhaltische Landeskirche an die Sächsische Provinzialkirche angegliedert wird. Wir haben uns bisher nicht dazu verstehen können, diesem Wunsche zu entsprechen. Alle Kirchenkreise des Regierungsbezirkes Erfurt haben erklärt, daß sie den größten Wert darauf legen, weiter mit der evangelischen Kirche der APU, zu der sie seit 1815 gehört haben, verbunden zu bleiben. Auch in der Landeskirche Anhalt besteht, soweit wir sehen, der Wunsch auf Erhaltung ihrer kirchlichen Selbständigkeit. Wir bitten daher die Landesverwaltung, dem schon 1918 bei der Loslösung von Westpreußen und Posen aus Preußen aufgestellten Grundsatz, daß Staatsgrenzen keine Kirchengrenzen sind, beizutreten und den Bestand der sächsischen Provinzialkirche in ihrem bisherigen Umfange anzuerkennen. 2. Unsere Stellung zur katholischen Kirche. In dem gemeinschaftlichen Bericht, den der Provinzialkirchenrat, die Generalsuperintendenten und das Konsistorium der Provinzialsynode des Jahres 1929 erstatteten, hieß es: „In dem Verhältnis zur katholischen Kirche ist keine Veränderung eingetreten. Es erfordert bei der großen Regsamkeit derselben zwar in unserer Provinz eine erhöhte Wachsamkeit. Irgendwelche unliebsamen Störungen aber sind nicht in die Erscheinung getreten. Auch der Katholikentag, der im September 1928 in Magdeburg stattgefunden hat, kann nach gewissenhafter Prüfung trotz mancher vorher laut gewordener Befürchtungen nicht als solche angesprochen werden. Er bedeutet zwar bei seinem glänzenden Verlauf einen Erfolg für Rom. Ebenso kann aber auch gesagt werden, daß er in der evangelischen Bevölkerung zur Stärkung des evangelischen Bewußtseins beigetragen hat.“
Wir freuen uns, über unser jetziges Verhältnis zur katholischen Kirche nicht mehr so zurückhaltend sprechen zu müssen. Die gleichen Leiden und Kämpfe zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes und die gleichen Aufgaben, vor die uns auch die jetzige Zeit stellt, haben von selbst eine Annäherung beider Kirchen zur Folge gehabt. Darüber hinaus hat in der Unasankta-Bewegung ein Gespräch zwischen führenden Menschen beider
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Konfessionen begonnen, das, wenn es sich der Grenzen seiner Möglichkeiten bewußt bleibt, für ein gegenseitiges inneres Verständnis von großem Segen werden kann. Das ist deshalb besonders bedeutsam, weil die konfessionelle Struktur unserer Provinz durch die unheilvollen Folgen des Krieges grundlegend geändert ist. Bisher konnte man unsere Provinz mit Ausnahme des Eichsfeldes als eine geschlossene evangelische Provinz ansehen. Jetzt sind überall in der Provinz erhebliche katholische Minderheiten vorhanden. Es ist uns eine selbstverständliche Pflicht christlicher, brüderlicher Gesinnung gewesen, diesen katholischen Minderheiten unsere Kirchen zu Gottesdiensten zur Verfügung zu stellen, wie umgekehrt auf dem Eichsfelde den jetzt entstandenen evangelischen Minderheiten das Gastrecht in den katholischen Kirchen gern gewährt wurde. Daß wir heute wohl zum ersten Mal in der Geschichte evangelischer Synoden Vertreter der katholischen Kirche28 zur Eröffnungssitzung begrüßen durften, ist ein Symbol dieser neuen Beziehungen. Wir bitten Gott, daß es dabei bleiben möge und daß es zwischen evangelischer und katholischer Kirche nur noch einen Kampf geben darf, nämlich den Wettkampf des Glaubens und der Liebe. 3. Unsere Stellung zur Union. In der gleichen Zeit, in der wir, wie es so eben geschehen ist, über eine erfreuliche Annäherung zwischen der evangelischen und katholischen Kirche reden dürfen, zeigt sich innerhalb der evangelischen Kirche eine starke Tendenz, das konfessionelle Sondergut wieder viel stärker herauszustellen als vorher. Die Bestrebungen auf Gründung einer Lutherischen Reichskirche und auf die Aufteilung der APU haben sich seit dem Zusammenbruch außerordentlich verstärkt. Auch in unserer Provinz hat der Evangelisch-Lutherische Provinzialverband in mehreren Eingaben und Rundbriefen, auch in einer Eingabe an die Provinzialsynode, die Aufteilung der APU in eine lutherische, reformierte und unierte Kirche gefordert. Auch wir sind der Ansicht, daß die Frage der Union die ernsteste Aufmerksamkeit erfordert. Aber wir meinen, daß die hier vorhandenen Probleme noch nicht genügend durchdacht sind. Wir meinen ferner, daß nicht eine Provinzialsynode, sondern eine Generalsynode der gesamten Kirche der APU darüber das letzte Wort zu sprechen hat. Darum haben wir uns auch in Gemeinschaft mit der reformierten Synode unserer Provinz gegen die von Brandenburg-Berlin ausgehende Absicht gewehrt, schon jetzt durch die Begründung einer reformierten Kirchenprovinz, zu der alle reformierten Gemeinden innerhalb der russischen Besatzungszone 28 Als geladene Gäste von der katholischen Kirche waren anwesend: Propst Weskamm (Magdeburg) und Propst Dr. Morsbach (Halle).
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gehören sollten, eine Lösung der Unionsfrage vorweg zu nehmen. Andererseits haben wir unseren Beitritt zu dem Beirat der evangelischen Kirche des Ostens erklärt, in dem alle mit unserem Problem zusammenhängenden Fragen besprochen und geklärt werden sollen. 4. Die Flüchtlingsfrage und das Hilfswerk der Evangelischen Kirche. Schon an einer anderen Stelle meines Berichtes habe ich daran erinnert, daß der Zustrom der Flüchtlingspfarrer aus dem Osten für die kirchliche Versorgung unserer Gemeinden eine besondere Bedeutung gehabt hat. Hier aber möchte ich doch der zu uns aus dem Osten gekommenen Flüchtlinge noch besonders gedenken. In allen unseren Gemeinden haben sie Einzug gehalten. Unsere Gemeinden haben dadurch vielfach an Seelenzahl um 50 bis 100 % zugenommen. Die Kirche hat diesen von dem Kriegsschicksal so besonders hart betroffenen Gliedern gegenüber besondere Aufgaben. Sie muß ihnen in ihre Not hinein das tröstende Gotteswort sagen. Sie muß helfen, die überall vorhandene Spannung zwischen den Alteingesessenen und den heimatlos gewordenen zu überwinden. Sie muß die wertvollen kirchlichen Kräfte der neuen Glieder einsetzen, damit sie nicht dem nivellierenden Einfluß unserer herkömmlichen Unkirchlichkeit erliegen. Sie muß aber auch, soweit es ihr möglich ist, den Flüchtlingen materiell Hilfe bringen. In diesem Zusammenhang darf ich dankbar des Hilfswerkes der Evangelischen Kirche in Deutschland gedenken29. Wir werden bei unserer Tagung Gelegenheit haben, einen kurzen Bericht über das Hilfswerk von dem Beauftragten des Hilfswerkes für die Provinz Sachsen zu hören30. Ich darf sicher sein, daß wir alle freudig zustimmen werden, daß wir den christlichen Brüdern des In- und Auslandes von Herzen dankbar sind, daß sie uns unsere leeren Hände füllen, um der seelischen und leiblichen Not unseres Volkes ein wenig abzuhelfen. Ich komme zum Schluß; ich bin mir bewußt, daß in meinem Berichte mancherlei noch hätte erwähnt werden müssen, was nicht darin steht, daß auch die von mir behandelten Angelegenheiten ausführlicher und mehr in die Tiefe gehend hätten besprochen werden müssen. Die Aussprache wird Gelegenheit bieten zu solchen Ergänzungen und Vertiefungen. Ich darf als Letztes aussprechen, daß die Vorläufige Kirchenleitung in allem ihren Tun nur von dem einen Gedanken geleitet worden ist, der ihr gestellten Aufgabe des Neuaufbaues unserer Provinzialkirche auf dem Boden der Heiligen Schrift und der kirchlichen Bekenntnisse gerecht zu 29 Zur Gründung des Hilfswerks auf der Kirchenversammlung von Treysa 1945 vgl. J. M. WISCHNATH, Kirche in Aktion. 30 Der Bericht über das Kirchliche Hilfswerk im Protokoll der Synode S. 57–62 (AKPS, C 1, Nr. 77).
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werden. Wir wissen, daß unser Tun, wie alles menschliche Tun, Stückwerk ist. Aber wir bitten den Herrn der Kirche, daß er unser Stückwerk segnen möge und aus ihm etwas werden lassen möge zum Lobe Seiner herrlichen Gnade.
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2 Bericht von Präses Ludolf Müller auf der 2. Tagung der I. Synode Halle Bartholomäuskirche, 15. April 1947 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 78, S. 8–13, hier: S. 10–13 (masch.).
Schwerpunkte: Behinderungen des Religionsunterrichts; neue Landesverfassungen; Gebetsaktionen (für die Kriegsgefangenen, Ostergebet); Entnazifizierung; Zusammenlegung des Regierungsbezirkes Erfurts mit der Thüringer Landeskirche; Eingriffe der SED in das kirchliche Leben Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Sonntagsheiligung; Trennung von Kirche und Staat].
[. . .] Sehr stark haben uns beschäftigt die Dinge, die mit der Stellung zu staatlichen Stellen zusammenhängen. Als wir das letzte Mal hier zusammen waren, hatten wir die Freude, daß Herr Präsident Prof. Dr. Hübener zu uns sprach und erklärte, daß eine völlige Trennung von Kirche und Staat eine völlige Unmöglichkeit sei1. Er hat hinzugefügt, ich kenne aus der Weltgeschichte keinen einzigen Fall, wo Staats- und Kircheninteressen sich gegenüber gestanden hätten, wenn sie sich immer wieder gewissenhaft prüfen, dann wird der Friede zwischen beiden Mächten gesichert sein. 1 MP Dr. Erhard Hübener hielt auf der ersten Tagung der Synode am 22.10.1946 eine kurze Ansprache, in der er u. a. folgendes sagte: „Ich danke für Ihre Einladung. Ich sehe in ihr den Ausdruck der Erkenntnis, daß die Neuordnung der Kirche im engsten Einvernehmen mit dem Staate durchzuführen ist. Seit Jahrzehnten wird die Forderung einer Trennung von Staat und Kirche erhoben. Ich glaube, die Erfahrungen haben bestätigt, was auch schon die Überlegung uns sagen kann, daß eine wirkliche Trennung von Kirche und Staat etwas völlig Unmögliches ist. [. . .] Wichtiger ist noch, daß Staat und Kirche von den gleichen Menschenseelen Besitz ergreifen wollen. Darum können Staat und Kirche nicht nebeneinander hergehen, als ginge einer den anderen nichts an, sondern müssen immer gemeinsam miteinander arbeiten. Ich kenne aus der Weltgeschichte keinen einzigen Fall, wo wohl verstandene Staats- und Kircheninteressen sich gegenübergestanden hätten und einen Kulturkampf notwendig gemacht hätten. Wenn Staat und Kirche sich immer gewissenhaft prüfen, so wird der Friede zwischen den beiden Mächten gesichert sein. Gott schenke uns die Einsicht, die für diese Entscheidungen erforderlich ist.“ AKPS, Rep. C 1, Nr. 77, S. 11.
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Wir haben uns über dieses Wort gefreut und wissen, daß der Herr Ministerpräsident hinter diesem Wort steht, das Verhältnis zwischen Kirche und Staat so zu hüten, wie er es ausgesprochen hat. Wir haben jedoch viele Schwierigkeiten auf diesem Gebiet erfahren müssen. Schon die Auflage, die uns in der vorigen Synode gemacht war, war ein Beweis dafür2. Es ist dann wenige Tage danach die Verordnung über den Religionsunterricht3 herausgekommen. Ich spreche darüber jetzt nicht, weil wir durch den Bericht des Katechetischen Ausschusses näheres hören werden. Wir erleben es aber, daß trotz der bestehenden Verordnung immer wieder aufs neue die größten Schwierigkeiten gemacht werden in der Durchführung des Religionsunterrichts. Nicht nur unsere Pfarrer tragen die Schuld, sondern die Unmöglichkeit, mit den vorhandenen Schwierigkeiten fertig zu werden, wenn in vielen Gemeinden unserer Provinz der Religionsunterricht noch nicht so hat aufgebaut werden können, wie es im Interesse einer geordneten christlichen Erziehung unserer Kinder notwendig wäre. Inzwischen sind die Länderverfassungen erschienen4. Wir haben von seiten der Kirche zu diesen Verfassungen vor ihrer Verabschiedung in den Landtagen keine Stellung nehmen können. Es ist alles so überraschend gekommen, so daß keine Möglichkeit bestand, unsere Wünsche vorzubringen. Wir sind dankbar, daß die Punkte der Verfassungen, die über die Religionsgesellschaften in ihnen stehen, so ausgefallen sind, daß wir einigermaßen damit zufrieden sein können. Im wesentlichen sind die Bestimmungen nachgebildet den Bestimmungen der Weimarer Verfassung von 1920 [sic! vielmehr: 11.8.1919]. Es ist allerdings bemerkenswert, daß, wenn man Vergleiche zieht darüber, was in den neuen Verfassungen nicht drinsteht, so steht weder in der Verfassung von Sachsen noch von Thüringen drin, daß das Eigentum der Religionsgesellschaften gewährleistet würde. Bedenklich ist der § 73, Absatz 2, der in der Thüringer Verfassung steht, nicht aber in unserer, „Der Mißbrauch der Kirche und Religionsausübung zu parteipolitischen Zwecken ist verboten“. Ein Paragraph, wo 2 AKPS, Rep. C 1, Nr. 77. Es handelt sich um die kurz vor der Synode 1946 eingegangene Auflage der SMA, während der ersten Versammlung der Kirchenprovinz nach dem Krieg nicht über den Religionsunterricht zu verhandeln (vgl. oben Dokument 1, Anm. 1, S. 33), was nach Bekanntgabe zu lebhaften Debatten innerhalb der Tagung führte. Eine kleine Gruppe innerhalb der Synode sah durch diese Auflage die Unabhängigkeit der Synode von außerkirchlichen Stellen als gefährdet an und verweigerte die Fortsetzung der Tagung. Mit einer Mehrheit von 72 zu 65 Stimmen stimmte die Synode für die Erklärung des Präsidiums, diese Frage bis zur nächsten Tagung zurückzustellen. Die zum Thema Religionsunterricht vorliegenden Anträge einiger Kreissynoden übertrug die Synode dem Katechetischen Ausschuss zur Beratung nach der Tagung. Vgl. dazu auch J. J. SEIDEL, Aus den Trümmern, S. 208 f. 3 Verordnung über die religiöse Unterweisung der schulpflichtigen Jugend vom 30.10.1946. In: VERORDNUNGSBLATT PROVINZ SACHSEN 2, 1946, S. 469. 4 VERFASSUNG SACHSEN-ANHALT; VERFASSUNG THÜRINGEN.
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man sich nicht etwas rechtes denken kann. Er öffnet zu allen Möglichkeiten Tür und Tor und muß als ein Weg zu einer Art Kanzelparagraph5, wie früher, angesehen werden. Wir sind dankbar, daß unsere Verfassung diesen Satz nicht hat. Auch hier handelt es sich um die Frage des Religionsunterrichts, über den besonderer Bericht erfolgen wird. Eine weitere Berührung mit obrigkeitlichen Stellen brachte uns die Gebetsaktion für die Kriegsgefangenen, die im Advent gehalten werden sollte und unmittelbar vorher durch Befehl der Sowjetischen Militär-Regierung verhindert wurde. Es wurde lediglich gestattet, daß ein Gebet gesprochen wurde, aber die Verlesung der Eingabe wurde verboten, ebenso das Aufstehen im Gottesdienst als Zustimmung. Das ist nur in Sachsen durchgeführt worden, während es in Erfurt gar nicht in Erscheinung getreten ist. Das Gleiche haben wir in den letzten Tagen erlebt mit der Frage des Ostergebetes6. Wir werden über diese Angelegenheit noch einen besonderen Antrag in der Synode bekommen. Sehr ernstlich hatten wir in den letzten Wochen zu tun mit den von staatlicher Seite an uns herangetragenen Forderungen auf eine gründliche Durchführung der Entnazifizierung7. Die Kirche sollte nach einem bereits herausgegangenen Erlaß des Reichsinnenministers unter die staatlichen Bestimmungen der Entnazifizierung gestellt werden. Die von den Oberbürgermeistern und Landräten bestellten Ausschüsse sollten auch die Geistlichen und Angestellten der Kirche nach der Direktive 248 prüfen. Durch eine Aussprache und eine sehr klare und energische Eingabe, die wir gemacht haben, ist das dann abgebogen worden. Eine Anzahl von Oberbürgermeistern und Landräten hatte bereits aus dieser Verfügung gewisse Schritte eingeleitet. Sie wurden zurückgezogen und der Kirche erklärt, daß sie diese Angelegenheit selber betreiben solle durch Ausschüsse, die von der Kirche eingesetzt werden. Wir haben in den letzten vierzehn Tagen diese Ausschüsse gebildet, für jede Propstei einen aus 6 Vertretern, von denen je einer ein Vertreter der antifaschistischen Parteien sein soll, aber auf kirchlichem Boden steht und von diesem Gesichtspunkt 5 Nach dem sog. „Kanzelparagraphen“ (§ 130a StGB) wurden Geistliche, die „Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung“ machten, mit Gefängnis oder Festungshaft bestraft. 6 Gebet für die Osterzeit. Rundschreiben der Kirchenleitung der KPS an alle Superintendenten der Landeskirche vom 21.3.1947. Abgedruckt in: J. J. SEIDEL, „Neubeginn“, S. 268 f. (Dokument 14). 7 Vgl. oben Bericht der VKL durch Präses Müller auf der 1. Tagung der I. Synode am 22.10.1946, Punkt III, 3, Dokument 1, Anm. 17, S. 41. 8 Direktive 24 vom 12.1.1946: Entfernung von Nationalsozialisten und Personen, die den Bestrebungen der Alliierten feindlich gegenüberstehen, aus den Ämtern und verantwortlichen Stellungen. In: ABL. DES KONTROLLRATS 5, 31.3.1946, S. 98–115.
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aus die Fragen behandelt. Wir haben den allergrößten Wert darauf gelegt, daß auch hier jeder einzelne Fall in seiner ganz besonderen Eigenart behandelt werden soll und alles schematische Handeln vermieden werden soll, daß diese Ausschüsse lediglich zu entscheiden haben nach ihrem an Gottes Wort gebundenen Gewissen. Wir hoffen, daß die Durchführung der Maßnahmen, die wir zu ergreifen haben, auch so sich gestalten wird, daß in jedem einzelnen Fall der kirchliche Charakter gewahrt bleibt. Erheblich haben wir mit der Landesregierung in Weimar zu tun gehabt in der Frage der etwaigen Abtrennung des Regierungsbezirkes Erfurt9. Schon zur vorigen Synode lag eine ganze Reihe von Anträgen aus diesem Bezirk vor, die sich dagegen gewehrt haben. Nun sind noch einige Eingaben dazu gekommen. Die Weimarer Regierung hat in sehr brüskem Ton erklärt, daß es für sie untragbar sei, mit zwei verschiedenen Kirchenleitungen zu tun zu haben. In mündlicher Aussprache wurde das wiederholt. Daß viel kirchliche Einsicht dahinter stand, kann man füglich nicht behaupten. Jetzt scheint man von diesem ernsten Gedanken abgekommen zu sein. Ich habe ein Schreiben der Kirchenabteilung der Weimarer Regierung vorliegen, wonach diese Frage der Zusammenlegung Erfurts mit der Thüringer Landeskirche vorläufig zurückgestellt werden soll, da zu erwarten sei, daß von der deutschen evangelischen Kirche selbst geeignete Richtlinien herausgegeben werden über die Angleichung der Kirchengrenzen an die neuen Landesgrenzen. Wir haben nicht nötig, diese Frage zu einem besonderen Gegenstand unserer Verhandlungen zu machen, sondern können sie vorläufig als erledigt ansehen. Wir sind aber dankbar dafür, daß aus sämtlichen Kirchenkreisen des Regierungsbezirkes Erfurts die Äußerungen zu uns gekommen sind, daß man bei der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union auch bleiben will. Auch in das Gebiet von Staat und Politik gehört es hinein, daß wir einmal genötigt waren, gegen den Übergriff einer Partei Protest zu erheben. Es ist uns ein Anschreiben der Propaganda-Abteilung der SED in Magdeburg zugängig gemacht worden, in der diese ihre Unterabteilungen auffordert, die Gottesdienste zu überwachen, und zwar mit dem Hinweis, daß da durchaus reale Grundlagen wären, warum das nötig wäre. Ich glaube, wir haben ein sehr feines Schreiben an diese Propagandaabteilung gerichtet, 9 Vgl. zur Sache oben die Darstellung im Bericht zur 1. Tagung der I. Synode (1946), Punkt IV, S. 47 f. Der hier behandelte Vorgang beruht auf den Regelungen des Staatskirchenrechts aus der Zeit der Weimarer Republik. Die Festlegung von Kirchengrenzen bedurfte grundsätzlich der staatlichen Zustimmung. Ludolf Müller beruft sich deshalb auf damals mögliche Ausnahmereglungen. – Zu der Grundsatzdiskussion um die Abgrenzung der Länder in Mitteldeutschland, die Bildung des Gaus Thüringen in der Zeit des Nationalsozialismus und zur Übernahme dieser Regionalgliederung bei der Neukonstituierung der Länder in der SBZ vgl. M. TULLNER, Geschichte Sachsen-Anhalt, S. 130 ff., 135 f.
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sie hat es nicht für nötig gehalten, darauf zu antworten. Wir werden uns gegen alle solche Übergriffe zu wehren haben. Wir wissen, daß staatliche und kirchliche Angelegenheiten nicht voneinander geschieden werden können, haben aber die Absicht, mit den staatlichen und politischen Stellen in Einhelligkeit zusammenzuarbeiten, soweit nicht unberechtigte Eingriffe in das kirchliche Leben eintreten. [. . .]
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3 Bericht von Bischof D. Ludolf Müller auf der 5. Tagung der I. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 12. Oktober 1948 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 81, S. 11–34, hier: S. 24–30 (masch.).
Schwerpunkte: Anweisungen der SMA; politische Entscheidungen (Bodenreform etc.); Fortgang der Selbstreinigung der Landeskirche (Entnazifizierung); Verhandlungen mit der SMA über die Internierungslager Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Zusammensetzung, Aufgaben und Arbeit der KL und des Rates der KL; Personalsituation: Neubesetzungen; Pfarrermangel; Christenlehre und Katecheten; theologischer Nachwuchs v. a. an der Theologischen Fakultät Halle].
[. . .] Ein besonderes Wort muß gerade in diesem Zusammenhang gesagt werden zur Frage der Stellung der Kirche zur Politik, zur Politik im allgemeinen, zu den Parteien, zu den Regierungen unserer Länder und zur Besatzungsmacht. Es gab im letzten Jahre ganz besonders viel Anlässe, uns mit den aus diesen Spannungen her entstehenden Verhältnissen auseinanderzusetzen, der Volkskongreß, der 18. März, das Volksbegehren. Wir haben im Laufe des Winters auch ein Wort des Reichsbruderrats zur politischen Stellung der Kirche bekommen1, das wir in der Kirchenleitung behandelt haben. Wir haben die Frage der Stellung der Kirchengemeinden zur politischen Umwelt zum Verhandlungsgegenstand auf unseren Kreissynoden gemacht. Wir haben die Grundsätze, nach denen wir in den Fragen der Stellung der Kirche zur praktischen Politik uns leiten lassen wollen, niedergelegt in einem gemeinsamen Schreiben, das die Bischöfe der Ostzone an den Marschall Sokolowski2 gerichtet haben. Ich kann nicht dieses ganze Schreiben vorlesen, lese nur die Einleitung und die Hauptgrundsätze, die wir dem Marschall gegenüber ausgesprochen haben. 1 Gemeint ist das „Wort des Bruderrates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum politischen Weg unseres Volkes“ vom 8. August 1947, das sog. „Darmstädter Wort“ (Druck u. a.: KJ 1945–1948, S. 220 ff.). 2 Schreiben der evangelischen Bischöfe der Ostzone an Marschall Sokolowski vom 11.5.1948. In: G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 100–102.
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„In den beiden letzten Jahren sind Vertreter der SMA mehrfach an unsere Kirchenleitungen und Pfarrer mit der Aufforderung herangetreten, zu politischen Maßnahmen ein unterstützendes Wort zu sagen. So z. B. bei der Bodenreform, beim Volkskongreß und jetzt wieder beim Volksbegehren. Bei den Besprechungen darüber hat sich gezeigt, daß es der Evangelischen Kirche bisher nicht gelungen ist, die Grundsätze, von denen sie sich gegenüber solchen Anregungen einer Staatsmacht leiten lassen muß, hinreichend deutlich zu machen. Da wir mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß auch in Zukunft ähnliche Aufforderungen an uns ergehen werden, halten wir es für unerläßlich, die Regel und Richtschnur, an die die Kirche gebunden ist, im Zusammenhang darzulegen. Nach evangelischer Lehre ist der einzelne Christ, und damit auch die Kirche in ihrer Gesamtheit, verpflichtet, den Anordnungen der staatlichen Obrigkeit Gehorsam zu leisten, sofern sie nicht wider Gottes Gebot sind. Verwehrt aber ist es der Kirche, sich zu einem ausführenden Organ staatlicher Politik machen zu lassen. Wenn die Kirche zu politischen Fragen das Wort nimmt, so kann ein solches Wort nur aus innerer Nötigung vom Evangelium her erwachsen. Die Freiheit der Kirche, zu Maßnahmen des Staates positiv oder negativ Stellung zu nehmen, ist ein unablösbarer Teil der Religionsfreiheit, die die Kirche vom Staat erbitten muß und die ihr in den Verfassungen der Ostzone feierlich zugesichert ist.“
Wir haben den Herrn Marschall gebeten, diese Äußerung zur Kenntnis zu nehmen und die Anweisung von ihm erbeten, daß künftighin weder von Seiten der Militärverwaltung noch von zivilen Stellen an die Kirche herangetreten wird, zu politischen Dingen das Wort zu nehmen, sondern daß es der Kirche überlassen bleibt, wann sie dazu Stellung nimmt. Das sind die Grundsätze, die für uns maßgebend gewesen sind für alle die Fragen, die im Laufe des Jahres an uns herantraten. Wir haben das Wort genommen zu dem Antrage im Landtag, den Paragraph 2183 zu beseitigen, und das Wort der Kirche ist vom Landtag und der Landesregierung wohl gehört worden. Der Ministerpräsident4 hat in seiner Rede ausdrücklich eingehend auf das Wort der Kirche Bezug genommen und es ist wohl mit diesem Wort der Kirche zu danken gewesen, daß das Land Sachsen-Anhalt das einzige Land in der Ostzone gewesen ist, das die soziale Indikation abgelehnt hat. Die Dinge, die um den Volkskongreß und Volksbegehren5 herum gingen, zwangen uns dann auch, zu dem an uns herantretenden Verlangen, positiv 3 § 218 des dt. StGB. In: STRAFGESETZBUCH. 4 Erhard Hübener. Vgl. oben Dokument 1, Anm. 10, S. 37. 5 Der II. Deutsche Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden in Berlin (Ost) am 17./18.3.1948 beschloss ein Volksbegehren für einen Volksentscheid über die Einheit Deutschlands und wählte den Deutschen Volksrat mit 400 Mitgliedern, davon 100 aus
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dafür einzutreten, Stellung zu nehmen. Wir haben eine solche Stellungnahme abgegeben6. Sie wissen, was wir den Pfarrern mitgeteilt haben. Wir waren nicht in der Lage – es ist vielfach beanstandet worden – einfach Weisung zu geben und zu sagen, ihr dürft euch nicht daran beteiligen, nicht einzeichnen. Das widerspräche evangelischer Lehre, wenn wir solche Anweisung erteilen wollten. Aber wir haben den Pfarrern so deutlich gesagt, daß es eigentlich unmißverständlich sein mußte, wie ein evangelischer Christ sich zu diesen Dingen verhalten müsse. Unsere Anweisungen sind seelsorgerlicher Natur gewesen gegenüber den Amtsbrüdern, wie gegenüber unseren Gemeindemitgliedern. Das war unsere Meinung, daß unsere Pfarrer unsere Gedanken, die wir ihnen gaben, in ihre Gemeinden weitertragen sollten. Wir haben über diese Dinge auch offene Aussprache mit den Parteien gehabt. Bei allen politischen Fragen setzen wir uns mit dem Ministerpräsidenten in Verbindung. Es liegt uns bei der wohlwollenden Stellung, die dieser der Kirche gegenüber einnimmt, daran, daß wir ihm nicht von vornherein und ohne seine Meinung zu kennen, durch unsere Maßnahmen in politischen Angelegenheiten Schwierigkeiten bereiten. Wir hören seine Stimme, aber wir halten uns unabhängig für die Entscheidung, die wir zu treffen haben. Wir haben gerade in der Frage des Volksbegehrens mit sämtlichen Parteien mündliche Besprechungen gehabt, auch mit der SMA. Sie gingen darauf, zu zeigen, daß eigentlich in einem innerlich und äußerlich unfreien Volk alle Voraussetzungen für eine wirkliche Volksentscheidung nicht vorhanden seien, und auf der anderen Seite drangen wir darauf, daß wenigstens alle diese politischen Dinge von terroristischen Maßnahmen frei bleiben sollten. Wir haben nicht erreicht, daß die Parteien einen gemeinsamen Aufruf erlassen haben, wonach eine Nichtbeteiligung am Volksbegehren von keinerlei Nachteil für den Betreffenden begleitet sein darf, aber ich glaube doch, daß die verhältnismäßig geringe Zahl krasser Beeinflussung mit darauf zurückzuführen ist, daß wir diesen Schritt bei den Parteien getan haben. Wir haben
Westdeutschland. Vgl. P. MASER, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 24; M. KÜHNE, Protokolle, S. 251 f. 6 Die KL richtete am 20.4.1948 ein Schreiben an die Provinzial-Leitungen der SED, CDU, LDP in Halle, betr.: Volksbegehren für die Einheit Deutschlands. Darin heißt es: „Wir sind von der Überzeugung durchdrungen, daß die Voraussetzungen für die Durchführung eines echten, freien Volksbegehrens z. Zt. in Deutschland noch nicht gegeben sind [. . .]. Welcher deutsche Mann oder welche deutsche Frau ist gegen die Einheit Deutschlands? In Ost und West, in Nord und Süd herrscht unter Deutschen darüber volle Einmütigkeit. Innerhalb des deutschen Volkes bedarf es um die Einheit Deutschlands keines Volksentscheides und daher auch keines Volksbegehrens. Gegen wen wird also gekämpft? [. . .] Das deutsche Volk hat keinen Anlaß, für den Westen gegen den Osten oder für den Osten gegen den Westen zu optieren [. . .].“ (AKPS, Rep. B 1, Nr. 195).
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uns angeboten, das Gespräch über die Frage Kirche und Politik weiterzuführen und zwar aufgrund der in dem Schreiben an Marschall Sokolowski aufgestellten Leitsätze. Jedenfalls kann die Kirche unserer Provinz sicher sein, daß die Kirchenleitung es nach wie vor ablehnen wird, sich zum Vorspann politischer Tendenzen und vor allem parteipolitischer Tendenzen zu machen. Eine sehr ernste Frage ist es der Kirchenleitung gewesen, wie sie sich zu der Übernahme von Objekten aus der Bodenreform7 stellen soll. Wir hatten bereits früher in Verhandlungen mit den Regierungen es durchgesetzt, daß Schloß Ilsenburg, Schloß Mansfeld und Burg Bodenstein der Kirche zur Verfügung gestellt wurden. Aber wir haben dann aufgrund neuer Gewissensanfechtungen in dieser Frage in der Kirchenleitung in zwei Sitzungen ganz eingehend über die Frage gesprochen, ob es recht sei, daß wir solche Objekte aus der Bodenreform für uns annehmen, selbst wenn die ehemaligen Besitzer eine Übernahme ihrer Schlösser durch die Kirche freudig begrüßten. Es war der Antrag gestellt, die früher uns bereits übergebenen Objekte wieder zurückzugeben und ein für allemal darauf zu verzichten, neue zu übernehmen. Dieser Antrag ist mit Stimmenmehrheit abgelehnt worden. Im Laufe der letzten Monate ist zu den schon genannten Objekten noch eins hinzugetreten, das Kloster Zella, das vom Hilfswerk zu einem Altersheim eingerichtet werden soll. Selbstverständlich war für die Kirchenleitung nach wie vor die Frage der Entnazifizierung8 eine immer aufs neue beunruhigende Angelegenheit. Im Westen ist ja der Kampf gegen die Entnazifizierungsmaßnahmen von der Kirche in aller Öffentlichkeit und Klarheit geführt worden. In der Öffentlichkeit konnten wir diesen Kampf nicht führen, aber das darf ich sagen, daß die Kirchenleitung mit allergrößter Zähigkeit allen Bestrebungen entgegengetreten ist, die darauf hinausgingen, aus politischen Gesichtspunkten hierüber Entscheidungen zu treffen. Es war ihr gestattet worden, Entnazifizierungsausschüsse zu bilden, die im Laufe des Jahres 1947 weithin ihre Arbeit getan haben. Ende 47, Anfang 48 erschien dann aufgrund des Befehls 2019 eine Anweisung, daß alle besonderen Entnazifizierungsausschüsse aufzuheben seien und daß alle, die noch vor der Entnazifizierung ständen, von den staatlichen Ausschüssen beurteilt werden müssen. Es wurde hierbei anerkannt, daß die bereits von der Kirche erledigten Fälle auch für die staatlichen Ausschüsse als erledigt gelten 7 Vgl. oben Dokument 1, Anm. 21, S. 43. 8 Vgl. oben Bericht der VKL durch Präses Müller auf der 1. Tagung der I. Synode am 22.10.1946, Punkt III, 3 (Dokument 1, S. 41 f.). 9 Vgl. oben Dokument 2, Anm. 8, S. 54. SMAD-Befehl Nr. 201 vom 16.8.1947: Richtlinien zur Anwendung der Direktiven Nr. 24 und Nr. 38 des Kontrollrats über die Entnazifizierung. In: GBL. SACHSEN-ANHALT 1, 1947, 128–132.
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sollen. Die kirchlichen Ausschüsse haben dann doch weiter gearbeitet, d. h. lediglich im kirchlichen Auftrag und nicht im staatlichen Auftrag. Es hat auch von Seiten der staatlichen Entnazifizierungsausschüsse bis unmittelbar zu der Aufhebung der Ausschüsse keine Schwierigkeiten gegeben. Aber kurz vorher sind zwei Pfarrer und ein auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt wohnender braunschweigischer Pfarrer von den staatlichen Stellen als untragbar erklärt worden. 2 Fälle sind dadurch erledigt, daß die Betreffenden pensioniert worden sind, der dritte Fall ist noch in der Schwebe10. Wir haben den Pfarrer angewiesen, in seiner Gemeinde zu bleiben und sein Amt weiter auszuüben. Er ist dieser kirchlichen Anweisung gefolgt. Voll erledigt ist die Angelegenheit noch nicht. Es ist eigenartig, daß diese Untragbarkeitserklärung einen Pfarrer trifft, der allerdings im Anfang Deutscher Christ und Parteigenosse gewesen ist, der aber seit 38 oder 39 der Bekennenden Kirche angehört hat. Auch sind wir gewillt es durchzusetzen, daß lediglich nach kirchlichen Gesichtspunkten eine Entscheidung getroffen wird. Eine neue ins politisch gehende Frage ist aufgetaucht in der Angelegenheit der Beflaggung. Kürzlich ist eine Verordnung erschienen im Amtsblatt der Landesregierung, wonach künftig alle Körperschaften öffentlichen Rechts zu flaggen haben als Hauptflagge mit schwarz-rot-gold, an den Seiten sind rechts die Provinzialflagge und links die rote Fahne aufzuziehen. Wir haben mit der Landesregierung darüber verhandelt und den Wunsch ausgesprochen, daß sie es anerkennt, daß auch hier die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts anders handelt. Wir berufen uns dabei auf eine Verordnung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland11, die allein das Flaggen mit der Kirchenfahne für statthaft erklärt. Unsere Darlegungen in dieser Angelegenheit sind verständnisvoll angehört worden, eine Entscheidung ist noch nicht getroffen. Mit der Besatzungsmacht hatten wir zu verhandeln in der Frage der Internierung12. Es ist vielfach die Frage aufgebrochen, was die Kirche in dieser brennenden Frage tue. Wir konnten darüber nicht viel in der Öffentlichkeit schreiben und sagen. Aber das eine dürfen Sie in ihre Kirchenkreise und Gemeinden mit hinausnehmen, daß diese Frage der Kirchenleitung am
10 Pfarrer Dr. Wilhelm Richter. AKPS, Rep. A, Specialia P, Nr. R 472. 11 Verordnung des Rates der EKD über die Beflaggung der kirchlichen Gebäude vom 18.11.1947. In: ABL. EKD (Berliner Stelle) 1948, S. 33. 12 Eingabe der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen an Marschall Sokolowski für die politischen Gefangenen vom 28.7.1947; Schreiben der Evangelischen Bischöfe der Sowjetischen Besatzungszone an Marschall Sokolowski zu der angekündigten Hafterleichterung für politische Gefangene vom 14.4.1948. In: G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 274 f. Zu den Internierungslagern vgl. K. W. FRICKE, Politik und Justiz in der DDR, S. 69–100.
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allertiefsten auf dem Herzen gebrannt hat. Es ist kaum eine Begegnung gewesen mit der Besatzungsmacht, bei der wir nicht auf diese Angelegenheit zu sprechen gekommen sind. Sie wissen, daß es mir zu Weihnachten gestattet war, im Internierten-Lager in Torgau zwei Gottesdienste zu halten. Das ist die einzige Verbindung gewesen und verblieben, die die Kirche mit den in langer Gefangenschaft schmachtenden Gliedern gehabt hat. Wir haben von vielen, die aus den Lagern entlassen sind, mit Dankbarkeit aussprechen gehört, wie schön das gewesen ist, daß sie ein einziges Mal mit der Außenwelt und mit der Kirche haben in Verbindung treten können. Zu Ostern wurde wieder die Genehmigung gegeben, aber wenige Tage vorher zurückgezogen. Jetzt ist die Frage wieder brennend geworden. Ich habe einen Brief von einem Amtsbruder bekommen, worin er schreibt, daß er von vielen Todesfällen gehört habe. Die Betreffenden wagen es nicht, den Angehörigen Nachricht davon zu geben, und dem Pfarrer, dem diese Dinge unter dem Beichtsiegel mitgeteilt sind, ist es auch unmöglich, den Angehörigen Nachricht zu geben. Das ist eine ungeheuerliche Belastung und immer wieder zur Sprache gebracht worden. Schon vor 1½ Jahren hat der Ministerrat die Besatzungsmacht gebeten, wenigstens die Namen der in den Lagern Verstorbenen mitzuteilen, es ist nicht geschehen und bis heute nicht geschehen. Und nun knüpft sich an diese Mitteilung so unendlich große Not. Läge die Nachricht fest, könnten die Erbschaftsangelegenheiten erledigt werden, Renten beantragt und gezahlt werden. So ist neben der seelischen Not auch die materielle Not in der Nichtmitteilung dieser Dinge verbunden. Ich will diese Woche versuchen, noch an einer anderen Stelle vorstellig zu werden. Hier ist eine Aufgabe der Kirche, die uns niemand abnehmen kann. Wir dürfen hier nicht müde werden in diesem unseren Wollen. Im Zusammenhang mit diesen Dingen steht es auch, daß wir in der Provinzialkirche Sachsen-Anhalt die einzige in der ganzen Ostzone sind, die noch kein Kirchenblatt13 hat, weder ein kirchliches Gemeindeblatt noch ein kirchliches Amtsblatt. Das ist eine ungeheure Behinderung unseres kirchlichen Aufbauwillens, darüber brauche ich kein Wort zu verlieren. Wir lassen keine Gelegenheit mit der Besatzungsmacht vorübergehen14, wo wir nicht auf diese Dinge zu sprechen kommen. Wir haben nur tausend gute Worte gehört und dann ein Achselzucken, daß es kein Papier gäbe.
13 Der erste Jahrgang des Amtsblattes der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen erschien im Jahre 1956. Zum Vergleich: Berlin-Brandenburg: 1945; Thüringen: 1948; Sachsen: 1949. 14 Die KL überreichte im März 1948 der SMAD in Berlin einen vervollständigten Antrag auf Lizenzierung des kirchlichen Amtsblattes für die Kirchenprovinz Sachsen. AKPS, Rep. B 1, Nr. 195. Darin: Schreiben der Kirchenleitung an die Oberste Sowjetische Militär-Administration für Deutschland in Berlin vom 3.3.1948.
BischofsD.LudolfMüller,10.Mai1949 BerichteundBeschlüsse
4 Bericht des Bischofs D. Ludolf Müller auf der 6. Tagung der I. Provinzialsynode Erfurt, 10. Mai 1949 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 82, S. 12–26, hier: S. 21–26 (masch.).
Schwerpunkt: Stellung der Kirche zum Staat (Versuch der Instrumentalisierung der Kirche für die politische Propaganda: Wort und Geläut zum Weltfriedenskongreß; Entnazifizierung; Eingriffe in den Religionsunterricht; volksmissionarische Arbeit) Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Konstituierung der EKD; Einheit der APU; Weiterarbeit an der Gottesdienstordnung; Pfarrstellenbesetzung, Theologiestudenten und Theologische Fakultät Halle; Gründung eines theologischen Proseminars (Planung); Kirchenzucht; Verhältnis zu den kirchlichen Werken und zur Inneren Mission]. Anlagen zum Bericht: 1. Bericht des Katechetischen Amtes. 2. Beschluss des preußischen Landesbruderrates vom 1. Mai 1937 gegen den Missbrauch des kirchlichen Geläuts.
[. . .] Aber nun das vielleicht schwerste Problem, mit dem wir zu tun hatten, und das ja schon durch alles das hindurchklang, was ich vorhin zu berichten gehabt habe. Das ist die Stellung der Kirche zum Staat. Ich habe schon das vorige Mal bei meinem Rechenschaftsbericht vor der Synode darüber eingehend gesprochen. Ich habe damals die Grundsätze klargelegt, nach denen die Kirche in ihrer Stellung zum Staate und zur Politik Räume einnimmt. Wir wissen, daß das Räume sind, die nicht voneinander zu trennen sind. Trennung von Staat und Kirche läßt sich nur auf dem Papier vollziehen, aber nicht in Wirklichkeit. Das erkennt auch jeder Staatsmann, der die Dinge sieht, wie sie sind, auch an. Ministerpräsident Dr. Hübener hat uns in der ersten Synode, die wir nach 1945 gehabt haben, das ausgesprochen, daß Kirche und Staat nicht zwei Kreise sind, die völlig voneinander getrennt sind, sondern zwei Kreise, die sich überall schneiden, sogar zwei Kreise, die sich decken, dieselben Menschen, mit denen es der Staat und die Kirche zu tun hat. Deshalb kann die Kirche in ihrer Arbeit nicht an den Dingen vorübergehen, mit denen der Staat
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zu tun hat, nicht vorübergehen an den öffentlichen Aufgaben, die aufs neue vor uns hintreten. Das habe ich in dem Brief an Marschall Sokolowski1 zum Ausdruck gebracht, daß es der Kirche frei steht, das Wort zu nehmen, aber nur zu nehmen, wenn die Nötigung vom Evangelium dazu treibt, und dann, wenn wir ein Wort sprechen, nur ein Wort sprechen können, das irgendwie vom Evangelium her seinen Inhalt hat. Sie alle wissen ja wie wir und sehen, daß man den Versuch macht, die Kirche irgendwie in staatlich abgestimmte Propaganda einzuspannen, daß, wie das früher in der Nazizeit gewesen ist, so heute noch genau so ist. Immer wieder bei jeder größeren politischen Aktion ist man an die Kirche herangetreten, daß sie irgendwie sich dazu äußert, hier an eine Kirchenbehörde, und was von den einzelnen gesagt, wurde dann in den Zeitungen als Stimme der Kirche bezeichnet. Wir haben das mehr und mehr erkannt und deshalb immer wieder die Pfarrer bittend gewarnt, daß sie davon absehen möchten, irgendwie Stellung zu politischen Äußerungen zu nehmen, weil sie verfälscht und nicht im richtigen Sinn verwandt wurden2. Das ist jetzt wieder im Laufe des letzten Halbjahres zweimal geschehen, einmal, daß man Männer der Kirche aufforderte, Unterschriften zur Bekämpfung der Atombombe zu sammeln. Wir haben davon abgeraten, weil wir auch in dieser Aktion nicht den reinen Willen zum Frieden sehen konnten, sondern weil wir in ihr ein Stück politische Propaganda sahen, einer Propaganda, gegen die man auf politischem Gebiet nichts einzuwenden hat. Diese Propaganda mag gemacht werden und nötig sein, um irgendwelche politischen Ziele durchzusetzen. Aber es geht nicht an, daß die Kirche sich in den Dienst politischer Propaganda stellt, auch wenn uns in den Zeitungen die Frage gestellt wurde, ist die Kirche gegen den Frieden? Solch’ eine Frage ist unehrlich. Das wissen die, die sie stellen, genau, daß wir für den Frieden sind. Als wir vor einem Jahr ein Wort zum Frieden sprachen in Eisenach3, da haben die Zeitungen es nicht für nötig gehalten, davon die geringste Notiz zu nehmen. Damals war die Frage des Friedens nicht die Frage einer augenblicklichen Propaganda-Aktion und deshalb uninteressant. Ganz anders jetzt. Als der Weltfriedenskongreß4 angeordnet wurde, da wurde auch wieder gefragt, 1 AKPS, Rep. B 1, Nr. 195. Darin: Entwurf [des Schreibens von Bischof D. Müller an Marschall Sokolowski. Ohne Datum], S. 1 f. 2 Die Kirchenleitung hat zu dem Thema „Äußerungen von Pfarrern in Presse und Rundfunk“ ein Rechtsgutachten anfertigen lassen. Vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3449. 3 Ludolf Müller bezieht sich hier auf das von der Kirchenversammlung in Eisenach am 13. Juli 1948 verabschiedete „Wort der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Frieden“ (KUNDGEBUNGEN EKD 1, S. 58; C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 2, S. 536 f.) 4 Der I. Weltfriedenskongreß fand vom 20.–25. April 1949 in Paris und in Prag statt. Auf diesem wurde der Weltfriedensrat als ständiges Organ (errichtet 1950) der Weltfriedens-
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ob wir nicht ein Wort dazu sprechen wollten. Ich selber bin zur SMA eingeladen worden und habe mit ihr eine lange Rücksprache5 gehabt, in der ich klar zum Ausdruck gebracht habe, daß ich als Einzelperson mich zu dieser Angelegenheit nicht äußern wolle. Da wir an unsere Pfarrer die Bitte gerichtet hätten, das nicht zu tun, so hätte auch ich kein Recht, von mir aus irgendein Wort zu sagen. Wenn jemand zum Frieden etwas zu sagen hätte, dann nur die Bischöfe des Ostens gemeinsam, und dann müsste das auch wieder ein Wort sein, das nicht irgendwie von politischen Voraussetzungen ausginge, sondern lediglich vom Evangelium zu den evangelischen Gemeinden gesprochen wird. Es ist Ihnen bekannt, daß dann tatsächlich eine Bischofskonferenz darüber zusammengetreten ist und den Beschluß gefaßt hat, ein Wort über den Frieden, nicht über den Friedenskongreß, zu sagen. Das wurde ganz ausdrücklich festgestellt, daß wir über den Kongreß etwas zu sagen nicht in der Lage seien. Wir haben nichts weiter getan, als daß wir das Wort, das die Synode 1948 in Eisenach zum Frieden6 gesprochen hat, noch einmal wiederholt haben, daß wir unsere Unterschrift darunter gesetzt haben und den Satz zugefügt, daß das der Standpunkt sei, auf dem die ganze evangelische Kirche Deutschlands stände, nicht nur ein Wort, das aus dem Osten stammt, sondern der ganzen evangelischen Kirche. Wir haben dieses Wort auch an die Öffentlichkeit gegeben. Es ist bezeichnend – mir ist es so gegangen –, daß ich nicht eine einzige Zeitung gesehen habe, die dieses Wort vollständig gebracht hat. Man hat es sehr gekürzt, vor allem das herausgelassen, das klar gemacht hätte, daß dieses Wort vom rein religiös-christlichen Standpunkt gesprochen war. Die Worte der Schrift wurden nicht gebracht. Zum Teil hat die Presse erklärt, daß sich die Kirche in die
bewegung mit Sitz in Helsinki gegründet. Der Weltfriedensrat trat mit dem Anspruch politischer Unabhängigkeit auf, war jedoch bis zum Zusammenbruch des Ostblocks 1990/91 politisch und finanziell abhängig von der Sowjetunion und ihren Verbündeten. In den einzelnen Staaten des Ostblocks bestanden nationale Organisationen, die Initiativen und Programme des Weltfriedensrates unterstützten. In der DDR bildete sich am 10.5.1949 das „Deutsche Komitee der Kämpfer für den Frieden“. Es wurde in den 1950er Jahren mehrfach umbenannt und erhielt 1963 den endgültigen Namen „Friedensrat der DDR“. Dem Friedensrat gehörten ca. 300 Personen aus allen politischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen sowie Vertreter des öffentlichen Lebens an. Das proklamierte Ziel des Rates war die Durchsetzung der friedlichen Koexistenz und die weltweite Abrüstung. Am 3.1.1990 trat das Präsidium des Friedensrates zurück. An seiner Stelle konstituierte sich am 24./25.2.1990 der „Deutsche Friedensrat e. V.“. Vgl. dazu A. HERBST/W. RANKE/J. WINKLER, So funktionierte die DDR 1, S. 321 f. 5 Die Besprechung Bischof Müllers mit dem Stadtkommandanten von Magdeburg und Kapitän Jermolajew von der SMA in Berlin fand am 22.3.1949 statt. Vgl. AKPS, Rep. B 1, Nr. 196. 6 KUNDGEBUNGEN EKD 1, S. 58.
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Propaganda hineinstelle, die gegenüber den Kriegshetzern des Westens nötig wäre. Damit war das Wort gefälscht, denn es sollte ein Wort sein, in dem wir uns nicht für Ost oder West entscheiden, nicht Partei ergreifen für Rußland oder Amerika, sondern ein Wort für das Gewissen der ganzen Welt und ein Wort, das überhaupt gegen jede Gewalttat sich richtet. Es folgte dann im Verlauf der Aktion des Weltfriedenskongresses ein zweiter Schlag, die Frage des Geläutes. Keine amtliche Stelle ist an uns wegen des Geläutes herangetreten. Das muß zunächst einmal festgehalten werden. Wenn man an einzelne Brüder in der Provinz herantrat und es schließlich auf dem Wege über diese auch an uns tat, dann geschah das immer wieder von anonymen Komitees, die wir nicht kannten, und zu diesem Zwecke besonders gebildet waren. Wir waren uns darüber klar, daß wir zu der Zumutung des Geläutes am 20.4. nein sagen mußten, und zwar haben wir das getan in Fortsetzung dessen, was schon in der Zeit des Nationalsozialismus wenigstens von seiten der Bekennenden Kirche geschehen war. Ich habe hier einen Beschluß des preußischen Landesbruderrates7, den dieser im April 1937 gefaßt hat8. So hat der preußische Bruderrat damals gesagt, und wenn uns jetzt so oft von anderer Seite der Vorwurf entgegentritt, wir hätten es früher ganz anders gemacht, Siegesläuten wäre an der Tagesordnung gewesen, dann müssen wir zugeben, daß allerdings aus der naiven Verbindung von Staat und Kirche heraus es geschehen ist und vielleicht eine Schuld der Kirche ist, daß es geschehen. Wir können uns aber jetzt darauf berufen, daß wir nicht erst jetzt diese Stellung einnehmen, sondern schon zur Zeit des Nazismus. Ich stelle weiter fest, daß es nicht das erste Mal gewesen ist, daß das Geläut von uns gefordert wurde. Es wurde zwar nicht so allgemein verlangt, aber in zahlreichen Gemeinden ist im Laufe des letzten Jahres allgemein geläutet oder das Läuten gewünscht worden, am 18.3.48 zur Hundertjahrfeier der Revolution, am 2.1.49 zum Beginn des Zweijahresplanes9. Jetzt wieder ist aus einer Gemeinde berichtet worden, daß man den Wunsch geäußert hat, daß am Vorabend des 15. Mai wieder mit den Glocken geläutet werde. Es handelt sich nicht um eine einzige Gelegenheit, sondern um einen fortgesetzten Mißbrauch der Glocken zu politischer Propaganda. Es tut uns herzlich leid, daß auch der Kirche wohlwollend gegenüberstehende Politiker uns nicht verstehen. Wir haben einen Brief des Herrn Ministerpräsidenten10 bekommen, den wir sehr ernst nehmen, aber können
7 Abgedruckt in: H. SCHMID, Wetterleuchten, S. 301. 8 Redner verliest den Beschluß [Orig. Anm.]. 9 Auf Grund des Übergangs zur Planwirtschaft hatte die Deutsche Wirtschaftskommission mit der Staatlichen Plankommission für die Jahre 1949 und 1950 zum ersten Mal einen Zweijahresplan in Kraft gesetzt. 10 Erhard Hübener. Vgl. oben Dokument 1, Anm. 10, S. 37 u. 11, S. 37 f.
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auch demgegenüber nicht von unserem grundsätzlichen Standpunkt abgehen, den ich eben skizziert habe11. Es kann wohl sein, daß wir wegen dieser Sache noch allerlei Angriffe werden über uns ergehen lassen, aber das müssen wir schon dulden. Schwerer wird es allerdings, daß hier die evangelische Kirche des Ostens nicht einheitlich gehandelt hat. Wir waren in Berlin übereingekommen, daß wir außer diesem Wort, von dem ich vorhin gesprochen habe, in der Frage des Friedenskongresses nicht das Geringste tun wollen. Da bekamen wir dann wenige Tage vor dem 20. April einen telefonischen Anruf aus Eisenach, was wir machten, worauf ich sagte, daß wir nicht gesonnen wären, zu läuten. Von Eisenach erhielt ich über das, was sie tun wollten, noch keine bestimmte Nachricht. Nach Eisenach habe ich in Dresden und Schwerin angefragt. Heute erhielt ich die Antwort, daß Eisenach, Mecklenburg und Sachsen das Läuten, verbunden mit einem kurzen Gottesdienst, angeordnet hatten. Darauf hat auch Thüringen das Geläut angeordnet. Der Grundsatz, daß die Glocken nur zum Gottesdienst läuten, ist nicht in Schwerin und Dresden gewahrt worden. Aber es hat einer bei uns in der Kirchenleitung gesagt: Sonst läuten die Glocken, damit wir beten, hier aber beten wir, damit die Glocken läuten. Das ist doch ein überaus beschämender Eindruck, der vor der Öffentlichkeit entstehen muß. Ich hoffe, daß die Erlebnisse, die wir in dieser Beziehung gemacht haben, genügen werden, damit in Zukunft solche Dinge nicht wieder sich ereignen. Aber es ist nicht nur an diesen beiden Punkten so, daß der Staat und Kirche da in Widerspruch zueinander geraten, sondern wir erleben das an einzelnen Fällen auf Schritt und Tritt. Es vergeht kein Tag in der Kirchenleitung, an dem nicht aus irgendwelchem Winkel Berichte einlaufen, was mit diesem Thema von Staat und Kirche zusammenhängt. Am schwierigsten werden die Fälle, in denen irgendwie die Besatzungsmacht mit in Frage kommt. Ich will den einen Fall12 doch behandeln. Es handelt sich um einen Amtsbruder, eigentlich den einzigen, der von der staatlichen Entnazifizierungskommission für untragbar erklärt wurde. Es ist auch noch mit einem anderen Pfarrer geschehen, aber der konnte pensioniert werden, 70 Jahre alt. Aber den einen Amtsbruder, der früher einmal Deutscher Christ und Parteigenosse gewesen war, dann zur Bekennenden Kirche übertrat und soviel ich mich erinnere, auch aus der NSDAP aus11 Die KL hat am 8.8.1949 eine Verfügung an die Pröpste, Superintendenten und Gemeindekirchenräte herausgegeben, in der Beschwerde über die staatliche Nötigung zum Glockengeläut (z. B. zum Weltfriedenskongress am 20.4.1949 in Paris) geführt wird. „Glocken läuten ausschließlich zu gottesdienstlichen Feiern oder als Ruf zum Gebet“, heißt es dort. (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 7150). 12 Pfarrer Dr. Wilhelm Richter. Dieser Fall wurde schon 1948 behandelt. Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Müller auf der 5. Tagung der I. Synode am 12.10.1948, Dokument 3, Anm. 10, S. 61.
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geschlossen wurde, den hatte die Kirche gebraucht. Die staatliche Entnazifizierungskommission erklärte ihn für untragbar und forderte von uns, daß wir ihn aus seinem Amt entlassen. Wir haben das bisher nicht getan. Erst vor 14 Tagen haben wir einen Brief bekommen. Es ist uns gesagt worden, daß man es der DWK-Berlin unterbreitet hätte, und daß diese darüber entscheiden müßte. Schwierig war der Fall dadurch noch weiter, daß dieser Amtsbruder wegen eines Vortrages, in dem er den christlichen Sozialismus und den Kommunismus verglichen hatte, ein Redeverbot von der SMA bekam. Dieses Redeverbot sollte auf 3 Monate geschehen. Es ist uns gelungen, durch Vorsprache bei der SMA die Frist auf 3 Wochen zu ermäßigen. Wir sind uns freilich bewußt gewesen, daß das grundsätzlich an der ganzen Frage nicht ändert, und wir haben der SMA darüber zum Ausdruck gebracht, daß wir uns nur deshalb bereitfinden lassen könnten, in dieses dreiwöchige Predigtverbot zu willigen, weil wir die Überzeugung hätten, daß es nicht um den Willen ginge, die Predigttätigkeit eines ev. Pfarrers zu verhindern, daß wir aber dringend die Bitte aussprechen müßten, uns in Zukunft in solchen Fällen vorher zu benachrichtigen und mit uns die Angelegenheit zu besprechen. Das ist uns zugesichert worden, und wir haben seitdem nicht wieder es erlebt, daß einem in einem Amt fest angestellten Pfarrer ein Predigtverbot gegeben wurde. Vor kurzem allerdings ist es vorgekommen, daß einem Volksmissionar ein solches Verbot erteilt wurde, worüber wir noch nicht Rücksprache nehmen konnten. Solche Fälle ereignen sich immer wieder, Eingriffe in den Religionsunterricht, Eingriffe in volksmissionarische Arbeit. Manchmal sind es Parteistellen, manchmal Regierungsstellen, manchmal Stellen der Besatzungsmacht. Ich glaube, ich darf Ihnen sagen, daß die Kirchenleitung in all diesen Fällen willens ist, die Rechte der Kirche, die durch die Verfassung der Länder und den Entwurf der Verfassung für ganz Deutschland, der vom Volkskongreß ausgearbeitet wurde, gewährleistet sind, diese Rechte der Kirche voll und ganz aufrecht zu erhalten und es nicht zu dulden, wie in vergangenen Zeiten, daß staatliche Stellen in die Arbeit und Aufgaben der Kirche so eingreifen, daß die Kirche nicht mehr fähig ist, die ihr von Gott gestellte Aufgabe zu erfüllen. Wir könnten noch viele, viele Einzelfragen, über die die Kirchenleitung in den vergangenen 6 Monaten sich unterhalten hat und an denen sie gearbeitet hat, aufzeigen. Ich glaube, daß das, was ich Ihnen gesagt habe, im Augenblick genügt. Es kann sein, daß in der Besprechung dieses oder jenes noch erwähnt werden muß, aber das möchte ich zum Schluß nun doch sagen, daß ich auch im Rückblick auf diesen vergangenen Winter dankbar bin, daß das Wort Gottes in unserer Kirchenprovinz frei und offen verkündet werden konnte. Es wurde verkündet unter viel Mühsal, viel Enttäuschung, viel Anfechtung von innen und außen, ganz gewiß. Aber ich bin gewiß, daß es nicht vergeblich verkündet ist, und das ist
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auch für eine Kirchenleitung der beste Lohn in der Arbeit, daß sie es merkt, überall im Lande gibt es Brüder und Schwestern, die sich innerlich gedrungen fühlen, das Wort vom Heil unserem heillosen Volke zu sagen.
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5 Bericht von Bischof D. Ludolf Müller auf der 7. Tagung der I. Provinzialsynode Halle Diakonissenmutterhaus, 22. November 1949 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 83, S. 36–52, hier: S. 44–46, 49 f. (masch.).
Schwerpunkte: Seelsorge in Haftanstalten und Polizeigefängnissen; Spannungen zwischen Staat und Kirche (Wahl im Mai 1949, Weltfriedenskongreß, Gründung der DDR, Inanspruchnahme der Kirche für politische Propaganda); neue Verfassung der DDR (vor allem Problem der öffentlichen kirchlichen Stellungnahme) Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Innere Mission; Gesetzentwürfe über Ehekonsens und Änderung des Ordinationsgelübdes; Verhältnis zu Sekten, Gemeinschaften etc.; Verhältnis zur Katholischen Kirche; APU; Personalsituation: Wiederbesetzung von Pfarrstellen; Christenlehre und Katecheten; Austrittsbewegung und Visitationen].
[. . .] Ich darf dazu gleich eine zweite wichtige Arbeit aus dem Gebiet der Inneren Mission erwähnen, das ist die Frage der Gefängnis-Seelsorge. Wir können mit Genugtuung feststellen, daß diese Gefängnis-Seelsorge weithin organisiert ist und durchgeführt wird. In 28 Strafanstalten unserer Kirchenprovinz findet regelmäßige Seelsorge statt. Eine Erschwerung der Arbeit tritt ein durch häufige Verlegung der Haftinsassen in andere Anstalten, Wechsel des Anstaltspersonals und Überfüllung der Zellen. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die fürsorgerliche Arbeit für entlassene Strafgefangene. Wir haben in Halle ein Heim für strafentlassene Frauen und Arbeiterkolonien in Seyda und Magdeburg. Es wird nötig sein, daß diese fürsorgerliche Arbeit dadurch die Anerkennung der Synode findet, daß ihr eine Kollekte bewilligt wird. Jedes Jahr kommen die Gefängnis-Seelsorger zu einer Tagung zusammen, die in diesem Jahr am 6. Juli in Halle stattgefunden hat. Dabei wurde festgestellt, daß allgemein der Dienst der Gefängnis-Seelsorge sich gefestigt hat. Auch die Untersuchungsgefangenen werden zu den Gottesdiensten zugelassen. Von den meisten Leitungen der Haftanstalten wird der Dienst der Gefängnis-Seelsorge freundlich begrüßt, von einigen ausneh-
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mend gefördert und unterstützt. In einem Frauengefängnis können sogar regelmäßig Bibelstunden in den Zellen gehalten werden. In zwei Gefängnissen finden neben Gottesdiensten und Einzelseelsorge Vorträge über christliche Lehrfragen statt. In einer kleinen Haftanstalt läßt der Gefängnis-Seelsorger sämtliche Haftinsassen nach einer ihm zur Verfügung gestellten Liste zu seelsorgerlichem Gespräch rufen. In den meisten Haftanstalten wird wegen Überfüllung der Zellen ein besonderer Sprechraum für die Einzelseelsorge zur Verfügung gestellt. Nur in drei Fällen wurde von besonderer Behinderung berichtet. In einer Haftanstalt wird die persönliche Seelsorge untersagt. In einem anderen größeren Gefängnis (Gommern) ist durch eine kirchenfeindliche Gefängnisleitung der Seelsorgedienst fast unmöglich geworden. Den Gefangenen werden entweder die Gottesdienste nicht bekannt gegeben oder es wird versucht, den nur noch wenigen Gottesdienstbesuchern durch Spott den Gottesdienstbesuch zu verleiden. An einem dritten Ort nimmt der russische Kreiskommandant in der Weise hindernd Einfluß, daß er sich vorbehält, nur nach ausdrücklichem Wunsch der Inhaftierten das Abhalten der Gottesdienste zu gestatten (Genthin). Daß der Seelsorgedienst in den Polizeigefängnissen nicht erlaubt ist – nur selten ist durch Fürsprache in einigen wenigen Fällen Zugang zu einzelnen Insassen der Polizeigefängnisse möglich gewesen (Halle) – wird als ein besonderer Notstand bezeichnet, weil gegenwärtig wegen der Überfüllung der Gefängnisse oft längere Haft in den Polizeigefängnissen verbüßt wird oder weil infolge der heutigen Gerichtspraxis die Aburteilung, besonders der politischen Häftlinge, lange hinausgezögert wird oder oft nie erfolgt. Nach Berichten von Haftentlassenen sollen in vielen Polizeigefängnissen geradezu katastrophale Zustände herrschen (Schmutz, Ungeziefer, dunkle Kellerräume, Überfüllung; vgl. Schreiben der Stadtmission Bitterfeld an den Herrn Ministerpräsidenten). Wir haben wegen dieser Angelegenheiten und wegen des zum Teil schlimmen Zustandes des Gefängnisse, besonders der Polizeigefängnisse einen längeren persönlichen und schriftlichen Gedankenaustausch mit der hiesigen Landesregierung gehabt1. Es ist uns zugesichert worden, daß eine Besserung in all diesen von uns beanstandeten Fällen herbeigeführt werden soll, daß auch die Zeit der Untersuchungshaft nach Möglichkeit beschränkt werden soll. Andere Bitten, die wir ausgesprochen haben, diese politischen Häftlinge mit religiösem Schrifttum zu versorgen, sind bisher mehr oder weniger unberücksichtigt geblieben. In den meisten Haftan1 Vgl. dazu auch das Schreiben der KL an den General der SMAD in Halle, betr.: Situation in Haftanstalten, Seelsorge, Meldungen von Todesfällen etc. (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 4061).
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stalten mit Ausnahme eines Polizeigefängnisses ist eine ungehinderte Schriftenmission: Verteilung von Bibeln und Bibelteilen, Verteilblättchen und Traktaten ohne Einschalten des Gefängnisbibliothekars möglich. In einigen Haftanstalten dürfen die Schriften, auch Bibeln, von dem Gefängnisseelsorger nicht persönlich an die Haftinsassen ausgehändigt werden. Es müßte erreicht werden, daß Bibeln, Bibelteile und lizenzierte Schriften von den Gefängnisseelsorgern persönlich ausgehändigt werden dürfen. Auch in Polizeihaftanstalten müßten wenigstens Bibeln und Bibelteile den Inhaftierten zur Verfügung stehen. Der Einsatz von geistlichen Hilfskräften (Vikare, Diakone, Fürsorger und Fürsorgerinnen) begegnet da, wo er bisher geschieht, keinen Schwierigkeiten. Allgemein kann festgestellt werden, daß die Haftinsassen gern und oft 100 % die Gottesdienste besuchen und in großer Zahl den Dienst persönlicher Seelsorge in Anspruch nehmen. Ich bin Herrn KR Schaper, der seit seinem Eintritt in das Konsistorium diese Dinge für die Volksmission, die Gefängnisseelsorge tatkräftig in die Hand genommen hat, außerordentlich dankbar dafür, was er gerade auf diesem Gebiet geleistet hat. Es ist unser Wunsch, daß das alles zum Segen in Bedrängnis befindlicher Volksgenossen und Gemeindeglieder weiter ausgebaut werden kann. [. . .] Ich muß etwas sagen über die Stellung zum Staat. Auch das gehört zum regelmäßigen Repertoire unserer Rechenschaftsberichte. Es muß darauf hingewiesen werden, daß das letzte Halbjahr ein Halbjahr war, das voller Spannung in dieser Beziehung gewesen ist. Freilich – das haben wir ja schon aus den Begrüßungsworten des Herrn Ministers Dr. Kunisch gehört – ist das Verhältnis zur Landesregierung in Halle immer so gut wie irgend denkbar gewesen2, und ich möchte auch an dieser Stelle meinen Dank gegenüber dem Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hübener aussprechen, wie verständnisvoll er jederzeit unseren kirchlichen Anliegen gegenüber gestanden hat und wie er, soweit es in seinen Kräften stand, diese Anliegen auch innerhalb der Regierung vertreten hat3. Dasselbe gilt gegenüber dem 2 Minister Dr. Kunisch versicherte in seinem Grußwort am 22.11.1949, „dass sich in der politischen Linie gegenüber den Kirchen nichts geändert hat“ (AKPS, Rep. C 1, Nr. 83, S. 4). Vgl. aber den weiteren Berufsweg von Dr. Kunisch (s. unten Biogramme im Anhang). 3 Ministerpräsident Dr. Erhard Hübener war zum 1. Oktober 1949 – unmittelbar vor der Gründung der DDR – von seinem Amt zurückgetreten. In der öffentlichen Rücktrittserklärung waren Altersgründe benannt (Hübener hatte das 68. Lebensjahr vollendet); im Hintergrund muss mit einer politischen Entscheidung angesichts der Konsolidierung des SED-Zentralismus in der DDR gerechnet werden. Vgl. dazu M. TULLNER/W. LÜBECK, Erhard Hübener, S. 261 ff. u. die Dokumente EBD., S. 367–376.
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Minister Dr. Kunisch, dem wir dankbar sind, daß er die kirchlichen Aufgaben, die er bis jetzt unter Leitung des Ministerpräsidenten geführt hat, nun in seine selbständige Verantwortung nehmen darf. Aber wir wollen uns dadurch nicht die Sicht versperren lassen für den ernsten Charakter der ganzen kirchlichen und politischen Spannungen, wie sie hin und wieder in Erscheinung treten. Wie gesagt, im letzten halben Jahr gab es viele solcher Spannungsmomente, die Wahlen vom 15./16. Mai4, die Weltfriedenstage – ich weiß nicht, wieviel es gewesen sind –, die Gründung der Deutsch-Demokratischen Republik, der Wechsel in der Leitung des Ministeriums hier in Halle5. Es ist doch so, glaube ich, daß wir in der Kirchenleitung gegenüber all den Dingen, die da auf uns zukommen, eine ganz feste grundsätzliche Stellung eingenommen haben, eine Stellung, die in dem von uns so manchmal schon zitierten Brief der Ostbischöfe an den Marschall Sokolowski6 zum Ausdruck gekommen ist. Das ist die Grundlage, von der wir ausgehen, daß die Kirche sich nicht hineinziehen läßt in das Gebiet der politischen Propaganda. Und zu dem Gebiet der politischen Propaganda gehört nicht bloß die Parteipolitik im engeren Sinne, sondern auch alles, was uns irgendwie engagieren will in dem Kampf zwischen Ost und West. Gerade darin muß sich die Kirche als das stärkste Band einer Einheit Deutschlands beweisen, daß wir uns in keiner Weise in diesen Kampf hineinziehen lassen und es ablehnen, irgendwie Stellung zu nehmen für den einen oder anderen auf all den Gebieten politischer Propaganda, die da vor uns abgerollt sind. Aber wir werden uns auch nicht – das haben wir in dem Brief bereits ausgesprochen –, davon abhalten lassen, zu Dingen des öffentlichen Lebens das Wort zu ergreifen, wenn es sich darum handelt, gegenüber Fragen des sittlichen und kulturellen Lebens die warnende Stimme zu erheben7. Wir können uns ja in diesem Punkt jetzt auch sehr stark berufen 4 Wahlen zum verfassunggebenden III. Deutschen Volkskongress auf Einheitslisten. Die KL der KPS nahm dazu kritisch Stellung und führte Beschwerde gegen die Inanspruchnahme von Pfarrhäusern für die Werbung und über Verhaftungen in diesem Kontext. Das Schreiben der KL an den MP des Landes Sachsen-Anhalt bei J. J. SEIDEL, „Neubeginn“, Nr. 46, 46 a, S. 325–331. 5 Vgl. oben Anm. 3. Werner Bruschke folgte E. Hübener im Amt des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt. 6 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Müller auf der 5. Tagung der I. Synode am 12.10.1948 (Dokument 3, S. 57 f.). 7 Bischof Ludolf Müller hat ein „Wort der Kirche zu den politisch-wirtschaftlichen Fragen der Gegenwart“ in der Monatszeitschrift „Die Zeichen der Zeit“ (Jg. 1949, H. 3, S. 101–104) veröffentlichen lassen. Das Wort ist im Anschluss an Verhandlungen in der Evangelischen Akademie in Wittenberg (Tagung mit Wirtschaftlern und Theologen) erarbeitet und von der KL verabschiedet worden. Darin wird die Mitverantwortung der Kirche für Recht und Gerechtigkeit in der Gesellschaft unterstrichen – aber unter der Bedingung der parteipolitischen und weltanschaulichen Neutralität gegenüber den ak-
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auf die neue Verfassung der neuen Demokratischen Republik8, in der dieses Recht der Kirche, zu den öffentlichen Fragen sittlichen Volkslebens das Wort zu ergreifen, ausdrücklich festgelegt worden ist. Von hier aus sind all’ die Verfügungen erfolgt, die wir im Laufe des letzten Jahres in politischen Fragen an unsere Amtsbrüder haben ergehen lassen, von hier aus besonders die Mahnung, gegenüber der Propaganda der Nationalen Front und unserer Hereinziehung in sie die stärkste Zurückhaltung zu üben, und uns auch zurückzuhalten, soweit wir aufgefordert werden, in Rundfunk und Presse etwas über die Dinge des öffentlichen Lebens zu sagen. Wir sind von manchen Seiten mißverstanden worden, als ob wir von seiten der Kirchenleitung unsere Pfarrer gängeln wollten oder sie in der Ausübung ihrer wichtigsten staatsbürgerlichen Rechte zurückhalten wollten9. Ein Amtsbruder hat sich auf den Abschnitt in der Verfassung berufen, in dem das Recht jedes Staatsbürgers festgelegt ist, er glaubt sich in diesem Recht bedroht. Wir glauben es unseren Pfarrern schuldig zu sein, daß wir ihnen nicht bloß einen Rat geben, den sie befolgen können oder nicht befolgen können, sondern daß wir ihnen durch eine klare Weisung zu Hilfe kommen. Das ist nicht, um sie zu gängeln, um die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken, sondern ein Tun der Liebe unseren Amtsbrüdern gegenüber, die oft völlig hilflos sind. Was für ein Schaden angerichtet wird durch Äußerungen in der Öffentlichkeit, die sofort als Äußerung der Kirche an den Tag gebracht werden, steht uns
tuellen Ideologien. Vor der Drucklegung ist dies Wort der Kirchlichen Ostkonferenz am 2.3.1949 vorgelegt worden; von dort wurden keine Bedenken gegen die Veröffentlichung erhoben. (vgl. M. KÜHNE, Protokolle S. 311 f., Text S. 315–319). In diesem Wort heißt es (Zi. 9): „Auch eine Ordnung, die des Menschen Freiheit beschränkt zugunsten der Gemeinschaft, benötigt das Recht als Grundlage aller Gesittung. Am gefährlichsten ist alle Ungerechtigkeit, die einhergeht unter dem Schein des Rechtes. [. . .] Jede große politische und gesellschaftliche Umwälzung ist mit Härten verbunden. Das mag nach menschlichem Ermessen unvermeidlich sein, entbindet uns aber nicht von der Verantwortung für solche, die sie erleiden. Auch sie bedürfen einer gesicherten Sphäre des Rechtes, einer menschlichen Behandlung und einer neuen Eingliederung in den Bestand der Gesellschaft. [. . .]“ Dies Wort, an dem vermutlich Präses Lothar Kreyssig maßgeblich mitgearbeitet hat, ist durch einen starken geistlichen Impuls und zugleich von der Abwehr gegen alle politische Instrumentalisierung der Kirche getragen. Es war mit der Kirchlichen Ostkonferenz am 2.3.1949 abgestimmt worden; Sonderdrucke wurden an die Pfarrer verteilt (vgl. dazu AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3606; Text jetzt auch in J. SEIDEL, „Neubeginn“, Dok. 35, S. 306–310). 8 VERFASSUNG DER DDR [1952], Art. 41. Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIa, S. 583. 9 Das intensive Bemühen von Staat und Partei, durch kirchliche Äußerungen in der eigenen politischen Linie bestätigt zu werden, führte zu wiederholten Versuchen, Stellungnahmen von Pfarrern in der Presse zu veröffentlichen. Damit hat sich die Kirchenleitung ausführlich beschäftigt. OKR Dr. Hemprich hat 1949/50 ein Rechtsgutachten über Äußerungen von Pfarrern in Presse und Rundfunk erstellt. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3449.
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allen noch deutlich vor Augen. Allerdings gebe ich zu, müssen wir uns warnen, zu allen Dingen des öffentlichen Lebens in eine abwehrende Stellung uns hineinmanövrieren zu lassen. Wir sollen in weiter Offenheit für die Fragen des deutschen Menschen und alle Bemühungen, aus diesen Fragen und Nöten herauszufinden, ein offenes Ohr und Auge haben. [. . .]
BischofD.LudolfMüller,30.Juni1950 BerichteundBeschlüsse
6 Bericht von Bischof D. Ludolf Müller auf der 8. Tagung der I. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 30. Juni 1950 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 27, Anlage 14, S. 1–6 (masch.).
Schwerpunkte: Versuche des Staates, die Pfarrerschaft zu teilen („fortschrittliche Pfarrer“); Repressalien vor allem in der Bildungspolitik Bericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Barmer Theologische Erklärung und deren aktueller Bezug; Kanzelabkündigung vom 31.3.1950; Evangelische Kindergärten; Friedensfrage]. Anlagen zum Bericht: 1. Auszüge aus der Barmer Theologischen Erklärung. 2. Abschrift des Schreibens der evangelischen Bischöfe der SBZ an Marschall Sokolowski vom 11.5.1948 zum Verhältnis Kirche und Staat. 3. Abschrift der Rundverfügung „Stellungnahme kirchlicher Amtsträger zur Nationalen Front“ vom 28.6.1949. 4. Abschrift der Rundverfügung „Äußerungen von Pfarrern in Presse und Rundfunk“ vom 20.8.1949. 5. Kanzelabkündigung vom 31.3.1950 (vgl. dazu unten Anhang, Anlage Nr. I, S. 580–582). 6. Abschrift der durch den Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts am 22.4.1950 übersandten Mitteilung der Regierung der DDR an Bischof Müller. 7. Abschrift der Presseschau vom 19.6.1950 zur Erklärung des Ministerpräsidenten Grotewohl zu den staatsbürgerlichen Rechten der Geistlichen. 8. Abschrift eines Artikels der „Täglichen Rundschau“ vom 15.5.1950: „Die Rolle der Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik“. 9. Abschrift des Artikels von Walter Rücker: „Die Kirche in der Verantwortung“. 10. Auszug aus: DER NEUE WEG 5, 1950, S. 35 (3.5.1950) „Der Christ in die Nationale Front! Der politische Ausschuss der Christlich Demokratischen Union zu den Kanzelabkündigungen.“ und eine Abschrift eines Schreibens der CDU an den Kreisverband Wernigerode vom 12. Mai 1950 über die Erklärung des politischen Ausschusses der CDU.
Liebe Synodale! Es könnte so scheinen, als ob die bisherigen 5 Tage der Synode wieder einmal den Beweis erbracht hätten, wie recht die Welt mit ihrem Urteil über die Kirche hat, nämlich daß die Kirche sich mit allerlei Dingen beschäftige, für die kein Mensch sonst das geringste Interesse hat oder auch nur ein leises Verständnis aufbringen kann. Wir haben uns 5 Tage mit unserer Grundordnung beschäftigt. Wir haben von alten Bekenntnissen, der Confessio Augustana und der Konkordienformel, geredet. Wir haben uns die Köpfe heiß
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geredet über die Frage, was die Barmer theologische Erklärung zu bedeuten hat. Und dabei brennt es. In jeder Zeitung, auch in denen, die sonst so taten, als ob es keine Kirche gebe, steht an jedem Tage etwas über die Kirche, über die Pfarrer, so dass man fast annehmen müsste, als sei das Urteil der Kirche über alle Fragen des öffentlichen Lebens von größter Bedeutung. Aber wenn man genauer zusieht, dann merkt man etwas anderes. Dann kommt die Frage: Geht es denn auf einen neuen Kirchenkampf zu?, und dann die andere: Weiß denn die Kirche in dieser Lage nichts anderes zu tun, als über die Artikel ihrer Neuordnung und über alte Bekenntnisse zu sprechen? Doch hier müssen wir schon eine Einwendung machen. Handelt es sich hier wirklich um Angelegenheiten und Dinge, die mit der heutigen Lage der Kirche, ihren heutigen Nöten und Anfechtungen nichts zu tun haben? Wir nehmen die Barmer theologische Erklärung zur Hand. Es wurde schon gestern darauf hingewiesen, dass in der Diskussion über diese Erklärung es meist nur um den Artikel 1 ginge. Aber es stehen in ihr noch andere Sätze1. Diese Sätze sind für die Bekennende Kirche im Laufe des Kirchenkampfes für ihr Verhältnis zum Dritten Reich maßgebend gewesen. Sie sind heute aufs neue aktuell geworden. Im Wesentlichen auf diesen Sätzen beruhte das Schreiben, das die evangelischen Bischöfe des Ostens am 11. Mai 1948 an den Marschall Sokolowski2 gerichtet haben. Ich habe es in seinen Hauptpunkten schon in einer früheren Synode in meinem Tätigkeitsbericht genannt. Ich muß es heute wiederholen3. Von den hier ausgesprochenen Grundsätzen hat sich auch die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen in ihrem Verhältnis zum Staat jederzeit leiten lassen. Wir haben die ständigen Versuche, die sich im Laufe des letzten Jahres immer mehr gesteigert haben, die Kirche zum Vorspann politischer Propaganda zu machen, abgewiesen und haben auch unsere Pfarrer darauf hingewiesen, daß sie bei allen Versuchen, sie in das politische und parteipolitische Leben einzugliedern, die größte Zurückhaltung beobachten sollten. Wir haben das besonders getan seit der Aufrichtung der Nationalen Front4 im Mai 19495. 1 An dieser Stelle wurden die Thesen 2, 5 und 6 der Barmer Theologischen Erklärung (1934) verlesen. Abgedruckt in: KJ 60–71, 1933–1944, S. 63–65; u. ö. 2 Vgl. oben Dokument 3, Anm. 2, S. 57. 3 Anlage 2 [Orig. Anm.]. Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 27. Abgedruckt in: G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 100–102. 4 Aus der Volkskongressbewegung für Einheit und gerechten Frieden entwickelte sich die Nationale Front des demokratischen Deutschland (später: NF der DDR). Sie umschloss die fünf politischen Parteien und die Massenorganisationen, stellte formal die Einheitslisten für die Wahlen und die Volksvertretung auf und war territorial bis in die Kreise und Orte organisiert. Ein Element ihrer Arbeit bildeten die Arbeitsgruppen „christliche Kreise“. Zur Gründung der Nationalen Front 1949 vgl. J. J. SEIDEL, „Neubeginn“, S. 55–58; M. G. GOERNER, Kirche als Problem der SED, S. 187 ff. 5 Anlage 3 und 4 [Orig. Anm.]. Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 27.
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Diese Verfügungen der Kirchenleitung sind auch von manchem unserer Pfarrer nicht richtig verstanden. Sie sollten einen Schutz unserer Pfarrer bedeuten, die oft von sich aus die Lage der Dinge nicht durchschauen konnten und darum dem Drängen örtlicher politischer Stellen auf Äußerung zu den jeweiligen politischen Parolen nicht widerstehen konnten. Sie sollten aber keineswegs bedeuten, daß jede Äußerung eines Pfarrers disziplinarisch geahndet wird und noch weniger, daß die Kirche sich jeder politischen Stellungnahme enthalten sollte. Die Kirchenleitung hat es als ihre Aufgabe und Pflicht angesehen, auch zu politischen Fragen das Wort zu nehmen. So haben die Bischöfe im April 1949 unter Wiederholung des Friedenswortes von Eisenach zur Frage des Friedens Stellung genommen. Unsere Kirchenleitung hat häufig in langen Verhandlungen mit den führenden staatlichen und Parteistellen die politische Lage und die Stellung der Kirche zu allerlei Einzelfragen besprochen. Dabei ist es ihr nicht so sehr um die Beseitigung einiger kirchlicher Beschwerden gegangen, als vielmehr um die Nöte und inneren Bedrängnisse unserer Gemeindeglieder, und von hier aus ist nun auch das zu verstehen, was in den letzten Monaten die gefährliche Spannung, in der wir heute stehen, hervorgerufen hat. Sie wissen, dass ich alles das meine, was die Kanzelabkündigung vom 23. April ds. Js. herum angeht6. Ich will Ihnen die Kanzelabkündigung nicht noch einmal wiederholen. Ich will nur aus ihrer Einleitung noch einmal das sagen, was uns zu ihr veranlasst hat. Von dem Tage an, an dem der Regierung und der Öffentlichkeit die Absicht zu dieser Kanzelabkündigung bekannt geworden war, hat ein planmäßiger Feldzug in der Öffentlichkeit eingesetzt. 1. Die Verhandlung im Ministerium des Innern der DDR am Gründonnerstag (Vorwurf, dass wir gegen die Verfassung, gegen den Staat, gegen die Besatzungsmacht uns vergangen hätten) 2. Erklärung der Regierung der DDR vom 22. April 19507 3. Vorwürfe gegen die Kirchenleitung bei der Aussprache der Kirchenleitung und ihrer Auftraggeber mit der Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten Grotewohl 6 Anlage 5 [Orig. Anm.]. Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 27. Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. I, S. 580–582. 7 Anlage 6 [Orig. Anm.]. Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 27. In der Regierungserklärung über die für den 23.4. vorgesehene und am 31.3. formulierte Kanzelabkündigung (vgl. oben Anm. 6) wird jene als „Mißbrauch religiöser Handlungen“ bezeichnet, weil sie einen „verfassungswidrigen Angriff auf die Deutsche Demokratische Republik und die Regierung darstellt. Sie betrachtet diesen als besonders illoyal, weil er während der Verhandlungen zwischen Regierung und Kirche [. . .] erfolgt“.
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4. Bei der Erklärung des Ministerpräsidenten Grotewohl über den Schutz der Staatsbürgerrechte der Geistlichen durch den Staat8 Immer wieder sind es die gleichen Vorwürfe gegen die Kirchenleitung. Sie habe mit der Kanzelabkündigung die ihr gegebenen Rechte überschritten. Sie habe die Verfassung verletzt. Sie unterdrücke die Freiheit der politischen Meinungsäußerung und treibe selbst Terror. Niemals sei in der Deutschen Demokratischen Republik jemand zu etwas genötigt, was ihm gewissensmäßig nicht möglich gewesen sei. Niemals seien Menschen um ihrer politischen Überzeugung willen aus ihrem Amte entfernt. Die Kirche lasse sich zum Werkzeug schmutziger Machenschaften westlicher Politik gebrauchen. Auch die Parteien stoßen in dasselbe Horn. Ich erinnere an den Abschnitt „Die Rolle der Kirche in der DDR“ – in der Vorlage zum kommenden Parteitag der SED9. Ich erinnere weiter an gewisse Kundgebungen der CDU: a) der Artikel des Vizepräsidenten des Thüringer Landtages Walter Rücker „Die Kirche in der Verantwortung“10 b) Erklärung des politischen Ausschusses der CDU zu den Kanzelabkündigungen11 Es bleibt aber nicht bei den Erklärungen, sondern wir hören auch, dass von Regierungsseite im Sinne der von der SED veröffentlichten Erklärung die Versuche gemacht werden, die fortschrittlichen Pfarrer gegen die reaktionären Kirchenleitungen zu sammeln. Wir wissen von Besuchen von Ministern und anderen hohen Regierungsbeamten bei Pfarrern unserer Kirchenprovinz, in denen die Frage eines Zusammenschlusses gegen die Kirchenleitungen sondiert wurde. Wir hören von Zusammenkünften von Pfarrern der VVN in Wittenberg oder von sächsischen Pfarrern in Dresden, die vielleicht nicht nach dem Willen ihrer Besucher, aber sicher nach dem Willen der dahinterstehenden Kräfte die Pfarrerschaft spalten sollen. Das würde den Kirchenkampf bedeuten. Die Kirchenleitung stellt gegenüber allen ihr gemachten Vorwürfen fest: 1) Sie hat niemals einen unzulässigen verfassungswidrigen Druck auf die Pfarrer und die sonstigen ihr unterstellten Amtsträger ausgeübt, auch gegen ihr Gewissen Kundgebungen der Kirchenleitung zu verlesen. 8 Anlage 7 [Orig. Anm.]. Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 27. 9 Anlage 8 [Orig. Anm.]. Text: EBD. 10 Anlage 9 [Orig. Anm.]. Text: EBD. Darin wird vor der „Gefahr“ der Kirche gewarnt, „wenn sich ihre verantwortlichen Männer zu Werkzeugen der amerikanischen Kriegspolitik machen“. 11 Anlage 10 [Orig. Anm.]. Text: EBD. Darin wird die Kanzelabkündigung (vgl. oben Anm. 6) als „fälschliche Charakteristik der Nationalen Front“, die „genau der Unterstellung der westlichen Propaganda entspricht“, zurückgewiesen.
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2) Sie hat keinen einzigen Pfarrer, der die Kundgebung nicht verlesen hat, gemaßregelt. 3) Die Behauptung der SED, als seien die heutigen Kirchenführer gleichen, die Hitlers Fahnen und Waffen gesegnet hätten, ist eine wusste Unwahrheit. Fast alle jetzigen Kirchenführer haben während Kirchenkampfes in schwerer Bedrängnis, Verbannung, Gefängnis, standen.
die bedes ge-
4) Die Kanzelabkündigung widerspricht nicht der Verfassung, vielmehr wird in Art. 41 der Verfassung ausdrücklich erklärt, dass das Recht der Religionsgemeinschaften zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten bleibt. 5) Gegenüber der immer wieder gemachten Feststellung, dass auf die Menschen der Deutschen Demokratischen Republik keinerlei Druck ausgeübt werde, muss unsererseits festgestellt werden, dass alle von uns vorgebrachten Beweise unwiderlegt geblieben sind, und dass daher auch so gut wie alle von uns aufgestellten Forderungen auf Rückgängigmachung von Maßnahmen unerledigt geblieben sind. Wir haben in der Unterredung vom 28. April d. J. mit der Regierung der DDR darauf hingewiesen, dass zwei Dozenten der Theologischen Fakultät der Universität Halle der Lehrauftrag entzogen ist12, weil sie sich auf einem Generalkonvent der Universität Halle bei der Abstimmung über die Gründung eines Ausschusses der Nationalen Front ablehnend verhielten. In der Unterredung vom 28. April konnte Volksbildungsminister Wandel diesen Fall nicht bestreiten. Er sagte damals, dass aller Voraussicht nach beiden Dozenten der Lehrauftrag wiedererteilt werden würde. Das ist heute, 2 Monate später, noch nicht geschehen. Am 15. Mai hat die Kirchenleitung im Nachgang zu der Besprechung vom 28. April d. J. eine Eingabe an das Volksbildungsministerium der DDR gemacht, in der auf die im Lande Sachsen-Anhalt erfolgten Entlassungen von Lehrern und zahlreichen Schülern der Oberschulen hingewiesen wurde. Bei den inzwischen vollzogenen Abiturientenprüfungen hat sich an den Oberschulen des Landes Sachsen-Anhalt dasselbe Bild wiederholt, dass zahlreiche Schüler und Schülerinnen das Abitur wegen mangelnder politischer Reife nicht erhalten haben. Wir haben auf unsere Eingabe keinerlei Antwort bekommen. Dabei sei festgestellt, dass wohl ähnliche Dinge auch in anderen Ländern der DDR vorgekommen sind, aber nur im Lande Sachsen-Anhalt in dieser rigorosen Weise vorgegangen wurde. Wir haben das besondere Recht, uns dieser Dinge anzunehmen, weil es sich bei diesen Entlassungen oder von der Prüfung zurückgestellten Schülern zu 12 Paul Gabriel u. Ernst Kähler. Vorgang geschildert in: F. STENGEL, Die Theologischen Fakultäten in der DDR, S. 37–39.
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einem nicht geringen Teil um Glieder der jungen Gemeinde handelt. Wir haben auf unsere Eingabe vom 15. Mai keinerlei Antwort bekommen. Am gleichen 15. Mai haben wir eine Eingabe an das Ministerium des Innern der DDR gerichtet, in der wir dieses auf das vom hiesigen Volksbildungsministerium ausgesprochene Verbot des Tragens des Bekenntniszeichens der evangelischen Jugend13 in den Schulen hingewiesen haben. Auch hier muss festgestellt werden, dass ein solches Verbot nur im Lande Sachsen-Anhalt erfolgt ist. Wir haben bisher keinerlei Antwort auf unsere Antwort erhalten. In keinem anderen Lande der DDR wird der Kampf gegen die evangelischen Kindergärten so konsequent geführt wie im Lande Sachsen-Anhalt14. Nachdem bereits seit langem jede religiöse Beeinflussung der Kinder durch den Herrn Minister für Volksbildung untersagt war – sie darf nur nach Beendigung der eigentlichen Kindergartenzeit erfolgen, und zwar auch nur für die Kinder, die dazu ausdrücklich von ihren Eltern eine besondere Genehmigung erhalten haben – ist jetzt ein Generalangriff auf die Kindergärten erfolgt. Am 7. Juni sind sämtliche evangelischen Kindergärten im Lande Sachsen-Anhalt einer Kontrolle unterzogen [worden]. Bei allen sind erhebliche Mängel festgestellt. Sie sind zu stark besucht. Es dürften nur 25 Kinder in einem Kindergarten sein. Das Kinderspielzeug und der Wandschmuck seien zu wenig fortschrittlich usw. Es sind im einzelnen verschiedene Termine gestellt zur Abstellung der Mängel, aber schließlich laufen alle Bescheide auf dasselbe hinaus: Bis zu einem bestimmten Termin, in der Regel bis zum 15. Juli, ist zu melden, daß die Mängel abgestellt sind, widrigenfalls eine sofortige Schließung der Kindergärten zu erfolgen habe. Eine Besprechung darüber mit dem Herrn
13 Das Kreuz auf der Weltkugel war das Bekenntniszeichen der evangelischen Jugend seit 1946; die Jugendkammer der EKD hatte am 28.1.1947 in Bethel nähere Bestimmungen zur Verleihung des Bekenntniszeichens erlassen. Vgl. dazu F. DORGERLOH, Junge Gemeinde, S. 51 ff. mit den Belegen. 14 Die Lage der evangelischen Kindergärten in der SBZ ist bereits am 17.7.1947 Gegenstand der Beratungen der Kirchlichen Ostkonferenz gewesen (M. KÜHNE, Protokolle, S. 186 f.). Erneut wurde darüber am 2.3.1949 berichtet (EBD., S. 306 f.). In einem Erlass des Ministeriums für Volksbildung in Sachsen-Anhalt vom 19.1.1950 (A.Z. 50/51) an die Schulämter, betr. Religiöse Beeinflussung in Kindergärten, wird auch den Kindergärten mit kirchlicher Trägerschaft eine religiöse Unterweisung untersagt, da auch der vorschulische Unterricht Angelegenheit des Staates ist. Religionsunterricht im Kindergarten ist daher „aus pädagogischen Gründen unzulässig“. Laut Erlass des Bildungsministeriums ist es bei Wunsch der Eltern nach religiöser Unterweisung „den Religionsgemeinschaften unbenommen, in Kindergottesdiensten und ähnlichen Einrichtungen die entsprechenden Gelegenheiten dafür zu schaffen.“ In: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 6988.
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Ministerpräsidenten ist für morgen in Aussicht genommen. Wir hatten diese Besprechung für einen früheren Tag erbeten. Ich möchte aber auch hier noch einmal ausdrücklich feststellen, dass alle diese Dinge ja nur im Lande Sachsen-Anhalt vorkommen und dass sie im Falle der Kindergärten ausdrücklich den vom Ministerium des Innern der DDR gegebenen Richtlinien widersprechen. Allen, die sich gegenüber der Aufforderung zum Beitritt zur Nationalen Front zurückhaltend verhalten, wird der Vorwurf gemacht, dass sie gegen den Frieden und für den Krieg seien. Ich stelle dem gegenüber fest, dass die ganze evangelische Kirche Deutschlands sich auf der Synode in Eisenach bereits für den Frieden eingesetzt hat. Dass die Bischöfe des Ostens zum 20. April 1949 die Friedenserklärung von Eisenach15 sich zu eigen gemacht haben. Dass die Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands in ihrer Synode in Berlin-Weißensee im April 1950 die Frage behandelt hat, was kann die Kirche für den Frieden tun16? und sich in einmütiger Erklärung für den Frieden eingesetzt hat. Dass diese Erklärung von allen Kanzeln der Evangelischen Kirche in Deutschland am Rogate-Sonntag den Gemeinden verkündigt ist. Ich stelle aber auch fest, dass die SEDPresse zwar jedes Wort, das irgendwo ein Pfarrer zum Frieden spricht, in ihren Zeitungen veröffentlicht, und wenn es inhaltlich noch so bescheiden ist, auch das Bild des Pfarrers dabei veröffentlicht, aber was die ganze Evangelische Kirche zum Frieden sagt, mit keinem Wort erwähnt, geschweige denn in voller Ausführlichkeit ihren Lesern zur Kenntnis bringt. Ich stelle weiter fest, dass ein Plakat, auf dem nichts anderes stand, als die Kundgebung der Synode zum Frieden, von der Kriminalpolizei in Magdeburg im Konsistorium beschlagnahmt worden ist. Die in Aussicht gestellte Wiederfreigabe ist nicht erfolgt. Gibt es einen klareren Beweis dafür, dass es der öffentlichen Propaganda gar nicht um ein Wort der Kirche über den Frieden zu tun ist, sondern nur darum, zahlreiche Pfarrer von hierher zu tätiger Mitarbeit in der Nationalen Front zu gewinnen und sie möglicherweise als fortschrittliche Pfarrer gegen ihre Kirchenleitung zu sammeln? Ich fasse zusammen: Die Lage zwischen Kirche und Staat ist im Lande Sachsen-Anhalt so ernst wie noch niemals seit 1945. Wieder erfolgen, wie im Jahre 1933, verleumderische Angriffe gegen die Kirche, gegen die, die sich nicht wehren kann, weil ihr – einer Kirche von 3½ Millionen Angehörigen – bis heute jedes 15 Vgl. oben Dokument 4, Anm. 6, S. 65. 16 Botschaft der Synode der EKD: Was kann die Kirche für den Frieden tun? Vom 27.4.1950. In: BERLIN-WEISSENSEE 1950, S. 358 ff.; ABL. EKD (Hannover) 1950, S. 101–103; KUNDGEBUNGEN EKD 1, S. 94–97.
Bischof D. Ludolf Müller, 30. Juni 1950
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kirchliche Organ17 versagt ist. Auch hierin muß die Einzigartigkeit der kirchlichen Lage im Lande Sachsen-Anhalt gegenüber allen anderen Ländern der DDR festgestellt werden. Wieder versuchen staatliche und andere politische Stellen, in der Kirche selbst eine Bewegung gegen die kirchliche Leitung zu entfachen. Wieder hindert man die Kirche in vielen Dingen an der Durchführung der ihr durch ihren besonderen Auftrag gegebenen Aufgaben. Wieder werden, um die Worte der Kanzelabkündigung aufzunehmen, unter ausgesprochenen oder unausgesprochenen Drohungen, die bis an die Existenz gehen, Menschen genötigt, gegen ihr Gewissen zu handeln und wieder wird weithin der christliche Glaube verächtlich gemacht. Wir sind bisher im Wissen um das, was wir der Obrigkeit nach Röm. 13 schuldig sind, den Weg der Mahnung und Warnung gegangen. Wir sind immer zu Verhandlungen und Aussprachen über die in Frage stehenden Dinge bereit gewesen und sind bereit, das auch weiterhin zu tun. Aber auch das hat seine Grenzen. Wenn wir schon weithin feststellen müssen, dass wir zwar gehört werden, aber dass nur ganz selten eine unserer Beschwerden abgestellt wird, dann sind wir gezwungen, unser Wort wie am 23. April auch weiter in der uns zugänglichen Öffentlichkeit zu erheben. Wir sind uns bewusst, dass wir keinerlei irdische Macht hinter uns haben und dass ein Kampf, in den wir hineingezogen werden, für uns, unsere Gemeinden, die kirchlichen Amtsträger, viel Leid und Bedrängnis bringen kann. Wir wissen nicht, ob wir überhaupt für absehbare Zeit Gelegenheit haben, in diesem Kampf irgendeinen Erfolg zu haben. Aber eins ist, was uns froh macht. Wir kämpfen nicht für uns selber, sondern wissen, dass der Herr Jesus Christus bei uns ist, und dass wir oft genug in aller Schwachheit und Armseligkeit und Sündhaftigkeit seine Sache führen und um die Ehre des Namens unseres Gottes kämpfen. „Er ist bei uns wohl auf dem Plan mit . . .“. Noch eins macht uns froh. Das ist dies, dass wir uns bei allem, was uns heute befohlen sein wird, auch dessen trösten dürfen, dass wir damit für unser armes gequältes Volk eintreten, dass wir auch für alle die eintreten, die jetzt vielleicht unsere Gegner und Feinde sind. Wir wissen, und deshalb müssen wir unseren Weg so gehen, dass in Jesus Christus das Heil aller Menschen beschlossen liegt, dass in Jesus Christus allein der Friede für unser armes gequältes Volk gegeben ist. Und darum sind wir froh, wenn der Herr uns würdig hält, in Kampf und Leid zu führen. Und noch ein Drittes macht uns froh. Das ist dies, dass wir, so sehr wir von unserer Schwachheit wissen, doch eine ganz große Zuversicht zu den Menschen unserer Kirche haben, zu unseren Gemeinden, zu dem kleinen
17 Der Bischof wiederholt hier die Beschwerde, die bereits 1948 vorgetragen wurde. Vgl. oben Dokument 3, Anm. 13 u. 14, S. 62.
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Häuflein derer, die wissen, was es um das Evangelium ist, und zu unseren Pfarrern. Liebe Brüder! Wir wollen uns durch einige Dinge, die uns vielleicht schwer sich auf die Seele legen möchten, dass nicht etwa die gesamte Ev. Kirche in dieser Haltung einig geht, dass einige sich immer wieder finden, die abseits stehen, wir wollen uns dadurch nicht irre machen lassen. Ich glaube, unsere Pfarrerschaft hat die Jahre 1933 bis 45 nicht umsonst erlebt. Helfen Sie mit, meine lieben Brüder im Amt, und besonders auch Sie, die Laienmitglieder der Synode, dass die Schwachen gestärkt werden. Stehen Sie hinter dem, was jetzt die Kirche durchzumachen und durchzufechten hat, mit Ihrem Gebet, und lassen Sie uns getrost den Weg gehen, den der Herr der Kirche uns führt.
PropstOskarZuckschwerdt,29.Mai1951 BerichteundBeschlüsse
7 Bericht von Propst Oskar Zuckschwerdt auf der 9. Tagung der I. Synode Quedlinburg Stiftskirche, 29. Mai 1951 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 84, S. 90–113, hier: S. 100–105 (masch.).
Schwerpunkte: Versuche des Staates, „fortschrittliche Pfarrer“ für seine Ziele (Nationale Front, Weltfriedensbewegung etc.) einzusetzen; Einschränkungen kirchlicher Arbeit Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Grundordnung und Wahlgesetz; Kirchliches Bauamt und Bauvorhaben; Personalsituation: Besetzung von Pfarrstellen; Predigerseminar Wittenberg; Disziplinarverfahren gegen Pfarrer der KPS; Verhältnis zur Katholischen Kirche; Christenlehre und Katecheten; Innere Mission].
[. . .] In die Gefahrenzone der Gegenwart führt die Erörterung des Verhältnisses von Kirche und Staat. Ich möchte die verehrten Synodalen bitten, gerade bei der Besprechung dieser Fragen die Weisheit und Gründlichkeit anzuwenden, um die wir uns jedenfalls in der Kirchenleitung allezeit rechtschaffene Mühe gegeben haben. Der Herr Bischof hat auf der 8. Tagung der Provinzialsynode in seinem Rechenschaftsbericht ausführlich und grundsätzlich über die Stellung von Staat und Kirche in unserer Kirchenprovinz gesprochen. Daher war es sein Wille, daß diese Frage in dem heute zu erstattenden Rechenschaftsbericht der Kirchenleitung nur kurz behandelt werden sollte. Schon damals begann sich die Entwicklung abzuzeichnen, die seitdem planmäßig weiterverfolgt worden ist, nämlich der Versuch des Staates, die sogenannten „fortschrittlichen Pfarrer“ zu sammeln und durch die Organe der Nationalen Front und der Weltfriedensbewegung für seine Ziele einzuspannen. Das Protokoll jener Pfarrerversammlung in Dresden vom 27.6.1950, zu der der Landesausschuß Sachsen der Nationalen Front eingeladen hatte und auf die der Herr Bischof damals hinwies, ist inzwischen gedruckt erschienen. Im September folgte eine entsprechende Versammlung für das Land Sachsen-Anhalt in Halle, zu der das Landesfriedenskomitee nach einer von ihm getroffenen Auswahl
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etwa 100 Pfarrer der ev. und kath. Kirche aus der Kirchenprovinz Sachsen und der anhaltinischen Landeskirche eingeladen hatte. Diese Versammlungen, die in ähnlicher Form in der ganzen DDR abgehalten worden sind, haben keinen wesentlichen Erfolg erzielt. Die Teilnehmerzahl aus den Kreisen der Pfarrer war in allen Kirchen gering, die Haltung der erschienenen Pfarrer durchaus nicht einheitlich. Die Kirchenleitung hat sich verpflichtet gefühlt, diejenigen Pfarrer ihres Aufsichtsbereichs, die die Einladung unterzeichnet hatten, zu einer brüderlichen Aussprache einzuladen. Diese Aussprache, an der die meisten der beteiligten Pfarrer teilgenommen haben, ist in einem durchaus brüderlichen Geiste geführt worden. Der daraufhin geführte Angriff der „Volksstimme“, des Magdeburger Organs der SED, gegen die Kirchenleitung, der jenes Einladungsschreiben in einer das geistliche Anliegen ins Politische verfälschenden Kürzung zu Grunde lag, kann und darf uns nicht davon abhalten, alles zu tun, was in unseren Kräften steht, um die Einmütigkeit der Brüder im Amte in den Fragen der kirchlichen Verantwortung in der Welt zu erhalten. Wenige Wochen später haben die Ministerpräsidenten der Länder alle Pfarrer und die Kirchenleitungen zu einer Aussprache eingeladen. Darauf hat der Superintendentenkonvent unserer Kirchenprovinz einmütig beschlossen, dieser Einladung nicht Folge zu leisten und den Geistlichen der Kirchenprovinz dasselbe anzuraten. Die meisten Pfarrer haben diesen Rat befolgt, und nur etwa ein Prozent hat der Einladung Folge geleistet. Die Einzelheiten sind durch das von der Landesregierung herausgegebene Protokoll jener Pfarrerversammlung vom 3.10. allgemein bekannt1. Die Kirchenleitung hat in einem ausführlichen Antwortschreiben an den Herrn Ministerpräsidenten2 vom 11.12.19503 zu den in diesem Protokoll behandelten sachlichen Fragen Stellung genommen:
1 Dürfen wir Pfarrer noch abseits stehen? Protokoll einer Aussprache zwischen Pfarrern des Landes Sachsen-Anhalt und dem Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt Werner Bruschke sowie dem Landtagspräsidenten von Sachsen-Anhalt Adam Wolfram am 3. Oktober 1950 in Halle-Saale. [Hg.:] Landesregierung Sachsen-Anhalt – Der Ministerpräsident. Halle 1950. [39 S.] – Diese Broschüre ist offenbar breit verteilt worden. Ministerpräsident Bruschke hat die Tagung am 3. Oktober mit einer Ansprache eröffnet, in der er sich ausführlich darüber beschwert, dass weder die Leitung der Landeskirche Anhalts noch die der Kirchenprovinz seine Einladung angenommen haben. Die Willenserklärung des Ephorenkonvents der KPS wird von ihm ausdrücklich hinterfragt. 2 Werner Bruschke. 3 Stellungnahme der Evangelischen Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen zur Weltfriedensbewegung, zur Politik der Regierung und zum Verhältnis Kirche und Staat in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts. 11.12.1950. In: KJ 77, 1950, S. 131–145; G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 133–147; J. J. SEIDEL, „Neubeginn“, S. 339–342 (Dokument 48; Auszug).
Propst Oskar Zuckschwerdt, 29. Mai 1951
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1) Die Stellung der Kirchenleitung zur Weltfriedensbewegung, 2) Die Stellung der Kirchenleitung zur Politik der Regierung, 3) Das Verhältnis von Kirche und Staat. Diese Denkschrift hat die Kirchenleitung allen Pfarrern zugänglich gemacht. Wie uns bekannt ist, haben auch andere Kirchenleitungen, z. B. Berlin-Brandenburg, sie als eine beachtliche und hilfreiche Arbeit ihren Pfarrern in die Hand gegeben. Die persönlichen Fragen, die sich aus den Diskussionsbeiträgen von Pfarrern und Ältesten ergaben, sind mit diesen unmittelbar erörtert worden. Die in dem genannten Schreiben erbetene Besprechung der Kirchenleitung mit dem Herrn Ministerpräsidenten hat in Gegenwart des Herrn Innenministers4 und des Sachbearbeiters der Präsidialkanzlei, Herrn Knittel, am 30.12.1950 stattgefunden5. Die fast vierstündige Besprechung verlief in freundlicher Form. Eine Erklärung der sachlichen Fragen hat sie nicht gebracht. Seitdem haben wiederholt derartige Pfarrerversammlungen stattgefunden, zu denen der Landesausschuß der Nationalen Front diejenigen Pfarrer, die er für die Ziele der Nationalen Front und der Weltfriedensbewegung zu gewinnen hofft, eingeladen hat. Soweit wir unterrichtet sind, haben sich bisher etwa 25 Pfarrer der Kirchenprovinz Sachsen und der Anhalt[ischen]. Kirche daran beteiligt. Von diesen sind 4 Pfarrer herausgestellt worden, mit welchen auf Wunsch jenes Kreises am 22. Mai eine Aussprache mit dem Rat der Kirchenleitung stattgefunden hat: Pfarrer Luther-Roßleben, Pfarrer Lic. Strewe-Egeln, Pfarrer Pasewald-Rottmersleben und Pfarrer Wehrhahn-Cassieck. Das Ergebnis ist in folgendem Protokoll zusammengefaßt: In dem heutigen Gespräch der Herren Pfarrer Luther, Pfarrer Strewe, Pfarrer Pasewald, Pfarrer Wehrhahn mit dem Rat der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen in Gegenwart der Dezernenten wurde nach ausführlicher Besprechung von den Vertretern der Kirchenleitung festgestellt: 1.) Die Kirchenleitung hat schon bisher keinen Pfarrer wegen seiner politischen Betätigung in der Weltfriedensbewegung in irgendeiner Weise zur disziplinarischen Verantwortung gezogen und hat auch nicht die Absicht, dies in Zukunft zu tun. 4 Josef Hegen. 5 Zu dem Gespräch am 30.12.1950 in Halle zwischen Ministerpräsident Bruschke, Minister Hegen sowie Bischof Müller, Konsistorialpräsident Hofmann und Präses Kreyssig vgl. G. KÖHLER (Hg.), Pontifex, nicht Partisan, S. 55 f. Vgl. Vermerk Hofmanns (9 S.) vom 5.1.1951 (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 5016).
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Verstöße gegen Lehre und Ordnung der Kirche werden hiervon nicht berührt. 2.) Die Kirchenleitung hat ihre Stellungnahme zur Volksbefragung gegen die Remilitarisierung pp. in einem an die Landesregierung in Halle und Weimar gerichteten Schreiben6, das sich z. Zt. noch in der Expedition befindet, erklärt. Eine Abschrift dieses Schreibens geht, wie den vorgenannten Regierungen auch in diesem Schreiben mitgeteilt wird, noch jedem Pfarrer zu. 3.) Es ist angeregt, die von der Friedensbewegung ausgelösten theologischen Fragen zum Gegenstand einer Tagung im Pastoralkolleg Ilsenburg zu machen, zu der die in der Friedensbewegung stehenden Pfarrer eingeladen werden sollen.
Die Kirchenleitung hat sich bemüht, der Verwirrung der Gewissen, die durch die Inanspruchnahme des christlichen Namens durch politische Parteien und Bewegungen entstanden ist, zu wehren. Zu diesem Zweck hat sie für die Superintendenten und Pfarrer einen Informationsdienst eingerichtet, von dem bisher 11 Nummern erschienen sind7. Ich erinnere z. B. an die Besprechung der vom Moskauer Patriarchat herausgegebenen und vom Landesausschuß der Nationalen Front verbreiteten Schrift: „Die Russische Rechtgläubige Kirche im Kampf um den Frieden“8. Hier handelt es sich um eine falsche Prophetie. Für den zukünftigen Weg der Kirche wird es entscheidend sein, wieweit sie die Kraft haben wird, „die Geister zu prüfen, ob sie von Gott sind“ (1. Joh 4,1). Die andere entscheidende Frage, deren Antwort wir nicht vorwegnehmen können, ist die, wieweit wir Christen, insbesondere die Pfarrer, Katecheten, Ältesten, Synodalen und Mitglieder der leitenden Organe willig sind, nicht allein an Christus zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden (Phil 1,29). Weil wir aber gewiß sind, daß unser Herr Jesus Christus der Sieger ist über Sünde, Tod und Teufel, bitten wir Ihn, daß Er uns in unseren Anfechtungen beistehen und uns nicht zuschanden werden lassen möchte. Sodann hat im Januar dieses Jahres auf Wunsch des Herrn Innenministers in Halle eine Besprechung desselben mit dem Herrn Konsistorialpräsidenten über die am 1.10.50 in Kraft getretene Grundordnung, insbesondere über die darin enthaltenen Bestimmungen über das kirchliche Wahl6 Schreiben der Evangelischen Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen an die Landesregierung Sachsen-Anhalts und die Regierung des Landes Thüringen zur Volksbefragung vom 23.5.1951. In: KJ 78, 1951, S. 128–134; J. J. SEIDEL, „Neubeginn“, S. 333–339 (Dokumente 47a, 47b). Die Volksbefragung in der DDR vom 3.–5.6.1951 forderte zur Stellungnahme zu folgender Frage auf: „Sind Sie gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für einen Friedensvertrag mit Deutschland im Jahre 1951?“ Pressematerial und Dokumente der kirchlichen Stellungnahme AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3600. 7 Der „Informationsdienst“ der KL für Pröpste, Superintendenten und Pfarrer wurde (hekt.) ab 11.7.1950 herausgegeben (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3586). Darin konnten wichtige gesamtkirchliche Informationen, aber auch Richtigstellungen gegenüber Presse-Artikeln u. Ä. übermittelt werden. 8 Die RUSSISCHE RECHTGLÄUBIGE KIRCHE.
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recht, stattgefunden. Seine Bedenken richteten sich sowohl gegen die kirchlichen Bestimmungen des aktiven wie auch des passiven kirchlichen Wahlrechts, durch die ein Mißbrauch der kirchlichen Wahlen zu kirchenfremden Zwecken verhindert werden soll. Er wünschte statt dessen eine Durchführung der kirchlichen Wahlen nach demokratischen Grundsätzen, nach denen alle Kirchensteuerzahler gleiches aktives und passives Wahlrecht haben. Diese Bedenken haben jedoch – aus welchem Grunde auch immer – zu keinem förmlichen Einspruch des Staates gegen die neue Grundordnung geführt. Auch einzelne Versuche, auf die kirchlichen Wahlen politischen Einfluß zu nehmen, haben keine Bedeutung gewonnen. Welche Bedeutung dem Einspruch des Herrn Innenministers der Regierung der DDR vom 5.4.51 gegen die Ordnung der Ev. Kirche der altpreußischen Union9 zukommen wird, in dem u. a. auch die Wahl der Mitglieder für die Kreisund Landessynoden beanstandet wird, ist noch nicht entschieden. Schließlich hat am 13.3.51 eine Besprechung des Herrn Bischofs und des Herrn Konsistorialpräsidenten mit dem Herrn Ministerpräsidenten stattgefunden, in der im wesentlichen die Schwierigkeiten besprochen wurden, die hinsichtlich der Besetzung von Pfarrstellen staatlichen Patronats10 entstanden sind. Die Landesregierung hatte wiederholt die staatliche Zustimmung zur Berufung von Pfarrern ohne Angabe von Gründen versagt. Sie hat dabei die allgemeine Forderung erhoben, „daß der Einsetzung von Pfarrern in Pfarrstellen staatlichen Patronats seitens der Regierung nur dann zugestimmt werden könne, wenn die Voraussetzungen des Vertrauens der Gemeinde gegeben seien, in der der betreffende Pfarrer zu wirken habe. Dieses Vertrauen fuße auf der Teilnahme des Pfarrers am Leben und Kampf, an den Nöten und Sorgen der betreffenden Gemeinde und seiner Mitwirkung bei deren Behebung.“11
Die Regierung stützt sich bei diesen ihren Entscheidungen auf die Auskünfte der Bürgermeister und anderer politischer und staatlicher Instanzen, die oftmals in scharfem Gegensatz zu dem Urteil der kirchlichen 9 Zum Zustandekommen der Ordnung der APU (1951) vgl. J. KAMPMANN in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 630–637; zum Einspruch der Regierung der DDR EBD., S. 644–649. 10 AKPS, Rep. C 2, Nr. 2. Darin: Protokoll der KL vom 15.3.1951. Es wurden seitens der Kirchenvertreter u. a. 6 Fälle der Pfarrstellenbesetzung (Oppin – vgl. unten Anm. 11, Rotha, Gehrden, Schadeleben, Neulingen und Mehrin) staatlichen Patronats vorgetragen, bei denen die Regierung widersprochen hat. Ministerpräsident Bruschke versprach, die staatlichen Einwände noch einmal zu prüfen. Zum Inhalt des Gesprächs vgl. auch AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 5016 (Aktennotiz Konsistorialpräsident Hofmann vom 20.3.1951, 5 S.). 11 Schreiben vom 3.1.51 betr. Wiederbesetzung der Pfarrstelle Oppin [Orig. Anm.]. Vgl. dazu AKPS, Rep. A, Specialia G, Nr. 8791.
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Organe stehen. Dieser Zustand ist für die Kirche nicht tragbar. Daher hat die Kirchenleitung dem Herrn Ministerpräsidenten vorgeschlagen, auf die Mitteilung einer beabsichtigten Besetzung einer solchen Pfarrstelle in der Regel nicht zu antworten und nur in besonders begründeten Einzelfällen sich einen Einspruch vorzubehalten, so daß die Kirchenleitung annehmen darf, daß Einsprüche der Regierung nicht erfolgen, wenn binnen Monatsfrist keine Antwort der Regierung eingegangen ist. Die Regierung hat zu diesem Vorschlag bis heute nicht Stellung genommen. Eine Zustimmung in den verschiedenen Einzelfällen ist ebenfalls nicht erreicht worden. Zu den Vorgängen im öffentlichen Leben des Volkes, insbesondere zu den Volkswahlen am 15.10.5012 hat die Kirchenleitung nicht das Wort genommen, obwohl ein solches von den Pfarrern und Gemeinden weithin erwartet worden ist; denn die Gewissensbedrängnis lastet schwer auf den Menschen, und zwar noch stärker auf den Laien, die sich in politisch und wirtschaftlich abhängiger Stellung befinden, als auf den Pfarrern und anderen kirchlichen Amtsträgern. Wir können nur demütig bekennen, daß uns ein wegweisendes und die Gewissen lösendes Wort nicht gegeben worden ist. Wohl aber ist der Hirtenbrief des Herrn Bischof vom 31. Oktober 195013 zu dieser Frage mit großer Dankbarkeit aufgenommen worden. Zu der bevorstehenden Volksbefragung hat die Kirchenleitung unter dem 23.5. ein Schreiben an die Landesregierungen in Halle und Weimar14 gerichtet, in dem sie fürsprechend für alle eingetreten ist, die sich in dieser Entscheidung allein von ihrem Gewissen leiten lassen wollen. Wir hoffen, damit unseren Brüdern im Amt den Dienst des Hirten, wie er der Kirchenleitung befohlen ist, zu tun, und haben sie gebeten, ihren Ältesten und zusammen mit ihnen ihren Gemeinden den gleichen seelsorgerlichen Dienst zu erweisen. Sie hat dabei u. a. ein Verbot der offenen Stimmgabe und der Diffamierung derer gefordert, die aus Gründen ihres christlichen Gewissens nicht zur Wahl gehen können. Wie wir hören, hat die Kirchenleitung Berlin-Brandenburg eine Kanzelabkündigung beschlossen. Ob und in welcher Weise die anderen Landeskirchen in der DDR dieser Gewissensnot zu steuern versuchen werden, ist zur Stunde noch nicht bekannt.
12 Für die Wahlen zur Volkskammer am 15.10.1950 wurde zum ersten Mal eine Einheitsliste aller Parteien vorgelegt – eine einzelne Partei konnte nicht mehr gewählt werden. Vgl. dazu H. WEBER, Geschichte der DDR, S. 130 ff. 13 Hirtenbrief des Bischofs vom 31.10.1950 anläßlich der Wahlen am 15.10.1950 in: KJ 77, 1950, S. 128–130. 14 Vgl. oben Anm. 6.
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Weil wir aber mit der 2. Barmer These15 bekennen, daß allein durch Christus uns frohe Befreiung widerfährt aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen, darum wollen auch wir in der Synode uns in diesen Tagen vereinigen, im Gebet und Flehen zu Gott, daß Er seine Kirche vor weiterer Verwirrung schützen und vor unleidlicher hoher Anfechtung der Seelen und Verletzung der Gewissen bewahren möge. Im einzelnen wäre viel zu berichten von den vielfältigen Erschwerungen und Beschränkungen kirchlicher Arbeit, etwa in der Frage der Anmeldung kirchlicher Veranstaltungen, der Erlangung von Zuzugs- und Aufenthaltsgenehmigungen für kirchliche Amtsträger aus dem Westen, kirchlicher Sammlungen, der Sonntagheiligung u. a. Wir dürfen dankbar sein für manche Genehmigung, die im Einzelfall, oftmals nach langwierigen Verhandlungen, erteilt worden ist. Das kann jedoch nichts an dem Gesamturteil ändern, daß die Schwierigkeiten, die der christlichen Kirche hinsichtlich der „ungestörten Religionsausübung“16 bereitet werden, seit der letzten Tagung der Synode größer geworden sind. [. . .]
15 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Müller auf der 8. Tagung der I. Provinzialsynode am 30.5.1950 (Dokument 6, S. 77). 16 Art. 41 der Verfassung [Orig. Anm.].
BischofD.LudolfMüller,11.Februar1952 BerichteundBeschlüsse
8 Bericht von Bischof D. Ludolf Müller auf der 1. Tagung der II. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 11. Februar 1952 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 29, S. 31–63, hier: S. 54–63 (masch.).
Schwerpunkte: Verhältnis der Kirche zum Staat (Frage der öffentlichen Stellungnahme der Kirche); Wort der Kirche an die Bauern; Gottesdienstverbote im Zusammenhang mit der Maul- und Klauenseuche; Elternbeiratswahlen; Stellung der Kirche zur Friedenspropaganda („Pfarrer der Friedensbewegung“) Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Geistliches Wort; Verteidigung der Neuordnung der APU; Stellungnahme zum Einspruch des Innenministeriums der DDR gegen die Ordnung der APU; Kirchliche Wahlen in der KPS; Personalsituation: Besetzung von Pfarrstellen und Superintendenturen, theologischer Nachwuchs, Situation der Theologischen Fakultät Halle, Gründung des theologischen Proseminars, Bericht über das Profil der Predigerschule Wittenberg. Weitere kirchliche Berufe: Katecheten, Kirchenmusiker, Kindergärtnerinnen, diakonische Proseminare; Kirchensteuern und Kollekten, Grundbesitz und Baufragen; Verhältnis zur landeskirchlichen Gemeinschaft und zur kath. Kirche].
[. . .] Und nun komme ich zu dem heikelsten Punkt meines ganzen Berichtes, nämlich zu dem Verhältnis zum Staat. Ich will das nun nicht wieder grundsätzlich aufrollen, was ich früher gesagt habe. Manchmal haben meine Rechenschaftsberichte bloß darin bestanden, daß ich von dieser Frage hier in der Synode etwas vorgetragen habe. Wie wir grundsätzlich stehen, das wissen mindestens die unter uns, die der vorigen Synode schon angehört haben, und die aufmerksam in das Geschehen unserer Tage und Öffentlichkeit hineingeschaut haben, wissen das auch. Ich möchte anknüpfen an eine Unterredung, die ich im November unter 4 Augen mit Herrn Ministerpräsidenten Bruschke gehabt habe1. Als ich wieder in die Arbeit zurückkehrte nach meiner Krankheit, lagen eine ganze Reihe Dinge vor, die auf diesem spannungsreichen Gebiet 1 Vermerk über das Gespräch vom 22. November 1951 in: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2596.
Bischof D. Ludolf Müller, 11. Februar 1952
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von Zeit zu Zeit immer wieder auftreten müssen, und ich glaube, daß in einer solchen persönlichen Aussprache es am besten gelingen würde, gewisse Spannungen zu beseitigen. Diese Unterredung ist in einem durchaus freundschaftlichen Sinne verlaufen. Sie hat 4 Stunden gedauert und es konnten im wesentlichen alle Fragen durchgesprochen oder angedeutet werden. Aber nicht an das Ganze will ich anknüpfen, sondern an etwas, was ich an einer Stelle auf gewisse Einwendungen des Herrn Ministerpräsidenten gesagt habe. Da habe ich gesagt, ich stände nicht auf dem Standpunkt, daß wir von der Kirche zu allem, was vom Staate her kommt, nein sagen wollen. Ja, und darauf haben wir nie gestanden. Wir wissen als Christen, was wir der Obrigkeit schuldig sind, daß wir Fürbitte und Danksagung schuldig sind vor Gott, wir wissen, daß wir der Obrigkeit Gehorsam schuldig sind, aber wir wissen auch, daß, was wir nicht nur aus der Bibel gelernt, sondern auch aus dem hinter uns liegenden Kirchenkampf gelernt, daß die Macht des Staates eine Grenze hat, ihre Grenze darin hat, daß man, wie die Apostel gesagt haben, Gott mehr gehorchen muß als den Menschen. Wo der Konflikt kommt, werden wir uns eindringlich und ernstlich sagen und fragen müssen, ob es sich wirklich auf der anderen Seite um Gottes Stimme handelt, die uns zum Widerstand aufruft. Es kann ja auch sein, daß gewisse politische Sentiments bei uns mitsprechen, gewisse Leidenschaftlichkeit mitspricht, die in politischen Fragen immer da ist. Wo politische Dinge verhandelt werden, da werden die Dinge leidenschaftlich, die Leidenschaft kocht doch in uns und es ist möglich, daß sie manchmal zum Ausdruck kommt. Ich glaube, das weiß auch der Staat von uns, daß wir in keiner Weise auf der Seite einer Untergrundbewegung oder Widerstandsbewegung stehen. Aber das vermißt der Staat an uns, daß wir uns nicht, wie er es möchte, zum Werkzeug politischer Propaganda machen lassen. Und das allerdings muß immer wieder angesprochen werden. Es ist nicht so, daß wir uns völlig aus der Politik trennen, so daß man sagt, Politik und Kirche stimmen nicht überein. Das ist ein Wort, das oft gesagt ist, aber nicht stimmt. Eine Kirche, die sich um die Politik nicht kümmert und alles ihren Lauf gehen läßt, weiß nicht, was sie dem Volke und den Mitgliedern ihrer Kirche schuldig ist. Ich wundere mich, wie das hereingekommen, aber es ist hereingekommen: Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik2, in Artikel 43 [sic!] ist ausgesprochen, daß die Kirche das Recht hat, zu Fragen der Öffentlichkeit das Wort zu nehmen. Dieses Recht können wir uns nicht bestreiten lassen, auch nicht bestreiten lassen auf die Gefahr, daß man vielleicht aus allerlei Maßnahmen, die wir treffen, das Nein heraushört.
2 Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIa, S. 583.
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Was ist innerhalb der Berichtsmonate an konkreten Dingen vorgekommen? Damals als die Synode in Quedlinburg tagte, war bereits das Schreiben an den Ministerpräsidenten und an alle Pfarrer heraus3, das sich mit der Volksabstimmung vom 1.–3. Juni beschäftigt hat. Deshalb ziehe ich diese Angelegenheit nicht mehr in den Bereich meiner Ausführungen. Wohl aber muß ich reden von etwas, was auch schon herausgegeben war, was aber erst nachher seine Wellen schlug, das ist von dem Wort an die Bauern4. Dieses Wort an die Bauern hat ja die Kirchenleitung ziemlich lange beschäftigt. Es ist wohl geboren aus einigen Zusammenkünften der Bauernakademie, bei denen die Bauern selber die Notwendigkeit ausgesprochen haben, daß ein seelsorgerliches Wort der Kirche an die in Not und Angst befindlichen Bauern gerichtet werden soll. Wir haben dieses Wort erarbeitet, an sämtliche Pfarrämter geschickt und es hat auch in dem kirchlichen Amtsblatt, das in Berlin erscheint, abdrucken lassen [sic!]. Es ist schade, daß unter diesem Bauernwort bloß steht: „Die Kirchenleitung“ und keine Namen darunter stehen. Infolgedessen war man bei der Regierung darauf aus, die Namen der Schuldigen festzustellen, und war darauf aus, daß Br. Kreyssig der Schuldige wäre. Infolgedessen ist es zunächst zu einer erregten Aussprache zwischen der Kirchenleitung und dem Minister des Innern, Hegen, gekommen, und dann hat der Innenminister ein gedrucktes Schreiben an sämtliche Pastoren der Provinzialkirche5 herausgehen lassen, in dem er darstellt, wie gut es den Bauern in der DDR ginge. Ich war der Meinung, daß das ganz schön wäre, daß man das Wort von Minister Hegen den Bauern nur vorzulegen brauchte, dann wüßten sie schon Bescheid. Daß Minister Hegen verlangt hat, daß dieses sein Wort über das Glück der Bauern in der DDR auch dem kirchlichen Amtsblatt in Berlin beigelegt werden müßte, das war natürlich eine böse Sache. Und vielleicht noch böser war es, daß die Kirchenkanzlei in Berlin sich aus Sorge um die Existenz dieses Amtsblattes veranlaßt gesehen hat, das wirklich zu tun. Vielleicht ist es so, daß daraus ein Segen gekommen ist und daraus manch ein Pfarrer Gelegenheit gehabt hat, einmal unser Bauernwort und das Wort vom Glück der Bauern von Herrn Hegen gleichzeitig vorzulesen. Wir können jedenfalls auch nicht einen Fuß breit von dem Anspruch ablassen, daß wir zu solchen Dingen, wie sie im Bauernwort ausgesprochen sind, Stellung nehmen, hauptsäch3 AKPS, Rep. B 1, Nr. 138; Rv Nr. 357/51 der Evangelischen Kirchenleitung der KPS vom 23.5.1951 betr. „Volksbefragung am 3.–5. Juni 1951“. Als Anlage das Schreiben an die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Thüringen: „Zur Volksbefragung – Tatsachen und Folgerungen“ (5 S.). Vgl. dazu oben Dokument 7, Anm. 6, S. 88. 4 Seelsorgerliches Wort der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen an die Bauern vom 22.5.1951 in: G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 227–229. 5 Schreiben des Innenministers des Landes Sachsen-Anhalt Hegen an die Pfarrer des Landes vom 22. Juni 1951 in: EBD., S. 229–235.
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lich wenn wir es wirklich, wie man aus dem Ganzen des Wortes sehen konnte, nicht getan haben, um politische Sensation zu erregen, sondern wenn wir es getan haben wirklich aus dem seelsorgerlichen Interesse an einem Stande, der bitterste Not leidet. Ich glaube nicht indiskret zu sein, wenn ich sage, daß ich auch das dem Ministerpräsidenten gesagt habe und gebeten habe, nicht große Bauernversammlungen auf dem Lande durch seinen Landwirtschaftsminister machen zu lassen, sondern daß er sich einmal 2 Dutzend der tüchtigen und von früher her anerkannten besten Bauern um sich sammelte und denen einmal gestattet, völlig offen von der Leber zu sprechen, wie es wirklich im Lande aussieht. Das ist das eine gewesen. Das Zweite, das geht um die Maul- und Klauenseuche. Ich habe früher einmal gesagt, daß ich für die Geschichte des kirchlichen Lebens in der Provinz Sachsen einmal einen tüchtigen Theologen bäte, eine Licentiatenarbeit zu schreiben über das Thema „Zuckerrübe und Kirche“. Aber ebenso interessant ist das Kapitel, das im letzten Halbjahr angeschnitten wurde, „Maul- und Klauenseuche und Kirche“. Die Maul- und Klauenseuche haben wir in vergangener Zeit auch schon mal gehabt und zwar nicht zu knapp. Ich erinnere mich aus dem heißen Sommer 1911, wie zu der Dürre auch noch die Maul- und Klauenseuche durchs Land ging und den Bauern und dem ganzen nationalen Wirtschaftsstand ungeheuren Schaden zufügte. Wir verstehen es, wenn die Gesundheitsämter in unserer Provinzialkirche darauf sehen, daß eine solche Seuche eingedämmt werden muß. Es ist allerdings ihre Pflicht, alles dazu zu tun, daß sie eingedämmt wird. Aber daß das nun jedesmal damit anfing, daß die Gottesdienste in den Gemeinden verboten wurden, das ist doch wohl etwas ganz anderes. Die Herren vom Konsistorium in Magdeburg sind auch in Berlin oder Halle mit den entsprechenden staatlichen Stellen zusammen gewesen und haben eingehend darüber beraten und dann die Verfügung, die unseren Pastoren allen bekannt ist, herausgegeben6. Gewiß, diese Verfügung hat vielleicht mancherlei Unklarheit gelassen. Man wußte nichts Rechtes damit anzufangen. Grundsätzliches hieß es, Kirchen werden geschlossen, wenn auch die Schulen geschlossen werden, Gastwirtschaften schließen und der Berufsverkehr auf das äußerste eingeschränkt wird. Besonders hat unseren Amtsbrüdern diese letzte Bestimmung zu schaffen gemacht, weil sie die Empfindung hatten, daß der Berufsverkehr, wenn man nicht 6 AKPS, Rep. A, Rundverfügungen: Rv Nr. 718/51 des Konsistoriums der KPS vom 11.9.1951 betr. Maßnahmen bei Maul- und Klauenseuche; s. auch AKPS, Rep. B 1, Nr. 138; Rv Nr. 718/51-II des Konsistoriums der KPS vom 1. Oktober 1951 betr. „Maßnahmen bei Maul- und Klauenseuche“ mit Bezug auf die Rv 718/51 vom 11.9.1951. Vgl. weiter zur Behinderung des kirchlichen Lebens wegen Maul- und Klauenseuche: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2874.
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die ganze Wirtschaft in Frage stellen will, nicht stark einzuschränken sei. Jetzt, wo wir doch den Zustand haben, daß Tausende und Abertausende von Arbeitern auf dem Lande leben, sie müssen in die Städte fahren und ihrer Arbeit nachgehen, den Berufsverkehr zu unterbinden, ist schwierig. Von da aus sind allerlei Schwierigkeiten gekommen. Aber es ist doch bemerkenswert, daß keine einzige staatliche Stelle von da an mit wirklich rigorosen Maßnahmen gegen die Pastoren vorgegangen ist, die Gottesdienste abgehalten haben. Das war im Anfang, daß der evangelische und katholische Pfarrer in Hessen mit einer erheblichen Geldstrafe belegt wurde. Diese Geldstrafe ist nicht eingezogen worden und die Wiederkehr der Verhängung von Geldstrafen ist nicht erfolgt. Am bemerkenswertesten ist vielleicht, daß wir vor ein paar Tagen ein Schreiben von Berlin-Brandenburg bekommen haben. Darin wird berichtet, daß sie es wegen der Maul- und Klauenseuche auf andere Weise gemacht hätten, daß die Maßnahmen von staatlicher Seite so rigoros geworden sind, daß sie sich genötigt sahen, eine uns ähnliche Verfügung an die Pfarrer zu erlassen, und die Sache ist dann anders geworden. Das Dritte: Die Elternbeiratswahlen. Ich darf gestehen, daß darüber die Meinungen in der Kirchenleitung verschieden waren und daß darüber auch die Meinung unserer Pfarrer auf dem Lande vielfach anders gewesen ist, als wir sie in einer Verfügung zu dieser Angelegenheit7 ausgesprochen haben. Wir haben damals ausgesprochen, daß es nicht gut wäre, sich an den Elternbeiratswahlen zu beteiligen, weil ja die Vorschriften zu diesen Wahlen alles andere als eine wirkliche Freiheit der Wahlen und wirklich freie Bewegung der gewählten Elternbeiratsmitglieder zu verbürgen schien. Wir haben aus dem Lande allerlei Berichte gehört, daß die Wahlen dann doch in anderer Weise vor sich gegangen sind und daß vielfach der Ausfall der Wahlen von der SED, die sie vor allem betrieben hatte, als eine ausgesprochene Niederlage angesehen wurde. Es wird uns auch berichtet, daß eine Anzahl von Lehrern, die wenigstens innerlich noch zur Kirche
7 AKPS, Rep. A, Rundverfügungen: Rv Nr. K.A. 3879/51 vom 10.10.1951 betr. [Elternbeiratswahlen]. Darin wurde seitens der KL generell von der Teilnahme an den Elternbeiratswahlen abgeraten. Ausnahmen sollte es bei den Eltern geben, „die bereit sind, das Erziehungsziel einer christlichen Schule deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen und [. . . ] christenfeindlichen Äusserungen in der Schule klar und standhaft entgegentreten“. Um diese Eltern nicht allein zu lassen, sollten diese durch den jeweils zuständigen Superintendenten zu Besprechungen über Fragen der christlichen Erziehung zusammengerufen werden. Mit dieser Rv wurde die Umdruckverfügung Nr. K.A. 2182/52 des Konsistoriums der KPS an die Propstei- und Kreiskatecheten vom 25.6.1951 betr. Elternbeiräte aufgehoben (AKPS, Rep. A, Rundverfügungen: Rv 1951, Januar–Juni). Darin wurde zur Teilnahme an den Elternbeiratswahlen aufgerufen, um den Einfluss christlicher Elternschaft zur Geltung kommen zu lassen.
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stehen, diese politische Abstinenz der Kirche für sehr schwer empfunden hatten. Sie hatten gehofft, daß die kirchlichen Kreise ihnen bei der Wahl ordentlicher Elternbeiräte zu Hilfe kommen würden. Es ist ja von der Polizei vielfach versucht worden, auf die Pfarrer einen Druck auszuüben, daß sie die Verfügung des Konsistoriums nicht verlesen sollten. Ich weiß nicht einmal, ob sie zur Verlesung bestimmt war. (Zuruf: freigestellt!) In Wirklichkeit ist auch nichts erfolgt, und selbst die Presse hat wohlweislich über die Dinge, die sich in den Gemeinden abgespielt haben, nicht berichtet. Ja, und dann geht’s last not least um die Friedensbewegung. Auch da ist es stiller geworden. Ich glaube, man hat in den zwei Jahren, in denen man sich bemühte, die Kirche zum Vorspann für die Weltfriedenspropaganda zu machen, man hat nach den Erfahrungen, die man gemacht hat, jetzt allmählich darauf verzichtet. Aber immerhin kommen hier und da noch immer wieder die Versuche vor, die Kirche in diese Dinge hineinziehen zu wollen. Vor acht Tagen waren zwei Damen vom Landesfriedenskomitee für die Friedensbewegung bei mir, bedankten sich sehr herzlich, daß die Kirchenleitung für Magdeburg Geläut und Gottesdienst für den 16. Januar, dem Tag der Zerstörung Magdeburgs, angeordnet habe, was ich gleich richtig stellen mußte. Es war das Geläut nur zum Gottesdienst, aber es war das Geläut zu Mittag während der Minute der Stille abgelehnt worden. Sie kamen jetzt, um zum 13. Februar wieder etwas zu erreichen. Am 13. Februar wurde Dresden zerstört, und sie erzählten mir, daß in ganz Sachsen in der Mittagsstunde allgemeines Geläut der Glocken und Abendstundengottesdienste von der Kirchenleitung angeordnet wären. Und nun, meinten sie, es wäre schön, wenn in der gesamten DDR das gleiche an diesem 13. Februar geschehe. Ich habe ihnen meine Bedenken dagegen ganz offen und klar geäußert, fragte sie, ob sie bei dem katholischen Bischof gewesen wäre. Sie sagten, er stände diesem Gedanken sympathisch gegenüber, müßte sich aber erst mit der evangelischen Kirchenleitung befragen. Wir haben dann sofort festgestellt durch telefonischen Anruf, daß keine Rede davon war, daß im ganzen Land Sachsen Geläut und Gottesdienste angeordnet seien. Lediglich in Dresden, in der Stadt, hat man es ebenso gemacht wie in Magdeburg, daß man für diesen Tag Gottesdienste angeordnet hat. Von Geläut ist keine Rede gewesen für die Mittagszeit. Außerdem stellten wir beim katholischen Bischof fest, daß er in keiner Weise dem Gedanken sympathisch gegenüber stände und nicht die Absicht gehabt hätte, sich mit uns zu besprechen, sondern wegen seines kurzen Hierseins sich erst mit einer Reihe von Würdenträgern der katholischen Kirche besprechen müsse. So versucht man es immer wieder. Wir müssen sagen, daß man von staatlicher Seite vielleicht aus all den Dingen nur das Nein heraushört, während es nicht so gemeint ist. Wir sind der Meinung, daß es im Interesse von Staat und Kirche läge, die
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gegenseitigen Grenzen zu respektieren und selbst, wo diese Grenzen sich überschneiden, der Kirche nicht Dinge zuzumuten, die einfach aus dem Wesen der Kirche heraus nicht erfüllt werden können. Das den staatlichen Stellen klar zu machen, wird allerdings besonders schwer und beinahe aussichtslos dadurch, daß sich innerhalb der Kirche Kreise finden, die unbedenklich für diese Absichten des Staates offen sind und sie fördern. Wir wissen alle von den Pfarrern, die wir früher die fortschrittlichen Pfarrer nannten. Jetzt wollen sie gern genannt werden „die in der Friedensbewegung tätigen Pfarrer“. Wir haben uns von seiten der Kirchenleitung – und das ist besonders auf die Initiative von Herrn Oberkonsistorialrat Anz zurückzuführen – alle Mühe gegeben, die Brüder, die da anders stehen als die Kirchenleitung und die der politischen Propaganda sich beugen, von diesem Wege zurückzubekommen, nicht durch Drohung. Neulich hat in einem Blatt der christlichen Arbeitskreise für den Frieden in Mecklenburg der Satz gestanden: „Die Kirchenleitung in Magdeburg bedroht jeden Pfarrer, der in der Friedensbewegung tätig ist, mit Entlassung aus dem Dienste, und einer der leitenden Männer dieser Kirchenleitung, der Propst Zuckschwerdt“, Sie werden entschuldigen, daß ich Sie nenne, es wird eine Ehre für Sie sein, „der hat gesagt, er würde die christlichen Arbeitskreise für den Frieden mit Feuer und Schwert ausbooten.“ Es ist natürlich an dieser ganzen Geschichte kein wahres Wort, soweit es auf die Kirchenleitung geht, und Br. Zuckschwerdt erst recht nicht. Wir haben in ganz offizieller Weise der Regierung immer wieder erklärt, daß wir keinen Pfarrer maßregeln, weil er in der Friedensbewegung tätig ist. Das Wort haben sie entgegengenommen, und wenn sie ehrlich sind, müssen sie es gestehen, daß wir dieses Wort gut und ehrlich gehalten haben. Sie nannten uns nur diesen oder jenen Namen, aber das hat sich als blauer Dunst erwiesen. Sie nennen uns jetzt wieder einen Namen. Ich weiß nicht, ob ich diesen Namen der Synode nennen soll. Vielleicht steht er in der Zeitung. Das ist der Fall von Br. Mörschel8. Wir haben Br. Mörschel angesetzt auf Bewährungszeit für eine Pfarrstelle in der Nähe von Wittenberg. Wir hätten gewarnt sein sollen aufgrund der Wanderung, die dieser Bruder durch zahlreiche Landeskirchen vom Osten bis Westen hinter sich hat. Aber wir haben es doch getan, und dann hat er völlig versagt. Ich darf sonst sagen, daß wir alle Brüder, die wir manchmal mit großer Not bewährungsweise in unseren Dienst genommen haben, daß 8 Heinrich Moerschel. AKPS, Rep. A, Specialia P, Nr. M 489. Moerschel sollte die Nachfolge von Pfarrer Schomerus antreten. Dieser (vgl. Biogramm im Anhang) war 1952 verhaftet und zu 3½ Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Zur Zeit dieses Berichtes war Schomerus noch in Haft. Nach seiner Entlassung aus der Haft konnte er 1953 in den Westen übersiedeln.
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wir da die besten Erfahrungen gemacht haben. Wir sind beinahe noch niemals zuschanden geworden, aber mit dem sind wir gründlich zuschanden geworden. Mit einem Mal war er Pfarrer der Friedensbewegung. Wir bekamen, als wir ihn kurzerhand aus dem Dienst entlassen hatten, in dem er nur probeweise angestellt war, ein Schreiben, daß wir ihn sofort wieder einstellen müssen. Es ist jetzt bei der Verhandlung unseres Dezernenten gesagt worden, wenn wir das nicht täten und nicht für seine finanzielle Existenz sorgten, dann würden sie das Gehalt für Pfarrer Mörschel von der Staatsbeihilfe abziehen, die wir ja immer von der Regierung bekommen. Wir haben, so darf ich ohne jedes Erröten sagen, wir haben nichts gewußt, daß Br. Mörschel ein fortschrittlicher Pfarrer war. Das wurde uns erst klar, als wir ihn aus unserem Dienst entlassen hatten. Wenn er sich jetzt in seiner Fortschrittlichkeit überschlägt, wird das alles nichts helfen. Jetzt haben wir aus der Gemeinde Kemberg persönlich ein Schreiben bekommen, von allerlei Leuten unterschrieben – Nationale Front, FDJ9 usw. –, da bitten sie, daß Pfarrer Mörschel bei ihnen angestellt würde in einer Pfarrstelle, die noch nicht vakant ist, die Stelle von Pfarrer Schomerus, der seit einigen Monaten in Haft ist. Die weitaus meisten Unterschriften waren von Leuten, die entweder der Kirche nicht mehr angehörten oder der katholischen Kirche. Jedenfalls war nicht ein einziges Glied der Gemeinde darunter, das einen inneren Anteil hätte, daß Kemberg mit einem guten Pfarrer versorgt würde. Wir haben entsprechend darauf geantwortet. Wir wollen nicht bei Mörschel hängenbleiben, sondern wir wollen das ins Auge fassen, daß nun in ganz planmäßiger Weise die kirchlichen Amtsträger und die sonst im kirchlichen Dienst stehenden Personen, soweit sie für die Friedensbewegung zugänglich sind, gesammelt werden, und zwar unter einem Namen, den wir nur als Tarnung empfinden können. Zuerst nannten sie sich wohl christlicher Arbeitskreis bei den Friedenskomitees. Aber sie waren so klug, das nicht zu zeigen, sondern nannten sich christlicher Arbeitskreis für den Frieden10. Hier könnten wir Mann für Mann und Frau für Frau beitreten. Aber wir haben, wie ich vorhin schon erwähnte, versucht, diese Brüder durch ein theologisches Gespräch zu überzeugen von der Unmöglichkeit des Weges, den sie gehen. Ein Gespräch hat in Ilsenburg stattgefunden, ein nächstes wird in 14 Tagen in Salzelmen folgen. Wir haben uns das zugestanden, oder die, die da verhandelt haben, daß sie, wie von unseren Freunden ausgedrückt ist, einen consensus officii, eine Übereinstimmung des Amtes feststellen. So 9 Zur Geschichte der FDJ vgl.: U. MÄHLERT, FDJ; DERS./G. R. STEPHAN, Blaue Hemden – Rote Fahnen; H. GOTSCHLICH, Die FDJ. 10 Zur Gründung des „Christlichen Arbeitskreises im Deutschen Friedensrat“ 1951 vgl. M. G. GOERNER, Kirche als Problem der SED, S. 194 ff.
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ganz klar ist mir ja mit diesem Ausdruck das nicht bezeichnet. Was man wohl damit bezeichnen wollte? Man wollte, daß wir auch weiter die Brüder, die ehrlich in der Friedensbewegung stehen, als Brüder in Christus und als in einem Amt stehend anerkennen. Auf der zweiten Tagung, die in 14 Tagen sein wird, werden gerade diese in der Friedensbewegung stehenden Brüder einen großen Teil der Referate und der Bibelarbeit übernehmen, und es wird vielleicht wichtig sein, zu welchem Ergebnis wir dabei gelangen werden. Ich gehe nicht auf das ein, was schon an allerlei Schriftwerk darüber gekommen ist, auf dieses Blatt mit der Madonna vorn drauf, oder auf die sonderbare Ausgabe über den Verlauf des Kirchentages, wo der Kirchentag von Berlin noch zur Friedenspropaganda benutzt wird11. Das alles kann uns, so bin ich der Meinung, nur bestärken in dem Weg, den wir gehen müssen. Daß wir keine Kriegshetzer sind und keine, wie sich Herr Hegen ausdrückte, keine von Amerikanern bezahlte Agenten, das müssten sie schon selber bemerkt haben. Ich glaube, es gibt keine Institution, die sich so ernstlich um den Frieden bemüht hat und so ernstlich in das Gespräch zwischen Ost und West eingegriffen hat, wie es der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland getan hat. Wir haben gehört von den Bemühungen von Bischof Dibelius sowohl beim Kanzler Adenauer wie beim Ministerpräsident Grotewohl. Bei Adenauer ist auch Präses Kreyssig gewesen, der schon früher Unterredungen hatte, die mit außerordentlicher Freude von unserer Landesregierung begrüßt wurden. Aber vielleicht hilft das alles nicht. Daß wir, so glaube ich sagen zu dürfen, von der Kirche beinahe die einzigen sind, die mit ganz redlichem Herzen die Einheit Deutschlands wollen und den Frieden wollen, das ist uns gewiß. Und darum macht es uns nicht viel Not, wenn andere nun aus propagandistischen Motiven anderer Meinung sind. Dabei will ich doch zum Schluß das festgestellt haben, daß in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche eine gewisse Entspannung weiter anhält. Wir haben geglaubt, daß diese Entspannung nur von kurzer Dauer sein würde. Sie dauert jetzt schon längere Zeit, und es gibt allerlei Kennzeichen, daß man gewillt ist, diese starke Spannung nicht wieder entstehen lassen zu wollen. Daß man immer wieder zwar einen Vorstoß gegen die Kirche macht, wie in Berlin-Brandenburg, daß das dortige Konsistorium in das Ostgebiet verlegt werden sollte, oder wie mit der Grundordnung der altpreußischen Union12, das muß wohl so sein. Aber es ist sonderbar, wenn die Kirche fest bleibt, auf einmal die Luft wieder rein ist und niemand mehr die Forderung vertritt, für die man sich so energisch glaubte einsetzen zu müssen. Wir sind dankbar dafür, daß augenblicklich die 11 Zur Auswertung des Berliner Kirchentages von 1951 durch die DDR-Presse vgl. D. PALM, „Wir sind doch Brüder!“, S. 135–138. 12 Vgl. oben Dokument 7, Anm. 9, S. 89.
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Christengemeinde in einer gewissen Ruhe ihres Weges gehen kann, wie einst die alten Christen mitten zwischen den Verfolgungen für solche Zeiten der Ruhe dankbar gewesen sind. Aber das alles liegt an einer gewissen umfassenden und mindestens den ganzen Osten umspannenden Politik. Ich habe kürzlich einen interessanten Aufsatz über die Kirchenpolitik in Rußland und den Satellitenstaaten gelesen. Und wenn man da sieht, wie überall in planmäßigster Weise vorgegangen wird, dann wissen wir, daß auch die Kirchenpolitik in der DDR irgendwie nach einem gelenkten Plan sich abspielt und nicht von der Hartnäckigkeit einzelner Menschen abhängt. Dann möchte ich ja doch daran erinnern, daß Rußland in seiner Kulturpolitik zum ersten Male in unserem Gebiet der DDR auf den Protestantismus gestoßen ist. Sonst sind es Länder, die der gleichen orthodoxen Kirche oder der katholischen Kirche anhängen, oder wo die Kirchen zwischen beiden hin und her geschwankt haben in gewissen Unionen, die sich gebildet haben. Aber hier ist es der Protestantismus, und ich glaube, daß wir von daher eine ganz besonders große und ernste Verantwortung haben, nämlich die Verantwortung, den weltlichen Machthabern zu zeigen, daß der Protestantismus in Dingen, wo es um Glauben und Gewissen geht, nicht mit sich handeln läßt. Ich glaube, daß das, wenn wir es wirklich mit Ernst und Konsequenz tun, von ganz heilsamem Einfluß auf das ganze Verhältnis von Staat und Kirche sein kann. Und das wird dem Staate nutzen, der nicht mehr solche vergeblichen Experimente machen wird, wie er es bisher solange gemacht hat, und das wird nach Gottes heiligem Willen auch unserer Kirche zum Segen werden. Ich bin dankbar dafür, daß uns Gott in all’ diesen 6 Jahren geholfen hat, so klar den Weg zu gehen in all’ den Anfechtungen, durch die wir haben hindurchgehen müssen. Und ich weiß vor allen Dingen, unsere Anfechtungen in der Kirchenleitung in Magdeburg, die sind ja viel geringer als die Anfechtungen, die die Brüder an der Front in dieser Beziehung durchmachen müssen, die auf einsamen Posten stehen und oft von ihrer Gemeinde unverstanden ihren Weg gehen müssen. Aber das möchte ich eben durch meine Ausführungen über dieses Verhältnis von Staat und Kirche Ihnen allen gesagt haben, daß auch unsere Brüder an der Front nicht allein stehen, sondern daß sie hinter sich nicht eine armselige Kirchenleitung haben, was könnte die schon machen, aber daß sie hinter sich eine betende Christenheit haben. Wenn man das weiß, dann kann man beruhigt und entschlossen und froh seinen Weg gehen.
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9 Bericht von Bischof D. Ludolf Müller auf der 2. Tagung der II. Synode Halle Hilfsschwesternheim, 13. April 1953 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 30, S. 1–32, hier: S. 1–8 (masch.).
Schwerpunkt: Verhältnis von Kirche und Staat (Abschließung des Ostens gegen den Westen, Kampf gegen die Junge Gemeinde und Innere Mission, Polizeimaßnahmen gegen kirchliche Veranstaltungen Gliederung: [I.]1. [Ohne Überschrift]. 2. [ohne Überschrift]. 3. Was ist auf diesem Gebiet seit unserer letzten Synode geschehen? 4. Was ist von seiten der Kirche geschehen? [II.]1. Gefängnisseelsorge. 2.a. Die Innere Mission. b. [Tätigkeit des Hilfswerks]. 3. [Staatszuschüsse]. [III.] Übersicht über die im Kalenderjahr 1952 im Bereich der Kirchenprovinz Sachsen eingekommenen Kirchenkollekten, Opfer, Sammlungen und Vermächtnisse für kirchliche Zwecke. [IV.]1. Das Schicksal der Theologischen Fakultäten. 2. Reform des theologischen Studiums und der theologischen Ausbildung. 3. Das Verhältnis unserer Studenten zur Kirche und zu unserer Kirchenleitung. [4. Christenlehre]. [V.] [ohne Überschrift].
[. . .] 1.) Die Tätigkeit der Kirchenleitung spielt sich in ihren monatlich stattfindenden Sitzungen und in den wöchentlichen Sitzungen des Rates der Kirchenleitung ab, dessen Beschlüsse der Genehmigung der Vollsitzung unterliegen. Ich habe für diesen Bericht noch einmal die Protokolle unserer Vollsitzungen gelesen. Wie ein roter Faden durchzieht alle diese Sitzungen die Wahrnehmung unserer Pflichten gegenüber den aus dem staatlichen Raum uns entgegenkommenden Gegebenheiten. Darum soll, entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, heute die Frage „Kirche und Staat“ als die erste und vordringlichste besprochen werden. 2.) Ich brauche der Synode gegenüber kaum auf die Frage einzugehen, woraus die Spannungen zwischen Kirche und Staat sich ergeben. Wir wissen aus der Geschichte der Kirche, daß seit den Zeiten des Urchristentums diese Spannungen bestanden haben. Sie haben verborgen immer bestanden und sind nicht selten in offenen Kampf übergegangen. Daß sie in einem Staat bestehen, der sich auf der Grundlage des Marxismus aufbaut, und selbst weiß, daß Marxismus und Christentum unvereinbare Gegensätze sind, versteht sich von selbst. Auch hier kann freilich die
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Spannung von seiten der Kirche dadurch gemildert werden, daß sie nach der Heiligen Schrift auch einem marxistisch geleiteten Staate gegenüber Gehorsam schuldig ist, und von seiten des Staates dadurch, daß dieser aus taktischen Gründen der Kirche gegenüber eine gewisse Duldsamkeit beweist. Das ist in den letzten Jahren so gewesen, obwohl auch da schon, besonders auf dem Gebiet des Schulwesens, nicht unerhebliche Spannungen auftraten. Wenn jetzt alle Anzeichen darauf hingehen, daß ein neuer Kirchenkampf1 heraufzieht, ja bereits im vollen Gange ist, dann liegt das auf der einen Seite daran, daß der Staat keinerlei taktische Rücksichten mehr glaubt nehmen zu müssen. Es kommt, das muß klar gesehen werden, auch daher, daß die Kirche sich weigert, sich der politischen Propaganda zur Verfügung zu stellen, und daß eine Evangelische Kirche nicht davon lassen kann, daß sie auch für die Öffentlichkeit in Staat und Volk vom Evangelium her Verantwortung trägt. Das muß die Kirche mit dem Totalitätsanspruch des Staates in Konflikt bringen. 3) Was ist auf diesem Gebiete seit unserer letzten Synode geschehen? a) Obwohl ich mich im allgemeinen bei meinem Bericht auf die Geschehnisse innerhalb unserer Provinzialkirche beschränken will, muß ich als erstes eine Angelegenheit nennen, die unsere gesamte Evangelische Kirche der altpreußischen Union angeht, aber für unsere Provinzialkirche doch auch von erheblicher Bedeutung ist, nicht bloß, weil wir uns mit unserer Gesamtkirche auf das Engste verbunden fühlen, sondern weil wir von den unmittelbaren Folgen dieses Konflikts getroffen werden. Es handelt sich darum, daß die Regierung der DDR, nachdem sie seit 1945 ständig mit der Evangelischen Kirche der APU in Verbindung gestanden hat, plötzlich im Frühjahr 1952 entdeckt, daß diese Kirche seit 1945 nicht mehr bestehe2. Die Regierung hat an dieser Fiktion bisher festgehalten. Alle Versuche, zu einer Klärung zu kommen, sind bisher so gut wie ergebnislos geblieben. Welche ernsten Folgen dieser Zustand für die finanzielle Lage unserer Provinzialkirche hat, wird an der Stelle meines Berichtes gesagt werden, an der ich über die wirtschaftliche Lage unserer Kirche zu berichten habe. b) Die aus den politischen Spannungen zwischen Ost- und Westdeutschland im Laufe des letzten Jahres immer stärker gewordene Abschließung des Ostens gegen den Westen bringt auch für die Kirche große Schwierigkeiten. Während bisher die Kirche noch ein, vielleicht das 1 Zur Verschärfung der Lage in der ersten Hälfte des Jahres 1953 vgl. KJ 80, 1953, S. 131–176. 2 Zu den Auseinandersetzungen mit der DDR-Regierung über die Bezeichnung der altpreußischen Kirche und den Umständen der Namensänderung in „Evangelische Kirche der Union“ (1953) vgl. J. KAMPMANN in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 644–649.
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letzte einigende Band zwischen Ost- und Westdeutschland darstellte, ist es jetzt kaum noch möglich, außer in Berlin zusammen zu kommen. Wohl konnte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland im Oktober 1952 noch einmal in Elbingerode3 zusammentreten, aber es ist uns allen ja in schmerzlicher Erinnerung, daß wir am Kirchentage in Stuttgart, auf den wir uns so gefreut hatten, nicht teilnehmen konnten4. Auch sonst ist die Teilnahme an Tagungen und Konferenzen im Westen auch für die leitenden Männer der Kirche im vergangenen Jahre so gut wie unmöglich geworden. Vor ein ganz ernstes Problem stellte uns die Abschließung des Ostens gegen den Westen für die Rückkehr unserer in Westdeutschland und in WestBerlin studierenden Studenten der Theologie. Wir haben vor einem Jahr an alle diese Studenten die Bitte gerichtet, zurückzukehren. Aber nur einem kleinen Teil von ihnen ist es möglich geworden. Wir werden uns mit dem Gedanken abfinden müssen, daß in absehbarer Zeit der größte Teil dieser Studenten für den Dienst in unserer Kirche nicht mehr in Frage kommt. An dieser Stelle sei an die ernsten Schwierigkeiten erinnert, die für die Kirche aus den Verhältnissen an der Zonengrenze sich ergeben5. Wir haben als Kirche die persönlichen Nöte unserer aus der Grenzzone ausgewiesenen Gemeindeglieder, unter denen sich auch zwei Pfarrer6 und eine Anzahl von Kirchenältesten befanden, mitgetragen. Wir haben es bis auf den heutigen Tag mit ansehen müssen, daß die kirchliche Versorgung der in der Grenzzone liegenden meist vakanten Gemeinden völlig unzulänglich war, ja, daß in dem 500-Meter Streifen an der Grenze seit nunmehr 9 Monaten keine Gottesdienste stattfinden dürfen. Daß am 1. Weihnachtstage und jetzt wieder zu Karfreitag und Ostern Gottesdienste gestattet wurden, ist wohl erfreulich gewesen, kann uns aber nicht der Pflicht entheben, immer wieder auch für unsere Gemeinden an der Grenze das von der Verfassung garantierte Recht der freien Religionsausübung geltend zu machen. Erwähnt sei hierbei, daß im Bezirk Erfurt alle diese Beschränkungen viel weniger streng als in den anderen Bezirken durchgeführt werden. 3 ELBINGERODE 1952. 4 DDR-Behörden verweigerten die Ausreisegenehmigungen für die 20.000 Teilnehmer aus der DDR zum Kirchentag in Stuttgart (27.–31.8.1952). Vgl. KJ 79, 1952, S. 54. D. PALM, „Wir sind doch Brüder!“, S. 142–147. 5 Zu der im Juni 1952 erfolgten Absperrung der Grenze und die in diesem Zusammenhang formulierten Schreiben des Bischofs und der KL vgl. KJ 79, 1952, S. 184–194. Zur Gesamtsituation vgl. I. BENNEWITZ/R. POTRATZ, Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze. 6 AKPS, Rep. B 1, Nr. 36. In der Rv Nr. 558/52 betr. Namentliche Fürbitte vom 9.7.1952 werden die ausgewiesenen Pfarrer Wilhelm Bury (Hessen), Konrad Heckel (Osterwieck) und weiterhin 3 Katecheten, 10 Älteste und 1 Rendant der Fürbitte anempfohlen.
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Propst Verwiebe konnte eine Visitationsreise durch alle Grenzgemeinden seines Bezirkes durchführen, während ich selbst in keinem einzigen Falle die Genehmigung zum Besuch einer Grenzgemeinde erhalten habe7. Im Bezirk Erfurt wurde auch für eine Grenzgemeinde die Zuzugsgenehmigung für einen Pfarrer erteilt, während im Bezirk Magdeburg in keinem Falle ein nicht in der Grenzzone wohnender Pfarrer auch nur einen Passierschein für die Abhaltung von Gottesdiensten bekommen hat, außer dort, wo der außerhalb der Grenzzone wohnende Pfarrer für seine in der Grenzzone liegende Filialgemeinden ihn erhalten hat. Erwähnt sei dabei, daß von diesen Grenzzonenbestimmungen auch das Pastoral-Kolleg in Ilsenburg8 in verhängnisvoller Weise betroffen ist. Seit Mitte des vorigen Jahres haben die regelmäßigen Pastoral-Kollegs, die für unsere Kirche und die Weiterbildung unserer Pastoren ja von besonderer Bedeutung ist, aufhören müssen. Wir haben nur eine Notunterkunft jetzt im Cäcilienstift in Halberstadt erreichen können. Aber das ist nur eine Notunterkunft und wir können nur immer wieder die staatlichen Behörden dringend bitten, daß sie den Besuch der Pastoralkollegs für die Pfarrer [. . .]9. c) Die ernsteste Spannung zwischen Staat und Kirche wird mit dem Wort „Junge Gemeinde“ bezeichnet10. Daß ein solcher Kampf gegen 7 AKPS, Rep. B 1, Nr. 205. In einem fünfseitigen Visitationsbericht vom 25.3.1953 informiert Propst Verwiebe den Bischof kurz über seine Besuchsreise vom 1.–15. März des Jahres durch alle Kirchengemeinden der Sperrzone. Zu den visiterten Gemeinden gehörten Blankenberg, Sparnberg, Gefell, Blintendorf, das Michaelstift, Großburschla, Schnellmannshausen, Falken und Treffurt. Insgesamt zog der Propst ein positives Fazit: „Im Ganzen sehe ich mit viel Dankbarkeit auf den Besuchsdienst in den Gemeinden der Sperrzone zurück. Ich bin bewegt von der grossen Liebe, mit der ich in allen Gemeinden aufgenommen wurde und von dem bis in letzte Tiefen gehenden Gesprächen [. . .]“. 8 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 1745. Das Stift in Ilsenburg wurde von der Ev. Kirche der KPS und der Ev. Kirche der APU gemeinsam als Freizeitheim genutzt. Im Stift waren die Evangelische Forschungsakademie der Ev. Kirche der APU unter der Leitung von Dr. Albrecht Volkmann, das Pastoralkolleg der KPS unter Rektor Wilhelm v. Rohden und der Landessingewart Alfred Stier beheimatet. Seit Mitte 1952 mussten die Kurse des Pastoralkollegs an verschiedenen Orten der Kirchenprovinz abgehalten werden, weil allen von der KL eingeladenen Pfarrern die Einreiseerlaubnis und teilweise den Dozenten die Zuzugserlaubnis polizeilich verweigert wurde (vgl. unten Dokument 11, S. 122). Erst im April 1960 konnte in den Gnadauer Anstalten ein neuer fester Standort für das Pastoralkolleg gefunden werden. (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 1747). 9 Satzende fehlt in der Kopie des Bischofsberichts. 10 Zu den Angriffen des Staates auf die Jungen Gemeinden vgl. KJ 80, 1953, S. 131 ff. Zur Gesamtsituation der Angriffe gegen die Junge Gemeinde vgl. jetzt E. UEBERSCHÄR, Junge Gemeinde, S. 191–199; F. DORGERLOH, Junge Gemeinde in der DDR, S. 60–82; M. G. GOERNER, Kirche als Problem der SED, S. 92–105.
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die Junge Gemeinde bevorstand, haben wir seit Jahren gefühlt. Voll zum Ausbruch gekommen ist er seit der Rede, die Walter Ulbricht auf dem Jugendparlament in Leipzig zu Pfingsten 1952 gehalten hat11. Ich habe auf einer ganzen Reihe von Propsteikirchentagen in Naumburg, Nordhausen, Stendal und Quedlinburg darüber gesprochen12. Ich habe dabei immer gesagt, daß ich wohl in der Lage sei, ein Verständnis dafür aufzubringen, daß ein totalitärer Staat die heranwachsende Jugend gern allein in der Hand hat und es nicht dulden will, daß diese Jugend noch anderen Einflüssen sich unterstellt, besonders, wenn diese Einflüsse unvereinbar mit den Erziehungsgrundsätzen des Staates sind. Wir haben das in der Zeit des Nationalsozialismus genau in der gleichen Weise und mit den gleichen Methoden schon einmal erlebt. Aber ich habe auf den Propsteikirchentagen auch hinzugefügt, daß die immer wieder vorgebrachte Begründung des Kampfes gegen die Junge Gemeinde, als ob diese eine Organisation sei, die im Dienste westlicher Agenten stehe und die Grundlagen unserer Demokratie zu untergraben sich zur Aufgabe gesetzt hätte, unwahr und lächerlich sei, und daß ich nur annehmen könne, daß die Urheber und Verbreiter dieser Behauptungen selbst nicht daran glaubten. Ich kann heute nicht alle die einzelnen Geschehnisse, die sich vor allem innerhalb des letzten Jahres auf diesem Gebiet zugetragen haben, all den in den Oberschulen geübten Gewissensterror, all’ die Behinderungen und Verbote der Zusammenkünfte unserer Jungen Gemeinde, auch Tagungen und Rüstzeiten, im einzelnen darlegen. Nur von einem muß ich sprechen, worin innerhalb unserer Provinzialkirche dieser Kampf jetzt seinen Höhepunkt gefunden hat, von der Beschlagnahme des Schlosses Mansfeld13, in dem der Staat die Hochburg der Jungen Gemeinde sah. Schloß Mansfeld ist in dem Jahre 1947 durch einstimmigen Beschluß des Landtages Sachsen-Anhalt unserer Provinzialkirche für 80 Jahre zum Nießbrauch überlassen
11 IV. PARLAMENT DER FDJ, S. 240. In dieser Rede sprach Ulbricht bereits von der „sogenannten Jungen Gemeinde“ und davon, dass sich „Agenten als Vertreter einer christlichen Bewegung“ getarnt haben und dass es die Wachsamkeit gebiete, „diese Verbindungsstellen der Agenten innerhalb unserer Schulen und Hochschulen, in den Betrieben usw. zu liquidieren“. 12 Schreiben des Bischofs an die Gemeinden zur Notzeit der Kirche vom 17.3.1953 in: G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 333–335; KJ 1953, S. 159–163. 13 Die Sondernummer der „JUNGEN WELT“ mit dem Titel: „ ‚Junge Gemeinde‘ – Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage“ vom 1.4.1953 beleuchtet deutlich genug die Schärfe der antikirchlichen Agitation. Darin auch die Angriffe gegen Johannes Hamel und zum Schloss Mansfeld. Text: KJ 1953, S. 132–137. Zu Schloss Mansfeld vgl. H. SCHMID, Himmelreich, S. 34–38. Dokumentation im AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 1734.
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worden. Die Kirchenleitung hat dem Jungmännerwerk unserer Kirche Schloß Mansfeld übergeben. Seit 6 Jahren ist dieses auf stolzer Höhe liegende, das Heimatstädtchen Martin Luthers weit überragende Schloß der Sitz einer für unsere Kirche besonders wertvollen und erfolgreichen Arbeit gewesen. Hier fanden zu Pfingsten die Zusammenkünfte von Jugendlichen aus allen unseren Kirchenkreisen statt, die wir scherzhaft Jugendsynoden zu nennen pflegten. Hier fanden am laufenden Bande Rüstzeiten der Jugend statt. Hier wurden in den letzten Jahren junge Menschen in dem vordiakonischen Martin-Luther-Seminar zum späteren Dienst in der Kirche vorgebildet. Schon seit längerer Zeit war es deutlich, daß gegen Schloß Mansfeld ein entscheidender Schlag geplant sei. Während noch im vorigen Sommer in dem Propagandaheft der „Christlichen Arbeitskreise für den Frieden“ auf der der Arbeit der Jungen Gemeinde gewidmeten Seite Schloß Mansfeld abgebildet war und mit der Tatsache, daß dieses Schloß vom Staate der Kirche zur Verfügung gestellt sei, begründet wurde, daß unsere Deutsche Demokratische Republik in großzügiger Weise die Arbeit der Jungen Gemeinde unterstütze, erschien am 12. Februar im „Bauernecho“, dem Organ der Bauernpartei, ein Bild des Schlosses Mansfeld unter der Überschrift: „Schloß Mansfeld ein Heim der Werktätigen“, mit einem Artikel, der zwar eingehend die Geschichte des Schlosses schilderte, aber mit keinem Worte die Tatsache berührte, daß das Schloß jetzt im Eigentum der Kirche stehe. Da auch andere Symptome darauf hinwiesen, daß ein Schlag gegen Schloß Mansfeld geplant sei, habe ich am 28. Februar den Stellvertreter des Vorsitzenden des Bezirksrates Halle aufgesucht und habe ihn darauf aufmerksam gemacht und ihn gebeten, daß die Kirchenleitung die dringliche Bitte habe, nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, sondern vorher über etwa beabsichtigte Schritte unterrichtet zu werden. Bereits wenige Tage später wurde Schloß Mansfeld vom Sicherheitsdienst besetzt. Der nach Fortgang des Diakons Reschke von der Kirchenleitung mit der Leitung von Mansfeld betraute Landesjugendwart Hoffmann wurde verhaftet14 und ist seitdem in Haft, ebenso der Diakon Potrafke, der im Martin-Luther-Proseminar mitarbeitete. Vier andere jugendliche Bewohner des Hauses werden seitdem in Hausarrest gehalten. Alle unsere Bemühungen, etwas über die Gründe des staatlichen Vorge14 Am 5.3.1953 wurde das Schloss von Beauftragten des Staatssicherheitsdienstes besetzt, Diakon Fritz Hoffmann, seit 1.3.1953 Leiter des Schlosses, wurde am 8.3. verhaftet – erst am 11.7.1953 wurde er entlassen. Diakon Gerhard Potrafke wurde am 4.3.1953 verhaftet. Fritz Hoffmann hat diese Vorgänge dargestellt in: „Die Kirche“ (Ausg. Magdeburg) 13.6.1993, S. 6.
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hens gegen Schloß Mansfeld zu erfahren, schlugen fehl. Am Freitag, den 10. April, teilte das Allgemeine Deutsche Nachrichtenbüro (ADN) mit, daß Schloß Mansfeld in ein Erholungsheim für Werktätige umgewandelt und der Kirche entzogen sei. Nichts war uns vorher darüber bekanntgegeben15. Nachträglich bat mich der Rat des Kreises Hettstedt um eine Unterredung über die Angelegenheit, die vorgestern stattgefunden hat. Darin suchte er die von ihm ausgesprochene Umgestaltung des Schlosses Mansfeld zu einem Erholungsheim für Werktätige durch Vorlegung eines Materials zu rechtfertigen, das er wohl für überwältigend ansah, das wir aber nur als ausgesprochen dürftig bezeichnen können16. Ich kann in der Fortnahme des Schosses Mansfeld nur eine längst geplante und gegen die Junge Gemeinde sich richtende Gewaltmaßnahme sehen. Ich halte es für notwendig, daß die Synode gegen diese Maßnahme Einspruch erhebt17. Ich behalte mir vor, in einem Ausschuß der Synode Näheres über die Unterredung mitzuteilen. 15 In der „Volksstimme“ vom 14.4.1953 erschien folgende ADN-Meldung: „Schloß Mansfeld, das staatliches Eigentum ist, war von dem entlarvten und verurteilten britischen Agenten Brundert entgegen den gesetzlichen Bestimmungen einer kirchlichen Stelle zur Benutzung übergeben worden. Diese hat das Schloß Kreisen überlassen, die es für staatsfeindliche Zwecke ausnutzten. Sie entfalteten dort nicht nur eine feindliche Tätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik, sondern beherbergten Elemente, die sich im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik illegal aufhielten. In Übereinstimmung mit den Wünschen der Bevölkerung hat der Vorsitzende des Rates des Kreises Hettstedt bestimmt, daß das Schloß Mansfeld den Werktätigen des MansfeldKombinats ‚Wilhelm Pieck‘ als Erholungs- und Kulturstätte zur Verfügung gestellt wird.“ Entsprechende Meldungen in „Freiheit“/Halle, 10.4.1953; „Junge Welt“ 11. und 18.4.1953. (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 1734). 16 Bischof Ludolf Müller fuhr am 11.4.1953 zu einer Unterredung mit dem Vorsitzenden des RdK Hettstedt nach Hettstedt (Vermerk vhd.). – „Freiheit“ 20.4.1953: „Agentenschule der ‚Jungen Gemeinde‘ jetzt Erholungsheim der Mansfeldkumpel“. Ähnlich „Junge Welt“, 24.4.53. 17 Am 23. April 1953 richtete die KL eine Beschwerde an Ministerpräsident Grotewohl, die mit folgendem Satz beginnt: „Im Nachgang zu unseren an den Herrn Ministerpräsidenten gerichteten Eingaben vom 10. März –VII B IV 10/53 – und vom 7. April 1953 – VII B IV 10 15/53 – erheben wir entschiedenen Protest gegen den rechts- und verfassungswidrigen Gewaltakt, durch den der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen das ihr laut gesetzlicher Regelung zum Niessbrauch übergebene Schloss Mansfeld ohne vorheriges Gehör mit unhaltbarer Begründung entrissen worden ist.“ Die EKD leitete das Schreiben zugleich dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten Otto Nuschke zu. Am 24.8.1953 wurde Propst D. H. Grüber vom Chef der Regierungskanzlei Geyer mitgeteilt: „Der Herr Ministerpräsident hat auf die ihm vorgetragene Bitte entschieden, daß das Schloß Mansfeld wieder für kirchliche Zwecke zur Verfügung gestellt wird. Das Schloß kann kirchlicherseits sofort in Nutzung übernommen werden [. . .].“
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Mit dem Vorgehen gegen die Junge Gemeinde hängt auch der Kampf gegen die Studentengemeinde zusammen, der in der Verhaftung des Studentenpfarrers Hamel ihren Ausdruck fand18. Ich möchte an dieser Stelle es aussprechen, daß gerade Bruder Hamel es gewesen ist, der in feiner seelsorgerlicher Weise immer wieder auf die jungen und manchmal überschäumenden Menschen eingewirkt hat, daß es eines Christen nicht würdig sei, sich irgendwie auf eine Widerstandsbewegung einzulassen, also das Gegenteil von dem, was man ihm vorwirft, ist Tatsache, ist der unterzeichnete und nachher in einzelnen Fetzen in der Zeitung faksimilierte Brief geschrieben worden. d) Wie längst erwartet wurde, ist nunmehr auch der Kampf gegen die Innere Mission in vollem Gange. Denn das muß von vornherein ausgesprochen werden, daß der Hetz- und Lügenfeldzug gegen die Pfeifferschen Anstalten19, der vor allem von der „Jungen Welt“, dem Organ der Freien deutschen Jugend geführt wird, nicht der Beseitigung von Mißständen in den Anstalten gilt, sondern die Enteignung der Anstalten für den Staat zum Ziele hat und damit das Signal für den Kampf gegen die Innere Mission überhaupt bedeutet. Ich kann nicht den Gang der Angelegenheit im einzelnen darstellen. Nur folgendes sei gesagt: Die Angelegenheit nahm damit ihren Anfang, daß eines Abends gegen 22.15 Uhr mit dem in die Anstalten zurückkehrenden Jugendlichen, die an einer FdJ-Versammlung teilgenommen hatten, auch mehrere Führer der FdJ aus Berlin in das Lehrlingsheim eindrangen und dort Bilder politischer Persönlichkeiten und eine Fahne aufhingen und einem der Jungen ein Gewehr übergaben. Gegen diesen Hausfriedensbruch erhob der Vorstand der Anstalten bei der Bezirksleitung der FdJ Einspruch. Am 16. März hat dann auch die Kirchenleitung in einem Brief an den Zentralrat der FdJ Einspruch erhoben, der von mir unterzeichnet wurde. Am 18. März erschien dann in der Jungen Welt ein Artikel20, der sich in grob entstellender und 18 Vgl. Sondernummer der „Jungen Welt“, s. oben Anm. 13. Zur Inhaftierung von Johannes Hamel: A. GURSKY, Vorgang „Riga“; U. SCHRÖTER, Kampf des MfS; A. THULIN, Durch Verhaftung . . . das Handwerk legen. Johannes Hamel ist am 12.2.1953 verhaftet und erst am 10.7.1953 wieder entlassen worden. 19 Vgl. unten Anm. 20. Zur Beschlagnahme der Pfeifferschen Stiftungen u. des Schlosses Mansfeld vgl. KJ 80, 1953, S. 145 f.; J.-C. KAISER, Der staatliche Zugriff, S. 129–154. 20 Die „Junge Welt“ publizierte im März 1953 eine „Sonderausgabe für Magdeburg“/Extrablatt mit dem Titel: „Was geschah in den Pfeifferschen Stiftungen?“ Darin: „Herr Bischof Müller deckt die Zustände in den Pfeifferschen Stiftungen. Auch für Bischöfe gelten die Gesetze unserer Republik. Herr Hofmann, Herr Büchsel und der ‚Hausfriedensbruch‘. Sonderbare Auffassungen von ‚christlicher Nächstenliebe‘/Die Pfeifferschen Stiftungen gehören in die Hände des Staates“. Der Vorsteher der Pfeifferschen Stiftungen Otto RÖSSIG hat 2002 eine Darstellung der Vorgänge publiziert: Pfeiffer-Info. Zeitung der Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg-Cracau. Sonderausgabe. 12 S.
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verallgemeinernder Weise mit gewissen Vorgängen im Lehrlingsheim beschäftigte. Alles war unglaublich aufgebauscht. Wenige Tage später erschien dann ein zweiter Artikel mit der Überschrift: „Herr Bischof Müller und die Mißhandlung wehrloser Jugendlicher“. Die ganze Verlogenheit dieses Artikels ergibt sich aus der Tatsache, daß der Artikel über angebliche Mißhandlungen Jugendlicher am 18. März erschienen war und nun die Behauptung aufgestellt wurde, daß mein Brief vom 16. März die vorgekommenen Unmenschlichkeiten zu dekken versuchte, während ich am 16. März ja wohl noch nicht wissen konnte, was die „Junge Welt“ am 18. März veröffentlichen würde. Am 30. März hallten die Straßen von Magdeburg wider von einer wüsten Hetze gegen die Pfeifferschen Anstalten, die Junge Gemeinde und die Kirchenleitung. Wagen mit Lautsprechern fuhren durch die Straßen. Auf den Straßen wurden in marktschreierischer Weise Extraausgaben der „Jungen Welt“ verkauft, in denen alle Artikel der Jungen Welt über die Pfeifferschen Anstalten zusammengestellt waren. In fast allen Schulen veranstaltete die FdJ in den einzelnen Klassen oder in den Aulen Aufklärungsveranstaltungen für die Schüler, in denen vorbereitete Resolutionen angenommen werden mußten, die alle darauf hinausliefen, daß die Pfeifferschen Anstalten verstaatlicht werden müßten, und daß die, die die Zustände in den Anstalten deckten und duldeten (Bischof Müller, Konsistorialpräsident Hofmann und Konsistorialrat Büchsel; Ich bitte zu entschuldigen, wenn ich mich zuerst genannt habe, aber in den Zeitungen stehe ich zuerst), entsprechend den Gesetzen unserer Republik zur Verantwortung gezogen werden müßten21. Die kirchliche Bevölkerung Magdeburgs, die alle diese Vorgänge mit Empörung und Besorgnis beobachtete, wurde in kirchlichen Gemeindeversammlungen, die in allen Kirchen Magdeburgs stattfanden, und in denen Mitglieder des Konsistoriums referierten, über die wahren Vorgänge aufgeklärt. Die Kirchen waren z. T. überfüllt. Hinzugefügt mag werden, daß die mehr als 120 Schwestern des Evangelischen Diakonievereins im Altstädtischen Krankenhaus in Magdeburg kurz vor dem 1. April ihre Tätigkeit eingestellt haben. e) Große Unruhe haben in den letzten Monaten polizeiliche Maßnahmen gebracht, die darauf hinausgingen, daß alle nicht in regelmäßiger Wiederholung stattfindenden kirchlichen Tagungen und Versammlungen anmeldepflichtig und großenteils auch genehmigungspflichtig
21 Aus den Pfeifferschen Stiftungen sind Diakon Günther Büdke am 20.3.1953, Schwester Irene Strubel am 22.3.1953 verhaftet worden. Die Freilassung von Irene Strubel erfolgte am 24.7., von Günther Büdke am 22.7.1953; in: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3544.
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seien, selbst wenn sie in gottesdienstlichen Rahmen verliefen und in kirchlichen Räumen abgehalten wurden. Nach der polizeilichen Verordnung über Anmeldung von Versammlungen vom März 195122 und nach der von der Polizei selbst geübten Praxis in den früheren Jahren war das eine durch keine Verordnung und kein Gesetz begründete Maßnahme. Vor allem wurden alle übergemeindlichen Verwaltungen, besonders der Jungen Gemeinde, davon betroffen. Offensichtlich ist das Ziel all’ dieser Maßnahmen, die Tätigkeit der Kirche im wesentlichen auf die Einzelgemeinde zu beschränken, wie das in der Sowjetunion schon längst geschieht. In zahlreichen Fällen sind gegen die Veranstalter der Tagungen polizeiliche Strafbefehle erfolgt. Ich selbst habe vor wenigen Tagen einen solchen Strafbefehl erhalten23, weil ich als Vorsitzender der Kirchenleitung Anweisung erteilt hatte, die Missionskonferenz in Halle24 trotz des politischen Verbots stattfinden zu lassen. f) Als letzter aber nicht unwesentlichster Punkt soll in diesem Zusammenhang die über große Teile unserer Gemeinden durch die wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung hereingebrochene Existenznot genannt werden. Ich brauche die Not der Großbauern, die von ihrer alt ererbten Scholle weggehen müssen und die Not des gewerblichen Mittelstandes in den Städten hier nicht im einzelnen zu schildern. Sie sind uns allen bekannt. Oder wollen wir fragen, was geht das die Kirche an? Das geht die Kirche an; nicht bloß, weil es sich hier um die Glieder unserer Gemeinde handelt, auch nicht deshalb weil die Kirche von ihrem Herrn gerufen ist, sich aller in Not befindlichen Menschen anzunehmen, sondern es geht sie an, weil sie
22 Verordnung über die Anmeldepflicht von Veranstaltungen vom 29.3.1951. In: GBL. DDR I, 1951, S. 231. Vgl. Anordnung des Ministers des Innern des Landes Thüringen vom 11.5.1949 zur Genehmigungs- und Anzeigepflicht kirchlicher Veranstaltungen. In: ABL. EKD (Berliner Stelle) 1949, S. 235. Vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3646. 23 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3437. Der Bischof erhielt eine vom 30.3.1953 datierende Strafverfügung der VPKA Magdeburg, weil er gegen die Verordnung über die Anmeldepflicht von Veranstaltungen vom 29.3.1951 (vgl. oben Anm. 22) verstoßen haben soll. Gegen die Strafverfügung und die damit verbundene Geldstrafe von 150,– DM reichte der Bischof am 11.4.53 Beschwerde ein, worin er u. a. die Anmeldepflicht der Missionskonferenz in Zweifel zieht. Aufgrund einer Besprechung zwischen Ministerpräsident Grotewohl und Vertretern der evangelischen Kirche ist die Strafverfügung mit Wirkung vom 17.7.1953 aufgehoben worden. Vgl. dazu auch: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3017. In einer Besprechung zwischen Bischof Müller, KonsR Dr. Hemprich vom 17.4.1953 erklärte der Vors. d. RdB Halle Bruschke, dass ihm von einer Strafverfügung gegen Bischof Müller nichts bekannt sei und er sie auch nicht veranlasst habe. 24 Die Missionskonferenz fand vom 8.–11.2.1953 statt.
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gerufen ist, ihr Wort gegen Unrecht und Gewalt zu erheben. Selbst die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik gibt der Kirche das Recht, zu allen Fragen des öffentlichen Lebens vom Evangelium her Stellung zu nehmen. Dies selbst vom Staate anerkannte und verbürgte Recht ist für die Kirche Pflicht. 4) Was ist von seiten der Kirche geschehen? Daß uns in den Sitzungen der Kirchenleitung alle diese Fragen unausgesetzt beschäftigt haben, ist selbstverständlich. Zahlreiche Eingaben sind von uns an die staatlichen Stellen gerichtet, z. T. von uns selbst aus, z. T. in Gemeinschaft mit den anderen Gliedkirchen der APU oder den in der Ostkirchenkonferenz vereinigten Evangelischen Kirchen der Deutschen Demokratischen Republik. Antworten haben wir selten bekommen. Und wenn wir auf die Eingabe an den Minister für Staatssicherheit in der Grenzzonenfrage eine Antwort bekamen, so waren sie ablehnend und bestritten z. T. der Kirche das Recht ihrer Stellungnahme. Ich scheue mich nicht, die Vergeblichkeit unserer Eingaben und die volle Ohnmacht der Kirche gegenüber der staatlichen Macht einzugestehen. Oder haben wir nicht doch noch etwas in die Waagschale zu werfen, was stärker ist als alle Macht der Welt? Ich meine ja. Wir haben das Recht, Fürbitte für alle uns bedrängende Not und für die in besonders harter Weise von der Not Betroffenen vor Gott zu bringen25.
25 Fürbittengebet des Bruderrates der EKD vom April 1953, vorgelegt der evangelischen Kirche in: KJ 80, 1953, S. 162 f. Zu den Verhaftungen vgl. weiter EBD., S. 163–168. Vgl. auch Schreiben des Vorsitzenden des Rates der EKD, D. Dr. Otto Dibelius, an die Regierung der DDR zu den Maßnahmen des Staatssicherheitsdienstes vom 26.6.1952. In: G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 289. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3544. Auf der EKD-Liste vom April 1953 stehen aus der KPS – neben früheren, im Ausgang unbekannten Fällen: Johannes Hamel (verh. am 12.2.53; entl. 10.7.53); Fritz Hoffmann (verh. 8.3.53; entl. 11.7.53); Prof. Kurt Aland (verh. 2.3.53); Johann Gerhard Schomerus (s. oben Dokument 8, Anm. 8, S. 98 u. unten Anm. 26). In die Liste neu aufgenommen wurden: Wilhelm Borchert (verh. 27.2.53) Mitgl. d. KL; Dipl.-Kaufmann Adalbert Gödecke/Völpke, Mitgl. d. Synode (verurt. 10.3.53 zu 5 Jahren Zuchthaus); Diakon Gerhard Potrafke/Neinstedt (verh. 4.3.53); Diakon Günther Büdtke/Magdeburg, Pfeiffersche Stiftungen (verh. 20.3.53); Schwester Irene Strubel/Magdeburg, Pfeiffersche Stiftungen (verh. 22.3.53). In einer Mitteilung als Umdruckverfügung A 304/53 vom 18.4.1953 wurden folgende Entlassungen bekanntgegeben: Irene Strubel (entl. 24.7.53); Günther Büdke (entl. 22.7.53); Kurt Aland (entl. 3.6.53). Hingegen wurden neu gemeldet: Erika Dettke, Propsteijugendleiterin/Naumburg (verh. 14.4.; verurt. 23.5. zu 5 J. Zuchthaus; entl. 1.11.53); Hilfsprediger Emmerich Schultz/Reinsdorf (verh. 3.5.53; entl. Juni 1953); Propst Helmut Schapper/Stendal (verh. 20.5.; entl. Juni 1953); Pfr. Martin Irgang/Stendal (verh. 20.5.53; entl. 10.6.53); Diakonisse Margret Karsten/Neinstedt (verh. 21.4.1953; entl. 13.6.53).
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Im Juni 1952 hat die Kirchenleitung beschlossen, die Gemeinden zu solcher Fürbitte aufzurufen und in den Gottesdiensten namentliche Fürbitte für ihre schwer angefochtenen Glieder zu tun. In der Pfarrerschaft hat diese Aufforderung der Kirchenleitung zu namentlicher Fürbitte am Anfang starke Ablehnung gefunden. Anfang August traten die Superintendenten unserer Kirche zur Beratung über diese Frage zusammen26. Die Beratungen der Superintendentenkonferenz bildeten die Grundlage für eine Änderung unseres Aufrufes zur namentlichen Fürbitte, in der vor allen Dingen gegenüber der ersten Fassung folgendes geändert war: a) Es wurde freigegeben, die Fürbitte statt nur im Gottesdienst auch in kleineren Kreisen der Gemeinde zu halten. b) Es wurde der Kreis derer, für die namentliche Fürbitte geleistet werden sollte, erweitert, sie sollte nicht nur für die von staatlichen Maßnahmen betroffenen Mitglieder unserer Kirchen, sondern auch für solche Personen gelten, denen in der Kirche besondere Aufgaben übertragen waren, oder die sich in besonderer Notlage befanden. Wir waren uns einig darüber, daß die Gemeinden allmählich zur Fürbitte erzogen werden müßten. Wieweit diese Erziehung in den zurückliegenden 8 Monaten bereits Erfolg gehabt hat, ist mir nicht bekannt. Ich muß aber an dieser Stelle aussprechen, daß gerade die Ereignisse der letzten Monate und Wochen jedem Pfarrer gezeigt haben sollten, wie not solche Fürbitte tut. [. . .]
26 AKPS, Rep. B 1, Nr. 36. Dort im Nachgang zur Rv A 548 II vom 7.6.1952 die Verfügung vom 7.7.1952: Handreichung für Betstunden (Bußandachten), an alle Pfarrer usw. versandt. In den Gebetsformulierungen dieser Handreichung sind schwere Vorwürfe gegen den Staat enthalten: „Vergib unserer Obrigkeit, dass sie im Ungehorsam gegen deine Heiligen Gebote regiert, Recht und Gerechtigkeit für nichts achtet und den Weg der Lüge und der Gewalt eingeschlagen hat“ (S. 7). Interventionen erfolgten von staatlicher Seite, aber auch von mehreren Superintendenten. Darauf antwortete die von Bischof L. Müller im Bericht skizzierte Klärung (Rv A-558/52 III vom 11.8.1952 (EBD.). Die namentliche Fürbitte war dringlich erbeten worden für Pfr. Johann Gerhard Schomerus/Kemberg, der vom Landgericht Dessau am 14.5.1952 zu 3½ Jahren Zuchthaus wegen Kriegs- und Boykotthetze verurteilt wurde. Zugleich ist aber zur Fürbitte aufgerufen worden für Pfarrer, Katecheten und Kirchenälteste, die aus dem Sperrgebiet ausgewiesen worden waren (Schreiben vom 9.7.1952, EBD.).
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10 Bericht von Bischof D. Ludolf Müller auf der 3. Tagung der II. Synode Stendal Domgemeinde, 3. Mai 1954 Fundort: AKPS, Rep. B 1, Nr. 114, S. 1–15, hier: S. 2–5 (masch.).
Schwerpunkt: Verhältnis zwischen Kirche und Staat nach dem Kommuniqué vom 10. Juni 1953; Fortbestehen von Schwierigkeiten Fünfzehn Kapitel ohne Überschrift. [Weitere Themen: Geistliches Wort. Arbeit der KL; Einführung des Evangelischen Kirchengesangbuchs; Entwurf der Agende; Entwurf der Lebensordnung; Stellung zur EKU; Personalsituation: Not der Vakanzen; theologischer Nachwuchs: Bedeutung der Proseminare der Kirche; Notwendigkeit des Ausbaus des KOS Naumburg; Profil der Vikariatsausbildung; Situation des Pfarrdienstes; Aufgaben der Verwaltung: Grundbesitz der Kirche, Gebäude, Orgeln und Glocken]. Anlagen zum Bericht: 1. Bericht über Kirchenmusik. 2. Besonderes Wort zur Predigerausbildung. 3. Katechetische Arbeit. 4. Innere Mission. 5. Bericht des Kirchlichen Bauamtes. 6. Personalangelegenheiten.
[. . .] 2. Einen breiten Raum nahmen in unseren Verhandlungen wie in unserer ganzen Tätigkeit (ich knüpfe da an den letzten Bericht im April 1953 an) die Besprechungen über die Lage zwischen Kirche und Staat ein. In den ersten Monaten des Berichtsjahres befanden wir uns ja noch im Kirchenkampfe, ja er erreichte jetzt erst in unserem Kirchengebiet mit den Maßnahmen gegen die junge Gemeinde und mit dem staatlichen Vorgehen gegen die Pfeifferschen Anstalten in Magdeburg-Cracau, gegen Neinstedt und Mansfeld seinen Höhepunkt1. Auch die Erörterungen über den Karfreitagshirtenbrief2, die der vorigen Synode ihr Gepräge gaben, gingen 1 Vgl. oben Dokument 9, S. 105–110, Punkt 3 c und d. 2 Abgedruckt in: KJ 80, 1953, S. 159 ff. Die Beschlagnahme der Neinstedter Anstalten erfolgte erst am 2. Mai 1953. Dementsprechend fehlt im Bericht von Bischof Müller bei
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weiter. In der Entschließung der Synode zum Hirtenbrief wurde ja der Bischof gebeten, in Gemeinschaft mit den Pröpsten die mit der Nichtverlesung des Hirtenbriefes offenbar gewordene ernste Beeinträchtigung der Bruderschaft und der gemeinsamen kirchlichen Ordnung in verantwortlichem seelsorgerlichen Gespräch zu überwinden. In Verfolg dieses Beschlusses der Synode fand am 28. April 1953 eine Superintendentenkonferenz3 statt, die sich in eingehender Aussprache mit allen um den Hirtenbrief entstandenen Fragen und Bedenken beschäftigte. Ich habe in einem Schreiben vom 1. Mai 19534 das Ergebnis unserer Verhandlungen zusammenzufassen versucht. Auf den Ephorenkonventen, in den Propsteien und auf den Pfarrkonventen, auch hier unter Hinzuziehung der Pröpste und der theologischen Dezernenten des Konsistoriums ist das Gespräch weitergeführt. Abschließend muß ich sagen, daß das Gespräch mit den Superintendenten und mit den Amtsbrüdern nicht zu einem vollen positiven Ergebnis geführt hat. Das ist bedauerlich, aber es lag ja wohl zum guten Teil daran, daß es mit dem 10. Juni seine Aktualität verloren hatte und dann einfach versandet ist. Ob es nicht doch gut wäre, wenn die hier aufgebrochenen Fragen gerade jetzt, wo sie aus der leidenschaftlichen aktuellen Sphäre herausgenommen sind, weiter durchdacht und zu einem guten Ende geführt würden.
3. Ich gehe auf die Kirchenkampfsituation, wie sie noch im April und Mai bestand, nicht weiter ein. Über den 10. Juni kann ich nur das Gleiche sagen, was Präses Scharf auf der Altpreußischen Synode im Dezember 19535 und Bischof Dibelius auf der Synode der EkiD im März 19546 in ihren Rechenschaftsberichten darüber gesagt haben. Der 10. Juni ist – man mag die Ursachen, die den Staat zu einem Einlenken bewogen haben, werten wie man will – für jeden Christen, der in den Monaten vorher zu Gott um Befreiung aus unserer Not gebetet hat – eine Gebetserhörung
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der Synodaltagung am 12. April 1953 noch ein Hinweis auf Neinstedt. Am 15. Juni 1953 erfolgte die Rückgabe an die kirchliche Leitung. In Neinstedt war am 21.4.1953 die Diakonisse Margret Karsten verhaftet worden; ihre Entlassung erfolgte am 13.6.1953 (vgl. Dokument 9, Anm. 25, S. 112). Zu diesen Vorgängen vgl. H. FUHRMANN, „40 Tage in der Wüste“. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3552. Der Konvent fand von 11–17 Uhr im Diakonissen-Mutterhaus in Halle statt. EBD. VERHANDLUNGEN APU 1953, S. 24 ff. BERLIN-SPANDAU 1954, S. 20 ff.
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und ein Gotteswunder gewesen7. Die Zusagen, die zuerst am 10. Juni mündlich gegeben waren, und dann in dem Communiqué vom 11. Juni veröffentlicht wurden, sind gehalten worden: Der Kampf gegen die junge Gemeinde wurde eingestellt. Die Anstalten der Inneren Mission wurden zurückgegeben. Auch Schloß Mansfeld, das zunächst von der Zurückgabe an die Kirche ausgenommen wurde, ist wieder zurückgegeben. Die verhafteten Amtsträger – ich nenne von ihnen nur die beiden Mitglieder unserer Kirchenleitung, Propst Schapper und Bauer Borchert, sowie den Studentenpfarrer Hamel und den Landesjugendwart Hoffmann – wurden aus der Haft entlassen8. Gewisse Erleichterungen gab es für Landwirtschaft und Gewerbe. Von den Pfarrern, die das Gebiet der DDR verlassen hatten und die im Vertrauen auf die Zusicherung der Regierung von der Kirchenleitung zurückgerufen wurden, machten leider nur zwei, unser Con-Synodaler, Superintendent Beberstedt, und Pfarrer Schlund, von der Möglichkeit der Rückkehr Gebrauch. Sie stehen im wesentlichen unangefochten seitdem wieder in der Arbeit in ihren Gemeinden. Die jetzige Lage ist m. E. dadurch gekennzeichnet, daß man von staatlicher Seite sich bemüht, in loyaler Weise auftretende Spannungen zu beseitigen. Doch darf nicht verkannt werden, daß mancherlei Anzeichen auf eine neuerliche Verschärfung der Lage hindeuten. Ich denke dabei an die Verhaftung und kürzliche Verurteilung der Pfarrer Hagendorf in Seyda und Schulz in Halle zu schweren Zuchthausstrafen9. Die in diesem Zusammenhang auftauchenden Fragen (Stellung der Kirche zu einer Widerstandsbewegung, Pflicht seelsorgerlicher Verschwiegenheit usw.) müssen noch gründlich durchdacht werden. Jedenfalls wollen wir auch von Synode und Kirchenleitung her der betroffenen Brüder und ihrer Familien in
7 KJ 1953, S. 178–180. Für die Kirche unerwartet hatte Ministerpräsident Grotewohl Bischöfe der Evangelischen Kirchen in der DDR zu einem Gespräch eingeladen, über das ein Kommuniqué in der Presse veröffentlicht wurde. Darin wurde betont, dass die Beziehung zwischen dem Staat und den Kirchen auf der Basis der Verfassung zu gestalten seien; Maßnahmen gegen die Junge Gemeinde wurden zurückgenommen, die relegierten Schüler sollten wieder aufgenommen werden. Auch die beschlagnahmten diakonischen Einrichtungen seien zurückzugeben. Eine Reihe weiterer Repressalien gegen die kirchliche Arbeit wurden aufgehoben. Vgl. u. a. M. WILKE, SED-Kirchenpolitik; G. KÖHLER (Hg.), Pontifex, nicht Partisan, S. 11–126. 8 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Müller auf der 2. Tagung der II. Synode am 13.4.1953, Punkt 3 c (Dokument 9, S. 105–111). 9 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 6344, Darin: Nr. 46 (Hagendorf) u. Nr. 50 (Schulz). Hagendorf wurde am 11.9.1953 verhaftet und nach neunmonatiger Untersuchungshaft zu 2½ Jahren Zuchthausstrafe wegen Boykotthetze verurteilt. Am 29.10.1954 erfolgte die vorzeitige Entlassung aus der Haft. Die Verhaftung Schulz’ fand in der Nacht vom 12. zum 13.9.1953 statt. Er wurde zu 3 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt und am 26.6.1956 aus der Haft entlassen. Beide Pfarrer siedelten nach ihrer Haftentlassung in die Bundesrepublik Deutschland über.
Bischof D. Ludolf Müller, 3. Mai 1954
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treuer Fürbitte gedenken. Nach wie vor ist trotz einer inzwischen getroffenen Vereinbarung Möglichkeit der Durchführung der Gefängnisseelsorge noch weithin unbefriedigend. Besonders beschwert uns die Tatsache, daß wir zu den Untersuchungshaftanstalten keinerlei Zutritt bekommen. Die Bahnhofsmission ist auch in unserem Kirchengebiet noch nicht überall von den Behinderungen frei geworden, denen sie vor dem 10. Juni allgemein ausgesetzt war. Besonders ist es beschwerlich, daß die Frage der Anmeldung von kirchlichen Veranstaltungen immer noch nicht befriedigend geklärt ist. So ist es für uns sehr beschwerlich gewesen, daß auch in diesem Jahre die Abhaltung der Missionskonferenz in Halle verboten wurde. Auch deuten mancherlei Anzeichen darauf hin, daß für Kinder unserer Pfarrer und sonst aus ernst christlich gesinnten Familien die Aufnahme in die Oberschule auch bei guten und sogar hervorragenden Leistungen der Kinder fraglich geworden ist. Die ernsteste Frage, nämlich die konsequente Erziehung unserer gesamten Jugend in der Ideologie des Marxismus, ist durch den 10. Juni in keiner Weise gelöst und besteht in ihrer für die Kirche unerträglichen Schwere weiter. In der Besprechung am 10. Juni hat Ministerpräsident Grotewohl ausdrücklich ausgesprochen, daß für unsere Kinder kein Zwang zu einer inneren Annahme des Marxismus bestehe und daß der Freien Deutschen Jugend innerhalb der Schule kein Weisungsrecht zustehe. Aber die in unseren Schulen geübte Praxis entspricht dem keineswegs. Am beschwerlichsten für die Kirche ist das Fortbestehen des Verbotes von Gottesdiensten im 500-Meter-Schutzstreifen10. Gewiß sind im Laufe des letzten Jahres auch hier manche Erleichterungen eingetreten. Aber daß überhaupt ein solches Verbot bestehen und nun bereits 2 Jahre hindurch in einer Anzahl unserer Gemeinden im Grenzgebiet durchgeführt werden kann, ist nicht zu begreifen. Wir haben erst vor wenigen Tagen in der Kirchenleitung darüber beraten, ob wir nicht, wie eine andere Kirchenleitung es getan hat, an unsere Gemeinden und Pfarrer in der Sperrzone Anweisung erteilen sollen, den sonntäglichen Gottesdienst zu halten. Wir haben uns dazu nicht entschließen können, aber ich halte es für nötig, daß die Synode in einer Entschließung die ernste Forderung an die staatlichen Stellen richtet, nun endlich die unverständliche und verfassungswidrige Beeinträchtigung des gottesdienstlichen Lebens in der Sperrzone zu beendigen. Dabei muß vor allem darauf hingewiesen werden, daß wir durch die Verweigerung einer Einreisegenehmigung seit fast 2 Jahren genötigt sind, das Pastoralkolleg in Ilsenburg in verschiedene andere Orte zu verlagern. Wie stark dadurch die Stetigkeit der Arbeit beeinträchtigt wird, leuchtet ein. 10 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Müller auf der 2. Tagung der II. Synode am 13.4.1953, Punkt 3 b (Dokument 9, S. 104 f.); G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 258 ff.
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Besprechungen mit leitenden staatlichen Stellen haben wir im vergangenen Jahr nur selten gehabt. Wo sie gehalten wurden, geschah das in freundschaftlicher Atmosphäre. Dagegen haben sich mehrere Bezirksleitungen der CDU seit der Beendigung des Kirchenkampfes bemüht, mit der Kirchenleitung in Fühlung zu kommen. Auch die CDU-Presse hatte während des Kirchenkampfes die gegen die Kirche gemachten Vorwürfe übernommen und zeitweise schien es so, als ob gerade die CDU Anweisung erhalten hätte, den Kampf gegen die Kirche oder wenigstens die Kirchenleitungen zu führen. Jetzt legte man Wert auf persönliche Berührungen. Am 23. November fand in Salzelmen ein Gespräch zwischen etwa 15 Vertretern der CDU und ebenso vielen von der Kirchenleitung eingeladenen Vertretern der Kirche statt11, in dem das Verhältnis zwischen CDU und Kirche und zwischen CDU und Marxismus anhand der Meißner Thesen grundsätzlich besprochen wurde. Ein gleiches Gespräch, das für den Bezirk Halle angeregt war, ist nicht zustande gekommen. Abschließend möchte ich heute feststellen, daß die Kirche es nach wie vor ablehnen muß, sich für Zwecke staatlicher Propaganda mißbrauchen zu lassen und daß sie deshalb auch weder zur Friedensbewegung im allgemeinen noch zu der jetzt aktuellen Frage der Atom- und Wasserstoffbombe öffentliche Erklärungen abzugeben hat. Ich lehne jedenfalls öffentliche Erklärung dazu ab, weil ich das nicht für eine Aufgabe der Kirche ansehe. Wohl aber ist es Aufgabe der Kirche, der Haßgesinnung vom Evangelium aus entgegen zu treten. Als ich am Karfreitag den Rundfunkgottesdienst bei der kirchlichen Morgenfeier des Senders Berlin III halten sollte, wurde in meinem Predigtkonzept der Satz beanstandet: „Wir müßten nicht erlebt haben, wie der Haß unter den Menschen und Völkern sein zerstörendes Werk tut.“ Es wurde mir noch am Tage vor dem Karfreitag klar bedeutet, daß die ganze Sendung ausfallen müsse, wenn ich mich nicht zu einer Streichung dieses Satzes verstehen würde. Das ist bezeichnend. Solange der Haß heilig gesprochen wird, sehe ich mich nicht in der Lage, ein Wort über die Atombomben zu sprechen, weil ich der Meinung bin, daß diese erst dann gefährlich werden, wenn der Haß und eine sich von Gottes heiligem Gebot emanzipierende Verantwortungslosigkeit sie in die Hand nehmen. [. . .]
11 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3563. Am Gespräch im Julius-Schniewind-Haus nahmen 5 Mitglieder der KL bzw. des Konsistoriums, 19 Superintendenten und Pfarrer, 27 CDU-Mitglieder und Franz-Reinhold Hildebrandt (Präsident der Kirchenkanzlei der EKU) teil (vgl. handschriftlich erstellte Anwesenheitsliste). Laut Vermerk zur Unterredung handelte es sich um „kein echtes Gespräch, sondern [um] eine Diskussion im marxistischen Sinne“. Daher sah die KL nur einen Sinn in einer weiteren Aussprache zwischen Kirchenvertretern und der Parteileitung der CDU, wenn sich diese „um konkrete Fragen bewegt und im engsten Kreis“ stattfindet.
BischofD.LudolfMüller,13.–14.Juni1955 BerichteundBeschlüsse
11 Bericht von Bischof D. Ludolf Müller auf der 4. Tagung der II. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 13.–14. Juni 1955 Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 87, S. 1–26, hier: S. 18–22 (masch.).
Schwerpunkt: Verhältnis von Kirche und Staat (Kriegsdienstverweigerung, kirchliches Leben in den Sperrzonen, Jugendweihe, Verhaftung und Verurteilung zahlreicher Pfarrer) Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Personalsituation: Pfarrstellenbesetzung und Freigabeanträge; Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Pfarrer; Diakonie; Innere Mission; Bau- und Finanzsituation; Ostkirchenkonferenz; Weltkirchenkonferenz; Katecheten; Übergemeindliche Veranstaltungen; Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Einrichtungen; Kirchen- bzw. Amtsblatt].
[. . .] Ich hatte der ersten Not gedacht, nämlich unserem Mangel an Mitarbeitern, und hätte da gern noch hinzugefügt, daß auch andere Nöte bestehen, die aus der finanziellen Lage der Kirche erwachsen, die Nöte, die unsere Gemeinden auf Schritt und Tritt spüren in der Frage des finanziellen Aufkommens in der Gemeinde, und in der Gesamtkirche, in der Frage der Pächte und des Pachtackers. Wenn ich aus einem Bericht lesen muß, daß in unserer Provinzialkirche festgestellt wird, daß 4.000 Morgen kirchlichen Ackers z. Zt. unbewirtschaftet sind, das ist dann allerdings eine ganz ernste Frage. Das ist nicht geschehen, weil man sich nicht darum kümmert, ob etwas daraus wird. Unsere Gemeinden sind sich der Verantwortung wohl bewußt, die sie dem Volksganzen gegenüber haben. Aber sie kennen ja alle die Lage, die dazu führt, daß die einst so viel begehrten Kirch- und Pfarräcker jetzt unbenutzt liegen bleiben und von denen, die sie schon jahrzehntelang in Pacht haben, der Kirche zurückgegeben werden. Aber ich will heute alle diese Fragen beiseite lassen, hauptsächlich die finanziellen Fragen, Kirchensteuern und Besoldung, die noch genügend zur Sprache kommen werden, und will mich auf die Fragen beschränken, die das Verhältnis von Staat und Kirche angehen.
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Wie gern hätte ich es gesehen, wenn ich das alles weglassen könnte bei diesem Rechenschaftsbericht, den ich der Synode zu geben habe. Wir haben vor zwei Jahren den 10. Juni erlebt und geglaubt, nun ist alles gut1. Aber das kann ich nicht und es kann niemals so sein. Gerade wenn wir an die Synode von Espelkamp2 zurückdenken, haben wir sehr viel gesprochen über die öffentliche Verantwortung, die Christen alle Zeit tragen. Wir können nicht in Ehrbarkeit und Gottseligkeit die Dinge dieser Welt liegen und gehen lassen wie sie wollen, sondern wir fühlen uns als Christen berufen, zu diesen Dingen der Welt ein Wort zu sagen. Das habe ich schon gestern gesagt. Überall dort, wo Unrecht geschieht und Gewissen angefochten werden, müssen wir sprechen. Darum sind wir auch im Laufe dieses letzten Jahres zu den Männern der Regierung des Staates gegangen, zu den Vorsitzenden der Bezirksräte, zu den Bezirksfriedensräten, zu den Männern des Staates in besonderen Augenblicken der Wahl. Wir sind dahin gegangen, obwohl es uns nicht ganz leicht wurde. Und wir haben, wenn wir Besprechungen gehabt haben, uns leidenschaftlich dagegen gewehrt, wenn man uns sagte, das geht euch nichts an. Das hat man gesagt. Man hat uns zum Vorwurf gemacht, daß wir uns in Briefen an die Regierung gewandt haben und Abschriften von Briefen an unsere Pfarrer geschickt haben. Wir können uns nicht damit abfinden, daß man mit Befriedigung zwar feststellt und jede Stimme registriert wird, die aus dem Westen kommt, hier auch in unserer Presse, aber daß wir dann hören sollen, daß wir hier im Osten nicht auch unser Wort, wenn auch vielleicht anders, als sie es im Westen erheben, hier sagen. Wir haben gerade in einer Besprechung, die wir vor ganz kurzer Zeit beim Bezirksfriedensrat hatten, auch die Frage gestellt, die man im Westen stellt, wie es denn mit der Kriegsdienstverweigerung steht3. Und auch hier ist es so, daß jede Stimme aus dem Westen, die die Bevölkerung zur Kriegsdienstverweigerung aufruft, mit Befriedigung festgestellt wird, daß wir aber die Empfindung haben, als ob es als ein Verbrechen gegen Staat und als Verrat angesehen würde, wenn wir genau so redeten, wie sie dort im Westen über die Kriegsdienstverweigerung sprechen. Wir erklären nochmals, daß wir – und darin folgen wir der Barmer theologischen Erklärung – jedem Versuch widerstehen, die Kirche zum Instrument politischer Propaganda zu machen. Wenn ich vorhin vom 10. Juni 1953 gesprochen habe, so denke
1 Vgl. oben Dokument 10, Anm. 7, S. 116. 2 ESPELKAMP 1955. 3 Vgl. „Ratschlag zur gesetzlichen Regelung des Schutzes der Kriegsdienstverweigerer“ vom 16.12.1954, den der Rat der EKD der Öffentlichkeit übergab. In: KJ 82, 1955, S. 72–77. Dieser Text ist also auch von den Vertretern aus dem Bereich der DDR mit autorisiert worden.
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ich an die letzte Unterredung, die wir beim Vorsitzenden des Bezirksrates4 gehabt haben. Da haben wir unsere Besprechung damit bekommen [sic! Schreibfehler für: begonnen?], daß wir gesagt haben, wir hätten den Eindruck, als ob die Zeit des 10. Juni vorüber wäre und ob in vielen Beziehungen jetzt die gleichen Nöte und Beschwerden im Verhältnis von Staat und Kirche wiederkehrten, wie wir sie gehabt haben. Ich habe das vorige Mal in Stendal gesagt, daß im allgemeinen die Zusagen vom 10. Juni 1953 gehalten werden. Aber es mehren sich jetzt die Anzeichen für eine Entwicklung, wie ich sie eben sagte, daß jetzt allmählich alles vergessen wird und wir wieder mit denselben alltäglichen Nöten und Schwierigkeiten uns zu plagen haben, wie wir es vor zwei Jahren hatten. Ich halte mich im allgemeinen an den Beschluß der Spandauer Synode5, die ja die Kirchenleitung und den Rat der Ev. Kirche der Union aufgefordert hat in allerlei Fragen ständig im Gespräch mit dem Staat zu bleiben. Ich nehme zuerst die Sperrzone. Von den Schwierigkeiten und Nöten der Sperrzone ist ja unsere Provinzialkirche im besonderen betroffen. Da wir von allen Kirchen der DDR die längste Grenze gegenüber dem Westen haben und eine große Zahl von Gemeinden haben, die in der Sperrzone6 liegen, ja sogar eine Reihe von Gemeinden, die in der 500-m-Zone liegen. Wir sind dankbar, daß die schlimmsten Beschränkungen in der 500-mZone jetzt aufgehoben oder wenigstens gemildert sind. Es ist so, daß keine einzige Kirchengemeinde mehr ist, in der nicht regelmäßig Gottesdienst stattfindet. Meistens alle 14 Tage. Aber daß wir uns da nicht zufrieden geben können, sondern sonntäglichen Gottesdienst verlangen müssen, ist uns allen deutlich. Große Not macht uns die Zuzugsgenehmigung in die Sperrzone. Ich habe schon in früheren Berichten geschildert, daß gerade die Sperrzone sehr gering mit Pfarrern besetzt ist. Habe immer hingewiesen auf Eilsleben, wo von sechs Pfarrstellen nur eine besetzt ist. Gewiß können die benachbarten Pfarrer in Weferlingen usw. mithelfen, aber es liegt auf dem einen Pfarrer, der dort tätig ist, eine ungeheure Last, daß wir es nicht mehr verantworten können, ihn auf seinem schwierigen Posten zu lassen. Aber wir haben es gerade in den letzten Monaten erleben müssen, 4 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3017. Darin: Vermerk über eine Besprechung bei dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Magdeburg am 6.6.1955. Teilnehmer: Vom RdB: der Vorsitzende, Paul Hentschel, der Referent für Religionsgemeinschaften, Herr Firit; von seiten der KPS: Bischof D. Ludolf Müller, Konsistorialpräsident Kurt Grünbaum, KonsR Dr. Herbert Hemprich, KonsR Heinrich Ammer. 5 Synode der EKD; BERLIN-SPANDAU 1954. 6 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Müller auf der 2. Tagung der II. Synode am 13.4.1953, Punkt 3 b (Dokument 9, S. 104 f.). Vgl. auch K. ABEL, Bad Sachsa, der seine Amtszeit als Pfarrer in Liebenrode 1957–1970 schildert.
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daß der Zuzug in die Sperrzone verweigert wird. Dem zweiten Dozenten des Pastoralkollegs in Ilsenburg, Pfarrer Dr. Bernau, wird der Zuzug nach Ilsenburg, dem Pfarrer Hertel der Zuzug für Dedeleben, dem Pfarrer Westfal für Alleringersleben, dem Prediger Dutschmann nach Großwanzer und Bömenzien versagt. Das sind nur einzelne Beispiele, die ich aus dem Gedächtnis hier nenne. Bei Ilsenburg ist es besonders schlimm, weil das Pastoralkolleg sich schon drei Jahre auf Wanderschaft befindet. Daß ein gedeihlicher Betrieb nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Besonders werden dem Rektor v. Rohden und den anderen Dozenten, die nicht an ihrem Wohnort das Pastoralkolleg leiten können, so schwere Last und Strapaze auferlegt, daß wir auf Abhilfe sinnen müssen. Das einfachste wäre, wenn den Pfarrern Zuzugsgenehmigung erteilt würde. Aber das scheint zu erlangen zu sein. Jedenfalls ist es Pflicht der Synode, immer und immer wieder aufmerksam zu machen, daß hier eine unerträgliche Not vorliegt. Dann die Frage der Anmeldung von Versammlungen7. Der Herr Präses hat eben mitgeteilt, daß heute eine Gerichtsverhandlung gegen Superintendent Coym in Naumburg stattfindet in dieser Frage. Das ist nicht die erste Verhandlung, die wir in diesem Jahre haben. Der Pfarrer Brüning in Unseburg ist vor kurzem zu 25,– DM Geldstrafe, der Superintendent Merker, unser Consynodale, zu 50,– DM Geldstrafe verurteilt worden. Überall handelt es sich um die gleiche Angelegenheit, nämlich, daß diese Amtsbrüder pflichtgemäß – ich betone das ausdrücklich, daß es ihre Pflicht gewesen ist – Elternversammlungen einberufen haben, um über die Frage der Jugendweihe8 zu sprechen. Sie haben diese Versammlung in kirchlichen Räumen abgehalten und deshalb nicht angemeldet. Sie sind verurteilt, weil nur Versammlungen, die der Gottesverehrung, der religiösen Erbauung und Belehrung dienen, nicht anmeldepflichtig sind. Nun wird gesagt, daß eine Versammlung, die sich mit der Jugendweihe beschäftigt, weder der Gottesverehrung, noch der Belehrung dient. Das Letzte wäre wohl klar, daß all diese Versammlungen, die wir abgehalten haben, der Belehrung dienen, der Belehrung der Eltern, aber auch dem Ziel, den Unterricht der Kinder zum rechten Ziel zu führen und die Eltern aufzufordern zur Anteilnahme an den Dingen der Christenlehre und des Konfirmandenunterrichts. Wenn diese Dinge jetzt nun durch die ganze Provinz hingehen, dann ist wohl anzunehmen, daß das nicht auf einzelne Einfälle der polizeilichen Organe in den betreffenden Gemeinden zurückgeht, sondern auf allgemeine Anweisung. Ich glaube, in anderen Kirchengebieten wird es so ähnlich sein.
7 Vgl. oben Dokument 9, Anm. 22, S. 111. 8 Zur Jugendweihe vgl. unten Dokument 12, Anm. 2, S. 126.
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Wenn ich nun schon bei Gerichtsurteilen bin, muß ich auch davon sprechen, daß andere Gerichtsurteile erfolgen, die wir in ihrer Härte nicht verstehen können, vor allen Dingen in der Frage der körperlichen Züchtigung von Kindern. Wir haben allen Pfarrern wiederholt gesagt, daß sie wie in der Schule vorgeschrieben, sich der körperlichen Züchtigung der Kinder streng enthalten sollen. Wir haben aber auch Verständnis dafür, daß bei der oft sehr schlimmen Disziplinlosigkeit einem Pfarrer einmal die Hand ausrutscht. Dann kann es ihm passieren, daß er bestraft wird. Der Pfarrer Kamlah in Stendal wurde im vorigen Winter zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, allerdings wurde in zweiter Instanz eine Geldstrafe von 500,– DM verhängt. Der Pfarrer Toillié in Parey zu 500,– DM. Bei dieser Gelegenheit darf ich auch unseren im Gefängnis sitzenden Amtsbrüdern gedenken. Das ist immer noch der Bruder Schulz von der Skt. Georgen-Gemeinde in Halle, das ist seit mehr als 6 Monaten der Stadtmissionspfarrer Meydam in Magdeburg, der Pfarrer Lange, jetzt in Prettin, der zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt wurde, das ist der Pfarrer Jahn in Alt-Haldensleben, der vor knapp 14 Tagen verhaftet wurde9 Wir wissen noch nicht, aus welchen Gründen, wahrscheinlich handelt es sich um Aussagen in seelsorgerlichem Gespräch, Taufgespräch usw. Wir fragen nicht danach, was diese Brüder getan und begangen haben, wir fallen dem Staat nicht in die Hände, wenn er auf Grund von staatlichen Gesetzen glaubt, Pfarrer zur Rechenschaft ziehen zu müssen. Auch wir unterstehen den allgemeinen Gesetzen, das wissen wir. Aber auf der einen Seite empfinden wir es in diesen Fällen schwer, daß wir hier wieder erleben, daß wir lange Zeit nichts hören von den Brüdern, keine Möglichkeit des Zugangs haben, daß wir, wie bei Br. Meydam, nicht wissen, wo sie sich aufhalten, jetzt, wo sie 6 Monate in Untersuchungshaft sitzen und ob sie schuldig sind. Wir wollen nicht aufhören, dieser Brüder in treuer Fürbitte zu gedenken. [. . .]
9 Pfarrer Eberhard Jahn wurde am 4.6.1955 verhaftet und befand sich anschließend bis September 1955 in Untersuchungshaft. Vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 6344, Darin: Nr. 47. Zu Martin Schulz, Werner Lange und Wolf Meydam vgl. die Biogramme im Anhang.
BischofJohannesJänicke,9.April1956 BerichteundBeschlüsse
12 Bericht von Bischof Johannes Jänicke auf der 1. Tagung der III. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 9. April 1956 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 37, S. 1–23, hier: S. 2–10 (hekt.).
Schwerpunkte: Problematik der Koexistenz zwischen Staat und Kirche; Jugendweihe; Behinderungen kirchlicher Arbeit in der Schule, der Seelsorge in Kliniken und Haftanstalten, durch die Finanz- und Baupolitik. Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Verbundenheit der Kirche im ganzen Deutschland; Personalsituation: Pfarrer und theologische Ausbildung; Christenlehre und Katecheten; Gottesdienste und liturgische Arbeit; Finanzsituation; Diakonie; Ökumenische Partnerschaften]. Beschluss der Synode: Fundort: EBD., s. unten Anhang, Anlage Nr. III, S. 586–588.
[. . .] Es war ohne Frage vor und während der Ereignisse des Bischofswechsels etwas zu spüren von einer Erwartung besonders der staatlichen Stellen, daß sich damit ein besonders gutes Miteinander von Kirche und Staat anbahne. Ich will auf die Berechtigung dieser Erwartung jetzt nicht eingehen. Es ist mir ein dringendes Anliegen gewesen, sowohl in der Beantwortung der auf der vorigen Synode mir vom Rat des Bezirks zuteil gewordenen Begrüßung als auch in Erwiderung des Grußwortes des Innenministers Maron zum Ausdruck zu bringen, daß Kirche und Staat dann in einem rechten Verhältnis zueinander stünden, wenn Staat ganz Staat und Kirche ganz Kirche sei, daß aber aus einer Vermischung der Aufgaben beider nur Spannungen und unfruchtbare Schwierigkeiten sich ergeben könnten, sowohl für die Kirche wie für den Staat. Man hat diese Worte dann bald danach in einem Sinn ausgelegt, der einer falsch verstandenen und von mir nicht so gemeinten Koexistenz das Wort redete. Das ging so weit, daß eine Magdeburger Zeitung schrieb, ich hätte mich ja damit auch für ein friedliches Nebeneinander von Konfirmation und Jugendweihe ausgesprochen. Wenige Tage nach meinem Amtsantritt mußte ich diese irreführende Auslegung in einem Rundbrief an die Pfarrer1 und in einer Reihe von Gemeindeversammlungen widerlegen und habe
Bischof Johannes Jänicke, 9. April 1956
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klar zum Ausdruck gebracht, daß es selbstverständlich auch für mich wie für die gesamte Kirche hier nur das Entweder-Oder gäbe. Der Begriff der Koexistenz scheint sich ja wie von selbst anzubieten, wenn es um die Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat in der Deutschen Demokratischen Republik geht. Jedoch verdunkelt er den eigentlichen Tatbestand und ist m. E. für die Klärung und Entspannung der Situation zwischen Staat und Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik, die wir alle erstreben, keineswegs hilfreich. Denn wir haben es nicht mit einem weltanschaulich neutralen Staat zu tun, sondern dieser Staat hat ein Bekenntnis. Und dies Bekenntnis der atheistisch-materialistischen Weltanschauung durchdringt und trägt so sehr alle Handelnden des Staates, daß jedes Werk, das er tut zugleich der Propagierung dieses Bekenntnisses und der dahinterstehenden Ideologie bedeutet. Man macht heute der Kirche immer wieder zum Vorwurf, daß sie sich nicht aufrichtig und eindeutig der mancherlei guten Aufbauwerke freut, die doch ohne Frage in der Deutschen Demokratischen Republik geschehen. Ich kann da nur um Verständnis darum bitten, wenn die Kirche nicht den Weg gehen kann, den z. B. die CDU versucht. Ein einziger Blick in eine beliebige Tageszeitung der Deutschen Demokratischen Republik belehrt uns darüber, wie jeder Erfolg wirtschaftlicher, politischer oder kultureller Art als Sieg und Rechtfertigung der unser staatliches Leben beherrschenden Ideologie ausgewertet wird. Wohl rechnet man mit einer Koexistenz verschiedener wirtschaftlicher und politischer Systeme in der heutigen Welt. Man rechnet auch mit dem Vorhandensein der Kirchen und gibt sich nicht der Illusion hin, daß sie in absehbarer Zeit etwa auf dem Wege der Verfolgung oder Unterdrückung ausradiert werden könnten. Man hütet sogar ihre Traditionswerte in gewisser Weise und läßt es sich etwas kosten, ihre Kulturdenkmäler zu erhalten oder wiederherzustellen. Wir wollen das dankbar aussprechen, daß der Staat für den Wiederaufbau einer Anzahl denkmalswerter Kirchen große Aufwendungen gemacht hat, – ich brauche als Beispiel nur den Magdeburger Dom zu nennen. Es ließen sich auch aus dem Gebiet christlicher Malerei und der Kirchenmusik manche Beispiele hierfür anführen. Aber das schließt nicht aus, sondern gerade ein, daß
1 AKPS, Rep. B 2, Nr. 229. Im Rundbrief vom 9.10.1955 bezeichnete der neu gewählte Bischof die Aussagen in Artikeln der Leipziger Volkszeitung und der Magdeburger Volksstimme, er halte das Nebeneinander von Konfirmation und Jugendweihe für möglich, „als groteske Entstellung [seiner] Ausführungen“ und erhob gegen den Missbrauch seines Namens „schärfsten Einspruch“. Bischof Jänicke betonte Einmütigkeit der Pfarrerschaft in dieser Frage und schloss seinen Rundbrief mit den Worten: „Lassen Sie uns treu und fest zusammenstehen und in dem uns verordneten Kampf nicht erlahmen! Wir stehen auf der Seite des Siegers!“
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man der Kirche zwar eine gewisse museale Existenz einräumt, die Entwicklung der Gegenwart und Zukunft aber eindeutig durch die atheistisch-materialistische Weltanschauung bestimmt sieht. Das kommt zum Ausdruck z. B. in den im letzten Jahr sich mehrenden Äußerungen maßgebender Männer des Staates, die den christlichen Glauben als „religiösen Aberglauben“ bezeichnen, der wie viele andere Dinge der Vergangenheit überwunden werden müsse. Man läßt keinen Zweifel darüber, daß hier von einer gleichberechtigten Koexistenz zwischen christlichem Glauben und Marxismus-Leninismus nicht die Rede sein könne. Das wird vollends deutlich, wenn man sich die Tatsache vor Augen hält, daß es ja die gleichen Menschen sind, in denen zweierlei Glauben nicht nebeneinander in Koexistenz stehen können, sondern in Widerstreit miteinander geraten müssen. Kein Mensch kann daran zweifeln, daß das Deutsche Volk in der Deutschen Demokratischen Republik, das immer noch in seiner überwiegender Mehrheit aus christlich Getauften besteht, in der Weltanschauung des dialektischen Materialismus geschult wird, die es auf eine ideologische Überwindung des „religiösen Aberglaubens“ abgesehen hat. Das gilt vor allem für die Jugend, die vom Kindergarten bis zur Hochschule systematisch und ausschließlich in dieser Ideologie erzogen wird. Die in der Verfassung garantierte Religions- und Glaubensfreiheit besteht dann darin, daß es dem Einzelnen durchaus freisteht, an „religiösen Handlungen“, wie man das nennt, teilzunehmen. Dieser private Sektor des Lebens ist aber ein Restbestand, mit dem der Christ in Widerspruch kommen muß, wenn er sich im Raum des gesellschaftlichen Handelns befindet. Und das Gesellschaftliche bestimmt doch nun einmal weithin sein Leben. Am deutlichsten tritt ja heute dieser Konflikt in die Erscheinung in der Frage der Jugendweihe2. Ich kann es mir ersparen, den ganzen Fragenkomplex der Jugendweihe hier noch einmal aufzurollen. Das ist im letzten Jahr oft genug geschehen. Ich möchte mich darauf beschränken, darzustellen, was seit der letzten Synode über die Entwicklung und die Maßnahmen in dieser Sache zu berichten ist.
2 Zur SED-Kirchenpolitik 1954–1958 vgl. F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 1, S. 97 ff. Zur Einführung der Jugendweihe Ende 1954 und der Versuch einer Reformierung derselben durch die SED im Jahre 1956 vgl. M. G. GOERNER, Kirche als Problem der SED, S. 280–289. Eine kurze Einführung und Dokumente zum Kampf der Kirche wegen der Verdrängung der Konfirmation durch die Jugendweihe bietet: KJ 82, 1955, S. 113 ff.; 83, 1956, S. 184 ff. Zur Entwicklung von Konfirmation und Jugendweihe in der DDR vgl. C. FISCHER, Wir haben euer Gelöbnis vernommen; D. URBAN/H. W. WEINZEN, Jugend ohne Bekenntnis? Weiter zur Geschichte der Jugendweihe vgl. A. DÖHNERT, Jugendweihe zwischen Familie, Politik und Religion; A. MEIER, Jugendweihe – Jugendfeier; T. GANDOW, Jugendweihe.
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Betrug die Zahl der zur Jugendweihe abgehenden Konfirmanden im Jahr 1955 etwa 2 %, so läßt sich noch nicht übersehen, wie es sich in diesem Jahr darstellen wird, denn die Werbung der Jugendweihe richtet sich in diesem Jahr nicht nur an die Konfirmanden, sondern vor allem auch an die in den letzten Jahren bereits Konfirmierten. Dabei ist eine Zunahme des Druckes auf Teilnahme an der Jugendweihe zu verzeichnen. Das wird uns vor allem von Schülern der Lehrerbildungsanstalten, aber auch von Lehrverträgen, besonders in staatlichen Betrieben, berichtet. Wir müssen feststellen, daß der ursprünglich behauptete private Charakter der Jugendweihe längst nicht mehr glaubwürdig ist. Von einer Freiwilligkeit kann keine Rede mehr sein, wenn der Staatsapparat dafür eingesetzt wird, z. B. durch die Lehrerschaft, wenn in der Presse täglich der Propaganda hierfür Raum gegeben wird, während die gegenteiligen Stimmen nicht in der gleichen Öffentlichkeit zur Geltung kommen können. Die Kirche ist in einer Einmütigkeit, für die wir nicht dankbar genug sein können, ihren Weg weitergegangen. Mir ist aus unserer Kirche kein einziger Fall bekannt, daß ein Pfarrer die Vereinbarkeit von Konfirmation und Jugendweihe wirklich grundsätzlich und konsequent praktiziert habe. Auch die Pfarrer, die am heutigen politischen und gesellschaftlichen Leben meinen, sich beteiligen zu sollen, gehen in dieser Frage den gleichen Weg mit uns. Das muß gegenüber den Versuchen, in der Öffentlichkeit einzelne Pfarrer oder Kirchenleitungen als unbelehrbar oder fortschrittsfeindlich an den Pranger zu stellen, eindeutig festgestellt werden. Unsere Gemeindekirchenräte waren mit der Durchführung der auf der vorigen Synode beschlossenen Maßnahmen der Kirchenzucht z. T. vor neue, ihnen bisher fremde Aufgaben gestellt. Zeigte sich hier auf noch manche Schwachheit und Unmündigkeit, so doch auch manche Ansätze zu neuem, wachen Gehorsam und Keime neuen volkskirchlichen Lebens. Ein wichtiges Ereignis in diesem Zusammenhang ist das Inkrafttreten der neuen kirchlichen Lebensordnung am 1. April d. Js.3. Danach bedarf es keines besonderen Feststellungsbeschlusses mehr, um die Maßnahme der Zucht durchzuführen. Eine diesbezügliche Verfügung4 ist den Gemeinden zugegangen. Der Herr Altbischof5 hat noch im vorigen Sommer einen Brief an die christlichen Lehrer gesandt, in welchem er sie seelsorgerlich anspricht. 3 „Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union“ vom 6.5.1955. In: ABL. EKD (Berliner Stelle) 1956, S. 162–171. Vgl. zur Neufassung der „Ordnung des kirchlichen Lebens“ für die östlichen EKU-Kirchen W. HÜFFMEIER in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 787–791. 4 AKPS, Rep. A, Rundverfügungen: Rv Nr. 77, XIII 432/56 vom 22. März 1956 betr. Ordnung des kirchlichen Lebens. 5 D. Ludolf Müller. Zum Inhalt vgl. AKPS, Rep. B 2, Nr. 229.
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Ich selbst habe einen Elternbrief6 geschrieben, der durch die Pfarrer bei Hausbesuchen, Elternversammlungen, auch wohl hier und da als Kanzelabkündigung, den Gemeinden bekanntgegeben worden ist. Besonders erfreulich ist es aber, daß eine Reihe von Kreissynoden, Pfarrkonventen und Einzelgemeinden in dieser Sache ihre eigene Verantwortung ergriffen haben und sich in seelsorgerlicher Weise an die Gemeinden gewendet haben. So muß es sein. In der evangelischen Kirche kann und darf man nicht nur auf das warten, was „von oben“ kommt! In den Gemeinden, in denen die Entscheidungen fallen, muß selbst die Initiative erwachen, und sie ist weithin erwacht. Dafür sind wir dankbar. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß einige Brüder im leitenden Amt unserer Kirche bei den zahlreichen Gemeindeversammlungen eingesetzt gewesen sind, die in der benachbarten Evangelisch-lutherischen Kirche Sachsens am 28. und 29. Januar 1956 in dieser Sache gehalten wurden. Dabei haben Ausführungen unseres Herrn Präses7 besondere Kritik und Beanstandung durch den Herrn Innenminister Maron gefunden. Die Kirchenleitung hat sich beschlußmäßig klar und eindeutig hinter die Ausführungen des Herrn Präses gestellt. Die Kirchenleitung hat ferner Weisung gegeben, daß Konfirmanden, die sich zur Jugendweihe gemeldet haben, sogleich am kirchlichen Unterricht nicht mehr teilnehmen sollen. Das mag als eine Härte erscheinen, ist aber in Wirklichkeit barmherziger, weil es den Ernst der Entscheidung deutlich macht und von vornherein bei dem Kinde die heimlich genährte Erwartung ausschließt, daß doch beides miteinander vereinbar sei. Mit Rücksicht auf die innere Gefährdung unserer Konfirmanden durch die Jugendweihe hat die Kirchenleitung erneut den späteren Konfirmationstermin dringend angeraten. Wir wollen hierdurch nicht einen unwürdigen Wettlauf mit den Jugendweihe-Terminen befördern, uns schien es aber geraten, so lange wie möglich die Konfirmanden ansprechen zu können, um den Ernst der Entscheidung, die mit der Konfirmation verbunden ist, eindringlicher machen zu können. Durch die seit Jahren veränderten Termine des Schuljahres sind überhaupt die Gründe für den bisherigen Konfirmationstermin weithin weggefallen. Es wäre zu begrüßen, wenn die Synode hier zu einem klaren Beschluß käme, und ich möchte diese Frage dem Berichtsausschuß dringlich ans Herz legen8.
6 Der Rundbrief wurde als Anlage der Rv Nr. 206, A 923/55 vom 25.10.1955 beigefügt. Zum Inhalt des Briefes vgl. AKPS, Rep. B 2, Nr. 85. 7 Dr. Lothar Kreyssig. 8 Über einen neuen Konfirmationstermin wurde im Liturgischen und im Katechetischen Ausschuss diskutiert. Ein einheitlicher Beschluss zur Frage der Verschiebung des Konfirmationstermins konnte während der Synodaltagung von 1956 jedoch nicht gefasst werden. Vgl. dazu AKPS, Rep. C 1, Nr. 37.
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Außer der Jugendweihe sind es eine Fülle von Maßnahmen des letzten Jahres gewesen, die uns deutlich machten, daß die Abmachungen vom 10. Juni 1953 zwischen dem Ministerpräsidenten Grotewohl und den Kirchenleitungen längst neuen Tatbeständen gewichen zu sein scheinen. Ich werde auf die Besprechungen zwischen den Vertretern der Kirchenleitungen und dem Innenminister Maron noch einzugehen haben. An dieser Stelle möchte ich nur aus der dem Innenminister übergebenen Denkschrift9 einige Punkte herausgreifen – es sind im ganzen 19! – unter allen sind die Eingaben vermerkt, die in dieser Sache bereits an die Regierungsstellen gerichtet worden sind – an denen diese Tatsache deutlich wird. Wir erhoffen ein die Gegensätze, die hier aufgebrochen sind, milderndes und manche Beschwernisse beseitigendes Gespräch. Inzwischen sollte alles vermieden werden, was die Spannung vergrößern könnte. Da diese Dinge in dem verantwortlichen Handeln der Kirchenleitung in der Berichtszeit entscheidend waren, dürfen sie aber in dem Rechenschaftsbericht nicht übergangen werden, sondern es muß von ihnen in aller Sachlichkeit und ohne ungute Leidenschaften gesprochen werden. 1. Kirchlicher Unterricht_10. Entgegen der Anordnung des Ministers für Volksbildung vom 31. Oktober 1953 und den Bestimmungen vom 13. November 1947 wird durch organisatorische und verwaltungstechnische Maßnahmen die Erteilung des kirchlichen Unterrichts erschwert. Vielfach werden nur noch wenige Stunden am Nachmittag zur Verfügung gestellt. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Erteilung der Christenlehre an verschiedenen Oberschulen. Einzelnen Katecheten ist das Betreten der Schulgebäude untersagt worden. Getaufte Kinder, die in staatlichen Heimen untergebracht sind, nehmen nur noch in ganz wenigen Fällen am kirchlichen Unterricht teil. 2. Stärkerer Ausbau der Schule zu einer Bekenntnisschule des atheistischen Materialismus11. Nach den Richtlinien für die Aufnahme der Schüler in die Mittel- und Oberschule vom 12. Dezember 1955 wird diese jetzt nicht in erster Linie von den Leistungen abhängig gemacht, sondern vor allem auch von einer aktiven Tätigkeit bei der Organisation der Jungen Pioniere. In dem neuen Statut der Freien Deutschen Jugend12 wird von den Mitgliedern ein aktives Eintreten für die materialistische Weltanschauung 9 Vgl. Stellungnahme zu der Erklärung des Minister des Inneren Karl Maron vom 10.2.1956 (vgl. unten Anm. 31, S. 135), die von den Bischöfen Krummacher und Mitzenheim und anderen Vertretern der Kirche am 3.3.1956 überreicht wurde. In: KJ 83, 1956, S. 155–169. Zu den Vorgängen vgl. G. KÖHLER (Hg.), Pontifex, nicht Partisan, S. 144–154; M. G. GOERNER, Kirche als Problem der SED, S. 309–311. 10 Punkt B 1 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. oben Anm. 9. 11 Punkt B 2 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. EBD. 12 STATUT DER FREIEN DEUTSCHEN JUGEND.
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gefordert. Das macht es christlichen Jugendlichen sehr schwer, noch weiterhin dieser Organisation anzugehören. Tatsächlich sind auch in diesem Jahr Schüler mit hervorragend guten Leistungen auch bei sonstiger gesellschaftlicher Betätigung nur wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zu den Jungen Pionieren nicht zur Oberschule zugelassen worden. In diesem Zusammenhang muß auch der Zwang zur Teilnahme am Flaggenappell in der Schule genannt werden. Da es sich um die Flagge der FDJ handelt, gewinnt dieser Akt den Charakter eines Bekenntnisses zu den weltanschaulichen Grundlagen der FDJ. Auch sonst hat die atheistische Propaganda in der Öffentlichkeit im letzten Jahr einen starken Auftrieb erhalten, auch wenn man in den eigentlichen Vorbereitungsstunden zur Jugendweihe ausgesprochene Angriffe auf Christentum und Kirche zu vermeiden sucht. Wir wissen, daß in Zeiten des Umbruchs Weltanschauungen miteinander ringen, und wir scheuen diesen Kampf nicht. In der gegenwärtigen Propaganda des Atheismus ist aber das, was man dort „religiösen Aberglauben“ nennt, ausdrücklich als schädlich und unmoralisch diffamiert (ich nenne Schriften wie Kolonitzki-Religiöse und kommunistische Moral – Pawjolkin-Der religiöse Aberglaube und seine Schädlichkeit – Gagarin-Die Entstehung und der Klassencharakter des Christentums13). 3. Behinderung der Gottesdienste in staatlichen Alters- und Siechenheimen und Erschwerung des Dienstes in Kliniken und Krankenhäusern14. Durch eine Verfügung des Ministeriums für Arbeit und Berufsausbildung vom Juni 1955 sind in Alters- und Pflegeheimen Andachten und Abendmahlsfeiern abgeschafft worden. Die Seelsorger dürfen nur einzelne Insassen und diese meist nur innerhalb der vorgeschriebenen Besuchszeit betreuen. Im Übrigen wird den Alten anheimgegeben, die Gottesdienste der Gemeinde zu besuchen, was ihnen aber oft aus Gründen der Entfernung und der eigenen Gebrechlichkeit nicht möglich ist. Christliche Weihnachtsfeiern sind im vergangenen Jahr in einzelnen staatlichen Krankenhäusern und Kliniken behindert worden. In Großörner hat daraufhin der Chefarzt, der eine solche Feier gewünscht hatte, sein Amt zur Verfügung gestellt. 4. Kirchlicher Dienst in Haftanstalten15. Der an sich schon sehr eingeschränkte Dienst (Untersuchungshaftanstalten, Haftarbeitslager sind uns so gut wie unzugänglich, seelsorgerliche Gespräche dürfen nur in Anwesenheit eines VP-Angehörigen gemacht werden) ist wiederholt durch örtliche unfreundliche Haltung noch erschwert worden: Vereinbarte Termine 13 P. F. KOLONIZKI, Kommunistische und religiöse Moral; P. A. PAWJOLKIN, Der religiöse Aberglaube; A. P. GAGARIN, Klassencharakter des Christentums. 14 Punkt B 6 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. oben Anm. 9. 15 Punkt B 8 der kirchlichen Stellungnahme. EBD.
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wurden nicht eingehalten, die Häftlinge über die Möglichkeiten von Seelsorge und Gottesdiensten nicht unterrichtet. 5. Anmeldepflicht kirchlicher Veranstaltungen16. Die Verordnung vom 29. März 1951 über die Anmeldepflicht von Veranstaltungen17 wird vielfach so ausgelegt, als ob es sich hierbei um eine Genehmigungspflicht handelte. Schwierigkeiten werden vor allen Dingen bei übergemeindlichen Veranstaltungen gemacht, besonders, wenn es sich um die junge Gemeinde handelt. 6. Sperrgebiet_18. Wenn auch zu den hohen kirchlichen Feiertagen durch Sondergenehmigungen der Gottesdienst im 500-Meter-Schutzstreifen erlaubt wurde, so sind regelmäßige Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen nach wie vor unmöglich. Auch Zuzugsgenehmigungen für Pfarrer und geistliche Hilfskräfte bereiten in diesem Gebiet immer wieder Schwierigkeiten. 7. Kirchliches Pressewesen19. Mit Dankbarkeit haben wir davon Kenntnis genommen, daß mir anläßlich meiner Einführung in das Bischofsamt von Propst D. Grüber die Lizenz für ein kirchliches Amtsblatt20 übergeben worden ist, das nun seit Beginn dieses Jahres 14-täglich [sic!] erscheinen darf. Aber das von meinem verehrten Herrn Vorgänger am Schluß seines letzten Berichtes mir an das Herz gelegte Gemeindeblatt für unsere Kirchenprovinz ist nach Mitteilung von Propst D. Grüber ausdrücklich abgelehnt worden. In den Mitteilungsblättern der Gemeinden dürfen aber Artikel, die über die reine Benachrichtigung hinausgehen, nicht erscheinen. Das ist umso beschwerlicher, als seit Beginn des Jahres der Vertrieb der uns zugänglichen kirchlichen Blätter (Frohe Botschaft, Die Kirche) erschwert worden ist. Von einer Stelle, also z. B. einem Pfarramt, dürfen im Allgemeinen nur vier, im Höchstfall 10 Exemplare bezogen werden. Das macht eine volksmissionarische und seelsorgerliche Verwendung des gedruckten Wortes nur noch im geringen Umfang möglich. 8. Finanzen21. Die Staatsleistungen und alte, auch von unserem Staat übernommene Rechtspflichten, die insbesondere der Pfarrbesoldung und Versorgung zu Gute kommen, sind in den vergangenen Jahren ständig zurückgegangen. Nach Vereinbarung mit dem Staat Anfang 1947 war als feste, jährliche Staatsleistung für unsere Kirchenprovinz Beiträge in einer Gesamtsumme von 5.272.400,– DM festgesetzt worden. Tatsächlich wurden an unsere Konsistorialkasse gezahlt: 16 17 18 19 20 21
Punkt B 10 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. oben Dokument 9, Anm. 22, S. 111. Punkt B 12 der kirchlichen Stellungnahme. Punkt B 14 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. oben Dokument 3, Anm. 14, S. 62. Punkt B 16 der kirchlichen Stellungnahme.
Vgl. EBD. Vgl. oben Anm. 9. Vgl. EBD. Vgl. oben Anm. 9.
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1951
5.171.000,– DM
1952
4.564.184,28 DM
1953
3.346.806,49 DM
1954
3.342.513,60 DM
1955
3.061.275,60 DM
Für Stolberg-Rossla bis dahin direkt von Berlin gezahlt
Die letzte Summe entspricht 58 % der vereinbarten und festgesetzten jährlichen Staatsleistung. Die Kirchensteuererhebung ist dadurch äußerst erschwert, daß die Kirchensteuerämter nicht mehr die für die Steuererhebung notwendigen Unterlagen der Meldeämter erhalten. Druck von Kirchensteuerbescheiden ist gelegentlich verweigert worden. Die Beitreibung der Kirchensteuer durch Organe der Kreisgerichte ist untersagt. Infolge dieses Rückgangs der Einnahmen konnten auch die Versorgungsbezüge noch nicht von 80 auf 90 % erhöht werden, und die in Aussicht genommene und dringende Aufbesserung der kirchlichen Gehälter um 10 % mußte zunächst unterbleiben. Nur durch einmalige generelle Beihilfen von zweimal 100,– DM und eine einmalige Wirtschaftsbeihilfe von 50,– DM für jedes kinderzuschlagsberechtigte Kind, sowie durch einmalige Beihilfen in besonders dringenden Notständen konnte ein wenig geholfen werden. An dieser Stelle ziemt es wohl, unseren Kirchensteuer- und Rentämtern, ihren Leitern und Angestellten ein Wort besonderen Dankes zu sagen für ihre mühselige und treue Arbeit. 9. Kirchliches Bauwesen22. Wir haben bei der Bischofseinführung mit Dankbarkeit davon Kenntnis genommen, daß Magdeburg zur Stadt des kirchlichen Wiederaufbaus in diesem Kirchenjahr ernannt worden ist. Jedoch sind die uns zur Verfügung gestellten Kontrollziffern so gering, daß sie noch nicht 1/10 der dringendsten Anforderungen erfüllen. Erfreulicherweise haben die Bruderkirchen sich überaus opferbereit für Magdeburg eingesetzt. Es bleibt aber zweifelhaft, wie weit diese Hilfe überhaupt realisiert werden kann, da uns die Lizenzen und Materialien versagt werden. So konnten und können größere Neubauten überhaupt nicht errichtet werden. Nach Fertigstellung der bereits begonnenen Objekte konnten in der Berichtszeit nur das Gemeindehaus von St. Jakobi Stendal, die Kirche von Athenstedt und die in Griefstädt und nach durchgreifender Restaurierung die Kirchen in Lössen und Druxberge wieder eingeweiht werden. Im übrigen waren nur dringende Instandhaltungsarbeiten an Kirchen und 22 Punkt B 18 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. EBD.
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Pfarrhäusern möglich. Der Verfall der kirchlichen Gebäude schreitet aufs Ganze gesehen unaufhaltsam voran. Hier sei auch der Ulrichskirche in Magdeburg gedacht. Sie ist von der Stadt für den Wiederaufbau „in Anspruch genommen“ worden und wurde am Morgen des 5. April gesprengt23. Eine Reihe von Protesten, die in letzter Zeit telegrafisch von der Kirchenleitung eingelegt worden sind, sind erfolglos gewesen. Die Erregung der Bevölkerung über die Beseitigung der Ruine, der weder die Kirchenleitung noch der Provinzialkonservator ihre Zustimmung gegeben haben, ist groß. Die Kirchenleitung hatte zunächst dringend gebeten, den Abbruch so lange zurückzustellen, bis der Aufbauplan der Altstadt ausgeführt ist. Die Stadt hat sich jedoch nur bereit erklärt, über eine an die Kirche zu zahlende Entschädigung zu verhandeln24. Die Steinhaufen der zusammengestürzten Türme waren in diesen Tagen inmitten der Stadt Magdeburg ein ernstes Mahnmal, vor dem ich manchen Vorübergehenden erschrocken und in Gedanken Halt machen sah. Der Rat der Stadt Magdeburg hat im Februar unter Berufung auf die Magdeburger Bauordnung die Benutzung eines Wohnwagens der Schiffermission25 in Magdeburg für gottesdienstliche Veranstaltungen verboten
23 Über den Abriss der Ulrichskirche und der Heilig-Geist-Kirche wurde schon seit 1953 zwischen Kirchenvertretern und Vertretern der Stadtverwaltung Magdeburg verhandelt, ohne jedoch eine vertragliche Regelung zu finden. Parallel zu den Verhandlungen startete seitens des Staates Anfang 1956 eine verstärkte Pressekampagne – v. a. durch die „Magdeburger Volksstimme“ und die „Mitteldeutsche Neueste Nachrichten“ – für den Abriss der Ruine der Ulrichskirche. Für die Kirchenvertreter stellte das Weichen der Ulrichskirche zugunsten des weiteren Aufbaus der Wilhelm-Pieck-Allee aufgrund ihres „geschichtlichen Wertes“ einen Bruch mit der Geschichte der Stadt und ihrer Kirchen dar und hätte einen „unwiederbringlichen Kulturschaden“ zur Folge (vgl. dazu Rv IV 47/56 d. Konsistoriums betr. Ulrichskirche und Heilig-Geistkirche in Magdeburg v. 11.1.1956). Der Rat der Stadt verbot hingegen im März 1956 Kirchenvertretern den Zugang zur Ulrichskirche, um mit den Vorbereitungen für die Sprengung beginnen zu können. Dabei wurde kaum auf Kunstdenkmäler sachgemäß Rücksicht genommen. Auch durch letzte Eingaben seitens Bischof Jänickes – u. a. an Wilhelm Pieck und Johannes R. Becher – war der Abriss der Ulrichskirche am 5.4.1956 um 9 Uhr nicht zu verhindern. So konnte die Kirche nur mit einer Kanzelabkündigung für Sonntag, den 8.4.1956 auf die Sprengung reagieren. (Vgl. KJ 83, 1956, S. 189). Steine vom Abbruch wurden dem Tiergarten [sic!] zur Verfügung gestellt. Die vor der Zerstörung geretteten Epitaphien kamen im Chorraum der wallonisch-reformierten Kirche unter. Vgl. weiter dazu: AKPS, Rep. A, Specialia G, Nr. A 22559. 24 Nach jahrelangem Rechtsstreit wurde die Altstadtgemeinde 1968 mit rund einer halben Million Mark anstatt des vom Kirchlichen Bauamt errechneten Gesamtwertes von 1 Million Mark entschädigt. (Vgl. EBD.). 25 ABL. KPS 1957, S. 8. Kurz nach dem 2. Weltkrieg wurde der Wohnwagen behelfsmäßig als Schifferkirche errichtet, bevor er Ende 1956 durch einen Kahn für mehr als 100 Personen ersetzt wurde.
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und die Genehmigung der Pachtung eines Grundstücks im Hafengelände Magdeburg-Rothensee für Schiffermissionszwecke verweigert. Dadurch wird die Fortführung der bisher blühenden Schiffermission in Magdeburg ernstlich in Frage gestellt. 10. Schließung des kirchlichen Proseminars in Salzelmen. Das kirchliche Proseminar in Salzelmen ist im Februar auf Anordnung des Rates des Bezirks26 geschlossen worden, da es sich hierbei um eine allgemein bildende Schule handle, die zu unterhalten nach Artikel 38 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik allein Sache des Staates sei. Wir haben schriftlich und mündlich dagegen Einspruch erhoben, da es sich in Salzelmen lediglich um eine Vorbildung für den kirchlichen Dienst handle und die Schüler ihrer staatlichen Schulpflicht daneben durch Besuch der Berufsschule genügten. Dieser Besuch der Berufsschule wurde in einem Artikel der Lehrerzeitung, der die Überschrift trägt „Bischof Jänicke verstößt gegen die Verfassung“, als eine Tarnung der Illegalität des kirchlichen Proseminars dargestellt27. Unser Einspruch gegen die Schließung ist bisher unbeantwortet geblieben. Die 55 Proseminaristen und ihre Eltern sind durch diese mitten im Schuljahr erfolgende Maßnahme in große Not und Sorge um die Zukunft geraten. 11. Kirchliche Stiftungen28. Eine Reihe von kirchlichen Stiftungen sind vom Staat aufgelöst und ihre Satzungen an entscheidenden Punkten geändert worden, so in unserem Kirchengebiet in Hadmersleben, Quedlinburg, Hospital St. Spiritus in Lutherstadt Eisleben. Mit dem Tode des letzten Pfarrers in den Franckeschen Stiftungen in Halle ist auch der letzte Rest kirchlichen Charakters dieses weltbekannten Werkes christlicher Liebe und Erziehungsarbeit beseitigt worden29. Die Einsprüche unserer Synode und der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sind ablehnend beschieden worden. 12. Kirchliche Sammlungen30. Die Sammlung für den kirchlichen Wiederaufbau im Februar des Jahres ist in Magdeburg stark eingeschränkt gewesen, dadurch daß eine Reihe von öffentlichen Plätzen, u. a. auch vor Kirchen, von der Sammlung ausgenommen und die Zahl der Sammelausweise von 600 auf 200 reduziert wurde. Eine Beschränkung der Sammlung von 14 Tagen auf 3 Tage wurde auf unseren Protest hin zurückgenommen; die bereits verlorengegangenen Tage mußten nachgeholt werden. 26 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 6480. Am 24.2.1956 wurde das Proseminar in Salzelmen geschlossen. 27 Deutsche Lehrerzeitung, 25.2.1956. Darin wurde der Vorwurf erhoben, es handle sich um die Tarnung einer „Privatschule“. 28 Punkt B 19 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. oben Anm. 9. 29 Rudolf Müller verstarb am 8.1.1954 als letzter Seelsorger der Stiftungsgemeinde. 30 Punkt B 17 der kirchlichen Stellungnahme. Vgl. oben Anm. 9.
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Die hier offenbar zu Tage tretende stärkere Spannung zwischen Kirche und Staat, dazu in Berlin auftretende Schwierigkeiten, die mit der Finanzgebarung zwischen West- und Ostberlin zusammenhängen, haben die Kirchenführer veranlaßt, im Anfang Februar des Jahres ein Gespräch auf höchster Ebene beim Herrn Ministerpräsidenten Grotewohl nachzusuchen. Am 10. Februar wurde Vertretern der Kirchenleitungen ein Vorgespräch hierfür beim Herrn Innenminister Maron gewährt31. Es war die Absicht der Kirchen, durch ein solches Gespräch zur Entspannung der Situation und einem besseren Einvernehmen zwischen Kirche und Staat beizutragen. Der Herr Innenminister gab aber bei dieser Begegnung seinerseits eine Erklärung ab, in der er in 6 Punkten die Beschwernis des Staates gegenüber der Kirche zum Ausdruck brachte. Ich darf diese Erklärung als bekannt voraussetzen, da sie ja kurz darauf zu unserer Überraschung der Presse übergeben und veröffentlicht worden ist, ohne daß wir Gelegenheit hatten, in der gleichen Öffentlichkeit dazu Stellung zu nehmen. Die Vorwürfe des Herrn Innenministers gipfeln in der Feststellung, man habe den Eindruck gewonnen, daß seit den Dezemberbeschlüssen der NATO in Paris einige führende Mitarbeiter in der Kirche unter dem Einfluß dieser NATO-Politik stehen. Nur bei einer Änderung dieser Haltung führender kirchlicher Stellen könne die bestehende Spannung überwunden werden. Die kirchliche Antwort auf die Beanstandungen des Staates ist in diesen Tagen den Pfarrern zugegangen. Darum kann ich mir Einzelheiten ersparen, möchte aber aus dem Gespräch vom 10. Februar doch noch einen Punkt herausgreifen, weil er unsere Kirchenleitung und auch mich persönlich besonders betrifft. Unsere Rundverfügung vom 5. Dezember 1955 betreffend Elternbeiratswahlen32 wurde bei dem Gespräch als ein Tatbestand herangezogen, bei dem nach Urteil des Generalstaatsanwalts Boykotthetze im Sinne des Artikels 6 der Verfassung vorliege. Auch in dem bereits genannten Artikel der Lehrerzeitung ist diese Sache an erster Stelle genannt33. Die Kirchenleitungen haben in ihrer Antwort darauf hingewie31 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 5016. Darin ist eine Niederschrift (11 S.) – angefertigt von Oberkirchenrat Behm – über das Vorgespräch mit dem Innenminister enthalten. Zu den bei diesem Treffen in Berlin vorgetragenen Vorwürfen Marons gegen die Kirche, Vertretern der Kirche (Bischof Mitzenheim, Bischof Krummacher, Präses Scharf, Konsistorialpräsident Grünbaum, Oberkirchenrat Behm) s. KJ 83, 1956, S. 149–154. Zu den Verhandlungen vom 10.2.1956 vgl. G. KÖHLER (Hg.), Pontifex, nicht Partisan, S. 144–154. Vgl. oben Anm. 9. 32 AKPS, Rep. A, Rundverfügungen: Rv 236, K.A. Nr. 3937/55 vom 5.12.1955 betr. Elternbeiratswahlen 1955. 33 A. a. O. (s. oben Anm. 27). Dort heißt es: „Diese Kirchenleitung will die Eltern in eine Kampfstellung gegen die Schule bringen. Sie will verhindern, dass die Eltern mit der Schule zusammenarbeiten, sie will Unfrieden und Hass säen [. . .].“
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sen, daß die Verordnung über die Aufgaben und Arbeit der Elternbeiräte an allgemeinbildenden Schulen vom 14. Oktober 195534 das natürliche und verfassungsmäßige Recht der Eltern einschränken, da hierin von einer echten Wahrnehmung des Elternrechtes keine Rede mehr sein könne, und daß sie den Zwiespalt zwischen der Kirche und den christlichen Eltern auf der einen und der Schule auf der anderen Seite vertiefe. Mich leitete bei der Unterzeichnung dieser Verfügung das seelsorgerliche Anliegen, daß christliche Eltern auf diesem Wege über die Elternbeiräte gedrängt werden könnten, sich für den atheistisch-materialistischen Geist der heutigen Schule einzusetzen und z. B. die Jugendweihe zu propagieren. Es ist doch wohl Pflicht einer Kirchenleitung, christliche Eltern, die unbekümmert und ohne die Konsequenzen zu übersehen, sich zu Funktionären der materialistischen Bekenntnisschule machen lassen, hierüber aufzuklären und ihnen einen weisenden Rat zu geben. Dies gehört doch wohl zu dem Recht, das der Kirche nach Artikel 41 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik zugestanden wird, zu den Fragen des öffentlichen Lebens von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen. Das Gespräch zwischen Kirche und Staat ist im Gange. Darum will ich auf diese Fragen nicht weiter eingehen, sondern diesen Abschnitt mit einigen Sätzen aus einem Schreiben abschließen, das über die Herren Pröpste und Superintendenten unseren Pfarrern zugegangen ist und ihnen zu einem rechten Verhalten im Verkehr mit staatlichen Stellen helfen soll. Es heißt da: „Auch uns liegt an einer Entspannung des gegenwärtigen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche! Auch wir sind stets um ein loyales Verhalten gegenüber dem Staat bemüht. Loyalität bedeutet aber nicht Zustimmung zu allen Maßnahmen der Regierung oder gar Zustimmung zur materialistischen Weltanschauung. Nach unserer Überzeugung handelt loyal, wer um Gottes willen die Gesetze der Obrigkeit achtet und sich allen ihren Maßnahmen gegenüber verständig und anständig verhält. Er ist, auch wenn er Kritik übt, ein besserer Diener des Staates als der, der gegen seine Überzeugung jede offene Kritik scheut. Wir sollten nicht müde werden, dies zu betonen, wenn uns – wie es leider nicht selten geschieht –, mangelnde Loyalität vorgeworfen wird.“ Dazu ein grundsätzliches Wort aus der Schau des Neuen Testamentes: Uns ist als christlicher Gemeinde ja nicht verheißen, daß wir mit der Welt in Frieden leben oder gar mit einer fortschreitenden Verchristlichung der Welt zu rechnen hätten. Es will mir scheinen, als ob wir immer noch stark unter einer Anschauung ständen, die dies als den Normalzustand ansieht. Der Normalzustand für das Verhältnis von Welt und Kirche ist 34 Verordnung über die Aufgaben und die Arbeit der Elternbeiräte an allgemeinbildenden Schulen vom 14.10.1955. In: GBL. DDR I, 1955, S. 689–691.
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aber nach der Heiligen Schrift der, daß der Gemeinde von der Welt das Kreuz bereitet wird. Wir haben in der Nachfolge des Herrn, der das Kreuz trug, nichts anderes zu erwarten. Wir haben aber am Abend dieser Welt Ihn zu erwarten, der da kommt und seine angefochtene Brautgemeinde heimführen wird. Der Herr bewahre seine Kirche davor, daß sie in dieser Welt hoffähig wird und erhalte sie in der Fähigkeit zu hoffen, eine Kirche der Hoffnung auf den wiederkommenden Herrn! Er lasse uns auch immer wieder erkennen, daß Kirchengrenzen nicht die Grenzen seines Reiches sind, daß die Scheidung der Kirche und Welt quer durch unsere Gemeinschaft hindurchgeht, ja daß sie in jedem von uns immer aufs Neue vollzogen werden muß! [. . .]
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13 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 2. Tagung der III. Synode Leuna, 25. März 1957 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 53, S. 1–17, hier: S. 1–5 (hekt.).
Schwerpunkt: Militärseelsorgevertrag der EKD mit der Bundesrepublik Gliederung: 1. Gesamtsituation. 2. Versorgung der Gemeinden durch kirchliche Amtsträger. 3. Das geistliche und kirchliche Leben der Gemeinden. 4. Diakonische und missionarische Arbeit. 5. Die Werke. 6. Strukturveränderungen? 7. Nächste Schritte.
1. Gesamtsituation Der Rechenschaftsbericht, den die Kirchenleitung im April vorigen Jahres auf unserer Provinzialsynode in Halle gab, hat in der Presse und im Hauptvorstand der CDU zum Teil eine eingehende und scharfe Kritik erfahren. Man warf mir vor, daß ich das „Gespenst eines Weltanschauungsstaates“ an die Wand malte, und unseren Staat vom dogmatischchristlichen Standpunkt aus pharisäisch aburteile. Wir haben im Verlauf des vergangenen Jahres öfter Gelegenheit gehabt, den verantwortlichen Stimmen des Staates zu bezeugen, daß es uns nicht um dogmatische Rechthaberei oder gar um eine reaktionäre Kritik im Dienst anderer politischer Mächte geht, sondern daß es uns nicht einmal um die Organisation „Kirche“ geht, sondern daß es uns um den uns anvertrauten Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik geht. Die Kirche hat in diesem Sinn gar keine eigenen Belange zu vertreten, sondern sie hat immer und überall für den Menschen einzutreten – um Gottes willen, der den Menschen lieb und für ihn Christus an das Kreuz gegeben hat. Wir haben das im Gespräch mit Mitgliedern des Hauptvorstandes der CDU aus Berlin zu bezeugen versucht, wir haben es den verantwortlichen Presseleuten im Anschluß an jene Berichte über unsere vorjährige ordentliche Synode in einer guten Auseinandersetzung deutlich zu machen versucht, vor allem sollte unsere a. o. Synode in Magdeburg, die vom 13.–18. November tagte, ein klares Zeugnis sein: Es geht uns um den Menschen, der in der veränderten industrialisierten Welt ebenso Gottes
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Eigentum ist, wie der Mensch des 16. oder 19. Jahrhunderts. Es liegt mir viel daran, dies zu Beginn – gerade in Leuna – mit Nachdruck zu sagen! Über die Weiterarbeit am Thema der a. o. Synode wird noch berichtet werden, aber ich darf nun dankbar aussprechen, daß das Zeugnis offenbar hier und da vernommen worden ist. (Bis in den „Eulenspiegel“ hinein, der ein Zitat aus meinem Vortrag auf der a. o. Synode brachte, ist ein weithin beachtetes Echo spürbar gewesen!). Vor allem dürfen wir es bezeugen, daß die Vertreter des Staates in Magdeburg ihr lebhaftes Interesse an unseren Verhandlungen der a. o. Synode durch ihre Teilnahme als Gäste bekundet haben und wir gerade seit jenen Novembertagen mit ihnen manche durchaus freundliche Begegnung gehabt haben. Bei der Besuchsreise, die 40 Brüder aus der westfälischen Bruderkirche in unserem Gebiet im November 1956 machten – Pastoren und Laien – haben wir durch den Rat des Bezirks in Magdeburg freundliche Unterstützung und Entgegenkommen erfahren. Auch hat es am Ende dieser Besuchsreise eine fruchtbare Aussprache zwischen den Männern der Kirche aus Westfalen und der Kirchenprovinz Sachsen einerseits und den Vertretern des Rates des Bezirks Magdeburg andererseits gegeben1. Auch in den Kreisen hat hin und her manches Gespräch stattgefunden, bei dem örtliche Konflikte und Schwierigkeiten besprochen wurden. Wir sind allerdings der Meinung und haben unsere Pfarrer und Superintendenten entsprechend angewiesen, daß es in diesen Gesprächen auf der Kreis- und Gemeindeebene um die lokalen Fragen gehen sollte und daß Grundsatzgespräche über das Verhältnis der Kirche zum Staat auf anderer Ebene verhandelt werden müssen – womit einem offenen und freien Wort zu dieser Frage freilich keine Fesseln aufgelegt werden sollen. Nun weiß heute freilich jeder, daß dies Gespräch zwischen Kirche und politischen Mächten seit kurzem in ein neues Stadium getreten ist, und zwar seit der Synode der EKiD, die Anfang März in Berlin-Spandau2 getagt hat. Daß sie nicht in Halle stattfinden durfte, weil die Verhandlung über die Wehrmachtsseelsorge auf dem Boden der DDR nicht tragbar erschien, ist uns ein Schmerz gewesen. Schon ehe das Ergebnis der Synode der EKiD feststand, lagen einige Schreiben vor, die uns erkennen ließen, daß der Kirche wesentliche Teile ihres Lebensraumes streitig gemacht
1 Vgl. „Bericht über die Organisation des Westfalenbesuchs 26.11. bis 5.12.1956“ des Laienbesuchsdienstes vom 15.12.1956 in: AKPS, Rep. B 2, Nr. 37. Am Gespräch im Erich-Weinert-Haus in Magdeburg am 5.12.1956 um 14 Uhr, welches ursprünglich in Mansfeld stattfinden sollte, nahmen 28 Pfarrer und Laien aus Westfalen, von der KPS u. a. OKR Dr. Hemprich und KR Dr. Ammer und staatlicherseits u. a. Herr Firit teil. Der etwa zweistündige Meinungsaustausch wurde hinterher von den kirchlichen Vertretern abschließend bewertet. 2 BERLIN-SPANDAU 1957.
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werden: Der Generalstaatsanwalt besiegelte mit einem Brief das definitive Ende der Evangelischen Bahnhofsmission. Ein Schreiben des Herrn Innenministers an den stellvertretenden Ministerpräsidenten Nuschke stellte für den im Sommer des Jahres im Raum Erfurt geplanten Kirchentag politische Bedingungen, die mit dem Wesen eines gesamtdeutschen Evangelischen Kirchentags nicht vereinbar sind. Ein während der Synode eintreffendes Schreiben des Ministers Stoph3 lehnte die Seelsorge innerhalb der nationalen Streitkräfte radikal ab, u. a. mit der Begründung, es sei seines Wissens noch niemals innerhalb der nationalen Streitkräfte der DDR das Bedürfnis nach Seelsorge ausgesprochen worden! Vollends nachdem die Synode in ihrer Mehrheit dem Staatsvertrag über die Seelsorge in der Bundeswehr4 zugestimmt haben, mehrten sich in der gesamten Presse der DDR die Angriffe in Wort und Bild gegen die evangelische Kirche. Man kann es seitdem jeden Tag ein paar Mal in der Zeitung lesen, daß die Kirche „die Waffen segne“, nato-hörig sei, ein Bündnis mit den friedensfeindlichen Mächten eingegangen sei usw. Zu diesen Vorwürfen möchte ich zunächst dem am meisten angegriffenen Kirchenführer, Bischof D. Dibelius, selber das Wort geben, indem ich aus einem Brief, den er an die Pfarrer seiner Berlin-Brandenburger Kirche gerichtet hat, einen Auszug mitteile: „Es geht eine Propaganda gegen die Kirche durchs Land. Die Zeitungen schreiben es. In den Schulen wird es vorgetragen. In den Betrieben wird es überall bekanntgegeben: Die Evangelische Kirche habe sich an die Nato verkauft; sie sei eine Militärkirche geworden, sie segne den Krieg und die Waffen; denn – sie habe mit der Regierung der Bundesrepublik einen Vertrag über die Militärseelsorge geschlossen!“ Was in diesem Vertrag eigentlich steht, erfährt niemand. Die Pfarrer wissen es nicht; denn einen Vertrag, an dem bis kurz vor der Entscheidung noch gearbeitet wird, stellt man nicht zur öffentlichen Erörterung. Weder der Staat tut das, noch die Kirche. Die andern wissen es auch nicht. Denn die kirchlichen Blätter, die jetzt nach der Entscheidung, über den Inhalt etwas berichten wollen, wurden alle beschlagnahmt. Und die politische Presse der Deutschen Demokratischen Republik erzählt ihren Lesern nichts, woraus sie sich ein Bild von der Sache machen könnten. Umso ungehemmter gehen die persönlichen Verunglimpfungen einher. Vor allem ich selber bekomme zu hören, daß ich ein „alter Mord- und Brandpredi-
3 Schreiben des Verteidigungsministers der DDR an den Vorsitzenden des Rates der EKD vom 4.3.1957. In: KJ 84, 1957, S. 47 f. 4 Vertrag der Evangelischen Kirche in Deutschland mit der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 22.2.1957. Abgedruckt in: EBD. 84, 1957, S. 40–47. Vgl. auch R. STUPPERICH, Dibelius, S. 498–503; G. BESIER, SEDStaat und Kirche 1, S. 216–240; M. G. GOERNER, Kirche als Problem der SED, S. 333–340 u. H. DÄHN, Konfrontation oder Kooperation?, S. 64–67.
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ger“, sei, daß ich den Krieg zu verherrlichen und die Waffen zu segnen pflege – 1914, 1933, 1947 – und was dergleichen mehr ist. Die nötigen Karikaturen vervollständigen das Bild.[“]5
Nun wird sich niemand unter uns über so etwas ereifern. Im übrigen sind wir Christen und vergelten nicht Scheltwort mit Scheltwort. Auch fehlt es in unserer Mitte nicht an Mitarbeitern, die noch genau wissen, was 1914 und 1933 wirklich gewesen ist, und die zu einer Synode von heute so viel Vertrauen haben, daß sie, auch ohne Einzelheiten zu kennen, dessen gewiß sind, daß da keine politischen Entscheidungen getroffen werden. Unser Herr Jesus Christus hat gesagt, daß seine Jünger fröhlich und getrost sein sollen, wenn die Menschen sie schmähen und verfolgen und allerlei Übles wider sie reden – wenn es nur um seinetwillen geschieht und wenn das, was gegen sie vorgebracht wird, Lüge ist. Das ist für uns das Wort der Stunde: Jawohl: wir sind fröhlich und getrost! Wichtig im Augenblick ist allein das, daß die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland einem Vertrag zugestimmt hat, der – jedenfalls an und für sich – eine Selbstverständlichkeit war und ist. Die Kirche kann den Soldaten nicht in seine Kaserne ziehen lassen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, mit seinem gottesdienstlichen Leben in Verbindung zu bleiben. Sie kann und will ihn nicht zwingen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Aber gegeben muß sie sein. Und da beim Militär alles seine Ordnung haben muß, muß auch hier eine Ordnung sein. Früher machte das der Staat allein. Jetzt geht das nicht mehr. Jetzt muß er sich mit der Kirche darüber verständigen. Auf der katholischen Seite ist das durch das Reichskonkordat von 19336 geschehen. Darin steht, daß für Offiziere und Mannschaften und für deren Angehörige „eine exemte Seelsorge“ eingerichtet wird, mit einem Militärbischof an der Spitze, den der Papst im Einvernehmen mit der Regierung ernennt. So ist es denn auch jetzt wieder geschehen. Die evangelische Seite hat kein Konkordat. Sie mußte diese Sache jetzt neu regeln. Natürlich durch einen Vertrag mit dem Staat. Wie sollte es anders gehen? Vom Konkordat hatte der jetzige Papst, als er noch Kardinal-Staatssekretär war, der deutschen Regierung offiziell geschrieben: es sein lediglich ein Akt religiös-kirchlicher Zielsetzung und keine rein politische Parteinahme. Von dem evangelischen Vertrag gilt das Gleiche. Es gilt von ihm in noch viel höherem Maße! 5 Rundbrief an die Pfarrer vom 17.3.1957. Abgedruckt in: G. KÖHLER (Hg.), Pontifex, nicht Partisan, S. 171 ff. Vgl. auch R. STUPPERICH, Dibelius, S. 499 f. 6 Reichskonkordat vom 20.7.1933. In: KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE, S. 33–61.
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Auf politische Verhältnisse nimmt unser Vertrag überhaupt nicht Bezug. Er fragt nicht danach, ob es sich bei den Soldaten um Freiwillige oder um Eingezogene handelt. Er fragt nicht danach, ob Krieg oder Frieden ist. Er will nur sicherstellen, daß auch den Soldaten das Evangelium verkündigt werden kann. Und zwar soll diese Seelsorge ganz frei sein von jedem staatlichen Einfluß. Die Landeskirchen suchen die Militärpfarrer aus und können sie wieder abberufen. Die Militärpfarrer bleiben mit ihrer „zivilen“ Kirche eng verbunden. Und ihr oberster Vorgesetzter ist der Militärbischof, der ebenfalls von der Kirche berufen und nötigenfalls wieder abberufen wird. In vielen Einzelbestimmungen ist diese Unabhängigkeit vom Staat gesichert. Und die Regierung der Bundesrepublik – das ist von allen anerkannt! – ist der Kirche dabei über alles Erwarten weit entgegengekommen. Es war auf der Synode nur eine kleine Minderheit, die diese Unabhängigkeit in einigen wenigen Punkten noch weiter ausgeprägt sehen wollte. Die überwältigende Mehrheit sagte sich: einen Vertrag, bei dem die Seelsorge der Kirche derartig frei bleibt von allen militärischen und politischen Gesichtspunkten, gibt es auf der ganzen Welt sonst nicht! Es wäre nicht zu verantworten, wollte man einen solchen Vertrag ausschlagen! Nur hätte die Synode gern – darüber gab es nur eine Stimme! – den gleichen Vertrag mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossen. Wir hatten wiederholt darum gebeten, aber nie eine Antwort bekommen. Jetzt schickte der Minister Stoph in die Synode hinein einen Brief7, der jegliche christliche Seelsorge an Soldaten seiner Streitkräfte mit schroffen Worten ablehnte. Der Brief wurde – was sich von selbst verstand! – den Synodalen und später auch der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Er mag diesem oder jenem die Entscheidung erleichtert haben. Von „raffinierter Regie“ – wie behauptet worden ist – konnte nicht die Rede sein. Wenn so etwas wie Regie vorlag, war sie wirklich nicht bei uns! Doch genug! Die Evangelische Kirche in Deutschland hat einem Vertrag zugestimmt, der nichts weiter enthält als die Regeln, nach denen die Kirche ihre Seelsorge an den Soldaten in Freiheit üben kann. Sie hat das getan im Gehorsam gegen ihren Herrn, der ihr geboten hat, das Evangelium aller Kreatur zu verkündigen, auch den Soldaten! Es ist hier nicht der Ort, auf die Einzelheiten des Vertrages einzugehen. Es ist aber um der Angriffe willen, auf die wir auf andere Weise nicht antworten können, wichtig, folgendes festzustellen: 1.) Die Kirche hat einer Aufrüstung niemals das Wort geredet, weder im Westen noch im Osten, sie hat im Gegenteil die Pflicht des Christen und 7 S. oben Anm. 3.
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der Christenheit, für den Frieden der Völker zu wirken, immer wieder verkündigt, ich erinnere nur an die Synode der EKiD von Weißensee8 oder an die Botschaften der Weltkirchenkonferenz in Evanston9. Auch die Synode der EKiD in Spandau10 hat in einer Erklärung gegen die Herstellung und Anwendung von Atomwaffen die Botschaft der Weltkirchenkonferenz von Evanston wieder aufgenommen und bestätigt. 2.) Alle Mitglieder der Synode, auch wenn sie an dem vorliegenden Vertrag mancherlei Kritik hatten, waren sich darin einig, daß Militärseelsorge sein muß. Die Meinung, daß mit der Tatsache der Militärseelsorge an sich ein Ja zur Wiederaufrüstung oder zur Wehrpflicht gegeben sei, ist ein ungerechtfertigter Angriff, gegen den sich Propst Grüber oder Kirchenpräsident Niemöller ebenso sehr wehren würde, wie der Bischof Dibelius oder sonst einer. Sogar über die Frage, ob die Militärseelsorge durch einen Staatsvertrag geregelt werden sollte, herrschte keine nennenswerte Meinungsverschiedenheit. Die Differenzen brachen an einigen Punkten des Staatsvertrages auf, wie etwa an der Beamtenstellung der Wehrmachtdekane usw. Hier wurde von einigen Brüdern leidenschaftlich auf die Gefahr hingewiesen, daß eine Wehrmachtsseelsorge die Freiheit verlieren könnte, etwa dem Soldaten, der unter dem Befehl der Anwendung von Atomwaffen steht, in einer ablehnenden Entscheidung seines Gewissens die rechte Hilfe auch seinem Kommandeur gegenüber geben zu können. Man wird nun sagen müssen, daß diese leidenschaftliche und beschwörende Stimme auf der Synode von allen ernst genommen und gehört worden ist, wie denn überhaupt das Gespräch auf dieser Synode bei aller Leidenschaftlichkeit ein gutes und brüderliches gewesen ist und in keinem Augenblick den Boden der gemeinsamen christlichen Verantwortung verlassen hat. Ich möchte es ausdrücklich hier vor der versammelten Synode und Gemeinde unserem Herrn Präses11, der wegen seines Votums in Berlin-Spandau in der Presse schweren Angriffen ausgesetzt ist, bezeugen, daß er allein aus dieser Verantwortung heraus das Wort genommen und sein Votum abgegeben hat. 3.) Es ging also auch hier entscheidend um den Menschen, d. h. in diesem Fall um den jungen Menschen in der Wehrmacht, dem die Kirche ihren Dienst einfach schuldet. Daß sich die Synodalen aus der DDR hier mitverantwortlich wissen und darum auch mitentscheiden mußten, darin kommt einfach die Tatsache zum Ausdruck: Wir sind in Ost und West eine Kirche und handeln nicht als Kirche des Ostens oder Kirche des
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BERLIN-WEISSENSEE 1950. EVANSTON 1954. Vgl. oben Anm. 2. Dr. Lothar Kreyssig.
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Westens getrennt voneinander. In der gleichen Weise wußten sich auch alle Synodale dafür verpflichtet, für die nationalen Streitkräfte in der DDR ebenso um eine geistliche Betreuung und seelsorgerliche Verantwortung bemüht zu sein. [. . .]
BischofD.JohannesJänicke,2.Juni1958 BerichteundBeschlüsse
14 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 3. Tagung der III. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 2. Juni 1958 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 56, S. 1–18, hier S. 1–5, 10–12 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 85, 1958, S. 241–243.
Schwerpunkte: Prozess gegen Konsistorialpräsident Kurt Grünbaum und OberkonsR Dr. Siegfried Klewitz; Jugendweihe und Konfirmation; Obrigkeitsfrage Gliederung: I. [Kirche zwischen gestern und morgen]. II. [Die Kirche und ihr Gottesdienst]. III. [Die Diakonie der Kirche]. IV. [Die Kirche und ihre Mission]. V. [ohne Überschrift]. VI. [Die Kirche und ihre Finanzen]. VII. [Der kirchliche Nachwuchs].
[. . .] Wie hart die Hand des Herrn im vergangenen Jahr auf uns lag, haben wir allein schon daran zu spüren bekommen, wieviel Brüder in leitenden Ämtern im Berichtsjahr, die vor 1 Jahr noch in unseren Reihen gestanden haben, von uns gegangen sind. Wir gedenken in Trauer und Ehrfurcht unseres Bruders OKR Lic. Hein1, der im November 1957 von einer der damals zahlreich stattfindenden Vernehmungen nicht zu uns zurückkehrte, weil er einem Herzschlag erlag. Was er uns als Bruder und Freund, als Theologe und vor allem als Vater unserer jungen Brüder im Ausbildungsdezernat gewesen ist, habe ich bei der Trauerfeier im Dom in Magdeburg vor einer großen Gemeinde aus der ganzen Kirchenprovinz zum Ausdruck gebracht. 1 OberkonsR Lic. Erich Hein ist während der Vorbereitung des Prozesses gegen Konsistorialpräsident Kurt Grünbaum und OberkonsR Dr. Siegfried Klewitz am 14. November 1957 aus dem Konsistorium zum Verhör bei der Staatsanwaltschaft abgeholt worden. Obwohl im Konsistorium auf die schwere Herzkrankheit von Hein hingewiesen wurde, wurde das Verhör durchgeführt. Nach Unterzeichnung des Protokolls erlitt er den tödlichen Herzanfall. Bischof Johannes Jänicke hielt ihm am 18.11.1957 im Magdeburger Dom die Trauerpredigt, die dann hekt. der Pfarrerschaft zugeleitet wurde: AKPS, Rep. B 2, Nr. 259; vgl. auch Lebenserinnerungen des Bischofs: J. JÄNICKE, Ich konnte dabeisein, S. 167–171.
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Nachdem der Prozeß gegen die Brüder Konsistorialpräsident Grünbaum und OKR Dr. Klewitz2 im Januar d. J. seinen Abschluß gefunden hat, hat Präsident Grünbaum zum 1. Juli und OKR Dr. Klewitz zum 1. Mai seine Pensionierung beantragt. Dr. Klewitz hatte kurz zuvor sein 70. Lebensjahr vollendet, Präsident Grünbaum steht im 67. Lebensjahr. Ihm glaubte die Kirchenleitung mit großer Mehrheit, auf seine Bitte um Stellungnahme den Rat hierzu erteilen zu sollen, um seiner selbst und um seines Dienstes willen. – Nachdem über den Anlaß und Verlauf des Prozesses unsere ausführlichen Informationen von der Kirchenleitung ausgegangen sind, nachdem auch der Bezirksstaatsanwalt gesprächsweise geäußert hat, daß die Sache als erledigt anzusehen sei, scheint es mir nicht angebracht und auch nicht nötig, hier noch einmal über die Vorgänge zu referieren. Aber ein besonderes Wort des Dankes sind wir den Brüdern an dieser Stelle schuldig. Bruder Grünbaum hat in den 4 Jahren als Präsident unseres Konsistoriums das reiche Wissen und die große Erfahrung des Amts, die in leitenden Stellungen des Staates und der Kirche gesammelt waren, in den Dienst unserer Kirchenprovinz gestellt. Seine hohen Gaben der Leitung kamen in diesen Jahren um so stärker zum Zuge, als ein ganzer persönlicher Einsatz unter Nichtachtung der eigenen Person dahinter stand. Die zugleich großzügige und weitherzige, wie energische und tatkräftige Prägung seines Wesens und Schaffens machte ihn uns, die wir in engster Zusam2 Am Sonntag, dem 13. Oktober 1957, hat die DDR in einer Blitzaktion einen Banknotenumtausch durchgeführt. Damit sollte erreicht werden, dass Barbestände von DDRBanknoten, die insbesondere in Westberlin gehandelt wurden, entwertet wurden. Präsident Grünbaum versuchte noch an diesem Tage, Gelder, die in Westberlin für die Kirchenprovinz vorrätig waren, in den Umtausch einzufädeln. Auf Grund dieser illegalen Aktion wurden er und OberkonsR Dr. Siegfried Klewitz am 21.10.1957 verhaftet. Der II. Strafsenat des Bezirksgerichts Magdeburg verurteilte am 24.1.1958 Konsistorialpräsident Gründbaum zu 2½ Jahren Gefängnis (auf Bewährung) und einer Geldstrafe von 10.000,– DM; Dr. Klewitz wurde zu 9 Monaten Haft (auf Bewährung) verurteilt. – Zu der Agitation gegen die Evangelische Kirche gehörte eine Broschüre: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon (15 S., mit Karikaturen; [Berlin] [19]57), in der Präses Scharf (anonym), Grünbaum aber mit seiner Funktion scharf angegriffen werden mit dem Vorwurf der Schieberei und der kriminellen Agententätigkeit. Die KL reagierte auf die Verhaftung mit einer Erklärung vom 1.11.1957, die an die Pfarrerschaft versandt wurde. Außerdem wurde am 22.11.57 eine Stellungnahme zum Ermittlungsverfahren an den Bezirksstaatsanwalt in Magdeburg abgegeben. Sämtliche Unterlagen in: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 5004. – Das Politbüro des ZK der SED befasste sich am 18.12.1957 [!] mit dem Prozess. Die Beschlussvorlage enthält eine ausführliche Analyse der Vorgänge; Möglichkeiten des Strafmaßes werden erörtert. Außerdem entscheidet das PB, dass eine Inhaftierung von Präses K. Scharf nicht erfolgen solle. In: M. WILKE, SED-Kirchenpolitik, S. 349 f., 356, 361–368. Eine gründliche Darstellung dieser Vorgänge fehlt bisher. Vgl. G. BESIER, SED-Staat und Kirche 1, S. 237–239; L. GEISSEL, Unterhändler, S. 257–263.
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menarbeit im Rat der Kirchenleitung gestanden haben, als Präsidenten verehrungswürdig und als Bruder liebenswert. OKR Dr. Klewitz gehört noch ein wenig zu uns, deswegen möchte ich ihn heute nicht mit meinem „Nachruf“ verabschieden. Nachdem er das Finanzdezernat in die Hände von KR Dr. Schulz gelegt hat, soll ihm aber, ohne daß ich das wiederholen möchte, was wir ihm an seinem 70. Geburtstag über seinen Weg in „Bürgergemeinde und Christengemeinde“ bezeugt haben, ein besonderer Dank für die Führung dieses Dezernats in schwerer Zeit auch an dieser Stelle gesagt werden. Im Zusammenhang mit den Vernehmungen im dem Prozeß Grünbaum/Klewitz hat der Leiter des Diakonischen Amtes, Oberkirchenrat Harder, unsere Kirchenprovinz verlassen und ist in die Bundesrepublik gegangen. Wir haben mit ihm einen Bruder von wahrhaft diakonischer Wesensprägung verloren. An seine Stelle trat im Januar d. J. der bisherige Superintendent des Kirchenkreises Sangerhausen, Lic. Rohkohl, den die Kirchenleitung zum Kirchenrat und Leiter des Diakonischen Amtes berufen hat. Aus dem Ephoralamt folgten die Brüder Niebuhr und Lic. Sander dem Ruf, im Konsistorium das Netz ziehen zu helfen. Von den Laienmitgliedern unserer Kirchenleitung sind im Lauf des Berichtsjahres die Brüder Dr. Frick und Rechtsanwalt Most durch Übersiedlung in die Bundesrepublik ausgeschieden3.
I. Was auf unserer außerordentlichen Synode im November 1956 als das Kennzeichen unserer Kirche und ihres Weges ausgesprochen worden war, daß sie eine Kirche unterwegs, eine Kirche zwischen gestern und morgen ist, das ist in dem Berichtsjahr wohl am deutlichsten geworden in der Entwicklung der Frage: Jugendweihe und Konfirmation4, die zu einer an das Leben unserer Gemeinden gehenden Entscheidung geworden ist. Wenn ich damals sagte, daß wir im Übergang von der Volkskirche zur 3 Außerhalb des Manuskriptes hat Bischof D. Johannes Jänicke KonsR Heinrich Ammer und OberkonsR Dr. Herbert Hemprich gedankt. 4 Notverordnung betr. Ergänzung der Ordnung des kirchlichen Lebens der EKU vom 6.5.1955, vom 2.5.1956 (Konfirmation). In: ABL. KPS 1956, S. 65. Diese Ergänzung war nötig geworden besonders wegen der Bestimmungen zur Konfirmation (Art. 19), die den ausschließlichen Gegensatz von Konfirmation und Jugendweihe festlegten. In den östlichen Gliedkirchen der EKU ergaben sich unterschiedliche Regelungen. In der KPS wurde insbesondere an einer neuen Regelung für den Zugang zum Abendmahl theologisch gearbeitet. Vgl. W. HÜFFMEIER in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 788 f.; D. URBAN/H. W. WEINZEN, Jugend ohne Bekenntnis?
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Bekennenden Kirche stehen, so haben wir das Notvolle eines solchen Übergangs in einer bisher nicht erfahrenen Weise zu spüren bekommen. Ich brauche nicht im einzelnen auszuführen, wie die Entwicklung der Jugendweihe dem von der Kirche von Anfang an eingenommene Standpunkt Recht gegeben hat, nämlich daß die Jugendweihe die Bekenntnishandlung der atheistischen Weltanschauung und deswegen mit der Konfirmation unvereinbar ist. Noch vor 2½ Jahren, zu Beginn meiner Amtstätigkeit hier, versuchte Herr Dr. Wandel in einem Gespräch zu einem Kompromiß mit der Kirche in dieser Frage zu kommen. Eine Koexistenz beider Handlungen schien ihm damals im Gespräch mit der Kirche noch diskutabel, ja erstrebenswert. Heute ist Dr. Wandel ins Unrecht gesetzt und aus seinem damaligen Amt entfernt worden. Der betont atheistische Bekenntnischarakter der Jugendweihe hat sich durchgesetzt. Man versucht das auch keineswegs mehr zu tarnen. Ich zitiere hier das Mitglied des ZK und Leiter der Abteilung Volksbildung beim ZK der SED Werner Neugebauer: „Genosse Wandel vertrat da eine konfliktlose Auffassung. Er wollte die Jugendweihe so entwickeln, daß die Gewinnung der Masse der Kinder auf der Grundlage eines Programms erfolgt, gegen das letztlich auch die Kirche nichts einzuwenden hat. (Heiterkeit) Darin unterscheiden wir uns. Aber ich muß auch sagen, daß ich persönlich nicht die Qualität hatte, mich gegenüber einem solchen Genossen wie Paul Wandel durchzusetzen. Wir haben unsere Auffassung dann mit Hilfe der ganzen Partei durchgesetzt, mit der Verkündung der richtigen Auffassung, wie sie Genosse Walter Ulbricht in seine Rede in Sonneberg zur Jugendweihe ausgesprochen hat, daß wir alle Kinder gewinnen wollen, aber auf der Grundlage der sozialistischen Ideologie und Weltanschauung! (Beifall) Genossen! In den vergangenen Jahren, in denen wir die Jugendweihe durchführten, hat sich diese unsere offensive Linie als richtig erwiesen gegenüber dem Leisetreten und Zurückweichen. Bestimmte Leute sagten uns völlig grundlos: Verletzt nicht die religiösen Gefühle! – Wir müssen ihnen sagen: Wir sind Marxisten-Leninisten. Wir sind auch zum Beispiel der festen Überzeugung, daß es keinen Gott gibt. Doch wenn die Vertreter religiöser Auffassungen immer wieder von ihrer religiösen Lehre und von Gott sprechen, dann werden dadurch auch unsere Gefühle einmal verletzt! (Starker Beifall) Sicher werden noch nicht alle Teilnehmer an der Jugendweihe sofort von dem ganzen Ideengut überzeugt sein, das wir dort vortragen. Aber wir haben sie für uns gewonnen, und sie sind nun auf unserer Seite. Wir werden diesen Weg mit ihnen weitergehen und sie auch nach der Jugendweihe nicht in der Weise ins Leben entlassen, daß wir sie dann freilassen von unserer sozialistischen Ideologie und wieder den alten rückständigen Kräften aussetzen. Das wird eine besondere Aufgabe der Freien Deutschen Jugend sein.“5 5 Die Sonneberger Rede W. Ulbrichts in: LERNEN SOZIALISMUS.
FÜR DAS
LEBEN – LERNEN
FÜR DEN
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Man wird wohl sagen können, daß in der grundsätzlichen Frage „Jugendweihe und Konfirmation“ Einmütigkeit besteht, nämlich daß beide als miteinander unvereinbar erkannt werden. Das Hirtenwort der Bischöfe vom 20.10.19576, das auch in unserer Kirche von fast allen Kanzeln verlesen worden ist, zieht die Konsequenz aus der Rede von Walter Ulbricht vom 22.9.1957 in Sonneberg7 in Thüringen und einer Reihe ähnlicher Äußerungen der letzten Monate. Mein Hirtenbrief vom 20. Januar stellte die Unvereinbarkeit beider Handlungen ausdrücklich fest und mahnte zu seelsorgerlichem Nachgehen in jedem einzelnen Fall. Die Weisung der Kirchenleitung vom 19.4.1958 erläuterte noch einmal nach den inzwischen gemachten Erfahrungen, daß nicht ganz eindeutige Auswege, wie sie hier und da gesucht worden sind, keine Lösung der uns aufgegebenen Frage sind. Weder eine Zusatzerklärung, daß man das Jugendweihegelübde nicht atheistisch verstehe, noch eine der Konfirmation ähnliche Segenshandlung beim Abschluß des kirchlichen Unterrichts, noch ein stillschweigendes Abrücken vom Jugendweihegelübde durch Teilnahme am heiligen Abendmahl, noch gar eine Abmeldung in ein anderes Kirchengebiet mit einer anderen Praxis in dieser Frage können von uns als eine unzweideutige und klare Lösung angesehen werden. Auch der Grad der „Freiwilligkeit“ der Teilnahme an der Jugendweihe kann, wie die Dinge nun einmal liegen, kein entscheidender Maßstab sein. Wo kann man eindeutig von einem erzwungenen Gelübde sprechen und wo eindeutig nicht? Wir haben eindeutige Beispiele, in denen die Verweigerung der Jugendweihe mit der Ablehnung zur Oberschule oder für eine Lehrstelle oder gar mit dem Verlust der Berufsexistenz des Vaters bezahlt werden mußte. Wir haben in diesen Fällen auf den Bruch der Verfassung, die Glaubens- und Gewissensfreiheit zusagt, nachdrücklich hingewiesen. Ein Gespräch mit dem Volkskammerpräsidenten Dieckmann, das unsere Beschwernisse zum Gegenstand haben sollte und das uns im März zugesagt wurde, ist kurzfristig vorher wieder abgesagt worden. Eine Eingabe an den Ministerpräsidenten Grotewohl8 mit Beispielen solcher Art und Namensnennung, ist unbeantwortet geblieben. Heute vormittag soll in Berlin das Gespräch9 der von der Synode der EKiD bestimmten Delega6 Gemeinsame Erklärung der Bischöfe vom 9.10.1957. In: KJ 84, 1957, S. 154. 7 Vgl. dazu D. URBAN/H. W. WEINZEN, Jugend ohne Bekenntnis?, S. 72 ff. Zur Rede Ulbrichts und deren Wirkung vgl. G. KÖHLER (Hg.), Pontifex, nicht Partisan, S. 139– 143. 8 Landesbischof M. Mitzenheim hatte am 30. Juni 1958 die Beschwerden der Kirche in einem ausführlichen Schreiben an Ministerpräsident O. Grotewohl zusammengefasst. AKPS, Rep. B 2, Nr. 220. Vorausgegangen war das Schreiben der Ostkonferenz der EKD an Volkskammerpräsident J. Dieckmann vom 13. März 1958, EBD. 9 In dem Kommuniqué über die Beratungen des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl mit Vertretern der evangelischen Kirchen in der DDR vom 21.7.1958 wird als Ergebnis
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tion mit dem Ministerpräsidenten über diese Frage stattfinden. Wir erwarten morgen den Bericht darüber. Aber der Grad des Druckes zur Jugendweihe ist verschieden, je nach dem, ob es sich um Amtsträger des Staates, Angehörige der SED und anderer Organisationen handelt oder nicht, ja auch in dem vielschichtigen Gebiet unserer Kirchenprovinz beobachten wir erhebliche Gradunterschiede. In Magdeburg ist es anders als in einigen Gebieten der Altmark oder Thüringen, in Industriegebieten anders als in ländlichen Gegenden mit einer noch relativ festen kirchlichen Tradition. Das macht die Frage der Kirchenzucht für uns besonders schwierig. Allerdings sind wir der Meinung, daß auch ein unter Druck abgegebenes Gelübde nicht ein Nichts ist, sondern eine Bindung bedeutet, auf die der junge Mensch behaftet werden kann. Deshalb halten wir eine Lösung von dem Jugendweihegelübde in irgendeiner Form für unerläßlich, wenn eine zunächst versagte Konfirmation später nachgeholt werden soll, oder wenn die ruhenden kirchlichen Rechte wieder beigelegt werden sollen. Der theologische und katechetische Ausschuß unserer Synode sowie der Ordnungsausschuß hat sich in gründlichen, tagelangen Beratungen mit der Frage der Kirchenzuchtmaßnahmen in solchen Fällen beschäftigt. Ich will den Berichten hierüber nicht vorgreifen, sondern nur darauf hinweisen, wie notvoll diese Frage in einer der Kirchenzucht entwöhnten Kirche ist, in der nun die Zucht an ihren jüngsten und schwächsten Gliedern neu begonnen hat. Gewiß ist an einzelnen Punkten hierdurch die volkskirchliche Atmosphäre der Entscheidungslosigkeit durchbrochen und der Entscheidungscharakter des Bekenntnisses deutlich geworden. Aber man wird das nicht verallgemeinern dürfen. Die Verordnung über die Kirchenzuchtmaßnahmen bei Jugendweihen bedarf nach den gemachten Erfahrungen einer Überprüfung. Darüber hinaus wird die seit langem anstehende Konfirmationsnot uns jetzt nicht mehr loslassen dürfen, bis wir zu neuen redlichen Lösungen gekommen sind. Ich weiß wohl, daß damit die uns durch die Jugendweihe aufgegebene Frage nicht beantwortet wird. Aber ebenso gewiß ist, daß uns mit der Jugendweihe eine Rechnung präsentiert wird, die zu begleichen die Kirche in den vergangenen Jahrzehnten offenbar nicht geistliche Kraft genug gehabt hat. Sie hat in der Konfirmationsfrage auf dem einmal eingeschlagenen Wege weitergemacht, obwohl die Erkenntnis allgemein
längerer Verhandlungen (Gespräche am 2.6., 23.6. und 21.7.) das Verhältnis zwischen Staat und Kirche neu definiert. Text: DOKUMENTE ZUR FRAGE DER OBRIGKEIT, S. 13 f. Vgl. KJ 85, 1958, S. 105–10, 142–147; G. KÖHLER (Hg.), Pontifex, nicht Partisan, S. 166–198 u. P. MASER, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 55; G. BESIER, SEDStaat und Kirche 1, S. 261–291.
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war, daß bei dem gegenwärtigen Zustand der Volkskirche die Konfirmation längst den Charakter echten Bekenntnisses und echter Entscheidung verloren hatte und weithin als eine religiös verbrämte Jugendweihe gefeiert wurde. Die Möglichkeit neuer Wege – etwa einer späteren Konfirmation nach Bewährung in der Gemeinde, oder auch einer früheren Konfirmation nach Art der katholischen Firmung – wird der Bericht des theologischen und katechetischen Ausschusses aufzeigen. Nur meine ich, daß wir hier nicht Zeit zu verlieren haben! Die Konfirmation 1959 darf in unserer Kirchenprovinz nicht mehr das Bild der diesjährigen Konfirmation zeigen, das weithin ein Bild der Ratlosigkeit war, in der jeder auf seinen eigenen Weg sah. Die einzelnen Gliedkirchen, und nun nicht nur die Gliedkirchen des Ostens, werden hier Stellung nehmen und Vorschläge machen müssen. Die Synode der EKiD hat einen Koordinierungsausschuß eingesetzt, der diese gemeinsamen Vorschläge zu einem einheitlichen Weg der Kirchen der EKiD zusammenzufassen suchen wird. Gott gebe uns die rechte Klarheit und den Mut zu neuen Wegen, selbst wenn darüber liebgewordene Traditionen zerbrechen oder gar das bisherige Bild der Kirche in Frage gestellt zu werden drohte. Wenn Gott mit uns einen Schritt vorwärts gehen will, so dürfen wir nicht zurückbleiben. [. . .] V. Daß wir Kirche in der Welt sind, und daß wir der Welt die Freiheit in Christus zu bezeugen haben, das gilt für uns ja in besonderer Weise gegenüber den politischen Mächten unserer Zeit. Diesen Auftrag haben wir allein von dem Herrn, der das Haupt Seiner Gemeinde und der Herr der Welt ist. Wenn uns immer wieder unterstellt wird, daß wir anderen politischen Mächten außerhalb der DDR hörig seien und in ihrem Auftrag handelten, so ist uns das überaus schmerzlich, dieser Vorwurf und dies Mißverständnis begleitet die christliche Kirche auf ihrem Gang durch die Jahrhunderte ja in immer neuer Gestalt. Wir werden uns gewiß prüfen müssen, wo wir zu diesem Mißverständnis durch eigene Schuld beigetragen haben, wir werden darum ringen müssen, daß unser Zeugnis das Ja Gottes zur Welt vernehmbar macht und werden den Ton der politischen Ressentiments nicht aufkommen lassen dürfen. Wir werden aber dem Kampf nicht entgehen können, wenn, wie bei uns, das Ja zur Welt und zur Obrigkeit, wie es die Synode der EKU im Dezember10 eindeutig ausgesprochen hat, verbunden sein muß mit einem Nein zur atheistischen Ideologie, zu der sich der Staat und die politischen Mächte immer ein10 VERHANDLUNGEN EKU 1957.
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deutiger und kompromißloser bekennen und die sie zur Grundlage all ihres Handelns machen. Wir wollen Ja sagen zu der Welt, in die wir gestellt sind und in der wir leben, und das heißt Ja bei uns zur Welt der DDR mit ihrer Obrigkeit, die wir nach Gottes Wort als Seine gnädige Anordnung ehren. Aber hört man auch die herzandringliche Bitte, wie ich sie vor einigen Monaten in einem Gespräch mit Vertretern des Staates ausgesprochen habe: Laßt uns, die wir Christen sind und eure Ideologie nicht teilen, in dieser Welt doch nicht heimatlos werden! Macht uns nicht zu Menschen zweiter Klasse, macht vor allen Dingen unsere Kinder nicht dazu, wenn sie um ihres christlichen Glaubens willen den dialektischen Materialismus nicht bejahen können! Wir berufen uns dabei nicht allein auf die Verfassung der DDR, die wir hier verletzt sehen, wir berufen uns dabei einfach auf ein unveräußerliches Menschenrecht! So muß sich die Kirche, vor allem die Kirchenleitung, immer wieder zur Stimme der bedrängten Gewissen machen. Jeder Seelsorger weiß hier von gequälten Herzen, die darüber an allem irre zu werden drohen. Wir haben das in mancherlei Gesprächen zu sagen versucht. Wir begrüßen solche Gespräche, selbst wenn sie das Ohr oder das Herz des Partners nicht immer erreichen. Wir meinen, in ihnen auch den politischen Mächten und der Obrigkeit einen Dienst tun zu müssen, wie ihn so nur Christen tun können. Es hat da manche harte Auseinandersetzung gegeben. Dabei ging es uns wirklich nicht allein um unsere Belange in der Kirche. Wohl hatten wir mancherlei Anliegen, bei denen wir wohl wünschten, ein offeneres Ohr zu finden, Baulizenzen, Druckgenehmigungen, Aufenthaltsgenehmigungen für kirchliche Amtsträger, an deren Mitwirkung für kirchliche Veranstaltungen uns um der Einheit der Kirche Christi willen viel gelegen war, Reisegenehmigungen von hier nach drüben und vieles andere mehr. Es ging aber in solchen Gesprächen auch um die Lebensfragen des deutschen Volkes, zu denen von unserem Standpunkt aus Stellung zu nehmen uns in der Verfassung der DDR ja ausdrücklich zugesagt ist11. So hat es ein besonders hartes Gespräch über die Stellungnahme der Kirchenleitung zu den Wahlen im Juni 1957 gegeben, eine Stellungnahme, die wir mit anderen Gliedkirchen in der DDR teilten12. Wir meinten in diesem Fall, wie auch sonst, der Obrigkeit einen Dienst damit zu tun, daß wir das offen aussprachen, was viele dachten und empfanden, was sie aber nicht der Stelle zur Kenntnis brachten, die es in erster Linie anging. Würden
11 Art. 41 [Orig. Anm.]. Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIa, S. 583. 12 Vgl. Rundverfügung des Konsistoriums Berlin-Brandenburg an die Pfarrer vom 12.6.1957 und das Rechtsgutachten der Kirchenkanzlei der EKD, am 4.6.1957 an alle Kirchenleitungen versandt in: KJ 84, 1957, S. 173–175.
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wir die Obrigkeit in ihrer Verantwortung nicht ernst nehmen, so würden wir ihr gegenüber das nicht immer wieder freimütig aussprechen, was uns und viele Bürger der DDR beschwerte. In dem Gespräch mit dem Rat des Bezirks in Magdeburg im März d. J.13 wurden mir, als dem Vorsitzenden der Kirchenleitung, zwei Fragen gestellt: ob wir die demokratische Gesetzlichkeit künftig zu achten gewillt seien und ob wir uns in dem Kampf gegen die Massenvernichtungsmittel für den Frieden der Welt mit einzusetzen gedächten? Auf die zweite Frage konnte ich nur mit den wiederholten kirchlichen Äußerungen antworten, die eindeutig die Massenvernichtungsmittel verwerfen und die Völker vom Haß zum Frieden rufen. Die diesbezüglichen Beschlüsse von New Haven sind in unserer Kirchenprovinz allen Pfarrämtern zugegangen mit der Weisung in unserem Amtsblatt14, sie zum Gegenstand von Besprechungen in den Gemeindekreisen zu machen. Ich darf sagen, daß dies mir und vielen Brüdern ein leidenschaftliches Anliegen ist: Zur Frage der Innehaltung der Gesetze konnte ich nur sagen, daß wir aus Gottes Wort gewiesen sind, sie zu achten und die Obrigkeit zu ehren. Daß aber der tiefste Grund für die mancherlei Konflikte darin begründet liegt, daß man den Christen um ihres Bekenntnisses willen es schwer, ja oft unmöglich macht, da mitzuarbeiten, wo als Fundament alles Lebens die atheistische Weltanschauung vorausgesetzt wird, das wurde uns, so hatten wir den Eindruck, nicht abgenommen. Ja, wenn ausgerechnet der Vertreter der CDU den Vorwurf erhob, daß wir nur den religiösen Vorwand benutzen, um unseren politischen Widerstand dahinter zu verstecken, so konnte ich eine solche Unterstellung nur nachdrücklich zurückweisen, weil sie ja auch das Ende jeder freien und redlichen Gesprächsmöglichkeit bedeutet. Ich habe gerade über dieses Gespräch hier etwas mehr berichtet, weil das darüber erschienene Kommuniqué das Gewicht der Tatsache, wie wir unsere Beschwernisse über Jugendweihe, Zulassung zu Oberschulen und zum Studium u. a. m. zum Ausdruck brachten, nicht deutlich erkennen läßt. Ich hatte bei meiner Einführung gesagt, daß es ein gutes Verhältnis zwischen Staat und Kirche geben könnte, wenn der Staat ganz Staat und die Kirche ganz Kirche ist, und beide ihre Belange gegenseitig respektieren. Wenn aber zum Beispiel der Staat, wie es in dem Erlaß des Ministers Lange vom 12.2.195815 geschieht, die Aufsicht über die von der Kirche 13 AKPS, Rep. B 2, Nr. 222. Das Gespräch fand in Wirklichkeit am 21.2.1958 statt. Der gesamte RdB führte das Gespräch mit scharfen Vorwürfen gegen die KL; Außer Bischof Jänicke nahmen die Pröpste Zuckschwerdt, Schaper und Richter sowie Mitglieder der KL und des Konsistoriums teil. Vermerk (7 S.) von KR Ammer liegt vor. 14 Appell des ZA des ÖRK an die Atommächte. In: ABL. KPS 1958, S. 6. 15 Anordnung zur Sicherung von Ordnung und Stetigkeit im Erziehungs- und Bildungsprozeß der allgemeinbildenden Schulen vom 12.2.1958. In: GBL. DDR I, 1958, S. 236.
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erteilte Christenlehre in Anspruch nehmen will, wenn er nicht die Kirche, wie es in der Verfassung garantiert ist, den Personenkreis zu bestimmen in Anspruch nimmt, der Religionsunterricht erteilt, dann können wir einer solchen verfassungswidrigen Anordnung nur widerstehen16. Es ist dadurch viel Not über unsere Katecheten gekommen. Wir haben das auch an zentraler Stelle zum Ausdruck gebracht und können nur hoffen, daß dieser Weg einer staatlichen Aufsicht über den Religionsunterricht, die wir früher einmal gehabt haben, die aber keiner zurückwünschen möchte, nicht weiter gegangen wird. Zweifellos ist nun eine Verschärfung der Situation, eine Verhärtung der Fronten, an der im Grunde doch keinem gelegen sein kann, eingetreten, seitdem die Synode der EKiD im vorigen Jahr den Militärseelsorgevertrag mit der Bundesrepublik beraten und beschlossen hat. Nach den Vorgängen zu Beginn der Synode der EKiD im April d. J.17 und der Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs in Schwerin, scheint mir die Atmosphäre für eine sachliche und leidenschaftslose Darlegung dieses Gegenstandes in der kirchlichen Öffentlichkeit nicht gegeben zu sein. So viel muß doch aber gesagt werden: Die Synode der EKiD vom April 1958 hat einen sehr weitgehenden Beschluß18 gefaßt, dessen Bedeutung in der Presse der DDR nicht genügend gewürdigt worden ist. Die Beschlüsse dieser Synode sind in Ihrer Hand und können nachgelesen und geprüft werden. In der Sache der Militärseelsorge hat die Synode beschlossen, dem Rat der EKiD die Überleitung des Militärseelsorgevertrages in die alleinige Zuständigkeit der westlichen Gliedkirchen zu empfehlen19. Dieser Beschluß geht auf eine Anregung von Dr. Heinemann zurück und wurde einmütig von der Synode angenommen. Das bedeutet aber, daß keine Gliedkirche der DDR, also auch unsere Kirchenprovinz nicht, irgendwie an diesen Vertrag rechtlich gebunden oder an der Verantwortung für seine Durchführung beteiligt sein soll. Nimmt man dann dazu, daß ein Beschluß für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen bei der Anwendung der Atomwaffen von der Synode angenommen wurde, daß ferner der Beschluß über die Atomwaffen in Übereinstimmung mit den Beschlüssen von New Haven den mit Massenvernichtungsmitteln geführten totalen Krieg verwirft und die Mächte bittet, die Atomversuche einzustellen und nicht wieder aufzunehmen, so wird man nicht sagen können, daß die
16 Vgl. VERFASSUNG DER DDR [1952], Art. 44 Satz I [Orig. Anm.]. Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIa, S. 584. 17 In Berlin-Weißensee verlangten Demonstranten Zugang zur und Rederecht in der Synode. Die Verhandlungen wurden daraufhin in Berlin-Spandau fortgeführt. 18 Beschluß betr. Sorgen und Nöte christlicher Eltern und Kinder in den Gliedkirchen der Deutschen Demokratischen Republik. In: BERLIN 1958, S. 454 f. 19 AKPS, Rep. B 2, Nr. 56.
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Synode der EKiD der NATO-Politik hörig beschlossen oder ihre Abhängigkeit von der Bundesregierung bekundet habe. Obwohl in gewichtigen Fragen keine Einmütigkeit erreicht werden konnte, so sind wir Gott dankbar gewesen, daß wir trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten als eine Kirche in Ost und West beieinander geblieben sind. Das war nicht selbstverständlich. Man kann wohl sagen, daß dies möglich war, ist ein Zeichen erhörter Fürbitten der Gemeinden, die um diese Synode waren, und ein Erweis der Macht des einen Herrn, von dem allein eine Kirche ihre Aufträge empfängt, und der uns durch das Band Seines Friedens beieinander erhalten will. Unter diesem einen Herrn gedenken wir auch in Zukunft beieinander zu bleiben. [. . .]
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15 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 4. Tagung der III. Synode Wittenberg Paul-Gerhardt-Stift, 9. März 1959 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 57, S. 1–18, hier: S. 1–4, 16–18 (hekt.).
Schwerpunkt: Leben der Kirche in einem atheistischen Staat und in der sich wiederbewaffnenden Welt; zum Stellenwert kirchlicher Erklärungen zu politischen Fragen Gliederung: I. Gottes Volk lebt vom Wort und Sakrament. II. Gottes Volk lobt den Herrn. III. Gottes Volk ruft seine Kinder unter Gottes Wort. IV. Gott bringt sein Volk durch. V. Gottes Volk hat das Predigtamt in seiner Mitte. VI. Gottes Volk hat den Auftrag der Diakonie. VII. Gottes Volk hat Weltverantwortung.
[. . .] I. Gottes Wort lebt vom Wort und Sakrament. Es ist das Wesen evangelischen Gottesdienstes, daß in ihm das Zeugnis in der persönlichen Wortauslegung im Mittelpunkt steht. Darum ist das Ringen um das Was? der Verkündigung das entscheidende Handeln in der evangelischen Kirche. Das Wort ist uns nicht selbstverständlich verfügbar. Wir haben darum zu ringen. Es gibt im evangelischen Gottesdienst weder den wortlosen Kult noch das „rein Objektive“. Es muß in der Kraft des Heiligen Geistes persönlich bezeugt werden. Wer meint, aus der Geistesarmut des gepredigten Wortes in die Fülle des objektiven Kultes fliehen zu können, vergißt, daß zur rechten Liturgie der Heilige Geist ebenso notwendig ist, wie zur rechten Predigt. Das Ringen um das Wort des Zeugnisses bedeutet aber für uns, eine Antwort suchen auf die Frage: Wie kann das Evangelium in der Welt des Marxismus recht verkündigt werden? Wir meinen, daß wir in dieser Frage im Begriff sind, einen Schritt vorwärts zu tun. Die Synode der EKU im Februar in Berlin1 war ein Zeichen dafür, und gerade auch aus unserer 1 BERLIN-SPANDAU 1959.
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Kirchenprovinz sind entscheidende Anstöße in dieser Sache gegeben worden. Daß in der Arbeit des Theologischen und des Öffentlichkeits-Ausschusses eine so weitgehende Einmütigkeit im Grundsätzlichen erzielt worden ist, – ist uns ein ganz großes Geschenk gewesen. Der Spannungsbogen ist weit. Wir haben das nicht nur auf der Synode der EKiD im vergangenen Jahr, etwa in dem Wort über die atomare Bewaffnung, gemerkt, sondern es ist ja fast in jedem Gespräch und bei jeder Entscheidung spürbar. Würden wir von einer politischen Konzeption her zu reden und zu handeln suchen, so wäre das Unternehmen hoffnungslos. Aber das Wort Gottes steht nicht im Dienste einer politischen Konzeption. Darum schafft es Einheit, wo man zuvor in verhärteten Fronten gegenüberstand und dem kalten Krieg Raum gab. Das Wort Gottes zerbricht unsere Fronten und sagt dem kalten und heißen Krieg unerbittlich Krieg an im Namen dessen, der unser Friede ist. So ist denn der Ausgangspunkt der theologischen Arbeit, an der unsere Kirchenleitung fast in jeder Sitzung teilzunehmen gerufen war, das Ja Gottes, das Er über einer verlorenen Welt spricht. Dieses Ja Gottes, in Jesu Kreuz und Auferstehung unter uns Gestalt geworden, macht es uns unmöglich, dem Freund-Feind-Denken der Welt zu verfallen und in einer billigen Kreuzzugstheologie der atheistischen Welt den Untergang zu bereiten oder auch nur daran zu denken. Das ist der gemeinsame Ausgangspunkt, auf den sich die Brüder im Osten und Westen, mit allen verschiedenen politischen Schattierungen, gefunden haben: Das Evangelium ist lauter Ja, wie Jesus Christus das Ja und Amen aller Gottesverheißungen ist (2. Kor 1,20). Wir sind uns auch einig darüber, daß dieses Evangelium in einer Welt der Anfechtung laut wird, deren Tiefendimension so in der Christenheit nicht oft durchlebt wurde. Es ist schon etwas schlimmer, als es Karl Barth in seinem sonst so tröstlich zusprechenden „Brief an einen Pfarrer in der DDR“ zeichnet2. Man treibt es mit dem kämpferischen Atheismus nicht 2 Friedemann Goßlau, Pfarrer in der Kirchenprovinz Sachsen, hatte sich – gemeinsam mit seinem Freund, dem Pfarrer Reinhard Carstens – 1958 mit einem Brief an Karl Barth gewandt und ihn um eine Stellungnahme zur christlichen Existenz in den kommunistisch geführten Staaten gebeten. In diesem Schreiben hatte Goßlau die schweren Eingriffe des DDR-Staates in den Vollzug der Christenlehre und die Propagierung der Jugendweihe deutlich geschildert. Darauf antwortete Barth mit einem ausführlichen, die Fragen der jungen Pfarrer gründlich reflektierenden „Brief an einen jungen Pfarrer in der Deutschen Demokratischen Republik“, der 1958 in Zürich als Einzeldruck erschien, in der DDR aber niemals nachgedruckt werden durfte. Der Text von Barth ist, gemeinsam mit dem Brief der Pfarrer aus der Kirchenprovinz Sachsen, ediert und kommentiert in: K. BARTH, Gesamtausgabe, S. 402–439. Zur Rezeption des Briefes von Karl Barth im Bereich der EKD vgl. G. BESIER, SED-Staat und Kirche 1, S. 301–311 u. DERS., Karl Barths „Brief an einen Pfarrer in der DDR“.
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nur recht „arg“, wie Karl Barth meint, sondern wir erleben es täglich vor unseren Augen, wie Menschen der Glaube aus dem Herzen gerissen wird, wie die Angst sie zu verleugnen treibt, wie die Bewußtseinsveränderung unter dem Trommelfeuer der ausschließlichen Propaganda des atheistischen Materialismus fortschreitet. Gewiß ist Gott größer als unser Herz, und gewiß bleibt der Herr Christus der Sieger, der nach allen Siegen der Ideologien Seinen Sieg offenbar machen wird. Aber wir haben es ja einfach vor Augen, wie Menschen unter den Bannkreis der Mächte geraten, in welchem Gott keinen Raum mehr haben soll. Es wäre nicht verantwortlich für eine Kirche, hier gelassen zuzuschauen und es bei der tief im Herzen wohnenden Zuversicht auf die Totalität des Sieges Christi bewenden zu lassen. Daß uns solche Flucht in die Innerlichkeit versagt ist, gehört auch zu den gemeinsamen Erkenntnissen, die uns mehr und mehr deutlich geworden sind. Dabei sind wir uns dessen bewußt, daß auch die Mächte Werkzeuge in Gottes Hand sind – wie die Assyrer oder Babylonier für Gottes Volk im Alten Testament Mächte waren, durch die Gott Sein Volk heimsuchte. Ja, auch eine atheistische Obrigkeit hat immer noch die Würde und Autorität von Gott, eine Ordnungsmacht in der Welt zu sein, damit diese nicht in das Chaos sich auflöse. Ohne es selbst zu wissen oder zu wollen, hat sie diese Macht. Und wir sprechen sie immer wieder auf diese Würde und Autorität hin an, wenn wir für das Recht und die Freiheit des Menschen eintreten. Eins ist uns allerdings unter dieser Botschaft des Wortes Gottes unmöglich: in einer inneren Opposition, ja vielleicht Emigration in den Westen hin zu leben und uns äußerlich an die Welt des Atheismus zu assimilieren. Vielmehr ist uns das Bekenntnis geboten, das im rechten Augenblick das Nein zu sprechen weiß, gerade weil wir der Stadt Bestes suchen und für sie zum Herrn beten, wie es dem Volk Gottes durch den Mund des Propheten Jeremia geboten ward (Jer 29). Gerade weil wir unter dem Ja Gottes zur Welt stehen, dürfen wir nicht stumme Hunde sein und uns in ein vermeintlich sturmfreies Gebiet der Herzensfrömmigkeit zurückziehen. Mit diesem Gedanken ist angedeutet, in welchem Umkreis sich die theologische Arbeit der Kirchenleitung und das daraus resultierende praktische Handeln vollzieht. Man hat es uns verdacht, daß wir über die Grundbegriffe des Kommuniqués vom Juli 19583, das immer wieder zum Ausgangspunkt der Gespräche zwischen Kirche und Staat genommen wird, über die Begriffe des Rechtes, des Friedens und des Sozialismus eine theologische Klärung erbitten und erarbeiten. Aber ohne solche theologische Klärung bewegen wir uns allzu leicht im Raum propagandistischer 3 Vgl. oben Dokument 14, Anm. 9, S. 149 f.
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Redensarten und geraten doch bei der nächsten praktischen Entscheidung schon in unlösbare Schwierigkeiten. Die Klärung dieser Begriffe wird eine Aufgabe bleiben, die uns nicht losläßt. In der „Handreichung“, die von der Synode der EKU erarbeitet und als Arbeitsmaterial den Pfarrern und kirchlichen Mitarbeitern zugeleitet werden wird, geht es auch wesentlich gerade darum, wie unter diesen Begriffen der Christ recht zu handeln weiß, wie ihm in der Anfechtung geholfen werden kann, wie die Entscheidungen zu fallen haben, wann er zur Mitarbeit bereit sein kann und muß, wann das Bekenntnis des Nein gefordert ist, weil man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen. Wir werden um der Klärung dieser Begriffe willen immer wieder zu Gesprächen mit den Vertretern des dialektischen Materialismus bereit sein, und wir wollen es durchaus dankbar bezeugen, daß manches fruchtbare Gespräch in einer menschlich guten Atmosphäre in den vergangenen Monaten möglich gewesen ist. Wir werden es auch in der positiven Mitarbeit an den Werken des Friedens immer wieder zu bezeugen haben, daß es uns Ernst ist um das Ja Gottes zur Welt und den von Ihm in dieser Welt zu Werkzeugen gebrauchten Mächten. Wir haben unsere Stellung zum Kommuniqué nicht zu deklamieren, sondern zu praktizieren. Was uns aber unmöglich sein wird, ist das, mitzumachen wo man der Ideologie des Materialismus in einem der Kirche nachgestalteten Kultus Menschen weiht und über ihnen den Totalitätsanspruch geltend macht, den allein Gott erheben kann. Es ist eben nicht möglich, daß man in Gottes Volk den Standpunkt einnimmt, dem man immer wieder begegnet: Laß sie doch diese Weihen mitmachen, sie müssen das eben tun, damit sie keine beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteile haben, aber im Herzen sind und bleiben sie ja doch heimlich Christen. Das geht schon deswegen nicht, weil mit diesen Weihen ein Anspruch an den Menschen gerichtet und eine Macht über ihn aufgerichtet wird, der er dann verhaftet ist. Es gibt hier eben kein rein „äußerliches“ Mitmachen, es vollzieht sich in, mit und unter solcher Beteiligung eine Bewußtseinsveränderung, die unseren Glauben durchaus berührt. Wir meinen darum, daß eine Haltung, die nicht nach der Beteiligung der Jugendweihe fragt, – wir finden diese Haltung gar nicht selten bei Pfarrern und Gemeindegliedern – im Grunde nicht verantwortlich und deswegen auch nicht barmherzig mit dem Menschen ist. Wir meinen, daß es barmherzig und hilfreich ist, den jungen Menschen zu einer echten und bewußten Befreiung von Bindungen zu führen, die sein Bewußtsein und seinen Glauben ja nicht unbeeinflußt lassen können. Nachdrücklich soll es ausgesprochen sein, daß der Jugendgeweihte dem Herzen Gottes gewiß nicht ferner steht als der, der nur die Konfirmation empfangen hat. Aber um seines besonderen Weges willen soll ihm eine besondere Hilfe angeboten werden. Darum die Beschlüsse unserer letzten Synode, die von den Weisungen der Kirchenleitung im
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vergangenen Jahr wie von der Weisung der Ostkirchenkonferenz mannigfach bestätigt worden sind. Wenn wir doch den verhängnisvollen Irrtum ausräumen könnten, als ginge es hier um eine Benachteiligung oder gar Bestrafung der Jugendlichen, die zur Jugendweihe gehen! Das ist ein Mißverständnis, wohl aber sind wir ihnen die Aufrichtigkeit und Hilfe schuldig, ohne die sie allzu leicht in den Zwiespalt und die Lüge geraten und daran Schaden nehmen. Dabei darf man wirklich nicht nur an die Jugendweihe denken. Die Kindesweihe, die Eheweihe und das atheistische Begräbnis werden von der Ideologie des Materialismus in der gleichen Weise als Kulthandlungen gestaltet, die es deutlich machen, daß hier ein System von Weihehandlungen mit der dazugehörigen Seelsorge an die Stelle der bisherigen kirchlichen Amtshandlungen gesetzt werden soll. Genaue Anweisungen hierüber sind uns bekannt geworden und bestätigen nur, wie richtig das Entweder-Oder war, das die Kirchen in der Frage der Jugendweihe stets vertreten haben. Wir werden eine Abwanderung zu diesen atheistischen Kulthandlungen nicht zu fürchten haben. Wer Atheist ist, kann ehrlicherweise nicht eine kirchliche Amtshandlung mitnehmen. Die Zeiten sind vorbei, in denen man es um der guten Sitten willen tat. Wir wollen sie nicht wiederherzustellen versuchen. Wir werden aber die Gültigkeit des ersten Gebotes gerade hier zeichenhaft bezeugen müssen. Und ich muß immer wieder diejenigen, die ein und dieselbe Praxis fordern, ganz gleich, ob einer an atheistischen Feiern teilgenommen hat oder nicht, fragen: Habt ihr das Zeichen, das die Kirche für das erste Gebot aufzurichten hat, auch nicht beseitigt und umgestoßen? In diesem Zusammenhang sei das Gutachten des Bundes evangelischer Pfarrer in der DDR4 zur Frage der Konfirmation und Jugendweihe erwähnt. Der von der Kirchenleitung eingesetzte Konfirmationsausschuß hat in einer ausführlichen Antwort, die den Pfarrern zugeleitet worden ist, zu diesem Gutachten Stellung genommen5. In diesem Gutachten un-
4 AKPS, Rep. B 2, Nr. 229. Das im September 1958 erarbeitete Thesenpapier wurde kirchlichen Amtsträgern sowie der kirchlichen Öffentlichkeit mit der Bitte um Prüfung und Meinungsäußerung übergeben. Darin wird die Unvereinbarkeit von Jugendweihe und Konfirmation in Frage gestellt. Nach Meinung der Autoren kann das Gelöbnis, beim Aufbau des Sozialismus „mitwirken zu wollen, nicht als bekenntniswidrig oder dem Konfirmationsgelübde widersprechend angesehen werden“. Somit darf laut These 6 eine Beteiligung an der Jugendweihe den Ausschluss von der Konfirmation bzw. deren Aufhebung nicht nach sich ziehen. 5 S. EBD. Die vom Konfirmationsausschuss am 11.11.1958 vorgetragenen Thesen zur Konfirmationsfrage wurden von der KL gebilligt. Die als Anhang einer Rv (Nr. K.A. 3231/58 betr. Konfirmation) beigelegten Meinungsäußerungen dienten als Antwort auf das „Wort zur Konfirmationsfrage“ vom Bund der evangelischen Pfarrer in der DDR. Darin wird das Jugendweihegelöbnis im Gegensatz zum Gutachten des Pfarrerbundes ausschließlich
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seres Konfirmationsausschusses wird es deutlich, wie in der Äußerung des Bundes evangelischer Pfarrer in der DDR die Jugendweihe gar nicht Ernst genommen ist, so wie es die Initiatoren der Jugendweihe selbst meinen. Wir sind zur Auseinandersetzung mit dem Atheismus gerufen. Das bedeutet aber, daß wir über das Wesen des Atheismus uns Klarheit verschaffen und Rechenschaft geben müssen. Es gibt ja auch eine Gottlosigkeit des frommen, des kirchlichen Menschen, die der Apostel meint, wenn er schreibt: „Christus ist für uns Gottlose gestorben“ (Röm 5). Wenn wir von der Auseinandersetzung mit dem Atheismus sprechen, so meinen wir damit zunächst die atheistische Ideologie. Wir werden uns immer aufs neue darüber Rechenschaft geben müssen, wie es zu solch einer atheistischen Ideologie gekommen ist, welchen Anteil an Schuld die Kirche selbst hier trägt. Wir werden vor allen Dingen den christlichen Glauben nicht mit einer Ideologie verwechseln dürfen, die man als Weltanschauungsbild der atheistischen Ideologie gegenüberstellen müßte. Gottes Volk hat nicht eine religiöse Ideologie zu verteidigen, sondern zu erkennen, daß der Herr selbst Sein Volk verteidigt und für Sein Volk kämpft gegen die Gottlosigkeit drinnen und draußen. – Ich muß es mir versagen, diese Gedanken hier weiter auszuführen, sie gehören aber in den Bericht hinein, einmal, weil eine rechte Erkenntnis in dieser Sache für die Verkündigung heute von Bedeutung ist, dann aber auch, weil an diesem Punkt in der Evangelischen Kirche in Deutschland heute eine Arbeit aufgenommen ist, an der auch unsere Gliedkirche mit einem eigenen Ausschuß beteiligt ist. [. . .] VII. [. . .] Meine Brüder und Schwestern, die Frage nach der Weltverantwortung des Volkes Gottes hat in der geschichtlichen Stunde, in der wir stehen, ein besonderes Gesicht und Gewicht. Es ist hier nicht der Ort, über die politischen Ursachen zu reden, die die Welt seit Monaten in neue Unruhe versetzen. Aber eine Synode würde ihre Verantwortung für die Welt schlecht wahrnehmen, wenn sie daran vorüberginge. So hat sie uns auf der Synode der EKU6 vor einem Monat in Berlin leidenschaftlich bewegt. „als ein gefordertes Bekenntnis zur [. . .] atheistischen Weltanschauung des Marxismus/Leninismus“ verstanden. Die Frage der Verweigerung der Konfirmation ist laut These 6 des Konfirmationsausschusses „theologisch wie praktisch gegenstandslos, da sie keinem der bisher in der theologischen Literatur und in der Praxis deutlich gewordenen Konfirmationsverständnis entspricht.“ 6 BERLIN-SPANDAU 1959. Vgl. oben Anm. 1.
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Das Ergebnis war jenes Notwort der Synode7, das Ihnen inzwischen bekannt geworden ist, das an alle Pfarrämter gegangen ist mit der Weisung, es in Gemeindekreisen bekanntzugeben und zu besprechen, wobei auch die öffentliche Bekanntgabe in Gemeindeveranstaltungen durchaus eingeschlossen sein darf. Dieses Notwort hat viel Kritik gefunden, im Westen wie im Osten, bei Politikern wie bei Kirchenleuten. Uns ist es eine gute Frucht tagelangen ernsten Ringens unter Brüdern verschiedener Standpunkte gewesen. Wir meinen, daß es eine rechte Fortsetzung der Friedenssynode der EKD von Weißensee8, der Synode von Elbingerode9 mit ihrer allzu schnell vergessenen Weichenstellung in den Fragen des öffentlichen Lebens und der beiden großen Synoden der EKD10 und EKU11 von 1957 gewesen ist. Es galt dabei, die Grenze zu wahren, daß wir nicht in das Amt des Staatsmannes oder Politikers eingreifen oder unsachlich dareinreden, aber andererseits doch die Verantwortung der Christenheit für die Versöhnung der Völker, für den Frieden und die Gerechtigkeit in der Welt wahrnehmen. Wenn in diesem Notwort davon geredet wird, daß uns zuerst die aktive Umkehr und tätige Buße im eigenen Hause geboten ist, so durfte das nicht eine leere Deklamation sein. Kirchliche Worte sind oft in der Gefahr, unverbindliche allgemeine Wahrheiten oder Richtigkeiten zu sagen. Hier aber wird konkret geredet. Es wird gewarnt vor dem Wiederaufkommen eines Nationalsozialismus, der uns und eine ganze Welt in den Abgrund riß, es wird gerufen, der Versuchung zu widerstehen, unter Ausnutzung von Machtbündnissen eine Gewaltpolitik treiben zu wollen. Es wird zum Verzicht des deutschen Volkes auf jede atomare Bewaffnung und zum Einverständnis mit einer kontrollierten Begrenzung des militärischen Potentials gerufen. Es wird die Verpflichtung zur gegenseitigen Duldung verschiedener Weltanschauungen und Lebensformen in freiem Nebeneinander ausgesprochen. Es wird vor allen Dingen aufgerufen, dem kalten Krieg als teuflischer Vorbereitung des heißen Krieges ein Ende zu machen. Christen sollten sich hier nicht beteiligen. Und erst von der Bereitschaft des eigenen Volkes, für den Frieden und für die Wiedervereinigung wirklich Opfer zu bringen, erst von dieser Bereitschaft her wendet sich das Wort mit der Bitte an die Weltmächte, bei den begonnenen Verhandlungen auf den Wegen der Verständigung und des Vertrauens nicht müde zu werden und dem deutschen Volk zum Frieden und zur 7 Notwort der Synode der Evangelischen Kirche der Union. In: VERHANDLUNGEN EKU 1959, S. 243–245. 8 BERLIN-WEISSENSEE 1950. Vgl. oben Dokument 6, Anm. 16, S. 82. 9 ELBINGERODE 1952. Vgl. oben Dokument 9, Anm. 3, S. 104. 10 BERLIN-SPANDAU 1957. Vgl. oben Dokument 13, Anm. 2, S. 139. 11 VERHANDLUNGEN EKU 1957. Vgl. oben Dokument 14, Anm. 10, S. 151.
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Wiedervereinigung zu verhelfen. Hier tritt das Wort ein für die allgemein anerkannten Menschenrechte, darunter besonders auch für eine uneingeschränkte Kommunikation aller deutschen Menschen im Osten und Westen, für eine menschliche Wiedervereinigung, die der politischen Wiedervereinigung vorangehen müsse. Wo so konkret gesprochen wird, wo der Ruf zur Buße den entscheidenden Ton gibt, kann man sich nicht wundern, wenn sich Widerspruch regt. Man verstehe es bitte, wenn ich in diesem Zusammenhang an dem Beispiel des Bruders Martin Niemöller, des Kirchenpräsidenten unserer Patenkirche, nicht vorbeigehen kann. Ich habe seinen Vortrag12, der die jüngste Erregung um seinen Namen hervorgerufen hat, gelesen. Er ist ohne wörtliches Manuskript gehalten und nach dem Tonband abgeschrieben worden, er ist, wie manche Rede von Martin Niemöller, in einzelnen Formulierungen ungeschützt und angreifbar, aber wer darin hängen bleibt und nicht den von Gottes Wort bewegten, leidenschaftlichen, ja seelsorgerlichen Ruf hört, den er einfach hinausschreien muß, der hat eben nicht gehört. Es ist mir ein persönliches Anliegen, mich hier neben den Bruder zu stellen, der ja auch in dem vergangenen Berichtsjahr uns, seiner Patenkirche, in Erfurt und Magdeburg mit dem Wort gedient hat. Es geht ja nicht um die Person Martin Niemöllers. Wir haben hier auf der Synode nicht Stellung zu nehmen zu seiner Kasseler Rede13; er selbst wünscht, daß dies nicht geschehe, ehe die Gerichte den Tatbestand geklärt und gesprochen haben. Es geht wirklich nicht um Martin Niemöller. Es geht um die Lebensfrage an die Christenheit in der Welt, ob sie der Gewalt und den Waffen mehr trauen will als den Verheißungen des Herrn. Wenn kürzlich in einer Werkszeitung in Magdeburg als Entgegnung auf meinen Brief an die Eltern der Konfirmanden in der Frage der Jugendweihe ein Artikel erschien mit der Überschrift „Bischof Jänicke und die zweifelhaften Verheißungen des Herrn“, dann ist damit die Frage genau getroffen. Sind uns die Verheißungen des Herrn zweifelhaft oder sind sie uns gewiß? Gilt die Seligpreisung, daß die Sanftmütigen das Erdreich besitzen werden oder gelten die stärkeren Waffen? Kann man das Vertrauen auf die Macht der Versöhnung ohne Waffen wagen, oder soll man dies Wagnis lieber hinter dem Risiko eines Krieges mit der möglichen Vernichtung alles Lebens durch Massenvernichtungswaffen in der gegenwärtigen Situation zurückstellen? 12 Denn sie wissen, was sie tun! („Kasseler Rede“). Vortrag von Martin Niemöller, gehalten in Kassel am 25.1.1959. Abgedruckt in: M. NIEMÖLLER, Reden 1958–1961, S. 71–85. Ihr folgte ein Strafantrag des Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß, der aber niedergeschlagen wurde. Vgl. zu den Vorgängen um die Kasseler Rede: KJ 86, 1959, S. 106–120. 13 Vgl. oben Anm. 12.
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Dankbar möchte ich in diesem Zusammenhang auf das zeichenhafte Geschehen hinweisen, das durch unseren Herrn Präses ins Leben gerufen wurde, die Aktion „Sühnezeichen“14. Ich weiß, daß dies alles mißverstanden werden kann im Sinn einer bestimmten politischen Konzeption. Aber um der Möglichkeit dieses Mißverständnisses willen hiervon zu schweigen, ist mir unmöglich. Es wäre auch eine Verleugnung dessen, was uns auf der Synode der EKU vor kurzem an Erkenntnis und Wort geschenkt worden ist. Wie ich es im ersten Teil gegenüber dem kämpferischen Atheismus ausgesprochen habe, so sei es auch hier noch einmal gesagt: Es ist dem Volk Gottes nicht erlaubt, sich von der bösen Welt abzusondern und in einen Raum der Innerlichkeit und persönlichen Frömmigkeitspflege zurückzuziehen. [. . .]
14 Zum Aufruf zur „Aktion Sühnezeichen“ im April 1958 und deren Gründung vgl. K. WEISS, Lothar Kreyssig, S. 329–363.
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16 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 1. Tagung der IV. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 20. März 1960 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 58, S. 1–14, hier: S. 6–11 (hekt.).
Schwerpunkte: Gespräche mit staatlichen Vertretern; Kirchenschändungen; Auswirkungen der Sozialisierung der Landwirtschaft1 Sieben Kapitel ohne Überschrift [Weitere Themen: Gottesdienst und Gemeindeleben; Diakonie; Christenlehre und Konfirmandenunterricht; Christ in der DDR; Abendmahl; Theologische Arbeit; Übersiedlung]. Teilabdruck in: KJ 87, 1960, S. 178 f.
[. . .] III. [. . .] 3. An der Unvereinbarkeit von Konfirmation und Jugendweihe hat sich nichts geändert. Die Jugendweihe bleibt das der Konfirmation nachgestaltete Bekenntnis, in welchem Gott keinen Raum mehr hat. Der Herr Staatssekretär Eggerath hat es auch in den Gesprächen mit den Räten des Bezirkes in unserem Bereich ausgesprochen, was ich selbst aus seinem Munde bei einer Begegnung in Naumburg von ihm nachdrücklich vernommen habe: daß unser Staat zwar die Kenntnis des dialektischen Materialismus verlange, aber keine Bekenntnisse zu ihm. Das war gewiß ein gutes Wort, das christlichen Eltern hilfreich sein kann. Als auf meinen Brief an die Konfirmandeneltern vom Beginn des vorigen Jahres eine Reihe von Eltern ihre Kinder von der Jugendweihe abmeldeten, ist in den mir bekannten Fällen nichts geschehen, was dem Weg der Kinder hätte ab1 Der Synode lagen folgende Texte als Dr. vor: Beschlüsse der 4. Tagung der II. Synode der EKD vom 21. bis 26. Februar 1960 in Berlin zur neuen Schulgesetzgebung in der DDR, zum Militärseelsorgevertrag, zur Abrüstung, zur Obrigkeitsfrage und zum Ermittlungsverfahren gegen Bischof D. Dr. Dibelius; – Wort der 2. Tagung der IV. Synode Berlin-Brandenburg vom 24.–29.1.1960 zu den antisemitischen Ausschreitungen. Texte abgedruckt in: BERLIN 1960, S. 422–427; KJ 87, 1960, S. 55, 57, 101 f. (Auszug).
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träglich sein können. Das Gleiche kann ich von einer Elternversammlung in Eilenburg berichten, die ich im vergangenen Jahr hielt. Eine Atmosphäre der Verängstigung, die weithin verbreitet ist, will oftmals Eltern hindern, mit ihren Kindern so zu handeln, wie es der Glaube ihres Herzens gebietet. Wir können immer nur Mut machen, den klaren und eindeutigen Weg des Bekennens zu gehen. Irdische Garantien können wir gewiß nicht geben, und ohne eine Entscheidung, die etwas kostet, kann man heute gewiß nicht Christ sein. Aber was der Herr Jesus verheißt, ist mehr als irdische Garantien, so wahr die Ewigkeit mehr ist als unser vergängliches Leben. IV. Wenn ich in dem nun folgenden Abschnitt ein Wort über unsere Gespräche mit Vertretern der Obrigkeit sage, so kann ich unmittelbar an das Vorherige anknüpfen. Liebe Brüder und Schwestern, immer wieder begegne ich dem leidenschaftlichen Aufruf, die Kirchenleitung sollte doch einmal für die bedrängten Gewissen eintreten und den Vertretern der Obrigkeit vor Augen stellen, was hier an Nöten in den Gemeinden spürbar ist. Ich darf wohl sagen, daß dies eins der Hauptgeschäfte der Kirchenleitung ist und wir keine Begegnung mit den Männern des Staates vorbeigehen lassen, ohne davon zu sprechen. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Inhalt solcher Gespräche nicht in aller Öffentlichkeit sämtlichen Amtsträgern der Kirche mitgeteilt werden kann, sondern oft über den Kreis der unmittelbar Beteiligten nicht hinausdringt. Ich bitte das zu verstehen und weiter zu sagen und uns zuzutrauen, daß wir gerade in dieser Hinsicht unser Amt wahrzunehmen bemüht und weiterhin entschlossen sind. Hier muß aber ein grundsätzliches Wort gesagt werden, dessen Aktualität sogleich offenbar sein wird. Wenn wir mit den Vertretern der Obrigkeit so sprechen wie es immer wieder geschieht, so tun wir es, weil wir ihre Verantwortung ernst nehmen und den Auftrag bejahen, den sie in unserem Volk wahrzunehmen hat. Ohne diesen Auftrag, ohne die gnädige Anordnung Gottes, daß Er durch Obrigkeit die Welt erhalten will, ist ihr Amt für uns nicht zu denken. Der Glaube an das Wort Gottes gebietet uns, den Auftrag des Vertreters der Obrigkeit ernster zu nehmen, als mancher von ihnen es selber tun wird. Wahrscheinlich wird mancher der Gesprächspartner lächeln, wenn ich ihm sage: Du hast doch deinen Auftrag von Gott. Aber darauf kommt es jetzt gar nicht an, ob er bei solchem Wort lächelt oder stutzt, der Auftrag ist da, das glaube ich um des Wortes Gottes willen. Und wenn er seine Macht mißbrauchen sollte, so entbindet ihn das ebenso wenig von dem Auftrag, wie es mit einem Vater geschehen würde, der seine Gewalt mißbraucht. Und selbst durch eine pervertierte
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Machtanwendung scheint immer noch etwas von Gottes gutem und gnädigen Regiment hindurch. Wäre das nicht der Fall, hätten wir es mit einer Räuberbande zu tun, die ihre willkürlichen Gelüste austobt, so würde das Leben sich selber zerstören und wir hätten eben nicht das Stück Brot auf dem Tisch, von dem wir leben. Dies sei hier ausgesprochen, ohne jedes „ja, aber . . .“, ebensowenig wie der Apostel Paulus im Römerbrief neben seiner Ermahnung Ausführungen im Sinne von Apokalypse 13 setzt. Daß jede Macht die satanische Möglichkeit des Mißbrauchs der Gewalt nahe hat, ist gewiß, aber auch gegenüber jenem Tier aus dem Abgrund gilt Geduld und Glaube der Heiligen, wie in der Apokalypse geschrieben steht, und das ist immerhin etwas anderes als Emigration oder heimlicher oder offener Widerstand. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, daß in meinen Gesprächen mit der Obrigkeit etwas zu spüren sein muß von jenem Glauben, den der Apostel Römer 13 bezeugt. Das allein macht mich frei, der Obrigkeit recht zu begegnen und sie um ihrer selbst und um des Volkes willen bei jeder Gelegenheit zu rufen und zu erinnern an den Auftrag, den sie um Gottes willen erfüllen muß. Es ist deutlich, daß in dieser Stellung zur Obrigkeit genau das zum Ausdruck kommt, was die Synode der EKD vor wenigen Wochen ausgesprochen hat. Ich möchte die entscheidenden Sätze hier noch einmal folgen lassen: „Die Synode der EKD in ihrer theologischen Erklärung vom Jahre 1956 bezeugt: ‚Das Evangelium rückt uns den Staat unter die gnädige Anordnung Gottes, die wir in Geltung wissen, unabhängig von dem Zustandekommen der staatlichen Gewalt oder ihrer politischen Gestalt. Das Evangelium befreit uns dazu, im Glauben Nein zu sagen zu jedem Totalitätsanspruch menschlicher Macht, für die von ihr Entrechteten und Versuchten einzutreten und lieber zu leiden als gotteswidrigen Gesetzen und Anordnungen zu gehorchen.‘ Die Synode sieht in dieser Erklärung nach wie vor eine schriftgemäße Antwort auf die Frage nach der Stellung des Christen zu seinem Staat, welcher es auch sei. Sie ruft die Gemeinden und alle ihre Glieder dazu, aus dem Glaubensgehorsam in der Liebe Christi dem Staat zu geben, was des Staates ist, Gott aber was Gottes ist.“2
Wir meinen, unseren Dienst an der Obrigkeit, unser Untertansein, auf diese Weise am besten bezeugen zu können, daß wir freimütig sprechen 2 Beschluß 7 „Zur Frage der Obrigkeit“ der Synode der EKD 1960 in Berlin vgl. oben Anm. 1 (Dr.). Die heftige, öffentlich ausgetragene Debatte zur Frage der Obrigkeit war ausgelöst worden durch die Schrift (20.8.1959) von O. DIBELIUS, Obrigkeit? Zu den Zusammenhängen und Vorgängen vgl. EBD., S. 123–135; R. STUPPERICH, Dibelius, S. 539–567; DOKUMENTE ZUR FRAGE DER OBRIGKEIT. Außerdem vgl. oben Dokument 14, Anm. 10, S. 151.
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über die uns beschwerenden Fragen und uns dabei auch immer wieder zum Mund derer machen, deren Stimme nicht unmittelbar zu den Vertretern des Staates dringt. Ich kann die Zuversicht nicht aufgeben, daß unsere mancherlei Gespräche mit den Vertretern des Staates, auch wenn sie manchmal beschwerlich sind, in diesem Sinne als ein positiver Beitrag gewertet werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang einige speziell kirchliche Anliegen erwähnen, die Gegenstand von Gesprächen gewesen sind. Als im vorigen Jahr durch den Rat des Kreises Halberstadt ein Eingriff in den Halberstädter Dom3 erfolgte, wurden auf unsere Vorstellungen beim Rat des Bezirkes die Maßnahmen eingestellt. Die Untersuchungen über die Rechtsverhältnisse am Halberstädter Dom sind noch im Gange. Im Sommer wurde die Sammlung des Halberstädter Domes, der Domschatz, in einer Feier, an der kirchliche und staatliche Stellen mitwirkten, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Über das Schniewindhaus in Salzelmen und die Arbeit des Pfarrers Jansa dort ist in dem Ihnen vorliegenden Bericht eine sachliche Unterrichtung4 3 Im Zusammenhang mit der Neuaufstellung des Halberstädter Domschatzes, die vom Institut für Denkmalpflege Halle betreut worden war, hat der Rat der Stadt Halberstadt am 30.5.1959 beschlossen, die Verwaltung des Domschatzes (sowie des Domes überhaupt) in die Verwaltung der Stadt zu übernehmen. Energische Proteste von Superintendent Paulus Hinz/Halberstadt und der Magdeburger KL machten es möglich, daß der RdB Magdeburg den Beschluß des Halberstädter Stadtrates aussetzte. Durch die kirchliche Initiative wurde es möglich, daß Volkskammerpräsident Dr. Johannes Dieckmann an der kirchlichen Feierstunde zur Wiedereröffnung der Domsammlung am 4.7.1959 teilnahm und ein ausführliches Grußwort sprach. Obwohl der Rat der Stadt Halberstadt und der RdB Magdeburg auch anschließend die Rechtsauffassungen wiederholten, daß der Domschatz Eigentum des Staates sei, blieb doch faktisch der Halberstädter Domschatz in der Obhut der Domgemeinde, die sich die Domführungen und das Schlüsselrecht vorbehielten. AKPS, Rep. A, Specialia G, Nr. 22724. Dort auch der Wortlaut der Ansprachen in der kirchlichen Feierstunde vom 4.7.1959. 4 Die sogenannte „Kurpfuscherkampagne“ gegen Pfarrer Bernhard Jansa im November 1959. In der VOLKSSTIMME erschienen polemische Artikel: „Kurpfuscherei im 20. Jahrhundert. Ein ebenso ernstes wie trauriges Kapitel.“ (Magdeburger Ausgabe vom 8.12.1959); „Sofort Einhalt gebieten.“ (Leserzuschrift der Leitung der APO des Dieselmotorenwerk Schönebeck in der Ausgabe vom 15.12.1959); „Moderne Magie kontra Aberglauben. Hat der Zauberzirkel eine Daseinsberechtigung?“ (Ausgabe vom 12.3.1960). Im Bericht der KL vor der Synode heißt es unter Punkt 4e: „Im Zusammenhang mit Angriffen, die vor allem in der Presse gegen das Seelsorgeheim Julius-Schniewind-Haus in Schönebeck-Salzelmen erhoben wurden, hat sich die Kirchenleitung in mehreren Beratungen über die besondere Arbeit dieses Heimes unterrichten lassen. Danach ist deutlich, daß in diesem Heim unter Leitung von Pfarrer Jansa seit dem Herbst 1957 vielen angefochtenen Menschen geistliche Hilfe gegeben wurde, die sich gelegentlich bis ins Leibliche auswirkte. Den Vorwurf der Kurpfuscherei mußte die Kirchenleitung nach ihren Nachprüfungen zurückweisen. Sie weiß sich verpflichtet, die seelsorgerliche Arbeit
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gegeben. Ich möchte aber vor der Synode nachdrücklich bezeugen, was wir in den Verhandlungen mit den Behörden immer wieder ausgesprochen haben, daß wir die Arbeit im Seelsorgeheim als eine genuin kirchliche Arbeit sehen, hinter der die Kirchenleitung mit ihrem Auftrag steht. Daß dort außerordentliche Wirkungen der Seelsorge bis in die Leiblichkeit hinein erlebt worden sind, bedeutet keinen Eingriff in die ordentliche Arbeit des Arztes, die unbedingt respektiert wird. Wir werden irrigen Meinungen in dieser Sache entgegentreten, wo immer wir ihnen begegnen, und sei es auch in den eigenen Reihen. Ein Verbot eines Kreisjugendsonntags in Dambeck, Kirchenkreis Salzwedel, hat zu Auseinandersetzungen geführt, die noch nicht abgeschlossen sind, und zu Maßnahmen, über die, wie wir hoffen, das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. V. Es geht uns aber nicht allein und nicht in erster Linie um die speziell kirchlichen Fragen und Anliegen, wenn wir als Kirche in der Öffentlichkeit reden und handeln. Wir können uns von der Verantwortung für die Lebensfragen des Volkes nicht dispensieren, wir dürfen nicht in ein Ghetto kirchlichen Eigenlebens uns zurückziehen, wir tragen Verantwortung für die Welt, in der wir stehen. Der Herr Christus hat die Seinen nicht aus der Welt genommen, sondern Er sendet sie in die Welt. 1. Es ist in den letzten Monaten erschreckend deutlich geworden, wie wenig eine innere Abkehr von dem Geist des Hasses und der Gewalt in einer wirklichen Buße des Volkes unter den Gerichten Gottes zu spüren ist. Die antisemitischen Ausschreitungen, von denen uns vor allen Dingen aus Westdeutschland berichtet worden ist, sind ja erschreckende Symptome. Wir können uns von diesen verabscheuenswerten Erscheinungen, die aus den Tiefen einer unbewältigten Vergangenheit wieder aufgebrochen sind, nicht einfach distanzieren. Wir müssen uns als Kirche ernstlich fragen, ob wir den Gemeinden nicht die rechte Lehre und Verkündigung über diese Frage schuldig geblieben sind, ob die Tatsache der fast 6 Millionen von den Deutschen ermordeten Juden nicht allzu schnell und sehr zum Unheil des Volkes ins Unterbewußtsein abgedrängt worden ist, des Schniewindhauses aufrecht zu erhalten. Mit dem Leiter zusammen wird sie aber stetig über der rechten geistlichen Ausrichtung der Arbeit wachen.“ AKPS, Rep. C 1, Nr. 58, S. 12. Zu den Vorgängen um Pfarrer Jansa Ende 1959/Anfang 1960 vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 265b. Vgl. weiterhin Rv Nr. 124/59 vom 22.12.1959 mit der Anlage „Bemerkungen zu dem Artikel in der ‚Volksstimme‘ vom 8.12.1959“ in: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 6876.
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ohne in ihrem furchtbaren Gewicht erkannt zu sein und in einer echten Buße bewältigt zu werden. Wir werden davon immer wieder reden müssen, daß der Antisemitismus, wenn er Gottes Volk schlägt, seine Wurzel im Widerspruch des natürlichen Menschen gegen Gottes Offenbarung im Fleisch hat. Er schlägt damit immer zugleich Christus, der aus den Juden geboren ward. So ist es kein Zufall, sondern tief innerlich begründet, wenn Ausschreitungen gegen die Juden mit Kirchenschändungen Hand in Hand gehen. Das ist uns aus Westdeutschland berichtet, das ist auch in unserer Mitte geschehen. Am 25. Februar d. J. wurde die Kirche in Lauchhammer Ost mit großen Hakenkreuzen beschmiert, wenige Zeit vorher wurde ein Einbruch in den Kirchenkeller verübt. In ein Pfarrhaus, in der Nähe von Magdeburg, riefen junge Burschen hinein: „Pfaffe, scher dich aus deiner Synagoge heraus, du Itzig!“ Vor mir liegt ein erschütternder Bericht über die Kirchenschändungen5 und ähnliche Vorkommnisse in unserer Kirchenprovinz vom 1. November 1959 bis heute. Es sind außer dem genannten Fall in Lauchhammer nicht weniger als 14 Fälle, die gemeldet worden sind. Nur wenige Beispiele seien berichtet. In der Nacht vom 1. zum 2.1.1960 sind in Wenzlow, Kirchenkreis Ziesar, unbekannte Täter durch ein Fenster eingestiegen, haben sich zur Glocke begeben und die Lederschlaufe des Klöppels durchschnitten, so daß beim Mittagsläuten am 2. Januar der schwere Klöppel direkt neben dem Läuter heruntersauste. Die Jahresschlußandacht am 31.12.1959 in der St. Nikolaikirche in Magdeburg ist durch Zertrümmerung der Fensterscheiben und Knallkörper gestört worden. Ähnliches wird aus Halle von den Jahresschlußfeiern im Diakonissen-Mutterhaus berichtet. Bei einem Einbruch in die Kirche zu Leimbach, Superintendentur Mansfeld, wurden Kirchenfenster, eine Steigleiter im Turm und der Hauptlichtschalter zerstört, der Weihnachtsbaum beschädigt, die Kanzelbibel aus dem Einband gerissen u. a. m. In Löbnitz brachen kurz vor Weihnachten vier betrunkene junge Leute in die Kirche ein, die Altarbibel wurde in Fetzen gerissen und im Altarraum zerstreut, die Altarkerzen zerbrochen und alle Gegenstände auf dem Altar umgestoßen. In der Umgebung des Altars wurden Kothaufen gesetzt. Schließlich wurde die kleine Glocke der Kirche geläutet. So könnte ich fortfahren. In einzelnen Fällen hat die Polizei sich tatkräftig eingesetzt, um die Täter zu ermitteln und verdienter Strafe zuzuführen. Aber entscheidend ist uns, daß wir diese Vorgänge geistlich richtig beur5 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 4073. Darin: Zusammenfassender Bericht des Konsistoriums vom 7./14. März 1960 betr. „Kirchenschändungen und ähnliche Vorkommnisse in der Zeit vom 1.11.1959–29.2.1960“. Darin werden 15 Vorfälle in der Kirchenprovinz (darunter u. a. Zerstörung von Kirchenfenstern, Schändung von Friedhöfen, Einbrüche in Kirchen und Zerstörung von Inventar) geschildert.
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teilen. Sie sind doch wahrlich mehr als „recht üble Scherze“, wie sie in einer Einwohnerversammlung in Löbnitz beurteilt wurden. Hier regt sich doch auf eine rowdyhafte Weise der Protest des natürlichen Menschen gegen den Gott, der auf Erden im Fleisch seine Geschichte hat, der Jude wurde, damit wir aus den Gewalten des todbringenden Hasses erlöst würden. Ich habe es in Magdeburg erlebt, wie eine große Gemeinde mit Aufmerksamkeit die Lehre der Schrift hierüber abnahm und will das auch an anderen Orten in ähnlicher Weise zu lehren versuchen. Ich wäre besonders dankbar dafür, wenn die Synode ein Wort in dieser Richtung in unserer Kirchenprovinz ergehen ließe, wie es auch von der Berlin-Brandenburger Synode ausgegangen ist. 2. Die Kirche wird nicht müde werden dürfen, sich selbst und die Welt immer wieder zur Abkehr von dem Geist zu rufen, der in diesem Jahrhundert schon zweimal die Völker in sinnlose Vernichtung geführt hat. Sie wird sich darin nicht beirren lassen dürfen durch taktisch politische Erwägungen, auch nicht durch die aus dem politischen Raum kommenden Forderungen, daß sie in der Frage des Friedens unter den Völkern auch ihr Soll zu erfüllen habe. Solche Forderungen, wie sie in den letzten Tagen in der Presse auch an unsere Synode gestellt worden sind, hemmen das Wort der Kirche mehr, als sie es fördern. Aber die Zeichen der Zeit sind zu ernst, als daß wir schweigen könnten. Die Atombombe Frankreichs in der Sahara war für mich, ich muß es gestehen, ein fast ebenso erschreckendes Zeichen der Zeit wie die Synagogenbrände in Deutschland im Jahre 1938. Wo läuft eine Welt hin, die meint, mit dem Geist der Gewalt und der gegenseitigen Abschreckung die Völker in Ordnung zu halten? Was Christen hierzu zu sagen haben, wird der Welt immer wieder utopisch und töricht klingen. Aber ist es wirklich so töricht, wenn von einem Pfarrkonvent unserer Kirchenprovinz einfach gefragt wird, ob es wohl vernünftig gehandelt sei, wenn man zwar für die Hungernden in der Welt einige Millionen opfere, aber zugleich Milliarden für die Rüstung der Welt ausgebe? Daß wir als Synode der Kirchenprovinz Sachsen dazu aufrufen, die Bemühungen um die Abrüstung und Entspannung in den Konferenzen der Völker mit unserer Fürbitte zu umgeben, und damit zugleich zum Ausdruck bringen, wie wir hinter diesen Bemühungen stehen, erscheint mit als ein Gebot der Stunde. 3. Daß Gott um Jesu Christi willen bei denen steht, die Gewalt leiden und in ihrer Menschenwürde verletzt werden, muß als das Zeugnis der Kirche unüberhörbar laut werden. So kann ich in dieser Stunde auch nicht schweigen von dem, was in einzelnen Ständen unseres Volkes unter besonderen Schmerzen durchlitten wird6. Der Bauernstand erlebt heute einen 6 Es handelt sich um die Zweite Kollektivierungsphase (nach 1952), die durch das Gesetz über die LPG vom 3.6.1959 zur endgültigen Vergesellschaftung des Landbesitzes geführt
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Wandel seiner Struktur, dessen Folgen für das geistige und geistliche Gesicht dieses Standes noch kaum zu übersehen sind. Die Bauern sollen wissen, daß wir das sehen und daß die Kirche in diesem schmerzvollen Vorgang bei ihnen steht. Es sollten sich die Kirchen darum mühen, das rechte Wort zu finden, das der Bauer jetzt als Hilfe braucht. Denn Gott will nicht, daß er dem Nihilismus anheim fällt, daß er der Vermassung erliegt und sein Gesicht und seine Würde verliert, wenn er sein Eigentum aufgibt und in die LPG eintritt. Wir werden mit ihm uns zu besinnen haben, wie wir das Eigentum recht christlich zu verstehen haben, wir werden ihm helfen müssen, den Vater Jesu Christi zu erkennen, der noch anders handelt mit uns als der Herrgott, der in guten Zeiten seinen Acker segnete, noch viel gewaltiger und noch viel gnädiger! Wir werden mit ihm fragen müssen, wie wir die Arbeit recht aus Gottes Hand annehmen, ganz gleich, in wessen Dienst wir stehen, und wie wir sie sinnvoll und verantwortungsvoll zu tun haben, ganz gleich, wieviel Sinnlosigkeit dabei ist. Dies wird die eigentliche Aufgabe der Kirche in dieser Stunde an den Bauern und an den Ständen sein müssen, die einen leidvollen Umschichtungsprozeß durchmachen müssen. Zu untersuchen, ob der Prozeß einer Sozialisierung vernünftig und rentabel ist, ist nicht das Geschäft der Kirche. Der christliche Glaube ist nicht an eine bestimmte Wirtschaftsform gebunden. Das wird er auch den Bauern sagen müssen und ihm helfen, auch in einer anderen Existenz als bisher als Christ in der Gemeinde zu leben. Das wird oft schwerer sein, als es in der Existenz des freien Bauern war, aber hier gilt es, die Probe zu bestehen. und die Kollektivierung 1960 abgeschlossen hat. Vgl. Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 03.06.1959. In: GBL. DDR I, 1959, S. 577–580. Im Frühjahr 1960 verzeichnet die DDR den Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse auf dem Lande: Fast 1 Million Genossenschaftsbauern bewirtschaften in 19.345 LPG 85 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Auf Volkseigene Güter (VEG) entfallen 6,3 %. Vgl. P. MASER, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 57, 59. Zur Bodenreform vgl. oben Bericht der VKL durch Präses Müller auf der 1. Tagung der I. Provinzialsynode am 22.10.1946, Punkt III, 4a. Zur Kollektivierung in der DDR vgl. K. BAUER/F. ERNST/A. WILLISCH, Landwirtschaft in der DDR und nach der Wende, S. 1325–1428, hier: S. 1336–1339. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2875. u. AKPS, Rep. B 2, Nr. 230. Diese dienten als Vorlage für eine von dieser Synode (Syn. 1960) in Auftrag gegebenen „Handreichung zur Seelsorge an den heutigen Bauern der LPG“, die von einem von der KL eingesetzten Ausschuß erarbeitet (Entwurf von Superintendent Otto Held) und auf ihrer Sitzung am 15.6.1960 vorgelegt wurde. Die KL nahm auf ihrer 8. Sitzung (5./6.7.1960) eine Stellungnahme des Berichtsausschusses der Provinzialsynode entgegen, dem der Entwurf zur Prüfung zugeleitet worden war. Da der Berichtsausschuß ernsthafte theologische Bedenken geäußert hatte, beschloß die KL, auf eine Veröffentlichung dieser Handreichung zu verzichten, diese jedoch an die Pröpste und Superintendenten der Kirchenprovinz und dem Ausschuß der EKU weiterzugeben, der eine Handreichung über die „Verkündigung des Evangeliums und das Leben des Christen in der Deutschen Demokratischen Republik“ erarbeitet.
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Und doch wird das nicht das einzige Wort sein, was die Kirche hier zu sagen hat. Was ich jetzt sage, soll weder zum Fenster hinausgeredet sein noch soll es aus einem grundsätzlichen Nein heraus verstanden werden, das eine helfende Kritik unmöglich machen würde und die Ohren verstopfen und die Herzen zuschließen. Wenn doch unsere Brüder Staatsfunktionäre spürten, daß auch dieses Wort ihnen in ihrer positiven Verantwortung helfen will! Die Methoden, unter denen sich die Sozialisierung der Landwirtschaft weithin vollzieht, sind so einheitlich und es liegen uns aus den verschiedensten Gebieten so viele gleichlautende Nachrichten vor, daß es schwer fällt zu glauben, es handele sich nur hier und da um gewisse „Überspitzungen“. Noch einmal: Warum sollte die Kirche nicht den Prozeß der Sozialisierung respektieren, wenn er vernünftig und rentabel ist und dem Menschen wirklich dient? Wenn das nur der Fall ist! Wenn aber Menschen drangsaliert werden und sie dann, um den Quälereien zu entgehen, erklären, sie hätten sich freiwillig dazu entschlossen, ihr Eigentum aufzugeben, dann können wir als Kirche die Frage nicht verschweigen: Ist hier etwa die Idee oder die Ideologie in ihrer angemaßten Totalität größer als der Mensch? Zeigen sich hier nicht im Antlitz der Ideologie die Züge eines Abgottes, dem der Mensch geopfert werden muß? Abgötter haben es immer an sich, daß ihm Menschen geopfert werden. Aber der wahre Gott, der Vater Jesu Christi, will das nicht. Noch einmal: Ich sage das nicht allein um den Bauern willen, sondern ebenso sehr um der Menschen willen, die an ihnen handeln. Wer die Menschenwürde eines Bruders verletzt, wird dadurch selber unfrei und zum Sklaven des Abgottes. Wo aber Menschen gezwungen werden, gegen ihr eigenes Herz zu lügen, da ist ihre Würde verletzt. Das gilt nun wirklich nicht nur für einen Stand, und das gilt nicht einmal nur in der DDR, sondern in der ganzen Welt, in der Gottes Sonne scheint und freien und fröhlichen Menschen ihr Licht spenden will. [. . .]
BischofD.JohannesJänicke,11.März1961 BerichteundBeschlüsse
17 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 3. Tagung der IV. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 11. März 1961 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 88, S. 1–15, hier: S. 3–5 (hekt.).
Schwerpunkt: Aufruf zum Leben als bekennender Christ in der DDR Gesamtbericht ohne Kapiteleinteilung [Weitere Themen: Säkularisierung und Botschaft der Kirche; Übersiedlung und Pfarrermangel; Evangelisation und Gottesdienst; Christenlehre und Katecheten; Finanzsituation; Konfirmationsordnung; Einheit der EKD].
[. . .] Und weil ich nun einmal beim Danken bin, so darf ich heute auch ein Wort des Dankes den Vertretern des Staates sagen. In den letzten Monaten, vor allem seit Oktober 1960, haben wir bei staatlichen Organen ein Entgegenkommen und eine freundliche Haltung gegenüber der Kirche gefunden, wie es in den letzten 15 Jahren nicht immer der Fall war. Das gilt besonders auch für den Bezirk Magdeburg. Wir sind in einer Reihe uns wichtiger Fragen zu einem guten Übereinkommen gelangt, ich nenne z. B. nur die übergemeindlichen Veranstaltungen, die Benutzung nicht kirchlicher Räume für kirchliche Zwecke, die Bibelrüstzeiten, die Verwendung der Räume in Gnadau für die Evangelische Akademie und das Pastoralkolleg u. a. m. Man hat sich da sichtlich um ein gutes Verhältnis zur Kirche gemüht, und das ist uns hilfreich gewesen. Darum möchte ich hier ausdrücklich dem Dank Ausdruck geben und dem Wunsch, daß es auch in Zukunft so bleiben möge. Ich darf es hierbei wohl als einen besonders eindringlichen Wunsch unserer Kirchenprovinz aussprechen, daß sich auch für unseren Bruder Borchert1 bald das Tor der Freiheit öffnen möge! 1 Es handelt sich um den Landwirt und das Mitglied der KL Wilhelm Borchert (vgl. auch Biogramme im Anhang). Er wurde am 27.8.1958 verhaftet, zu 4½ Jahren Zuchthaus wegen „staatsgefährdender Propaganda und Hetze“ verurteilt und am 27.8.1962 vorzeitig aus der Haft entlassen. Infolge der Haft musste Borchert den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen.
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Nun wird gewiß keiner, der die Situation in dieser Zeit des Umbruchs nüchtern sieht, erwarten, daß damit die großen grundsätzlichen Fragen, die uns heute gestellt sind, gelöst seien. Wir können die Lösung der Fragen auch nicht in jenen Erklärungen sehen, die bei dem Empfang „hervorragender Christen der Deutschen Demokratischen Republik“ unter Führung der Professoren Fuchs und Wiesner2 abgegeben wurden und die seitdem immer wieder als die Magna Charta des Verhältnisses der politischen Mächte zur Kirche in der Propaganda erklärt wurden. In diesen Erklärungen erscheint der christliche Glaube im Wesentlichen als eine humanistische Idee, ganz im Sinne einer liberal-idealistischen Theologie des 19. Jahrhunderts. Wir können diesen Rückfall in ein ideologisches Mißverständnis von gestern nun einmal nicht mitmachen. Wir wissen andererseits auch, daß unser Staat in den prinzipiellen Fragen der Theorie und der Praxis des Sozialismus keinen Schritt zurück zu gehen entschlossen ist, und die Theorie ist nun einmal der dialektische Materialismus, dessen Atheismus mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar ist. Wieweit der Staat hierfür seine Machtmittel einsetzt, wird ja nach der Situation verschieden sein. Die Vertreter der marxistischen Ideologie wissen, daß geduldige Überzeugungsarbeit weiter kommt als Gewaltmittel. Der evangelische Christ wird dem nicht mit einer antikommunistischen Ideologie zu begegnen haben. Denn der christliche Glaube ist keine Ideologie oder Anti-Haltung. Er ist ein neues Sein und fordert die ganze Existenz des Menschen, nicht nur die Ideologie seines Gehirns. Diese Existenz im Glauben ist die Freiheit der Kinder Gottes in Christus. Sie ist etwas anderes als die Pflege der religiösen Anliegen im Raum der Kirche. Sie umfaßt sein ganzes Leben und gebietet sein Bekenntnis als Christ, wo immer er steht, auch im öffentlichen Leben. Hier hat er seine Freiheit in Christus zu bewähren, und hier hat er auch für die Freiheit seiner Brüder einzutreten, gleichwie Christus für den Menschen eintritt, wo immer er gebunden ist. Noch einmal: Das ist mit einer antikommunistischen Ideologie eines sogenannten „christlichen Abendlandes“ nicht zu verwechseln. Denn die Existenz im Gauben ist nicht abhängig von einer bestimmten gesellschaftlichen oder politischen Ordnung des menschlichen Lebens. Zweierlei sollen unsere Gemeinden aber hören: einmal, daß ihre Bischöfe und leitenden Kirchenmänner in diesem Sinne für sie immer wieder bei den verantwortlichen Stellen des Staates eintreten, auch wenn das in der Öffentlichkeit nicht immer bekannt wird. Wir müssen darauf achthaben, daß solche Auseinandersetzungen nicht in den Sog des „kalten Krieges“ hineingeraten und damit in der Wurzel vergiftet werden. Zum Anderen 2 Am 9.2.1961 wird eine Delegation christlicher Bürger, kirchlicher Amtsträger und Theologen unter der Leitung von Prof. Emil Fuchs von Walter Ulbricht in Berlin empfangen. Vgl. KJ 88, 1961, S. 110–126.
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müssen wir die Christen in der Deutschen Demokratischen Republik immer wieder bitten und rufen: Wagt es doch, mit euren Familien, mit euren Kindern als Christen bekannt zu sein! Habt doch Vertrauen, daß man letztlich in der Welt das mehr respektieren wird als eine unaufrichtige, zwiespältige Existenz, mit sich mancher durch die Auseinandersetzungen um den christlichen Glauben geschickt hindurch zu manövrieren hofft! Ich habe das Vertrauen und die gute Zuversicht, daß wir heute bekennende Christen und bekennende Gemeinden auch in der Kirchenprovinz Sachsen haben! Vor allem: Habt doch Vertrauen, daß der Herr selbst euch hält und alle Seine Verheißungen auch gelten, wenn ihr wirklich in der Nachfolge Jesu steht! Wir meinen wohl, und wir ringen darum, daß bekennende Christen gerade so ihr Ja zu sagen haben zu ihrer Existenz in der Deutschen Demokratischen Republik und daß ihr Beitrag zum Leben unseres Volkes gerade so fruchtbar und positiv sein wird. Sie suchen der Stadt Bestes und beten für sie zum Herrn (Jer 29,7). Sie suchen der Stadt Bestes gerade dann, wenn sie ein klares und eindeutiges Nein sagen zu den atheistischen Bekenntnishandlungen, wenn man sie ihnen abverlangen will. Und wie mit dem einzelnen, so steht es auch mit der Gesamtkirche in den Lebensfragen des Volkes. Eine Kirche wird nur dann ihren echten und einmaligen Beitrag zum Frieden der Welt geben können, wenn sie bleibt, was sie nach Jesu Willen und in Seiner Nachfolge ist. Sie wird die Liebe zu allen Menschen und die Versöhnung um Christi willen zu vertreten haben, wo andere die Unversöhnlichkeit predigen und den kalten Krieg führen. Ich sage das nicht lautstark und zum Fenster hinaus, gleichsam um unseren kirchlichen Beitrag zum Frieden apologetisch anzupreisen. Dazu ist wirklich keine Veranlassung, vielmehr müssen wir beschämt bekennen, wie in den großen sozialethischen Fragen der Menschheit – man könnte außer der Friedensfrage nach der gerechten Verteilung der Güter und die Rassenfrage nennen – andere, außerchristliche und außerkirchliche Mächte die Bresche geschlagen und dann die christlichen Kirchen langsam genug nachgezogen haben, und wie schwer es ist, in der Christenheit, auch innerhalb der EKD in solchen Fragen zu einer eindeutigen und einfältigen Botschaft zu kommen. Aber das hindert nicht, gerade um der Sache willen klar zu bekennen, daß unser Gewissen sich hier allein an Gottes Wort und nicht an politischen Parolen oder Ideologien orientieren kann. Wir sollten es gerade aus der Geschichte der christlichen Kirche in Deutschland ein für allemal gelernt haben, wie Auftrag und Vollmacht ihrer Botschaft verloren geht, wenn sie sich an politische Mächte binden und von ihnen benutzen läßt, mögen sie stehen, wo sie wollen! [. . .]
BischofD.JohannesJänicke,12.Mai1962 BerichteundBeschlüsse
18 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 4. Tagung der IV. Synode Erfurt Thomaskirche, 12. Mai 1962 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 89, S. 1–17, hier: S. 14–16 (hekt.). Abgedruckt in: KIZ 7/1962; KJ 89, 1962, S. 262–272.
Schwerpunkte: Öffentliche Verantwortung der Christen heute; Wehrdienst Gliederung: I. [Ökumene]. II. [Die Kirche Jesu Christi lebt vom Wort]. III. [Das Geld der Gemeinde]. IV. [Die Lehre]. V. [Seelsorge]. VI. [Öffentliche Verantwortung der Christen]. VII. [Theologische Aufgaben]1.
[. . .] VI. Mit diesen Ausführungen stehe ich schon bei dem Thema, das in jedem Rechenschaftsbericht innerhalb und außerhalb der Kirche immer besonderes Interesse findet, bei der Frage nach der öffentlichen Verantwortung der Christen heute. Wenn hierbei auch das Verhältnis zu Staat und Obrigkeit berührt wird, so möchte ich ein Wort des Dankes vorausschicken: Es ist uns immer ein besonders gewichtiges Anliegen gewesen, in den Gesprächen mit staatlichen und politischen Stellen freimütig zu reden, auch über beschwerende Dinge. Wir meinen, daß wir dies gerade in einer positiven Verantwortung für unseren Staat tun dürfen, weil wir der Stadt Bestes suchen und für sie zum Herrn beten, wie Jeremia seine Volksgenossen mahnt. Wir dürfen nun dankbar bezeugen, daß auch in dem vergangenen Jahr eine Reihe rückhaltlos offener Gespräche haben stattfinden können. Wir können weiter sagen, daß wir in wichtigen Anliegen ein offenes Ohr gefunden haben. Ich denke z. B. mit Dankbarkeit an ein Gespräch im Rat des Bezirkes Erfurt vor fast einem Jahr2, nach welchem 1 Der Synode ist außerdem ein „schriftlicher Bericht der Evangelischen Kirchenleitung und des Evangelischen Konsistoriums“ vorgelegt worden. EBD., 35 S., hekt. 2 AKPS, Rep. B 2, Nr. 223. Das Gespräch fand am 2.6.1961 statt. Am Gespräch nahmen auf kirchlicher Seite auch die Pröpste Verwiebe (Erfurt) und Hoffmann (Nordhausen)
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einige der vorgetragenen Anliegen – nicht alle – in einer zufriedenstellenden Weise gelöst wurden. Das gleiche läßt sich auch vom Rat des Bezirkes Magdeburg sagen, mit welchem etwa die Frage der Passierscheine für das Sperrgebiet mit wenigen Ausnahmen eine gute Lösung gefunden hat. Daß der Propst des Nordharzes3 trotz wiederholter Bitten und Eingaben das Sperrgebiet seines Sprengels nicht betreten darf, bekümmert uns, weil es eine einschneidende Behinderung seines Amtes bedeutet, und es möchte wohl diese Synode die Bitte darum, die sich im wesentlichen an den Bezirk Halle richtet, sich zu eigen machen. Wenn unseren Brüdern aus dem Westen, die wir zu dieser Synode eingeladen haben, die Beteiligung versagt wird, so möchte ich doch aussprechen, daß das Band, welches verbindet, dadurch im Geiste nur um so fester werden und die Einheit der EKD dadurch nicht in Frage gestellt werden kann. Daran hat auch der 13. August 1961 für uns nichts geändert! Der 24. Januar 19624 stellte Christen vor neue bedrängende Fragen. Schon seit dem 1. Weltkrieg hat eine neue Besinnung über die Frage des Wehrdienstes und Kriegsdienstes der Christen mehr und mehr Raum gewonnen. Die Selbstverständlichkeit, sich an der Bewaffnung und den damit gegebenen kriegerischen Möglichkeiten zu beteiligen, ist heute bei vielen Christen im Osten und Westen erschüttert. Diese Frage ist angesichts der atomaren Bewaffnung und der vorhandenen Massenvernichtungsmittel in der Welt längst in ein neues, bedrängendes Stadium getreten. Davon geben die zahlreichen christlichen Verlautbarungen auf Synoden, auf den Weltkirchenkonferenzen und nicht zuletzt auch auf den Prager Friedenskonferenzen ein unüberhörbares Zeugnis5. teil. Dabei konnte Einigung über Baumaßnahmen kirchlicher Bauwerke in Leinefelde und Gangloffsömmern erzielt werden. Hingegen wurden die Bebauung des Petersberges und eine Sperrgebietsangelegenheit abschlägig beschieden. 3 Die Verweigerung der Einreisegenehmigung in das Sperrgebiet bedeutete eine effektive Behinderung des Verkündigungs- und Seelsorgedienstes eines Propstes. Die selektive Entscheidung der Staatsorgane ist ein typisches Beispiel der sogenannten „Differenzierungspolitik“ der DDR gegenüber einzelnen kirchlichen Amtsträgern. Johannes Richter war 1953–1971 Propst zu Halberstadt-Quedlinburg (vgl. dazu unten Biogramme im Anhang). 4 Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht – Wehrpflichtgesetz – vom 24.1.1962. In: GBL. DDR I, 1962, S. 2–6. Zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und die daraufhin ausgelöste breite Diskussion u. a. um den Fahneneid für die NVA vgl. KJ 89, 1962, S. 193–209; U. KOCH/S. ESCHLER, Zähne hoch Kopf zusammenbeissen; H. WEBER, Geschichte der DDR; AKPS, Rep. B 2, Nr. 226. 5 Vom 13.–18. Juni 1961 war in Prag die I. Allchristliche Friedensversammlung (mit über 600 Teilnehmern aus 42 Ländern) zusammengekommen. Eine Übersicht über die Geschichte der Prager Friedenskonferenzen in ORIENTIERUNG ÖKUMENE, S. 165–171. Außerdem: Gerhard LINDEMANN, „Sauerteig im Kreis der gesamtkirchlichen Ökumene“: Das Verhältnis zwischen der Christlichen Friedenskonferenz und dem Ökumenischen
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Wir können heute kein gutes Gewissen mehr dabei haben, wenn wir von der Geltung des 5. Gebots und den Forderungen Jesu in der Bergpredigt die Beziehungen der Staaten und Völker untereinander einfach ausnehmen und behaupten, daß diese Gebote nur für den privaten Bereich gelten, wie es eine Kriegstheologie vergangener Zeiten immer wieder getan hat. Von daher haben die Äußerungen der christlichen Kirchen in der ganzen Welt die Wehrdienstverweigerung wiederholt als eine legitime christliche Möglichkeit ausgesprochen und sich für den Schutz der Wehrdienstverweigerer aus christlichen Gewissensgründen eingesetzt. In diesem Sinne haben auch im Namen und Auftrag sämtlicher Gliedkirchen in der DDR zwei Bischöfe am 12. März d. J. ein Memorandum6 zusammen mit dem Appell der Weltkirchenkonferenz an die Völker und Regierungen unserer Regierung überreicht. In diesem Memorandum sind auch die Beschwernisse und Gewissensbedenken, die Christen gegenüber dem Wortlaut des neuen Fahneneides haben, ausgesprochen. Es ist vor allem für die vielen Christen, die im Wehrdienst stehen, dringlich erbeten worden, daß sie als Soldaten ihres Glaubens leben und am kirchlichen Leben teilnehmen dürfen. Unsere Kirchenleitung hat in der darauf folgenden Sitzung eine einmütige Entschließung7 gefaßt, die zu den genannten Fragen Stellung nimmt. Sie hat
Rat der Kirchen. In: G. BESIER/A. BOYENS/G. LINDEMANN, Nationaler Protestantismus, S. 653–932. 6 Der Bericht von Bischof Krummacher über das Gespräch vom 12. März 1962 bei der Regierung liegt vor: AKPS, Rep. B 2, Nr. 226. Dort ist auch als Anlage das Memorandum „Argumentation zu Fragen über die allgemeine Wehrpflicht, die von Bischöfen der evangelischen Kirche gestellt werden“ zu finden. Das Protokoll des auf Beschluss des Politbüros des ZK der SED geführten Gespräches vom 12.3.1962 ist abgedruckt in: F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 1, S. 365–371 (Argumentation) und S. 371–389 (Wortlaut der Unterredung). Teilnehmer waren: Willi Stoph, Max Sefrin und Hans Seigewasser auf staatlicher und Friedrich-Wilhelm Krummacher und Moritz Mitzenheim auf kirchlicher Seite. Der Inhalt der staatlichen Auffassung ist wiedergegeben im Artikel der „Neuen Zeit“ vom 18.3.1962 (= KJ 89, 1962, S. 201–207). Die Brisanz der Situation wird besonders deutlich durch die Gegensätzlichkeit der friedensethischen Positionen von M. Mitzenheim und Fr. W. Krummacher (mit der Mehrheit der anderen Bischöfe in der DDR). Stoph und Seigewasser spielten in jenem Gespräch diesen Gegensatz hoch, um die Forderung der Kirchen nach Anerkennung der Wehrdienstverweigerung zu diskreditieren. Bischof Jänicke hatte sich bereits im Dezember 1961 mit einem klärenden Rundschreiben an die Pfarrerschaft und an die Studierenden gewandt (AKPS, Rep. B 2, Nr. 226). Im KJ 1962 ist das Memorandum der DDR-Bischöfe nicht abgedruckt, weil es vertraulich bleiben sollte. Vgl. auch Beschluß der KL der KPS vom 14.3.1962 in: U. KOCH/S. ESCHLER, Stephan, Zähne hoch Kopf zusammenbeissen, S. 31–33. 7 AKPS, Rep. B 2, Nr. 226. Das Dokument ist als Anlage im Rundbrief Nr. I–280/62 vom 17.3.1962 an die Pröpste und Superintendenten der KPS betr. Entschließung der KL enthalten. In der Entschließung der KL vom 14.3.1962 wurde klargestellt, dass „die Frage des
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diese Entschließung dem Rat des Bezirkes Magdeburg und damit der Regierung der DDR mitgeteilt. Es ist hier nicht der Ort, ausführlich die einzelnen Punkte zu erörtern, die im Anschluß an unsere Entschließung auch Gegenstand eines Gesprächs mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen Seigewasser8, das vor kurzem in Magdeburg stattfand, gewesen sind. Die Gemeinden sollen aber wissen, daß die Kirche in diesen Fragen, die viele Christen bewegen, nicht geschwiegen hat, daß sie sich besonders der Anliegen der jungen Christen angenommen hat, die vom Wehrdienst betroffen sind. Nun wissen wir wohl, daß die Frage nach dem Wehrdienst nicht allein vom Standpunkt einer individuellen ethischen Entscheidung her beantwortet werden kann, daß sie vielmehr im Zusammenhang einer allgemeinen Politik des Friedens gesehen werden muß. Es ist nicht die Aufgabe der Kirche, die einzelnen technischen Fragen der Friedenspolitik zu behandeln oder sich zu konkreten Tagesfragen und Friedensvorschlägen so oder so zu äußern. Aber ich weiß mich in der Gemeinschaft vieler Christen und christlicher Kirchen und kirchlicher Verlautbarungen, wenn ich es hier ausspreche, was ich immer wieder nachdrücklich gesagt habe, und was im Osten wie im Westen nicht nachdrücklich genug gesagt werden kann: Gesegnet ist jedes aufrichtige Werk der Abrüstung unter den Völkern; es hat mehr Verheißung als ein sich ständig steigerndes Rüstungspotential, das die Völker angesichts einer drohenden Massenvernichtung in immer neue Angst und Schrecken versetzt. Von daher möchte ich auch den Plan einer entmilitarisierten Zone9, für die beide Teile Deutschlands bereit sein sollten, weil ja gerade den Deutschen zweimal die Waffen aus der Hand geschlagen worden sind, als einen verheißungsvollen Anfang begrüßen. Gesegnet sei jedes aufrichtige Werk der Versöhnung und des Brückenbaues unter den Völkern und Machtblöcken der Erde, zu dem die Christen in allen Ländern sich gerufen wissen sollten! Der kalte Krieg und ein Freund-Feind-Denken hat keine Verheißung, und ein politisches Wehrdienstes [. . .] für den evangelischen Christen in einem unauslöslichen Zusammenhang mit dem Friedensdienst [steht], zu dem der Christ durch Christi Gebot gerufen ist.“ Weiterhin wird der Krieg als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele unter Hinweis auf das 5. Gebot und die Bergpredigt zurückgewiesen und der Einsatz für den Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen erklärt. Zum Fahneneid heißt es: „Ein Eid, der einen Christen zur Verteidigung und Durchsetzung [des auf atheistischen Grundlagen fußenden] Sozialismus unter Einsatz seines Lebens zum Töten der Feinde dieses Sozialismus verpflichtet, kann daher von ihm nicht gehalten werden.“ 8 AKPS, Rep. B 2, Nr. 221. Staatssekretär Seigewasser war nach Magdeburg gekommen, um am 4.5.1962 mit Bischof Jänicke ein sehr ausführliches Gespräch zu Fragen der Jugendweihe, zu Wehrdienst und Fahneneid zu führen (Vermerk des Bischofs liegt vor). 9 Zur deutschlandpolitischen Entwicklung nach 1961 vgl. C. HANKE, Deutschlandpolitik der Evangelischen Kirche, S. 187–193; zur Sicherheitspolitik beider deutschen Staaten vgl. W. WEIDENFELD/H. ZIMMERMANN, Deutschland-Handbuch, S. 605–620. Zur politischen Situation Anfang der 1960er Jahre vgl. KJ 91, 1964, S. 117–120.
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Pharisäertum, wo immer es laut wird, ist ebenso unerträglich und unfruchtbar wie ein religiöses Pharisäertum. [. . .]
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19 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 5. Tagung der IV. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 11. Mai 1963 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 90, S. 1–24, hier: S. 6–11 (hekt.).
Schwerpunkte: „10 Artikel über Freiheit und Dienst der Kirche“; Staat-Kirche-Gespräche Sieben Kapitel ohne Überschrift [Weitere Themen: Stuttgarter Schuldbekenntnis von 1945; Einheit der Kirche; Ordnung der Kirche; Jugendarbeit; Fernunterricht; Gemeindearbeit].
[. . .] II. Der Geist der Wahrheit wird euch in alle Wahrheit leiten, das bedeutet nun: Ihr sollt beraten sein bei eurem anfechtungsreichen Weg in den Reichen dieser Welt. Es wird ein schmaler Weg sein, und der Schritt vom Wege ist schnell getan. Daß wir als Kirche die Verantwortung für die Welt für unsere Welt hier, ernsthaft und praktisch wahrnehmen, wie es ja ungezählte Christen tun, die in positiver Arbeit in der Produktion der Deutschen Demokratischen Republik stehen, daß wir der Stadt Bestes suchen und für sie zum Herrn beten (Jer 29), daß wir andererseits bei unserem Thema als Kirche bleiben und das Wort Gottes nicht zur Bestätigung irdischer Ziele und Systeme mißbrauchen, daß wir Gott mehr gehorchen als den Menschen und den Geboten Gottes in allen Bereichen des Lebens Geltung verschaffen, das ist die Aufgabe der Kirche heute, für die sie wahrlich der Leitung des Heiligen Geistes bedarf. Die Evangelische Kirche der Union ist seit langem bemüht, den Christen in der Deutschen Demokratischen Republik hierfür Handreichung1 zu geben. Wie sehr auch gerade Brüder aus unserer Kirchenprovinz – ich nenne nur das Naumburger Dozentenkollegium – an dieser Arbeit beteiligt 1 EVANGELIUM UND DAS CHRISTLICHE LEBEN. Vgl. VERHANDLUNGEN DER 2. ORDENTLICHEN SYNODE DER EKU, S. 239–241, 246–248.
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sind, ist bekannt. Vor einigen Wochen hat nun die Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR sich zu einem zusammenfassenden Ergebnis dieser umfangreichen Arbeiten bekannt. Sie hat es einmütig getan, ohne Ausnahme, von Görlitz bis Eisenach. Zu den „10 Artikeln über Freiheit und Dienst der Kirche“2 hat sie geklärt, daß sie darin „die der Kirche heute in Auslegung von Schrift und Bekenntnis gegebene Wegweisung“ sieht. Mit diesen 10 Artikeln soll kein neues, zeitgemäßes Glaubensbekenntnis formuliert sein, und erst recht sind sie kein Kompendium der Dogmatik, das Anspruch auf eine vollständige Darbietung christlicher Glaubensaussagen für unsere Zeit erheben könnte. Eher liegen sie in der Richtung der Barmer theologischen Erklärung von 1934. Unsere Kirchenleitung hat einmütig beschlossen, daß dieses Memorandum zum Gegenstand eingehender Beratungen auf den Ephoren- und Pfarrkonventen gemacht wird. Gleichzeitig hat sie angeregt, die einzelnen Abschnitte in den Gemeindekirchenräten und Gemeindekreisen durchzuarbeiten. Sie sieht darin eine Antwort auf viele Anfragen über den Weg der Kirche heute, die an uns gelangt sind. Obwohl ich nun gewiß bei der Mehrzahl der Synodalen voraussetzen darf, daß ihnen dies Memorandum nicht unbekannt ist, meine ich wohl, daß es in diesen Bericht hineingehört, wenn einzelne grundsätzliche Ausführungen dieses Memorandums hier laut werden, weil hier genau die Weisung enthalten ist, die eine Synode von der Kirchenleitung erwarten muß. Nach dem Vorspruch, der mit dem Wort aus Hebräer 12,2 beginnt: „Lasset uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens“, folgt unter der Überschrift „Der Auftrag der Verkündigung“ der 1. Artikel: „Jesus Christus hat seine Gemeinde in die Welt gesandt, allen Menschen die Versöhnung Gottes zu verkündigen und ihnen Gottes Willen in allen Bereichen des Lebens zu bezeugen. [. . .] Gott will, daß wir sein Wort zuversichtlich predigen, ohne Menschen zu fürchten und ohne Menschen gefällig zu sein. Dieser Auftrag wird auch nicht durch das Verschulden der Kirche in Vergangenheit und Gegenwart außer Kraft gesetzt, Buße heißt nicht Lähmung angesichts der Schuld, sondern besserer Gehorsam gegenüber dem Auftrag. [. . .] 2 Zehn Artikel über Freiheit und Dienst der Kirche vom 8.3.1963. Die „10 Artikel“ sind bis 1990 niemals in einer Publikation aus dem Bereich der DDR gedruckt worden. Der Druck ist durch die staatliche Zensur verhindert worden. Die Kirchenleitungen in der DDR haben den Text nur hektographiert weitergeben können. Auf westlicher Seite: KJ 90, 1963, S. 181–185; u. ö. Nach 1990: NACH-DENKEN, S. 116–122. Zu den Auseinandersetzungen nach deren Veröffentlichung Ende Mai 1963 vgl. EBD., S. 185–189, 194, 198–204. Vgl. unten Dokument 20, Anm. 8 u. 9.
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Wir verfallen dem Unglauben, wenn wir meinen, daß wir von uns aus dem Worte Gottes Geltung und Ansehen verschaffen müßten, indem wir es zum Mithelfer und Bestätiger irdischer Ziele machen oder der verführerischen Meinung nachgeben, daß bestimmte Gesellschaftsordnung aus sich heraus den Glaubensgehorsam ermöglichten, ja das in sich verwirklichten, was dem Glaubensgehorsam gemäß ist. Wir handeln im Ungehorsam gegenüber dem Befehl unseres Herrn und verletzen die Liebe zum Nächsten, wenn wir den angefochtenen Gewissen den Trost des Evangeliums schuldig bleiben, aber auch wenn wir zu den Sünden unserer Zeit schweigen. Scheut sich die Gemeinde, den Willen Gottes in allen Bereichen des Lebens zu bezeugen, so wird auch ihre Predigt von der Vergebung der Sünden verkürzt und kraftlos.“
Auch der zweite Abschnitt unter der Überschrift „Das Leben im Glauben und Gehorsam“ ist von so grundsätzlicher Bedeutung, daß ich ihn vorlesen muß. „Wir haben in den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen zu prüfen, was Gott von uns will und haben das nach seinem Willen Gute zu tun. Wir verfallen dem Unglauben, wenn wir meinen, in den gegebenen Verhältnissen von Gott verlassen zu sein, und darum verzweifeln, oder wenn wir die geschichtlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten als unmittelbare Kundgabe des Willens Gottes deuten und darum vorbehaltlos annehmen. In der Freiheit unseres Glaubens dürfen wir nicht von vornherein darauf verzichten, in der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu unterscheiden zwischen dem gebotenen Dienst an der Erhaltung des Lebens und der gebotenen Verweigerung der atheistischen Bindung.“
Das Memorandum schreitet dann einzelne Gebiete unseres Lebens heute ab, so behandelt es die Frage der Wissenschaft, des Rechtes, des Friedens, der Arbeit, der Obrigkeit, um jedes Mal zu fragen: Was will Gott heute von uns Christen in unserer besonderen Situation, im Umbruch der Zeiten und in der heutigen Gesellschaftsordnung mit ihrem besonderen Anspruch an den Menschen? So wichtig gerade diese konkreten Erkenntnisse und Weisungen sind, so muß ich es mir doch versagen, sie alle zu verlesen. Für eine Synode der Kirchenprovinz wird von besonderer Bedeutung sein, wenn es im Artikel 8 über „Leben und Dienst der Kirche“ heißt: „Sie handelt im Ungehorsam, wenn sie träge wird, sich hinter Kirchenmauern zurückzieht oder die Verantwortung, die allen Gliedern der Gemeinde auferlegt ist, nur einzelnen Personen, Gruppen oder kirchlichen Organen überläßt. Sie handelt ebenso im Ungehorsam, wenn sie ihre Wirkungsmöglichkeiten in der Welt dadurch sichern möchte, daß sie nicht bei ihrem Thema bleibt.“
Es geht letztlich darum, daß Kirche wirklich Kirche bleibt. Wir meinen, aus der Geschichte lernen zu können, daß damit auch dem Staat am besten gedient ist, daß es zu immer neuen Beirrungen und Konflikten
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geführt hat, wo die Kirche sich für politische Tagesfragen gebrauchen ließ oder gar der Staat sich als neue Kultgemeinschaft verstehen wollte. Dann hieß es, die Geister zu unterscheiden und das Thema Nr. 1 der Geschichte, nämlich das erste Gebot, unbeirrt zur Geltung zu bringen! Hier warten ungezählte Menschen in unserer Zeit auf Klarheit und Wahrheit, und hier bedarf es wahrlich der Leitung des Geistes. Die 10 Artikel schließen mit einem Absatz über die Hoffnung der Kirche, mit dessen Verlesung ich diesen Teil meines Berichts beenden möchte. „Den Sieg ihres Herrn bekennt die christliche Gemeinde als die entscheidende, wenn auch verborgene Realität in Welt und Geschichte. Dies gibt ihr eine getroste Erwartung des Endes, stärkt sie in ihrem Dienst und Kampf in der Welt, läßt sie die Leiden dieser Zeit geduldig ertragen, hält sie fern von aller falschen Aktivität und macht sie fest zu nüchternem Tun an jedem irdischen Tag. Die Gemeinde wartet wachend und betend auf ihren kommenden Herrn und verkündigt das Evangelium allen Völkern, bis er seine Herrschaft offenbar machen wird. In dieser Zuversicht wendet sie sich ab von allen Ideen und Plänen menschlicher Selbstvollendung und warnt alle Menschen vor dem Versuch, durch eigene Werke sich selbst zu erlösen. Was vom Fleisch geboren wird, ist Fleisch, und das Reich des Menschen ist niemals das Reich Gottes. Darum kann die Weltrevolution nicht die letzte Entscheidung und der neue Mensch in der neuen Gesellschaft nicht die Vollendung der Geschichte sein. Was auf uns zukommt, ist alles schon im Sieg Jesu Christi entschieden. In dieser Zuversicht hilft die Gemeinde im Rahmen des Möglichen die Leiden und Nöte dieser Welt zu überwinden und Besseres an die Stelle des Schlechteren zu setzen. Sie weiß, daß alles menschliche Bemühen vorläufig ist und der Vollkommenheit ermangelt. Sie harrt des Tages, da vor aller Welt offenbar wird, was sie jetzt schon glaubt: ‚Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.‘ (Offb 11,15)“
III. Die Grundsätze über Freiheit und Dienst der Kirche heute werden aktuell und konkret in den mancherlei Gesprächen, die von den leitenden Männern der Kirche mit den Organen der Staatsmacht zu führen sind. Wir haben uns auch in dem Berichtsjahr solchen Gesprächen nicht versagt, sie vielmehr begrüßt, wenn eindeutig der Staat als Gesprächspartner dazu einlud. Wir dürfen dankbar gute Erfahrungen und Ergebnisse bezeugen, wo die Grundsätze innegehalten wurden, die nun einmal zur guten Gepflogenheit geworden sind, nämlich daß Termin, Thema, Kreis der Beteiligten und die Frage, ob und wie eine öffentliche Auswertung erfolgen soll, unter uns vorher abgesprochen wurden.
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Ehe ich hierzu noch Einzelnes erwähne, muß ich gerade an diesem Punkt noch einmal auf den Eingang meines Berichtes zurückkommen. Es ist den Jüngern Jesu für solche Gespräche eine besondere Verheißung der Leitung des Geistes gegeben. Man kann sie Matthäus 10, Vers 19 u. 20, nachlesen! Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, daß es gut war, wenn ich mich sehr einfältig auf die Verheißung verlassen habe: „Sorget nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“ Das ist das Eine. Dazu kommt ein Anderes: Ich habe mich nach solchen Gesprächen oft gefragt: Ist jetzt dem Gesprächspartner etwas deutlich geworden, was es um Jesus und seine Gemeinde, was es um die Nachfolge des Herrn und um das Thema ist, von dem es in den 10 Artikeln heißt, daß die Kirche dabei bleiben müsse? Noch persönlicher und bedrängender gefragt: Wird dein Gesprächspartner einmal am Jüngsten Tage sagen: Wir haben doch damals ausführlich miteinander gesprochen; warum hast du mir nicht den Herrn Jesus so bezeugt, daß ich merkte: Es geht dir ja gar nicht nur um deine Angelegenheiten, auch nicht nur um die Interessen deiner Kirche, es geht dir ja um mich!? Der Geist der Wahrheit mache uns immer mehr und immer wieder frei zu echtem Zeugnis! Die Gespräche, die zwischen der Kirchenleitung und den Vertretern des Staates geführt wurden, verliefen meist in freundlicher Form3. Dem Rat des Bezirkes Halle möchte ich ausdrücklich dafür danken, daß wir für die Feiern des 300. Geburtstages von August Hermann Francke hier in Halle viel Entgegenkommen und Unterstützung gefunden haben, so daß sie, wie es dem Wirken Franckes entspricht, in ökumenischer Gemeinschaft begangen werden konnte. Auch in anderer Hinsicht, in beiderseits beschwerenden Fragen, so z. B. anläßlich der erschreckenden Zahl von 3 Die vorsichtigen Formulierungen von Bischof Jänicke zur Struktur der offiziellen Gespräche zwischen leitenden Staatsfunktionären und Mitgliedern der KL haben gerade im Jahr 1963 einen heiklen Hintergrund. Dies kommt schon im hier folgenden Text mit der Beschwerde über das publizistische Vorgehen des RdB Magdeburg zum Ausdruck. Bischof Jänicke konnte nicht bekannt sein, dass im Jahr 1963 offenbar mehrere Dienstzimmer im Konsistorium mit technischen Geräten abgehört wurden, so dass das MfS sich darüber orientieren konnte, welche gravierenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Oberkonsistorialräten Heinrich Ammer und Karl Preisler bestanden. Der Staat plante, Preisler als Verhandlungspartner nicht mehr zu akzeptieren. Diese Strategie ist wirksam geworden (BStU, OV „Hemmschuh“: BV Magdeburg 205/67). Ebenso ist Präses Lothar Kreyssig seit 1959 vom RdB Magdeburg nicht mehr empfangen worden. – Kurz nach dem hier vorgetragenen Bericht ist Bischof Jänicke von Staatssekretär Seigewasser eröffnet worden, dass er mit Kreyssig nicht mehr zu sprechen wünsche. Kreyssig hat daraufhin in einem ausführlichen Schreiben dem Staatssekretär vorgehalten, wie unbegründet seine Entscheidung sei. Kopie dieses Schreibens vom 21.6.1963 in: AKPS Rep. B 2, Nr. 221.
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Kirchenschändungen, haben wir ein offenes Ohr und Verständnis gefunden. Auch der Kontakt mit dem Rat des Bezirkes Magdeburg war, aufs Ganze gesehen, förderlich und gut. Doch muß ich, weil ich keinen anderen Weg der Richtigstellung habe und weil ich ausdrücklich um eine solche gebeten worden bin, leider aussprechen, daß der Bericht über das Gespräch am 10. April 19634, der fast wie ein Communiqué klingt, mich außerordentlich überrascht hat. Gespräche unter 4 Augen haben in Magdeburg immer wieder stattgefunden, ohne daß an eine Veröffentlichung gedacht war. Ich bin für diese ganz inoffizielle Form, in der schnell manche Schwierigkeiten beseitigt und manche Mißverständnisse aufgeklärt werden konnten, immer besonders dankbar gewesen. Von einer Veröffentlichung über das Gespräch ist aber ebenso wenig die Rede gewesen wie von dem Sieben-Punkte-Programm, durch dessen Erwähnung der Bericht einen dem wirklichen Verlauf nicht entsprechenden Akzent erhält. Richtig ist, daß der Herr Vorsitzende dankbar davon sprach, wie angesichts der großen allgemeinen wirtschaftlichen Aufgaben die Christen im Bezirk Magdeburg zu ihrer Bewältigung ihren guten, positiven Beitrag geleistet hätten, so bei der Ernte des vergangenen Jahres, bei der Kältekatastrophe und jetzt bei der Frühjahrsbestellung. Ich meinerseits sagte, daß ich dies für selbstverständlich halte und, wie ich es öfter ausgesprochen haben und es auch heute tun will, die Verantwortung der Christen für die Fragen des Volkes, also z. B. für die Ernährungsfrage, nur immer wieder ansprechen und stärken kann. Eine Haltung, die angesichts auftretender Schwierigkeiten abseits steht, kann ich nur als unchristlich bezeichnen. – [. . .]
4 Das Beschwerdeschreiben von Bischof Jänicke an den Vorsitzenden des RdB Magdeburg Ranke vom 15.4.1963 liegt vor in: AKPS, Rep. B 3, Nr. 373.
BischofD.JohannesJänicke,29.Februar1964 BerichteundBeschlüsse
20 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 1. Tagung der V. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 29. Februar 1964 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 91, S. 1–27, hier: S. 13–23 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 90, 1963, S. 188, 224 f.
Schwerpunkte: Aktuellpolitische Situation (Wiederbewaffnung Deutschlands, Leben nach dem Mauerbau, 25. Jahrestag der Pogromnacht); Wirkung der „10 Artikel“ in kirchlichen und staatlichen Kreisen; Entwurf eines Jugendgesetzes der DDR Sieben Kapitel ohne Überschrift [Weitere Themen: Geistliche Lebensordnung für Pfarrer; Abendmahl und Taufe; Ökumene; Gemeindeaufbau].
[. . .] IV. Erneuerung kann nur da wirklich werden, wo man mit der Vergangenheit in der rechten Weise fertig wird. Das gilt für die Christen in Deutschland nach dem großen und schrecklichen Krieg und nach allem, was wir den anderen Völkern angetan haben, besonders unausweichlich. Ich kann hier unmittelbar an die erwähnte ökumenische Begegnung anknüpfen. Nehmen wir das nicht immer wieder als allzu selbstverständlich, daß und wie man uns von Seiten der östlichen Völker als Brüder begegnet? Ich denke dabei nicht nur an die immer stets überwältigende beschämende Gastfreundschaft, die auch arme Kirchen im Osten uns oft gewähren, ich denke einfach daran, daß wir als Brüder mit ihnen Gemeinschaft haben dürfen, als ob nichts zwischen uns geschehen wäre. Das ist doch nicht selbstverständlich! Es hätte uns ja auch geschehen können, daß man uns angetan hätte, was wir mit den Juden taten. Wir sind ja Glieder des Volkes, das verübte, was in der Geschichte ohne Beispiel ist. Wenn man uns wie aussätzig aus der Gemeinschaft der anderen Völker ausgestoßen hätte, hätten wir nur sagen können: Wir haben es nicht anders verdient. Das ist nicht geschehen. Daß es nicht geschah, dürfen wir gewiß als ein Zeichen wirklich gewährter Vergebung demütig und dankbar nehmen.
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Das alles ist oft ausgesprochen. Ob aber eine tätige Buße hinter solchen Bekenntnissen steht, oder ob es nur Lippenbekenntnisse sind, das muß sich dann doch in der Praxis erweisen. Allgemeine Erklärungen über Friedensbereitschaft und Ablehnung von Vernichtungswaffen haben wir zur Genüge gehört, im politischen Raum wie im Raum der Kirche, und da wieder auf den verschiedenen Stufen kirchlicher Gremien, von der Gemeindeebene bis hin zur Ökumene. Es muß aber etwas geschehen, und, wie Vater Bodelschwingh in anderem Zusammenhang sagte, „nicht so langsam, – sie sterben noch darüber!“1 So bitte ich zu verstehen, daß ich auch heute, wie es schon früher geschah, zu einer bestimmten Frage eindeutig das Wort nehme. Das Jahr 1963 brachte uns das Moskauer Abkommen2, Chruschtschow hat am Ende des Jahres den konkreten Vorschlag gemacht, Gebietsstreitigkeiten zwischen den Staaten ohne Waffengewalt auszutragen, die Genfer Abrüstungsverhandlungen sind wieder im Gange, der Staatsratsvorsitzende der DDR hat an den Bundeskanzler geschrieben mit dem Ziel, beide Teile Deutschlands von Kernwaffen frei zu halten. Ich habe nicht die Absicht, mich in die akklamierenden Stimmen in unserer Presse einzureihen, ich weiß, welcher Mißdeutung und Beirrung damit die Tür geöffnet würde. Aber ich halte es für meine Gewissenspflicht, auch auf dieser Synode auszusprechen, daß wir Deutsche, belastest mit der ungeheuerlichen Schuld der Vergangenheit, vor anderen dran sind, Schritte in der Richtung zu tun, daß hier ein entmilitarisierter Raum geschaffen werde, der sich als Herd des Friedens und der Gewaltlosigkeit heilend ausbreiten könnte. Gott hat uns so geführt, daß wir erkennen sollten: Unsere Ohnmacht ist unsere Macht! Gerade weil wir an diesem Punkt in der Vergangenheit so tief in Schuld verstrickt waren, haben wir wie kein anderes Volk die Chance eines neuen Anfangs. Das ist unsere, der Deutschen Sache, die uns keiner abnehmen kann. Hier die Schritte der tätigen Buße zu tun, daran sollte uns auch die Bindung an die jeweiligen Machtblöcke nicht hindern. Die Deutschen sollten nicht wieder bewaffnet werden, oder höchstens, soweit es zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einem Staate nötig ist, und sie sollten schon gar nicht mit Atomwaffen bewaffnet werden, die immer eine Bedrohung der ande1 Im Zusammenhang seines Engagements für die Deutsch-Ostafrikanische Missionsgesellschaft, die 1906 von Berlin nach Bethel verlegt wurde, sagte Bodelschwingh: „Ein jeder Tag, wo wir die Heiden auf das Evangelium warten lassen, ist eine Verlängerung ihrer Qualen, wenn sie es auch nicht sagen und wissen. – Nicht so langsam, sie sterben sonst darüber.“ In: G. MENZEL, Bethelmission, S. 12. 2 Vertreter der UdSSR, der USA und Großbritanniens paraphieren in Moskau am 25.7.1963 den Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Kosmos und unter Wasser. Am 8.8. treten die DDR und am 19.8. die Bundesrepublik dem Atomteststoppabkommen bei. Vgl. F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 1, S. 538; P. MASER, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 68.
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ren darstellen. Das wäre ein rechtes Sühnezeichen, welches wir aufzurichten haben. Wird dies Zeichen nicht aufgerichtet, so kann ich nicht an eine Bußfertigkeit des Deutschen Volkes glauben. Wer aber sollte anders dazu aufrufen als die Kirche? Ich habe dies Anliegen auch einigen mir nahestehenden Kirchenführern aus der Bundesrepublik vorgetragen, damit sie in ihrem Raum und nach ihren Möglichkeiten dafür sorgen möchten, daß man wenigstens über diese Frage miteinander redet, von deren Beantwortung die innere Gesundung unseres Volkes wesentlich abhängt. Denn das Volk will nicht bewaffnet werden, und schon gar nicht wollen Deutsche gegen Deutsche bewaffnet werden! Das elementare Erleben in den Weihnachtstagen in Berlin3 hat es deutlich gemacht, wie unaufhaltsam die Kraft der Herzen aus Ost und West zueinander strebt. Das war wie eine Volksabstimmung von besonderer Art. Wir haben als Kirche nicht zu den technischen Fragen dieser Unternehmung Stellung zu nehmen. Wir haben für den Menschen und seine Rechte einzutreten. Das bedeutet, daß wir ein paar einfältige Forderungen im Osten und Westen hinauszurufen haben an alle, die Verantwortung tragen: Laßt das, was zu Weihnachten geschehen ist, wirklich einen ersten Schritt sein, dem größere Schritte folgen müssen! Denn nicht nur die Menschen in beiden Teilen Berlins, sondern die getrennten Menschen in Ost und West wollen mit elementarer Leidenschaft zueinander. Eltern wollen zu ihren Kindern, Kinder zu ihren Eltern, getrennte Eheleute und Verwandte werden ihres Lebens nicht mehr froh, weil sie einander nicht mehr sehen und sprechen können, Kranke und Sterbende verlangen nach der Erquickung des Besuchs ihrer Angehörigen, die sie noch einmal aufatmen läßt. Ich könnte fortfahren und Beispiele menschlicher Tragik aufzählen, an denen die Zertrennung unseres Volkes Schuld ist. Das sind keine Sentimentalitäten, sondern harte Tatsachen. Es ist schwer vorstellbar, wie verantwortliche führende Männer in beiden Teilen Deutschlands die Last der Verantwortung und Schuld zeitlich und ewig tragen wollen, die hier auf ihnen liegt. Auch das muß ich hier aussprechen, was ich in Gesprächen mit verantwortlichen Männern des Staates immer wieder getan habe: So lange es geschieht, daß deutsche Menschen von deutschen Menschen vor den Augen deutscher Menschen an der Grenze erschossen werden, leidet
3 1. Passierscheinabkommen am 17.12.1963 zwischen der Regierung der DDR und dem Senat von Berlin (West): Westberliner können befristet Verwandte im Ostteil Berlins besuchen. Vgl. W. WEIDENFELD/H. ZIMMERMANN, Deutschland-Handbuch, S. 794. Als ein Modell für weitere Besuchsregelungen spielte dieses Thema beim „Wartburggespräch“ zwischen dem Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und dem Thüringer Landesbischof D. Moritz Mitzenheim am 18.8.1964 eine Rolle. Dokumentation des Wartburggespräches: KJ 91, 1964, S. 124–137, hier: S. 134–136. Vgl. C. HANKE, Deutschlandpolitik der Evangelischen Kirche, S. 218–222.
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unser Volk an einer blutenden Wunde, die von Jahr zu Jahr bedrohlicher wird. Wir wissen, daß mit all diesem Leiden die eigene Schuld des Volkes nicht gesühnt ist, wir können aber die, die es angeht, nur bitten und beschwören, daß sie nicht unser Volk und sich selbst mit neuer Schuld belasten4. In diesem Zusammenhang gehört die Erwähnung der Tatsache, daß am 9. November 1963 die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse sich zum 25. Mal jährte, die damals in unserem Volk passierten, und die uns in der letzten Zeit durch Prozesse, Dokumentarberichte und literarische Zeugnisse in einer bedrängenden Weise nahegebracht worden sind. Auch in unserer Kirchenprovinz haben auf Anregung der Kirchenleitung an diesem Tage in verschiedenen Gemeinden Buß- und Bittgottesdienste stattgefunden5. Daß das Tonband von dem von mir gehaltenen Gottesdienst in Magdeburg seinen Weg nimmt, ist gewiß zu begrüßen. Aber im allgemeinen wird man die Beobachtung machen, daß Buße auch gerade Buße an diesem Punkt, nicht sehr gefragt ist. Dabei geht es nun wirklich um mehr als um eine Erinnerung und Vergegenwärtigung von Dingen, bei denen man freilich fragen muß, wie es passieren konnte, daß wir einfach so weiter machen, als ob da nichts Sonderliches geschehen sei. Der Einwand, man sei ja nicht dabei gewesen oder man habe davon nichts gewußt, verfängt nicht angesichts der Tatsache, daß wir Glieder des Volkes sind – des Volkes der Dichter und Denker – in welchem als einzigem diese Greuel geschahen. Bei ihrer Erzählung stockt uns noch heute der Atem, und es gibt schlaflose Nächte. Aber wesentlich ist, daß wir sehen, wie sich hier eine Schuld der Christenheit durch Jahrhunderte, durch fast zwei Jahrtausende hindurch, zusammengeballt und zu einem so einmaligen und unbeschreiblichen Ausbruch geführt hat. Wir können heute an dem Volk, von welchem wir 6 Millionen ermordet haben, darunter fast 2 Millionen Kinder, nur weil sie diesem Volk angehörten, kaum etwas gutmachen von dem, was an Unmenschlichkeit geschah. Unsere tätige Buße müßte hier wohl in erster Linie darin bestehen, 4 Diesen Abschnitt (ab Kap. IV, Anfang) wiederholt Bischof Johannes Jänicke auszugsweise in seinem Bericht als stellvertretender Ratsvorsitzender auf der Synode der EKU (Ost) 1965 in Berlin-Weißensee. Diese war wie bereits im Jahre 1963 gezwungen, an zwei verschiedenen Orten zu tagen. Der Ratsvorsitzende, Präses D. Ernst Wilm/Bielefeld, nimmt diese Worte Jänickes als Zeichen der inneren Verbundenheit der EKU auf und zitiert diese in seinem Bericht vor der Synode der EKU (West) in Berlin-Spandau. Vgl. BERICHT ÜBER DIE 3. ORDENTLICHE SYNODE DER EKU, S. 29 f., 38 f., 60 ff.; KJ 92, 1965, S. 130. 5 Vgl. AKPS, Rep. B 2, Nr. 74. Unter Punkt 1 („Kirchliches Gedenken an November 1938“) der 20. Sitzung des Rates der Kirchenleitung vom 23.9.1963 wurde eine Empfehlung an die Pröpste der KPS beschlossen. Darin wird den Pröpsten vorgeschlagen, an den Vororten ihrer Propsteien am 9. November Buß- und Betgottesdienste zu halten.
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daß wir uns durch Gottes Wort zu einer neuen Erkenntnis Seiner einmaligen Heilsgeschichte verhelfen lassen. In dieser Heilsgeschichte spielt nun einmal dies Volk eine besondere Rolle und wird es bis ans Ende der Tage tun. Deswegen ist es so unmöglich, daß wir uns von der Schuld Israels absetzen, gleich als ob wir am Kreuz Christi nicht in gleicher Weise schuld wären. Daß Israel trotz allem erhalten blieb und trotz der namenlosen Leiden und Verfolgungen in den Jahrhunderten christlicher Geschichte nicht zu Grunde gegangen ist, ist ein Erweis dafür, daß es Gottes geliebtes Kind bleibt, – wie es dann auch einmal an der Tafel Friedrichs des Großen als Erweis für die Wahrheit und Gültigkeit des Wortes Gottes knapp und kurz ausgesprochen wurde: „Majestät, die Juden!“ – Es wird uns allen bewußt sein, wieviel an eingewurzeltem Gedankengut durch die Jahrhunderte hindurch überwunden werden muß, um in dieser zentralen Frage der Heilsgeschichte zu einem besseren, biblischeren Denken zu kommen, als wir es ererbt haben. Aber sollte nicht in der Schuld der Vergangenheit das hohe Angebot der Vergebung und damit der Möglichkeit einer Erneuerung im Denken und Reden der Christenheit uns vor die Füße gelegt sein? So kann ich nur darum bitten, daß wir hier nicht ausweichen, sondern um der Glaubwürdigkeit des Zeugnisses der Christenheit gerade an diesem Punkt den Ruf hören: Pflüget ein Neues! V. Auf der vorigen Synode hat unsere Kirchenprovinz die Wegweisung, wie sie uns in den 10 Artikeln über Freiheit und Dienst der Kirche6 in gemeinsamer Arbeit der Gliedkirchen in der DDR gegeben wurde, empfangen, und ich habe Gelegenheit genommen, Grundsätzliches darüber zu sagen und die Arbeit an dieser Denkschrift den Gemeinden zu empfehlen. Das ist vielfach geschehen. Es gibt Gemeindekirchenräte, auch in Magdeburg, die ihre Sitzung mit einem Gespräch über einen der Artikel und die darin aufgegebenen Fragen beginnen. Selbstverständlich wollen diese Artikel kein Evangelium sein, auch kein neues Bekenntnis, und keiner wird behaupten wollen, daß sie nach Sprache und Inhalt vollendet seien. Man spürt ihnen das Ringen um die uns aufgegebenen Fragen ab, und daß eine Mehrzahl an Bearbeitern hier am Werk ist, hat uns nicht erst die scharfsichtige, im Ganzen außerordentliche positive Beurteilung von Karl Barth7 selbst für die politisch führenden Kreise in der DDR ist, in seinem Gutachten abschließend zu solchen Sätzen kommen wie den folgenden: 6 Vgl. oben Dokument 19, Anm. 2 S. 183. 7 Text: EVTH 23, 1963, S. 505–510; KIZ 18, 1963, S. 414; KJ 90, 1963, S. 190–193.
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„Man müßte doch entweder kurzsichtig oder überscharfsichtig sein, um zu verkennen, daß die 10 Artikel in ihrer Art und zu ihrer Zeit in dieselbe Richtung zeigen wollen, wie es in jenen alten Dokumenten (gemeint sind die Bekenntnisschriften unserer Kirche) und wie es in unserem Jahrhundert in Barmen versucht worden ist . . . Hätte die Kirche (auch die im Westen!) nur überall so viel gute Weisung zwischen Skylla und Charybdis! Wem diese nicht genügt, der versuche es in gleicher Absicht und Ausrichtung eine bessere zu geben – und halte sich zugleich unterdessen zunächst einmal an diese!“
In dem gleichen Sinne sagt der letzte Satz des Barth’schen Gutachtens: „Man versteht mich dann recht, wenn man aus allem Gesagten meine Hoffnung und Zuversicht heraushört, die Kirche möchte in der DDR – aber nicht nur in der DDR – auf dem in diesem Text angetretenen Weg öffentlicher Klärung ihrer Stellung und Funktion in der heutigen Welt tapfer und demütig, umsichtig und sauber weiterarbeiten.“
Daß ein Theologe wie Karl Barth auch kritische Anmerkungen macht, ist zu erwarten gewesen; man hat ihn ja auch ausdrücklich darum gebeten. Es ist hier nicht der Ort, dies wichtige Gutachten vorzutragen und zu besprechen. Mir scheint am Beachtlichsten, daß Karl Barth fragt, ob nicht auch die Bewältigung der Vergangenheit hätte mehr zu ihrem Recht kommen müssen, so etwa in der Frage, warum die Kirche sich nicht schon in früheren Zeiten, in welchen es ihr äußerlich besser ging, in welchen aber die innere Problematik ihrer Existenz vielleicht auch gefährlicher war, zur Ausgabe solcher kritischen Wegweisung veranlaßt gesehen habe? Man wird dies – und manches andere, was in dem Gutachten steht – hören müssen, und kein Mensch in den Kirchen der DDR denkt daran, auf den vorliegenden Text zu schwören. Um so dankbarer wird man für die grundsätzlich zustimmende Äußerung von Karl Barth sein. Ich möchte hier auch nicht auf die Weiterarbeit an den 10 Artikeln eingehen, wie sie in den 7 Sätzen des Weißenseer Arbeitskreises8 und des Unterwegs-Kreises uns vorliegt. Ich habe diese Texte nur kurzfristig in der Hand gehabt und aus ihnen den Eindruck gewonnen, daß sie mehr eine Exegese der 10 Artikel nach einer bestimmten Richtung hin als eine Gegenerklärung sein wollen. Sie setzen den Akzent vor allen Dingen 8 VON DER FREIHEIT DER KIRCHE ZUM DIENEN; u. ö. Der sich in der Tradition der Kirchlichen Bruderschaften sehende Weißenseer Arbeitskreis (entstanden 1957) polemisiert in Aufnahme der Barthschen Kritik (vgl. oben Anm. 7) mit seinen „Sieben Sätzen“ gegen die „Zehn Artikel“. Als eine solche Polemik erscheint z. B. die Feststellung, daß Christen im Wissen um die Liebe Gottes „auch in der sozialistischen Gesellschaftsordnung verantwortlich mitleben“ (EBD., S. 236) können. Vgl. P. MASER, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 69 f. Zu den Hintergründen um die Auseinandersetzungen zwischen den „Zehn Artikeln“, dem Theologischen Gutachten Karl Barths und den „Sieben Sätzen“ 1963 vgl. G. BESIER, SED-Staat und Kirche 1, S. 540–553.
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darauf, daß die Kirche immer Kirche in der Welt und für die Welt, für die Christus gestorben ist, zu sein hat. Das ist gewiß richtig, wenn freilich nach meiner Erinnerung das Wort „Welt“ etwas zu häufig vorkommt, sicherlich häufiger als der Herr Christus. Aber die Meinung mag gut und recht sein, wobei wir freilich vor Augen haben wollen, was in diesem Bericht an anderer Stelle gesagt wurde: Aufgabe und Weg der Kirche hat sich nicht in politischer Diakonie zu erschöpfen, und das Wesen eines Christenlebens besteht nicht ausschließlich darin, daß er sich vom Atheisten nicht unterscheidet, und wie dieser treu seine Pflicht in der Welt tut. Doch es sind gewiß gute Theologen genug in den genannten Arbeitskreisen, als daß die 7 Sätze einfach im Sinne solcher Irrlehre zu verstehen wären. Die 7 Sätze bedürfen einer gründlichen theologischen Analyse, die hier nicht vorgenommen werden kann. Jedenfalls denkt keine Kirchenleitung und keiner der kirchenleitenden Männer daran, durch sie die 10 Artikel zu verdrängen. Dies sei hier ausdrücklich festgestellt. Wir werden durch das Gespräch über die 10 Artikel nur immer wieder daran erinnert, wie schwer es für die Kirche ist, einen Weg zu gehen, der auf dem schmalen Grat bleibt und weder nach rechts noch nach links abrutscht, weder in den Abgrund eines politischen Konformismus noch in den eines reaktionären Antikommunismus. Um so betrüblicher ist es, daß diese der Kirche gegebene Wegweisung, welcher alle Gliedkirchen zugestimmt haben, ausgerechnet durch die Presse unserer CDU nicht nur Kritik, sondern eine Schmähung und Beschimpfung erfahren haben, wie sie schärfer kaum gedacht werden kann. Daß man sich dabei auf westdeutsche Stimmen und Zeitungen berief, zu gleicher Zeit aber die eindeutigen Aussagen von Seiten der Kirche aus der DDR überging, war ein besonders trauriger Zug in diesem Stück des kalten Krieges. Mit dicker Überschrift konnte man als Charakteristik der 10 Artikel in unserer Presse lesen: „Mit der Tinte der Militärkirche geschrieben“, sie wurden als in Westberliner und westdeutschen Kirchenkanzleien gegen unsere Republik vorbereitetes Dokument bezeichnet, ja sogar als eine Provokation der Feinde des Friedens, und das stellt ja wohl in der DDR die schlimmste Beschimpfung und Bedrohung dar. Ich habe mich veranlaßt gesehen, diese Unwahrheiten nicht unwidersprochen zu lassen und habe darüber mit dem Generalsekretär der CDU einen lebhaften Briefwechsel geführt, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Ich habe Beweise dafür erbeten, daß die 10 Artikel als eine Parallele zur Obrigkeitsschrift des Bischofs Dibelius aus dem Westen stammten. Die Beweise wurden mir nicht gegeben, aber die Behauptung wurde wiederholt. Ich will es mir versagen, diese Auseinandersetzungen im einzelnen hier auszubreiten. Im Ganzen haben sie nur dafür gesorgt, daß die 10 Artikel interessanter wurden und man nach ihnen griff, und haben ver-
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hindert, was unsere CDU-Presse ihnen gewünscht und prophezeit hatte, nämlich daß sie im Papierkorb verschwanden und vergessen werden. Wenn von dem Weg der Kirche und ihren Anfechtungen in den vergangenen Monaten gesprochen wird, so kann auch dieses Kapitel mit der Überschrift „10 Artikel“ nicht übergangen werden, selbst wenn es nur eine Station auf dem Wege ist. VI. In jenem Briefwechsel mit dem Generalsekretär der Christlichen Demokratischen Union9 habe ich u. a. eine Anzahl von Fällen angeführt, in denen junge Christen, sogar Kinder, in den Schulen um ihres Glaubens und ihrer kirchlichen Haltung willen Nachteile haben oder verhöhnt werden. Es war nur eine Auswahl von Beispielen, wie sie uns auf örtlicher Ebene öfter begegneten und meist auch dort ausgetragen wurden. Sie müssen den Anschein erwecken, daß Christen unerwünscht sind oder nur insofern erwünscht, als sie von ihrem Christsein keinen Gebrauch machen und mit den Atheisten zusammenarbeiten, als wenn es keine Unterschiede gäbe. Ich weiß wohl und möchte das hier ausdrücklich feststellen, daß dies nicht die offizielle Linie unserer Regierungspolitik ist, so sehr es dem Wunsch mancher Vertreter entsprechen mag. Ich möchte ferner ausdrücklich darauf hinweisen, daß eine Reihe von diesen Fällen durch Eingreifen der Kreis- oder Bezirksschulräte oder anderer Stellen auf unsere Vorstellung hin bereinigt worden sind. Auch die Praxis der Benachteiligung solcher Schüler, die an der Jugendweihe nicht teilnehmen, hat sich nicht durchgesetzt, und diesbezügliche Maßnahmen sind an einzelnen Stellen rückgängig gemacht worden. Wir können dafür nur dankbar sein, können dabei aber nicht übersehen, daß solche Fehlentscheidungen oder Übergriffe Einzelner, von denen man nachher offiziell als von „Sektierern“ abrückt, in der Bevölkerung ein Klima erzeugen, in welchem es nicht erwünscht erscheint, Christ zu sein und sein Christsein auch wirklich öffentlich zu praktizieren. Wenn man nachträglich von solchen Entgleisungen abrückt, so ist das zwar erfreulich, aber eben dies Klima bleibt. Wir meinen auch, daß es weder der Autorität des Staates noch besonders auch der des Lehrers dienlich ist, wenn gesprochene Worte oder getroffene Maßnahmen zurückgenommen werden müssen. Es ist mir wohl bewußt, daß auch einmal von kirchlichen Amtsträgern Worte gesprochen werden, die lieber ungesprochen blieben. Ich kann nur versichern, daß 9 Der Briefwechsel zwischen Bischof Jänicke und Generalsekretär Götting (fünf Briefe im Zeitraum vom 16.7.–20.9.1963) ist dokumentiert in: ACDP, Zentralbestand Ost-CDU, 07–013–3309.
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wir von der Leitung der Kirche her darum bemüht sind, im öffentlichen Leben die Zucht walten zu lassen, die Christen gebührt, welche sich unter Römer 13 wissen. Es geht hier aber nicht so sehr um Einzelerscheinungen, sondern um das Gesamtklima, das es doch Christen nicht schwerer machen möchte, als es für einen Christen in den Reichen dieser Welt nach dem Zeugnis des Neuen Testaments ohnehin sein wird, sich auch in der DDR beheimatet zu wissen. Wenn wir den Blick dabei besonders auf die Jugend gerichtet haben, so bringen wir damit zum Ausdruck, daß die Kirche für sie stellvertretende Verantwortung zu tragen hat. Vielleicht ist davon etwas besonders zum Ausdruck gekommen in mancherlei kritischen Stellungnahmen zum Entwurf eines Jugendgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik10. Wir können keineswegs übersehen, wieviel und welche Stellungnahmen zu dem Entwurf des Jugendgesetzes eingegangen sind11. In der Presse haben wir, wenn überhaupt, ja fast nur von zustimmenden Äußerungen gelesen. Die Fülle der kritischen Stimmen und Fragen wird, so hoffen wir, von den zuständigen Stellen gewiß ausgewertet werden. Geschähe das nicht, so würde das Gesetz eine Quelle für unübersehbare Konflikte werden. Auch unsere Kirchenleitung hat hier nicht schweigen können, sondern ausführlich ihre Bedenken angemeldet. Sie hat es in der Mitverantwortung getan, die wir als Christen für den Staat und das Volk und seine Jugend zu tragen haben. Dabei war es nicht allein unser Anliegen, daß den jungen Christen für die Teilnahme am Leben und Dienst der Gemeinde Raum gegeben werden möchte, wir haben auch nicht nur darauf hinweisen müssen, daß der Weg in kirchliche und diakonische Berufe, wie ihn junge Christen immer wieder wählen, nicht übergangen werden kann, indem mit betonter Ausschließlichkeit nur von den Berufsbildern die Rede ist, die den Erfordernissen der modernen Produktion und des wissenschaftlich technischen Fortschritts entsprechen. Es geht aber der Kirche hier nicht allein und nicht einmal in erster Linie um die Wahrung ihrer Belange oder um eine Garantierung ihres Nachwuchses, vielmehr wußten wir uns verpflichtet, für das persönliche Eigenleben des jungen Menschen unsere 10 Entwurf des Gesetzes über die Teilnahme der Jugend am Kampf um den umfassenden Aufbau des Sozialismus in der DDR und die allseitige Förderung ihrer Initiative bei der Leitung der Volkswirtschaft und des Staates, in Beruf und Schule, bei Kultur und Sport (Jugendgesetz der DDR). In: DER JUGEND VERTRAUEN, S. 97–120. 11 AKPS, Rep. B 2, Nr. 221. Darin: Schreiben der Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR vom 27.11.1963 an die Kirchenleitungen in der DDR betr. Jugendgesetz (Anlagen: Abschrift des Aktenvermerks über die Besprechung der Referenten am 26.11.1963 und 2. Entwurf einer Stellungnahme der KKL für die Beratung am 29.11.1963); Entwurf einer Stellungnahme und Stellungnahme der KL der KPS zum Entwurf eines „Jugendgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik“ Ende 1963 (o. Datum).
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Stimme zu erheben. Ein lückenloses Einspannen der Jugendlichen vom 1. bis 25. Lebensjahr in ein staatliches Erziehungssystem kann keine gute Frucht zeitigen. Wer Kontakt mit jungen Menschen hat, der weiß etwas davon, daß viele von ihnen unter einer Überbeanspruchung durch die Erziehungsmächte des Staates und der Schule seufzen. Die Reaktion bei jungen Menschen kann, so sagt unser Gutachten, nur darin bestehen, daß sie entweder alles über sich ergehen lassen und innerlich abschalten oder daß sie gar in Opposition gehen und in Protestakte ausbrechen. Dieser umfassende Anspruch auf die Zeit der Kinder und Jugendlichen, der den Anschein erwecken muß, als sollte dem jungen Menschen jedes persönliche Eigenleben genommen werden, wird in unserem Gutachten als eine besondere Gefahr angesprochen. Es ist deutlich, daß dies nicht um der Kirche, sondern um des jungen Menschen und des Staates willen geschieht. Möge diese Stimme, die hier erhoben wurde, und mit ihr viele andere Stimmen, die in diesem Zusammenhang vor allem auf die Bedeutung und die Verantwortung des Elternhauses hingewiesen haben, nicht ungehört verhallen! Es ist einfach unrealistisch, dem Elternhaus und der Familie nur eine untergeordnete oder lediglich die staatlichen Ziele unterstützende Rolle in der Erziehung der jungen Menschen zuzuweisen. Wir verkennen nicht die riesengroße Aufgabe, die einem Staat bei der Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse gerade an der Jugend erwächst. Wenn wir dringlich darum bitten, daß man dabei die Wirklichkeit des jungen Menschen so sehen möge, wie sie ist, und nicht, wie man sie sich wünscht, dann tun wir das um des Menschen willen und meinen, damit auch unserem Staat einen rechten Dienst zu tun. Zu dem Bericht über die spezielle kirchliche Jugendarbeit, wie er in dem schriftlichen Rechenschaftsbericht gegeben ist, möchte ich nur das eine hinzufügen: Wir sind dankbar, daß die Bibelrüstzeiten der Jugend in unserem Bereich auch in den Ferien ungehindert durchgeführt werden konnten. Auftretende Mißstände oder Mißverständnisse konnten stets auf örtlicher Ebene beseitigt werden. Wir haben Anlaß, dies besonders hervorzuheben, weil es nicht überall so gewesen ist. [. . .]
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21 a [Persönlicher] Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 3. Tagung der V. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 13. März 1965 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 93, S. 1–21, hier: S. 16–21 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 91, 1964, S. 144 f., 149 f., 188–190; 92, 1965, S. 80 f.
Schwerpunkte: Abgrenzung und Verantwortung der Kirche; Memorandum zum sozialistischen Bildungssystem; Möglichkeit eines christlichen Friedensdienstes (Wehrersatzdienst) Sieben Kapitel ohne Überschrift [Weitere Themen: Bibelarbeit; Ökumene; Taufe; Konfirmierendes Handeln; Diakonie und Mission].
[. . .] VI. „Der Heilige Geist weiß nichts als Jesus,“ – in diesem Wort von Martin Kähler ist eindeutig und klar eine Abgrenzung gegeben. Jesus Christus ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Um Ihn allein geht es in dem Zeugnis, das uns verheißen und geboten ist. Die große Gefahr der Kirche ist immer wieder gewesen, daß sie dies Zeugnis mit anderen Namen und Mächten so zusammengestellt hat, daß dadurch eine Vermischung des einen Wortes Gottes mit menschlichen Ideen oder Bewegungen wird. Synkretismus – so nennen wir es auf dem Gebiet der Religionsgeschichte. Man hat da wohl auch von „Bindestrich=Christentum“ gesprochen, wie es etwa in den Worten „deutsch-christlich“ oder „national-kirchlich“ seinen Ausdruck findet. Wo aber Jesus Christus nicht mehr das eine Wort ist, das gilt, wo Er so synkretisch mit anderen Größen zusammengestellt wird, da ist eine Gefahr für die Verkündigung des Evangeliums, die größer ist, als wenn die Kirche von außen, etwa vom Atheismus, angegriffen wird. Gibt es heute solch eine Gefahr? Ich meine, sie ist mit Händen zu greifen. Ganz gewiß werden wir die Nähe zum Evangelium nicht verkennen, wo die Menschenwürde geachtet, für eine gerechte Ordnung unter den Men-
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schen gesorgt und der Friede gewahrt wird. Wo aber, wie man lesen kann, die Ordnung des Sozialismus mit dem Reich Gottes in eins gesetzt wird, da eben ist jene große Gefahr für die Verkündigung des Evangeliums und damit für die Kirche. Es gibt ungezählte Äußerungen in Reden wie in der Presse, in denen Christen, die zu ihrer Existenz in der Deutschen Demokratischen Republik mit Recht ihr Ja sagen, in enthusiastischer Weise den Sozialismus als die eine große Möglichkeit preisen, den Willen Gottes zu verwirklichen und Seine Herrschaft unter uns zu realisieren. Das ist Synkretismus, und hier hat die Kirche klar und deutlich ihr Nein zu sagen. Wenn man bei manchen kirchlichen Verlautbarungen über unseren Weg heute bemängelt hat, daß das Nein lauter sei als das Ja, daß sie einen negativen Grundton hätten und das Positive nicht fröhlich genug zu seinem Recht kommen lassen, so wollen wir uns schon kritisch fragen, ob wir vielleicht mehr grämlich und besorgt reden, anstatt die Macht und Güte Gottes zu preisen. Evangelium muß frohe Botschaft bleiben und darf nicht der aufgehobene Finger einer ängstlichen Kritik werden. Das entbindet uns aber nicht von der Aufgabe, die Irrlehre unserer Zeit zu erkennen und sie als eine Gefahr für die Menschen auszusprechen! Das Evangelium wendet sich an eine in Sünde und Tod verlorene Welt. Es wendet sich an Menschen, die niemals durch ihr Tun, sondern allein durch Gottes Gnade gerechtfertigt sind. Es gibt aber nicht nur einen religiösen, es gibt auch einen politischen Pharisäismus, der uns oft aus unseren Zeitungen anspricht und dem der Christ ein klares Nein sprechen muß. Denn in diesem politischen Pharisäismus wird kalter Krieg geführt, und der kann leicht als Ursache zum heißen Krieg werden. Wenn aber der politische Pharisäismus religiös untermauert und mit pseudo-christlichen Worten ausgesprochen wird, so ist er vollends unerträglich. Der Sozialismus ist niemals die Vollendung des Reiches Gottes, er ist immer nur ein durch die Geschichte gegebener Versuch, es auf der Welt besser zu machen, man wird diesen Versuch bejahen können, ohne in den Enthusiasmus und Synkretismus zu verfallen, der nicht mehr mit der Neuschöpfung Gottes an Seinem Tage rechnet. Welt bleibt Welt, und Mensch bleibt Sünder, und es ist einfach nicht wahr, daß erst eine sozialistische Gesellschaftsordnung die Verwirklichung des Willens Jesu ermöglicht. Gerade auch der nüchterne Politiker, der um die Grenzen seiner Möglichkeiten und das Bruchstückhafte seines Lebenswerkes weiß, wird diesen Enthusiasmus als Illusion erkennen. Für den Christen heißt es, Gott als den Richter und Erlöser der Welt, auch einer sozialistischen Welt, ernst zu nehmen. Menschen zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftsordnungen werden sich diesem Richter stellen müssen und diesen Erlöser brauchen. Wir dienen nicht der Wahrheit, sondern der Lüge, wenn wir das nicht sehen und sagen. Ohne solche Abgrenzungen und Negationen kann es niemals eine christliche Kirche auf Erden geben. Sie dürfen allerdings unter dem Ja Gottes
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stehen, daß Er über einer verlorenen Welt und über sündigen Menschen spricht. Solche Abgrenzungen sind nicht eine feste Burg, in der sich die Kirche gegen die böse Welt verschanzt und absondert. Sie sind aber die notwendigen Wegweiser, damit wir den rechten Weg unter den Füßen nicht verlieren und nicht in Abgründe zur Rechten oder zur Linken hineingeraten. Das wird gerade in Gesprächen mit der Politik und mit Politikern immer wieder gesagt werden müssen, und wir können nur hoffen, daß wir das so getrost und fröhlich und positiv sagen können, daß wir dafür auch Gehör finden. VII. Zeuge für Jesus sein, das heißt ja immer auch, dem Menschen dienen. Es kann sich niemals allein darum handeln, daß wir unsere Belange wahren, daß wir uns abgrenzen gegen den Einbruch der Welt in die Kirche. Dienst an dem Menschen heute geschieht durch die Kirche ganz gewiß in erster Linie in dem Wort, das sie der Welt schuldig ist, in dem Dienst der Nächstenliebe, wie er in den Werken der Diakonie seinen zeichenhaften Ausdruck findet. Aber die Kirche wird zugleich auch immer ihre Verantwortung im öffentlichen Leben und in den großen Lebensfragen des Volkes wahrzunehmen haben, weil es ja da um den Menschen geht. Hier finden wir uns auch in mancherlei gemeinsamer Verantwortung und fruchtbaren Gesprächen mit Vertretern des Staates, denen das Wohl der Menschen und die Förderung des Friedens verpflichtender Auftrag ist. In diesem Zusammenhang soll nun in einem letzten Teil noch zu einigen Fragen Stellung genommen werden, die heute im öffentlichen Leben dran sind. Daß die Kirche in der Diskussion über die Grundsätze für die Gestaltung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems1 ihren Beitrag gegeben hat, ist bekannt. Bis zur Stunde der Abfassung des Berichtes lag der von der Volkskammer verabschiedete Text noch nicht vor, deshalb kann hier nichts darüber gesagt werden, wieweit die kritischen Bemerkungen der Kirche Berücksichtigung gefunden haben. Es sollen hier auch nicht einzelne Anliegen angemeldet, sondern einige grundsätzliche Bemerkungen gemacht werden. Es geht und ging der Kirche bei ihrem Memorandum zum sozialistischen Bildungssystem nicht in erster Linie um das Interesse ihres Bestandes. Gewiß sind auch solche Fragen am Platz: Bleibt hier auch Raum für den 1 Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25.2.1965. In: GBL. DDR I, 1965, S. 83–106. Vgl. die Handreichung, die die KL der KPS auf Wunsch dieser Synode den Pfarrern und Katecheten am 5.7.1965 zuleitete und die kirchliche Stellungnahme vom 5.7.1965 in: KJ 92, 1965, S. 150–155.
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jungen Menschen, als tätiges Glied der Gemeinde zu leben? Ist die Wahl eines kirchlichen Berufes als Möglichkeit in dem Gesetz überhaupt drin? Ist die atheistische Erziehung verpflichtendes und zu Bekenntnis zwingendes Soll, oder ist sie das Angebot der Kenntnisnahme einer Ideologie, mit der sich der junge Mensch eben wissenschaftlich auseinanderzusetzen hat? Alle diese Fragen sind wichtig und dringlich. Aber wichtiger ist die Frage nach dem Menschen der Zukunft angesichts der technischen Revolution, in der wir stehen. Daß diese Entwicklung ein hohes Maß technisch-wissenschaftlicher Bildung voraussetzt und daß daraus für die Bildung und Erziehung des jungen Menschen ungeheuer große Forderungen und Aufgaben erwachsen, dagegen wird sich keiner verschließen können. Das ist in der ganzen Welt so, auch in ihrer westlichen Hälfte. Unsere Sorge aber muß sein, daß der Mensch in der Welt der Kybernetik und Automatisierung nicht Schaden leidet. Wir stehen da in Entwicklungen in der ganzen Welt angesichts deren man wohl mit dem Wort Jesu fragen möchte: Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Mit dieser Frage die Entwicklung, einschließlich der Eroberung des Weltraumes, begleiten, das ist nicht rückständige Haltung, sondern das ist die Frage, die dem Menschen durch die Jahrtausende hindurch immer neu gestellt ist. Das ist auch eine Frage an unsere Verkündigung. Haben wir für den Menschen in dieser Entwicklung das rechte Wort? Was wird für ihn das Evangelium bedeuten? Was bedeutet ihm Jesus? Was die Vergebung der Sünden? Mit etwas Entmythologisierung und etwas Transformation der Sprache der Bibel in moderne Worte wird es da wohl nicht getan sein. Wo und wie wird dieser Mensch ansprechbar für das Wort Gottes sein? Wird die Verkündigung der Kirche eine Hilfe dafür sein, daß der Mensch bei allen Veränderungen der Mensch vor Gott und der Bruder des Nächsten bleibt, als den Gott ihn haben will? Mit etwas antiquiertem Vorsehungsglauben und bürgerlicher Moral von gestern wird man dem Menschen von heute und morgen gewiß nicht kommen dürfen! Gewiß bleibt der Mensch von Gott her gesehen der, als den Er ihn geschaffen und zu Seinem ewigen Leben bestimmt hat, und gewiß ist der Mensch immer mehr als das Haus in dem er gerade wohnt, mag das Haus eine Ideologie oder eine technische Entwicklung oder was sonst immer sein. Der wirkliche Mensch ist das nicht. Den wirklichen Menschen meint Gott in Seinem Wort zu allen Zeiten; das braucht nicht die Sorge der Kirche zu sein, aber die Hörfähigkeit des Menschen, der Raum, in dem diese Anrede an ihn erfolgen kann, das ist es, worauf wir bedacht sein müssen, und hier liegen unsere Fragen, nicht nur an das sozialistische Bildungssystem, aber auch an dieses! Die gemeinsame Verantwortung für den Menschen heute kommt auf uns besonders dringlich zu in der Frage nach dem rechten Dienst des Friedens. Auch wir haben im vergangenen Jahr versucht, diesen Auftrag in man-
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nigfaltiger Weise wahrzunehmen. Daß das oft mißverstanden wird und nicht überall Zustimmung findet, darf uns nicht irre machen. Unsere einzige Sorge muß sein, daß wir wirklich Botschafter der Versöhnung sind, die in Christus geschehen ist. Die Friedfertigen nach Matthäus 5, 9 sind ja nicht allein die Menschen mit der friedlichen Gesinnung, sondern nach dem Urtext die Täter des Friedens, die Aktivisten des Friedens. Es geht also nicht allein darum, daß Christen sich von dem sündhaften Mitmachen in kriegerischen Handlungen freizuhalten suchen, um persönlich ein unverletztes Gewissen zu behalten, – wer kann sich heute schon aus den schuldhaften Zusammenhängen freihalten in die alle verstrickt sind! – es geht vielmehr um die gesellschaftliche Verantwortung, die Christen in der Sache des Friedens wahrzunehmen haben. Es gilt für den Christen, gegenüber den Ministerien des Krieges in aller Welt, ein Ministerium (= Dienst) des Friedens zu organisieren. Daß dies gerade in den beiden Teilen unseres Vaterlandes, das in der Vergangenheit an der Welt so unheilvoll schuldig geworden ist, die vordringliche Aufgabe ist, habe ich wiederholt ausgesprochen, so auch in meinem Kanzelwort anläßlich des Gedenkens an den Ausbruch der beiden Weltkriege. Deswegen werde ich auch nicht müde, die Forderung nach einem atomwaffenfreien und entmilitarisierten Raum im Herzen Europas nach beiden Seiten hin immer wieder laut werden zu lassen. Von daher bitten wir auch zu verstehen, daß es den jungen Christen, die den Dienst mit der Waffe verweigern, nicht allein darum geht, daß sie persönlich nicht zu schießen brauchen. Es hat gewiß für die gesamte Entwicklung dieser Frage eine hohe Bedeutung, wenn in der Deutschen Demokratischen Republik jungen Menschen dies konzediert wird und sie statt dessen einen waffenlosen Dienst in der Bautruppe2 tun können. Wir achten das nicht gering und können dafür dankbar sein. Aber weil es diesen jungen Menschen eben nicht allein darum geht, daß sie persönlich vom Waffendienst befreit werden, weil es ihnen darum geht und der
2 Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Aufstellung von Baueinheiten im Bereich des Ministeriums für Nationale Verteidigung vom 7.9.1964. In: GBL. DDR I, 1964, S. 129 f. Bischof Jänicke hat sich persönlich intensiv für die seelsorgerliche Begleitung der Wehrpflichtigen eingesetzt. Er hatte den Vorsitz in der Arbeitsgruppe, die im Auftrag der ostdeutschen Kirchenleitungen 1964/65 die Handreichung „Zum Friedensdienst der Kirche. Eine Handreichung für Seelsorge an Wehrpflichtigen“ erarbeitet hat. Zum Zeitpunkt des hier vorliegenden Berichtes vor der Provinzialsynode in Halle war der Text noch nicht fertig gestellt. Er wurde durch Beschluß der KKL vom 6.11.1965 den Kirchenleitungen der Landeskirchen in der DDR zugeleitet. Im Bereich der DDR konnte er nur hektographiert verbreitet werden. Dokumentation: KJ 93, 1966, S. 248–261. Vgl. dazu die gründliche Darstellung bei P. SCHICKETANZ, Die Reaktionen der Evangelischen Kirchen, S. 21 ff.
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Kirche Jesu Christi darum gehen muß, daß der ganze Teufelskreis militärischer Rüstung und Ausbildung zerbrochen wird, darum bedeutet es eine Beschwernis, wenn der Wehrersatzdienst nun doch ausdrücklich als Wehrdienst bezeichnet wird, wenn an seinem Beginn ein Gelöbnis steht, das zwar ausdrücklich nicht Eid genannt wird, das aber seinem Inhalt nach dem Fahneneid sehr ähnlich ist, vor allem, wenn Baueinheiten für militärische Objekte verwendet werden und darin der Zusammenhang mit dem Wehrdienst und der Rüstung vollends deutlich wird. Wir sprechen das hier auch im Interesse des Staates aus, weil wir wissen, daß man sich auch dort darum müht, Konflikte nach Möglichkeit zu vermeiden und den Gewissensbedenken Rechnung zu tragen. Wir meinen, daß die Kirche ihre jungen Christen, wenn sie ihre Gewissensbedenken auf mannigfache Weise zum Ausdruck bringen, bis hin zur radikalen Verweigerung, nicht allein lassen darf, daß sie zu ihnen und für sie sprechen muß, um diese gewiß nicht leichten Fragen im Gespräch mit ihnen und dem Staat zu klären. Der Friedensdienst, zu dem junge Christen sich bereitfinden wollen, soll und darf ja gewiß nicht leichter und bequemer sein als der Dienst der Soldaten. Er soll den ganzen Einsatz fordern, aber es möchte eben ein echter ziviler Ersatzdienst sein. Das Gespräch hierüber wird weitergehen müssen. Dankbar sei ausgesprochen, daß jungen Christen, wie wir erfahren haben, mannigfach Gelegenheit gegeben wurde, sich an Gottesdiensten zu beteiligen und auch im Wehrdienst oder dem Ersatzdienst nicht gehindert wurden, ihres Glaubens zu leben. Wenn dies sich überall durchsetzt, so meinen wir darin einen besseren Weg zu sehen als in einer Militärseelsorge, die immer und überall eine fragwürdige Sache sein wird. Man wird die Aufgabe des Friedensdienstes der Christen nicht ohne den Zusammenhang mit verkehrten Wegen der Vergangenheit sehen können. Wenn sich demnächst die Erinnerung an das Ende des 2. Weltkrieges zum 20. Mal jähren wird, so wird das für Christen kein Anlaß zu jubelnden Festen, wohl aber ein Anlaß zu Beugung und Buße sein. Das gilt auch für die, die am Krieg nicht verantwortlich und aktiv beteiligt waren. Wir sind Glieder eines Volkes, das durch diese Geschichte gezeichnet ist, und einer Christenheit, in deren Mitte so schreckliche Dinge wie die Ermordung von Millionen von Menschenbrüdern aus anderen Völkern, vor allem aus dem jüdischen Volk geschehen sind. Wenn wir im Vaterunser die fünfte Bitte beten, wenn da nicht nur von meiner Schuld, sondern von unserer Schuld die Rede ist, dann geschieht es immer wieder, daß die Gemeinde die Schuld einer Welt auf ihr Herz nimmt und stellvertretend zu Gott hinträgt und Ihn bittet, daß Er nicht mit uns handele nach unseren Sünden, sondern nach Seiner großen Barmherzigkeit. Nur in diesem Sinne könnte eine Christenheit alle Gedenktage recht begehen, die mit dem grausigen Geschehen der vergangenen Kriege zusammenhängen. Zugleich gilt es, sehr wachsam darauf zu sehen, wo etwa in Deutschland neu eine
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antisemitische Haltung erwacht, und dem rechtzeitig ein Nein entgegenzusetzen. So ist es denn auch nicht eine Sache der politischen oder gar nur der formal-juristischen Entscheidung, wenn zu der Frage der Verjährung von Verbrechen aus der politischen Vergangenheit Christen das Wort nehmen. Daß Sünden nicht durch Verjährung3, also dadurch, daß man von ihnen nicht mehr redet, daß sie allein durch Vergebung aus der Welt geschafft werden können, ist die Mitte unseres evangelischen Glaubens. Für die Bewältigung der Vergangenheit und die Beseitigung unheilvoller Dinge aus der Vergangenheit wird man allein mit politischer Vernunft nicht zum Ziel kommen. Man muß aber Sorge haben, daß bei einer Verjährung die Unbußfertigkeit und Selbstsicherheit gestärkt wird und die Meinung Nahrung erhält, diese Dinge seien doch nun erledigt. Nein, die Wunde muß offengehalten werden, nicht aus Vergeltungstrieb oder Rachsucht – wie leicht können solche Instinkte hier Platz greifen! – die Akten hierüber können nicht geschlossen werden, weil sonst eine pharisäische Selbstsicherheit, die immer die große Gefahr in unserem Volk ist, Raum und Rechtfertigung finden würde, ohne daß die Schatten der Vergangenheit wirklich gebannt sind. Wir haben als Kirche nicht nach Vergeltung zu rufen, wir haben den zu bezeugen, der die Versöhnung der Welt ist, der zuallererst den Dienst Seines Friedens an uns getan hat, auf daß durch die Kraft Seines Heiligen Geistes die Schuld erkannt und der Versöhnung der Schuldigen zum Siege geholfen werde. Hier liegt die wesentliche öffentliche Verantwortung der Gemeinde Jesu Christi, und darum mußte auch davon geredet werden. Da die schriftlichen Berichte der Kirchenleitung und des Konsistoriums vorliegen, die das nötige Material über das kirchliche Geschehen und Handeln enthalten, durften in diesem mündlich erstatteten Bericht nur eben einige Punkte angesprochen werden, die für den Weg unserer Kirche heute wichtig erscheinen. So bliebt mir zum Schluß nur, ein Wort des Dankes zu sagen: Dank allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die jetzt nicht alle einzeln aufgezählt werden sollen, von den Pastoren über die
3 Zwischen dem Vorsitzenden des Rates der EKD, Präses D. Kurt Scharf, und dem Vorsitzenden der KKL, Bischof D. Dr. Friedrich-Wilhelm Krummacher, fand kurz vor dem Zusammentritt der örtlich getrennten gemeinsamen EKD-Synode ein Briefwechsel statt, in dem das Ziel einer Friedensordnung behandelt wird. In seinem Schreiben vom 28.2.1965 erklärte Krummacher, es sei doch unvorstellbar, daß der rechtsstaatliche Grundsatz der Verjährbarkeit von Verbrechen angewandt werden dürfe auf die Verbrechen des Nationalsozialismus, insbesondere in den Vernichtungslagern und bei etlichen Kriegshandlungen vor allem in der Sowjetunion. Dokumente in: KJ 92, 1965, S. 78. Der Rat der EKD erließ am 12.3.1964 ein für die Öffentlichkeit bestimmtes Wort zur Besinnung auf das Kriegsende 1945. Dokument in: EBD., S. 82 f.
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Katecheten und Kirchenmusiker bis hin zu den Kirchenältesten und Kindergottesdiensthelfern, von den Lektoren und Diakonen und Diakonissen bis hin zu den Kirchensteuerämtern und Verwaltungsstellen der Kirche mit dem oft so anonymen und entsagungsvollen Dienst ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen! Dank den Pfarrhäusern und allen christlichen Häusern, nicht zuletzt auch den Pfarrfrauen – was wären wir ohne sie! – wie gut, daß es in keiner menschlichen Chronik, daß es aber woanders angeschrieben ist, was an entsagungsvollem Dienst in den 2300 Gemeinden unserer provinzsächsischen Kirche getan wurde und wird! Dank auch den außerkirchlichen Stellen, den Behörden, mit denen wir zu tun haben und mit denen wir, trotz aller Verschiedenheit in der Einstellung zu zentralen Fragen, vieles klären und bereinigen und auch manches gute Werk miteinander tun konnten! Zuletzt bleibt das Danken. Der Herr hat Seine Kirche auch in unserem Bereich trotz ihrer Schulden und Mängel dazu gewürdigt, Seine Sache zu treiben zu Seiner Ehre und zum Heil der Menschen. Er stellt uns aufs neue unter Seiner Verheißung, unter der wir allein das sein können, was unser Auftrag ist: Seine Zeugen. BerichtderKirchenleitung,13.März1965 BerichteundBeschlüsse
21 b Schriftlicher Bericht der Kirchenleitung (Redaktionsschluss am 3.2.) Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 93, Dr. 15/65, S. 1–13, hier: S. 10–13 (hekt.).
Schwerpunkt: Gesprächsergebnisse zwischen Kirchenleitung und staatlichen Organen Gliederung: I. [Personelle Entscheidungen]. II. [Sachfragen]. III. [Gesetzgeberische Akte]. IV. Zusammenarbeit mit kirchlichen Gremien außerhalb unserer Kirchenprovinz. V. Begegnungen zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates. [VI. Sonstiges].
[. . .] V. Begegnung zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates 1. In der Berichtszeit haben eine Anzahl von Begegnungen und Gesprächen zwischen Vertretern der Kirchenleitung und des Konsistoriums einerseits
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und Vertretern des Staates andererseits stattgefunden. An einer Begegnung im Bezirk Halle hat auch der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, Herr Sindermann, teilgenommen4. Viele Einzelgespräche, vor allem mit den 1. Stellvertretern der Vorsitzenden der Räte der Bezirke und den Referenten für Kirchenfragen wurden in den Bezirken Magdeburg, Halle und Leipzig vom Bischof, vom Präses der Synode, vom Kons. Präsidenten und von Beauftragten des Evang. Konsistoriums durchgeführt. Wenn auch dabei die Verschiedenheit der grundsätzlichen Haltungen in den Fragen der von den Staatsfunktionären vertretenen Ideologie und des der Kirche gegebenen Auftrags nicht verwischt wurde, kam es in sachlicher Erörterung der beiderseitigen Anliegen in den meisten Fällen zu beide Seiten befriedigenden konkreten Entscheidungen. Diese Gespräche auf Bezirksebene haben zu einer Fülle von entsprechenden Gesprächen auf Kreisebene geführt und dort zur Erledigung der anstehenden Sachfragen beigetragen, wenn auch nicht in allen Punkten eine Klärung erreicht wurde. Schwierigkeiten liegen vor allem noch auch dem Sektor der Volksbildung vor. Einige Verhandlungen verdienen besonders hervorgehoben zu werden: 2. Im Frühjahr des Jahres 1964 teilte der Rat der Stadt Magdeburg mit, daß er sich gezwungen sehe, die Ruine der Katharinenkirche im Rahmen des Wiederaufbaus des Nordabschnitts der Karl-Marx-Straße in Magdeburg in Anspruch zu nehmen5. Die Kirchenleitung hat sich von der 4 Dass Horst Sindermann, damals 1. Sekretär der BL der SED in Halle, zu einem Gespräch mit Mitgliedern der Magdeburger KL bereit war, war ein für den Bezirk Halle singulärer Vorgang. Beteiligt wurden kirchlicherseits die Pröpste im Bezirk Halle (Werther, Berndt, Coym, Richter) außerdem die Naumburger Dozenten Hamel und von Rhoden (AKPS, Rep. B 3, Nr. 373). Zu Zusammenkünften und Gespräche von Vertretern der KL und des Konsistoriums mit Regierungsstellen, Räten von Bezirken und Kreisen vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2384 u. Nr. 2385. 5 Angesichts der Kriegszerstörung der großen Pfarrkirchen der Magdeburger Altstadt (St. Ulrich, St. Katharinen, St. Johannis, St. Jacobi, St. Petri und Heilig-Geist-Kirche) war Magdeburg zur Stadt des kirchlichen Wiederaufbaus erklärt worden. Dem evangelischen Kirchenkreis Magdeburg sind deshalb Kollektenmittel aus der EKD zur Verfügung gestellt worden. Im Jahr 1959 hatte der Rat der Stadt Magdeburg die wiederhergestellte Heilig-Geist-Kirche wegen der Bebauung des Zentralen Platzes abreißen lassen. Der KL wurde ersatzweise der Wiederaufbau der Katharinenkirche zugesichert. 1964 wurde die KL jedoch darüber informiert, daß auch die Ruine der Katharinenkirche gesprengt werden solle. Bischof Jänicke protestierte vergeblich mit einem Schreiben vom 21.2.1964 an Oberbürgermeister Sonnemann. Am 17.4.1964 wurde dann ein Vertrag zwischen dem Rat der Stadt Magdeburg und der evangelischen Kirchengemeinde Altstadt Magdeburg ausgehandelt. In diesem Vertrag wird der Inanspruchnahme der Ruine und des Grundstücks der Katharinenkirche zugestimmt und ein Entschädigungsvertrag festgelegt. Zugleich wird verbindlich vereinbart, dass die Wallonerkirche (mit westlicher Unterstützung) wiederaufgebaut und durch Anbauten funktionsgerecht ergänzt wird. Dieses Gemeindezentrum an der Wallonerkirche wurde später zugleich Sitz der Superintenden-
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Auffassung bestimmen lassen, daß es hier weder um ideologische Auseinandersetzungen noch um die Frage des Prestiges gehe, sondern vielmehr um die Möglichkeit, der Altstadtgemeinde in Magdeburg hinreichend Raum für ihre Gemeindearbeit zu schaffen. In eingehenden Beratungen, an denen der Rat der Stadt und der Rat des Bezirks Magdeburg, die Altstadtgemeinde und die Evang. Kirchenleitung beteiligt waren, wurde ein Vertrag abgeschlossen, der anstelle der in Anspruch genommenen Katharinenkirche den Wiederaufbau der Wallonisch-reformierten Kirche vorsieht. Der Wiederaufbau soll noch in diesem Jahr beginnen und bis zum Jahre 1970 vollendet werden. Eine namhafte Unterstützung durch die westlichen Gliedkirchen ist dabei gewährleistet. 3. Die Maßnahmen, die der Rat des Kreises Torgau ergriffen hatte, um die weitere Benutzung der Schloßkirche in Torgau durch die Kirche und die Durchführung des Landesposaunenfestes in Frage zu stellen, sind auf Grund der kirchlichen Vorstellungen durch den Rat des Kreises im Einvernehmen mit dem Rat des Bezirks Leipzig rückgängig gemacht worden. 4. Über die Durchführung der Bibelrüstzeiten in den Ferien des Jahres 1964 wurden auch der Grundlage einer Vereinbarung im Staatssekretariat für Kirchenfragen Abmachung mit den Räten der Bezirke Magdeburg und Halle getroffen, die eine reibungslose Durchführung der Bibelrüstzeiten in unserem Raum sicher stellten. Danach werden die geplanten Bibelrüstzeiten rechtzeitig den Räten der Bezirke durch das Konsistorium und den Räten der Kreise durch die zuständigen Superintendenten unter Angabe von Ort, Dauer, Leiter und ungefährer Teilnehmerzahl mitgeteilt. Die inhaltliche Durchführung der Bibelrüstzeiten liegt in der alleinigen Verantwortung der Kirche. Während der großen Schulferien hat Ende Juli 1964 eine erneute Verhandlung im Staatssekretariat für Kirchenfragen stattgefunden, in der in allen wesentlichen Punkten mit Ausnahme der zeitlichen Ausdehnung der Bibelrüstzeiten Einvernehmen erzielt wurde. 5. Die Kirchenleitung hat eine Handreichung zur Elternarbeit über die Grundsätze des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems_6, die auch der Ebene der EKD in der DDR erarbeitet wurde, und eine Eingabe der Bischöfe der Gliedkirchen an die Regierung der DDR durch besondere Rundverfügung an alle Pröpste, Superintendenten, Propstei- und Kreiskatecheten weitergegeben. Wir haben die Zusicherung erhalten, daß diese Eingaben eingehend geprüft wurden. [. . .] tur. AKPS, Rep. A, Specialia G, Nr. A 22522. Die Grundsteinlegung für den Neubau eines Gemeindezentrums an der Wallonerkirche erfolgte dann am 20.10.1968. Vgl. ena 23.20.68. 6 Vgl. oben Anm. 1.
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Berichte und Beschlüsse VorlagedesBerichtsausschusses,17.März1965 BerichteundBeschlüsse
21 c Vorlage des Berichtsausschusses Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 93, S. 1–5, hier: S. 1, 2–5 (hekt.); Protokoll des Sitzungstages.
Der Berichtsausschuß hat beschlossen, folgende Stellungnahme zum Bericht des Bischofs und zur Antwort der Synode dem Plenum vorzutragen, ohne hiermit etwa den Inhalt des Berichtes oder der Aussprache zu wiederholen, sondern einiges nach seiner Entscheidung festzustellen und festzuhalten. [. . .] 2. Nachdem die Aussprache der Synode die vom Bischof deutlich angesprochene Gefahr des sogenannten Synkretismus bestätigt und den Ernst der Irreleitung sowie die Notwendigkeit einer Entgegnung festgestellt hat, bittet der Berichtsausschuß das Präsidium, die Kirchenleitung zu ersuchen, eine Dokumentation erarbeiten zu lassen, um in den Gemeinden „die Irrlehre unserer Zeit zu erkennen“7 und den Mißbrauch des Wortes Gottes aufzuzeigen. Es ist ihr zu helfen, im Sinne des 1. und 2. der „Zehn Artikel“ der Verführung sich zu erwehren, als würden bestimmte Gesellschaftsordnungen aus sich heraus den Glaubensgehorsam ermöglichen bzw. als wären geschichtliche und gesellschaftliche Gegebenheiten als unmittelbare Kundgebung des Willens Gottes zu deuten und darum vorbehaltlos anzunehmen. 3. Wenn auch die Synode von den soeben im Gesetzblatt veröffentlichten „Grundsätzen für die Gestaltung eines einheitlichen sozialistischen Bildungssystem“ noch nicht hinreichend Kenntnis nehmen konnte, um zu prüfen, ob die von der Kirche angemeldeten Bedenken berücksichtigt wurden (vgl. etwa Eingabe an den Herrn Ministerpräsidenten vom 20.10.64), bleibt doch nach der Meinung des Berichtsausschusses zu befürchten, daß dieselben grundsätzlich kaum berücksichtigt werden konnten. Auch unser weltanschaulicher Partner hat seine bestimmten Grenzen, die Wünsche und Bedenken der christlichen Kirche in ein System einzubauen, das als eine konsequente Frucht weltanschaulicher Entscheidung im marxistischen Sozialismus anzusehen ist. Denken wir doch an das verabschiedete Jugendgesetz zurück und an die damals vergeblich angemeldeten Bedenken. Die Christenheit Gottes lebt in der Welt, in der es für sie eine konfliktsfreie Existenz nicht geben kann. Sie müht sich nicht nur um Kontakte, sie weiß immer auch um sachlich 7 S. 17 [Orig. Anm.].
Vorlage des Berichtsausschusses, 17. März 1965
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gegebene und gebotene Abstände. Wir werden wohl auch immer wieder einmal zu bedenken haben, daß der Atheismus, mit dem wir es in dieser Weltanschauung zu tun haben, seinen Ursprung nicht hat in einer Begegnung mit der Karikatur einer Kirche und einer Theologie, sondern im Urprotest des Menschen gegen Gott. Er ist kein Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnis, als wäre er durch Wissenschaft zu korrigieren oder durch rechte Theologie auszuräumen. Es handelt sich um eine Grundentscheidung, an der freilich auch wir Christenmenschen beteiligt sind, allerdings hier als Unheil erfahren, dort als Heil gepriesen. Da der Berichtsausschuß damit rechnet, daß der Mensch, für den die Kirche einzutreten hat, und der Christenmensch, der in der Gemeinde Jesu Christi aufzuwachsen hat, durch das neue Bildungsgesetz in echte Verlegenheit gebracht wird, benötigt die Gemeinde einer Hilfe. Es muß versucht werden, in dieser neuen Situation zu einer positiven Reaktion zu kommen. Daher bittet der Berichtsausschuß das Präsidium der Synode, durch die Kirchenleitung unseren Provinzialkatecheten und seinen Propsteikatechetenkonvent zu ersuchen, in Fortsetzung seines bereits geleisteten Dienstes eine praktische Hilfe auf Grund des endgültigen gesetzlichen Textes in einer Auslegung der Grundgedanken und in einer Anweisung für die Praxis in Gemeinde, Unterricht und Familie geben zu wollen. 4. Im letzten Teil seines Berichtes sprach der Bischof ernste öffentliche Nöte und Sorgen an, die ebenfalls in der Aussprache der Synode bestätigt wurden. Wir sahen im Berichtsausschuß zur Stunde keine andere Möglichkeit, als diese Fragen für anstehende Gespräche mit den Räten der Bezirke oder auch mit dem Staatssekretariat für Kirchenfragen anzumelden. a) Es handelt sich hier z. B. um das Beschwernis aus dem Kirchenkreis Torgau, der Synode mit dem Antrag des Synodalen Biastoch vorgetragen, und von der Synode dem Berichtsausschuß überwiesen (Sonntagsarbeit unter wirtschaftlicher Nötigung). b) Es geht um die hier ausgesprochene Bitte, prüfen zu lassen, bzw. zu erbitten, die bestehenden Reiseerleichterungen in begründeten Fällen auch auszudehnen auf notwendige Kuren in westdeutschen Kurorten. c) Es handelt sich um die notwendige Förderung des geistigen Austausches zwischen Ost und West (Literaturaustausch, Zulassung von Studienfahrten usw.) d) Es muß die in der Synode geäußerte Besorgnis ins Gespräch kommen, über das in unserem Lande mögliche Aufkommen einer neuen antiisraelitischen Haltung8. 8 S. 20 [Orig. Anm.].
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e) Und endlich bitten wir, durch Bischof und Kirchenleitung das seit Monaten anstehende Gespräch mit der Regierung zur Frage des Wehrersatzdienstes endlich zu erreichen. Wir sind ernsten jungen Gemeindegliedern Rat und Hilfe rechtzeitig schuldig9, zumal denen, die nicht in kirchlicher Ausbildung oder im kirchlichen Dienst stehen und vielleicht von daher privilegiert werden könnten. Das Verlangen nach einem echten Friedensdienst junger Christen abseits den „militärischen Erfordernissen[“]10 sei doch wirklich gehört und verstanden und nicht mit einem Makel belegt. [. . .]
9 S. 19 f. [Orig. Anm.]. 10 ND, 26.11.1964 [Orig. Anm.].
BischofD.JohannesJänicke,26.März1966 BerichteundBeschlüsse
22 Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 4. Tagung der V. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 26. März 1966 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 94, S. 1–26, hier: S. 10–17 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 92, 1965, S. 128, 135.
Schwerpunkte: Problem des Hungers in der Welt; Denkschrift der EKD zur Lage der Vertriebenen; Handreichung „Zum Friedensdienst der Kirche“; weltpolitische Lage (Vietnamkrieg, atomare Gefahr) Sieben Kapitel ohne Überschrift [Weitere Themen: revidierte Bibel und Bibelarbeit; Ökumene; II. Vatikanisches Konzil; Mission und Diakonie: Nachwuchsfrage; Gemeindeleben].
[. . .] IV. Die Öffnung zur Welt hin, die gemeinsame Verantwortung für die Welt bedeutet ganz gewiß auch für die evangelische Kirche eine Dimension, die in unserer Zeit neu erkannt und wahrgenommen wird. Das soll nicht heißen, daß wir in ein fremdes Amt eingreifen wollen. Das Wort Martin Luthers, daß Rathaus und Kirche nicht miteinander verwechselt werden dürfen, ist in den letzten Jahren oft zitiert worden. Kirche muß Kirche und Staat muß Staat bleiben. Das darf aber nicht zu einer Abtrennung der Verantwortungsbereiche führen, durch die die Kirche in ein kultisches Ghetto verbannt würde und die Welt einer angeblich zwangsläufigen Eigengesetzlichkeit überließe. Aus zwei Gründen darf das nicht geschehen: 1. Wenn Jesus Christus nicht nur das Haupt Seiner Gemeinde, sondern auch der Herr der Welt ist, so ist Er eben auch der Herr in den Bereichen, in denen Sein Name nicht genannt und bekannt wird; und das ist kein lebensfremdes Dogma, das nur im Himmel gilt, aber nicht auf Erden. Gewiß ist die Bergpredigt kein Regierungsprogramm für eine weltliche Obrigkeit. Aber wenn in der Bergpredigt auch gesagt ist, daß die Jünger Jesu das Licht der Welt und das Salz der Erde sind – nicht sein sollen, sondern sind! – dann wird ja deutlich, daß die Weisungen und Verhei-
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ßungen Jesu nicht nur einer kleinen exklusiven Schar der Gläubiger gelten, sondern in die Reiche der Welt hineinwirken wollen, um der Finsternis zu wehren und das Verderben einer Welt aufzuhalten, die an ihrem Macht- und Gewaltdenken sich selbst immer an den Rand des Abgrunds zu bringen droht. 2. Es geht dem Staat und der Kirche um den Menschen, den ganzen Menschen, bei dem Leib und Seele nicht voneinander zu trennen sind. Wir können die Vertreter des Staates nur immer wieder bitten, es so zu verstehen, daß die Kirche ihre, der Obrigkeit, große Verantwortung für die schweren Menschheitsfragen und -nöte hilfreich mittragen will. In diesem Sinne ist auch die nicht ablassende Fürbitte der Kirchen für die Regierungen der Völker zu verstehen. Von diesen grundsätzlichen Voraussetzungen her muß zu einzelnen praktischen Fragen ein Wort gesagt werden: 1. Kann das Gewissen der Christen schweigen, wenn über ein Drittel der Menschheit nicht satt zu essen hat, z. T. buchstäblich Hunger leidet (z. B. in Indien!), wenn ein großer Teil der Weltbevölkerung die zu einem bescheidenen Leben notwendigen Güter der Erde nicht genießen kann? Daß das Gewissen hier nicht schweigt, das bezeugt immer wieder das starke Echo, das die Aktion „Brot für die Welt“1 in unserer Kirche findet und auch in diesem Winter gefunden hat. Wir sind dankbar dafür, daß es den beharrlichen Bemühungen des Oberkirchenrats von Brück gelungen ist, große Summen aus dieser Sammlung für eine wirkliche Hilfe in besonderen Notstandsgebieten zu realisieren. Es ist zu fragen, ob es nicht möglich ist, zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit der Misereor-Aktion der katholischen Kirche zu kommen. So dankenswert diese und andere Hilfsaktionen, auch von seiten des Staates und der Staaten, sind, so ist doch zu fragen, ob sie genügen. Allzu leicht haben die Hilfen der begüterten Kulturvölker gegenüber den armen und unterentwickelten den Charakter eines Almosens. Und wer kann davor schützen, daß sich mit solchen Almosen dann doch, zunächst vielleicht unbewußt, eigensüchtige Nebenabsichten verbinden! Der Beschenkte gerät immer in eine Abhängigkeit von dem Schenkenden! Es bleibt eine unendlich schwere, aber nicht aufzuschiebende Aufgabe, die Frage der Ernährung der wachsenden Erdbevölkerung nicht vom national-staatlichen Denken her, sondern im Weltmaßstab zu lösen. Nur so kann die Gefahr gebannt werden, daß die Welt hier doch auf eine Katastrophe von bisher nicht gekanntem Ausmaß zueilt.
1 Zur Entstehung der Aktion „Brot für die Welt“ in der DDR vgl. U. KAMINSKY, Nothilfe, S. 180–195 (darin weitere Literatur).
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2. Es ist in der Öffentlichkeit leidenschaftlich diskutiert worden, daß die EKD zur Lage der Vertriebenen und zum Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn das Wort genommen hat2 Es würde den Rahmen des Berichtes sprengen, den Inhalt der Denkschrift wiederzugeben oder gar über die darüber entstandene Diskussion auch nur einigermaßen ausreichend zu referieren. Allein über diese Diskussion ist schon ein umfangreicher Band erschienen, und ständig laufen neue Beiträge ein. Daß die Denkschrift auch so viel Widerspruch – bis hin zu persönlichen Bedrohungen und Gewalttaten gegenüber den verantwortlichen Männern der Kirche – gefunden hat, ist nur ein gutes Zeichen dafür, daß hier ein heißes Eisen angefaßt und daß tapfer eine Tür aufgestoßen wurde, die nicht verschlossen bleiben durfte. Wenn das Wort der Kirche in der Welt Widerspruch und Ärgernis hervorruft, so ist das ein gutes Zeichen dafür, daß ihr einmal ein vollmächtiges Wort gegeben worden ist! Daß die Frage nach dem „Recht auf Heimat“ in rechtlicher wie in theologischer Hinsicht noch mancher Klärung bedarf, kann nicht bestritten werden. Aber hierbei muß bedacht werden, daß wirklich allen Beteiligten Recht geschieht, also in diesem Falle nicht nur den Deutschen, die ihre Heimat verloren haben, sondern auch dem polnischen Volk. Die in Babelsberg versammelte östliche Teilsynode der EKD hat einen Bericht hierüber entgegengenommen und nach eingehender Beratung folgende Entschließung3 gefaßt: „Wir sind dankbar, daß unsere evangelische Kirche in nüchterner Offenheit und seelsorgerlicher Verantwortung zu einer Lebensfrage unseres Volkes hilfreich gesprochen hat. Die Denkschrift nimmt die Nöte derer, die ihre Heimat verloren haben, ernst und weicht den Fragen nach Recht und Unrecht nicht aus; aber sie stellt alles unter das biblische Zeugnis der Versöhnung. Dieses Zeugnis hat heilende, friedensstiftende und ordnende Kraft. Die Denkschrift ermutigt die Deutschen und ihre östlichen Nachbarvölker, in der Macht der fünften Bitte des Vaterunsers einander zu begegnen: ‚Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern‘.“
3. Jeder kriegerische Krisenherd droht heute sich zu einem Massenmorden auszuweiten, das die Vernichtung alles Lebens auf der Erde zur Folge haben könnte. Deswegen sei hier ein Satz aus der Handreichung „Zum
2 „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn“ (10.10.1965) (Ostdenkschrift). Dokument abgedruckt in: DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 77–126. Außerdem: LAGE DER VERTRIEBENEN; R. HENKYS (Hg.), Deutschland und die östlichen Nachbarn. Zu den Zusammenhängen um die Ostdenkschrift vgl. C. HANKE, Deutschlandpolitik der Evangelischen Kirche, S. 198–218. 3 Erklärung der in Potsdam-Babelsberg zu einer Arbeitstagung vom 14.–16.3.1965 versammelten Mitglieder der Synode der EKD vom 16.3.1966. In: KJ 93, 1966, S. 55.
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Friedensdienst der Kirche“4 zitiert, der als Obersatz und Voraussetzung für das Ganze gültig ist: „Es gibt keinen denkbaren Grund, der einen Krieg rechtfertigen würde. Krieg muß auf jeden Fall verhindert werden.“ Das gilt auch für Vietnam. Helmut Gollwitzer sagt am Schluß einer Erörterung darüber, warum er die „Erklärung deutschsprachiger Schriftsteller und Intellektueller über den Vietnamkrieg“ unterschrieben habe: „In Rom erzählte beim Konzil ein vietnamesischer Bischof, in seiner Diözese würden wöchentlich über 1000 Menschen durch die amerikanischen Bomben getötet. Wenn uns das kalt läßt, sollten wir wenigstens aufhören, uns Christen zu nennen.“ Wir sind dankbar, daß der Zentralausschuß des Ökumenischen Rates der Kirchen dem furchtbaren Ernst der Situation dadurch Rechnung getragen hat, daß er eine ausführliche und sachkundige Erklärung der „Kommission für internationalen Angelegenheit“ zu Vietnam sich zu eigen gemacht hat. Diese Erklärung soll nach einem Beschluß der Babelsberger Teilsynode der EKD in vollem Wortlaut den Gemeinden zugänglich gemacht und auch in der kirchlichen Presse unverkürzt abgedruckt werden. Ich kann darum hier auf eine Verlesung des umfangreichen Memorandums verzichten. In welchem Sinn es abgefaßt ist, soll nur an zwei Zitaten voraus deutlich gemacht werden: „Alle Parteien sollen die Sinnlosigkeit militärischer Handlungen zur Lösung der dahinter liegenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme Vietnams erkennen. Massive und großzügige Entwicklungsprogramme sind notwendig.“
Und: „Es wird sofort von beiden Seiten die Übereinstimmung über eine weitere sofortige Feuereinstellung von angemessener Dauer erzielt, um als Zeit der Abkühlung und der Erprobung von Verhandlungsmöglichkeiten zu dienen.“5
Was haben wir zu tun? Ich meine, wir sollten neben dem Dank an die Kommission für internationale Angelegenheiten den entsprechenden Aus4 Vgl. oben Dokument 21a, Anm. 3, S. 204. 5 Punkte 7. und 10. (Auszug) der Erklärung des Zentralausschusses des ÖRK zu Vietnam vom Febr. 1966. In: KUNDGEBUNGEN EKD 2, S. 231–234, hier: S. 233 f. Vgl. auch Entschließung der in Berlin-Spandau vom 13. bis 18.3.1966 versammelten Mitglieder der Synode der EKD zu dem Konflikt in Vietnam vom 18.3.1966, die ausdrücklich auf die Erklärung des ÖRK Bezug nimmt und diese als Anlage hinzufügt. In: EBD., S. 231. Ein Jahr später formuliert der Exekutivausschuß des Ökumenischen Rates der Kirchen in Windsor eine Sechs-Punkte-Erklärung (Febr. 1967), die im engen Zusammenhang mit der Erklärung des Zentralausschusses vom Febr. 1966 steht. Auf die Erklärung vom Febr. 1967 bezieht sich auch Bischof D. Jänicke in Punkt V seines Berichtes auf der 5. Tagung der V. Synode am 11.3.1967. Vgl. unten Dokument 23b, Anm. 11, S. 227.
Bischof D. Johannes Jänicke, 26. März 1966
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schuß der EKD bitten, nach Möglichkeiten wirksamer Unterstützung ihres Anliegens zu suchen. Wir sollten die Mitverantwortung der Christen auch in unseren Gemeinden für Vietnam deutlich machen. Mitverantwortung kann nur getragen werden, wenn eine intensive, sachlich fundierte Unterrichtung stattfindet. Wir sollten schließlich nicht ablassen, auch in unserer Fürbitte im öffentlichen Gottesdienst vor Gott und Menschen zu bezeugen, daß wir hier alle mitbetroffen sind – weil doch die Getöteten und die Tötenden Menschen sind, für die Christus am Kreuz den Versöhnungstod starb! Eine hierfür zu formulierende Fürbitte wäre hilfreich. Unsere Bitte für den Frieden muß konkret sein. Sie verhallt, wenn sie stereotyp und formelhaft bleibt. 4. Der Friedensdienst der Kirche ist heute ein unaufgebbares Anliegen. Die ganze Kirche – nicht etwa nur ihre beamteten Seelsorger – schuldet diesen Friedensdienst dem ganzen Volk, nicht etwa nur ihren jungen Gliedern, die wehrpflichtig sind. Dabei darf zweierlei nicht übersehen werden: Unser Volk, auch unsere Kirche, ist mit einer schweren Hypothek der Vergangenheit belastet. Gegenüber kleinen Minderheitskirchen sind die großen Kirchen in dieser Frage erst am Ende des ersten Weltkrieges wach geworden, und da auch nur zögernd und keineswegs einmütig. Man wird auch nicht sagen können, daß das Zeugnis der Weißenseer Synode von 1950: „Was kann die Kirche für den Frieden tun?“6 sich wirklich bis in unsere Gemeinden hinein durchgesetzt hat. Man fragte vielmehr einige Jahre später: Muß und kann nicht auch die gegenseitige Abschreckung durch atomare Bedrohung als ein Friedenszeugnis verstanden werden? Da waren dann alle alten Begründungen wieder da, die wir aus der Tradition unseres nationalen Denkens her kennen: Si vis pacem, para bellum! („Wenn du den Frieden willst, so rüste dich zum Kriege!“). Wie wenig eine Metanoia, eine Neubesinnung in dieser Frage, sich schon durchgesetzt hat, wird mir auch immer wieder dann deutlich, wenn ich in Kirchen, vor allem im Dorfkirchen, die „Ehrentafeln“ der großen Kriege der Vergangenheit unbeanstandet vorfinde, auf denen nicht nur die Namen der Gefallenen, sondern oft auch aller Kriegsteilnehmer mit den dazu gehörigen Orden und Ehrenzeichen und manchmal der Schrift und dem Bekenntnis widersprechenden Inschriften vorfinde. Ehre, wem Ehre gebührt, – aber das ist eine Glorifizierung, ja Heiligsprechung des kriegerischen Geschehenes. Wir sollten solchen gotteslästerlichen Greuel radikal ausräumen, auch auf die Gefahr hin, daß vielleicht gerade treue, alte Gemeindeglieder daran Anstoß nehmen. Das ist ein notwendiger Anstoß! Das Andere, was beim christlichen Friedensdienst der Kirche das unerläßlich Besondere ist: Er geschieht von der Mitte, von der Versöhnung 6 Vgl. oben Dokument 6, Anm. 16, S. 82.
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her, die in Christus geschenkt ist. Darum ist er Dienst der Versöhnung. Man kann heute wohl auch einfach von Gründen der Vernunft her zu der Erkenntnis kommen, daß die Steigerung der Waffentechnik bis hin zu einem Vielfachen dessen, was genügen würde, alles Leben auf Erden zu vernichten, daß die jeweilige Überhöhung der Rüstung des anderen durch noch bessere, noch wirksamere, noch vernichtendere Waffen eine Sinnlosigkeit ist, die letztlich die Welt mit Untergang bedroht. Wir aber sind heute zugleich zur Besinnung darauf gerufen, was es denn mit den Verheißungen Jesu auf sich hat, wenn Er die Friedfertigen Söhne Gottes nennt und den Sanftmütigen den Besitz des Erdreiches,1 nicht des Himmelreichs, sondern eben des Erdreichs verheißt! Sollten diese Verheißungen nicht realistischer sein als die scheinbar so realistische Politik der Stärke, die durch Aufrüstung die Abschreckung bewirken will und die Angst vermehrt und damit in Wirklichkeit die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung nicht bannt, sondern viel eher heraufbeschwört? Nun soll keineswegs verkannt werden, was an Friedensbemühungen, an Gesprächsmöglichkeiten und Angeboten, auch gerade vom Osten her, angeboten worden ist. Wenn es z. B., nicht zuletzt durch die Bemühungen der SU, möglich gewesen ist, zwischen Indien und Pakistan auf den Weg der friedlichen Auseinandersetzung zurückzukehren, so sollten wir dafür dankbar sein. Ich selbst habe, in der Öffentlichkeit wie in persönlichen Briefen an verantwortliche Politiker, mehrfach mich bemüht, die Frage einer vernünftigen Verständigung zwischen Ost und West zum Gespräch kommen zu lassen. Dabei erschien mir immer wieder der Vorschlag einer atomwaffenfreien, entmilitarisierten Zone in Mitteleuropa nicht nur politisch vernünftig, sondern auch ein angemessener Ausdruck für eine Abkehr von den Irrwegen der Vergangenheit in beiden Teilen Deutschlands. Gerade weil von uns so heillose Zerstörung ausgegangen ist, sollte auch in dem gleichen Raum die Metanoia, die Umkehr und die Heilung zeichenhaft sichtbar ihren Anfang nehmen. Das wäre m. E. nicht nur eine Sache der politischen Vernunft, sondern auch zugleich ein Stück echter Bewältigung einer schuldvollen Vergangenheit. Es bekümmert uns und erfüllt uns mit Sorge, daß der Westen alle konstruktiven Vorschläge einer Friedenspolitik entweder negativ beantwortete oder unbeantwortet ließ. Mit nicht geringer Sorge sehen wir aber auch eine der Ursachen für diese negative Entwicklung in der Propaganda, die die Versuche einer Friedenspolitik bei uns begleitet. Wo Haß gesät wird, kann nicht Friede werden. Wo in einer billigen Schwarz-Weiß-Malerei kalter Krieg geführt wird, – und das geschieht auf beiden Seiten – kann nicht Friede werden. Mit tiefem Erschrecken lasen wir in der Zeitschrift „Volksarmee“ in November 1965:
Bischof D. Johannes Jänicke, 26. März 1966
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„Brennende Liebe zum Vaterland und unbändiger Haß gegen seine Feinde sind für den sozialistischen Soldaten unentbehrliche Eigenschaften, damit er zu jeder Zeit und mit letztem Einsatz zu seinem Fahneneid steht. [. . .] In verschiedenen Diskussionsbeiträgen wurde beispielsweise dargelegt, welche gefühlsmäßigen Widersprüche Soldaten überwinden müssen, um zu der Erkenntnis zu gelangen, daß der Bundeswehrangehörige ihr Feind ist. Das Problem wird doch vor allem dadurch erschwert, daß der Bundeswehrangehörige Deutscher ist und der Gegner versucht, das Feind-Problem von seiner Klassenbasis aus zu lösen, stark gefühlswirksam zu verzerren und vor allem unsere Erziehung zum Haß als sittlich-moralisch minderwertig darzustellen. [. . .] weil wir zutiefst alles Fortschrittliche und Wertvolle lieben, hassen wir die Kräfte, die es bedrohen. Daraus ergibt sich zugleich, daß unser Haß andere ethisch-moralische Grundlagen hat, als der unseres Gegners. Wir wollen und brauchen keinen solchen Haß, wie er für imperialistische Armeen typisch ist. [. . .] Die Erziehung unserer Armeeangehörigen zum Haß gegen den Feind steht also nicht im Widerspruch zu unseren sonstigen edlen Zielen.“
Und an anderer Stelle in der gleichen Zeitschrift: „In Anbetracht dieser Situation ist das A und O in unserer Arbeit die politisch-ideologische Erziehung der Armeeangehörigen. [. . .] Gerade unter den Bedingungen des Grenzdienstes findet sich die marxistisch-leninistische These bestätigt, wonach der Mensch im Mittelpunkt aller Maßnahmen der Landesverteidigung steht und daß deren Erfolg in hohem Maße von seiner politischen Überzeugung, seinem Freund-Feind-Bild, seiner Liebe zu unserer Sache und seinem Haß gegenüber dem Gegner und das von ihm vertretenen Systeme abhängt.“7
Wenn mir in einem Gespräch über den Friedensdienst der Kirche heute, in dem ich diese Sätze zitierte, erwidert wurde, solche Freund-Feind-Propaganda gehöre nun einmal zu jeder Armee dazu, dann macht das den Ernst der Situation nur noch deutlicher und entscheidungsvoller. Um so wichtiger und schwerer ist die Aufgabe der Christen, das Evangelium des Friedens zu verkündigen und mit dem Einsatz der ganzen Existenz zu leben. Man verstehe doch auch diese Ausführungen als aus der positiven Verantwortung für eine konstruktive Friedenspolitik heraus gesprochen, um die wir Sorge haben müssen, daß sie nicht wirkungslos und unglaubwürdig werde! Wir können dankbar berichten, daß wir auch darüber und in diesem Sinne mit verantwortlichen Männern des Staates freimütig reden konnten. Wie es denn über eine Reihe von Grundsatz- und Einzelfragen daraus lohnende und fruchtbare Gespräche auf den verschiedenen Ebenen gegeben hat. Ich denke dabei besonders auch an einige Gespräche in größerem Kreise mit dem 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED in Halle, Horst 7 DIE VOLKSARMEE. Militär-Wochenblatt. Berlin: Deutscher Militärverlag, 10. Jg. 1965.
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Sindermann8. Daß die Stimmen der Christen in den Fragen der öffentlichen Verantwortung nicht ganz ungehört blieben, hat sich auch bei der Arbeit am Familiengesetz9 gezeigt, in welchem eine große Anzahl von Änderungsvorschlägen der Christen berücksichtigt worden ist, freilich ohne daß dem Haupteinwand, der ideologischen Sinngebung des Ganzen, Rechnung getragen werden konnte. [. . .]
8 Vgl. oben Dokument 21b, Anm. 4, S. 206. 9 Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 20.12.1965. In: GBL. DDR I, 1966, S. 1–19.
BerichtderKirchenleitung,10.–15.März1967 BerichteundBeschlüsse
23 a Schriftlicher Bericht der Kirchenleitung auf der 5. Tagung der V. Synode Mühlhausen Haus der Kirche, 10.–15. März 1967 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 95, Dr. 14/67, S. 1–12, hier: S. 11–12 (hekt.).
Schwerpunkt: Begegnungen zwischen der Kirchenleitung und staatlichen Organen Gliederung: I. [Personelle Entscheidungen]. II. [Sachfragen]. III. [Kirchliche Ordnungen]. IV. Zusammenarbeit mit kirchlichen Gremien außerhalb unserer Kirchenprovinz. V. Begegnungen zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates. VI. Sonstiges.
[. . .] V. Begegnungen zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates. 1. In den Bezirken Magdeburg und Halle fanden Gespräche statt, an denen auf staatlicher Seite u. a. die ersten Sekretäre der Bezirksleitungen der SED und die Vorsitzenden der Räte der Bezirke und auf kirchlicher Seite die Mitglieder des Rates und die zuständigen Pröpste teilnahmen. Auf der gleichen Ebene ist es auch zu einer Begegnung mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Herrn Seigewasser, gekommen1. Bei dieser Zusammenkunft wurden Fragen der gemeinsamen Verantwortung im öffentlichen Leben besprochen. 1 Auf Einladung der Räte der Bezirke Halle und Magdeburg fand am 14.11.1966 im Hotel „International“ in Magdeburg ein Gespräch zwischen Vertretern des Staatsapparates und den Kirchenleitungen der KPS und Anhalt statt. Staatlicherseits nahmen teil: Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, sein Stellvertreter, Herr Flint; 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Bezirkes Halle, Herr Stempel, Referent für Kirchenfragen des Bezirkes Halle, Herr Biertümpel, Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres des Bezirkes Magdeburg, Fritz Steinbach und der Referent für Kirchenfragen des Bezirkes Magdeburg, Herr Bellstedt. Kirchlicherseits waren anwesend: Bischof D. Johannes Jänicke, Konsistorialpräsident Dr. Koch, Präses Helmut Waitz, OberkonsR Heinrich Ammer, die Pröpste Fleischhack, Richter und Eichenberg (KPS), die Mitglieder des Landeskirchenrates und Präses Kootz (Anhalt) und auf persönliche Einladung durch den RdB Dr. Erwin Hinz. Gesprächsbericht: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2385. Darin: AZ I 935/66.
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2. Die Kirchenleitung wurde laufend über die Besprechungen unterrichtet, die der Bischof oder der Vertreter des Ev. Konsistoriums mit den staatlichen Organen, vor allem auf der Ebene der Bezirke geführt haben. Dabei wurden ebenso grundsätzliche Fragen des Verhältnisses von Staat und Kirche erörtert, wie eine Fülle von Einzelanliegen, Fragen und Beschwernissen besprochen. In einer ganzen Reihe von Fällen war eine sachliche Klärung möglich. Dort, wo es zu keiner Klärung kam oder besondere Anliegen kirchlicher Amtsträger nicht erfüllt werden konnten, wurden die Gründe in offener, freimütiger und von gegenseitiger Achtung getragener Aussprache ausgetauscht. 3. Die Räte der Bezirke Magdeburg und Leipzig haben auf der Grundlage klarer Absprache mit den Pröpsten und Vertretern des Ev. Konsistoriums die Besprechungen mit den Superintendenten unter Beteiligung der zuständigen Räte der Kreise fortgeführt. Da die Superintendenten ein kirchenleitendes Amt in ihren Kirchenkreisen wahrnehmen, kommt diesen Gesprächen eine besondere Bedeutung zu. 4. Aus Anlaß des Reformationsjubiläums hat die Kirchenleitung über den Rat des Bezirkes Magdeburg und das Staatssekretariat für Kirchenfragen beim Presseamt des Ministerpräsidenten die dort vorliegende Bitte erneuert, für die Kirchenprovinz Sachsen der zweitgrößten evangelischen Kirche in der DDR, die Herausgabe eines Gemeindeblattes2 zu genehmigen. Eine Antwort ist bisher nicht erfolgt. 5. Die offizielle Genehmigung für die Einführung notwendiger theologischer Literatur für die Ephoralbüchereien und die Bibliotheken des Ev. Konsistoriums und der Predigerschule in Erfurt wurde inzwischen erteilt. Ihre Realisierung ist im Gange. [. . .] BischofD.JohannesJänicke,11.März1967 BerichteundBeschlüsse
23 b [Persönlicher] Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke Mühlhausen Nicolai-Kirche, 11. März 1967 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 95, S. 1–30, hier: S. 10–13, 17–27 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 93, 1966, S. 234–236, 240–245. 2 Ein solcher Antrag wurde niemals bewilligt. Während die anderen Landeskirchen in der DDR über Wochenzeitungen verfügen konnten, hat die Regierung der DDR bis 1989 niemals der KPS eine Lizenz erteilt.
Bischof D. Johannes Jänicke, 11. März 1967
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Schwerpunkte: Reformationsfeierlichkeiten (450. Jubiläum); Friedensdienst der Kirche; Vietnamkrieg („Sechs-Punkte-Erklärung“); Benachteiligung der Bausoldaten; Forderung nach mehr sachlichen Informationen in den Medien; Erziehungspolitik (Benachteiligung von Konfirmanden etc.) Gliederung: I. [Die Verkündigung des Wortes Gottes]. II. [Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland]. III. [450-Jahrfeier der Reformation]. IV. [Ökumenische Fragen]. V. [Friedensdienst der Christen]. VI. [Öffentliche Verantwortung in unserem Volk]. VII. [Nachwuchsfrage].
[. . .]
III. Die eben erörterten Gesichtspunkte werden auch für die Ereignisse eine Rolle spielen, die gegen Ende d. J. unsere Kirchenprovinz in besonderer Weise angehen, für die 450-Jahrfeier der Reformation3. Mit Ausnahme der Wartburg, die im Laufe dieses Frühjahrs und Sommers ihre besonderen Feiern haben wird, liegen ja fast alle bedeutsamen Stätten der Reformation im Gebiet unserer Provinzialkirche, vor allem Wittenberg, aber auch Eisleben und Mansfeld, Erfurt und Torgau, Magdeburg und Halle. So werden also die Kirchenprovinz Sachsen und die Lutherische Kirche Sachsens, in deren Bereich Leipzig liegt, die gastgebenden Kirchen und die beiden Bischöfe dieser Kirche die Einladenden sein. Es ist uns für die Genehmigung der Einladungen, die in die ganzen Oekumene hinausgegangen sind und gerade auch bei den lutherischen Kirchen in Amerika und in Skandinavien bereits ein starkes, positives Echo gefunden haben, eine großzügige Handhabung zugesagt worden. Nur eben die Vertreter der beide deutsche Staaten übergreifenden Kirchen, die der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Evangelischen Kirche der Union und der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands („VELKD“) haben keine Aussicht, bei der Genehmigung 3 Das es sich bei den Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum im Jahre 1967 um eine von staatlicher Seite hochgepuschte Feier gehandelt hat, verdeutlichen folgende Veröffentlichungen: GEDENKSTÄTTEN DES GANZEN VOLKES; G. GÖTTING (Hg.), Reformation und Revolution; G. BRENDLER, Warum feiert die Deutsche Demokratische Republik 450 Jahre Reformation?; DERS., 450 Jahre Reformation; DERS., Weltwirkung der Reformation. Vgl. BIBLIOGRAPHIE DER MARXISTISCHEN LUTHER-LITERATUR, S. 162–172; H. TREBS, Martin Luther heute; M. STEINMETZ/I. LUDOLPHY, Der literarische Ertrag des Reformationsjubiläums. Der wissenschaftliche Ertrag der Reformationsfeiern in Wittenberg wurde publiziert unter dem Titel: REFORMATION 1517–1967. Als Vorbereitungsband erschien: ERBE UND VERPFLICHTUNG.
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berücksichtigt zu werden4. Wir bedauern das, daß hier gegenüber realen Kirchengebilden, die ihre eigene Verfassung und ihr eigenständiges Leben haben, die Methode angewandt wird, die wir ja in der umgekehrten Richtung aus der Politik kennen, nämlich daß sie als nicht existent behandelt werden (von schlimmeren, diffamierenden Äußerungen zu schweigen!). Aber zurück zu den Reformationsfeiern! Schon vor etwa einem Jahr hat die Kirche mit den Vorbereitungen begonnen. Es wurde aus Vertretern von Gliedkirchen, von theologischen Fakultäten und anderen Fachleuten ein Ausschuß gebildet, der mit den vorbereitenden Arbeiten beauftragt war. Eine Reihe von Unterausschüssen sind inzwischen an der Arbeit: Gästeausschuß, theologischer Ausschuß für die an die Feiern sich anschließende Studientagung, Ausschuß für die örtlichen Feiern, Ausschuß für literarische Arbeitshilfen, Ausschuß für Kirchenmusik, Jugendausschuß, Finanzausschuß u. a. m. Ein eigenes Organisationsbüro in Berlin hat die ungeheure Arbeit der organisatorischen Vorbereitungen zu bewältigen. Inzwischen wurden auch örtliche Organisationsbüros in Wittenberg und Erfurt eingerichtet. Soweit das Äußere. Wichtiger als diese sehr notwendigen und sehr viel Kraft beanspruchenden äußeren Vorbereitungsarbeiten ist die geistliche Zurüstung und Ausrichtung. Ich will jetzt darauf verzichten, das Programm im einzelnen bekannt zu geben, Sinn und Ziel der geplanten Feiern kann allein sein, daß die reformatorische Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders, daß das „solus Christus“ – „Christus allein“ – auf mancherlei Weise, in Wort und Ton, in Bild und Schrift, unter uns deutlich vernehmbar und unvermischt durch falsche Töne unter uns laut werde. Jede Zeit hat ja ihr Lutherbild gehabt und Martin Luther zum Leitbild für ihre Ideale zu machen versucht. So denken die Älteren unter uns gewiß mit Grausen an die Zeit, in der man Luther als den deutschen Volksheros pries und ihn zur heldischen Denkmalsfigur verkitschte. Seit der 400-Jahrfeier der Reformation, die noch in den Ersten Weltkrieg fiel, ist ja nun in Theologie und Kirche einiges geschehen, was uns lehrte, von Luthers Reformation anders zu sprechen als in der Zeit, in der man zwischen die Begriffe „deutsch“ und „evangelisch“ die Bindestriche setzte. Ich denke an die vor allem durch Karl Barth geschenkte Wendung in der Theologie, die uns die Reformation und ihre Botschaft neu und besser verstehen lehrte, ich denke auch an den Kirchenkampf zur Zeit des Nationalsozialismus, der uns die Verbindung von „deutsch“ und „christlich“ radikal als einen diabolischen 4 Im MfS wurde eine zentrale Liste über die „Verhinderung der Einreise kirchlicher Persönlichkeiten in die Hauptstadt der DDR“ geführt (10.6.1966, Neufassung 20.4.1967). Auf deren Basis waren die Grenzorgane angewiesen, auch Tageseinreisen nach Berlin-Ost zu verhindern. Archiv BStU, HA XX/4, Nr. 3543.
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Irrweg der Kirche offenbar machte. Es kann uns seitdem bei den Lutherfeiern auch nicht mehr um das gehen, was man früher eine religiöse Würdigung einer großen Persönlichkeit der Kirche nannte. „Wir sind Bettler, das ist wahr“, lauten die letzten von Luthers Hand geschriebenen Worte. Luther ist kein „Klassiker der Religion“, denn das Evangelium ist keine Religion, kein Versuch der Menschen, der Gottheit gewiß und der göttlichen Kräfte teilhaftig zu werden, sondern es ist die Botschaft von dem verborgenen Gott, der in Seiner Barmherzigkeit aus Seiner Verborgenheit heraus nach dem verlorenen Menschen greift, die Botschaft von dem Einen, ohne den wir mitten in der Blüte nationaler Kultur und religiöser Anmaßung dem Verderben preisgegeben sind. Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesus Christ! – Und auch davon, wie uns dies Evangelium frei macht zu echter Weltlichkeit, zum Dienst am Bruder und an der Welt, davon wird Zeugnis gegeben werden müssen, wenn wir heute Reformation feiern. Es hat sich nun im vergangenen Jahr auch ein staatliches Komitee für die Lutherfeiern 1967 konstituiert, das unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrates, Gerald Götting, steht und seinerseits staatliche Feiern für Wittenberg im Oktober d. J. vorbereitet5. Diese staatliche Feiern werden ihren eigenen Inhalt und Stil haben, vom Festakt mit einem Vortrag von Gerald Götting über einen historischen Festumzug bis hin zum Feuerwerk als Abschluß des 31. Oktober 1967. In dieses – sehr große und repräsentative – Komitee sind auch einige kirchliche Vertreter6 berufen worden. Denn Kooperation ist notwendig, von der Frage des zeitlichen Ablaufs bis hin zu den vielen technischen Fragen der Verkehrsmittel, der Unterbringung und Verpflegung der Gäste usw. Wie sollen diese Aufgaben anders bewältigt werden als in einem loyalen Zusammenwirken zwischen Staat und Kirche! Mit Dank möchte ich es aussprechen, daß unser kirchliches Organisationsbüro mit allen diesen Anliegen in einer guten Zusammenarbeit mit dem entsprechenden staatlichen Büro steht. Der Vorsitzende des Staatlichen Komitees, Herr Götting, und ich als einer der Vorsitzenden des kirchlichen Vorbereitungsausschusses haben 5 Vgl. unten Anm. 6. 6 Das ZK-Sekretariat beschloß am 10.11.1965, ein Komitee zur Gestaltung der staatlichen Reformationsfeiern zu berufen. Diesem sollten Vertreter aus Staat, Kirchen und SED angehören. Als Aufgaben des Komitees wurde formuliert: „Koordinierung aller staatlichen und kirchlichen Maßnahmen“ und „zentrale Kontrolle der Durchführung“. Am 15.3.1966 bestätigte das Politbüro diesen Vorschlag im Wesentlichen. Das Komitee konstituierte sich am 8.6.1966. Zuvor waren eine „Zentrale Kommission zur Leitung der drei Jubiläen“ (9.5.) und ein „Organisationskomitee“ (3.6.) gegründet worden. Das Koordinierungskomitee diente offensichtlich vornehmlich der Außenwirkung. Die anderen Gremien erledigten die eigentliche Arbeit. Vgl. M. ROY, Luther in der DDR, S. 149, 311–316 (Dokument 1: Entwurf einer politisch-ideologischen Konzeption zur Vorbereitung und Durchführung des 450. Jahrestages der Reformation).
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bei der Oktober-Sitzung des Komitees in Wittenberg nachdrücklich betont, daß inhaltlich weder die Kirche die staatlichen Veranstaltungen mit verantworte, noch der Staat die kirchlichen7. Ich habe diese Sätze auch vor dem Fernsehschirm in der „Aktuellen Kamera“ ausdrücklich noch einmal wiederholt, und sie sind auch mehrfach in der Presse erschienen. Dennoch entsteht in der Öffentlichkeit immer wieder der Eindruck, als ob sich Staat und Kirche auf dem Boden eines Humanismus, wie man ihn heute versteht, bei den Reformationsfeiern 1967 zusammenfänden. In der westlichen Presse war im vorigen Sommer sogar einmal davon die Rede, daß die marxistischen Feiern der Reformation durch meine Beteiligung „den kirchlichen Segen“ erhalten hätten! Nun, das ist inzwischen richtiggestellt worden. Trotzdem erschien neulich wieder im „Rheinischen Merkur“ eine ganz irreführende Berichterstattung über unsere geplante Feiern. Es war da z. B. gesagt, man habe der Kirche lediglich zwei repräsentative Gottesdienste (in der Schloßkirche und in der Stadtkirche) konzediert! Tatsächlich ist ein langes kirchliches Programm in Aussicht genommen, mit 2 Vorträgen aus den lutherischen Kirchen der nordischen Länder – Professor D. Skydsgaard wird sprechen über „Reformation als ökumenisches Ereignis“, Professor D. Wingren über „Reformation und Weltlichkeit“ –, mit einem Gemeindevortrag von Professor D. Heinz Wagner, mit Gottesdiensten, Grußstunden der Gäste, einer festlichen Musik am 31. Oktober in der Stadtkirche, bei der außer dem Magnificat von Bach eine Originalkomposition des 118. Psalms von Landeskirchenmusikdirektor Peter zu Gehör gebracht wird. Der Sonntag vorher, der 29. Oktober, wird von der jungen Gemeinde als ökumenischer Jugendsonntag gestaltet. Nimmt man dazu die vielen schon erwähnten örtlichen Feiern, so wird man nicht sagen können, daß die Stimme der evangelischen Kirche nicht vernehmbar bei diesen Feiern erschallen könnte. Nein, nicht das braucht unsere Sorge zu sein. Wohl aber darum kann und muß man sich sorgen, daß wir, vor allem bei den zentralen Feiern
7 Vgl. oben Anm. 6. Bischof Jänicke wandte sich vor allem gegen die offizielle Einordnung der Reformation als größte revolutionäre Bewegung in Deutschland vor der Novemberrevolution und trat schließlich aus dem Lutherkomitee aus. Anlass für seinen Austritt war die Tatsache, dass seine Mitgliedschaft im Westen öffentlich bekannt gemacht worden war. Jänicke hatte zuvor deutlich gemacht, dass er sich mit einem Konzept, dass Luther in eine Linie mit der Novemberrevolution stelle, nicht einverstanden erklären könne. Götting erklärte ihm daraufhin, dass das Vorbereitungskomitee lediglich der organisatorischen Koordination diene. Jänicke wiederum erklärte, er sei dem Komitee beigetreten, um einen „synkretistischen Mißbrauch“ Luthers zu verhindern. Beide Seiten machten diesen Eklat nicht öffentlich und Jänicke nahm wie geplant am staatlichen Festakt teil. Die Kirche hatte sich die öffentliche Bekanntmachung dieses Schrittes als Druckmittel vorbehalten. Vgl. J. JÄNICKE, Ich konnte dabeisein, S. 226 f.; M. ROY, Luther in der DDR, S. 149–176, hier: S. 166 f.
Bischof D. Johannes Jänicke, 11. März 1967
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in Wittenberg, ja nicht uns selber mehr zur Geltung bringen als den Herrn Christus und die Stimme des guten Hirten. Aber wir sollten ja aus dem Neuen Testament wohl wissen, wo unsere Sorgen hingehören! Es wird sehr darauf ankommen, ob recht viele in der evangelischen Christenheit das wissen, und bei aller mühseligen Arbeit der Vorbereitungen wird das Gebet doch wohl die Mitte allen vorbereitenden Dienstes sein dürfen. So lassen Sie mich am Schluß dieses Teils einfach ein paar Gebetsanliegen um dieses Vorhaben aussprechen, die wir in den nächsten Monaten auf unser Herz nehmen wollen: Daß es nicht eine kirchliche Repräsentanten-Versammlung werde, sondern einer großen Gemeinde zu einem starken Zeugnis vom lebendigen Herrn werde, der unsere Gerechtigkeit ist; daß dieses Zeugnis auch unseren katholischen Brüdern einen Dienst tun möge; daß es nicht die Zertrennung, sondern die Gemeinschaft unter uns stärke und mehre; daß in die gute Botschaft, die Völker und Rassen und gesellschaftliche Systeme überbrückt und verbindet, keine Mißtöne des kalten Krieges von irgend einer Seite hineinklingen mögen; also daß es denn auch in diesen Veranstaltungen und durch sie wirklicher und glaubwürdiger werde in den christlichen Kirchen und unter den Völkern der Erde: Uns, Herr, wirst du Frieden schaffen.
[. . .] V. Es hat kaum eine Synode unserer Kirchenprovinz gegeben, auf der nicht der Friedensdienst der Christen in besonderer Weise angesprochen worden wäre. Gerade auch im Berichtsjahr ist in der Kirchenprovinz Sachsen dieser Dienst im Blick der Kirchenkreise und Gemeinden gewesen. Das von der Kirchenleitung für die Kreissynoden vorgeschlagene und von einer Reihe von Synoden behandelte Thema lautete: „Versöhnung als Gabe und Auftrag der Gemeinde“, das Thema der Haupttagung der Ev. Frauenhilfe: „Versöhnung und Friede um Christi willen“. So ist ja wohl zu hoffen, daß etwas davon deutlich geworden ist: Der Dienst des Friedens ist für uns Dienst der Versöhnung. (Es ist zu bedauern, daß die Übersetzung Martin Luthers in 2. Kor 5,18 auch im revidierten Neuen Testament unverändert geblieben ist, nämlich: „Amt, das die Versöhnung predigt“, – wörtlich übersetzt müßte es aber heißen: „Dienst der Versöhnung“.) Es geht also um mehr als darum, daß die Menschen nicht die Waffen gegeneinander erheben. Das gibt es auch durch Abschreckung oder aus Angst. Vielleicht wird es in diesem Äon niemals ganz ohne Abschreckung und Angst gehen, – aber ein Garant des Friedens ist das nicht! Die
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Berichte und Beschlüsse
Menschheit, die heute die Atomkräfte in der Hand hat, welche Segen oder Fluch, Leben oder Tod für sie bedeuten können, ruft heute schon sehr vernehmlich nach anderen Kräften, nämlich nach solchen, die die Herzen lenken können zu einem Frieden mit einem besseren Fundament als dem der Abschreckung und Angst! Das ist auf unseren Synoden auch oft sehr deutlich ausgesprochen worden. Aber weil die Kirche – ob mit Recht oder Unrecht, sei jetzt dahingestellt – immer wieder im Verdacht steht, daß sie in Verkennung der harten Tatsachen an Gefühle appelliere, sei hier einem unverdächtigen Zeugen das Wort gegeben, dem Kieler Wissenschaftler und namhaften Vertreter der SPD, Professor Fritz Baade. Das 12. und letzte Kapitel seines hochinteressanten und von großer Sachkenntnis getragenen Buches: „Der Wettlauf zum Jahre 2000“, das auch bei uns erschienen ist, trägt den Titel: „Die große Zeit des Christentums“. Ich zitiere aus den letzten Sätzen dieses Schlußkapitels: „Das Wort: ‚Liebet eure Feinde!‘ ist allzu lange nur als ein Sonntagswort empfunden worden, ohne praktische Bedeutung für den Alltag. Heute wird es ein Wort der Realpolitik, und wem dieses Wort zu streng und zu fordernd zu sein scheint, der soll sich mindestens mit dem Ersatzwort neuerer Literatur vertraut machen: ‚Feinde sind auch Menschen‘. Die Hoffnung der Menschen darauf, daß ihre Kinder das Jahr 2000 erleben werden, wird erheblich erhöht werden, wenn wir hoffen dürfen, daß die entscheidenden Politiker in der Welt, in der östlichen wie der westlichen, mindestens diese bescheidenere Wahrheit einsehen. – Aber das Schönste, was in der Bergpredigt zu den Problemen gesagt worden ist, die vor den heut lebenden Menschen und vor der nächsten Generation stehen, ist das Wort aus den Seligpreisungen: ‚Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen‘ [. . .] Wenn das alles schon gehofft werden kann: eine Erde, die noch besteht, ein Erdreich, auf dem zu wohnen es sich lohnt, und eine Weltregierung, die dieses Erdreich besitzt in dem Sinn, daß sie es verwaltet, so ist eines klar: Nur die Sanftmütigen werden dieses Erdreich besitzen.“8
Das ist eine nüchterne und sachkundige Weltbetrachtung. Zur Wissenschaft von einer friedlichen Weiterentwicklung der Welt und einem versöhnten Zusammenleben der Menschheit gehört nicht weniger, sondern mehr Sachkunde als zur Kriegswissenschaft. Deswegen habe ich mich in meinem Rechenschaftsbericht, den ich als stellvertretender Ratsvorsitzender zu geben hatte, nachdrücklich dafür eingesetzt, daß in Berlin eine Forschungsstelle für Friedensfragen eingerichtet wird. Der Rat der EKU hat die Durchführung dieses Vorschlags, dem die Synode der EKU beschlußmäßig zugestimmt hat, in die Hand genommen, und die Sache ist auf dem Wege9. 8 F. BAADE, Wettlauf zum Jahre 2000, S. 296 f. 9 Die Idee der Gründung eines Forschungsinstituts taucht zum ersten Mal im „Memorandum zur Gründung eines christlichen Friedensinstitutes“ vom Oktober 1965 auf,
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Wir können nun heute vom Friedensdienst der Kirche nicht sprechen, ohne daran zu denken, daß täglich in Vietnam Bomben fallen10 und die Vernichtung um sich greift. Es ist jetzt ein Jahr her, seit diese Synode mit der Stellungnahme des Exekutiv-Ausschusses des Ökumenischen Rates bekannt gemacht wurde, die dann auf Beschluß unserer Synode an alle Kirchenkreise zur Orientierung und Besprechung geleitet wurde. Was ist denn seitdem geschehen? Die Fronten sind verhärtet, die Aussicht auf Verständigung ist geringer, die Gefahr einer Ausweitung des Konfliktes ist größer geworden. Was haben Christen, die sich unter dem Friedensprogramm Gottes wissen, da zu tun? Auf keinen Fall zu schweigen und zu sagen oder auch nur zu denken: Was geht mich das schon an? Ich habe andere Sorgen! Deswegen sei der Synode die Sechs=Punkte=Erklärung des Exekutiv-Ausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen vom Februar 196711 im Wortlaut zur Kenntnis gebracht: „Der Exekutivausschuß des Oekumenischen Rates der Kirchen hat bei seiner Tagung vom 13. bis 16. Februar 1967 in Windsor, England, mit Bedauern festgestellt, daß die Vereinigten Staaten es nach kurzer Unterbrechung für notwendig erachten, die Bombardierung Nordvietnams wieder aufzunehmen. Wir teilen die Enttäuschung und Besorgnis vieler Menschen überall in der Welt darüber, daß es den streitenden Parteien noch nicht gelungen ist, von der welches der Pfarrer Christfried Berger und der Ingenieur Paul Plumo auf Initiative des Bruderkreises Prenzlauer Bausoldaten formulierten und an die Kirchenleitungen verschickten. Dieses Memorandum enthielt detaillierte Vorschläge zur Funktion, Struktur und Arbeitsweise des Instituts. Berger sammelte nach seiner Entlassung als Bausoldat unter intensiver Beobachtung durch das MfS in seinem Berlin-Schmöckwitzer Pfarrhaus umfangreiches Material zur Friedensforschung, das er durch Korrespondenz mit polnischen, westdeutschen, niederländischen und skandinavischen Friedensinstituten verschaffte und in die inhaltliche Arbeit der Bausoldatenkreise und der Kirche einbrachte. Förderer fand Christfried Berger in Bischof Johannes Jänicke und Christoph Hinz. Zur Einrichtung eines Friedensinstituts kam es nicht, aber mit der Gründung des BEK im September 1969 wurde ein Facharbeitskreis Friedensfragen eingerichtet und 1971 die Arbeitsstelle für Friedensfragen mit Joachim Garstecki, die später von größerer Bedeutung für die Friedensbewegung wurde. Vgl. M. ONNASCH, Zeittafel; E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 198 f., 269 f.; MBL BEK 1/1971, S. 25 u. 1/1972, S. 4. 10 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Jänicke auf der 4. Tagung der V. Synode am 26.3.1966, Punkt IV, 3 (Dokument 22, S. 214 f.). 11 Vgl. auch die Erklärung des Zentralausschusses des ÖRK vom Februar 1966, die im engen Zusammenhang mit der Sechs-Punkte-Erklärung des Exekutivausschusses des ÖRK vom Februar 1967 in Windsor steht: In beiden Erklärungen werden die kämpfenden Parteien an den Verhandlungstisch gerufen. Erstere wurde als Anlage der Entschließung der in Berlin-Spandau versammelten Mitglieder der Synode der EKD vom 18.3.1966 beigefügt. In: KUNDGEBUNGEN EKD 2, S. 231–234. Vgl. oben Dokument 22, Anm. 5, S. 214. Auch die Entschließung der zur 1. Tagung der 4. Synode der EKD in Fürstenwalde (Spree) versammelten Synodalen zum Friedens- und Versöhnungsdienst der Kirchen vom 7.4.1967 nimmt in ihrem 1. Punkt Bezug auf die beiden Vietnam-Erklärungen des ÖRK. In: EBD., S. 259 f.; ABL. EKD 1967, S. 199 f.
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Waffenruhe während der Weihnachts- und Neujahrszeit zu sinnvollen Verhandlungen zu gelangen. Wir glauben dennoch, daß gemäßigte Hoffnung am Platze ist. Unser Anliegen ist die Schaffung von Voraussetzungen für eine volle und friedliche Selbstbestimmung des vietnamesischen Volkes und – zur Erreichung dieses Zieles – der schnellstmögliche Rückzug aller ausländischen Truppen. Aber die Aufgabe, die sich gegenwärtig der ganzen Menschheit stellt, ist es, einen Anfang auf dem Weg zum Frieden zu finden, und dies ist die Frage, der wir uns zuwenden. Der Frieden kann nicht von einer Seite allein hergestellt werden. Wir bitten daher alle Teilnehmer dringend, aus welchen Gründen auch immer sie heute noch kämpfen mögen, im Interesse größerer Gerechtigkeit unverzüglich den Wert von Verhandlungen statt den der Kriegsführung zu prüfen. Dies denn ist unser Appell. Möge jede Partei durch ihre eigene Initiative und durch ihre Erwiderung auf Initiative anderer demonstrieren, daß sie einer friedlichen Lösung verpflichtet und bereit ist, vernünftige Risiken einzugehen. Um aufzuzeigen, wie Verantwortung zur Überwindung der gegenwärtigen Sackgasse zur Geltung gebracht werden könnte, möchten wir folgende eng miteinander verbundene Punkte vortragen: 1. Auf der Suche nach einer Verhandlungsmöglichkeit sollten die Vereinigten Staaten die Bombardierung Nordvietnams einstellen. 2. Nordvietnam sollte entweder im voraus oder als Entgegnung auf die Einstellung der Bombardierung durch Wort und Tat seine Verhandlungsbereitschaft kundtun. 3. Südvietnam sollte sich Verhandlungen nicht widersetzen, sondern ebenfalls den Verhandlungsweg einschlagen und auch der Einbeziehung der Nationalen Befreiungsfront (Vietcong) zustimmen. 4. Da die 14 Nationen, die an der Genfer Konferenz teilnahmen, d. h. auch die Chinesische Volksrepublik, noch immer ein Interesse an der Frage haben, sollten die UdSSR und das Vereinigte Königreich als Vorsitzende der Konferenz ihre gegenwärtigen Bemühungen fortsetzen und intensivieren, und sollten die Mitglieder der Internationalen Kontrollkommission – Indien, Kanada und Polen – zur Überwachung eines Waffenstillstandes bereit sein. 5. Jede Regierung, auch wenn sie nicht direkt beteiligt ist, sollte die Öffentlichkeit für die Einstellung des Konfliktes zu gewinnen suchen. 6. Alle unmittelbar beteiligten Parteien sollten die Empfehlungen des Generalsekretärs der Vereinigten Nationen voll berücksichtigen. Mögen auch nicht alle dieser Bedingungen erfüllt werden, so sind wir doch überzeugt davon, daß ein entsprechendes Vorgehen genügend vieler Regierungen einen entscheidenden Wendepunkt herbeiführen kann. Die Verantwortung für politische Entscheidungen ist eine schwere Verantwortung, und wir Christen beten für diejenigen, die sie tragen. Die Kirchen lassen sich durch die Tatsache ermutigen, daß in zunehmenden Maße ein gemeinsames Bewußtsein christlicher Verantwortung entstanden ist, und sie sind bereit, mit allen Menschen guten Willens zusammenzuarbeiten, um die sich bietenden Chancen zu nutzen und
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einer friedlichen Lösung sowie einem längst überfälligen Wiederaufbau den Weg zu ebnen.“
Auch diese Erklärung sollte, wie die vor einem Jahr, den Kirchenkreisen und Gemeinden zur Unterrichtung zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus aber noch 2 Anregungen: Wir beten in jedem Gottesdienst – hoffentlich! – für den Frieden unter den Völkern der Erde. Es scheint mir nun der Bedeutung des folgenschweren Krieges in Vietnam nicht zu genügen, wenn wir dann mit den 3 hinzugefügten Worten „besonders in Vietnam“ eben auch dies in die Fürbitte mit einbeziehen. Sollte nicht in der einen oder anderen Gemeinde unserer Kirchenprovinz einmal ein besonderer Fürbitt-Gottesdienst für Vietnam gehalten werden? Dabei würde es sich empfehlen, nach der kurzen Predigt vor dem Fürbittgebet eine sachliche Information zu geben. Das ist nicht ganz leicht, wie wir alle wissen, aber deswegen dürfte es nicht unterbleiben. Es könnte an dieser Stelle wohl auch einfach die eben verlesene Sechs=Punkte=Erklärung ihren Platz haben. Schließlich noch ein Gedanke, der durch einen Beschluß der Berlin-Brandenburger Synode nahe gelegt wurde: Wie man dort beschlossen hat, durch Aufnahme von Kindern aus Vietnam die Wunden des schrecklichen Krieges ein wenig heilen zu helfen, so sollten wir auch an unserm Teil etwas Phantasie der Liebe entwickeln, wie wir an solchem Samariterdienst uns beteiligen könnten, sei es in der gleichen Weise wie Berlin-Brandenburg, sei es durch eine besondere Spende, über deren Verwendung und Realisierung wir uns mit dem Diakonischen Amt beraten müßten, sei es auf irgend eine andere Weise, die einer erfinderischen Liebe einfallen könnte. Nur daß wir hier nicht nichts tun dürfen! Dabei werden wir uns bewußt sein müssen, daß wichtiger als die karitative Hilfe ist, die Quellen der Menschheitsnöte zu erkennen und zum Versiegen zu bringen! Zwei unserer Brüder, Professor Dr. Erich Hoffmann und Dr. Erwin Hinz, haben im vergangenen Sommer an der Konferenz in Genf12 teilgenommen, die sich mit der Stellung der Christen in den technischen und sozialen Revolutionen der Gegenwart beschäftigte. Wir haben mit großem Dank ihre Berichte in Konventen und Gemeindekreisen empfangen. Uns ist dabei deutlich geworden, daß die Probleme, die uns täglich begegnen, also die Deutschlandfrage oder die Spannungen zwischen dem Osten und Westen, zurücktreten hinter dem unheimlichen Riß, der zwischen den reichen Ländern und den unterentwickelten Völkern der Erde klafft. Die Fragen, die hier aufbrechen, dürfen bei uns nicht zur Ruhe 12 Weltkonferenz des ÖRK für Kirche und Gesellschaft (1966). Vgl. APPELL AN DIE KIRCHEN DER WELT.
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kommen, wenn es nicht doch einmal zum gewaltsamen Aufstand dieser an Bevölkerungszahl schnell zunehmenden Länder, vor allem der südlichen Halbkugel der Erde, gegen die alten, reichen Kulturvölker kommen soll. Das wäre dann freilich eine revolutionäre Katastrophe, der gegenüber alle bisherigen Revolutionen nur als ein Vorspiel anzusehen wären! Wir hoffen, daß die Weltkirchenkonferenz von Uppsala 1968 den notwendigen Beitrag dazu geben wird, daß die Christenheit ihre geschichtliche Aufgabe ja nicht ebenso versäume, wie sie sie angesichts des aufkommenden Massenproletariats im 19. Jahrhundert weithin versäumt hat! Diesen sozialethischen Menschheitsfragen ist mit karitativer Nächstenliebe allein ebensowenig beizukommen wie mit den alten, bewährten Leitbildern einer christlichen Individualethik. Das gilt es heute in der Christenheit zu erkennen, aber darüber darf das persönliche Lebenszeugnis des Christen nicht als unwesentlich beiseite geschoben werden. Diese Gefahr besteht ohne Frage, daß wir über dem Denken und Reden in gesellschaftlichen Strukturen den einzelnen Menschen und sein Lebenszeugnis nicht mehr recht im Blick haben. Auf das Thema dieses Teils des Berichtes, das Friedenszeugnis der Christen, angewandt, heißt das: Über dem Bemühen um eine rechte Friedensordnung auf Erden darf das Friedenszeugnis des Einzelnen in seinem kleinen Bereich nicht vergessen oder gering geachtet werden. Und umgekehrt! Ganz praktisch gesprochen: Wir wissen, daß das große Menschheitsproblem „Krieg und Frieden“ nicht dadurch gelöst wird, daß einige aus Gewissensgründen sich nicht die Mordwaffen in die Hand drücken und zur Vernichtung von Menschenleben ausbilden lassen. Dennoch ist für die Lösung der Frage nach dem Frieden wichtig, daß es auch dies Zeugnis gibt. Denn die ein solches Zeugnis ablegen, wissen sich als Herolde und Verboten einer Zeit, in der nicht mehr sich Völker widereinander bewaffnen, und sei es aus Angst (es geschieht heute ja meist aus Angst, nicht aus Eroberungsgelüsten!). Zeichen der Hoffnung sind sie auf eine Zeit, in der die Angst vor der kriegerischen Vernichtung als ein böser Traum hinter der Menschheit liegen wird. Wir sind der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik dafür dankbar, daß sie in den Baueinheiten mit ihrem waffenlosen Dienst13 diesem Zeichen und Zeugnis Raum gegeben hat. Freilich wäre die Freude darüber ungetrübter und der Dienst dieser jungen Friedenszeugen konfliktloser, wenn es ein wirklich ziviler Ersatzdienst wäre, nicht ein Dienst an militärischen Objekten, wie er tatsächlich oft gefordert wird, und nicht ein Dienst, der ausdrücklich als „Wehrdienst“ deklariert wird. Es gäbe 13 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Jänicke auf der 3. Tagung der V. Synode am 13.3.1965, Punkt VII (Dokument 21a, S. 201 ff.).
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dann gewiß auch kaum noch radikale Verweigerer (vielleicht nur noch unter den „Zeugen Jehovas“), wenn der Ersatzdienst z. B. im Gesundheitswesen oder als Katastropheneinsatz oder nach Art der „Aktion Sühnezeichen“ abgeleistet werden könnte. Dies hat im vergangenen Jahr dadurch eine besondere Zuspitzung erfahren, daß man den den Waffendienst aus Gewissensgründen ablehnenden jungen Menschen, die eindeutig eine Erklärung für den Dienst in den Baueinheiten abgegeben haben, auf den Schulen und Hochschulen, an den Universitäten und Fachschulen, nun doch eine vormilitärische Ausbildung mit der Waffe abverlangt. Verweigerer dieser Ausbildung, die sich dabei ausdrücklich auf die vom Vorsitzenden des Staatsrates unterzeichnete Anordnung der DDR über die Baueinheiten14 beriefen, hat man in einer Reihe von Fällen von der Hochschulen relegiert und exmatrikuliert. Man hat ihnen erklärt: Wer in unserem Staat eine führende Stellung einnehmen wolle, müsse das Offizierspatent erwerben und dürfe also den Dienst mit der Waffe nicht ablehnen. Damit ist das, was man zunächst einräumte, doch wieder zu einem Teil zunichte gemacht. Damit werden die, die der Anordnung der DDR entsprechend von der Möglichkeit eines waffenlosen Dienstes Gebrauch machen, dann doch disqualifiziert und zu Bürgern minderen Rechts gemacht. Und damit wird der grundsätzlich in unserer Verfassung ausgesprochenen Glaubens- und Gewissensfreiheit nun doch zuwider entschieden und gehandelt. Die Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR hat mich beauftragt, diese Beschwernisse an höchster Stelle, dem Nationalen Verteidigungsrat15, vorzutragen und ein klärendes Gespräch hierüber zu führen. Ich habe dies Gespräch in einem Schreiben vom 22. Dezember 1966 erbeten. Bei Gelegenheit eines solchen Gespräches wollte ich auch eine Klärung darüber herbeiführen, ob und wie jungen Christen, die im militärischen 14 Vgl. oben Dokument 21a, Anm. 2, S. 202. 15 Der Nationale Verteidigungsrat (NVR) wurde 1960 geschaffen und führte zum einen zu einer weiteren Zentralisierung des Staatsaufbaus der DDR, und zum anderen zur weiteren Machtkonzentration in den Händen des Generalsekretärs der SED. Der NVR war im Notstandsfall oberstes Entscheidungsgremium der DDR und mit allen legislativen und exekutiven Befugnissen ausgestattet. Zu den Mitgliedern – die vor der Öffentlichkeit geheimgehalten wurden – gehörten der Präsident der Volkskammer, der Vorsitzende des Ministerrates und seine beiden ersten Stellvertreter, die Minister des Innern, für Nationale Verteidigung und für Staatssicherheit, die ZK-Sekretäre für Sicherheit, Wirtschaft, Landwirtschaft und Ideologie, die Chefs der politischen Hauptverwaltung und des Hauptstabes der NVA, der Abteilungsleiter für Sicherheitsfragen im ZK der SED sowie die 1. Sekretäre der SED-Bezirksleitungen von Magdeburg und Suhl. Der spektakulärste Einsatz des NVR bestand im August 1961 in der Abriegelung der Grenzen der DDR zur Bundesrepublik und um West-Berlin. Mit dem Rücktritt von Egon Krenz am 6.12.1989 wurde der NVR aufgelöst. Vgl. A. HERBST/W. RANKE/J. WINKLER, So funktionierte die DDR 2, S. 754–757.
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Dienst stehen, ihres Glaubens leben dürfen. Man hat in einzelnen Einheiten verboten, daß mehr als vier junge Christen zum Bibellesen und Gebet zusammenkommen. Eine diesbezügliche Anordnung ist nicht bekannt. Alle diese Fragen bedürfen dringend einer Klärung – um unserer jungen Christen willen. Wenn dies klärende Gespräch stattgefunden hätte, hätte ich der Synode das Ergebnis mitteilen können. Man hat mir aber bisher weder Gelegenheit zur Aussprache gegeben, noch hat man mir eine schriftliche Antwort erteilt. Ja, nicht einmal eine Empfangsbestätigung oder einen Zwischenbescheid habe ich erhalten, obwohl ich aus dem Schreiben eines Kommandeurs einer Einheit erfahren habe, daß der Inhalt meiner Eingabe bei der Führung der Nationalen Volksarmee bekannt ist. Es sei am Schluß dieses Berichtsteils noch einmal ausgesprochen: Am Dienst des Friedens und der Versöhnung wird es heute besonders sichtbar und eindeutig bezeugt, ob die Christenheit eine rückwärts schauende Macht der Beharrung ist, die sie leider in der Geschichte oft war, oder ob sie eine Schar sein will, die unterwegs ist zu dem Ziel, das Gott mit Seiner Welt vor hat, unterwegs zur heilen Welt Gottes. VI. Es ist eigentlich selbstverständlich, aber es ist gar nicht genügend bekannt, daß gerade die Fragen der öffentlichen Verantwortung in unserem Volk immer wieder angesprochen werden, wenn wir Gelegenheit haben, mit verantwortlichen Vertretern des Staates Gespräche zu führen. Wir können im allgemeinen sagen, daß wir da freimütig und offen sprechen können – und es auch tun! – und daß trotzdem das Gesprächsklima meist gut und freundlich bleibt. Wenn aber dann dies als Einziges in den Zeitungen erwähnt und darüber hinaus etwa nur noch berichtet wird, daß in allen grundsätzlichen Fragen der Erhaltung des Friedens völlige Einmütigkeit herrschte, dann ist das nicht nur eine unzureichende, sondern eine irreführende Berichterstattung. Natürlich ist es gut, wenn von der Tatsache solcher Gespräche an sich auch in der Öffentlichkeit Notiz genommen und dadurch zu Gesprächen auf allen Ebenen ermutigt wird, aber trotzdem haben wir immer wieder darum bitten müssen, daß von solchen – im übrigen doch recht nichtssagenden – Pressenotizen Abstand genommen wird, weil eine halbe Wahrheit immer Beirrung hervorruft. Daß wir den Frieden brauchen, um leben zu können, darüber sind wir uns bald einig. Aber daß nicht Friede werden kann, wo ein „abgrundtiefer Haß“ verkündigt und gefordert wird, müssen wir dann doch immer wieder sagen und sagen es auch. Denn das Neue Testament sagt es, vgl. 1. Joh 3, 14 f.! Wer das Neue Testament nicht hören will, weil er aus Unkenntnis
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da nur „fromme Sprüche“ vermutet, die für das Leben unbrauchbar sind, der mag es sich von dem lachenden Weisen sagen lassen: „Haß als minus und vergebens wird vom Leben abgeschrieben. Positiv im Buch des Lebens bleibt verzeichnet nur das Lieben.“
Haß ist ein schlechtes Erziehungsziel und muß bedenkliche und unkontrollierbare Folgen haben. Das Gleiche gilt von militärischem Spielzeug, das man schon wieder den Kindern gibt. Waffen können als ein notwendiges Übel gelten, aber damit spielt man nicht. Uns graut vor der Frucht, die aus solcher Aussaat reifen könnte. Daß wir über solche Fragen offen und freimütig mit den Vertretern des Staates sprechen, davon wird dann in der Öffentlichkeit keine Notiz genommen. Aber die Gemeinde soll es wissen. Die Gemeinde sollte in der rechten Weise von dem Inhalt solcher Gespräche unterrichtet werden, nämlich in der Weise, daß sie erfährt, wie wir die schwere Verantwortung für das Leben unseres Volkes, die auf den verantwortlichen Männern und Frauen unserer Regierung liegt, bejahen, indem wir sie mitzutragen uns bemühen, auch und gerade da positiv mitzutragen, wo wir als Christen unseren Widerspruch anmelden. Und gerade da, wo man so miteinander redet, geschieht bei grundsätzlicher Trennung von Kirche und Staat das, was man heute immer wieder unter der Überschrift „Normalisierung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche“ ausspricht. Ja, uns liegt nicht nur an einer „Normalisierung“, das ist uns noch zu wenig, uns liegt an dem Vertrauen zu unserer Deutschen Demokratischen Republik! Und deswegen sprechen wir auch die Dinge an, die ein solches Vertrauen mindern oder hindern könnten, also etwa die Frage der vielen verschwundenen Paketsendungen aus dem Westen an Bürger der DDR – wir sind da mitten in einem Gespräch, das zur Klärung helfen soll – oder die Frage nach der rechten Information durch Presse, Rundfunk und Fernsehen. Da sagen wir es denn ganz offen, daß die Bürger unseres Staates nach besserer Information verlangen, daß sie weniger Proklamationen und Akklamationen oder gar Deklamationen hören, lesen und sehen wollen als sachliche Information. Ein Thema, unter dem wir uns in letzter Zeit immer wieder in gemeinsamer Verantwortung und Sorge mit den Staatsvertretern zusammengefunden haben, ist die Erziehung unserer Jugend. Wir teilen die Sorge um die Heranbildung einer Jugend, die dem erhöhten Aufgaben der Gegenwart und Zukunft in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft gewachsen sein soll. Wir teilen die Verantwortung für ein qualifiziertes Wissen und Können auf diesen und vielen anderen Gebieten. Wir geben aber auch unserer Sorge Ausdruck, wenn an Stelle von Kenntnissen weltanschauliche Bekenntnisse im Sinne des Marxismus-Leninismus jungen Menschen ab-
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verlangt werden. Mit Dankbarkeit lassen wir uns sagen, daß das Übergriffe, Überspitzungen und Fehlentscheidungen einzelner Sektierer sind, wenn etwa im Unterricht über den christlichen Glauben wegwerfende Bemerkungen gemacht werden, wenn christliche Kinder, die nicht in der FDJ sind oder sich nicht an der Jugendweihe beteiligen, trotz ausgezeichneter Schulleistungen hinsichtlich der Zulassung zur erweiterten Oberschule zurückgesetzt werden. Oft können solche Fälle auch schon örtlich bereinigt werden, durch Richtigstellung der Lehrer vor der Klasse oder durch Zurücknahme von Entscheidungen, die offenbar den Grundsätzen des Staates nicht entsprechen. Wir konnten und können freilich auch nicht verschweigen, wenn durch solche oder ähnlich Fälle dann doch, trotz erfolgender Zurücknahme, in der Bevölkerung ein Klima entsteht, das die lautstark ausgesprochene Gemeinsamkeit von Christen und Marxisten zweifelhaft erscheinen läßt. Wir müssen auch, um ihrer Seelen willen, Kinder in Schutz nehmen, denen, weil sie an Gott glauben, die zweite Strophe des „Weberliedes“ von Heinrich Heine16 oder auch die zweite Strophe der „Internationale“17 nicht über die Lippen will. Gewiß, der Gott, dem die Weber fluchten, war ein Götze des Kapitalismus, nicht der Gott der Bibel, dessen Name oftmals mißbraucht wurde und wird, und das „höh’re Wesen“ der „Internationale“ ist ganz gewiß nicht der Vater Jesu Christi, zu dem wir beten und uns bekennen, aber wir bitten dringlich um Verständnis dafür, wenn Kinder diese Worte nicht in ihrem geistesgeschichtlichen Zusammenhang verstehen können, sondern einfach primitiv als Worte, die ihnen bedeutungsvoll und heilig sind. Ich weiß, 16 Heinrich Heine, Die schlesischen Weber, 2. Strophe: „Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten In Winterskälte und Hungersnöten; Wir haben vergebens gehofft und geharrt, Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt – Wir weben, wir weben!_“ In: HEINE. SÄMTLICHE SCHRIFTEN, S. 455. 17 Die Internationale (Eugène Pottier, 1871), 2. Strophe: „Es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun! Leeres Wort: Des Armen Rechte! Leeres Wort: Des Reichen Pflicht! Unmündig nennt man uns und Knechte! Duldet die Schmach nun länger nicht! |: Völker hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!__:|“. In: LEBEN – SINGEN – KÄMPFEN, S. 53.
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daß ihnen das nicht durch Pfarrer oder Katecheten aufoktroyiert worden ist! Wir bitten dringlich darum, daß man die grundsätzliche Freiwilligkeit der Jugendweihe18, einer der Konfirmation nachgestalteten sozialistischen Weihehandlung, nun auch immer und überall praktiziere. Gerade hier gab es in letzter Zeit in zunehmendem Maße Erfahrungen, die uns fragen ließen, ob denn das noch gelte. Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen, auch nicht einzelne Vorkommnisse summieren oder dramatisieren. Aber wir würden das, was wir hier auszurichten haben, schlecht verstehen und schlecht tun, wenn wir schweigen. Denn wir wollen doch in der Verantwortung um Staat und Volk eine Jugend heranwachsen sehen, die, ungebrochen in ihrem Gewissen, ihr Ja sagen kann zu ihrem Leben und Schaffen in der DDR. Wir wollen doch, daß die Gemeinsamkeit zwischen Christen und Marxisten redliche Wirklichkeit in unseren Alltag sei und nicht ein proklamierter Programmpunkt bleibe! Noch einmal: Es geht uns dabei nicht allein um die jungen Menschen – um die in erster Linie –, es geht uns dabei aber auch ernstlich um das Vertrauen zu unserer DDR und darum, daß das Klima unseres Lebens nicht durch Lüge und Heuchelei vergiftet werde. Dabei fällt die Aufgabe an den Kindern ja in erster Linie den Eltern zu. Zu einer bewußt christlichen Erziehung hat immer Mut gehört, in allen gesellschaftlichen Systemen! Aber der Einsatz lohnt. Es geht ja letztlich darum, daß junge Menschen es lernen, an die Verheißung der heilen Welt Gottes mitten in allem Heillosen und zu Heilenden zu glauben und für diese heile Welt Gottes etwas auszurichten. [. . .]
18 Die Staatsführung der DDR hat bis 1989 konsequent daran festgehalten, die Jugendweihe als einen freiwilligen Bekenntnisakt zu gestalten. Offiziell wurden die Jugendweihen nicht von den Schulen, sondern von regional gegliederten Ausschüssen veranstaltet.
BerichtderKirchenleitung,19.März1968 BerichteundBeschlüsse
24 a Bericht der Kirchenleitung auf der 1. Tagung der VI. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 19. März 1968 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 96, Dr. 9/68, S. 1–13, hier: S. 12 (hekt.).
Schwerpunkte: Gespräche zwischen staatlichen und kirchlichen Vertretern (Beendigung der Nutzung kirchlicher Heime im Sperrgebiet des Kreises Wernigerode; Bibelrüsten) Gliederung: I. [Personalangelegenheiten]. II. [Sachfragen]. III. [Kirchliche Ordnungen]. IV. Zusammenarbeit mit kirchlichen Gremien außerhalb unserer Kirchenprovinz. V. Verhandlungen zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates. VI. Sonstiges1.
[. . .] V. Verhandlungen zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates 1. Zwischen dem 1. Sekretär der Bezirksleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in Magdeburg einerseits und Mitgliedern der Kirchenleitung und des Konsistoriums andererseits hat im Juni 1967 wiederum ein offizielles Gespräch stattgefunden, bei dem beide Seiten bewegende Fragen besprochen wurden. 2. Durch Vertreter der Staatsorgane der Deutschen Demokratischen Republik wurde Vertretern der Kirchenleitung am 1.8. und am 25.9.19672 eine staatliche Entscheidung über die Beendigung der Nutzung kirchlicher Heime und anderer Einrichtungen, die im Sperrgebiet des Kreises Wernigerode liegen, unter Nennung der gesetzlichen Bestimmungen bekannt 1 Redaktionsschluss am 21.2. 2 Vgl. Vermerk von Propst Richter (2.8.1967) zur Besprechung beim RdB Magdeburg am 1.8.1967 betr. Schließung kirchlicher Erholungsheime, S. 1–6; Schreiben von Propst Richter vom 4.8.1967 an die KL in Magdeburg betr. verfügte Schließung kirchlicher Heime im Sperrgebiet. Zur Eröffnung des Staatssekretärs Seigewasser am 1.8.1967, S. 1 f. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3775.
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gegeben. Die staatliche Entscheidung wurde als endgültig gekennzeichnet. Es handelt sich dabei um die Erholungsheime Harzhaus in Elend, Haus Wedel in Schierke, Stift Ilsenburg und um die Tbc-Heilstätte in Sorge. Zur Durchführung dieser staatlichen Entscheidung wurde zwischen dem Rat des Bezirks Magdeburg und der Evang. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen ein Vertrag geschlossen, in dem der Rat des Bezirks die finanzielle Entschädigung und Unkosten und die evtl. notwendig werdende Fürsorge für die kirchlichen Angestellten übernimmt und gleichzeitig sich verpflichtet, im 1. Quartal 1968 ein Ersatzheim mit einer Kapazität von ca. 90 Plätzen auf der Grundlage eines langfristigen Nutzungsvertrags zur Verfügung zu stellen, dessen Nutzung durch die Evang. Kirche ab 15.4.1968 gewährleistet ist3. Die Eigentumsverhältnisse der bisher von der Kirche genutzten Objekte sowie der Schloßkirche in Ilsenburg sind unberührt geblieben. Zwischen der Evang. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und dem Rat des Kreises Wernigerode wurde für die Heime in Sorge und Elend ein Mietvertrag auf 20 Jahre abgeschlossen. Die Übergabe der Heime an die staatlichen Organe ist am 30.12.1967 erfolgt. Der Bischof hat an alle in diesen Heimen Beschäftigten ein Wort des Dankes gerichtet. 3. Zur Durchführung der Bibelrüsten der Evangelischen Kirchen in der DDR hat das Staatssekretariat für Kirchenfragen Richtlinien an die zuständigen staatlichen Organe gegeben, die sich vor allem auf Beschränkung der Bibelrüsten auf 7 Tage und die Beachtung der hygienischen Vorschriften beziehen. Darüber haben zwischen den zuständigen Räten der Kreise und den Superintendenten vielfache Besprechungen stattgefunden. Die Bibelrüsten wurden im Jahre 1967 in der von der Kirche vorgesehenen Weise durchgeführt. BeschlussderSynode,20.März1968 BerichteundBeschlüsse
24 b Beschluss der Synode4 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 96, Dr. 27/68 (hekt.) und Protokoll des 5. Verhandlungstages am 20.3.1968, S. 1–6, hier: S. 1 (masch.). 3 Vgl. unten Bericht der KL auf der 4. Tagung der VI. Synode vom 15.–19.11.1969, Punkt 5.2.2 (Dokument 27a, S. 256). 4 Die Synode verabschiedete diesen Beschluss in öffentlicher Sitzung ohne Enthaltungen. Der Verfassungsentwurf vom 31.1.1968 wurde auf Beschluß der Volkskammer der Bevölkerung der DDR zur Meinungsäußerung vorgelegt. Vgl. BERICHT WALTER ULBRICHT, S. 3, 52–80 (Entwurf).
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Berichte und Beschlüsse
Stellungnahme zum Verfassungsentwurf der DDR
Die Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen
Halle, den 20.3.1968
An die Kommission zur Ausarbeitung einer sozialistischen Verfassung der DDR 102 – Berlin Breitestraße 1 Unter Bezugnahme auf eine Reihe uns bekannt gewordener Eingaben ev. und kath. Christen und auf das Schreiben der sieben Bischöfe der Ev. Landeskirchen in der DDR vom 15.2.68 bittet die Synode der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen für die Abfassung des endgültigen Textes der neuen Verfassung um Berücksichtigung folgender Punkte: 1. Um eine Gesellschaft zu gestalten, in der „ein jeder seine menschliche Natur frei entwickeln, mit seinem Nächsten in einem menschlichen Verhältnis leben kann und vor keinen gewaltsamen Erschütterungen seiner Lebenslage sich zu fürchten braucht“5, muß die Verfassung die Rechtssicherheit, die Freiheit und die Würde aller ihrer Bürger so gewährleisten, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in den Vereinten Nationen 1948 als Leitziel formuliert worden sind. Bemerkenswerte Abänderungen erfuhr der Entwurf u. a. in Art. 19 (1). Entwurfstext: „Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich.“ Endgültige Textfassung: „Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten. Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich.“ (Art. 20 (1) der Verfassung vom 6.4.1968). Ebenfalls in Art. 23 (1). Entwurf: „Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, seine Meinung dem Geiste und den Zielen dieser Verfassung gemäß frei und öffentlich zu äußern. Dieses Recht wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.“ Endgültige Textfassung: „Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern. Dieses Recht wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.“ (Art. 27 (1) der Verfassung vom 6.4.1968). Art. 38 des Entwurfs wurde als Art. 39 in der endgültigen Fassung nahezu wörtlich übernommen, erhielt aber in Punkt (2) die Ergänzung „Näheres kann durch Vereinbarungen geregelt werden.“ Aus: ENTWURF, S. 60 f., 65; Verfassung vom 6.4.1968, S. 21 f., 26 f., 31 (vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIb, S. 585). 5 Friedrich Engels, aufgeführt im Kommissionsbericht V [Orig. Anm.].
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Darum ist die ausdrückliche Gewährleistung der vollen Glaubens- und Gewissensfreiheit aller Bürger, gleich welcher Weltanschauung, unerläßlich. 2. Die Verfassung muß durchgehend in klaren rechtlichen Bestimmungen abgefaßt sein, da sie „das grundlegende Gesetz des Zusammenlebens und des zielgerichteten Handelns aller Bürger der DDR“6 ist. Um der Unvollkommenheit der Menschen willen ist die Bindung an genaue und eindeutige Verfassungsvorschriften für Bürger und alle politischen Organe unerläßlich. Um des freien und gesicherten Zusammenlebens aller Bürger und ihrer Vereinigungen willen muß daher die Verfassung Bestimmungen enthalten, durch die die Befugnisse der führenden Partei und der einzelnen staatlichen Organe nicht nur genannt werden, sondern auch durchlaufend jeweils begrenzt und kontrolliert werden können. 3. Die um des Friedens willen notwendige Beendigung des Kalten Krieges und die in Art. 8 des Verfassungsentwurfes ausdrücklich erstrebte Zusammenarbeit und Vereinigung der beiden Staaten deutscher Nation machen es unerläßlich, daß die Verfassung die politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung aller Bürger und ihrer verschiedenen Vereinigungen und Gruppen garantiert. Die von allen Staaten zu erstrebende kollektive Weltfriedensordnung, durch die allein die moderne Zivilisation vor einer Katastrophe bewahrt werden kann, erfordert von einer jeden Gesellschaft, daß sie es lernt, in Gegensätzen miteinander zu leben und zu arbeiten. 4. Der Vergleich der Artikel 40 bis 48 der geltenden Verfassung mit dem Artikel 38 des Entwurfes zeigt, daß eine Umformulierung dieses Artikels unerläßlich ist, um die Komplikationen im Verhältnis zwischen Staat und Kirche und zwischen einzelnen christlichen Bürgern und Staatsorganen nicht zu vermehren, sondern zu vermindern. Im Auftrag der Synode ... Präses
6 Kommissionsbericht [Orig. Anm.].
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25 a Bericht von Bischof D. Johannes Jänicke auf der 2. Tagung der VI. Synode Magdeburg Domremter, 19. Oktober 1968 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 97, S. 1–32, hier: S. 4–14, 27 f. (hekt.). Teilabdruck in: KJ 95, 1968, S. 253–255.
Schwerpunkte: Weltkirchenkonferenz in Uppsala (Krieg und Hunger in der Welt, weltweite Ökumene, Verantwortung der Kirche für die Welt); Stellungnahme der Kirche zu Lebensfragen; Dienst in den Baueinheiten; Reformationsfeier 1967; mögliche Stärkung der Gliedkirchen in der DDR Acht Kapitel ohne Überschriften [Weitere Themen: Gemeindeleben; Jugendarbeit und theologischer Nachwuchs; Diakonie; Verkündigung; Raumordnung; Konfirmandenunterricht; Taufe].
[. . .] I. Als das bedeutendste kirchliche Geschehen in der Berichtszeit muß doch wohl die Weltkirchenkonferenz von Uppsala im Sommer dieses Jahres1 gesehen werden (mit menschlich geschichtlichem Maßstab gemessen – Gott hat andere Wertmaßstäbe!). Wir haben in der Kirchenleitung Bericht darüber von den beiden Männern aus unserer Kirchenprovinz empfangen, die daran teilgenommen haben. Es sind zwei „Laien“, die nach Beruf und Alter nun gerade nicht zu der Gruppe der kirchlichen Repräsentanten gehören, die auf einer solchen Konferenz ja auch vertreten sein müssen, Dr. Hinz-Magdeburg und Dr. Scholz-Gatersleben. Wir sind dafür besonders dankbar, wenn wir auch nicht unser Bedauern darüber verschweigen können, daß der Naumburger Dozent Dr. Seils keine Genehmigung zur Teilnahme erhalten hat. 1 Vom 4.–20. Juli 1968 fand in Uppsala die Vierte Vollversammlung des ÖRK statt. Vgl. BERICHT AUS UPPSALA 1968.
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Die Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates werden nun das überreiche Material dieser Konferenz auszuwerten haben. Wir können nur hoffen, daß dies bis zur Gemeindeebene hin geschieht. Nur so könnten wir der Zielsetzung und der Arbeit dieser Versammlung gerecht werden. Der bisher erstattete Bericht will Aufruf und Anstoß dazu sein. Verantwortung für die Welt, die in einem atemberaubenden Prozeß der Wandlung steht, das war in Uppsala noch betonter das Generalthema als es in den früheren Weltkirchenkonferenzen der Fall war. Das mit großem Beifall aufgenommene Referat des zum Ehrenpräsidenten des Ökumenischen Rats ernannten Dr. Visser ’t Hooft war hierfür das richtungsweisende, vollmächtige Signal. Einige Sätze daraus seien hier in Erinnerung gebracht: „Die Menschheit ist eine Einheit, weil sie einen gemeinsamen Ruf hat. Die vertikale Dimension ihrer Einheit bestimmt die horizontale Dimension. Deshalb haben die Christen bessere Gründe als irgendwer sonst, sich für die Menschheit einzusetzen [. . .] Sie [= die Kirchen] sind weitgehend daran schuld, daß der falsche Eindruck entstand, die Christen seien nur die Advokaten der Kirche und überliessen es den Philosophen, Humanisten und Marxisten, für die Menschheit einzutreten. Tatsächlich ist aber die Vision des Einsseins der Menschheit ein ursprünglicher und wesentlicher Teil der biblischen Offenbarung [. . .] Uns muß klar werden, daß die Kirchenglieder, die ihre Verantwortung für die Bedürftigen in irgendeinem anderen Teil der Welt praktisch leugnen, ebenso der Häresie schuldig sind wie die, welche eine andere Glaubenswahrheit verwerfen.“2
Es kann nicht Aufgabe dieses Berichtes sein, ein Urteil darüber abzugeben, ob und inwieweit die Konferenz diesem Appell gerecht geworden ist. Es ist verständlich, daß die Presse der östlichen wie der westlichen Welt die Konferenz von Uppsala bei Anerkennung einzelner Ergebnisse im Ganzen doch mit einer gewissen zurückhaltenden Kritik beurteilt hat. Eine solche Versammlung wird ihren Platz immer irgendwie zwischen den Fronten haben. Das ist schon mit ihrer Zusammensetzung aus den gegensätzlichen Lagern der Welt heute gegeben. So ist es z. B. in der Frage Nigeria-Biafra – von beiden waren Vertreter anwesend – nur zu einer Erklärung zur Nothilfe für die Elendsgebiete gekommen, wobei allerdings gefordert wird, „sicherzustellen, daß das Leiden der Menschen nicht zum politischen Vorteil der einen oder der anderen Seite benutzt wird“3. Dagegen konnten in der Resolution über Vietnam eindeutige und konkrete Forderungen erhoben werden: daß während der Verhandlungen die Bombardierung Nordvietnams durch die Vereinigten Staaten und jeglicher 2 W. A. VISSER ’T HOOFT, Auftrag der ökumenischen Bewegung, S. 329–341, hier: S. 337. 3 BERICHT AUS UPPSALA 1968, S. 161 f., hier: S. 161.
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Einsatz von Massenvernichtungsmitteln sofort und bedingungslos eingestellt werde. Weiter heißt es – und das hat grundsätzliche Bedeutung: „Eine politische Lösung, die in Vietnam so dringend nötig ist, kann durch einen militärischen Sieg nicht erreicht werden, sondern muß letzten Endes von der Entscheidung des vietnamesischen Volkes selbst abhängen. Die schreckliche Lage des vietnamesischen Volkes heute zeigt uns, welche Tragödie die einseitige Intervention einer Großmacht herbeiführen kann. Außerdem werden durch eine derartige Intervention politische, soziale und wirtschaftliche Probleme eher geschaffen als gelöst.“4
Wir können Gott nur danken, daß in den großen sozialethischen Fragen der Menschheit das Gewissen der Christenheit – endlich! – wach geworden ist und daß darüber die innerkirchlichen und theologischen Fragen zweitrangig geworden sind. Dabei soll und darf nicht eingeebnet werden, was an Fragen des Bekenntnisses und der Theologie unter uns in der Ökumene aufzuarbeiten ist. So sehen wir in den Gesprächen zwischen Lutheranern und Reformierten, die heute auf verschiedenen Ebenen in Gang gekommen sind, ein verheißungsvolles Zeichen. Wir müssen aufeinander hören und wir müssen miteinander reden. Nur so wird sich der Reichtum der verschiedenen Bekenntnisse und Gaben in der Ökumene recht entfalten und für alle fruchtbar werden. Visser ’t Hooft sagte hierzu: „Die Kirchen geben einander Anteil an den Gaben des Geistes [. . .] Wenn wir wirklich nach dem Modell von 1. Korinther 12 lebten, wenn wir für die Charismata wirklich einen gemeinsamen Markt hätten, dann brauchten wir uns nicht darüber zu sorgen, daß es in unseren Kirchen so wenig neues Leben gibt.“5
Man wird sagen können, daß die Verantwortung der Kirche für die Welt ein Anliegen ist, das von den Gemeinden dann recht aufgenommen wird, wenn sie in der rechten Weise informiert werden. Das gilt vor allem für die Jugend. In allen Berichten über Uppsala ist ja auch davon die Rede gewesen, wie die Jugend dort die Verhandlungen der Konferenz zwar diszipliniert, aber überaus kritisch begleitet hat. Auch mir sind in den letzten Wochen einige Schreiben von jungen Gemeinden mit vielen Unterschriften zugegangen, in denen dringlich gebeten wird, unsere Kirchenprovinz auf das Opfer zum Kampf gegen den Hunger in der Welt anzusprechen. In der kommenden Adventszeit soll die Sammlung „Brot für die Welt“ erneut anlaufen. So hat es die Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR beschlossen. Im vergangenen Jahr hat unsere Kirchenprovinz rund 400.000 M für „Brot für die Welt“ aufgebracht. Das scheint mir kein überwältigendes Ergebnis zu sein, einmal im Blick auf die Größe 4 Auszug aus Punkt 4 der Resolution über Vietnam. Abgedruckt in: EBD., S. 177–179, hier: S. 178. 5 EBD., S. 339.
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unserer Kirchenprovinz, zum anderen im Blick auf die Weltnöte, besonders aber im Vergleich zu dem, was einzelne Jugendkreise hierfür geopfert haben. Ein Kreis von etwa 100 Schülern und Schülerinnen unter der Leitung der Pastorin Renate Müller in Halle hat bei einem Abendmahlsgottesdienst auf dem Petersberg eine Kollekte von 1.040 M für „Brot für die Welt“ gegeben, also je Teilnehmer etwas mehr als 10 M im Durchschnitt. Knapp 30 Teilnehmer einer Rüstzeit von Schülern haben für den gleichen Zweck spontan 126,50 M gegeben und sich verpflichtet, im Lauf des nächsten Jahres 1.688 M aufzubringen. Das sind Opfer, die manche unserer Gemeinden beschämen können! Auf Anregung der Sektion III von Uppsala6, daß die Kirchen 5 % ihres Haushaltes und jeder Christ 1 % seines Einkommens zur Behebung der Weltnöte geben möge, ist m. W. zwar nicht zum Beschluß erhoben worden; sie sollte aber ein Zeichen sein, daß die Kirchen bei dem auf der Beiruter Konferenz beschlossenen Appell an die Regierungen7, einen Prozentsatz ihres Brutto-Sozialproduktes zur Hilfe in den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen mögen, beispielhaft vorangehen mögen. Mir scheint allerdings das persönliche Opfer noch wichtiger als Bereitstellung von Mitteln aus den Haushaltsplänen. Hier muß, unabhängig von dem, was Regierungen und Kirchen kooperativ tun, die Gewissensverantwortung jedes Einzelnen angesprochen werden. In der letzten Zeit konnten Mittel aus „Brot für die Welt“ zügiger realisiert werden, als das im Anfang der Fall war. Wir sind dankbar dafür. Es muß auch einmal ausgesprochen werden, welchen Dank wir dem Oberkirchenrat von Brück schulden, dessen intensive Bemühungen in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz so erfolgreich waren. Man kann natürlich mit Recht fragen, ob das alles nicht nur Almosen sind, ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch muß dazu gesagt werden, daß diese Gelder in erster Linie eine Hilfe zur Selbsthilfe der Entwicklungsländer sein sollen. Für solche Selbsthilfe bedarf es nicht nur des Geldes. Vor allem gilt es zu erkennen, daß Durchgreifendes hier nur im Weltmaßstab geschehen kann, in einer Neuorientierung der Völker der Erde, die von der grundlegenden Erkenntnis ausgeht, daß die Menschheit eine Einheit ist. Durch die Weltnöte sind nicht einzelne Länder und Völker, dadurch ist vielmehr die Menschheit bedroht. Mögen das die Verantwortlichen erkennen, ehe es zu spät ist! Weil nun erfahrungsgemäß dieser Bericht bis zu den einzelnen Gemeinden gelangt, seien hier noch einige konkrete Angaben angefügt, die dazu dienen 6 Sektion III. Wirtschaftliche und soziale Weltentwicklung. Vgl. SEKTIONS-ENTWÜRFE. 7 Der „Gemeinsame Ausschuss für Gesellschaft, Entwicklung und Frieden“ (Exploratory Committee on Society, Development and Peace = SODEPAX), gegründet als gemeinsame Initiative des ÖRK und des Vatikan, hatte im April 1968 in Beirut eine Konferenz für weltweite Entwicklungsfragen durchgeführt.
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sollen, die Verantwortung für das Ganze wachzurufen. Zwei Drittel der Menschheit hungern, während ein Drittel satt – zu satt – ist. 40 Millionen Menschen verhungern in jedem Jahr, d. h. in der Zeit, während ich diesen Bericht erstatte, ca. 4.000, durchschnittlich in jeder Sekunde mindestens einer. In Lateinamerika verhungert durchschnittlich alle 42 Sekunden ein Kind, also während des hier gehaltenen Berichtes 80 bis 100 Kinder. Nicht zuletzt hat der „weiße Mann“ durch seine kolonialistischen Methoden eine Situation geschaffen, die zu einer Weltkatastrophe zu werden im Begriff ist. Die Bevölkerungszunahme ist in den Zonen des Hungers besonders groß. Im Jahr 2000 wird es vermutlich 7,5 Milliarden Menschen auf der Erde geben. Innerhalb von 40 Jahren wird sich die Menschheit verdoppeln. Dies muß jedoch zu keiner Katastrophe führen. Die Erde hat Brot für alle. Sie hätte sogar bei gerechter Verteilung und Nutzung aller Möglichkeiten ein Vielfaches für alle ihre Bewohner. Diese Berechnungen der Wissenschaftler könnten sehr beruhigend wirken. Die gegebenen Realitäten aber sind sehr beunruhigend. Im Jahre 1962 gab die Welt für Rüstungszwecke jährlich 120 Milliarden Dollar aus. Dies ist etwa die Hälfte der Summe, die jährlich in der Welt für Entwicklung von Industrie, Landwirtschaft, Verkehr, Schulen, Krankenhäuser u. a. aufgewendet werden. Für jeden Erdenbürger sind z. Zt. 80 t hochexplosiven Sprengstoffs gelagert! Wen diese Zahlen nicht beunruhigen, der höre auf, sich Christ zu nennen! Noch einmal: Es ist wenig genug, was wir tun können. Hilfe zur Selbsthilfe ist not, die Vermittlung weltwirtschaftlichen Wissens – die Hälfte aller Erdbewohner über 14 Jahre sind noch Analphabeten! –, vor allem ist not ein grundsätzlicher Strukturwandel im politischen und wirtschaftlichen Leben vieler Länder – Tansania, Ghana, Kuba u. a. m. sind Beispiele für große Erfolge, die damit errungen sind – und ein grundsätzlicher Strukturwandel in den Beziehungen aller Länder der Erde zueinander. In alledem ist der Einzelne kaum in der Lage, viel zu tun, aber eins darf ganz gewiß nicht geschehen: daß wir weiterleben, als wüßten wir diese Dinge nicht, daß wir schweigen, daß wir ein gutes Gewissen behalten angesichts dieser Tatsachen. Unsere bescheidenen Opfer können immerhin zu einem Zeichen der Hoffnung werden, das in die Dunkelheit der Erde hineingesetzt wird als ein Angriff der Liebe Gottes in einer Welt, deren Menschheit eine und Sein Eigentum ist. II. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 hatte in Artikel 418 ausdrücklich den Religionsgemeinschaften das Recht zuge8 Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIa, S. 583.
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sprochen, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, mit der selbstverständlichen Einschränkung, daß sie sich nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke mißbrauchen lassen. Es ist in den Diskussionen über die neue Verfassung, deren Bestimmungen über die Kirche bekanntlich sehr viel kürzer sind, wiederholt versichert worden, daß die Rechte der Kirche gegenüber dem bisherigen Zustand nicht geschmälert werden sollen. Aber auch abgesehen davon muß die Kirche um ihres Auftrags an die Welt willen das Wort nehmen, wenn die christliche Verantwortung für das öffentliche Leben es gebietet. Sie tut das ja auch laufend. Denn die Kirche redet ja nicht allein durch die Erklärungen ihren Synoden, Kirchenleitungen oder Bischöfe, sondern mehr noch durch ihre Glieder, die überall im Staat und Volk tätig sind und an der Verantwortung für das Ganze Anteil haben. Dabei sollte es für Christen selbstverständlich sein, daß sie ihre Existenz in diesem unseren Staat bejahen und nicht in einer heimlichen Emigration leben, handeln und reden. Das kann nicht oft genug gesagt werden, daß die positive Verantwortung für unseren Staat die Voraussetzung für die Stellungnahme der Christen ist, selbst da, wo ihr Wort der öffentlich bekannten Meinung widersprechen sollte. Wäre die positive Verantwortung nicht die selbstverständliche Voraussetzung, dann könnten wir es uns wahrlich manchmal bequemer machen und einfach schweigen – wie es ja viele tun! Wir müssen es aber ablehnen, wenn uns beim Reden aus christlicher Verantwortung unterstellt wird, wir handelten in Abhängigkeit oder gar im Auftrag von Stellen, die unseren Staat grundsätzlich verneinen. So hat denn auch in der Berichtszeit unsere Kirche öfter das Wort genommen und konfliktreiche Situationen, die daraus entstanden, eben hinnehmen müssen. Sie wird sich dadurch nicht irre machen lassen in ihrem grundsätzlichen Ja zu dem Staat, in dem wir leben. Wir meinen nicht für eine uneingeschränkte Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung eintreten zu sollen, die gewiß in bestimmten Situationen eines Staates bedenklich und fragwürdig sein kann und ihre Grenzen haben muß. Wenn sich die Kirche aber zum Mund einer zutiefst begründeten Sorge ihrer Gemeinden macht und in solche Situationen das ihr aufgetragene Wort Gottes hineinspricht und zum rechten Beten aufruft und anleitet, dann tut sie damit nur, was ihres Amtes ist, und würde ihren Auftrag versäumen, wenn sie schwiege. Wir sind dessen gewiß, daß damit in Krisensituationen auch dem Staat letztlich besser gedient ist als mit Schweigen oder mit wenig überzeugenden Akklamationen. Es hat in den letzten Jahren wohl keinen Synodalbericht in unseren Kirchen gegeben, in dem nicht die unser Volk und die Völker tief erregende Frage nach dem Frieden in der Welt zur Sprache gekommen ist. Dabei habe ich in den vergangenen Jahren mich mehrfach zum Sprecher christ-
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licher Gewissen in Fragen des Wehrdienstes zu machen versucht, nicht im Sinne einer pazifistischen Weltanschauung, die m. E. unrealistisch und unbiblisch ist – mitunter bin ich in diesem Sinne mißverstanden worden –, wohl aber unter der uns bedrängenden Frage: Was ist das rechte Friedenszeugnis des Christen und der Kirche heute? In einem speziellen Problem muß ich nun der Synode mitteilen, daß meine Bemühungen, in ein Gespräch mit den verantwortlichen Stellen des Staates hierüber zu kommen, gescheitert sind. Wir sind unserem Staat dankbar, daß er – als einziger im sozialistischen Lager! – jungen Männern, die aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnen, die Möglichkeit gibt, einen waffenlosen Dienst in den sogenannten Baueinheiten zu tun. Auf die besonderen Probleme dieses Dienstes will ich jetzt nicht eingehen, weil ich es bei früherer Gelegenheit ausführlich getan habe. – Es sind uns aber eine Reihe von Fällen bekannt geworden, in denen junge Leute, die sich zum Dienst in den Baueinheiten entschlossen hatten, an den Hochschulen und Oberschulen zu vormilitärischen Übungen mit der Waffe herangezogen wurden. Wenn sie sich weigerten mit dem Hinweis darauf, daß sie von der legalen Möglichkeit eines waffenlosen Dienstes Gebrauch machen wollten und deswegen auch hier einen waffenlosen Ersatzdienst anboten, ist ihnen in einer Reihe von Fällen geantwortet worden, daß sie damit ihre Berufslaufbahn gefährdeten. Im Auftrage der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR habe ich hierüber beim Nationalen Verteidigungsrat unter ausführlicher Darlegung des Sachverhalts am 22. Dezember 1966 ein Gespräch erbeten9. Obwohl mein Schreiben erwiesenermaßen an den Adressaten gelangt ist, habe ich hierauf weder eine Antwort noch einen Zwischenbescheid noch auch nur eine Empfangsbestätigung erhalten. Am 1. Februar 1968 habe ich mich dann unter Hinweis auf den Erlaß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Eingaben der Bürger und die Bearbeitung durch die Staatsorgane vom 27. Februar 196110 an den Vorsitzenden des Staatsrates gewandt und mit Schilderung der Sachfrage um Erledigung meiner Eingabe gebeten. Auch dieses Schreiben ist bisher ohne Antwort geblieben. So muß ich feststellen, daß ich in einer wichtigen Lebensfrage junger Christen als Gesprächspartner nicht angenommen werde. Daß einige der genannten Fälle inzwischen in befriedigender Weise erledigt sind, will ich nicht verschweigen. Aber das grundsätzliche Gespräch ist mir ohne eine Antwort, in der die Ablehnung hätte begründet werden können, 9 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Jänicke auf der 5. Tagung der V. Synode am 11.3.1967, Punkt V (Dokument 23b, S. 231 f.). 10 GBL. DDR I, 1951, S. 7–9. In § 5 wird den Bürgern bzw. Vertretern bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, die Eingaben „von allgemeiner Bedeutung“ einreichen, zugesichert, in den Entscheidungsprozess darüber einbezogen zu werden.
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versagt worden. Ich bedauere das um so mehr, als bisher bei den örtlichen Instanzen, den Räten der Bezirke und Kreise, immer eine Bereitschaft zu Gesprächen zu finden war, gerade auch wenn es sich um Differenzen zwischen staatlichen und kirchlichen Stellen handelte. In vielen Fällen konnte im Gespräch der gegenseitige Standpunkt geklärt und ein Einvernehmen erzielt werden. Ich möchte es in diesem Zusammenhang dankbar erwähnen, daß Bruder Oberkonsistorialrat Ammer sich immer wieder diesem mühevollen Geschäft unterzogen und uns damit viele hilfreiche Dienste geleistet hat. Es ist mein herzlicher Wunsch, daß die Gesprächssituation auch unter meinem Nachfolger erhalten bleibt. Bei den tiefgreifenden grundsätzlichen Unterschieden in den Standpunkten von Staat und Kirche können Gespräche, wie wir sie in der Vergangenheit beharrlich und freimütig geführt haben, für beide Seiten nur förderlich und fruchtbar sein. III. Wenn ich mich nun innerkirchlichen Fragen zuwende, so sei aus der Berichtszeit an erster Stelle des Ereignisses gedacht, auf das in unserer Öffentlichkeit und in der Ökumene die Blicke so stark gerichtet waren, wie es bei kirchlichen Geschehen nicht gerade oft vorkommt, es sei ein Wort über die Reformations-Gedenkfeier 196711 gesagt. Unübersehbar groß ist die Zahl der Gemeindeveranstaltungen, die aus diesem Anlaß heraus stattfanden und viele Hörer unter die Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes in Jesus Christus riefen. Dabei darf man es wohl als ein durchgängiges Zeichen dieser Feiern feststellen, daß der Blick nicht so sehr in die Vergangenheit gerichtet war, sondern ernstlicher als bei Reformationsfesten früherer Zeiten gefragt wurde: Was bedeutet Reformation heute? Es ging uns nicht so sehr um sogenannte „unaufgebbare Anliegen“ der Kirche, als vielmehr um die Fortsetzung reformatorischen Geschehens in der Kirche von morgen hinein. „Die Reformation geht weiter“ – unter diesem Thema wurden unsere Gemeinden wiederholt angesprochen u. a. auch durch die Vorträge unseres neuen Bischofs Dr. Werner Krusche12. Selbstverständlich waren die Blicke stark auf die zentralen Veranstaltungen des Reformationsjubiläums in Wittenberg gerichtet. Über ihre Vorbereitungen und ihr Programm habe ich vor einem Jahr ausführlich be11 Vgl. oben Bericht des Bischofs D. Jänicke auf der 5. Tagung der V. Synode am 11.3.1967, Punkt III (Dokument 23b, S. 221–225). 12 W. KRUSCHE, Die Reformation geht weiter. In: DERS., Schritte und Markierungen, S. 201–217.
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richtet. So war denn der Verlauf dem Programm entsprechend, und wir haben Grund, sehr dankbar zu sein. Es wurde ein ökumenisches Treffen, wie wir es in der DDR seit dem Leipziger Kirchentag nicht mehr gehabt haben, und es war ein wirkliches Gemeindefest, an welchem die Botschaft der Reformation in aller Öffentlichkeit und Freiheit verkündigt werden konnte. Nur eben am Rande erwähnt werden soll im Rückblick, daß die sehr eingeschränkte Beteiligung von draußen, vor allen Dingen aus den westlichen Gliedkirchen, die bis zuletzt bestehende Ungewißheit, wen wir denn nun eigentlich erwarten dürften, die Unmöglichkeit der ökumenischen Gäste, über den Bezirk Halle bzw. Kreis Wittenberg hinaus Gemeinden zu besuchen, und manches andere las ein Schatten über den Feiern gelegen hat13. Davon ist schon öfters die Rede gewesen, und deswegen soll heute nicht mehr darauf eingegangen werden. Es soll vor allen Dingen die Dankbarkeit nicht mindern für das große Geschenk ökumenischer Gemeinschaft und die Freude über die gute Botschaft, die in diesen Tagen zu uns gekommen ist. Daß Reformation ein ökumenisches Ereignis ist, welches nicht an den Grenzen der Evangelischen Kirche halt macht, war als verheißungsvoller Klang in diesen Tagen zu vernehmen, bis hin zu dem Grußtelegramm der röm.-kath. Jugend aus Halle in unsere Reformationsfeiern hinein. Wo wäre so etwas vor 20, vor 10 Jahren möglich gewesen? Die Freude über das Geschenk dieser Tage darf allerdings nicht die mancherlei kritischen Stimmen überhören lassen, die zu dem Verlauf der Reformationsfeiern laut geworden sind. Es war auch unberechtigte Kritik dabei; aber ich möchte aus diesen Stimmen wenigstens eine zu Gehör kommen lassen. Es ist mit Recht gefragt worden: Hat die Kirche nicht doch ihre Reformation und ihren Luther in ihren Mauern gefeiert? Ist es zu einem wirklichen Zeugnis für die Welt gekommen? Ist es deutlich geworden, daß die Reformation über die Kirchengrenzen hinaus für den Menschen, für seine Würde und Freiheit, entscheidende Bedeutung gehabt hat? Ist es zu einem wirklichen Gespräch zwischen den Vertretern von Theologie und Kirche und den säkularen Deutungen der Reformation, also etwa der marxistischen gekommen? Solche Fragen sind berechtigt, und es könnte als Antwort darauf schon mancherlei Ansätze echten Gesprächs vor und während der Festtage hingewiesen werden. Daß es über Ansätze nicht hinausgekommen ist, liegt ganz gewiß auch an der grundsätzlichen Gesprächssituation zwischen Christen und Marxisten bei uns.
13 Bischof Jänicke und Propst Berndt waren bereits am 21.9.1967 aus dem staatlichen Vorbereitungskomitee für die Feier des Reformationsjubiläums ausgetreten, weil sie die staatlichen Rahmenvorgaben nicht mitvollziehen konnten. Vgl. Tagesspiegel 25.10.1967.
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Offenbar besteht bei uns zunächst kein Bedürfnis danach, sich grundsätzlich und öffentlich mit den Christen auseinanderzusetzen. Wir bedauern das und können nur hoffen, daß es nicht so bleibt. [. . .] VII. [. . .] 1. Wie kann dem einmütigen Zeugnis und dem gemeinsamen Dienst der evangelischen Gliedkirchen in der DDR besser Raum gegeben werden, als es in den letzten Jahren geschah? Zwar meinen wir nicht, daß Staatsgrenzen auch Kirchengrenzen sind. Wir haben den gleichen Auftrag unseres Herrn, diesseits und jenseits unserer Staatsgrenzen, und wir können und wollen unseren gemeinsamen Weg nicht verleugnen – und auch nicht unsere gemeinsame Schuld und was sich daraus an praktischen Konsequenzen und Aufgaben ergibt! Darüber habe ich auf der Synode in Mühlhausen ausführlich gesprochen. Aber wir haben doch unsere gemeinsame Verantwortung in verschiedenen Bereichen mit sehr verschiedenen Lebensstrukturen wahrzunehmen, und wir haben dabei aufeinander zu hören – und füreinander freizugeben. Die evangelischen Studentengemeinden in Deutschland sind in dieser Sache uns einen guten Schritt voraus, bei größtmöglicher Gemeinschaft untereinander im geteilten Deutschland die größtmögliche Selbständigkeit in der Wahrnehmung der Verantwortung je im eigenen Bereich!14 Welche Konsequenzen sich daraus auch für die Ordnungen der Kirche ergeben, ist eine Frage, die uns in den kommenden Monaten, auch auf der Synode unserer Kirchenprovinz, intensiv beschäftigen wird. Man kann nur wünschen, daß weder die Autonomie der einzelnen Gliedkirchen noch die Bindung an die jeweiligen konfessionellen Blöcke (EKU, VELKD) hemmend seien, wenn es darum geht, die Gemeinschaft der evangelischen Gliedkirchen in der DDR stärker und damit ihr Zeugnis und ihren Dienst nach innen und nach außen vollmächtiger und glaubwürdiger werden zu lassen. [. . .]
14 Zum Verhältnis allgemein der ESG in Ost und West vgl. G. SOMMER, Grenzüberschreitungen u. A. NOACK, Studentengemeinden in der DDR, S. 163–220. Zur Problematik des rechtlichen Status der Studentengemeinden vgl. M. FEIST, Situation der Studentengemeinden.
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Berichte und Beschlüsse BeschlussderSynode,22.Oktober1968 BerichteundBeschlüsse
25 b Beschluss der Synode zum Bericht Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 97, Dr. 53/68 (hekt.); Protokoll des 4. Sitzungstages 22. Oktober 1968
Der „Bericht des Bischofs“ hat während der Amtszeit von D. Jänicke besonderes Gewicht erhalten. Zusammen mit dem Rechenschaftsbericht der Kirchenleitung und dem Tätigkeitsbericht des Konsistoriums bzw. der Pröpste versucht der Bischofsbericht eine vom Evangelium bestimmte Besinnung über Ort und Weg von Kirche und Welt. Gottes Wort verlangt kritische Hörer. („. . . auf daß ihr prüfen möget, was Gottes Wille ist“. Röm 12,2b; „Als mit Klugen rede ich, urteilt ihr, was ich sage“. 1. Kor 10,15). Dies gilt für jede menschliche Bemühung, Gottes Wort für die Gegenwart auszulegen (z. B. Predigt, Lehraussage, „Wort zur Lage“ und überhaupt jeder Dienst der Gemeinde in der Christusnachfolge). In diesem Sinne hat die Kirchenprovinz Sachsen den Bericht des Bischofs als Tröstung, Mahnung und Wegweisung stets aufgefaßt und dankbar angenommen. Als ein Wort persönlicher Verantwortung verlangt der Bischofsbericht verbindliche Antworten der Gemeinden, als deren Glieder die Synodalen versammelt sind. Auftrag der Synodalen ist daher, den Bischofsbericht für die Weiterarbeit in den Gemeinden etwa unter der Leitfrage aufzunehmen: Wie nehmen wir Verantwortung wahr angesichts: – der sozialen Ungerechtigkeiten in der Völkerwelt15; – der Information und Meinungsbildung in der auf dem Wege zu ihrer Einheit durch neue Konflikte ständig aufgehaltenen und zurückgeworfenen Welt16; – der Nötigung zum Waffendienst in einer sich wieder hemmungslos aufrüstenden Welt17? Was bedeuten diese und viele ähnliche Fragen in einer Welt, in der der verborgene Christus das Werk der Erneuerung – „Siehe, ich mache neu“ – in Kirche und Gesellschaft vorantreibt? 15 Abschnitt I [Orig. Anm.]. 16 S. 11 [Orig. Anm.]. 17 S. 11 [Orig. Anm.].
Beschluss der Synode, 22. Oktober 1968
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Wie Christen in bedrängenden Situationen ihren Platz finden können, das hat uns der Brief der geeinten Christenheit der Völker der CSSR vom 2.9.1968 gezeigt. Wir sind für dieses Glaubenszeugnis dankbar und machen uns den Brief der Kirchenleitung vom 28.9.1968 an die Christen in der CSSR zu eigen. Mit unserem Bischof bitten wir unsere Gemeinden um der Liebe Christi willen: Widerstehet dem Sog des wiederauflebenden Hasses! „Werdet auch morgen nicht müde, Schritte hinein in die neue heile Welt Gottes zu tun, die kommt!“
BeschlussderSynode,13.April1969 BerichteundBeschlüsse
26 Beschluss der Synode auf der außerordentlichen 3. Tagung der VI. Synode Magdeburg, 13. April 1969 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 98, Anlage d. Rv Nr. I–256/69 d. Konsistoriums vom 18.4.1969.
Schwerpunkt: Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Die Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen hat auf ihrer außerordentlichen Tagung am 12. und 13. April der Bildung eines Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zugestimmt1. Die Gemeinden haben für diese Tagung der Synode gebetet. Wir danken ihnen dafür und bitten sie, die Entscheidung der Synode mitzutragen. Dazu soll die folgende Information dienen: Wir sind überzeugt, mit der Bejahung des Bundes im Gehorsam gegen den Herrn zu handeln, der seiner Kirche den Dienst des Evangeliums aufgetragen und sie dazu befreit hat, ihre Organisationsformen so zu gestalten, dass sie ihren Auftrag in gemeinsamem Zeugnis und Dienst recht erfüllen kann. Die bisherige Ordnung für die Zusammenarbeit der evangelischen Kirchen in der DDR reichte dazu schon lange nicht mehr aus. Zu vieles wird noch immer nebeneinander getan. Die Synode erkennt in dem Bund eine Möglichkeit für die evangelischen Kirchen in der DDR, ihren Christusdienst besser als bisher zu tun und auf diese Weise enger zusammenzuwachsen. Wir sind uns bewußt, daß der äußere Anstoß zur Bildung des Bundes von der neuen Verfassungssituation der DDR ausgegangen ist. Wir wissen, daß darum die Bildung des Bundes mißgedeutet werden kann. Es könnte so scheinen, als würde hier aus Gründen der Selbsterhaltung politischen Forderungen leichtfertig nachgegeben, die bisherige Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland preisgegeben und damit der Diffamierung der EkiD und einzelner ihrer Amtsträger zugestimmt. Wir 1 Text der Ordnung des BEK: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 1–9; BUND DER EVANGELISCHEN KIRCHEN IN DER DDR. – Vgl. zur Standortbestimmung den Artikel von W. KRUSCHE, Zwanzig Jahre, S. 361 f.
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widersprechen dieser Mißdeutung und erklären, daß wir mit der Bejahung des Bundes in freiem Gehorsam allein unserem Herrn zu folgen versuchen, der den Dienst seiner Kirche unter den gegebenen Verhältnissen in der DDR regiert. Um der Grenzen überschreitenden Versöhnungstat unseres Herrn willen müssen wir mit der Bejahung des Bundes an der Bruderschaft mit den Kirchen in anderen Gesellschaftsordnungen festzuhalten. Wir bekennen uns zu der besonderen Gemeinschaft aller evangelischen Kirchen in Deutschland, wie sie durch eine gemeinsame Geschichte von Anfechtung, Schuld, Vergebung und Segnung gewachsen ist. Die Fürstenwalder Synode hatte erklärt: „Wir tragen füreinander Verantwortung, darum dürfen wir uns nicht loslassen. Wir haben kein Recht, uns gegenseitig zu bevormunden. Wir dürfen nicht den Versuch machen, einer den anderen zu beherrschen. Wir werden uns gegenseitig so weit frei zu geben haben, daß wir unserem Auftrag in dem Teil Deutschlands, in dem wir leben, gerecht werden.“
Der Bund wird in rechtlicher und organisatorischer Selbständigkeit an Aufgaben, die den evangelischen Kirchen in der DDR und der BRD gemeinsam gestellt sind und für die sie eine gemeinsame Verantwortung tragen, mitarbeiten. Damit könnte die Kirche ein Beispiel dafür geben, wie über Staatsgrenzen hinweg und in unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen Zusammenarbeit in partnerschaftlicher Freiheit möglich ist.
BerichtderKirchenleitung,15.November1969 BerichteundBeschlüsse
27 a Bericht der Kirchenleitung auf der 4. Tagung der VI. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 15. November 1969 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 99, Dr. 28/69, S. 1–20, hier: S. 19 f. (hekt.).
Schwerpunkte: Verhandlungen mit staatlichen Organen; Stellungnahme zum Entwurf einer Verfassung der DDR Gliederung: 1. [Personelle Entscheidungen]. 2. [Sachfragen]. 3. Ordnungen und besondere Beschlüsse. 4. Zusammenarbeit mit kirchlichen Gremien außerhalb unserer Kirchenprovinz. 5. Verhandlungen zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates. 6. Sonstiges.
[. . .] 5. Verhandlungen zwischen der Kirchenleitung und den Organen des Staates. 5.1.1. Der Bischof hat nach seinem Dienstantritt dem Staatssekretär für Kirchenfragen und den Vorsitzenden der Räte der Bezirke Magdeburg und Erfurt einen Antrittsbesuch abgestattet1. Zu weiteren Kon1 Bundesarchiv Berlin, DO 4/435. Darin: Vermerk des Stellvertreters des Staatssekretärs Fritz Flint über den Antrittsbesuch von Bischof W. Krusche bei Hans Seigewasser am 12.11.1968. EBD. Bericht des RdB Erfurt über den Antrittsbesuch von Bischof W. Krusche beim Vorsitzenden des Bezirksrates, Richard Gothe, am 16.5.1969. – Der Antrittsbesuch bei Kurt Ranke, dem Vorsitzenden des RdB Magdeburg, erfolgte am 26.11.1968; Vermerk von Bischof Krusche, in AKPS, Rep. B 3, Nr. 368. – Vermerk Krusches über den Antrittsbesuch in Erfurt: AKPS, Rep. B 3, Nr. 366. In dem Gespräch in Erfurt äußerte sich Krusche über den Wahlmodus in der DDR: wirklich geheime Wahlen – statt der offenen Stimmabgabe – würden zu einer klaren Legitimation der Regierungsmacht führen. Dies Thema wurde staatlicherseits mit Verärgerung aufgenommen. Die Bewertung des Erfurter Gesprächs war dann offenbar der Grund, weshalb Krusche vom Vorsitzenden des RdB Halle zu einem Antrittsbesuch nicht empfangen wurde. Statt dessen arrangierte der Staatssekretär für Kirchenfragen Hans Seigewasser gemeinsam mit dem Erfurter Bezirksratsvorsitzenden Richard Gothe am 9.12.1970 ein Gespräch in Erfurt, zu dem Bischof Schönherr und Bischof Krusche (neben zwei Vertretern des Magdeburger Konsistoriums) eingeladen wurden; staatlicherseits nahmen die stellvertre-
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takten ist es mit dem Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres beim Rat des Bezirks Magdeburg gekommen2. 1.2. Am 5.2.1969 fand ein Empfang der Kirchenleitung durch den Staatssekretär für Kirchenfragen und die Räte der Bezirke Halle und Magdeburg statt3. Nach einem grundsätzlichen Referat des Staatssekretärs, in dem er besonders die Gemeinsamkeit von Marxisten und Christen beim Aufbau des Sozialismus unterstrich, wurden in einem offenen Meinungsaustausch Fragen des Weges und Auftrags einer Evangelischen Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik besprochen. Nachdem die Tagespresse darüber berichtet hatte, hat die Kirchenleitung den Bischof gebeten, seinen Diskussionsbeitrag im genauen Wortlaut allen Superintendenten zur Kenntnis zu bringen. 1.3. Im Auftrag der Kirchenleitung hat OKR Ammer die Gespräche mit den Räten der Bezirke Magdeburg, Halle, Erfurt und Suhl laufend fortgesetzt. Dabei ist es zu einem intensiven Austausch über viele Staat und Kirche bewegende Fragen gekommen. Eine große Anzahl von Fragen konnten geklärt werden, andere wurden zu weiterer Klärung dem Staatssekretariat für Kirchenfragen vorgetragen. Dazu gehören die Fragen der Beteiligung staatlicher Orchester an den großen kirchenmusikalischen Veranstaltungen, der kirchlichen Amtshand-
tenden Vorsitzenden für Inneres der Räte der Bezirke Magdeburg, Halle und Leipzig außer den Erfurter Gastgebern teil. Die Niederschrift aus dem RdB Erfurt vom 10.12.1970 liegt vor im Bundesarchiv Berlin, DO 4/793. – Die Dokumentation des Konsistoriums über das Gespräch in AKPS, Rep. B 3, Nr. 366. Das Gespräch zeigt den Versuch, Werner Krusche in Gegenwart von Albrecht Schönherr zu disziplinieren. Richard Gothe erklärte: „Bischof Dr. Krusche hat bei seinem Antrittsbesuch eine Position bezogen, auf der keine Zusammenarbeit möglich war.“ Staatssekretär Seigewasser wandte sich an Krusche: „[. . .] Wir wollen von Ihnen hören, welche Position sie heute beziehen. [. . .] Auch die Kirche muss begreifen, dass sie nur Kirche im Sozialismus sei.“ Im Bericht der KL auf der 6. Tagung der VI. Synode am 6.11.1971 wird dieses Gespräch nicht erwähnt. 2 AKPS, Rep. B 3, Nr. 368. Darin: Vermerk zum Gespräch von Bischof Krusche mit Herrn Steinbach/RdB Magdeburg. 3 Diskussionsbeitrag des Bischofs Werner Krusche beim Gespräch zwischen dem Staatssekretär für Kirchenfragen, den stellvertretenden Vorsitzenden der Räte der Bezirke Magdeburg und Halle, Vertretern der Bezirksausschüsse der NF und der Bezirksleitungen der CDU und der KL der KPS am 5.2.1969 in Magdeburg, vorgetragen im Anschluss an das Referat des Stellvertreters des Vorsitzenden des RdB Magdeburg, Herrn Steinbach, und an die Rede des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Seigewasser. AKPS, Rep. B 3, Nr. 367 (S. 1–5). – Bischof W. Krusche machte am 16.5.1969 einen Antrittsbesuch beim Vorsitzenden des RdB Erfurt R. Gothe. Im Rahmen dieses Gespräches kam es zu kontroversen politischen Äußerungen, die auf staatlicher Seite dazu führten, Bischof Krusche förmlich und offiziell zu widersprechen. Vgl. die Information des RdB Erfurt vom 20.5.1969 in: Bundesarchiv Berlin, DO 4/435. Dazu: Handschriftl. Vermerk von Bischof Krusche in: AKPS, Rep. B 3, Nr. 366.
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2.2.
3.1.
3.2.
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lungen an christlichen Gemeindegliedern, die nicht Bürger der DDR sind, und der Durchführung von diakonischen Rüstzeiten in Heimen für hirngeschädigte Kinder. Die Gespräche beim Rat des Bezirks Leipzig wurden im Auftrag der Kirchenleitung durch OKR Grigel geführt. Nachdem der Propstkonvent eine Rundverfügung über „Konfirmation und Jugendweihe“4 herausgegeben hatte, hat der Rat des Bezirks Magdeburg Beschwernisse des Staates über diese Rundverfügung vorgetragen. Sie sind auf dem Propstkonvent5 eingehend besprochen worden. Es wurde beschlossen, den Superintendenten und Pfarrern die Beschwernisse des Staates zur Kenntnis zu bringen und den Sinn der Rundverfügung noch einmal zu erläutern. Als Ersatz für die auf Grund staatlicher Beschlüsse kirchlich nicht mehr nutzbaren Erholungsheime im Sperrgebiet wurde vom Rat des Bezirks Magdeburg ein Diäterholungsheim in Blankenburg/Harz angeboten. Nach Abschluß eines Mietvertrages zwischen dem Rat des Bezirks Magdeburg und der Kirchenleitung6 wurde das Heim als neues „Harzhaus“ am 1.7.1968 in Betrieb genommen. Die Kirchenleitung hat sich im Rahmen der öffentlichen Diskussion eingehend mit dem Entwurf einer „Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“ beschäftigt7. Sie hat sich die Eingabe von sieben evangelischen Bischöfen in der Deutschen Demokratischen Republik zu eigen gemacht und diese allen Vorsitzenden der Gemeindekirchenräte zur Verfügung gestellt. Der Beschluß der Synode der EKU zur Sache wurde beigefügt, weitere Erwägungen zur Prüfung des Verfassungsentwurfs den Superintendenten übergeben. Anläßlich des 20. Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik hat die Kirchenleitung für die Gottesdienste am 5.10.1969 eine allgemeine Fürbitte angeregt und dafür einen Vorschlag zur Verfügung gestellt.
[. . .]
4 Rv des Propstkonvents der Kirchenprovinz Sachsen vom 16.10.1968 betr. Konfirmation und Jugendweihe. AKPS, Rep. A, Rv Nr. 35/68 vom 16.10.1968. 5 AKPS, Rep. B 3, Nr. 675. 6 Mietvertrag zwischen dem RdB Magdeburg und der Ev. KL über ein Erholungsheim in Blankenburg/Harz vom 28.3.1968. Protokoll der 3. Sitzung der KL vom 29./30.3.1969. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3775. 7 Vgl. oben einstimmigen Beschluss der 1. Tagung der VI. Synode vom 20.3.1968 und Bericht des Bischofs D. Jänicke auf der 2. Tagung der VI. Synode am 19.10.1968, Punkt II. Vgl. auch unten Anhang, Anlage Nr. IIb, S. 585.
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27 b Bericht von Bischof Dr. Werner Krusche Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 99, S. 1–33, hier: S. 16–25 (hekt.). Abgedruckt in: KJ 96, 1969, S. 167–172 u. EPD-DOKUMENTATION 3/1970, S. 18–36.
Schwerpunkte: Platz der Kirche in einem säkularen Staat (Bildung und Erziehung der Jugend, Dienst in den Baueinheiten und Praxis der vormilitärischen Ausbildung) Vier Kapitel ohne Überschrift [Weitere Themen: Neuordnung des Geistlichen Dienstes; Strukturüberlegungen (BEK); Mission].
[. . .] III. Strukturüberlegungen in der Kirche ergeben sich mit Notwendigkeit von ihrem Auftrag – von ihrer Sendung mit dem Evangelium – her. Mission ist also „Strukturprinzip“ der Kirche. Mission – Teilnahme der Kirche an der Sendungsbewegung Gottes – ist immer Zuwendung zur Welt in deren jeweilige – und durchaus unterschiedliche – gesellschaftliche Situationen. Die Kirche kann sich diese Situationen nicht selbst aussuchen. Wenn sie gehorsam ist, wird sie ihre konkrete Lage annehmen als Bewährungsraum für ihren Glauben und als Auftragsfeld für ihren Dienst. Wir überschauen heute gut 20 Jahre des Weges unserer Kirche in einer Gesellschaft, die von den Grundlagen des marxistisch-leninistischen Sozialismus her gestaltet wird8. Niemand wird behaupten wollen, daß es ein glatter, konfliktloser Weg gewesen sei. Das konnte er auch gar nicht sein. Die evangelischen Kirchen standen vor einer für sie völlig neuen Situation, insofern sie sich in den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung verflochten sahen, in der sie ohne Privilegien zu leben haben würden und sich auf Beschränkungen der Möglichkeiten ihres Dienstes würden einstellen müssen. Aber auch der Sozialismus stand vor einer für ihn völlig neuen Situation, insofern er sich bei uns nicht einer Kultkirche, sondern zahlenmäßig großen reformatorischen Kirchen gegenüber sah, für die nicht das priesterliche, sondern das prophetische Element kennzeichnend ist, die also um den Auftrag zur „politischen Predigt“ wissen, zur Ausrichtung des verheißenden und gebietenden, rettenden und richtenden Wortes Gottes in die konkreten Situationen von Kirche und Gesellschaft 8 Vgl. W. KRUSCHE, Zwanzig Jahre. In: ZdZ 23, 1969, S. 361 f.
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hinein. Die Frage, wie wird der sozialistische Staat seine Macht gegenüber der Kirche geltend machen, – und die Frage, wie wird die Kirche ihr „prophetisches Amt“ im sozialistischen Staat wahrnehmen, waren als wechselseitige Anfragen von Anfang an präsent. Überschaut man das Verhalten des Staates gegenüber der Kirche in den vergangenen 20 Jahren, so wird man von einer gewaltsamen Bekämpfung der Kirche nicht sprechen können, wohl aber ist die Kirche aus dem öffentlichen Raum zunehmend zurückgedrängt und ihre Arbeit eingeschränkt worden – ich brauche nur an die Verdrängung der Christenlehre aus den Schulen, an die Erschwernisse in der kirchlichen Jugendarbeit, im kirchlichen Bauwesen und bei den großen kirchenmusikalischen Veranstaltungen sowie an die Einschränkung der kirchlichen Publikationsmöglichkeiten zu erinnern. Andererseits ist es keine Selbstverständlichkeit, daß die Staatsleistungen – wenn auch reduziert – gezahlt worden, nicht unerhebliche Mittel zur Instandsetzung historisch wertvoller Kirchen gewährt, Straßensammlungen erlaubt worden sind, daß es an vielen Stellen zu einer förderlichen Zusammenarbeit mit den Anstalten der Inneren Mission gekommen und die Teilnahme an ökumenischen Konferenzen und Tagungen genehmigt worden ist. Es hätte nach den Erfahrungen, die die Arbeiterschaft in der Vergangenheit weithin mit der Kirche gemacht hat, und nach dem letzten Krieg, an dem die Kirche sich als mitschuldig gekannt hat, jedenfalls auch sehr anders kommen können. Nach den Erfahrungen dieser 20 Jahre wird man sagen dürfen, daß der Staat offensichtlich bereit ist, der Kirche einen – wenn auch bescheidenen – Platz in der Gesellschaft zu gewähren. Wenn vor einiger Zeit einem von uns von Vertretern des Staates gesagt worden ist, für sie sei die Kirche lediglich eine gesellschaftliche Randerscheinung, so wird man eine solche Äußerung keinem säkularen Staate übelnehmen dürfen. Wir können im übrigen gar keine Mittelpunktstellung haben wollen, da unsere Mitte Jesus Christus ist, von dem wir wissen, daß er seine Herrschaft über die Welt nicht durch Gewalt, sondern durch die Macht seiner wehrlosen KreuzesLiebe ausübt und daß er von seiner Kirche nicht Machtpositionen besetzt, sondern Dienstfunktionen wahrgenommen haben will. Wir werden mehr als bisher lernen müssen, die Existenz einer Kirche ohne Privilegien, ohne Glanz und Ansehen willig anzunehmen im Wissen darum, daß der Herr uns gerade aus dieser bescheidenen, demütigen Position heraus als Boten und Werkzeuge seiner allen geltenden Liebe haben und sein Evangelium gesellschaftswirksam machen will. Überschaut man Weg und Verhalten der Kirche in diesen 20 Jahren, so wird man sagen dürfen, daß sie sich zu keinem Zeitpunkt als Kirche gegen den sozialistische Staat, sondern immer als Kirche im sozialistischen Staat gewußt, daß sie sich also an Römer 13 gehalten hat9. Daß sie in den Jahren, in denen auch in der Politik unseres Staates der Gedanke der
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Wiedervereinigung Deutschlands eine beherrschende Rolle spielte, gemeint hat, die staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR und damit auch ihren eigenen unprivilegierten Status als Provisorium ansehen zu können und es versäumt hat, sich ganz auf die spezifische Situation zu konzentrieren, in die sie gesandt ist, ist kaum zu bestreiten. Auch das wird zu sagen sein, daß die Kirche ihr prophetisches Amt oft zu schnell nur in der gesellschaftskritischen Richtung wahrgenommen hat, während Prophetie sich immer zuerst an die Kirche selbst richtet und dann erst auch an die Gesellschaft. Eine Kirche, die sich nicht zuallererst selbst dem kritischen Worte Gottes aussetzt, setzt sein kritisches Wort gegenüber der Gesellschaft dem Verdacht aus, es handle sich nur um eine besserwisserische Äußerung der Institution Kirche. Vielleicht haben wir auch nicht genügend beachtet, daß Gottes Wort auch dazu anleitet, konkret zu danken für das Gute, das es in einer Gesellschaft gibt. – Es hat bei uns immer wieder leider ein theologisch unqualifiziertes Reden von „den Gottlosen“ gegeben, das nur die Gottlosigkeit der anderen und nicht die eigene im Blick hatte darum als pfäffisch und hämisch empfunden werden mußte. Oft sind Probleme sofort ins Ideologische gewendet worden, ohne daß man sich um Einsicht in die wirklichen Gegebenheiten bemüht hätte. Es ist zu unsachlichen Urteilen gekommen, weil man die empirische Wirklichkeit der anderen mit dem eigenen Idealbild verglich, wobei die anderen natürlich immer schlecht abschnitten. Wir wären nicht die Kirche, die aus der Rechtfertigung lebt, wenn wir die Schuld für die mancherlei Spannungen und Konflikte nicht immer zuerst bei uns selbst zu entdecken versuchten. Aufs Ganze gesehen, meine ich aber dazu sagen zu dürfen, daß die Kirche unbeirrt von den Stimmen, die sie zur Opposition oder zur Assimilation, zur Absonderung oder zur Anpassung rufen wollten, im Gehorsam gegenüber dem sie allein bindenden Worte Gottes ihren Weg zu gehen versucht hat. Im Grunde ging es immer um die Lösung der Aufgabe, wie die Kirche auf die Gesellschaft einzugehen habe, ohne in ihr aufzugehen, wie sie ihre Fremdlingsschaft (Hebr 11,9.13; 1. Petr 2,11; Phil 3,20) in der Solidarität mit der Gesellschaft zu praktizieren habe, wie sie sich ihr verantwortlich einzupassen haben, ohne sich ihr unbesehen anzupassen. Die Frage, ob sie situationsgerecht gelebt hat, entscheidet sich für sie an der Frage, ob sie auftragsgerecht und also botschaftsgemäß gelebt hat. 9 Die hier vorgelegten Auszüge aus den Magdeburger Kirchenleitungsberichten belegen die Kontinuität solcher Aussagen. Vgl. z. B. den Bericht von Johannes Jänicke vom 9.3.1959 auf der Wittenberger Synode. Im vorangehenden Jahr hatte die Synode zum Entwurf der neuen Verfassung der DDR Stellung genommen (Beschluss der 1. Tagung der VI. Synode vom 20.3.1968) Vgl. außerdem den Brief der Bischöfe aus Lehnin zum Verfassungsentwurf KJ 1968, S. 181 f.; NACH-DENKEN, S. 130–132.
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Die Kirche hat in den vergangenen 20 Jahren immer wieder einmal von dem ihr in der ersten Verfassung der DDR ausdrücklich zugestandenen und in der gegenwärtigen Verfassung nicht zurückgenommenen Recht Gebrauch gemacht, zu Lebensfragen unseres Volkes von ihrem Standpunkt – und also vom Standpunkt des Wortes Gottes aus (einen anderen Standpunkt hat sie nicht) –, Stellung zu nehmen. Derartige Stellungnahmen von Kirchenleitungen, Synoden und Bischöfen werden freilich nur dann wirklich gehört werden, wenn die Glieder der Kirche ihrerseits die ihnen in der sozialistischen Demokratie gegebenen Möglichkeiten der Meinungsäußerung wahrnehmen, wie es in der Volksdiskussion über bestimmte wichtige Gesetze und über die neue Verfassung in nicht wenigen Fällen geschehen ist. Wenn die Kirche in bestimmten Fällen aus ihrer Bindung an Gottes Wort ein parteiliches Nein gesagt hat, so geschah dies immer unter dem Vorzeichen des grundsätzlichen Ja zum Staat und niemals in der Absicht, der DDR zu schaden. Eines kann die Kirche freilich von ihrem Wesen her nicht: sich in ein antagonistisches Schema einbeziehen lassen. Damit würde sie sich selbst aufheben. Wo es dagegen um Versöhnung, Verständigung, um Beseitigung des Mißtrauens, um fantasievolle Schritte aufeinander zu, um Bekämpfung des Hungers, Hilfe in Notgebieten geht, wird sie das ihr Mögliche tun. Die gute Zusammenarbeit der Aktion „Brot für die Welt“ mit dem Roten Kreuz in der DDR ist ein Modell für mögliche Kooperation der Kirche mit Institutionen der Gesellschaft. In der Zukunft wird sich das Thema des Menschen und seiner Lebensmöglichkeit mit einer solchen Dringlichkeit melden, daß es unverantwortlich wäre, wenn in unserer Gesellschaft nicht alle, die etwas Hilfreiches dazu zu sagen haben, zur Bewältigung der uns gestellten und auf uns zukommenden Probleme das ihre beitrügen. Der Mensch steht auf dem Spiel! Es ist das Wort von der „gemeinsamen humanistischen Verantwortung“ von Christen und Marxisten gefallen. Bei dieser Formulierung handelt es sich vermutlich um eine Abkürzung; denn an eine Verantwortung unter dem Vorzeichen eines gemeinsamen Humanismus ist doch wohl nicht gedacht – das schiene mir auch von marxistischen Voraussetzungen her nicht gut denkbar. Gemeint darf aber sein eine gemeinsame Verantwortung für den Menschen auch von einer durchaus verschiedenen Auffassung vom Menschen aus. Eine gemeinsame Wahrnehmung der Verantwortung für den Menschen macht freilich den Dialog nötig. Wenn wir von einem solchen Gespräch reden, meinen wir nicht Auseinandersetzungen, bei denen ein Gesprächspartner recht behalten und den anderen ins Unrecht setzen oder den anderen ausschließlich von seiner eigenen Meinung in allen Stücken überzeugen möchte. Dialog – wie wir ihn verstehen – ist nicht ein getarnter Versuch der Diversion, der Erzeugung von Unruhe und Entzweiung, son-
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dern er will im Gegenteil dazu dienen, daß man verstehen lernt, wo der andere seine Verantwortung für den Menschen sieht, worin er Würde und Recht und Gefährdung des Menschen erkennt. Der Dialog setzt beiderseitige Hörbereitschaft und die Erwartung voraus, daß der Gesprächspartner entscheidende „Phänomene des Menschlichen“ (K. Barth) in den Blick bekommen hat. So wenig wir davon absehen können, daß wir durch Gottes Offenbarung Bescheid gesagt bekommen haben von des Menschen Elend, seiner Würde und seiner Bestimmung, so wenig dürfen wir erwarten, daß unser Gesprächspartner die Behauptung dieser Autorisierung unseres Wissens vom Menschen anerkennt. Das werden wir in der Art und Weise unseres Argumentierens zu bedenken haben. Wir wünschen uns einen offenen, verstehensbereiten, erwartungsvollen, auf die Wahrnehmung gemeinsamer Verantwortung zielenden Dialog. Wenn ein derartiges Gespräch von den Verantwortlichen unserer Gesellschaft jetzt nicht für sinnvoll gehalten wird, so müssen wir uns doch darauf vorbereiten und dafür bereit halten. Dazu bedarf es auf unserer Seite freilich nicht nur der Dialogwilligkeit, sondern auch der Dialogfähigkeit. Und dazu fehlt uns noch eine Menge. Die für 1971/72 vorgesehene Inangriffnahme von Teil 3 des Arbeitsplanes, den wir von der Kirche in Berlin-Brandenburg übernommen haben, mit dem Thema „Der Mensch in der Gesellschaft“, wird uns hier hoffentlich auf breiter Basis einen Teil unseres Rückstandes aufholen lassen. Die Verantwortung der Kirche für den Menschen ist begründet in dem in der Menschwerdung Gottes gesprochenen radikalen Ja zum Menschsein. In diesem Ja, in diesem „Humanismus Gottes“ ist die unüberbietbare Wert des Menschseins, jedes einzelnen Menschen wie der Menschlichkeit des Gemeinschaftslebens begründet. Der Satz, der Mensch sei das Maß aller Dinge, ist – von der „Mitmenschlichkeit Gottes“ her verstanden – heute ein christlicher Satz, den die Kirche gegen alle Gefährdungen des Menschen – gerade des einzelnen Menschen – in unserer technisierten Welt zu vertreten hat. Der Mensch bedarf, um Mensch sein zu können, eines unkontrollierten Freiheitsraumes persönlicher Überzeugungen und Entscheidungen. Wir sind dankbar, daß die Verfassung der DDR von 1968 allen Bürgern volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ausdrücklich zugesteht. In solchen Verfassungsbestimmungen liegt eine aus der Achtung vor dem Menschen geschehende Selbstbindung des Staates, seine Macht nicht dazu zu gebrauchen, um Überzeugungen zu erzwingen oder andere zu bekämpfen. Die Inanspruchnahme diese Rechtes, die verantwortliche Betätigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit stellt ein humanes und humanisierendes gesellschaftliches Verhalten dar. Umgekehrt muß sich die Einschränkung dieser Freiheit für den einzelnen Menschen wie für die ganze Gesellschaft als Schaden auswirken. Wir können nicht verschweigen, daß uns hier manches beschwert. Am beschwerlichsten liegen die Dinge auf dem Gebiet der Bildung und der
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Erziehung. In unseren Schulen wird die marxistisch-leninistische Weltanschauung nicht nur gelehrt, um den Schülern Kenntnisse zu vermitteln, sondern sie wird mit dem Anspruch auf Alleingültigkeit vertreten. Christliche Eltern müssen ihre Kinder ständig diesem Einfluß aussetzen. Sie sind damit in einer Situation, die sie nur dann nicht als eine Aufhebung ihrer Glaubensfreiheit empfinden müssen, wenn wenigstens sichergestellt ist, daß ihnen ihre Kinder nicht durch abfällige Bemerkungen von Lehrern über ihren christlichen Glauben und die Teilnahme an der christlichen Unterweisung innerlich entfremdet werden. Wir vermerken dankbar, daß es verständnisvolle und sich fair verhaltende Lehrer gibt und daß die zuständigen Stellen in einzelnen Fällen bei Übergriffen eingeschritten sind. Aber wir vermögen nicht zu verschweigen, daß bei vielen christlichen Eltern das Gefühl einer inneren Bedrückung eher zu- als abgenommen hat. Christliche Lehrer und Schüler haben nicht die Möglichkeit, ihre Glaubensüberzeugung in der Schule positiv zum Ausdruck zu bringen. Werden sie aufgefordert, ihren christlichen Standpunkt zu vertreten, so müssen sie das aus der Position des Angegriffenen heraus tun, der jedenfalls die Schüler noch nicht gewachsen sein können. Glaubensfreiheit gibt es aber nur da, wo jeder mit gleichen Chancen seinen Glauben öffentlich äußern kann. – Nicht selten erfahren die Kinder christlicher Eltern Benachteiligungen im Blick auf ihre Ausbildungsmöglichkeiten, was immer innere Verwundungen hinterläßt. – Zur Glaubensfreiheit gehört unabdingbar die Freiheit, die kirchliche Glaubensunterweisung unbehindert besuchen zu können. Die in einigen Kreisen getroffene Maßnahme, daß Kinder aus dem Schulhort nur dann zum Besuch der Christenlehre beurlaubt werden, wenn die Eltern für jede einzelne Christenlehrestunde neu einen schriftlichen Beurlaubungsantrag stellen, können wir nur als unzulässige und unzumutbare Erschwerung der Ausübung der uns garantierten Glaubensfreiheit und freien Religionsausübung ansehen. Es ist werktätigen Eltern nicht möglich, daß sie jedesmal rechtzeitig an die Christenlehre ihrer Kinder denken und dafür eine Beurlaubung beantragen. – Zur Glaubensfreiheit gehört selbstverständlich die Möglichkeit, ungehindert und uneingeschränkt das Leben in der christlichen Gemeinschaft praktizieren zu können, und das heißt: Kinder und jugendliche Glieder unserer Gemeinden müssen in ihrer schulfreien Zeit an Bibelrüstzeiten teilnehmen können, so oft und so lange sie bzw. ihre Eltern das wünschen. Wir sind dankbar, daß in diesem Jahre die Bibelrüstzeiten im allgemeinen haben ungehindert durchgeführt werden können und daß es in den meisten Fällen möglich war, örtliche Schwierigkeiten durch Verhandlungen zu beheben. Aber wir wünschten es uns, daß es hier überhaupt nicht erst zu Schwierigkeiten kommen möchte. Die immer wieder zu beobachtenden Versuche, Kinderkirchentage durch überraschend angesetzte schulische Pflichtveranstaltungen zu vereiteln, sind doch wohl überflüssig.
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Ich sage das nicht, um eine paar kleine kirchliche Wehwehchen künstlich hochzuspielen, die angesichts der großen gesellschaftlichen Probleme kaum ins Gewicht fallen können. So geringfügig das hier Gesagte erscheinen mag –: was auf dem Gebiet von Erziehung und Bildung geschieht, entscheidet über den Geist in der Gesellschaft von morgen. Aus der Verantwortung für diese Gesellschaft will das Gesagte verstanden sein. Ich kann es schon deswegen nicht anklagend sagen, weil ich um die Versündigung unserer Kirche in vergangenen Zeiten weiß. Ich denke etwa daran, in welcher Weise die Kirche in das Schulwesen hineinregiert hat und daß sie die Freidenker und ihre Kinder an den Rand der Gesellschaft zu drücken versucht hat. Wir haben die „Glaubensfreiheit“ der anderen nicht gerade überzeugend geachtet. Nur: müssen frühere Fehler der Kirche unbedingt wiederholt werden? Die Schaffung einer „Menschengemeinschaft, in der einer des anderen Freund“ sein soll, wird nur gelingen, wenn es den Respekt vor der Freiheit der anderen Überzeugung und des anderen Glaubens gibt. Wo Glaubensfreiheit praktiziert und respektiert wird, geschieht etwas Entscheidendes für das Leben einer Gesellschaft. Das gilt ganz entsprechend auch für die Gewissensfreiheit10. Ich möchte auch hier nur auf einem Punkt eingehen, auf die Frage der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Vor 5 Jahren – im September 1964 – wurde die „Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates der DDR über die Aufstellung von Baueinheiten im Bereich des Ministeriums für Nationale Verteidigung“11 erlassen. Viermal sind seitdem Einberufungen zu den Baueinheiten ergangen. Die Tatsache, daß die DDR in der Schaffung von Baueinheiten auf Gewissensentscheidungen wehrpflichtiger junger Männer Rücksicht genommen hat, ist von der Kirche immer dankbar anerkannt worden. Nach der Erfahrung der zurückliegenden 5 Jahre kann auch dankbar festgestellt werden, daß es von seiten der Armee zu keinen Diskriminierungen der Bausoldaten gekommen ist und daß im Unterschied zu den oft jahrelang währenden Prozessen in Westdeutschland die Musterungskommissionen seit Einrichtung der Baueinheiten die schriftliche Erklärung solcher, welche aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnen, ohne große Verhandlungen entgegennehmen. Die anbei mitunter geführten Diskussionen sind fast durchweg korrekt und fair verlaufen, selbst dann, wenn einer erklärte, auch den Dienst in den Baueinheiten nicht tun zu können. 10 Die „volle Glaubens- und Gewissensfreiheit“ war seit der Verfassung der DDR von 1949 (Art. 41) verankert. Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIa, S. 583. 11 Vgl. oben Dokument 21a, Anm. 2, S. 202. In § 4 heißt es: „Zum Dienst in den Baueinheiten werden solche Wehrpflichtigen herangezogen, die aus religiösen Anschauungen oder aus ähnlichen Gründen den Wehrdienst mit der Waffe ablehnen.“ GBL. DDR I, 1964, S. 129.
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Das alles kann freilich nicht darüber hinweg täuschen, daß die Anordnung über die Aufstellung von Baueinheiten den Gewissensbedenken nur zum Teil Rechnung getragen hat. Das in der Anordnung vorgesehene Gelöbnis unterscheidet sich inhaltlich kaum vom Fahneneid, so daß immer wieder Bausoldaten es verweigert haben. Wiewohl es deswegen nur in ganz wenigen Fällen zu strafrechtlichen Maßnahmen gekommen ist, stellt die bisherige Handhabung der Gelöbnisabnahme weder für die Armee noch für die einzelnen Bausoldaten eine befriedigende Lösung dar. Das Hauptproblem des Dienstes in den Baueinheiten stellt indessen der Einsatz an eindeutig militärischen Objekte dar. Viele Bausoldaten sehen darin eine nicht tragbare Belastung ihrer Gewissensentscheidung. Das führt dazu, daß es zu einer Reihe von Verurteilungen von Bausoldaten wegen Befehlsverweigerung gekommen ist und daß auf der anderen Seite immer wieder junge Christen auch diesen Wehrersatzdienst ablehnen und lieber eine Gefängnisstrafe in Kauf nehmen. Solange Wehrersatzdienst an militärischen Objekten geleistet werden muß, kann die Kirche die Entscheidung der Verweigerer auch dieses Wehrersatzdienstes nicht verwerfen, zumal dieselben immer wieder ihre Bereitschaft erklärt haben, einen anderen, friedlichen Zwecken dienenden Einsatz in der Gesellschaft zu leisten. Es braucht nicht betont zu werden, daß die Kirche dem einzelnen jungen Menschen die Gewissensentscheidung nicht abnehmen kann. Junge Christen haben sich in verschiedener Richtung entschieden. Die Kirche muß aber für die Respektierung jeder Entscheidung eintreten, die aus dem Gewissen kommt. Im Gegensatz zur Gleichberechtigung der Baueinheiten innerhalb der NVA gibt es im zivilen Bereich – vor allem im Erziehungswesen – mitunter Schwierigkeiten. Das gilt von der vormilitärischen Ausbildung an den Schulen und Hochschulen, vor allem jedoch von der Studienzulassung von zu den Baueinheiten gemusterten jungen Christen an verschiedenen Technischen Hochschulen. Die im März 1966 erlassene „Prüfungsordnung für Universitäten und Hochschulen in der DDR“ fordert die Ableistung der vormilitärischen bzw. militärischen Ausbildung. Die Anerkennung des Wehrersatzdienstes in den Baueinheiten als militärische Ausbildung durch die Prorektorate ist nicht immer gegeben, so daß verweigerte Zulassungen bzw. Exmatrikulationen von zu den Baueinheiten gemusterten jungen Männern vorgekommen sind. Dabei muß anerkannt werden, daß eine ganze Anzahl solcher Fälle in Einzelverhandlungen befriedigend bereinigt werden konnten. Wir möchten jedoch gern vermieden sehen, daß junge Menschen wegen ihrer Bereitschaft, zu den Baueinheiten zu gehen, ihrer Fortbildungsmöglichkeiten durch Studienplatzverweigerung oder gar Maßnahmen innerhalb der Erweiterten Oberschule auf Jahre hinaus beraubt werden. Bischof D. Jänicke hat wiederholt seine Gesprächsbereitschaft über diese Fragen den staatlichen Stellen gegenüber bezeugt. Ich möchte gern dieses
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ihm so wichtig gewesene Anliegen aufnehmen, weil ich der Überzeugung bin, daß die hier noch bestehenden Schwierigkeiten durchaus lösbar sind. Die Gewissensüberzeugung dieser zu jedem nicht-militärischen Friedensdienst bereiten jungen Männer stellt für die Gesellschaft nicht nur keine Gefahr, sondern einen echten Wert dar. Das gilt von jeder ehrlichen Gewissensentscheidung, selbst dann, wenn sie im Widerspruch zu den Auffassungen der die Gesellschaft bestimmenden Kräfte führt. Solange solch ein vom Gewissen her kommender Widerspruch ohne ernstliche Gefährdung der gesellschaftlichen Ordnung sich äußert, müßte ihn die Gesellschaft sich gefallen lassen können. Bestrafung von Gewissen hat immer eine lähmende Wirkung. Die Kirche hat in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für den Menschen insbesondere für die dazusein, die sich gesellschaftlich in den schwächeren Positionen befinden. Darum habe ich im Eingehen auf das Problem der Glaubens- und Gewissensfreiheit unser Augenmerk auf unsere Kinder und Jugendlichen und auf die Wehrdienstverweigerer gerichtet. Ich habe die Schwierigkeiten offen ausgesprochen, weil eine Gesellschaft nur dann gesund bleiben kann, wenn in ihr das ehrliche Wort nicht verstummt. Wahrnehmung der Verantwortung gibt es überhaupt nur in der Wahrhaftigkeit. Der Mut zur Offenheit und Wahrhaftigkeit enthält immer das Moment des Vertrauens. [. . .]
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28 a Bericht der Kirchenleitung auf der 5. Tagung der VI. Synode Wernigerode Johannisgemeinde, 6. November 1970 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 101, S. 1–43, hier: S. 34–43 (hekt.).
Schwerpunkt: Standort- und Aufgabenbestimmung des Christen in der Gesellschaft Gliederung: 1. Koordinierung der Leitungstätigkeit. 2. Verbreiterung der Mitverantwortung. 3. Weiterentwicklung der Ausbildung. 4. Änderungen in den dienstrechtlichen Verhältnissen. 5. Öffnung zur Zusammenarbeit. 6. Verantwortlicher Dienst in der Gesellschaft.
[. . .] 6.
Verantwortlicher Dienst in der Gesellschaft Die Kirche steht nicht neben oder außerhalb der Gesellschaft, sondern in ihr. Die Glieder der Kirche sind immer zugleich Glieder der Gesellschaft, in der sie sich vorfinden und die sie so oder so mitgestalten. Sie stehen in den vielfältigsten gesellschaftlichen Beziehungen – an ihren Arbeitsplätzen, in ihren Wohnhäusern, in den Geschäften, in ihrer Anteilnahme am kulturellen Leben – und sind dort – gewollt oder ungewollt – gesellschaftswirksam. Sie können dabei niemals und nirgends davon absehen, daß sie Glieder der Gemeinde Jesu Christi sind. Sie sind nicht nur „in der Kirche“, wenn sie sich als Gemeinde versammeln, sondern sie sind „in der Kirche“ – nämlich im Lebenszusammenhang des Leibes Christi – auch dann, wenn sie auseinandergestreut sind an die Orte ihres weltlichen Daseins. Sie sind dort nicht als freischwebende „Christen“ anwesend, sondern als Glieder der Kirche und also beauftragt mit dem Dienst der Versöhnung. Daß sie Glieder der Kirche sind, ist von ihnen schlechterdings nicht wegzudenken. Solange die Deckungsgleichheit von Kirche und Gesellschaft bestand, schien dies keine besonderen Probleme zu enthalten. Seitdem diese Identität nicht mehr vorhanden ist und in unserem Lebensraum der Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat nach marxistischleninistischem Verständnis praktiziert wird, ist das Verhältnis der
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Kirche und ihrer Glieder zur sozialistischen Gesellschaft eine immer wieder neu zu bedenkende Aufgabe. Gerade in Gemeinden mit sehr aktiver Beteiligung von Menschen in weltlichen Berufen wird darum kaum eine Frage so viel besprochen wie die nach der Gestaltung der sozialistischen Menschengemeinschaft_1 und ihrer Verantwortung für diese. Wäre mit der sozialistischen Menschengemeinschaft die Weltanschauungsgemeinschaft der Marxisten-Leninisten intendiert, so wären die Glieder der Kirche natürlich nicht in sie zu integrieren, gerieten also in eine gesellschaftliche Abseitsstellung. Ist damit aber eine Form des menschlichen Zusammenlebens gemeint, in der man sich füreinander und für die Gesellschaft verantwortlich weiß, so kann in dieser Zielstellung etwas von dem erkannt werden, worin nach christlichem Verständnis das durch Gottes Liebe vorgezeichnete Miteinander-Menschsein besteht. Von den ihr Leben bestimmenden Voraussetzungen ihres Glaubens her können sich die Glieder der Kirche an der Verwirklichung gesellschaftlicher Ziele beteiligen, auch wenn diese nicht von ihnen gesetzt werden. Sie können und werden um so eher dazu bereit sein, wenn sie die Aussicht haben, daß ihr Sachbeitrag für den gesellschaftlichen Prozeß wirksam wird. Die Versuchung zu einer negativ-kritischen Distanz kann aus hierbei gemachten Enttäuschungserlebnissen kommen; sie erwächst aber auch unabhängig von der Glaubensbasis aus dem Abstand, den die Verwirklichung einer solchen sozialen Ordnung von den angestrebten Zielen hat. Dabei muß man sich indessen klar machen: einer solchen Kritik kann keine von Menschen je praktizierte Ordnung des Zusammenlebens standhalten, schon gar nicht die in Vergangenheit und Gegenwart als „christlich“ deklarierten Gesellschaftsordnungen. Diese grundsätzliche Einsicht verbietet keineswegs Kritik an konkreten Mißständen, wohl aber ungerechtfertigte Pauschalurteile. Im übrigen entstehen für den gesellschaftlichen Einsatz des Christen die wirk1 In den letzten Regierungsjahren Ulbrichts, Ende der 1960er Jahre, war propagandistisch verkündet worden, die Entwicklung des Sozialismus habe ein Stadium erreicht, in dem alle Klassen- und Interessenunterschiede in der Gesellschaft überwunden seien und die sozialistische Gesellschaft sich zu einer sozialistischen Menschengemeinschaft verwandelt habe. Das damit verbundene Leitbild des sozialistischen Menschen war das eines allseitig gefestigten sozialistischen Funktionsträgers, der seine Weltanschauung offen und überall zur Schau trägt, sowohl bei der Arbeit als auch im Privatleben: Er kommt seinen politischen Verpflichtungen stets willig nach, erfüllt die Anforderungen der Partei in seinem Arbeitsbereich gewissenhaft und ordnet seine privaten Wünsche den gesellschaftlichen Erfordernissen unter. Der Begriff „Sozialistische Menschengemeinschaft“ verschwand nach dem Ausscheiden W. Ulbrichts aus der DDR-Führung sehr bald aus dem öffentlichen Sprachschatz. W. WEIDENFELD/H. ZIMMERMANN, Deutschland-Handbuch, S. 79, 221.
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lich bedrängenden Fragen nicht so sehr bei den Prinzipien und Zielsetzungen, sondern in den konkreten Situationen, die ihm Entscheidungen abverlangen als Mitarbeiter im Betrieb, bei den Anforderungen des Bildungssystems, bei dem politisches Verhalten gegenüber anderen Völkern und Machtpositionen. Welche Hilfe bietet das Evangelium den einzelnen Menschen und sozialen Gruppen bei den tagtäglichen und stets konfliktträchtigen Entscheidungen? Was hat die Kirche zu verkündigen, wenn sie die Antworten weder in undifferenzierter Akklamation (Zustimmung) noch in prinzipieller Negation (Verneinung) geben darf, weil damit das Zeugnis der Versöhnung verdunkelt würde? Die Gewißheit, daß nur Jesus Christus die Wahrheit und das Leben ist. Diese Gewißheit befreit zum Ertragen der Bruchstückhaftigkeit unseres Erkennens. Daß „unser Wissen Stückwerk“ ist (1. Kor 13,9), können und müssen wir gelten lassen sowohl im Blick auf uns selbst als auch im Blick auf unser Gegenüber, auch wenn von diesem der Besitz der vollen Wahrheit behauptet wird, wie es in der „wissenschaftlichen Weltanschauung“ des Marxismus der Fall ist. Die Einsicht in unser stückweises Erkennen ermöglicht auch im politischen Bereich eine Toleranz, die die eigene Glaubenserkenntnis nicht verleugnet, aber die rechthaberische Behauptung des eigenen Standpunktes als des allein richtigen ausschließt und dafür die Erwartung einschließt, auch bei dem anderen richtige Erkenntnisse anzutreffen. Die Einsicht in die begrenzte Erkenntnisfähigkeit macht das Gespräch erforderlich. Die christliche Gemeinde tut der Gesellschaft einen entscheidenden Dienst, wenn sie Ort des offenen Dialogs ist, in dem alle Lebens- und Sachprobleme erörtert und die Lösungen gesucht werden, die sich im Hören auf das Wort Gottes ergeben. In diesem Dialog wird das Ernstnehmen der anderen Meinung, die Überprüfung der eigenen Auffassung auf unkontrollierte Vorurteile und die unbedingte Vorrangigkeit des sachlichen Arguments eingeübt. Da der „Dienst der Versöhnung“ nicht beschränkt ist auf die Frage nach dem persönlichen Heil, sondern auf Verantwortung in allen Lebensbereichen aus ist, ist die Gesprächsthematik grundsätzlich nicht eingrenzbar. Gelegentliche Vorwürfe oder Einsprüche politischer Stellen gegen bestimmte Themenstellungen als nicht zur religiösen Thematik gehörend, verkennen, daß der christliche Glaube es mit dem Menschen in allen seinen Lebensbereichen zu tun hat und daß es für ihn eine Trennung von „religiös“ und „profan“ nicht gibt „Religionsausübung“ geschieht für den evangelischen Christen nicht nur in Gottesdiensten oder in den Zusammenkünften der Gemeinde,
Bericht der Kirchenleitung, 6. November 1970
6.1.2.
6.1.3.
6.2.
6.2.1.
269
sondern ist gleichbedeutend mit dem vom Evangelium bestimmten Lebensvollzug in seinem ganzen Umfang. Übt die Gemeinde das offene, sachliche Gespräch, so werden die Glieder der Gemeinde auch zu sachlichen Gesprächspartnern im politischen Raum. Die Kirchenleitung weiß aus einer Reihe von Kirchenkreisen, daß dort dieses offene, sachbestimmte, von gegenseitigen Vorurteilen und Verdächtigungen unbelastete Gespräch mit Vertretern unseres Staates möglich ist. Auch die Kirchenleitung nimmt durch Beauftragte die Möglichkeiten derartiger Gespräche wahr, in denen versucht wird, einander zu verstehen und zu verständigen, Mißverständnisse aufzuklären, Mißhelligkeiten zu beräumen, tragbare Lösungen zu finden. Die Kirchenleitung ist öfter darauf angesprochen worden, daß Arbeitsgespräche mit begrenztem Teilnehmerkreis sehr viel fruchtbarer sind als Veranstaltungen, bei denen kein wirkliches Gespräche möglich ist. Ein ermutigendes Beispiel für die positive Möglichkeiten solcher Gespräche ist die Art und Weise, in der die Frage der Durchführung von diakonischen Rüsten in Heimen mit hirngeschädigten Kindern geklärt worden ist. Nachdem gegen diese Rüsten im Jahre 1969 staatlicherseits schwerwiegende Einwände gemacht und Verbote ausgesprochen worden waren, hat die Kirchenleitung beschlossen, daß um des Evangeliums willen, das den Dienst an den Schwachen gebietet, diese Rüsten durchgeführt werden müßten. Sie hat die Sachgründe mündlich dem Rat des Bezirkes Magdeburg und schriftlich der Dienststelle des Staatsekretärs für Kirchenfragen und dem Ministerium für Gesundheitswesen dargelegt und gebeten, die Entscheidung gegen diese Rüsten zu überprüfen. Zu unserer Freude ist uns mitgeteilt worden, diese Rüsten könnten in dem bisherigen Umfang durchgeführt werden. Die Kirchenleitung möchte den Stellen unseres Staates für diese sachliche Entscheidung danken. Die Botschaft von der Versöhnung. Sie ist etwas anderes als der „versöhnlerische“ Versuch, Gegensätze herunterzuspielen, um nicht angegriffen werden und alles beim alten belassen zu können. Aber die Botschaft von der Versöhnung als der neuen Gemeinschaft mit Gott und untereinander schließt die Versachlichung der Gegensätze und damit die Vermenschlichung ihres Ausgetragenwerdens ein. Vermenschlichung heißt, daß auch bei scharfem Gegensatz die Verteufelung des Gegners und alle primitive Schwarz-Weiß-Malerei zu unterbleiben hat. Die christliche Gemeinde leistet der Gesellschaft einen wichtigen Dienst, wenn in ihr selbst die Differenzen und gegensätzliche Auffassungen nicht verwischt, sondern offen ausgetragen werden und
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Berichte und Beschlüsse
dabei die Gemeinschaft erhalten bleibt, auch wenn es nicht gelingt, zu einer einmütigen Auffassung zu gelangen. Weil sie aus der Versöhnung lebt und im Dienst der Versöhnung steht, hat sie die besten Voraussetzungen, ein Modell dafür zu liefern, wie man beisammen bleiben kann auch bei sehr unterschiedlichen theologischen und politischen Überzeugungen. 6.2.2.
Aus dieser Grundhaltung heraus verbietet sich für die Kirche Jesu Christi unsachliche Polemik gegen die Weltanschauung des Marxismus-Leninismus. Sie versucht bei uns vielmehr, diese zu verstehen und ihre humanistischen Anliegen zu würdigen, wiewohl natürlich die atheistische Komponente nicht verkannt wird. An die Stelle antikommunistischer Ressentiments, die es in der Nachkriegszeit auch noch in der Kirche gab, ist eine sehr viel sachlichere Einstellung getreten. Freilich wird es um so schwerer, eine solche Offenheit gegenüber den humanistischen Zielen und Gestalten des Sozialismus durchzuhalten, je öfter sie auf antireligiöse Intoleranz stößt. Leider erfahren dies immer wieder christlich erzogene Kinder von seiten einzelner Lehrer oder in einzelnen Schulen. Der Kirchenleitung sind Fälle bekannt geworden, in denen öffentlich vor Schulklassen erklärt worden ist, es werde keinerlei Eintreten für die Kirche in der Schule geduldet; die Jungen Gemeinden oder die von den unseren Pfarrern im katechetischen Dienst geleiteten Zusammenkünfte wurden als illegal hingestellt. In einem Kreis wurde sogar von dem Kreisschulrat erklärt, diejenigen Schüler, die zur Konfirmation gingen, könnten nicht mit einer weiteren schulischen Förderung rechnen. Es mehren sich die Fälle, in denen Lehrer versuchen, Schüler, die an der Jugendweihe teilgenommen haben, von der Konfirmation abzuhalten. In einer Erweiterten Oberschule sollten die Schüler Erklärungen über ihre Stellung zur Kirche und über ihre Teilnahme an kirchlichen Zusammenkünften abgeben. Sicher: es handelt sich hier um Einzelfälle. Aber sie genügen, daß bei sehr vielen christlichen Eltern und ihren Kindern das Gefühl wächst, sie seien in der sozialistischen Menschengemeinschaft erst dann erwünscht und gleichberechtigt, wenn sie ihren christlichen Glauben und ihre Bindung zur Kirche aufgegeben haben. Es wäre für das Wachsen der sozialistischen Menschengemeinschaft zweifellos von Schaden, wenn dieses Gefühl Nahrung bekäme. Es soll dankbar bestätigt werden, daß in einzelnen Fällen sich die Räte der Bezirke und Kreise eingeschaltet und andere Entscheidungen veranlaßt haben. So wurde z. B. ein Schulzeugnis, in dem bei einem jungen Menschen die Teilnahme an kirchlichen Zusammenkünften kritisiert worden war, zurückgenommen. Zur Zeit bewegt uns allerdings die Frage, ob diese Einzelfälle Anzeichen dafür
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271
sind, daß auf dem Gebiet des Bildungswesens eine stärkere weltanschauliche Bindung durchgesetzt werden soll. Gilt noch der Grundsatz, daß die Schule Erkenntnisse fördert, aber keine Bekenntnisse fordert? 6.3.
Die Hoffnung auf das kommende Reich Gottes. Weil Christen glauben, daß das Reich Gottes, das Reich des vollen Heils und des Friedens, nicht von den Menschen geschaffen wird, können sie dort mitarbeiten, wo eine bessere soziale Ordnung erstrebt wird. Ihre Hoffnung befreit sie dazu, „sich an der Vorwegnahme des Reiches Gottes zu beteiligen und schon heute etwas von der Neuschöpfung sichtbar werden zu lassen, die Christus an seinem Tag vollenden wird.“2
6.3.1.
Die alttestamentliche Prophetie läßt uns das messianische Friedensreich sehen als ein Reich, in dem die Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. Gottes Wort läßt uns also nicht auf ein Jenseits, sondern auf eine Welt ohne Waffen hoffen. Nachdem die Kirchen sich jahrhundertelang bis zum 2. Weltkrieg vordringlich mit der Frage beschäftigt haben, ob und unter welchen Bedingungen der Krieg als ein äußerstes und letztes Mittel der Politik zur Verteidigung oder Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit gelten könne und ob der Christ sich an ihm beteiligen dürfe, drängen heute namentlich ihre jungen Glieder darauf, daß sich die Kirchen endlich mit mindestens derselben Intensität darum zu mühen hätten, wie Kriege verhindert und der Frieden gesichert werden könne. Manche von ihnen sind der gewissensmäßigen Überzeugung, die totale Abrüstung sei der einzige Weg hierzu und sie ziehen für sich daraus die Konsequenz, daß für sie nur ein Friedensdienst ohne Waffen in Frage kommen könne. So ist auf der letzten Tagung unserer Synode die Kirchenleitung beauftragt worden, bei den zuständigen Stellen unseres Staates wegen eines nichtmilitärischen Friedensdienstes vorstellig zu werden3. Die Kirchenleitung hat sich dieses Auftrages in großer Verantwortlichkeit angenommen. Sie hat zunächst die von unserem Staat gesetzlich geordneten Möglichkeiten eines waffenlosen Wehrersatzdienstes in den Blick genommen und hat die zuständigen Ministerien auf beschwerliche Sachverhalte aufmerksam gemacht und um deren Be-
2 Uppsala 1968 [Orig. Anm.]. 3 Schreiben der Evangelischen Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen (I-377/70) an das Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR vom 15.5.1970. AKPS, Rep. C 1, Nr. 101, Anlage zu Dr. 15/70 (Bericht über die Durchführung der auf der 4. Tagung der VI. Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 15. bis 19.11.1969 gefaßten Beschlüsse).
272
Berichte und Beschlüsse
hebung gebeten. So hat sich die Kirchenleitung mit dem Einverständnis der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR in einem 6.3.1.1. Schreiben an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen4 gewandt mit der Bitte, es möchten Härten oder Benachteiligungen von Studenten oder Studienbewerbern, die sich für den Dienst in den Baueinheiten entschieden haben, vermieden werden. Diese müßten die gleichen Bildungschancen haben und ebenso behandelt werden wie diejenigen, die sich für den Dienst mit der Waffe entschieden haben, da der Dienst in den Baueinheiten ein gesetzlich ermöglichter Weg der Erfüllung der Wehrpflicht sei und als militärischer Dienst gelte. Der Kirchenleitung ist über den Rat des Bezirkes Magdeburg ein mündlicher Bescheid gegeben worden, der allerdings durch eine inzwischen ergangene Anordnung des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen überholt zu sein scheint. Die Sachlage ist für uns noch nicht klar; die Besorgnisse sind groß. Der Rat des Bezirkes Magdeburg hat uns aber ein weiteres Gespräch in dieser Sache zugesagt. 6.3.1.2 Weiter hat die Kirchenleitung – wiederum im Einverständnis mit der Konferenz – ein Schreiben an das Ministerium für Nationale Verteidigung5 gerichtet, in dem darum gebeten wird, es möchten die in der Anordnung für die Aufstellung von Baueinheiten vorgesehenen Möglichkeiten des Einsatzes an nicht-militärischen Objekten voll ausgeschöpft werden, damit Gewissensbelastungen vermieden werden. Die Kirchenleitung hat ein von Admiral Verner unterzeichnetes Antwortschreiben6 erhalten, in dem darauf hingewiesen wird, daß der Einsatz der Bausoldaten im Rahmen der gesetzlichen Festlegungen geschehe, die u. a. den Ausbau von Verteidigungs- und sonstigen militärischen Anlagen vorsähen, und daß die zu erfüllenden Aufgaben von den gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen und Notwendigkeiten abhängig seien. Angesichts der 4 Schreiben der Evangelischen Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen (I-203/70) an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, Hauptabteilung Militärische Ausbildung, vom 20.3.1970. AKPS, Rep. C 1, Nr. 101, Anlage zu Dr. 15/70 (Bericht über die Durchführung der auf der 4. Tagung der VI. Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 15.–19.11.1969 gefaßten Beschlüsse). 5 Vgl. oben Anm. 4. 6 Schreiben des stellvertretenden Ministers für Nationale Verteidigung, Admiral Waldemar Verner (Tgb.-Nr. B/59/70), an Bischof Dr. Werner Krusche vom 11.6.1970. AKPS, Rep. C 1, Nr. 101, Anlage zu Dr. 15/70 (Bericht über die Durchführung der auf der 4. Tagung der VI. Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 15. bis 19.11.1969 gefaßten Beschlüsse). Schreiben abgedruckt in: U. KOCH/S. ESCHLER, Zähne hoch Kopf zusammenbeissen, S. 57–59.
Bericht der Kirchenleitung, 6. November 1970
6.3.2.
273
friedenserhaltenden Rolle der Streitkräfte der DDR bestünde kein begründeter Anlaß, die Aufgabenstellung für die Baueinheiten zu verändern. Der Inhalt dieses Schreibens hat der Kirchenleitung deutlich gemacht, daß die DDR mit der Anordnung über die Aufstellen von Baueinheiten offenbar das ihr möglich und nötig Erscheinende in der Berücksichtigung der Anliegen derer, die den Dienst mit der Waffe ablehnen, getan hat und daß sie weitergehenden Wünschen nicht entsprechen wird. Die Kirchenleitung hat aus diesem Grunde davon Abstand genommen, die Frage eines nicht-militärischen Friedensdienstes in der Form eines zivilen Ersatzdienstes an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik heranzutragen. Eine befriedigende Regelung für diejenigen, die ihren Friedensdienst nur außerhalb der Armee zu leisten sich imstande sehen, ist offensichtlich jetzt nicht zu erreichen. Die Kirchenleitung wird eine solche Gewissensentscheidung als eine echte Möglichkeit des Gehorsams und als ein mögliches Zeichen der Hoffnung auf das kommende Reich Gottes ansehen. Der Weltfrieden ist nicht zu erreichen ohne den Kampf gegen die Weltarmut. Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Uppsala hat die Kirchen aufgefordert, in ihren Ländern darauf zu drängen, daß die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den jungen Nationalstaaten den Vorrang unter den sozial-ökonomischen Zielsetzungen erhält. Nicht die Verteidigung ihrer Errungenschaften, sondern die Beteiligung der wirtschaftlich Benachteiligten daran können den Wohlhabenden der ganzen Welt den Frieden sichern. Diese konkreten politischen Forderungen können aber nur in der Gemeinsamkeit aller Staaten und ihrer allein für die Wirtschafts- und Außenhandelspolitik verantwortlichen Regierungen realisiert werden. Die Kirchen haben erkannt, daß die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den jungen Nationalstaaten den Vorrang unter den sozial-ökonomischen Zielsetzungen erhält. Nicht die Verteidigung ihrer Errungenschaften, sondern die Beteiligung der wirtschaftlich Benachteiligten daran können den Wohlhabenden der ganzen Welt den Frieden sichern. Diese konkreten politischen Forderungen können aber nur in der Gemeinsamkeit aller Staaten und ihrer allein für die Wirtschafts- und Außenhandelspolitik verantwortlichen Regierungen realisiert werden. Die Kirchen haben erkannt, daß karitative Hilfen zwar Notstände lindern, aber nicht die Ursachen der Weltarmut beseitigen können. Wenn sie sich für eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in den Entwicklungsländern einsetzen wollen, so bedingt dies die Zusammenarbeit mit dem Staat und dessen Beteili-
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Berichte und Beschlüsse
gung an den großen Weltorganisationen, die die UNO jetzt zum gemeinsamen Handeln im 2. Entwicklungsjahrzehnt aufgerufen hat. Die Kirchen in der DDR können sich an dieser Aufgabe nur beteiligen, wenn der Staat davon überzeugt werden kann, daß sie keinerlei andere Interessen damit verbinden als die Unterstützung der jungen Nationalstaaten auf ihrem mühseligen Weg zu einer besseren sozialen Gerechtigkeit. In ihnen sehen wir heute den armen Lazarus, der vor des Reichen Tür liegt. Die Kirchen können dafür außer den ihnen anvertrauten Spenden vor allem ihre Mitwirkung an der Bewußtseinsbildung einsetzen, die erforderlich ist, damit der Staat die wirtschaftliche Förderung bei seinen sozialökonomischen Zielsetzungen gebührend berücksichtigend kann. Bei dieser humanistischen Friedensarbeit dürfen die Unterschiede in den Ausgangspositionen und Zielsetzungen nicht die erforderliche Solidarität der Verantwortung gefährden. Sie verlangt von uns Offenheit gegenüber dem Streben, die sozialen Strukturen zu verändern, die die soziale Ungerechtigkeit unter den Völkern bewirkt haben. Die Kirche wird hinsichtlich des Umfangs ihrer Wirkungsmöglichkeit sehr bescheiden sein müssen. Die Kirchenleitung hat mit diesem Bericht versucht zu beschreiben, welchen Weg sie gegangen ist, welche Fragen an sie gestellt wurden, welche Entscheidungen sie getroffen hat und vor welchen Aufgaben sie die Kirche sieht. Dabei ist ihr ständig deutlich geworden, daß es auch bei bester Absicht keinen schuldfreien Weg gibt. Sie steht aber im Dienst der Versöhnung, indem sie selbst von dem Wort der Versöhnung lebt und mit der Christenheit beten darf: „Vergib uns unsere Schuld!“ BeschlussderSynode,10.November1970 BerichteundBeschlüsse
28 b Beschluss der Synode zum Bericht Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 101, Dr. 31/70, S. 1–2, hier: S. 2 (hekt.) und Protokoll des 5. Sitzungstages am 10.11.1970, S. 1–8, hier: S. 1–2 (masch.).
[. . .] 3.8. Die Kirchenleitung hat in Abschnitt 6 ihres Berichtes ein heißes Eisen angefaßt. Die Synode begrüßt den Versuch, unter anderem mit der Stellungnahme zu zentralen Begriffen aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit die auf der letzten Synode gegebenen Aufgaben- und
Beschluss der Synode, 10. November 1970
275
Standortbestimmung des Christen weiterzuführen. Dieser Anstoß zum Denken und Handeln bedeutet eine Einladung an Gemeindeglieder und Gemeinden, sich aus der Verpflichtung vom Evangelium her um konstruktive Lösungen zur Verbesserung menschlichen Zusammenlebens zu bemühen. Besonders notvolle Ereignisse auf schulischem Gebiet werden immer wieder aus einer ganzen Reihe von Kirchenkreisen, wie z. B. aus dem Kreise Querfurt, bekannt. Die Synode erwartet von der Kirchenleitung und den Kirchenkreisen beharrliche und nicht aufzugebende Verhandlungen mit allen staatlichen Organen zur Gewährleistung der in der Verfassung garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit7. Die Synode hat davon Kenntnis genommen, daß die „Kirchenleitung durch Beauftragte die Möglichkeit ‚von Gesprächen‘ mit Vertretern unseres Staates“ wahrnimmt8. Sie hielte es für bedenklich, wenn der Vorsitzende der Kirchenleitung die Möglichkeit zu solchen Gesprächen mit allen staatlichen Organen nicht bekäme9. Die Synode ermutigt die Kirchenleitung, an ihrer Bereitschaft zu einem offenen Dialog unverdrossen festzuhalten, auch wenn der Gesprächspartner sich zeitweilig einem Dialog verschlossen zeigt10. [. . .]
7 8 9 10
6.2.2. [Orig. Anm.]. S. 37 [Orig. Anm.]. 6.1.2. [Orig. Anm.]. 6.3.1.2. [Orig. Anm.].
BerichtderKirchenleitung,6.November1971 BerichteundBeschlüsse
29 a Bericht der Kirchenleitung auf der 6. Tagung der VI. Synode Halle Diakonissenmutterhaus, 6. November 1971 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 102, S. 1–32, hier: S. 24–30, mit Anmerkungen S. 1–8, hier: S. 7 f. (hekt.). Teilabdruck in: KJ 98, 1971, S. 241–243. – Teilabdruck aus Kap. 1 des Berichtes in: „Rheinischer Merkur“, 3.12.1971: „Da ist keiner, der gerecht sei . . . Sächsische [sic!] Kirchenleitung leugnet absolute Unterschiede der Gesellschaftsordnung. Ein Dokument aus Magdeburg.“
Schwerpunkt: Benachteiligung von christlichen Kindern und Jugendlichen im Bildungswesen Gliederung: 1. Der Dienst der Versöhnung. 2. Das Aufeinanderzugehen der Kirchen. 3. Die Bemühungen in der eigenen Kirche. 4. Die heutigen Aufgaben der Gemeinden. Anlagen zum Bericht: 1. Brief von Bischof Krusche vom 22.12.70 an Carl Ordnung als Antwort auf dessen Artikel in der „Neuen Zeit“ vom 19.12.1970. 2. Schreiben der KKL an den Generalsekretär des ÖRK Blake vom 9.1.1971 (Unterstützung des Antirassismusprogramms). 3. Beschluss der KKL vom 26.6.1971 zur VVO und zu Bibelrüstzeiten; Beschluss der KKL vom 6.7.1971 zur Anmeldepflicht kirchlicher Veranstaltungen. 4. Apostolisches Glaubensbekenntnis (ökumenische Textfassung). 5. Rv KPS vom 8.3.1971 zur Neuordnung der Konfirmation. 6. Erläuterungen zur Rv vom 8.3.1971. Der Bericht über die Volksbildungssituation, der bei dieser Synodaltagung vorgelegt wurde, wird hier unten im Anhang, als Anlage Nr. IV, S. 589-595 beigefügt und erläutert.
[. . .] 4.5.1.1 Auf den Kreissynoden dieses Jahres, die sich mit dem von der Kirchenleitung empfohlenen Thema „Die Verantwortung der Gemeinde für die Kinder“ befaßt haben, kam die Not christlicher Eltern auf die schulische Situation ihrer Kinder erschütternd zur Sprache. Im letzten Kirchenleitungsbericht war bereits auf einzelne Fälle hingewiesen worden, in denen von seiten der Schule Druck auf christliche Eltern oder auf deren Kinder ausgeübt worden ist, und es hieß dort: 1 Vgl. KL-Bericht 1970, 6.2.2. [Orig. Anm.].
Bericht der Kirchenleitung, 6. November 1971
4.5.2.
277
„Zur Zeit bewegt uns die Frage, ob diese Einzelfälle Anzeichen dafür sind, daß auf dem Gebiet des Bildungswesens eine stärkere weltanschauliche Bindung durchgesetzt werden soll“. Nach den Erfahrungen der letzten Wochen ist dies keine Frage mehr. Uns werden immer mehr Fälle bekannt, in denen auf Elternversammlungen oder in Einzelgesprächen christlichen Eltern unverblümt gesagt worden ist, daß die Teilnahme ihrer Kinder an der Christenlehre oder gar an der Konfirmation die Aufnahme in die Erweiterte Oberschule und damit die Aufnahme eines Hochschulstudiums aussichtslos mache. Konfirmanden werden von Lehrern zur Rede gestellt, in einem Fall mußten sie sich Pfui-Rufe vor der Klasse gefallen lassen. Es passieren dabei gehässige Ausfälle gegen den christlichen Glauben und gegen die Kirche. Es sind Verweisungen junger Christen von der Erweiterten Oberschule vorgekommen. Die meisten Eltern, die uns derartige Vorfälle melden, sind so verängstigt, daß sie aus Sorge, es könnte ihren Kindern in der Schule Nachteile einbringen oder für sie selbst unangenehme Folgen haben, ausdrücklich darum bitten, daß ihre Namen nicht genannt werden. Manche melden ihre Kinder deswegen sogar aus der Christenlehre oder dem Konfirmandenunterricht ab. Unruhe und Besorgnis gehen durch die Gemeinden. Was noch vor einem halben Jahr als sektiererische Abweichung einzelner Schulfunktionäre bezeichnet worden ist, steht jetzt offensichtlich in Einklang mit der staatlichen Bildungspolitik. Uns ist von Vertretern unseres Staates, denen wir unsere Besorgnis vorgetragen haben, erklärt worden, daß seit dem VIII. Parteitag der SED in der Tat eine neue Situation eingetreten sei2. Es sei ein proportionales Mißverhältnis zwischen der hohen Zahl von Studienplätzen und den wirklichen volkswirtschaftlichen Bedürfnissen festgestellt worden. Die Studienplätze könnten darum nicht erhöht werden; dies führe dazu, daß bei den jetzt nachrückenden geburtenstarken Jahrgängen prozentual erheblich weniger junge Menschen würden studieren können, als wir es bisher gewohnt waren. Da die Zulassung zur Erweiterten Oberschule von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze abhinge, könnten in Zukunft auch prozentual weniger Schüler in die Erweiterte Oberschule aufgenommen werden. Erweiterte Oberschule und Hochschulen seien
2 Ergebnisse des VIII. Parteitags der SED vom 15.–19.6.1971: „Einheit von Wirtschaftund Sozialpolitik“ als neue ökonomische Hauptaufgabe; Ansätze für eine kulturpolitische Öffnung; Verabschiedung der Direktive für den Fünfjahresplan 1971–1975. Kurz zuvor, auf der 16. Tagung des ZK der SED (am 3.5.) wird Erich Honecker zum Ersten Sekretär des ZK der SED gewählt. Er löst den „aus Altersgründen“ zurückgetretenen Walter Ulbricht in diesem Amt ab.
278
4.5.3.
Berichte und Beschlüsse
Institutionen zur Ausbildung sozialistischer Leitungskader_3. Da die in ihnen geschehende Ausbildung die wissenschaftliche Weltanschauung des Marxismus-Leninismus zur Grundlage habe, könnten künftighin in diese höheren Bildungsinstitutionen nur noch junge Menschen aufgenommen werden, die sich rückhaltlos zur marxistisch-leninistischen Weltanschauung bekennen. Der bisher vertretene Standpunkt, es würden von den Schülern zwar Erkenntnisse des Marxismus-Leninismus verlangt, nicht jedoch Bekenntnisse zu ihm gefordert, gelte weiterhin für die Zehnklassenschule, nicht aber für die höheren Bildungseinrichtungen. Das in Artikel 25 (1) der Verfassung der DDR4 jedem Bürger garantierte „gleiche Recht auf Bildung“ beziehe sich auf die Zehnklassenschule. Dieses überhaupt nur in drei Staaten der Welt (UdSSR, DDR, Japan) allen gewährte Recht auf die Erreichung der mittleren Reife gelte selbstverständlich auch den Kindern christlicher Eltern. Diese hätten überdies die Möglichkeit, auf dem Weg der Facharbeiterausbildung durch Delegierung seitens der Betriebe zum Hochschulstudium zu kommen; ferner stünde ihnen das Studium der staatlichen Universitäten offen. Wir verkennen keineswegs die großen Anstrengungen, die unser Staat auf dem Bildungssektor macht. Wir übersehen auch nicht die besonderen Probleme, vor denen unsere Gesellschaft in der Frage der Vorbereitung und Zulassung zum Hochschulstudium steht. Wenn aber so verfahren wird, wie uns dargelegt worden ist, werden in Zukunft Kinder christlicher Eltern von der Aufnahme in die Erweiterte Oberschule und damit auch (mit wenigen Ausnahmen) vom Hochschulstudium ausgeschlossen sein. Christen in leitenden Stellungen wird es in Zukunft nicht mehr geben. Das Bekenntnis
3 Die Zielsetzung der staatsbürgerlichen Erziehung in der DDR orientierte klar darauf, dass die Schüler „ihre ganze Persönlichkeit, ihr Wissen und Können, ihr Denken, Fühlen, Wollen und Handeln für den Sozialismus, für die allseitige Stärkung der Deutschen Demokratischen Republik einsetzen“. „Voraussetzung dafür ist, die sozialistische Ideologie unter Nutzung emotional wirkender Mittel im einheitlichen Prozess der Bildung und Erziehung in allen Lebensbereichen [. . .] zu vermitteln“. Es wurde ausdrücklich als Ziel angegeben, die „ideologische Grundüberzeugung bei allen Mädchen und Jungen systematisch herauszubilden“. Basis dieser Ideologie war selbstverständlich die Überzeugung von der führenden Rolle der marxistisch-leninistischen Partei im Kampf für die „entwickelte sozialistische Gesellschaft“. Aus: Aufgabenstellung des Ministeriums für Volksbildung und des Zentralrates der FDJ zur weiteren Entwicklung der staatsbürgerlichen Erziehung der Jugend in der DDR vom 9. April 1969. Abgedruckt bei O. ANWEILER/H.-J. FUCHS/M. DORNER/E. PETERMANN (Hg.), Bildungspolitik, S. 94. 4 Art. 25 (1): „Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das gleiche Recht auf Bildung. Die Bildungsstätten stehen jedermann offen. Das einheitliche sozialistische Bildungssystem gewährleistet jedem Bürger eine kontinuierliche sozialistische Erziehung, Bildung und Weiterbildung.“ In: VERFASSUNG DER DDR [1968], S. 25.
Bericht der Kirchenleitung, 6. November 1971
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des christlichen Glaubens disqualifiziert dann in unserem Staate für leitende Funktionen. Wir Christen werden zusammen mit denen, die ebenfalls die marxistisch-leninistische Weltanschauung nicht übernehmen können, zu einer im Blick auf die vollen Ausbildungsmöglichkeiten unterprivilegierten Schicht. Unser Staat würde damit zu einem marxistisch-leninistischen Weltanschauungsstaat. Die Kirchenleitung beurteilt diese Situation überaus ernst. Sie bedauert es tief, daß diese Entwicklung eingetreten ist, die das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Christen und Marxisten, das sich anzubahnen begonnen hatte, zu zerstören droht. Menschen, die sich nicht weniger als ihre marxistischen Mitbürger am Aufbau unserer Gesellschaft beteiligt haben, fühlen sich diskriminiert. Die Synode des Bundes5 hatte bereits auf diese Erscheinungen hingewiesen, „die das Verhältnis christlicher Bürger zu ihrem Staat schwer belasten“6. Auch wir haben inzwischen diese belastenden 5 Zur Gründung des BEK 1969 vgl. Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 10.6.1969 [„Bundesordnung“]. Abgedruckt in: MBL BEK 1/1971, S. 2 ff.; NACH-DENKEN, S. 144–151. Vgl. weiterhin C. DIETRICH, Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR; R. MAU, Weg des Bundes 1969 bis 1989, in: EBD., S. 35–46, hier: S. 35 ff.; G. BESIER, SED-Staat und Kirche 2, S. 34–55; BUND DER EVANGELISCHEN KIRCHEN IN DER DDR. 6 Vgl. Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen für die Synode des Bundes Juli 1971, 3.5.2.: „Wir haben dem Herrn Staatssekretär vorgetragen, daß bei den Zulassungen zu den Vorbereitungsklassen der Erweiterten Oberschule offensichtlich weitere Verschärfungen eingetreten sind. Es wird – nicht nur weit über die Verpflichtung zur Loyalität hinaus – verlangt, daß die Schüler sich mit ganzem Herzen und ganzem Leben mit den Zielen ihres Staates identifizieren und dies z. B. durch die Teilnahme an der Jugendweihe und durch Mitgliedschaft in der FDJ zum Ausdruck bringen. Neuerdings wird häufiger bereits die Teilnahme am christlichen Unterricht und an der Konfirmation und damit das religiöse Bekenntnis selbst als Grund für die Ablehnung entweder offen angegeben oder muß aus den Umständen zwingend als solcher angenommen werden. Dabei wird der Standpunkt vertreten, daß sich das ‚gleiche Recht auf Bildung‘ (Art. 25, 1 der VERFASSUNG DER DDR [1968]) nur auf die allgemeine polytechnische Oberschule beziehe, der Übergang in höhere Bildungseinrichtungen aber Privileg für diejenigen sei, die sich vorbehaltlos zur Ideologie des Marxismus-Leninismus mit allen, also auch den weltanschaulichen Konsequenzen bekennen. Wir vermögen nicht zu sehen, daß solches Vorgehen durch die Artikel 17 (2), 19 (3) oder durch den Wortlaut von Artikel 26 (1) gedeckt ist. Wir verkennen nicht, daß der Ansturm auf die Hochschulen und damit auch auf viele Erweiterte Oberschulen eine Auswahl nötig macht. Das Prinzip der Auswahl sollte aber für alle einleuchtend sein. Es gibt viele christliche und nichtchristliche Schüler, die den Vergleich mit denen, die den Marxismus-Leninismus auch weltanschaulich bejahen, im Einsatz für die Gesellschaft nicht zu scheuen brauchen. Wäre es nicht besser, wenn außer den schulischen Leistungen der effektive, gesellschaftliche Einsatz der Schüler gewertet würde, auch wenn er sich nicht immer in den Formen vollzieht, die im Rahmen der Gesellschaft dafür angeboten werden? Wir würden es begrüßen, wenn diese Probleme, die das Verhältnis christlicher Bürger zu ihrem Staat schwer belasten, in den zugesagten Einzelgesprächen befriedigend gelöst werden könnten.“ [Orig. Anm.].
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Berichte und Beschlüsse
Sachverhalte verantwortlichen Staatsfunktionären vorgetragen. Uns ist eine Überprüfung zugesagt worden. In Einzelfällen ist eingegriffen worden. Für uns bliebt aber die Frage: Was sollen die Gemeinden in dieser Situation tun, wenn sie im Grundsätzlichen so bleibt? Die Kirchenleitung hält folgendes für wichtig: 4.5.3.1. Es wird auf allen Ebenen an das geltende Recht zu erinnern sein. Nach Auffassung der Kirchenleitung ist das in Artikel 25 (1)_7 der Verfassung jedem Bürger der DDR garantierte „gleiche Recht auf Bildung“ für die christlichen Bürger eingeschränkt. Selbstverständlich weiß die Kirchenleitung, daß nicht jeder in die Erweiterte Oberschule aufgenommen werden und studieren kann, sondern daß hier eine Auswahl vorgenommen werden muß. Wenn indessen das religiöse Bekenntnis von vornherein ein negatives Auswahlkriterium darstellt, so ist ein Auswahlgesichtspunkt eingeführt, der in Artikel 26 (1)_8 nicht vorgesehen ist und der die Chancengleichheit für Christen aufhebt. Die Aussage der Verfassung (Art. 25, 1) „Die Bildungsstätten stehen jedermann offen“ trifft für Christen in Zukunft nicht mehr voll zu. Eine ungehinderte Entfaltung seiner Fähigkeiten, wie sie Artikel 19 (3)_9 jedem Bürger zugesteht, ist für einen jungen Christen in Zukunft nicht mehr gesichert. Die in Artikel 20 (1)_10 jedem Bürger garantierte Gewissens- und Glaubensfreiheit und das jedem Bürger durch Artikel 39 (1)_11 zugesicherte Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben, sind in Frage gestellt, wenn die Inanspruchnahme dieses Rechtes mit Benachteiligung in den Bil-
7 Vgl. oben Anm. 4. 8 Art. 26 (1): „Der Staat sichert die Möglichkeit des Übergangs zur nächsthöheren Bildungsstufe bis zu den höchsten Bildungsstätten, den Universitäten und Hochschulen, entsprechend dem Leistungsprinzip, den gesellschaftlichen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der sozialen Struktur der Bevölkerung.“ In: VERFASSUNG DER DDR [1968], S. 26. 9 Art. 19 (3): „Frei von Ausbeutung, Unterdrückung und wirtschaftlicher Abhängigkeit hat jeder Bürger gleiche Rechte und vielfältige Möglichkeiten, seine Fähigkeiten in vollem Umfange zu entwickeln und seine Kräfte aus freiem Entschluß zum Wohle der Gesellschaft und zu seinem eigenen Nutzen in der sozialistischen Gemeinschaft ungehindert zu entfalten. So verwirklicht er Freiheit und Würde seiner Persönlichkeit. Die Beziehungen der Bürger werden durch gegenseitige Achtung und Hilfe, durch die Grundsätze sozialistischer Moral geprägt.“ In: EBD., S. 21. 10 Art. 20 (1): „Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten. Gewissensund Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich.“ In: EBD., S. 21 f. 11 Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIb, S. 585.
Bericht der Kirchenleitung, 6. November 1971
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dungsmöglichkeiten verbunden ist, wenn z. B. Eltern oder jungen Menschen von schulischer Seite erklärt wird, die Teilnahme an Christenlehre oder Konfirmation oder an Veranstaltungen der Jungen Gemeinde schließe vom Besuch der Erweiterten Oberschule aus. Die Kirchenleitung läßt sich in der Beurteilung der Rechtssituation von der Überzeugung leiten, daß die Bestimmungen der Verfassung nicht nur für die Bürger, sondern auch für die staatlichen Organe unmittelbar geltendes Recht sind12. Die Kirchenleitung erinnert auch an Artikel 26 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem es heißt: „Jeder Mensch hat Recht auf Bildung . . . Die höheren Studien sollen allen nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten und Leistungen in gleicher Weise offenstehen.“13 Menschenrechte sind keine Vorrechte, sondern Rechte. 4.5.3.2. Es wird alles darauf ankommen, daß wir einmal helfen, diese Situation als eine Bewährungssituation anzunehmen und am Glauben festzuhalten und nicht für ein Linsengericht unser Erstgeburtsrecht zu verkaufen. Eltern und Jugendliche werden die Freiheit zum Verzichten freilich nur schwer gewinnen können, wenn sie die oft sehr wenig überzeugenden Beispiele auch kirchlicher Amtsträger sehen. Die Verleugnung Jesu Christi und damit der Verlust des ewigen, also des bleibenden Lebens wäre ein allzu hoher Preis für irgendeinen Vorteil, also auch für einen Studienplatz. Die Gemeinden werden versuchen müssen, die Benachteiligten und Zurückgesetzten so in ihre Mitte zu nehmen, daß sie nicht der Verbitterung oder der Selbstbemitleidung verfallen oder sich in eine Anti-Haltung hineintreiben lassen; sie werden ihnen vielmehr Mut machen, es den Herrn zuzutrauen, daß er für sie Wege in ein sinnvolles Leben weiß, auch wenn sie um des Bekenntnisses zu ihm [sic!] willen nicht studieren können. Wir werden den Eltern und unseren jungen Leuten sagen müssen, daß wir in der Nachfolge des Gekreuzigten stehen, den die Welt nicht ertragen konnte, und daß zu dieser Nachfolge das Leiden hinzugehört, daß dieses Leiden aber voller heimlicher Freude ist, weil es um Jesu willen und in seiner Gemeinschaft getragen wird (Röm 5,3; 2. Kor 4,17; Apg 5,41; Mt 5,11 f.; Hebr 10,34): Wenn die Benachteiligungen dazu führen, daß wir uns um so fröhlicher zu Christus und zu seiner Jüngergemeinde halten, werden sie sich zum Guten für uns auswirken (Röm 8,28).
12 Vgl. BERICHT ZUR AUSARBEITUNG EINER SOZIALISTISCHEN VERFASSUNG, S. 10: „Die neue Verfassung wird das Gesetz der Gesetze, die Grundlage unserer neuen sozialistischen Rechtsordnung sein.“ [Orig. Anm.]. 13 Vgl. oben Anm. 8.
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Berichte und Beschlüsse
4.5.3.3. Wir werden denen, die auf eine ihren Gaben entsprechende Ausbildung verzichten und einen Beruf ergreifen müssen, der sie unbefriedigt läßt, helfen müssen, Aufgaben zu finden, bei denen ihre Gaben in Anspruch genommen werden und die sie als sinnvoll und erfüllend anzusehen vermögen. 4.6.14 Ähnliches gilt für diejenigen, die nicht zum Studium zugelassen bzw. vom Studium ausgeschlossen werden, weil sie in Praktizierung der verfassungsmäßig gewährleisteten Gewissens- und Glaubensfreiheit von der durch staatliches Recht geschaffenen Möglichkeiten Gebrauch machen, militärischen Ersatzdienst in den Baueinheiten der Nationalen Volksarmee_15 zu leisten und im Studium zu einer ihrer Gewissensentscheidung entsprechenden waffenlosen Ausbildung bereit sind. Exmatrikulationen von Studenten, die von einer durch die Verfassung jedem Bürger garantierten Freiheit Gebrauch machen und sich für eine durch staatliches Recht allen Bürgern eingeräumte Möglichkeit entschieden haben, untergraben das Vertrauen in die den Staatsbürgern durch die Verfassung zugesicherten Rechte und in die Verläßlichkeit des geltenden Rechtes überhaupt. Die Kirchenleitung hat sich deswegen mit einem Schreiben an den Herrn Minister für das Hoch- und Fachschulwesen16 gewandt, das in Abschrift dem Herrn Minister für Nationale Verteidigung und dem Herrn Staatssekretär für Kirchenfragen zugeleitet wurde. Der Minister für Nationale Verteidigung hat in einem Schreiben Stellung genommen; von seiten des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen ist ein Gespräch seines Stellvertreters mit dem Vorsitzenden der Kirchenleitung in Aussicht gestellt worden. – Auch hier wird die christliche Gemeinde solchen benachteiligten jungen Menschen helfen müssen, ihre Gewissensentscheidung durchzuhalten, ohne verbittert zu werden. 4.7. Die Kirchenleitung dankt den Katecheten und den Mitarbeitern der Jugend- und Studentenarbeit für ihre treue Arbeit unter den so erschwerten Verhältnissen. Sie ist der Überzeugung, daß die jungen Menschen die Gemeinschaft jetzt besonders dringlich brauchen. Bibel- und Konfirmandenrüsten bekommen in diesem Zusammenhang erhöhte Bedeutung. Die Kirchenleitung möchte dazu ausgesprochenermaßen ermutigen. 14 Vgl. KL-Bericht 1970, 6.3.1.1. [Orig. Anm.]. 15 Vgl. oben Dokument 21a, Anm. 2, S. 202. 16 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2386. Darin: Vermerk über ein Gespräch beim RdB Magdeburg am 19.10.1971, Punkt 3: Eingabe an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen wegen Benachteiligung von Bausoldaten im Hochschulstudium, S. 1–7, hier: S. 5. Das Gespräch fand zwischen Abteilungsleiter des Referats für Kirchenfragen, Bellstedt, und OberkonsR Ammer statt.
Beschluss der Synode
[. . .]
283 BerichteundBeschlüsse BeschlussderSynode
29 b Beschluss der Synode zum Bericht der Kirchenleitung Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 102, Dr. 32/71, S. 1–2, hier: S. 2 (hekt.).
[. . .] 6. Mit unserem Gemeinden sind wir darüber erschrocken, daß die im letzten Bericht der Kirchenleitung hinsichtlich der Bildungspolitik ausgesprochenen Befürchtungen so hart eingetroffen sind. Die Kirchenleitung wird aufgefordert, über die ihr von staatlicher Seite zugesicherten Überprüfungen zu berichten. [. . .]
PräsesHelmutWaitz,5.Mai1972 BerichteundBeschlüsse
30 a Bericht der Kirchenleitung durch Präses Helmut Waitz auf der 1. Tagung der VII. Synode Magdeburg Michaelsgemeinde, 5. Mai 1972 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 104, Dr. 3/72, S. 1–15, hier: S. 11–13 (hekt.).
Schwerpunkte: Rückblick auf die Arbeit der VI. Synode (Bericht der Kirchenleitung); Fragen der Sicherheit in Europa; Behandlung der Christen in der DDR Vier Kapitel ohne Überschrift [Weitere Themen: BEK, Dienstrecht, Raumordnung, Grundordnung].
[. . .] 4.1. Artikel 130 der Grundordnung bestimmt: „1. Die Synode der Kirchenprovinz hat den Auftrag, darüber zu wachen, daß das Evangelium von Jesus Christus, dem alleinigen Herrn und Erlöser, einmütig, lauter und gegenwartsnah allem Volk mit Wort und Tat bezeugt wird. 2. Sie hat ferner die ständige Erneuerung der Kirche zu fördern, Schäden zu steuern, Gefahren zu begegnen. 3. Sie hat darauf zu achten, daß die Geltung der Gebote Gottes im öffentlichen Leben anerkannt wird. Sie hat Einspruch zu erheben, wo Menschen verführt oder gezwungen werden, die Gebote Gottes zu übertreten. 4. Sie soll dafür eintreten, daß die Obrigkeit der öffentlichen Verkündigung des Evangeliums Raum gibt. 5. Sie hat das Recht, die Amtsträger und Gemeinden anzusprechen und ihnen Rat und Weisung für geistliches Leben zu erteilen.“
Diesen Dienst hat auch die VI. Synode, wie wir glauben, verantwortlich wahrgenommen. Der Beitrag zur Aussprache über den Verfassungsentwurf der Deutschen Demokratischen Republik auf der ersten Tagung1 hat sich, weil die Verfassung kurz danach verabschiedet wurde, wahrscheinlich nicht mehr entscheidend ausgewirkt. Die vielen Einzelbeiträge auch aus den Gemeinden unserer Kirchenprovinz haben aber zu der ausdrücklichen Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit im endgültigen Text 1 Vgl. oben Beschluß der 1. Tagung der VI. Synode vom 20.3.1968 (Dokument 24 b, S. 238 f.).
Präses Helmut Waitz, 5. Mai 1972
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der Verfassung geführt. An Meinungsverschiedenheiten, wie dieser Verfassungsartikel sinngemäß ausgelegt und verwirklicht werden muß, hat es auch während der abgelaufenen Legislaturperiode nicht gefehlt. So hatte die Synode auf ihrer letzten Tagung in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Kirchenleitung gesagt: „Mit unseren Gemeinden sind wir darüber erschrocken, daß die im letzten Bericht der Kirchenleitung hinsichtlich der Bildungspolitik ausgesprochenen Befürchtungen so hart eingetroffen sind.“ Die Kirchenleitung hatte über Erklärungen berichtet, die ihrem Vorsitzenden von Vertretern unseres Staates über Grundsätze der künftigen Bildungspolitik gegeben waren. Sie hatte die Schlußfolgerungen gezogen, die sich daraus nach ihrem Verständnis für die Bildungsaussichten von Jugendlichen ergaben, die sich bewußt zum kirchlichen Glauben bekennen. Diese Ausführungen sind starker Kritik von staatlicher Seite ausgesetzt gewesen. Als unzutreffend bezeichnet wurde insbesondere die Behauptung, kirchliche Bindung eines Jugendlichen sei in der staatlichen Bildungspolitik negatives Auslesemerkmal bei der Zulassung zur Erweiterten Oberschule. Die mehrfachen Vorstellungen bei den zuständigen staatlichen Stellen, den Gewissensbedenken von Studenten Rechnung zu tragen, die den Dienst mit der Waffe ablehnen, aber in den Baueinheiten Dienst tun wollen, wurden zurückgewiesen2. Für Studenten sei die vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen erlassene Studienordnung verbindlich, die militärische Kurse als integrierenden Bestandteil des Studiums vorsehen. Den Mitgliedern der Kirchenleitung wurde schließlich eröffnet, es gehöre nicht zur Zuständigkeit der Kirchen, sich im Einzelfall zum Sachwalter von Bürgern zu machen, die sich in ihren staatsbürgerlichen Rechten zurückgesetzt glauben. Demgegenüber kann die Kirchenleitung nur immer wieder erklären: Wir beanspruchen keine Sonderrechte, weder für die Kirche, noch für die kirchlichen Amtsträger, noch für deren Kinder. Wenn beschwerliche Vorgänge in den staatlichen Bildungseinrichtungen berichtet und Maßnahmen staatlicher Organe als ungerecht bezeichnet worden sind, so geschah es in keinem Fall, um den Staat und die, die für ihn verantwortlich sind, öffentlich herabzusetzen. Wir wissen uns weiterhin geleitet von der Grundhaltung kritischer Solidarität, die unser Bischof in Nyborg3 als kennzeichnend und notwendig für die Stellung der Kirche und ihrer Glieder in der Gesellschaft bezeichnet hat. Von dieser Grundhaltung her wird 2 Vgl. oben Bericht der KL auf der 6. Tagung der VI. Synode am 6.11.1971, Punkt 4.6 (Dokument 29 a, S. 282). 3 Diener Gottes, Diener der Menschen. Vortrag von Bischof Krusche auf der VI. Vollversammlung der KEK in Nyborg 1971. Abgedruckt in: NYBORG VI, S. 119–131; ZDZ 25, 1971, S. 243–252; W. KRUSCHE, Verheißung und Verantwortung, S. 189–200; KJ 98, 1971, S. 355–364.
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Berichte und Beschlüsse
es auch in der Zukunft nicht ausbleiben, daß die Synode Tatsachen zur Sprache bringt, die ihr Anlaß zum Einspruch gemäß Artikel 130 Abs. 3 unserer Grundordnung geben. Auch wenn wir Dinge beim Namen nennen, die gegen Gottes Gebot und darum nicht in Ordnung sind, handeln wir in Verantwortung für unseren Staat, in dem wir bewußt als eine Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes unter dem Evangelium leben wollen. [. . .] BischofDr.WernerKrusche,6.Mai1972 BerichteundBeschlüsse
30 b Diskussionsbeitrag von Bischof Dr. Werner Krusche Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 104, S. 1–6 (hekt.).
Deutsch-deutsche Verträge zum Reiseverkehr; Europäische Sicherheitskonferenz Liebe Brüder und Schwestern! Es ist vom Präses der Synode erklärt worden, warum der Bericht der Kirchenleitung diesmal nach innen gerichtet ist. Der Synodale Höppner hat gesagt, er habe es für richtig und sachgemäß gehalten, daß sich die Kirchenleitung in den vergangenen Berichten zu Fragen des öffentlichen Lebens, an denen die Glieder der Kirche in eminenter Weise interessiert und beteiligt sind, geäußert habe. Und er hat die Kirchenleitung direkt gefragt: „Haben Sie dazu nichts zu sagen? Oder wollen Sie dazu nichts sagen?“ Ich denke, eine Kirchenleitung hat nicht zu allem etwas zu sagen. Sie hat nicht zu jeder politischen Tagesfrage etwas zu sagen; sie muß sich vielmehr immer fragen, woher sie eigentlich die Legitimation habe, zu Fragen der Öffentlichkeit etwas zu sagen. Auf Grund ihrer eigenen politischen Vorstellungen? Oder hat sie etwas vom Worte Gottes her dazu zu sagen? Nur dann, wenn sie von daher etwas zu sagen hat, sollte sie reden. Es ist die Frage der Verträge angeschnitten worden. Ich denke, daß es bei den Verträgen4 durchaus um etwas geht, was uns Christen angeht, 4 Am 17.12.1971 wird das Transitabkommen als erster deutsch-deutscher Vertrag unterzeichnet, es folgen am 20.12.1971 Vereinbarungen zwischen der DDR und dem Senat von Berlin (West) über den Reise- und Besuchsverkehr sowie über Gebietsaustausch und am 23.2.1972 wird die Besuchsregelung für Ostern und Pfingsten gemäß dem Transitabkommen vom ZK der SED und Ministerrat bekanntgegeben. Vgl. unten Dokument 32c, Anm. 17, S. 318 f.
Bischof Dr. Werner Krusche, 6. Mai 1972
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insofern wir den Dienst der Versöhnung auszurichten haben und diese Sache ja mit Versöhnung – säkular gesprochen: mit Entspannung (denn ich würde meinen, daß Versöhnung, ins Säkulare transformiert, Entspannung heißt) – zu tun hat. Die Kirchenleitung ist allerdings der Meinung, daß sie zu politischen Fragen, die in einem anderen Staatsbereich zur Entscheidung stehen, nur dann etwas sagen sollte, wenn sie meint, es sei Gefahr im Verzuge und dort schwiegen die Kirchen. Wir werden uns zu Dingen, die in der Bundesrepublik zu entscheiden sind, als Kirche nur mit höchster Vorsicht äußern dürfen. Sie wissen, daß die Kirche drüben nicht geschwiegen hat, sondern daß z. B. in Württemberg 250 evangelische Pfarrer eine Petition an den Bundestag gerichtet haben mit der Bitte, den Verträgen zuzustimmen. Sie wissen, daß 25 Persönlichkeiten, die in der evangelischen Kirche drüben bekannt sind, sich ebenfalls dezidiert für die Ratifizierung der Verträge ausgesprochen haben. Ich brauche nur ein paar Namen zu nennen: Bischof Scharf, die Landesbischöfe Dr. Heintze und Prof. Dr. Lohse, der Präses der Ev. Kirche im Rheinland, Immer; der Kirchenpräsident der uns besonders verbundenen Kirche von Hessen-Nassau, Hild, und eine Menge andere Leute, z. B. auch der Präses der Ev. Kirche in Deutschland, Prof. Dr. Raiser. Hier haben verantwortliche Männer der Kirche ihre Stimme erhoben, und das ist sehr wohl bemerkt worden, so daß wir m. E. keine Veranlassung haben, von hieraus als Kirche etwas zu dieser Sache zu sagen, wiewohl wir, – so denke ich jedenfalls – in der Mehrzahl der Meinung sind, daß es eine Katastrophe wäre, wenn die Verträge zu Fall gebracht würden. Hier würde ein Stück angefangener Entspannung in ganz Europa wieder gefährdet. Das zweite große Thema, das jetzt in der Luft liegt, ist das der europäischen Sicherheitskonferenz5. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich, als das noch keineswegs so ganz opportun war, auf der Konferenz Europäischer Kirchen in Nyborg in meinem Referat6 darauf hingewiesen, daß diese Konferenz für europäische Sicherheit nötig sei und daß dabei auch die beiden deutschen Staaten gleichberechtigt und gleichverpflichtet müßten teilnehmen können. Diese Formulierung hat sich eingeprägt: gleichberech5 In einer Phase der Entspannung im Ost-West-Konflikt Ende der 1960er Jahre gingen die NATO-Staaten stärker auf die Initiativen der UdSSR (Bemühungen um eine Konferenz über Sicherheitsfragen in Europa) ein, forderten aber zugleich, auf der geplanten Konferenz auch die Beachtung der Menschenrechte in den einzelnen europäischen Staaten zu behandeln. Nach Vorgesprächen (vom 22.11.1972 bis 8.6.1973) wurde schließlich am 3.7.1973 die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki eröffnet. Diese wurde vom 18.9.1973 bis 21.7.1975 in Genf fortgesetzt und am 1.8.1975 in Helsinki mit der „Schlußakte von Helsinki“ beendet. An der Konferenz nahmen alle 33 europäischen Staaten (außer Albanien) sowie Kanada und die USA teil. Vgl. dazu Dokument 34a, Anm. 10, S. 335. 6 Vgl. oben Anm. 3.
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Berichte und Beschlüsse
tigt und gleichverpflichtet. Inzwischen hat auch die vorige Synode auf ihrer letzten Herbsttagung dazu etwas gesagt. Auf der Tagung der Ev. Kirche der Union ist in dem Bericht des Ratsvorsitzenden7 dazu Stellung genommen worden. Auch die Kirchenleitung hat dazu nicht geschwiegen. Es ist ja inzwischen die Ihnen bekannte Deklaration des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages8 veröffentlicht worden; vielleicht haben Sie gemerkt, daß hier Töne laut geworden sind, die bisher so jedenfalls nicht zu hören waren, Töne, die möglich wurden, weil inzwischen objektiv eine Klimaverbesserung in Europa eingetreten ist. Bei der Zusammenkunft der Kirchenleitung und des Propstkonventes mit Vertretern des Staates in Magdeburg am 9.2.9, an der von staatlicher Seite Staatssekretär Seigewasser und die Vertreter der vier Bezirke Magdeburg, Halle, Erfurt und Leipzig teilnahmen, habe ich in einem Diskussionsbeitrag10 zu dieser Deklaration etwas gesagt und zwar in Absprache mit der Kirchenleitung. Wenn es Sie interessiert, könnte ich Ihnen, was ich dort gesagt habe, jetzt zur Kenntnis bringen. Da das offensichtlich Ihr Wunsch ist, lese ich jetzt einfach einiges davon vor: „Wir halten die Deklaration über Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die auf der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages am 25./26. Januar abgegeben worden ist, für ein bemerkenswertes politisches Dokument, das alle Aufmerksamkeit verdient, da es eine europäische Situation anvisiert, in der das Verhältnis der Staaten und Völker zueinander von einem neuen Klima bestimmt wird. Uns scheint bedeutsam zu sein, daß in der Deklaration nicht nur von Aktionen und Initiativen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages zur Schaffung eines neuen politischen Klimas in Europa die Rede ist, sondern auch der immer beträchtlicher werdende Beitrag anderer europäischer Staaten zur Sache des Friedens hervorgehoben wird. Es würde in der Tat dem Frieden wenig gedient, wenn sich nur die sozialistischen Staaten als friedliebend hinstellten und die nichtsozialistischen Staaten grundsätzlich und en bloc als der Sache des Friedens feindlich und hinderlich beurteilt würden. Der erste Teil der Deklaration scheint uns bestimmte allzu einfache und undifferenzierte Einteilungen und
7 VERHANDLUNGEN DER REGIONALSYNODE OST DER EKU, 2. TAGUNG DER IV. SYNODE, VOM 21.–24.4.1972 IN MAGDEBURG. Tonbandaufzeichnungen [Standort: EZAB, Ka 311 (72)]. Auszug abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 77–83, hier: S. 81 f. 8 Deklaration des Politisch Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages über Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, beschlossen am 26.1.1972 in Prag. Abgedruckt in: EUROPÄISCHE SICHERHEITSKONFERENZ NOCH 1972! 9 AKPS, Rep. B 3, Nr. 11. Darin: Protokoll der 2. Sitzung der Kirchenleitung vom 18./19.2.1972, Punkt 4: Bericht zur kirchlichen Lage, dabei Auswertung des Gespräches vom 9.2.1972, S. 1–10, hier: S. 3. 10 AKPS, Rep. B 3, Nr. 508. Darin: Diskussionsbeitrag des Vorsitzenden der Kirchenleitung bei der Zusammenkunft im Gebäude des Rates des Bezirkes Magdeburg am 9.2.1972, S. 1–8.
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Schematismen unmöglich zu machen. In diesem Zusammenhang erscheint es uns wichtig, daß die Verträge zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland sowie zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland, das vierseitige Abkommen über Westberlin und die Vereinbarungen zwischen der DDR und der BRD11 positiv eingeschätzt werden. Wir würden es für ein Verhängnis halten, wenn die Ratifizierung der Verträge in der BRD verhindert würde. Von den weitergehenden Verhandlungen zwischen unserer Regierung und der Regierung der BRD erhoffen wir, daß dabei die schweren menschlichen Probleme, die bisher zu unserem, aber, wie wir wissen, auch zu Ihrem (ich habe die Staatsvertreter angeredet) Leidwesen nicht gelöst werden konnten, erträglichen Lösungen zugeführt werden können. Unterbliebe dies, so bliebe ein gefährlicher und schmerzlicher Unruheherd im Herzen Europas bestehen. Ich möchte auf die sieben Grundprinzipien der europäischen Sicherheit und der Beziehungen der Staaten in Europa, die in der Deklaration genannt werden, nicht im einzelnen eingehen. Daß der Friede in Europa nur erhalten bleiben kann, wenn jeder Versuch unterbleibt, die jetzt bestehenden Grenzen mit Gewalt zu verändern oder strittige Fragen zwischen den Staaten durch Anwendung oder Androhung von Gewalt zu entscheiden, leuchtet sofort ein. Die Konferenz müßte zu Festlegungen darüber kommen, was unter einer gewaltsamen Aktion und was unter Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates zu verstehen ist. Wichtig erscheint uns, daß der Begriff der friedlichen Koexistenz nicht im Sinne eines beziehungslosen Nebeneinanderher von Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, sondern sofort in Richtung auf Zusammenarbeit interpretiert und es ausgesprochen wird, daß die Unterschiedlichkeit der Systeme kein unüberwindliches Hindernis für die allseitige Entwicklung der Beziehungen und der Zusammenarbeit zu sein braucht. Wo so pointiert anstelle der Konfrontation die Kooperation gestellt wird, ist das Denken in Freund-Feind-Kategorien überholt. Es werden in dieser Deklaration nicht die Gegensätze geleugnet, aber es wird geleugnet, daß die Gegensätze sich zu Feindschaften entwickeln müßten, daß aus dem Gegner notwendig der Feind werden müßte. Der erstaunlichste und weitreichendste Satz der Deklaration scheint der zu sein, daß eine solche Umgestaltung der Beziehungen zwischen den europäischen Staaten anzustreben sei, die es ermöglicht, die Spaltung des Kontinents in militärisch-politische Gruppierungen zu überwinden. Was wir gern noch in dieser Deklaration gesehen hätten, ist dies, daß da, wo von der Zusammenarbeit bei der rationellen Nutzung der Rohstoff- und Energieressourcen, bei der Erhöhung des Industriepotentials, der Anwendung der Errungenschaften der wissenschaftlich-technischen Revolution gesprochen wird, nicht nur an die Möglichkeit zur Hebung des Wohlstandes der europäischen Völker gedacht würde, sondern daß zugleich auf die Verpflichtung der europäischen Völker zur Zusammenarbeit im Dienste der 11 Anfang der 1970er Jahre kam es zu einer Stabilisierung des Ost-West-Verhältnisses, vor allem in der Abrüstungsfrage: SALT I-Abkommen (1972), Moskauer Vertrag, Warschauer Vertrag (beide 1970), Viermächte-Abkommen über Berlin (1971), Grundlagenvertrag (1973). Abgedruckt in: DOKUMENTE ZUR ABRÜSTUNG, S. 360–366 [SALT I]; ENTSPANNUNG UND DAUERHAFTER FRIEDEN.
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jungen Nationalstaaten der sogenannten dritten Welt hingewiesen würde. Wenn die europäischen Staaten hier eine gemeinsame Verantwortung erkennten und trotz des unübersehbaren Unterschieds in den politischen und ökonomischen Grundpositionen zu zielgerichteten aufeinander abgestimmten Förderungsmaßnahmen kämen, so würde sich das ganze sicher positiv auf das Verhältnis der europäischen Staaten untereinander auswirken und ein egoistisches europazentristisches Denken verhindern.“
Das war also ein Stück aus meinem Diskussionsbeitrag zu dieser Frage. Ich hatte in dieser Woche, am Mittwoch, also kurz vor der Synode, ein sehr interessantes und auch ein sehr schönes Gespräch mit dem Präsidenten und dem Generalsekretär des DDR-Komitees für europäische Sicherheit, mit Prof. Steenbeck und Prof. Doernberg12. Sie hatten von meinem Nyborg-Vortrag gehört und mich daraufhin eingeladen. Ich kann das – auch sehr persönliche – Gespräch nicht im einzelnen wiedergeben. Ich habe einiges von dem, was ich Ihnen eben vorgelesen habe, vorgetragen, namentlich den einen Satz, daß es mir bemerkenswert erschiene, daß zum ersten mal auch andere – nicht die anderen, nicht alle anderen, aber auch andere – europäische Staaten als solche genannt worden seien, die konstruktive Beiträge für ein neues Klima in Europa geliefert hätten, und ich habe den beiden Herren noch einmal gesagt, daß ich es für verhängnisvoll hielte, wenn eine Seite ihre Sache exklusiv mit der Sache des Friedens identifizierte, daß gerade dies dem Frieden nicht dienlich sei, wenn eine Seite erklärte: Unsere Politik ist allein Politik des Friedens und alle andere nicht. Dies wurde ein wenig korrigiert in der Weise, daß man sagte, es müßte differenziert werden zwischen den anderen Staaten; nicht alle Staaten hätten konstruktive Beiträge geleistet; aber man meine durchaus, daß auch Staaten, die nicht Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages sind, konstruktive Beiträge zur Sicherheit und zum Frieden in Europa leisteten; ob in derselben Intensität wie die Teilnehmerstaaten des Warschauer Paktes, sei allerdings die Frage. Wir sind dann auf den Nervus rerum, auf den Kern der Sache, gekommen. Ich habe die Herren gefragt, wie es zu verstehen sei, daß einerseits eine europäische Sicherheitskonferenz ja doch den Status quo sichern möchte, also die staatliche, politische und doch wohl auch gesellschaftliche Integrität der einzelnen europäischen Staaten, während andererseits der Sozialismus es von seinem Wesen her doch wollen muß, daß die nichtsozialistischen Gesellschaftsordnungen sozialistisch werden. Der Begriff der friedlichen Koexistenz meint im marxistischen Verständnis ja doch Klassenkampf – zwar unter Vermeidung kriegerischer Aktionen – aber eben Klassenkampf. Und das heißt doch eben,
12 Nach Auskunft von Herrn Prof. Doernberg (23.8.2004) hat dieses Gespräch am 3.5.1972 in Berlin in einer vertrauensvollen Atmosphäre stattgefunden.
Bischof Dr. Werner Krusche, 6. Mai 1972
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daß es weiterhin die Absicht und das Ziel bleibt, daß andere, nichtsozialistische Gesellschaftsordnungen verändert und also sozialistisch werden, wobei Klassenkampf natürlich auch dies heißt, daß von der anderen Seite versucht wird, sozialistische Ordnungen wieder in kapitalistische umzuwandeln. Es stellt sich die Frage: Wie ist die Sicherung des Status quo zu erreichen bei dem Mißtrauen, die jeweils andere Seite wolle ja doch die eigene Gesellschaftsordnung verändern? Darauf ist mir eine sehr interessante Antwort gegeben worden. Es ist bestätigt worden, daß natürlich ein Sozialist wünschen müsse, daß die noch nicht sozialistischen Staaten Europas sozialistisch würden, – aber eben unter dem Vorzeichen friedlicher Koexistenz; und das würde hier heißen: unter Verzicht auf Infiltration, auf subversive Tätigkeit, auf ferngesteuerte Gruppen. Die Gesellschaftsordnung in einem anderen Staat könne nur so geändert werden, daß von Kräften innerhalb dieser Gesellschaftsordnung selber die Impulse zu Veränderungen kommen. Es wurde deutlich gesehen, daß die Frage der Propaganda, der unsachlichen, böswilligen Berichterstattung über den anderen Staat hier mit hinein spielt. Das entscheidende Mittel des Klassenkampfes aber, so wurde betont, sei dies, daß man die eigene sozialistische Ordnung attraktiv mache, sei – ich sage das mit meinen Worten – eine Selbstdarstellung der sozialistischen Ordnung, die sie für andere im Wettbewerb der Systeme anziehend mache. Dem konnte ich nur zustimmen. Aber ich mußte den Herren an diesem Punkte nun allerdings sagen: Attraktiv wirke die sozialistische Gesellschaftsordnung nur dann, wenn in ihr ein höchstes Maß an Toleranz, an Freiheit, an Menschenrechten13 gewährt wird, und hier stehe es im Augenblick jedenfalls bei uns nicht unbedingt zum Besten. Und hier wird deutlich, daß die Fragen, die in der Diskussion heute auch noch angeschnitten worden sind, unmittelbar mit der Frage der europäischen Sicherheit zusammenhängen. Wenn das denn gilt, daß die eigene Gesellschaftsordnung, nämlich unsere sozialistische Gesellschaftsordnung, attraktiv, anziehend gemacht werden soll für andere, daß es zu einer überzeugenden Selbstdarstellung kommen soll, dann wird bei uns einfach manches besser gemacht werden müssen. Das heißt nicht, daß wir einen anderen Sozialismus wollen. Ich habe als Vorsitzender der Kirchenleitung bei dem erwähnten Gespräch mit den Staatsvertretern ausdrücklich gesagt, daß wir nicht die Absicht haben, einen eigenen Begriff von Sozialismus zu entwickeln. Aber innerhalb dieses bei uns aufgebauten Sozialismus bleiben nun allerdings positive Anfragen an diesen Sozialismus14. Und es 13 Zum Engagement der evangelischen Kirchen im Zusammenhang des KSZE-Prozesses und zum Thema ‚Menschenrechte‘ vgl. C. HANKE, Deutschlandpolitik der Evangelischen Kirche, S. 307–310. Vgl. auch AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3661. 14 Auf der 4. Tagung der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR vom
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Berichte und Beschlüsse
ist eine der positiven Anfragen von seiten der Kirchen, ob es eigentlich nötig ist, daß man auf dem Gebiet der Bildung so verfährt, wie man jetzt verfährt. Es ist vom Synodalen Dr. Seils darauf hingewiesen worden, daß man in der Frage der Bildungspolitik differenziert reden muß. Das ist sicher: Hier muß man einfach manches wissen. Man muß wissen, daß das entscheidende Kriterium für die Zulassung zu den höheren Bildungseinrichtungen nicht mehr die Leistung ist. Sondern die Leistung rangiert erst an dritter Stelle. Das erste Auswahlkriterium ist die soziale Stellung, d. h. also konkret die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse. Dies ist ein Kriterium, für das man ein gewisses Verständnis haben kann, wiewohl in der Verfassung steht, daß unabhängig von der sozialen Stellung jedem das gleiche Recht auf Bildung zusteht. Das zweite Kriterium ist die Stellung zu unserer Gesellschaftsordnung, für die – leider, muß ich hier sagen – die Zugehörigkeit zur FDJ und die Teilnahme an der Jugendweihe als ausschlaggebend angesehen werden. Über diese beiden Gesichtspunkte möchte ich mich jetzt nicht verbreitern, aber ich glaube, daß der Staat nicht gut daran tut, auf diese weithin rein formal aufgefaßten Akte alles Gewicht zu legen. Es ist hier die Frage gestellt worden von einem der Jugendsynodalen, ob denn FDJ-Mitgliedschaft eine Alternative zum Christsein sei. Das hat noch niemals einer behauptet; aber wenn das stimmt, was heute hier gesagt wurde, daß Christen bei den Schwachen, bei den gesellschaftlich Schwachen zu stehen haben und wenn feststeht, daß die Nichtzugehörigkeit zur FDJ zu Nachteilen in den Bildungschancen führt, muß man natürlich fragen, ob man dann als Christ solch einer Organisation angehören kann. An dritter Stelle erst steht das Kriterium der Leistungen. Ich kann diese ganze Problematik nicht noch einmal aufrollen. Ich meine aber, daß in dem großen Fragenkomplex der europäischen Sicherheit diese Frage nach der Behandlung von Christen (und Nichtchristen!), die sich die marxistische Weltanschauung nicht zu eigen machen können, durchaus eine Rolle mit spielt. Es ist leider so, daß auf dem Bildungssektor ein – wie ich es den Staatsvertretern gegenüber bezeichnet habe – „christenfeindliches Klima“ herrscht, was von diesen freilich scharf zurückgewiesen wurde. Ich möchte die Dinge nicht dramatisieren, aber wir erfahren jede Woche bestimmte Vorfälle, die diesem Wort Nahrung und Berechtigung geben, wiewohl ich zugestehe, daß die Lage regional, auch in einzelnen Schulen unterschiedlich ist. Es ist jedenfalls weithin so, daß unsere jungen Leute den Eindruck gewinnen, daß sie immer die Angegriffenen sind, 30.6.–4.7.1972 in Dresden hielt Dr. Heino Falcke den Vortrag „Christus befreit – darum Kirche für andere“. Thematisch schloß er an die Bundessynode im Juli 1971 in Eisenach an („Kirche für andere, Zeugnis und Dienst der Gemeinde“) und setzte theologisch neue Akzente in der Frage der (gesellschaftlichen) Mitverantwortung („Verbesserlicher Sozialismus“). Abgedruckt in: KJ 99, 1972, S. 242–255.
Erklärung der Synode
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immer in der Verteidigung stehen, daß sie immer die sind, die zu antworten haben, die zur Rede gestellt werden. Vielleicht kann ich einfach hier abbrechen. Ich denke, daß ich dem Anliegen der Synode nach ein bißchen mehr Information in diesem Punkte nachgekommen bin. BerichteundBeschlüsse ErklärungderSynode
30 c Erklärung der Synode zum Bericht der Kirchenleitung und zur Aussprache Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 104, S. 1–2, hier: S. 2 (hekt.).
[. . .] 5. Die Synode stellt sich hinter die Erklärung der Kirchenleitung, daß die Synode weiterhin Tatsachen zur Sprache bringt, die ihr Anlaß zum Einspruch aus dem ihr gegebenen Auftrag geben. In der Grundhaltung kritischer Solidarität hält die Synode Ablehnungen zur Aufnahme in die Erweiterte Oberschule wegen der christlichen Einstellung der Bewerber für eine ungerechtfertigte Härte jungen DDR-Bürgern gegenüber. Die Synode bittet die neue Kirchenleitung in dieser Frage und auch in der Frage militärischer Kurse für Studenten bei den staatlichen Stellen weiterhin eine zufriedenstellende Lösung anzustreben. Die Kirchenleitung soll sich durch eventuelle Einwendungen der staatlichen Stellen nicht entmutigen lassen und sich dessen bewußt sein, daß sie dabei im Auftrag des Wortes Gottes und im Einklang mit der Verfassung der DDR handelt. Zugleich soll die Kirchenleitung die Gemeinden immer wieder darauf hinweisen, daß Christusnachfolge auch Kreuznachfolge heißt. 6. Der Bischof der Kirchenleitung hat wegen der konstituierenden Tagung der Synode auf eine Erörterung der politischen Situation verzichtet, in der wir uns befinden. Kirche lebt von der Versöhnung und steht im Dienst der Versöhnung. Darum erscheint alles, was wie die Verträge der Bundesrepublik Deutschland mit der UdSSR und der Volksrepublik Polen der Entspannung dient, als Chance für einen Neuanfang. Für uns Christen liegt die Chance darin, daß wir unsere Lage neu unter dem Wort Gottes bedenken. Unser Beitrag zu einer europäischen Friedensordnung muß darin bestehen, daß wir in zwei deutschen Staaten versuchen, Versöhnung zu praktizieren. Wir bringen unsere Hoffnungen, unsere Befürchtungen, unsere Schuld vor Gott. Er wird recht machen, was wir vertan haben.
BerichtderKirchenleitung,17.November1972 BerichteundBeschlüsse
31 Bericht der Kirchenleitung auf der 2. Tagung der VII. Synode Halle Diakonissenhaus, 17. November 1972 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 105, Dr. 13/72, S. 1–35, hier: S. 28–34 (hekt.).
Schwerpunkte: Frage nach einer mündigen Mitverantwortung der Christen in der DDR; Plan einer Konferenz für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit Gliederung: I. Die vordringlichen Strukturaufgaben in der Kirchenprovinz. 1. Vorbemerkungen. 2. Die Aufgaben einer neuen Raumordnung. 3. Die Notwendigkeit einer neuen Form der Leitung des Kirchenkreises. 4. Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzstruktur. 5. [ohne Überschrift]. II. Erkennbare Schwerpunkte in der Arbeit der Gemeinden. 1. Die Gemeindeseminare über das Thema „Heil heute“. 2. Die Arbeit der Kreissynoden an dem Jahresthema: „Übersehene menschliche Nöte – unentdeckte Möglichkeiten für uns“. 3. Seelsorge als Aufgabe der Gemeinde. III. Der gemeinsame Weg unserer Kirchen in unserer Gesellschaft. 1. [Gemeinschaft mit anderen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche der Union und des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik]. 2. [ohne Überschrift]. 3. [Eine stärkere Gemeinschaft im Bunde]. 4. [Anschluß der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa]. 5. [Frage der gesellschaftlichen Relevanz]. 6. [Einübung einer „mündigen Mitverantwortung in der Gesellschaft“].
[. . .] III. [. . .] 6. Diese aus überholten Frontstellungen herausführende theologische Konzeption möchte und könnte unsere Kirchen und ihre Glieder zusammenführen in der Einübung einer „mündigen Mitverantwortung in der Gesellschaft“1. 1 Von staatlicher Seite wurden den Kirchen Stellungnahmen in politischen Fragen grundsätzlich untersagt. Theologisch setzte man sich von kirchlicher Seite aber immer wieder damit auseinander und prägte in diesem Zusammenhang den Terminus „mündige Mitverantwortung in der Gesellschaft“.
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6.1. Mündige Mitverantwortung aus dem Evangelium bezieht sich auf alle Lebensfragen der Gesellschaft. Das Evangelium betrifft den Menschen in der Gesamtheit der sozialen Beziehungen und Problemfelder, in denen er lebt. Es ruft ihn nicht von dort weg zu isolierten religiösen Handlungen, sondern ruft ihn in den Dienst Gottes und damit zur Liebe gegenüber dem Nächsten und also auch zur verantwortlichen Mitbemühung um die sein Leben mitbestimmenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Eine dem Evangelium gehorsame Kirche kann sich darum in ihrer Thematik nicht auf „religiöse“ Fragen beschränken oder beschränken lassen; ihre Thematik ist vielmehr so weit gespannt, wie es das Leben ist. Nicht, weil ihr das Evangelium zu eng wäre, beschäftigt sich die Gemeinde Jesu Christi mit den Lebensfragen der Menschen und dem Leben der Gesellschaft, sondern weil das Evangelium von vornherein auf das Leben der Menschen in seinem ganzen Umfange bezogen ist. Wir sind bei der Sache, wenn wir uns mit den Fragen des Schwangerschaftsabbruches, der Genetik, der Umweltverschmutzung, des Rassismus, des Hungers in der Welt, der Gewalt, der Massenmedien beschäftigen – um nur einiges zu nennen –, weil es in alledem um den Menschen als den Adressaten und den Zeugen des Evangeliums geht. Sünde, Vergebung, Nachfolge geschehen in diesen konkreten Lebenszusammenhängen. Wir müssen diejenigen, die die Einhaltung der VVO2 zu überwachen haben, bitten zu beachten, daß es sich nicht um eine willkürliche Ausweitung unserer Thematik auf Sachgebiete handelt, die uns nichts angehen, sondern um die Praktizierung unseres Glaubens, wenn wir so weit ausgreifen. Selbstverständlich muß es uns auch überlassen bleiben, wie wir unsere Zusammenkünfte methodisch gestalten und wie wir sie technisch planen: Wie müssen z. B. Elemente des Spiels oder visuelle und akustische Verdeutlichungsmittel (Film, Tonband) verwenden können. Regionale Zusammenkünfte von Gliedern der Kirche, Bibelrüsten, Kirchenkreistage und kirchenmusikalische Feierstunden sind für uns notwendige Formen der religiösen Handlungen, die uns durch die Verfassung unseres Staates zugesichert sind und in denen wir uns darum nicht einschränken lassen können. Darin halten wir uns weiter an den Beschluß der Konferenz der Kirchenleitungen vom 6.7.1971. Selbstverständlich stellen wir uns mit dem allen nicht gegen den Auftrag der Deutschen Volkspolizei, für Ordnung und Sicherheit in unserem Staate zu sorgen. Wir lehnen darum auch nicht, wie immer 2 Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26.11.1970. In: GBL. DDR II, 1971, S. 69–71. Auszug abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 41 f. Vgl. auch oben Dokument 9, Anm. 22, S. 111.
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wieder einmal behauptet wird, die VVO als solche ab. Es ist uns von staatlicher Seite versichert worden, die VVO solle nicht zur Einschränkung des kirchlichen Lebens dienen. Darum meinen wir, daß bei ihrer Handhabung nicht der Eindruck entstehen dürfe, als ob von irgendeiner Stelle der Deutschen Volkspolizei die VVO zu einem administrativen Mittel der Behinderung kirchlicher Arbeit gemacht werden solle. Wir möchten den staatlichen Zusicherungen, daß unsere Sorgen unbegründet seien, gern Glauben schenken und verzichten deshalb darauf, der Synode die im Berichtsjahr ergangenen Strafbescheide gegen kirchliche Amtsträger bekanntzugeben. Wir hoffen auf eine Interpretation und Anwendung der VVO, die den berechtigten Anliegen der Kirche Rechnung tragen. 6.2. Mündige Mitverantwortung ist für den Christen nur möglich, wenn von ihm nicht erwartet wird, daß er sich in der Beurteilung der weltgeschichtlichen Entwicklung und in der Praxis seiner politischen Entscheidungen einfach von den Erkenntnisprinzipien, Sachkriterien und Entscheidungsnormen des Marxismus-Leninismus bestimmen läßt. Er muß vielmehr die Chance haben, Impulse und Sachgesichtspunkte des Evangeliums wirksam in den von der Arbeiterklasse und ihrer Partei vorangetriebenen Aufbau der sozialistischen Gesellschaft einbringen zu können, ohne daß dies als Versuch eines sogenannten „dritten Weges“ verdächtigt wird. Wenn „sozialistische Staatsbürger christlichen Glaubens“ (A. Norden)3 gleichberechtigt neben sozialistischen Staatsbürgern marxistisch-leninistischer Weltanschauung stehen sollen, müssen sie die Möglichkeit haben, ihren christlichen Glauben als Bürger im sozialistischen Staat in allen Lebensbereichen zu artikulieren und zu praktizieren. Der gute Wille und die Bereitschaft zu solcher mündigen Mitverantwortung sind – namentlich auf Seiten der jungen Glieder der Kirche – in einem beachtlichen Maße vorhanden. Leider kommt es hier immer wieder zu lähmenden Enttäuschungserlebnissen. Auch wenn sie keine ausgesprochene Verächtlichmachung ihres Glaubens hinnehmen müssen, spüren junge Christen in der Schule das ihnen unfreundliche Klima. Viele Kinder und ihre Eltern akklimatisieren sich äußerlich, ohne daß sie damit ihre christliche Einstellung aufgeben möchten. So kommt es zu keiner wirklichen Mitverantwortung, sondern eher zur Resignation. Mit einer Revision des sozialistischen Bildungssystems rechnen wir nicht, 3 In seinem Grußwort auf dem XIII. Parteitag der CDU-Ost am 12.10.1972 in Erfurt bezeichnet Prof. Albert Norden die Versammelten als „sozialistische Staatsbürger christlichen Glaubens“. Abgedruckt in: KJ 99, 1972, S. 228 f. Dieser inhaltlich nie genau geklärte Begriff wird im Sommer 1974 ersatzlos gestrichen. P. MASER, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 90 f.
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aber wir erwarten eine Praktizierung, die es respektiert, daß junge Christen ihres Glaubens leben und sich zur Gemeinde halten. Wir wissen von Kindern und Jugendlichen, die in ihrer christlichen Einstellung von Mitschülern und Lehrern geachtet werden und Qualifizierungsmöglichkeiten an den Erweiterten Oberschulen und an den Hoch- und Fachschulen erhalten (letzteres gilt jedoch leider nicht für Jugendliche, die auf Grund der Anordnung über die Aufstellung von Baueinheiten nicht an der Waffe ausgebildet werden möchten). Wir wissen von Christen, die in den Elternaktiven4 mitarbeiten. Gerade weil uns solche Fälle zeigen, daß Fairneß im Bereich der Schulen möglich ist, müssen wir auch von den Konflikten reden. Wir würden dieses Thema gern fallenlassen, wenn uns nicht wiederum gemeldet worden wäre, daß z. B. jungen Christen Nachteile in ihren Bildungsmöglichkeiten angedroht wurden, falls sie sich konfirmieren ließen oder ihre „kirchlichen Bindungen“ aufrecht erhielten. Davon waren auch Kinder christlicher Eltern betroffen, die zur Arbeiterklasse gehören. Bei allem Verständnis für die volkswirtschaftlich notwendige Verringerung der Platzzahlen an den Erweiterten Oberschulen und Hochschulen entsteht der Verdacht, daß der eigentliche Grund der Ablehnung von Schülern mit überzeugenden Leistungen und anerkannter gesellschaftlicher Tätigkeit ihre christliche Glaubenshaltung ist, auch wenn das so nicht ausgesprochen wird. Es ist uns auch bekannt geworden, daß die Mitarbeit christlicher Elternteile im Elternaktiv mitunter als unerwünscht angesehen wird. Ähnlich ungünstig ist die Situation auch bei Hochschulabsolventen und jungen Wissenschaftlern. Diese verkennen nicht, daß gesellschaftliche Notwendigkeiten heute eine verstärkte Auslese erfordern. Aber es wächst bei ihnen der Eindruck, daß dies dazu benutzt wird, sie ihres kirch4 „Als Klassen-Elternaktiv in der DDR laut Verordnung über die Elternbeiräte Organ der Eltern einer Schulklasse; organisiert die Mitarbeit der Eltern zur Erreichung des Lernplanziels durch alle Kinder; arbeitet mit dem Klassenlehrer zusammen und lenkt mit ihm die Zusammenarbeit der Eltern bei der Verwirklichung der einheitlichen Bildung und Erziehung in Schule und Elternhaus. Das Elternaktiv unterstützt den Klassenleiter bei der Herstellung einer engen Verbindung zu den Familien; ferner unterstützt es die Arbeit des Schulhortes, der Arbeitsgemeinschaften, der Pionierorganisation, der FDJ, des Ausschusses für die Jugendweihe u. a. Das Elternaktiv wird angeleitet vom Klassenpaten des Elternbeirats.“ Aus: MEYERS NEUES LEXIKON IN ACHT BÄNDEN. 2. Bd. Leipzig 1962, S. 901 f. Vgl. außerdem den Wortlaut der Elternbeiratsverordnung vom 15.11.1966 GBl. DDR II, 1966, S. 837–840; Auszug bei O. ANWEILER/H.-J. FUCHS/M. DORNER/E. PETERMANN (Hg.), Bildungspolitik in Deutschland, S. 229–233. Die Mitarbeit christlicher Eltern im Elternaktiv war auf den Synoden der 1980er Jahre immer wieder Thema. Vgl. unten Dokument 46, Anm. 4, S. 448; Dokument 47, Anm. 36, S. 480; Dokument 49, Anm. 8, S. 494; Dokument 50, Anm. 19, S. 510; Dokument 51, Anm. 14, S. 527; Dokument 55a, Anm. 18, S. 566.
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lichen Engagements wegen bei Förderungsmaßnahmen und bei der Zuweisung von Stellen, die ihren fachlichen Fähigkeiten entsprächen, hintanzusetzen. Die Kirchenleitung bzw. ihre Vertreter oder Beauftragten haben bei jeder geeigneten Gelegenheit den Vertretern unseres Staates diese von uns als bedrückend empfundene Situation dargelegt. Uns ist immer wieder versichert worden, daß sektiererische Abweichungen einzelner nicht im Sinn der staatlichen Bildungspolitik lägen und daß sie nicht verallgemeinert und als typisch für das sozialistische Bildungswesen hingestellt werden dürften. Uns liegt aber daran, daß die klimatische Gesamtsituation im Bildungssektor der verfassungsmäßigen Glaubens- und Gewissensfreiheit entspricht. Im Interesse einer mündigen Mitverantwortung hoffen wir, daß es zu einer vollen Respektierung von Gewissensentscheidungen christlicher Bürger kommen wird. Wir möchten ganz einfach wir selber sein dürfen. Im übrigen werden wir uns in der bedrückenden Situation auf dem Bildungssektor daran zu erinnern und uns und unsere Kinder darin einzuüben haben, daß die Zugehörigkeit zu Jesus Christus die Seinen mitten im Leiden zu unverbitterten, für den Dienst an den Mitmenschen bereiten Leuten zu machen vermag. 6.3. Mündige Mitverantwortung aus dem Evangelium verlangt das Mitbedenken der Weltprobleme, d. h. nicht, daß die Kirchen oder alle ihre Glieder kompetent wären oder den Auftrag hätten, zu allem und jedem das Wort zu nehmen. Ort, Stunde und Form verantwortlichen Redens und Handelns wollen sorgsam bedacht sein. Vor bloßen Gefälligkeitsäußerungen wird sich die Kirche zu hüten haben, aber ebenso vor der Befangenheit, sich zustimmend zu politischen Entscheidungen zu äußern, weil dies als Akklamation aufgefaßt werden könnte. Als Kirche, die den „Dienst der Versöhnung“ auszurichten hat, tragen wir auf alle Fälle Mitverantwortung in den Bemühungen um Frieden, Verständigung, Entspannung. 6.3.1. Daß der Verkehrsvertrag zwischen der DDR und der BRD_5 in Kraft getreten ist und daß der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten paraphiert ist, ist für uns ein Grund, Gott von Herzen zu danken. Wir haben in all den Jahren unablässig darum gebeten, daß die Schmerzen und Leiden von Menschen, die zusammengehören und doch nicht zusammenkommen konnten, aufhören möchten. Nun ist manches möglich geworden, woran noch vor ein paar Jahren keiner zu denken gewagt hätte. Wir hoffen, daß bei der praktischen Durchführung nicht neue Barrieren 5 Vgl. oben Dokument 30b, Anm. 4, S. 286.
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errichtet werden und daß es zu einer wirklich den Menschen dienenden Handhabung der Bestimmungen der Verträge kommt. 6.3.2. Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den beiden deutschen Staaten sowie die Verträge zwischen der UdSSR und der BRD und der Volksrepublik Polen und der BRD haben das Klima in Europa spürbar verbessert, so daß der Plan einer Konferenz für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit_6 Gestalt gewinnen konnte. Der Bund der Ev. Kirchen in der DDR hat recht daran getan, einen offiziellen Vertreter zum „Forum der europäischen Öffentlichkeit für Sicherheit und Zusammenarbeit“ zu entsenden, das Anfang Juni in Brüssel stattfand (Frau OKR Lewek). Der Vorsitzende unserer KL hatte in einem Gesprächsbeitrag auf der Synodaltagung im Frühjahr berichtet, was er auf einer Zusammenkunft der KL mit Vertretern des Staates zu der Frage einer solchen Konferenz geäußert hatte: In positiver Würdigung der Prager Erklärung hatte er es als einen Wunsch der KL bezeichnet, es möchte die Zusammenarbeit der europäischen Staaten von Anfang an auf die gemeinsame Förderung der jungen Nationalstaaten der sogenannten 3. Welt ausgerichtet werden, um einen egoistischen Europazentrismus zu vermeiden. Es ist erfreulich, daß in der „Feierlichen Deklaration“ des Brüsseler Forums7 dieser Gedanke aufgenommen ist. Die Teilnehmer erklären es als ihre Überzeugung, „daß die europäische Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Verantwortung Europas gegenüber der ganzen Welt und insbesondere gegenüber den Entwicklungsländern hergestellt werden muß.“ In dem erwähnten Gesprächsbeitrag auf der letzten Synodaltagung war auch auf den Zusammenhang von Völkerfrieden und Achtung der Glaubens- und Gewissensfreiheit hingewiesen worden. Auch dies findet sich in der „feierlichen Erklärung“; es heißt dort: „Die Erhaltung und Festigung der Sicherheit in Europa und in der ganzen Welt sind eng verbunden mit der Erweiterung der Demokratie wie auch der Respektierung der von den Vereinigten Nationen formulierten Menschenrechte.“ Dieser Zusammenhang ist der KL überaus wichtig. Auch sonst finden sich in den Kommissionsberichten wichtige For6 Vgl. oben Dokument 30b, Anm. 5, S. 287. 7 Die Vorgeschichte der KSZE ist sehr ausführlich und unter Einbeziehung von Politikerreden und Interviews dokumentiert. Die fast 700 in Auszügen abgedruckten Dokumente sind chronologisch angeordnet, können aber über ein synoptisches Register auch nach ihrem Ursprung (Bundesrepublik Deutschland – Westen – Osten – Neutrale) erschlossen werden: F.-K. SCHRAMM/W.-G. RIGGERT/A. FRIEDEL (Hg.), Sicherheitskonferenz in Europa. Ergänzend zu dieser Dokumentation sei verwiesen auf: H.-A. JACOBSEN/W. MALLMANN/C. MEIER (Hg.), Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Zur KSZE-Politik der beiden deutschen Staaten vgl. W. v. BREDOW, Der KSZE-Prozeß, S. 944–996.
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derungen, z. B. die „Schaffung einer Revue der europäischen Kultur für Dialog und Ideen-Austausch, ohne irgend eine Tendenz auszuschließen, die den Humanismus fordert“, oder der „Aufbau eines europäischen Kontakt- und Informationsnetzes um die Verständigung zwischen den jungen Europäern zu erleichtern“; oder die Einrichtung „gemischter Redaktionskommission für Geschichtsbücher“, um „ihren wissenschaftlichen Wert und ihre Unparteilichkeit . . . aufs Beste zu sichern“, oder „der Ausbau der bilateralen und multilateralen Kontakte zwischen . . . gesellschaftlichen, religiösen, kulturellen und wissenschaftlichen Organisationen“. Hier tut sich ein weites Feld auf. Wir haben allen Anlaß, die demnächst in Helsinki beginnenden Vorbereitungen für eine Konferenz für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit durch unsere Fürbitte und unser Mitdenken in mündiger Mitverantwortung zu begleiten. 6.4. Abschließend möchten wir auf die vom Staatsrat der DDR beschlossene umfassende Amnestie_8 hinweisen, die gerade durchgeführt wird. Jeder Straferlaß ist ein Akt, der auf Gottes Gnadenhandeln hinweist und darum von uns Christen besonders verstanden und gewürdigt wird. Die Gemeinden werden ihre Mitverantwortung bei der Eingliederung der vielen Amnestierten in das Leben unserer Gesellschaft und auch unserer Gemeinden erkennen und wahrnehmen müssen. [. . .]
8 Aufgrund des Beschlusses des Staatsrates vom 6.10.1972 sind laut ADN „25.351 politische und kriminelle Straftäter aus dem Strafvollzug und 6344 Personen aus der Untersuchungshaft entlassen“ worden, 2.087 von ihnen in die Bundesrepublik Deutschland. DDR-HANDBUCH 1, S. 43.
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32 a Vortrag von Bischof Dr. Werner Krusche „Die Gemeinde Jesu Christi auf dem Wege in die Diaspora“__1 auf der 3. Tagung der VII. Synode Halle Diakonissenhaus, 16.–20. November 1973 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 106, S. 1–41, hier: S. 1, 4–12, 34–41 (hekt.). Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 2/1974 (21.1.1974); W. KRUSCHE, Verheißung und Verantwortung, S. 94–113; KJ 100, 1973, S. 167–175 (Auszug). Gliederung: I. Diaspora und Mission. II. Die Eigenart unserer Diaspora-Situation. III. Unser Weg in die Diaspora – ein Lernprozeß. IV. Diaspora-Kirche – lernbereite Kirche. Lernbereit in der Weitergabe des Evangeliums. V. Diaspora-Kirche – lernbereite Kirche in der Gestaltung der Gemeinde. VI. Diaspora-Kirche – lernbereite Kirche. Lernbereit zur Mitarbeit in der Gesellschaft.
Herr Präses, liebe verehrte Mitsynodale! Die Kirchenleitung hat beschlossen, ihren Rechenschaftsbericht diesmal von einer Gruppe auf Grund einer Vorlage von Oberkonsistorialrat Ammer erstellen und ihn den Mitgliedern der Synode schriftlich zustellen zu lassen, und mich beauftragt, in eigener Verantwortung eine Orientierungshilfe unter dem Thema „Die Gemeinde Jesu Christi auf dem Wege in die Diaspora“ zu erarbeiten und der Synode mündlich vorzutragen. Die Kirchenleitung hat die Sachkomplexe benannt, die dabei behandelt werden sollten, Mitglieder der Kirchenleitung haben durch ihre Mitarbeit wesentlichen Anteil an dem, was nun vorzutragen ist. [. . .] 1 Krusche gab mit diesem Referat einen entscheidenden Impuls zu der Anfang der 1970er Jahre geführten Diskussion über die Neuorientierung der kirchlichen Arbeit im Blick auf die Entwicklung der Kirche von einer Mehrheits- hin zu einer Minderheitskirche. Aus Zensurgründen kam es in der DDR nicht zum Druck dieses Referats. Erst 1990 erschien es gedruckt in: W. KRUSCHE, Verheißung und Verantwortung, S. 94–113. Die Theologische Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR nahm diese Thematik zum Anlaß einer gründlichen interdisziplinären Studie „Diaspora. Zum gegenwärtigen Gebrauch des Begriffs“, zunächst hekt. erschienen, später (1981) gedruckt in: KIRCHE ALS LERNGEMEINSCHAFT, S. 186–205.
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II. Die Eigenart unserer Diaspora-Situation Es ist wichtig, daß wir versuchen, die Diaspora-Situation, in die wir immer stärker hineinkommen, möglichst genau in den Blick zu bekommen. Wenn wir von einer Kirche in der Diaspora sprechen, haben wir zumeist nur die ganz allgemeine Vorstellung von einer Kirche in einer Umgebung, in der sie als eine Minderheit und ohne Privilegien leben muß und in der ihre Tätigkeit nicht als wichtig für die Allgemeinheit angesehen wird. Aber damit ist ja noch nicht sehr viel gesagt. Zu klareren Erkenntnissen kommen wir, wenn wir uns auf zwei Fragestellungen einlassen: 1. Wie verhält sich die gesellschaftliche Umwelt zu der in ihrer Mitte als Minderheit existierende Kirche? 2. Wie ist die Minderheit-Situation entstanden? 1. Wenn wir uns der ersten Frage zuwenden, so ist zu sagen: Mit „Diaspora“ ist bei uns die Existenz der Kirche in einem gesellschaftlichen Raum gemeint, in dem eine andere Weltanschauung gefördert wird und sich als einzige durchsetzen soll. 1.1. Das uns (vom Gustav-Adolf-Werk her) geläufige „innerchristliche“ Verständnis von Diaspora, das die Existenz einer Minderheitskirche in einer durch eine andere christliche Konfession bestimmten Umwelt meint, hat also einen ganz anderen Sachverhalt vor Augen. Diese konfessionelle Diaspora mit ihrer charakteristischen Fixierung auf die andere Kirche hat ihre eigenen, hier nicht zu erörternden Probleme. Wir haben es jetzt mit einer Diaspora zu tun, in der wir uns mit den anderen Konfessionskirchen zusammen befinden. 1.2. Die Diaspora, in der wir leben, ist aber auch nicht einfach eine säkulare Diaspora. Die durch den Säkularisierungsprozeß verursachte und bestimmte Diaspora-Situation, in der die Kirche ihre gesellschaftliche Geborgenheit und die selbstverständliche Anerkennung ihrer moralischen Autorität eingebüßt hat und in der ihr ihre Vorzugsrechte beschnitten oder jedenfalls bestritten werden, haben wir mit den Kirchen in den weltanschaulich pluralistischen Gesellschaften gemeinsam. Die sich aus dem Säkularisierungsvorgang ergebenden Diaspora-Probleme stellen sich uns ähnlich. 1.3. Zu den Kennzeichen der säkularen Diaspora kommt in unserer Situation als entscheidendes Charakteristikum die beherrschende Rolle einer bestimmten Weltanschauung hinzu. Wir haben es mit einer ideologischen Diaspora zu tun. Wir leben in einer Gesellschaft, die nach den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus gestaltet wird. Er versteht sich selbst als eine „humanistische“, das Wohl der Menschen intendierende und das Handeln dafür aktivierende und normierende Weltanschauung. Es ist unverkennbar, daß in unserer Gesellschaft auf vielfache Weise das Leben
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der Menschen geschützt und gefördert wird, nicht ganz selten unter beachtlichem persönlichem Einsatz von solchen, die es sich etwas kosten lassen. Wir möchten uns freihalten von dem Ressentimentkomplex, der sich bei Minderheiten so leicht einstellt und es nicht mehr zuläßt, das den Menschen dienende Bemühen in unserer Gesellschaft wahrzunehmen und anzuerkennen. Das ändert indessen nichts daran, daß unsere Kirche als Minderheit besonders stark den Totalanspruch der in unserer Gesellschaft herrschenden Ideologie empfindet. Die von den Vertretern des Marxismus erklärte Unmöglichkeit einer ideologischen Koexistenz meint nicht nur die – auch in der Bibel ausgesprochene – Unmöglichkeit, daß ein und derselbe Mensch zwei Herren dienen, also zwei gegensätzliche Totalbestimmungen seines Lebens anerkenne kann, sondern gemeint ist damit, daß in unserer Gesellschaft die wissenschaftliche Weltanschauung des Marxismus-Leninismus und der in vor- (oder un-)wissenschaftlichen Vorstellungen begründete christliche Glaube nicht als gleichberechtigte Größen angesehen werden können. Der Kirche wird ein begrenztes Betätigungsfeld zugestanden (Pflege des religiösen Lebens ihrer Mitglieder, Diakonie als gemeinnützige Betätigung über den Bereich ihrer Mitglieder hinaus). Aber dieser Betätigungsraum darf nicht ausgeweitet oder überschritten werden. Die Tendenz ist vielmehr die, ihn handbreitweise einzuengen (um nur eines zu nennen: in den großen Neubau-Gebieten bekommt die Kirche keinen Raum, so daß sich ihre Arbeit hier nicht entfalten kann). Es wird mit einer längeren Lebensdauer der Kirche gerechnet („Zählebigkeit“), der Prozeß des allmählichen Absterbens aber für unaufhaltsam gehalten und durch vorsichtige administrative Maßnahmen, eine dosierte permanente antireligiöse Beeinflussung, schwer eindeutig nachweisbare Benachteiligung von Christen und die Erzeugung eines latenten leichten Druckes wirksam unterstützt, wobei man sich bemüht, die „religiösen Gefühle“ der Christen nicht bewußt zu verletzen. Die Diaspora-Situation ist bei uns nicht die einer verfolgten oder gewaltsam bekämpften, wohl aber die einer in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkten Kirche; nicht nur die einer „Kirche ohne Privilegien“, sondern einer Erschwernissen ausgesetzten und in manchem unterprivilegierten Kirche, zu der ein bewußter Staatsbürger eigentlich nicht gehören sollte. In dieser Diaspora-Situation sehen sich die Glieder der Kirche dauernd der heimlichen Erwartung ausgesetzt, ihren Glauben aufzugeben oder ihn jedenfalls für sich zu behalten und es zu unterlassen, andere dafür gewinnen zu wollen. 2. Zu weiteren Klärungen unserer spezifischen Diaspora-Situation kommen wir, wenn wir uns der zweiten Frage, der nach der Entstehung der Minderheitssituation, zuwenden: Es ist die Situation einer Kirche, die jahrhundertelang als Volkskirche der weit überwiegenden Mehrheit exi-
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stiert hat, die also zur Minderheit erst geworden ist. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur Diaspora-Situation der jungen Kirchen in der Dritten Welt und der Freikirchen bei uns. 2.1. Die jungen Kirchen sind seit je Minderheitskirchen, und zwar solche, die zahlenmäßig wachsen. Es kommt hier also nicht zu inneren Lähmungserscheinungen angesichts kleiner werdender Zahlen, wie sie für unsere Situation typisch sind. Außerdem: Die nicht zur Kirche gehörende Mehrheit ist ohne eigene Erfahrungen in und mit der Kirche. Hier gibt es also weder Negativ-Erlebnisse noch eingeprägte Vorstellungen und vorgeprägte Einstellungen, während in unserer Situation bei denjenigen, die nicht zur Kirche gehören, bestimmte Ansichten und Urteile über die Kirche bereits wirksam sind. 2.2. Wir sind zur Kirche einer Minderheit geworden durch Verluste, während die Freikirchen bei uns schon immer Freikirchen waren. Ihre Existenz als Minderheit kann darum frei von Komplexen der Minderwertigkeit sein; hier ist eher das elitäre Bewußtsein einer erwählten Schar möglich. Die Tatsache, daß wir zu einer Minderheitskirche durch schmerzhafte und verletzende Maßnahmen und Aktionen der das Leben der Gesellschaft beherrschenden Kräfte geworden sind, erzeugt unterschwellig Voreingenommenheiten, Distanzgefühle, Abwehrhaltungen, Empfindlichkeiten gegenüber denen, die uns in diese Situation gebracht haben. 2.3. Wir sind zur Minderheitskirche geworden, ohne mit unserer Geschichte brechen zu können und zu wollen. Wir müssen als Kirche einer Minderheit mit der Wirkungsgeschichte der Volkskirche mit ihrem Segen und ihrer Last fertig werden und können nicht aus ihr ausscheren. Hier wächst uns eine Aufgabe, die den Freikirchen nicht gestellt ist und von der wir noch nicht wissen, wie wir sie lösen sollen. Während die Freikirchen bei uns seit je größenangepaßt – nach ihren finanziellen und personellen Möglichkeiten – zu arbeiten gewöhnt sind, haben wir all das, was in ganz anderen Verhältnissen entstanden ist und für ganz andere Verhältnisse gedacht war – nämlich für die Verhältnisse einer Volkskirche mit ihren großen Zahlen und ihren breiten Möglichkeiten – in die Minderheitssituation mitgenommen oder mitnehmen müssen: die zu vielen und zu großen Kirchen, ein breit angelegtes Betätigungsfeld auf theologischem, pädagogischem, diakonischem und kulturellem Gebiet, eine entsprechend ausgebaute Verwaltung, Organisation und Repräsentation (Titel!) mit einer Vielzahl von Rechtsverbindlichkeiten und natürlich auch die von der Volkskirche geweckten Bedürfnisse (Amtshandlungen!). 2.4. Wir sind in diese Minderheitssituation nicht aufgrund geistlicher Einsichten und aus freiem Antrieb eingewandert, sondern durch den Druck der Verhältnisse in sie hineingedrängt worden. Es ist darum kein
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Wunder, daß wir die neue Situation noch immer nicht wirklich innerlich angenommen, geschweige denn geistlich verarbeitet haben und daß wir uns nur schwer aus volkskirchlichen Vorstellungen und Verhaltensweisen herauslösen können. 3. In den geschichtlichen Entwicklungen dürfen wir trotz der Schuld und des Versagens der Kirche, die dabei mitgewirkt haben, die Führung des Herrn erkennen und annehmen. Die Situationsanalyse ergibt: Unsere Situation ist nicht die der Urgemeinde und wiederholt diese nicht. Wohl aber zeigt uns das neue Testament: die Gemeinde muß in der Diaspora nicht umkommen. Freilich: Diaspora ist für die Gemeinde äußerste Anfechtung, Bedrängnis und Beängstigung, das Gefühl schutzlosen Ausgeliefertseins greift Platz (Mt 9,36). Es ist die Situation, in der die Frage „Wollt ihr auch weggehen?“ (Joh 6,67) sich nicht mehr abweisen läßt. Das die Diasporasituation der Gemeinde wie kein anderes aufschlüsselnde Wort sagt Jesus in seiner Passion: „Ihr werdet alle zu Fall kommen; denn es steht geschrieben: Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden sich zertreuen. Aber nach meiner Auferweckung werde ich euch vorangehen nach Galiläa“ (Mk 14,27 f.). Diaspora: die aus der nackten Angst vor dem Kreuz auseinanderstiebende, verstreute, sich verkriechende, im Dunkel der Zukunftslosigkeit untertauchende Jüngerschar. Aber: in dieser Dunkelheit die Verheißung des Auferstandenen, daß er seiner verängstigten Jüngerschar vorangehen werde nach Galiläa, also an den Ort ihres gelebten Lebens, wo sich ihr Alltag abspielt, in die Welt der empirischen Tatbestände. Die Verheißung des vorangehenden Herrn ist das Licht, das diese Diaspora lebbar, begehbar, voller sinnvoller Möglichkeiten macht – aller „Sprache der Tatsachen“ zum Trotz. Diaspora wird unter dieser Verheißung und der neuen Sendung durch den Auferstandenen nicht zum Ghetto, in dem sich die Gemeinde abschließt und absichert, um bis zum Kommen des Herrn abgekapselt und „verpuppt“ sich durchzuhalten. Wir dürfen in aller Ängstigung Diaspora als eine sinnvolle Situation ansehen, die ihre eigenen Chancen hat. Nur aus dieser Sicht des Glaubens, die uns die Verheißung eröffnet und die aus keiner Situationsanalyse zu gewinnen, vielmehr aller Empirie entgegen ist, werden wir die Situation richtig verstehen. So können wir unter Anleitung des Neuen Testaments und darin unter Leitung des lebendigen, uns vorangehenden Herrn in die neue Diaspora hineingehen. Wenn wir unter dem Hoffnungslicht der Verheißung die positiven Möglichkeiten unserer Diaspora ein wenig in den Blick zu bekommen versuchen, so werden wir vielleicht folgendes sagen dürfen: 3.1. Eine in eine säkulare Umwelt hineinverstreute Christengemeinde muß sich neu die Frage nach dem für sie Wesentlichen stellen, nach dem, was außer ihr niemand sonst hat und um dessentwillen sie also schlechterdings
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notwendig und unersetzbar ist. Dabei stößt sie auf das Evangelium als auf das völlig singuläre Angebot eines neuen, befreiten Lebens durch und mit Christus. Die Diaspora-Situation eröffnet uns die chancenreiche Konzentration auf das Entscheidende, das wirklich Notwendige und Not Wendende. Das Leben der Gemeinde in der Diaspora könnte damit an Intensität und vielleicht auch an Qualität gewinnen. Die Gemeinde hat die Chance, von einer fraglos hingenommenen wieder zu einer frag-würdigen und befragten Größe in ihrer gesellschaftlichen Umwelt zu werden. 3.2. Die Gemeinde in der Diaspora darf damit rechnen, aus ihrer volkskirchlichen Konturenlosigkeit herauszukommen und wieder ein klares Profil zu bekommen. Sie könnte wieder als eine Größe eigener Art erkannt werden, als die Stadt auf dem Berge (Mt 5,14). Ihre Fremdlingschaft (1. Petr 2,11; Hebr 11,13; 13,14; Phil 3,20; Joh 17,14; 15,19) als Gefolgschaft des wehrlos Liebenden und sich für die Welt Aufopfernden könnte wieder wahrnehmbar werden. 3.3. Die unprivilegierte Diasporakirche ist eine Kirche ohne Macht (Mt 10,16). Sie ist weder beteiligt an der Ausübung der Macht, noch hat sie Einfluß darauf. Diese Machtlosigkeit bekommt die Chance, daß die Kirche dadurch andere Minderheiten besser verstehen lernt und von der Versuchung frei wird, Überzeugungen durch Druck besser auf die Gewissen erzwingen zu wollen, und frei dazu, allein auf Gottes mächtige Treue und auf die der kleinen Schar gegebenen Verheißungen zu trauen (Lk 12,32; Mt 18,20). 3.4. Die Glieder der Diasporakirche müssen als einzelne Christen leben können, aber sie können gerade darum nicht als vereinzelte Christen leben wollen. Das Verlangen nach Gemeinschaft wird wachsen. Die Versammlung, das Zusammenkommen, wird von den in die Welt Hineinverstreuten zunehmend als lebensnotwendig erkannt werden. Man braucht einander zur Tröstung mit dem Evangelium, zur Fürbitte, zum Danken, zum Erfahrungsaustausch, zur Beratung, zur Hilfe, zum Mitfreuen. 3.5. Die Gefahren der Diaspora: daß der Gedanke der Selbsterhaltung beherrschend wird und die Gemeinde sich abschirmt vor allem, was ihren Bestand und ihre Identität gefährden könnte, so daß sie zwar an Geschlossenheit und Zusammenhalt gewinnt, aber ihren Weltbezug verliert und anziehend ist nur noch für Weltemigranten und Enghorizontige. Diese Selbstabschließung vor der Gefährdung durch die Welt kann nur der lebendige Herr selbst immer wieder aufbrechen, indem er zu uns kommt, uns die Furcht nimmt und uns aufbrechen läßt (Joh 20,19–23).
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III. Unser Weg in die Diaspora – ein Lernprozeß Aus alledem ergibt sich, daß der Weg in die Diaspora für unsere Kirche und damit für uns alle ein Lernprozeß sein wird. Nicht in dem intellektualistisch verengten Sinne ständiger Wissenserweiterung, sondern existenziell verstanden als ein geistlicher Lebensvorgang, der sich in seinem Inhalt und in seinem Vollzug bestimmt von der Nachfolge des lebendigen Gekreuzigten her. Lernprozeß als „schöpferische Nachfolge“ (E. Wolf). Der „Jünger“ ist der Typus des Lernenden, „der nicht nur auf diesem oder jenem Gebiet sein Wissen erweitern will, sondern für den das Lernen und das Lernen-Wollen die Lebenshaltung schlechthin bezeichnet“; er ist „der eigentliche Gegentypus des pharisäisch Befangenen, der die Wahrheit zu besitzen glaubt“2. [. . .] VI. Diaspora-Kirche – lernbereite Kirche. Lernbereit zur Mitarbeit in der Gesellschaft 1. Diasporakirchen werden immer zwei Versuchungen ausgesetzt sein, die sich sozial-psychologisch aus der Tatsache erklären lassen, daß sie Minderheit in einer Umwelt sind, die sie ablehnt. Entweder neigen Diasporakirchen dazu, ihre gesellschaftliche Umwelt als totale Bedrohung zu sehen. Dann reagiert ein sozialer Gruppenreflex mit einer Abschirmung gegen die Umwelt. Die Abschirmung nach außen führt zu einer Gruppenstabilisierung nach innen, die sich zu Ressentimenteinstellungen verdichten kann: man wird schon böse, wenn Angehörige der Diasporakirche die Umwelt positiv sehen. Diese Haltung bekommt eine Nähe zu den apokalyptischen Gemeinden in Daniel 7, denen die Welt des Staates als Tier aus dem Abgrund erscheint. – Im Gegenzug gegen diese Haltung einer Diasporagemeinde entsteht eine umgekehrte Tendenz, die sich den Erwartungen der Gesellschaft öffnet und sich ihr an- und einpaßt. Dieser umgekehrten Haltung wird jede kritische Frage im Blick auf die Umweltgesellschaft bereits verdächtig und ärgerlich. Sie übernimmt das Selbstverständnis ihrer Umwelt vollständig und nimmt bereitwillig den Platz ein, der ihr von dort angewiesen wird. Das kann u. U. unter Stichworten des „Dienens“ geschehen („dienende“ = servile Kirche). Beide Haltungen haben ihre Vorläufer in der Geschichte der jüdischen Diaspora: das Ghettojudentum, dessen orthodoxe Mitte sich um den Talmud schart, und das Emanzipationsjudentum, das sich in der Umwelt auflöst. Aber der christlichen Gemeinde ist eine andere Einstellung möglich: Sie kann aus dem Hören der Botschaft ihres Herrn, der sie auch in der Diaspora am 2 D. v. OPPEN, Der sachliche Mensch, S. 142 [Orig. Anm.].
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Leben erhält, ihre Umwelt in einem Hoffnungslicht sehen, das mehr Sinn sichtbar macht, als die Konturen der nackten Erfahrung es uns spüren lassen. Angeleitet durch das Licht dieser Botschaft, wird auch eine klein gewordene Diasporakirche, die sich zu ihrem Herrn als dem Licht der Welt bekennt., an den gesellschaftlichen Vorgängen ihrer Umwelt teilnehmen, politische und soziale Fragen vor dem Herren, dem sie verantwortlich ist, mit bedenken und sich nicht in der Kündigung aller gesellschaftlichen Solidarität einfach aus allem heraushalten können und wollen („das geht mich nichts an“, „das betrifft mich nicht“). 2. In unserer spezifischen Diasporasituation haben die Kirchen die Möglichkeit, sozial-diakonische Aufgaben wahrzunehmen: Altenpflege, Arbeit an Kranken, Leistungsgeminderten, Schwachsinnigen. Wir haben keinerlei Grund, uns darüber zu beklagen, daß man uns nur an diesen Schwachstellen der Gesellschaft arbeiten läßt, an denen kein Eindruck zu machen ist; wir haben vielmehr allen Anlaß, uns diesen Aufgaben mit der Aufmerksamkeit und Sachkundigkeit der Liebe zuzuwenden. Die diakonische Arbeit der Kirche an denen, die keine aufweisbaren Leistungen erbringen können, ist eine sozial anschauliche Kommentierung der Rechtfertigung für alle Menschen. Was zur Entlastung der Leistungsgesellschaft der kirchlichen Diakonie an Arbeitsmöglichkeiten eingeräumt wird, nimmt diese auf als ein sprechendes Zeichen für alle Menschen in der durch Leistung bestimmten Gesellschaft, das ihnen im Namen predigt: der Mensch ist mehr als seine Arbeitsleistung. Er hat seinen Wert und seine Würde andersher. Er ist geliebt. Es ist auf alle Fälle gut für eine Gesellschaft, wenn ihr dies vorgelebt wird. 3.1. Im übrigen gehört es zu den Erfahrungen unserer spezifischen Diaspora-Situation, daß die Kirche nicht als eine gesellschaftliche Größe angesehen wird, die eine eigene gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen hätte. Gelegentlich wird sie als eine gesellschaftliche Kraft gewertet – wie z. B. jüngstens auf dem Weltkongreß der Friedenskräfte in Moskau –; wenn sie auch nur die geringste Aussicht hat, vom Evangelium her ihren spezifischen Beitrag in den Dialog einzubringen (dort wurde ja ausdrücklich von einem Dialog gesprochen), wenn also nicht nur ihre pauschale Zustimmung erwartet wird, wird sie diese Rolle als gesellschaftlicher Gesprächspartner annehmen. Wenn zu den Ergebnissen einer Konferenz Sätze wie die folgenden gehören, die im Kommuniqué des Weltkongresses der Friedenskräfte stehen, dann hat sich die Kirche mit Recht an solchem Gespräch beteiligt: „Jeder Mensch hat das unumstößliche Recht auf ein vom Gesetz geschütztes Leben. Die Staaten müssen sich um die vollständige Aufhebung der Todesstrafe bemühen. Das Recht auf Leben ist auch mit dem Problem des Rechts verbunden, sich zu weigern, anderen das Leben zu nehmen. Es ist notwendig, alle Formen der Diskriminierung
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nach Merkmalen der Rasse, der Nationalität, der Sprache, Religion und des Geschlechts auszurotten.“3 3.2. Normalerwiese werden aber von der Kirche in unserer Diaspora-Situation keine eigenen Stellungnahmen zu den Vorgängen in der Gesellschaft erwartet. Sie wird informiert, aber nicht konsultiert. Ihre Worte werden nicht als Worte eines nachdenkenden Partners gehört, sondern oft als Störung empfunden. 4. So wird das, was im gesellschaftlichen Bereich von der Gemeinde Jesu Christi ausgeht, in der Hauptsache durch einzelne ihrer Glieder geschehen, die in der persönlichen Diaspora-Phase ihres Glaubens und Lebens, als einzelne in ihren Berufen zerstreut, in der Gesellschaft mitarbeiten, mitdenken, mitleben. 4.1. Was von einzelnen Christen an den Orten ihres täglichen Lebens an Mitverantwortung praktiziert wird, ist nicht von weltverändernder Wirkung. Es macht keine Schlagzeilen. Die Spannung zwischen dem Bedenken des Gesellschaftsganzen und den kleinen, vorgezeichneten Spielräumen eigenverantwortlicher Initiative mit minimalen Chancen bedrückt viele. Seit Jahren sagen uns die Gemeindeglieder, die nicht in kirchlichen Berufen tätig sind, daß ihre gesellschaftliche Verantwortung in ihrem Berufsleben nicht Spielregeln bestimmen kann, sondern lernen mußte, als Mitspieler auf vorentscheidende Regeln einzugehen. Für fernerstehende Beobachter scheint diese Lernaufgabe des Jüngers, verantwortlich mitzuspielen, sich oft nicht zu unterscheiden von dem Lernverzicht des Resignierten, der sich erwartungsgemäß anpaßt („nur nicht auffallen“). Dennoch hängt an diesem Unterschied alles, was gesellschaftliche Mitverantwortung im Licht der Hoffnung und Verheißung des Evangeliums heißen könnte! 4.2. So bleiben Zeichen und Wirkungen, an denen gesellschaftliche Mitverantwortung der Diasporachristenheit aufzuweisen wäre, oft sehr klein, unscheinbar, vielfach umstritten, leicht zu übersehen, nicht ausweisbar als Gehorsamsakte in der Nachfolge Jesu. Das Normale ist, daß gesellschaftliche Mitverantwortung von Diasporachristen nicht in auffälligen Aktionen wahrgenommen, sondern als kleine Münze gezahlt wird. 4.2.1. Etwa in der Redlichkeit der Berufsarbeit. In einer Welt, in der Berufsarbeit vielfach nur als Mittel zum Geldverdienen angesehen wird, entsteht erschreckend oft ein Desinteresse daran, ob denn auch das erzielte Arbeitsergebnis für andere brauchbar sei oder nicht („Hauptsache die Piepen stimmen“). Gerade weil wir Christen unser Herz nicht an den aktuellsten Götzen unserer Zeit, das Geld, hängen, könnten wir der Faszination, immer mehr Geld verdienen zu müssen, Vorbehalt und Wi3 ND, 4.11.1973, S. 6 [Orig. Anm.].
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derstand entgegenstellen und wieder klarmachen, daß einer von der Arbeit des anderen lebt und darum für das Leben des anderen arbeitet. Wo Menschen diese Grundeinstellung als „für andere da sein“ im Beruf leben, da stehen kleine Fähnchen der Verantwortung für die Gesellschaft: 4.2.2. Oder – um noch eine anderes Anschauungsbeispiel aufzuführen –: es bildet sich um einen herum ein menschliches Klima zu Kollegen und Mitarbeitern. Ihm ist das selber gar nicht bewußt, aber die anderen empfinden es, seine Worte öffnen Vertrauen, man kann ihm alles ungeängstet sagen. Sein Wort gilt etwas. Weil er da ist, kommt es gar nicht erst zu Konflikten. Man ahnt etwas davon, daß er aus anderen Quellen lebt. Er erhält ein kleines Stück Gesellschaft gesund. 4.2.3. Oder es wäre an viele kleine Gespräche und Versuche zu denken, wo einzelne sich für Vorgänge einsetzen, in denen das kleine Recht des Nachbarn, der Kinder in der Schule, des Kollegen und Kumpels auf dem Spiel steht, und von vielen kleinen immer neu entstehenden Bemühungen, die sich nicht dem Satz gefangen gaben: „Es hat doch alles keinen Zweck“. Vielleicht ist es die kleine Münze gesellschaftlicher Mitverantwortung, welche durch die einzelnen Christen aus der Diasporagemeinde in die Gesellschaft hineingezahlt wird, am deutlichsten im ständigen Widerspruch gegen diesen resignierenden Satz zu erkennen, daß alles keinen Zweck habe. 4.3. Das alles klingt nach wenig, wenn wir die großen kirchlichen Verlautbarungen zu den großen Problemen der Gesellschaft im Ohr haben. Nein, was hier genannt worden ist, das sind keine Staatsaktionen, eher kleinste Zeichen des Schaloms, zwei Groschen Hoffnung für Menschen, die das Hoffen verlernt haben (Hoekendijk) oder der Zukunftsversprechungen überdrüssig geworden sind. Gesellschaftliche Probleme werden auf diese Weise sicher noch nicht gelöst, aber das Leben wird ein bißchen freundlicher. Die Abneigung, säkulare Fragen ins Gespräch mit der Wahrheit des Evangeliums zu bringen, wird noch nicht durchbrochen, aber hier und da entsteht die Vermutung, daß es doch einen Sinn habe, um kleine Verbesserungen zu kämpfen und sich für den Menschen einzusetzen. Vielleicht sind diese Zeichen erste praktische Lektionen des Schalom, der seinen vollen Glanz im kommenden Reich Christi hat. 5.1. Haben solche kleinen Dinge aber wirklich einen Sinn? Richten verstreute Christen in der vorentschiedenen Gesamtorganisation der Gesellschaft und Berufswelt denn etwas aus? Bewirken sie etwas? Wie ein Alptraum zieht durch unsere Gespräche die Klage: Wir können ja nichts machen. Die Möglichkeiten der Wahrnehmung eigener Mitverantwortung sind so minimal, die erwähnten kleinen Leuchtzeichen ja doch beinahe lächerlich. Macht die Ohnmacht der kleinen kirchlichen Bemühungen nicht alle hochtrabende Rede von christlicher Gesellschaftsverantwortung sinnlos? Taucht bei einem Blick für die politischen Proportionen nicht erneut der
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Satz auf: „Es hat doch alles keinen Zweck“? Der Alptraum dieser Frage begleitet wie ein Schatten unsere DDR-Diasporakirche, ihre einzelnen Glieder und sie als ganze, bei ihren Versuchen, gesellschaftliche Mitverantwortung wahrzunehmen. 5.2. Wir werden diese Alptraumfrage wohl in unsere Lernaufgabe mit einbeziehen müssen. Dabei haben wir uns klarzumachen: Die Klage über die Sinnlosigkeit der ganz kleinen Lebensbemühungen, die vermeintlich nichts bewirken, ist selbst fasziniert und gefesselt von der Vorstellung, daß nur Großwirkungen in Gesellschaft und Politik einen Sinn haben und dem Einzelleben Sinn geben könnten, sofern es an ihnen teilnimmt. Daß der Sinn an erkennbarem Erfolg und an der Wirkung eines Einsatzes hänge, ist weitverbreitete Meinung, welche das Denk-Schema unserer Weltzeit kennzeichnet (Röm 12,2). Aber das Licht der Freiheit Christi zieht uns in seiner Barmherzigkeit aus dem Gefangen- und Befangensein in dem Maßstab der Welt, der den Zusammenhang von Wirkung und Sinn feststellt (Röm 12,1), heraus. Mehr noch: das Licht der Freiheit Christi läßt seine Verheißung auch über den kleinen Versuchen leuchten. Von ihm aus fällt auf die scheinbar ohnmächtigen und belächelten Schritte in der Wahrnehmung gesellschaftlicher Mitverantwortung ein heimlicher Glanz: Nichts davon ist sinnlos! Das muß uns nicht in eine pharisäische Glorifizierung des Mißerfolgs führen, zum Madigmachen von wirkungsvollem Handeln. Wo sich Räume zu eigenverantwortlichem Wirken öffnen, dürfen Christen sie annehmen. Aber zur Zeit gibt uns Gott andere Einsichten auf: Wo Gesellschaftsverantwortung in der Diaspora von beruflich vereinzelten Christen wahrgenommen wird, lernen wir den Sinn der kleinen Schritte, Versuche, menschliche Zeichen, u. U. auch der Kompromisse. Doch man kann ihren Sinn nur in der Nachfolge Jesu lernen. In seiner Nachfolge aber werden sie – gegen alle Vorurteile der Zeit – sinnvoll: voll von Seinem Sinn. Ich schließe mit einem Wort des Hallenser Theologieprofessors Martin Kähler: „Er – Jesus – war nie in großen Geschäften, wie denn die Geschichtsschreiber seiner Zeit und seines Volkes nicht von ihm zu erzählen wissen [. . .] Er war nie in großen Geschäften, sondern in unermüdlichem treuem Kleinbetrieb; und mir wenigstens tritt seine königliche Erhabenheit am meisten heraus, wenn ich sehe, wie er diesem Kleinbetrieb gewachsen bleibt, ohne Zerrissenheit, ohne Kleinlichkeit, ohne Kleinmut, denn eben dieser Kleinbetrieb ist so unendlich in den Ansprüchen an ihn, daß er seinen Gefährten selbst über seine Kräfte zu gehen schien; und wenn ihn dabei nach seinen Menschen Urteil nicht der Menschheit große Gegenstände, sondern der enge Kreis der sich überall wiederholenden Mühsal und Armseligkeit beschäftigen, so hat sich ihm das Übermaß des Jammers dargestellt, das sonst in die Verzweiflung drängt. Halten sich die großen Geister, um leistungsfähig zu bleiben, das Kleine, das Alltägliche vom
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Leibe – der Schauplatz des Grössesten, solange er ihn sich hat wählen dürfen, war die Alltäglichkeit.“
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32 b Beschluss der Synode zum Vortrag des Bischofs Dr. Werner Krusche Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 106, Dr. 28/73, S. 1–2 (hekt.) u. Protokoll des 5. Sitzungstages am 20.11.1973, S. 1–6, hier: S. 5 (masch.).
Die Synode hat den Vortrag des Bischofs „Die Gemeinde Jesu Christi auf dem Wege in die Diaspora“ entgegengenommen. Nachdem in den zurückliegenden Jahren Bischof und Kirchenleitung den Bericht gemeinsam gegeben haben, ist diesmal dem schriftlich vorgelegten Bericht der Kirchenleitung der in eigener Verantwortung erarbeitete Vortrag des Bischofs zur Seite gestellt worden. Mit der „Neuordnung des geistlichen Dienstes“, dem Entwurf einer „Ordnung der Leitung des Kirchenkreises“, der „Raumordnung“ und einem neuen Umlageverfahren, hat die Kirchenprovinz Sachsen innerhalb kurzer Zeit eine weitreichende Umwandlung des Bestehenden eingeleitet. Neben freudiger Zustimmung und der Bereitschaft zu umgehender Praktizierung stehen bis heute Widerspruch im Grundsätzlichen, Vorbehalte hinsichtlich der Notwendigkeit und Zweifel an der Durchführbarkeit dieser Vorhaben. Darüber hinaus ist, wie in anderen Kirchen der DDR, so auch in der Kirchenprovinz Sachsen erkennbar, wie Gemeinden durch Bedrängnis von außen und innere Müdigkeit ihres Auftrages und ihrer Zukunft ungewiß geworden sind. Wie die Aussprache im Plenum und die Beratung in den Ausschüssen zeigte, sieht die Synode in dem Vortrag eine in der gegenwärtigen Lage notwendige und gute Orientierung und stimmt ihr dankbar zu. „Diaspora“ wird als Leitbegriff für unsere Situation neu bestimmt. Unsere Diaspora hat nicht nur negative Seiten (die in eine säkulare und ideologische geprägte Umwelt hineinverstreute Christengemeinde), sondern enthält unter dem Hoffnungslicht der Verheißung positive Möglichkeiten. Auf dem Wege in die so beschriebene Diaspora müssen wir neu lernen, das Evangelium weiterzugeben, das Leben der Gemeinde zu gestalten und in der Gesellschaft mitzuarbeiten. Zur Weitergabe des Evangeliums wird
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es entscheidend sein, daß Menschen durch selbständigen Umgang mit der Bibel fähig und bereit werden, ihren Glauben zu verantworten und zu bekunden. Der bibelverständige, gesprächs- und gruppenfähig gewordene Pfarrer ist dazu unentbehrlich. Lebensgestaltung der Gemeinde wird nur dort möglich, wo tragende geistliche Gemeinschaft ist. Mitarbeit in der Gesellschaft kann auf vielfache Weise möglich sein. Sie wird erfahrungsgemäß nicht in auffälligen Aktionen wahrgenommen werden können. Der Haltung „es hat doch alles keinen Zweck“ ist entgegenzusetzen: „Jeder kleine Schritt ist sinnvoll“. Im Vortrag des Bischofs werden unter Berücksichtigung der seit Beginn der Neuordnung in der Kirchenprovinz Sachsen gesammelten Erfahrungen die konkreten Bedingungen der Situation für die Sendung in den Blick genommen: die Gemeinden und ihre Glieder zum Missionsdienst zu befähigen. BerichtderKirchenleitung,18.November1973 BerichteundBeschlüsse
32 c Bericht der Kirchenleitung Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 106, Dr. 2/73, S. 1–22, hier: S. 18–22 (hekt.).
Schwerpunkte: Problem der Chancengleichheit christlicher Kinder; Kriegsgebiete und Spannungsherde in der Welt; Entspannung in Europa (Ausweitung des innerdeutschen Reiseverkehrs etc.) Gliederung: 1. Struktur und Leitung. 2. Gottesdienst und Gemeindearbeit. 3. Mitarbeiter im Verkündigungsdienst. 4. Informationstätigkeit. 5. Bund – EKU – Nachbarkirchen. 6. Ökumenische Beziehungen. 7. Die Kirche in der heutigen Welt.
[. . .] 7. Die Kirche in der heutigen Welt 7.1. Die Gemeinde Jesu Christi weiß, daß sie in ihrem Dienst bezogen ist auf die bestimmte Gesellschaft, in der sie lebt. Ihr Verhalten zu den staatlichen Organen und ihre Stellung zu der Gesellschaft wird durch den Auftrag bestimmt, der im Evangelium gegeben ist. (1) Mit den Räten der Bezirke Magdeburg, Halle, Erfurt, Suhl und Leipzig führte der theologische Dezernent der Abteilung I des Evangelischen Konsistoriums regelmäßig Gespräche. Mitunter waren auch der Bischof, der Konsistorialpräsident, Pröpste und andere Dezer-
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nenten des Konsistoriums Teilnehmer solcher Gespräche. Dabei wurden offen und freimütig alle anstehenden Fragen besprochen. Eine Reihe von Problemen – besonders in Einzelfällen – konnte geklärt werden. Die Kirchenleitung hält diese Gespräche für nützlich und möchte sie fortsetzen. (2) Sehr oft standen Tendenzen auf dem Sektor Volksbildung im Mittelpunkt dieser Gespräche. Die Kirchen haben in gar keiner Weise ein Interesse daran – wie gelegentlich von staatlichen Gesprächspartnern behauptet wird –, die Vorgänge auf diesem Gebiet als Konfliktanlaß festzuhalten. Die Kirchenleitung übersieht auch nicht die Bemühungen und die beachtlichen Erfolge, die in der DDR bei der Gestaltung des sozialistischen Bildungswesens erkennbar sind. Leider aber zwingt die Wirklichkeit dazu, sich immer wieder auch mit Schwierigkeiten zu befassen. Der Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen an die Bundessynode in Schwerin 1973 sagt dazu u. a.: „Nachrichten von der Nichtaufnahme christlicher Kinder in die Vorbereitungsklassen und in die Erweiterte Oberschule, von Zurückweisungen vom Hochschulstudium, von der Zurücknahme schon ausgesprochener Zulassungen und von Relegierungen gehören leider weiterhin zum ‚täglichen Brot‘ der Kirchenleitungen.“4 Dazu kommen immer wieder einzelne Hinweise, daß Kindern und Jugendlichen Nachteile für ihr Fortkommen entstünden, wenn sie an anerkannten religiösen Handlungen wie Christenlehre, Konfirmandenunterricht und Konfirmation teilnehmen. Es ist dankbar anzuerkennen, daß in einer Reihe von Fällen Klärung erfolgte. Da sich aber Äußerungen, die die Chancengleichheit christlicher Kinder infragestellen, herumsprechen und ihre Wirkung tun, ist es mit einer Klärung des einzelnen Falles nicht getan. Es bedürfte vielmehr einer öffentlichen Klarstellung innerhalb der Bildungseinrichtung, daß eine Benachteiligung solcher Kinder der staatlichen Bildungspolitik widerspricht. Die Besorgnis bei Eltern und Jugendlichen wird jedoch dadurch genährt, daß derartige Überspitzungen einzelner Lehrer oder Jugendfunktionäre überhaupt versucht werden. Die Konferenz der Kirchenleitungen weist darauf hin, daß nach allen Seiten sorgfältig gesichertes Material nicht immer vorgelegt werden kann, weil die kirchlichen Mitarbeiter keine Ermittlungen durchführen können und oft sogar von den Betroffenen gebeten werden, daß die Kirche von dem Vorfall keinen Gebrauch machen möge. Die Konferenz stellt dazu fest: „Sollte sich eine Beschwerde als unbegründet herausstellen, wäre diese Klärung
4 Bericht der KKL vor der Bundessynode in Schwerin im Mai 1973. Abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 95–97 (Auszug), hier: S. 96.
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immer noch besser als das Weiterschwelen einer unbegründeten Verdächtigung.“ Die Kirchenleitung verweist auf den gesamten Abschnitt im Bericht der Konferenz an die Bundessynode. Es ist der Kirchenleitung deutlich, daß zunächst die Eltern ihre staatsbürgerlichen Rechte wahrzunehmen haben. Die Kirche ist aber eine Gemeinschaft der Glaubenden, in der einer für den anderen eintritt. Deshalb müssen die verantwortlichen Vertreter der Kirchenleitung wegen der Unruhe in den Gemeinden auch das Gespräch mit den verantwortlichen staatlichen Vertretern suchen und gelegentlich auch die Gemeinden auf diese Problematik hinweisen. In diesem Zusammenhang möchte die Kirchenleitung allerdings auch deutlich erklären, daß es viele Schulen gibt, in denen Schüler wegen ihrer christlichen Bindungen nicht benachteiligt werden. Manche Christen neigen offenbar in diesen Dingen zu einer gewissen Nervosität. Sie vermuten oft einen Angriff, ohne zunächst gelassen zu prüfen, ob die Nichtchristen überhaupt begreifen, daß sie durch ihr Verhalten oder ihre Worte christliche Mitbürger belasten. (3) Die Gespräche über die Auslegung der Veranstaltungsverordnung sind durch die Klärung in Bezug auf die Bibelrüstzeiten ein Beispiel dafür, wie zwischen staatlichen Organen und Vertretern der Kirche auch schwierige Probleme gelöst werden können. Seit dem 1.6.1973 werden die Bibelrüstzeiten als anmeldefrei im Sinne des § 3 Absatz 3e der Verordnung vom 26.11.19705 angesehen, weil sie als religiöse Handlungen im Sinne von Artikel 39 der Verfassung6 anerkannt sind. Die Superintendenten teilen wie in früheren Jahren den zuständigen Räten der Kreise – Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres – derartige Bibelrüstzeiten mit. Was sonstige kirchliche Veranstaltungen betrifft, so ist den Vertretern des Bundes gesagt worden, „daß es auf den Wesensinhalt, also auf den beherrschenden Inhalt einer Veranstaltung und auf ihre Zielstellung, ankomme, um sie als anmeldefreie religiöse Handlung im Sinne der Verfassung und der Veranstaltungsverordnung zu qualifizieren.“7 Die Kirchenleitung stimmt der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen darin zu, daß durch diese Maxime berücksichtigt wird, worum es den Kirchen bei allen Problemen ging, nämlich um die Anerkennung dessen, was legitimer kirchlicher Dienst ist8. 5 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 2, S. 295. § 3 der Verordnung abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 41 f. 6 Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IIb, S. 585. 7 Auszug aus dem Bericht der KKL (vgl. oben Anm. 4) zur VVO abgedruckt in: KJ 100, 1973, S. 176. 8 Bericht der Konferenz vor der Synode des Bundes Mai 1973 [Orig. Anm.].
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7.2. Neben den Berichten über Gespräche und Themen, die die Kirche in unserm Land betreffen, kann die Kirchenleitung in diesem Bericht nicht an den Fragen vorbeigehen, die ihr wie allen Menschen in den Weltproblemen begegnen. Die Kirchenleitung hat darauf verzichtet, zu besonderen Fürbittaktionen aufzurufen. Sie ist sich dessen gewiß, daß die Gemeinden eine neue Krise ebenso wie die alten Spannungsherde in ihren Gebeten aufnehmen. (1) Obwohl wegen einer ausbleibenden politischen Lösung im palästinensischen Raum9 mit dem Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen zu jedem Zeitpunkt gerechnet werden mußte, stehen wir erschrocken vor dem Geschehen dieses Krieges. Selbst wenn politische Bemühungen um einen Waffenstillstand zum Ziel kommen, steht eine dauerhafte Lösung in weiter Ferne. Denn dabei müßte eine Existenzsicherung für alle Beteiligten eingeschlossen sein, d. h. nicht nur für alle Staaten, sondern auch für die arabischen Palästinenser. (2) Ebenso sind wir über den Militärputsch in Chile10 bestürzt. Durch die Politik der Unided Popular und ihres Präsidenten Allende wurde der Versuch gemacht, eine sozialistische Gesellschaftsordnung aufzubauen. Dieser Versuch war für viele Menschen und Völker in der Welt, die sich in ähnlicher Situation befinden, eine Hoffnung. Der in Chile begonnene „revolutionäre Transformationsprozeß“ war nicht nur der Weg zur Überwindung des sozialen Elends und kolonialer Ausbeutung, sondern zugleich der mutige und zukunftsweisende Versuch, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, in der „die bürgerlichen Freiheiten, die Rechte des Einzelnen und der Gesamtheit bestärkt, ebenso auch Pluralismus auf dem Gebiet der Kultur und der Weltanschauung respektiert“ werden, wie Präsident Allende am 4.12.1972 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen erklärte. Trotz des erneuten Sieges von Unrecht und Gewalt wollen wir die
9 Nachdem der 1967–1970 andauernde sogenannte ‚Abnutzungskrieg‘ Ägyptens am Suezkanal gegen Israel trotz sowjetischer Hilfe scheiterte, begann im Oktober 1973 der von Ägypten und Syrien gemeinsam gegen Israel ausgelöste sogenannte Jom-KippurKrieg (4. israelisch-arabischer Krieg). Nach schweren Verlusten auf israelischer Seite, gelang es schließlich Israel, z. T. bis über den Suezkanal vorzudringen und weitere Teile der Golanhöhen zu erobern. 10 S. Allende Gossens rief nach seinem Antritt als Präsident Chiles 1970 mit seinen umfassenden Sozialisierungs- und Verstaatlichungsprogramm den Widerstand der Parlamentsmehrheit und großer Teile der Ober- und Mittelschicht hervor. Die wachsende innenpolitische Krise wurde verschärft durch terroristische Aktionen links- und rechtsradikaler Gruppen. Nachdem der Kongreß Allende ‚wegen wiederholter Verletzung der Gesetze und der Verfassung‘ für abgesetzt erklärt hatte, stürzte die Armee im September 1973 Allende in einem blutigen Putsch. Die DDR brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Chile ab.
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Hoffnung festhalten und uns dafür einsetzen, daß diese Intentionen zum Wohl des chilenischen Volkes und anderer Völker verwirklicht werden. Die Kirchenleitung hat dankbar davon Kenntnis genommen, daß Präsidium und beratender Ausschuß der Konferenz Europäischer Kirchen in Europa auf ihrer letzten gemeinsamen Tagung auf die „verzweifelte Notwendigkeit“ hingewiesen haben, in Chile „das Blutvergießen zu beenden, die Machthaber dringend auf ihre Verpflichtung, die Menschenrechte zu achten, hinzuweisen und den Flüchtlingen die Sicherheit zu verschaffen, die sie brauchen“11. (3) In den vergangenen Jahren haben viele Gemeinden sich für den Frieden in Vietnam12 durch Gebete und Aktionen eingesetzt. Trotz des verstärkten Bombardements in der Weihnachtszeit ist es zum Abschluß der Vereinbarungen über einen Waffenstillstand gekommen. Alle Genugtuung darüber wird dadurch getrübt, daß immer wieder Übertretungen des Abkommens berichtet werden. Ein solches Abkommen kann nur der erste Schritt eines langen Weges sein, auf dem materieller Wiederaufbau und Abbau der angesammelten Gefühle von Feindschaft und Haß Hand in Hand gehen müssen. Darum sollten die Gemeinden in ihrer Fürbitte fortfahren und die im Rahmen der Aktion „Brot für die Welt“ vorgesehene Sondersammlung für den Aufbau in Indochina unterstützen. (4) Die Spannungsherde – von denen nur einige genannt wurden – zeigen die Notwendigkeit, daß sich alle Menschen – unabhängig von der Zugehörigkeit zu bestimmten Weltanschauungen und Religionen, Rassen und Völkern – unablässig für die Erhaltung und Gewinnung des Friedens, für Zusammenarbeit, Verständigung und Abrüstung einsetzen müssen. Dabei dürfen die Unterschiede in den Motivierungen weder verwischt noch überbewertet werden. Alle Beteiligten müssen aber lernen, daß von der Sache des Friedens nicht in der Sprache des Krieges geredet werden kann, wie es Romesh Chandra, der Generalsekretär des Vorbereitungskomitees für den Weltkongreß der Friedenskräfte Ende Oktober 1973 in Moskau, gegenüber Bischof D. Schönherr, dem Vorsitzenden der Konferenz der Kirchenleitun-
11 NYBORG VI. Vgl. oben Dokument 30a, Anm. 3, S. 285. 12 Im Zuge der Eskalation des Bürgerkrieges zwischen Nord- und Süd-Vietnam zu einem internationalen militärischen Konflikt (Vietnam-Krieg) trat die Demokratische Republik Vietnam mehr und mehr als Hauptgegner den USA entgegen, die sich auf Seiten der Republik Vietnam im Süden des Landes engagierten. Seit 1965 wurde Nord-Vietnam durch amerikanische Flächenbombardierungen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Nach langen Bemühungen um die Beilegung des Krieges konnten die Demokratische Republik Vietnam und die USA 1973 einen Waffenstillstand aushandeln.
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gen, zum Ausdruck brachte, als er diesem die Einladung zu diesem Kongreß überbrachte13. Die Kirchenleitung hat es begrüßt, daß der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zu dem Weltkongreß offizielle Vertreter entsandt hat. Mit der Konferenz der Kirchenleitungen hofft die Kirchenleitung, daß die Vertreter der Kirchen die Möglichkeit haben, auf diesem Kongreß einen eigenen christlichen Beitrag zu leisten. (5) Die Kirchenleitung hat mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß es zu Verständigung zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung – besonders in Europa – kommt14. Daß die DDR zusammen mit der BRD Mitglied der Vereinten Nationen geworden ist15, gibt den Vertretern unseres Staates auch die Möglichkeit, in der Verantwortung eines reichen Industrielandes Hilfen für ärmere Nationen zu verwirklichen und mit nach Lösungen in den Konflikten zu suchen. (6) Die Entspannung in Europa hat zu den Verträgen zwischen der DDR und der BRD geführt16. Auf Grund dieser Verträge ist der Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten ausgeweitet worden17. Über die neuen Besuchsmöglichkeiten in den grenznahen Krei13 Eine Delegation von drei Vertretern des BEK (Bischof Horst Gienke, Kirchenpräsident Eberhard Natho, OKR Christa Lewek) nahm offiziell am Weltkongreß der Friedenskräfte vom 24.–31.10.1973 in Moskau teil. Die 53köpfige nationale Delegation der DDR, zu der die Vertreter des Kirchenbundes gehörten, stand unter der Leitung von Prof. Albert Norden, Mitglied des PB u. Sekretär d. ZK d. SED. Diese Teilnahme war innerhalb des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR ein Politikum und nicht unumstritten. Vgl. oben Dokument 4, Anm. 4, S. 64. Vgl. Schreiben d. Vorsitzenden d. BEK, Bischof D. Schönherr, vom 17.9.1973 an den Generalsekretär des Weltfriedensrates, Romesh Chandra, nach dessen mündlicher Einladung. Abgedruckt in: KJ 100, 1973, S. 191 f. Dokumentation und Bericht über den Weltkongreß der Friedenskräfte in: ZDZ 28, 1974, S. 93–101, 129–139, 173–177. 14 Anfang der 1970er Jahre setzte eine Phase der Entspannung zwischen den Mächten in Europa ein, die eine neue Qualität des Verhältnisses der europäischen Staaten untereinander mit sich brachte. Vgl. oben Dokument 30b, Anm. 5, S. 287. 15 Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR werden am 18.9.1973 in die Vereinten Nationen aufgenommen. 16 Am 21.12.1972 wird der „Grundlagenvertrag“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR unterzeichnet (Anerkennung der Vier-Mächte-Verantwortung, Unverletzlichkeit der Grenzen, Beschränkung der Hoheitsgewalt auf das jeweilige Staatsgebiet, Austausch ‚ständiger Vertreter‘, Beibehaltung des innerdeutschen Handels, Antrag beider Staaten auf UNO-Mitgliedschaft). Dieser Vertrag trat am 21.6.1973 in Kraft. 17 Im Zuge der Verhandlungen über den Grundlagenvertrag wurde am 17.10.1972 erstmalig im Gesetzblatt der DDR eine Anordnung des Minister des Inneren über Regelungen im Reiseverkehr von Bürgern der DDR veröffentlicht (in: GBL DDR II, 1972, S. 653 f.). Danach gab es Reisegenehmigungen bei Geburten, Eheschließungen, lebensgefährlichen Erkrankungen und Sterbefällen. Antragsberechtigt waren Großeltern, Eltern, Kinder
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sen und die Reisemöglichkeiten bei besonderen familiären Anlässen empfinden auch die Christen Freude und Dankbarkeit. Wir haben die Hoffnung, daß künftig auch die Beschränkungen, die zur Zeit noch für die Bewohner gelten, aufgehoben werden. Der vorliegende Bericht macht deutlich: Die Arbeit der Kirchenleitung dient der Kirchenprovinz und ihren Gemeinden. Dabei versucht sie allerdings, die größere kirchliche Gemeinschaft, in der unsere Kirche steht, ebenso im Blick zu haben, wie die Gesellschaft, in der sie ihren Dienst tut, und die Probleme der Welt, in der die Christen leben. Die Kirchenleitung weiß, daß das Geschehen in diesen Bereichen die Gemeinden der Kirchenprovinz in vielfältiger Weise betrifft. Sie ist aber auch dessen gewiß, daß Zeugnis und Dienst der Gemeinden ihrerseits Auswirkungen haben auf das Leben der Christenheit, die Gestalt unserer Gesellschaft und die Vorgänge in der Welt. BeschlussderSynode,20.November1973 BerichteundBeschlüsse
32 d Beschluss der Synode zum Bericht der Kirchenleitung Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 106, Dr. 35/73, S. 1–2 (hekt.) und Protokoll des 5. Sitzungstages am 20.11.1973, S. 1–6, hier: S. 3–5 (masch.).
Die Synode ist durch Drucksache Nr. 21/7318 vom Bericht der Konferenz der ev. Kirchenleitungen an die Synode des Bundes darauf hingewiesen worden, daß die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik die Konvention gegen die Diskriminierung im Bildungswesen für die DDR19 in Kraft gesetzt hat. Wir hoffen, die Anwendung dieser Konvention in der DDR wird eindeutige Richtlinien zur Folge haben, mit denen Beund Geschwister – vorher (ab 1961) waren es nur Rentner und invalide Personen. Mit der Anordnung Nr. 2 vom 14. Juni 1973 (in: GBL DDR I, 1973, S. 269) wurden die Anlässe auf silberne und goldene Hochzeiten, 60.-, 65.- und 70jährige Ehejubiläen und der Personenkreis auf Halbgeschwister erweitert. Vgl. weiter zu Regelungen von Besuchsreisen allgemein: J. GLADEN, „Man lebt sich auseinander“; H. BUDDE, Reisen in die Bundesrepublik; für die Zeit von 1972–1981 EBD., S. 19–27, 37–58. 18 Auszug aus dem Bericht der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen an die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik anläßlich der konstituierenden Tagung der II. Synode Oktober 1973. AKPS, Rep. C 1, Nr. 106, Dr. 21/73. 19 Konvention gegen die Diskriminierung im Bildungswesen vom 14.12.1960. In: GBL. DDR II, 1973, S. 121–135 [fünfsprachig].
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nachteiligungen von Kindern, die an der Christenlehre teilnehmen, ausgeschlossen werden und Beschwerden in dieser Sache künftig nicht mehr vorgebracht werden müssen. Die Synode verweist auch auf das im Vortrag des Bischofs Ziff. 6.3.1 im Auszug zitierte Kommuniqué des Weltkongresses der Friedenskräfte in Moskau „. . . Es ist notwendig, alle Formen der Diskriminierung nach Merkmalen der Rasse, der Nationalität, der Sprache, Religion und des Geschlechts auszurotten.“ Im übrigen hat sich gezeigt, daß die Klärung der bis dahin in ihrer Auslegung umstrittenen Veranstaltungsverordnung sich umgehend bis auf die örtliche Ebene positiv ausgewirkt hat. Entsprechendes sollte auch im Bildungswesen möglich sein. Wir machen den Eltern Mut, an der christlichen Unterweisung ihrer Kinder festzuhalten, auch wenn sie Benachteiligungen befürchten. Wir ermutigen die Eltern aber auch, Behinderung oder Einschüchterung nicht in jedem Falle einfach hinzunehmen. Es gibt genug Beispiele, daß ein solcher Einsatz der Eltern nicht umsonst ist und auch für andere die Lage verbessert. Die Kirche wird sich freilich zu fragen haben, wie sie dem Schwund im Katechetenstand, wie er nach Ziff. 3.2 des Berichtes droht, begegnen will. Es bedarf ernsthafter Bemühungen, um auf allen Ebenen die rechte partnerschaftliche Zuordnung der Katecheten zu den anderen Diensten endlich zu erreichen. Im Bericht der Kirchenleitung der Vorjahrssynode wurde dankbar begrüßt, daß der Verkehrsvertrag zwischen der DDR und der BRD in Kraft getreten war. Der Abschnitt 6.3.1 des Vorjahrsberichtes endete: „Wir hoffen, daß bei der praktischen Durchführung nicht neue Barrieren errichtet werden und daß es zu einer wirklich den Menschen dienenden Handhabung der Bestimmungen der Verträge kommt.“ Freude und Dankbarkeit kommt auch unter 7.6 im diesjährigen Kirchenleitungsbericht wegen der Entspannung in Europa und der Eröffnung des grenznahen Verkehrs zum Ausdruck. Bei Redaktionsschluß (21.10.) war nicht abzusehen, daß ab 15.11.1973 die Tagesumtauschquote für Besucher aus der BRD und Westberlin verdoppelt worden ist. Wir durchschauen nicht die Hintergründe dieser Maßnahme. Wir wissen aber, daß durch sie nicht nur die Besucher mit geringem Einkommen (z. B. die Rentner), sondern auch ihre Gastgeber in der DDR hart getroffen werden. Auch die Barrieren, die bei Besuchsanträgen von Bürgern der DDR zum Besuch von Angehörigen in der BRD bisweilen erkennbar werden, mindern die Freude an den Regelungen. Wir danken der Kirchenleitung für ihren Bericht.
BerichtderKirchenleitung,15.November1974 BerichteundBeschlüsse
33 Bericht der Kirchenleitung auf der 4. Tagung der VII. Synode Halle Diakonissenhaus, 15. November 1974 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 107, Dr. 12/74, S. 1–39, hier: S. 21–32 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 102, 1975, S. 314 f., 317 f.
Schwerpunkt: Weg der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag der DDR (Bildungswesen, Umgang mit Wehrpflichtigen in den Baueinheiten, Frage nach den Menschenrechten und der Friedensproblematik) Gliederung: 1. Die Gemeinde und ihre Lebensformen. 2. Die Gemeinde und ihre Mitarbeiter. 3. Die Gemeinde und die Aufgaben der Leitung. 4. Die Gemeinde in ihrer Umwelt. 5. Die Diasporagemeinde in der Gemeinschaft der Ökumene.
[. . .] 4. Die Gemeinde in ihrer Umwelt 4.1. Unsere Kirche hat viel Mühe aufgewandt, ihren Weg in der sozialistischen Gesellschaft der DDR zu finden und zu gehen. Sie hat sich ihre Entscheidungen wahrhaftig nicht leicht gemacht und ihren Weg immer und immer wieder überdacht. Es lag ihr an, in der Nachfolge Christi zu bleiben. Darum hat sie sich immer wieder an Jesus Christus zu orientieren versucht, der nicht den Weg der vielen, sondern seinen eigenen Weg ging und sich dabei weder auf die Seite der sich politisch anpassenden Hierarchie noch auf die Seite der sich feindlich absetzenden Zeloten ziehen ließ. Der Weg Jesu war auch nicht der Weg der Neutralität – er stellte sich deutlich zu den Übersehenen und an den Rand Gedrängten und er konnte sehr scharf Partei gegen die Selbstgerechten ergreifen, die sich rühmten, immer alles richtig gemacht zu haben und Kritik nicht ertragen konnten. Es war nicht ein „dritter“, ein mittlerer Weg, den er ging, sondern ein eigener Weg, eben: sein Weg. Eine Kirche, die sich auf den Lernweg1 in der 1 Die Stichworte ‚Lernen‘, ‚Lernprozeß‘, ‚Lernweg‘, ‚Lerngemeinschaft‘ waren für die Arbeit des BEK in den Anfangsjahren charakteristisch. Vgl. KIRCHE ALS LERNGEMEINSCHAFT, S. 71–159.
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Nachfolge dieses Herrn begeben hat, kann nie mit sich selbst zufrieden sein. Sie kann sich nicht selbst das Zeugnis ausstellen, daß sie (im Unterschied zu anderen Kirchen!) Buße getan und nun den richtigen Standpunkt bezogen habe. Die Kirche bezieht keinen Standpunkt, sondern begeht einen Weg im Hören auf die Stimme Christi. Es kann ihr und ihrer Leitung dabei passieren, daß die einen ihr wohlwollend bescheinigen, sie habe auf dem Lernweg offenkundige Fortschritte gemacht und beziehe nun allmählich Positionen, die sie selber schon seit Jahren bezogen hätten, und daß die anderen ihr verbittert vorwerfen, im Unterschied zur Kirche der Fünfziger Jahre sei bei ihr überhaupt keine klare Position mehr erkennbar. Und es kann der umgekehrte Fall eintreten, daß jene ihr Positionen des kalten Krieges vorwerfen und diese ihre deutliche Stellungnahme loben. Eine Kirchenleitung muß wissen, daß es zur apostolischen Existenz gehört, „durch böse Gerüchte und gute Gerüchte“ (2. Kor 6,8) hindurch zu müssen. Nicht, daß sie solche gegensätzlich lautende Urteile einfach in den Wind schlagen dürfte, – sie wird vielmehr im Hören auf die Stimme Christi herauszuhören versuchen, was an diesen Urteilen zutrifft und was sie sich also sagen lassen muß und was sie getrost überhören darf. 4.2. Im Berichtsjahr hat die Kirchenleitung diese Aufgabe des Hörens und Prüfens der unterschiedlichsten Stimmen besonders wahrnehmen müssen. Anlaß dazu war das 25jährige Bestehen unseres Staates2 und die Erwartungen, denen sich die Kirche dabei gegenüber sah. Es hat Stimmen von innerhalb und von außerhalb der Kirche gegeben, die die Erwartung aussprachen, es werde nun hoffentlich von der Kirche ein klares Bekenntnis zum sozialistischen Staat und seiner Politik abgelegt werden. Und es hat Stimmen aus der Gemeinde, von Kreissynoden und Pfarrkonventen gegeben, die die Kirchenleitung ermahnt haben, Zurückhaltung zu üben und lieber nichts, als nicht die volle Wahrheit zu sagen. Die Kirchenleitung hat diese Stimmen aufmerksam gehört. 4.2.1. Aus den mahnenden Stimmen waren nirgendwo Töne herauszuhören, die auf eine innere Distanzierung oder gar eine heimliche Feindschaft gegenüber unserem Staate hätten hinweisen können. Nicht einmal in Nebentönen klang an, daß man all das, was in diesen 25 Jahren geschaffen worden ist, nicht dankbar anerkennen wolle oder dürfe. Wie sollte eine Kirche, die in ihren Gottesdiensten für die verant2 Vgl. Brief der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR an den Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 14.9.1974 zum 25. Jahrestag der Gründung der DDR. Abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 115.
Bericht der Kirchenleitung, 15. November 1974
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wortlichen Träger der politischen Macht in unserem Staate betet, Hemmungen haben können, die guten Dinge beim Namen zu nennen, die durch Arbeit, Einsatz, Planung, Gesetzgebung bei uns erreicht worden sind und um die wir Gott gebeten haben? Dies kann durchaus auch einmal so aufgezählt werden, wie es im Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen auf der Synode des Bundes3 – in der zeitlichen Nähe des 25. Jahrestages – geschehen ist. Auf die „großen Bemühungen für den Menschen“ eingehend, wird dort gesagt: „Eine umfassende Gesundheitsfürsorge wurde aufgebaut. Gesicherte Arbeitsplätze für alle wurden geschaffen. Ein weitgespanntes Wohnungsbauprogramm wird verwirklicht. Die Fürsorge für Kinder und alte Menschen ist besonders im Blick. Der Grundsatz der Gleichberechtigung der Frau wurde konsequent durchgesetzt. Vielfältige sozialpolitische Maßnahmen sind ergriffen worden, das Leben der Bürger von sozialer Unsicherheit und Ungerechtigkeit zu befreien.“4
Da die Kirchenleitung wußte, daß ein solches Wort im Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen vorgesehen war, hat sie auf eine eigene Äußerung verzichtet. Der Vorsitzende der Kirchenleitung hat indessen an den Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres beim Rat des Bezirkes Magdeburg aus Anlaß des 25. Jahrestages ein persönliches Schreiben gerichtet. 4.2.2. Ein „Bekenntnis“ zu unserem Staat und seiner Politik oder zum Sozialismus kann eine Kirche nicht ablegen. Bekenntnis bedeutet für uns eine unbedingte Anerkennung und eine uneingeschränkte Vertrauens- und Gehorsamsbindung. Dies ist für uns allein gegenüber Jesus Christus möglich5. Etwas anderes ist indessen die Bejahung unseres Staates als des Inbegriffs der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir nach Gottes Willen als Christen leben und für die wir uns nach Gottes Gebot mitverantwortlich wissen sollen. Ein so verstandenes Ja zu wiederholen, erscheint uns überflüssig, da es von seiten der Kirchenleitung oft genug ausgesprochen worden ist. Es lohnte sich schon, die Berichte der Kirchenleitung aus den letzten Jahren einmal daraufhin durchzusehen. 4.2.3. Die Stimmen, die die Kirchenleitung zur Zurückhaltung im Blick auf Äußerung zum 25. Jahrestag mahnten, wollten unüberhörbar eines: die Kirche sollte in ihrem Reden nichts Unnötiges sagen, nichts, was 3 Bericht der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR vor der Synode des BEK vom 27.9.–1.10.1974 in Potsdam-Hermannswerder. Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 52/1974; KJ 101, 1974, S. 431–434, 452, 474–478, 502–505 (Auszüge); KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 121–124 (Auszug). 4 EBD., S. 123. 5 Barmen II [Orig. Anm.]. Vgl. oben Dokument 6, Anm. 1, S. 77.
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ohnehin alle anderen sagen, und vor allem: sie sollte in ihrem Reden streng bei der Wahrheit bleiben. „Unsere Worte müssen stimmen“, hat einer unserer Synodalen der Bundessynode auf ihrer Tagung in Eisenach6 unvergeßlich zugerufen. Diejenigen, die zur Zurückhaltung rieten, waren der Meinung, daß man bei einer Gratulation nur den angenehmen Teil der Wahrheit sagen könne und die beschwerlichen Dinge ungesagt bleiben müßten. Freilich: bleibt man wirklich nur dann bei der Wahrheit, wenn man immer alles und alles gleichgewichtig sagt? Hier kann es auch eine Verklemmtheit geben, die uns Christen nicht ansteht. Gehört es nicht zu der Freiheit, zu der die Wahrheit befreit (Joh 8,32), daß man auch einmal nur das Erfreuliche sagen darf – wenn nur das Beschwerliche und Leidvolle sonst nicht verschwiegen wird? Die Sorge derer, die der Kirchenleitung Zurückhaltung empfohlen haben, ist indessen wiederum insofern verständlich, als in der Berichterstattung der Presse über kirchliche Vorgänge und Verlautbarungen in der Regel nur die zustimmenden Äußerungen gebracht werden und die kritischen Passagen unerwähnt bleiben, wodurch der Öffentlichkeit das Bild einer nur noch akklamierenden Kirche suggeriert wird, die voll in das einstimmt, was auch sonst in den Zeitungen zu lesen ist. Da dies auch in der Berichterstattung der Tagespresse über die diesjährige Tagung der Bundessynode so geschehen ist, hat die Synode in ihrer Stellungnahme zu dem Teil des Berichtes der Konferenz der Kirchenleitungen (KKL), der über das Verhältnis der Kirche zu unserer Gesellschaft handelt, erklärt: „Dieser III. Teil verschweigt nicht, daß es zwischen Staat und Kirche schwerwiegende Probleme gibt, die schon in früheren Berichten und Verhandlungen mit staatlichen Stellen auf allen Ebenen erörtert werden mußten. Wenn sie in diesem Bericht nicht hervorgehoben wurden, ist die Synode mit der KKL dennoch der Auffassung, daß befriedigende Lösungen dieser Probleme weiterhin dringend anzustreben sind.“7 4.3.1. Zu den „schwerwiegenden Problemen“ gehört noch immer die Situation auf dem Gebiet des Bildungswesens_8. Fast in jedem Kirchenleitungsbericht mußte davon gesprochen werden, und zwar nicht etwa, weil die Kirchenleitung Freude an der Polemik hätte. Die Lage auf dem Bildungssektor hat für viele christliche Eltern und Kinder etwas Bedrückendes. Wir haben diese Situation immer wieder Vertretern un6 Vgl. Bericht der KKL vor der Synode des BEK vom 2.–6.7.1971 in Eisenach. Abgedruckt in EPD-DOKUMENTATION 34/1971, S. 1–18; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 54 f. (Auszug); KJ 98, 1971, S. 254–261 (Auszug). Zur Synodaltagung: EBD., S. 261–287. 7 POTSDAMER KIRCHE, 1974, Nr. 42 [Orig. Anm.]. KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 118. 8 Vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IV, S. 589–595 u. die dortige Kommentierung.
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seres Staates vorgetragen. Wir erhielten dabei stets zur Antwort, es handele sich hierbei um Überspitzungen einzelner, Diskriminierungen christlicher Schüler und Druckausübung auf christliche Eltern sei nicht im Sinne der staatlichen Bildungspolitik, von einem „christenfeindlichen Klima in der Schule“ zu sprechen, sei eine an Verleumdung grenzende Verallgemeinerung von Einzelvorkommnissen, die faktisch Wasser auf die Mühlen der gegen die DDR gerichteten Propaganda leite. Wir möchten nicht in Frage stellen, daß diese uns gegebenen Auskünfte den Grundsätzen der staatlichen Bildungspolitik entsprechen, wie sie immer wieder in der Öffentlichkeit ausgesprochen worden sind. Es ist uns auch bekannt, daß es in vielen Schulen keine besonderen Schwierigkeiten für christliche Schüler gibt. Wir danken den Lehrern, die die Glaubenshaltung ihrer Schüler achten. Aber wir können nicht übersehen und verschweigen, daß sich mancherorts unterhalb der Ebene der Öffentlichkeit ein zermürbender Kleinkrieg gegen christliche Eltern und deren Kinder abspielt. Das fängt damit an, daß durch Maßnahmen der Schule der Schulanfängergottesdienst oder die Christenlehre faktisch unmöglich gemacht wird, und geht über primitive Verächtlichmachung des christlichen Glaubens, denen die Schüler wehrlos ausgesetzt sind, bis zu der Aufforderung an Schüler, sich zwischen Staat und Kirche (!) zu entscheiden. Die Kirchenleitung ist bereit, die Synode über die ihr bekannt gewordenen Fälle zu informieren, wobei zu bedenken ist, daß sie nur einen kleinen Teil derartiger Vorkommnisse erfährt, da die Eltern derart verängstigt sind, daß sie aus Sorge, ihren Kindern könnten Nachteile erwachsen, die Pfarrer und Katecheten bitten, nur ja nichts davon weiterzusagen. Wenn unser Staat durch sein einheitliches Bildungssystem ein Zusammenwirken aller Kräfte in unserer Gesellschaft erreichen will, so darf die atheistische Erziehung nicht integrierender Bestandteil dieses Bildungssystems sein. Sonst würde das Gewissen Andersdenkender bedrückt und die Glaubensfreiheit eingeschränkt. Wir sind ratlos: wir sollen (und möchten gern!) am Aufbau einer Gesellschaft mitwirken, in der der Mensch des Menschen Freund sein kann, und erleben es, wie hier Menschen im Innersten gekränkt, verwundet und geängstigt werden, die nichts anderes wollen, als mit ihren Kindern frei ihres Glaubens zu leben. Wir möchten die Hoffnung nicht aufgeben, daß es auf seiten der schulischen Stellen zur Einsicht kommt und auch die christlichen Kinder froh, unbedrückt und ungeängstigt leben und lernen können. Aber vielleicht müssen wir uns hier auch auf ein echtes Leiden um unseres Glaubens willen einstellen. Daß dies getrost und tapfer und unverbittert getragen werden kann, hat der Apostel Paulus als seine Erfahrung ausgesprochen: „Obwohl ich von allen Seiten bedrängt
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bin, werde ich nicht erdrückt. Obwohl ich nicht mehr weiter weiß, verliere ich nicht den Mut“; „man macht mir Kummer, und doch bin ich immer fröhlich“9. 4.3.2. In dieser Gelassenheit des Glaubens werden wir es auch ertragen müssen, daß trotz der immer wieder beschworenen „vertrauensvollen Zusammenarbeit von Marxisten und Christen“ die Mitarbeit von Christen an manchen Stellen nicht mehr erwünscht zu sein scheint. Wir erleben es vielerorts, daß bewußte Christen aus den Elternaktivs10 hinausgedrängt werden. 4.4. Wir haben Anlaß, in diesem Jahr einer Einrichtung zu gedenken, die für junge Männer die Möglichkeit eröffnet hat, eine Glaubens- und Gewissensentscheidung zu praktizieren, die anderswo von belastenden Folgen begleitet wird. Seit November 1964 bestehen innerhalb der Nationalen Volksarmee die Baueinheiten11. Rund tausend junge Männer haben in diesen Einheiten ihrer Wehrpflicht Genüge geleistet bzw. leisten z. Zt. diesen Dienst ab, weil sie sich aus „religiösen oder anderen Gründen“ nicht an der Waffe ausbilden lassen möchten. Den Wehrkreiskommandos, der Führung der NVA und den mit der Durchführung betrauten Offizieren gebührt für die Handhabung der Anordnung Respekt und Dank. Innerhalb einer ideologisch ausgerichteten Armee ist aufs Ganze gesehen eine korrekte, die Gewissenshaltung respektierende Durchführung erfolgt. Dabei wissen alle Beteiligten, daß der Dienst in den Baueinheiten kein ziviler Friedensdienst ist, wie er nach wie vor von jungen Menschen gefordert wird. Trotzdem hat es aber seine eigene, gewichtige Bedeutung, daß die DDR ein Stück innerer Koexistenz innerhalb ihrer Armee als Kompromiß praktiziert. Leider ist diese Respektierung der Gewissensbedenken im Bereich der Volksbildung und insonderheit an Hoch- und Fachschulen immer mehr abgebaut worden. Wir bedauern dies sehr, sowohl um der betroffenen jungen Männer willen, die dadurch keine qualifizierten Berufswege einschlagen können, als auch um unseres Erziehungswesens willen, weil Gewissensfragen durch administrative Eingriffe nicht gelöst, sondern nur verdrängt werden können. Es möchte bei dem bleiben, was der 1. Sekretär der SED, Erich Honecker, am 17. August 1971 an Frau Professor Dr. Faßbinder geschrieben hat: „Den Dienst als Bausoldat anerkennen wir als eine Entscheidung für den Frieden und den Sozialismus. Die Wehrersatzdienst leistenden Bürger der 9 2. Kor 4,8; 6,10 – Die gute Nachricht [Orig. Anm.]. 10 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 4, S. 297. 11 Vgl. oben Dokument 21a, Anm. 2, S. 202.
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DDR sind völlig gleichberechtigt vor dem Gesetz und nehmen unabhängig von ihrer Weltanschauung und Bildung einen geachteten Platz in unserer Gesellschaft ein. Dementsprechend hat bei uns auch jeder Bausoldat die Möglichkeit, die verschiedensten Bildungswege der DDR zu nutzen.“12
4.5.1. Die Kirchenleitung hat gemeint, sich dafür einsetzen zu sollen, daß Familienbeziehungen trotz der Trennung der beiden deutschen Staaten aufrecht erhalten werden können13. Daß auch in diesem Jahr wieder Besuchsreisen ermöglicht wurden, haben wir dankbar zur Kenntnis genommen. Vielfach wurde es genehmigt, die schwer erkrankten Eltern in der BRD zu besuchen, auch zu Familienfesten sind viele gereist. Es hat freilich auch Ablehnungen gegeben. In einzelnen Fällen hat die Kirchenleitung die staatlichen Stellen um die Revision solcher Entscheidungen gebeten. Anträge auf Familienzusammenführung hat sie mehrfach unterstützt. Die Kirchenleitung hat sich auch nicht damit zufrieden geben mögen, daß der Kreis derer, die berechtigt sind, eine Besuchsreise zu Familienangehörigen in die Bundesrepublik zu beantragen, so klein ist: sollte nicht auch der Besuch bei den Eltern zu Jubiläumsgeburtstagen, der Besuch bei den Pflegeeltern u. ä. genehmigt werden können? Die Kirchenleitung hat daher die Konferenz der Kirchenleitungen gebeten, sich dafür zu verwenden, daß solche Familienbesuche möglich werden. 4.5.2. Wir sehen darin ein Gebot der Menschlichkeit, für das Christen einzutreten haben. Es steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage nach den Menschenrechten14, die im vergangenen Jahr in der Ökumene, in Europa und bei uns vielfach diskutiert wurde. Der äußere Anlaß für dies lebhafte Interesse ist bei uns zunächst dadurch gegeben, daß die Aufnahme der DDR in die Vereinten Nationen den Beitritt zu den Menschenrechtskonventionen der UN von 1966 und zu der UNESCO-Konvention gegen die Diskriminierung im Bildungswesen ermöglichte15. Gleichzeitig wurde vom Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes in der DDR eine Studienarbeit abgeschlossen, die sich unter dem Titel „Sorge für eine menschliche
12 Der Text wurde nur in der Bundesrepublik gedruckt: Zeitschrift der deutschen Friedensgesellschaft Courage 1971. Erst 1981 ist in der Wochenzeitung „Die Kirche“ (Nr. 4, 25.1.1981, S. 2) das wichtigste Zitat in der DDR gedruckt worden. 13 Vgl. oben Dokument 30b, Anm. 4, S. 286 u. Dokument 32c, Anm. 17, S. 318. 14 Vgl. oben Dokument 30b, Anm. 13, S. 291. 15 Vgl. oben Dokument 32c, Anm. 15, S. 318. Menschenrechtskonventionen der UN: Internationale Konvention über zivile und politische Rechte vom 16.12.1966. In: GBL. DDR II, 1974, S. 57–104 [sechssprachig] und Internationale Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16.12.1966. In: GBL. DDR II, 1974, S. 105–128 [sechssprachig]. Zur Konvention gegen die Diskriminierung im Bildungswesen vgl. oben Dokument 32d, Anm. 19, S. 319.
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Welt“16 mit der Normativität und Relativität der Menschenrechte beschäftigt hatte. Diese Studie wollte einen eigenen DDR-Beitrag zu der in Evian 197017 aufgebrochenen Diskussion leisten. Unsere Kirchenleitung hat sich mit ihr ausführlich beschäftigt. Dabei sind uns folgende Einsichten wichtig geworden: Die bisherigen Kataloge der Menschenrechte (besonders die Erklärung der Vereinten Nationen von 194818) sind aus der Tradition des abendländischen Liberalismus heraus formuliert worden; ihr Interesse gilt einseitig der Wahrung der Rechte des einzelnen Bürgers. Die marxistische Kritik hat uns aber deutlich gemacht, daß Menschenrechtsgrundsätze so lange unwirksam bleiben, wie nicht auch die sozialen Bedingungen dafür geschaffen worden sind, daß alle ihre Rechte wahrnehmen können. Der Konventionsentwurf der Vereinten Nationen von 1966 über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte versucht dem bereits Rechnung zu tragen. Es ist offenbar in keinem Staat möglich, daß alle Menschenrechte, die wir gegenwärtig als solche aufzählen würden, gleichzeitig und in uneingeschränktem Maße verwirklicht werden. Jeder Staat, der seinen Bürgern ein hohes Maß an sozialer Sicherheit garantiert, muß notwendig bestimmte persönliche Freiheiten einschränken. Da unsere Gesellschaft sich insbesondere die Gewährleistung der sozialen Rechte des Menschen angelegen sein läßt, darf die christliche Kirche den Akzent auf die Rechte des einzelnen legen. Jesus Christus hat sich für alle Menschen, d. h. für jeden einzelnen in den Tod gegeben (1. Kor 8,11 f.). Wo wir uns für das Recht des anderen einsetzen, folgen wir dem nach, was Jesus Christus bereits getan hat. Menschenrechte werden von keiner menschlichen Instanz verliehen. Weil die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen in der Zuwendung Gottes begründet ist, können die Menschenrechte gegenüber jeder menschlichen Ordnung eingeklagt werden. Wo sich Christen nicht für die Menschenrechte einsetzen, verletzen sie den Auftrag der Nachfolge. Das muß betont werden, damit nicht der Eindruck entsteht, als bemühe sich die Kirche jetzt um die Menschenrechte, weil sie in ihnen etwa günstige Argumente für eigene Interessen gefunden habe. Vielmehr sind die Menschenrechte vielfach erst da bewußt geworden, wo Christen sich dafür 16 Die Studie „Sorge um eine menschliche Welt. Normativität und Relativität der Menschenrechte“, erarbeitet vom Theologischen Studienausschuss des Nationalkomitees, konnte während des Bestehens der DDR nicht gedruckt werden. Sie wurde hektographiert einzelnen Personen und Gruppen zur Verfügung gestellt. Vorhanden in der INFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE DER EKD, Berlin. (86 S.). 17 EVIAN 1970. 18 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948. In: VÖLKERRECHT, S. 283–291.
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einsetzen, daß auch der Außenseiter in der Gesellschaft, sofern er diese nicht selbst gefährdet, den vollen bürgerlichen Schutz zu beanspruchen habe. Es geht also nicht um ein Plädoyer in eigener Sache, sondern darum, daß die Berücksichtigung des einzelnen Menschen selbst da unerläßlich ist, wo dies Schwierigkeiten für die Gesellschaft mit sich bringt. 4.6. Wenn wir uns mit Fragen der Erziehung, des Wehrersatzdienstes, der Menschenrechte beschäftigen, so bewegen wir uns innerhalb der Friedensproblematik, deren weite Fächerung des Moskauer Welttreffen der Friedenskräfte19 in einer überzeugenden Weise aufgezeigt hat. Dieser Kongreß, an dem Vertreter des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR offiziell teilgenommen haben, hat – soweit wir sehen können, erstmalig im sozialistischen Raum – die Bedeutung der „nichtstaatlichen Organisationen“ ausdrücklich anerkannt und damit auch deren eigenständigen Beitrag zu der komplexen und umfassenden Thematik des Friedens. Worin unser eigener Beitrag bestehen wird, ist in dem Bericht der Sektion 2 der diesjährigen Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen20 folgendermaßen ausgesprochen worden: „In die gemeinsamen Bemühungen um den Frieden werden wir Christen die Motivation und Kriterien einbringen, die wir aus dem uns von Gott widerfahrenen und verheißenen Frieden mitbringen. Wir werden die prophetische Funktion auszuüben haben, indem wir die Gefährdungen des Friedens und den falschen Frieden (vgl. Jer 6,14) aufdecken. Wir werden die Kräfte des Gebetes für den Frieden in Anspruch nehmen. Und wir werden nicht aufhören, Menschen den Frieden Gottes anzubieten: ‚Lasset euch versöhnen mit Gott!‘ Andererseits werden wir im Dialog und in der Zusammenarbeit von den Nichtchristen Erkenntnisse und Einsichten in friedenbedrohende Strukturen empfangen können.“
Wir sprachen im Eingang dieses Teiles (4.1.) von dem eigenen Weg, den die Kirche in der Nachfolge ihres Herrn zu gehen hat. Aber auf diesem Weg werden wir durchaus eine Vielzahl wichtiger Schritte mit anderen zusammen tun können. Auch hierüber ist in dem erwähnten Sektionsbericht21 etwas Treffendes gesagt: „Wir Christen machen die Erfahrung, daß wir mit unseren Bemühungen um eine Welt, in der der Mensch des Menschen Freund sein kann [. . .], nicht alleine sind. Es gibt in der Welt Gruppen und Bewegungen von Nichtchristen, die sich dem Kampf um eine in diesem Sinne friedliche Welt verschrieben haben und dafür erstaunliche, uns Christen oft genug beschämende Opfer bringen. Wir freuen uns, [. . .] daß [. . .] außer uns 19 Vgl. oben Dokument 32c, Anm. 13, S. 318. 20 KREUZWEGE DER EUROPÄISCHEN KIRCHEN. 21 EBD.
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auch noch andere sich um eine friedliche Welt mühen, in der Menschen so miteinander leben können, daß das Leben Freude macht [. . .] Wir empfinden sie nicht als Konkurrenten, sondern als Freunde, mit denen wir viel gemeinsam haben und mit denen wir also zusammenarbeiten können, auch wenn sie anders motiviert sind als wir. Wir können sie nicht anders sehen als eingeschlossen in die Versöhnung, die Gott mit der Welt vollbracht hat (2. Kor 5,19).“
Das gilt für uns trotz der enttäuschenden Erfahrungen, die wir in diesem Bericht offen ausgesprochen haben. [. . .]
BerichtderKirchenleitung,24.Oktober1975 BerichteundBeschlüsse
34 a Bericht der Kirchenleitung auf der 5. Tagung der VII. Synode Magdeburg Altstadtgemeinde, 24. Oktober 1975 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 108, Dr. 15/75, S. 1–25, hier: S. 15–21 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 102, 1975, S. 314 f., 317 f.
Schwerpunkte: Frage der Mitverantwortung der Kirche in der Gesellschaft (für den Frieden, die Entwicklungsländer und den Austausch in Europa) Gliederung: 1. Mitarbeiterschaft in unseren Gemeinden. 2. Begleitung der Gemeindearbeit. 3. Mitverantwortung der Gemeinde in unserer Gesellschaft. 4. Die Beziehungen unserer Gemeinden zur katholischen Kirche.
[. . .] 3. Mitverantwortung der Gemeinde in unserer Gesellschaft 3.1. Mitverantwortung für den Frieden Unsere Kirche ist bereit, Mitverantwortung in unserer Gesellschaft zu übernehmen. Wir wissen, daß der Beitrag der Christen innerhalb des gesellschaftlichen Lebens starke Beachtung findet. Bei dem Abschluß der „Vereinbarung über die Ausbildung mittlerer medizinischer Fachkräfte“1, die am 2.6.1975 von dem Minister für Gesundheitswesen, dem Staatssekretär für Kirchenfragen und von Vertretern des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR sowie der Inneren Mission und des Hilfswerkes unterzeichnet worden ist, wurde von staatlicher Seite ausdrücklich die „hohe Wertschätzung“ bezeugt, die der Arbeit der diakonischen Einrichtungen unserer Kirchen entgegengebracht wird. Wir sehen darin ein Zeichen des Dankes für verantwortliche Mitarbeit, wie sie auf dem Sektor des Gesundheitswesens, der Ausbildung und der Fürsorge für behinderte Menschen geschieht. In der sozialistischen Gesellschaft haben Christen ihren Platz als Produktionsarbeiter, in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, in den Labors 1 Vereinbarung über die Ausbildung von mittleren medizinischen Fachkräften für eine Tätigkeit der evangelischen Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in der Deutschen Demokratischen Republik – Ausbildungsvereinbarung – vom 2.6.1975. Abgedruckt in: MBL BEK 3–4/1975, S. 41 ff.; EPD-DOKUMENTATION 9/1976. Masch. vorhanden in: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2596.
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und wissenschaftlichen Institutionen. Es liegt uns nicht daran, etwa statistisch herauszustellen, wie groß der Anteil der Christen im Wirtschafts- und Lebensprozeß unserer Gesellschaft ist. In solcher Mitarbeit und Mitverantwortung innerhalb der sozialistischen Gesellschaft ist aber der konkrete Beitrag der Christen für eine menschlichere Welt zu sehen. Daß ein solcher Beitrag von uns gefordert ist, wird vor allem im Gespräch mit den Kirchen der Ökumene immer wieder deutlich. Wie tief diese Mitverantwortung für das Wohl der Gesellschaft im Glauben an die Botschaft des Evangeliums gegründet ist, hatte z. B. die Sektion 2 der Weltmissionskonferenz in Bangkok 1973 ausgesprochen: „Das Heil, das Christus brachte und an dem wir teilhaben, bietet uns ganzheitliches Leben in dieser geteilten Welt dar. Wir begreifen Heil als Erneuerung des Lebens – als die Entfaltung wahrer Menschlichkeit in der Fülle der Gottheit (Kol 2,9). Es ist Heil der Seele und des Leibes, des Einzelnen und der Gesellschaft, der Menschheit und der ‚seufzenden Kreatur‘ (Röm 8,19) [. . .] Darum betrachten wir das Ringen um wirtschaftliche Gerechtigkeit, politische Freiheit und kulturelle Erneuerung als Elemente der umfassenden Befreiung der Welt im Namen Gottes. Dieses Befreiungswerk wird erst vollbracht sein, wenn ‚der Tod in den Sieg verschlungen ist‘ (1. Kor 15,55).“2
Als Mitarbeiter Gottes also sollen Christen bereit sein zu immer neuem Nachdenken, Umdenken und Ausprobieren. Von der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Nairobi3 erwarten wir neue Impulse zur Wahrnehmung dieses Auftrages. Wir werden immer wieder einmal gefragt, was die Kirchen eigentlich für den Frieden tun können. Daß wir hierin eine Verpflichtung erkennen, die uns vom Auftrag unseres Herrn her gegeben ist, hat unsere Kirche häufig ausgesprochen. Im Gehorsam vor Gott wird Frieden gelebt und durchgehalten werden können. Die Kirchenleitung hat in ihrem vorjährigen Bericht vor der Synode erläutert, daß dieser Weg der Nachfolge ein eigener Weg sei, ein Lernweg, der sich in letzter Konsequenz nur von diesem Herrn vorgeben lassen kann4. Das bedeutet, daß unsere Kirche von Fall zu Fall, von Entscheidung zu Entscheidung neu zu bedenken hat, ob sie einen Friedensbeitrag im Namen ihres Herrn leistet. Sie wird sich bemühen, im Bewußtsein der drängenden Bedrohungen zum Frieden zu erziehen5. Frieden 2 ZDZ 29, 1975, S. 283 [Orig. Anm.]. Vgl. HEIL DER WELT HEUTE; K. VIEHWEGER, Weltmissions-Konferenz Bangkok; BANGKOK ASSEMBLY 1973. 3 Vgl. JESUS CHRISTUS BEFREIT UND EINT; W. MÜLLER-RÖMHELD/H. KRÜGER (Hg.), Bericht aus Nairobi; H. KRÜGER (Hg.), Jesus befreit und eint. 4 KL-Bericht 1974, S. 21, Ziff. 4.1. [Orig. Anm.]. 5 Zum Leitthema „Erziehung zum Frieden“ in der zweiten Hälfte der 1970er Jahren vgl. unten Dokument 38, Anm. 13, S. 383.
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resultiert nicht einfach aus dem Ausgleich politischer Kräfte, sondern bedarf der bewußten Haltung, des Einsatzes, des Opfers. Erziehung zum Frieden ist nicht einfach ein Schulprogramm für die Jugend, sondern ein Prozeß, in den wir uns alle hinzustellen haben. Für uns müßte das bedeuten: – Bereitschaft zum Mitdenken in unserer Gesellschaft. Aufgaben liegen uns vor den Füßen: in der Fürsorge für Hilfsbedürftige; in der Verantwortung für den Schutz der Umwelt; in dem Umgang mit dem Erbe unserer Kultur; in der Wahrnehmung verantwortlicher Elternschaft; usw. – Bereitschaft zum Umdenken: Nationen der dritten Welt fragen, ob wir in unserer Konsumentenhaltung verharren wollen; unsere Kinder fragen uns, welche Zukunftsvorstellungen wir haben; u. Ä. – Bereitschaft zum Eintreten für Minderheiten: eine Gesellschaft bedarf des Freiraums für Menschen, die anders denken, anders leben. Eine Kirche, die selbst einmal Minderheiten unterdrückt hat und dafür Buße tun mußte, kann von solchen eigenen Erfahrungen her beitragen zu einer lebendigen Vielfalt unseres Lebens. 3.2. 30 Jahre Frieden seit der Befreiung vom Faschismus Der 8. Mai 1975 bot als der 30. Jahrestag der Beendigung des zweiten Weltkrieges konkreten Anlaß, den Weg unserer Kirche zu überdenken – ob er wirklich in diesem Sinne „eigener Weg“ war6. Am 8. Mai 1945 wurde das deutsche Volk vom Faschismus befreit. Schon dieses Wort „Befreiung“ hat für viele einen peinlichen Klang, weil es der Hinweis darauf ist, daß diese Befreiung von außen und nicht von innen erfolgt ist. Die Deutschen selber haben es nicht vermocht, sich zu befreien. Belastet ist solche Rückschau aber auch vielfach von konkreter Erinnerung, wurde doch der Schrecken des Weltkrieges für viele abgelöst von Leid und neuen Entbehrungen. Die Bitterkeit solcher Erinnerung verhindert oft genug einen freimütigen Rückblick. Davon aber durften wir Christen uns, als wir auf den 30. Jahrestag der Befreiung zugingen, nicht gefangennehmen lassen. Wir hatten Anlaß, ein Stück unserer eigenen Vergangenheit aufzuarbeiten; dazu sind vielfältige Versuche gemacht worden. Unser Bischof hat in seinen Hinweisen für die Vorbereitung der Fürbitte am 8. Mai kurz zusammengefaßt, was hier für zu bedenken war: „Wir sind kuriert von nationaler Überheblichkeit, von politischem Fanatismus und politischen Wunschträumen; uns ist die gefährliche Gefangenschaft im Freund-Feind-Denken, in der Unversöhnlichkeit, in antikom6 Vgl. GESICHTSPUNKTE ZUR BESINNUNG ZUM 8. MAI. Arbeitspapier für die Gliedkirchen, von der KKL verabschiedet am 7./9. April 1975. (hekt).
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munistischen Vorurteilen aufgegangen; wir haben gelernt, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht zu uns gehören und nicht unseren Glauben teilen; uns ist das Geschenk ökumenischer Gemeinschaft zuteil geworden, auch und gerade mit den Kirchen der Länder, mit denen wie Krieg geführt hatten; wir haben als Kirche Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten (es hätte auf Grund der Erfahrungen, die Kommunisten mit der Kirche gemacht haben, auch anders sein können), wir haben seit 30 Jahren in Europa ohne Krieg leben können.“7
Dieses Überdenken der eigenen Erfahrungen mußte ausgesprochen werden. Die Kirchenleitung wollte das nicht für sich allein tun, weil in Fragen, die die ganze Christenheit in der DDR angehen, auch gemeinsam geredet werden soll. Die Gliedkirchen des Bundes hatten darum eine Einladung zu einer Veranstaltung am 15. April 1975 im Haus der Ministerien aus Anlaß des 30. Jahrestages angenommen8. Unsere Kirchenleitung ist dankbar für das, was Bischof D. Schönherr bei dieser Gelegenheit gesagt hat. Er hat nach vorn weisend deutlich gemacht, wie diese Erfahrung der Befreiung und der neuen Gemeinschaft mit Völkern, mit denen wir Krieg geführt hatten, unser Handeln jetzt und in Zukunft zu bestimmen hat: „Wir Deutschen haben uns gern über andere Völker mit anderen Kulturen überlegen gefühlt. Wir haben auf eine beschämende Weise deren Vergebungsbereitschaft und Hilfe erfahren. Wir sind durch die Begegnung mit ihnen und mit ihren Kirchen bereichert worden. Wir empfinden es als eine ständige Aufgabe, diese Verbindung und Wertschätzung zu vertiefen.“9
3.3. Frieden für Europa Wir können uns nicht dabei beruhigen, daß seit 30 Jahren in Europa Frieden herrscht. Frieden ist nicht ein Erbstück, das man dankbar besitzen kann. Er muß gefüllt werden mit dem, was das Leben gut 7 ABL. KPS 1975, S. 28 [Orig. Anm.]. 8 In einem Schreiben an die Leitenden Geistlichen der Gliedkirchen des BEK vom 2.4.1975 übersendet der Vorsitzende des Bischofskonvents, D. Schönherr, einen ersten Entwurf seiner Rede für den 15.4. und bittet um kritische Durchsicht: „Es geht mir vor allem darum, ob ich etwas Entscheidendes falsch gesehen oder ausgelassen habe“. In den Akten befindet sich zudem ein Zweiter Entwurf (undatiert). Ein weiteres Schreiben von D. Schönherrs vom 8.4. informiert wiederum die Leitenden Geistlichen über die veränderten Umstände der Veranstaltung am 15.4., die vorher nicht abgesprochen waren (Bekanntgabe eines bereits formulierten Themas, Kranzniederlegung am Ehrenmal Berlin-Treptow, die Absicht, an den Botschafter der SU einen Brief seitens der Teilnehmer der Veranstaltung zu senden). AKPS, Rep. B 3, Nr. 677. Darin: Schreiben d. Bischof D. Schönherr an die Leitenden Geistlichen der Gliedkirchen des BEK vom 2.4.1975 (mit Anlage: Erster Entwurf der Rede für den 15.4.) und vom 8.4.1975. 9 Die Reden, die von kirchlicher Seite bei diesem Anlaß gehalten wurden, sind abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 20/1975. In der DDR erschien ein Sonderdruck über die Veranstaltung: ERINNERUNG UND VERMÄCHTNIS. Vgl. auch KJ 102, 1975, S. 326 f.
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macht; er muß gesichert werden gegenüber Bedrohungen, die von innen und von außen ständig neu entstehen; er muß genutzt werden zum Wohle derer, die nicht unmittelbar an dem Reichtum solchen Friedens Anteil haben. In diesem Sinne ist der Abschluß der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein Ereignis, dessen Bedeutung nicht leicht überschätzt werden kann. Wir sind dankbar dafür, daß in dem Schlußdokument von Helsinki10 diese umfassende Verantwortung für den Frieden in der Welt zum Ausdruck kommt. Der Frieden ist unteilbar – darum sind die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und humanitären Aspekte in ihrem dialektischen Aufeinanderbezogensein formuliert worden; wir betrachten die Schlußakte als ein Ganzes, aus dem nicht Einzelaussagen willkürlich herausgegriffen werden sollten. So sind auch die zehn Prinzipien als Grundsätze einer Friedensordnung für die ganze Welt gemeint: die Teilnehmerstaaten haben sie angenommen „in der Erkenntnis der engen Verbindung zwischen Frieden und Sicherheit in Europa und in der ganzen Welt und im Bewußtsein der Notwendigkeit, daß jeder von ihnen seinen Beitrag zur Festigung des Friedens und zur Sicherheit in der Welt und zur Förderung der Grundrechte des wirtschaftlichen und sozialen Fortschrittes und des Wohlergehens aller Völker leiste“11. 3.3.1. Mitverantwortung der Kirchen Wo ein wirksamer Beitrag für den Frieden in diesem umfassenden Sinne geleistet werden kann, haben die Kirchen mitzutun. Man kann nicht auf das Reich Gottes warten und nur zuschauen, wenn andere sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. Der Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), Dr. Glen G. Williams, hat in einem Interview12 darauf hingewiesen, daß sich schon die V. Vollversammlung der KEK 196713 nachdrücklich für eine Staatenkonferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eingesetzt habe. Die Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen hat in ihrem Synodalbericht vom November 197214 die Vorbereitung einer solchen Konferenz ausdrücklich begrüßt und ausführlich Stellung genommen. Ebenso ist es sachgerecht, daß in den nächsten Tagen die Konferenz Europäischer Kirchen auf Einladung des Bundes unserer Kirchen in
10 Mit der „Schlußakte von Helsinki“ vom 1.8.1975 fand die KSZE ihren Abschluss. Vgl. oben Dokument 30b, Anm. 5, S. 287. In der DDR ist sie außer im ND und der Wochenzeitung „horizont“ gedruckt in: ENTSPANNUNG UND DAUERHAFTER FRIEDEN, S. 129–190. 11 ND, 2./3.8.1975, S. 5 [Orig. Anm.]. 12 NEUE ZEIT, 26.9.1975, S. 5 [Orig. Anm.]. 13 Vgl. DIENEN UND VERSÖHNEN. 14 Ziff. 6.3.2., S. 33 [Orig. Anm.].
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der DDR in Buckow eine Konsultation abhalten wird, die der Auswertung dieser Konferenz für das Handeln der Kirchen gewidmet ist. In der Präambel zu den zehn Prinzipien über die Zusammenarbeit ist ausdrücklich Bezug genommen auf die „gemeinsame Geschichte“ und die „gemeinsamen Elemente der Traditionen und Werte“, die die Teilnehmerstaaten in Europa verbinden. Wir meinen, daß gerade die Christen Europas eine besondere Aufgabe dabei haben, in diesem Sinne „unter voller Berücksichtigung der Eigenart und der Vielfalt der Standpunkte und Auffassungen nach Möglichkeiten zu suchen, die Bemühungen zur Überwindung des Mißtrauens und zur Vergrößerung des Vertrauens zu vereinigen, die Probleme, die sie trennen, zu lösen und zum Wohl der Menschheit zusammenzuarbeiten.“15 Wir sind gerufen zu einem Dienst der Verständigung und Versöhnung, der auch für das Miteinander der Völker Auswirkungen haben kann. 3.3.2. Unser Beitrag für die Entwicklungsländer In der Vorbereitungsphase der Konferenz hatte die Kirchenleitung den Wunsch geäußert, „es möchte die Zusammenarbeit der europäischen Staaten von Anfang an auf die gemeinsame Förderung der jungen Nationalstaaten der sogenannten dritten Welt ausgerichtet werden, um einen egoistischen Europazentrismus zu vermeiden“16. Mit diesem Wunsch war aktualisiert worden, was die Kirchenleitung auf Grund der Ergebnisse der Weltkirchenkonferenz in Uppsala in ihrem Bericht vor der Synode 1970 betont hatte: „Nicht die Verteidigung ihrer Errungenschaften, sondern die Beteiligung der wirtschaftlich Benachteiligten daran können den Wohlhabenden der ganzen Welt den Frieden sichern. Diese konkreten politischen Forderungen können aber nur in der Gemeinsamkeit aller Staaten und ihrer allein für die Wirtschafts- und Außenhandelspolitik verantwortlichen Regierungen realisiert werden.“17
Wir betrachten es als einen wichtigen Schritt auf diesem Wege, daß die Teilnehmerstaaten der Helsinki-Konferenz in den Grundsätzen über die „Zusammenarbeit in den Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Technik sowie der Umwelt“ ausdrücklich erklärten, daß sie ihre Vereinbarungen getroffen haben „unter der Berücksichtigung der Interessen der Entwicklungsländer der ganzen Welt . . . in der Absicht, den am wenigsten entwickelten Ländern besondere Aufmerksamkeit zu widmen, in der Überzeugung, daß die zunehmende weltweite wechselseitige Abhängigkeit im Bereich der 15 ND, 2./3.8.1975 [Orig. Anm.]. 16 KL-Bericht Nov. 1972, Ziff. 6.3.2. [Orig. Anm.]. 17 KL-Bericht 1970, Ziff. 6.3.2. [Orig. Anm.].
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Wirtschaft in wachsendem Maße gemeinsame und wirkungsvolle Anstrengungen zur Lösung der großen Probleme der Weltwirtschaft . . . erfordert . . .“18 Die Verantwortung für eine solche gerechtere Wirtschaftsordnung, die das Mißverhältnis des „ungleichen Wachstums“ zwischen den Nationen auszugleichen bemüht ist, liegt nicht bei den Kirchen. Wir können und wollen unsere eigenen Möglichkeiten nicht überschätzen. In einem Interview, das der Generalsekretär des Ökumenischen Rates, Dr. Philip Potter, dem Chefredakteur des „Standpunkt“, Günter Wirth, gewährt hat, wird aber deutlich, welche Erwartungen von den Christen der jungen Nationalstaaten gerade den Kirchen in der DDR in diesem Zusammenhang entgegengebracht werden: „Die DDR ist das zweitstärkste Industrieland in Osteuropa und das fünftstärkste in Europa – in anderen Worten: Sie ist ein hochentwickeltes Land, und sie ist ein säkularer sozialistischer Staat. Daher ist die Frage völlig legitim: Wie wird der Beitrag aussehen, der von hier aus im Blick auf alle die genannten Probleme in der Vollversammlung (in Nairobi) eingebracht werden kann?“19
Wir müßten uns darum bemühen, daß – z. B. bei der Begleitung und Nacharbeit von Nairobi20 – unsere Gemeinden die Dringlichkeit dieser Fragen wahrnehmen und so einen Beitrag leisten auch zu der Auswertung der Beschlüsse von Helsinki. 3.3.3. Fragen der Kommunikation in Europa Die Schlußakte der Helsinkikonferenz enthält eine Fülle von Anregungen, Vorschlägen und bindenden Zusagen, die eine engere Zusammenarbeit bewirken können. Wir hoffen, daß die Vorschläge für die Verbesserung des Kulturaustausches, für Begegnungen der Jugend, für die wissenschaftliche Zusammenarbeit, für die Verbesserung des Zugangs zu Informationen bald realisiert werden können. Denn wir meinen, daß alles, was dazu dient, sich untereinander besser kennenzulernen, eine Hilfe ist im Kampf gegen Haß, Aggressionen und Krieg. Eine ganze Reihe der Ziele, die in dem letzten Teil der Schlußakte genannt sind, sind in der DDR bereits verwirklicht. Der wissenschaftliche Austausch in Europa ist intensiver geworden; durch die diplomatische Anerkennung der DDR durch fast alle Staaten Europas sind neue kulturelle Kontakte möglich geworden; Familienzusammenführungen wurden in zunehmendem Maße vollzogen; der Tourismus zwischen den sozialistischen Ländern Europas hat vor allem für die Jugend zu einer Ausweitung des Horizontes geführt. Für dieses und vieles 18 Vgl. oben Anm. 2. 19 STANDPUNKT 8/1975, S. 211 [Orig. Anm.]. 20 Vgl. oben Anm. 3.
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Berichte und Beschlüsse
andere sind wir dankbar. In diesem Sinne verstehen wir die Vereinbarungen der Schlußakte von Helsinki als Grundsätze, die Schritt für Schritt in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden können. So ist es uns z. B. wichtig, daß die Unterzeichner der Schlußdokumente ausdrücklich erklärt haben, daß „religiöse Bekenntnisse, Institutionen und Organisationen . . . sowie ihre Vertreter in den Bereichen ihrer Tätigkeit untereinander Kontakte und Treffen haben, sowie Informationen austauschen können.“21 – Doch bleiben noch viele Wünsche offen. Die Menschenrechte sind nicht eine Satzung, die man ein für alle Mal in Kraft setzt, sondern ein Ziel, dessen Verwirklichung immer neuer Anstrengungen bedarf_22. Die Erwartungen, die sich an die Vereinbarungen von Helsinki knüpfen, sind hoch. Wir möchten unserer Hoffnung Ausdruck geben, daß hier alle Möglichkeiten, die die Schlußakte bietet, in den künftigen Festlegungen mit anderen Staaten ausgeschöpft werden. In dem Maße, wie solche Hoffnungen erfüllt werden, wird das Ergebnis von Helsinki ein Hoffnungszeichen sein für die Welt. [. . .]
BeschlussderSynode,26.Oktober1975 BerichteundBeschlüsse
34 b Beschluss der Synode zum Bericht der Kirchenleitung Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 108, Dr. 21/75, S. 1–3, hier: S. 1, 2 f. (hekt.);Protokoll des Sitzungstages 26. Oktober 1975
Die Synode hat mit großem Interesse und dankbar wahrgenommen, daß der Bericht der Kirchenleitung zusammen mit dem Wort des Bischofs eine Reihe von gewichtigen und dringlichen Fragen aufgenommen hat. Die Beobachtung, daß in der Synode wenig auf die angesprochenen Fragen eingegangen wurde, macht auf eine Überforderung durch eine zu kurze Zeitspanne zwischen Vortrag und Diskussion aufmerksam. Die Synode beauftragt die Kirchenleitung, den Bericht in ausreichender Anzahl in die Kirchenkreise und an die kirchlichen Ausbildungsstätten, das Wort des Bischofs zusätzlich an alle hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter und die Laienvorsitzenden der Gemeindekirchenräte zu geben. 21 Vgl. oben Anm. 10. 22 Vgl. KL-Bericht 1974, Ziff. 4.5.2., S. 29 f. [Orig. Anm.].
Beschluss der Synode, 26. Oktober 1975
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[. . .] 3. Die Synode begrüßt die Bezugnahme des Berichtes auf die Dokumente der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Zustimmung zu den Grundsätzen der Schlußakte von Helsinki stellt aber auch die Frage, wie diese Vereinbarungen für den einzelnen Menschen in seiner konkreten Lebenssituation wirksam werden. Dies schließt ein, daß Christen in allen Bereichen unserer sozialistischen Gesellschaft, im Arbeitsprozeß, im Lehren, Lernen und in gesellschaftlicher Tätigkeit ihr Christsein gestalten können. Die Synode bittet deshalb die Kirchenleitung, weiter alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Sachgespräche mit den kompetenten staatlichen Gesprächspartnern über Fragen zu führen, die Gemeindeglieder bedrängen. Die Synode ist der Meinung, daß zu den genannten Aufgaben der Erziehung zum Frieden (3.1.) auch das Wirken für eine verantwortungsbewußte Haltung der Gemeindeglieder zum Wehrdienst gehört. Der Kirchenleitungsbericht betont die Erwartung, die gerade den Kirchen in der DDR von den Kirchen der jungen Nationalstaaten im Blick auf die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Nairobi23 entgegengebracht werden. Die Synode erkennt die Verantwortung, die unseren Kirchen immer mehr zufällt und bittet die Kirchenleitung, alles in ihren Kräften stehende zu tun, daß dies auch im Bewußtsein der Gemeinden noch lebendiger wird und mit den staatlichen Stellen zu klären, welche Wege zur Realisierung konkreter Vorhaben gangbar sind. [. . .]
23 Vgl. oben Anm. 3.
BerichtderKirchenleitung,13.Mai1976 BerichteundBeschlüsse
35 Bericht der Kirchenleitung auf der 1. Tagung der VIII. Synode Halle Diakonissenhaus, 13. Mai 1976 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 109, Dr. 7/76, S. 1–26, hier: S. 21–26 (hekt.). Teilabdruck in: KJ 103/104, 1976/77, S. 513.
Schwerpunkt: Das öffentliche Zeugnis der Kirche; ihr Weg als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft; Kritik an Zielstellungen des IX. Parteitages der SED Gliederung: 0. [ohne Überschrift]. 1. Strukturelle Aufgaben. 2. Aufgaben im Bereich geistlicher Lebensordnung. 3. Diakonische Aufgaben. 4. Gesamtkirchliche Aufgaben. 5. Gesellschaftsbezogene Aufgaben. Anlagen zum Bericht: 1. Meinungsbildung der KKL betreffend der Fragen des Zusammenlebens von Bürgern verschiedener Weltanschauungen und Gewissensbindungen nach dem Entwurf des Programms der SED zum IX. Parteitag 1976. 2. Auszug aus der Ansprache des Vorsitzenden der KL bei dem Gespräch zwischen dem RdB Magdeburg und der KL am 14.11.1975.
[. . .] 5. Gesellschaftsbezogene Aufgaben 5.1. Die GrO umschreibt den Auftrag der Synode (und entsprechend den der KL) in Bezug auf das Leben der Gesellschaft in Art. 130, Abs. 3 und 4. Wir werden das Mandat gesellschaftsbezogenen Zeugnisses heute so wahrnehmen, daß wir weniger in der Form des Anspruchs und Einspruchs reden, als vielmehr in der Form des besonnenen, hilfreichen und gelegentlich wohl auch dringlichen Aufmerksammachens auf Vorgänge und Vorhaben, die das Recht, die Würde oder das Gewissen von Menschen verletzen oder das Zusammenleben in der Gesellschaft sonst beeinträchtigen und gefährden. Die Liebe Jesu Christi sieht den Menschen in seinen konkreten Verwundungen. Gesellschaftsbezogenes Reden der Kirche wird aussprechen, was die Menschen schmerzt, worunter sie leiden, wodurch sie in ihrem Menschsein angetastet und unmündig gehalten werden – in der eigenen Gesellschaft und in der Welt sonst, mit der Bereitschaft, Möglichkeiten der Abhilfe mitzubedenken und an deren Verwirklichung mitzuhelfen.
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5.2. Gesellschaftsbezogenes Zeugnis der Kirche geht von einem positiven Verhältnis zu der Gesellschaft aus, in der sie lebt und zu der sie gehört, wenngleich als eine Größe eigener Art, die sich nicht einfach gesellschaftlich verrechnen läßt. Mit der Verfassung von 19681 ist jeder DDR-Bürger – und also auch der Christ – Glied der sozialistischen Gesellschaft, steht in ihr, hilft mit seiner Arbeit den Sozialismus aufbauen. Wir werden dieses Faktum nicht als Fatum hinnehmen, gegen das man nichts machen kann, sondern werden es von unserem Glauben an den Gott her verstehen, der uns geschaffen und damit in eine konkrete geschichtliche Situation gestellt hat als den Bewährungsraum unseres Glaubens, unserer Liebe und unserer Hoffnung und der uns dazu befreit hat, den Sozialismus unter Seiner gnädigen Herrschaft zu sehen. Gesellschaftsbezogenes Zeugnis einer Kirche im Sozialismus wird den Christen helfen, als Glieder der Gemeinde Jesu Christi in der sozialistischen Gesellschaft zu leben, und ihnen zu einem konkret unterscheidenden Handeln Mut machen: zu dem positiven und konstruktiven „Ja“ praktischer Mitarbeit und zum „Nein“, wenn etwas gefordert wird, was im Widerspruch steht zu der Liebe, der Wahrheit und der Hoffnung, die im Bekenntnis zu Jesus Christus enthalten ist. Gesellschaftsbezogenes Zeugnis der Kirche wird zugleich darin bestehen, die Träger der staatlichen Macht daran zu erinnern und darum zu bitten, daß auch in unserem sozialistischen Staat, in dem eine weltanschaulich gebundene Partei die Führungsrolle innehat, Menschen anderer Überzeugung ungeängstigt und unbenachteiligt leben können, solange sie die Gesetze des Staates achten2. 5.3. Synode und KL haben den Auftrag gesellschaftsbezogenen Zeugnisses auf mancherlei Weise – freilich immer nur exemplarisch – wahrzunehmen versucht. 5.3.1. In jedem Kirchenleitungsbericht ist zu grundsätzlichen oder aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen vom Evangelium her Stellung genommen worden: die Synode hat darüber in öffentlicher Sitzung frei diskutiert und sich vom Berichtsausschuß ein eigenes Votum
1 Vgl. oben Dokument 24b, Anm. 4, S. 237. 2 Die Formel „Kirche im Sozialismus“ ist im BEK seit ca. 1971 immer wieder benutzt worden. Vgl. dazu die außerordentlich gründliche Analyse von W. THUMSER, Kirche im Sozialismus; bes. S. 184 ff.; Gerhard BESIER stellt den Weg zur geläufigen Benutzung dieser Formel dar in: SED-Staat und Kirche 2, S. 49–71. Außerdem: Zwei Beiträge von Richard SCHRÖDER, die vor der Wende 1989 in Berlin-West in der Zeitschrift „Kirche im Sozialismus“ veröffentlicht wurden [Jetzt in: DERS., Denken im Zwielicht, S. 49–54 und 149–159]: Was kann „Kirche im Sozialismus“ sinnvoll heißen? (1988); und: Nochmals: „Kirche im Sozialismus“ (2.10.1989). H. FALCKE, Kirche im Sozialismus, a. a. O.
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entwerfen lassen. Dies wird auch in Zukunft eine besondere Möglichkeit der Wahrnehmung kirchlicher Verantwortung für das politische Geschehen sein. 5.3.2. Eine andere Form gesellschaftsbezogenen Redens sind öffentliche kirchliche Verlautbarungen, wie etwa das im Auftrag der letzten Synode von der KL für die Verlesung im Gottesdienst und zur Besprechung in der Gemeinde erarbeitete Wort der Information und der Seelsorge zu der besonderen Situation junger Christen auf dem Bildungssektor3, das in der Kirchenprovinz und auch darüber hinaus als hilfreich empfunden worden ist. Hierher gehört auch die Erklärung der Leitenden Geistlichen4 zum Beschluß der UNO, den Zionismus als Rassismus zu verurteilen, die ebenso wie die „Meinungsbildung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR betreffend Fragen des Zusammenlebens von Bürgern verschiedener Weltanschauung und Gewissensbindungen nach dem Entwurf des Programms der SED zum IX. Parteitag 1976“_5 der Regierung der DDR – Staatssekretär für Kirchenfragen – zur Kenntnis gebracht und vom Konsistorium den Pfarrern zur Information weitergegeben worden ist. – In diesen Zusammenhang gehören auch die jährlichen Handreichungen zum Bußtag, in denen jeweils eine Frage des öffentlichen Lebens besonders in den Blick genommen wird, oder zu besonderen Anlässen, wie im Vorjahr zum Himmelfahrtstag am 8. Mai, an dem bei uns der 30. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus begangen wurde. 5.3.3. Eine wichtige Gelegenheit zur Wahrnehmung verantwortlichen kirchlichen Redens zu den großen Menschheitsfragen und den Aufgaben und Problemen in der eigenen Gesellschaft sind die Gespräche zwischen den Räten der Bezirke Magdeburg und Halle und der Kirchenleitung_6. Über das letzte derartige Gespräch wird die Synode im 3 So erteilte die Herbstsynode 1974 (4. Tagung der VII. Synode) der KL den Auftrag, ein Wort der Seelsorge und Information an die Gemeinden zu richten. Am Sonntag Lätare 1975 (9.3.) wurde folgendes Kanzelwort der KL verlesen: Gegen Intoleranz, für Zusammenarbeit von Christen und Marxisten. Abgedruckt in: KJ 102, 1975, S. 318 f. 4 Diese Erklärung der Leitenden Geistlichen der Gliedkirchen des BEK vom 27. November 1975 gedruckt in: KJ 1975, S. 267; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 145. 5 Anlage 1 [Orig. Anm.]. Meinungsbildung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik betreffend Fragen des Zusammenlebens von Bürgern verschiedener Weltanschauungen und Gewissensbindungen nach dem Entwurf des Programms der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zum IX. Parteitag 1976 vom 14.3.1976. Abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 147 f. 6 In den Berichtszeitraum fielen ungewöhnliche viele Gespräche auf Bezirksebene: Gespräche beim RdB Magdeburg: Am 14.11.1975 auf Einladung des Vorsitzenden des RdB, Herrn Steinbach, im Sitzungssaal des Gebäudes des RdB Magdeburg – Teilnehmer auf staatlicher Seite: Herr Seigewasser, Staatssekretär für Kirchenfragen, Herr Steinbach u. weitere Vertreter der Räte
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Rechenschaftsbericht der KL über ihre Tätigkeit vom 1.11.1975 bis 30.4.1976 informiert7. Wir haben dieses Gespräch als besonders poder Bezirke; auf kirchlicher Seite: KL der KPS mit Bischof Dr. Krusche als Vorsitzenden. Steinbach und Krusche hielten je ein Einleitungsreferat. In der anschließenden Diskussion ging es um Fragen der Abrüstung, der Erziehung zum Frieden und zur Wahrhaftigkeit, Mitarbeit von Christen in der Gesellschaft, Fragen der KL an den RdB. AKPS, Rep. B 3, Nr. 354. Darin: Vermerk über ein Gespräch zwischen dem Rat des Bezirkes Magdeburg und der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen am 14.11.1975, S. 1–9; Einleitungsreferat Dr. Krusches, S. 1–11. Vgl. unten Anm. 7. Am 17.12.1975 auf telefonische Einladung des Leiters des Sektors Kirchenfragen beim RdB, Herrn Bellstedt – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Herr Bellstedt, Herr Salzmann, Sekretär der BL der SED; auf kirchlicher Seite: KonsR Müller, KonsR Dr. Schultze (Themen: Auswertung des Gespräches vom 14.11., Gemeindearbeit in Neubaugemeinden, Bildungsfragen u. a.). EBD: Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Magdeburg am 17.12.1975, S. 1–4. Am 15.3.1975 zwischen dem Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Herrn Steinbach, und Bischof Dr. Krusche (Thema: Überprüfung der Vorgänge, in denen mit Dr. Krusches Namen und dem Bischofsamt schwerer Mißbrauch getrieben wurde). EBD.: Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Magdeburg am 15.3.1976, S. 1–5. Dieser Vermerk wurde mit „streng vertraulich“ an die Mitglieder der Rates der KL adressiert. Am 28.4.1976 auf Einladung des Stellvertreters des Vorsitzenden für Inneres, Herrn Steinbach, ohne Angabe eines Themas – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Herr Steinbach, Herr Bellstedt, Leiter des Sektors Kirchenfragen; auf kirchlicher Seite: Bischof Dr. Krusche, OberkonsR Dr. Schultze (Hauptthema: Vorbereitungsdokumente für den IX. Parteitag der SED). EBD.: Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Magdeburg am 28.4.1976, S. 1 ff. Am 11.5.1976 auf Einladung des RdB – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Herr Bellstedt, Leiter des Sektors Kirchenfragen, Herr Salzmann, Sekretär der BL der SED; auf kirchlicher Seite: KonsR Müller, OberkonsR Schultze (Themen: bevorstehende Synodaltagung, kirchliche Stellungnahmen zu den Vorbereitungsdokumenten für den IX. Parteitag der SED u. a.). EBD.: Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Magdeburg am 11.5.1976, S. 1 f. Gespräche beim RdB Halle: Am 2.4.1976 auf Einladung des Stellvertreters des Vorsitzenden für Inneres, Herrn Pöhner – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Herr Pöhner, Herr Biertümpel, Leiter des Sektors Kirchenfragen, Herr Hanke, Referent für Kirchenfragen beim Rat der Stadt Halle; auf kirchlicher Seite: Bischof Dr. Krusche, Propst Münker (Themen: Grundsätzliches, Kirchentag in Halle im Sept. 1976, Abriss des Kindergartens des Georgengemeinde u. a.). AKPS, Rep. B 3, Nr. 365. Darin: Aktenvermerk von Propst Münker vom 2.4.1976, S. 1 ff.; Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Halle am 2.4.1976, S. 1–7. Zum Abriss des Kindergartens der Georgengemeinde Halle vgl. unten Dokument 37, Anm. 12, S. 371. Am 30.4.1976 auf Wunsch des Leiters des Sektors Kirchenfragen, Herrn Biertümpel – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Herr Biertümpel; auf kirchlicher Seite: Landeswart Reese, Jungmännerwerk der KPS, OberkonsR Dr. Schultze (Thema: Petersbergtreffen 1976). AKPS, Rep. B 3, Nr. 365. Darin: Vermerk über ein Gespräch mit Herrn Biertümpel, Rat des Bezirkes Halle, in Magdeburg am 30.4.1976. 7 Bericht der KL vor der 1. Tagung der VIII. Synode der Kirchenprovinz Sachsen, Punkt I.1.: Gespräch der Kirchenleitung beim Rat des Bezirkes Magdeburg [15.11.1975]. AKPS, Rep. C 1, Nr. 109, Dr. 8/76, S. 1–7 (Teil I), hier: S. 1 f.
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Berichte und Beschlüsse
sitiv empfunden, da es für uns eine wichtige Information über die Einschätzung dieses Dokumentes seitens unseres Staates enthielt und wir die Gelegenheit hatten, unsere Auffassung und unsere Erwartungen darzulegen, und es einen offenen Meinungsaustausch mit wechselseitigen Anfragen gab. Der Vorsitzende der KL hat sich dabei über den Sinn solcher Gespräche wie folgt geäußert: „Gespräche mit Vertretern unseres Staates, die der Information, der Erörterung von Sachfragen, dem Bemühen um gegenseitiges Verstehen, der Klärung und Lösung von Problemen dienen, halten wir für nützlich und notwendig. Denn dazu gibt es keine vernünftige Alternative. Konfrontationen sind zweifellos die schlechteste Methode, insofern ihre eigentliche Absicht nicht die Verständigung, sondern die Herausforderung und Bloßstellung des anderen ist. Der Verzicht auf Konfrontation bedeutet indessen nicht den Verzicht darauf, Fragen zu stellen, Probleme zu benennen, auf Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, Bitten auszusprechen und abweichende Meinungen zu äußern.“
Der amtierende Vorsitzende des Rates des Bezirkes Magdeburg8 sprach dabei einen für die Zusammenarbeit von Marxisten und Christen in unserem Staat bemerkenswerten Satz aus: Beide müßten ihre geistig-weltanschauliche Unabhängigkeit bewahren und unter Wahrung solcher Identität das gemeinsam Mögliche tun. Die Ausführungen des Vorsitzenden der KL darüber, worin die Kirche den ihr gemäßen Beitrag zum Frieden und zum gesellschaftlichen Fortschritt für eine menschliche Welt sieht, sind als Beispiel gesellschaftsbezogenen Redens der Kirche in Anlage 29 beigefügt. 5.3.4. Es bedarf nur eines einfachen Hinweises darauf, daß die Kirche nicht nur in Synodal- oder Kirchenleitungsentscheidungen bzw. -äußerungen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Diese Äußerungen bekommen erst dadurch Gewicht, daß die Vertretungen der Gemeinden, Pfarrer und Älteste, auf ihrer Ebene und ihrem Bereich dies ebenso tun und daß alle unsere Äußerungen begleitet werden von praktizierter und reflektierter Mitarbeit auf dem gesellschaftlichen Feld durch die Glieder der Gemeinde. 5.4. Die Synode wird als die oberste Vertretung der Gemeinden unserer Kirchenprovinz auf ihre Weise den Gemeinden helfen müssen, ihren Weg als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft im Glauben an den Herrn, der bei uns ist und zu uns kommt, unbeirrt zu gehen inmitten der Ankündigung eines langwierigen Prozesses, der auf eine Gesellschaft zielt, in der die marxistisch-leninistische Weltanschauung sich durchgesetzt haben und von einer christlichen Kirche nicht mehr zu reden sein wird. 8 Kurt Ranke. 9 S. unten Anhang, Anlage Nr. V, S. 596 f.
Bericht der Kirchenleitung, 13. Mai 1976
345
In der Zielbeschreibung der kommunistischen Gesellschaft, wie sie sich in den Dokumenten zum IX. Parteitag findet, wird die Kirche nicht mehr erwähnt. Vertreter unseres Staates haben uns versichert, daß dies nicht eine Änderung der staatlichen Kirchenpolitik bedeute, daß hier an Überzeugungsarbeit und nicht an administrative Maßnahmen gedacht sei. Wir möchten dies nicht anzweifeln. Es melden sich aber Fragen, wenn wir lesen, was Professor Olof Klohr über das „differenzierte Herangehen in der Arbeit zur Überwindung der Religion“ schreibt: „Wir kämpfen gegen den reaktionären politischen Klerikalismus. Zugleich arbeiten wir geduldig, taktvoll und sachlich mit den breiten Massen der Gläubigen, die sich aktiv am Aufbau des Sozialismus beteiligen, und halten ihre weltanschauliche Umerziehung ständig im Auge.“10
Wir halten durchaus etwas von echten Lernvorgängen und sind lernbereit: aber sich als Objekte einer Umerziehung angesehen zu wissen, denen ausgerechnet das aberzogen werden soll, was ihre innerste Überzeugung ausmacht und überhaupt das Beste an ihnen ist – ihr Glaube an Jesus Christus –, ist menschlich verletzend. Wie werden uns dadurch aber weder verbittern, noch gar ängstigen und lähmen lassen. Wir sind von Christus, dem auferweckten Gekreuzigten, dazu befreit, die Wirklichkeit unserer Welt und damit die geschichtlichen Prozesse im Lichte der Schalomverheißung der kommenden Gottesherrschaft zu sehen. Von hierher haben wir eine Zukunftshoffnung und ein Lebensvertrauen, die gegenüber allen säkularen Geschichtsperspektiven gelassen machen, auch wenn sie mit großer Sicherheit vorgetragen werden. Vom Glauben an Jesus Christus und von der in seinen Verheißungen bewahrten Zukunft her ist die sozialistische Gesellschaft ein offener Prozeß in einer offenen Geschichte mit offener Zukunft. Darum braucht sich die Gemeinde Jesu Christi nicht in irgendwelche Alternativen drängen zu lassen. Überall, wo man sich um ein friedliches und gerechtes Zusammenleben der Menschen müht, das nicht mehr auf Kosten der anderen geht, kann sie Brechungen und Entsprechungen des bruderschaftlichen Menschseins der kommenden Gottesherrschaft sehen und sind wir – die Glieder der Gemeinde Jesu Christ – dazu befreit, unverklemmt mitzuarbeiten. Wir beten: „Dein Reich komme“, wir schauen auf den, der gesagt hat.: „Siehe, ich mache alles neu“, und wir halten uns an seine Verheißung. „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
10 O. KLOHR, Ideologische Stählung, S. 85 f. [Orig. Anm.].
BerichtderKirchenleitung,28.Oktober1976 BerichteundBeschlüsse
36 Bericht der Kirchenleitung auf der 2. Tagung der VIII. Synode1 über Entscheidungen und Überlegungen der Kirchenleitung im Zusammenhang mit der Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz Magdeburg Domremter, 28. Oktober 1976 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 110, Dr. 25/76, S. 1–21 (hekt.). Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 38/1977, S. 11 ff.; KJ 103/104, 1976/77, S. 409–418; H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz, S. 310–323. Gliederung: 1. Die Stellungnahmen der Kirchenleitung. 1.1. Das „Wort an die Gemeinden“ vom 21.8.1976. 1.2. Das Schreiben der KL an die Redaktionen der Zeitungen „Neues Deutschland“ und „Neue Zeit“ vom 2.9.1976. 1.3. Der Brief der Konferenz der Kirchenleitungen an die Gemeinden vom 11.9.1976. 1.4. Das Gespräch in Halle am 4.10.1976. 2. Versuch einer Klärung. 2.1. Die Zeichenhandlung im Licht des sendenden Wortes Christi. 2.2. Spannungen zwischen KL und Pfarrerschaft und ihr Zusammenspiel. 2.3. Sichtbar gewordene Probleme in unserer Gesellschaft. 2.4. Offenkundige Schäden in unserer Kirche.
Die KL hat es für sachgerecht gehalten, der Synode statt eines Tätigkeitsberichtes einen Problembericht über die geistliche Situation in unserer Kirchenprovinz in der Form dreier Kurzreferate zum Thema „Wie bleibt die Kirche bei der Sache?“ geben zu lassen. Als die KL diese Entscheidung 1 Die KL hatte beschlossen, dass der Synode unter dem Thema „Wie bleibt die Kirche bei der Sache?“ drei Teilberichte, die von ihren Autoren persönlich verantwortet wurden, vorgetragen wurden: Propst Friedrich Carl Eichenberg, Provinzialjugendpfarrer Günter Buchenau und Gisela Hartmann (Mitglied der KL). Auf einen Abdruck dieser nicht unmittelbar politisch relevanten Berichte wird hier verzichtet. Vgl. Dr. 26/76. Der hier abgedruckte Bericht „Über Entscheidungen . . .“ ist von Bischof Werner Krusche persönlich verfasst und von der KL bestätigt worden. Der Abschnitt 2.2. „Spannungen zwischen Kirchenleitung und Pfarrerschaft und ihr Zusammenspiel“ wurde von Rektor Christoph Hinz verfaßt. Tagungsort dieser Synode war der Gemeindesaal der Magdeburger Altstadtgemeinde neben der Wallonerkirche (Neustädter Straße 6). Für die Verlesung des Kirchenleitungsberichts war die Plenarsitzung jedoch am Abend des 28.10.1976 in den Domremter (Winterkirche der Domgemeinde) verlegt worden, weil in der Altstadtgemeinde nicht genügend Plätze für Zuhörer vorhanden waren. Traditionell wurde zum Vortrag des Kirchenleitungsberichts bei den Synoden öffentlich in den Kirchengemeinden eingeladen.
Bericht der Kirchenleitung, 28. Oktober 1976
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traf, wußte sie noch nicht, daß wenig später ein Ereignis eintreten würde, das unsere Kirchenprovinz in der Tiefe erschüttert und die KL seitdem unentwegt beschäftigt hat: die öffentliche Selbstverbrennung unseres Bruders Pfarrer Oskar Brüsewitz2. Die KL war der Meinung, daß die Synode ein Recht habe zu erfahren, von welchen Gesichtspunkten sich die KL in ihren Entscheidungen hat leiten lassen, wie sie die durch dieses Ereignis ausgelösten Vorgänge und aufgebrochenen Fragestellungen beurteilt und was sie zur geistlichen Verarbeitung der sichtbar gewordenen Ursachen und Auswirkungen dieses Geschehens für nötig hält. Die KL hat mich als ihren Vorsitzenden beauftragt, diese Aufgabe anzugehen, und war dabei der Meinung, daß damit auch etwas „zur Sache“ und also zum Thema dieser Synodaltagung gesagt werden würde. 1.
Die Stellungnahmen der KL
1.1
Das „Wort an die Gemeinden“ vom 21.8.1976 Noch unter dem Schockerlebnis des Ereignisses vom 18. August in Zeitz, unter einem starken Erwartungsdruck von zwei Seiten – Distanzierung von der geschehenen Tat als der eines geistig Kranken und Zustimmung zu ihr als eines politischen Zeichens – und im Wissen um das erhebliche Gewicht, das jede ihrer Äußerungen haben würde, hat die KL am 21. August das „Wort an die Gemeinden“3 gerichtet. Die KL hat dem doppelten Erwartungsdruck nicht nachgegeben, sondern das gesagt, was sie zu diesem Zeitpunkt verantworten konnte. Sie hat sich zu Pfarrer Brüsewitz gestellt und hat seine Tat als aus einer einsam getroffenen Entscheidung erwachsen bezeichnet; sie hat diese einsame Tat eingeordnet in seinen Dienst als Zeuge Gottes, in dem er mit oft „ungewöhnlichen Aktionen“, so auch mit dieser letzten, auf Gott als den Herrn über unsere Welt habe hinweisen wollen; sie hat dabei erwähnt, daß er von der Sorge umgetrieben worden sei, die Kirche könne in ihrem Zeugnis zu unentschlossen sein. Die KL hat erklärt, dieser Tat nicht zustimmen, in ihr also nicht eine uns in der Nachfolge des Gekreuzigten gebotene Form der Lebenshingabe sehen zu können. Zugleich hat sich die KL gegen Entstellungen von Äußerungen in unserer Presse4 und gegen
2 Zur Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz vgl. neben H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz auch F. KLIER, Oskar Brüsewitz; H. MÜLLER-ENGBERGS/H. SCHMOLL/W. STOCK, Das Fanal; H. MÜLLER-ENGBERGS/W. STOCK/M. WIESNER, Das Fanal. 3 Abgedruckt in: H. MÜLLER-ENGBERGS/H. SCHMOLL/W. STOCK, Das Fanal, S. 287 f. (Dokument 8); H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz, S. 164–169 (Dokument 16: Protokoll der 8. (außerordentlichen) Sitzung der Kirchenleitung der KPS am 21.8.1976 in Magdeburg mit dem „Wort an die Gemeinden“), hier: S. 168 f. 4 Vgl. EBD., S. 170–173 (Dokument 17: Erste Meldungen und Stellungnahmen in Presseorganen der DDR vom 21.–23.8.1976).
348
Berichte und Beschlüsse
propagandistische Inanspruchnahme des Vorganges in den Massenmedien der BRD5 gewandt. Dieses „Wort an die Gemeinden“ ist nur in wenigen Zeitungen im vollen Wortlaut, in der übrigen Presse in einer entstellenden Kurzform veröffentlicht worden. 1.1.1 Dieses – als eine erste, keineswegs als abschließende Stellungnahme gedachte – Wort hat neben Zustimmung auch eine z. T. sehr harte Kritik gefunden (über 80 Zuschriften, viele mündliche Äußerungen). Es haben uns Leser dieses Wortes ihren Kirchenaustritt mitgeteilt („in Beantwortung der Provokation des ev. ‚Pfarrers‘ B. gegen unseren Staat“, und: „vom Verhalten der KL und ihrer Speichelleckerei angewidert . . .“). 1.1.2 Einige ganz wenige hatten eine bestimmte Distanzierung der KL von dieser als „Protest gegen . . .“, also als eine Anti-Aktion verstandenen Handlung erwartet; es wurde dabei an 1. Kor 13,3 erinnert („Und wenn ich meinen Leib hingebe zum Verbrennen, – habe aber die Liebe nicht, so nützt es mir nichts“). Oder es wurde mit der Genugsamkeit des Opfertodes Christi argumentiert, die durch eine solche Tat geleugnet werde, oder mit der Hoffnungslosigkeit, die in dieser Tat zum Ausdruck komme und die uns nicht erlaubt sei. 1.1.3 Die Kritik der allermeisten ging indessen in die entgegengesetzte Richtung: a) es sei der Signalcharakter dieser Tat, die auf schwere objektive Schäden in unserer Gesellschaft habe aufmerksam machen wollen, unterschlagen, es sei also nichts von dem Protest hörbar gemacht worden, den diese Tat gegen die von unserer Jugend wehrlos hinzunehmende Dauerbeeinflussung mit marxistisch-atheistischer Ideologie, gegen die Züchtung eines Geistes rückständiger Intoleranz, gesellschaftlicher Heuchelei und ohnmächtiger Resignation habe erheben wollen; b) hier sei eine Tat geschehen, die in der Linie von Lk 10,24 liege („Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten“) oder in der Linie von Phil 2,8 („Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode“ – zum vorsätzlich gewollten Tode). Mit ihrer Erklärung, daß sie der Tat von Pfarrer Brüsewitz nicht zustimmen könne, habe die KL dem Evangelium widersprochen; c) es fehle ein Wort des menschlichen Respekts vor diesem Lebensopfer; d) die Behauptung, unsere Aufgabe als Christen bestünde darin, in unserer Gesellschaft mitzuarbeiten, gehe völlig an den Realitäten vorbei. Die Erfahrung habe gezeigt, daß eine eigenständige Mitarbeit von Christen nach den vom Evangelium gesetzten 5 Vgl. EBD., S. 242–246 (Dokument 47: Einzelne Pressestimmen aus der Bundesrepublik Deutschland).
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Maßstäben unerwünscht und unmöglich sei; e) dieses Wort an die Gemeinden sei „staatsfromm“, leisetreterisch, feige, „Opium des Volkes“, ein Produkt der Angst, wie sie für die Kirchenleitung typisch geworden sei; f) es fehle eine deutliche Abweisung der ADN-Meldung im „Neuen Deutschland“ am 21.8.19766, in der auf Erklärungen von kirchlicher Seite hingewiesen worden war, daß Pfarrer Brüsewitz ein „abnormal und krankhaft veranlagter Mensch“ sei, der „oft unter Wahnvorstellungen“ gelitten habe. Zu der in dem „Wort an die Gemeinden“ angesprochenen Aufgabe, „in unserer Gesellschaft mitzuarbeiten, um durch das Zeugnis und Beispiel unseres Lebens dazu zu helfen, daß Gottes Ziele in dieser Welt verwirklicht werden“, gehöre auf alle Fälle auch das Eintreten für eine der Wahrheit entsprechende und die Würde des Menschen achtende Information in unseren Publikationsorganen und Massenmedien. 1.1.4 Bis auf wenige Ausnahmen waren die Einsendungen an die KL ernsthafte Versuche, das unfaßbare Geschehen in Zeitz zu begreifen und sich die darin auf einen äußersten Ausdruck gebrachte Existenzproblematik bewußt zu machen. Erstaunlich war die fast durchweg vorhandene Bereitschaft, diese Tat zu akzeptieren und sich mit ihr zu identifizieren („er ist für mich und meine drei Kinder gestorben“, schrieb ein Nichtchrist, der unter der alternativlosen Situation in unserer Gesellschaft leidet, „ein stellvertretendes Handeln für mich und viele“ – so ein Pfarrer) und eine dementsprechende Empfindlichkeit gegenüber allem, was den Eindruck einer Distanzierung machen konnte, und ebenso die fraglose Selbstverständlichkeit, mit der man die wahren Motive der Tat zu kennen meinte. Für die KL erschreckend war die beinahe durchgängig anzutreffende Meinung, sie nehme mehr Rücksicht auf den Staat als auf die Wahrheit, sie wage aus Ängstlichkeit kein klares, eindeutiges Wort mehr. 1.1.5 Die KL hat sorgsam alle diese Stimmen gehört und als Hauptfragen erkannt: 1. Welches „Zeichen“ ist durch die Selbsttötung von Pfarrer Brüsewitz gesetzt worden und wie ist es theologisch zu beurteilen? 2. Was heißt „Eindeutigkeit“ im kirchenleitenden Handeln? Wie ist das Mißtrauen von Pfarrern und anderen Gliedern der Gemeinde gegenüber der Leitung der Kirche entstanden und wie kann ihm abgeholfen werden? 3. Welche Probleme im Leben der Gesellschaft sind sichtbar geworden? 6 Abgedruckt EBD., S. 170.
350
Berichte und Beschlüsse
4. Auf welche Schäden im Leben unserer Kirche lassen die eingegangenen Stellungnahmen schließen? 1.2
Das Schreiben der KL an die Redaktionen der Zeitungen „Neues Deutschland“ und „Neue Zeit“ vom 2.9.1976
1.2.1 Die KL hat bewußt unterlassen, was die Situation erneut aufladen könnte. Sie hat bestimmte Sicherheitszumutungen bei der Beerdigung von Bruder Brüsewitz ebenso abgewiesen wie bestimmte Sensationsgelüste und dafür gesorgt, daß der gottesdienstliche Charakter der Beerdigung gewahrt bliebe und zugleich die weit über den Kirchenkreis hinausgehende Betroffenheit der ganzen Kirche zum Ausdruck käme. Trotz dieses überlegten Verhaltens der KL kam es zu Behinderungen von Menschen, die an der Beerdigung teilnehmen wollten. Am 31.8.1976 kamen die Kommentare in den Zeitungen „Neues Deutschland“ und „Neue Zeit“7. Zu ihnen konnte die Kirche nicht schweigen. Nachdem die darin gemachten Angaben geprüft worden waren, hat die KL am 2.9. ein Schreiben an die beiden verantwortlichen Redaktionen gerichtet8, das sie zugleich den Gemeinden zusandte, da hier die schnellste Information nötig war, denn es war zu befürchten, daß die Glieder der Gemeinde in Betrieben und Schulen sogleich mit diesen Zeitungsartikeln konfrontiert werden würden, was denn auch geschehen ist. 1.2.2 Diese die Ehre eines Verstorbenen herabsetzenden, die Wahrheit verletzenden und im Ton sich so völlig vergreifenden Artikel haben die Atmosphäre in einer bösen Weise vergiftet und eine Welle der Empörung ausgelöst. Die KL hat eine ganze Reihe von Zuschriften erhalten, in denen Gemeindeglieder, Mitarbeiter oder Konvente uns Kenntnis gaben von ihren spontanen Eingaben an die Redaktionen oder an politische Stellen. Darüber hinaus haben wir auch Kenntnis bekommen von Zuschriften anderer Bürger, die sich nicht zu unserer Kirche rechnen. Unter diesen Zuschriften befand sich auch der Durchschlag eines Briefes von Menschen, die sich ausdrücklich als Sozialisten bezeichnen und sich zum Marxismus bekennen, an die für sie zuständige Stelle. In diesem Brief wenden sie sich gegen eine Praxis, die persönliche Würde eines Andersdenkenden zu verletzen, um der politischen Auseinandersetzung mit ihm auszuweichen. Sie haben uns erklärt, daß sie die KL in ihrem Bemühen unterstützen, die Würde von Pfarrer Brüsewitz gegen ungerechtfertigte Angriffe 7 Abgedruckt EBD., S. 216–221 (Dokument 36: Kommentar des ND vom 31.8.1976; Dokument 37: Kommentar der „Neuen Zeit“ vom 31.8.1976). 8 Abgedruckt EBD., S. 222–224 (Dokument 38: Gegendarstellung der Kirchenleitung vom 2.9.1976).
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zu schützen. Wir sehen in der Tatsache dieses Briefes ein gutes Zeichen für die Achtung vor der Ehre und der Überzeugung Andersdenkender und für die Bereitschaft zum offenen Gespräch. 1.2.3 Die von der KL angeschriebenen Redaktionen haben auf unser Schreiben nicht reagiert. Der uns mündlich zugekommene Vorwurf, die KL hätte den Brief an die Redaktionen gleichzeitig den Gemeinden weitergegeben und damit die Redaktionen der Möglichkeit und Notwendigkeit enthoben, ihn zu veröffentlichen, hat ein gewisses formales Recht, ist aber in Wirklichkeit ein Vorwand. Die Reaktionen auf die erwähnten Zeitungskommentare haben auf das Vorhandensein einer hochgradigen Sensibilität für die unantastbare Würde des Menschen aufmerksam gemacht, die sofort reagiert, wenn auch nur der Anschein besteht, es solle ein Mensch auf Grund seiner anderen Überzeugung entweder moralisch diskreditiert oder als psychopathisch diagnostiziert werden. 1.3
Der Brief der Konferenz der Kirchenleitungen (= KKL) an die Gemeinden vom 11.9.1976 Der von den Vertretern der KL mit erstellte und verantwortete Brief der KKL9 ist das Ergebnis der bis dahin geschehenen intensiven Bemühungen, Klarheit darüber zu gewinnen, was die Tat von Pfarrer Brüsewitz ausgelöst und aufgedeckt hat. Dieser Brief wäre ohne die vielfältigen Reaktionen von seiten der Gemeinden und der Pfarrer nicht möglich geworden. Die Synode des Bundes hat der KKL für diesen Brief gedankt, „der als Hilfe zur Aufarbeitung der Ereignisse in Zeitz und ihrer Wirkungen empfunden“ werde. Hier sind dann auch die Anfragen an die Kirche, die Gemeinden, die Kirchenleitungen, an die Gesellschaft und die staatlichen Organe deutlich ausgesprochen. Sie sind in der Substanz dieselben, wie sie unter 1.1.5 formuliert worden sind und im folgenden behandelt werden sollen. Daß dieser besonnene, selbstkritisch fragende und kritisch anfragende, in keiner Weise aggressive Brief der KKL an die Gemeinden nicht einmal in unseren eigenen kirchlichen Zeitungen gedruckt werden konnte, ist völlig unverständlich. Wir hören nicht auf zu hoffen, daß es hier eines Tages zu vernünftigen Regelungen kommen wird.
1.4
Das Gespräch in Halle am 4.10.1976 Da die KL sich nicht in der Lage sah, allen Einsendern von Briefen eine individuelle Antwort zu geben, es aber auch nicht für ausrei-
9 Abgedruckt EBD., S. 249–251 (Dokument 49: Brief der KKL an die Gemeinden vom 11.9.1976, weitergegeben mit Schreiben des Konsistoriums der KPS vom 13.9.1976 an die Pfarrämter und kirchlichen Einrichtungen in der KPS).
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2.
Berichte und Beschlüsse
chend hielt, ihnen lediglich die Stellungnahmen der KL und der KKL zuzusenden, hat sie allen Einsendern von Zuschriften das Angebot eines Gespräches gemacht, zu dem einen Vertreter zu entsenden auch den Kirchenkreisen und Ausbildungsstätten die Möglichkeit gegeben wurde. Dieses mehr als fünfstündige Gespräch, zu dem etwa 100 Personen erschienen waren, fand am 4.10. in Halle statt. Hier wurde von der KL bis ins Detail informiert; auf die Fülle von Anfragen und Anklagen wurde zu antworten versucht; es gab von solchen, die die Art und den Dienst von Bruder Brüsewitz aus eigener Anschauung kannten, einige Informationen10, in denen auch deutlich seine Grenzen zur Sprache kamen. Dieses Gespräch in Halle war nötig, zeigte aber, wie wenig wir mit dem fertig sind, was der Tod von Oskar Brüsewitz an Fragen aufgerissen und an Wirkungen ausgelöst hat11. Auch solche unbefriedigend bleibenden Gespräche wie das in Halle sind besser, als wenn die Probleme und Schwierigkeiten verdrängt oder verschwiegen würden. Versuch einer Klärung (vgl. 1.1.5)
2.1 Die Zeichenhandlung im Licht des sendenden Wortes Christi 2.1.1 Die öffentliche Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz ist von vielen als ein „Zeichen“ bezeichnet worden, das er habe aufrichten wollen. Fragt man, welchen Inhalt dieses Zeichen habe, worauf es hinweisen, was es zum Ausdruck bringen wollte, so gehen die Antworten weit auseinander (ein Zeichen des Protestes, der Ausweglosigkeit, des Mutes der Verzweiflung, des Bekenntnisses, der Gefolgschaftstreue). Dieses Zeichen ist in sich nicht eindeutig. Die Tat vom 18.8. in Zeitz ist nur darin eindeutig, daß in ihr nicht das Leben anderer, sondern nur das eigene Leben angetastet werden sollte (um gerade so die anderen in ihrem Lebenszentrum betroffen zu machen). Wir haben es also mit einer Signalhandlung zu tun, die a) im Stil des gewaltlosen politischen Kampfes bei anderen Betroffenheit und Gewissensbeunruhigung auslöst, ohne sie gewaltsam zu verletzen – irgendwie sind alle gebrannt, ohne daß sie körperlich von der Flamme angerührt worden sind –, und b) deren mehrdeutige Zeichenhaftigkeit ohne das begleitende Wort der Auslegung Rezeptionen mit den unterschiedlichsten Deutungen erlaubte und Identifizierungs- und So10 Die Magdeburger KL gab in diesem Gespräch Hintergrundinformationen und ließ Personen, die im Kreis Zeitz mit Oskar Brüsewitz zusammengearbeitet hatten, von ihren Erfahrungen berichten. Vgl. EBD., S. 53. 11 Propst Bäumer, der in den ersten Augustwochen den schwersten Teil der Verantwortung zu tragen hatte, bezeugte die eigene Unsicherheit: Da jede Leitungsentscheidung noch die Male der inneren Ratlosigkeit trage, dürfe sie nicht rechthaberisch gegen andere geltend gemacht werden. EBD.
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lidarisierungsvorgänge auslöste, die von ganz verschiedenen Motiven, Intentionen und Konzeptionen umgetrieben waren. Die Zeichenhandlung vom 18.8. hatte gerade in ihrer Mehrdeutigkeit die Wirkung und schuf die Möglichkeit, daß Menschen mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Leiderfahrungen – oft genug mühsam durch Jahre hindurch unter der Lebensoberfläche gehalten – sich auf einmal in diesem Geschehen wiederfinden und verstanden und auf sich aufmerksam gemacht fühlen konnten. Es müßte in diesem Zusammenhang vielleicht einmal darüber nachgedacht werden, was es heißt, daß jemand sich nicht zum Zeichen macht, sondern zum Zeichen gesetzt wird (vgl. Luk 2,34). 2.1.2 Das Zeichen, das Oskar Brüsewitz hat aufrichten wollen, würde auch dann keine Eindeutigkeit gewinnen, wenn uns der Text der von ihm aufgestellten Plakate12 bekannt wäre. Alle geschichtlichen Erfahrungen und Zeichen (sogar die Wunderheilungen Jesu, vgl. Mt 12,22 ff.) bleiben in sich mehrdeutig; ihre Eindeutigkeit gewinnen sie erst im Wort des Zuspruchs und Anspruchs Jesu. Und so weist uns das uns betroffen machende Zeichen zurück auf das Buchstabieren des Auftrages Jesu: es wird eindeutig, wenn es uns den Anstoß gibt, neu auf das Wort zu hören, das uns zum Dienst des Evangeliums am Ort unserer Gesellschaft sendet und das allein diesen Dienst eindeutig bestimmen, klären und gewiß machen kann. 2.1.2.1 Wir werden durch das Zeichen von Zeitz heilsam daran erinnert, was wir schon längst wissen, aber nun neu zu bedenken haben: unser Dienst geschieht in der Kreuzesnachfolge Jesu (Luk 9,23). Wir werden uns gerade angesichts der Selbstauslegung von Bruder Brüsewitz in seinem Abschiedsbrief an den Konvent13, in dem er von dem im Gang befindlichen mächtigen Krieg zwischen Licht und Finsternis spricht, zu vergegenwärtigen haben, daß Jesus mit dem Zelotismus zusammen eine bestimmte Linie alttestamentlicher Prophetie des Eiferns um das 1. Gebot (Elia, Jehu, Makkabäer, Apokalyptik der jüdischen Gemeinde in Qumran im Krieg der Söhne des Lichts gegen die Söhne der Finsternis) abgewiesen hat. Er sendet die Seinen als wehrlos Liebende unter die Menschen. Sie können ihnen nicht die Zähne zeigen („wie Schafe unter die Wölfe“ Mt 10,16), vielmehr wird ihnen zugemutet, die zu segnen, die ihnen fluchen, denen wohl12 Originaler Text der Transparente auf dem Auto: „Funkspruch an alle . . . Funkspruch an alle . . . Die Kirche in der D.D.R. klagt den Kommunismus an! wegen Unterdrückung in Schulen an Kindern und Jugendlichen“. – H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz, Bild 9; vgl. zu den verschiedenen Versionen auch EBD., S. 141 u. 146. 13 Abgedruckt in: H. MÜLLER-ENGBERGS/H. SCHMOLL/W. STOCK, Das Fanal, S. 284 (Dokument 1); H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz (Faksimile).
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Berichte und Beschlüsse
zutun, deren Haß sie zu spüren bekommen (Mt 5,11; Röm 12,14; 1. Kor 4,12; 1. Petr 3,9); er preist sie selig (muntert sie also nicht auf, dagegen zu protestieren), wenn die Menschen sie um seinetwillen schmähen, verfolgen und Übles gegen sie reden (Mt 5,11), er verbietet ihnen, mit Feuer zu reagieren, wenn man ihn abweist (Lk 9,54) oder ihn so zu verteidigen, daß der verletzt wird, der ihn angreift (Mt 26,51 ff.); er setzt das ruinöse Gesetz des Gegenschlages außer Kraft (Joh 18,22 f.; Mt 5,39) und betet für seine Schinder und Henker (Lk 23, 34). Wir sollen in die Fußstapfen dessen treten, „der nicht widerschalt, da er gescholten ward, nicht drohte, da er litt, der es vielmehr dem anheimstellte, der da recht richtet“ (1. Petr 2,23). Es ist die Frage an uns, ob wir im Dienst dieses Herrn stehen wollen, der die Nägelmale des Karfreitag zur bleibenden Signatur seiner Herrschaft gemacht hat, ob wir die Verborgenheit seiner Herrschaft aushalten, die Unscheinbarkeit seiner Mittel bejahen, und uns an der Armseligkeit seiner Gemeinde nicht stoßen (1. Kor 1,18 ff.; Lk 10,21), und auf alle polemische Schwarz-Weiß-Abgrenzungen verzichten (es gibt im NT zwar „Kinder des Lichts“, aber sie werden nicht zum Angriff auf die „Kinder der Finsternis“ gerufen; im übrigen: Mt 8,12!). Die entscheidende Frage an uns dürfte tatsächlich die sein, ob wir die Kirche des auferstandenen Gekreuzigten sein wollen. Das würde keinesfalls heißen, eine schweigende, alles passiv hinnehmende Kirche zu sein, so wahr Jesus nicht gekreuzigt worden ist, weil er geschwiegen, sondern für die gesprochen und sich zu denen gestellt hat, die von den Selbstgerechten, sich selber Rühmenden als kommunikationsunwürdig disqualifiziert worden waren (Mt 9,10 f.; 11,19; Lk 15,1f.; 18,13; 19,7; Joh 9,24 f.), und weil er dem von Gott geliebten Menschen das ihm Dienliche zur Norm für die Praktizierung des Gesetzes gemacht hat (Mt 12,1–14; 15,1–9). Die Kirche in der Nachfolge des Gekreuzigten wird das Leiden nicht suchen, es aber erfahren. Sie wird nicht ein Zeichen aufrichten oder sich zum Zeichen machen, aber sie wird zum Zeichen werden – zum Zeichen dafür, daß Christus nicht militant, sondern allein durch seine Kreuzesliebe siegt (Röm 8,37 ff.; Apk 5,5 f.; 12,11) – aber eben: siegt. 2.1.2.2 Die neu von uns als Gemeinde zu beantwortende Frage, ob wir die Kirche des Herrn mit den durchbohrten Händen sein wollen, enthält namentlich für uns Pfarrer – die persönliche Frage, ob wir bereit sind, die apostolische Existenz zu übernehmen, in der demütigende Erfahrungen des Mißerfolgs, der Vergeblichkeit, der Ablehnung, des Verlassenwerdens zu machen und Sterbenswege zu gehen sind (1. Kor 4,9 ff.; 2. Kor 1,8 ff.; 11,23 ff.; Gal 4,11). Die beruflichen Enttäuschungserfahrungen, die heute ein Pfarrer bei uns machen muß – das allmähliche Abbröckeln, die Angst und die Gleichgültigkeit bei
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2.2
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so vielen, die Isolierung, die Untergrabung seines Ansehens (und das alles bei treuer, fleißiger Arbeit!) –, haben unserem Bruder Brüsewitz ja offenbar ganz schwer zu schaffen gemacht (ob er mit seinem freiwilligen Tod seinem „General“ nicht vielleicht hat sagen wollen: Auch wenn deine Truppe kleiner wird wegen der vielen Deserteure und Defaitisten – du sollst wissen: es gibt noch welche, die zu dir halten und ihr Leben für dich einzusetzen bereit sind!). Und wir selber haben zwar über unseren so anders werdenden Dienst in der Diasporasituation immer wieder gesprochen, aber ihn innerlich noch nicht wirklich akzeptiert. Der gekreuzigte Herr, der uns in seinen Dienst nimmt, will uns die Schmerzen über all das Zerbrechen, das wir erfahren, nicht ausreden, aber er möchte, daß wir nicht in Bitterkeit, Aufgebrachtheit oder Selbstbemitleidung dienstuntauglich werden. Wir wollen in den Kreuzeserfahrungen Auferstehungserfahrungen machen (2. Kor 4,10: „Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, auf daß auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“). Es wird so möglich, Trübsale mit Geduld zu ertragen (Röm 12,12; 2. Thess 1,4; 2. Kor 4,8; Apk 13,10: „Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen!“), sie als leicht zu empfinden (2. Kor 4,17), ja, sich ihrer zu rühmen (Röm 5,3), sich im Leiden zu freuen (Kol 1,24; 1. Petr. 4,13 ff.; Hebr 10,34; Jak 1,2; Apg 5,41; 2. Kor 6,10). Weil es der auferstandene Gekreuzigte ist, der uns sendet und uns die Schmerzerfahrungen zumutet, gilt gegen alle Erfahrungen: „Nicht vergeblich“ (1. Kor 15,58), nichts umsonst! Der in solcher Geduld der Hoffnung getane Dienst leuchtet – strahlender, heilsamer, sieghafter, ansteckender als alle flammenden Fanale. Spannungen zwischen Kirchenleitung und Pfarrerschaft und ihr Zusammenspiel_14 Es sind in den zurückliegenden 10 Wochen auch Spannungen sichtbar geworden zwischen Kirchenleitung und Kreisen der Pfarrer, z. T. der Gemeindeglieder. Vielleicht haben sie hier und da schon länger latent bestanden und sind in der Beunruhigung nach den Zeitzer Ereignissen nur deutlicher an die Oberfläche getreten, besonders in den Anfragen an die Kirchenleitung. Manche kamen aus emotionalem Unmut, manche waren erfüllt von Mißtrauen und Sorge, manche benannten beachtenswerte Gesichtspunkte15. Das Gespräch in Halle16 machte etwas davon exemplarisch anschaulich. – Es ist von einer Vertrau-
14 Da es der KL nicht gut ansteht, in eigener Sache zu reden, ist Rektor Christoph Hinz gebeten worden, aus seiner Sicht und in eigener Verantwortung zu diesem Fragenkomplex etwas zu sagen. [Orig. Anm.]. 15 Vgl. 1.1 und 4 [Orig. Anm.]. 16 Vgl. Punkt 1.4.
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enskrise gesprochen worden. Ich halte das für dramatisiert, möchte aber versuchen, die erkennbar gewordene Spannung ein wenig „aufzuklären“. Ich habe den Eindruck, in dem latenten Gegenüber von Kirchenleitung und Pfarrerschaft erscheinen zwei akzentverschiedene Mandate, die unter den Randbedingungen unserer Gesellschaft sich vielleicht nur schärfer ausprägen. Wenn wir diese Akzentverschiedenheit samt den vorgegebenen gesellschaftlichen Bedingungen durchschauen und die Mandate sich gegenseitig annehmen, könnte es auch durch Spannungen, Anfragen und Sorgen hindurch zu einem fruchtbaren Zusammenspiel von Leitung und Pfarrerschaft kommen, vielleicht zu einem verheißungsvollen Exempel. (Zur Verdeutlichung möchte ich vereinfachen und überspitzen.) 2.2.1 Die Kirchenleitung hat die Verantwortung für das Ganze der Kirche und ihr weitergehendes Leben in den Gemeinden. Ihre Leitung hat darin vor allem eine geistliche Dimension, und es ist mir keine Frage, daß sie ihren Dienst im Blick auf den Herrn tut, der gerade in diesem Remter uns als der Gekreuzigte vor Augen steht. Sie muß diese Verantwortung aber zugleich wahrnehmen im Kontext der Innenpolitik unseres Staates, in dem die Kirche nicht den abgesteckten Lebens- und Rechtsraum eines ausgeführten Staatskirchenvertrages hat, sondern nur die sehr schmale Basis einer allgemeinen Erwähnung in der Verfassung mit dem Hinweis auf Einzelvereinbarungen. Dadurch ist sie im Interesse der Kirche auf ständige Verhandlungen mit Vertretern des Staates angewiesen. In den Verhandlungen machen die staatlichen Vertreter ihre außenund innenpolitischen Gesichtspunkte deutlich, geben ihre politische „Einschätzung“ bestimmter kirchlicher Handlungen, sprechen Beurteilungen vergangener Vorgänge und Erwartungen für zukünftige aus, die nicht ohne Anerkennung und Tadel sind. Dabei wird oft indirekt zu verstehen gegeben, daß die Berücksichtigung staatlich-politischer Erwartungen die Erfolgsaussichten für die kirchlichen Anliegen vergrößern würden. Schema: do ut des (ich gebe, damit du gibst). Die Nötigung, im Interesse der Kirche und der Menschen, für die die Kirche da sein möchte, sich immer wieder auf solche Verhandlungen einzulassen, heißt aber auch, sich in ihren Spielregeln, Sprachregelungen, Norm- und Tabu-Erwartungen zustimmend oder ablehnend zu bewegen. Das führt leicht – vielleicht unvermeidlich – dazu, daß die kirchenleitend Verantwortlichen bei ihrem Handeln und öffentlichen Reden die nächste Reaktion der staatlichen Vertreter mit im Kopf haben (– nicht Angst waltet hier, sondern Sorge um die Aussicht der nächsten Verhandlung –). Auch wenn die Betreffenden selbst mit gutem Gewissen sich sagen können, sie haben staatlich-politischen Erwartungen nicht einfach entsprochen, sondern aus eigener
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kirchlicher Verantwortung gehandelt und geredet, schimmert in ihren Worten für unbefangene Gemeindeglieder und Pfarrer der Gedanke an die staatliche Gesprächspartnerschaft manchmal hindurch. Es läge viel daran, hierauf nicht einfach mit einem Gemurmel über „die da oben“ zu reagieren, sondern die Last wahrzunehmen, welche die Ausübung des kirchlichen Leitungsmandats unter den Randbedingungen unserer staatlichen Innenpolitik bedeutet. Denn wir alle sind als Glieder der Kirche darauf angewiesen, daß leitende Brüder diese Last tragen. Und wir alle, Pfarrer und Gemeindeglieder, können die Bedingungszusammenhänge wissen, unter denen leitende Brüder bei uns ihre gesamtkirchliche Verantwortung ausüben müssen und sie in der Last dieses Mandats annehmen. Ich persönlich bin noch froh, daß sie es so wahrnehmen, wie es in unserer Kirchenprovinz geschieht (auch wenn ich manchmal Fragen habe). Vor allem aber sehe ich darin etwas Hoffnungsvolles, daß sie sich für kritisch mitdenkende Fragen der Pfarrer offenhalten. 2.2.2 Die Pfarrer (– stilisiert und verkürzt gesprochen –) haben das Mandat der unmittelbaren Ausrichtung des Evangeliums an die Menschen in unserer Gesellschaft. Auch das ist vor allem ein geistlicher Dienst. Sie fragen „unbefangen“, ohne die Last gesamtkirchlicher Leitungssorgen, nach dem in unserem Land „wahren“ christlichen Zeugnis, nach der Relevanz des Evangeliums für Menschen in ihren alltäglichen Lebenserfahrungen. Darin haben sie mit der Gesellschaft aus einem andern Blickwinkel Berührung. Sie haben nicht selten aus enger Tuchfühlung die Belastungen (und Frustrationen) vor Augen, die Menschen unter der innenpolitischen Praxis empfinden, Belastungen, die sich oft nur noch in Nachbarschaftsgesprächen äußern. Aus mitbetroffener Solidarität suchen und erwarten sie ein kirchliches Zeugnis, das dem Menschen an der gesellschaftlichen Basis nahe bleibt und gerecht wird. (Bonhoeffers Mahnung „Tu deinen Mund auf für die Stummen“, Spr 31,8 ist bei manchen lebendig.) Aus dieser Tuchfühlung mit den Menschen wissen sie auch von dem kritischen Unbehagen gegenüber Einseitigkeiten der Berichterstattung und parteilicher Wertung in unserer Presse. Sie wissen von der oft wahrnehmbaren Apathie gegenüber verantwortlich politischem Mitdenken für das Ganze, die aus Enttäuschungen resultiert. Und sie wissen auch von der Scheu vieler Menschen, ihren christlichen Glauben und die Verbindung zur Kirche öffentlich zu erkennen zu geben, weil sie Folgen für Berufs- und Bildungsaussichten befürchten. Und sie fragen sich nach den innenpolitischen Wurzeln dieser Scheu, auch wenn sie überzeugt sind, daß der christliche Glaube sie überwinden kann und sollte. Der Umgang mit diesen Erfahrungen und ihre Beurteilung
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mag auch davon abhängen, wie Pfarrer sich selbst als Glieder der Gesellschaft verstehen. Ich kenne nicht wenige, die ein positiv-konstruktives Verhältnis zur sozialistischen Gesellschaft suchen und gerade darum von diesen Erfahrungen umgetrieben werden. Aus dieser solidarischen Betroffenheit kommt das unruhige Fragen nach dem relevanten christlichen Zeugnis, das sich auf die täglichen Lebenserfahrungen unserer Mitmenschen bezieht. Und aus diesem, den Pfarrern spezifischen Auftrag sehe ich die Gruppe der Anfragen an die Kirchenleitung kommen, die nachdenkenswerte kritische Fragen stellte. Die Leitung einer Kirche, in der die Tradition vom Priestertum aller Gläubigen lebendig ist, dem theologischen Ausdruck für Mündigkeit, tut gut daran, dem kritisch fragenden Mitdenken von Pfarrern und Gemeindegliedern Aufmerksamkeit zu schenken. Deren Mandat ist ja auch der Leitung inbegriffen. Und ich bin dankbar und froh darüber, daß diese Aufmerksamkeit in der Kirchenleitung immer wieder versucht wird und lebendig ist, auch wenn es manchmal durch Verstimmung und Verdruß über spannungsgeladene Äußerungen und Briefe hindurchgeht. Das Wort der KKL17 läßt ja sehr deutlich diese Aufmerksamkeit erkennen, wäre ohne die vielen Anfragen und Äußerungen so wohl nicht zustande gekommen und ist durchaus auch die Frucht eines spannungsvollen Zusammenspiels. 2.2.3 Die akzentverschiedenen Mandate sind einander zugeordnet und aneinander gewiesen (unbeschadet der Tatsache, daß der KL in vielen Fragen eine Letztentscheidung und Verantwortung bleiben muß). Biblisch-theologisch kann man beide Mandate als je akzentverschiedene Klesis (= Aufträge der Berufung), als unterschiedliche Charismen (Kybernesis und martyria)18 sehen. Charismen bewähren sich im Dienst aneinander. Aber das gelingt nicht als harmonische Ergänzung. Charismen haben, auch in der Gestalt von Berufsmandaten, die Tendenz, sich selbst absolut zu setzen. Darum erfahren sie im gegenseitigen Dienst aneinander auch aneinander ihre Grenzen und situationsbedingten Begrenzungen. In den daraus resultierenden unvermeidlichen Spannungen ist der Dienst aneinander zu bewähren. Mehr, hier ist Christus als Herr der Kirche zu bewähren, der mit den Charismen zugleich deren Grenze setzt. „Jeder hat die Autorität seines Herren hinter sich, sofern er sich von ihm zur Anerkennung des fremden Charisma verpflichten läßt“.
17 Vgl. 1.3 [Orig. Anm.]. 18 Kybernesis: Gemeindeleitung; martyria: Zeugnis, Verkündigung.
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2.3
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Wenn wir aus dem Geist des Herrn unserer Kirche uns einander in den akzentverschiedenen Mandaten annehmen und in den Spannungen und gegenseitigen Begrenzungen die Gemeinschaft in SEINEM Geist durchhalten, könnte in dem latenten Gegenüber etwas sehr Verheißungsvolles liegen! Es müßte in keiner Weise sich zum Mißtrauen polarisieren. Säkular gesprochen könnte es innerkirchlich praktizierte kritische Solidarität sein. Es könnte als kirchliche Anschauung ein Zeichen für unsere gesellschaftliche Umwelt werden, ein Beispiel für das spannungsvolle Zusammenspiel von Leitung und ernstgenommener Basis. Innerkirchlich bewährte kritische Solidarität der christlichen Bruderschaft aber ist Voraussetzung für die Wahrnehmung kritischer Solidarität in der Gesellschaft, die pointiert im Dienst der Menschen steht und ihrer Erfahrungen in unserem Land. Sichtbar gewordene Probleme in unserer Gesellschaft In dem Brief der KKL an die Gemeinden heißt es: „Die Tat von Bruder Brüsewitz und die Wirkungen, die sie auslöste, zeigen erneut die Spannungen, die durch unsere Gesellschaft gehen, und die Zerreißproben, in die viele gestellt sind.“ Wir sind auf das, was im Ereignis des 18. August in Zeitz und in den Reaktionen darauf sich an Erfahrungen des Leidens an bestimmten Erscheinungsweisen unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit gezeigt und geäußert hat, im Vorangehenden eingegangen19 und können uns darum jetzt auf kurze Problemanzeigen beschränken. (Dabei ist zu bedenken, daß es keine Gesellschaft gibt, an der nicht in irgendeiner Weise von Menschen gelitten würde. Ich maße mir im übrigen nicht an, für alle zu sprechen. Ich kann nur das wiedergeben, was im Zusammenhang mit den Vorgängen in Zeitz an Empfindungen von Menschen erkennbar geworden ist.)
2.3.1 Die Spannung zwischen der erklärten Absicht, die marxistische Weltanschauung in unserer Gesellschaft durchsetzen zu wollen, und die in der Verfassung gegebene Zusicherung, daß jeder Bürger Gewissens- und Glaubensfreiheit genieße, würde zu einer Dauerbelastung führen, wenn nicht alles wirksam ausgeschlossen wird, was als Druck empfunden und wodurch Angst erzeugt wird20. Die Kosten für Zivilcourage sollten nicht hochgetrieben werden. 2.3.2 Es müssen Freiräume für das offene Gespräch gelassen werden, in denen der Mensch die Chance hat, sich als mündig und als eigenständig denkender zu erfahren, ohne befürchten zu müssen, daß auf 19 Vgl. 1.1.3; 1.1.4; 1.2.2; 1.3; 2.1.1; 2.2.2 [Orig. Anm.]. 20 Vgl. Brief der KKL [Punkt 1.3] [Orig. Anm.].
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seine Anfragen, Einwände und Ideen mit Standardantworten oder gar mit gesellschaftlich disqualifizierenden Kennzeichnungen reagiert wird. Tabuisierung von Problemen erzeugt offensichtlich Frustrationen und führt zur Resignation oder auch zur Anstauung von Aggressionen gegenüber der Gesellschaft. 2.3.3 Wir bedürfen einer Information, die uns die Wirklichkeit zubringt, wie sie ist – möglichst unverzerrt und ohne Ausblendung des Unliebsamen und mit der Bereitschaft, Fehlinformationen richtigzustellen. Richtigstellungen würden das Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Informationen nicht vermindern, sondern verstärken. 2.3.4 Die Ausübung der Macht müßte so durchschaubar wie möglich gemacht werden; wenn irgend möglich, sollten bei Maßnahmen die eigentlichen Gründe genannt werden (das Neonleuchtkreuz auf dem Kirchturm in Rippicha21 z. B. wurde mit der Begründung beanstandet, der Stromverbrauch sei zu hoch). Die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen ist unbestreitbar. Wo sie das unerläßliche Minimum überschreiten, stören sie das Vertrauensverhältnis. Diese im Zusammenhang mit den Ereignissen in Zeitz sichtbar gewordenen Probleme werden hier genannt, um mit unseren staatlichen Partnern darüber sprechen und nach Lösungen suchen zu können. Uns liegt an diesem Gespräch. Darum betone ich ausdrücklich und nachdrücklich, daß es gegen unsere erklärte Absicht wäre, wenn das hier Gesagte zur Propaganda gegen die DDR benutzt würde. 2.4
Offenkundige Schäden in unserer Kirche Auch hier bedarf es nur einer Problemanzeige, da auf das, was an Schäden in unserer Kirche sichtbar geworden ist, bereits hingewiesen worden ist22.
2.4.1 Im Brief der KKL steht die „Anfrage . . . an Pfarrer, Mitarbeiter und Gemeinden, ob sie einander tragende Gemeinschaft gewähren.“23 Und in der Stellungnahme der Bundessynode vom 28. September 1976 heißt es: „Wir sind auf das Problem der Vereinsamung nachdrücklich aufmerksam gemacht worden . . . Viele sind bewahrt worden, weil sie . . . eine tragende Gruppe gefunden haben.“24 Mit Bruder 21 Oskar Brüsewitz brachte das Neonkreuz nach Weihnachten 1969 an den Turm der Rippichaer Kirche an. Es war ca. 2,5m hoch und strahlte in Richtung Droßdorf und der Fernverkehrsstraße Zeitz–Gera. Brüsewitz erklärte sich weder auf Aufforderung staatlicher Stellen, des Konsistoriums noch der Superintendentur bereit, das Kreuz dauerhaft abzuschalten. Die Superintendentur und der RdK unternahmen nun keine weiteren Schritte mehr gegen das Neonkreuz. Vgl. dazu H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz, S. 386 u. MÜLLER-ENGBERGS/H. SCHMOLL/W. STOCK, Das Fanal, S. 61–63. 22 Vgl. 1.1.3; 2.1.2.1; 2.1.2.2; 2.2 [Orig. Anm.]. 23 Vgl. oben Anm. 9.
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Brüsewitz ist viel gesprochen worden; er ist weder von seinem Pfarrkonvent noch von der KL allein gelassen worden. Dennoch bleibt die Frage: Was können wir tun, daß einer nicht vereinsamt und seinen eigenen Weg geht? Die normale Erfahrung bei uns ist ja nicht die, daß einer die Gemeinschaft meidet, sondern daß er sie nicht findet oder nichts an Liebe in sie investiert. Hier ist ein tiefer Schaden unserer Kirche uns erneut bewußt geworden. Mit Appellen ist da nichts getan; aber ich bin gewiß: wir würden Wunder erleben, wenn in unseren Gemeinden – zuerst aber in unseren Konventen – damit begonnen würde, daß einer dem anderen seine Sünde bekennt (Jak 5,16) und also „die letzte Festung der Selbstrechtfertigung“ preisgibt (D. Bonhoeffer), und wenn wir uns vom Herrn in seinem Mahl die Gemeinschaft mit ihm und untereinander immer wieder erneuern ließen. 2.4.2 In der erwähnten Stellungnahme der Bundessynode heißt es: „Wir müssen neu entdecken: Die Gemeindeglieder haben an den Pfarrern und kirchlichen Mitarbeitern eine große Aufgabe.“25 Bislang haben wir in der Tat die Aufgabenstellung nur in der umgekehrten Richtung gesehen. Was ist das für eine Aufgabe, die die Gemeindeglieder an den kirchlichen Mitarbeitern haben sollen? Ich denke: a) Sie müssen ihnen zeigen, daß sie gebraucht werden, und also etwas von ihnen verlangen; b) Sie dürfen sie innerlich und äußerlich nicht in die Isolierung geraten lassen; c) Sie müssen ihnen helfen, daß sie Bescheid wissen können, was die Menschen um sie herum beschäftigt; d) Sie müssen für sie und mit ihnen beten. 2.4.3 Der Vorgang in Zeitz und die Reaktionen darauf haben gezeigt: die Frage, wie wir Kirche im Sozialismus sein können, ist noch keineswegs so klar beantwortet, wie das die in Eisenach gefundene Formulierung vermuten läßt. Die Bundessynode hat erklärt: „Das Nachdenken über die Frage, wie wir Kirche im Sozialismus sein können, muß intensiver werden.“26 Die Erklärung, daß wir Kirche nicht gegen den Sozialismus, sondern Kirche im Sozialismus sein wollen, wird durch die Ereignisse von Zeitz nicht rückgängig gemacht oder in Frage gestellt. Wenn der in dem Abschiedsbrief von Pfarrer Brüsewitz erwähnte Kampf zwischen Licht und Finsternis als Kampf zwischen Kirche und sozialistischem Staat verstanden werden müßte, wäre ihm zu widersprechen. „Licht“ und „Finsternis“ sind in dieser Weise nicht dingfest zu machen. Wir werden uns die kritische Frage nicht erspa24 H. SCHULTZE, Das Signal von Zeitz, S. 287–289 (Dokument 65: Wort an die Gemeinden der Bundessynode in Züssow vom 24.–28.9.1976), hier: S. 288. 25 EBD. 26 EBD. Zur Formel „Kirche im Sozialismus“ vgl. hier oben Dokument 35, Anm. 2, S. 341.
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ren dürfen, inwieweit es bei uns das Mißverständnis des Evangeliums als Anti-Ideologie gegen den Kommunismus immer noch gibt. Es bleibt dabei, daß wir in der DDR den Staat sehen, in dem wir nach Gottes Willen leben und für den wir uns mitverantwortlich wissen. Auch dann, wenn wir kritisch fragen oder auf Schäden aufmerksam machen, geschieht dies nicht aus heimlicher Gegnerschaft, sondern aus offener Bereitschaft zur Mitverantwortung. Wir haben nicht die Absicht, von unserer eingeschlagenen Grundrichtung abzugehen, freuen uns über alles, was in unserem Staate zum Wohle der Menschen geschieht, und tun das unsere dazu. Wo wir Gefahren sehen, werden wir das offen sagen. Wir sind dankbar für alle Freiheit, in der wir unseren Dienst tun können, und für alle Unterstützung, die wir erfahren, für alle Klärungen, die erreicht werden konnten, und wir geben die Hoffnung nicht auf, daß noch manches befriedigend gelöst werden kann, was wir als belastend und einschränkend erfahren. Ich möchte das, was mir im Anschluß an das Gespräch in Halle27 ein Pfarrer unserer Kirchenprovinz geschrieben hat, an Sie alle weitergeben: „Bitte sorgen Sie weiter mit dafür, daß wir Christen gerade auch in der DDR fröhliche und allein von der Liebe Gottes getriebene Zeugen der Hoffnung bleiben können.“
27 Vgl. 1.4 [Orig. Anm.].
BerichtderKirchenleitung,3.November1977 BerichteundBeschlüsse
37 Bericht der Kirchenleitung auf der 3. Tagung der VIII. Synode Erfurt Johannes-Lang-Haus, 3. November 1977 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 111, Dr. 23/77, S. 1–23, hier: S. 16–23 (hekt.). Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 5/1978, S. 28–56; KJ 103/104, 1976/77, S. 447–449, 467 f. (Auszug).
Schwerpunkte: Beitrag der Kirche in der Gesellschaft; Friedens-, Menschenrechts- und Ausreiseproblematik; Gespräche mit staatlichen Organen1 Gliederung: 1. Dienst in der Gemeinde – Erfahrungen, Belastungen, Ermutigungen. 2. Planungsarbeit in der Kirchenprovinz – Möglichkeiten und Grenzen. 3. Fragen der Aus- und Weiterbildung – Versuchtes, Bewährtes, Ungelöstes. 4. Kirchengemeinschaft und Ökumene – Erwartungen, Begegnungen, Erkundungen. 5. Aufgaben unserer Gesellschaft – Rückfragen und Reflexionen. Anlagen zum Bericht: 1. Abendmahlfeiern für kleine Gruppen. 2. Abendmahl und konfirmierendes Handeln. 3. Stellenplanung. 4. Baufragen. 5. Finanzsituation. 6. Stellungnahme zur Planung des Brüsewitz-Zentrums in Bad Oeynhausen. 7. Brief von Bischof Dr. Krusche an alle Pfarrer und Pastorinnen in der KPS vom 21.7.1977. 8. Predigt von Bischof Dr. Krusche am 21.8.1977. 9. Zwei Stellungnahmen aus Berlin-Brandenburg zum Fall Defort. 10. Brief des Präsidiums der KEK. 11. Brief der KKL vom 10.9.1977 an den Nationalen Christenrat der Kirche Christi in den USA. 12. Zweiter Brief an das Volk Gottes (von Roger Schutz und eine interkontinentale Gruppe Jugendlicher in Kalkutta am 1. Dezember 1976 verfasst und zum ersten Mal am 5.12.1976 in Notre-Dame von Paris vorgelesen).
1 Über diesen Kirchenleitungsbericht ist in der Presse der Bundesrepublik ungewöhnlich ausführlich berichtet worden: Am 1.12.1977 erschien im epd Landesdienst Berlin Nr. 189 ein länger Bericht, der nicht nur im „Berliner Sonntagsblatt“ (11.12.77), sondern auch in der Berliner „Morgenpost“ (2.12.), im „Tagesspiegel“ (2.12.; Schlagzeile: „Scharfe Kritik der evangelischen Kirche an den Praktiken in der DDR/Verstärkte Werbung in den Schulen mit Verpflichtungen für die DDR-Armee/Diskriminierung von Antragstellern für die Übersiedlung in den Westen“), in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (5.12.) übernommen wurde; die „Rheinische Post“ brachte schon am 29.11.77 einen Bericht.
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[. . .] 5. Aufgaben unserer Gesellschaft – Rückfragen und Reflexionen – 5.1. Persönliche Umwelt und Weltprobleme Die gesellschaftlichen Problemfelder, welche die Kirchenleitung im letzten Jahr beschäftigt haben, lassen sich unter der Leitfrage bündeln: Was können wir in unserer Umgebung und in den weitgespannten Zusammenhängen unserer Welt beitragen, daß Menschen menschlich miteinander leben und leben können? Dabei gelingt es uns oft nicht mehr oder nur schwer, das, was uns im Alltag persönlich, gemeindlich, gesellschaftlich naheliegt, mit dem zu verbinden, was global unser Mitdenken und Handeln herausfordert. Es fehlt vielfach an Problembewußtsein und Teilnahmebereitschaft für die fernen Nächsten und die Weltprobleme. Alle Menschen in der Welt sind – ob das bewußt wird oder nicht – miteinander verbunden. Keiner kann mehr unbeteiligt zuschauen, alle sind mitbetroffen und mitverantwortlich. Es ist aber oft unklar, wie sich Probleminformationen aus der Welt in ein konkretes, persönliches Engagement umsetzen lassen. Der Gehorsam am Ort, den Gott von uns will, darf nicht provinziell, engstirnig und engherzig werden. Die weltumspannende Liebe und Hoffnung, zu der uns die Botschaft von der kommenden Gottesherrschaft herausfordert, darf keine Flucht aus der Treue im scheinbar Kleinen und Geringen werden. Das menschliche Zusammenleben der Menschen steht dort wie hier auf dem Spiel. 5.2. Friedenszeugnis der Religionen Welchen Beitrag können die Religionen für das menschliche Miteinanderleben der Menschen leisten? Vor dieser Frage stand die Moskauer Weltkonferenz der Vertreter der Weltreligionen für dauerhaften Frieden, Abrüstung und gerechte Beziehungen unter den Völkern2. Vertreter der Kirchenprovinz haben im Auftrag des Bundes an der Vorbereitung und dann an der Weltkonferenz selbst als Beobachter teilgenommen. Die Ergebnisse liegen jetzt vor. Der interreligiöse Dialog ist für die Sache des Friedens äußerst dringlich. Die Religionen haben bisher die Menschheit getrennt und nicht selten nationale oder politische Konflikte vertieft und verschärft. Der Appell der Moskauer Konferenz an die Gläubigen aller Religionen 2 Weltkongreß „Religiöse Vertreter für dauerhaften Frieden, Abrüstung und gerechte Beziehungen unter den Völkern“ vom 6.–10.61977 in Moskau. Dokumente zur Weltkonferenz, an der eine Abordnung des BEK teilnahm, abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 46/1977; KJ 103/104, 1976/77, S. 474–485. Vgl. auch G. BESIER, SED-Staat und Kirche 2, S. 192–199.
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spricht von der „Demut und Reue“, die darin gründen, „daß Verbrechen im Namen der Religion verübt und Kriege in der Vergangenheit im Namen der Religion geführt wurden“. Es kann ein wichtiger Beitrag für den Frieden sein, wenn die Religionen ihre Konfliktgeschichte aufarbeiten, einen Dialog über die Quellen und Intentionen des Friedensdienstes in den verschiedenen Religionen beginnen und miteinander konkret für Menschlichkeit und Gerechtigkeit in den Konflikten unserer Welt eintreten. Wir Christen, aber auch andere Religionen, haben darüber nachzudenken, wie der Missionsauftrag mit dem Auftrag des Friedensstiftens zusammengeht. Wir haben in unserer Umwelt kaum interreligiöse Kontakte. Angesichts der globalen Aufgaben des interreligiösen Dialogs kann uns aber aufgehen, welcher Stellenwert unseren Kirchengrenzen und konfessionellen Spaltungen wirklich zukommt. Wir können die Einstellungen einüben, die für den interreligiösen Dialog, wie für den Dialog mit ideologisch Gebundenen gleich nötig sind: Hörbereit statt doktrinär, in freimachender Gewißheit statt in abwehrender Ängstlichkeit, mehr anteilgebend als vereinnahmend, dienend nicht dominierend, kooperativ statt abgrenzend einander zu begegnen. 5.3. Abrüstung und Erziehung zum Frieden Im vergangenen Jahr hat die Entwicklung neuer Waffensysteme die Entspannungsbemühungen im Weltmaßstab schwer belastet. Vertreter der Kirchen des Bundes waren an verschiedenen ökumenischen und politischen Kongressen beteiligt, die sich energisch für eine Verstärkung der Abrüstungsbemühungen eingesetzt haben3. Die Kluft zwischen den auf solchen Versammlungen verabschiedeten Appellen zur Abrüstung und der Realität des weitgehenden Wettrüstens ist groß. Sich daran zu gewöhnen, ist unsere Gefahr. Als uns vor einigen Wochen die Nachricht von dem möglichen Bau der Neutronenbombe erreichte, hat vielleicht auch manches Glied unserer Gemeinden eine Protestresolution mit der Bitte um Unterschrift vorgelegt bekommen. Sicherlich waren solche Proteste wichtig. Man kann zur Eskalation der Rüstungsmaßnahmen nicht einfach schweigen. Ist aber die Unterzeichnung eines solchen Protestes schon wirklich Ausdruck eines wachen Abrüstungsbewußtseins? Einer aus unserer Kirche hat z. B. kritisch gefragt:
3 Vgl. u. a. Botschaft der Gemeinsamen Tagung des Präsidiums und des Beratenden Ausschusses der KEK in Iasi, Rumänien April 1977, an die Mitgliedskirchen, Anlage 10. [Orig. Anm.]. Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 111, Anlagen zum Kirchenleitungsbericht 1977, S. 18–21. Abgedruckt in: MBL BEK 3–4/1977, S. 25; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 188–190.
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– Was weiß ich eigentlich von der Neutronenbombe und von der Entwicklung anderer neuer Waffensysteme? – War ich nicht bloß froh, daß da eine Resolution vorgelegt wurde, die ich bedenkenlos unterschreiben konnte? – Habe ich mir eigentlich Gedanken gemacht über die Wirksamkeit eines solchen Protestes? Habe ich mir überlegt, welche wirksamen Schritte einer solchen Unterschrift folgen müßten? Die Konferenz der Kirchenleitungen hat, getrieben von dieser Sorge um die neue Welle der militärischen Rüstung, das Gespräch mit dem Nationalrat der Kirchen Christi in den USA angeregt, weil ihr das Gespräch mit den Kirchen eines der unmittelbar beteiligten Länder am ehesten sachgerecht zu sein schien. Die Synode des Bundes der evangelischen Kirchen hat sich bei der Tagung in Herrnhut das Anliegen des Briefes zu eigen gemacht4. Bei aller Unterstützung der politischen Bemühungen um Abrüstung muß es als die nächstliegende und Hauptaufgabe der Kirchen angesehen werden, einen neuen Impuls zur Bildung eines Abrüstungsbewußtseins zu geben. Macht man sich klar, daß die immer noch geltende Abschreckungsstrategie mit den Mechanismen von Drohung und Angst arbeitet, so ist der Einsatz für „innere Abrüstung“ keine Flucht in die Innerlichkeit, sondern untrennbarer Bestandteil des politischen und strategischen Abrüstungsbemühens. In unserer Gesellschaft wird die These vertreten, daß Wehrdienst in einer sozialistischen Armee und Friedensdienst eine dialektische Einheit sind. Wäre es nicht ein Prüfstein für diese These, wenn man sich etwa den folgenden Fragen deutlich stellte: – Wie verhütet man das Eigengefälle jeder militärischen Rüstung, das dem angestrebten Zweck der Friedenssicherung zuwiderläuft? – Wie hält man das Bewußtsein wach, daß alles Militärische zu dem Zweck, dem es dient, in einem widersprüchlichen Verhältnis steht und nur gebrochen bejaht werden kann? – Wie vermeidet man, daß die psychischen Voraussetzungen des Waffendienstes (Tötungsbereitschaft, Gewöhnung an Gewalt, Feindbilder) das menschliche Miteinander und die Erziehung zum Frieden untergraben?
4 Vgl. Anlage 11 [Orig. Anm.] (= Brief des Vorsitzenden der KKL, Bischof D. Dr. Schönherr, an den Präsidenten des Nationalen Christenrates der Kirche Christi in den USA, Herrn Dr. William Thompsen, vom 10.9.1977. Text: AKPS, Rep. C 1, Nr. 111, Anlagen zum Kirchenleitungsbericht 1977, S. 21–24. Abgedruckt in: MITTEILUNGSBLATT 5–6/1977, S. 58; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 219–222.
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Bedarf es nicht auch in unserer Gesellschaft und in unseren Gemeinden eines neuen Problembewußtseins und Fragens nach dem uns aufgegebenen und möglichen Friedensdienst? Angesichts dieser Aufgaben sehen wir mit Sorge, mit welcher Intensität und vor allem in welcher Weise gegenwärtig unter Schülern für den Soldaten- und Offiziersberuf5 geworben wird. Es wird der Eindruck erweckt, als sei dies für unsere Gesellschaft der wichtigste Beruf. Mit dem massiven Angebot von Vergünstigungen und zugleich mit der Warnung, daß anders berufliches Fortkommen nicht möglich sei, werden verbindliche Erklärungen von Minderjährigen gefordert. Jugendliche sehen sich damit einem Druck ausgesetzt, der sie in schwere Konflikte bringt. Bedarf es für den Notfall der militärischen Verteidigung unseres Landes wirklich einer derartigen Werbung? Für die Wehrpflichtigen besteht dankenswerter Weise die Möglichkeit, sich zu einem waffenlosen Dienst als Bausoldaten zu melden. Wäre es nicht an der Zeit, auch in der vormilitärischen Ausbildung der Schüler und Lehrlinge auf die Belastung von Gewissen bei dem Umgang mit Waffen Rücksicht zu nehmen? – Einer unserer Diakone, Gerhard Schulz, ist den Weg der radikalen Verweigerung auch des Bausoldatendienstes gegangen und verbüßt seine Strafe noch in der Haftanstalt Gotha. Das ist uns Anlaß, erneut über die Funktion der Wehrdienstverweigerung nachzudenken. Wehrdienstverweigerung kann ein Zeichen dafür sein, daß der Friede errungen und erhalten werden kann. Die Unruhe über dieser Frage darf nicht verstummen. 5.4. Wahrung von Menschenrechten Seit Jahren findet ein weltweites Gespräch über die Begründung, die Geltung und Wahrung von Menschenrechten statt6. 5 Die Werbung für den Dienst in der NVA auf Zeit (d. h. für 3 Jahre) und für die Ausbildung zum NVA-Offizier spielte in den DDR-Schulen bis 1989 eine große Rolle. Wer sich zur Offiziersausbildung verpflichtete („BOB“ = Bewerber zum Offiziersberuf), konnte mit besonderen Chancen für die Berufsausbildung oder für ein Fachstudium sowie mit finanziellen Vergünstigungen rechnen. Vgl. dazu: HOCHSCHULBERUFE. Darin wird u. a. geworben für folgende Fachrichtungsgruppen: Berufsoffizier der NVA und der Grenztruppen der DDR, Offizier der Deutschen Volkspolizei, der Volkspolizei-Bereitschaften und Kompanien der Transportpolizei. 6 Eine Vielzahl kirchlicher Stellungnahmen liegt vor. Vgl. u. a.: Bericht der KL vom 15.11.1974, S. 29 f.; V. Vollversammlung des ÖRK, Nairobi 1975, Bericht Sektion V, abgedruckt in: ZDZ 30, 1976, S. 135–144; VI. Vollversammlung des LWB, Daressalam Juni 1977, abgedruckt in: ABL. DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS 1977; Bericht der Konsultation in Montreux I, Juli 1976, an den Zentralausschuß des ÖRK, abgedruckt in: ABL. KPS 1977, S. 4 f., 9–12; Gesprächsbeitrag von Günter Krusche bei dem Gedankenaustausch [auf Einladung des Staatssekretärs für Kirchenfragen und der NF aus Anlass des 60. Jahrestages der Oktoberrevolution] am 5.7.1977 in Potsdam (Schnellinformation) [abgedruckt in: KJ 103/104, 1976/77, 490–492; vgl. unten Anm. 15; J.
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Es scheinen sehr unterschiedliche Motivationen zu sein, die hier eine Rolle spielen. Gegenwärtig besteht die Gefahr, daß die Berufung auf die Menschenrechte zum Instrument politisch-ideologischer Polemik wird. In dieser Situation muß es das Anliegen der Kirchen sein, um des Menschseins in unserer Gesellschaft willen das Gespräch sachlich, ohne Verdächtigungen und Tabus weiterzuführen. „Die christliche Gemeinde wird sich kaum daran machen, einen eigenen Kodex der Menschenrechte zu entwerfen. Aber sie wird, in der Tradition der Propheten des alten Bundes, jeweils auf die Menschenrechte hinweisen, die zur Zeit am meisten gefährdet sind. Sie würde sich einem einseitigen Verständnis der Menschenrechte widersetzen. Eine einseitige Betonung der Rechte des einzelnen stellt das Wohl der Gesellschaft im ganzen in Frage. Eine einseitige Betonung der Rechte der Allgemeinheit hindert den einzelnen, elementare Lebensrechte wahrzunehmen.“7
Durch die Unterzeichnung der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki 1975)8 sind mehr Hoffnungen aufgebrochen, als die in der unmittelbaren Regierungsverantwortung Stehenden zu realisieren vermochten. Wir sind uns darüber im klaren, daß das Sicherheits- und Wirtschaftsinteresse unseres Staates Bedingungen setzt, die Einschränkungen in manchen Rechten nötig machen. Wir sind aber enttäuscht darüber, daß nicht mehr von dem in die Praxis umgesetzt wurde, was in Helsinki in Aussicht gestellt wurde. In einer Botschaft des Präsidiums der Konferenz Europäischer Kirchen heißt es: „Nach unserem Dafürhalten müssen Methoden gefunden werden, Defizite an der Verwirklichung der Menschenrechte unter Ausschluß propagandistischer Effekte zur Sprache zu bringen und auf deren Beseitigung hinzuarbeiten. Die Mitgliedskirchen der KEK wissen sich verpflichtet, in angemessener Weise ihre jeweiligen Regierungen auf Defizite in der Erfüllung sozialer oder individueller Rechte aufmerksam zu machen. Wir wollen unsere Gemeindeglieder dazu anhalten, nichts Unmögliches zu erwarten, aber auch nicht zu schweigen, wo Mögliches aus unverständlichen Gründen nicht verwirklicht wird.“9
Angesichts von Entwicklungen in anderen Staaten sind wir dankbar dafür, daß es in unserem Land keine Arbeitslosigkeit gibt und daß sehr viel getan wird, um sozial Schwachen, Alten und SchutzbedürfGARSTECKI, Theologische Gesichtspunkte. Abgedruckt in: KJ 103/104, 1976/77, 443–447. [Orig. Anm.]. 7 Aus: Bericht der KKL vor der Bundessynode in Görlitz Mai 1977, Zi. 3.1.3. In: MBL BEK 3–4/1977, S. 18 ff., hier: S. 22 [Orig. Anm.]. Außerdem abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 24/1977, S. 4; KUNDGEBUNGEN BEK 1, 190–206, hier: S. 201. 8 Vgl. oben Dokument 34a, Anm. 10, S. 335. 9 Vgl. Anlage 10 [Orig. Anm.]. Vgl. oben Anm. 3, hier: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 189.
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tigen zu helfen. Daß aber in der Bevölkerung immer wieder nach Menschenrechten gefragt wird, zeigt an, daß der freie Raum für ein offenes, kritisches Gespräch in unserer Gesellschaft zu knapp bemessen ist. Einige von denen, die sich mit kritischen Anfragen zu Wort gemeldet hatten, haben jetzt ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik. Das wirkt sich auf das Lebensgefühl der Menschen hier aus. Unsere Gesellschaft sollte sich stark genug wissen, ein solches Gespräch, in dem Probleme offen diskutiert werden, im eigenen Land zu führen. Die Kirchenleitung ist mehrfach von Gemeindegliedern, die in die Bundesrepublik übersiedeln wollen, um Beistand gebeten worden. Wir stehen hier vor einer grundsätzlichen Frage, die viele in unseren Gemeinden beschäftigt. Die Kirchenleitung war genötigt, dazu Stellung zu nehmen, obwohl sie nicht Vermittlungsinstanz in derartigen Fragen sein kann. Sie hat sich nicht generell für die Genehmigung von Übersiedlungsanträgen einsetzen können. Die Kirchenleitung kann nicht davon absehen, daß sie sich selbst bei Freigabeanträgen kirchlicher Mitarbeiter10 von der Einsicht hat leiten lassen, von Gott her die DDR als den Ort anzusehen, an dem wir das Evangelium bezeugen sollen. In einzelnen Fällen hat aber die Kirchenleitung gegenüber staatlichen Organen ausdrücklich die Bitte geäußert, Härten zu vermeiden. Wo etwa zwei Menschen ernsthaft um die Ermöglichung von Heirat und Familiengründung bitten, geht es um ein elementares Menschenrecht11. Gerade weil die Sorge für den Menschen erklärter Grundsatz unseres Staates ist, muß in jedem Einzelfall mit Einfühlungsvermögen und Verständnisbereitschaft entschieden werden. In den letzten Monaten ist von offizieller Seite vielfach das Stellen von Übersiedlungsanträgen als „rechtswidrig“ bezeichnet worden. Damit ist eine Sprachregelung geschaffen worden, die das Gefühl von Rechtsunsicherheit und Bedrohung verbreitet. Menschen, die solche Anträge gestellt haben, sind in ihren Betrieben isoliert und disqualifiziert worden; manche Arbeitsverträge wurden aufgehoben. Wer die Ablehnung seines Antrages nicht hinnimmt, sondern internationale Gremien über seine Situation informiert, hat offensichtlich mit strafrechtlichen Folgen zu rechnen. Die Auskünfte, die uns lei10 Zur Problem der Übersiedlung vor allem von kirchlichen Mitarbeitern vgl. R. SCHULZE/E. SCHMIDT/G. ZACHHUBER, Gehen oder bleiben, S. 61–71, 92 ff. (Situation nach 1973). 11 Vgl. Schlußakte von Helsinki. In: ENTSPANNUNG UND DAUERHAFTER FRIEDEN IN EUROPA, S. 171 [Orig. Anm.]. (Vgl. oben Dokument 30b, Anm. 5, S. 287).
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tende Vertreter der staatlichen Organe gegeben haben, divergieren, weil eben nicht der Übersiedlungsantrag selbst „rechtswidrig“ ist, auch die Berufung auf Normen des Völkerrechts nicht ungerechtfertigt ist, sondern höchstens weitere Schritte der Antragsteller Konflikte mit sich bringen. Durch solche Unklarheit und rigorose Praxis werden aber Verbitterungen geschaffen, die unheilbar werden. Wir fragen daher die Verantwortlichen in unserem Staat, – ob nicht insgesamt großzügiger entschieden werden könnte? – ob Übersiedlungsanträge nicht in jedem Fall bearbeitet und im Ablehnungsfall offen und konkret beantwortet werden müssen? – ob nicht Betriebe Anweisungen erhalten könnten, mit solchen Betriebsangehörigen, deren Antrag abgelehnt worden ist, doppelt rücksichtsvoll und kameradschaftlich umzugehen, damit ihnen die Reintegration leichter wird? Darüber hinaus möchten wir darum bitten, – die Gründe ernster zu nehmen, die Menschen zur Stellung eines Übersiedlungsantrages veranlassen, – die Informationsmöglichkeiten durch Literatur anderer Länder, entsprechend der Absichtserklärung von Helsinki, zu verbessern, – die Möglichkeiten für Reisen in nichtsozialistische Länder zu erweitern, – die Gewährung von Glaubens- und Gewissensfreiheit auch in unseren Bildungseinrichtungen deutlicher zu machen, damit es Menschen leichter wird, mit ihren Kindern gern in der DDR zu leben. Gemeindeglieder, die mit dem Gedanken einer Übersiedlung in die Bundesrepublik umgehen, möchten wir fragen, – ob dieser Wunsch wirklich begründet und vor Gott erwogen ist? – ob dieser Wunsch gegenüber den anderen, die in der DDR bleiben, wirklich verantwortet werden kann? – ob bedacht wurde, daß wir gerade sensible Menschen, die noch Probleme und Spannungen erleben und erleiden können, hier brauchen? – ob nicht von der Übersiedlung eine Lösung von Problemen erhofft wird, die man ungewollt auch in die neue Umgebung mitnimmt? – ob das Bild, das man sich vom Leben im Westen macht, der Ernüchterung in der Alltagserfahrung wohl standhalten wird? – ob es denn so ausgeschlossen ist, daß Gottes Auftrag und Verheißung erneut Kraft und Zuversicht für ein Bleiben in der DDR schenkt? Wir fordern die Gemeinden auf, diese Fragen nicht zu verdrängen, sondern sie offen zu besprechen, damit jene, die die Übersiedlung erwägen oder beantragen, seelsorgerliche Hilfe und Klärung erfahren.
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5.5. Gespräche mit Vertretern unseres Staates Auf allen Ebenen werden von unserer Kirche Sachgespräche mit Vertretern unseres Staates geführt. Hier ist uns viel Verständnisbereitschaft und Entgegenkommen gezeigt worden. Haben sich irgendwo konkrete Probleme gezeigt, so wird zumindest versucht, Schwierigkeiten zu beheben. Für eine seit Jahren überfällige Kirchturmreparatur ist endlich die nötige Beschaffung der Baukapazität zugesichert worden; als in einem Schulhort Schwierigkeiten bei der Entlassung zum Christenlehreunterricht auftraten, schaltete sich der Rat des Bezirkes ein; auf die persönliche Bitte unseres Bischofs hin wurde – nach anfänglicher Ablehnung – einem invalidisierten Mitarbeiter die Übersiedlung in die BRD mit seiner Familie doch gestattet. In Halle wurde nach langem Bemühen für den abgerissenen großen Kindergarten der Georgengemeinde12 ein schöner Ersatzbau zur Verfügung gestellt. Wir freuen uns auch, daß schon jetzt die Zusage vorliegt, daß die Abschlußveranstaltung des Erfurter Kirchentages 1978 auf dem Domplatz stattfinden kann. Für diese Bemühungen und Entscheidungen sind wir dankbar. Als Gelegenheiten zu wichtigen Sachaussprachen betrachten wir auch die Gespräche, die Staatssekretär Seigewasser mit Vertretern von Fachministerien (Wirtschafts- und Abrüstungsfragen) vermittelt hat13. Wir hoffen, daß auch ein derartiges Gespräch mit Vertretern des Volksbildungsministeriums zustande kommen wird. Unter ähnlichem Aspekt hat die Kirchenleitung den Gedankenaustausch anläßlich des 60. Jahrestages der Oktoberrevolution über die gemeinsame Verantwortung für Frieden, Sicherheit und sozialen Fortschritt (Potsdam, 5. Juli 1977) gesehen, zu dem der Staatssekretär für Kirchenfragen und der Nationalrat der Nationalen Front eingeladen hatten. Es war uns wichtig, daß dabei durch die Gesprächsbeiträge von Oberkirchenrätin Lewek, Dozent Günter Krusche und Pfarrer Martin Kramer ein eigenständiges Wort der Gliedkirchen des Bundes zur Geltung kommen konnte14. Daß die Revolution von 1917 die nachfolgende Geschichte Europas, ja der 12 Vgl. Gespräch auf Ersuchen des RdB Halle am 14.7.1977 in Magdeburg – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Herr Pöhner, Leiter des Sektors Kirchenfragen, Herr Biertümpel; auf kirchlicher Seite: Bischof Dr. Krusche, OberkonsR Dr. Schultze. In diesem Gespräch ging es u. a. um den abgerissenen Kindergarten der Georgengemeinde Halle, für den als Ersatzbau ein massiver Flachbau mit Wiesengrundstück (Ratswerder 2) angeboten wurde. AKPS, Rep. B 3, Nr. 365. Darin: Vermerk über ein Gespräch mit Vertretern des Rates des Bezirkes Halle im Dienstzimmer des Bischofs in Magdeburg am 14.7.1977, S. 1–5, hier: S. 3. 13 Ein Gespräch mit dem Volksbildungsministerium ist nie zustande gekommen. 14 Vgl. oben Anm. 7.
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Welt entscheidend geprägt hat, unterliegt keinem Zweifel. Es konnte aber nicht Sache unserer Kirchen sein, ein Ereignis mitzufeiern, dessen Konsequenzen erst nach 1945 für uns wirksam geworden sind. Uns geht es darum zu bedenken, wie Christen in der sozialistischen Gesellschaft mitarbeiten, Verantwortung mit übernehmen und eigene Impulse einbringen können15. 5.6. Anfragen an unseren Lebensstil_16 Zusammen mit einer internationalen Gruppe von Jugendlichen hat Roger Schutz, der Prior der Communauté von Taizé, einen „zweiten Brief an das Volk Gottes“ geschrieben, der sich ausdrücklich auch an die Verantwortlichen der Kirche richtet. Sie fordern das Volk Gottes und jeden einzelnen auf, ihr Leben zu einem Gleichnis des Miteinanderteilens zu machen. „Um einen Beitrag für diese Zukunft (aller Menschen) zu leisten, hat das Volk Gottes eine Möglichkeit, die nur ihm offensteht: über die ganze Erde verstreut, kann es in der Menschheitsfamilie ein Gleichnis des Miteinanderteilens setzen. Dieses Gleichnis wird genügend Kraft enthalten, sich so auszubreiten, daß es Strukturen, seien sie noch so festgefahren, erschüttern und Gemeinschaft in der Menschheitsfamilie schaffen kann. Um das Volk Gottes in diese Radikalität des Evangeliums mit hineinzunehmen, zögere nicht, wenn du, jung oder alt, diesen Brief liest, aus deinem eigenen Leben durch konkretes Handeln ein Gleichnis des Miteinanderteilens zu machen, was auch immer es doch kosten mag.“17
Oft wird unter uns gefragt, was wir angesichts der lawinenartig anwachsenden Überlebensprobleme der Menschheit denn schon tun können. Resignation und innere Abwehr gegen unlösbar scheinende Probleme machen sich breit. Im Gleichnis des Miteinanderteilens aber ist ein Tun beschrieben, mit dem der einzelne und kleine Gruppen beginnen können; win Run [sic! muss lauten: ein Tun], das als Gleichnis sinnvoll ist und ausstrahlen kann, auch wenn der kurzfristig meßbare Effekt kaum ins Gewicht fällt; ein Tun, das der Lebensverheißung Jesu Christi für unsere bedrohte Welt leibhaften Ausdruck gibt und im Kleinen anzeigt, was in der Wirtschafts- und Außenpolitik der Staaten dringlich geboten ist. Die Kirchenleitung sieht in diesem Zweiten Brief an das Volk Gottes einen Ruf in die Nachfolge, dem wir uns nicht entziehen sollten. Was können wir tun, auf diesem Wege? Der ÖRK bereitet für 1979 15 Heino Falcke gab in der Aussprache zum Bericht der KL ein Votum ab: Erwägungen zum 60. Jahrestag der Oktoberrevolution. Jetzt in: H. FALCKE, Mit Gott Schritt halten, S. 57–60. 16 Vgl. unten Bericht der KL auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.–28.10.1984, Punkt 1.4.2. (Lebensstil). 17 Anlage 12 [Orig. Anm.]. Vgl. H. BEUVE-MERY [u. a.], Taizé.
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eine Weltkonferenz18 über den Beitrag des Glaubens, der Wissenschaft und der Technik für eine gerechte, partizipatorische und überlebensfähige Weltgesellschaft vor. Eine Vorkonferenz der Kirchen in den sozialistischen Ländern soll 1978 in der DDR19 stattfinden. Durch Mitarbeit und Unterstützung eines solchen Vorhabens könnte sich zeigen, daß die global wirksamen Veränderungen und der persönliche Lebenseinsatz ineinandergreifen müssen. Die Christenheit weiß aus ihrer Geschichte um die Kraft des Geistes, der durch kleine Gruppen Großes wirken kann.
18 Die Weltkonferenz „Glaube, Wissenschaft und Zukunft“ fand vom 12.–24. Juli 1979 in den USA (Cambridge/Mass.) statt. Vgl. dazu den Bericht von H. Falcke in: ZDZ 1980, S. 121 ff. Vorträge dieser Konferenz EBD. 19 Über die Vorkonferenz im August 1978 in Erfurt vgl. Bericht von G. Scholz in: ZDZ 1979, S. 278 f.
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38 Bericht der Kirchenleitung auf der 4. Tagung der VIII. Synode Halle Diakonissenhaus, 16. November 1978 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 112, Dr. 12/78, S. 1–21 [Teil A], hier: S. 12–21 (hekt.), und S. 1–9 [Teil B] (hekt.). Auszug aus dem KL-Bericht: Kap. 3.2. gedruckt im ABL. KPS 1979, S. 9–11: Erziehung zum Frieden. Vollständig abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 53/1978, S. 3–27.
Schwerpunkte: Beziehungen der Kirche zu Staat und Gesellschaft nach dem Gespräch am 6. März 1978; Einführung des Unterrichtsfaches „Sozialistische Wehrerziehung“ im September 1978; 40. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ Gliederung: [Teil A]: 0. Vorbemerkungen. 1. Aus dem Leben unserer Gemeinden und unserer ökumenischen Partner. 2. Aus dem Alltag der Kirchenleitung. 3. Beziehungen zu Staat und Gesellschaft. [Teil B]: 4. Die Ehe als Gegenstand kirchlicher Disziplinarpraxis und als Aufgabe kirchlicher Eheberatung.
[. . .] 3. 3.1.
Beziehungen zu Staat und Gesellschaft Die Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im Jahre 19691 hat einen Prozeß wechselseitiger Besinnung der Kirchen, aber auch der Vertreter des Staates über die Funktion der Kirchen in der DDR in Gang gesetzt. In einer Zwischenbilanz hatte das die Konferenz der Kirchenleitungen zur letzten Tagung der 1. Synode des Bundes 1973 in Schwerin formuliert: „Die Zuversicht zu dem befreienden Tun Gottes erlaubt und gebietet uns, unser Leben in der sozialistischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik zusammen mit unseren Mitmenschen als unsere Situation anzunehmen. Jesus Christus geht uns auch in die für uns neue gesellschaftliche Situation voran und erschließt sie uns als Auftragsfeld und Dienstchance. Wir sind Bürger eines sozialistischen Staates und Glieder einer sozialistischen Gesellschaft. Hier haben wir als Christen zu leben und zu handeln – in der Liebe, die offene Augen hat für alle Not, wo sie auch heute zutage tritt, die für alles Bessere und Gerechtere eintritt, woher
1 Zur Gründung des BEK vgl. oben Dokument 29a, Anm. 5, S. 297.
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es auch kommt und in der Hoffnung, die sich in dieser Liebe durch nichts irre machen läßt.“2
3.1.1.
In einer Reihe von Gesprächen, in öffentlichen Erklärungen, in der Diskussion um den Programmentwurf der Sozialistischen Einheitspartei und in der Rede von Erich Honecker bei der Übernahme des Amtes des Staatsratsvorsitzenden3 ist zum Ausdruck gebracht worden, daß die für unseren Staat Verantwortlichen bemüht sind, ein gutes Verhältnis zu den Kirchen in der DDR zu begründen und den christlichen Bürgern in der DDR das Gefühl der Anerkennung und Geborgenheit zu vermitteln. Das Gespräch, das am 6. März 1978 zwischen dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR Erich Honecker und dem Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR stattfand4, hat in dem so begonnenen Prozeß einen besonderen Akzent gesetzt. Das erscheint dem, der die Entwicklung der letzten Jahre aufmerksam beobachtet hat, nicht als der Beginn einer neuen Epoche. Vielmehr wurden Tendenzen unterstrichen, Zusagen erhärtet, Perspektiven eröffnet, die bereits in der vorangegangenen Zeit sich angezeigt hatten. Trotzdem ist in den Gemeinden vielfach zurückhaltend, oft auch sehr kritisch gefragt worden: Warum hat ein solches Gespräch gerade jetzt stattgefunden? Wird sich „vor Ort“ wirklich etwas ändern? Werden hier nicht Bischöfe und Kirchenleitungen durch die Staatsführung vereinnahmt? Wird nicht eines Tages eine Rechnung präsentiert werden, die für die evangelischen Kirchen teuer zu stehen kommt? Oder verrät dieses Gespräch eine heimliche Unsicherheit auf beiden Seiten? Solche Rückfragen zeigen vor allem, wie tief Belastungen und Enttäuschungen nachwir-
2 MBL BEK 3–4/1973, S. 38 [Orig. Anm.]. 3 Zum VIII. Parteitag der SED und zur Amtsübernahme Honeckers vgl. oben Dokument 29a, Anm. 2, S. 277. 4 Dokumente zum Gespräch vom 6.3.1978: Ausführungen von Bischof D. Dr. Schönherr beim Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR und dem Vorstand der KKL vom 6.3.1978 abgedruckt in: MBL BEK 3–4/1978, S. 27; EPD-DOKUMENTATION 15/1978, S. 8; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 233–237. Stellungnahme der KKL zum Gespräch am 6.3.1978 vom 12.3.1978 abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 240 ff. Beschluß des PB vom 14.3. über das Gespräch Erich Honeckers mit dem Vorstand der KKL am 6.3.1978 abgedruckt in: F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 2, S. 328–338 (Dokument 62 mit Anlage 1: Festlegungen zu den vom BEK gestellten Sachfragen). Rede Paul Verners am 22.3. zur Bedeutung des Treffens vom 6.3.1978 vor den Stellvertretern der Vorsitzenden für Inneres der Räte der Bezirke und den für die Kirchenpolitik Verantwortlichen aus den Bezirksleitungen der SED in: EBD., S. 341–355 (Dokument 63). Vgl. auch die Ausführungen und Dokumente in: KJ 105, 1978, S. 347–355, und die Beurteilung des „Spitzengesprächs“ vom 6.3.1978 in west-östlicher Perspektive in: G. BESIER, SED-Staat und Kirche 2, S. 243–252.
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ken. Offensichtlich war es nötig, so starke öffentlichkeitswirksame Aussagen zu machen, damit tatsächlich eine Änderung in das Verhältnis zwischen Verantwortlichen des Staatsapparates und Betrieben einerseits und den Gliedern unserer Kirchengemeinden andererseits eintreten kann. Weil die Kirchenleitungen die Hoffnungen haben, daß durch das Gespräch vom 6. März eine derartige Entwicklung erleichtert werden könne, haben sie das Gespräch mit Dankbarkeit aufgenommen. 3.1.1.1. Das Gespräch vom 6. März 1978 hat Bedeutung gewonnen vor allem durch die Art und Weise, in dem es geführt wurde und durch die Grundsatzaussagen, die von dem Vorsitzenden des Staatsrates Erich Honecker wie von den Mitgliedern des Vorstandes der Konferenz der Kirchenleitungen gemacht worden sind. – In dem Gespräch wurde der Verfassungsgrundsatz der Rechtsgleichheit aller Bürger ausdrücklich bestätigt. Als Grundsatz ist dies nicht in Frage gestellt gewesen; in der Praxis waren aber vielerorts Probleme aufgetaucht. – In einem Bericht des Bundes über dieses Gespräch heißt es, daß der Staatsratsvorsitzende geäußert habe, „daß bei der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft die Chancen für alle offen gehalten werden, daß also Chancengleichheit herrscht und alle Menschen die Freiheit der Mitwirkung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens haben, wozu zweifellos auch der Beruf gehört.“ Christen hatten oft den Eindruck, sie könnten trotz ihres Glaubens in der Gesellschaft mitarbeiten. Zusicherung der Chancengleichheit bedeutet aber, daß sie als Christen in der Gesellschaft gleich geachtet sind. – In dem Gespräch wurde die „Erfahrung des Christen vor Ort“ als Kriterium dafür genannt, wie gut die Beziehungen zwischen Staat und Kirche seien. Die Einführung dieses „Basisprinzips“ in die öffentlichen Aussagen über das Verhältnis von Staat und Kirche ist für die Zukunft äußerst wichtig. – Der 6. März brachte eine freimütige Aussprache über Sorgen, die das Leben der Christen und der Gesellschaft betreffen. „Die Vertreter der Kirchen konnten Fragen des gesellschaftlichen Lebens, der Bildungs- und Kaderpolitik, Erfahrungen von Bürgern mit Staatsorganen offen zur Sprache bringen“, heißt es in der Stellungnahme der Konferenz der Kirchenleitungen. Gegenstand eines solchen Gespräches können eben nicht nur innerkirchliche Belange sein, sondern immer auch Nöte, die Menschen in unserem Lande bedrücken.
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3.1.1.2. In der Vorbereitung des Gespräches waren eine ganze Reihe von Einzelfragen genannt worden, die für die Perspektiven kirchlicher Arbeit in den genannten Bereichen von großer Relevanz sind. Die Entscheidungen, die in diesem Gespräch getroffen oder vorbereitet worden sind, sind mit Dankbarkeit aufgenommen worden. Die Konferenz der Kirchenleitungen hat vor der Bundessynode im September dieses Jahres in einem Sachstandsbericht mitgeteilt, wie weit diese Entscheidungen bis dahin realisiert werden konnten5. Die Bundessynode hat in ihrer Stellungnahme zu diesem Sachstandsbericht bestimmte Schwerpunkte herausgegriffen und sich zu deren weiterer Behandlung geäußert. Die Kirchenleitung teilt die Einschätzung der Bundessynode und gibt sie deshalb an dieser Stelle wieder: – Gemeinden und Mitarbeiter werden gebeten, die Möglichkeiten zur Seelsorge in staatlichen Feierabend- und Pflegeheimen intensiv wahrzunehmen.
5 Dieser Bericht lautet: Rundfunk und Fernsehen – beantragte Sendungen wurden ermöglicht. Kirchliche Bauvorhaben – Bewilligung weiterer Neubauten wurde zugesagt. Lutherjubiläum 1983 – Positive Regelung der Grenzverhältnisse im Augustinerkloster Erfurt wurde angekündigt, angemessene Mitwirkung bei der Arbeit der Lutherhalle Wittenberg sowie Restaurierung von Luthergedenkstätten und Schaffung von Räumlichkeiten für das Jubiläum in Wittenberg sind noch zu klären. Seelsorge im Strafvollzug – zufriedenstellende Gesamtregelung mit dem MdI steht unmittelbar vor dem Abschluß. Kirchliche Kindergärten – Hauptgeschäftsstelle IMHW und Sekretariat des Bundes haben Orientierung zur Evangelischen Kindergartenarbeit herausgegeben, die alle Verantwortlichen der Evangelischen Kindergartenarbeit ermutigt, örtlich die Perspektivaussage des Staatsratsvorsitzenden zur Kirchlichen Kindergartenarbeit in Anspruch zu nehmen. Seelsorge in staatlichen Feierabend- und Pflegeheimen – durch Mitteilung des Ministers für Gesundheitswesen sind die Räte der Kreise angehalten, die Besuche von Pfarrern auf Wunsch von Heimbewohnern auch außerhalb der Besuchszeiten zu ermöglichen und bei Bedarf Räume für religiöse Handlungen bereitzustellen. Kirchliche Friedhöfe – finanzielle Stützungen durch die politischen Gemeinden sind grundsätzlich möglich und können bei besonderen Belastungen abgerufen werden. Kircheneigene Landwirtschaftsbetriebe – Gleichbehandlung mit sozialistischen Betrieben inzwischen weithin realisiert. Kircheneigene sogenannte freie Flächen-Nutzungsgebühr nach der Pachtrichtsatztabelle wird mit Wirkung vom 1.1.1978 gezahlt. Altersversorgung für auf Lebenszeit angestellte kirchliche Mitarbeiter – Möglichkeit eines Anschlusses bei der staatlichen Versicherung unter Beibehaltung des Rechtsstatus und des Versorgungsanspruches gegenüber der Kirche wird gegenwärtig innerkirchlich sorgfältig geprüft. Einfuhr ökumenischer Literatur – Möglichkeiten einer Erweiterung zu Gunsten der Ausbildungsstätten und der Landeskirchen werden erprobt. [Orig. Anm.].
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– Die in Aussicht gestellte Regelung der Seelsorge in den Strafvollzugseinrichtungen der DDR sollte möglichst bald verwirklicht werden und Möglichkeiten zum seelsorgerlichen Einzelgespräch einschließen. – Eine Verbesserung der Voraussetzungen für die Seelsorge in Krankenhäusern wird für notwendig gehalten; entsprechende Verhandlungen sollten aufgenommen werden. – Es wird die Erwartung geäußert, daß mehr christliche Literatur für Kinder und Jugendliche6 herausgegeben werden kann. Es wird für dringend erforderlich gehalten, daß bei der Genehmigung der von den Evangelischen Verlagen eingereichten Manuskripte Kriterien angewendet werden, die die Eigenständigkeit christlicher Veröffentlichungen respektieren. – Es wird für nötig gehalten, daß der neuberufene „Beirat für kirchliche Rundfunk- und Fernseharbeit“ in Zusammenarbeit mit der Konferenz der Kirchenleitungen eine klare Zielstellung im Blick auf die langfristige Themenplanung und für die einzelnen Sendungen erarbeitet. Um den Empfang der Sendungen allen Interessenten zu ermöglichen, sollten Verhandlungen über eine Ausstrahlung im ersten Programm des Fernsehens der DDR7 aufgenommen werden. Die Gemeinden werden ermuntert, durch ihre Stellungnahmen auf die weitere Gestaltung der Sendungen einzuwirken.
6 Eine eigenständige Publizistik von christlicher Kinder- und Jugendliteratur hat es so nicht gegeben. Nur vereinzelt gab es Ansätze. In der thüringischen Kirchenzeitung „Glaube und Heimat“ erschien traditionell zum Schuljahresbeginn eine Beilage für Kinder (zwei Seiten als Mittelblatt). Ab Nr. 34/1987 wurde dies erweitert zu einem Sonderbeilage (in einer Doppelnummer) für Kinder. Aus dieser ging im März 1990 die evangelische Kinderzeitschrift „Benjamin“ hervor, die allerdings im Dez. 2001 ihr Erscheinen einstellen mußte. 7 Zugesagt wurden kirchliche Sendungen, allerdings im II. Programm des DDR-Fernsehens. Punkt 2 der Festlegungen des PB zu den vom BEK gestellten Sachfragen lautet: „2. Kirchliche Sendungen im Rundfunk und Fernsehen. Der Wunsch der evangelischen Kirche, zu besonderen kirchlichen Feiertagen (Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Reformationsfest) eine religiöse Sendung im Fernsehen der DDR auszustrahlen, wird entsprochen. Die Sendung erfolgt im II. Programm. Dem Anliegen der evangelischen Kirche, monatlich eine Informationssendung von ca. 15 Minuten über das Leben in den evangelischen Kirchen der DDR auszustrahlen, wird ebenfalls entsprochen. Diese zusätzlichen Sendungen werden mit dem Staatlichen Rundfunkkomitee bzw. mit dem Staatlichen Komitee des Fernsehens der DDR entsprechend den bisher bestehenden Regelungen vertraglich festgelegt.“ Zitiert in: F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 2, S. 336.
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3.1.1.3. „Welche Bedeutung das Gespräch gewinnt, muß sich im täglichen Miteinander in der Praxis jedes einzelnen Gemeindegliedes erweisen . . . Als Christen sollten wir . . . selbst das Unsere dazu tun, daß die Aussagen des Gesprächs alltägliche Wirklichkeit werden“, heißt es in der Stellungnahme der Konferenz der Kirchenleitungen. Heute, mehr als ein halbes Jahr nach jenem Gespräch, sind die Erfahrungen unterschiedlich. Aus der Kirchenprovinz wurde uns berichtet, daß in etlichen Betrieben eine Änderung des Klimas festzustellen war. Viele spürten ein Stück Freundlichkeit, die sie nicht mehr so gewohnt waren. Auch an Einzelentscheidungen wurde das sichtbar: Zulassungen zu höheren Bildungseinrichtungen wurden hier und dort nachträglich noch ausgesprochen; Baukapazitäten wurden an manchen Stellen bewilligt, wo sie lange vergeblich beantragt worden waren. Freilich gibt es auch andere Erfahrungen, namentlich aus dem Schulbereich, in dem sich nicht viel geändert zu haben scheint. Hier und da werden christlichen Schülern, trotz sehr guter Leistungen, Auszeichnungen vorenthalten; kirchliche Mitarbeiter sind offensichtlich weithin in Elternaktiven nicht gern gesehen; nach wie vor raten einzelne Lehrer guten Schülern, auf die Beteiligung am Konfirmandenunterricht zu verzichten, wenn sie Chancen für die Erweiterte Oberschule haben wollen. Dies alles widerspricht zwar klaren Direktiven staatlicher Stellen – es macht uns aber besorgt, daß es trotzdem geschieht. Oder: Eine Bezirkszeitung der SED8 weigert sich, Familienanzeigen mit christlichem Text abzudrucken. Bewußte Christen haben dann keine Möglichkeit, ihrem Bekanntenkreis den Tod eines nahen An8 Die Freiheit in Quedlinburg, Organ der SED, verweigerte 1977/78, Anzeigen mit christlichem Text und christlicher Symbolik mit der Begründung abzudrucken, die Freiheit sei Zeitung der SED – dafür stünden die Zeitungen der CDU und der LDP zur Verfügung. In Quedlinburg hatte allerdings die Freiheit die Monopolstellung einer Kreiszeitung inne. In dieser Sache kam es am 16.11.1977 zu einem Gespräch beim RdB Halle. Es gab weitere Fälle einer Verweigerung, so in der Leipziger Volkszeitung (1978), in der Freiheit (Ausgabe Halle, 1978), in der Volksstimme (Ausgabe Halberstadt und Stendal, 1979). Offenbar war diese Sache lange Verhandlungsstoff – zwei Jahre später beschäftigte sich die KKL in ihrer Sitzung am 9./10.11.1979 mit dieser Frage und sah sich genötigt, zu beschließen: „Gliedkirchen werden gebeten, das Ausmaß der Verweigerungen christlicher Anzeigen in regionalen Zeitungen einzuschätzen und das Sekretariat bis zum 31.12.1979 zu informieren.“ AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3843. Darin: Auszug aus einem Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Halle am 16.11.1977; Mitteilung des Konsistorialpräsidenten an Abt. I und V vom 14.11.1979 betr. Anzeigen mit christlichen Texten; Mitteilung des Konsistoriums der Kirchenprovinz Sachsen an den BEK betr. Familienanzeigen mit christlichen Inhalt in der SED-Presse [mit Auflistung von Fallbeispielen 1978/79].
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3.1.2.
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gehörigen in der Form mitzuteilen, wie es ihrem Glauben entspricht. An eine andere Zeitung können sie sich nicht wenden, da in den meisten Landkreisen nur die SED-Zeitung einen lokalen Anzeigenteil hat. Die Betroffenen, die eine Anzeige dann nur in entstellter Form drucken lassen können, fühlen sich bedrückt. Stimmt diese Entscheidung von Zeitungsredaktionen wirklich zu dem Grundsatz, daß Christen gleichberechtigt und gleichgeachtet in unserer Gesellschaft leben können? Die Kirchenleitung beobachtet sorgfältig die Entwicklung. Sie bemüht sich, weder leichtgläubig nur die positiven Tendenzen zu sehen, noch prinzipiell mißtrauisch zu werden. Sie bemüht sich um eine nüchterne, realistische Sicht. Am 6. März ging es weder um Anbiederung noch um den Abschluß eines Konkordates. Wir sehen darin vielmehr eine Station auf dem Wege, den Christen und Nichtchristen unserer Gesellschaft gemeinsam zu gehen haben. Wir werten das Gespräch als ein Zeichen des Realismus unserer Staatsführung: Die Existenz von Christen ist nicht die Verlegenheit des unvollendeten Sozialismus, sondern Christen werden als eine formierte Gruppe in der Gesellschaft akzeptiert. Deshalb erschöpft sich die Bedeutung dieses Gespräches nicht in der Realisierung von Einzelergebnissen, so wichtig diese auch jeweils sind, vielmehr meinen wird – und werden gerade in dieser positiven Wertung von Gemeindegliedern unterstützt, die aktiv im Berufsleben stehen –, daß uns Chancen gegeben sind, die wir nutzen sollten, so gut wir irgend können. Im Frühsommer lösten Gerüchte und dann offiziöse Informationen über die Einführung eines obligatorischen Unterrichtsfaches sozialistische Wehrerziehung9 an unseren Schulen Beunruhigung und Sor-
9 Am 1.9.1978 wurde in den 9. und 10. Klassen der DDR-Schulen das Fach Wehrunterricht (WU) eingeführt. Vgl. dazu KJ 105, 1978, S. 355–362; G. BESIER, SED-Staat und Kirche 2, S. 252–260. Dokumente: Direktive Nr. 3 des Ministeriums für Volksbildung zur Einführung und Gestaltung des Wehrunterrichts . . .-Grundsatzdirektive – vom 1. Februar 1978 [Auszug] in: O. ANWEILER/H.-J. FUCHS/M. DORNER/E. PETERMANN (Hg.), Bildungspolitik in Deutschland, S. 426–428; Orientierungshilfe der KKL zu Fragen der Einführung des Wehrunterrichts vom 14.7.1978, abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 30a/1978, S. 2; ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 273–279; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 246–251. Wort der KKL an die Gemeinden in den Gliedkirchen zur Einführung des Wehrunterrichts vom 14.6.1978, abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 30a/1978, S. 1; ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 279 f.; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 252 f. Brief des Vorsitzenden der KKL, Bischof D. Dr. Schönherr, an den Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, zu Fragen der Einführung des Faches „Wehrerziehung“ vom 15.6.1978, abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 254 ff.; ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 280 ff. Brief des Vorsitzenden der KKL, Bischof D.Dr. Schönherr, an die Kirchenleitungen der Gliedkirchen des BEK vom 19.10.1978, abgedruckt in: EBD., S. 282 f.
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gen in unseren Gemeinden aus. Das äußerte sich in Eingaben von Kreissynoden und Briefen von Gemeindegruppen und Gemeindegliedern an die Kirchenzeitung und kam sehr nachdrücklich auf den Kirchentagen in Leipzig, Erfurt und Stralsund10 zur Sprache. Die Konferenz der Kirchenleitungen hat diese Sorgen und Bedenken aufgenommen und sie ihrerseits in Briefen und Gesprächen unserer Regierung vorgetragen. Die Vorgänge sind durch das abgekündigte Wort an die Gemeinden und die Orientierungshilfe allgemein bekannt. Wie sind diese Vorgänge rückblickend und weiterdenkend einzuschätzen? a) Die Kontroverse zwischen Kirche und Staat über die Wehrerziehung wurde von manchen als Beweis dafür verstanden, daß das Gespräch vom 6. März, seine Erklärungen und Ergebnisse nicht tragen. Wir sehen darin ein Mißverständnis und eine Fehleinschätzung jenes Gespräches; denn es konnte und wollte ja nicht alle Meinungsverschiedenheiten zwischen Staat und Kirche aufheben, was schon wegen der Unterschiedenheit der Mandate und Grundüberzeugungen gar nicht möglich ist. Es sollte vielmehr die Gesprächsgrundlage festigen und verbreitern, auf der diese Meinungsverschiedenheiten konstruktiv ausgetragen werden können. So sagte Bischof Dr. Krusche vor der EKU-Synode am 30.6.78: „Die Stellungnahme der Konferenz der Kirchenleitungen zur Einführung des obligatorischen Unterrichtsfaches ‚Wehrerziehung‘ in ihrem Schreiben an die Regierungen sowie in ihrem Wort an die Gemeinden geschieht auf dem Boden des Gesprächs vom 6. März und also unter der Voraussetzung der gemeinsam ausgesprochenen Überzeugungen, daß die Erhaltung des Friedens unsere vorrangige Aufgabe sei: Die Konferenz der Kirchenleitungen wendet sich in einer gewichtigen Sachfrage, für deren Entscheidung die Regierung die letzte Zuständigkeit hat, an die damit befaßten Stellen des Staates, bringt ihre Bedenken – namentlich im Blick auf die Erziehung unserer Jugend zur Friedensfähigkeit – zum Ausdruck und bittet dringend um Überprüfung, und sie informiert die Gemeinden über die unternommenen Schritte und versucht, eine seelsorgerliche Hilfe zu geben. Kein außergewöhnlicher Vorgang, sondern das ernsthafte und einander ernstnehmende Ringen um das dem Frieden Dienliche. Unsere Besorgnisse sind freilich nicht behoben worden, sondern bleiben bestehen. Wir sehen in diesem Vorgang keine Konfrontation und halten ihn ungeeignet zur Propaganda gegen
10 Drei Kirchentage fanden 1978 in zeitlich dichter Folge statt: Leipzig, 26.–28.5., mit der Losung: „Leben heißt ein Ziel haben“; Erfurt, 2.–4.6., mit dem Motto: „Es geht ums Leben“ und Stralsund, 16.–18.6., unter dem Leitwort: „Auf der Suche nach Leben“. Dokumentiert sind die Kirchentage in: EPD-DOKUMENTATION 30/1978. Vgl. auch KJ 105, 1978, S. 303 ff.
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Berichte und Beschlüsse
die DDR und ungeeignet, sich in seiner Skepsis gegenüber dem Gespräch am 6. März bestätigt zu fühlen.“11
Die Besorgnisse beziehen sich besonders auf die Ausdehnung obligatorischer militärischer Erziehung auf ein Lebensalter, das solchen Anforderungen nicht gewachsen ist. Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren lassen sich leicht von militärischer Technik faszinieren, lassen sich gewöhnen an die Gewaltanwendung bei Konflikten und können die Verantwortung noch nicht bemessen, die jedem zugemutet wird, der mit Waffen umgehen soll. Die Besorgnisse betreffen aber zugleich auch den Schutz der Gewissensentscheidung derer, die nicht alle Teile des Wehrunterrichtes mitmachen oder ihn ganz verweigern. Wir befürchten, daß die Beteiligung am Wehrunterricht zu einer weiteren Norm wird, nach der die Förderungswürdigkeit junger Menschen beurteilt wird. Das verstärkt eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, die die staatsbürgerliche Treue des einzelnen vor allem an seiner Einstellung zum Militärischen bemißt. Wir sind daher betroffen darüber, daß bei der Einbringung des neuen Verteidigungsgesetzes in der Volkskammer12 wohl auf den Wehrunterricht ausführlich eingegangen wurde, aber die ernsten Besorgnisse christlicher Bürger nicht erwähnt worden sind. b) Die Konferenz der Kirchenleitungen hat es als ihre Pflicht angesehen, öffentlich zur Sprache zu bringen, was in zahlreichen Eingaben und Stellungnahmen genannt worden war – aber auch von vielen Eltern nicht geäußert wurde, um sich keine Schwierigkeiten zu machen. – Es wird sich zeigen müssen, ob die Einsprüche gegen die Wehrerziehung nur das momentane Aufwallen eines kritischen Bewußtseins war, das alsbald in ein resigniertes Laufenlassen der Dinge übergeht, oder ob sich unsere Gemeinden die Aufgabe der Friedenserziehung bewußt und nachdrücklich zu eigen machen. c) Warum überhaupt hat die Kirche zu dieser Frage das Wort ergriffen? Staatlicherseits ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß die Einführung der Wehrerziehung prinzipiell und praktisch nichts wesentlich Neues bringe. Warum ist dieser Schritt gleichwohl in unseren Gemeinden als eine Herausforderung zur Kritik und zum Protest empfunden worden? 11 Bischof Dr. Krusche gab als Vorsitzender des Rates der EKU auf der 2. Tagung der 5. Synode der EKU (DDR) am 30.6.1978 Bericht. Abgedruckt in: MATERIALIEN ZUR 2. TAGUNG DER 5. SYNODE DER EKU 1978, S. 1–29, hier: S. 19 f. 12 Gesetz über die Landesverteidigung der Deutschen Demokratischen Republik (Verteidigungsgesetz) vom 13.10.1978. In: GBL. DDR I, 1978, S. 377–380.
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Die Aussagen der Schlußakte von Helsinki über Entspannung, Friedenseinrichtung und vertrauensbildende Maßnahmen, sowie das Engagement unseres Staates für die Ergebnisse dieser Konferenz haben Hoffnungen und Aktivitäten mobilisiert, auf welche die Einführung der Wehrerziehung als Rückschlag und lähmende Enttäuschung wirkt. Die Logik einer Friedenssicherung durch Rüstung leuchtet immer weniger ein. Gerade diese Logik aber liegt offensichtlich der Einführung der Wehrerziehung zugrunde. 3.2.
Mit dem September 1978 hat der Wehrunterricht begonnen. Wir haben nun in den Gemeinden Eltern und Jugendliche in dieser neuen Situation zu begleiten. Für diese Phase ist „Erziehung zum Frieden“13 das Leitwort geworden.
3.2.1.
Erziehung zum Frieden ist schon seit langen Jahren als eine Aufgabe der Kirche erkannt worden14. Friedenserziehung ist also nicht als polemisches Argument gegen die Wehrerziehung erfunden worden, sondern wurde aus Anlaß des neuen Unterrichtsfaches den Gemeinden nur verschärft in Erinnerung gerufen. Der Erklärung des Staates, Wehrunterricht sei wie aller Wehrdienst in der DDR Bestandteil der sozialistischen Friedenspolitik, konnte sich die Kirche nicht anschließen. Was kann und muß aber Erziehung zum Frieden vom Evangelium her in dieser unserer sozialistischen Gesellschaft bedeuten, wenn sie sich in einem Konfliktfall
13 Im Juli 1978 wurde von der KKL das Studien- und Rahmenprogramm „Erziehung zum Frieden“ beschlossen, das sich gezielt um grundsätzliche Fragen des Friedens bemühte. Hinter dieses Programm stellte sich die BEK-Synode im Sept. 1978 und 1979 nachdrücklich. Sie erklärte 1978 in ihrem Beschluss zum Bericht der KKL, „daß es sich bei der Erziehung zum Frieden angesichts des zunehmenden Wettrüstens und der vielfach festgestellten militärpolitischen Durchdringung weiter Lebensbereiche nicht um eine Aufgabe der Kirchen und Gemeinden unter anderen handeln kann“. Dieser Beschlusspunkt ist abgedruckt in: MBL BEK, 5–6/1978, S. 64; KJ 105, 1978, S. 302; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 273. Vgl. auch KIRCHE ALS LERNGEMEINSCHAFT, S. 266; ZWISCHEN ANPASSUNG UND WIDERSTAND, S. 284. 14 Die Väter der ökumenischen Bewegung haben bereits vor dem 1. und 2. Weltkrieg die Verantwortung der Kirche bezeugt, zum Frieden zwischen den Völkern beizutragen. Aber durch den nationalen Konfliktgeist, in den die Kirchen mit verstrickt waren, wurde dies Zeugnis im 1. und 2. Weltkrieg übertönt. Es war die Frucht einer Umkehr und Einsicht der Buße, daß die evangelischen Kirchen seit der Synode von Weißensee 1950 immer wieder deutlich bezeugten: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ (Vgl. Anlage zur Rundverfügungen 25/78 „Verlautbarungen . . .“ [AKPS, Rep. A, Rv Nr. 25/78 vom 4.9.1978: Wehrunterricht an den allgemeinbildenden Schulen, S. 1–2, mit Anlage: Erziehung zum Frieden. Aus Verlautbarungen und Beiträgen der Jahre, 1950–1978, S. 1–4]). Zu diesem Zeugnis waren sie auch bestärkt worden durch die Gemeinschaft mit den Kirchen des Ökumenischen Rates. Die Friedenserziehung wurde als eine Aufgabe der Kirchen vom Evangelium her begriffen und als notwendiger Bestandteil der gesellschaftlich-schulischen Erziehung in unserer Gegenwart. [Orig. Anm.].
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3.2.2.
3.2.3.
Berichte und Beschlüsse
mit dem Lehrplan der Schulen zu profilieren und zu bewähren hat? Wie ist angesichts der Differenz zur schulischen Erziehung die Begleitung durch die Eltern und Gemeinden zu leben, gerade wenn sie nicht grundsätzliche Gegenerziehung werden kann, sondern auch Teilnahme an gesellschaftlicher Verantwortung vorlebt und einschließt? Was ist im begleitenden Umgang der Eltern mit ihren Kindern hier psychologisch-pädagogisch verantwortbar? Was ist altersgemäß zu vollziehen und durchzuhalten? Es kann sich die Erziehung zum Frieden auch in einzelnen Entscheidungen bewähren, die nicht der erwarteten Teilnahme am Wehrunterricht und den zugehörigen Lagern entsprechen. Wo solche Entscheidungen vom Glauben und Gewissen der Eltern und Kinder getragen werden, können sie Zeichen und Zeugnis sein und dürfen auch den Folgen und Konflikten unter der Verheißung Christi entgegensehen. Aber deutlich muß sein, daß die Negation allein noch nicht Erziehung zum Frieden ist. Zeichen und Zeugnis weisen auf etwas Umfassendes hin. Erziehung zum Frieden ist ein Lebensauftrag der Gemeinde, ein „Dauerauftrag“. Nur wenn sie im Leben der Erwachsenengemeinde selber Raum gewinnt, können wir sie unseren Jugendlichen nahe bringen. Gemeindeabende und Elterngespräche sollten uns das in ihrem ganzen Umfang neu bewußt machen. Erziehung zum Frieden als Lebensauftrag unserer Gemeinden hat einen tieferen Grund als politisch-ethische Pädagogik, auch wenn er sich in ihr auswirkt [sic!]. Der Lebensauftrag der Gemeinde erwächst aus dem Frieden Christi, der unsere „innere Friedlosigkeit“ heilt. „Innere Friedlosigkeit“ kann aus andauerndem Unbehagen gegenüber unserer Gesamtsituation entstehen, aus ungelösten und verdrängten Konflikten, aus dem Versagen, das wir uns selbst nicht eingestehen (Schuld), aus verweigerter Selbstannahme und Annahme der anderen und aus manchem inneren Elend. Der Friede Christi, aus dem wir leben, bewahrt uns (Phil 4,7), indem er immer wieder unsere innere Friedlosigkeit heilt. Das ist der sachliche Ermöglichungsgrund, die Friedensgebote Jesu in der Bergpredigt zu achten. Das ist auch der tragende Ausgangspunkt für alle Friedenszeugnisse der Gemeinde. Von ihm her bemüht sich die Gemeinde um Friedenserziehung in vielen Bewährungsfeldern des menschlichen Zusammenlebens, zu ihnen gehört z. B.: – die friedliche Regelung von Konflikten; – der Umgang mit den eigenen Aggressionen; – der Umgang mit Vorurteilen;
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3.2.4.
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– der Abbau von Feindbildern; – dazu gehört auch eine Persönlichkeitsbildung, welche befähigt, friedensverantwortliche Haltung in Konflikten durchzustehen, auch in einsamen Entscheidungen15. Friedenserziehung stellt nicht die Moral des Einzelnen gegen die Verantwortung der Gesellschaftspolitik. Sie sieht vielmehr von ihrem Auftrag her den Einzelnen in seiner gesellschaftlichen Verflechtung und Teilnahme am Ganzen. Sie wird darum auch das mitdenkende Wissen um die größeren Bewährungsfelder der Gesellschaft einschließen, auf denen heute die Erhaltung des Friedens und die Verantwortung für den Frieden relevant ist16.
15 Vgl. Lernziele zur Persönlichkeitsbildung. Arbeitshilfe „Erziehung zum Frieden“. 1976, Kap. IV. [Orig. Anm.]. Diese Arbeitshilfe trägt den Titel „Erziehung zum Frieden. Anregungen und Vorschläge für die Durchführung von Gemeindeveranstaltungen zum Thema“. Sie wurde nach einer längeren Zeit intensiver Vorbereitung durch das Studienreferat Friedensfragen bei der Theologischen Studienabteilung zusammen mit einem besonderen Facharbeitskreis Friedensfragen beim BEK erarbeitet und an interessierte Gemeindeglieder verschickt. Vgl. KJ 103/104, 1976/77, S. 450. Teil IV dieser Arbeitshilfe ist abgedruckt in: EBD., S. 451–456. 16 Zu ihnen gehört z. B.: Der sozial-ökonomische Aspekt von Gesellschaftsstrukturen. Zwar gibt es nicht eine Friedensstruktur der Gesellschaft schlechthin. Wohl aber gibt es gesellschaftliche Verhältnisse, in denen die immanenten Spannungen relativ gering gehalten werden und andere, in denen sich Spannungen und Konflikte immer neu aufbauen und geradezu zu kriegerischen Entladungen drängen (Friedensrelevanz der Gesellschaftsanalysen). Der rechtlich-organisatorische Aspekt der Beziehung zwischen den Staaten. Seit je hat Friedenspolitik die friedlichen Beziehungen zwischen Staaten zu stabilisieren versucht durch Verträge, Bündnisse, internationale Abkommen bis hin zu Kultur-, Verkehrs- und Wirtschaftsvereinbarungen. Auch die Bemühungen um Völkerrecht, die UNO-Prinzipien (Charta) und die UNO-Beschlüsse, die KSZE-Beschlüsse von Helsinki usw. gehören zu diesem Feld internationaler Friedenssicherung. Der Interdependenz-Aspekt. Angesichts der begrenzten Ressourcen des Lebens der Menschheit, der ökologischen Fragen (Luft, Wasserversorgung, Umweltverseuchung usw.), die an Staatengrenzen und ihren unterschiedlichen Gesellschaftssystemen nicht halt machen, angesichts der gemeinsamen Überlebensinteressen von Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen wächst die gegenseitige Abhängigkeit. Die internationale Zusammenarbeit, die Systemgrenzen übergreift, wird darum im Blick auf die menschheitliche Zukunftsverantwortung immer notwendiger. Dazu gehört schließlich der militärisch-strategische Aspekt. Er steht im Erbe der jahrhundertealten politischen Regel: si vis pacem, para bellum, „wenn du den Frieden sichern willst, bereite dich auf den Krieg vor“. Die Regel lebt von der Logik einer überlegenen Rüstung, welche den Gegner abschreckt und ihm das Risiko des Krieges zu groß erscheinen läßt. Sie hat im Wettlauf der politischen Bündnissysteme zu einem Rüstungswettlauf geführt und zu einem militärisch-strategischen Abschreckungsgleichgewicht, bei dem man sich sehr fragen muß, ob er noch von der Logik der ursprünglichen politischen
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3.2.5.
Berichte und Beschlüsse
Wenn christliche Friedenserziehung sich auf den personalen Aspekt konzentriert, so behält sie dabei im Blick, daß dies nur ein Teilaspekt des großen Zusammenhangs gesellschaftlicher Friedensverantwortung ist. Aber gerade weil alle Aspekte miteinander verknüpft sind und zusammenhängen, ist es angemessen, wenn die Kirchen sich – entsprechend ihrem Handlungsspielraum – auf den personalen Aspekt konzentrieren und so nach ihrer Möglichkeit an der Friedensverantwortung teilnehmen. Diese Beschränkung und Konzentration sollte „sehend“ und nicht blind geschehen, d. h., sie sollte nach Möglichkeit um die größeren Felder und Aspekte wissen, sich auch ein Urteil bilden, selbst wenn diese weithin ihrem Einfluß entzogen sind. Zu dem Wissen um die Verflechtung gehört auch eine denkende Teilnahme an der politischen Gesamtsituation unseres Staates. Man wird ihm nicht bestreiten können, daß er im Bündnis mit den sozialistischen Nachbarländern seit Jahren Entspannungsgespräche und Verhandlungen führt. Für sie war lange Zeit das Leitwort „friedliche Koexistenz von Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen“17. Der Frieden-stabilisierende Wert gilt auch noch, wenn diese Bemühungen gezeichnet sind von den Interessen eines Staates, der sich von der Ideologie eines Klassenkampfes gegen kapitalistische Gesellschaftsprobleme bestimmt weiß. Zu dem Mitdenken und Teilnehmen gehört aber vor allem das Wissen darum, daß parallel zu den Friedensbemühungen in Abrüstungs- und Entspannungsgesprächen die Friedenssicherung immer noch durch das Rüstungsgleichgewicht angestrebt wird. Sicherung durch das Rüstungsgleichgewicht vollzieht sich in unserer Weltsituation aber als rasanter und geradezu absurder Rüstungswettlauf. Die technologische Entwicklungsgeschwindigkeit der Auf-
Regel getragen wird und nicht ein Eigengefälle bekommen hat. Seine Konsequenzen enthalten neue Probleme und Unsicherheiten der Entladung, Belastungen der staatlichen Haushalte, die sich doch auf die anderen Zukunftsaufgaben der Menschheit einstellen müßten und nicht zuletzt psychologisch-pädagogische Ausstrahlungen auf die Bevölkerung und Innenpolitik. Abschreckung will Sicherheit durch Erzeugung von Angst –, die im Rüstungsgleichgewicht sich wechselseitig verstärkt. [Orig. Anm.]. 17 Hier handelt es sich um einen auf Lenin zurückgeführten, erstmals von Stalin verwendeten und von dessen Nachfolgern in der UdSSR seit dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 zum „Grundprinzip sozialistischer Außenpolitik“ erhobenen Grundsatz für „friedliches Nebeneinander und Zusammenarbeit von Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen in der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus“. Diese Doppelgesichtigkeit des Begriffs verschob sich in den 1970er Jahren hin zu einer Aufwertung des Kooperationsaspektes der „friedlichen Koexistenz“. Vgl. DDR-HANDBUCH 1, S. 482 f.
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3.2.6.
3.3.
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rüstung scheint wesentlich größer zu sein, als die Verhandlungsgeschwindigkeit der Entspannungs- und Abrüstungsgespräche. Friedenserziehung will im persönlichen Bewußtsein der Menschen, in ihren Einstellungen und ihren Entscheidungen dem Prozeß der notwendigen Entspannungs- und Abrüstungsgespräche entsprechen. – Während Wehrunterricht zusammen mit vielen anderen gesellschaftlichen Bildungsvorgängen als psychologisch-pädagogische Verstärkung des Rüstungswettlaufes (Aufrüstung) erscheint. So gewiß eine christliche Erziehung zum Frieden bis zur Orientierung und Urteilsbildung in dem gesellschaftspolitischen Horizont reicht, je nach Vermögen des Einzelnen, – sie ist nicht abhängig von der Frage ihrer aufweisbaren politischen Wirkung. Von dem Frieden Christi her aber, dem tragenden Grund christlicher Erziehung zum Frieden ist auch die kleine unscheinbare menschliche Haltung, die Tat und Bemühung sinnvoll. Sie ist Frucht des Friedens Christi, selbst wo sie politisch uneffektiv erscheint. Alle Zukunftsverantwortung steht im Licht bestimmter Angst- und Hoffnungsbilder. Der Friede Christi, der uns bewahrt und SEINE eschatologische Friedensverheißung, die uns hoffen läßt, leiten unsere Zukunftsverantwortung. Sie befreien uns von lähmenden Angstbildern und vergötzten Hoffnungsbildern. Sie lassen es nicht zu, vor den bestehenden Schwierigkeiten zu kapitulieren und uns resignierend mit ihnen abzufinden. „Die christliche Hoffnung ist eine Widerstandsbewegung gegen ‚den Fatalismus‘.“18 Schon Ende des vergangenen Jahres hat die Kirchenleitung darauf aufmerksam gemacht, daß sich am 9. November 1978 zum 40. Mal ein Ereignis in Deutschland jährt, das von einer ungeheuerlichen Tragweite für ungezählte Menschen in Europa geworden ist. Inzwischen ist in Kirche und Gesellschaft in vielfältiger Weise der sogenannten Kristallnacht gedacht worden. In einer sorgfältigen und vielen Spuren der erschütternden Geschichte nachgehenden Vorbereitung war die Kirchenleitung bemüht, den Gemeinden zuverlässiges Material an die Hand zu geben19, das zu einer wahrhaftigen Beschäftigung mit der Schuld an den Juden verhelfen sollte, die doch mit menschlichen Maßstäben nicht zu bemessen ist. Ein Wort
18 ÖRK, Faith and Order, Bangalore 1978 [Orig. Anm.]. Vgl. BANGALORE 1978. 19 Als die Synagogen brannten. 40 Jahre Kristallnacht. Hg. i. A. der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen – Evangelisches Konsistorium Magdeburg. 2 Bde. (Magdeburger Arbeitshefte für Ökumene und Mission). Mit einem Vorwort von Christfried Berger. Magdeburg 1978. (hekt.).
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Berichte und Beschlüsse
an die Gemeinden, das von der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR ergangen ist20 und in dem Gedanken und Hinweise einer Besinnung unserer Kirchenleitung aufgenommen worden sind, hat dazu aufgerufen, daß Christen gemeinsam einem verhängnisvollen Vergessen wehren und Vergebung und Neuanfang suchen. Die Gebete und Lieder, das verkündigte Wort der Schrift und Zeichen der Versöhnung haben an vielen Orten ein Zeugnis von der Hoffnung abgelegt, die von der Treue Gottes lebt.
20 Wort der KKL an die Gemeinden anläßlich des 40. Jahrestages der sogenannten Kristallnacht vom 24.9.1978. Abgedruckt in: MBL BEK 5–6/1978, S. 68 f.; EPD-DOKUMENTATION 42–43/1978, S. 116; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 269 ff.
BerichtderKirchenleitung,16.November1979 BerichteundBeschlüsse
39 Bericht der Kirchenleitung auf der 5. Tagung der VIII. Synode Halle Diakonissenhaus, 16. November 1979 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 113, Dr. 17/79, S. 1–18, hier: S. 3–4 (hekt.).
Schwerpunkt: Sonderpastoralkolleg „30 Jahre Geschichte der Kirche in der DDR“ (Juli 1979 in Gnadau) Gliederung: 1. Weiterentwicklung kirchlicher Ordnung. 2. Reflexionen über den Weg unserer Kirche. 3. Mitarbeiterfragen. 4. Einzelne Aspekte unseres Verkündigungsauftrages. 5. Baufragen. 6. Zur eigenen Arbeit der Kirchenleitung.
[. . .] 2. Reflexionen über den Weg unserer Kirche 2.1. Sonderpastoralkolleg „30 Jahre Geschichte der Kirche in der DDR“ Im vergangenen Jahr ist vielerorts Anlaß genommen worden, den Weg unserer Kirche in den letzten dreißig Jahren zu reflektieren. Dreißig Jahre bedeuten den Abstand zwischen zwei Generationen. In unseren Kirchen ist sehr deutlich, daß inzwischen kaum einer von denen, die vor 30 Jahren in der Leitungsverantwortung gestanden haben, gegenwärtig noch aktiv mitarbeiten kann. Nicht nur die gesellschaftliche Umwelt, auch die eigene Intentionen, die Beurteilung der Situation und das Verständnis des Auftrages selbst haben sich gewandelt. Die Kirchenleitung hat darum zu einem Sonderpastoralkolleg unter dem Thema „Dreißig Jahre Geschichte der Kirche in der DDR“ nach Gnadau (3.–5. Juli 1979) eingeladen1. Einige der Beobachtungen, Fragen und Erwägungen, die dort vorgetragen wurden, sollen hier notiert werden: – Wer den Neuanfang der Kirchen nach 1945 verstehen will, muß kritisch nach der politischen Position der damals Verantwortlichen fragen. Wie weit hat neben einer theologischen Neubesinnung auch eine politisch konservative Haltung Weichenstellungen des Neuanfangs beeinflußt? 1 Abschlussbericht in AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2596.
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Berichte und Beschlüsse
– Wie ist heute, aus der Rückschau, das Engagement derer zu beurteilen, die sich in der Rolle von Außenseitern anfanden (Schüler von Emil Fuchs, religiöse Sozialisten, Mitarbeiter der Prager Friedenskonferenz)? Kann heute das Gespräch mit ihnen offener, weniger belastet von politischer Polemik und eigener Profilierung, geführt werden? – In der Phase der aktiven Durchsetzung der Führungsrolle der Sozialistischen Einheitspartei unter der Programmsetzung des Aufbaus des Sozialismus (1949–1953) sind für Christen und Gemeinden zahlreiche Belastungen und Verwundungen entstanden. Vieles davon kann als überwunden gelten. Trotzdem wirken manche jener Erfahrungen nach. Bestimmen sie noch jetzt – unbewußt – anstehende Entscheidungen mit? – Die Spaltung Deutschlands ist Ende der 40er und in den 50er Jahren ein beherrschendes Thema für das politische Zeugnis der Kirchen gewesen. Spätestens seit 1957 (Militärseelsorgevertrag2) mußte begriffen werden, daß politische Entscheidungen zwischen Ost und West völlig auseinandergehen. Sind die mit dieser Entwicklung zusammenhängenden eigenen biographischen Erfahrungen heute aufgearbeitet? – Die Bemühungen um eine Standortorientierung in der DDR reichen weit zurück; sie sind selbst schon wieder zum Objekt geschichtlicher Betrachtung geworden. Unter welchen Bedingungen ist heute Zusammenarbeit und Mitverantwortung in unserer Gesellschaft möglich? Die letzten zusammenfassenden Orientierungshilfen stammen von 1972 und 1973. Wie müßte heute eine solche Standortbestimmung aussehen? Das Pastoralkolleg war zu kurz, um Ergebnisformulierungen vorlegen zu können. Zwei Anregungen sind aber doch deutlich ausgesprochen worden. Zunächst: Die Diskussion einer Fülle öffentlicher Äußerungen der Kirchen aus den Jahren seit 1945 ergab nicht die Meinung, daß Kirchenleitungen künftig lieber schweigen sollten. Nur sollten sie lieber nicht so oft reden, nicht zu jedem Jubiläum. Wenn es von einem Sachverhalt her geboten sei – dann solle ein klares, helfendes Wort von einer Kirchenleitung gewagt werden. Sodann: Es wurde als ein Defizit empfunden, daß eine aus unserem Raum kommende Darstellung der Geschichte der Kirchen in der DDR fehlt3. Bei den Teilnehmern des Sonderpastoralkollegs bestand 2 Vgl. oben Dokument 13, Anm. 4, S. 140. 3 Die Initiative der Kirchenprovinz wurde im Sekretariat des BEK aufgegriffen. Es wurde
Bericht der Kirchenleitung, 16. November 1979
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die Überzeugung, daß wir diese Aufgabe nicht andern überlassen, sondern daß die Kirchen in der DDR hier ihre eigene Verantwortung erkennen und einen Arbeitsauftrag für kirchliche Zeitgeschichte in der DDR geben sollten. [. . .]
beim Katechetischen Oberseminar Naumburg die „Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte Naumburg“ eingerichtet; die Leitung wurde Martin Onnasch übertragen. Die Ordnung der Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte vom 7.1.1984 abgedruckt in: MBL BEK 1–2/1984, S. 1 f.
BischofDr.WernerKrusche,13.März1980 BerichteundBeschlüsse
40 Wort von Bischof Dr. Werner Krusche auf der 6. (außerordentlichen) Tagung der VIII. Synode „Wirkungen und Weisungen des Geistes auf dem Weg der Kirche“ Magdeburg Altstadtgemeinde, 13. März 1980 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 114, Dr. 4/80, S. 1–13, hier: S. 10–13 (hekt.). Abgedruckt in: W. KRUSCHE, Verheißung und Verantwortung, S. 114–124 u. in: EPD-DOKUMENTATION 19/1980, S. 25–34.
Schwerpunkte: Leiden und Selbstmitleid; Fürbitte für Menschen, die Unrecht leiden; Situation in den Schulen; das Beispiel Jesu Gliederung: 0. [ohne Überschrift]. 1. Das Rechnen mit der realen Wirkkraft des Geistes. 2. Früchte des Geistes im alltäglichen Leben der Gemeinde. 3. Innerste Konzentration für äußerste Partizipation. 4. Bejahung des Leidens.
[. . .] 4. Bejahung des Leidens 4.1 Ich meine, beobachten zu können, daß in unserer Verkündigung seit einiger Zeit sehr stark betont wird, wie durch Jesus Christus unser Leben Sinn bekommt, Entlastung erfährt, Geborgenheit empfängt, zur Freude gelangt. Jesus als Garant eines gelingenden Lebens in seiner ganzen Sinnfülle. Der Akzent liegt ganz stark auf einem unseren Wünschen und Sehnsüchten entgegenkommenden, sie aufnehmenden und zurechtbringenden Tun Jesu Christi. Er als der, der uns die Angst nimmt, uns von der Sorge befreit und uns nicht nach unserer Leistung bemißt. Dieser Akzent ist nur zu verständlich im Blick auf eine Hörerschaft, der in ihrem gesellschaftlichen Leben pausenlos Appelle zugemutet werden. Muß eine solche Hörerschaft nicht vor allem die Einladung Jesu zugerufen bekommen: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“ (Mt 11,28)? Soll die Kirche solchen Menschen etwa nun auch ihrerseits noch Forderungen predigen und ihnen den Ruf in die Kreuzesnachfolge zumuten und damit die Bereitschaft, um des Evangeliums willen Leiden auf sich zu nehmen? 4.2 Ich habe den Eindruck, daß wir uns nicht mehr recht trauen, vom Leiden des Christen, von den Bedrängnissen der Gemeinde zu reden.
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4.3
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Das könnte insofern etwas Legitimes sein, als wir den uns eigenen Hang zur Selbstbemitleidung nicht noch verstärken möchten, zumal das bißchen Leiden, das wir erfahren, eigentlich nicht der Rede wert ist. Aber schweigen wir über das Leiden um des Evangeliums willen wirklich nur deswegen, weil wir kein Selbstmitleid züchten möchten? Der eigentliche Grund ist doch wohl: Wir meinen, es unseren Gemeinden nicht zumuten zu dürfen, sich darauf einstellen zu sollen, daß zu einem Leben in der Nachfolge Christi das Leiden, die Bedrängnis, die Benachteiligung, der Verlust ziemlich selbstverständlich hinzugehören (Mt 10,38; 16,24 f.; Apg 14,22; 2. Kor 4,8; Phil 1,29; 2. Tim 3,12; Hebr 10,32 f. u. ö.). Und der natürliche Mensch (mit dem wir es alle noch kräftig zu tun haben) will nun einmal von Leiden nichts wissen. Nur ja nicht leiden müssen! Für ihn ist Leiden immer Verlust, Lebensminderung. Und auf diesen natürlichen Menschen nehmen wir Rücksicht, obwohl wir doch wissen dürften, daß der Heilige Geist gegen den natürlichen, sich selbst behaupten wollenden Menschen kämpft (Gal 5,16 f.) und zwar mit Erfolg kämpft –, so daß es von Menschen, die eben ausgepeitscht worden waren, heißen kann: „Sie verließen den Hohen Rat voll Freude darüber, daß sie gewürdigt worden waren, für seinen (Jesu) Namen Schmach zu erleiden“ (Apg 5,41) oder daß andere daran erinnert werden können: „Ihr habt mit den Gefangenen gelitten und den Raub eures Eigentums mit Freuden erduldet“ (Hebr 10,34). „Freut euch, daß ihr mit Christus leidet“, kann den Lesern des 1. Petrusbriefes zugerufen werden (1. Petr 4,13). Solche Töne fehlen in unserer Verkündigung, und sie fehlen entsprechend auch in der Fürbitte der Kirche. Sicher: Wir beten für die um ihres Christuszeugnisses und ihres Glaubensgehorsams willen Verfolgten, Bedrängten, Mißhandelten, Benachteiligten. Aber wir beten fast durchweg dafür, daß ihr Leiden aufhört, daß ihre Bedränger von ihnen ablassen, daß Menschenrechte nicht länger mit Füßen getreten werden. Nicht, daß nicht auch darum zu beten wäre! Wir wären nicht solidarisch mit ihnen, wenn wir nicht auch um ihre Befreiung, um das Ende ihres Leidens beteten und alles dafür täten, daß ihnen Recht widerfährt (z. B. Röm 15,30; Kol 4,18; 2. Thess 3,1 f.; Apg 12,5). Aber entscheidend ist nicht die Bitte um die Beendigung des Leidens, sondern um seine Zeugniswirkung. Wir werden also nicht um Befreiung auf Kosten des Zeugnisses bitten, sondern um Standhaftigkeit der Zeugen in ihrem Leiden, um Erfahrungen der Gegenwart Christi und um die Tröstung des Geistes (2. Kor 1,5 ff.; Röm 8,15 f., 26 ff.), damit durch ihr tapfer bestandenes Leiden Menschen zum Fragen kommen, was das für ein Herr ist, der
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4.4
Berichte und Beschlüsse
so mit Leben beschenkt und so mit Hoffnung erfüllt, daß Menschen Unrecht, Benachteiligung, den Verlust des guten Namens, der Freiheit, des Eigentums unverbittert auf sich nehmen können (vgl. Phil 1,12 ff.). Wenn bestimmte Gruppen in der eigenen Gesellschaft oder anderswo in der Welt aus irgendeinem Grunde Unrecht leiden, wenn fundamentale Menschenrechte verletzt werden, muß die Kirche ihre Stimme erheben. Unrecht, Verfolgung und Leiden, die über die Kirche kommen, können nicht auf dieselbe Weise behandelt werden. Sie müssen in erster Linie als Zeugnis verstanden werden. Wenn die Kirche in ihnen nichts anderes als eine Verletzung der Menschenrechte, als Verstoß gegen die Religionsfreiheit sieht und sofort unter diesem Gesichtspunkt dagegen protestiert, übersieht sie diese wichtige Dimension des Zeugnisses. Dann zieht sie die Aufmerksamkeit auf das Unrecht, statt auf das Zeugnis. Und damit macht sie sich selber unfähig zum Leiden. Es wäre in starkem Maße übertrieben, wenn wir im Augenblick von Leiden sprechen wollten, die wir um des Evangeliums willen zu ertragen hätten. Wir können unsere Arbeit als Kirche so gut wie ungehindert tun. Es wird niemand verfolgt oder gemaßregelt, weil er ein Christ ist. Es gibt da und dort wohl Benachteiligungen, besonders bei der Besetzung leitender Stellen. Aber das ist schwer eindeutig nachweisbar, da als Grund natürlich niemals das kirchliche Engagement genannt wird. Schwierig ist nach wie vor die Situation auf dem Bildungssektor. Nicht, daß es nicht Lehrer gäbe, die verständnisvoll auf die Fragen und Probleme der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen einzugehen verstünden. Es gibt durchaus die Bemühung um eine gewisse Toleranz. (Wir haben jüngst im Bezirk Magdeburg das Beispiel einer erfreulichen Großzügigkeit erlebt.) Aber wir beobachten neuerdings doch wieder stärker eine ideologische Verhärtung und eine eher rückläufige Bereitschaft, unserer Jugend Raum zu geben zu selbständigem Denken und eigenem Urteilen. Daß dies nicht nur uns Christen zu schaffen macht, zeigen einige bemerkenswerte Äußerungen in Maxie Wanders jüngst erschienenem Buch „Tagebücher und Briefe“: „Was lernen unsere Kinder? Stillhalten, Konformismus, Egoismus“ (76). „Wie grauslig ist für Kinder die Entdeckung, daß eigentlich nix verändert werden kann [. . .], daß Leben und Schule immer Kompromisse erfordern, mehr noch: Goschenhalten, Stillhalten“ (81). „Disziplin ist ja ganz schön und sicherlich wichtig. Aber ich sehe da einen Zusammenhang mit der Tatsache, daß man sich später wundert, wie wenig Initiative, Aktivität und schöpferische Interessen die Kinder in den höheren Klassen zeigen [. . .] Die Kinder reagieren dann nur noch auf Befehle“ (121). „Es kommt ihm (einem Lehrer) also nicht darauf an, die Kinder zu mündigen, freien und schöpferischen Menschen zu erziehen, sondern zu gut funktionieren-
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den, angepaßten Konformisten und Jasagern. Was machen die mit Wissenvollgestopften Kinder später ohne Initiative?“ (122) „Immer wieder die leidige Frage des Erziehungsziels und der Erziehungsmittel. Kann man zusehen, wie unser Liebstes vor lauter Anpassung stumpf wird? Und wiederum ohne Anpassung – verkraftet so was ein Kind?“ (212)1.
4.5
Es steht außer Frage, daß diese Äußerungen nicht in böser Absicht gemacht worden sind, sondern einer tiefen Sorge entstammen, die viele Menschen teilen. Aber: Wird man auf solche Stimmen hören? Wenn nicht, wenn gar die da und dort zu beobachtende Intoleranz zunehmen sollte, wird es bei Kindern und Jugendlichen und deren Eltern wieder zu Leiderfahrungen kommen. Wir wünschen uns das wahrhaftig nicht. Aber Gottes Geist weist uns an, dafür zu sorgen, daß wir nicht unvorbereitet sind. Wie das geschehen soll? Auf die schlichteste Weise: indem wir unseren Kindern erzählen, wie immer wieder Menschen sich zu Jesus bekannt und dafür alles auf sich genommen haben, wie durch ihr tapferes Zeugnis andere zum Glauben gekommen oder im Glauben gestärkt worden sind und wie sie sich selbst dabei nicht bedauernswert vorkamen, sondern wunderbare Erfahrungen mit dem lebendigen Gott gemacht haben. Einer von ihnen – der Apostel Paulus – hat das nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte so sagen können: „Als Gefangener des Heiligen Geistes reise ich nach Jerusalem, und ich weiß nicht, was mir dort begegnen wird, nur daß der Heilige Geist in allen Städten mir bezeugt, daß Gefangenschaft und Bedrängnisse auf mich warten. Aber nach meinem Leben frage ich nichts, wenn ich nur meinen Lauf vollende und den Dienst tue, der mir von dem Herrn Jesus anvertraut wurde, nämlich das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen“ (Apg 20, 22 f.).
1 M. WANDER, Tagebücher und Briefe.
BerichtderKirchenleitung,14.Juni1980 BerichteundBeschlüsse
41 Bericht der Kirchenleitung auf der 1. Tagung der IX. Synode Naumburg Domaula, 14. Juni 1980 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 115, Dr. 8/80, S. 1–10, hier: S. 3–5 (hekt.).
Schwerpunkte: Situation der Gemeinden im Sperrgebiet; kirchliche Pressearbeit Gliederung: 1. Begleitung von Gemeindearbeit. 2. Organisation des Bauamtes. 3. Verantwortung für Mitarbeiter. 4. Personalentscheidungen. 5. Reflexionen zu gesamtkirchlichen Strukturen.
[. . .] 1.2. Gemeinden im Sperrgebiet Das Gebiet der Kirchenprovinz Sachsen grenzt in etwa 440 km an das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland an. Keine andere Landeskirche hat ein so ausgedehntes Grenzgebiet, von dem zwölf Kirchenkreise tangiert werden. 141 Gemeinden mit ca. 25.000 Gemeindegliedern (darunter etwa 3.000 Gemeindeglieder im 500-Meter-Schutzstreifen) liegen im Grenzgebiet1. Die Kirchenleitung hatte sich bereits 1974 mit der Situation der Mitarbeiter im Grenzgebiet beschäftigt. Damals waren eine Reihe von Maßnahmen zur Erleichterung für die Mitarbeiter, die selber im Sperrgebiet wohnen, beschlossen worden2. Die Kirchenleitung hat in einer Anhörung in ihrer Aprilsitzung 1980 erfahren wollen, wie sich diese Maßnahmen ausgewirkt haben und welche Aufgaben gegenwärtig im Vordergrund ste1 Zu den Gemeinden im Grenzgebiet vgl. auch oben Bericht des Bischofs D. Müller auf der 2. Tagung der II. Synode am 13.4.1953, Punkt I, 3b. (Dokument 9, S. 103 ff.), und auf der 4. Tagung der II. Synode vom 13.–14.6.1955 (Dokument 11, S. 121 f.). 2 So beschloss das Konsistorium in seiner Sitzung am 11.3.1974, den im Sperrgebiet wohnenden Geistlichen, wie bereits den anderen kirchlichen Mitarbeitern, einen lohnsteuerfreien Zuschlag von 15 % zum Grundgehalt zuzüglich 10 % Anhebung zu gewähren. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3776. Darin: Schreiben des Konsistoriums der Kirchenprovinz Sachsen an die Kreiskirchenräte der Kirchenkreise betr. Sperrzonenzuschläge für Geistliche vom 14.3.1974.
Bericht der Kirchenleitung, 14. Juni 1980
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hen. Die Kirchenleitung hatte Mitarbeiter aus den Kirchenkreisen Eichsfeld, Haldensleben, Mühlhausen, Osterwieck und Wernigerode, die im Grenzgebiet tätig sind, eingeladen3. Die Berichte zeigten, daß die Situation in den Gemeinden sehr unterschiedlich ist. Es gibt kleinere Städte im Grenzgebiet mit eigener Industrie, die sich nicht nennenswert von benachbarten Kleinstädten außerhalb des Grenzgebietes unterscheiden. Wo aber Dörfer selbst nicht mehr Mittelpunkt des wirtschaftlichen Lebens sind, ist vielfach die Jugend abgewandert, so daß die Bevölkerung stark überaltert ist. Gemeindearbeit in diesen Dörfern hat ihren Schwerpunkt in der Betreuung älterer Menschen. Sicherheitsmaßnahmen (Trennung von Ortschaften durch den Schutzstreifen, verstärkte Kontrollen) wirken sich auf die Bevölkerung belastend aus. Besucher aus der Bundesrepublik können nur außerhalb des Sperrgebietes empfangen werden. Daß solche Lebensbedingungen für diejenigen Bürger, die seit Jahrzehnten dort wohnen, beschwerlich sind, wird niemand wundern. Umso dankbarer ist die Kirchenleitung, daß sich immer wieder Pfarrer und Mitarbeiter gefunden haben, die bereit sind, im Grenzgebiet in solchen Gemeinden zu leben und mit den Christen dort Freud und Leid zu teilen. Die Kirchenleitung legt Wert darauf, daß auch weiterhin Pfarrstellen in diesen Grenzgemeinden bestehen bleiben und nach einem Wechsel auch wieder neu besetzt werden können. Sie hofft, daß die staatlichen Organe diesen besonderen Anforderungen weiterhin mit Verständnis entgegenkommen werden. Einmütig wurde von den Mitarbeitern aus dem Grenzgebiet der dringliche Wunsch nach Erleichterung in der Passierscheinregelung vorgetragen. Daß nur Verwandte ersten Grades, die in der DDR ihren Wohnsitz haben, in das Grenzgebiet einreisen dürfen, macht viele Menschen dort einsam. Müßte es nicht möglich sein, diese Regelung zu erweitern, so daß auch andere Verwandte und engste Freunde zu Besuchen einen Passierschein erhalten? Auch für die Gemeindearbeit sind die Passierscheinregelungen beschwerlich4. Regionale Veranstaltungen müssen oft außerhalb des Sperrgebietes durchgeführt werden. Gemeindeglieder benachbarter Kirchengemeinden lernen sich oft erst bei solchen Veranstaltungen im Hinterland gegenseitig kennen. Könnten nicht Passierscheine für dienstliche Einreisen so großzügig genehmigt werden, daß regionale Gemeindeveranstaltungen auch in den Grenzgebieten möglich werden? Die finanziellen Erleichterungen, die die Kirchenleitung 1974 beschlossen hatte, sind begrüßt worden. Es wurde zugesichert, daß auch künftig 3 AKPS, Rep. B 3, Nr. 16. Darin: Protokoll der 4. Sitzung der Kirchenleitung am 25./26.4.1980 in Magdeburg, S. 6–9. 4 Vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3770.
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Berichte und Beschlüsse
großzügig dazu geholfen wird, daß Mitarbeiter nicht durch Mehrausgaben belastet werden, die ausschließlich aus den besonderen Bedingungen ihres Wohnsitzes im Sperrgebiet resultieren5. Immer wieder wurde betont, wie dankbar die Gemeinden im Sperrgebiet dafür sind, wenn sie von kirchlichen Mitarbeitern besucht werden. Mitglieder der Kirchenleitung und des Konsistoriums sind zu solchen Diensten gern bereit. 1.3. Memorandum „Informationstätigkeit als Dienst der Kirche“ Ein Grundsatzpapier, das der Facharbeitskreis „Information“ des Bundes der Evangelischen Kirchen den Kirchenleitungen zugeleitet hatte6, bot der Kirchenleitung Anlaß, allgemeine Fragen der Pressearbeit zu besprechen. Dabei wurde unterstrichen, daß es Aufgabe der Informationstätigkeit sei, die verschiedenen Verantwortungsbereiche in der Kirche miteinander in Verbindung zu bringen und den Austausch zu fördern. Es komme nicht darauf an, den Umfang von Informationen zu erweitern, sondern vielmehr darauf, besser und schneller zu informieren. Die kirchlichen Presse- und Informationsstellen wollen im Rahmen ihres Auftrages selbständig arbeiten und kritischer Partner der Kirchen sein. Die Kirchenleitung hat dieser Selbstdarstellung der Informationsarbeit zugestimmt. Kirchliche Presse muß den Eindruck vermeiden, nur Sprachrohr von Kirchenleitungen zu sein. Obwohl die Kirchenleitungen an korrekter Berichterstattung interessiert sind, und mit bestimmten kirchlichen Aktivitäten publizistisch behutsam umgegangen werden muß, darf jedoch nicht der Eindruck des „Offiziellen“ überwiegen. Es werden zu viel Artikel von kirchlichen Funktionären geschrieben. Könnten nicht Leser durch Umfragen und Leserbriefe mehr beteiligt werden? Auffällig ist, daß es Kirchenkreise in der Kirchenprovinz gibt, aus denen Informationen spärlicher fließen oder schwerer zu erlangen sind. Es ist nicht verwunderlich, daß auf diese Weise über manche Gebiete in der Magdeburger Ausgabe der „KIRCHE“ kaum berichtet werden kann. 5 Vgl. Beschlüsse der KL vom 25./26.4.1980. AKPS, Rep. B 3, Nr. 16. Darin: Protokoll der 4. Sitzung der Kirchenleitung am 25./26.4.1980 in Magdeburg, S. 8 f. 6 „Informationstätigkeit als Dienst der Kirche. Überlegungen zu Grundfragen kirchlicher Informationstätigkeit in der DDR.“ Bearbeitet vom Ausschuss für kirchliche Informationsarbeit. Hg. von der Presse- und Informationsstelle des BEK 1980. (hekt.), 18 S. Vgl. Arbeitsbericht des BEK 1979/80, Punkt 2.9.: FAK Information (Bericht als Heft gedruckt vorhanden in: AKPS, Rep. B 3, Nr. 490), sowie Bericht der KKL vor der 4. Tagung der III. Synode des BEK vom 19.–23.9.1980 in Leipzig, in dem die Informationstätigkeit der Kirche gegenüber den Gemeinden als eine „wichtige Aufgabe kirchenleitenden Handelns“ bezeichnet wird. Abgedruckt in: MBL BEK 3–4/1980, S. 66–86, hier: S. 68. Vgl. zum Thema ‚Information‘ KJ 107, 1980, S. 390 f.
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Die Kirchenleitung wird bemüht sein, auch weiterhin Informations- und Pressearbeit zu unterstützen. Dabei sollte besonders die Zusammenarbeit mit anderen landeskirchlichen Pressestellen gefördert werden. Wechselseitiger Materialaustausch könnte uns Arbeit sparen und zugleich Anregungen vermitteln. Der Pressepfarrer wurde gebeten, der Kirchenleitung 1981 über seine Erfahrungen in der Kirchenprovinz zu berichten. [. . .]
BerichtderKirchenleitung,13.November1980 BerichteundBeschlüsse
42 a Bericht der Kirchenleitung auf der 2. Tagung der IX. Synode Halle Diakonissenhaus, 13. November 1980 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 116, Dr. 29/80, S. 1–23, hier: S. 1.17–23 (hekt.). Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 52/1980, S. 28 ff., 42; KJ 107, 1980, S. 393 f. (Auszug).
Schwerpunkte: Weg der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft (gleichberechtigte Verantwortung von Christen auch im Bildungswesen, Erziehung zur kommunistischen Persönlichkeit; Kaderpolitik des Staates)_1 Gliederung: 1. Kirche unterwegs. 2. Beobachtungen auf dem Wege: zum konfirmierenden Handeln. 3. Zwischenstation: Nach den Strukturreformen. 4. Probleme auf dem Wege in die Diaspora. 5. Unterwegs in ökumenischer Partnerschaft: Beziehungen zur katholischen Kirche. 6. Auf dem Wege in der Gesellschaft.
Die Kirchenleitung hatte sich schon vor zwei Jahren vorgenommen, der Synode in einem umfangreicheren Bericht davon Rechenschaft zu geben, wie sie den Weg unserer Kirche sieht – ausgehend von Hoffnungen und Enttäuschungen, kritisch fragend nach der eigenen Position. Da der Synode gleichzeitig ein ausführlicher Bericht des Konsistoriums vorliegt, konnte auf einen Bericht über die Arbeit der letzten Monate verzichtet werden. [. . .] 6. Auf dem Wege in der Gesellschaft 6.1. Haben wir in unserer Kirche schon das Unterwegssein gelernt, in Zuversicht und Glaubensgehorsam? Diese Frage ist nicht zuletzt an den Weg zu richten, den unsere Kirche in unserer Gesellschaft gegangen ist und zu gehen hat. Gerade hier, wo die Identität der Kirche nicht selten in Frage steht und umstritten ist, gilt: Die Identität der Kirche kommt aus dem Blick auf den vorangehenden Herrn, der in allen Wandlungen derselbe bleibt. Darum kann der „Lernprozeß“ der Kirche auf diesem 1 Zur Überwachung dieser Synodaltagung durch die Räte der Bezirke und die Bezirksverwaltungen des MfS vgl. oben Einleitung, S. 26 ff.
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Wege nur in der Nachfolge geschehen, nur ein Prozeß des lern- und dienstbereiten Hörens auf die lebendige Stimme des Herrn sein. 6.2. In diesem Unterwegssein als Kirche werden wir immer wieder neu und anders entdecken, wie uns Jesus Christus die Gesellschaft als Lebenschance und Auftragsfeld erschließt. Das gilt gerade angesichts der Erfahrung, daß christliches Leben in der sozialistischen Gesellschaft nicht konfliktlos verläuft. In dem Konfliktfeld zwischen christlichem Glauben und marxistisch-leninistischer Weltanschauung und Ideologie wird es keine prinzipiellen Lösungen geben. Es gibt aber konkret gangbare Wege, praktikable Verständigungen, gemeinsames Herausgefordertsein durch die Lebensfragen der eigenen Gesellschaft und der Menschheit, ein Unterwegssein, das Marxisten und Christen aus verschiedenen Herkünften und mit verschiedenen Zielen leben, auf dem es aber auch gemeinsame Wegstrecken und sinnvolle, effektive Zusammenarbeit gibt. 6.2.1. Solch einen konkret gangbaren Weg bezeichnet für uns nach wie vor das Gespräch am 6. März 1978. Die Bedeutung dieses Gespräches für uns Christen formulierte der Kirchenleitungsbericht 1978 so: „Christen hatten oft den Eindruck, sie könnten trotz ihres Glaubens in der Gesellschaft mitarbeiten. Die Zusicherung der Chancengleichheit bedeutet aber, daß sie als Christen in der Gesellschaft gleichgeachtet sind“2. Freilich ist das, was am 6. März 1978 über die Chancengleichheit von Christen im Beruf und im Bildungswesen zugesagt wurde, noch nicht zu einer Selbstverständlichkeit in unserer Gesellschaft geworden. Konflikte entstehen mancherorts neu. Auch wenn wir dankbar feststellen können, daß in vielen Fällen die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen aus christlichen Familien ihren eigenen Wünschen entsprechend verläuft und staatliche Organe bemüht sind, Fehlentscheidungen zu korrigieren, bleibt doch die Erfahrung, daß es oft erst dem beharrlichen Einsatz der Betroffenen gelingt, das zugesagte Recht wahrnehmen zu können. 6.2.2.Ein neuer Akzent ist dadurch gesetzt worden, daß für die allgemeinbildenden Schulen wie für das Hochschulwesen als Ziel der Erziehung die kommunistische Persönlichkeit genannt worden ist. Was ist mit dieser Zielsetzung gemeint? Gilt sie für alle, auch für die christlichen Staatsbürger? Was bedeutet dann aber die Erläuterung, die der Minister für Hoch- und Fachschulwesen, Professor Hans-Joachim Böhme, folgendermaßen gegeben hat: „Die kommunistische Erziehung ist [. . .] darauf gerichtet, ein dialektisch-materialistisches Weltbild [. . .] auszuprägen [. . .] Sie reicht von hohem Wissen 2 Zum Gespräch am 6.3.1978 vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der VIII. Synode am 16.11.1978, Punkt 3.1.1 (Dokument 38, S. 375 f.).
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und Können, klaren marxistisch-leninistischen weltanschaulichen und moralischen Grundpositionen [. . .] bis zu einer kulturvollen Lebensweise [. . .]“3?
Wie wird dann einem christlichen Oberschüler oder Studenten noch das Zeugnis ausgestellt werden können, daß er das Erziehungsziel erreicht habe? Wie sich die Kirche um eine Stellung in der Gesellschaft bemüht, bei der sie die weltanschaulichen Grundpositionen vieler führenden Kräfte achtet, so kann sie nicht davon ablassen, die gleichberechtigte Achtung der christlichen Grundüberzeugung von Erwachsenen und Kindern zu erwarten. Auch wenn hier eine Spannung bestehen bleiben wird, muß doch gesichert sein, daß junge Christen ihre Glaubensüberzeugung in Schule und Universität nicht zu verheimlichen brauchen. 6.2.3. Die Bedeutung des Gespräches am 6. März lag aber auch darin, daß es die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Marxisten und Christen in der Erhaltung und Förderung des Friedens unterstrich und zugleich die Grundlage für ein weitergehendes Gespräch über diese Fragen festigte. Die Grundlage hatte sich wenige Monate später anläßlich der Einführung des Wehrunterrichtes zu bewähren. Die Gespräche, die damals mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen geführt wurden, zeigten, daß eine Gesprächsbasis erreicht war, die auch unterschiedliche Meinungen sachlich zu erörtern erlaubte. So sagte Bischof Dr. Krusche vor der EKU-Synode am 30. Juni 1978: „Die Stellungnahme der Konferenz der Kirchenleitungen zur Einführung des obligatorischen Unterrichtsfaches Wehrerziehung in ihrem Schreiben an die Regierung sowie in ihrem Wort an die Gemeinden geschieht auf dem Boden des Gespräches vom 6. März und also unter der Voraussetzung der gemeinsam ausgesprochenen Überzeugung, daß die Erhaltung des Friedens unsere vorrangige Aufgabe sei. [. . .] Wir sehen in diesem Vorgang keine Konfrontation und halten ihn ungeeignet zur Propaganda gegen die DDR und ungeeignet, sich in seiner Skepsis gegenüber dem Gespräch am 6. März bestätigt zu fühlen.“4
Obwohl Wehrerziehung als obligatorisches Unterrichtsfach erklärt worden ist, verlassen wir uns weiterhin auf die Zusage des Staatssekretärs für Kirchenfragen vom Herbst 1978, daß gewissensmäßig begründete Nichtteilnahme nicht zu nachteiligen Folgen führen wird. Wir hoffen, daß die am 6. März erreichte Gesprächsbasis auch jetzt trägt, wo wir wegen der Erhöhung der Mindestumtauschsätze5 unserer Besorgnis 3 Forum, 2. September-Heft 1980, S. 9 [Orig. Anm.]. [= FORUM. Zeitschrift der demokratischen Studenten Deutschlands. Organ des Zentralrats der FDJ für die deutschen Studenten. Berlin Verlag Junge Welt, 34 Jg., 1980]. 4 Zit. im Bericht der KL auf der 4. Tagung der VIII. Synode am 16.11.1978, Punkt 3.1.2a. (Dokument 38, S. 381 f.). 5 Durch Verordnung des Finanzministers der DDR vom 9. Oktober 1980 wurde – mit
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Ausdruck geben, ob sich diese neue Regelung nicht dahin auswirken wird, daß die persönlichen Begegnungen von Familien und guten Freunden seltener und kürzer werden oder überhaupt unterbleiben. Wir sehen, daß dadurch insbesondere Rentner und kinderreiche Familien belastet werden. Und es ist schade, daß es auf diese Weise schwerer wird, unbefangen Gastfreundschaft zu üben. 6.2.4. Diese Maßnahme macht uns erneut das schmerzliche Problem bewußt, daß wir als Deutsche, die durch vielfältige Beziehungen miteinander verbunden sind, in zwei getrennten deutschen Staaten leben. Wir empfinden von neuem, daß dies Problem nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich unbewältigt ist. Die Entspannung im Verhältnis der beiden deutschen Staaten wurde dankbar und hoffnungsvoll aufgenommen; die Sorge, daß diese Entspannung möglicherweise wieder gefährdet sein könnte, beunruhigt viele in unserem Lande. Wie verstehen wir unsere Beziehungen zu den Menschen in der Bundesrepublik, die wir weder leugnen noch aufkündigen können, gerade wenn wir unsere Existenz als Bürger in der DDR im Glauben als Gottes Berufung und Auftragsfeld bejahen? Es ist sinnlos und gefährlich, dieses Problem zu tabuisieren, es ideologisch verdrängen zu wollen oder diejenigen, die hier noch ein Problem sehen und benennen, der Illoyalität gegenüber der DDR zu verdächtigen. Gerade darum müssen wir für uns selbst Klarheit in diesen Fragen gewinnen. Als 1969 die organisatorische Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland aufgelöst und der Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik gegründet wurde6, machten unsere Kirchen ernst damit, daß sie Kirche in der sozialistischen Gesellschaft der DDR sind und in ihr den Auftrag der Zeugnis- und Dienstgemeinschaft zu erfüllen haben. Gleichzeitig hatten wir damals einer Interpretation der Bundesgründung zu widerstehen, die diese als Absage an die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik verstanden wissen wollte. Gegen die Forderung der Parteinahme im Klassenkampf hatten wir hier den Auftrag der Versöhnung im Dienste des Friedens festzuhalten. Beides gehört für uns untrennbar zusammen und interpretiert sich wechselseitig: Wirkung vom 13. Oktober 1980 – der Mindestumtausch für Besucher aus der Bundesrepublik auf 25,– DM pro Tag festgesetzt. Das bedeutete die Verdoppelung des bisherigen Umtauschsatzes. Dies musste zu einer erheblichen finanziellen Belastung für Rentner und für Familien mit Kindern werden, die sich bei Freunden und Verwandten in der DDR für mehrere Tage oder Wochen aufhalten wollten. Gestattet wurde die Ausfuhr von Waren, die für dieses Geld in der DDR erworben wurden. Daran bestand aber angesichts des Warensortiments der DDR meist nur ein geringes Interesse. Faktisch führte es zu einer Verminderung der Besuchskontakte aus der Bundesrepublik in die DDR; das war sicherlich bei dieser Maßnahme auch beabsichtigt. Vgl. dazu W. BRUNS, Deutsch-deutsche Beziehungen, S. 121 ff. 6 Zur Gründung des BEK vgl. oben Dokument 29a, Anm. 5, S. 279.
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Das auftragsgeleitete ganze Ja zur Existenz in der DDR und der Brückendienst der Versöhnung. Die Besonderheit unserer Situation, daß wir Staatsbürger des einen der beiden selbständigen deutschen Staaten sind, daß wir als Deutsche jedoch miteinander verbunden sind durch die Gemeinsamkeit der Geschichte und des Erbes unserer Kultur, der Sprache und durch familiäre Beziehungen und daß es uns daher nicht gleichgültig sein kann, wie sich die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten gestalten, haben wir im Lichte unseres Friedensauftrages und unserer besonderen Berufung zum Friedensdienst an der Nahtstelle der beiden Weltsysteme zu sehen. Darum haben der Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und die Evangelische Kirche in Deutschland zum 1. September 1979 gemeinsam ein Wort zum Frieden gesprochen7. Darum haben wir in der Evangelischen Kirche in Deutschland und im Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik am 9. November den Bittgottesdienst für den Frieden gehalten8. Darum erklärte die Bundessynode in Dessau 1979, „daß die Kirchen in den beiden deutschen Staaten im Zentrum Europas sich in besonderer Weise der Aufgabe der Forderung des Friedens verpflichtet wissen.“9 Damit versuchen wir dem zu entsprechen, was die ökumenische Konferenz der Kirchen in den sozialistischen Ländern, die im Januar dieses Jahres in Budapest tagte, in ihrem Aide-mémoire aussprach: „In einer Situation, in der die Beziehungen zwischen den Nationen angespannt sind oder sogar blockiert oder abgebrochen werden, glauben wir, daß es die Aufgabe der Kirche ist, als Instrument der Kommunikation zu dienen. Sie können sich nicht an der Eskalation der Polemik beteiligen, sondern sind dazu aufgerufen, Vertrauen und gegenseitiges Verstehen wiederherzustellen, auch dann, wenn solche Aktionen mißverstanden werden.“10 7 Wort zum Frieden des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und der Evangelischen Kirche in Deutschland zum 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges vom 24.8.1979. Abgedruckt in: MBL BEK 5–6/1979, S. 65; KIRCHE ALS LERNGEMEINSCHAFT, S. 260 ff.; KUNDGEBUNGEN EKD 3, S. 448 ff. u. ö. 8 Am 9.11.1980 fanden Bittgottesdienste für den Frieden in den evangelischen Kirchen der Bundesrepublik Deutschlands und der DDR unter Verwendung gemeinsamer Texte statt. Dies war der Auftakt zur ersten Friedensdekade (9.–19. November 1980). Vgl. KJ 107, 1980, S. 414. 9 Beschluß der Bundessynode in Dessau zur Frage der Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa vom 25.9.1979. Abgedruckt in: MBL BEK 5–6/1979, S. 61; KJ 106, 1979, S. 402 f., hier: S. 403; KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 308. 10 Vom 28.–31.1.1980 fand in Budapest die Zweite Konsultation des ÖRK mit Mitgliedskirchen aus sozialistischen Ländern (Bulgarien, Tschechoslowakei, DDR, Ungarn, Po-
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6.2.5. Unser christlicher Friedensauftrag in der DDR an der Grenze der beiden Weltsysteme schließt also ein: – die volle Bejahung des Lebens und Christseins in der sozialistischen Gesellschaft der DDR als dem Ort der Berufung, an den uns Gott stellt, den Dienst am inneren Frieden unserer Gesellschaft, an ihrer Stabilität und das heißt an ihrer positiven Weiterentwicklung, den Aufbau von Vertrauen und Offenheit und den Abbau von Mißtrauen und Angst in unserer Gesellschaft. Wenn wir auf diese Weise „der Stadt Bestes suchen“11, arbeiten wir mit an einer wesentlichen Voraussetzung für ein entspanntes Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten. – die Mitarbeit am Brückendienst der Versöhnung zwischen den Staaten. Wir haben – wie es in Budapest ausgesprochen wurde – „Instrument der Kommunikation“ zu sein. 6.3.1. Der uns aufgetragene Friedensdienst steht in globalen Zusammenhängen. Auch in diesem Auftrag, der unsere Kirche seit dem zweiten Weltkrieg intensiv beschäftigt, gilt es gehorsames Unterwegssein und Unterwegssein im Gehorsam zu lernen. Die 1964 erarbeitete Handreichung zur Seelsorge an Wehrpflichtigen12 hat darauf hingewiesen, daß die Bedeutung von Armeen zur Erhaltung des Friedens durch Rüstungsgleichgewicht und Abschreckung auch eine Kehrseite hat: Ihre Funktion, den Spielraum für politische Friedenssicherung und Abrüstungsverhandlungen offenzuhalten, wird durchkreuzt durch ein „Zwangsgefälle“, das Schritte auf eine internationale Friedensordnung hin verhindert. Dieser Problematik wegen konnten wir nicht gleichgewichtig vom „Friedensdienst mit und ohne Waffe“13 sprechen, sondern bezeichneten den Dienst ohne Waffe len, Rumänien, Jugoslawien, Sowjetunion) statt (Budapest II). Auf der Tagung standen die weltpolitischen Probleme im Vordergrund der Verhandlungen. Aus dem Kommuniqué von der Konsultation wird das allerdings kaum erkenntlich, aber in dem – in den sozialistischen Ländern nicht veröffentlichten – Aide mémoire. Vgl. KJ 107, 1980, S. 372. Das Aide mémoire ist abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 19/1980, S. 93 ff. 11 Jer 29,7. 12 Vgl. oben Dokument 21a, Anm. 2, S. 202. 13 Als Ergebnis kirchlicher Friedensarbeit gelten vor allem die Friedensdekaden. In erster Linie beschäftigten sich die Friedendekaden der Jahre 1980–1982 – unter dem Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ (1979/80), mit dem Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ (1981) und der Forderung nach einem „Sozialen Friedendienst“ (1981) – immer wieder mit dem Problem „Friedensdienst mit und ohne Waffe“. Vgl. U. KOCH/S. ESCHLER, Zähne hoch Kopf zusammenbeissen, S. 65–69 [zur Wehrdienstverweigerung]; A. SILOMON, „Schwerter zu Pflugscharen“; M. HOHMANN, Friedensarbeit [zu „Schwerter zu Pflugscharen“] und E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 389–395 [zum Sozialen Friedensdienst], S. 398–404 [„Schwerter zu Pflugscharen“] und S. 414–418 [Friedensgebete und Friedensdekaden]. Allgemein zur Friedensarbeit in der Evangelischen Kirche in der DDR 1978–1987 vgl. KJ 114, 1987, S. 95–265. Zu „Schwerter zu Pflugscharen“ vgl. auch unten Dokument 44, Anm. 1, S. 427.
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als das „deutlichere Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebotes unseres Herrn.“ 6.3.2. Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Helsinki, die Entspannungspolitik, die Verhandlungen zur Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung verstärkten die Hoffnung, daß es zu politischen Friedenssicherungen kommt, die einen Abbau der Rüstungen möglich machen. In den letzten Jahren ist aber das „Zwangsgefälle“ der Rüstung in Gestalt der Mechanismen des Wettrüstens erschreckend ans Licht getreten. Die irrationale Dynamik des Wettrüstens verschlingt die Wirtschaftskraft, die zur Lösung der Lebensprobleme der Dritten Welt gebraucht würde, sie macht die ökologischen Probleme im Weltmaßstab unlösbar, sie läuft den Verhandlungen zu Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung davon. Das Erschrecken über diese Entwicklungen und über die wachsende Rolle des Militärischen auch in unserem Land spricht aus den Berichten der Kirchenleitung von 1977 und 1978 und aus dem Synodalwort von 1979 „Was können wir jetzt wirklich für den Frieden tun?“14 6.3.3. Die vierte Nach-Helsinki-Konsultation der Konferenz Europäischer Kirchen „Vertrauensbildung im Bereich der Helsinki-Signatarstaaten – Aufgaben für die Kirchen“ (29. Mai bis 3. Juni in Madrid)15 hat die Mitgliedskirchen gebeten, „an die Regierungen hinsichtlich des Begriffs ‚Nationale Sicherheit‘ die Forderung zu stellen, ein Rüstungsmoratorium (z. B. über die Mittelstreckenraketen beider Bündnissysteme) zu erwägen“; die Mitgliedskirchen selbst werden gebeten, „ihren Standpunkt im Blick auf den Besitz und den Gebrauch von Atomwaffen zu überprüfen oder zu revidieren, um auf diese Weise zu einer Sicherheitsund Verteidigungspolitik beizutragen, die nicht länger von gegenseitiger nuklearer Abschreckung bestimmt ist“. Müssen wir nicht das bedingte Ja zum Rüstungsgleichgewicht, das unsere Kirche in den sechziger Jahren gesprochen hat, auf Grund der Erfahrungen mit der Rüstungsentwicklung überprüfen und eine uneingeschränkte Absage an den militärischen und politischen Gebrauch von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen16 aussprechen? 14 Vgl. oben Anm. 9. 15 IV. Nach-Helsinki-Konsultation „Vertrauensbildung im Bereich der Helsinki-SignaturStaaten – Aufgaben für die Kirchen“ vom 29.5.–3.6. in Madrid. Vgl. BERICHT DER NACH-HELSINKI-KONSULTATION DER KEK. Als Vertreter der Kirchen in der DDR nahmen Bischof Dr. Gienke und OKR Lewek teil. Vgl. KJ 107, 1980, S. 367; ZDZ 34, 1980, S. 469 ff. 16 Vgl. das Votum der Niederländischen Reformierten Kirche: „Wort an die Gemeinden zur Kernbewaffnung“ (21.11.1980) der Generalsynode der Nederlandse Hervormde Kerk zu der in Kirche und Öffentlichkeit heftig diskutierten Denkschrift „Kirche und Kernbewaffnung“ (1979). Texte: KIRCHE UND KERNBEWAFFNUNG; WORT AN DIE GEMEINDEN ZUR KERNBEWAFFNUNG.
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Müßte das nicht die verbindliche Erklärung von Christen einschließen, sich an einem Krieg, in dem Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden, an den Vorbereitungen auf einen solchen Krieg sowie an einem Abschreckungssystem, das auf einen solchen Waffensystem beruht, nicht zu beteiligen? Ist dieses konkrete und verbindliche Nein nicht notwendig, damit das tätige Ja zu allem, was dem Frieden dient, Nachdruck, Entschiedenheit und Verbindlichkeit gewinnt? Ist dieses Nein nicht vor allem nötig, um gegen die grassierende Verharmlosung des Rüstungswettlaufs, die Verschleierung seiner Absurdität und die vordergründige Rechtfertigung der eigenen Beteiligung daran zu protestieren? Wir können dies nur in Frageform aussprechen, weil uns noch nicht klar ist, welche praktischen Folgen diese Absage für das Handeln und Verhalten der Kirche und der Christen hätte. Dennoch können wir diese Fragen nicht unterdrücken, und wenn wir im Gehorsam unterwegs sind, gilt es, auch Fragen zu stellen und Fragen standzuhalten, auf die wir noch keine Antwort wissen. Wir verkennen in gar keiner Weise, wie kompliziert und komplex dieser ganze Problembereich ist, aber wir dürfen die ganz einfache Frage: „Wie bleiben wir und die anderen am Leben?“ nicht durch das unterdrückt werden lassen, was als politischer Realismus gilt. 6.4.1. Beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft ist seit den Jahren des Anfangs betont worden, daß die Mitwirkung aller Bürger an der Gestaltung unseres gesellschaftlichen Lebens notwendig sei. Diese erwünschte Mitwirkung setzt voraus, daß man mit den Zielstellungen einverstanden ist, daß Teilprogramme gemeinsam ausgearbeitet werden und die eigene Initiative der Mitarbeitenden geweckt und einbezogen wird. So kann auch Mitverantwortung übernommen und bewährt werden. Es besteht aber der Eindruck, daß in unserem Lande nur ein Teil der Bürger an diesem Prozeß aktiv beteiligt wird und Mitverantwortung übernehmen kann. Immer mehr Führungs- und Leitungspositionen17 werden als
Auf dieses Wort der Niederländischen Reformierten Kirche antwortete die KKL in einem Brief am 9.1.1982. Abgedruckt: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 48 ff. 17 Die Kaderpolitik der SED war bereits seit 1945/46 darauf gerichtet, Schlüsselpositionen im staatlichen Leitungs- und Verwaltungsbereich, aber auch in den Großorganisationen von Wirtschaft und Gesellschaft mit Mitgliedern der KPD, dann der SED zu besetzen. Vgl. dazu H. WEBER, Geschichte der DDR, passim. – Während in den 50iger Jahren noch Rücksicht genommen werden musste auf die Fachkompetenz von „bürgerlichen Professoren, Ärzten, Künstlern“ (o. Ä.), wurde seit 1961 strenger durchgesetzt, dass Inhaber von Leitungsfunktionen SED-Mitglied waren. Ausnahmen (mit Rücksicht auf die anderen Blockparteien) bestätigten die Regel. Kirchlicherseits wurde dem entgegengehalten, dass dem Staat im Eigeninteresse daran gelegen sein müsse, das Engagement „mündiger Mitverantwortung“ von Christen einzubeziehen. Das Thema der Kaderpolitik begleitet die Auseinandersetzungen und kirchlichen Stellungnahmen in den 70iger und 80iger Jahren kontinuierlich. Es war kirchlicherseits auch bei dem Grundsatzgespräch
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Nominierungspositionen durch die Sozialistische Einheitspartei besetzt. Damit wird aber die Bejahung des Marxismus-Leninismus zur Grundvoraussetzung dafür gemacht, an Leitungsentscheidungen beteiligt zu sein und damit leitend an der Entwicklung der Gesellschaft mitzuwirken. Muß das nicht dazu führen, daß Christen – auch wenn sie für Leitungsaufgaben befähigt sind – für diese gesellschaftliche Mitarbeit immer weniger in Frage kommen? Werden aktive Bürger so nicht ins Private abgedrängt, weil ihnen eine ihren Fähigkeiten entsprechende Beteiligung an der Leitungsverantwortung versagt bleibt? Christen sind freilich schwer einzuordnen in einen demokratischen Zentralismus, wenn er so praktiziert wird, daß man sich auf Entscheidungen von „oben“ verläßt und beruft, selbst aber nur zur Ausführung von Teilentscheidungen bereit ist. Christen möchten, wenn sie Verantwortung übernehmen, gern selbständig mitdenken und in ihrem Tätigkeitsbereich nicht einfach auf die Weisung „von oben“ warten, sondern eigenverantwortliches Handeln in die gesellschaftlichen Prozesse einbringen. Auch wenn dies unbequem sein kann, dürfte es sich auf das gesellschaftliche Gesamtgeschehen positiv auswirken. Wir wünschen uns eine Entwicklung, in der Christen wie alle anderen Bürger unseres Staates sowohl an der gemeinsamen Arbeit als auch an der Leitungsverantwortung beteiligt wären. Wir wissen durchaus, daß auch in der Kirche das Auseinanderrücken von Leitungsebene und Basis eine Gefahr ist. Wir hören die Anfragen, ob an den einzelnen Entscheidungen die Betroffenen genügend beteiligt sind, ob Initiativen aus den Gemeinden wirklich zum Zuge kommen, ob Kritik gehört und verarbeitet wird, ob die Unterschiedlichkeit der vielfältigen Einzelsituationen genügend beachtet wird. Auch wir kennen das Desinteresse an gesamtkirchlichen Leitungsvorgängen und die Scheu vor der Übernahme von Leitungsverantwortung. Nur weil wir uns diesen Fragen selbst stellen müssen, können wir sie auch im Blick auf die Gesellschaft benennen. 6.4.2. Die Jugend18 scheint sich weithin darauf einzustellen, daß ihre Entwicklung unter den Bedingungen einer festgelegten Richtungsanweimit Erich Honecker am 6. März 1978 vorgetragen worden. Vgl. dazu die Quellenverweise zur Synode Nov. 1978 (Dokument 38), Anm. 4, S. 375, u. K. SCHROEDER/S. ALISCH, SED-Staat. 18 Die Jugendarbeit war immer wieder Thema späterer Synoden. Vgl. oben vor allem Bericht der KL auf der 4. Tagung der IX. Synode am 4.11.1981 (Dokument 43), Punkt 9. Zur Situation der Jugendarbeit (Offenheit) (S. 415–420), auf der 8. Tagung der IX. Synode vom 23.–28.11.1983 (Dokument 46), Punkt 6.2. Kirchliche Jugendarbeit (S. 448 ff.), und auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.–28.10.1984 (Dokument 47), Punkt 5.2. Die Arbeit mit besonderen Gruppen (S. 475).
Bericht der Kirchenleitung, 13. November 1980
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sung verläuft und nur einen verhältnismäßig geringen Spielraum hat zur Verwirklichung eigener Lebensentwürfe. Wo Initiativen über einen gesetzten Rahmen hinausgehen, erregen sie leicht Mißtrauen. Es ist allerdings erstaunlich, wie Jugendliche, die einen Weg suchen, der ihren eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen entspricht, auch innerhalb der ihnen gesetzten Grenzen Freiräume einer persönlichen Lebensgestaltung entdecken und bewahren. Wie begleitet unsere Gemeinde ihre Jugend auf einem Weg zwischen Anpassung und Selbstfindung? Erziehen wir nicht bereits unsere Kinder dazu, daß sie nicht auffallen, daß sie nicht sagen, was sie denken, und daß sie sich nur anstrengen, um das Fortkommen nicht zu gefährden? Wie verhelfen wir ihnen zu der befreienden Erfahrung einer sinnvollen Lebensgestaltung, die auch ihnen vom Evangelium eröffnet ist? Wir sind darauf aufmerksam geworden, daß es Jugendliche gibt, die sich den Anforderungen einer angepaßten Verhaltensweise verweigern und darüber zu Außenseitern in Gesellschaft und Kirche19 werden. Einzelne Kirchengemeinden und Mitarbeiter haben hier eine Aufgabe entdeckt und angenommen. Freilich wird ihr Engagement weithin noch nicht verstanden und mitunter auch mißdeutet. Wie können wir helfen, ihre Bemühungen einsichtig zu machen und solche Entfremdungserfahrungen junger Menschen aufzuarbeiten? 6.4.3. An verschiedenen Stellen wird spürbar, daß die Entscheidungen im Alltag unserer Gesellschaft sich nicht an großen ideologischen Zielsetzungen orientieren. Man fragt danach, was etwas kostet, wieviel Leute gebraucht werden, ob das Material vorhanden ist – ob die Sache geht. Man nennt solche Haltung Pragmatismus. Darin liegt ein Verzicht auf echte Hoffnungen und Wert, der bedenklich werden kann. – Trotzdem kann solch pragmatisches Denken auch etwas Gutes enthalten: Nämlich die Rückfrage nach dem, was für den einzelnen und das Miteinander jetzt nötig ist. Wer bereit ist, zuerst nach dem Menschlich-Nötigen zu fragen, handelt human. Wo in den Gemeinden so gefragt wird, nützt das allen. 6.5. Nach dem Menschlich-Nötigen fragen, heißt heute aber vor allem fragen: Was muß getan und was muß unterlassen werden, damit unsere Erde für die kommenden Generationen bewohnbar bleibt und sich das Leben auf ihr lohnt?
19 Vgl. auch unten Bericht der KL auf der 8. Tagung der IX. Synode vom 23.–28.11.1983 (Dokument 46), Punkt 6.2. Kirchliche Jugendarbeit (S. 448 ff.; vor allem zu den Vorgängen in Halle-Neustadt s. R. SCHULZE, Jugenddiakon Rochau), und auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.–28.10.1984 (Dokument 47), Punkt 5.2. Die Arbeit besonderer Gruppen (S. 475).
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Im Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen vor der Bundessynode in Leipzig heißt es: „Welchen Umkehrruf hören wir unter den Jesu Zeichen unserer Zeit und wie gewinnt diese Umkehr konkrete persönliche, familiäre, gemeindliche Lebensgestalt? Indem wir danach fragen, werden wir zugleich Kontakt zu den Diskussionen suchen, die in unserer Gesellschaft über die sozialistische Lebensweise geführt werden. Bei alledem haben wir sowohl einer oberflächlichen Verharmlosung der Probleme, als auch einer leichtfertigen Erzeugung von Krisenstimmungen zu widerstehen. Die Botschaft vom gekreuzigten und auferweckten Christus will uns dazu helfen, daß wir uns den Gefahren stellen, die auf uns zukommen. Gerade in ihnen gilt es, die Hoffnung festzuhalten, daß Gott uns zur Umkehr ruft und uns so die Zukunft offenhält.“20
Viele Zeichen sprechen dafür, daß wir vor tiefgreifenden Umwandlungsund Veränderungsprozessen stehen, die vielleicht epochales Ausmaß haben. Im Gehorsam unterwegs sein, heißt, in wacher Sensibilität wahrzunehmen, wo sich alte Strukturen überleben und Verhaltensweisen totlaufen, wo sich neue Wege, Werte, Orientierungen ankündigen, in denen wir Gottes weiterführende Wege mit uns entdecken können. BerichteundBeschlüsse BeschlussderSynode
42 b Beschluss der Synode zum Bericht der Kirchenleitung Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 116, Dr. 29.2./80, S. 1–3, hier: S. 2 f. (hekt.) und Protokoll des Sitzungstages 16. November 1980. Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 52/1980, S. 46 f.; KJ 107, 1980, S. 394 f. (Auszug); A. SILOMON, „Schwerter zu Pflugscharen“, S. 33 f. (Auszug).
[. . .] Die Synode nimmt die Sorgen auf, die der Bericht der Kirchenleitung zu unserem Weg in der Gesellschaft nennt und die wir aus unseren Gemeinden kennen (Forcierung des Wettrüstens, Vertrauengefährdende Beiträge in Medien, mangelnde Gesprächsbereitschaft, Erschwerung menschlicher Begegnungen). Viele Ereignisse dieses Jahres haben uns betroffen gemacht, Ängste geweckt, uns mit Sorgen erfüllt und das Gefühl der Ohnmacht vergrößert. Wir stehen in der Gefahr, uns zwischen Ärger und Gleichgültigkeit zu 20 Bericht der KKL vor der 4. Tagung der III. Synode des BEK vom 19.–23.9.1980 in Leipzig. Abgedruckt in: MBL BEK 3–4/1980, S. 66–86, hier: S. 670.
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verlieren. Weil wir der Situationsbeschreibung in dem Bericht der Kirchenleitung zustimmen, rufen wir unsere Gemeinden in der Friedlosigkeit der Welt erneut zum Frieden, der nicht zerstört. In der Zerrissenheit der Völker ermutigen wir zur Versöhnung, die niemanden gefährdet. In der Hoffnungslosigkeit der Menschen, die uns tief betroffen macht, ermutigen wir zur Hoffnung, die uns weiterführt. Wegen der Bitterkeit vieler Herzen rufen wir erneut zum Wagnis der Liebe, die Leben bewahrt. Indem wir dies tun, helfen wir, daß Offenheit und Vertrauen wachsen können und Mißtrauen und Angst abgebaut werden. So dienen wir dem inneren Frieden in unserer Gesellschaft, so „suchen wir der Stadt Bestes“ (Jer 29). So geben wir eine Antwort auf die Frage „Was können wir heute wirklich für den Frieden tun?“ und verweisen damit zugleich auf das Wort der Synode vom November 197921. Wir unterstreichen, daß wir Deutschen an der Nahtstelle der beiden Weltsysteme eine besondere Verantwortung für Frieden und Entspannung haben. „Das auftragsgeleitete ganze Ja zur Existenz in der DDR und der Brückendienst der Versöhnung“ gehören für uns untrennbar zusammen und interpretieren sich gegenseitig. Es bereitet uns Sorge, daß durch die entstandenen Spannungen zwischen den beiden deutschen Staaten die persönlichen Begegnungen erschwert werden. In diesem Zusammenhang äußert die Synode ihr Bedauern darüber, daß nicht alle Journalisten, die über die Synodaltagung berichten wollten, an ihr teilnehmen durften22. Wir sind daran interessiert, daß eine sachliche Berichterstattung über unsere Synode innerhalb und außerhalb der DDR möglich ist. Wir sind nicht nur mitverantwortlich für den Frieden in unserer Gesellschaft, sondern auch dafür, daß unsere Welt erhalten bleibt. Wir haben dazu schon oft gesprochen. Auch wenn wir befürchten, daß sich die Worte verbrauchen, müssen wir in dieser Situation reden. Es hat sich herausgestellt, daß das Konzept, Sicherheit durch militärisches Gleichgewicht zu gewährleisten, wegen des fehlenden gegenseitigen Vertrauens das Wettrüsten faktisch nicht verhindert hat, das alles Leben auf der Erde gefährdet. Mit der Kirchenleitung sind wir der Meinung, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem radikale Konsequenzen gezogen werden müssen, 21 Vgl. oben Anm. 9. 22 Seit dem Erlass des Ministerrats der DDR vom 1.3.1973 (Verordnung über die Tätigkeit von Korrespondenten in der DDR) wurden Korrespondenten von ARD und ZDF sowie von Zeitungen und Zeitschriften aus der Bundesrepublik in der DDR akkreditiert. Dennoch kam es von Seiten der Regierung immer wieder zu Ermessensentscheidungen, die eine Berichterstattung störten oder verhinderten.
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wenn es nicht zur Katastrophe kommen soll. Wir sind ratlos. Nur weil wir gewiß sind, daß Gott seine Welt nicht im Stich läßt, und also Vertrauen wecken und Frieden stiften kann, wagen wir überhaupt noch zu reden. Zwischen Hoffnung und Angst fragen wir nach den nächsten Schritten. Eine Seite müßte mit einem Zeichen des Vertrauens beginnen. Der gegenseitige Vorwurf, das Wettrüsten verschuldet zu haben, und die beiderseitige Behauptung, nur nachzurüsten, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, führen nicht weiter. Die Verhandlungen dauern zu lange und werden von der Dynamik des Wettrüstens immer wieder überrollt. Jetzt bedarf es eines Rüstungsstops zumindest auf dem Gebiet der Nuklearwaffen und der Mittelstreckenraketen. Wir fragen mit der Kirchenleitung: Können wir das früher einmal von uns ausgesprochene bedingte Ja zum Rüstungsgleichgewicht noch aufrechterhalten? Können Christen sich überhaupt noch an einem Krieg, an seiner Vorbereitung oder an einem Abschreckungssystem, das immer gefährlichere Massenvernichtungswaffen einschließt, beteiligen? Müssen Christen nicht ein deutliches Nein sagen zur Verharmlosung des Rüstungswettlaufs und zur Verschleierung seiner Folgen sowie zu der vordergründigen Rechtfertigung der Beteiligung daran? Müssen Christen sich nicht ausschließlich auf das tätige Ja zu allem, was dem Frieden dient, konzentrieren, damit nicht Leben zerstört wird? Die elementare Frage der Betroffenen: „Wie bleiben wir und die anderen am Leben?“ muß von denen gehört werden, die über die rüstungstechnischen und militärpolitischen Fragen verhandeln und entscheiden. Die Synode dankt den Mitarbeitern und den Gemeindegliedern, die Wehrpflichtige seelsorgerlich beraten und begleiten und dazu Beratungs- und Begegnungstage durchführen. Die Synode bedauert, daß durch mangelnde Information diese Möglichkeiten nicht voll genutzt werden. Die Synode unterstützt alle Bemühungen der Konferenz der Kirchenleitungen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und unserer Kirchenleitung, den Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft die Sorgen und Fragen vorzutragen, die aus den Bedrohungen unserer Zeit erwachsen.
BerichtderKirchenleitung,4.November1981 BerichteundBeschlüsse
43 Bericht der Kirchenleitung auf der 4. Tagung der IX. Synode Halle Diakonissenhaus, 4. November 1981 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 118, Dr. 30/81, S. 1–37, hier: S. 15–25 (hekt.). Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 51/1981, S. 3–16 (Teil 1). Der Beschluss der Synode zum sozialen Friedensdienst vom Nov. 1981 ist (im Auszug) dokumentiert in: KJ 1987, S. 149 f. u. in: EPD-DOKUMENTATION 51/1981, S. 24.
Schwerpunkte: Situation christlicher Schüler und kirchlicher Jugendarbeit; gestörtes Verhältnis zu Polen; christliches Friedenszeugnis in seiner konkreten Gestalt Gliederung: [Teil I]: 1. Auftrag und Weite. 2. Abendmahl und Gemeindeaufbau (Stärkung). 3. Kirchentage 1981 und 1983 (Ermutigung). 4. Zum Gespräch mit der Russisch-Orthodoxen Kirche (Konzentration). 5. Vielfältige Partnerbeziehungen (Partizipation). 6. Gebäude und Gemeinde (Erbe). 7. Umgang mit dem Geld (Umsicht). 8. Kinder, Schule und Elternhaus (Tragfähigkeit). 9. Zur Situation der Jugendarbeit (Offenheit). 10. Unsere Nachbarn (Brücken). 11. Verantwortung für den Frieden (Vertrauen). 12. Gebet. Teil II: 13. Personalentscheidungen. 14. Stellenplanung. 15. Kirchliche Vorausbildung. 16. Ausbildung der Gemeindepädagogen. 17. Kirchlicher Fernunterricht. 18. Eheseelsorge und Eheberatung. 19. Raumordnung im Harzbereich. 20. Projekt Schönburg. 21. Augustinerkloster Erfurt. 22. Kriterien für ein künftiges Gesangbuch. 23. Revision der Lutherübersetzung des Neuen Testaments.
[. . .] 8. Kinder, Schule und Elternhaus (Tragfähigkeit) 8.1. Durch die Berichte zur Lage und Berichte aus den Kirchenkreisen wird die Kirchenleitung immer wieder mit Problemen befaßt, die unseren Kindern in der Schule Not machen. Es mag sich dabei häufig um Einzelfälle handeln. Wir wissen auch, daß sie da, wo wir sie unseren staatlichen Gesprächspartnern namentlich nennen konnten, bereinigt wurden. Aber wir sehen auch, daß sie da, wo sie auftreten, nicht nur einen Schatten bei den Betroffenen hinterlassen, sondern
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daß sie weit über den örtlichen Bereich hinaus auf Kinder und Eltern verängstigend wirken. 8.2. Es muß jedoch festgehalten werden, daß das Bild aufs Ganze der Kirchenprovinz gesehen sehr differenziert ist. Man kann weder von dem Lehrer noch von der Schule reden. Wir sind dankbar für alle Freundlichkeit und Zuwendung, die christliche Kinder von Schule und Lehrern erfahren, wenn sie mit der Minderheitssituation nicht fertig werden. Wir freuen uns über jedes Zeichen echter Toleranz, durch das die Teilnahme an der Christenlehre und am Leben der Jungen Gemeinde respektiert wird. Wir möchten gern auf das was eigentlich selbstverständlich erscheint, besonders hinweisen, damit es auch andere ermuntert und ermutigt, Wir sind gewiß, daß da, wo Ängste abgebaut werden, Vertrauen und Offenheit mehr und mehr die Atmosphäre bestimmen werden. 8.3. Gerade darum ist es für uns schmerzlich, daß auch im Berichtszeitraum ganz andere Erfahrungen gemacht wurden. Eine zuweilen unerträgliche Intoleranz gegenüber christlichen Schülern geht jetzt häufig von Mitschülern aus. Hänseleien und Spott verursachen gerade bei jüngeren Schülern seelischen Schaden, wenn sie sich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen. Wir wissen von einigen namentlich bekannten Fällen, sie konnten zumeist bereinigt werden, aber die Ängstigungen blieben. Wir fürchten, daß in einer Grauzone sich mehr an Intoleranz zeigt, als wir ahnen. Darum geht unsere dringliche Bitte an die Lehrer, durch Erziehung zu gegenseitiger Achtung dazu beizutragen, daß überall ein Klima entsteht, in dem christliche Kinder ohne Ängstigungen leben können. Wahrscheinlich ist es an der Zeit, daß durch eine eindeutige Erklärung von Regierungsseite aus, an die sich Lehrer, Eltern und Schüler halten können, die Atmosphäre bereinigt wird. 8.4. Wir müssen uns aber auch an Eltern und alle Gemeindeglieder wenden, alle Ängste abzulegen. Oft klagen Eltern bei Pfarrern über Lehrer, die die Teilnahme an der Christenlehre als unerwünscht erklären, die andeuten, daß Teilnahme an der Konfirmation die Zulassung zur Oberschule verhindern könnte. Sie bitten aber dringend darum, ihre Namen nicht preiszugeben, weil sie Rückschläge für ihr Kind in der Schule und für sich im Betrieb fürchten. Das hilft aber weder ihnen noch ihren Kindern. Gerade darum sollte eine Begebenheit genannt werden, die für andere Eltern ermutigend sein könnte. In einer Schulklasse wurde an einem Schüler von seinen Mitschülern „Klassendresche“ vollzogen, weil er statt an einer festgesetzten Altstoffsammlung an der Christenlehre teilgenommen hatte. Die Klasse war durch die Verhaltensweise des Lehrers dazu ermutigt
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worden. Weil der Fall namentlich bekannt war, konnte er den staatlichen Stellen zur Kenntnis gebracht werden. Der Sache wurde nachgegangen, und durch einen Klassenleiterwechsel wurde der Fall bereinigt. Wir sind dankbar dafür, daß unser Anliegen sofort aufgegriffen wurde. Wir freuen uns aber noch mehr darüber, daß hier Eltern die Freiheit gewonnen hatten, aus Resignation und Anonymität herauszutreten. Wir möchten darum auch andere Eltern ermutigen, doch durch ihr Eintreten für ihre Kinder dem Geist der Intoleranz zu wehren und gegebenenfalls auch uns zu ermöglichen, ihren Kindern zu helfen. Wir meinen, daß es nicht gut ist, Kinder in diese Schwierigkeiten hineingehen zu lassen, ohne sich auch selbst offen zu ihnen zu stellen. Wir bitten Eltern und alle Gemeindeglieder, auch um der Barmherzigkeit mit unseren Kindern willen, sich nicht, aus welchen Gründen auch immer, vom Leben der Gemeinde zurückzuziehen und so ihre Kinder nicht allein zu lassen, sondern ihnen das Leben in der Fröhlichkeit der Christen vorzulegen, wovor alle Ängste weichen müssen. 8.5. In der Frage der Friedenserziehung kam es zu keiner Annäherung der Standpunkte. Der Aufbau von Feindbildern hält an. Wir bedauern tief, daß bereits in der 5. Klasse im Sportunterricht der Gebrauch des Wurfgerätes Handgranate F 1 eingeübt wird. Dennoch werden wir geduldig und unermüdlich unseren Wunsch geltend machen, daß Heranwachsende während ihrer Schulzeit darin eingeübt werden, wie Konflikte gewaltlos gelöst werden können. Davon wird noch im Abschnitt 11 zu reden sein. 8.6. Wir müssen unsere Gesprächspartner fragen: – Was muß geschehen, damit nicht durch immer wieder aufbrechende Fälle von Intoleranz in den Schulen die durch das Gespräch vom 6. März 19781 anderweitig so erfreulich abgebaut wurde? – Wir müssen aber auch uns fragen: Was können wir tun, daß wir nicht immer nur geängstigt und schließlich resigniert auf das schauen, was uns ein Leben im Glauben schwer macht, sondern dankbar und froh die Freiheit gebrauchen, zu der unser Herr uns befreit hat? 9. Zur Situation der Jugendarbeit (Offenheit) 9.1. Es gab im letzten Jahr verschiedene Anstöße, sich mit der Situation der Jugend und der Jugendarbeit zu beschäftigen; es gab Fragen, die 1 Zum Gespräch am 6.3.1978 vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der VIII. Synode am 16.11.1978, Punkt 3.1.1. (Dokument 38, S. 375–380).
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uns über Auftrag und Ziel nachdenken ließen. U. a. hatte die Kirchenleitung die Beschlüsse der Synode, die auf Grund des Visitationsberichtes des Bischofs2 gefaßt worden waren, zu bearbeiten (Dr. 9/81 u. 9.1./81)3. Darauf wird im Bericht über die Erledigung der Beschlüsse der Synode eingegangen. Auf Empfehlung der Kirchenleitung hat sich mehr als die Hälfte der Kreissynoden mit dem Thema „Jugendarbeit“ befaßt. Die Kirchenleitung hat sich mit den Berichten dieser Kreissynoden4 beschäftigt. Nach den Berichten der Jugendmitarbeiter ist in diesen Synoden das Bewußtsein für die Notwendigkeit der Jugendarbeit, aber auch für ihre besonderen Schwierigkeiten gewachsen. Es gab auch konkrete Beschlüsse wie zur Bildung von Jugendausschüssen, zum Ausbau von Jugendräumen, zur Aufnahme eines besonderen Titels „Jugendarbeit“ im Haushaltsplan u. a. m. Wichtig war, daß Kreissynoden und Junge Gemeinde einander in partnerschaftlichem Gespräch begegneten und einander nach ihrem Auftrag und ihrer Verantwortung fragen konnten. Nach einer Jugendwoche in Halle und dem Petersbergtreffen war es zu Gesprächen mit staatlichen Vertretern einerseits5 und den Mitar2 Vgl. Visitationsbericht des Bischofs Dr. Krusche. AKPS, Rep. C 1, Nr. 116. Darin: Die Jugendarbeit zwischen Verbindlichkeit und freiem Angebot. Eindrücke und Beobachtungen bei der Visitation der Jugendarbeit in der Kirchenprovinz Sachsen (November 1978 bis August 1979), S. 1–30. 3 AKPS, Rep. C 1, Nr. 118, Dr. 9/81, S. 1 f.: Vorlage des Ausschusses Erziehung und Jugend zum Visitationsbericht des Bischofs, u. Dr. 9.1./81: Vorlage des Ausschusses Erziehung und Jugend. Diese beiden Dr. wurden im Plenum der 3. Tagung der X. Synode (vom 27.–29.3.1981 in der Altstadtgemeinde Magdeburg) beraten und verabschiedet. In Dr. 9/81, S. 1 heißt es: „[. . .] Jugend sucht und braucht Freiraum, in dem sie sich selber erfährt [. . .] und doch nicht sich selbst überlassen ist.“ Solche Jugendarbeit „darf nicht durch Mißtrauen staatlicher und kirchlicher Stellen behindert werden.“ Weiterhin nannte die Synode eine Reihe von erforderlichen Schritten, um den Problemen von Räumlichkeiten, Mitarbeitern und Arbeitshilfen, auch im Hinblick auf Kleinstgruppen, zu begegnen. Mit Dr. 9.1./81 bestätigte die Synode die zwölf Fragen des Ausschusses Erziehung und Jugend und fügte noch eine dreizehnte hinzu: „Wie verhilft kirchliche Jugendarbeit den Jugendlichen, im Kontext dieser Gesellschaft in kritischer Solidarität zu leben, zu denken und mitzuwirken? Wie werden Jugendliche so informiert und ermutigt, daß sie sich den großen Gegenwarts- und Zukunftsfragen stellen, statt ihnen resigniert auszuweichen?“ 4 AKPS, Rep. B 3, Nr. 16. Darin: Protokoll der 6. Sitzung der Kirchenleitung am 26./27.6.1981 in Magdeburg, S. 5 f. 5 Gespräch beim RdB Halle am 23.3.1981 auf dringlichen Wunsch des Stellvertreters des Vorsitzenden für Inneres, Herrn Pöhner – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Herr Pöhner; der Leiter des Sektors Kirchenfragen, Herr Voigt; auf kirchlicher Seite: Sup. Hartmann, Propst Bäumer (Thema: Vorwurf an die Veranstalter der Evangelischen Jugendwoche in Halle, sie hätten offene Konfrontation und Staatsverleumdung provoziert). AKPS, Rep. B 3, Nr. 365. Darin: Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Halle am Montag, dem 23.3.1981, S. 1 ff.
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beitern in der Jugendarbeit6 andererseits gekommen, die zu grundsätzlichen Fragestellungen führten. 9.2. Aus diesen Berichten und Verhandlungen sind einige Schwerpunkte herauszustellen. 9.2.1. Im Visitationsbericht des Bischofs wird bereits nach einem „Gemeinsamen Konzept aller pädagogischen Dienste“ gefragt (2.2.4.). Der Ausschuß „Erziehung und Jugend“ nimmt diese Frage auf: Wie kann auf der Gemeindeebene die Kinder-, Konfirmanden-, Jugend-, und Erwachsenenarbeit stärker aufeinander bezogen werden (Dr. 9.1./81 Ziff. 12)7? Sicher hat jeder Arbeitszweig seine besondere Aufgabe und Arbeitsweise. Von allen Arbeitszweigen aus sollte aber versucht werden, zu gemeinsamen Vorhaben und zum größeren Austausch von Erfahrungen und Ideen zu kommen. Was für eine Christenlehrestunde gut war, kann auch Anregung für ein Jugendtreffen oder einen Abend der Jungen Gemeinde sein – und umgekehrt. Notwendig ist auch ein Austausch von Erfahrungen, die bei der Unterweisung Erwachsener zur Taufe oder für die Abendmahlszulassung gemacht wurden. Ob die hier und da von Kreissynoden gebildeten Ausschüsse oder andere in den Kirchenkreisen entstandene Arbeitsgruppen ein Anfang sind? 9.2.2. Es ist auffällig, wie klein die Zahl der Gemeinden ist, in denen regelmäßig Jugendarbeit getan wird. Das ist häufig eine Personalfrage. Manche Pfarrer und manche Katecheten fühlen sich dieser Arbeit nicht gewachsen. Die Zahl der Kreisjugendpfarrer ist gesunken – eine Folge der Verminderung der Kirchenkreise – und die Bereiche, für die sie zuständig sind, sind ausgedehnter geworden. Es wird in Gespräch beim RdB Halle am 25.6.1981 auf Wunsch der KL (Planung der Kirchentage 1983) – Teilnehmer: auf staatlicher Seite: Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Herr Pöhner; der Leiter des Sektors Kirchenfragen, Herr Voigt; auf kirchlicher Seite: Propst Abel, OberkonsR Dr. Schultze, Propst Treu (Thema u. a.: Veranstaltungsverordnung – Vorgänge beim Petersbergtreffen am 24.5.1981 und bei den Werkstatt-Tagen der Jugend in Halle am 19./20.6.1981). AKPS, Rep. B 3, Nr. 365. Darin: Vermerk über ein Gespräch beim Rat des Bezirkes Halle am 25.6.1981, S. 1–7, hier: S. 5 ff. 6 Am 3.9.1981 fand im Konsistorium Magdeburg ein Gespräch mit Mitarbeitern in der Jugendarbeit statt. Thema war das Petersbergtreffen 1981 und das Werkstattwochenende am 19./20.6.1981 in Halle. Der Ausgangspunkt für dieses Gespräch waren die Ausführungen von Vertretern des RdB Halle bei dem Gespräch mit OberkonsR Dr. Schultze am 25.6.1981. Teilnehmer am 3.9.1981 in Magdeburg waren: Provinzialpfarrer Stauss, Landesjugendwart Grundmann, OberkonsR Dudey, OberkonsR Müller. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2593. Darin: Vermerk über ein Gespräch im Konsistorium zu Fragen der Anwendung der Veranstaltungsverordnung im Blick auf die Durchführung von Veranstaltungen der Jugendarbeit am 3.9.1981, S. 1–3. 7 Frage 12: „Wie kann auf Gemeindeebene die Kinder-, Konfirmanden-, Jugend- und Erwachsenenarbeit stärker aufeinander bezogen werden?“ Vgl. oben Anm. 3.
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Zukunft darauf ankommen, die Stellen, die für die Jugendarbeit geplant sind, auch wirklich zu besetzen – mit Pfarrern, Diakonen, Gemeindehelferinnen, aber nun bald auch mit Gemeindepädagogen. Darüber darf nicht vergessen werden, gerade für diese Arbeit ehrenamtliche Mitarbeiter zu gewinnen und zuzurüsten. Eine solche Zurüstung interessierter Gemeindeglieder ist wegen der starken zusätzlichen Belastung für sie schwierig. Die Arbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendarbeit ist dabei, gangbare Wege zu finden. 9.2.3. Oft wird nach Gewährung von Freiraum (Dr. 9/81 Ziff. 3.1.; 9.1./81 Ziff. 6.7.8.)8 gefragt. Es geht zunächst um ganz konkrete Räume. Gerade die Bereitstellung von Räumen für die Jugendarbeit kann oft Anlaß zum Konflikt zwischen Gemeindekirchenrat und denen werden, die für Jugendarbeit verantwortlich sind. Daran darf die Jugendarbeit nicht scheitern. Solche konkreten Konflikte, die doch z. T. Zeichen eines allgemeinen Generationskonfliktes sind, können auch Gelegenheiten sein, gegenseitige Annahme und Geduld zu erweisen. So wird nicht nur eine leidige Raumfrage gelöst, sondern auch Freiraum entdeckt, den wir ohne Angst einander gewähren dürfen. Es wird dabei sicher auch um ganz feste und genaue Vereinbarungen gehen, die innerhalb eines solchen Freiraumes auch gegenseitig respektiert werden. Es geht aber noch um andere „Freiräume“. Unsere Jugendlichen müssen sich in unserer Gesellschaft allzu oft in Räumen – im übertragenen Sinne – bewegen, in denen bereits alles eingerichtet und geregelt ist, wo vorgeschrieben ist, was man tun und lassen muß. Manches erscheint ihnen unnötig, manches behindert sie, ja erscheint ihnen bedrohlich. Mit Sorge sehen wir z. B. immer wieder einmal die Unverhältnismäßigkeit der Mittel beim Einsatz der Sicherheitsorgane gegenüber Jugendlichen. – Die Freiräume, die wir den Jugendlichen anbieten müssen, dürfen dennoch nicht leer sein. Es muß ein Klima herrschen, das Annahme und Bewältigung der Situation möglich macht. Darüber sind sich alle Beteiligten einig. Strittig ist, welchen Gesprächsthemen Raum gegeben werden soll, inwieweit auch kritische politische und gesellschaftliche Fragestellungen Platz haben. Das
8 Dr. 9/81, Ziff. 3.1.: „Die Gemeindekirchenräte sollen sich darum mühen, daß für die Jugendarbeit freie Räume zur Verfügung gestellt und in Zusammenarbeit mit den Jugendmitarbeitern Gruppen gebildet werden, die diese Arbeit mittragen.“ Dr. 9.1./81, Frage 6: „Welche Möglichkeiten schaffen wir für eine Jugendarbeit in ‚offenen Häusern‘?“, Frage 7: „Wie werden Gemeinden fähig, Freiräume für Jugendarbeit zu entdecken und bereit, ihnen Raum zu geben?“, Frage 8: „Welchen Raum geben wir zukünftig kirchlichen Großveranstaltungen für Jugendliche (‚Wiedersehentreffen‘, ‚faktische Regionalgemeinde‘)?“ Vgl. oben Anm. 3.
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Gespräch darüber wird auf verschiedenen Ebenen geführt; u. a. ist die Kreisjugendpfarrerkonferenz gebeten worden, darüber zu beraten. Schließlich müssen bereitgestellte Räume und Freiräume auch von unterschiedlicher Art und Größe sein. Treffen mit mehr als hundert Jugendlichen, Gespräche in kleiner Gruppe und Einzelgespräche müssen einander ergänzen, und die Proportionen untereinander müssen auch stimmen. Es scheint so, als ob die Beliebtheit großer Jugendtreffen über mehrere Tage gerade darin begründet liegt, daß keine dieser Möglichkeiten zu kurz kommt. Das große Jugendtreffen in der Kirchenprovinz – der Jugendtag auf dem Petersberg9 – hat sowohl für Probleme wie auch für die Chancen solcher Treffen kleine Beispiele gebracht. Viel wurde über die „Offene Jugendarbeit“ (Dr. 9.1/81 Ziff. 2 u. 3)10 gesprochen. Offen sollte jede Form von Jugendarbeit sein. Aber es gibt auch eine Jugendarbeit, in der es sozusagen um „offene Wunden“ geht, die schmerzen, die gefährlich sind, die heilen sollen. Das ist das Anliegen u. a. bei der Begleitung unbehauster Jugendlicher, im weiteren Sinne aber auch aller Gespräche mit Jugendlichen, die eine für die Kirche ungewohnte Lebensweise, aber ebenso stark auch den Hunger nach wirklichem Leben haben. Sicher ist das auch eine diakonische Aufgabe, aber doch noch mehr. Die Kirche kann nicht an den Fragen und Problemen, mit denen sich die Jugendlichen herumschlagen, vorbeigehen. Und es sind echte Probleme, nicht solche, die erst an die Jugendlichen herangetragen werden, wie gelegentlich gesagt wurde. Wir wissen, daß gerade diese Arbeit konfliktträchtig ist11. Sie bedarf daher großer Behutsamkeit. Doch werden wir den Konflikten nicht aus dem Wege gehen. Wir werden bereit sein, alle Einwände mit Ernst zu hören und sorgfältig zu prüfen. Wir können uns aber nicht von außen sagen lassen, was unsere Sache ist. Unser Auftrag liegt in der Botschaft unseres Herrn begründet. Was das jeweils bedeutet, müssen alle dafür Verantwortlichen immer wieder im gemeinsamen Gespräch finden. So werden wir mit denen, die diese Arbeit tun, im Gespräch über Inhalt und Auftrag ihrer Arbeit bleiben und werden
9 Zur Geschichte des Petersbergtreffens vgl. H. SCHMID, Himmelreich. 10 Dr. 9.1./81, Zi. 2: Schwerpunkte, und Zi. 3: erforderliche Schritte. Vgl. oben Anm. 8. Zur Offenen Jugendarbeit vgl. oben Bericht der KL auf der 2. Tagung der IX. Synode am 13.11.1980, Punkt 6.4.2. (Dokument 42a, S. 408 f.), auf der 8. Tagung der IX. Synode vom 23.–27.11.1983, Punkt 6.2. (Dokument 46, S. 449 f.), und auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.–28.10.1984, Punkt 2.1.1. (Dokument 47, S. 469 f.). 11 Vgl. unten Dokument 46, Anm. 9, S. 449.
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sie vor allen ungerechtfertigten Angriffen in Schutz nehmen. Wir können eindeutig feststellen, daß diese Art der Jugendarbeit ein Dienst ist, der um der Liebe Christi willen getan werden muß. Gerade darum wird diese Arbeit ganz von der Liebe Christi durchdrungen sein müssen, sowohl denen gegenüber, denen dieser Dienst gilt, wie auch denen gegenüber, die hier Fragen und Probleme sehen. 9.3. Es ist zu fragen: – Was muß getan werden, damit das kirchliche Anliegen dieser offenen Jugendarbeit so unmißverständlich und eindeutig wie möglich zum Ausdruck kommt? – Wie kann die gemeinsame Verantwortung für diese Arbeit von Kirchenleitung und Mitarbeitern in der Jugendarbeit am besten wahrgenommen werden? – Was muß unternommen werden, um ein gemeinsames Konzept für alle pädagogischen Dienste der Kirche zu erstellen? 10. Unsere Nachbarn (Brücken) 10.1. Bei der Synodaltagung vom 13.–16. November 1980 wurde in der Synode gesagt: „Wir teilen die Betroffenheit, daß die Kommunikation zwischen unserem und dem polnischen Volk gestört und teilweise unterbrochen wurde. Unsere gegenwärtige Hauptsorge muß sein, daß der Friede für das polnische Volk und mit dem polnischen Volk erhalten bleibt.“12 Wir müssen heute – ein Jahr später – sehen, daß die Sorge gewachsen ist und die Unterbrechung der Kommunikation noch tiefgehender geworden ist. Die offiziellen Informationen über die Vorgänge in der Volksrepublik Polen13 weisen auf innenpolitische 12 AKPS, Rep. C 1, Nr. 116. Darin: Votum des Berichtsausschusses zum Antrag des Ausschusses Erziehung und Jugend u. des Synodalen Schache, Halle, betr. Reisebeschränkungen nach Polen. 13 Am 13.12.1981 veranlassten Diskussionen um die politische Rolle der neuen Gewerkschaft Solidarnosc, häufige Streiks und eine Lähmung der Gesamtwirtschaft General Jaruzelski, den ‚kriegerischen Zustand‘ auszurufen, um damit die drohende Invasion sowjetischer Truppen zu verhindern. Der Verhaftung und Internierung von Gewerkschaftsaktivisten und Intellektuellen folgte das Verbot der Solidarnosc und zahlreicher Vereinigungen. Ein neugeschaffener ‚Militärrat der Nationalen Errettung‘ (WRON) trieb mit harten Maßnahmen die ‚Normalisierung‘ voran, so dass am 20.7.1983 der Ausnahmezustand suspendiert und ein Jahr später ganz aufgehoben wurde. Die SED hatte von Anfang an die Entstehung unabhängiger Gewerkschaften kritisiert und die Führung der PVAP zu energischem Eingreifen (Auflösung der Solidarnosc) gedrängt. Nach der Installation einer Militärdiktatur durch Jaruzelski legte die SED auf die Wiederherstellung des Herrschaftsmonopols einer restaurierten PVAP größten Wert. Der Besuch Jaruzelskis in der DDR im März 1982 brachte keine durchgreifende Verbesserung der Beziehungen. Der seit 1972 visafreie Verkehr wurde von der DDR
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Spannungen, auf eine Bedrohung des sozialistischen Systems und auf die Versorgungskrise hin. Wir dürfen aber auch eine andere Gefahr nicht übersehen. 10.2. Was durch eine Politik der Freundschaft mit dem polnischen Volk, die von unserer Regierung seit über dreißig Jahren verfolgt wurde, zustande gekommen war – was durch zahllose persönliche Freundschaften, besonders von jungen Menschen, mit unseren polnischen Nachbarn vertieft wurde – was von katholischer und evangelischer Kirche intensiv gesucht wurde (es sei nur hingewiesen auf die „Aktion Sühnezeichen“ und das Kinderkrankenhaus in Warschau14) – eine Verständigung und Aussöhnung mit dem polnischen Volk – droht wieder zu zerbrechen. Die z. Zt. noch immer bestehenden Schwierigkeiten für Besuche herüber und hinüber haben enge Freundschaften, die in den letzten Jahren zustande gekommen sind, wieder unterbrochen. Hier und da spontan versuchte Hilfsmaßnahmen, die sicher nur ein Zeichen des Gedenkens hätten sein können, sind nicht zum Zuge gekommen. Sicher haben Besuche von Kirche zu Kirche ein wenig deutlich gemacht, daß wir an den Verbindungen festhalten. Auch der Versand von Einrichtungsgegenständen für Feierabendheime in Dziegielow, Bialystok und Stanislavovo – für Dziegielow allein Möbel zur Einrichtung von 53 Zimmern – war eine wichtige Hilfe. Aber es könnte mehr geschehen, was Brücken bauen könnte. 10.3. Eine zunehmende Sorge macht die Beobachtung, daß längst vergessen geglaubte Ressentiments und Vorurteile hier und da mit unverminderter Kraft wieder aufgebrochen sind. Was sich vor Jahren geseit dem 30.10.1980 administrativ so stark behindert, dass er als unterbrochen gelten musste. 14 Der BEK hatte zu Ostern 1976 alle Gemeinden aufgerufen, sich an einer Spendenaktion für das Kinderkrankenhaus in Warschau zu beteiligen. Dieser Aufruf beginnt mit folgender Erläuterung: „Am Rande der Hauptstadt der Volksrepublik Polen entsteht ein großes medizinisches Zentrum für Kinder. Nach dem Willen des polnischen Volkes wird es als Denkmal für alle Kinder errichtet, die im 2. Weltkrieg gelitten haben und umgekommen sind. Etwa 6.000 junge Patienten sollen hier jährlich stationäre Aufnahme und Behandlung finden, 60.000 ärztliche Untersuchungen und Konsultationen durchgeführt werden. Das Gesundheitszentrum wird allein aus Spenden, die aus der ganzen Welt kommen, erbaut. Es wird Kindern und Jugendlichen weit über die Grenzen Polens hinaus offen stehen. Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR ruft die Gemeinden auf, durch ihre Spenden am Bau dieses Denkmals des Lebens teilzunehmen.“ (MBL BEK 1976, S. 2). Bereits nach einem Jahr wurde mitgeteilt, dass die Aktion 975.000 Mark erbrachte. Der BEK hat diese Spendenaktion kontinuierlich – gesteuert durch den Facharbeitskreis „Ökumenische Diakonie“ – weitergeführt. Vgl. MBL BEK 1977, S. 34–37; Informationsbroschüren „Ein Denkmal, das lebt“ u. VERSÖHNUNG KONKRET.
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genüber den in der DDR einkaufenden Polen an Ärger angesammelt hatte, ist nun vermehrt worden durch eine Angst, möglicherweise um der Polen willen, denen Wirtschaftshilfe gewährt werden muß, materielle Nachteile in Kauf nehmen müssen. Witze, die kolportiert werden, unterstützen diese Haltung. Parallel dazu entsteht – wie wir von polnischen Christen erfahren – auch in der Volksrepublik Polen wieder eine antideutsche Stimmung, die sich besonders auf die DDR bezieht. Das ist offensichtlich auch durch eine unfreundliche Berichterstattung unserer Nachrichtenmedien hervorgerufen worden. Es muß dringend überlegt werden, was von uns sinnvoll getan werden kann, damit das, was auch langjährigem Versöhnungsdienst und intensiven Freundschaften erwachsen ist, nicht wieder zerstört wird. Es müssen gangbare Wege gesucht und gezeigt werden; wo sich Vorurteile neu zeigen, muß ihnen widerstanden und alles getan werden, sie abzubauen. Es könnte sonst etwas unwiederbringlich versäumt werden. 10.4. Es wäre u. a. zu fragen: Soll die Synode einen Brief an den Polnischen Ökumenischen Rat richten15, um in dieser Zeit der Spannungen und möglicher Mißverständnisse ein Zeichen innerer Verbundenheit zu geben? 11. Verantwortung für den Frieden (Vertrauen) 11.1. Durch die Kirchenleitungsberichte der letzten Jahre, aber auch durch die Berichte der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR und durch oekumenische Verlautbarungen zieht sich ein Thema: Die Verantwortung für den Frieden. Die Fragen nach dem, was wir wirklich und wirksam für den Frieden tun können, sind in den letzten Monaten dringender denn je geworden. Die erschreckende Zunahme des Rüstungswettlaufs und die besorgniserregende Militarisierung des öffentlichen Lebens lassen in der Bevölkerung weithin eine Haltung der Resignation und des Fatalismus entstehen, die uns beunruhigt. Enttäuschte Hoffnungen und unbeantwortet gebliebene Fragen lassen den Verdacht aufkommen, es sei hier ein Mechanismus entstanden, der menschlicher Vernunft nicht mehr zugänglich ist. Es wird unsere besondere Aufgabe sein, 15 Zu einem solchen Brief ist es nicht gekommen, aber im Bericht über die Erledigung der Beschlüsse der IX. Synode heißt es u. a.: „Dem Sekretariat des Bundes wurden in einem besonderen Schreiben vom 5.1.1982, VI – 844/81, alle Materialien zur Kenntnis gebracht, mit der Bitte um Weitergabe an die neuzubildende Kontaktgruppe des Bundes für die Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Polen“. AKPS, Rep. C 1, Nr. 119, Dr. 5/82: Bericht über die Erledigung der Beschlüsse der IX Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, S. 1–10, hier: S. 8.
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um des uns von unserem Herrn geschenkten Frieden willen dieser Resignation nicht nachzugeben, sondern in stets neuem Nachdenken über das, was der Welt zum Frieden dient, und in unermüdlichem Gespräch mit den Verantwortlichen auch um kleine, aber sichtbare Zeichen zu ringen, die auch andere erneut hoffen lassen. Z. Zt. scheint daher eine Fragestellung besonders vordringlich zu sein: Das Friedenszeugnis in seiner konkreten Gestalt. 11.2. Es ist ein Zeichen, das klein ist und leicht übersehen werden kann angesichts dessen, was um uns her geschieht. Die verstärkte Aufrüstung, die besonders von den Großmächten vorangetrieben wird, hat inzwischen astronomische Zahlen erreicht; in unserem Lande gewinnt eine Militarisierung mehr und mehr Vorrang in allen Bereichen der Gesellschaft – es ist auf die Ausdehnung der vormilitärischen Ausbildung hinzuweisen, auf die intensive Werbung von Schülern der Erweiterten Oberschule zu mehrjährigem Wehrdienst und auf die Bedrängung Jugendlicher bei der Immatrikulation, sich für den Dienst als Reserveoffizier zu verpflichten. Während dies häufig resigniert oder gar gleichgültig aufgenommen wird, bieten junge Menschen, die von der Sorge um den Frieden bewegt sind, einen Wehrersatzdienst im sozialen Bereich16 an, der für die Dauer von zwei Jahren – also länger als der normale Wehrdienst – im pflegerischen und fürsorglichen Bereich geleistet werden soll. Sie wenden sich mit dieser Initiative an die Synoden ihrer Heimatkirchen mit der Bitte, sich dafür einzusetzen. Auch unserer Synode liegt dieser Vorschlag in Form von zahlreichen Eingaben vor. Wir haben uns in den vergangenen Jahren um Erziehung zum Frieden bemüht. Auf Empfeh-
16 Im Herbst 1980 griff der Dresdner Pfarrer Christoph Wonneberger die Bemühungen um einen Zivildienst auf und brachte die Idee eines Aufrufes zur Einführung eines „Sozialen Friedensdienstes“ (SoFD) in die Diskussion. Im Mai 1981 wurde im kleinen Kreis ein Text verabschiedet, der die Volkskammer aufforderte, den SoFD als gleichberechtigte Alternative zum bewaffneten und waffenlosen Wehrdienst einzurichten. Als Zugeständnisse wurden statt des 18monatigen ein 24monatiger Dienst vorgeschlagen und selbst eine kasernierte Unterbringung zugestanden. Der Einsatz sollte sich auf soziale Schwerpunkte sowie auf die Sozialfürsorge und Krankenhaushilfsdienste konzentrieren (Textabdruck: EPD-DOKUMENTATION 35/1981, S. 4 und KJ 1987, S. 148 f.). Innerhalb kürzester Zeit fand dieser Brief eine kettenbriefartige Verbreitung. Die Synoden wurden mit 1.500 Eingaben, die knapp 4.000 Bürger unterschrieben, geradezu überschüttet. Sie bejahten das Anliegen, kritisierten jedoch die Art der Mobilisierung. Der Staat reagierte mit dem Verweis auf die Bausoldatenregelung ablehnend und erklärte diese Aktion als „friedens-, sozialismus- und verfassungsfeindlich“. Unter diesem Druck distanzierten sich die Kirchenleitungen. Die Dresdner KL drohte Wonneberger mit Disziplinarmaßnahmen. Der Aktionskreis sah sich daraufhin gezwungen, die Unterschriftenaktion abzubrechen. B. EISENFELD in: H.-J. Veen/P. EISENFELD/H. M. KLOTH/H. KNABE/P. MASER/E. NEUBERT/M. WILKE, Lexikon Opposition, S. 332 f.
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lung der Kirchenleitung hatten damals 17 Kirchenkreise dies Thema aufgegriffen und behandelt. Wir wissen, daß Erziehung zum Frieden auch Erziehung gegen Passivität ist. Darum sehen wir diese Initiative als ein erfreuliches und hoffnungsvolles Zeichen. 11.3. Bereits im März dieses Jahres hatte sich die Kirchenleitung mit einem Brief Naumburger Studenten17 beschäftigt, der in der Frage nach konkreten Schritten zur Förderung des Friedens auch die Möglichkeit eines zivilen Ersatzdienstes angesprochen hatte. Dieser Brief war an die Konferenz der Kirchenleitungen weitergegeben worden. Bei dem jetzigen Vorschlag sind zwei Dinge als besonders wichtig hervorzuheben: a. der Zusammenhang von Friedenszeugnis und Friedensdienst b. der Zusammenhang von Abrüstung und Verantwortung für die sozial Schwachen. Die Frage eines Friedensdienstes ohne Waffe war bereits in der Handreichung zur Seelsorge an Wehrpflichtigen 196418 ausgesprochen worden und als das „deutlichere Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebotes unseres Herrn“ bezeichnet worden. Seitdem ist das Anliegen immer wieder genannt worden. Auch oekumenische und internationale Dokumente bringen das zum Ausdruck. Es sei für viele andere Erklärungen das Schlußdokument des UNESCO-Weltkongresses zur Erziehung für Abrüstung 1980 genannt: „Aufmerksamkeit sollte bei Programmen zur Erziehung für Abrüstung dem Widerstandsrecht aus Gewissensgründen und dem Recht, Tötung zu verweigern, geschenkt werden“19 (A 6). 11.4. Daß die ungeheuren wirtschaftlichen Mittel, die für die Rüstungsprogramme ausgegeben werden, der dringend nötigen Entwicklungshilfe gegenüber den Ländern der dritten Welt fehlen und daß Rüstung schon so, ehe Waffen überhaupt eingesetzt werden, die Tötung von Menschen verursacht, die auf diese Hilfe angewiesen sind, ist in oekumenischen Verlautbarungen häufig angesprochen worden. Zuletzt weist das Dokument 2.2.3. des Zentralausschusses des Oekumenischen Rates der Kirchen (Dresden 1981) darauf hin: „Die anhaltende Stagnation in den Nord-Süd-Gesprächen über Weltwirtschaftsfragen 17 Am 15.1.1981 hat der Rektor des KOS Naumburg, Ingo Klaer, einen Brief an die KL weitergegeben, den Studenten zur Frage der Verantwortung für die Erhaltung und Förderung des Friedens geschrieben haben. AKPS, Rep. B 3, Nr. 16. Darin: Protokoll der 3. Sitzung der Kirchenleitung am 20./21.3.1981 in Magdeburg, S. 9 f. 18 Vgl. oben Dokument 21a, Anm. 2, S. 202. 19 Vom 9.–13. Juni 1980 fand in Paris im UNESCO-Hauptquartier der „Weltkongress zur Erziehung für Abrüstung“ statt. Das Schlussdokument machte die Studienabteilung des BEK in ihren „Informationen und Texten Nr. 1/2 Februar/März 1981“ hekt. zugänglich.
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führt zu Spannungen sowie zu einer Reduzierung der Entwicklungshilfe, der die skandalöse Steigerung der Rüstungsausgaben gegenübersteht (IF)“20. Entsprechend den oekumenischen Dokumenten, in denen immer wieder auf die sozial Schwachen in der dritten Welt hingewiesen wird, wird in dem Vorschlag, der uns vorliegt erklärt, daß ein Wehrersatzdienst im sozialen Bereich gerade „denen zugute kommen soll, die Hilfe am dringendsten brauchen“. Auch die Bundessynode, der ebenfalls eine Fülle solcher Eingaben vorlagen, sieht das Anliegen dieser Initiative im Zusammenhang mit der Erklärung des Zentralausschusses des Oekumenischen Rates. Sie hat diese Vorschläge aufgenommen und die Konferenz der Kirchenleitungen gebeten, „in Gesprächen mit der Regierung nach Möglichkeiten zu suchen, wie dem Anliegen Rechnung getragen werden kann.“21 11.5. Wir sind dessen sicher, daß es sich hier um ein Zeugnis echten Friedenswillens handelt, das, wenn es recht verstanden wird, vertrauensfördernd nach innen und außen wirken könnte und ein weiteres Nachdenken über Wege zum Frieden ermöglichen würde. Ein hartes Zurückweisen könnte hingegen eine Resignation hervorrufen, die schädlich für alles weitere Mühen um den Frieden wäre. Es ist ebenso deutlich, daß diese Initiative nicht das Sicherheitsbedürfnis der DDR verkennt. Die Verpflichtungen, die die DDR ihren Bündnispartnern im Warschauer Vertrag gegenüber in Bezug auf notwendige Militärleistungen hat, werden nicht übersehen. Es ist aber auch nicht zu übersehen, daß dies Anliegen in einem Zusammenhang mit den Friedensaktionen in den westlichen Staaten steht. Eine Negierung des Friedensanliegens, das in diesen Eingaben ausgesprochen wird, würde die Friedensaktionen besonders in Westdeutschland als einseitig und daher weniger glaubwürdig erscheinen lassen. Wir sehen in dieser Initiative ein hoffnungsvolles Zeichen auch dafür, die Geduld nicht aufzugeben, trotz allem zu Vereinbarungen über kalkulierte Schritte zur Abrüstung zu kommen. 11.6. Wir sind uns dessen bewußt, daß wir mit diesen Überlegungen auf den ersten Blick nicht „konform“ erscheinen. Wenn es um die Ver20 Punkt I. E. der Erklärung des Zentralausschusses des ÖRK in Dresden abgedruckt in: ÖKUMENISCHER RAT DER KIRCHEN, S. 121. 21 Die Bundessynode in Güstrow vom 18.–22.9.1981 machte sich die Erklärung des Zentralausschusses des ÖRK in Dresden zu eigen und fügte sie ihrem Beschluß zu Fragen des Friedens vom 22.9.1981 ein. Abgedruckt in: MBL BEK 3–4/1981, S. 57–59, hier: S. 59; EPD-DOKUMENTATION 43/1981, S. 75; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 36–41, hier: S. 40.
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Berichte und Beschlüsse
antwortung für den Frieden geht, können Kirchen nicht einfach „zu Verstärkern der Außenpolitik ihres eigenen Staates werden. Wenn Kirchen nur noch diese Verstärkerrolle spielen, fallen sie als Potential zur Konfliktregelung und also als ‚Friedenmacher‘ aus“22. Weil „die christliche Hoffnung eine Widerstandsbewegung gegen den Fatalismus“ ist23, wird die Kirche in dieser Verantwortung „unbequeme Kirche“ sein. 11.7. Es wäre zu fragen: – Wie könnte die soziale Intention des Anliegens eines Wehrersatzdienstes baldmöglichst aufgenommen werden, damit auch schon ohne Anrechnung auf den Wehrdienst die Dringlichkeit dieses Anliegens sichtbar wird? [. . .]
22 W. Krusche bei der Begegnung des Consilium Conferentiarum Episcopalium Europae und der Konferenz Europäischer Kirchen in Chantilly 1978 [Orig. Anm.]. Bischof Dr. Krusche hielt 1978 bei der I. Ökumenischen Begegnung der KEK und dem Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) in Chantilly den Vortag: „Kein Frieden in Christus ohne Einsatz für den Frieden in der Welt“. Abgedruckt in: EINS SEIN, DAMIT DIE WELT GLAUBE; W. KRUSCHE, Verheißung und Verantwortung, S. 201–213, hier: S. 209. 23 Faith and Order, Bangalore 1978 [Orig. Anm.]. Vgl. BANGALORE 1978.
BerichteundBeschlüsse BeschlussderSynode
44 Beschluss der Synode auf der 5. Tagung der IX. Synode über das Tragen des Symbols der Friedensdekade 1981 „Schwerter zu Pflugscharen“ Wernigerode Johannisgemeinde, 28. März 1982 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 119, Dr. 8.1/82, S. 1–2 (hekt.), und Protokoll des 3. Sitzungstages am 28.3.1982, S. 1–7, hier: S. 1 (masch.). Abgedruckt in: M. HOHMANN, Friedensarbeit, S. 181 f. (Auszug) u. in: EPD-DOKUMENTATION 19/1982, S. 47.
1. Alle Gemeindeglieder, die den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“1 tragen, sollen die Schwierigkeiten, mit denen sie jetzt rechnen müssen, zum Anlaß nehmen, sich erneut über ihre Motive klar zu werden. Der Aufnäher ist symbolischer Ausdruck der biblischen Friedensverheißung und des Friedensauftrages Jesu Christi. Weil die öffentliche Bezeugung wesentlich zu dem Friedensauftrag unseres Herrn gehört, gibt es Christen, die den Aufnäher tragen. Sie wollen auf diese Weise die Friedenshoffnung öffentlich zum Ausdruck bringen. Andere Christen legen dieses öffentliche Zeugnis auf andere Weise ab. Alle Christen aber müssen bereit und in der Lage sein, Rechenschaft von der Friedenshoffnung und dem Friedensauftrag zu geben, die sie bewegen. Wenn Nichtchristen das Symbol der Friedensdekade übernehmen, so ist das kein Wunder; denn der Widersinn des Wettrüstens wird immer offenkundiger und immer weiter breitet sich die Einsicht aus, daß die Zukunft des Friedens nur auf friedlichem Wege gewonnen werden kann. Christen haben keinen Grund, sich von denen zu distanzieren, die von dieser Einsicht bewegt sind, wenn es ihnen nur wirklich um den Frieden geht. Verfolgt jemand unter dem Deckmantel des Engagements für den Frieden andere Ziele, so wird er bald erkennen, daß er bei uns an der falschen Adresse ist. 1 Zur Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ vgl. K. EHRING/M. DALLWITZ, Schwerter zu Pflugscharen; FRIEDENSBEWEGUNG IN DER DDR; S. BICKHARDT (Hg.): Spuren; M. RICHTER/E. ZYLLA (Hg.), Mit Pflugscharen gegen Schwerter; E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 398–404; M. HOHMANN, Friedensarbeit; A. SILOMON, „Schwerter zu Pflugscharen“ (darin weitere Literatur).
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Berichte und Beschlüsse
2. Das tätige Zeugnis vom Frieden Jesu Christi für unsere Welt ist der Auftrag der ganzen Kirche und aller Gemeinden. Darum bitten wir alle Gemeindeglieder, besonders die Älteren, die noch die Schrecken des letzten Krieges im Gedächtnis haben, und die Eltern – besinnt euch neu auf eure Berufung, Friedensstifter zu sein – steht den jungen Christen, die etwas für den Frieden tun möchten, mit Gesprächsbereitschaft, Rat und Tat zur Seite – studiert Handreichungen, Informationen und Orientierungshilfen, die unsere Kirchen seit Jahren erarbeitet haben – werdet selbst zu Zeugen und Trägern des Friedens Christi in der Öffentlichkeit 3. Unsere Regierung und die Vertreter unseres Staates auf allen Ebenen wollen wir immer wieder bitten, dieses Friedenszeugnis zu hören und sich den dringlichen Fragen nicht zu verschließen. Obwohl die Losung „Schwerter zu Pflugscharen“ in letzter Zeit öffentlich mehrfach angegriffen wurde, sehen wir sie in Übereinstimmung mit den außenpolitischen Friedens- und Abrüstungsbemühungen unseres Staates. Wir unterstützen die Abrüstungs- und Verhandlungsinitiativen, die seit Jahren von der Sowjetunion ausgehen und die nach unserem Eindruck im Westen gesprächsoffener und verhandlungsbereiter aufgenommen werden sollten. Während aber im Zuge der Abrüstungsdiskussion die tiefe Problematik moderner Rüstung auch in unserem Lande bewußt ist, hören wir davon nichts, wenn es um die Motivierung zum Wehrdienst und um die Verteidigungsbereitschaft der ganzen Gesellschaft geht. Hier wird der friedensbedrohende Charakter des Abschreckungssystems, in das wir verwickelt sind, aus dem Bewußtsein verdrängt. Das ist eine Quelle der Unruhe in unserer Jugend. Ihr sollte nicht mit Verboten, sondern mit offenem Gespräch begegnet werden. Wir bitten die Vertreter unseres Staates, dieses Gespräch zuzulassen und zu hören. Nur so kann dem Frieden in unserer Gesellschaft und ihrer wirklichen Sicherheit gedient werden. [. . .]
BischofDr.WernerKrusche,28.Oktober1982 BerichteundBeschlüsse
45 Bericht von Bischof Dr. Werner Krusche auf der 6. Tagung der IX. Synode1 Magdeburg Altstadtgemeinde, 28. Oktober 1982 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 120, Dr. 14/82, S. 1–51, hier: S. 35–50 (hekt.).
Schwerpunkt: Friedensverantwortung der Christen („Friede als Beziehungswirklichkeit“) Gliederung: 0. [ohne Überschrift]. 1. Die Verantwortung für das Leben der Gemeinde. 2. Die Verantwortung für den Zusammenhalt in unserer Kirchenprovinz. 3. Verantwortung für die Gemeinschaft im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. 4. Verantwortung für die Ökumene. 5. Verantwortung für den Frieden.
[. . .] 5. 5.0
Verantwortung für den Frieden Die Synode unserer Kirchenprovinz hat sich in den vergangenen Jahren in besonders intensiver Weise damit beschäftigt, was wir als Kirchen und als einzelne Christen für den Frieden auf Erden tun können und also tun müssen. Die Synode hat sich dazu nicht nur allgemein geäußert, sondern hat es gewagt, konkret zu werden. Sie ist dabei nie auf den Gedanken gekommen, sich auf ein Gebiet begehen zu haben, das mit dem eigentlichen Auftrag der Kirche – das Evangelium zu den Menschen zu bringen – nur in einem losen Zusammenhang steht. Vielmehr ist ihr immer gewiß gewesen, daß das Bedenken und Tun dessen, was dem Frieden dient, unmittelbar aus dem Evangelium kommt, so wahr es „das Evangelium des Friedens“ ist (Eph 6,15) und den bezeugt, der „unser Friede“ ist (Eph 2,14), der die Friedenstäter in die besondere Nähe Gottes stellt (Mt 5,9) und dessen Reich den allumfassenden Frieden bringt (Apk 21,1–4; Mi 4, 3 f.; Jes 11,6 ff. u. a.). Darum haben wir im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR von der unverzichtbaren eigenständigen Friedensarbeit der Kirche gesprochen. Diese Eigenständigkeit entspringt nicht irgendwelchen „Berührungsängsten“ oder Profilneurosen oder gar einer Gegner-
1 Vgl. das Zitat oben Einleitung, S. 16, Anm. 9.
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5.1
5.1.1
Berichte und Beschlüsse
schaft zu unserem Staat, sondern ist in der Notwendigkeit begründet, in unserer Friedensarbeit dem „Evangelium des Friedens“ zu entsprechen und so einen eigengearteten Beitrag in die Bemühungen um den Frieden einzubringen. Da der Bericht der KKL, der der Synode des Bundes Ende September vorgelegen hat2, mitsamt den Äußerungen der Synode dazu allen Kirchenkreisen zugänglich gemacht werden soll, kann sich der Bericht unserer KL darauf beschränken, etwas zur „Eigenständigkeit“ kirchlichen Friedensengagements zu sagen. Es soll versucht werden, an ein paar Punkten darzulegen, wie bestimmte Grundaussagen des „Evangeliums des Friedens“ unser Denken und Tun bestimmen und es „eigenständig“ machen: Friede – biblisch Schalom – ist eine ganzheitliche Wirklichkeit. Friede ist da, wo das gestörte Verhältnis des Menschen zu Gott (5.1.1), das gestörte Verhältnis zwischen den Menschen (5.1.2.1 u. 2) und zwischen den Menschen und der übrigen Schöpfung (5.1.3) in Ordnung gekommen ist. Daß dieser allumfassende Friede nicht von uns hergestellt werden kann, sondern mit dem kommenden Christus kommt und in seinem Reiche Wirklichkeit wird, schließt nicht aus, sondern ein, daß wir uns von ihm ergreifen und in seine Bewegung hineinziehen lassen und uns also auf ihn ausrichten und ihm zu entsprechen versuchen. Weil das Friedensengagement der Kirche auf diesen umfassenden Frieden ausgerichtet ist, kann es sich nicht auf das Rüstungsproblem beschränken – so vordringlich es ist – und sich nicht erschöpfen im Protest gegen die Massenvernichtungswaffen und im Eintreten für eine allseitige Abrüstung – so sehr dieses dazugehört. Insofern Friede3 die wiederhergestellte Gemeinschaft des Menschen mit Gott ist, gehört zum Friedensengagement der Kirche unablösbar und als erstes die Einladung an alle Menschen, sich mit Gott versöhnen lassen (2. Kor 5,20), und also die Einladung, sein Friedensangebot anzunehmen und unter seiner befreienden Herrschaft zu leben. Das schließt ein, daß der, der „Frieden mit Gott“ hat
2 Die 2. Tagung der IV. Bundessynode fand vom 24.09.–28.09.1982 in Halle statt. Vgl. Bericht der KKL vor der Bundessynode in Halle 1982 (Teil 1 und 2) abgedruckt in: MBL BEK 5–6/1982, S. 34 ff.; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 98–112. 3 Die theologische, ethische und rüstungspolitische Auseinandersetzung mit der Friedensthematik wurde seit 1981 zum Schwerpunkt in der Arbeit der Synoden und der Kirchenleitungen. Vgl. dazu die umfassende Gesamtdarstellung von O. LINGNER, Friedensarbeit, S. 95–265. Mit Lit. insbesondere: Bibliographie der Texte der Theologischen Studienabteilung des BEK 1981–1987 sowie anderer Gremien des BEK, S. 111–114. Umfangreiche Text-Auszüge aus der Arbeit der KKL, der Bundessynode, aber auch landeskirchlicher Synoden in diesen Jahren.
Bischof Dr. Werner Krusche, 28. Oktober 1982
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(Röm 5,1), seine Entscheidungen aus seinem Glauben an Gott und also in der Verantwortung vor ihm in seinem Gewissen trifft. Darum gehört zur Friedensaufgabe der Kirche, ihren Gliedern zu Gewissensentscheidungen aus Glauben zu helfen, und andererseits sich dafür einzusetzen, daß so getroffene Gewissensentscheidungen geachtet und Regelungen getroffen werden, die solchen Entscheidungen Rechnung tragen. Für diejenigen, deren Gewissensentscheidung dahin geht, auch unter den Bedingungen moderner Massentötungssysteme Dienst in bewaffneten Einheiten wagen zu dürfen, gibt es keine Schwierigkeiten, ihrer Entscheidung zu folgen. Es können für sie allerdings Probleme entstehen angesichts der massiven Werbung für eine mehrjährige Dienstzeit und für den Dienst als Reserveoffizier. Und im Vollzug ihres Dienstes werden sie wahrscheinlich vor neue Gewissensentscheidungen geraten. Deswegen bedürfen sie der fürbittenden und beratenden Begleitung durch die Gemeinde. Zum Friedensdienst der Kirche gehört es ebenso, für die einzutreten, die auf Grund ihrer anders gearteten Gewissensentscheidung in Schwierigkeiten kommen. Darum ist auch von der Bundessynode wieder die Bitte ausgesprochen worden, eine der Gewissensentscheidung für einen Dienst ohne Waffe respektierende Regelung, wie sie für die Wehrpflichtigen in der Form des Bausoldatendienstes getroffen worden ist, auch für Schüler und Lehrlinge zu schaffen4. Wie wir inzwischen gehört haben, hat das Staatssekretariat für Berufsausbildung Festlegungen getroffen, denen zufolge es für männliche Lehrlinge keine Befreiung von der vormilitärischen Ausbildung gibt, aber Glaubens- und Gewissensgründe von Lehrlingen insofern respektiert werden, als diese Lehrlinge während der vormilitärischen Ausbildung, an der sie teilzunehmen haben, von der Ausbildung an oder mit Waffen befreit werden können5. Die Ent4 Beschluß der Bundessynode in Halle zum Bericht der KKL vom 28.9.1982 abgedruckt in: MBL BEK 5–6/1982, S. 62 (Teil I und II); EPD-DOKUMENTATION 47/1982, S. 30; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 94–98. 5 Lehrlinge sind durch eine Festlegung des Staatssekretariats für Berufsbildung „zur Verwirklichung der Pflicht der Lehrlinge, an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen“ (§ 133 Abs. 2 AGB) [1982] verpflichtet, an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen. Sie ist Bestandteil der Berufsausbildung und somit des Lehrverhältnisses. Die Möglichkeit einer Befreiung ist, außer aus gesundheitlichen Gründen, nicht gegeben. Glaubensund Gewissensgründe werden insofern respektiert, als Lehrlinge bei deren Vorliegen von der Ausbildung an Waffen befreit werden können; eine entsprechende Entscheidung muß jedoch vor dem Abschluß des Lehrvertrages geschlossen werden. Die Entscheidung darüber obliegt dem Ausbildungsbetrieb. Wird die vormilitärische Ausbildung insgesamt abgelehnt, steht dem Betroffenen nur noch Hilfsarbeitentätigkeit offen. Vor Ablauf einer Frist von drei Jahren besteht laut dieser Festlegung „kein gesellschaftliches Interesse“,
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Berichte und Beschlüsse
scheidung darüber obliege dem lehrvertragsabschließenden Betrieb, wobei diese Entscheidung vor Lehrvertragsabschluß zu treffen und nur mündlich mitzuteilen sei. Es wird darauf ankommen, wie diese Regelung – insbesondere in den beiden letztgenannten Punkten – gehandhabt werden wird. Wir hoffen sehr, daß die Betriebe die Glaubens- und Gewissensgründe von Lehrlingen respektieren. Für uns als Glieder der Gemeinde wird es nötig sein, den jungen Menschen – weder leichtsinnig, noch überängstlich – zu einer eigenen, im Evangelium begründeten Entscheidung zu helfen. Wir wiederholen auch die von uns schon früher und jetzt von der Bundessynode erneut aufgenommene Bitte, denjenigen Reservisten, die erst während ihres Dienstes in der NVA6 oder danach zu solch einer Gewissensentscheidung gekommen sind, es zu ermöglichen, ihren Reservedienst in den Baueinheiten abzuleisten. Am schwersten haben es diejenigen, denen es ihr Gewissen verwehrt, überhaupt einen Dienst in einer Armee zu tun7, die aber in ihrer Mehrzahl bereit wären, einen ihren ganzen Einsatz fordernden andersgearteten notwendigen Dienst für unsere Gesellschaft zu leisten – etwa im sozialen Bereich –, die aber, solange es dafür keine rechtlich geregelten Möglichkeiten gibt, damit rechnen müssen, als Straftäter behandelt und verurteilt zu werden. Die Fürbitte für die auf Grund ihrer Gewissensentscheidung Inhaftierten, die Rechtsberatung – falls eine solche erbeten wird – und die seelsorgerliche Begleitung der Angehörigen gehört zu dem eigenständigen, im Evangelium wurzelnden Friedensengagement der Kirche. 5.1.2.1 Insofern Friede ein friedliches Miteinanderumgehen der Menschen einschließt, gilt für die Kirche die apostolische Mahnung: „Soviel an euch ist, habt Frieden mit jedermann“ (Röm 12,18). Das will ihm eine Ausbildung auf dem Weg der Erwachsenenqualifizierung zu ermöglichen. DDR-HANDBUCH 2, S. 1468. Text liegt hekt. vor. 6 Der Konflikt beruhte auf der Tatsache, dass die Führung der NVA geltend machte, dass ein Reservist, der während des Grundwehrdienstes den Fahneneid geleistet habe, diesen nicht annullieren könne, indem er für den Reservistendienst den Gebrauch der Waffe verweigere. Demgegenüber forderten zahlreiche junge Männer, die als 18jährige der Einberufung in die NVA Folge geleistet hatten, aber seitdem zu pazifistischen Überzeugungen gelangt waren, dass ihre neue Gewissensbindung berücksichtigt werden müsse. In diesem Konflikt war eine Grundsatzaussage nicht erreichbar. Pragmatisch konnte höchstens die Armee in Einzelfällen auf die Einberufung der Reservisten verzichten. 7 Zur Wehrdienstverweigerung in der DDR 1962–1990 vgl. U. KOCH/S. ESCHLER, Zähne hoch Kopf zusammenbeissen; B. EISENFELD, Wehrdienstverweigerung als Opposition. Weiterhin vgl. dazu Dokument 18, Anm. 6, S. 179; Dokument 21a, Anm. 2, S. 202; Dokument 27b, Anm. 11, S. 263 und Bericht Bischof D. Jänickes auf der 5. Tagung der V. Synode am 11.3.1967, Punkt V., (Dokument 23b, S. 230 ff.).
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zunächst innerhalb der Kirche selbst eingeübt werden. Darum muß die Kirche Möglichkeiten schaffen, daß diejenigen, die in der Frage, wie das von ihnen allen bejahte Ziel, den Frieden zu erhalten, unterschiedliche Auffassungen haben oder zu unterschiedlichen Gewissensentscheidungen gekommen sind, miteinander ins Gespräch kommen können. Im Juli dieses Jahres hat die „Beratergruppe der KL für gesellschaftspolitische Fragen“ in Halle ein Hearing durchgeführt8, zu dem alle in unserer Kirchenprovinz in der Friedensfrage Engagierten eingeladen waren. Dabei war die ganze Vielfalt und Breite der Meinungen und Auffassungen – von der „Offenen Arbeit“ bis zur CFK – präsent. Mancher mag dies verwirrend oder desorientierend empfunden haben. Aber nur ein Gespräch, in dem alle Argumente und Emotionen ungeängstigt geäußert werden dürfen, bietet die Chance, die eigenen Positionen und Argumente zu überprüfen, zu korrigieren oder sie gegebenenfalls aufzugeben. Wo eine Meinung dagegen einfach verordnet wird und schon Anfragen als feindselig angesehen werden, werden die anderen zwar zum Schweigen, aber gerade nicht zum Hören gebracht. Ein echtes Gespräch trägt zur Versachlichung bei und erzieht zur Friedensfähigkeit. Es fehlt nach wie vor an guten derartigen Gesprächen. Die vor uns liegende Friedensdekade sollte neben dem Gebet für den Frieden, der Meditation über den Frieden und der Feier des Schalom auch für das offene friedensdienliche Gespräch genutzt werden. Im Friedensgespräch der Kirche kann es dazu kommen – und auf der letzten Tagung der Bundessynode in Halle9 ist es in Aufnahme der jüngsten Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes10 dazu gekommen –, daß die Frage nach dem status confessionis gestellt wird, die Frage also, ob eine bestimmte Einstellung – etwa in der Frage der Massenvernichtungsmittel – so sehr im Widerspruch zu dem „Evangelium des Friedens“ steht, daß sie eine Verleugnung Jesu Christi darstellt und in der Kirche nicht mehr geduldet werden kann und also die Aufkündigung der Abendmahlsgemeinschaft bedeutet bzw. zur Folge hat. Die Frage, ob nicht erst die Beteiligung am Einsatz von Atomwaffen oder anderen Massenvernichtungsmitteln, sondern bereits die Beteiligung an der Herstellung und dem Besitz solcher Waffen und die Ausbildung
8 Das „Hearing zum Friedensengagement“ fand am 10.7.1982 in der Paulusgemeinde in Halle mit 61 Teilnehmern (darunter Bischof Dr. Krusche) statt. Nachdem elf Redebeiträge eingebracht wurden, diskutierten die Teilnehmer in fünf Arbeitsgruppen. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3660. Darin: Hearing über das Friedensengagement, S. 1–10. 9 Vgl. oben Anm. 2. 10 BEKENNTNIS ZU JESUS CHRISTUS. Abgedruckt u. a. auch in: ZDZ 37, 1983, S. 121–132.
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an ihnen im unaufhebbaren Widerspruch zum Evangelium des Friedens steht, ist von der Bundessynode für so dringlich angesehen worden, daß sie die KKL gebeten hat, eine Studie über die Fragen des status confessionis im Hinblick auf die Friedensproblematik erstellen zu lassen. Die Frage ist dringlich, aber zugleich von so tiefgreifender Bedeutung für unsere Gemeinschaft in der Kirche, daß wir uns ihrer nur in einer ganz großen Verantwortlichkeit annehmen können und uns vor allem vor schnellen Urteilen hüten müssen. Hier werden wir in besonderer Weise auf den „Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Tim 1,7) angewiesen sein. 5.1.2.2 In dem Maße, wie wir es lernen, unter uns das Gespräch über den Frieden zu führen und mit kontroversen Auffassungen umzugehen, werden wir fähig, auch das dringend notwendige Gespräch mit denen zu führen, die von anderen Grundvoraussetzungen her kommen und es mit dem Frieden genau so ernst meinen wie wir. Wir werden dann hörbereit und lernwillig sein und auf alle Besserwisserei verzichten können, und die anderen werden uns dann die Ernsthaftigkeit und die gute Absicht auch bei kritischen Anfragen nicht mehr abstreiten wollen. Wir würden mit ihnen z. B. gern über die mit der Zivilverteidigung11 zusammenhängenden Problemen sprechen. Gerade weil wir hier keine fertigen Antworten haben, aber andererseits spüren, von welcher Ambivalenz die bei uns geübte Praxis im Bereich der Zivilverteidigung ist, brauchen wir ein solches Gespräch. Uns ist von Erfahrungen berichtet worden, die Gemeindeglieder bei Übungen der Zivilverteidigung gemacht haben und die bei ihnen zu Fragen und Beunruhigungen geführt haben. Die KL ist daraufhin zu der Überzeugung gelangt, daß sie den mit diesen Fragen konfrontierten Gliedern unserer Gemeinden eine Orientierungshilfe geben sollte, die ihnen vom Evangelium her Gesichtspunkte für die Auseinandersetzung mit den bestehenden Problemen liefert. Die KL hat derartige „Gesichtspunkte“12 verabschiedet und zur Verwendung in Gemeindegruppen, die sich mit solchen 11 Hier erstmalig in KL-Berichten ‚Zivilverteidigung‘ erwähnt (Anlage zu Prot. KL 17./18.9.1982, Zi. 9; auch 27./28.8. KL-Protokoll u. Anlage zu DERS., Zi. 13 u. vertrauliche „Dokumentation zu Fragen der Zivilverteidigung“, 28 S.). Diese Ausarbeitung „Gesichtspunkte zur Auseinandersetzung mit Problemen der ZIVILVERTEIDIGUNG“ wurde vom Konsistorium am 16.12.1982 verteilt an Kreiskirchenräte, Propsteikatecheten, Ausbildungsstätten, Jugendkammer und Diakonisches Amt (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2594). Vgl. unten Bericht der KL auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.– 28.10.1984, Punkt 5.1. Fragen der Friedensverantwortung (Dokument 47, S. 470–475). 12 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2876. Darin: Fragen der Zivilverteidigung. Gesichtspunkte zur Auseinandersetzung mit Problemen der Zivilverteidigung, S. 3–34.
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Fragen beschäftigen, freigegeben. Dabei wird nicht bestritten, daß grundsätzlich Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung in Katastrophen- und Kriegsfällen Bestandteil verantwortlicher Regierungspolitik sind, aber es werden mögliche militärpolitische Auswirkungen benannt, und es wird vor allem auf die unvermeidlichen Nebenwirkungen der bei uns geübten Zivilverteidigungspraxis aufmerksam gemacht. Auch die Bundessynode hat auf „zwiespältige Wirkungen der Zivilverteidigung“ hingewiesen und von „bedenklichen Nebenwirkungen auf das Leben in unserer Gesellschaft“13 gesprochen. Das Gespräch in unserer eigenen Mitte steht noch am Anfang. Die von der KL verabschiedeten „Gesichtspunkte“ sind ein Gesprächsbeitrag, der vor allem den in Gewissenskonflikte geratenen Gliedern unserer Gemeinden helfen möchte. Sie können und wollen keine abschließende Stellungnahmen sein. Da wir uns der Komplexität des ganzen Sachverhaltes bewußt sind und Lösungen nicht in der Tasche haben, brauchen und suchen wir das sachliche Gespräch mit anderen, in das wir als verantwortungsbewußte und lernbereite Partner unseren Beitrag einbringen möchten. Auch ein Gespräch über den Pazifismus wäre nötig und erscheint möglich, nachdem Kurt Hager im Juni dieses Jahres erklärt hat: „In der Friedensbewegung vereinen sich Marxisten, Christen und Pazifisten. Dieses Bündnis hat bekanntlich tiefe historische Wurzeln [. . .] Heute vereint uns Marxisten und Pazifisten und Christen das gemeinsame Streben nach Verhinderung einer nuklearen Katastrophe und nach wirksamen Schritten zur Abrüstung. Dieses gemeinsame Streben wird stets stärker sein als alle Meinungsverschiedenheiten über Einzelfragen.“14
Der Pazifismus tritt heute nicht mehr nur in individuellen Gewissensentscheidungen in Erscheinung, sondern ist im bestimmtem Maße zu einem Ausdruck politischer Vernunft und also politikfähig geworden. Dem friedlichen Miteinander in unserer Gesellschaft dient es zweifellos nicht, wenn Schulzeugnisse den Vermerk enthalten „Vertritt pazifistische Gedanken“, was dem Betreffenden bestimmte Ausbildungswege versperren dürfte. Wir hoffen und erwarten, daß es sich hier um Einzelfälle handelt, die sich nicht wiederholen werden. „Pazifismus“ darf nicht länger als Schimpfwort verwendet werden. Die KL unterstützt voll die sehr wesentlichen Ausführungen, die im Bericht der KKL15 zu diesem Thema gemacht werden.
13 Beschluß der Bundessynode vom 28.9.1982 vgl. oben Anm. 4. Hier: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 97. 14 ND, 20.6.1982 [Orig. Anm.]. 15 Vgl. oben Anm. 2.
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5.2
5.2.1
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Insofern Friede im biblischen Sinn das geheilte Verhältnis des Menschen zur außermenschlichen Schöpfung (zur „Natur“) einschließt, gehört zur Friedensarbeit der Kirche auch die Warnung vor den Folgen der rücksichtslosen Vergeudung unersetzbarer, sich nicht regenerierender Rohstoffe namentlich für die Rüstung und vor den Folgen von Atomwaffenversuchen für die Biosphäre und vor den Folgen der Lagerung chemischer Kampfstoffe und vor allen Versuchen, den Weltraum für militärische Zwecke auszunutzen – also die Warnung vor den ökologischen Folgen militärischer Konflikte und Konfliktvorbereitungen. Friede – schalom – ist eine Beziehungswirklichkeit. Seine häufigste und elementarste Sprachform in der Bibel ist daher der Gruß. Auf diese Tatsache wie auf andere wichtige Zusammenhänge hat uns Heino Falcke immer wieder aufmerksam gemacht. Der Gruß eröffnet eine Beziehung. Die zum Gruß ausgestreckte Hand zeigt die Waffenlosigkeit und ist eine Vorleistung des Vertrauens. Sie sichert sich nicht selbst, sondern versichert den anderen des Friedens. Der Friedensgruß des Auferstandenen mit den durchbohrten Händen (Joh 20,19 f.) ist das Zeugnis der Versöhnung, von der unser Glaube lebt und mit dem er in die Welt gesandt ist. Von daher liegt im Friedenshandeln der Kirche ganz eindeutig der Akzent auf der Vertrauensbildung. Und da Drohung, Ängstigung und Täuschung den Aufbau von Vertrauen verhindern und das tief sitzende Mißtrauen immer weiter verstärken, muß kirchliches Friedensengagement unüberhörbar benennen, was den Frieden heute in besonderem Maße gefährdet, und dagegen angehen. Hier kann nur schon Gesagtes noch einmal unterstrichen werden. Die Bundessynode hat die Absage an Geist und Logik der atomaren Abschreckung16 ausgesprochen. Abschreckung ist ein Kind der Angst und erzeugt immer neue Ängste. Dieses System bedeutet heute die Verhinderung jeder Vertrauensbildung. Wer auf die atomare Abschreckung vertraut – also darauf, daß durch die „glaubwürdige“ Drohung mit Gegengewalt der Einsatz von Gewalt verhindert werde –, wird sich angesichts der heutigen Waffenentwicklung fragen müssen, ob er nicht anderen Göttern vertraut. Die den Sanftmütigen – denen also, die in solcher Situation auf die Androhung von Gewalt verzichten –, gegebene Verheißung, daß sie das Erdreich besitzen werden (Mt 5,5), ist heute von unmittelbarer politischer
16 Beschluß der Bundessynode vom 28.9.1982 vgl. oben Anm. 4. Zur Formel „Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung“ vgl. KJ 114, 1987, S. 140–143, 158–170; H. ZEDDIES, Absage an das System, S. 119–147.
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Relevanz. Wir können darum nur begrüßen, daß auf der „Weltkonferenz für die Rettung der heiligen Gabe des Lebens vor einer nuklearen Katastrophe“ in Moskau im Mai dieses Jahres übereinstimmend erklärt worden ist, „daß der nukleare Krieg unter keinen Umständen und niemals gerechtfertigt werden kann“, daß also „unter keinen Umständen“ und also auch im Falle einer Aggression der Einsatz von Atomwaffen und damit die Auslieferung von Millionen von Menschen an einen schrecklichen Tod oder ein noch schrecklicheres Leben zu rechtfertigen ist, und „die Entwicklung, die Produktion, die Tests und die Stationierung aller Nuklearwaffenarten, wer immer solches tut, als ein moralisches Übel zu verurteilen“ sei17. „Wir können nicht ruhen“, so heißt es in dem von dieser Konferenz ausgegangenen Appell an die Regierungen der Welt, „bis alle Kernwaffen verboten und vernichtet sind.“18 Von hier aus werden dann konkrete politische Schritte benannt, wie es auch die Bundessynode getan hat. – 5.2.2
Da Frieden eine Beziehungswirklichkeit ist, ist eine Aufgabe kirchlicher Friedensarbeit, das ausschließliche Interesse an der eigenen Sicherheit als friedensgefährdend deutlich zu machen und die Erkenntnis vorantreiben zu helfen, daß Sicherheit heute nur noch gemeinsam zu gewinnen ist – nicht Sicherheit vor dem anderen, sondern mit ihm zusammen. Wir freuen uns, daß in dem „Arbeitsbericht“ über die Konsultation des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR und der Ev. Kirche in Deutschland über die Friedensverantwortung unserer Kirchen vom 30.6.1982 der Satz steht: „Sicherheit ist heute nur noch im Rahmen eines Systems denkbar, das gegensätzliche Interessen gleichermaßen berücksichtigt und zu friedlichem Ausgleich nötigt“, so daß
17 Vom 10.–14.5.1982 fand in Moskau die Weltkonferenz „Religiöse Vertreter zur Rettung der Heiligen Gabe des Lebens vor einer nuklearen Katastrophe“ mit 590 Vertretern aus 90 Ländern statt. Der BEK war mit vier Delegierten unter der Leitung von Bischof Dr. Gienke vertreten. Vgl. C. LEWEK, Frieden. Beschluß der KKL zu dem Bericht über die Weltkonferenz „Religiöse Vertreter zur Rettung der heiligen Gabe des Lebens vor einer nuklearen Katastrophe“ vom 3.7.1982. In: MBL BEK 1–2/1983, S. 14; EPD-DOKUMENTATION 32a/1982, S. 15; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 75 f. Vgl. auch MOSKAU 1982; G. BESIER, SED-Staat und Kirche 2, S. 499, 855. 18 Am 18.8.1982 überreichte Bischof Dr. Gienke dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, im Hotel „Johannishof“ einen in Moskau verabschiedeten Appell an die Regierungen und zwei weitere Dokumente der Weltkonferenz. Vgl. EBD., S. 499. Appell abgedruckt: in: ZDZ 36, 1982, S. 256 f., hier: S. 257. Vgl. Ansprache des stellvertretenden Vorsitzenden der KKL, Bischof Dr. Gienke, bei der Übergabe des „Appells an die Regierungen der Welt“ der Moskauer Weltkonferenz vom 18.8.1982. In: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 80–86, hier: S. 85 f.
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5.2.3
5.2.4
Berichte und Beschlüsse
unsere Kirchen die Aufgabe haben, „den Primat politischer Bemühungen zur Sicherung des Friedens vor militärischem Sicherheitsdenken geltend zu machen. [. . .] Unsere Kirchen“, so wird gesagt, „müssen in ihren Entscheidungen und Stellungnahmen zum Ausdruck bringen, daß zu einer künftigen Friedensordnung unabdingbar gehört, – daß jede Seite die Existenz der anderen Seite und die Koexistenz mit ihr glaubhaft bejaht, – daß jede Seite das Sicherheitsbedürfnis der anderen mitbedenkt, – [. . .], – daß jede Seite diejenigen Faktoren reduziert, die Mißtrauen erwecken und Bedrohungsängste vermehren, und den Aufbau von Vertrauen fördert, – daß jede Seite eine Form der Rüstung anstrebt, die ihre defensiven Absichten möglichst glaubhaft erkennen läßt.“19 Insofern zum Frieden Beziehungen zwischen den Völkern, Staaten und Bündnissystemen gehören, die es erlauben, Konflikte mit politischen Mitteln auszutragen, ist eine propagandistische Aufheizung oder Vergiftung der Atmosphäre friedensgefährdend. Es gehört zum Friedensengagement der Kirche, immer wieder vor der Erstellung von Feindbildern zu warnen, die den Gegner zum Monstrum oder zum Teufel machen. Die erwähnte Weltkonferenz in Moskau hat darum die Kernwaffenmächte aufgerufen, „ein Moratorium für jede feindselige Rhetorik durchzusetzen“ und erklärt, die Menschheit müsse „ihre gemeinsamen Feinde erkennen und den Kampf beginnen gegen [. . .] die Lüge in internationalen Beziehungen, dazu die Selbstrechtfertigung, die Unterdrückung der Wahrheit, die falschen Vorstellungen von sich selber und vom vermeintlichen Feind.“20 Dem können wir nur zustimmen. Die ökumenischen Begegnungen von Christen aus verschiedenen Kirchen und unterschiedlichen Gesellschaftssystemen sind wichtige Lernmöglichkeiten, ohne Verharmlosung der Gegensätze und Gefahren dem selbstgerechten Versuch zu widerstehen, das Böse, den Frieden Gefährdende ausschließlich im anderen politischen System inkarniert zu sehen. Mit Neutralismus, der der kirchlichen Friedensarbeit oft vorgeworfen wird, hat das nichts zu tun. Das Kreuz der Versöhnung stand nicht über den Fronten, sondern mitten in den Konflikten dieser Welt. Die Kirche, die sich um ihren gekreuzigten Herrn sammelt, kann also nicht einen Standpunkt über den Gegensätzen einneh-
19 ABL. KPS 1982, Heft 9 [Orig. Anm.]. Konsultationen über Fragen der Friedensverantwortung zwischen dem BEK und der EKD – Arbeitsbericht. In: MBL BEK 1–2/1983, S. 13 f.; EPD-DOKUMENTATION 38/1982, S. 1; KIRCHE UND FRIEDEN; GEMEINSAM UNTERWEGS, S. 257–261; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 87–91, hier: S. 90 f. 20 Vgl. oben Anm. 17; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 75 f.
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men, um von der hohen Warte aus schiedsrichterliche, ausgewogene Sprüche an beide Seiten zu richten und die Schuld an der Gefährdung des Friedens gleichmäßig zu verteilen. Sie kann freilich auch nicht einfach zum Verstärker der Politik des eigenen Landes werden. Wenn sie sich auf diese Verstärkerrolle einließe, würde sie einfach einem der im Unfrieden miteinander lebenden gegnerischen Lager zugerechnet und fiele also als Potential für den Aufbau von Vertrauen aus. Das heißt nicht, daß wir als Kirchen in der DDR nicht die Tendenz der Politik unseres Staates, dem Frieden zu dienen, anerkennen und bejahen dürften, sondern sie aus einer grundsätzlichen Skepsis heraus infragestellen müßten; es bedeutet auch nicht, daß wir aus lauter „Berührungsangst“ nicht Vorschläge und Schritte unterstützen dürften, die von unserer Regierung kommen oder von ihr mitverantwortet werden. Es sind die Kirchen in der DDR gewesen, die, bevor der NATO-Doppelbeschluß21 zustandekam, den Vorschlag eines Moratoriums für die Herstellung und Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa ins Gespräch der europäischen Kirchen gebracht haben. Und unsere Synode hat auf ihrer letzten Tagung erklärt, daß wir die Abrüstungsund Verhandlungsinitiativen, die seit Jahren von der Sowjetunion ausgehen, unterstützen und der Meinung sind, daß sie „im Westen gesprächsoffener und verhandlungsbereiter aufgenommen werden sollten.“22 Dazu gehört auch die jüngste Erklärung der Sowjetunion, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten23. Die besondere Aufgabe der Kirche ist es indessen, im eigenen Land die „Zumutungen des Friedens“ zu benennen und dabei auch auf Tendenzen und Vorgänge aufmerksam zu machen, die dem Frieden vermutlich oder auch bestimmt nicht dienlich sind. Für die Kirchen 21 Am 12.12.1979 verabschiedete der NATO-Rat den Beschluß über die Aufstellung neuer Mittelstreckenwaffen der NATO bei gleichzeitigem Angebot an die UdSSR, bis zum vorgesehenen Beginn der Stationierung Ende 1983 über den Abbau entsprechender sowjetischer Waffen in Verhandlungen zu treten. Nach Beginn der Stationierung der westlichen Raketen (Pershing II) und Marschflugkörper (Cruise-Missile) wurden die am 30.11.1981 begonnenen INF-Gespräche zwischen den USA und der UdSSR (Abbau von Mittelstreckenraketen) am 23.11.1983 von der Sowjetunion abgebrochen, am 12.3.1985 jedoch wieder aufgenommen. Nach erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen (Einigung auf beiderseitige ‚doppelte Nullösung‘) wurde im Dezember 1987 der INF-Vertrag unterzeichnet. Vgl. auch unten Dokument 47, Anm. 18, S. 471 u. Dokument 50, Anm. 1, S. 501 f. 22 Vgl. oben Beschluß der Synode über das Tragen des Symbols der Friedensdekade 1981 „Schwerter zu Pflugscharen“ auf der 5. Tagung der IX. Synode am 28.3.1982, Punkt 3. (Dokument 44, S. 428). 23 Die Erklärung der UdSSR erfolgte im Rahmen der UN-Generalversammlung vom 15. Juni 1982. Zu Details vgl. Yearbook of the United Nations 1982, vol. 36, p. 54 f.
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5.2.5
Berichte und Beschlüsse
in der DDR bedeutete das, immer wieder hinzuweisen auf die Durchdringung unseres gesamten gesellschaftlichen Lebens durch das Militärische, was zu (moralisch und auch ökonomisch) problematischen Prioritäten- und Kriteriensetzungen führt und im Bewußtsein die Befehls- und Gehorsamsstruktur einschleift mit allen Folgeerscheinungen, die das hat. – Wir haben durch Vertreter des Nationalrates der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten von Amerika24 erfahren, wie dort die Kirchen ihren Friedensdienst wahrnehmen. Es kann uns nur größten Respekt abnötigen vor dem Mut, mit dem diese Kirchen ihre Stimme gegen die friedensgefährdende Rüstungspolitik ihrer derzeitigen Regierung erheben. Es ist ihre und nicht unsere Aufgabe, dies zu tun. Wenn wir uns hier zurückhalten, dann auch deswegen, um dem gegen diese Kirchen und die westlichen Friedensbewegungen erhobenen Verdächtigungen, sie seien kommunistisch gesteuert, nicht auch noch unsererseits Nahrung zu geben. Es gibt hier einige sinnvolle ökumenische Spielregeln. Weil der Friede eine Beziehungswirklichkeit ist, gehören Friede und Gerechtigkeit untrennbar zusammen. „Gerechtigkeit und Friede werden sich küssen“, heißt es in Ps 85,11. Von daher ist das gegenwärtige Wettrüsten, das gerechte Entwicklungspolitik ökonomisch unmöglich macht, für einen Christen unerträglich. Zum eigenständigen Friedensengagement der Kirchen gehört es darum, unermüdlich darauf hinzuweisen, daß jeder Panzer, jedes Bombenflugzeug und jede Rakete Menschen töten, noch bevor und auch ohne daß sie je eingesetzt werden. Im hohen Maße friedensgefährdend ist die sich verschärfende Ungerechtigkeit des Wohlstands-Armutsgefälles zwischen den Industrieländern und den Ländern der Dritten Welt. Wir beobachten mit Sorge, wie die über viele Jahre mühsam aufgebauten Regelungen, die zu einer wenigstens relativen wirtschaftlichen Besserstellung der Länder und Menschen der Dritten Welt führen sollten und ansatzweise tatsächlich geführt haben, durch die Auswirkungen der allgemein angespannten wirtschaftlichen Lage und die damit
24 Eine dritte Begegnung zwischen Vertretern des Nationalrates der Kirchen Christi in den USA (NCC) und Vertretern des BEK sowie der Vereinigung Evangelischer Freikirchen fand vom 18.–23.4.1982 in Ferch bei Potsdam statt. Auf der Tagesordnung standen Fragen des Friedens, der Abrüstung und der Sicherheit. Aus der KPS war Konsistorialpräsident Kramer beteiligt, der schon an den ersten beiden Begegnungen in Chorin (April 1978) und Stony Point/N.Y. teilgenommen hatte. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 5884. Darin: (6) 3. Begegnung mit dem Nationalen Christenrat der USA, S. 8; Auszug aus dem Protokoll der 80. Sitzung der KKL vom 7./8.5.1982, S. 1.
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5.2.6
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verbundenen restriktiven Maßnahmen mehr und mehr zunichte gemacht werden. Statt der vielerorts mit gutem Willen erstrebten gerechteren Verteilung des Reichtums werden die armen Länder zusehends noch ärmer. Die Polarisierung zwischen arm und reich nimmt zu. Da Friede und Gerechtigkeit unlösbar zusammenhängen, gehört es zur Friedensaufgabe unserer Kirchen, die Regierung zu bitten, in dem, was sie für die Länder der Dritten Welt tut – z. B. der Finanzierung von Studenten- und Ausbildungsmöglichkeiten – keineswegs nachzulassen, sondern es, wenn möglich, zu erweitern, auch wenn dies gewisse Einschränkungen für uns alle mit sich bringen sollte. Weil Friede eine Beziehungswirklichkeit ist, gehören dazu die Bemühungen um umfassenden inneren Frieden in der Gesellschaft. Das schließt ein, der Stadt Bestes zu suchen (Jer 29,7). Für uns heißt das, zur Stabilisierung des Lebens in unserer Gesellschaft beizutragen. Stabilität meint nicht eine Bejahung von Unbeweglichkeit und Erstarrung und also nicht einfach eine Befestigung des status quo, sondern heißt, dazu mitzuhelfen, daß angesichts von Schwierigkeiten Verunsicherungen vermieden und abgebaut werden. Die gegenwärtige Situation der Weltwirtschaft bringt für zahlreiche Länder schwere Belastungen. Die Wirtschaft unseres eigenen Landes ist darein verflochten. Steigende Preise auf dem Weltmarkt führen dazu, daß Importe eingeschränkt werden müssen. Wir werden uns, wenn wir den „Offenen Brief der Melbourne-Fahrer“25 schon beiseite gelegt haben sollten, daran erinnern lassen müssen, daß das, was sich bei uns gegenwärtig als eine gewisse Beeinträchtigung unseres vergleichsweise hohen und wachstumsgewohnten Lebensstandards auswirkt, für Millionen von Menschen in der Dritten Welt die Bedrohung ihrer nackten Existenz bedeutet. Eine Fixierung auf die eigenen Probleme könnte Angstreaktionen auslösen, die den inneren Frieden gefährden könnten. Man wird solche Reaktionen nicht dadurch vermeiden können, daß Mißerfolge verschwiegen, Mangelsituationen beschönigt werden. Das of-
25 Am 14.1.1981 wird ein Brief der Teilnehmer aus der DDR an der Weltmissionskonferenz in Melbourne (12.–24.5.1980) an die Gemeinden veröffentlicht (Evangelischer Nachrichtendienst in der DDR/ena vom 14.1.1981; sowie: EPD-DOKUMENTATION 8/81 (9.2.1981), S. 12 f.) Darin heißt es: „Wir sind herausgefordert, einen Beitrag zu leisten, damit das Leben auf der Erde menschlicher und unser Christsein glaubwürdiger wird. Aber was können wir tun? . . . Deshalb müssen wir uns in der Verantwortung vor Gott der Herausforderung durch die Armen stellen, und zwar auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens und auch ganz persönlich . . .“ Zur Weltmissionskonferenz vgl. DEIN REICH KOMME.; H. BLAUERT, Dein Reich komme; W. MÜLLER-RÖMHELD, „Dein Reich komme“.
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Berichte und Beschlüsse
fene Gespräch mit den Menschen in unserem Land könnte viel eher die Chance haben, daß Schwierigkeiten gemeinsam ertragen und überwunden werden. Offenheit ist immer ein stabilisierender Faktor, während das Auseinanderklaffen von Erfolgsmeldungen und Alltagserfahrungen auf die Länge destabilisierend wirken. Indem wir nicht leichtfertig einstimmen in Klagen und Beschwerden, sondern Besonnenheit und Zurückhaltung üben, leisten wir einen Beitrag zur Bewahrung des Friedens. 5.3
Der Frieden – schalom – ist eine Verheißungswirklichkeit. Das Reich des vollkommenen, endgültigen und immerwährenden Friedens, in dem nicht mehr geweint werden muß (um ein verhungertes Kind, um einen zu Tode gefolterten Freund, um eine von Bomben getötete Mutter), in dem „der letzte Feind“, der Tod, ausgespielt haben wird (Apk 21,4; 1. Kor 15,26) ist nicht das Ergebnis unserer Anstrengungen; er kommt nicht aus der Geschichte, sondern in die Geschichte. Der Friede, den wir schaffen können, wird immer nur ein unvollkommener, gefährdeter Friede sein; der vollkommene Friede ist uns verheißen als Gottes Gabe. Auf ihn hoffen wir und freuen wir uns; ihn erwarten wir, um ihn beten wir. Im Trauen auf die Realität dieser Verheißung kann das Friedensengagement der Kirche sich nicht davon bestimmen und dadurch begrenzen lassen, was Politiker und Experten für realistisch halten. Dabei wissen wir, wie schwierig es für sie ist, das, was die Menschen sich erhoffen, in praktische Politik umzusetzen. Wir achten ihre Bemühungen. Das von ihnen als realisierbar Angesehene werden Christen in ihrem Friedensengagement nicht schwärmerisch überspringen, sie werden sich aber nicht einfach damit abfinden und darauf verzichten, darüber hinauszudenken. Insofern hat das Friedensengagement der Kirche und der Christen immer auch etwas Utopisches an sich, sofern unter einer Utopie nicht ein Traumgespinst, sondern dasjenige verstanden wird, was noch keinen Ort, noch keine Verwirklichung in der Geschichte gefunden hat, aber Realität werden wird und darum jetzt schon Veränderungen in Gang bringt.
5.3.1
Weil wir gewiß sind, daß das uns verheißene Friedensreich Wirklichkeit werden wird, braucht das Friedensengagement der Kirche sich von den unausbleiblichen Enttäuschungen und Rückschlägen nicht lähmen zu lassen und muß es nicht nach Schuldigen suchen. Weil von Gott her Friede auf uns zukommt, können wir uns der Zukunft öffnen und die Bereitschaft zum behutsamen Risiko des Vertrauens aufbringen, ohne die menschliches Leben und der Friede nicht gelingen kann und Zukunft nicht zu gewinnen ist.
Bischof Dr. Werner Krusche, 28. Oktober 1982
5.3.2
5.3.3
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Die Hoffnung auf das verheißene Reich des Friedens sucht sich Ausdrucksformen und Hinweiszeichen auf das Erhoffte. So entstand das Symbol der Friedensdekade 1981 „Schwerter zu Pflugscharen“26. Daß sich so viele, vorwiegend junge Leute dieses Symbol auf ihre Jacken genäht haben, war ein spontaner, so nicht vorhergesehener oder gar geplanter Akt. Gerade weil hier nicht kommandiert oder angeordnet war, fand diese Initiative bei unseren Jugendlichen solche Zustimmung. Daß im Tragen des „Aufnähers“ die mißbräuchliche Verwendung des Symbols als Abzeichen für eine sich unter dem Dach der Kirche organisierende oppositionelle Bewegung und die „Aufforderung zur Selbstentwaffnung der DDR“ gesehen werden konnte, ist uns schwer begreiflich. Die Träger dieses Zeichens haben ihrer Hoffnung auf einen Frieden Ausdruck geben wollen, der nicht durch mehr, sondern durch weniger Waffen, nicht durch Aufrüstung, sondern durch Abrüstung, nicht durch Vorbereitung auf den schlimmsten Fall, sondern durch Vorbereitung des besten Falles entsteht. Die Polizeimaßnahmen gegen Träger des Aufnähers haben bei den Betroffenen Verwundungen in ihrem Inneren hinterlassen und sind dem Ansehen der DDR abträglich. Außerdem ist durch sie auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit verursacht worden. Wir hoffen, daß aus den Vorgängen dieses Jahres Lehren gezogen worden sind. Die KL stellt sich hinter den Beschluß der KKL, das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ auch in diesem Jahr als Kennzeichen für die Veranstaltungen der Friedensdekade27 zu verwenden. Sie begrüßt es, daß inzwischen staatlicherseits die Genehmigung zum Druck von 100.000 Lesezeichen und 50.000 Faltblättern erteilt worden ist sowie zum Druck von 20.000 Plakaten28, mit denen während der Friedensdekade bis zu deren Beendigung auf die geplante Veranstaltungen hingewiesen und zu ihnen eingeladen werden kann. Die KL trägt – wie die Bundessynode – auch den anderen Beschluß der KKL mit, auf die Herstellung des Symbols in einer Form, die als Aufnäher verwendet werden kann, und auf die Herausgabe von noch vorhandenem Material der letzten Friedensdekade zu ver-
26 Vgl. oben Dokument 44, Anm. 1, S. 427. 27 Zur kirchlichen Friedensarbeit und zu den Friedensdekaden vgl. oben Dokument 42a, Anm. 13, S. 405. Die Auseinandersetzungen um die Zulassung und Verbreitung des Symbols „Schwerter zu Pflugscharen“ sind ausführlich dargestellt bei A. SILOMON, „Schwerter zu Pflugscharen“, insbes. S. 195–207. Zu Krusches Position EBD, S. 184 f. 28 Zur staatlichen Druckgenehmigung des Symbols „Schwerter zu Pflugscharen“ zur Friedensdekade 1982 am 16.10.1982 vgl. M. HOHMANN, Friedensarbeit, S. 176 f.
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5.4
Berichte und Beschlüsse
zichten. Die KL weiß, daß diese Entscheidung für die Jugendlichen schmerzlich ist, die wegen dieses mit ehrlichem Herzen getragenen Zeichens Demütigungen auf sich genommen haben; sie weiß, daß ihr der Vorwurf der Nachgiebigkeit und einer überängstlichen Rücksichtnahme gemacht wird, aber sie hat gemeint, diesen schmerzlichen Verzicht auf sich nehmen zu sollen, um deutlich zu machen, daß es uns um den Frieden und um nichts anderes geht. Das öffentlich getragene Zeichen hat dem Gespräch um den Frieden auf verschiedenen Ebenen neue Impulse vermittelt; jetzt kommt es darauf an, dieses Gespräch in Gang zu halten. Eine ganze Anzahl von Jugendlichen ist in der Auseinandersetzung um den Aufnäher innerlich gereift. Wir hoffen auf die Einsicht auf allen Seiten, daß es für den Frieden nichts austrägt, wenn es jetzt zu erneuten Auseinandersetzungen wegen des Aufnähers käme. Das Gespräch um den Frieden wird auch in der bevorstehenden Friedensdekade fortgesetzt werden. Wir bitten Gott darum, daß alles, was in dieser Friedensdekade geschieht, unsere Hoffnung auf den Frieden und unsere Fähigkeit für den Frieden stärkt und erweitert. Wir wollen den Frieden, nicht eine Friedhofsruhe. Der Friede braucht immer wieder neu unsere Phantasie, unsere Spontaneität, unsere Aktion, unseren wachen Geist und vor allem unsere innerste Konzentration auf den, der unser Friede ist – in Gebet und Meditation. Unser Engagement für den Frieden ist in dem Maße „eigenständig“, wie es aus dieser Mitte kommt. In den vorangehenden drei Abschnitten haben wir darzulegen versucht, worin die Eigenständigkeit unseres kirchlichen Friedensengagements besteht. Wir haben niemals von einer „unabhängigen Friedensbewegung in der DDR“ im Sinne einer eigenen Organisation gesprochen und können uns nur wundern, daß diese von außen kommende Interpretation unseres Friedensengagements uns immer wieder vorgehalten worden ist, als sei es die unsere. Wir sprechen von einem eigenständigen Friedensengagement der Kirche und der Christen, weil es einen eigenen, unverwechselbaren Wurzelgrund im Evangelium hat, und nicht etwa, weil es als eine Gegenkonzeption zu der „einheitlichen Friedensbewegung in der DDR“ bzw. zur Politik unseres Staates entwickelt worden wäre. In konkreten Zielstellungen – Verhinderung des Krieges, Abrüstung – anfangend bei den Nuklearwaffen, Verneinung des Krieges als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, Lösung strittiger Fragen auf politischem Wege, friedliche Koexistenz – besteht Übereinstimmung, ebenso in vielen konkreten Schritten zur Sicherung des Friedens. Manches wird sich vom marxistisch-leninistischen Denken her
Bischof Dr. Werner Krusche, 28. Oktober 1982
6.
[. . .]
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nicht nahelegen, anderes wird gar nicht mit vollzogen werden können. Dies zu entscheiden, kann nicht unsere Sache sein. Auch wenn es zwischen unserem kirchlichen Friedensengagement und der „einheitlichen Friedensbewegung in der DDR“ keine Deckungsgleichheit gibt, trifft uns der den Kirchen bzw. ihren Leitungen – auch von bestimmten Gruppen innerhalb der Kirche – gemachte Vorwurf der Spaltung nicht. Der Friede ist zu komplex, als daß die Bemühungen um ihn uniform sein können. Wir sind der Meinung, daß Einheit in der Friedensbewegung im offenen Dialog zustande kommen muß und nicht durch Ausschluß inkongruenter Standpunkte erreicht werden kann. Jede Anwendung von Repressalien gegen Menschen mit anderen Meinungen ist friedenszerstörend. Wo spontane, aus der Leidenschaft für den Frieden kommende Initiativen und Basisimpulse behindert werden, wird für den Frieden nicht viel in Bewegung gebracht. Der Versuchung hierzu werden wir auch in der Kirche widerstehen müssen. Keineswegs wollen wir der „einheitlichen Friedensbewegung“ eine einheitliche und geschlossene Kirche gegenüberstellen. Deshalb versuchen wir, in unserer Kirche das offene Gespräch zu führen, und treten wir im Blick auf unsere Gesellschaft für eine Öffnung der Friedensbewegung ein. Mit allem, was in diesem Bericht steht, haben wir der Synode Rechenschaft davon geben wollen, was im Berichtszeitraum die KL beschäftigt hat und welche Markierungspunkte sie für das nächste Wegstück sieht. In allem, was wir denken und tun, möchten wir dem Evangelium vertrauen und gehorsam sein. Auch eine Kirchenleitung besteht aus sündigen und fehlsamen Menschen. Deshalb bedarf sie der kritischen und barmherzigen Begleitung durch die Gemeinden und ihre gewählten Vertreter.
BerichtderKirchenleitung,24.November1983 BerichteundBeschlüsse
46 Bericht der Kirchenleitung auf der 8. Tagung der IX. Synode Halle Diakonissenhaus, 24. November 1983 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 121, Dr. 23/83, S. 1–25, hier: S. 17–25 (hekt.). Teilabdruck in: EPD-DOKUMENTATION 53/1983, S. 14–20.
Schwerpunkte: Erfahrungen zwischen Kirche und Staat fünf Jahre nach dem Gespräch vom 6. März 1978 (Bildungswesen, kirchliche Jugendarbeit, Inhaftierung von Kathrin Eigenfeld und Lothar Rochau; Wehrkundeunterricht, Umweltschutz); Lutherjahr 1983; vier Kirchentage in der KPS Gliederung: 1. Ökumene. 2. Intensivere Gemeinschaft der Kirchen in der DDR. 3. Fragen der Gemeindearbeit. 4. Mitarbeiterfragen. 5. Diakonie. 6. Zu einigen Erfahrungen zwischen Kirche und Staat. 7. Lutherjahr. Anlagen zum Bericht: 1. Landesbischof Dr. Werner Leich über die „Offene Arbeit“ mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf der Synode des BEK 1983 in Potsdam-Hermannswerder. 2. Positionspapier zur intensiveren Gemeinschaft der Kirchen in der DDR vom 2. September 1983. 3. Brief der Kirchenleitung an künftige Mitarbeiter der Kirche über Fragen der Ehe.
[. . .] 6. Zu einigen Erfahrungen zwischen Kirche und Staat Im März 1983 waren fünf Jahre vergangen seit dem denkwürdigen Gespräch zwischen dem Staatsvorsitzenden und dem Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen vom 6. März 19781. Von Beginn an ist dieses Gespräch als eine offizielle Erläuterung der Verfassungsgrundsätze der DDR im Bereich der Staatspolitik in Kirchenfragen verstanden worden. Das in diesem Gespräch festgelegte „Basisprinzip“ hat sich als Testfrage in der Zwischenzeit behauptet: Das Verhältnis von Staat und Kirche ist in der Tat so gut, wie es der einzelne Christ vor Ort erfährt. Von da aus ist immer wieder gefragt worden, ob die Grundsätze dieses Gesprächs durchsetzbar gewesen seien. Es besteht kein Zweifel daran, daß die leitenden 1 Zum Gespräch am 6.3.1978 vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der VIII. Synode am 16.11.1978, Punkt 3.1.1. (Dokument 38, S. 375–380).
Bericht der Kirchenleitung, 24. November 1983
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Staatsorgane sich darum bemühen; ebenso hat unsere Kirchenprovinz immer wieder unterstrichen, daß sie von diesen Grundsätzen ausgeht. Die besonderen Aufgabenstellungen im Lutherjahr haben anschaulich gemacht, welche positiven Möglichkeiten sich in der Entfaltung solcher Grundsätze bei konkreten Programmen ergeben. Es ist daher in unseren Kirchengemeinden sehr beachtet worden, daß der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker in dem Interview, das er den „Lutherischen Monatsheften“ gegeben hat, die Kontinuität dieses Weges seit dem 6. März 1978 unterstrichen hat: „Ich weiß, daß die Evangelischen Kirchen in der DDR am Weg des 6. März festhalten. Auch wir werden diesen Weg weiter gehen [. . .] Wir bleiben an Beziehungen zwischen Staat und Kirche interessiert, die offen, vertrauensvoll, verfassungsgemäß und konstruktiv sind. Ohne Zweifel hat der Verlauf des Jahres 1983 die Richtigkeit des Märztreffens 1978 erneut gezeigt.“2
Umgekehrt ist aber gerade von den Kirchengemeinden vielerorts kritisch nachgefragt worden, ob denn schwierige Erfahrungen einzelner, die nach wie vor gemacht werden, mit dem Geiste solcher Grundsatzaussagen vereinbar seien. Sie fragen nach der Bewährung des Vertrauens im alltäglichen Umgang zwischen staatlichen Organen, Leitern, im Bereich der Volksbildung und christlichen Bürgern. Sie fragen nach Offenheit und Ehrlichkeit. Wo diese fehlen, wird Vertrauen geschädigt und der Resignation der Boden bereitet. 6.1. Junge Christen in Schule und Universität Im Berichtszeitraum sind der Kirchenleitung nicht viele Beschwerdefälle aus dem Bereich der Volksbildung benannt worden. Daß diejenigen, über die wir informiert wurden, bereinigt worden sind, sieht die Kirchenleitung positiv an. Die Zahl der Konfliktfälle, die aus Angst vor unangenehmen Folgen nicht als Beschwerden zur Sprache gebracht werden, ist aber nach wie vor nicht unerheblich. So stehen wir vor sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Viele Lehrer sind bemüht, allen Kindern – unabhängig von ihrer kirchlichen Bindung – Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und dafür zu sorgen, daß sie nicht wegen ihres Glaubens angefeindet oder gehänselt werden. Wo einzelne Übergriffe passieren, sind auf den verschiedenen Ebenen Beschwerdemöglichkeiten gegeben. Wo Beschwerden wahrgenommen wurden, ist deutlich geworden, wie ernstlich die Staatsorgane bemüht sind, solche Übergriffe zu bereinigen. Trotzdem ist insgesamt der Eindruck da, daß den Schulen daran liegt, daß junge Christen sich nicht als Christen zu erkennen geben. Von vielen christlichen Familien wird das Klima in der Schule als 2 ND, 6.10.1983, S. 3 [Orig. Anm.].
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Berichte und Beschlüsse
belastend empfunden. An manchen Stellen hat es Konflikte gegeben, wenn Schüler auf ihren Sachen Aufkleber oder Bekenntniszeichen trugen, die auf ihre christliche Haltung und Verbindung zur Kirche hinweisen3. Junge Leute möchten mit den von ihnen gewählten Zeichen zum Ausdruck bringen, welche Bindung ihnen wichtig ist. Es ist beschwerlich, wenn solche Zeichen als „Werbematerial“ diskriminiert werden. Bei den Wahlen zu den Klassenelternaktiven4 sind bewußt Gemeindeglieder und kirchliche Mitarbeiter an vielen Stellen gewählt und wiedergewählt worden. Die Kirchenleitung begrüßt diese Möglichkeit der gesellschaftlichen Mitverantwortung von Christen. Zugleich muß sie es ausdrücklich bedauern, daß in zahlreichen Fällen eine Kandidatur für die Elternaktive unmöglich war; wie paßt diese Beobachtung zu den Zusicherungen, daß Christen in der DDR als gleichgeachtete Bürger am gesellschaftlichen Leben teilnehmen? Würden die Schulen nicht selbst zu einem besseren Klima beitragen, wenn sie an diesen Stellen großzügig handelten? Auch hier zeigt sich, wie schwierig es ist, Einzelfragen zu klären, wenn ein Grundsatzgespräch mit Vertretern des Ministeriums für Volksbildung nach wie vor ausbleibt. Wir halten es für wichtig, daß von der Bundessynode erneut auf die Dringlichkeit solcher Gespräche hingewiesen wurde. Über die Situation in einer unserer Studentengemeinden erhielt die Kirchenleitung einen ausführlichen, instruktiven Bericht5. Auch hier ergab sich ein ähnliches Bild. Junge Menschen sollen gemäß den Grundsätzen unserer Verfassung als Christen in ihrem Glauben nicht verletzt werden dürfen. Trotzdem ist immer wieder der Eindruck da, daß es für das Fortkommen günstiger ist, wenn man sich nicht so deutlich als Christ zu erkennen gibt. Häufig lassen sich Jugendliche auch von der Haltung der Eltern beeinflussen, die wünschen, daß ihre Kinder sich die Berufschancen nicht verbauen. Freilich, eine zunehmende Zahl junger Menschen weigert sich, schlechte Kompromisse einzugehen. Das hat Konsequenzen: In der Ausbildung führt es zu Lernverweigerung; andererseits werden der Gesellschaft damit Begabungen entzogen, die sie nötig braucht. 6.2. Kirchliche Jugendarbeit Das Gesamtbild kirchlicher Jugendarbeit ist nach wie vor sehr unterschiedlich. In zahlreichen – insbesondere ländlichen – Kirchenge3 Gemeint ist vor allem der Aufnäher mit dem Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“. Vgl. dazu oben Beschluß der Synode über das Tragen des Symbols der Friedensdekade 1981 „Schwerter zu Pflugscharen“ auf der 5. Tagung der IX. Synode am 28.3.1982 (Dokument 44, S. 427 f.). 4 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 4, S. 297. 5 Vgl. Protokolle der KL vom 10./11. Juni 1983, S. 6–7.
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meinden geschieht Jugendarbeit häufig nur auf regionaler Ebene. Kirchliche Großveranstaltungen haben bei Jugendlichen eine starke Resonanz. Das zeigt der große Anteil von Jugendlichen bei den Kirchentagen. Das Petersberg-Treffen6 – bei strahlendem Wetter – hatte in diesem Jahr wieder 3000 Teilnehmer. Die Kirchenleitung ist dankbar für solche Arbeitsmöglichkeiten mit der Jugend und für den selbstlosen, intensiven Einsatz der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter in der kirchlichen Jugendarbeit. Manchmal kann man sich aber nicht des Eindrucks erwehren, daß Schwierigkeiten vor allem dort entstehen, wo kirchliche Jugendarbeit in die Öffentlichkeit ausstrahlt. Als im Mai 1983 zu „Friedensmanifestationen der Jugend“ in den Bezirksstädten aufgerufen wurde7, mußte nach Auskunft leitender Stellen zunächst davon ausgegangen werden, daß nicht nur Losungen der Freien Deutschen Jugend, sondern auch eigenständige Losungen im Rahmen dieser allgemeinen Friedensmanifestation gezeigt werden könnten. In der Durchführung hat sich – z. B. in Halle – gezeigt, daß eine eigenständige Mitwirkung von christlichen Gruppen nicht möglich war. Selbständige, nicht von der Freien Deutschen Jugend vorgegebene Losungen wurden nicht zugelassen. Welchen Stellenwert hat also das grundsätzlich doch erwünschte Friedensengagement von jungen Christen in unserer Gesellschaft? Die offene Arbeit8 in unseren Großstädten wird mitunter mit starken Vorbehalten beobachtet. Manchmal hat man den Eindruck, daß Verdächtigungen auf Grund von irgendwelchen Gerüchten ausreichen, um bestimmte Aktivitäten dieser Arbeitsbereiche einzuschränken. Die Kirchenleitung wünscht sich, daß auch die staatliche Seite die verantwortungsbewußten Bemühungen der Mitarbeiter in diesem Bereich der Jugendarbeit mehr mit Vertrauen ansieht. Die Verhaftungen und Verurteilung von Diakon Lothar Rochau9 sowie die Inhaftierung von Kathrin Eigenfeld aus Halle haben bei
6 Zur Geschichte des Petersbergtreffens vgl. oben Dokument 43, Anm. 9, S. 419. 7 Am 18.5.1983 fand in Karl-Marx-Stadt die Friedensmanifestation der Jugend mit 120.000 Teilnehmern als Auftakt zu den Pfingsttreffen der Jugend im Karl-Marx-Jahr statt. 8 Vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der IX. Synode am 4.11.1981, Punkt 9.2.3. (Dokument 43, S. 418 ff.), und vgl. unten Bericht der KL auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.–28.10.1984, Punkt 2.1.1. (Dokument 47, S. 469 f.). 9 Zur Offenen Arbeit und den Vorgängen um Lothar Rochau in der Gemeinde HalleNeustadt 1977–1982 vgl. R. SCHULZE, Jugenddiakon Rochau; S. LE GRAND, Kirchenalltag in Ost und West, S. 241 f. Die Situation von Lothar Rochau war auch Thema des Rates der KL am 18.11.1983. AKPS, Rep. B 3, Nr. 129. Darin: Protokoll der 24. Sitzung des Rates der Kirchenleitung am 18.11.1983 in Magdeburg, S. 1–8, hier: S. 4.
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Jugendlichen und kirchlichen Mitarbeitern viele Fragen und Gespräche ausgelöst. Es ist der Kirchenleitung mitgeteilt worden, daß die kirchliche Tätigkeit von Lothar Rochau in der offenen Arbeit von Halle-Neustadt nicht Gegenstand der Strafverhandlung sei. Angesichts der aufgeworfenen Fragen ist es besonders beschwerlich, daß die Begründung des Urteils der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt wird. So ist es nicht möglich, die Verurteilung und das Strafmaß zu verstehen oder den Fragenden zu erläutern. Die Kirchenleitung hat mit Freude zur Kenntnis genommen, daß Frau Kathrin Eigenfeld inzwischen aus der Haft entlassen wurde. Um so betroffener ist sie darüber, daß die Berufung von Lothar Rochau gegen das Gerichtsurteil verworfen wurde. Die Kirchenleitung betrachtet die offene Arbeit, in der auch Diakon Lothar Rochau und Frau Kathrin Eigenfeld gewirkt haben, als einen notwendigen Teil des kirchlichen Auftrages, der auch im Interesse unserer Gesellschaft und ihrer Jugendlichen geschieht. Sie verweist auf ihren vorjährigen Bericht zu dieser Thematik. 6.3. Vormilitärische Ausbildung und Wehrdienstfragen Über die Handhabung des Wehrdienstgesetzes von 198210 liegen inzwischen Erfahrungswerte vor. Erklärungen von jungen Christen, in den Baueinheiten der Armee waffenlosen Dienst tun zu wollen, werden in der Regel akzeptiert. Nachdem 1982 eine Reihe von Konfliktfällen entstanden waren, die zu Prozessen geführt haben, konnte durch Gespräche mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen11 hier eine Klärung herbeigeführt werden, die es möglich machte, daß die Inhaftierten entlassen und zu Baueinheiten überstellt wurden. Solche Klärungen sind erfreulich. Unbefriedigend bleibt aber nach wie vor die Situation derjenigen, die nach der Ableistung des bewaffneten Grundwehrdienstes in der NVA zu der Überzeugung gekommen sind, daß sie künftig eine Waffe nicht wieder anfassen können. Für
10 Gesetz über den Wehrdienst in der Deutschen Demokratischen Republik – Wehrdienstgesetz – vom 25.3.1982. In: GBL. DDR I, 1982, S. 221–230. 11 So fand am 10.1.1983 ein Gespräch zwischen dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, mit Landesbischof Dr. Hempel, dem Vorsitzenden, und den übrigen Mitgliedern des Vorstandes der KKL über Wehrdienstfragen statt. Dieses Gespräch verlief in zwei Abschnitten: In einem ersten Abschnitt beantwortete der Staatssekretär Fragen zur Auslegung und Ausführung des Wehrdienstgesetzes vom 25.3.1982, die der Vorsitzende d. KKL am 19.4.1982 schriftlich dem Staatssekretär übermittelt hatte. In der anschließenden Aussprache trug der Vorstand der KKL diejenigen Grundkomplexe vor, in denen bei der Durchführung des Wehrdienstgesetzes nach wie vor Schwierigkeiten bestanden. AKPS, B 3, Nr. 455. Darin: Information des Vorstandes über das Gespräch zwischen dem Staatssekretär für Kirchenfragen und dem Vorstand der KKL am 10.1.1983 über Wehrdienstfragen, S. 1–4.
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sie müßte die Möglichkeit eines waffenlosen Reservistendienstes geschaffen werden. Wir können nicht darauf verzichten, diese Bitte zu wiederholen. Die Evangelischen Kirchen in der DDR haben wiederholt erklärt, daß sie die Entscheidung von jungen Männern für den Dienst als Bausoldaten als einen Weg des Glaubensgehorsams unterstützen. Unserer Kirchenleitung ist es wichtig, daß auch in der Alltagssituation der Bausoldaten keine unnötigen Erschwernisse und keine Diskriminierungen vorkommen. Über eine Reihe von unverständlichen Belastungen ist der Kirchenleitung berichtet worden. Die Kirchenleitung wird der tatsächlichen Situation der Bausoldaten weiter ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Daß in der Werbung für den Dienst in der Armee immer wieder starker Druck auf Jugendliche ausgeübt wird, kann nicht im wirklichen Interesse unseres Staates und der Armee liegen. Ebenso muß darauf geachtet werden, daß bei der vormilitärischen Ausbildung von Lehrlingen keine Diskriminierungen gegenüber denjenigen vorkommen, die den Waffengebrauch in der vormilitärischen Ausbildung aus Gewissensgründen ablehnen. Daß hier Regelungen getroffen wurden, die es erlauben, auf eine solche Gewissensentscheidung eine gewisse Rücksicht zu nehmen, ist eine gute Sache. Eine Reihe von Fragen sind jedoch noch offen. – Die Kirchenleitung ist dankbar für die Fälle, in denen dafür Sorge getragen wurde, daß Jugendlichen, die sich für einen waffenlosen Dienst entscheiden, nicht die Möglichkeit entzogen wird, sich in dem gewünschten Beruf ausbilden zu lassen12. Wir halten es aber für notwendig, daß über die Modalitäten deutlicher informiert werden kann. 6.4. Umweltfragen In unserer Gesellschaft ist eine erhöhte Sensibilität für die Belastung unserer Umwelt entstanden. Umgekehrt erleben wir eine starke Zurückhaltung staatlicher Stellen, solche Erfahrungen öffentlich diskutieren zu lassen, weil befürchtet wird, daß solche Diskussion Anlaß zu Propaganda gegen die DDR gibt. Hier müssen Formen eines entkrampften, offenen Gespräches gefunden werden. Viele Kirchengemeinden beschäftigen sich mit solchen Fragen, um ihrerseits zu einem verantwortungsvolleren Bewußtsein in diesem Bereich beizutragen. Z. B. wird die Initiative, den ersten Sonntag im Juni als „Umweltsonntag“ mit Fahrradfahrten statt mit Autokonvois gemeinsam zu gestalten13, vielerorts aufgenommen. Gruppen, die über Um12 Vgl. oben Dokument 45, Anm. 5, S. 431. 13 Das Kirchliche Forschungsheim Wittenberg hatte 1981 die Aktion „Mobil ohne Auto“ angeregt. Über die vielfältigen Aktivitäten in der Kirchenprovinz Sachsen liegt noch keine Dokumentation vor. Vergleiche aber die Zusammenstellung von Texten zu dieser
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Berichte und Beschlüsse
weltfragen arbeiten, hatten auf den Kirchentagen großen Zuspruch. Die Kirchenleitung hat sich vorgenommen, die Fragen der Umweltverantwortung zu einem Schwerpunktthema ihrer Arbeit im kommenden Jahr zu machen. Auch hier handelt es sich um ein Gebiet, in dem die Bereitschaft der Kirche sichtbar werden soll, in unserer Gesellschaft Mitverantwortung zu übernehmen, Probleme offen anzusprechen, um zu ihrer Überwindung beizutragen. 7. Lutherjahr14 7.1. Ein Schwerpunktprogramm Die Kirchenleitung ist nicht die Veranstalterin „des Lutherjahres“. Bereits in der Vorbereitungsphase war aber absehbar, daß sich aus dem 500. Geburtstag Martin Luthers gerade für die Kirchenprovinz Sachsen ein Schwerpunktprogramm ergeben werde. Da mehrere der wichtigsten Lutherstätten (Eisleben, Mansfeld, Erfurt, Wittenberg) in ihrem Bereich liegen, mußte man sich darauf einstellen, daß sich hier der größte Besucherstrom einfinden werde und daß sowohl regionale wie zentrale, kirchliche wie staatliche, wissenschaftliche wie künstlerische Veranstaltungen gerade in diesen Orten stattfinden würden. Die Kirchenleitung hat sich auf diese Situation rechtzeitig orientiert und versucht, durch Begleitung, Anregungen und Hilfestellung die eigenständige Arbeit in den Kirchengemeinden zu fördern15. Der „Kalender für das Lutherjahr 1983 in der Kirchenprovinz Sachsen“16 gibt eine Übersicht über die vielfältigen Vorhaben. Über diese Veranstaltungen – selbst über die wichtigsten – kann hier nicht im einzelnen berichtet werden. Es kann nur eine Gesamtcharakteristik versucht werden, die Rechenschaft davon gibt, wie die Kirchenleitung ihrerseits diese Aktivitäten beobachtet und ausgewertet hat. Das allgemeine Interesse am Lutherjahr ist sehr groß. Die Fülle von Aktion aus der benachbarten Evangelischen Landeskirche Anhalts: MOBIL OHNE AUTO. Vgl. unten Bericht der KL auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.–28.10.1984, Punkt 1.1.2. (Dokument 47, S. 461 f.). 14 Zur Vorbereitung des Luther-Jubiläums erschienen auf kirchlicher Seite: C. DEMKE, Lutherehrung in der DDR; THEMATISCHE ORIENTIERUNG; VERTRAUEN WAGEN. Arbeitsheft im Lutherjahr; MIT LUTHER IM GESPRÄCH. (vgl. auch unten Anm. 24; S. BRÄUER, Martin Luther in marxistischer Sicht). Auf staatlicher Seite erschien u. a.: THESEN ÜBER MARTIN LUTHER (vgl. dazu: R. MAU, „Thesen über Martin Luther“); R. MÜLLER-STREISAND, Zum Lutherjubiläum; ARBEITSTAGUNG DES MARTIN-LUTHER-KOMITEES DER DDR 1982. Retrospektiv erschienen (in kirchlicher Verantwortung) u. a.: GOTT ÜBER ALLE DINGE; I. VOLZ, Literatur zur Lutherforschung. Zum Lutherbild und zur -ehrung in der DDR vgl. M. ROY, Luther in der DDR (darin weitere Literatur). 15 Vgl. Bericht des Konsistoriums Oktober 1982 [Orig. Anm.]. 16 KALENDER FÜR DAS LUTHERJAHR 1983.
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Vorträgen und Ausstellungen, von Zeitschriftenaufsätzen und Sendungen im Fernsehen, von Publikationen und Sonderveranstaltungen bezeugt das. In der Vorschau auf das Programm mußte man Sorge haben, wie die begrenzte Zahl von Mitarbeitern, insbesondere in den Kirchengemeinden der Lutherstätten, die Aufgaben bewältigen könne, die auf sie zukamen. Im Rückblick kann man feststellen, daß diese Kirchengemeinden als Gastgeber und als Veranstalter Hervorragendes geleistet haben. Die ungezählten Touristen, die Gäste aus Kirchengemeinden von nah und fern, die Teilnehmer an den Kirchentagen haben mit hoher Anerkennung davon erzählt, was für sie getan wurde. Es liegt der Kirchenleitung daran, auch ihrerseits den vielen Helfern und Mitarbeitern für ihren Einsatz zu danken: Viele Gemeindeglieder haben ehrenamtlich sehr viel Freizeit zur Verfügung gestellt, um bei diesen Programmen mitzuarbeiten und haben es gern getan. Offenbar hat es sich gelohnt, hier mitzumachen. Aber ohne diese Bereitschaft der freiwilligen Helfer aus unseren Kirchengemeinden wäre das Programm nicht durchführbar gewesen. 7.2. Kirchentage Die wichtigsten kirchlichen Veranstaltungen im Lutherjahr waren die Kirchentage17. Vier von ihnen fanden im Raum der Kirchenprovinz Sachsen statt (Erfurt18, Eisleben19, Magdeburg20 und Wittenberg21); sie wurden gemeinsam mit den angrenzenden Landeskirchen intensiv vorbereitet. Von Beginn an als regionale Kirchentage konzipiert, hat sich in ihnen bewährt, daß Vorbereitung und Durchführung ausschließlich von den vorbereitenden Ausschüssen der Regionen getragen wurden. Gemeindenähe bewährte sich insbesondere in der Vorbereitung der Arbeitsgruppen, deren Programme auf einzelne Kirchenkreise verteilt waren. In der Öffentlichkeit sind die Großveranstaltungen mit ihren Besucherzahlen, einzelne politische Akzente und eindrückliche Worte von wichtigen Gästen besonders beachtet worden. Für die Kirchentagsarbeit insgesamt gilt aber, daß die breite Trägerschaft in den Gemeinden sozusagen das Rückgrat des Kir17 Vgl. VERTRAUEN WAGEN. Kirchentage in der DDR. 18 Der Evangelische Kirchentag in der Region Thüringen fand vom 12.–15.5.1983 statt. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3877. Vgl. auch ZDZ 37, 1983, S. 82. 19 Der Evangelische Kirchentag in der Lutherstadt Eisleben fand vom 17.–19.6.1983 statt. AKPS, Rep. B 3, Nr. 192. Vgl. KJ 110, 1983, S. 185 ff. 20 Der Evangelische Kirchentag in Magdeburg fand vom 23.–26.6.1983 statt. AKPS, Rep. B 3, Nr. 191. Vgl. KJ 110, 1983, S. 187 ff. 21 Der Evangelische Kirchentag in der Lutherstadt Wittenberg fand vom 22.–25.9.1983 statt. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3877. Vgl. KJ 110, 1983, S. 190 ff. Vgl. auch F. SCHORLEMMER, Schwerter zu Pflugscharen.
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chentages bildete. Das brachte mit sich, daß das auf die Losung zum Lutherjahr bezogene Leitwort der Kirchentage „Vertrauen wagen“ vor allem lebensorientiert entfaltet wurde. Die Bezugnahme auf das Werk Martin Luthers trat – bis auf wichtige Ausnahmen – in den Hintergrund. Themen des christlichen Zeugnisses im Alltag und der Seelsorge für den einzelnen waren am meisten gefragt; daneben hatten aber auch die Arbeitsgruppen, die sich mit Friedensfragen beschäftigten, einen großen Zulauf. Daß aus der Kongreßarbeit der Kirchentage Arbeitsimpulse in die Gemeinden zurückwirken werden, zeigte sich deutlich an den erst nachträglich eingerichteten Arbeitsgruppen zum Thema „Christen und Juden“. Eine Sonderstellung hatte das Kongreßprogramm des Kirchentages Wittenberg, für das das „Gespräch mit Luther“ auf Grund eines umfangreichen, didaktisch vorzüglich durchdachten Vorbereitungsheftes im Mittelpunkt stand22. Wittenberg hat gezeigt, daß eine solche theologisch-seminaristische Arbeit auf einem Kirchentag möglich ist. Man würde aber die Kirchentagsarbeit nur sehr einseitig darstellen, wenn nicht zugleich hervorgehoben würde, daß die Kirchentage selbst zum großen Fest der Gemeinden geworden sind. Feierabendmahl, Feier der liturgischen Nacht, große Gottesdienste waren sehr sorgfältig vorbereitet worden. Ganz neue liturgische Gestaltungsmomente wurden in die Feier des Abendmahls einbezogen. In den Gottesdiensten war die Gemeinde wirklich Zu-Hause, feierte sie das Mahl des Herrn und hörte die Predigt aus dem Munde von Gästen, die aus dem eigenen Land und aus der fernen Welt gekommen waren. Überhaupt war es das Besondere dieser Kirchentage, daß in so großzügiger Weise Gäste aus anderen Staaten eingeladen werden konnten. Nicht in der Kongreßarbeit, aber bei den übrigen Veranstaltungen fiel auf, wie groß der Anteil der Jugendlichen war. Zum Teil ohne Anmeldung herbeigetrampt, nahmen sie überall teil, ordneten sich fröhlich ein und gaben durch ihre Gegenwart ein lebendiges Zeugnis davon, daß Christus sich in unserem Lande seine Gemeinde überall sucht. Auch hier hatte die Kirchenleitung mit Sorge gefragt, ob sich die Mitarbeiter in unseren Kirchenkreisen mit dem Programm von vier Kirchentagen nicht übernähmen. Die Kirchentage sind aber so schön geworden, daß man keinen von ihnen im Programm missen möchte. Insgesamt haben an den Schlußveranstaltungen in den vier Städten der Kirchenprovinz etwa 70.000 Menschen teilgenommen. Dies wäre wohl bei einem zentralen Kirchentag der DDR nicht vergleichbar möglich geworden. 22 MIT LUTHER IM GESPRÄCH.
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7.3. Konzeption und Resonanz Das Lutherjahr hat in der Öffentlichkeit ein größeres Interesse gefunden, als erwartet worden war. Kirchliche Mitarbeiter haben sich vielfach vor einem neuen Lutherkult gefürchtet. Im Zeichen des Karl-Marx-Jahrs23 wurden auf der anderen Seite Aktivitäten entfaltet, um das Verhältnis zwischen Marx und Luther nicht aus den Fugen geraten zu lassen. Demgegenüber zeigt sich in einer breiten Schicht unserer Gesellschaft ein aktives Interesse, Luther wieder den ihm gebührenden Platz in der Darstellung unserer Geschichte einzuräumen. Diese Öffentlichkeitswirkung Luthers bot für uns eine Chance: Die Kirche war als Interpret ihres eigenen Erbes angefragt, sie sollte das Werk des Mannes dolmetschen, dem sie selbst so viel verdankt. Die Kirche konnte keinen Monopolanspruch auf Martin Luther erheben. Wir sind nicht Luthers Alleinerben. Aber auch den Außenstehenden war klar, daß eine Reduktion des Jubiläums auf die Bejahung der Kulturleistung Luthers (Sprache und Musik) zu einer Verkürzung der Sache führen mußte. In unseren Gemeinden ist diese Chance des Gesprächs mit Randsiedlern und Sympathisanten erkannt und genutzt worden. Das Lutherkomitee der Evangelischen Kirchen in der DDR24 hat 23 Am 11.3.1983 fand die Festveranstaltung zum 100. Todestag von Karl Marx, sowie vom 11.–16.4.1983 eine Internationale wissenschaftliche Konferenz aus Anlaß des Karl-MarxJahres in Berlin (Ost) statt. 24 Vgl. andererseits Martin-Luther-Lutherkomitee der DDR. MARTIN LUTHER UND UNSERE ZEIT. Die Mitglieder des Komitees sind genannt in: EBD., S. 57 ff. Die Erfahrungen mit dem Reformationsjubiläum 1967 hatten die evangelischen Kirchen in der DDR dazu veranlasst, eine Mitgliedschaft von offiziellen Vertretern des BEK und der Landeskirchen im Lutherkomitee der DDR zu vermeiden. Die Berichterstattung im „ND“ vom 14. Juni 1980 über die Konstituierung des Lutherkomitees der DDR hatte die Tendenz der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit deutlich gemacht: Erich Honecker neben Landesbischof Werner Leich und Bischof Werner Krusche. Staatlicherseits hatte man um die Mitgliedschaft gebeten. Als Resultat jener divergierenden Interessenlagen ergab sich die Regelung, dass neben dem Lutherkomitee der DDR das Martin-Luther-Komitee der Evangelischen Kirchen in der DDR gebildet wurde. Dem Lutherkomitee der Evangelischen Kirchen in der DDR gehörten u. a. die Bischöfe Werner Leich (Vorsitzender), Dr. Werner Krusche, sowie der Präsident der Kirchenkanzlei der EKU Dr. Joachim Rogge und OKR Dr. Harald Schultze an; Sekretär im Auftrag des BEK war Dr. Christoph Demke, Geschäftsführer Pfarrer Gottfried Zollmann. Als Vertreter der theologischen Wissenschaft wurden Dr. Martin Seils (Naumburg), Dr. Helmar Junghans (Leipzig) und Dr. Rudolf Mau (Berlin) berufen. Aus beiden Komitees wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet. Diese kam mehrfach zu Arbeitsbesprechungen zusammen, die nicht nur der wechselseitigen Information, sondern auch der Vereinbarung über die beiderseitigen Vorhaben und Planungen dienten. Den Vorsitz der staatlichen Arbeitsgruppe hatte Gerald Götting, Sekretär war Staatssekretär Kurt Löffler. Material in: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3891 u. Nr. 3874.
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mehrfach deutlich gemacht, daß es ihm in seiner Konzeption darum gehe, nicht Luther auf eine neue Art zu heroisieren, sondern mit der Sache, die er vertreten hat, neu ins Gespräch zu kommen. Im Jahre 1983 ist – anders als im 19. Jahrhundert – kein neues Lutherdenkmal errichtet worden. Es entsteht eher der Eindruck, daß Luther vom Sockel der Denkmäler heruntergeholt wurde. Als Gesprächspartner wurde er sozusagen in die Mitte gestellt. Es wurde versucht, sich von ihm anreden zu lassen und umgekehrt an ihn Fragen zu stellen, so, wie es in Gesprächen heute geschieht: Nicht respektlos, aber doch ohne Scheu z. B. vor der kritischen Nachfrage, warum denn Luther das Bündnis mit den Fürsten eingegangen sei; warum er sich mit so schlimmen Predigten gegen die Juden gewandt habe; warum er über das Papsttum so hart geurteilt habe. Die stärkste Besonderheit des Jubiläums 1983 lag – gegenüber früheren Jubiläumsfeiern – vielleicht in der Offenheit des ökumenischen Gesprächs über die Sache Luthers. Der Internationale Kongreß für Lutherforschung in Erfurt25 hatte katholische Lutherforscher in größerer Anzahl als Mitglieder in seinen Reihen: das war schon nichts Revolutionäres mehr. Daß zu den ökumenischen Begegnungstagen im Zusammenhang mit dem 500. Geburtstag selbst der Präsident des Einheitssekretariates des Vatikans, Kardinal Willebrands, nach Leipzig kam, geht aber über diese Selbstverständlichkeit weit hinaus. Das Kanzelwort der Berliner Bischofskonferenz und der Hirtenbrief in der Fastenzeit von Bischof Dr. Wanke, Erfurt26, sind Zeugnisse einer Gesprächsbereitschaft von katholischer Seite, die wir dankbar als Bestätigung neuer Chancen des ökumenischen Gespräches aufgenommen haben. Daß die Russische Orthodoxe Kirche durch ihre Beteiligung an Kirchentagen und Festveranstaltungen und die dort gesprochenen Grußworte ihr lebendiges Interesse an dem Werk Martin Luthers bezeugte, ist erstmalig. Im Lutherjahr hat aber zugleich auch das Gespräch mit dem Bund der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinden in der DDR eine neue Offenheit und theologische Tiefe erreicht; Repräsentanten des BEK folgten den Einladungen zu Festakten des Staates, wie z. B. bei der Gründung des staatlichen Lutherkomitees, bei der Wiedereröffnung der Wartburg (ND 22.4.1983), beim Festakt der DDR in Berlin am Vorabend von Luthers 500. Geburtstag am 9.11.1983 (ND 10.11.1983). Zum Reformationsjubiläum 1967 vgl. oben Bericht Bischof Jänickes auf der Synode im März 1967, Dokument 23b, S. 221– 225. 25 Mit rund 400 Teilnehmern aus aller Welt tagte im Erfurter Augustinerkloster vom 14.–20.8.1983 der 6. Internationale Kongreß für Lutherforschung. Tagungsband: Martin Luther 1483–1983. 26 Das Wort der Berliner Bischofskonferenz zum Lutherjubiläum 1983 vom 27.2.1983 ist dokumentiert in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 133.
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der Synode liegt ein Entwurf zu einer entsprechenden Erklärung vor. Es lag unserer Kirchenleitung wie dem Lutherkomitee der Evangelischen Kirchen daran, das besondere Jubiläum nicht in Abgrenzung gegen die anderen Konfessionen zu begehen, sondern es selbst zu nutzen für den Weg zu einer wachsenden Konziliarität in der Gemeinschaft der Kirchen. 7.4. Aktivitäten, Defizit und Ertrag Repräsentative Festveranstaltungen, die es zum Sterbetag Martin Luthers in Eisleben am 18. Februar_27, zur Eröffnung des Lutherjahres auf der Wartburg am 4. Mai28 und zum 500. Geburtstag selbst in den Lutherstädten und insbesondere in Eisleben und Leipzig29 gegeben hat, waren eingebettet in das phantasievolle Programm, das von den verschiedensten Kirchengemeinden, Trägergruppen und Organisationsausschüssen vorbereitet worden war. In einer Reihe von Gemeinden wurden besondere Vorträge mit Themen zum Lutherjahr angeboten. In Wittenberg erfreuten sich die „Sonntagsvorlesungen des Predigerseminars“30 eines besonderen Zuspruchs. In mehreren Städten konnten besondere Ausstellungen vorbereitet werden: Das Lutherkomitee der Evangelischen Kirchen hat seine zentrale Ausstellung „Martin Luther-Leben und Werk“ in den Räumen des Predigerklosters in Erfurt durchführen können31. Daß unsere Kirchen mit Originalleihgaben aus eigenem Besitz der Kirchengemeinden wie aus staatlichen Museen eine so repräsentative Ausstellung der Öffentlichkeit anbieten konnten, war erstmalig möglich geworden. Ebenso wurde die Ausstellung in Luthers Sterbehaus in Eisleben32 völlig neu gestaltet und am 18. Februar 1983 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Daneben haben eine Reihe von Kirchengemeinden aus ihren Schätzen selbständig Ausstellungen vorbereitet, z. B. in Halle, Zeitz und Naumburg. Die Wiedereröffnung des
27 Am 18.2.1983 wurden das Geburts- und Sterbehaus von Martin Luther in Eisleben als Martin-Luther-Gedenkstätten wiedereröffnet. 28 Am 4.5.1983 fand die Festveranstaltung zur Eröffnung des Lutherjahres der evangelischen Kirchen in der DDR auf der Wartburg mit Teilnehmern aus 19 Ländern statt. Diese wird vom Fernsehen der DDR direkt übertragen. 29 Am 10./12.11.1983 fanden die „Ökumenischen Begegnungstage“ in Eisleben und Leipzig, sowie die kirchliche Gedenkfeier zum 500. Geburtstag ebenso in Eisleben statt. 30 Das Rahmenthema dieser Sonntagsvorlesungen lautete „Zur Wirkungsgeschichte der Theologie Luthers“. Eine Drucklegung ist nicht erfolgt. 31 Als Ausstellungskatalog erschien: MARTIN LUTHER. LEBEN UND WERK. Vgl. die neue Ausstellung in der Lutherhalle Wittenberg nach ihrer Rekonstruktion (1980–1983) und Einweihung am 16.4.1983: M. TREU, Lutherhalle in Wittenberg, S. 120–124. Vgl. die Ausstellung zur Martin-Luther-Ehrung der DDR: ERFURT-LUTHER-DIALOGE. 32 Vgl. oben Anm. 27.
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Augustinerklosters Erfurt33 (ebenfalls mit Einrichtung einer kleinen Ausstellung und der neugestalteten Lutherzelle) verdanken wir gesamtkirchlicher Initiative und zu einem erheblichen Anteil Spenden aus dem Lutherischen Weltbund. Erfurt verfügt damit über ein kirchliches Zentrum, das mit seinen historischen Räumen, den einzigartigen Höfen und seiner gediegenen Ausstattung für die nächsten Jahrzehnte ein Anziehungspunkt sein wird. Die Besonderheit der Aufgabe des Lutherjahres hat zu einer intensiven Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen geführt. Die großen Projekte der Kirchentage machten eine genaue Abstimmung der einzelnen organisatorischen Fragen erforderlich; in vielen Entscheidungen zeigte sich ein hilfsbereites Entgegenkommen der staatlichen Stellen. Manche Probleme waren freilich nur mit Mühe zu lösen. Die DDR ist im Lutherjahr einem besonderen Maße Gastgeber für Tausende von Touristen gewesen. Es lag im eigenen Interesse unseres Staates, das Lutherjahr in einem guten Einvernehmen mit den Kirchen durchführen zu können. Der Gewinn dieser gemeinsamen Bemühungen lag auf beiden Seiten: Die DDR wollte ihrerseits im Lutherjahr die Weltoffenheit und das gute Klima der Zusammenarbeit von Staat und Kirche in der DDR präsentieren34. Aber auch unsere Kirchen wollten die Besucher aus anderen Staaten großzügig empfangen können und ihnen Möglichkeiten der Begegnung und des Gesprächs bieten. In mancherlei Hinsicht ist dieses Modell pragmatischer Zusammenarbeit beispielhaft gewesen. Unsere Kirchenleitung hat die Hoffnung, daß nicht nur bei großen Jubiläen, sondern im Klima unserer Gesellschaft überhaupt eine bleibende Wirkung solcher Offenheit und Verständnisbereitschaft zu spüren sein wird. Wenn die sozialistische Gesellschaft weiß, daß die Kirchen und ihre Gemeinden zu dieser Gesellschaft als integrierender Bestandteil gehören, dann werden auch die Christen hier den Platz ihrer Verantwortung und ihres Einsatzes sehen.
33 Die Kirche des Augustinerklosters wurde im Rahmen eines Festgottesdienstes am 7. Mai 1983 wieder eingeweiht und stand 1983 im Zeichen von Veranstaltungen des Lutherjahres. So fanden u. a. Veranstaltungen des Erfurter Kirchentages „Vertrauen wagen“ vom 12.–15. Mai (vgl. oben Anm. 18) und der Luthertage vom 31. Oktober bis 10. November 1983 in den Gemäuern des Augustinerklosters statt. Vgl. dazu die vom Kuratorium hrsg. Festschrift: MARTIN LUTHER 14/19 83. 34 Die Konzeption der Luther-Rezeption des DDR-Staates und deren Instrumentalisierung für die öffentliche Präsentation eines neuen deutschen Geschichtsbildes ist dokumentiert in den offiziellen Texten des Martin-Luther-Komitees der DDR: MARTIN LUTHER UND UNSERE ZEIT; ARBEITSTAGUNG DES MARTIN-LUTHER-KOMITEES DER DDR 1982; THESEN ÜBER MARTIN LUTHER. Vgl. außerdem jetzt M. ROY, Luther in der DDR. Zur kirchlichen Auswertung s. oben Anm. 14.
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Das Lutherkomitee der Evangelischen Kirchen in der DDR hatte die Hoffnung, die „Sache Luthers“ in den Mittelpunkt des Jubiläumsjahres stellen zu können. Es scheint fraglich, ob dies gelungen ist. Im Mittelpunkt des Lutherjahres stand ohne Frage Luther als Person: der Mann selbst, der um des Evangeliums willen gepredigt und gekämpft hat, der sich nicht vereinnahmen ließ und der in der Hartnäckigkeit seines Engagements auch Schuld auf sich geladen hat. Ein Beispiel dafür war die Nachfrage nach Luthers Verhalten gegenüber den Juden. Zum ersten Mal ist hier seit Jahrzehnten die Fragwürdigkeit judenfeindlicher Predigtäußerungen im Spätwerk Luthers in das Bewußtsein breiter Kreise gedrungen. Die Defizite früherer Jubelfeiern – 1883, 1917 und 193335 – sehen wir mit scharfen Augen. Wo die Defizite unseres Luthergedenkens 1983 liegen, können wir sicher nicht selbst, nicht zu diesem Zeitpunkt beurteilen. Man wird es aber als einen positiven Ertrag dieses Lutherjahres buchen können, daß Luther selbst mit seinem Lebenseinsatz neu in das lebendige Bewußtsein unserer Gemeinden und unserer Gesellschaft gedrungen ist.
35 Zu den Lutherfeiern 1883 und 1917 vgl. DIE REFORMATIONSFEIER ZU WITTENBERG 1917.
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47 Bericht der Kirchenleitung auf der 2. Tagung der X. Synode Halle Diakoniewerk, 24.–28. Oktober 1984 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 124, Dr. 11/84, S. 1–28, hier: S. 1–8, 20–28 (hekt.). Teilabdruck (Kap. 1) in: ABL. KPS 1984, S. 91–93 u. in: EPD-DOKUMENTATION 52/1984, S. 6–21 (Auszüge).
Schwerpunkte: Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung; Ausbildung im kirchlich-diakonischen Bereich; Friedensverantwortung (Dienst in den Baueinheiten, Neustationierungsmaßnahmen in Europa); die Rolle kirchlicher Gruppen; Maßnahmen bei Ordnungswidrigkeiten; Ausreiseanträge; Zeugnis der „Kirche im Sozialismus“1 Gliederung: 1. Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung. 2. Mitarbeiterfragen. 3. Situation in besonderen Arbeitsbereichen. 4. Fragen der Kirchengemeinschaft. 5. Kirche in der Gesellschaft. Anlagen zum Bericht: 1. Beschluss der Synode des Bundes zum Thema „Christliche Verantwortung für die Schöpfung“ vom 25. September 1984. 2. Beschluss der Synode des Bundes zum Bericht der KKL vom 25. September 1984.
1. Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung 1.1. Die Kirchenleitung hatte sich in der letzten Zeit zunehmend mit den Fragen ökologischer Verantwortung zu beschäftigen. 1.1.1. Die Anzeichen für eine fortschreitende Gefährdung und Zerstörung unserer natürlichen Umwelt mehren sich und werden für immer mehr Menschen fühlbar. Viele ergreift ein Gefühl der Angst. Es wird genährt durch das weitergehende Wettrüsten, den wachsenden Schatten der Weltarmut und des Welthungers, der auf unseren Reichtum fällt, und den immer schärfer empfundenen Widerspruch, daß wir durch 1 Die KL legte in ihrer Sitzung am 30.6.1984 fest, dass dieser Bericht von verschiedenen Autoren vorbereitet werden sollte. Teil 1 (Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung) wurde von der „Beratergruppe für gesellschaftspolitische Fragen“ (Vorsitz: Propst Dr. Heino Falcke) konzipiert; Teil 2.1. (Kirchlich-diakonischer Lehrgang in Berlin-Weißensee) schrieb OKR Wilhelm Bischoff; Teil 5 (Kirche in der Gesellschaft) übernahm Bischof Dr. Christoph Demke. Die Entwürfe wurden in zwei Plenarsitzungen beraten (28./29.9. und 12./13.10.1984).
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die Produktion und Konsumtion, die unser Leben verbessern sollen, unsere Lebensgrundlage zerstören. Manche fragen skeptisch, ob wir zu den tiefgreifenden Kurskorrekturen, die in dieser Situation von uns gefordert werden, überhaupt fähig sind. Manche lassen sich auf eine langfristige Lebens- und Zukunftsplanung gar nicht mehr ein. Andere lassen sich durch die alarmierenden Symptome zu zeichenhaften Aktionen und Korrekturen ihrer Lebensweise bewegen. 1.1.2. Die Kirchenleitung hat sich über die Arbeit des Kirchlichen Forschungsheims in Wittenberg2 berichten lassen, das sich seit Jahren auf die ökologischen Fragen konzentriert. Aus dieser Arbeit sind viele hilfreiche Impulse und Orientierungen für die Gemeinden hervorgegangen. Die Kirchenleitung hat dem Kirchlichen Forschungsheim gedankt und die Schwerpunktsetzung bestätigt. Ebenfalls hatte die Kirchenleitung über konkrete Aktionen von Gemeindegruppen3 zu sprechen, die die Verantwortung für die Umwelt zum Thema hatten und von der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit besonders beachtet wurden (Mobil ohne Auto4, seltener Auto, Umweltgottesdienste u. a.). Die Kirchenleitung begrüßt solche Aktivitäten. Sie bedauert, daß manche dieser Aktionen von staatlichen Organen mit Mißtrauen beobachtet und zum Teil eingeschränkt wurden. 2 Das Kirchliche Forschungsheim Wittenberg wurde im April 1927 im Zusammenhang mit den in den 1920er Jahren in den preußischen Provinzialkirchen vorgenommenen volksmissionarischen Aktivitäten gegründet und nahm seine Arbeit unter der Leitung des Pfarrers und Naturwissenschaftlers Dr. med. h. c. Otto Kleinschmidt auf. Vgl. G. BESIER in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 198 f.; H.-P. GENSICHEN, Literaturwissenschaft und Theologie; Zur Geschichte des Kirchlichen Forschungsheimes Wittenberg vgl. 75 JAHRE FORSCHUNGSHEIM. Zwischen 1950 und 1972 fand im Forschungsheim eine umsichtige Auseinandersetzung zum Thema Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft statt. Hier konnte es eine große Breitenwirkung in der gesamten DDR entfalten. In den 1980er Jahren trat der Einsatz für ökologische Fragen in den Vordergrund. Vgl. F. WINTER in: GESCHICHTE DER EKU 3, S. 727, 733. Zur zunehmenden öffentlichen Bedeutung des Kirchlichen Forschungsheimes Wittenberg seit 1979 vgl. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 446 f., vor allem S. 449–454. 3 Zu Umweltgruppen und -arbeit in der KPS vgl. EBD., S. 586–591. Vgl. auch unten Anm. 9, S. 465 f. Die Brisanz demonstrativer Aktionen zur ökologischen Verantwortung der Gesellschaft wird erkennbar aus dem Vorgang, der zur Verhaftung von Lothar Rochau in Halle am 23.6.1983 geführt hat. Das MfS registrierte unter dem 31.5.1983 als Aktivität Rochaus: „Organisation und Durchführung eines demonstrativen Auftretens zum Weltumwelttag 1983 in Buna. Es ist geplant, etwa 100 Personen, ausgerüstet mit Fahrrädern, Gasmasken und Sichtagitation, vor dem Haupttor des VEB Chemische Werke Buna öffentlichkeitswirksam zu postieren.“ Vgl. R. SCHULZE, Jugenddiakon Rochau, S. 42, 108. 4 Zur Aktion „Mobil ohne Auto“ vgl. oben Dokument 46, Anm. 13, S. 451 f.
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1.1.3. Die Bundessynode hat sich auf ihrer Tagung in Greifswald vom 21.–25. September 1984 unter dem Thema „Christliche Verantwortung für die Schöpfung“ mit diesen Problemen beschäftigt. Die Kirchenleitung bringt den Synodalen den Beschluß der Bundessynode zur Kenntnis5. Wir sind der Überzeugung, daß wir als Christen, Gemeinden und Kirchen an Gottes Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung teilhaben und mit unserem Zeugnis wie mit unserem Dienst an ihm teilzunehmen verpflichtet sind. 1.2. In den gegenwärtigen Herausforderungen durch die ökologischen Probleme müssen wir uns über diesen Auftrag neu klarwerden und zu verstehen suchen, welche Verheißung und Wegweisung uns das Wort Gottes des Schöpfers, Versöhners und Vollenders für diesen Auftrag gibt. 1.2.1. Zuerst müssen wir erkennen und eingestehen, daß gerade durch kirchliche Schriftauslegung und Theologie das Verständnis der Welt als Schöpfung verstellt und Gottes Auftrag an den Menschen verzeichnet und mißbraucht wurde. Die Wurzeln dafür reichen bis ins Mittelalter und weiter zurück. Die Auswirkungen sind in unserer von Naturwissenschaften und Technik geprägten Zeit weitreichend. Das wurde besonders in den letzten beiden Jahrzehnten durch eine kritische Selbstbesinnung der Naturwissenschaften und durch neue theologische Einsichten deutlich. Auf dreierlei möchten wir aufmerksam machen: – Die Bedeutung des Wortes und des Handelns Gottes wurde auf die menschliche Geschichte, auf den einzelnen Glaubenden oder gar auf seine Seele verengt. Daß die Offenbarung Gottes die Welt als Schöpfung erschließt, Gott die Schöpfung trägt, durchwaltet und vollendet, konnte im Gespräch mit der aufkommenden Naturwissenschaft weithin nicht mehr eingebracht und bei der technischen Umgestaltung der Welt nicht mehr in verantwortliches Handeln umgesetzt werden. Mit der Auskunft, die Bibel sei kein Naturkundebuch, konnten wir zwar in kurzschlüssiger Weise den Konflikten mit der modernen Naturwissenschaft aus dem Wege gehen, haben aber auch allzuschnell darauf verzichtet zu fragen, was das biblische Verständnis der Welt als Schöpfung für unser Weltverhältnis und Wissenschaftsverständnis bedeutet. – Der Auftrag des Schöpfers an den Menschen, die Erde zu beherrschen und sich untertan zu machen6, wurde dazu mißbraucht, eine schrankenlose Verfügungsmacht des Menschen über die Natur zu 5 Als Anlage 1 beigefügt; Text in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 167–169. 6 Gen 1, 28.
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rechtfertigen. Die im Auftrag des Schöpfers gesetzte Verantwortung des Menschen vor Gott wurde von einer Verantwortung vor Sachgesetzlichkeiten und vor dem vernünftigen Interesse des Menschen, der sich selbst als Meister und Besitzer der Natur versteht, abgelöst. Christliche Theologie hat das geschöpfliche Weltherrschaftsmandat des Menschen geradezu als Ermöglichung und Freisetzung neuzeitlicher säkularer Wissenschaft und Technik gerechtfertigt. – Aus der Verantwortung für die Mitgeschöpfe wurde ihre Ausbeutung; aus der Beziehung der Mitkreatürlichkeit wurde das Verhältnis von Subjekt und Objekt, in dem die Mitgeschöpfe zum manipulierbaren Ding werden; der Lebenszusammenhang, in dem die Mitgeschöpfe leben, wurde in katastrophalem Ausmaß vernachlässigt, weil der Mensch vor allem an dem Nutzen interessiert ist, den die Umwelt für ihn in seinem Lebenszusammenhang hat. 1.2.2. Das biblische Schöpfungszeugnis antwortet mit seiner Erzählung vom Anfang der Welt und mit seinem Lobpreis des Schöpfers auf eine ganz vitale Frage: Was gibt der Welt, die von Widersprüchen und Schuld gezeichnet und elementar bedroht ist, Bestand und Zukunft? Die Sintflutgeschichte zeigt, daß diese Frage in der Mitte der biblischen Urgeschichte steht. Sie spricht damit unmittelbar in die heutigen Bedrohungserfahrungen und Zukunftsängste hinein. Sie antwortet: Der Gott, dessen Gnade und Treue das Volk Israel in seiner Geschichte erfahren hat, ist der Herr der ganzen Schöpfung und bewahrt sie auf die Vollendung hin. Das Neue Testament bezeugt uns, daß Gott der Schöpfer in Jesus Christus in seine Schöpfung eingegangen ist (Joh 1,1–14) und sich im Kreuz seines Sohnes des Leidens aller Geschöpfe angenommen hat, um sie mit uns zur Vollendung zu führen, die in der Auferstehung Jesu Christi schon begonnen hat (Röm 8,17–30). Das ist der Grund der Hoffnung, die wir für unsere Welt haben und die unsere Verantwortung für die natürliche Mitwelt trägt. Diese Hoffnung verdrängt die Gefährdungen nicht, sondern befreit gerade dazu, sie unverstellt wahrzunehmen und ihnen konkret zu begegnen. Sie überfordert uns nicht, als hätten wir die Welt zu tragen und eine heile Welt heraufzuführen, aber sie ermutigt dazu, die begrenzte Verantwortung für die Natur, die uns übertragen ist, auch wirklich wahrzunehmen. Durch Jesus Christus „widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem dankbaren Dienst an Gottes Geschöpfen“ (Barmer Theologische Erklärung, 2. These)7. 7 Vgl. oben Dokument 6, Anm. 1, S. 77.
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Als Gottes Ebenbild und also in Entsprechung zu Gottes Handeln soll der Mensch über die Tiere herrschen, sich die Erde untertan machen (Gen 1,26–31), sie als Haushalter Gottes in der Verantwortung vor ihm bebauen und bewahren (Gen 2,15). Obwohl die Schöpfung von Gewalt und dem Widerspruch, daß Leben vom Töten anderen Lebens lebt, gezeichnet ist, hält Gott seinen Segen und seinen Auftrag für den Menschen aufrecht. In seinem Bund mit allem Lebendigen grenzt Gott die Gewalt so ein, daß das Leben trotz der Konflikte in der Welt weitergehen kann (Gen 8, 20 – 9,17). Der Geist Christi aber weist uns ein in die hoffende und mitleidende Solidarität mit den schwächeren und leidenden Mitgeschöpfen, die an der Verheißung der Vollendung teilhaben (Röm 8,19–23). Aus diesen biblischen Linien müssen wir weiterdenken, wenn wir in unserer – gegenüber der biblischen Zeit radikal veränderten – Situation der wissenschaftlich-technischen Revolution unsere christliche Verantwortung für die Mitwelt wahrnehmen wollen. 1.3. Damit sind wir bei der Frage: Was tun? 1.3.1. Wenn wir als Christen von Gottes Schöpfung sprechen, dann beziehen wir uns auf die Welt, die auch Nichtchristen wahrnehmen in ihrer Alltagserfahrung wie in wissenschaftlicher Arbeit, landwirtschaftlicher und industrieller Produktion. Der christliche Glaube sieht die allgemein menschlichen Fragen und Erfahrungen unseres Lebens in ihrer Beziehung zu Gott und darum auch in einem anderen Licht und in einer anderen Perspektive, aber er ist hier mit Nichtchristen auf ein gemeinsames Lebens- und Arbeitsfeld gestellt. Darum ist vom Schöpfungsglauben her klar, daß Christen in den Fragen der Verantwortung für die Natur die Verständigung und Zusammenarbeit mit Nichtchristen suchen werden. Was ökologisch vernünftig ist, darüber muß vernünftig und sachverständig diskutiert werden mit dem Ziel, Übereinkünfte für gemeinsames Handeln zu finden. Christen werden gerade hier nicht auf Distanzierung und auf Eigenprofilierung bedacht sein, sondern „Koalitionen der Vernunft“ suchen. 1.3.2. Die Aufgaben, die sich ökologischer Verantwortung heute stellen, sind so umfassend und tief einschneidend, daß wohl keiner mit dem Anspruch auftreten kann, den Lösungsweg für alle vor uns liegenden Probleme zu wissen. Wir können uns ja weder in ein vortechnisches Leben zurückträumen noch in ein einfaches Leben mit der Natur abseits unserer Industriewelt davonstehlen. Vielmehr ist der schwierige Weg schrittweiser Veränderung zu ökologisch verantwortbarer Ökonomie, Technologie und Lebensweise zu gehen. Was bedeutet das für unser Land mit seiner hochintensiven Wassernutzung, seinen Energieproblemen und
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der Umweltbelastung durch die Braunkohleverbrennung, um nur einiges zu nennen? Was bedeutet es für die ökonomische Wachstumspolitik, die in den RGW-Verband8 und die Weltwirtschaft eingebunden ist, sozialpolitische Maßnahmen ermöglichen will und von einer breiten Erwartungshaltung der Bevölkerung gefordert wird? Wie sind die Veränderungen im Bewußtsein, in der Bedürfnishaltung und Lebensweise gesellschaftspädagogisch herbeizuführen und welche bildungspolitischen Schritte wären zu tun? Beschwichtigungen, man habe alles im Griff, helfen hier ebenso wenig wie besserwisserische Alternativvorschläge, die sich mit den Gegebenheiten und dem Fachwissen nicht auseinandergesetzt haben. Ist die Diagnose richtig, daß die ökologischen Probleme die Notwendigkeit tiefgreifender epochaler Veränderungen unserer technisch industriellen Zivilisation anzeigen, so wird vollends klar, daß keiner die Lösungen in der Tasche hat. Was in dieser Situation angemessen, nötig und möglich ist, möchten wir „solidarisches Problembewußtsein“ und eine „Suchbewegung nach der ökologisch verantwortbaren Gesellschaft“ nennen. 1.4. Was bedeutet solidarisches Problembewußtsein? 1.4.1. Solidarisches Problembewußtsein bedeutet, daß alle Gruppen der Gesellschaft die Last der Probleme mittragen, daß die Regierenden und Planenden negative Folgewirkungen der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik unverstellt wahrnehmen und Solidarität mit den davon Betroffenen üben, die Betroffenen ihrerseits aber ebenso wie die Kritiker und Beobachter die Last und Schwierigkeit, praktische Problemlösungen zu finden, mittragen. 1.4.2. Die ökologischen Fragen, die gerade auch die Lebensweise9 des einzelnen und damit Privates betreffen, können nur gelöst werden, wenn 8 RGW = Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Ökonomisches Koordinierungsorgan der kommunistisch regierten Länder; in der westlichen Literatur mit der englischen Abkürzung COMECON bezeichnet. 9 Eine Änderung der Lebensweise sowohl der Gesellschaft, aber auch des einzelnen, gehörte zu den zentralen Anliegen der Umweltbewegung. Zur Umweltbewegung der DDR Ende der 1970er Jahre und in den 1980er Jahren vgl. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 445–455. Vgl. oben Bericht der KL auf der 3. Tagung der VIII. Synode am 3.–6.11.1977, Punkt 5.6. Anfragen an unseren Lebensstil (Dokument 37, S. 372 f.). Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft des BEK bildete 1981 eine Arbeitsgruppe Lebensstil. Dort trug Heino Falcke 1981 ein Thesenpapier „Theologische Gesichtspunkte zu der Frage nach einer neuen Lebensweise“ vor (gedruckt in: H. FALCKE, Mit Gott Schritt halten, S. 169–176). Als kirchliche Ausarbeitungen und Materialien zum Thema Lebensweise wurden verfasst: Auf der Suche nach dem menschlichen Maß. Beiträge zum Thema Lebensweise. Zusammengestellt vom Ausschuß „Kirche und Gesellschaft“ des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (Dez. 1985); Schöpfung, Frieden, Gerechtigkeit und unser LEBENSSTIL. Eine Orientierungshilfe erarbeitet im Auftrag des Ausschusses
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die Einsicht großer Teile der Bevölkerung gewonnen, in Anspruch genommen und gefördert wird. Daher müssen durch gute Information viele an der Diskussion der Ursachen, Folgen und Lösungswege teilnehmen können. Wir sehen wohl die propagandistische Mißbrauchbarkeit ökologischer Probleminformationen. Andererseits provozieren zurückgehaltene Informationen und Schönfärberei auch Mißtrauen, Unruhe, destruktive Ängste, Aggressionen und Passivität. So können wir nur dringend bitten und empfehlen, so weitgehend und exakt wie nur irgend möglich über Umweltprobleme zu informieren, damit sich ein differenziertes und sachliches Problembewußtsein bilden kann. 1.4.3. Solidarisches Problembewußtsein bedeutet auch, daß wir ungelöste Probleme und Schäden so benennen, daß Bemühungen um ihre Lösungen nicht herabgesetzt werden, sondern eine öffentliche Diskussion der ökologischen Fragen besser möglich wird. 1.4.4. Solidarisches Problembewußtsein wird eine Koalition der ökologischen Vernunft zwischen Christen und Nichtchristen stiften können. Zwar werden die unterschiedlichen Ausgangspunkte auch zu unterschiedlichen Problemsichten führen. Trotz des Unterschiedes kann man aber zu gemeinsamen Problemstellungen und Handlungsübereinkünften finden. So kommt die offene Suchbewegung in Gang, die Lösungs- und Lebensmöglichkeiten ausprobiert. 1.4.5. Solidarisches Problembewußtsein schließt das Wissen um die Verflochtenheit unseres Reichtums mit der Armut der Menschen in der Dritten Welt ein. Wir müssen lernen, einfacher zu leben, damit andere einfach leben können. 1.5. Was bedeutet ökologische Suchbewegung? 1.5.1. Es gehört zum Charakter eines Suchvorgangs, daß er offen ist und offen bleibt. Zu ihm gehören Experimente, probierendes Handeln und das Wagnis, auch im Denken neue Wege zu gehen. Solche Suchbewegungen können wohl zentral stimuliert, auch koordiniert, sie können aber nicht zentral programmiert und organisiert werden. Sie brauchen einen Raum freier Entfaltung und eine Atmosphäre der Offenheit, die auch vergebliche Versuche toleriert und unkonventionelle Experimente nicht durch politisches Mißtrauen oder Expertenhochmut erstickt, sondern durch Vertrauen stimuliert und durch sachliche Diskussion begleitet. 1.5.2. Die ökologische Suchbewegung braucht in ihrer Offenheit aber auch eine Richtungsorientierung. Diese Grundrichtung könnte für unsere „Weltverantwortung“ der Kirchenprovinz Sachsen (1987). Diese Ausarbeitungen konnten nicht veröffentlicht, sondern nur hekt. verteilt werden. AKPS, Rep. N 7, Nr. 21.
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Gesellschaft so formuliert werden, daß die Einheit von Wirtschaftsund Sozialpolitik10 erweitert wird zur Einheit von Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik. Sozialistische Ökonomie ist von ihren Anfängen her politische Ökonomie, die sich eben nicht reduziert auf das Ökonomische. Darum kann die Ökonomie heute theoretisch wie praktisch in die ökologischen Rahmenbedingungen eingefügt und diesen angepaßt werden. Dafür gibt es Ansätze wie z. B. die Rekultivierungskonzepte beim Braunkohlentagebau11, die bereits vor der Erschließung erstellt werden. Es gibt aber viele Beispiele, die zeigen, daß kurzfristig ökonomischen Zielen Priorität auf Kosten der Ökologie eingeräumt wird. Das Landeskulturgesetz12 wird nur realisiert werden können, wenn das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie neu bestimmt wird. Dabei kann es nicht um Technikfeindlichkeit gehen. Vielmehr müssen Wissenschaft und Technik stimuliert werden, Übergangstechniken zu entwickeln und Grundrisse einer angepaßten Technologie für morgen zu entwerfen. Dem öffentlichen Bewußtsein müßte der Zusammenhang zwischen Konsumsteigerung und Umweltzerstörung aufgezeigt werden. Wollen wir nicht durch quantitatives Wachstum der Bedürfnisbefriedigung unsere Lebensqualität verschlechtern, so müssen wir unsere Wertprioritäten ändern.
10 Die „Einheit von Wirtschaft- und Sozialpolitik“ war eine Lieblingsformel der SED, die 1971 proklamiert wurde. Von den auf dem IX. Parteitag der SED 1976 beschlossenen sozialpolitischen Maßnahmen versprach man sich eine Erhöhung des Lebensniveaus. Nach dem Programm der SED sollten die „gesellschaftlichen Fonds“ schneller wachsen als die Lohn- und Prämienfonds, wobei das Leistungsprinzip allerdings Grundprinzip bliebe. Vgl. PROBLEME DER SOZIALISTISCHEN LEBENSWEISE, S. 66 ff. Zit. n. Edelbert Richter: Zur Diskussion über die sozialistische Lebensweise. In: Auf der Suche nach dem menschlichen Maß (vgl. oben Anm. 9), S. 14. Die Kirche forderte, die Umweltpolitik gleichrangig mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu berücksichtigen. 11 Die Wirtschaftsplanung der DDR ging auch noch in den 80iger Jahren davon aus, dass der Energiebedarf der Republik zu einem großen Teil durch Braunkohlengewinnung zu decken sei. Die weitere Erschließung von Tagebauen brachte für die Kirchengemeinden sowie für die kirchliche Land- und Forstwirtschaft erhebliche Probleme. Aus dieser Situation ergab sich das Interesse an Rekultivierungsmaßnahmen. Die KKL hatte einen gemeinsamen Ausschuss für die „Kirchliche Arbeit in Braunkohleabbaugebieten“ gebildet, dem auch Vertreter aus der KPS angehörten. Auf Grund seines Berichtes in der KKL (1./2. Juli 1983, Zi. 7 des Protokolls) wurde beschlossen, dass ein Brief an die Regierung der DDR geschrieben werden solle. Dies ist am 31.8.1983 erfolgt (Protokoll des Vorstandes der KKL vom 22.8.1983). Zur Problematik insgesamt vgl. P. WENSIERSKI, Ökologische Probleme, S. 221–233. 12 Gesetz über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der Deutschen Demokratischen Republik (Landeskulturgesetz) vom 14.5.1970. In: GBL. DDR I, 1970, S. 67–74. Dieses erhielt bis in die 1980er Jahre hinein immer wieder Durchführungsverordnungen mit Durchführungsbestimmungen.
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1.5.3. Die ökologische Suchbewegung richtet sich nicht zuletzt auf die Änderung unserer Lebensweise. Für uns als Christen und als christliche Gemeinde liegt diese Aufgabe, die unser eigenes Verhalten betrifft, am allernächsten. Wir müssen unsere Wertprioritäten neu bestimmen an dem neuen Leben, das uns das Evangelium von Jesus Christus erschließt. Die neue Lebensweise ist der Ausdruck eines neuen Lebensinhalts und Lebenssinns. Sie ist nicht nur ein neuer Stil oder eine Forderung oder die Änderung einiger Gewohnheiten, mit denen wir uns an das ökologisch Notwendige notgedrungen anpassen, auch wenn solche Änderungen notwendig dazugehören als Anfang und als Zeichen der Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen. Es kann durchaus sein, daß wir Situationen entgegengehen, wo Konsumverzicht in bestimmten Bereichen aus ökologischen Gründen durchgesetzt werden muß. Wenn das nicht zu Frustrationen führen soll, so müssen wir von einem Lebensinhalt und einer Lebenserfüllung wissen, die nicht aus dem Konsum erwächst, sondern z. B. aus der Kommunikation, aus der Gemeinschaft mit Menschen und mit Gott. 1.5.4. Wir können bei all dem nicht außer Acht lassen, daß in der Zweidrittelwelt Millionen Arme und Hungernde um das nackte Leben kämpfen. Müßte also die Einheit von Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik nicht auch die Solidarität mit den Entwicklungsbedürfnissen der Völker der Zweidrittelwelt einschließen? Fordert der die Menschheit belastende Skandal des Welthungers nicht die wirtschaftlich starken Staaten zu einer Umorientierung ihrer Wirtschaftspolitik heraus? Müßte die Zielbestimmung der Ökonomie nicht geändert werden: statt Maximierung des Wohlstandes Minimierung des Leidens? Niemand sollte seinen Überfluß vermehren, solange andere nicht ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Wird der Grundsatz des gegenseitigen Vorteils, der bei unseren Handelsbeziehungen mit jenen Ländern leitend ist, diesem Kriterium gerecht? Müssen in der Situation der extremen Ungleichheit der Partner dem schwächeren nicht Präferenzen eingeräumt werden, wenn Ungleichheit abgebaut und Leiden gemindert werden soll? Diese Fragen dürfen uns nicht zur Ruhe kommen lassen. 1.5.5. Die ökologische Suchbewegung lebt sehr stark in und von symbolischen Handlungen, alternativen Experimenten und Modellen eines Lebensstils für morgen. An einige dieser Aktionen haben wir bereits erinnert. Diese Initiativen und Versuche lösen sicher noch nicht die großen Probleme, aber sie stellen schädliche Gewohnheiten in Frage, lassen überraschende Veränderungsmöglichkeiten erfahren, wecken Phantasie, zeigen Richtungen. In ihnen kann das Problemwissen und der Veränderungswille praktisch werden, und nur so ist es für viele
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überhaupt auszuhalten, daß umfassende Veränderungen so unerträglich langsam oder überhaupt nicht in Gang kommen, obwohl die Zeit so drängt. 2.
Mitarbeiterfragen
2.1. Mitarbeiter für Kinder- und Jugendarbeit 2.1.1. Kirchlich-diakonischer Lehrgang in Berlin-Weißensee Zur kirchlichen Jugendarbeit gehört der sozialdiakonische Auftrag. Er ist ein im Evangelium begründeter Verkündigungsdienst. In ihrem Bericht vor der Synode hatte sich die Kirchenleitung 1982 ausführlicher mit dem sozialdiakonischen Auftrag beschäftigt13 (Ziff. 2.1.1.). Die Suche nach geeigneten Mitarbeitern in diesem Bereich ist vordringlich eine Ausbildungsfrage. Es gibt diese Ausbildung z. Zt. nur im „Kirchlich-diakonischen Lehrgang“ der Diakonenausbildung in Berlin-Weißensee. Darum hatte die Kirchenleitung zu ihrer Sitzung am 13.1.1984 den Leiter dieses Lehrganges, Pfarrer Hans Kretschmann, zur Information und zur Beratung eingeladen14. Pfarrer Kretschmann hat bei dieser Gelegenheit über die Ausbildung und über den beruflichen Einsatz der Sozialdiakone ausführlich berichtet. Die Ausbildung hat das Ziel, Mitarbeiter zu befähigen, Kinder und Jugendliche mit sozial- und verhaltensauffälligen Merkmalen der Behinderung in der Gemeinde zu sammeln und ihnen zu helfen. Der erste Schritt ist Hilfe, erst in einem zweiten Schritt geht es um den Versuch, diese Kinder und Jugendlichen für den Glauben zu gewinnen. Diese sozialdiakonische Arbeit soll in einer engen Gemeindebindung geschehen und von einer Beratergruppe begleitet werden. Das Gespräch der Kirchenleitung mit Pfarrer Kretschmann machte deutlich, daß eine örtliche Beratergruppe gebildet werden muß, wenn ein Sozialdiakon aus Berlin-Weißensee eingesetzt werden soll. So kommt es jetzt auf die Initiative regionaler kirchlicher Leitungsgrup13 Vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der IX. Synode am 4.11.1981, Punkt 9: Zur Situation der Jugendarbeit (Offenheit) (Dokument 43, S. 415–420). Vgl. dazu die Darstellung bei A. ROTHE, Erwachsenenbildung, S. 245 ff., und DERS., Quellentexte, S. 51–59; das Material aus den Jahren 1989/90 zeigt, wie die Arbeit weitergeführt wurde. 14 Da der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern für die sogenannte Offene Arbeit angewachsen war, wurde 1972 in Berlin-Weißensee eine Spezialausbildung für Sozialdiakonie eingerichtet. In deren Profilierungsprozess kam es zu einer jahrelangen Kontroverse zwischen dem sozialdiakonisch betreuenden Ansatz (Hans Kretschmann) und dem integrativen, politischen Ansatz (Walter Schilling). Die Problematik der unterschiedlichen Zielstellungen wird bereits erkennbar in dem Brief von Pfarrer Walter Schilling, Braunsdorf, vom 6.7.1982 an Bischof Krusche, Superintendent Hartmann und Jugendpfarrer Neher. Abgedruckt in: R. SCHULZE, Jugenddiakon Rochau, S. 90–96. Zur Offenen Arbeit in den 1970er und 1980er Jahren vgl. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 289–299, 426–441.
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pen an, Beratergruppen für die sozial-diakonische Jugendarbeit aufzubauen. Das gilt nach Meinung der Kirchenleitung vordringlich für die Großstädte und für die Industrieregionen in unserer Kirchenprovinz. Zugleich ist es im Interesse der schrittweisen Besetzung der neun sozialdiakonischen Stellen in der Kirchenprovinz wichtig, mit der Leitung des Kirchlich-diakonischen Lehrgangs Verbindung zu halten. Die Kirchenleitung begrüßt dabei ausdrücklich die Initiativen, die in diesem Zusammenhang vom Provinzialjugendpfarramt ausgehen. [. . .] 5. Kirche in der Gesellschaft 5.1. Fragen der Friedensverantwortung 5.1.1. Durch das Gespräch zwischen Synode und Friedensgruppen in Gemeinden und Kirchenkreisen, das März 1983 mit der Übersendung der Fragen der Bundessynode angeregt wurde, ist die Teilnahme an den Fragen der Friedensverantwortung in den Gemeinden gewachsen. In einigen Gemeinden ist das besondere Gebet für den Frieden zu einer regelmäßigen Übung geworden. Die Synode ist durch den Präses über die Gespräche mit denen, die Anregungen und Eingaben an die Synode gerichtet hatten, unterrichtet worden. Dabei hat sich allerdings auch gezeigt, daß die Beschlüsse und Aussagen der Synode vom November 198315 nicht überall bekannt geworden sind. Vor allem der ausführliche Text zur Frage des Wehrdienstes ist nicht wirklich rezipiert worden. Das hat verschiedene Gründe: die einen legen ihn enttäuscht beiseite, weil er nicht eindeutig genug zur Ablehnung des Wehrdienstes aufruft; andere wissen gar nicht, daß es diese Antwort der Synode gibt. Gerade weil dieser Beschluß sich darum bemüht, unterschiedliche Entscheidungen mit ihren Begründungen und Motivationen in einem verbindlichen Gespräch zu halten, kommt ihm für das Gespräch und die Beratung über die Frage des Wehrdienstes in den Gemeinden, in denen ja Christen mit ihren unterschiedlichen Entscheidungen zusammenleben, besondere Bedeutung zu. Er kann dazu helfen, den Eindruck zu überwinden, als handle es sich bei so unterschiedlichen Entscheidungen um beliebige Fragen. Der Beschluß sollte dazu beitragen, die verantwortliche Entscheidung des Einzelnen in der Gemeinschaft der Gemeinde klären zu helfen. Dabei tritt deutlicher die 15 Zur Besprechung der zahlreichen Eingaben an die Synode wurde der Sonderausschuss 5 „Friedensfragen“ durch den Synodalen Pfr. Treu am 24.11.1983 erstmalig einberufen. Aus diesen Verhandlungen gingen die Beschlüsse der Synode IX/8 (1983) Dr. 7.1./83; Dr. 7.2./83; Dr. 7.3./83 (s. unten Anhang, Anlage Nr. VIII, S. 603–616) hervor.
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Notwendigkeit hervor, daß nicht nur die Heimatgemeinden, sondern auch Gemeinden an den Orten, wo junge Christen in der einen oder anderen Form den Wehrdienst ableisten, diese begleiten und beraten. Im Anschluß an den Besuch des Ministers für Nationale Verteidigung bei den Soldaten und Bausoldaten auf Rügen16, ist es zu einer Klarstellung der Rechte der Wehrpflichtigen gekommen, die ihren Dienst als Bausoldaten ableisten. Dadurch ist bestätigt worden, daß Bausoldaten anderen Soldaten gleichgestellt sind. Es ist zu hoffen, daß dies auch bei Entscheidungen über Ausbildungsgänge entsprechend beachtet wird. Dafür gibt es eine Reihe hoffnungsvoller Anzeichen. Wir können diese Entwicklung nur dankbar begrüßen. Wir dürfen aber darüber nicht vergessen, daß die Frage nach einem Friedenszeugnis, das deutlich für die Nachfolge Jesu spricht, viele vor allem junge Glieder unserer Gemeinden immer neu beunruhigt: Spricht der Dienst als Bausoldat wirklich deutlich aus, was junge Christen im Hören auf die Stimme Jesu Christi bewegt? Was ein Zeichen für die Absage an Geist und Logik des Abschreckungsdenkens sein soll, verlangt auch nach einem positiven Inhalt, damit es nicht bloß als eine Verweigerung erscheint. Darum wird die Bitte immer neu wiederholt, für den Dienst ohne Waffe Einsatzformen zu entwickeln17, die einen Dienst zur Förderung des Lebens darstellen, etwa in der Form von sozialen Hilfsdiensten oder Einsätzen für umweltschützende Arbeiten oder von Einsätzen in jungen Nationalstaaten, die um soziale Gerechtigkeit und ökonomische Unabhängigkeit ringen. 5.1.2. Der Beginn der Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen in Westeuropa und die Stationierung nuklearer operativ-taktischer Raketenkomplexe mit erhöhter Reichweite in der DDR und CSSR hat eine tiefe Betroffenheit in vielen Gemeinden ausgelöst18. Gemeindeglieder haben ihrer Betroffenheit in Schreiben an staatliche Stellen
16 Zum Besuch des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR, Heinz Hoffmann, am 11.7.1984 in Prora und Mukran und dem Gespräch mit Bausoldaten vgl. U. KOCH/S. ESCHLER, Zähne hoch, Kopf zusammenbeißen, S. 105–107 u. S. 114–147 (Dokumente). 17 Zu der mit den Vorgängen um „Schwerter zu Pflugscharen“ verbundenen Forderung nach einem Wehrersatzdienst („Sozialer Friedensdienst“) vgl. EBD., S. 66–69 u. S. 88 ff. (Dokumente); G. BESIER, SED-Staat und Kirche 2, S. 456–471; E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 389–395. 18 Der NATO-Doppelbeschluß vom Dezember 1979 und die Entscheidung der Bundesregierung zu dessen Durchführung von 1983 (vgl. oben Dokument 45, Anm. 21, S. 439) führten einerseits zu Protesterklärungen der DDR-Regierung gegen diesen Schritt und zur Stationierung von sowjetischen SS-21- und SS-22-Raketen in der DDR, andererseits aber auch zu einer Intensivierung der DDR-Bemühungen um einen verstärkten Dialog. Vgl. W. WEIDENFELD/H. ZIMMERMANN, Deutschland-Handbuch, S. 617.
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und in Eingaben Ausdruck verliehen. Gefühle der Angst und der Ohnmacht breiten sich vor allem bei denen aus, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu militärischen Einrichtungen und Truppenübungsplätzen wohnen. Sie spüren in besonderer Weise, wie sich durch Rüstungsmaßnahmen ihr Alltag auswirkt. Die Gemeinden in solchen Orten brauchen unsere besondere Begleitung in Fürbitte und Besuchsdienst. Auch wenn die Stationierungsmaßnahmen als vom möglichen Gegner erzwungen verstanden werden, bleibt die Einsicht bestehen, daß mehr Waffen nicht mehr Sicherheit bringen. Diese Einsicht muß wachgehalten werden, damit klar bleibt, in welchen Widersprüchen wir uns bewegen und wie die Fortsetzung einer auf Gegenrüstung aufgebauten Sicherheitspolitik – auch wenn sie kriegsverhindernd gewirkt haben mag – immer fragwürdiger wird. Daß diese Entwicklung in unserem Lande flankiert war durch eine Politik für einen Dialog der Vernunft zur Schadensbegrenzung, hat ein breites zustimmendes Echo gefunden. Wir unterstreichen die Aussage der Bundessynode in Greifswald, in der wir auch eine Antwort auf den Brief unserer Synode an die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom November 1983 sehen19: „Wir können uns mit der Raketenstationierung in Westeuropa und den entsprechenden Maßnahmen innerhalb der Staaten des Warschauer Vertrages nicht einfach abfinden. Militärische Mittel, also auch der Wehrdienst, werden vielen unter uns immer weniger als ein sinnvolles Instrument der Friedenssicherung einsichtig. Wir bitten unsere Regierung, beharrlich alternative Sicherheitskonzepte auf der Grundlage gemeinsamer Sicherheit zur Geltung zu bringen.“20
In dieser nicht nur militärtechnisch gefährlichen, sondern auch politisch sehr sensiblen Situation versucht unsere Kirche in der Gemeinschaft des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR alles zu fördern, was den Dialog der Vernunft zwischen den Staaten unterstützt und voreilige Reaktionen der Enttäuschung und des Mißtrauens und einen Rückfall in die scheinbar bequemeren Klischees des kalten Krieges verhindert. Jede ökumenische Begegnung ist eine Gelegenheit und Chance, dazu etwas beizutragen und sollte auch dafür genutzt werden. Eine Reihe von Mitarbeitern und Gemeindegliedern haben sich in dieser Absicht auch brieflich an ökumenische Partner gewandt. Uns haben solche „Friedensbriefe“ von der United Church 19 S. 5.1.3. [Orig. Anm.]. 20 Auszug aus Punkt 4 des Beschlusses der Bundessynode in Greifswald zum Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR vom 25.9.1984. Abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 171.
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of Christ in den USA, mit der die EKU in einem engen Konsultationsprozeß steht21 erreicht. Aus unserer italienischen Partnerkirche, der Kirche der Waldenser, haben uns Briefe über die Bemühungen berichtet, eine Stationierung neuer Raketen in Comiso auf Sizilien zu verhindern. Wir sehen in solchen Briefen eine brüderliche Ermutigung. Die Gemeinden möchten wir zur Beteiligung an diesem alle konfessionellen und nationalen Abgrenzungen überschreitenden „ökumenischen Netz“ für Frieden und Sicherheit ermuntern. 5.1.3. Weil wir die Verantwortung für den Frieden in der Gemeinschaft des Bundes wahrnehmen, hält die Kirchenleitung das Gespräch mit der Konferenz der Kirchenleitungen über den Brief der Synode an die Konferenz für einen wichtigen und notwendigen Vorgang. Wir haben festgestellt, wie leicht sich da Schwierigkeiten einstellen, wie schwer es ist, genau zu hören und deutlich genug zu reden. Auch hier darf es keine voreiligen Enttäuschungen geben. Wichtig ist, daß wir sorgfältig genug voneinander wissen. Dazu soll auch der Materialdienst Frieden22, der auf Grund verschiedener Anregungen nach einem Beschluß der Kirchenleitung für Gemeinden, Gruppen und interessierte Einzelne in unserer Kirchenprovinz herausgegeben werden soll, beitragen. Das Gespräch auf der diesjährigen Bundessynode in Greifswald hat gezeigt, daß es ein gemeinsames Suchen nach den Schritten gibt, die wir gehen können, auch wenn unser Land sich der Praxis der Abschreckungsstrategie nicht entzieht. In der Kirchenleitung wie in der Konferenz der Kirchenleitungen und
21 Vgl. dazu den am 26.9.1984 eingegangenen Brief der Mitglieder der UCC und der EKU aus Washington D.C., die dort vom 18.–22.6.1984 zu einem gemeinsamen Friedensseminar zusammen kamen. In den Anhängen des Briefes sind ein Entwurf eines Friedensgottesdienstes und eine Meditation zu Daniel 6 (Predigttext) zu finden. Der Rat der EKU beschloss in einer Sitzung vom 5.9.1984, den Brief und das Gottesdienstmaterial an Gemeinden mit UCC-Kontakt weiterzugeben. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 5884. 22 Die Kirchenleitung beabsichtigte, periodisch einen „Materialdienst Frieden“ (hekt., Auflagenhöhe ca. 500 Ex.) herauszugeben. In ihm sollten aktuelle Materialien aus der Friedensbewegung für die Gemeindearbeit zur Verfügung gestellt werden. Von staatlicher Seite wurde sofort dagegen Einspruch erhoben, ohne Presselizenz ein solches Periodikum zu initiieren. Deshalb erschienen unter wechselndem Titel folgende Ausgaben: Fingerzeig. (Febr. 1985, 14 S.); . . . dass Gerechtigkeit vor uns hergehe und unseren Schritten folge . . . . Ps 85/ Jes 58,8. (Okt. 1985, 20 S.); Der Atompilz ist keinen Pfifferling wert. (August 1986, 23 S.); All unser Friedensengagement rettet uns nicht. Er hat uns schon gerettet (März 1986). . . . und sag es weiter. (Juli 1987, 11 S.); Umkehr führt weiter (Apr. 1988, 19 S.). AKPS, Rep. N 7, Nr. 13.
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auf der Tagung der Bundessynode ist die Besorgnis ausgesprochen worden, wir könnten bei dem Versuch ermüden, die Absage an Geist und Logik der Abschreckung auch in politikfähige Schritte zu übersetzen. Die Entwicklung eines Konzeptes der gemeinsamen Sicherheit, das einseitige Schritte zu Rüstungsstopp und Abrüstung als Anfang eines gemeinsamen Prozesses der Abrüstung einschließt, die Entwicklung bedrohungsarmer Strategien und bedrohungsarmer militärischer Technik, die Bildung einer von atomaren Gefechtsfeldwaffen freien Zone wären Schritte in dieser Richtung. Gewiß überschreitet die Entwicklung solcher Schritte die Kräfte und die Aufgaben der Kirche. Sehr wohl haben wir aber die Aufgabe, in differenziertem politischen Urteil alles zu unterstützen und zu ermutigen, was in diese Richtung weist, und allem zu widersprechen, was in eine umgekehrte Richtung eines einseitigen Überlegenheitsstrebens z. B. auf dem Weg der Weltraumrüstung deutet. 5.1.4. Schmerzlich wird immer wieder von jungen Christen die starke Spannung zwischen außenpolitischen Zielsetzungen auf friedenspolitischem Gebiet und der alltäglichen Situation, die sie erfahren, empfunden. Sie erleben vielfach, daß in Fragen der Berufsausbildung dem Bedürfnis des Militärischen der Vorrang eingeräumt wird23. Die Möglichkeit der Gewissensentscheidung in der vormilitärischen Ausbildung bei der Berufsausbildung setzt sich nur langsam und noch nicht befriedigend durch. Die Möglichkeiten des Gespräches zwischen unterschiedlichen Auffassungen in der Friedensverantwortung scheinen oft noch zu gering. Wiederholt wird berichtet, daß die Bezeichnung „Pazifist“ abqualifizierend und diskriminierend gebraucht wird. Frieden als die Möglichkeit des Zusammenlebens von Verschiedenen braucht ein breiteres Übungsfeld in unserem Land, aber auch in unseren Gemeinden. Bei aller Sensibilität der politischen Gesamtsituation, die verantwortungsvoll beachtet werden muß, bleibt die Bitte, daß Wege gesucht werden sollten, wie auch Anliegen, die besonders aus den Motiven des christlichen Glaubens zur Förderung des Friedens beizutragen suchen, in öffentlichen Friedensmanifestationen zur Geltung kommen können. Enttäuschungen sollten uns von dieser Bitte nicht abbringen.
23 Die Rolle des Militärischen bei der Schul- und Berufsausbildung war immer wieder Thema auf den Synoden Ende der 1970er und der 1980er Jahre, vor allem nach der Einführung des Unterrichtsfaches „Sozialistische Wehrerziehung“ im September 1978 und dem Inkrafttreten des Verteidigungsgesetzes vom 13.10.1978, das die Aufgaben der Zivilverteidigung erweiterte und dem Ministerium für Nationale Verteidigung unterstellte. Vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der VIII. Synode am 16.11.1978, Punkt 3.1.2. (Dokument 38, S. 380–383). Vgl. DDR-HANDBUCH 2, S. 1557 f.
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Die hoffnungsvollen Ansätze, die es in verschiedenen Städten der DDR 1982/83 gegeben hat, könnten von den Verantwortlichen geprüft und weiterverfolgt werden. 5.2. Die Arbeit besonderer Gruppen_24 Die Kirchenleitung hat sich mehrfach mit der Arbeit von Gruppen befaßt, in denen sich Menschen unabhängig von lokalen und parochialen Strukturen zusammenfinden, um eines gemeinsamen Anliegens willen (Frieden, Umwelt, besondere Formen der Spiritualität, Suche nach einem neuen Lebensstil, Homosexualität). Daß sich solche Gruppen bilden, ist ein Vorgang, der nicht nur die Kirche betrifft und allem Anschein nach sich in unterschiedlicher Weise ähnlich auch in anderen Staaten mit einer hochindustriellen Zivilisation vollzieht. Die in diesen Gruppen und Kreisen sich bildende Bereitschaft des Einsatzes und der Hingabe enthält Kräfte, die einen wichtigen Gewinn für unsere Gemeinden und über sie hinaus darstellen können. Der Kirchenleitung liegt daran, deutlich zu machen und klarzustellen, daß es hierbei um Formen kirchlicher Arbeit geht. Sie hat darum betont, daß die Zuordnung solcher Gruppen und Kreise zur Kirchengemeinde oder zu einem Kirchenkreis geklärt werden muß. Das ist notwendig, damit die Information zwischen diesen Kreisen und Gruppen und der Leitung der Gemeinde bzw. des Kirchenkreises gewährleistet werden kann und auch klar verabredet wird, wer gegenüber der Gemeindeleitung oder der Leitung des Kirchenkreises verantwortlich ist. Das muß in beiderseitigem Einvernehmen verabredet werden. Wo solche Verabredungen getroffen werden, sollte auch bedacht werden, wie die Anliegen solcher Gruppen und Kreise mit anderen Aufgaben und Arbeitsformen der Kirche vermittelt werden können. 5.3. Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten Beachtung hat die neue Verordnung über die Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten vom 22. März 198425 in den Kirchen besonders wegen der Bestimmungen des § 426 gefunden. 24 Zum Verhältnis der Kirche zu der Arbeit und den Anliegen der Anfang der 1980er Jahre vor allem innerhalb der kirchlichen Strukturen tätig gewordenen Gruppen und Kreise vgl. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 539–550. Vgl. auch die Ausarbeitung des Ausschusses „Kirche und Gesellschaft“ mit dem Titel „Die Kirche und die Friedensgruppen – Wie gehören sie zusammen?“. Diese wurde am 6.7.1984 der KKL vorgelegt und im März 1985 an die Gliedkirchen weitergeleitet. Abgedruckt in: GEMEINSAM UNTERWEGS, S. 110–125; Vgl. auch oben Anm. 9, S. 465 f. 25 Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten – OWVO – vom 22.3.1984. In: GBL. DDR I, 1984, S. 173–177. 26 § 4 der OWVO ist unten als Anlage Nr. IX, S. 617 f. abgedruckt. Zu diesem Paragraphen vgl. Schreiben des Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in
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In der Neufassung dieses Paragraphen sind Formulierungen aus dem Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Sachverhalte, die bisher als Straftatbestände behandelt wurden, können nunmehr auch als Ordnungswidrigkeiten behandelt werden. Freilich hat die Breite der Auslegungsmöglichkeiten der Formulierungen starke Unsicherheiten ausgelöst. Deswegen hat das Konsistorium nach Konsultationen im Bund der Evangelischen Kirchen festgestellt: „Die Lebensäußerungen der Kirche sind als Religionsausübung durch die Verfassung geschützt und können somit nicht im Widerspruch zu staatlichen oder gesellschaftlichen Interessen gesehen werden. Demzufolge können im kirchlichen Auftrag durchgeführte und von kirchlichen Beauftragten verantwortete Veranstaltungen oder Handlungsweisen keine Ordnungswidrigkeiten im Sinne der OWVO darstellen. Diese Beurteilung ist zentralen staatlichen Stellen durch Vertreter des Bundes vorgetragen worden. Maßgebende staatliche Vertreter haben diese Auffassung bestätigt.“27
Die Kirchenleitung hat darüber hinaus auf verschiedenen Ebenen staatliche Stellen auf das Gefühl der Rechtsunsicherheit aufmerksam gemacht, das durch die Formulierungen von § 4 der OWVO verstärkt wird. Auch die Form der Durchführung von Strafverfahren, bei denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, trägt nicht zu einem Gefühl der Rechtssicherheit bei. Gespräche dazu mit Vertretern des Staates werden auf der Ebene des Bundes geführt. Sie sind noch nicht abgeschlossen. 5.4. Ausreiseanträge Die Genehmigung einer größeren Zahl von Ausreiseanträgen28 in den ersten Monaten dieses Jahres hat auch in den Gemeinden eine Vielzahl von Diskussionen und Unruhe ausgelöst. In vielen Familien und Freundschaften wurden Lücken gerissen, die um so schmerzlicher empfunden werden, als oft das Gespräch und die Verständigung über die Gründe, die zu solchen Ausreiseanträgen führten, kaum noch der DDR, Dr. Johannes Hempel, an den Vorsitzenden des Ministerrates, Willi Stoph, vom 26.6.1984 in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 164. Die Frage der Rechtssicherheit der Kirche in der DDR wurde auch auf späteren Synoden behandelt. Vgl. unten Bericht der KL auf der 7. Tagung der X. Synode vom 29.10.– 1.11.1987, Punkt 2.1.3. (Dokument 51, S. 525). 27 Rundverfügung Nr. 19/84 vom 18.7.1984 [Orig. Anm.]. AKPS, Rep. A, Rv Nr. 19/84 vom 18.7.1984: Betr. Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten (OWVO) vom 22.3.1984, S. 1. 28 Ausreiseanträge = Anträge auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft und auf Genehmigung zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Reisen in dringenden Familienangelegenheiten konnten bei runden Geburtstagen, Hochzeiten u. Ä. Anlässen beantragt werden; es gab keine Ansprüche auf Genehmigungen und oft uneinsehbare Entscheidungen.
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möglich schien. Mit Sorge hat die Kirchenleitung mehrfach die Entwicklung erörtert. Beim Gespräch über die Ursachen für viele Ausreiseanträge wurde in der Kirchenleitung deutlich, daß oft Ursachen wirksam sind, die von der gesamten Gesellschaft aufgearbeitet werden müssen. Oft ist ein Ausreiseantrag das Ende einer langen Erfahrungsgeschichte, an deren Anfang u. U. eine administrative Entscheidung in Fragen einer Reise in dringenden Familienangelegenheiten stand. Die Kirchenleitung kann darum die Bitte nur erneuern, daß die nach den Bestimmungen unseres Landes bestehenden Möglichkeiten für Reisen in dringenden Familienangelegenheiten voll gewährt werden. Es sollten aber auch die Fälle unter humanitären Gesichtspunkten geprüft werden, deren Dringlichkeit zwar allgemein einsichtig ist, die aber vom Wortlaut der geltenden Bestimmungen nicht erfaßt werden. Nach den Beobachtungen der Kirchenleitung haben eine Anzahl von Anträgen ihre Ursache in Schwierigkeiten bei der Berufsfindung und bei der Entfaltung persönlicher Anlagen und erlernter Fähigkeiten. Wir sehen in jedem Antrag eine Anfrage an die Integrationskraft der Gesellschaft. Diese Fragen betreffen auch uns selbst in unseren Gemeinden. Wieweit sind wir in der Lage und bereit, dazu zu helfen, daß Menschen um uns herum die Probleme, die sie mit sich selbst, ihrer Umgebung oder gesellschaftlichen Institutionen haben, verarbeiten und überwinden können? Oft scheint es zu Anträgen zu kommen, weil Menschen in ihrer Familie oder in ihrem Berufsweg eine Verwundung erfahren haben, die so sehr schmerzt, daß sie über diesem Schmerz all das andere, was unser Leben bewahrt – freundschaftliche Verbindungen, familiäre Bindungen und soziale Sicherungen – nicht mehr wahrnehmen können. Dabei werden auch die Bindungen und die Tragfähigkeit in der Gemeinschaft der Gemeinde in Frage gestellt. Wir müssen darauf achten, daß sich nicht das Gefühl breit macht, daß Christen eben „so etwas nicht tun“ und man deswegen in der christlichen Gemeinde darüber eigentlich gar nicht sprechen könne. Jeder, der sich mit dem Gedanken trägt, einen Ausreiseantrag zu stellen, sollte in unseren Gemeinden unbefangen seine Sorgen aussprechen können, um seelsorgerliche Klärung und nüchterne Beratung zu erfahren29. Die unbedingte Gnade Gottes macht uns frei, auch unsere Schwächen uns untereinander einzugestehen und mit den Schwächen unserer Mitmenschen solidarisch umzugehen. Gerade darin sollen wir Kraft der Liebe erfahren. 29 Vgl. zur Ausreiseproblematik oben Bericht der KL auf der 3. Tagung der VIII. Synode vom 3.–6.11.1977, Punkt 5.4. (Dokument 37, S. 367–370).
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Propst Dr. Falcke hat im Februar in einem Brief, der auch in den anderen Propstsprengeln den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wurde, die Diskussionen in den Gemeinden aufgenommen, um zum Gespräch und zur seelsorgerlichen Beratung anzuleiten30. Die Kirchenleitung möchte aber auch ausdrücklich festhalten, daß durch die Genehmigung einer größeren Zahl von Ausreiseanträge eine ganze Anzahl schwer belastender Situationen für auseinandergerissene Ehen und Familien, für schwerwiegend Erkrankte und für Menschen, die sich Belastungen ausgesetzt fühlten, die für sie nicht mehr tragbar schienen, gelöst werden konnte. Dies sollte zur Normalität werden. Den staatlich Verantwortlichen ist auch mehrfach die Bitte vorgetragen worden, um eine wirkliche Beheimatung aller Bürger bemüht zu bleiben. Wenn Menschen, die einmal einen Ausreiseantrag gestellt, aber ihn wieder zurückgenommen haben, noch über Jahre hin Nachteile hinnehmen müssen, wird eine Integration gerade nicht erreicht. Wir werden uns in jedem einzelnen Fall für die Chance eines Neubeginns einsetzen müssen. 5.5. Das Zeugnis der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft Wenn wir uns auf den Weg begeben haben, „Kirche im Sozialismus“ zu sein, nämlich für die Menschen in diesem Lande, in diesen gesellschaftlichen Verhältnissen, so bedeutet das nicht nur, daß wir diesen Ort als Gegebenheit für unseren Dienst annehmen und hinnehmen31. Vielmehr ist es der Sendungsauftrag des Herrn, der uns zu diesem Weg ruft und verpflichtet, weil er der gnädige Herr auch in dieser und über dieser Gesellschaft sein will. Wir werden uns dabei an die 6. These der Theologischen Erklärung von Barmen erinnern: „Der Auftrag der Kirche, in welchem ihre Freiheit gründet, besteht darin, an Christi Statt und also im Dienst seines eigenen Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne die Kirche in menschlicher Selbstherrlichkeit das Wort und Werk des Herrn in den Dienst irgendwelcher eigenmächtig gewählter Wünsche, Zwecke und Pläne stellen.“32
30 Brief an die Pfarrer und Mitarbeiter im Propstsprengel Erfurt vom Februar 1984: Ermutigung zum Bleiben in der DDR. Abgedruckt in: LEBEN UND BLEIBEN IN DER DDR, S. 15 f. (hekt.); in der DDR konnte eine Drucklegung nicht erfolgen. – EPD-DOKUMENTATION 41a/1985; H. FALCKE, Mit Gott Schritt halten, S. 82–86; M. JUDT, DDR-Geschichte, S. 415–417; R. SCHULZE/E. SCHMIDT/G. ZACHHUBER, Gehen oder bleiben, S. 220–225. 31 Zu Entstehung und Gebrauch der Formel „Kirche im Sozialismus“ vgl. die Nachweise oben Dokument 35, Anm. 2, S. 341. 32 Vgl. oben Dokument 6, Anm. 1, S. 77.
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Auf dem Weg, den unsere Kirche seit 1969 in der Gemeinschaft des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR gegangen ist, haben sich eine Fülle von Chancen und Arbeitsmöglichkeiten ergeben, die wir vor 15 Jahren mitunter nicht für möglich gehalten haben. Das Lutherjahr mit seinen Kirchentagen war dafür ein eindrückliches Zeichen. Wir können auch feststellen, daß das Verständnis für den eigenständigen Auftrag der Kirche auf seiten der Vertreter des Staates an vielen Stellen gewachsen ist, so daß nicht mehr die verletzende Frage: „Wer überlebt wen?“ das Verhältnis bestimmt. Vielmehr wird zunehmend wechselseitig die besondere Verpflichtung, in der sich jeder verantwortlich weiß, respektiert. Dies ist die Grundlage, auf der zwischen Christen und Marxisten in unserem Lande Verstehen wachsen kann und wächst. Die Kirche ist aus dem Auftrag gegenüber Staat und Gesellschaft nicht entlassen, den die Theologische Erklärung von Barmen in These 5 so formuliert: „Sie (die Kirche) erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten.“ Die Kirche wird sich aber auch nicht „über deren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen“ können33. Mit diesen grundsätzlichen Bestimmungen ist freilich die Grundspannung zwischen christlichem Glauben und marxistisch-leninistischer Weltanschauung nicht aufgehoben. Da diese Spannung mit der Frage der Macht verknüpft ist, wird es auch immer wieder zu Schwierigkeiten kommen. Der Bereich der Ausbildung und der Kaderpolitik wird dabei ein besonders neuralgisches Feld sein. Gerade wenn man dies nüchtern ins Auge faßt, lassen sich – wie die Erfahrung zeigt – Wege zu konstruktiven Lösungen leichter finden. Dabei sollte der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche34 gewahrt bleiben. Weder die Befragung von Kindern über ihre kirchliche Bindung, noch die berufliche Bewertung von Bürgern nach ihrer religiösen Einstellung, verträgt sich mit diesem Grundsatz. Vielmehr gibt das Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Staatsrates und dem Vorstand der Konferenz der Evan33 Vgl. EBD. 34 Das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche war in der DDR Verfassungsgrundsatz. Polemisch wurde an dies Prinzip jeweils dann erinnert, wenn dem Partner die Einmischung in den eigenen Bereich vorgeworfen wurde. So haben Staatsvertreter der Kirche die Einmischung in staatliche Angelegenheiten vorgeworfen (vgl. oben, Einleitung, S. 27); umgekehrt wehrte sich die KL gegen staatliche Beeinträchtigung grundsätzlich eigenständiger kirchlicher Arbeit u. Ä. Vgl. die erneute Auseinandersetzung darüber in den KL-Berichten im Oktober 1986 (Zi. 5.4.3. der Bericht, s. unten Dokument 50, S. 512 f.), im März 1988 (s. unten Dokument 52, S. 533 f.) und Oktober 1988 (s. unten Dokument 53a, S. 536 ff.).
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gelischen Kirchenleitungen vom 6. März 197835 mit seinen Aussagen über die Gleichberechtigung und Gleichachtung aller Bürger den Weg an, auf dem Lösungen gesucht werden müssen. Die Mitwirkung christlicher Eltern im Bildungswesen gehört zu diesem Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichachtung. Darum sollten sich Eltern trotz aller Enttäuschungen und trotz aller Spannungen im Grundsätzlichen z. B. zur Mitarbeit in Klassenelternaktiven36 immer wieder zur Verfügung stellen und sich durch Widerstände nicht entmutigen lassen. Es gibt gute Erfahrungen in einer ganzen Reihe von Einzelfällen. Die Kirchenleitung hält es aber mit der Bundessynode für erforderlich, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichachtung im Bildungswesen generell durchgesetzt wird: „Jedermann muß endlich wissen, daß die Diskriminierung junger Christen verboten und die Mitarbeit christlicher Eltern im Bildungswesen erwünscht ist“37. Die Kirchenleitung sieht auch in der Lösung dieser Fragen einen Beitrag zu einem Frieden, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, der jedem Leben Raum und Würde gewährt. Zur Erhaltung des Friedens, die heute allen entschiedenen Einsatz braucht, tritt die Aufgabe der Entfaltung eines Friedens, der alle Lebensbereiche umgreift. In dieser Perspektive sieht die Kirchenleitung den Beitrag der Kirche und der Glieder unserer Gemeinden zu den noch ungelösten Fragen und Widersprüchen in unserer Gesellschaft.
35 Zum Gespräch am 6.3.1978 vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der VIII. Synode am 16.11.1978, Punkt 3.1.1. (Dokument 38, S. 375–380). 36 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 4, S. 297. 37 Aus Punkt 6 des Beschlusses der Bundessynode in Greifswald zum Bericht der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR vom 25.9.1984. Abgedruckt in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 170–172.
BeschlussderSynode,16.Juni1985 BerichteundBeschlüsse
48 3. Tagung der X. Synode Erfurt Augustinerkloster, 16. Juni 1985 Folgende Materialien gedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 34/85: Referat Heino Falcke: Unsere Verantwortung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung (S. 33–41). Beschlüsse der Synode betr. „Frieden, Gerechtigkeit, Schöpfungsverantwortung“ (S. 42–45); „Mitarbeit im Umweltschutz“ (S. 46); „Fonds für ökumenische Solidarität“ (S. 47 f.).
Themen-Synode im Rahmen des konziliaren Prozesses „Gerechtigkeit – Frieden – Schöpfungsverantwortung1. Kein eigener Bericht der Kirchenleitung
BeschlussderSynode,16.Juni1985 BerichteundBeschlüsse
48 a Beschluss der Synode betr. „Frieden, Gerechtigkeit, Schöpfungsverantwortung“ Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 125, Dr. 16.1/85.
Die Synode hat die Aufforderung des Ökumenischen Rates der Kirchen an die Mitgliedskirchen und christlichen Gruppen aufgenommen, in einen 1 Weil die Juni-Tagung der Synode ausschließlich der Thematik des konziliaren Prozesses/„Gerechtigkeit, Frieden und Verantwortung für die Schöpfung“ gewidmet sein sollte, wurde auf einen Bericht der KL verzichtet. Hervorgehobene Einführungstexte waren das Referat von Propst Dr. Heino Falcke (s. o.) und die Bibelarbeiten von Propst Dr. Christoph Hinz über Psalm 104 und von Dr. Gerhard Liedke/Heidelberg über 3. Mose 25,1–13. Da die Beschlüsse dieser Synodaltagung unmittelbar im Kontext der Themen stehen, die in vorausgehenden und nachfolgenden Kirchenleitungsberichten erörtert wurden und sich gleichermaßen an die Öffentlichkeit richteten, werden nachstehend die politisch relevanten Texte abgedruckt. Zur Vorbereitung der Synodaltagung war vom Präsidium der Synode ein hekt. Heft „Vorbereitungsmaterial“ (40 S.) versandt worden; ebenso wurde ein hekt. „Nacharbeitsheft“ erstellt mit den Texten des Hauptreferates, der Bibelarbeiten, den Beschlüssen und Auszügen aus der Diskussion (50 S.). (Ebenfalls im AKPS, wie die Synodaltexte). Vgl. außerdem A. ROTHE, Quellentexte, S. 84 f.
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„konziliaren Prozeß (Bund) für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ einzutreten. Sie hat sich klargemacht, daß die Probleme der Friedensgefährdung, der Ungerechtigkeit (besonders in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen zwischen wirtschaftlich starken und abhängigen Nationen) und der ökologischen Verantwortungslosigkeit vielfach miteinander verflochten sind und miteinander das Überleben der Menschheit bedrohen. Wir haben nur eine Zukunft auf dieser Erde. Wir dürfen der schmerzlichen Erkenntnis nicht ausweichen, daß die Fortsetzung unserer bisherigen Art, auf diesem Planeten zu leben, in absehbarer Zeit zum Tode führt. Vor dieser größten Herausforderung der menschlichen Geschichte verstärken sich die Gefühle der Ohnmacht und Angst. Viele versuchen, die Situation zu verharmlosen, andere bleiben gleichgültig. Unser Denken und Handeln richtet sich oft nur auf die eigene Lebensperspektive und verhindert so verantwortliches Verhalten auf Zukunft hin. Als Christen leben wir aus der Gnade Gottes. Gott gibt noch Zeit. In jedem Tag aber sehen wir einen geschenkten Tag, der uns zu entschiedenem Einsatz herausfordert. Vom Friedensbund und Friedenswillen Gottes (Schalom) getragen, wächst uns Kraft und Orientierung zu, um unsere Zukunftsverantwortung wahrzunehmen. Der Friede zwischen Menschen schließt im Zeichen des Gottesfriedens sowohl die Gerechtigkeit ein, die der Not und Würde des Schwächeren und Bedrohten gerecht wird, als auch den Frieden mit der Natur, der das Leben auf die Vollendung der Schöpfung hin bewahrt. Unsere Kirche hat im Bedenken des Friedensauftrages einen langen Weg zurückgelegt, Das bisherige Gespräch hat gezeigt, daß sich unsere Kirche zusammen mit anderen Kirchen auf dem Lernweg zu einer KIRCHE DES FRIEDENS befindet. Dabei trifft uns der Ruf zur Umkehr in den Frieden, in die Gerechtigkeit, in die Verantwortung für die Mitgeschöpfe. Umkehr kann keine Rückkehr in die Vergangenheit sein. Sie ist Hinkehr zu einer Zukunft, die offen ist für erstaunliche Überraschungen und uns Schmerzen nicht erspart. 1. Umkehr zum Frieden. Auf dem Erkenntnisweg, den unsere Kirche und der Bund der Evangelischen Kirchen in der Friedensfrage gegangen sind, ist immer klarer hervorgetreten: die Tendenz, den Frieden im Ost-West-Konflikt durch Abrüstung, vertrauensbildende Maßnahmen, Intensivierung von Kontakten auf allen Ebenen, Abbau von Feindbildern usw. zu stärken und auszubauen und die Tendenz der Friedens Sicherung durch Abschreckung mit
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Massenvernichtungswaffen verhalten sich gegenläufig zueinander. In unserem Staat wird der Konflikt zwischen beiden durchaus gesehen. Die Politik der Schadensverhütung und dann der Schadensbegrenzung gegenüber der Raketenstationierung in West-Europa und die friedenspolitischen Vorschläge unseres Staates im Rahmen des Warschauer Vertrages zeigen das ebenso, wie das bekannte Wort, „mehr Waffen bringen nicht mehr Sicherheit.“ Andererseits eskaliert die Rüstung aufgrund der Handlungszwänge des Abschreckungssystems. Das auf militärische Parität und strategische Stabilität ausgerichtete Prinzip der „Gleichheit und gleichen Sicherheit“ führt in der Gefangenschaft dieser Zwänge ungewollt zu vermehrter Aufrüstung. So erleben wir, daß unsere Gesellschaft in vielen Bereichen auf den militärischen Verteidigungsfall hin ausgerichtet, erzogen und gerüstet wird. So zeigt sich, daß die zweite Tendenz die erste faktisch unterläuft. Vom Frieden Christi bewegt, können wir nur die erste Tendenz bestärken und der anderen Tendenz widerstehen. Damit suchen wir den Weg einer kritischen Solidarität mit den friedenspolitischen Bestrebungen unseres Staates und wollen uns nicht auf den Weg einer destruktiven Opposition drängen lassen. Mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR sehen wir einen weiterführenden Weg zum Frieden in der „Sicherheitspartnerschaft“. Der Weg des Friedens wird eine „Suchbewegung“ sein, in der viele Fragen offenbleiben, Riskantes gewagt und Ungewohntes zugemutet werden muß. Auf diesem Weg brauchen wir die Unermüdlichkeit der kleinen Schritte und den Mut, zum Friedenschaffen aus der Kraft der Schwachen. Vor dem anderen Weg kann die Kirche nur warnen; denn die alles durchdringende Ausrichtung auf den militärischen Verteidigungsfall verhindert heute notwendige Schritte zu Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsbewahrung und führt heraus, was verhütet werden soll. Auch ihre Glieder kann die Kirche nur zum gewaltfreien Dienst für den Frieden rufen. Sie kann persönliche Entscheidungen nicht abnehmen. Sie wird aber orientierend zur persönlichen Gewissensentscheidung helfen. Sie wird diejenigen ihrer Glieder, die den Dienst in bewaffneten Einheiten tun, seelsorgerlich begleiten und den Kontakt mit ihnen halten. Für die Verweigerer des bewaffneten Dienstes wird sie schützend eintreten und das Sachanliegen vertreten und interpretieren. Sie unterstützt die Vorschläge für alternative Dienste etwa im sozialen Bereich. 2. Umkehr zur „Gerechtigkeit“ Unsere Synode hat noch keinen langen Erkenntnisweg hinter sich, auf dem sie die Schritte zu einem gerechteren Verhältnis zwischen armen und
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reichen Ländern geklärt hat. Wir versuchen aber, unsere Solidarität mit den Ländern der Dritten Welt immer besser wahrzunehmen und ihre Erfordernisse zu verstehen. Seit Jahrzehnten sehen wir, wie diese Länder in den Gremien der UNO um eine gerechtere Weltwirtschaftspolitik ringen, damit sie mit ihren eigenen Produktionen der Bevölkerung ihres Landes bessere Lebenschancen eröffnen können. Wir wissen, daß die DDR sie dabei unterstützt und wollen unsere Regierung darin bestärken. Es gibt seit Jahren politische und caritative Hilfsprogramme aktueller Nothilfe und langfristige Entwicklungshilfe. Dennoch wird die Kluft zwischen den armen und reichen Ländern wie eine Schere immer größer, Angesichts dieser Lage möchten wir wohl eine mit den Armen solidarische Kirche werden. Wie die konkrete Gestalt dafür aussehen soll, lernen wir erst nach und nach. Im Dialog mit den Vertretern der betroffenen Länder, besonders mit den Anwälten der sozial schwachen Schichten in diesen Ländern. Wir unterstützen ihr Eintreten für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung, Wir möchten versuchen, unsere Hilfe immer mehr auf langfristige Entwicklungsmaßnahmen hin auszurichten, auch in der „Aktion Brot für die Welt“. Wir rufen die Gemeinden auf, diese Aktion noch mehr als bisher zu unterstützen. Wir wünschen auch, daß bei den Katastrophenfällen in der Dritten Welt alle Hilfsmöglichkeiten in unserem Land voll ausgeschöpft werden. Im Dialog und in der Begegnung lernen wir, daß zur Solidarität mit den Armen ein Wandel unsers eigenen Bewußtseins und unserer Einstellungen gehört. Gäste aus Ländern der Dritten Welt, die bei uns sind, zeigen uns, daß wir noch Vorurteile abbauen müssen, selbst wenn wir nicht Rassismus und Apartheid vertreten und keinen Neokolonialismus wollen. In der Begegnung mit Vertretern dieser Länder gerät die Selbstverständlichkeit unserer eigenen Wohlstandserwartung ins Wanken und unsere Gedanken fragen, in wachsendem Umfang danach, wie die Elendssituation der Menschen in den Armuts-Ländern gewandelt werden können. Dazu gehört, daß wir nach den Ursachen der gewachsenen Ungerechtigkeit fragen und wo wir in ihnen vorkommen. Indem wir in unseren Gemeinden das Miteinander-Teilen weiterhin lernen, ist dies nicht einfach Verzicht, sondern auch ein Zugewinn des Reichtums, der uns in der Humanität und Lebenskultur der Menschen dieser Länder und dem Glaubenszeugnis ihrer Christen begegnen. Wir ermutigen unseren Staat, die ökonomische Hilfe für die Länder der Dritten Welt zu einer Schwerpunktaufgabe auch seiner Wirtschaftspolitik zu machen. Wir nehmen uns vor, in unserem Land Verständnis für die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu werten.
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3. Umkehr in die Schöpfungsverantwortung Noch nie wurde, was in Millionen Jahren geworden ist, so strapaziert und so gefährdet wie heute. Eine Minderheit der Menschheit, zu der wir gehören, verbraucht den größten Teil der Rohstoff- und Energievorräte für sich. Dies hat neben der Verschärfung der weltweiten sozialen und politischen Spannungen zu außerordentlichen Belastungen und zunehmenden Zerstörungen der natürlichen Lebensgrundlagen geführt. Daraus ergibt sich für uns die Frage, ob wir als Christen vergessen haben, daß auch wir zur Schöpfung gehören und uns die Schöpfung zum sorgfältigen Umgang anvertraut ist. Der Auftrag zur Herrschaft war und ist kein Freibrief für Ausbeutung. Uns ist die Aufgabe gestellt, zu bebauen und zugleich zu bewahren, zu gestalten und zugleich zu erhalten. Ökologische Verantwortung läßt sich leiten von der Ehrfurcht vor dem Leben, vom Bedenken des Zusammenhangs der gesamten Schöpfung und von der Vorsorge für künftige Generationen. Eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und Sozialpolitik ist nur auf der Grundlage umfassender Umweltpolitik möglich. In diesem Zusammenhang setzen wir uns dafür ein, dass gegenwärtige Technik umweltschonender eingesetzt und ökologisch angepaßte Technologien entwickelt und angewandt werden. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir unser Konsumverhalten einschränken und auf manche gewohnte Bequemlichkeit verzichten müssen. Der dafür nötige Bewußtseinswandel erfordert Information. Einsicht in Zusammenhänge und Einübung ökologisch sinnvoller Verhaltensweisen. Auch auf Ökologischem Gebiet werden wir die Möglichkeit zum Handeln nutzen, die uns im privaten Bereich gegeben sind. Staatliche Umweltmaßnahmen werden wir unterstützen und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit wahrnehmen. Wir sind froh darüber, daß das ökologische Engagement von Kirchengemeinden und kirchlichen Gruppen in Staat und Gesellschaft zunehmend akzeptiert und bei Wahrung seiner Eigenständigkeit in die gesamtgesellschaftlichen Bemühungen um den Umweltschutz integriert wird. Wir wünschen uns, daß auch besorgte und kritische Fragen und ungewöhnliche Vorschläge gehört werden. Die Synode hat sich den drei Herausforderungen zugewandt, weil sie die Zusammenhänge wahrnehmen wollte, die zwischen Frieden, Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung bestehen. Sie hat dabei erlebt, wie schwierig es ist, auf die Fülle und Verflochtenheit der Probleme, die sich daraus ergeben, sachgemäß zu reagieren. Wir sind uns als Synode der Tatsache bewußt, daß wir vielen Erwartungen, die an die Synode herangetragen worden sind, nicht gerecht werden konnten.
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An den Problemen muß weitergearbeitet werden. Dies muß vor allem in den Gemeinden geschehen. Im Blick darauf hat die Synode eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die Handlungsbereiche im persönlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Leben betreffen* Sie wollen zu konkreten Schritten anregen. Der Zusammenhang und die Verflochtenheit der Probleme sind auch eine Hilfe, weil ein Schritt in einen Bereich auch ein Beitrag zur Lösung der Probleme in einen anderen Bereich ist. Daß uns noch Zukunft bleibt, daß der Welt nicht die Lebensgrundlagen entzogen werde n, das hat höchste ethische Priorität bekommen. Dabei ermutigt es uns, – wenn wir Schritte gemeinsam gehen; – wenn wir das Mögliche tun und Über das noch nicht Mögliche klagen können; – wenn wir erkennen, daß das, was als Verzicht erscheint, sich als Bereicherung und als Gewinn erweisen kann; – wenn wir bereit sind, bei der nötigen Suchbewegung Fehler zu riskieren; – wenn wir statt zerstörerische Hektik um uns zu verbreiten, den von Gott gewährten Raum wahrnehmen und innehalten. Die nachfolgenden Beschlüsse sind Mosaiksteine, die von den einzelnen Arbeitsgruppen der Synode zusammengetragen worden sind. Sie sollen dazu anregen, daran weiterzudenken und Eigenes hinzuzufügen. BeschlussderSynode,16.Juni1985 BerichteundBeschlüsse
48 b Beschluss der Synode betr. „Mitarbeit im Umweltschutz“ Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 125, Dr. 18/85.
1. Im Gehorsam vor Gott sind wir angesichts der Bedrohung des Lebens durch Hochrüstung, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung zu konkretem Handeln herausgefordert. Obwohl wir als Christen aktiv mitarbeiten wollen, haben wir Schwierigkeiten, dies zu tun. So suchen wir nach Wegen des Dialogs im gesamtgesellschaftlichen Bereich, auch auf unterster Ebene. Wir begrüßen es, daß von staatlicher Seite Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei konkreten Umweltprojekten angeboten werden. Wir empfehlen unseren Kirchengemeinden, ihren Arbeitskreisen und Gruppen, solche Angebote aufzugreifen und durch ihren Einsatz deutlich zu machen, wie ernst es uns mit Umweltverantwortung ist. Solche Aufgaben müssen für
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diese Gruppen realisierbar und in ihrer Umweltbedeutung klar ausweisbar sein. Wir bitten darum, über Erfahrungen mit solchen Projekten an das Konsistorium zu berichten. Wir sind darüber informiert worden, daß die Mitarbeit von Christen z. B. in Arbeitsgruppen der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR und in den Orts Hygieneaktivs erwünscht ist. Wir sehen darin eine Gelegenheit zu aktiver gesellschaftlicher Mitwirkung und möchten dazu ermutigen, die angebotenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Wir sind uns dessen bewußt, daß die Bereitschaft zur Umweltbewahrung sich nicht in Einzelaktionen erschöpfen darf. Zu den gesellschaftlich relevanten Aufgaben gehört auch die kritische Studienarbeit und die Vermittlung von Informationen zur Bewußtseinsbildung in den Gemeinden. 2. Die Synode stellt fest, daß es in unserem Land einen erheblichen Informationsmangel zu den aktuellen Umweltproblemen gibt. Eine umfassendere Information ist aber Voraussetzung für die Ausbildung eines der Gesellschaft nützlichen Umweltbewußtseins. Die Fakten der Umweltzerstörung dürfen nicht tabuisiert, die ersten Ansätze ihrer Überwindung müssen benannt werden. Wir halten einen größeren Mut zur Eindeutigkeit in der Wahrheitsbenennung für unbedingt erforderlich, um gegenseitiges Vertrauen wachsen zu lassen. Die Kirchenleitung wird gebeten, weiterhin dieses Anliegen in Gesprächen mit staatlichen Stellen zu vertreten. Die Gemeinden fordern wir auf, alle Informationen aufzunehmen und in aktive Mitarbeit umzusetzen. 3. In unseren Gemeinden muß die Einsicht wachsen, daß bestimmte in unserer Gesellschaft wirkende ökonomische Zwänge auch von uns mitverursacht werden. Gesellschaftlich verantwortliches Handeln muß das Ziel haben, ökologisch verantwortbare Lebensqualität für uns und unsere Kinder zu gewinnen. Das macht es nötig, solche ökonomischen Zwänge abzubauen, die dieses Ziel gefährden.
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48 c Beschluss der Synode betr. „Fonds für ‚Ökumenische Solidarität‘“ Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 125, Dr. 7.1/85.
Die Synode dankt allen Gemeinden und Kirchenkreisen, die bereits begonnen haben, in Aufnahme des Beschlusses der Synode vom Herbst 1983 (Drucksache 16.1.83) „Fonds für ökumenische Solidarität“ zu bilden. Sie dankt ebenso allen, die sich mit Berichten, Anfragen und Anregungen auf verschiedenen Ebenen am Gespräch über ökumenische Solidarität beteiligt haben. Sie stellt in Auswertung dieses Gespräches fest: – Die Notwendigkeit, daß auch wir verstärkt nach Möglichkeiten suchen sollten, mit den Menschen und Kirchen der Dritten Welt das zu teilen, was uns von Gott geschenkt ist, wird von vielen empfunden. Dennoch müssen wir bekennen, daß die Betroffenheit über Armut und Ungerechtigkeit weithin noch nicht so tief ist, daß sie zum Handeln treibt. – In vielen Gemeinden hat die Beteiligung an Aktionen wie „Brot für die Welt“ erfreulich zugenommen. Die Bereitschaft, durch Sonderkollekten und Spenden ökumenische Hilfe zu leisten, ist gewachsen. Dagegen konnte das Anliegen, das hinter der Bitte um Bereitstellung von regulären Finanzmitteln für ökumenische Hilfe steht, aus verschiedenen Gründen von vielen nicht aufgenommen werden. – Viele haben erkannt, daß wir mit den anderen Kirchen in eine solidarische Gemeinschaft des gegenseitigen Austausches und des Miteinanderteilens gerufen sind, die davon lebt, daß Jesus mit uns allen in unserer Armut und Verlorenheit solidarisch geworden ist. Dennoch ist die Bezeichnung „Fonds für ökumenische Solidarität“ von vielen als nicht geeignet empfunden worden. – Viele Gemeinden haben gerade in der Möglichkeit der eigenständigen Realisierung der Mittel und in der gezielten Zuweisung zu bestimmten Projekten und Aktionen eine Chance zur Vertiefung der Partnerschaft mit Menschen und Kirchen der Dritten Welt und zur eigenen Bewußtseinsbildung gesehen. Daneben ist aber auch immer wieder die Schaffung eines zentralen Fonds der Kirchenprovinz angeregt worden. In Aufnahme dieser Gesprächsergebnisse und in Weiterführung ihrer früheren Aussagen faßt die Synode folgenden Beschluß: 1. Die Synode bittet die Gemeinden und ihre Glieder, sich noch stärker als bisher durch persönliche Opfer, Sonderkollekten, Spenden, Gaben und geeignete Aktionen an der ökumenischen Hilfe für Menschen und
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Kirchen in der Dritten Welt zu beteiligen, wie sie von verschiedenen kirchlichen Institutionen und Aktionen angeregt und organisiert wird (Brot für die Welt, ökumenisch-missionarische Werke und Einrichtungen, Partnerschaftsprojekte). Sie bittet gleichzeitig darum, mehr als bisher aus den Strukturen der Armut und Ungerechtigkeit in der heutigen Welt auch Konsequenzen für den eigenen Lebensstil zu ziehen. 2. Weil die Gemeinschaft des solidarischen Miteinanderteilens auch einen verantwortlichen Umgang mit den eigenen Ressourcen und das Einbringen auch von Mitteln unseres eigenen kirchlichen Lebens und Arbeitens einschließen muß, bittet die Synode die Gemeinden und Kirchenkreise, auch regelmäßig Mittel aus ihrem regulären Finanzaufkommen (Haushaltsmittel) zur Verfügung zu stellen. Die Synode beauftragt den ständigen Finanzausschuß im Zusammenwirken mit dem Konsistorium, praktische Regelungen vorzubereiten, die in Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und der Kirchenprovinz die Bereitstellung von Mitteln ermöglichen. Das Ergebnis ist der Synode auf ihrer diesjährigen Herbsttagung vorzulegen. Die Synode geht davon aus, daß die Aufbringung dieser Mittel auch Anstoß zu intensiven Bemühungen um finanzielle Eigenständigkeit ist, die selbst wieder zu noch größerer ökumenischer Solidarität befähigt. Die Synode ist der Ansicht, daß die Bereitstellung von Mitteln bis zu 2 Prozent des eigenen Bruttoeinkommens auf die Beihilfeberechtigung der Gemeinden und Kirchenkreise keine Auswirkungen haben sollte. 3. Die Synode empfiehlt: Die gemäß Punkt 2 aufgebrachten Mittel werden auf der jeweiligen Ebene (Gemeinde, Kirchenkreis) in einem speziellen Fonds gesammelt. Diesem Fonds können auch gemäß Punkt 1 aufgebrachte Mittel zugeführt werden, sofern sie nicht direkt weitergeleitet werden (z. B. bei „Brot für die Welt“). Die jeweiligen Leitungsgremien (GKR, KKR) oder von ihnen eingesetzte Ausschüsse entscheiden über die Verwendung der Fondsmittel. Dabei soll versucht werden, die Mittel so basisnah wie möglich umzusetzen. 4. Die Synode beschließt, die Einrichtung eines entsprechenden Fonds auch auf der Provinzialebene. Die Gemeinden und Kirchenkreise haben die Möglichkeit, diesem Fonds Mittel zuzuführen, die sie nicht selbst umsetzen können. Der provinzialkirchliche Fonds dient der Realisierung größerer Projekte und Aufgaben, die die Möglichkeiten von Gemeinden und Kirchenkreisen übersteigen, sowie besonderen Aufgaben der Information und Bewußtseinsbildung. 5. Die Synode strebt an, für diesen Fonds regelmäßig auch provinzialkirchliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie bittet die Kirchenleitung,
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bis zur Herbsttagung der Synode 1985 dazu Möglichkeiten zu erwägen und zu prüfen. 6. Die Synode hält für den provinzialkirchlichen Fonds an der Bezeichnung „Fonds für ökumenische Solidarität“ fest. Sie sieht gerade in dieser Bezeichnung den Anstoß, immer wieder über Begründung und Sinn unseres Engagements nachzudenken. Sie stellt den Gemeinden und Kirchenkreisen aber frei, auch andere Bezeichnungen zu wählen: Fonds für ökumenische Diakonie, Fonds für ökumenische Hilfe, ökumenischer Fonds. 7. Die Mittel der Fonds in den Gemeinden, Kreisen und der Provinz sollen vorrangig für folgende Zwecke eingesetzt werden: – Beteiligung an Entwicklungsprojekten in Zusammenarbeit mit den kirchlichen zentralen Dienststellen und Ökumenischen Organisationen (ÖRK u. a.). – Hilfssendungen im Rahmen von Partnerschaftsbeziehungen; – Unterstützung von Hilfsprojekten anderer kirchlicher Einrichtungen; – Unterstützung von Stipendiaten aus Entwicklungsländern in der DDR; – Einsatz von Fachkräften aus unseren Kirchen in Entwicklungsländern; – Erschließung zusätzlicher Möglichkeiten der Informationsarbeit und Bewußtseinsbildung in den Gemeinden und Arbeitszweigen unserer Kirche. 8. Die Beratergruppe für Ökumene und Mission wird gebeten, den Gemeinden und Kirchenkreisen jährlich Vorschläge für die Realisierung der Mittel zu machen. Der provinzialkirchliche Fonds wird vom Konsistorium verwaltet, über die Verwendung der Mittel entscheidet die Kirchenleitung im Einvernehmen mit der Beratergruppe für Ökumene und Mission.
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49 Bericht der Kirchenleitung auf der 4. Tagung der X. Synode Magdeburg-Nord Hoffnungsgemeinde, 24. Oktober 1985 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 126, Dr. 22/85, S. 1–28, hier: S. 19–24 (hekt.). Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 52/1985, S. 7–14 (Auszüge).
Schwerpunkte: 40. Jahrestag des Kriegsendes; Umweltschutzverantwortung; Konfliktfälle mit staatlichen Behörden (Mitarbeit christlicher Eltern im Elternaktiv, Gottesdienste in neuen Altersheimen, Einschränkungen bei Reisen in die CSSR und nach Ungarn, Rechtsunsicherheit bei Strafmaßnahmen); Friedensdienst; Wehrdienst; Konziliarer Prozeß_1 Gliederung: 1. Prognosen und Wirklichkeit – das Jahr 1985. 2. Beratungsprozesse für die kirchliche Arbeit in der Kirchenprovinz Sachsen. 3. Erinnerung und Zukunftsverantwortung – Kirche und Gesellschaft. 4. Im Miteinander der Kirchen Anlage zum Bericht: Zur Neugestaltung der Pfarrverwalterausbildung.
[. . .] 3. Erinnerung und Zukunftsverantwortung – Kirche und Gesellschaft 3.1. Gedenken an Kriegsende und Befreiung2 In stärkerem Maße, als dies vorher absehbar war, hat die Erinnerung an die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges, an das Kriegsende selbst und die Befreiung vom Nationalsozialismus unsere Gemeinden bewegt. „Geschichte erledigt sich nicht von selbst. Auch unter denen, die auf die Versöhnung Jesu Christi trauen, bleiben die Fragen wach: Wissen die Nachfahren um den Weg ihrer Väter und Mütter? Wie haben sie die Geschichte ihrer Väter verarbeitet?“, heißt es in dem Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen an die Synode des Bundes3. Gedenktage sind eine Möglichkeit, die Herausforderungen 1 Bischof Dr. Christoph Demke hatte am 25.10.1985 in der Abendsitzung öffentlich darüber berichtet, dass Vertreter des Staates versucht hatten, durch unmittelbare Gespräche Einfluss auf Mitglieder der Synode zu nehmen. Darüber berichtete dann die westliche Presse: epd Landesdienst Berlin Nr. 204 vom 28.10.85; FAZ 29.10.85. 2 Vgl. 8. MAI 1945 – 1985; WORT ZUM FRIEDEN; IN BESONDERER GEMEINSCHAFT, S. 15–18 u. ö.; ZEICHEN DES FRIEDENS. 3 Vom 20.–24.9.1985 fand die 5. Tagung der IV. Synode des BEK in Dresden-Strehlen
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durch die Vergangenheit, das Geflecht geschichtlicher Ursachen, gegenwärtigen Geschehens und zukünftiger Aufgaben jeweils neu zu bedenken. Der Prozeß des Erinnerns wurde zu einem Gespräch, das von Ort zu Ort weiterwirkte. Im Dom zu Magdeburg wurde am 16. Januar 1985, im Gedenken an die Zerstörung der Stadt vor vierzig Jahren, eine Friedenskerze angezündet, die weitergegeben wurde an die Kirchengemeinden in anderen, am Ende des Krieges noch zerstörten Städten. In manchen dieser Städte fanden auch öffentliche Großkundgebungen statt, zu denen Vertreter der Kirchen um Beiträge gebeten wurden. So haben die Superintendenten in Magdeburg, Nordhausen und Halberstadt Gedanken der Trauer, der Buße und der daraus erwachsenden Verantwortung vorgetragen. Die Erinnerung an das Bombardement der Städte wurde verknüpft mit der Mahnung an die Pogrome von 1938. Das Leid des Kriegsendes traf nicht ein schuldloses Volk. In Erinnerung an die Begegnung zwischen amerikanischen und sowjetischen Truppen an der Elbe vor vierzig Jahren wurde am 25. April 1985 in Torgau ein Gottesdienst gestaltet4, der an die Hoffnungen und Gelübde von damals anknüpfte – Brückenschlag im Zeichen der Friedenshoffnung zwischen den Großmächten. Durch die Anwesenheit des Exarchen des Moskauer Patriarchats, Erzbischof Feodossij, und eines Vertreters der Vereinigten Kirche Christi (USA), Dr. Baker, kam die Verbundenheit mit den Kirchen aus den Ländern der Sieger zum Ausdruck. Vertreter aus der Kirchenprovinz Sachsen waren auch an den zentralen Veranstaltungen des Bundes beteiligt, die vom 8.–10. Mai in Berlin und Brandenburg sowie in Sachsenhausen, Halbe und Seelow stattfanden5. Daß die Besinnung über Ursachen und Bedeutung des statt. Westliche Korrespondenten durften nicht von der Synode berichten. Bericht der KKL in: MBL BEK 5–6/1985, S. 52–59; Beschluß der Synode des BEK zum Bericht der KKL vom 24.9.1985 in: EBD., S. 59–61; EPD-DOKUMENTATION 43/1985, S. 43; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 195–199. 4 Zur Vorbereitung und Ablauf des Gottesdienstes in der Stadtkirche St. Marien, den Grußworten Feodossijs und Dr. Bakers und das Echo in der Presse vgl. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3899. Darin ist auch die Broschüre „Gedanken, Schritte, Wege zum Frieden: Texte für Gespräche in der Gemeinde“ enthalten, die für den innerkirchlichen Gebrauch im Zusammenhang mit der Vorbereitung dieses Gedenkgottesdienstes als Gesprächsgrundlage in den Gemeinden herausgegeben wurde. Ebenfalls aus diesem Friedensgottesdienst ist ein Schreiben an die jeweiligen UN-Vertretungen der UdSSR und der USA in Genf hervorgegangen, in dem an die Teilnehmer der laufenden Rüstungskontrollverhandlungen wegen ihrer Verantwortung für den Frieden appelliert wurde. Vgl. EBD. 5 Ansprachen auf der zentralen Veranstaltung des Bundes der Evangelischen Kirchen in
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Geschehens vor vierzig Jahren in Gemeinschaft mit den Vertretern aus der Ökumene und der Evangelischen Kirche in Deutschland geschehen konnte, ist für uns ein sichtbares Zeichen der Versöhnung und der Hoffnung. Die aktuelle Auseinandersetzung mit der Entwicklung unserer Kirchenprovinz in den letzten vierzig Jahren war auch das Thema des Gesamtkonvents der Superintendenten im März 1985 in Eisenach6. Unter dem Rahmenthema „Der Auftrag der Kirche und ihre Rolle in der sozialistischen Gesellschaft“ ging es darum, sich darüber Rechenschaft zu geben, wie die Kirche in dem Bemühen um ein eigenständiges politisches Zeugnis tatsächlich in der Gesellschaft der DDR einen Weg gefunden hat, den Versuchungen zur Assimilation wie zur politischen Konfrontation gleichermaßen zu widerstehen hat. Dabei kam zum Ausdruck, wie stark das gesellschaftliche Zeugnis der Kirche verbunden ist mit den soziologischen Bedingungen ihrer Wirkungsmöglichkeiten. 3.2. Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung Der X. Synode ist bereits auf ihrer 3. Tagung in Erfurt von Vertretern der Kirchenleitung über den gegenwärtigen Sachstand der Gespräche mit staatlichen Organen über Fragen der Umweltverantwortung berichtet worden. Insbesondere wurde auf das Angebot der Räte der Bezirke hingewiesen, daß auf Kreisebene Vereinbarungen über die Mitwirkung von Christen und kirchlichen Gruppen an Objekten des Umweltschutzes getroffen werden können. Von besonderer Bedeutung war ein Arbeitsgespräch über Umweltfragen am 2. Mai 1985 in Berlin, zu dem die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen eingeladen hatte und an dem leitende Mitarbeiter aus dem Ministerium für Umweltschutz und der Abteilung Natur und Umwelt im Kulturbund beteiligt waren. Aus der Kirchenprovinz Sachsen nahmen zwei Vertreter an dem Gespräch teil7. In dem zusammenfassenden Bericht über das Gespräch konnte festgestellt werden, daß beide Seiten die Aufgaben des Umweltschutder DDR zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 8.–10.5.1985. In: GEMEINSAM UNTERWEGS, S. 203–216. 6 Das Hauptreferat hielt Reinhard Henkys: „Evangelische Kirche in der sozialistischen Gesellschaft der DDR. Einsichten und Anmerkungen eines Beobachters vom Westen her“. Dies enthielt eine scharfsinnige, lebhafte Gesprächsgänge auslösende Analyse der Situation. Eine Veröffentlichung in der DDR kam aus Zensurgründen nicht in Frage; hekt. wurde das Referat an die Superintendenten weitergegeben. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 4064. 7 Die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen lud zum 2. Mai 1985 zu einem Arbeitsgespräch über Umweltfragen ein. Aus der KPS nahmen Sup. Helmut Hartmann und Prov.Pfr. Dr. Hans-Peter Gensichen teil. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2595.
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zes erkannt haben. Die Möglichkeit einer Zusammenarbeit von Staat, Gesellschaft und Kirche wurde ausdrücklich betont. Dabei zeigte es sich, daß es sich um einen Prozeß handelt, in dem vieles erst anlaufe. Deshalb wird es sowohl auf einen theoretischen Dialog ankommen wie auf die konkrete Mitwirkung bei einzelnen Aktionen und Projekten. Wichtig war den kirchlichen Vertretern in diesem Gespräch, daß das kirchliche Engagement in der Umweltfrage von der staatlichen Seite ohne Mißtrauen aufgenommen wurde. Allerdings wurde von dort auch die Bitte ausgesprochen, daß die Vertreter der Kirche nicht nur Defizite vorrechnen, sondern das Vertrauen rechtfertigen, das ihnen durch Informationsangebote entgegengebracht wird. Durch eine solche Versachlichung und durch den Abbau von Mißtrauen kann eine gute Ausgangsbasis für Kooperation geschaffen werden. Die Kirchenleitung wünscht, daß sich, was in dem genannten Gespräch exemplarisch versichert wurde, auf breiter Ebene auswirken werde. Es wird darauf ankommen, daß nun auch Gemeinden und Gruppen jeweils am Ort herausfinden, an welchen konkreten Einzelobjekten eine wirksame Zusammenarbeit in Gang gesetzt werden kann. 3.3. Mitverantwortung in der Gesellschaft Die Kirchenleitung hatte sich im vergangenen Jahr mit einzelnen Vorgängen zu befassen, die zwar zunächst nur einen einzelnen Ort und einzelne Personen betreffen, aber doch einer gewissen symptomatischen Bedeutung nicht entbehren. Wie bereits in früheren Jahren konnten eine Reihe von Konfliktfällen in Gesprächen mit den zuständigen staatlichen Stellen vorgetragen werden. Dabei wurde dem kirchlichen Anliegen Verständnis entgegen gebracht. In etlichen Situationen ergab sich auch eine Korrektur der ursprünglichen Entscheidungen. Trotzdem bleiben Anfragen bestehen, müssen bestimmte Anliegen erneut benannt werden. Der Kirchenleitung sind wiederholt Bericht darüber zugegangen, daß anscheinend die Mitwirkung von kirchlichen Mitarbeitern in Elternaktivs8 nicht erwünscht ist. Anläßlich eines konkreten Falls wurde uns aber die verbindliche Erklärung gegeben, daß es keine Vorschrift gebe, welche die Mitarbeit eines Pfarrers im Elternaktiv behindere. Die Kirchenleitung ist für diese Feststellung dankbar und würde sich darüber freuen, wenn durch die Inanspruchnahme solcher Bereitschaft zur Mitarbeit von Eltern, die in einem kirchlichen Dienstverhältnis stehen, in den Elternaktivs auch entsprechend Gebrauch gemacht würde. Sie würde darin einen Beleg dafür 8 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 4, S. 297.
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sehen, daß „Gleichberechtigung und Gleichachtung auch christlicher Bürger“, wie sie im Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Staatsrates und Landesbischof Dr. Hempel am 11. Februar 19859 angesprochen wurde, zunehmend verwirklicht wird. Probleme ergaben sich auch bei dem Bemühen, in neugebauten Altersheimen Gottesdienste zu vereinbaren. Heimleitungen hatten hier zunächst gemeint, für Gottesdienste keinen Raum zur Verfügung stellen zu können. Von kirchlicher Seite wurde dann aber erfolgreich darauf hingewiesen, daß bei dem Gespräch mit dem Staatsratsvorsitzenden vom 6. März 197810 verbindliche Zusagen gegeben wurden, die eine Rücksichtnahme auf die Wünsche der Heimbewohner sichern. Der Kirchenleitung liegt daran, daß solche Zusagen nicht in jedem Einzelfall neu geltend gemacht werden müssen, sondern tatsächlich zur festen Basis auch in den örtlichen Beziehungen zwischen den Kirchengemeinden und den Rechtsträgern staatlicher Einrichtungen werden. Die Kirchenleitung erreichen immer wieder Berichte über Einschränkungen der Reisemöglichkeiten für einzelne DDR-Bürger. Es ist unverständlich und belastend, wenn einzelne Bürger nicht die Möglichkeit erhalten, eine Reise nach Ungarn zu unternehmen oder wenn andere ohne Angabe von Gründen an der Einreise in die CSSR gehindert werden. Sind solche Maßnahmen wirklich gerechtfertigt? Und wie werden sie den betroffenen Bürgern erläutert? Es sind auch Fälle bekannt, in denen der Personalausweis ohne Vorankündigung und Begründung eingezogen und ein Ersatzausweis 9 Am 11.2. kam es in Berlin auf Einladung des Staatsratsvorsitzenden Honecker zu einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der KKL, Landesbischof Dr. Hempel: Honecker betonte die Gültigkeit und Bedeutung der in dem Treffen vom 6.3.1978 bekräftigten Grundsätze für die Gestaltung konstruktiver Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Diese hätten sich als tragfähig erwiesen, das gegenseitige Vertrauen gestärkt und ihre großen Möglichkeiten zu den Luther-Feierlichkeiten 1983 unter Beweis gestellt. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, daß auf dieser Grundlage anstehende wie kommende Probleme in verantwortungsvoller und konstruktiver Weise zu lösen seien. Dr. Hempel erklärte, dass „gerade auch unter christlichen Bürgern unseres Landes Bereitschaft, ja das Bedürfnis lebendig ist, bei den vielfältigen Aufgaben der Ausgestaltung der sozialistischen Gesellschaft – verantwortlich und ihren persönlichen Gaben gemäß – beteiligt zu bleiben“. Das am 6.3.1978 bekräftigte Prinzip der Gleichachtung und Gleichberechtigung habe vielen christlichen Bürgern Hoffnung vermittelt. „Wir in der Kirche wünschen uns deshalb für manche Gebiete unseres gesellschaftlichen Lebens handhabbare Richtlinien für die weitere Verwirklichung von Gleichberechtigung und Gleichachtung auch christlicher Bürger“. Im weiteren ging es um Fragen des Friedens und des Wohls der Menschen. Zudem wurde die Erklärung der Menschenrechtskonsultation von Eisenach (Nov. 1984) übergeben (M. ONNASCH, Zeittafel). 10 Zum Gespräch am 6.3.1978 vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der VIII. Synode am 16.11.1978, Punkt 3.1.1. (Dokument 38, S. 375–380).
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(PM 12) ausgehändigt wurde11. Eine wirksame Beschwerdemöglichkeit besteht für den Betroffenen nicht. Es entsteht die Befürchtung, daß hier Strafmaßnahmen ergriffen werden, die in ihrer Begründung nicht offengelegt werden. Ebenso wird der Bürger darüber im unklaren gelassen, wann eine solche Maßnahme aufgehoben werden kann. Solches Vorgehen ruft das Gefühl der Rechtsunsicherheit hervor. Darf man auf diese Weise mit Menschen umgehen? Wird dadurch nicht gerade gehindert, daß Menschen in der DDR ihre Heimat sehen? Die Kirchenleitung unterstreicht daher die Erklärung der Bundessynode vom 24.9.1985: „Was der einzelne an Rechten wahrnehmen und an Möglichkeiten nutzen kann, bestimmt das Maß seiner schöpferischen Mitwirkung an der Gestaltung seines Landes und trägt zu dessen Stabilität bei. Ein Staat und eine Gesellschaftsordnung sind um so stabiler, je mehr sie auf die Loyalität und verantwortliche Mitarbeit ihrer Bürger zählen können.“ Die Kirchenleitung unterstützt daher den Wunsch der Bundessynode, daß „die Praktizierung der Menschenrechte erweitert oder deutlicher wahrgenommen werden soll“12 in der Gleichberechtigung und Gleichachtung aller Bürger, in der Erweiterung der Reisemöglichkeiten, im Umgang mit den Bürgern bei Eingaben und Beschwerden, zum Beispiel durch Begründung bei ablehnenden Bescheiden. 3.4. Friedenszeugnis und Waffendienst Die Kirchenleitung hat sich umfassend über aktuelle Fälle des Friedenszeugnisses von Wehrpflichtigen aus dem Bereich der Kirchenprovinz Sachsen informieren lassen. In zahlreichen Fällen ist erkennbar, daß die Gewissensentscheidung junger Christen, den Waffendienst zu verweigern, im Rahmen der geltenden Gesetzgebung auch berücksichtigt worden ist. Die Kirchenleitung hat auch den Eindruck, daß bei der Einberufung von Reservisten, die sich nicht mehr zum Gebrauch der Waffe in der Lage sehen, Dienststellen der NVA mehrfach bemüht waren, Konflikte zu vermeiden. In einem Fall aus unserem Kirchengebiet ist es aber auch zu einer Haftstrafe gekommen, die inzwischen zur Bewährung ausgesetzt wurde. Immer wieder erreichen die Kirchenleitung Beschwerden darüber, daß Schüler mit ungebührlichem Nachdruck gedrängt werden, sich 11 1985 wurden vermehrt Reiseverbote, auch in sozialistische Staaten, verhängt, Anträge für Besucher aus der Bundesrepublik abgelehnt und der berüchtigte, die Bewegungsfreiheit in der DDR einschränkende Ersatzausweis „PM 12“ an unliebsame Personen ausgegeben. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 596. 12 Vgl. oben Anm. 3, hier: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 196.
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für einen Dienst als Soldaten auf Zeit oder als Offiziersbewerber zu verpflichten. Häufig wird den Schülern erklärt, daß bestimmte Ausbildungsplätze nur dann erreichbar seien, wenn eine solche Verpflichtung abgegeben werde. Ein solches Entscheidungskriterium hat aber nach Kenntnis der Kirchenleitung keine gesetzliche Grundlage. Der Kirchenleitung ist freilich das grundsätzliche Problem bekannt, daß vertraglich garantierte Truppenkontingente aufrechterhalten bleiben sollen, obwohl jetzt geburtenschwache Jahrgänge ins wehrdienstpflichtige Alter kommen. Die Kirchenleitung sieht in den Angeboten zur Reduzierung der Truppenstärke, die gerade von sowjetischer Seite kürzlich gemacht wurden, eine Chance, diesem Problem Rechnung zu tragen. Gäbe dies nicht die Möglichkeit, die Werbung von Jugendlichen für den Dienst in der Nationalen Volksarmee so zu gestalten, daß dem gesetzlichen Grundsatz der Freiwilligkeit der Entscheidung für einen verlängerten Dienst wirklich entsprochen würde? Die vormilitärische Ausbildung ist fester Bestandteil der Berufsausbildung von Lehrlingen13. Unsere Kirchen haben wiederholt dringlich gebeten, daß auch bei Jugendlichen, die noch nicht im wehrpflichtigen Alter sind, die Gewissensentscheidung der Weigerung des Waffengebrauchs berücksichtigt wird. Innerhalb der vormilitärischen Ausbildung an Berufsschulen und in der Erweiterten Oberschule sollte ein waffenloser Einsatz bei der vormilitärischen Ausbildung ermöglicht werden. Das ist in einer ganzen Reihe von Einzelfällen auch geschehen. Es müßte aber darüber eine Veröffentlichung geben, die für Eltern, Lehrlinge, Schüler und Betriebe zugänglich wäre. Dies würde Unsicherheiten auf seiten der Betriebe und Schulen und unnötige Befürchtungen bei Eltern und Jugendlichen ersparen. Die Kirchenleitung macht sich die Bitten der Bundessynode für eine stärkere Berücksichtigung der Gewissens- und Glaubensfreiheit in den Fragen des Wehrdienstes und der vormilitärischen Ausbildung zu eigen. Positive Beispiele für den Einsatz von Bausoldaten an zivilen und sozialen Objekten, im Umweltschutz und Katastrophenfällen könnten ausgewertet und vermehrt werden. Die Einrichtungen eines zivilen Wehrersatzdienstes für diejenigen, die aus Gewissens- und Glaubensgründen den Dienst in einer Armee überhaupt ablehnen, sollte vorbereitet werden14. Besonders dringlich ist die Bitte, einen waffenlosen Dienst für vereidigte Reservisten zu ermöglichen. In unserer Gesellschaft mehren sich die Beispiele für ein starkes Engagement, deutliche Zeichen der Bereitschaft für einen Friedens13 Vgl. oben Dokument 45, Anm. 5, S. 431 f. 14 Vgl. oben Dokument 43, Anm. 17, S. 424.
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dienst zu setzen. Zum Beispiel hat die Arbeitsgruppe des Kirchenkreises Halle „Christliche Mediziner in sozialer Verantwortung“15 im Zusammenhang mit dem Gedenken an Kriegsende und Tag der Befreiung in einer Veranstaltung des Kirchenkreises die Verantwortung von Medizinern für die Zukunft des Lebens deutlich gemacht. Die Kirchenleitung ist dankbar für solche Zeichen gesellschaftlichen Engagements und bittet darum, ihnen ohne Mißtrauen zu begegnen. 3.5. Friedensdekade Die Friedensdekaden haben inzwischen schon eine Tradition. Sie werden erwartet, man achtet auf sie, auch in der Ökumene. Die Kirchenleitung hat sich von Vertretern der Jugendarbeit über die Friedensdekade 1984 ausführlich berichten lassen. In der Auswertung dieses Berichtes wurden folgende Erfahrungen betont: – Die Friedensdekade, die aus dem besonderen Engagement der Jugendarbeit erwachsen ist, ist stärker zu einer Sache der ganzen Gemeinde geworden. Auch Kinder werden zunehmend einbezogen. – Der Zusammenhang der drei großen Herausforderungen unserer Zeit – Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung – wird klarer gesehen. Die Kirchenleitung erwartet, daß die Impulse, die von der Juni-Tagung unserer Synode in Erfurt ausgingen, in der Friedensdekade wirksam werden. – Die ökumenische Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche auf der Gemeindeebene hat unser Friedenszeugnis bereichert und gestärkt. – Die Vorbereitung und Durchführung der Friedensdekade ist zunehmend eine Sache von „Fachleuten“ geworden. Zweifellos gehört Fachverstand dazu, aber ein glaubwürdiges Friedenszeugnis bleibt Sache der Gemeinden insgesamt. Wir müssen Formen finden, die 15 Als kirchliche Basisgruppen bildeten sich Ende 1983 christliche Ärztekreise („Ärzte für den Frieden“) – drei aktive Gruppen mit großer öffentlicher Bedeutung, die vorwiegend im kirchlichen Raum arbeiteten: Christlicher Ärztekreis Erfurt, Ärzte für den Frieden Berlin und Christliche Mediziner in sozialer Verantwortung Halle. Die Hallesche Gruppe mit Christian Nattermann und Michael Bohley war der erste der drei Zusammenschlüsse. Als Gruppen wurden sie nicht in das (inoffizielle Komitee) Ärzte der DDR zur Verhütung eines Nuklearkrieges (IPPNW) aufgenommen, konnten aber auf internationalen Druck als Einzelpersonen arbeiten und mehrfach über kirchliche Kanäle Öffentlichkeit herstellen. Die Gruppe Ärzte für den Frieden veröffentlichte 1986 die Studie „Ärzte gegen nukleare Bedrohung“. Diese Studie versuchte ein Gegengewicht zur Verharmlosung in den Lehrbüchern und in den Ausbildungsprogrammen der DDR-Zivilverteidigung zu schaffen. Eine weitere Samisdat-Veröffentlichung der Gruppe war eine Textsammlung bekannter internationaler Ärzte unter dem Titel „Friedensnobelpreis 1985 – Internationale Ärztevereinigung zur Verhütung eines Nuklearkrieges“. Vgl. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 632 f., 712 u. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3230 u. Nr. 2585.
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auch für „normale“ Gemeindeglieder praktizierbar und einladend genug sind, während der Friedensdekade verantwortlich mitzuwirken16. Die Friedensdekade 1985 steht vor uns: „Friede wächst aus Gerechtigkeit“. Der Eröffnungstag unserer Synode, der 24. Oktober, ist der 40. Jahrestag der UNO. An diesem Tag ist von den Vereinten Nationen das Jahr 1986 zum „Internationalen Jahr des Friedens“ erklärt worden. In diesem weltweiten Zusammenhang der politischen Vernunft steht auch unsere Friedensdekade mit ihren gottesdienstlichen Feiern als ein unverwechselbares und notwendiges Zeichen dafür, daß Christus unser aller Friede ist. 3.6. Konziliarer Prozeß für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung Der Aufruf an die Kirchen, ein Konzil des Friedens einzuberufen, den Carl Friedrich von Weizsäcker in den Düsseldorfer Kirchentag eingebracht hat, hat ein breites Echo gefunden bei Gruppen, Synoden, Kirchenleitungen und Einzelpersonen. In diesem Echo spricht sich die Hoffnung aus, daß die Kirchen ein gemeinsames Wort sprechen können, „das die Menschheit nicht überhören kann“ (Aufruf im 21. Deutschen Evangelischen Kirchentag, Düsseldorf 1985)17. Die Kirchen werden sich dieser Erwartung nicht entziehen dürfen. Aber die Hoffnung kann nur lebendig bleiben, wenn sie getragen ist von der Bitte um die Führung und Kraft des Geistes Gottes, der allein einen solchen Weg bahnen kann. Die Kirchenleitung sieht in dem Aufruf von Düsseldorf einen wichtigen Impuls für den konziliaren Prozeß für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, in den einzutreten unsere Synode im Juni sich bereit erklärt hat. Um des Zusammenhangs von Frieden und weltweiter Gerechtigkeit willen sollten wir uns darum mühen, daß der konziliare Prozeß die Kirchen in Ost und West, in Nord und Süd in wirklicher Solidarität zusammenführt. Universalität und Verbindlichkeit kann ein „Konzil“ nur erlangen, wenn wir beides, auf dem Weg dahin, auch in unserem Bereich und in den Partnerbeziehungen anstreben. In diesem Sinne unterstreicht die Kirchenleitung die Beschlüsse der Synode vom Juni, in denen die Gemeinden zum Gespräch und zur Zusammenarbeit mit den von uns getrennten Kirchen ermutigt werden18. Die Kirchenleitung unterstützt die Er16 Vgl. dazu den Bericht von F. DORGERLOH vom September 1986 in: A. SILOMON, „Schwerter zu Pflugscharen“, S. 330–332. 17 21. DEUTSCHER EVANGELISCHER KIRCHENTAG. 18 AKPS, Rep. C 1, Nr. 125, Dr. 16.1./85, S. 1–6: Beschluß der Synode zum konziliaren Prozeß für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung (hekt.).
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klärung der Synode des Bundes zum „Konzil des Friedens“ und spricht sich darüber hinaus dafür aus, daß die Konsultationen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland in den konziliaren Prozeß einbezogen werden19. Ebenso hält sie es für wichtig, daß die Verbindungen und Gespräche mit der Russischen Orthodoxen Kirche für die Förderung dieses Prozesses fruchtbar gemacht werden. Über dem Hoffnungsziel eines „Konzils“ darf aber nicht aufgeschoben und vergessen werden, was jetzt an konkreten, politischen Schritten auf dem Tisch liegt. Die Kirchenleitung unterstützt die Aussagen der Bundessynode zu den politischen Schritten, die das Konzept gemeinsamer Sicherheit zur Wirkung bringen. Abgestimmte praktische Schritte zwischen den Staaten sind notwendig, damit die gemeinsame Erkenntnis, daß mehr Waffen nicht mehr Sicherheit bringen, nicht zur bloßen Floskel verblaßt und dadurch die moralische Autorität der Regierungen weiter untergraben wird. [. . .]
19 Erklärung der Bundessynode in Dresden zur Vorbereitung eines „Konzils des Friedens“ vom 24.9.1985 in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 200 f. Konsultationen über Fragen der Friedensverantwortung zwischen dem BEK und der EKD vgl. oben Dokument 45, Anm. 19, S. 438.
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50 Bericht der Kirchenleitung auf der 5. Tagung der X. Synode Halle Diakoniewerk, 30. Oktober 1986 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 127, Dr. 4/86, S. 1–24, hier: S. 13–22 (hekt.). Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 52/1986, S. 35–44 (Auszug).
Schwerpunkte: Stellungnahme zu politischen Ereignissen (Abrüstungsvorschläge Gorbatschows, Unfall im KKW Tschernobyl, Angriffe der USA auf Libyen); friedliche Nutzung von Kernenergie; Leben der Christen in der sozialistischen Gesellschaft (Bildungswesen, Wehrerziehung); neue Reisemöglichkeiten; 10. Todestag von Oskar Brüsewitz; Konziliarer Prozeß; Friedensdekade 1985 Gliederung: 1. Prognose und Planung. 2. Mitarbeiterfragen. 3. Ausbildungsfragen. 4. Gemeindeaufbau. 5. Kirche in der Gesellschaft. 6. Kirchentage. Anlagen zum Bericht: 1. Brief der KL an die Gemeinden zum Reaktorunfall von Tschernobyl vom 9. Juni 1986/Beschlüsse der Synode der EKU vom 25.6.1986 (vgl. unten, Anm. 11). 2. Antwort der KKL auf Anfragen und Eingaben aus den Gemeinden zur Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl vom 5.7.1986 (vgl. unten, Anm. 13). 3. Brief des Ausschusses „Weltverantwortung“ der KL der KPS an besonders engagierte Gemeindegruppen, die sich am konziliaren Prozess beteiligen wollen und an die Sachbereichsleiter „Zeugnis und Dienst“ in den Kirchenkreisen.
[. . .] 5. Kirche in der Gesellschaft 5.1. Stellungnahmen zu politischen Ereignissen Im Berichtszeitraum sah sich die Kirchenleitung mehrfach vor die Frage gestellt, ob sie zu besonderen politischen Vorgängen Stellung nehmen müsse. Unmittelbar vor der Januar-Sitzung erfolgte die Veröffentlichung des Vorschlages von Generalsekretär Gorbatschow für gestufte Schritte zur Abrüstung1, durch die bis zum Jahre 2000 alle Atomwaffen beseitigt werden sollen und können. 1 Mit der Stockholmer Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa (ab
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Der Vorschlag fand nicht nur in der internationalen Öffentlichkeit ein breites Echo, sondern wurde auch in unseren Gemeinden stark beachtet. Der Arbeitskreis „Friede und Gerechtigkeit“ in Suhl bat die Kirchenleitung um eine zustimmende Stellungnahme. Später richtete der Gesamtpfarrkonvent des Kirchenkreises Zeitz eine ähnliche Bitte an die Kirchenleitung. Am 15. April haben US-amerikanische Bomber Tripolis und Bengasi in Libyen bombardiert_2. Diese Aktion, die auch zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führte, wurde von der Regierung der USA als Vergeltungsschlag für Terrorakte, die von Libyen aus gesteuert seien, begründet. In der Kirchenleitung wurde die Frage aufgeworfen, wie sie sich zu solchen Aktionen der Gewaltanwendung, die in der hochgerüsteten Welt leicht eine Ausweitung erfahren können, verhalten solle, wenn doch davon auszugehen ist, daß unter den Befehlenden und Ausführenden Glieder christlicher Gemeinden sind. Der große Reaktorunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl3 in der Ukraine löste auch in der Kirchenprovinz Sachsen starke Reaktionen aus. Angesichts der außerordentlich zurückhaltenden Informationen innerhalb der Medien der DDR und angesichts einer Flut von Informationen und Meßdaten, für deren Verständnis einsehbare BeJan. 1984) und den amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen in Genf über Nuklearund Weltraumwaffen (ab März 1985) begann eine neue Runde der Abrüstungsgespräche. Diese wurden stark beeinflußt zum einen von der Idee des amerikanischen Präsidenten R. Reagan, auf dem Wege einer „Strategischen Verteidigungsinitiative“ (SDI) ein Abwehrsystem gegen Raketenwaffen zu schaffen, zum anderen von dem Vorschlag des Generalsekretärs der KPdSU, M. Gorbatschow, bis zum Jahre 2000 stufenweise alle Kernwaffen abzubauen. Beide unterzeichneten am 8.12.1987 in Washington einen Vertrag über „Intermediate-range Nuclear Forces“ (INF = Kernwaffen mittlerer Reichweite). Vgl. die Belege unten Anm. 18. 2 Infolge der libyschen Unterstützung von zahlreichen Terrororganisationen in aller Welt war das Verhältnis Libyens zur westlichen Welt belastet. Die USA vergalten terroristische Anschläge u. a. durch den Luftangriff auf Tripolis im April 1986. Reagan verhängte im selben Jahr ein Wirtschaftsembargo. Vgl. AKPS, Rep. C 2, Nr. 20: Protokoll der KL vom 18./19.4.1986, Zi. 7.2. 3 Am 26.4.1986 ereignete sich in Block 4 des Kernkraftkomplexes Tschernobyl der bisher folgenreichste Reaktorunfall. In der Region Tschernobyl und anderen Teilen der Ukraine sowie Weißrußland und Rußland sind infolge des Unglücks Gebiete mit einer Ausdehnung von etwa 2.500 km2 und einer Bevölkerung von rund 1 Million Menschen durch radioaktiven Fallout langfristig stark kontaminiert. Die Nahzone des Kraftwerks (5 kmUmkreis) gilt als unbewohnbar. Vgl. die umfassende Dokumentation, insbesondere zur Reaktion in den EKD-Gliedkirchen in der BRD: KJ 1986, S. 131–312; dort Auszüge aus den Stellungnahmen der EKU und des BEK 1986, S. 299–305. Eine instruktive Darstellung zu dem Reaktorunfall, seinen Auswirkungen und der Bewertung in der DDR bietet folgende Tagungsdokumentation: TSCHERNOBYL UND DIE DDR.
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wertungsmaßstäbe fehlten, in den Medien der Bundesrepublik, breitete sich das Gefühl der Unsicherheit und Angst und des Alleingelassenseins aus. An die Kirchenleitung wurden mehrere Eingaben von Gemeindekreisen aus Stendal, Halle und Magdeburg4 gerichtet. Durch die Häufung dieser Vorgänge sah sich die Kirchenleitung vor die generelle Frage gestellt, wann und bei welchen Sachverhalten es zu ihrem Auftrag gehört, sich mit einem Wort der Orientierung und Erklärung an die Öffentlichkeit zu wenden. Die Kirchenleitung hat vorgesehen, zu dieser Frage eine Grundsatzaussprache zu führen, um ihr Verhalten für akute Fälle vorzuklären. Vorläufig hat sich die Kirchenleitung darauf verständigt, daß es nicht ihre Aufgabe sei, zu politischen Vorgängen jeweils aktuell bewertend Stellung zu nehmen. Verlautbarungen der Kirchenleitung sollten jeweils auf bestimmte Adressaten bezogen sein. Zu öffentlichen Stellungnahmen sieht sich die Kirchenleitung vor allem dort verpflichtet, wo sie orientierend und ermutigend dazu helfen muß und kann, Ereignisse, die Glaubensgewißheit und Glaubensgehorsam herausfordern, gemeinsam zu verstehen und zu verarbeiten. Entsprechend diesen Maßstäben hat es die Kirchenleitung nicht als ihre Aufgabe angesehen, zu den Abrüstungsvorschlägen von Michael Gorbatschow aktuell Stellung zu nehmen. Sie konnte auf die Verhandlungen bei der 4. Tagung der X. Synode5 verweisen, in denen die Maßnahmen der Sowjetunion zu Abrüstungsfragen gewürdigt und in die Aufmerksamkeit der Synodalen gerückt worden waren (Atomtest-Moratorium; Rede von M. Gorbatschow am 3.10.85 in Paris)6. Der Vorsitzende der Kirchenleitung wurde beauftragt, in einem Brief an den Arbeitskreis „Frieden und Gerechtigkeit“ in Suhl die Haltung der Kirchenleitung zu erläutern. Eine entsprechende Antwort ging auch dem Pfarrkonvent Zeitz zu. Die Erklärung des Pfarrkonventes Zeitz „Wort kirchlicher Mitarbeiter“ wurde an das Sekretariat des Bundes weitergeleitet. Im Blick auf den Luftangriff der USA auf Städte in Libyen wurde vorgesehen, Besuche von Kirchenvertretern aus den USA zu nutzen, um Betroffenheit, Beunruhigung und die bedrängenden Fragen nach der Legitimation solcher Gewaltanwendung durch Christen anzusprechen. Dies geschah insbesondere im Gespräch mit George Brand von der Lutherischen Kirche in Amerika7. Dabei war sich die Kir4 AKPS, Rep. C 2, Nr. 20: Protokoll der KL vom 30./31.5.1986, Zi. 12. 5 AKPS, Rep. C 1, Nr. 126. 6 Vgl. oben Anm. 1. Am 3.10.1985 sprach der Generalsekretär der KPdSU vor dem französischen Parlament in Paris. 7 George Brand besuchte am 8./9.5.1986 Magdeburg.
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chenleitung darüber im klaren, daß die Kirchen in den Vereinigten Staaten, zu denen wir partnerschaftliche Verbindungen haben, zumeist das Vorgehen ihrer Regierung selbst scharf kritisiert haben und davon betroffen sind, daß ihr Wort so wenig Gehör findet. Bei allen drei Ereignissen handelte es sich um Vorgänge außerhalb unseres Landes. Daß sie eine schnelle Erörterung in unserer Kirchenleitung notwendig machen, zeigt, wie eng wir in unserer Welt zusammengerückt sind. Wir sind auch über weite Entfernungen hin Mit-Betroffene. Das gilt für den Berichtzeitraum bis heute ganz besonders im Blick auf die Situation in Süd-Afrika. Mehrfach hat sich die Kirchenleitung durch Propst Dr. Hinz unterrichten lassen8. Sie hat die Berichte über die Akte der Unterdrückung, der Gewalt und des Terrors, über die Zeugnisse davon, wie unsere Schwestern und Brüder in Süd-Afrika dies im Lichte der biblischen Botschaft zu sehen und zu tragen versuchen, nur mit Erschütterung hören und in ihr Gebet aufnehmen können. Sie hat darum gebeten, daß Glaubenszeugnisse aus Süd-Afrika den Gemeinden zugänglich gemacht werden. Die Kirchenleitung vertraut darauf, daß in der Fürbitte der Gemeinden solche Vorgänge, die Opfer, die Ängste und Hoffnungen aufgenommen, ausgesprochen und vor Gott getragen werden und daß es dazu nicht jeweils gesonderter Anregung und Aufforderung durch die Kirchenleitung bedarf. In diesem Dienst der Fürbitte liegen die Mitte und der Kraftquell für unser Zeugnis in der Öffentlichkeit und den Dienst politischer Diakonie. 5.2. Zur Frage der friedlichen Nutzung der Kernenergie Als die Kirchenleitung Ende Mai zum ersten Mal nach dem Reaktorunfall zusammentrat9, lagen ihr die genannten Eingaben von Arbeitskreisen in den Gemeinden vor. Sie wurde in diesen Eingaben in unterschiedlicher Weise dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, daß auf Energiegewinnung auf der Grundlage der Kernenergie in der DDR schrittweise, bzw. sofort verzichtet wird, und es wurden ihr differenzierte Vorschläge dazu unterbreitet, wie dieses Ziel erreicht werden könne. Dabei wurde übereinstimmend die Notwendigkeit unterstrichen, Energieträger rationell zu verwenden, Energie einzu8 Der Generalsekretär des Südafrikanischen Christenrates Dr. Beyers Naudé wandte sich mit einem Aufruf an die Christen in der Weltkirche, den 16. Juni 1986 – 10 Jahre nach den Ereignissen in Soweto 1976 – als „Weltgebetstag für die Beseitigung des ungerechten Apartheidsystems“ zu begehen (Ökum. Rundschau 1986, Bd. 35, S. 311 = KJ 1992/1993 S. 217–224, bes. S. 221. 9 AKPS, Rep. C 2, Nr. 20: Protokoll der KL vom 30./31.5.1986, Zi. 12. Vgl. oben Anm. 4.
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sparen und durch Überprüfung und Änderung unseres Lebensstiles auch einen Wandel im Energiebedarf herbeizuführen – Aufgaben, an denen jeder mitwirken kann. Die Kirchenleitung konnte sich bei dieser Sitzung nicht ein hinreichend klares Urteil über die aufgegebenen Fragen bilden. Zugleich aber sah sie sich durch die Tatsache, daß im Gebiet der Kirchenprovinz das Kernkraftwerk Stendal10 errichtet wird, und durch Berichte über Reaktionen in den Gemeinden der Altmark veranlaßt, sich an die Gemeinden zu wenden und dabei vor allem Fragen aufzunehmen und festzuhalten, die weiter bedacht werden müssen. Diesem Brief11, der am 9. Juni versandt wurde, konnte die Kirchenleitung die Beschlüsse der Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – vom 25. Mai 198612, die sie sich damit zu eigen machte, zufügen. Gleichzeitig hat die Kirchenleitung die an sie gerichteten Eingaben an die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen weitergereicht mit der Bitte, sie in ihre Erörterungen einzubeziehen. Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen hat am 5. Juli 1986 auf die an sie gerichteten Eingaben geantwortet13. Die Kirchenleitung beauftragte den Ausschuß „Weltverantwortung“, die Frage nach der friedlichen Nutzung der Kernenergie mit Vorrang zu erörtern und das Gespräch mit Experten aus Forschung und Strahlenmedizin zu suchen. Durch Vermittlung des Rates des Bezirkes Magdeburg konnte der Ausschuß am 12. September ein Sachgespräch14 mit Experten aus dem gesellschaftlichen Bereich führen. Am 5. September 1986 hatten Mitglieder der Konferenz der Kirchenleitungen und kirchlicher Ausschüsse Gelegenheit zu einem Sachgespräch mit Professor Dr. Klaus Fuchs unter Leitung des Staatssekre10 In Stendal wurde die Problematik der Errichtung eines Kernkraftwerks aufmerksam beobachtet und diskutiert. Eingaben zu dieser Frage von Dr. Ludwig Drees und Pfr. Reiner Bohley in: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2595. 11 S. Anlage 1 [Orig. Anm.]. AKPS, Rep. C 1, Nr. 127, Anlage 1 zu Dr. 4/86, S. 1 (hekt.) mit Anlagen, S. 1–4 (hekt.). Zu den Anlagen vgl. unten Anm. 13. 12 Beschlüsse der 3. Tagung der VI. Synode der EKU (Bereich DDR) vom 25.5.1986: zum Bericht des Ratsvorsitzenden über das Unglück von Tschernobyl; zum Brief an den Erzbischof; zu den Briefen an die Vereinigte Kirche Christi (USA) und die Presbyterianische Kirche (USA) in: MBL BEK 3–4/1986, S. 42 f.; EPD-DOKUMENTATION 33/1986, S. 18; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 222–225. 13 S. Anlage 2 [Orig. Anm.]. AKPS, Rep. C 1, Nr. 127, Anlage 2 zu Dr. 4/86, S. 1 f. (hekt.). Auch abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 33/1986, S. 48 (Auszug); KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 221 f. 14 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2595. Darin: Vermerk über das Gespräch des Ausschusses Weltverantwortung vom 12.9.1986 mit Fachvertretern aus dem Bezirk Magdeburg im Konsistorium. Teilnehmer u. a.: Vertreter des KKW Stendal; Strahlenmedizinisches Institut der Medizinischen Akademie Magdeburg, Kulturbund, RdB.
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tärs für Kirchenfragen15; darüber wurde die Bundessynode in Erfurt16 unterrichtet. Die Bundessynode selbst hat zu dem Fragenkomplex mit einem Beschluß Stellung genommen. Schließlich kam es am 20.10.1986 in Magdeburg zu einem Gespräch zwischen Vertretern des Rates des Bezirkes Magdeburg und Vertretern von Kirchenleitung und Synode17 zu diesen Fragen. Der Kirchenleitung kommt es im Blick auf diese Vorgänge und Erklärungen darauf an, zu einer Verständigung darüber zu kommen, was wir Christen in das dringend erforderliche öffentliche Gespräch über die Frage der friedlichen Nutzung der Kernenergie einzubringen haben. Wir sind zumeist nicht mit wissenschaftlicher Forschung befaßt, weder technische noch ökonomische Experten. Worin kann unsere Mitarbeit bestehen? (1) Wir sind alle Beteiligte, sofern wir Energie nutzen und verbrauchen. Wir sind Betroffene, weil wir uns den Auswirkungen, die die Atomenergiewirtschaft auf unsere Gesundheit hat, nicht entziehen können, wenn auch noch nicht zuverlässig abgeschätzt werden kann, wie groß diese Auswirkungen sind und worin ihre Folgen bestehen. Wir sind aber auch Betroffene, sofern Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung geplant werden müssen. Als so Beteiligte und Betroffene sind wir wie alle anderen Menschen auch nach unserem Verhalten gefragt. (2) Als Beteiligte und Betroffene benötigen wir sachgerechte Information. Es wird zu den Aufgaben christlicher Gemeinde gehören, dem Fatalismus zu widerstehen, der lieber gar nicht wissen will, was unser Leben beeinträchtigen und bedrohen kann, weil es ja ohnehin nicht zu ändern sei. Dagegen werden wir mit ruhiger Entschlossenheit auch die Aufgaben und Probleme zur Kenntnis nehmen müssen, für die eine Lösung noch gar nicht zu erkennen ist. Da lange Zeit das Risiko der Kernenergiegewinnung offenbar unterbewertet wurde, wa-
15 Am 5.9.1986 kam es zu einem erbetenen Sachgespräch zum Thema „Verantwortlicher Gebrauch der Atomenergie“ auf Einladung des Staatssekretärs für Kirchenfragen. Vgl. den Bericht der KKL an die Bundessynode vom 23.9.1986 und Beschluss der Bundessynode zur Sache in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 239–243. 16 EBD., Außerdem: Bericht der KKL auf der 2. Tagung der V. Synode des BEK vom 19.–23.9.1986 in Erfurt. In: MBL BEK 1–3/1987, S. 2–10, hier: S. 7. 17 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2595. Darin: Vermerk (Ormig), 6. S. H. Müller. An dem Gespräch nahmen Dr. Lubas (Stellvertreter des Vorsitzenden des RdB Magdeburg für Inneres); Ralf Franke (Mitglied des RdB für Wasserwirtschaft u. Umweltschutz); Med.Rat Dr. Thriene (Leiter des Bezirkshygieneinstituts); Dietrich Rohde (Stellvertreter des für das KKW zuständigen Ratsmitglieds); Prof. Hans-Martin Dietl (ML-Professur der Medizinischen Akademie Magdeburg) und Prof. Dr. Röder (Professor für Nuklearmedizin der Medizinischen Akademie Magdeburg) teil.
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ren zum Zeitpunkt des Unfalls in Tschernobyl keine Voraussetzungen gegeben für eine sachgerechte Verarbeitung von Informationen. In unseren Medien wurde allem Anschein nach aus dieser Situation der Schluß gezogen, strenge Zurückhaltung bei der Information der Öffentlichkeit zu üben und diese vor allem auf beruhigende Wirkung auszurichten. Solche Zurückhaltung aber muß zu Mißtrauen führen und Gerüchte nähren; sie trägt dazu bei, daß sich verdeckte Ängste ausbreiten. Hier ist eine Veränderung durch kontinuierliche Information, die der Öffentlichkeit auch die offenen Probleme zumutet, notwendig. Sachgerechte und verantwortliche Information muß das Verantwortungsbewußtsein aller ansprechen, um die Verantwortungsbereitschaft zu stärken. Die Ausrichtung der Information in den Medien der DDR in den letzten Monaten auf die Meldung über Havarien in Kernkraftwerken aller Welt – von welchen Interessen sie auch immer gesteuert sein mag – verstärkt den Eindruck, daß Unfälle, wie der von Tschernobyl, allerorten und zu jeder Zeit wieder eintreten können. Eine Urteilsbildung ist auch hier nicht möglich, weil auch für diese Meldungen Bewertungsmaßstäbe fehlen. Auf diesem Hintergrund begrüßt die Kirchenleitung die Bereitschaft staatlicher Organe auf der Ebene des Bezirkes Magdeburg und des Staatssekretärs für Kirchenfragen, kirchlichen Vertretern Gespräche mit Experten und Planungsverantwortlichen zu ermöglichen. Sie sieht darin eine ersten Schritt, dem hoffentlich bald weiter folgen werden. (3) Bei der Analyse der Ursache des Unglücks im Kernkraftwerk von Tschernobyl und bei der Diskussion über die Sicherheitsprobleme der Kerntechnik überhaupt wird von Wissenschaftlern immer wieder die große Bedeutung unterstrichen, die dem Menschen in der modernen Großtechnik zukommt. Das wird in zwei Feststellungen anschaulich, die sich nur auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen: Das höchste Sicherheitsrisiko ist der Mensch; der stärkste Sicherheitsfaktor ist der Mensch, wenn er seiner Fähigkeit und Würde als Mensch gemäß behandelt wird. Es wird also darauf ankommen, eine dem Menschen angemessene Technik zu entwickeln, die die Möglichkeit des Versagens des Menschen nicht bagatellisiert und seiner Urteilskraft und Verantwortung Raum gibt. Was können wir Christen aus dem Hören auf das Zeugnis der Schrift in das notwendige Gespräch darüber, was dem Menschen angemessen ist, einbringen? Dabei kann es nicht nur um die Frage nach der Gestaltung technologischer Prozesse gehen. Vielmehr ist dies auch eine Frage nach dem, was von unserer Gesellschaft insgesamt getragen und verantwortet werden kann: Wie gehen wir mit der Möglichkeit des Irrtums um? Wie wird die Notwendigkeit von Entscheidungskorrekturen von uns verarbeitet? Wie muß unsere wissen-
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schaftliche Forschung gestaltet werden, damit die Palette realistischer Möglichkeiten zukünftiger Entscheidungen größer wird? Wie können Urteilsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft gefördert werden? (4) Der Reaktorunfall von Tschernobyl hat sehr anschaulich die Reichweite deutlich gemacht, die Entscheidungen und Planungen im Bereich der Großtechnik haben. Sie greifen weit über staatliche Grenzen und die jetzt lebende Generation hinaus. Wir werden uns dafür einsetzen müssen, daß die Zusammenarbeit zwischen den Staaten in Wissenschaft und Forschung und Planung stärker und enger wird. Offenheit und Vertrauen werden zu Voraussetzungen des Überlebens. Wir werden aber auch für das Recht der kommenden Generationen, die unter uns noch keine Stimme haben, für ihr Recht auf Leben und Gesundheit eintreten müssen. (5) Wie auch immer die wissenschaftlich-technischen, ökonomischen, medizinischen und sozialen Fragen künftiger Energiegewinnung geklärt und entschieden werden, es ist jetzt noch deutlicher geworden, daß wir unseren Konsumbedürfnissen nicht weiter so nachgeben dürfen, wie wir es bisher getan haben. Radikale Senkung des Energieverbrauches ist notwendig. Welches sind die Bedürfnisse, die zu einem lebenswerten, menschenwürdigen und vor den kommenden Generationen verantwortbaren Leben gehören? Zu der Beantwortung dieser Frage für uns selbst und für unsere Gesellschaft können und müssen wir Christen aus dem Verständnis des Menschen als Gottes befreitem und geliebtem Partner, wie es uns das Evangelium erschließt, beitragen. Die Weisungen der Bergpredigt gewinnen hier eine neue und befreiende Bedeutung. 5.3. Das neue politische Denken Die Vorschläge der Sowjetunion für einen gestuften Plan der Abrüstung vom 15. Januar 1986 sieht die Kirchenleitung vor allem im Zusammenhang mit der seit einigen Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern und seit dem vergangenen Jahr auch von Politikern geltend gemachten Forderung nach einem neuen politischen Denken18. Durch 18 Bei seinem Staatsbesuch erklärte Michail Gorbatschow in einer Rede auf dem Treffen mit französischen Parlamentariern in Paris am 3.10.1985 „Für eine friedliche, freie gedeihliche Zukunft Europas und aller anderen Kontinente“: „Was ist eigentlich Sicherheit in Europa? Das ist ein Europa ohne Krieg und ohne Kriegsgefahr [. . .]. Das bedeutet, dass die Sicherheit Europas nicht mit militärischen Mitteln und nicht mit militärischer Stärke gewährleistet werden kann. Das ist eine völlig neue Situation, die einen Bruch mit den Traditionen, der Denkweise und den Verhaltensmustern bedeutet, die sich über Jahrhunderte, ja über Jahrtausende herausgebildet haben. Der menschliche Geist passt sich an Neues nicht sofort an. Das gilt für alle. Wir spüren das. Wir haben begonnen umzudenken und viele gewohnte Dinge ganz in Übereinstimmung mit den neuen Realitäten zu bringen, darunter im militärischen und natür-
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die Vorschläge von Generalsekretär Gorbatschow sind diese grundsätzlichen Überlegungen und Impulse mit praktischen Vorschlägen verbunden worden, die nicht nur die Massenvernichtungsmittel, sondern auch die konventionelle Rüstung und den Zusammenhang zwischen Abrüstung und Entwicklung in den Blick fassen. Die Impulse zu einem neuen Denken, das global ausgerichtet ist und Leben von vornherein als Zusammenleben begreift, sollten nicht vorschnell als unverbindliche Rede beiseite getan werden. Uralte Denktraditionen und Denkgewohnheiten werden nicht schnell, schon gar nicht von selbst und überhaupt nicht durch Anordnung überwunden. So ist es nicht verwunderlich, daß wir unter uns, in Kindergärten und Schulen und an vielen Orten des gesellschaftlichen Lebens auf Denkmechanismen stoßen, die diese Impulse und Forderungen noch nicht aufgenommen oder noch nicht einmal wahrgenommen haben. Das Umdenken, das hier notwendig ist, erfordert beharrliche Arbeit. Daran sollten wir uns beteiligen. Wir können uns freuen, wenn Einsichten des Glaubens und einer selbstkritischen Vernunft zusammenklingen. Wo wir das entdecken, sollten wir es für unsere Selbstklärung beachten, aber auch in das gesellschaftliche Gespräch einbringen. Die Kirchenleitung begrüßt es, daß der Bund jetzt auf Anregung der Bundessynode eine Materialsammlung „Neues Denken im Atomzeitalter“ bereitstellt und bittet die Gemeinden, davon Gebrauch zu machen. 5.4. Zum Leben des Christen in der sozialistischen Gesellschaft Die weltweiten Dimensionen, die wir heute in den Blick fassen, dürfen nicht die Fragen verdecken, die den Einzelnen in seinem Alltag unmittelbar betreffen. Schwierigkeiten, in die der Einzelne oder eine Gruppe gerät, können so sehr umtreiben, daß dabei die Beteiligung an Fragen, die das Zusammenleben und Überleben der Menschheit lich im politischen Bereich. Es wäre wünschenswert, dass sich ein solches Umdenken sowohl in Westeuropa als auch über seine Grenzen hinaus vollzieht.“ In: M. GORBATSCHOW, Reden und Aufsätze, S. 117–127, besonders S. 122 f. Weiterführend waren dann Gorbatschows Vorschläge und Initiativen in einer Fernsehansprache vom 15.1.1986 wegen des nuklearen Wettrüstens und der amerikanischen Rüstung „Krieg der Sterne“: Auf die ‚Logik des Wettrüstens‘ Bezug nehmend, sagte Gorbatschow: „Doch gerade eine solche, mit Verlaub gesagt, Logik muss entschieden überwunden werden. Wir unternehmen noch einen Versuch in dieser Richtung. Sonst verwandelt sich der Prozess des militärischen Wettlaufs in eine Lawine, da jegliche Kontrolle über die Entwicklung der Ereignisse unmöglich würde. Es ist unzulässig, das nukleare Wettrüsten wie eine Naturgewalt hinzunehmen. denn das würde bedeuten, gegen die Stimme der Vernunft, gegen das menschliche Gefühl der Selbsterhaltung zu handeln. Es bedarf eines neuen, kühnen Herangehens, einer neuen politischen Denkweise und eines geschärften Bewusstseins der Verantwortung für das Schicksal der Völker.“
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auf unserem Erdball betreffen, ganz zurücktritt und solche Fragen überhaupt nicht mehr mitvollzogen werden können. Die Kirchenleitung bemüht sich, in ihrer Arbeit zur öffentlichen Verantwortung der Kirche, beides immer gleichzeitig im Blick zu halten und miteinander zu verbinden, ohne die Dimensionen zu verwischen. 5.4.1. Auch in diesem Berichtszeitraum hat die Kirchenleitung wieder Berichte darüber entgegennehmen müssen, daß in Schulen und Ausbildungseinrichtungen Kinder und Jugendliche in ihrer Teilnahme am kirchlichen Leben dadurch verunsichert werden, daß Nachfragen über diese Beteiligung angestellt oder Andeutungen über Beeinträchtigung der Berufsmöglichkeiten gemacht werden. Die Situation ist von Schule zu Schule, z. T. auch gebietsweise recht unterschiedlich. An vielen Orten wirken Gemeindeglieder als Mitglieder von Elternaktiven19 an der Gestaltung des schulischen Lebens mit. Allerdings gibt es regelmäßig zum Schuljahrbeginn vereinzelte Fälle, wo es Eltern, die aktiv an der Arbeit der Gemeinde teilnehmen, erschwert wird, in die Elternaktive Aufnahme zu finden. Dankbar kann die Kirchenleitung feststellen, daß dort, wo Vorgänge der Verängstigung von Kindern und Jugendlichen genau festgestellt werden können, durch Gespräch mit den staatlichen Verantwortlichen häufig eine Richtigstellung und Korrektur erreicht werden konnte. In dieser Frage sollte es weder bei Eltern noch bei kirchlichen Mitarbeitern Resignation oder Gewöhnung geben. Zuerst sollte das Gespräch mit denjenigen gesucht werden, die unmittelbar im Bildungswesen oder in der Berufsausbildung verantwortlich sind. Wo dazu der Mut gefunden wird, führt das häufig zur Bereinigung der Anstöße. Dabei können Eltern und Mitarbeiter davon ausgehen, daß die Kirchenleitung bereit ist, solche Gespräche auf ihren Ebenen zu unterstützen. Eine Grundspannung wird für die Situation christlicher Kinder im sozialistischen Bildungssystem bleiben. Aber die Möglichkeit des unmittelbaren, verständnisvollen Gespräches sollte zur Normalität in unserem Land werden. Die Kirchenleitung spricht erneut ihre Erwartung aus, daß dieses Ziel durch ein Gespräch der Kirchenleitungen mit den im Bildungswesen unseres Landes Verantwortlichen entscheidend gefördert werden könnte. Nach Auffassung der Kirchenleitung muß der Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die am Leben der Gemeinde teilnehmen, als ein Beispiel dafür betrachtet werden, wie durch Schule und Ausbildung selbständige Urteilsbildung der Kinder und Jugendlichen gefördert, respektiert und entwickelt wird. Das beginnt bereits im Vorschulalter. 19 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 4, S. 297.
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Die Kirchenleitung hat sich über das 1985 herausgegebene „Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten“20 einen ersten Bericht geben lassen. Das Programm scheint klarer von ganzheitlichen Erziehungsformen auszugehen, die Denken, Fühlen und Handeln als einen einheitlichen Zusammenhang sehen und ansprechen. Dabei wird auffallend wenig nach den Bedürfnissen des Kindes gefragt, weil alles bestimmt ist von den vorher festgelegten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einsichten, die dem Kind eingeprägt und bei ihm ausgeprägt werden sollen. Die Kirchenleitung sieht mit Sorge, daß unsere Kinder vor allem als Erziehungsobjekte betrachtet werden. In der Ausprägung eines klaren Freund-Feind-Denkens bei den Kindern, wie sie in dem Programm vorgesehen ist, kann die Kirchenleitung keine Ansätze für ein differenziertes Problembewußtsein für die Notwendigkeit der „Friedlichen Koexistenz“ erkennen. 5.4.2. Zu den Fragen der Wehrerziehung und der Wehrpflicht kann die Kirchenleitung zuerst erleichtert feststellen, daß im November 1985, als eine ganze Reihe von jungen Männern, die zum Wehrdienst einberufen waren, sich aber aus Glaubens- und Gewissensgründen für eine Verweigerung jeglichen Wehrdienstes erklärt hatten, die Situation so gelöst wurde, daß es schließlich doch nicht zu Freiheitsstrafen kam. Zugleich wurde von seiten der Staatsorgane darauf hingewiesen, daß damit keine Regelfälle geschaffen wurden. Darum muß die Kirchenleitung die Bitte wiederholen, daß für Wehr- und Waffendienstverweigerer ein Einsatz im sozialen und humanitären Bereich ermöglicht wird. Dadurch würde auch denen, die sich für einen waffenlosen Dienst entscheiden, die Möglichkeit gegeben, den positiven Sinn ihrer Entscheidung wirklich zum Ausdruck zu bringen. Die Kirchenleitung begrüßt es, daß Soldaten aus den Baueinheiten an verschiedenen Orten in der Industrie eingesetzt werden. Sie ist bemüht, dort Veränderung zu erbitten, wo dies noch nicht der Fall ist. Ungelöst ist nach wir vor die Frage, wie Reservisten, die sich erst nach ihrem Grundwehrdienst gegen den Waffendienst entschieden haben, so eingesetzt werden können, daß ihre Entscheidung als eine Glaubens- und Gewissensentscheidung respektiert wird21. Schwierigkeiten treten nach wie vor dort auf, wo Jugendliche im
20 PROGRAMM FÜR DIE BILDUNGS- UND ERZIEHUNGSARBEIT. Dieses Programm ist zum 1.9.1985 in Kraft gesetzt worden. 21 Wer den Grundwehrdienst der NVA mit der Waffe abgeleistet hatte, stand unter Fahneneid. Die Militärführung erklärte, dass es deshalb nicht möglich sei, dass ein Reservist entgegen seiner Eidesverpflichtung den bewaffneten Dienst verweigere. Auf diese Argumentation bezieht sich die Bitte der KL. – Zur Situation der Lehrlinge vgl. oben Dokument 45, Anm. 5, S. 431 f.
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Rahmen der Berufsausbildung aus Glaubens- und Gewissensgründen den Waffengebrauch ablehnen. Die Kirchenleitung wiederholt die Bitte, daß auch in diesem Bereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit deutlicher Rechnung getragen und keine Benachteiligung geduldet wird. Für das Denken, das im Atomzeitalter erforderlich ist, kann die Sicherung des Friedens durch Rüstungsmaßnahmen nur als ein Notbehelf gelten. Darum beurteilt die Kirchenleitung alle Vorgängen, die diesem Notbehelf den Charakter des Spielerischen und Glanzvollen verleihen, als unangemessen. In diesem Sinne hat sie z. B. die Einwände von Gemeinden und Arbeitskreisen gegen die Bildung von Arbeitsgemeinschaften Junge Tankisten22 an einzelnen Orten aufgenommen. 5.4.3. Neue Reisemöglichkeiten Die Kirchenleitung begrüßt es, daß seit Februar d. J. die Möglichkeiten von Reisen in nichtsozialistische Staaten erweitert worden sind23. Dadurch werden Begegnungen möglich, die z. T. jahrzehntelang unterbunden waren. Menschliche Belastungen werden abgebaut, die in der Vergangenheit nicht selten auch zu Ausreiseanträgen geführt haben. Die Kirchenleitung ist auf Grund ihrer Beobachtung davon überzeugt, daß dadurch das Befinden vieler Menschen in unserem Land entlastet wird und eine realistische Sicht der Lebensvoraussetzungen und Lebensbedingungen in unserem Lande gefördert wird. Gleichzeitig bewertet die Kirchenleitung diese Entscheidung als einen wichtigen Beitrag zur Realisierung der Schlußakte von Helsinki und zur Fortsetzung des Helsinki-Prozesses. Naturgemäß ergeben sich bei einer schrittweisen Entwicklung in dieser Richtung neue Probleme, und ältere, bekannte Fragen treten neu, ja u. U. verschärft hervor. Daß es zu Spannungen kommen kann, wenn andere Familienmitglieder, Kollegen und Freunde solche Reisemöglichkeiten nicht haben, wissen wir aus der Praxis der kirchlichen Dienstreisen nur zu gut. Diese Spannungen sind nicht leicht auszutragen und letztlich nur durch die Erweiterung des Kreises der Reiseberechtigten aufzulösen. Deutlicher tritt jetzt als Problem hervor, daß ablehnende Entscheidungen den Betroffenen nicht begrün-
22 „Junge Tankisten“ war der Name einer Arbeitsgemeinschaft an einigen Grundschulen in der DDR. Im Rahmen von wehrsportlichen Übungen wurden Schüler mit dem Umgang mit Modell-Panzern vertraut gemacht. Ein Foto (aus der DDR-Presse) in: K. EHRING/M. DALLWITZ, Schwerter zu Pflugscharen, S. 168. 23 Die Erweiterung der Reisemöglichkeiten basierte auf der Anweisung Nr. 0158/86 des MdI vom 8.1.1986 Westberlin und trat am 9.2.1986 in Kraft. Textauszug in J. GLADEN, „Man lebt sich auseinander“, S. 74 f.
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det werden. Die Kirchenleitung hat früher schon darauf hingewiesen und muß es erneut tun. In einer Zeit, in der sowohl auf Grund der miteinander verknüpften Weltprobleme, die die ganze Menschheit und jeden einzelnen betreffen, die Verantwortungsbereitschaft jedes Einzelnen gefordert ist, wirkt diese Regelung überholt und überholungsbedürftig. Gegenläufig zu dieser Entwicklung muß die Kirchenleitung feststellen, daß immer wieder Gemeindeglieder in Betrieben auf Kontakte zu Personen aus anderen Staaten angesprochen werden und ihnen eine Melde- und Berichtspflicht auferlegt wird. Auf Grund einer Verständigung auf der Ebene des Bundes stellt die Kirchenleitung dazu fest, daß die Wahrnehmung der ökumenischen Beziehungen durch die Kirchen ein untrennbarer Bestandteil der eigenen Angelegenheiten der Kirchen im Sinne des Artikels 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR ist. Auch in diesem Teil der kirchlichen Arbeit sind die Gemeindeglieder einbezogen. Dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche entsprechend, erfolgt die Berichterstattung über Inhalte und Personenkreis solcher kirchlichen Tätigkeit nur an kirchliche Organe, seien dies nun Organe der Gliedkirchen oder des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Das schließt nicht aus, daß Gemeindeglieder sich zu ihrer kirchlichen Tätigkeit, die mit ökumenischen Kontakten verbunden ist, anderen gegenüber bekennen24. 5.4.4. Zehnter Todestag von Oskar Brüsewitz Bei der vergangenen Synodaltagung ist die Kirchenleitung gebeten worden, den 10jährigen Todestag von Oskar Brüsewitz rechtzeitig zu bedenken. Nach Vorverständigung zwischen dem Kreiskirchenrat Zeitz und dem Gemeindekirchenrat Rippicha hat die Kirchenleitung Propst i. R. Fritz Bäumer gebeten, am 24. August 1986 den Gottesdienst in der Gemeinde Rippicha zu halten. Am Tag der Selbstverbrennung und am Todestag hat der Gemeindekirchenrat die Kirche in Rippicha für Besucher zum Gebet offengehalten. Bischof i. R. Dr. Werner Krusche verfaßte auf Bitten der Kirchenleitung einen Artikel für die 4. Seite der Wochenzeitung „Die Kirche“, Magdeburger Ausgabe, der am 17. August 1986 erscheinen sollte. Der Artikel wollte besonders der Frage nachgehen, was aus den Einsichten und Folgerungen geworden ist, die die Kirchenleitung vor zehn Jahren gezogen hat und die die Konferenz der Kirchenleitungen in ihrem Brief an die Gemeinden vom 11. September 1976 ausgespro-
24 Vgl. dazu die „Erklärung der KKL zu Ökumenischen Verbindungen von Gemeindegliedern“ vom 7./9. März 1986. In: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 211.
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chen hatte. Haben wir wirklich gelernt, zwischen Kirchenleitung und Gemeinden füreinander durchschaubar zu handeln? Ist die gegenseitige Information und das im Vertrauen kritische Befragen offener geworden? Wie steht es mit der tragenden Gemeinschaft in den Konventen der Mitarbeiter? Die Kirchenleitung hat feststellen müssen, daß dieser Artikel nicht erschienen ist und durch eine Schnellentscheidung der Chefredaktion gegen einen anderen Beitrag ausgewechselt wurde. Die Kirchenleitung hat gegen dieses Vorgehen bei dem Herausgeber Einspruch eingelegt und gebeten, daß das Verfahren mit dem neuen Chefredakteur für die Zukunft so geklärt wird, daß – falls erforderlich – unsere Kirchenleitung in notwendige Entscheidungen einbezogen wird. Die Kirchenleitung hält eine rein defensive Informationspolitik, wie sie in diesem Vorgang zum Ausdruck kommt, für nicht vertrauensfördernd; dadurch wird die Themenbestimmung bei solchen Gedenktagen anderen Kräften überlassen. Der Artikel von Bischof i. R. Dr. Werner Krusche ist am 18. August allen Pfarrämtern zugänglich gemacht worden, damit alle Gemeinden an dieser Selbstbesinnung über unseren Weg seit 10 Jahren teilnehmen können25. 5.5. Konziliarer Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung Die Kirchenleitung hat sich mehrfach über die Beratungen und Entscheidungen auf ökumenischen Konferenzen zur Weiterarbeit in dem konziliaren Prozeß, in dem die Initiative des Düsseldorfer Kirchentages für ein „Konzil des Friedens“26 aufgenommen werden soll,
25 Die KL hat den Artikel als Rv 22/86 an alle Pfarrer, Synodalen und Kirchenleitungsmitglieder versandt. In Krusches Artikel heißt es: Brüsewitz „sah sich in den apokalyptischen Kampf des Lichts gegen die Finsternis hineingestellt, in den Angriff des Gottesreiches gegen die Gottlosigkeit der Welt. Er litt unter der atheistischen Beeinflussung der Jugend, an der Lauheit und Ängstlichkeit der Christen und an einer Kirche, die ihm zu wenig offensiv, zu wenig beherzt und glaubensmutig erschien. [. . .] Der ‚Brief an die Gemeinden‘ [der KKL vom 11.9.1976, in: KUNDGEBUNGEN BEK 1, S. 168] nennt auch eine laut gewordenen Anfrage ‚an staatliche Organe‘, ob nämlich ‚Glaubens- und Gewissensfreiheit, besonders für junge Menschen, wirklich Raum bekommt‘. Ich weiß nicht, ob sie die Selbstverbrennung dieses evangelischen Pfarrers als eine solche Anfrage an sich empfunden haben oder ob sie darin nur die absurde Handlung eines religiös verstiegenen Menschen sehen konnten. [. . .] Tatsache ist, daß – mit oder ohne Zeitz – sich im Verhältnis von Staat und Kirche vieles entkrampft und normalisiert hat und wir aus den Konfrontationen heraus sind und gelernt haben, vernünftig miteinander umzugehen. Das heißt nicht, dass es keine Probleme mehr geben werde oder Spannungen ausgeschlossen seien. [. . .]“ 26 Bündelung und Weiterführung der Initiativen von Vancouver 1983 und dem Kirchentag Düsseldorf 1985 findet sich in der Publikation von H. FALCKE, Vom Gebot Christi.
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informieren lassen. Der Exekutivausschuß des Ökumenischen Rates der Kirchen hat am Beginn des Jahres alle Kirchen aufgerufen, in einen „Bund“ für Frieden, Gerechtigkeit und die Erhaltung der Schöpfung einzutreten: „Die Kirchen der Welt sollten dem dringenden Ruf Christi folgen, Gottes heiliger Gabe des Lebens zu entsprechen und zu antworten in Liturgie und Bekenntnis und in einer festen Verpflichtung, für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Wir vertrauen darauf, daß der Heilige Geist diesen Prozeß benutzen wird, uns Christen auch zur Einheit zu führen.“ Der Vorbereitung eines solchen Bundes soll eine Weltversammlung, die für 1990 vorgesehen ist, dienen. Mit dem Plan einer solchen Vollversammlung ist den Kirchen ein Handlungsziel gesteckt, durch das, wie die Erklärung des Exekutivausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen zeigt, der Sache nach das Hoffnungsziel „Konzil des Friedens“ keineswegs aus den Augen gerückt werden soll. Die nüchterne Einsicht, daß ein kirchenrechtlich relevantes „Konzil des Friedens“ in den nächsten Jahren nicht wird zustandekommen können, darf nicht zu der Skepsis führen, eine Weltversammlung könne keinen wirklich weiterführenden, die Kirchen in Pflicht nehmenden Ertrag bringen. Universalität und Verbindlichkeit bleiben auch für eine solche Weltversammlung anzustrebende Ziele. Im März 1986 nahm Propst Dr. Falcke an der Ausarbeitung eines Rahmenplanes für den konziliaren Prozeß hin auf die Weltversammlung 1990 in Genf teil. Dabei wurde der Vorschlag weiter ausgearbeitet, diese Weltversammlung durch regionale Konferenzen vorzubereiten. Die Debatten im Exekutivausschuß des ÖRK hatten gezeigt, daß von den Vertretern aus den Kirchen in der Dritten Welt zunächst der Gedanke eines Konzils des Friedens als eine Aufgabe und Problematik der Kirchen auf der nördlichen Halbkugel angesehen wurde. Die Erkenntnis, daß Friede und Gerechtigkeit unlösbar zusammengehören und in dem konziliaren Prozeß die Dimensionen der Ost-West-Spannung und der Nord-Süd-Spannung zusammengehalten werden müssen, hat sich durchgesetzt. Es sollte der Plan einer sogen. Nordkonferenz, zu der insbesondere die Kirchen aus den Signatarstaaten der Schlußakte von Helsinki zusammentreten, weiterverfolgt werden. Inzwischen hat die Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen, die vom 4.–11. September 1986 in Stirling/Schottland27 tagte, sich dafür ausgesprochen, bis Ende 1988 die Kirchen der nördlichen Hemisphäre zu einer solchen Konferenz aufzurufen. Dabei sollte die sogen. Nordkonferenz als ein Teil des vom
27 BEGEGNUNG IN STIRLING.
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Ökumenischen Rates der Kirchen in Gang gesetzten konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung gesehen und entsprechend geplant werden. In der Botschaft der Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen heißt es: „Wir bitten unsere Kirchen, die Einberufung einer ökumenischen Friedensversammlung mit Teilnehmern aus allen Signatarstaaten der Schlußakte von Helsinki zu unterstützen. Denn wir glauben, daß durch eine solche Versammlung der Tag näherkommen wird, an dem die Christen mit einer Stimme zu der Welt sprechen werden, die sich nach Frieden sehnt. Wir hoffen, daß damit auch das dringend notwendige Gespräch zwischen Pazifisten und Nichtpazifisten gefördert wird und der Tag näherkommt, an dem unsere jungen Leute nicht mehr einberufen werden, um das Kriegshandwerk zu erlernen. Mögen alle, die für ihren Staat Militärdienst leisten sollen, nach dem Willen Gottes fragen und die Kraft haben, ihn zu befolgen.“28
Freilich hat sich auch bei der Vollversammlung in Stirling gezeigt, daß die Initiativen für ein solches Vorhaben insbesondere von den Kirchen aus den beiden deutschen Staaten getragen werden. Dies mag ein Ausdruck für die besondere Verpflichtung sein, in der sich unsere Kirchen angesichts der Schuldgeschichte unseres Volkes sehen. Für das Gelingen des Vorhabens aber ist es wichtig, daß unsere Kirche ihre ökumenischen Verbindungen für die Vorbereitung einer solchen Konferenz nutzt, damit auch in der inhaltlichen Vorbereitung sich eine breite Beteiligung vieler Kirchen entwickelt. 5.5.1. Die Arbeit in den Gemeinden für den konziliaren Prozeß Die Kirchenleitung sieht die Gefahr, daß der konziliare Prozeß von den Gemeinden als eine Angelegenheit der kirchlichen Leitungsgremien betrachtet wird. Schon der schwierige Ausdruck „konziliarer Prozeß“ wirkt nicht eben gewinnend. Um die Gemeinden zur Teilnahme an dem konziliaren Prozeß anzuregen, hat die Kirchenleitung den Brief des Ausschusses „Weltverantwortung“ an besonders engagierte Gemeindegruppen und an die Sachbereichsleiter „Zeugnis und Dienst“ in den Kirchenkreisen weitergegeben29. Der Brief enthält die Bitte, konkrete Schritte im ökumenischen Gespräch auf der Ortsebene zu gehen, die Partnerbeziehungen für den Austausch über den Weg einer solchen Vollversammlung zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung fruchtbar zu machen und darüber zu berichten. Dabei kommt dem Austausch mit ökumenischen Partnern am Ort, in dem die Auffassungen und Erklärungen der Partner sorgfältig gehört und aufgenommen werden, besondere Bedeutung
28 A. a. O., S. 100. 29 S. Anlage 3 (Orig. Anm.).
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zu. Welches Echo der Brief in den Gemeinden findet, läßt sich bisher noch nicht beurteilen. In einem weiteren Brief wurden die Mitarbeiter und Gemeindeglieder, die zu ökumenischen Dienstreisen beauftragt sind, gebeten, bei ihren Besuchen bei Kirchen im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland und in der Ökumene zu erkunden, wie die besuchten Kirchen und Gemeinden sich an dem konziliaren Prozeß beteiligen wollen. 5.5.2. Weiterarbeit in der DDR Im Februar d. J. hat der Stadtökumenekreis Dresden einen wichtigen Anstoß gegeben, in dem er eine ökumenische Versammlung der Vertreter aller Kirchen in der DDR vorschlug. Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen hat sich bereiterklärt, diesen Vorschlag aufzunehmen30 und in Kontakte mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und der Römisch-Katholischen Kirche zu treten. In einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, Landesbischof Dr. Leich, hat der Vorsitzende der Berliner Bischofskonferenz, Kardinal Meisner, eine sorgfältige Prüfung der vorliegenden Initiativen für einen konziliaren Prozeß der Kirchen zugesagt und die grundsätzliche Offenheit der katholischen Kirche für das intendierte Anliegen zum Ausdruck gebracht. Von Gemeinden und Gemeindegruppen sowie von dem Seminar „Konkret für den Frieden IV“31 war dieser Vorschlag des Stadtökumenekreises Dresden unterstützt worden. Es wird darauf ankommen, daß an der Vorbereitung einer solchen Versammlung der Christen in der DDR von Anfang an alle Kirchen teilnehmen, die diese Versammlung mittragen wollen. Die Kirchenleitung begrüßt dankbar, daß Bischof Dr. Wanke, Erfurt, unseren Bischof sowie Landesbischof Dr. Leich zu einem gemeinsamen Gebet für den Frieden am 26.10.1986, also am Vorabend des Friedensgebetes in Assisi, eingeladen hat32. Ähnliche Einladungen sind auch von katholischen Gemeinden an die evangelischen Nachbargemeinden ergangen. Das Eins-Werden im Gebet für den Frieden wird die Mitte sein müssen für den ganzen konziliaren Prozeß.
30 „Die Konferenz unterstützt die Anregung, eine ökumenische Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR einzuberufen. Sie bittet den Vorstand, an die AGCK und an die Römisch-Katholische Kirche heranzutreten und eine Verständigung über das Vorhaben herbeizuführen sowie eine gemeinsame Gruppe zur Prüfung der Initiative zu bilden.“ Beschluss der KKL vom 9./10. Mai 1986. In: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 217. 31 Vgl. hier Abschnitt 5.5.3. 32 Papst Johannes Paul II. hat Vertreter von zwölf Weltreligionen zu einem „Gebetstreffen für den Frieden“ zum 27. Oktober 1986 nach Assisi eingeladen. Vgl. den Auszug in: KJ 1988, S. 229 f.
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Berichte und Beschlüsse
5.5.3. Seminar „Konkret für den Frieden IV“, Stendal, 28.2.–2.3.1986 Das Seminar in Stendal ist als ein Delegiertentreffen von Vertretern der verschiedenen christlichen Friedens-, Umwelt- und Dritte-WeltGruppen, die in Arbeitsformen und Arbeitszielen z. T. ganz unterschiedlich ausgerichtet sind, vorbereitet. Es nahmen Delegierte aus der ganzen DDR teil33. Die Gemeinden in Stendal und die aktiven Gruppen in den Gemeinden der Stadt waren gut vorbereitete Gastgeber. Ein großer Gottesdienst verband Seminarteilnehmer und Gemeinden. Die Kirchenleitung hält für das wichtigste Element in diesem Seminar die Begegnung und den Erfahrungsaustausch zwischen Vertretern unterschiedlich ausgerichteter Friedensgruppen, Umweltgruppen und Dritte-Welt-Gruppen. Die Kirchenleitung hält die Beteiligung gerade unterschiedlich ausgerichteter Gruppen an diesem Seminar für wesentlich. Nur wenn eine vielfältige Beteiligung gewährleistet bleibt, kann das Seminar wirklich als ein Beitrag zum konziliaren Prozeß angesehen werden. Es wurde erkennbar, daß auf Grund der Ausrichtung des Seminars als Erfahrungsaustausch Themen in den Vordergrund drängen, die einzelne Gruppen bzw. einzelne Personen auf Grund persönlich erfahrenen Unrechtes, z. B. durch Zurückweisung bei Reisen in die CSSR, einbringen. Solche Fragen wurden in einem Brief an den Präsidenten der Volkskammer benannt, Mitglieder der Kirchenleitung, die an dem Seminar teilnahmen, bestanden darauf, daß dieser Brief durch den Bund der Evangelischen Kirchen dem Staatssekretär
33 Vgl. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 622–625. Eine gründlichere Darstellung der Seminare „Konkret für den Frieden“ scheint noch zu fehlen. Über die Vorüberlegungen und die Auswertung zu diesem Seminar seitens der SED und des Staatsapparates vgl. die ausführlichen Zitate in: G. BESIER, SED-Staat und Kirche 3, S. 682 f. Über das Stendaler Seminar wurde ein hekt. Materialheft herausgegeben: FRIEDEN KONKRET. Darin ist der Brief an Volkskammerpräsident Sindermann nicht abgedruckt worden, weil Konsistorialpräsident Kramer darauf verwies, dass der Inhalt vertraulich bleiben sollte. In: AKPS, Rep. N 7, Nr. 13. Zu dem Seminar war durch den Fortsetzungsausschuss „konkret für den Frieden“ am 9.1.86 eingeladen worden, unterzeichnet von Vera Wollenberger und Manfred Becker. Referate wurden von Dr. Ludwig Drees/Stendal und Sup. Helmut Hartmann/Halle gehalten. Zur Intervention des RdB Magdeburg (Bellstedt) vom 15.1.1986 vgl. den Vermerk Schultze mit Zurückweisung der staatlichen Befürchtungen und Zumutungen. Eine Auswertung des Seminars erfolgte im Rat der KL Magdeburg am 29.4.1986 mit Provinzialjugendpfarrer Curt Stauss. (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3908). Zu den Seminaren „Konkret für den Frieden“ insgesamt s. Erhart Neubert in: H.-J. VEEN/P. EISENFELD/H. M. KLOTH/H. KNABE/P. MASER/E. NEUBERT/M. WILKE, Lexikon Opposition, S. 221–226.
Bericht der Kirchenleitung, 30. Oktober 1986
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für Kirchenfragen zur Weiterleitung übergeben wird und nicht als öffentlicher Brief behandelt wird34. Durch die dringende Empfehlung dieses Verfahrens entstanden erhebliche Spannungen, weil von einer Reihe von Teilnehmern das vorgesehene Verfahren als eine Bevormundung angesehen wurde. Auch war festzustellen, daß ein Gespräch zwischen einer Reihe von Vertretern aus den Gruppen und Vertretern kirchlicher Leitungsgremien nicht recht gelang und z. T. vielleicht auch nicht gesucht wurde. Nach Auffassung der Kirchenleitung sollte aber auch diese Gesprächsdimension einen wichtigen Bestandteil der Arbeit des Seminars ausmachen. Außerdem zeigte der Seminarverlauf, daß die Kirchen in ihrer Arbeit die Frage der Menschenrechte nicht vernachlässigen dürfen, wenn nicht Erkenntnisse, die in den letzten Jahren gewonnen wurden, unter dem Druck von Erfahrungen, die nur auf den ersten Blick solche Erkenntnisse zu widerlegen scheinen, wieder verlorengehen sollen. 5.5.4. Auswertung der Friedensdekade 1985 Wie schon 1984, hatte die Kirchenleitung auch für die Friedensdekade 1985 den Provinzialjugendpfarrer um einen Auswertungsbericht gebeten35. Erfreulicherweise konnte die Kirchenleitung dabei feststellen, daß zunehmend auch in kleinen Gemeinden im ländlichen Bereich Veranstaltungen zur Friedensdekade vorgesehen werden. Darin werden gerade auch Laien aktiv. So hat die Zahl der Veranstaltungen insgesamt zugenommen. Mehr und mehr ist die Friedensdekade aus einer Initiative der Jugend zu einem Anliegen der Gesamt-Gemeinde geworden. Dagegen scheint das Interesse an besonders herausgehobenen zentralen Veranstaltungen nachzulassen; jedenfalls lagen die Teilnehmerzahlen bei solchen Veranstaltungen 1985 niedriger als in den Vorjahren. Die Kirchenleitung bewertet dies aber nicht als einen Mangel, sondern sieht darin nur eine Folge davon, daß in immer mehr Gemeinden das Friedensgebet während der Friedensdekade gehalten wird. Das Thema „Frieden wächst aus Gerechtigkeit“ ließ sich gerade in seiner ökumenischen Dimension nicht leicht vermitteln und konnte nicht an allen Stellen wirklich ausgeschöpft werden. Deswegen hatte sich die Kirchenleitung bei dem Auswertungsgespräch dafür ausgesprochen, dieses Thema des Zusammenhangs von Friede und Gerechtigkeit auch für 1986 fortzuführen. Sie konnte sich mit diesem Vorschlag aber nicht durchsetzen, da die Vorentscheidungen in der
34 Vgl. den Bericht von Rudi Bellmann bei G. BESIER a. a. O., S. 682. 35 1985 stand die Friedensdekade unter dem Thema „Frieden wächst aus Gerechtigkeit“ (10.–20.11.1985).
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Berichte und Beschlüsse
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend, bei dem Leitungsgremien der beteiligten Freikirchen und in der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen für 1986 bereits gefallen waren. Das Vorbereitungsmaterial zu dem Thema war in der Bewertung der weltwirtschaftlichen Situation zu einseitig bestimmt. Das in der Kirchenprovinz erarbeitete eigene „Informationsmaterial zur Friedensarbeit“36 wurde im Ganzen positiv aufgenommen. An der Zusammensetzung des Arbeitsmaterials wurde erneut kritisiert, daß Arbeitshilfen für Gottesdienste in kleinen Gemeinden, die auch von Lektoren gestaltet werden können, fehlten. Die Kirchenleitung sprach sich dafür aus, daß das Material stärker adressatenorientiert erarbeitet werden sollte. Inzwischen hat sich die Synode des Bundes auf ihrer 2. Tagung in Erfurt37 ausführlich mit der Friedensdekade beschäftigt. Dabei gab es ein breites und engagiertes Votum dafür, an der Friedensdekade zu dem bisher gewohnten Zeitpunkt festzuhalten. Die Synode des Bundes betonte, daß die Friedensdekade in Zukunft verstärkt der Ort sein sollte, „an dem konziliares Verhalten eingeübt wird und Vorarbeiten für eine konstruktive Mitarbeit am Konzil geleistet werden können“. Um die ökumenische Zusammenarbeit während der Friedensdekade, die an vielen Orten bereits geübt wird, zu verstärken, hat die Bundessynode die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen gebeten, sich an die Berliner Bischofskonferenz zu wenden, um nach geeigneten Formen von Mitverantwortung bei der Vorbereitung der Friedensdekade in unmittelbarer Nähe zu dem Gedenken an die sogen. Reichskristallnacht durchgeführt wird. Das sollte auch im Vorbereitungsmaterial seinen Niederschlag finden38. [. . .]
36 Die „Informationen zur kirchlichen Friedensarbeit“ wurden in unregelmäßigen Abständen vom Evangelischen Konsistorium der KPS in hekt. Form herausgegeben. (AKPS, Rep. N 7, Nr. 13; vgl. oben Dokument 47, Anm. 22, S. 473). 37 Vgl. den Beschluß der Bundessynode in Erfurt vom 23.9.1986 zu Friedensfragen: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 233–236. 38 Beschluß der Bundessynode vom 23.9.1986 zur Friedensdekade: a. a. O., S. 246 f.
BerichtderKirchenleitung,29.Oktober1987 BerichteundBeschlüsse
51 Bericht der Kirchenleitung auf der 7. Tagung der X. Synode Blankenburg/Harz, 29. Oktober 1987 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 129, Dr. 11/87, S. 1–17 (Teil A), hier: S. 8–17 (hekt.), und S. 1–11 (Teil B) (hekt.). Teilabdruck in: EPD-DOKUMENTATION 52/1987, S. 23–28.
Schwerpunkte: Friedensdekaden; Leben und Zeugnis des Christen in der Gesellschaft (Verhalten bei Wahlen, Fragen der Rechtssicherheit, des Reisens, des verantwortlichen Mitdenkens in den Schulen, der kirchlichen Gruppen und Kreise); Grundsatzüberlegungen zum öffentlichen Zeugnis der Kirche (Stellungnahme zu Abrüstungsvorschlägen, zum Friedensdienst, „Olof-PalmeFriedensmarsch“)_1 Gliederung: Teil A: 0. [ohne Überschrift]. 1. Leben und Zeugnis in der Gemeinde. 2. Leben und Zeugnis in der Gesellschaft. Teil B: 3. Mitarbeiter- und Ausbildungsfragen. 4. Struktur- und Ordnungsfragen. Anlagen: 1. Rv. 23/87 vom 29.9.1987: Beschluss über die Amnestie in der DDR. 2. Schnellinformation des Sekretariats des BEK zum Gespräch von Staatssekretär Dr. Klaus Gysi mit dem Vorsitzenden der KKL Landesbischof Dr. Werner Leich vom 21. Mai 1987. Anlagen zum Bericht: 1. Brief der KL an die Vorsitzenden der Kreiskirchenräte und Kreisjugendmitarbeiter zum Auftreten von Stephan Krawczyk und anderer Liedermacher in Gemeinden der KPS vom 27.7.1987. 2. Rv. 23/87 vom 29.9.1987: Beschluss der Synode der BEK über die Amnestie in der DDR. 3. Schnellinformation des Sekretariates des BEK vom 22. Mai 1987 zum Gespräch von Staatssekretär Dr. Klaus Gysi mit dem Vorsitzenden der KKL Landesbischof Dr. Werner Leich vom 21. Mai 1987.
[. . .] 1.8. Die Friedensdekaden Die Friedensdekade ist von Jahr zu Jahr immer mehr zum festen Bestandteil der Gemeindearbeit geworden2. Über den Verlauf der Friedensdekade 1 Die Pröpste Hans Treu (zu Teil A) und Günter Weyhe (zu Teil B) legten der KL in der Sitzung vom 25./26.9.1987 die Entwürfe für den KL-Bericht vor (TOP 13). Nach detaillierter Aussprache wurden die Entwürfe erneut in der Sitzung vom 16./17.10.1987 (TOP 4) durchgesprochen. (AKPS, Rep. C 2, Nr. 22).
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Berichte und Beschlüsse
19863 und über Erfahrungen aus der Sicht der Jugendarbeit hat Provinzialjugendpastorin Noetzel der Kirchenleitung im Januar 1987 berichtet. Bei den drei zentralen Vorbereitungstagen in Erfurt, Magdeburg und Torgau ging es um die Frage, wie Friedensinitiativen verschiedener Gruppen in den Tagen der Friedensdekade selbst klarer zum Ausdruck und zur Wirkung kommen können, – eine sicher noch nicht genügend ausgeschöpfte Möglichkeit gegenseitiger Wahrnehmung und verbindlicher Gemeinsamkeit im Sinne des konziliaren Prozesses. Einiges davon ist während der Friedensdekade 1986 besonders in größeren Stadtgemeinden zum Zuge gekommen. In kleineren Landgemeinden war auffallend, daß mehr als bisher tägliche Andachten als Mittag- oder Abendgebete mit kontinuierlichen Besuchergruppen stattgefunden haben. Die Vorbereitung und Durchführung lag zum Teil in den Händen von Gemeindegliedern. Nicht das Einmalige und Großartige hat sich dabei als tragende Kraft erwiesen, sondern das Einfache und Regelmäßige. Durchweg sind dazu die Kirchenräume genutzt worden. Das Friedensgebet hat damit mehr an Bedeutung gewonnen und sich als eine besondere Möglichkeit ökumenischer Gemeinschaft gezeigt. Hier setzt sich offenbar eine Entwicklung fort, die schon 1984 und 1985 zu beobachten war. In dieser Hinsicht wurde vielfach der Wunsch laut, dieser Entwicklung bei der Ausarbeitung des Vorbereitungsmaterials besser Rechnung zu tragen4. Stärker als in den vergangenen Jahren waren Kinder und Familien beteiligt. Wo es gelang, dafür passende Formen zu finden, scheinen sich neue Wege zu eröffnen. Auch in dieser Hinsicht wurden gezielte Wünsche an das Vorbereitungsmaterial geäußert. So sind es im Augenblick im wesentlichen drei Formen, die die Friedensdekade bestimmen: – Das mehr themenorientierte Sachgespräch verschiedener Gruppen miteinander, – das Friedensgebet im gottesdienstlichen Raum, – eine praktische Friedensgestaltung in kinder- und familienoffenen Zusammenkünften. 2 Vgl. oben Bericht KL zur 5. Tagung der X. Synode (1986), Zi. 5.5.4. (Dokument 50, S. 519 f.). 3 Zur Friedensdekade 1986, die unter dem Thema stand „Friede sei mit euch“, vgl. E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 575. 4 Material zu den Friedensdekaden 1983–1988: AKPS, Rep. N 7, Nr. 13. Die Themen der Friedensdekaden lauteten: 1984 „Leben gegen den Tod“, hg. v. Sekretariat des BEK. 11.–21.11.1984. 1985 „Frieden wächst aus Gerechtigkeit“, 10.–20.11.1985.
Bericht der Kirchenleitung, 29. Oktober 1987
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Nicht überall kann alles gemacht werden. Es wäre für die lebendige Ausfüllung und Weiterführung der Friedensdekade wichtig, sich bei der Vorbereitung entsprechend den örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten auf einen Schwerpunkt zu konzentrieren. Auch was nur in einem kleinen örtlichen Rahmen geschehen kann, ist Basisgeschehen und lebendiger Baustein des uns von Christus zugesprochenen und aufgetragenen Friedens. 2. Leben und Zeugnis in der Gesellschaft 2.0. Die evangelische Kirche in der DDR versteht sich – so wurde schon auf der Bundessynode 1971 formuliert – als „Kirche im Sozialismus“5. Diese Kurzformel meint zunächst eine Ortsbestimmung, die einerseits der sozialistischen Gesellschaft die Einsicht zumutet, daß die Kirche einen dauerhaften Platz und Aufgabe in ihr haben und behalten wird, andererseits behaftet diese Ortsbestimmung die Kirche dabei, daß sie ihr Wirkungsfeld in der sozialistischen Gesellschaft zu sehen und wahrzunehmen hat. Dabei ist in vielen konkreten Situationen immer neu die Frage gestellt, welchen Auftrag die Kirche in dieser Gesellschaft und für diese Gesellschaft hat. Im Vorspruch unserer Grundordnung heißt es: „Sie (d. h. unsere Kirche) ist gesandt, die Botschaft von Jesus Christus, dem Heil der Welt, allen Menschen auszurichten. In der Gesellschaft, in der sie lebt, hat sie durch ihre Verkündigung und ihr Handeln den Zuspruch und den Anspruch des Wortes Gottes in Gesetz und Evangelium zu bezeugen“. Ein Rechenschaftsbericht der Kirchenanleitung ist gefordert, darzulegen, wie wir diesen Auftrag in den großen politischen Themen unserer Zeit und in den Alltagsfragen unserer Gesellschaft wahrnehmen. 2.1. Leben und Zeugnis des einzelnen Christen Die Bezeugung des Wortes ist zunächst Sache des einzelnen Christen in der Umgebung, in die er von Gott gestellt ist. 2.1.1. Dazu braucht er die Möglichkeit und Fähigkeit, sich differenziert zu den konkreten Problemen in unserer Gesellschaft zu äußern. Die Kirchenleitung hat dieses Problem beispielhaft am Thema „Verhalten bei Wahlen“ diskutiert6. Sie ist dabei auf Grund vielfältiger Erfahrungen da5 Nachweise zu dieser Formel s. Dokument 35, Anm. 2, S. 341. Vgl. dazu aber den Beschluss der KKL vom 6./7. März 1987: „Das im Evangelium begründete Handeln der Kirche betrifft auch politische Sachverhalte. Deshalb bleibt das Gespräch unter uns über die gesellschaftliche Mitverantwortung notwendig. Die Kurzformel ‚Kirche im Sozialismus‘ bedarf wie bisher der situationsbezogenen Auslegung [. . .].“ In: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 253.
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Berichte und Beschlüsse
von ausgegangen, daß unsere Wahlen zu den verschiedenen Volksvertretern nicht die Gelegenheit sind, differenziert zu verschiedenen Entwicklungstendenzen in unserer Gesellschaft Stellung zu nehmen. Teilnahme oder Nichtteilnahme, ungültige Stimmabgaben oder einzelne Streichung werden oft als pauschales Ja oder Nein zum Staat verstanden und damit meist mißverstanden. Auch die Wählerversammlung vor den Wahlen werden von vielen nicht als geeignete Plattform erlebt, zu einzelnen Entwicklungstendenzen in der Gesellschaft Stellung zu nehmen. Weil unser Staat die Mitverantwortung aller Bürger will, sollte er für alle Bürger mehr Möglichkeiten schaffen, so an Entscheidungsprozessen teilnehmen zu können, daß Probleme und Alternativen aufgezeigt und zur Diskussion gestellt werden. Wo das geschieht, sind Christen gefordert, sich zu beteiligen. Wir müssen über die Zukunft unserer Gesellschaft offen diskutieren. Nur wenn wir gemeinsam danach suchen, werden wir auch Wege in die Zukunft finden. Es gibt gerade in den zurückliegenden Monaten hoffnungsvolle Ansätze in dieser Richtung. Dazu ist insbesondere das gemeinsame Dokument von SED und SPD „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ zu rechnen7. Was in diesem Dokument über „Grundregeln einer Kultur des politischen Streits“ ausgeführt wird, hat auch für den Dialog zwischen verschiedenen Gruppen und Positionen innerhalb unserer Gesellschaft Bedeutung. „Die offene Diskussion über den Wettbewerb der Systeme, ihre Erfolge und Mißerfolge, Vorzüge und Nachteile, muß innerhalb jedes Systems möglich sein . . . Der umfassenden Informiertheit der Bürger in Ost und West kommt im Prozeß der Friedenssicherung und des Systemwettstreites eine wachsende Bedeutung zu“. Die Kirchenleitung empfiehlt den Gemeinden, dieses Dokument sorgfältig zur Kenntnis zu nehmen. Neues Denken heißt, von der Überzeugung ausgehen, daß nur mit dem Andersdenkenden zusammen Zukunft gewonnen werden kann. Das ist zugleich auch eine Frage an die Dialogbereitschaft der Christen mit Andersdenkenden bei uns. Dabei sollten auch ethisch-philosophische Grundfragen ins Gespräch gebracht werden. 2.1.2. Besonderes Gehör muß dabei der Stimme der Jugendlichen und der Kinder geschenkt werden, deren Zukunft wir gestalten. Das ist – wie wir 6 Über den Wahl-Modus in der DDR konnte öffentlich nicht diskutiert werden. Die Vorgänge zur Kommunalwahl am 7. Mai 1989 zeigen deutlich (s. unten Dokument 54, Anm. 2, S. 555), wie heikel dies Thema noch 1989 war. 7 Abgedruckt im Neuen Deutschland vom 28.[? besser: 18.]8.1987 [Orig. Anm.]. Verhandlungen zwischen SPD und SED fanden im August 1987 ihren Abschluss mit dem vielbeachteten gemeinsamen Papier „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ (ND 18.8.1987). Zum Kontext H. WEBER, Geschichte der DDR, S. 343 f. Außerdem dazu: E. HAHN, SED und SPD.
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auch innerhalb der Kirche oft merken – manchmal nicht leicht, weil diese Stimme oft eher ein Schrei, ein Ausdruck von Unmutsgefühlen ist und sich nicht einordnen läßt in den Rahmen, den die Gesellschaft vorgibt. Dabei kommt es gelegentlich auch zu Verhaltensweisen, die nach den Gesetzen der DDR strafbar sind. Wenn strafrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden, muß uns an angemessenen Reaktionen der Staatsorgane gelegen sein. Die Kirchenleitung hat sich in diesem Zusammenhang mehrfach über die Inhaftierung und Verurteilung von zwei Jugendlichen aus Magdeburg berichten lassen. Sie hat mit Erschrecken von den über sie verhängten sehr hohen Freiheitsstrafen Kenntnis genommen und sich für ihre Freilassung eingesetzt. Im Juni 1987 sind beide auf Bewährung entlassen worden8. Das Problem, wie mit jungen Menschen umgegangen wird, die sich nicht in die zum Teil engen Spielräume unserer Gesellschaft einfügen können, muß aber weiter bedacht werden. 2.1.3. In diesem Zusammenhang ist die Kirchenleitung im Berichtszeitraum mehrfach mit Fragen der Rechtssicherheit9 befaßt worden. Polizeirechtliche Vorschriften wurden nach Ansicht der Kirchenleitung mehrfach unangemessen in Anspruch genommen, z. B. im Zusammenhang mit kirchlichen Veranstaltungen, aber auch bei nichtbegründetem Ausschluß vom visafreien Reiseverkehr in die CSSR. Eine Überbewertung des Tatbestandes „Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ kann zum Mißbrauch des Ermessungsspielraums führen. Zur Rechtsunsicherheit trägt auch die nicht genügend konkrete Ausgestaltung einzelner Straftatbestände des Strafgesetzbuches und ihrer Anwendung bei. Verstärkt wird dieses noch, weil gerade in solchen Strafverfahren in der Regel die Öffentlichkeit von der Durchführung des Strafverfahrens ausgeschlossen wird. Die Kirchenleitung hält es für erforderlich, den Fragen der Rechtssicherheit mehr Beachtung bei den einzelnen staatlichen Entscheidungen zu schenken. 2.1.4. Die Kirchenleitung hat nachdrücklich die Entscheidung des Staatsrates der DDR begrüßt, die Todesstrafe in der DDR abzuschaffen. Sie 8 Es handelt sich um das Strafverfahren gegen die Jugendlichen Steffen Drenger und René Gurcke aus Magdeburg. Der KL ist darüber berichtet worden (AKPS, Rep. C 2, Nr. 23: Protokolle der KL vom 16./17.1.1987, 13./14.3.1987 u. 22./23.5.1987). Am 19.6.1987 wird der KL über die Entlassung berichtet. Bischof Demke hatte wegen dieses Vorgangs zwei Mal mit Dr. Lubas (Stellvertreter für Inneres RdB Magdeburg) gesprochen, die Gefangenen auch am 24.3.1987 im Strafvollzug Brandenburg besucht. 9 Die Frage nach Rechtssicherheit in der DDR (§ 4 OWVO; vgl. unten Anhang, Anlage Nr. IX, S. 617 f.) wurde auch auf früheren Synoden behandelt. Vgl. oben Bericht der KL auf der 2. Tagung der X. Synode vom 24.–28.10.1984, Punkt 5.3. Vgl. dazu A. BERTRAM/J. PLANER-FRIEDRICH/R. SARSTEDT, Wein mit zuviel Wermut.
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Berichte und Beschlüsse
begrüßt auch die Chancen, die die zum Jahrestag der DDR verkündete Amnestie für viele gebracht hat10. Die Kirchenleitung bittet die Gemeinden und ihre Mitarbeiter, bei der schwierigen Aufgabe der Wiedereingliederung der Amnestierten mitzuhelfen und gegen Vorurteile anzugehen11. Aus diesem Anlaß wiederholt die Kirchenleitung ihre Bitte, die Haftbedingungen in den Strafvollzugseinrichtungen zu überprüfen und zu verbessern. 2.1.5. Die erweiterten Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger in die BRD haben für die Betreffenden Abgrenzungen und das Gefühl der Einengung abgebaut12. Die Kirchenleitung begrüßt ausdrücklich diese Entwicklung und ermutigt die Verantwortlichen, auf diesem Weg weiterzugehen. Reisen weiten den Blick und fördern gegenseitiges Verstehen. Sie lehren aber auch, die eigene Heimat neu zu sehen und zu schätzen. Reisen darf kein Privileg bleiben, erst recht nicht als Auszeichnung für Wohlverhalten gehandhabt werden. Reisen, auch zu Freunden und Bekannten, Freundschaften über Ländergrenzen hinweg, müssen zur Normalität werden und sind ein unverzichtbarer Baustein für einen dauerhaften Frieden. Darum hoffen wir, daß auch möglichst bald die Reisemöglichkeiten in die Volksrepublik Polen13, wie sie schon einmal bestanden, wiederhergestellt werden. Reiseverweigerungen verstärken Feindbilder auf beiden Seiten der Grenzen. Jede abgelehnte Reise schafft Verwundungen, zumal wenn die Ablehnung nicht begründet wird und nicht zu verstehen ist, warum in vergleichbaren Fällen unterschiedlich entschieden wird. Ohnmachtsgefühle machen sich breit und wirken sich auch in der Arbeitswelt aus. Reisekriterien, die das jetzt Mögliche benennen und weiteres ermöglichen, sollten veröffentlicht werden, damit ihre Anwendung einsehbar und nachprüfbar wird. Das Gleiche sollte auch für die Genehmigung von Übersiedlungsanträgen gelten, damit nicht illusionäre Erwartungen genährt werden. Vor allem aber muß das Augenmerk darauf gerichtet werden, wie die Schwierigkeiten, die Mitbürger zu solchen Anträgen veranlassen, mit den Betroffenen gemeinsam überwunden werden können. Auch hier gilt, was Bischof Schönherr bei der Begegnung mit dem Staatsratsvorsitzenden am 6.3.1978 gesagt hat: „Offenheit und Durchsichtigkeit sind das Barometer des Vertrauens“. Wir sprechen das an, weil wir als 10 Beschluss des Staatsrates der DDR über die Abschaffung der Todesstrafe in der DDR vom 17. Juli 1987. GBL DDR I, 1987, S. 192. – Gesetz zur Änderung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen (4. Strafrechtsänderungsgesetz) vom 18. Dezember 1987, EBD. S. 301 f. 11 Vgl. Rundverfügung des Konsistoriums Nr. 23/87 – Anlage [Orig. Anm.]. AKPS, Rep. A, Rv Nr. 23/87 vom 29.9.1987: Beschluß über die Amnestie in der DDR, S. 1, mit Anlage: Empfehlung zur Fürbitte und zur Meditation im Gottesdienst, S. 1–2. 12 Vgl. oben Dokument 50, Anm. 23, S. 512. 13 Vgl. oben Bericht der KL auf der 4. Tagung der IX. Synode am 4.11.1981, Punkt 10. (Dokument 43, S. 420 ff.).
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Christen in der Gesellschaft dazu beitragen wollen, daß die sich breitmachende Nörgelei verantwortlichem Mitdenken weicht, daß Menschen hier sinnvolle Aufgaben entdecken, statt sich mit Ausreisegedanken herumzuschlagen. 2.1.6. Ob Menschen es lernen, verantwortlich mitzudenken und ihre Fähigkeiten auszubilden, wird oft schon in der Schule entschieden. Darum sind viele Christen bereit, sich in der Schule in Elternaktivs14 und Elternbeiräten zu engagieren. Leider ist dies nicht komplikationslos möglich. Auch wenn Konflikte in Einzelfällen in der Regel gelöst werden konnten, so bleibt doch der Eindruck, daß Christen in diesem Bereich eher geduldet als akzeptiert oder erwünscht sind. Es geht der Kirche nicht um Sonderrechte für christliche Bürger, es geht um die Möglichkeit, christliches Engagement konstruktiv in die Gestaltung unseres Bildungswesens einzubringen. Neue Denkansätze müssen auch im Bildungsbereich Raum gewinnen: Wir müssen lernen, mit Fehlern umzugehen, denn Fehler machen zu dürfen und darüber zu sprechen, gehört zur positiven Entwicklung eines Menschen. Wir brauchen Raum für Kreativität und Spontaneität. Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit dürfen nicht als Bedrohung, sie müssen als Bereicherung erfahren werden. Die Kirchenleitung ermutigt alle Christen, sich in Gesprächen mit anderen Eltern, Lehrern und Schulleitungen dafür einzusetzen. Dazu gehört auch, daß Glaubens- und Gewissensentscheidungen bei Wehrunterricht und vormilitärischer Ausbildungen akzeptiert und respektiert werden. Die entsprechenden Forderungen sind bereits seit Jahren benannt worden. Die Kirchenleitung begrüßt deshalb besonders, daß es in den von Staatssekretär Dr. Gysi am 5.9.1987 der Konferenz der Kirchenleitungen angebotenen Informationsgesprächen auch um Erziehungs- und Bildungsfragen gehen soll15. 2.2. Die Bedeutung von Gruppen Gruppen, die sich in Sachfragen engagieren, sind für das Zeugnis der Gemeinde von Bedeutung, weil sie das Nachdenken darüber fördern, wie christliches Bekenntnis heute in konkretes Handeln umgesetzt werden kann. 2.2.1. Der Kirchenleitung wurde mehrfach von Eingaben berichtet, die Gruppen und Gemeindekreise als Ergebnis ihres Nachdenkens an staatliche Organe gerichtet haben16. 14 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 4, S. 297. 15 Zum Kontext vgl. A. SILOMON, Synode und SED-Staat, S. 61. 16 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2595.
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Sie betrafen z. B. die Fragen der Kernenergie und Fragen der Friedenserziehung und Abrüstung. Die Einsender haben mit Reaktionen auf solche Eingaben unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Es gibt detaillierte Antworten von kompetenter Seite, es gibt Antworten, bloß formaler Art, manchmal bleiben Eingaben ohne Antwort, vor allem, wenn grundlegende Fragen angesprochen sind. Als ermutigendes Beispiel wurde der Kirchenleitung von einem Gemeindeabend in Stendal am 9.2.1987 berichtet, bei dem der Direktor des Bezirkshygiene-Instituts Magdeburg Informationen zum Umweltschutz und zur Kernenergie gab und sich den Anfragen der Teilnehmer stellte. Dem Gemeindeabend war eine Eingabe von Gemeindegliedern an den Vorsitzenden des Staatsrates zu Risiken der Kernenergie und zum Bau des Kernkraftwerkes Stendal17 vorausgegangen. Leider blieb diese Veranstaltung auf Gemeindeebene im Gebiet der Kirchenprovinz Sachsen ein einmaliger Vorgang. So erfreulich es ist, daß staatliche Stellen in zunehmendem Maße bereit sind, auf durch Eingaben vorgebrachte Anliegen einzugehen, ist damit die Frage der wirklichen Mitwirkung und Einflußmöglichkeit auf das gesellschaftliche Leben noch nicht befriedigend gelöst. Es ist zu hoffen, daß die jetzt von staatlichen Stellen angebotenen Sachgespräche weiterführen. 2.2.2. Das Engagement der Gemeinden, ihrer Gruppen und Kreise ist ein wichtiger Bestandteil des Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Der Ausschuß „Weltverantwortung“ der Kirchenleitung ist beauftragt worden, die Arbeit der Gruppen in diesem Prozeß zu begleiten. Offenbar ist es aber schwierig zu erkennen, wie sie sich beteiligen können. Noch herrschen Skepsis und Abwarten vor. Es wird darauf ankommen, daß die Gemeinden und die verschiedenen Gruppen ihre Mitwirkungsmöglichkeiten erkennen und ihre Stimme in den Gesprächsprozeß einbringen. 2.2.3. Es liegt der Kirchenleitung viel daran, gerade mit Gruppen, die ihre Sachanliegen von der Kirchenleitung nicht genügend vertreten sehen, in einem intensiven und offenen Dialog zu bleiben. Schlagworte wie „Amtskirche und Basis“ oder „Kirche von oben“ und „Kirche von unten“ drücken Unbehagen aus. Eine Wiederholung solcher Schlagworte aber ist wenig hilfreich; reißt Gräben auf und bildet Fronten. Ein verantwortlicher Dialog muß die Ursachen des Unbehagens aufdecken und zu seiner Überwindung beitragen, damit glaubwürdig deutlich wird, daß Kirchenleitung und Gemeindeglieder nur auf der gleichen Basis stehen können, die Paulus im 1. Kor 3,11 beschreibt: „Eine andere Basis kann niemand legen als die, die gelegt ist, welche ist Jesus Christus“. 17 Vgl. oben Dokument 50, Anm. 10, S. 505.
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2.3. Das Zeugnis der Gesamtkirche 2.3.1. Die Kirchenleitung hatte im vorjährigen Rechenschaftsbericht angekündigt, daß sie sich in einer Grundsatzaussprache mit der Frage der Stellungnahme zu bestimmten politischen und gesellschaftlichen Vorgängen und Ergebnissen beschäftigen will. Die Synode hatte daraufhin die Hoffnung geäußert, daß sie daraus auch Gesichtspunkte für ihr eigenes Verhalten in solchen Fällen gewinnen könnte. Unsere Grundordnung (Artikel 73) ordnet die Aufgabe, zu Lebensfragen der Gesellschaft Stellung zu nehmen, vor allem den Synoden zu. Solche Stellungnahmen sind zu verstehen als notwendige Aktualisierung des der Kirche aufgetragenen Zeugnisses in die konkrete Situation hinein, etwa wenn sie sich „für Menschen einzusetzen (hat), die in Not geraten oder in ihrem Gewissen bedrängt sind“ (Artikel 73, Grundordnung) oder wenn eine die Gesellschaft oder den Frieden gefährdende Situation öffentlich zur Sprache gebracht werden muß. Die Kirchenleitung ist sich darüber einig, daß es nicht möglich ist, allgemeingültige Kriterien zu formulieren, sondern daß jede Situation neues Nachdenken erfordert, ob und welche Stellungnahme der Kirchenleitung geboten ist. Dabei sind zwei Aspekte deutlich geworden: 2.3.1.1. Oft wird die Bitte nach einer öffentlichen Erklärung aus dem Wunsch nach Orientierung in einer für den einzelnen schwer durchschaubaren Situation an die Kirchenleitung herangetragen. Es geht dann weniger um Entscheidungen der Kirche, sondern um Hilfen zur eigenen Meinungsbildung. Hier wäre vieles leichter, wenn die Kultur der öffentlichen Diskussion besser ausgebildet wäre. Wir brauchen eine offenere Diskussion in unseren Medien (einschließlich der kirchlichen Presse) auch über schwierige Themen, über den Umgang mit Fehlern und über Probleme, für die wir noch gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten suchen müssen. Auch in dieser Hinsicht läßt das erwähnte gemeinsame Dokument SED-SPD hoffen, daß sich hier Veränderungen ergeben werden18. 2.3.1.2. Oft kommt es nicht zu einer Stellungnahme der Kirchenleitung, weil wir nicht über ausreichende Beobachtungen und Analysen verfügen. Denn eine Stellungnahme muß der Sache gerecht werden und das Evangelium in dieser Situation zur Sprache bringen. Sie muß die Erfahrung der Betroffenen aufnehmen und den Schwachen im Konflikt helfen. Es ist darum wichtig, daß wir uns ehrlich auch Ratlosigkeit und die Vorläufigkeit unserer Worte eingestehen und mitteilen.
18 Vgl. oben Anm. 7.
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Berichte und Beschlüsse
2.3.2. Die Kirchenleitung ist im Berichtsjahr mehrfach vor die Frage gestellt worden, ob sie sich zu den Abrüstungsvorschlägen, insbesondere der Sowjetunion, äußern solle19. 2.3.2.1. Die erklärte Absicht der beiden Großmächte, wenigstens im Bereich der Mittelstreckenraketen zu ersten Schritten wirklicher Abrüstung zu kommen20, ist auch von vielen Gemeinden und Gemeindegruppen in unserer Kirchenprovinz in vielfacher Weise begrüßt worden. Die Kirchenleitung unterstützt jeden konkreten Schritt, der zu wirklicher Abrüstung und einer Verringerung der Rüstungsausgaben führt. Die Synode hat sich in diesem Sinne in den letzten Jahren mehrfach eindeutig geäußert. Deswegen hat es die Kirchenleitung nicht für notwendig angesehen, sich zwischen den Synodaltagungen erneut dazu zu äußern. Sie unterstreicht aber, daß das jetzt in Aussicht stehende Abkommen über die Beseitigung von Mittelstreckenraketen durch Maßnahmen der Vertrauensbildung unterstützt werden muß, damit weitere Schritte der Abrüstung erfolgen können. Nur wenn das erhoffte Abkommen eingebunden wird in ein Umdenken, das die gemeinsame Sicherheit und die Entwicklungschancen der ärmeren Länder zum Zielpunkt aller Überlegungen macht, ist eine Wende zu erhoffen. Die Kirchenleitung hält es für bedeutsam, daß dieser Gesamtzusammenhang in den Abrüstungsvorschlägen der Sowjetunion und den Grundsatzerklärungen von Generalsekretär Gorbatschow21 deutlich herausgestellt worden ist. Zu diesem Umdenken können wir alle beitragen in unseren Gesprächen mit Arbeitskollegen, Mitschülern und gesellschaftlichen Partnern, gerade aber auch mit unseren Freunden aus der Bundesrepublik und mit ökumenischen Gästen. Der Beschluß der Bundessynode „Bekennen in der Friedensfrage“22 gibt dazu Anleitung und Orientierung, die in allen Gemeinden beachtet werden sollte. 2.3.2.2. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR hat durch seine Beteiligung am „Olof-Palme-Friedensmarsch“ für einen atomwaffenfreien Korridor in Mitteleuropa23 sich für solche Gespräche und für die Unter-
19 Am 6.4.1987 hatte ein Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des RdB Magdeburg Siegfried Gründwald und Bischof Demke stattgefunden, bei dem die Abrüstungsvorschläge der SU, die Situation im Sperrgebiet, Möglichkeiten für Besuchsreisen in den Westen, die Kaderpolitik der SED und Fragen der Landwirtschaft behandelt wurden. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2377. 20 Die Bewertung der Abrüstungsinitiativen der SU wird z. B. deutlich in den Ausführungen von Landesbischof Leich gegenüber Staatssekretär Gysi am 21.5.1987. Text in: A. SILOMON, Synode und SED-Staat, S. 265 f. 21 Zur Abrüstungsinitiative von Gorbatschow vgl. oben Dokument 50, Anm. 18, S. 508 f. 22 MBL BEK 1987, S. 46 f.; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 262–265. 23 Vom 1.–18.9.1987 fand in der DDR der „Olof-Palme-Friedensmarsch“ für einen atomwaffenfreien Korridor in Mitteleuropa statt. Der Bericht von Michael Passauer vor der Tagung der Bundessynode in Görlitz am 20.9.1987 in: ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 332–337.
Bericht der Kirchenleitung, 29. Oktober 1987
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stützung weiterer Abrüstungsmaßnahmen eingesetzt. Auch Gemeinden in der Kirchenprovinz Sachsen, besonders in Wittenberg und Torgau, haben in Vorbereitung und Durchführung dieses Friedensmarsches neue wichtige Erfahrungen im Gespräch mit staatlichen Institutionen und mit gesellschaftlichen Organisationen gemacht. Der „Olof-Palme-Friedensmarsch“ hat dazu beigetragen, „andersdenkende Partner neu zu verstehen und Berührungsängste zu überwinden“24. Es wird darauf ankommen, wie diese Erfahrungen aus der Verpflichtung gegenüber der Aufgabe, die nur gemeinsam gelöst werden kann, aufgenommen und für weitere Gespräche in unserem Land genutzt werden. Die Vielstimmigkeit, die den Olof-Palme-Friedensmarsch kennzeichnete, kann nach Auffassung der Kirchenleitung die Glaubwürdigkeit der Friedenspolitik unseres Landes durchaus fördern. Wir werden immer wieder prüfen müssen, welches Maß an Vielstimmigkeit im Zusammenwirken mit nichtkirchlichen Partnern der Förderung und Entfaltung des Friedens dienlich ist. 2.3.2.3. Die Unterstützung der Abrüstungsbemühungen durch den Bund der Evangelischen Kirche hat der Vorsitzende der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR, Landesbischof Dr. Leich, in einem Gespräch zum Ausdruck gebracht, das am 21. Mai 1987 zwischen dem Vorstand und dem Staatssekretär für Kirchenfragen stattgefunden hat25. Er betonte, daß die Kirchen seit Jahren die Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung zum Leitmotiv für das Friedenshandeln der Kirche gemacht haben und nun mit Genugtuung festzustellen sei, daß die Vorschläge von Michail Gorbatschow gezeigt haben, daß solche Einsichten politikfähig sind. Freilich sei das Ziel der Abrüstung nur zu erreichen, wenn ein Mindestmaß an Vertrauen aufgebaut werde. Dazu bedürfe es vertrauensbildender Maßnahmen in der Außen- und Innenpolitik, die unlöslich miteinander verbunden sind. Deshalb sind in diesem Zusammenhang verschiedene Probleme der Innenpolitik zur Sprache zu bringen. Die Kirchenleitung begrüßt, daß es zu diesem Gespräch gekommen ist und hofft, daß die inzwischen in Aussicht gestellten Informationsgespräche zu verschiedenen Themenbereichen zu konkreten Ergebnissen führen. Vor uns liegt die diesjährige Friedensdekade, die unter dem Leitwort „Miteinander leben“ steht. Damit werden wir in den weltweiten Konziliaren Prozeß für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung 24 Bundessynode [Orig. Anm.]. Vgl. dazu den Beschluss der Bundessynode in Görlitz zum Bericht der KKL Teil I vom 22.9.1987 in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 257 = MBL BEK 1987, S. 69. 25 Vgl. Anlage [Orig. Anm.]. Der Vermerk der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen vom 25.5.1987 über dieses Gespräch im Wortlaut in: A. SILOMON, Synode und SED-Staat, S. 265–270.
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hineingenommen. Der „Konziliare Prozeß“26 meint den gemeinsamen Weg, auf dem wir uns mit Menschen aus anderen Kirchen und anderen Ländern beraten und austauschen, um zu einem gemeinsamen Zeugnis des Glaubens in den drei Überlebensfragen unserer Zeit zu kommen. Gerade der Besuch unseres Bischofs mit einer Delegation aus der Kirchenprovinz Sachsen bei unserer Partnerkirche in Tanzania [sic!] hat uns an den engen Zusammenhang von Frieden und Gerechtigkeit erinnert, den wir in provinzieller Enge oft aus den Augen verlieren. Wir beten darum, daß die für 1988 vorgesehene ökumenische Versammlung der christlichen Kirchen in der DDR27 uns auf diesem Weg voranbringt. Unser Zeugnis in Gemeinde und Gesellschaft lebt von der mitgehenden Verheißung Gottes, der uns miteinander leben lehrt, damit wir nicht miteinander zugrundegehen. [. . .]
26 Vgl. dazu den Beschluss der 3. Tagung der X. Synode in Erfurt vom 16.6.1985 (s. o.). 27 Der konziliare Prozess, der in der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR seinen Ausdruck fand, ist dokumentiert in ÖKUMENISCHE VERSAMMLUNG; sowie K. SEIFERT, Glaube und Politik.
BeschlussderSynode,20.März1988 BerichteundBeschlüsse
52 Beschluss der 8. Tagung der X. Synode Wittenberg, 20. März 1988 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 130, Dr. 19.2/88, S. 1 f. Abgedruckt in: KUMENTATION 17/1988, S. 12.
EPD-DO-
Schwerpunkte der Synode: Zwischenberichte der Planungsgruppe, zur Gebäude- und Finanzplanung; kein Rechenschaftsbericht der Kirchenleitung1 Die Synode hat mit Dank den Bericht aufgenommen, den der Bischof über die Beratungen der KKL zu aktuellen gesellschaftspolitischen Vorgängen gegeben hat (vgl. Tagesinformation II). Die Synode unterstützt ausdrücklich den Weg, den die Konferenz der Kirchenleitungen in den Spannungen seit November 1987 beschritten hat. In dem, was der Vorsitzende der KKL in seinem Gespräch mit dem Staatsratsvorsitzenden vertreten hat, sieht die Synode Sorgen und Hoffnungen ausgesprochen, die uns in unserem Land gegenwärtig bewegen. Die Kirche muss sich dieser Fragen annehmen, weil ihr Auftrag sie an den ganzen Menschen und an alle Menschen weist. Wir bejahen die Trennung von Staat und Kirche und sehen in ihr eine Chance, daß die Kirche in der Bindung allein an ihren Auftrag und so in Freiheit ihr Zeugnis und ihren Dienst ausrichtet. Wir müssen aber widersprechen, wenn die Kirche durch den Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche auf einen binnenkirchlichen, religiösen Sonderbereich eingegrenzt wird, sie von Menschen, die in Konflikte mit dem Staat geraten sind, getrennt 1 Grundsätzlich wurde der Rechenschaftsbericht der KL nur einmal im Jahr gegeben. Im Nachgang zu den Berliner Ereignissen um die Umweltbibliothek an der Zionskirche und wegen der Verhaftung von Teilnehmern an der Rosa-Luxemburg-Demonstration hatte sich ein starkes Konfliktfeld zwischen der DDR-Regierung und den Kirchen entwickelt. Die Vorhaltungen von Werner Jarowinski gegenüber Landesbischof Werner Leich am 19.2.1988 (F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 2, S. 552–557) und das Gespräch von Werner Leich mit Erich Honecker vom 3. März 1988 (EBD. S. 557–570; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 286–291) sind von der KKL auf ihrer Tagung in Buckow vom 11.–13.3.1988 ausgewertet worden (KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 292–295). Bischof Dr. Christoph Demke informierte die Synode der KPS am 18.3.1988 über diese Meinungsbildung (Redetext als Tagesinformation der Synode vom 18.3., hekt.). Darauf antwortet der Beschluss in Dr. 19.2/88.
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Berichte und Beschlüsse
werden soll und ihr Engagement in gesellschaftlich-politischen Fragen als Einmischung in staatliche Angelegenheiten zurückgewiesen wird2. Auf die globalen und lokalen Herausforderungen für das Überleben der Menschheit eine verbindende und verbindliche Antwort des Glaubens zu geben, sieht die Synode heute als eine zentrale Aufgabe der Kirche an. In der Ökumenischen Versammlung suchen die Kirchen in der DDR diese Herausforderungen anzunehmen und stellen sich damit in den weltweiten konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die Synode ist der Meinung, daß über solche und ähnliche für unsere gesamte Kirche wichtigen Ereignisse ohne Behinderungen schnell und ausführlich in unseren Kirchenzeitungen berichtet werden muß. Sie ist befremdet darüber, daß dies in den letzten Wochen nicht immer möglich war. Sie spricht sich generell dafür aus, jegliche Form der Tabuisierung von Problemen in unserem Lande – im Interesse ihrer Lösung – zu überwinden. Es geht unsere Kirche an, wenn Hoffnungslosigkeit und gesellschaftliche Depression um sich greifen, weil Hoffnungen auf mehr Entfaltungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten, auf mehr Offenheit und Durchschaubarkeit, auf mehr Freiheit und Wirksamkeit des Meinungsstreits, auf Veränderung und Erneuerung enttäuscht werden. Wir brauchen in Staat und Gesellschaft „Handlungen mit Signalwirkung“, die Zukunftserwartung wecken und mehr Menschen gern und engagiert in unserem Land leben lassen. Uns begegnen Menschen, die keinen Weg mehr für sich in diesem Staat sehen. Wenn sie sich hilfesuchend an die Kirche werden, werden wir auch für sie da sein. Worin die Hilfe für sie wirklich besteht, ist vor allem anderen im Gespräch mit ihnen zu klären. Die Synode hält es nicht für hilfreich, für ihre Anliegen besondere Einrichtungen zuschaffen. Sie bittet die Gemeinden, für diese Mitmenschen offen zu bleiben, ihre Isolierung zu mildern und ihre Reintegration nicht auszuschließen. Wie sich gezeigt hat, reicht es nicht, das Problem nur administrativ anzugehen. Diejenigen Gründe für Übersiedlungsanträge, die in unseren gesellschaftlichen Verhältnissen liegen, bedürfen eines offenen Gesprächs.
2 Zum Prinzip der Trennung von Staat und Kirche vgl. oben Dokument 47, Anm. 34, S. 479, und die Weiterführung der Debatte auf der nächsten Tagung der Synode s. unten Dokument 53a, Anm. 3, S. 536.
BerichtderKirchenleitung,27.Oktober1988 BerichteundBeschlüsse
53 a Bericht der Kirchenleitung auf der 9. Tagung der X. Synode Halle Diakoniewerk, 27. Oktober 1988 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 131, Dr. 21/88, S. 1–16, hier: S. 1–10 (hekt.). Teilabdruck in: EPD-DOKUMENTATION 52/1988, S. 57–61.
Schwerpunkte: Vorwurf des Staates, die Kirche mische sich in dessen Belange ein; Gespräche zwischen Staat und Kirche (Verunglimpfungen von Propst Dr. Heino Falcke, 9. Pädagogischer Kongress, Kernenergie, Ausreiseproblematik); Gemeindeaufbau (Kirchentage, Kirche und kirchliche Gruppen/Kreise, Friedensdekade, Ökumenische Versammlung); kirchliche Öffentlichkeitsarbeit_1 Gliederung: 1. Kirche in der Gesellschaft. 2. Gemeindeaufbau. 3. Die Kirchenprovinz im Verbund mit der Evangelischen Kirche der Union und dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. 4. Personalentscheidungen, Raumordnung.
[. . .] 1. Kirche in der Gesellschaft Im ersten Teil dieses Berichtes werden Vorgänge, Fragen und Aufgaben angesprochen, die in der kirchlichen Öffentlichkeit und darüber hinaus ein besonderes Echo gefunden haben. Solche Themen werden von der Kirchenleitung meist unter den Tagesordnungspunkten „Berichte zur Lage“ und „Eindrücke aus der Kirchenprovinz“ besprochen, also aus aktuellem Anlaß erörtert und nur zum Teil als gesonderte Tagesordnungspunkte mit eigener Vorbereitung behandelt. Außerdem zeigt sich, daß diese Themen meist auch andere Gliedkirchen des Bundes und die Organe des Bundes beschäftigen, so daß ein Austausch und eine Verständigung darüber sinnvoll und nötig sind. So hat die Kirchenleitung z. B. die Be1 Der KL-Bericht 1988 ist von Elisabeth und Hannes Urmoneit, Axel Noack, Hans-Christoph Sens und Bischof Christoph Demke vorbereitet worden. In den Sitzungen der KL am 24.9. (TOP 12) und am 15.10.1988 (TOP 9) sind die Entwürfe detailliert diskutiert worden. Teil 1 wurde weitgehend von Demke, Teil 2 von H. Urmoneit entworfen. (AKPS, Rep. C 2, Nr. 24).
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Berichte und Beschlüsse
schlüsse der Bundessynode zu Fragen der Friedensverantwortung mit Zustimmung aufgenommen. Sie liegen den Synodalen in Drucksache 25/882 vor. 1.1. Zum Prinzip der Trennung von Staat und Kirche_3 Vor allem die Vorgänge in Berlin (Vorgehen staatlicher Organe gegen vermutete Vervielfältigungsaktivitäten in der Umweltbibliothek an der Zionsgemeinde, das beabsichtigte Auftreten von Demonstranten mit eigenen Losungen bei der Demonstration zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 17. Januar 1988, das Auftreten von Stephan Krawczyk und Freya Klier)4 haben staatliche Vertreter dazu veranlaßt, an das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche zu erinnern und den evangelischen Kirchen vorzuwerfen, sie mischten sich in staatliche Belange ein. Dabei ist zugleich immer wieder betont worden, daß die am 6. März 1978 ausgesprochenen Grundsätze weiterhin der Ausgangspunkt für die staatliche Kirchenpolitik bleiben. Für die Gliedkirchen des Bundes hat dies der Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, Landesbischof Dr. Leich, bei der diesjährigen Tagung der Bundessynode ebenfalls bekräftigt: „Es gibt keine Alternative zur am 6. März 1978 festgestellten Grundorientierung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Das heißt, was wir hier in unserer eigenen Gesellschaft als Erneuerung der Gesellschaft in der Wahrheit zu befördern wünschen, ist nicht die Alternative zu einer sozialistischen Gesellschaft, 2 Beschlüsse der Synode des BEK (Dessau, 16.–20.9.1988) Zur Friedensverantwortung, zu Fragen des innergesellschaftlichen Dialogs und zum Gemeindeaufbau. Druck: MBL BEK 1988, S. 71 f. und 1989, S. 5 f. – Außerdem u. a. in: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 311–316. 3 Die Trennung von Staat und Kirche ist in den Verfassungen der DDR von 1949 ebenso wie 1968 festgelegt worden. Von beiden Seiten ist bei einzelnen Konflikt-Vorgängen dem Partner vorgeworfen worden, dass er diesen Grundsatz nicht eingehalten habe. Darauf hatten die KKL und die Synode der KPS im März 1988 reagiert (vgl. unten Beschluss der 8. Tagung der X. Synode). Der KPS wird nach der Synodaltagung 1988 von staatlicher Seite (s. Anhang, Anlage X, S. 619–625) die Einmischung in staatliche Angelegenheiten vorgeworfen – u. a. wegen der Stellungnahme zu den bevorstehenden Kommunalwahlen. Umgekehrt haben der BEK und die KPS dem Staat wiederholt die Einmischung in kirchliche Angelegenheiten vorgehalten. Anlass bot dazu aktuell der Eingriff in die Umweltbibliothek bei der Zionsgemeinde Berlin. Deshalb wird dieser Grundsatz sowohl von der KKL bei der Tagung der Bundessynode in Dessau wie hier von der KL der KPS ausdrücklich erörtert. Vgl. dazu oben Dokument 47, Anm. 34, S. 479. 4 Chronologie und Dokumentation der Ereignisse in der Berliner Umweltbibliothek, der Zionsgemeinde und der Rosa-Luxemburg-Demonstration am 17.1.1988 in: G. REIN, Protestantische Revolution, S. 37–71. – Zu Klier und Krawczyk sowie den Ereignissen um die Umweltbibliothek auch G. BESIER, SED-Staat und Kirche 3, S. 242–252. Zur Rosa-Luxemburg-Demonstration und deren Folgen EBD., S. 268–284.
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sondern es ist der Versuch der Erneuerung dieser Gesellschaft unter den Bedingungen der Gegenwart.“5
Die Synode hat sich bei ihrer 8. Tagung zum Verständnis des Prinzips der Trennung von Staat und Kirche bereits geäußert. Klar ist, daß wir diese Trennung von Staat und Kirche, wie sie in der Verfassung verankert ist, nicht nur hinnehmen, sondern auch annehmen, weil in ihr ein auftragsgerechtes Verständnis der Kirche als Gemeinde Jesu Christi zum Ausdruck gebracht werden kann. Diese Trennung kann aber nicht bedeuten, daß die Tätigkeit der Kirchen sich auf einen Bereich religiöser Gefühle und Bedürfnisse bezieht, der gesondert neben anderen Lebensbereichen gewissermaßen als ein Teil der Freizeitbeschäftigung steht. Die Botschaft des Evangeliums trifft den Menschen vielmehr ganz, meint ihn in allen seinen Lebensbezügen, so sehr diese auch in der modernen arbeitsteiligen Welt auseinanderklaffen. In den letzten zehn Jahren ist dies auch von Vertretern des Staates, die Einblick in das kirchliche Leben und das Selbstverständnis des Glaubens gewonnen haben, zunehmend verstanden und respektiert worden. Daß die Losung bürgerlicher Emanzipation, Religion sei Privatsache, das Wesen christlichen Glaubens nicht trifft, wird z. B. heute auch in der Rolle, die christliche Gemeinden und Kirchen in Südamerika und Afrika spielen, deutlich. Daß die Kirche keine Entscheidungsbefugnis in gesellschaftspolitischen Fragen übernehmen kann, darüber sollte Einverständnis bestehen. Freilich nimmt die Erwartung zu, daß die Kirchen auf Gebieten, auf denen ein starker Handlungsbedarf empfunden wird, durch einen entsprechenden Druck auf die staatlichen Instanzen Entscheidungen auslösen möge. Die Kirchenleitung ist im Einvernehmen mit den Gliedkirchen des Bundes solchen Erwartungen nicht gefolgt. Gerade weil der christliche Glaube den spezifischen Auftrag und die eigene Verantwortung des Staates anerkennt, gehört es zu den Aufgaben der Kirchenleitung, staatliche und gesellschaftliche Verantwortungsträger auf die Wahrnehmung ihrer Verantwortung anzusprechen. Dabei wird sie Einsichten des Glaubensgehorsams zu den Lebensfragen der Gesellschaft, die in den Gemeinden lebendig und am Zeugnis der Schrift geprüft sind, einbringen und um ihre Beachtung bei den konkreten politischen Entscheidungen bitten. Wir betrachten also die Trennung von Staat und Kirche nicht als einen Sachverhalt, durch den das Gespräch zwischen staatlichen Verantwortungsträgern und den Kirchen gegenstandslos oder gar verfassungswidrig wäre. 5 Die zitierte Aussage von Landesbischof Dr. Leich ist im MBL BEK 1988 nicht dokumentiert; vgl. aber den KKL-Bericht zur Sache: EBD. S. 66 f. und den Beschluss der Bundessynode dazu EBD., S. 71 f.
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Vielmehr sieht die Kirchenleitung die Trennung von Staat und Kirche gerade als Basis und Ausgangspunkt an für ein offenes, nämlich auf der Respektierung des jeweiligen Auftrages beruhendes und um Verständnis bemühtes Gespräch. Solange das Gespräch in der Gesellschaft über Lebensfragen in unserem Lande und Überlebensfragen der Menschheit nur auf dem jeweiligen veröffentlichten Erkenntnisstand des Staates geführt werden kann, muß das Gespräch über die Schritte des Glaubensgehorsams in diesen Fragen als ein Verstoß gegen die durch den Staat verordnete gesellschaftliche Disziplin und also als Einmischung erscheinen. Nach Auffassung der Kirchenleitung entsteht dieses Bild vor allem dadurch, daß in der Öffentlichkeit und den Medien unseres Landes Dialogbereitschaft und Dialogfähigkeit noch zu wenig entwickelt sind. Mitglieder der Kirchenleitung haben sich auf verschiedenen Ebenen auch im zurückliegenden Jahr bemüht, bei Begegnungen mit staatlichen Vertretern dieses Defizit deutlich zu machen und um eine Veränderung der Situation zu bitten. Mit Dank hat die Kirchenleitung Berichte über Gespräche zwischen Gemeindekreisen und staatlichen Vertretern zu bestimmten Sachthemen gehört. An vielen Stellen aber müssen noch auf beiden Seiten bestehende Bedenken, seien diese nun protokollarischer Natur oder einfach Berührungsängste, überwunden werden. Dazu bedarf es beharrlicher Geduld und offener Hörbereitschaft, ohne die ein Dialog nicht gelingen kann. 1.2. Gespräche zwischen Staat und Kirche auf Bezirksebene Die Kirchenleitung ist froh darüber, feststellen zu können, daß trotz mancher Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die es zwischen Staat und Kirche im Zusammenhang mit den sogenannten Berliner Ereignissen, der Ausreiseproblematik, den Kirchentagen und Fragen der kirchlichen Presse gab, das Gespräch zwischen Vertretern des Staates und der Kirche auf Bezirksebene fortgesetzt wurde. Würde man in gespannten Situationen, in denen Widersprüche und Mißverständnisse auftreten, das sachorientierte Gespräch unterlassen und sich auf repräsentative Begegnungen beschränken, so würde das nur dazu führen, daß Fehlurteile und Ängste unüberprüft wuchern können. Die Kirchenleitung ist der Auffassung, daß gerade in solchen Situationen der Dialog erst recht nötig ist, um Position, Beurteilungen und Entscheidungsmöglichkeiten des jeweiligen Partners zu verstehen und ermessen zu können. Das ist die Voraussetzung dafür, daß auch konstruktive Lösungen gefunden werden können. In mehreren Begegnungen, die der Bischof und andere Vertreter unserer Kirche mit den Vorsitzenden der Räte der Bezirke Halle, Erfurt und
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Magdeburg hatten6, konnten anstehende Schwierigkeiten besprochen und zumeist auch Lösungen gefunden werden. Gegen Unterstellungen und Verunglimpfungen, denen Propst Dr. Falcke und andere kirchliche Mitarbeiter bei gesellschaftlichen Veranstaltungen im Bezirk Erfurt ausgesetzt waren7, sah sich die Kirchenleitung genötigt, Einspruch zu erheben. Anläßlich eines Besuches des 1. Sekretärs der Bezirksleitung der SED Werner Eberlein in den Pfeifferschen Stiftungen, bei dem dieser die gesellschaftliche Bedeutung der diakonischen Arbeit der Kirche würdigte, kam es auch erstmals zu einer Begegnung unseres Bischofs mit dem 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED Magdeburg8. Die Kirchenleitung begrüßt solche Gespräche, die unter strikter Wahrung des Prinzips der Trennung von Staat und Kirche gerade in Konfliktfällen für ein stabil bleibendes Klima des Verständnisses und der gegenseitigen Achtung wichtig sind. 1.3. Der Landesjugendkonvent hat in den zurückliegenden Jahren Erfahrungen und Fragen von Gliedern der Jungen Gemeinde, die sie im Bildungswesen unseres Landes machen, zusammengestellt und ausgewertet. Dabei ging es nicht in erster Linie um die Stellung christlicher Kinder und Jugendlicher in der Schule und in der Berufsausbildung, sondern darum, wie der Erkenntniswille der Kinder 6 Am 1.12.1987 fand in Halle eine Begegnung zwischen dem Vorsitzenden des RdB Alfred Kolodniak und Bischof Dr. Demke statt (mit ausführlicher Erörterung der Berliner Vorgänge um die Umweltbibliothek, sowie zu Baukapazitäten und zu verschiedenen Übersiedlungsanträgen). Weitere Gespräche zur Vorbereitung des Kirchentages Halle und zu Einzelfällen im Bezirk Halle wurden kontinuierlich von Konsistorialpräsident Kramer, Propst Abel, OKR H. Chr. Sens und OKR H. Müller geführt. 7 Vorgänge in Sömmerda und Erfurt waren so gravierend, dass die Magdeburger KL sich auf ihrer Sitzung am 8./9.4.1988, TOP 3.2. damit beschäftigte. In einem Brief, den Bischof Christoph Demke daraufhin am 19.4.1988 an den Vorsitzenden des RdB Erfurt, Arthur Swatek, richtete, heißt es: „Der Kirchenleitung war von verschiedenen Seiten von Einwohnerforen in der Stadt Erfurt und Sömmerda berichtet worden, in denen einzelne kirchliche Mitarbeiter als Feinde und Gegner unseres Staates, Handlanger der Konterrevolution, von denen man sich distanzieren müsse, als Leute, die dem Gegner auf den Leim gegangen sind, bezeichnet wurden. Solchen Angriffen ist vor allem unser Propst zu Erfurt, Dr. Heino Falcke, ausgesetzt; aber auch der Senior Lauszat und Pfarrer Wild werden in diesen Zusammenhängen genannt. Dabei werden den Genannten Äußerungen unterstellt, die sie nicht getan haben, oder es werden Äußerungen bis in ihr Gegenteil entstellt. Die Kirchenleitung kann darin nur eine Verleumdungskampagne sehen, gegen die sie sich verwahrt [. . .].“ (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2596). 8 Werner Eberlein, 1. Sekretär der BL der SED Magdeburg, besuchte am 8. Juli 1988 die Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg. Dieser Besuch gab Gelegenheit zur Begegnung mit Bischof Demke. Als aktuelles Problem wurde der Neubau einer Kücheneinrichtung für die Versorgung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen besprochen.
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und Jugendlichen, ihre Suche nach Wahrheit und ihr Gerechtigkeitssinn im pädagogischen Prozeß ernst genommen, aufgegriffen und gefördert werden. Als Ergebnis richtete der Landesjugendkonvent ein Schreiben an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR mit der Bitte um ein Gespräch zu den beschriebenen Erfahrungen und Fragen9. Die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen hat den Eingang des Briefes bestätigt, zu einem Gespräch über den Inhalt ist es bis jetzt leider noch nicht gekommen. Die Kirchenleitung sieht in diesem Vorgang auch einen Beitrag zur Vorbereitung des Pädagogischen Kongresses10 und hofft, daß dafür eine entsprechende Gesprächsebene gefunden wird. Außerdem unterstreicht die Initiative des Landesjugendkonventes noch einmal die Notwendigkeit der schon lange von der Kirche erbetenen Gespräche. 1.4. Kernenergie Anläßlich eines Gespräches mit dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Magdeburg Siegfried Grünwald hatte der Bischof Gelegenheit, die Großbaustelle des Kernkraftwerkes Stendal zu besichtigen11. Der Bischof unterstrich in seinem Bericht vor der Kirchenleitung zwei Feststellungen des Direktors des Kernkraftwerkes Stendal: daß Sicherheit unbedingten Vorrang vor Planerfüllung hat und daß rationelle Energieausnutzung an erster Stelle vor Neuinvestitionen stehen muß. Die Vorsitzende des Ausschusses Weltverantwortung hat der Kirchenleitung über die Arbeit zum Problem Kernenergie berichtet12. Dieser Bericht zeigte, wie schwierig die Beurteilung der Problematik ist. Der Ausschuß sah sich nicht in der Lage, ein Ergebnis vorzulegen, weil die Grundsatzeinstellung zum Ausstieg aus der Kernenergie oder zu ihrer Notwendigkeit nach wie vor konträr ist.
9 Text (Auszug) in: A. ROTHE, Quellentexte, S. 122 f. 10 Im Januar 1988 hatte das Ministerium für Volksbildung dazu aufgerufen, einen aktiven Beitrag zur Vorbereitung des IX. Pädagogischen Kongresses (13.–15.6.1989) zu leisten. Vgl. dazu die Ausarbeitung der Kommission für Kirchliche Arbeit mit Kindern und Konfirmanden des BEK (ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 364–367). 11 Das Gespräch fand am 21.3.1988 im Kernkraftwerk Stendal, in Hohenseeden und in Wendgräben statt. Themen waren Kernenergie, Zukunft der Kernenergienutzung; Perspektiven der Gesellschaft, kirchliche Grundsatzäußerungen; außerdem die Behinderung des freien Zugangs zu kirchlichen Veranstaltungen; Bauplanung für alters- und behindertengerechten Wohnraum. Dazu: Pressemitteilung ND 23.3.88. (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2377). 12 Die KL hat sich in ihrer Sitzung am 23.9.1988, TOP 11 ausführlich mit der Frage einer möglichen Stellungnahme zum Ausstieg aus der Kernenergie-Nutzung beschäftigt. Als Referent war dazu Sebastian Pflugbeil/Berlin eingeladen worden. Zu einer eigenen Stellungnahme sah sich die KL nach der Problemdiskussion nicht in der Lage (AKPS, Rep. C 2, Nr. 24).
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Zu diesen Fragen arbeitet jetzt auch eine Gruppe der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung13 Der Ausschuß Weltverantwortung hält im Blick auf die Übereinstimmung zwischen seiner Auftragsbeschreibung und der Zielstellung der Ökumenischen Versammlung eine parallele Weiterarbeit nicht für ratsam. Er hat der Kirchenleitung empfohlen, seine Arbeit bis Frühjahr 1989 ruhen zu lassen. Die Kirchenleitung hat diesem Antrag entsprochen. Im übrigen kann hier auf den Bericht zum Tagesordnungspunkt 6 verwiesen werden. 1.5. Ausreiseproblematik Seit dem Januar dieses Jahres ist die schon länger bestehende Ausreiseproblematik stärker in die Öffentlichkeit gedrungen14 Dadurch wurde ihre Brisanz nicht nur stärker bewußt, sondern auch noch gesteigert. Viele Antragsteller wenden sich an die Kirche und bitten um Hilfe. Die Kirchenleitung hält die Ausführungen des Bischofs, die er in seinem Bericht über die Klausurtagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen auf der Synodaltagung im März d. J. machte15, nach wie vor für gültig und verweist auf den entsprechenden Beschluß der Synode. Sie teilt die Ratlosigkeit und Hilflosigkeit aller, die die Ausreiseproblematik in ihrer Vielschichtigkeit wahrnehmen. Viele Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft signalisieren ein Unbehagen an unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit, sie mahnen das Grundrecht auf Freizügigkeit an, benennen das Vorhandensein zweier deutscher Staaten mit den Unterschieden der Gesellschaftsstruktur, mit dem ökonomischen Gefälle und den Widersprüchen im Staatsbürgerschaftsrecht als besonderes Problem, sie sind aber auch in hohem Maße das Ergebnis persönlicher Lebenskrisen. Nicht wenigen von denjenigen, die einen Antrag auf Übersiedlung in die Bundesrepublik gestellt haben, wird die gesellschaftlich-politische Dimension ihres Lebens und ihre daraus erwachsende Verantwortung erst durch die Schwierigkeiten bewußt, in die sie durch die Antragstellung geraten. So verschieden die Ursachen und Anlässe für die einzelnen Antragstellungen sind, so werden die Antragsteller durch Ausgrenzung, die sie erfahren, und durch Selbstisolierung zu Gruppen mit eigener sozialpsychologischer Prägung. Alle diese Ebenen werden auch bei dem weiteren Bedenken der Problematik beachtet werden müssen. 13 Vgl. den Abschlussbericht der Ökumenischen Versammlung Kap. 11, Energie für die Zukunft. In: ÖKUMENISCHE VERSAMMLUNG, S. 164–171. 14 Der Hinweis bezieht sich auf die brisante, öffentlichkeitswirksame Diskussion über die Ausreise von DDR-Dissidenten nach der Rosa-Luxemburg-Demonstration am 17. Januar 1988. Vgl. oben Anm. 4. 15 Vgl. oben den Beschluss der 8. Tagung der X. Synode und die Kommentierung dort (Dokument 52, S. 533 f.).
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Das Empfinden vieler Mitarbeiter und Gemeindeglieder, daß diejenigen, die einen solchen Antrag stellen, die Solidarität mit anderen, die sich für eine Verbesserung der Situation in unserem Lande einsetzen, verletzt haben, fördert untergründig Abneigung und Aggressivität. Das sollte nicht verschwiegen, sondern ruhig ausgesprochen werden. Es darf aber nicht dazu führen, daß wir den Antragstellern Gespräch und Begleitung verweigern. Wir müssen jedoch auch darauf achten, daß kirchliche Arbeit und kirchliche Veranstaltungen nicht zur Plattform für die Vertretung sehr begrenzter persönlicher Interessen gemacht werden. Die Kirchenleitung hält ein Klima in unserem Lande für notwendig, in dem die Ausreiseproblematik mit allen Hintergründen fair diskutiert werden kann. Solange die Antragstellung selbst bereits als Verstoß gegen staatliche Disziplin betrachtet und durch Sanktionen geahndet wird, wird eine Aufarbeitung derjenigen Fälle, in denen keine Genehmigung erteilt wird, in einem konstruktiven Sinne nicht möglich sein. Das offene Gespräch in der Gesellschaft würde langfristig die Lage entspannen, wenn auch eine glatte und befriedigende Lösung angesichts der besonderen Lage zwischen den beiden deutschen Staaten nicht so bald zu erkennen ist. 1.6. Hoffnung und Hoffnungszeichen Neben den Problemen, von denen hier zu berichten war, gibt es in unserem Land und in der Welt auch hoffnungsvolle Entwicklungen. Man denke nur an die Schritte zur Abrüstung und die neu aufgenommenen Dialoge in vielen Krisengebieten der Welt. Es ist wichtig, daß wir solche Entwicklungen nicht übersehen. Sie wecken Erwartungen, daß weitere Schritte in dieser Richtung getan werden, bergen aber auch die Gefahr, daß Enttäuschungen erneut Skepsis und Resignation bestätigen. Im Blick auf die Arbeit in unseren Gemeinden wird es darauf ankommen, daß wir nicht die Hoffnungszeichen, die wir dankbar erkennen, verwechseln mit dem Grund der Hoffnung, von dem es im ersten Petrusbrief heißt: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“ (1. Petr 3,15). Unsere Hoffnung lebt von der Verheißung Jesu Christi, daß Gott mit seiner Herrschaft kommt, unserem verlorenen Leben und unserer verlorenen Welt zugute. Dafür hat sich Jesus mit seinem Leben selbst verbürgt. Es gibt nun keinen Ort und keinen Menschen mehr, der so verloren wäre, daß Gott ihn nicht mit seiner Leben schaffenden Gegenwart, seinem Geist erreichen wollte. Von dieser Gewißheit her können wir im Gang unserer Lebensgeschichte und in der politischen Geschichte der Völker Zeichen der Hoffnung entdecken, in denen wir einen Vorschein der verheißenen Erfüllung erblicken. Wir werden uns dabei gegenseitig auf solche Entdeckungen aufmerksam machen und uns auch erin-
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nern müssen: z. B. nach dem Kriege, wie wir Aufnahme bei russischen Christen gefunden haben; oder wie in den letzten Jahren das Gespräch zwischen Juden und Christen möglich wurde, oder an die Reisemöglichkeiten, deren Umfang wir uns vor drei Jahren noch nicht träumen ließen, wenn auch das Reiserecht unbefriedigend bleibt. Hoffnungszeichen sind freilich niemals der Grund unserer Hoffnung. Oft genug bleiben sie doppeldeutig, verwandeln ihr Gesicht im Gang der Zeit. Wir werden unsere Hoffnung gerade darin zu bewähren und zu bezeugen haben, daß wir neugierig und tatkräftig unterscheiden zwischen dem Gutem und seinen Möglichkeiten, die durch uns entbunden werden wollen, und den Unmöglichkeiten unseres Lebens, die nur Schuld und Schaden hervorbringen und denen wir absagen müssen. Die Gewißheit der Verheißung Jesu Christi macht auch in Ratlosigkeit und Bedrängnis stark zu Geduld, einer Geduld, die auch für unser Land tatkräftig bleibt. 2. Gemeindeaufbau 2.1. Kirchentage Die Kirchentage in Halle und Erfurt standen unter der Losung „Umkehr führt weiter“16. Ihre Auswertung durch die Ausschüsse für die Kirchentagsarbeit steht noch aus. Ohne den Ergebnissen der Auswertung vorgreifen zu wollen, seien einige Erfahrungen und Eindrücke benannt. Bei der Vorbereitung gab es in Halle innerkirchliche Schwierigkeiten17. Die Vorbereitungsgruppe hatte auf Grund der immer wieder aufbrechenden Grundsatzfrage, ob solche Kirchentage überhaupt noch sinnvoll sind, große Mühe, ein gemeinsames Konzept zu finden. Sie mußte sich ferner mit der Absicht einer Basisgemeinde auseinander setzen, eine eigene, vom Kirchentag unabhängige Veranstaltung durchzuführen. Schwierigkeit mit staatlichen Stellen gab es bei der Beantragung von Druckgenehmigungen und von Einreisen für ökumenische Gäste. Themenformulierungen von Arbeitsgruppen wurden beanstandet und beabsichtigte Einladungen von Referenten aus der Bundesrepublik zunächst zurückgewiesen mit der Begründung (in Erfurt), der Kirchentag sei ein kirchliches und kein gesellschaftliches, ein regionales und kein internationales Ereignis. Durch Ausdauer und guten Willen auf beiden Seiten 16 Kirchentag in Erfurt 12.6.1988; in Halle 26.6.1988. Vgl. dazu G. BESIER, SED-Staat und Kirche 3, S. 318 ff. 17 Die intensive Vorbereitung der SED auf die Kirchentage 1988 geht aus dem Beschluss des Sekretariats des ZK der SED vom 16.3.1988 hervor (F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 2, S. 576–579). Zur Vorbereitung des Kirchentages in Halle wurden von Propst Abel und OKR Hans-Christoph Sens mehrere Gespräche beim RdB geführt. (AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2378).
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konnten dann doch die Vorbereitungen abgeschlossen und die Kirchentage ohne Einschränkungen durchgeführt werden. Die von staatlicher Seite erteilten Zusagen wurden eingehalten. Zum Verlauf einzelner Veranstaltungen auf den Kirchentagen kann gesagt werden, daß in Halle die Gruppenarbeit (und besonders die zu biblischen Texten), bei beiden Kirchentagen die Frauenforen ein besonders gutes Echo gefunden haben. Viel Kritik dagegen gab es zur Eröffnungs- und Schlußveranstaltung in Halle18. Im Zuge der Auswertung werden die Konzepte für die weitere Kirchentagsarbeit auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre neu zu bedenken sein. Die Kirchenleitung setzt sich für die Fortsetzung der Kirchentagsarbeit ein, sofern sie sich als eine gemeindebauende Laienbewegung bewährt und weiterentwickelt. 2.2. Kirche und Gruppen Die Kirchenleitung hat sich anhand eines Diskussionspapiers19, das der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vorliegt und das diese zur Vorbereitung ihrer eigenen Meinungsbildung den Leitungen der Gliedkirchen zur Verfügung stellte, mit dem Verhältnis von Kirchen und Gruppen erneut befaßt. Eine eingehende Beratung in der Konferenz der Kirchenleitungen steht noch aus. Dabei wird es darauf ankommen, die ganze Vielfalt der Gruppen, die sich in der Kirche gebildet haben, im Blick zu behalten. Am Anfang der Entwicklung standen die Friedensgruppen und die Kreise, die regelmäßige Friedensgebete in verschiedenen Orten tragen, besonders im Blick. Inzwischen hat sich eine Vielzahl von Gruppen gebildet, Gruppen der ökumenischen Solidarität, Ökologiegruppen, Frauengruppen und andere; schließlich gibt es verschiedene charismatische Gruppierungen. In allen diesen Gruppen finden sich zumeist Menschen aus gleicher Betroffenheit zusammen, um nach Wegen zu suchen, wie sie dem, was sie betroffen macht, verantwortlich in ihrem Denken und Handeln begegnen können. Sie können dadurch für die Gemeinden und unsere Kirche zu wichtigen Sensoren werden, die auf Defizite im geistlichen Leben der Kirchen, in der Gestaltung ihrer Strukturen und in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung aufmerksam machen. So haben sie schon an vielen Stellen zur Entwicklung des Problembewußtseins in unseren Gemeinden und darüber hinaus beigetragen. Durch die Existenz so vielfältiger Gruppen stellt sich für die Leitungen neu die Aufgabe, die Einheit der Kirche nicht nur zu wahren, sondern lebendig zu vermitteln. Wie kann das Gespräch der Gruppen untereinander intensiviert oder überhaupt erst in Gang gebracht werden? Wie kann der Gefahr von Selbstisolierung 18 Vgl. die Auswertung durch den Bezirk Halle bei G. BESIER, a. a. O., S. 321 f. 19 Der Text liegt vor in: ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 88–92.
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und Abgrenzung in Zirkeln Gleichgesinnter begegnet werden? Wie kann die sachliche Auseinandersetzung in kritischer Solidarität unter Einschluß der Kirchenleitungen gefördert werden? An welchen Stellen müssen um der Deutlichkeit des christlichen Zeugnisses willen Abgrenzungen vollzogen werden? Die Kirchenleitung war sich bei ihrer Aussprache bewußt, daß wir in der Frage der inhaltlichen, theologischen Auseinandersetzung trotz vieler Diskussionen immer noch am Anfang stehen. Diese Auseinandersetzung wird auch eine wichtige Aufgabe des konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sein, in dem die Gruppen und ihre Arbeit ein wichtiges Element sind. 2.3. Friedensdekade Die Friedensdekade hat im Leben vieler Gemeinden unserer Kirche inzwischen einen festen Platz. An vielen Orten ist sie zur Selbstverständlichkeit, ja geradezu zur Gewohnheit geworden. Sie ist aber auch Herausforderung und Gelegenheit, neue Aufgaben der Friedensverantwortung zu entdecken und zu bedenken. Während der Friedensdekade 1987 wurden in Halle zum Brücke-Gottesdienst „Trageelemente“ mit Friedenssymbolen und kurzen Texten mitgeführt20. Dem ist von staatlicher Seite entschieden widersprochen worden. In der Auswertung ist sich die Kirchenleitung mit allen Beteiligten einig, daß wir uns auch im Hinblick auf die Formen, die wir für unsere Veranstaltungen wählen, überlegen müssen, ob sie dem Anliegen, das Evangelium des Friedens zu verkündigen, angemessen sind. Gottesdienstliche Veranstaltungen müssen zu unterscheiden sein von gesellschaftspolitischen Forderungen, mit denen wir an die Öffentlichkeit treten. Die Erfahrungen zum Beispiel des Olof-Palme-Friedensmarsches als gesellschaftliche Veranstaltung sind nicht ohne weiteres auf kirchliche Veranstaltungen zu übertragen. Eigene, unserem Anliegen angemessenen Formen öffentlicher Wirksamkeit müssen überlegt und erprobt werden. Die Kirchenleitung unterstützt die Bemühungen um die Friedensdekade als eine gute Möglichkeit, das Friedenszeugnis der Kirche wirksam zu artikulieren. Sie ist dankbar für alle Treue, mit der an manchen Orten das Gebet für den Frieden geübt wird. Sie ermutigt die Mitarbeiter, die Arbeit zur Friedensdekade weiter mit Liebe und Fantasie zu tun. Sie hat die Evangelische Verlagsanstalt gebeten, Materialien zur Friedensdekade zu sammeln und in geeigneter Form herauszugeben.
20 Die Friedensdekade stand 1987 (8.–18.11.) unter dem Thema „Miteinander leben“. Als „Trageelemente“ bezeichneten die Sicherheitsorgane die selbstgefertigten Plakate.
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2.4. Ökumenische Versammlung Ein wichtiges Ereignis in unseren Kirchen ist die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, deren erste Tagungen in Dresden und in Magdeburg stattgefunden haben21. Die Kirchenleitung hat sich intensiv mit Anliegen, Zielstellungen und Grundregelungen dieser Ökumenischen Versammlung im Kontext des konziliaren Prozesses beschäftigt. Sie hatte die Verantwortung für die Entsendung der Delegierten und Beobachter aus unserer Kirchenprovinz wahrzunehmen und sich auch bereit erklärt, die zweite Vollversammlung in Absprache mit dem Kirchenkreis Magdeburg und dem Bischöflichen Amt nach Magdeburg einzuladen. Der Synode wird zum Stand des konziliaren Prozesses ein gesonderter Bericht erstattet. 2.5. Öffentlichkeitsarbeit der Kirche 2.5.1. Kirchliche Presse Immer wieder hat sich die Kirchenleitung mit der kirchlichen Presse beschäftigen müssen, weil Zeitungen nicht pünktlich oder gar nicht erscheinen. Das betraf nicht nur die Wochenzeitung „Die Kirche“, sondern u. a. auch die Nummer 4/5 unseres Amtsblattes22. Von seiten des Presseamtes wurde die Ablehnung einiger Artikel (die dann zum Nichterscheinen einzelner Nummern von Zeitungen führte) mit dem Hinweis begründet, daß sie Themen behandelten, die nicht zum Verantwortungsbereich der Kirche gehörten. Für das Nichterscheinen des Amtsblattes unterblieb zunächst jeder erklärende Hinweis. Später wurde die Vermutung bestätigt, daß dafür Passagen des Beitrages von Bischof i. R. Dr. Werner Krusche, den er auf Bitten des Bundes zum 10. Jahrestag des Gespräches zwischen dem Vorsitzenden 21 Die 1. Vollversammlung der „Ökumenischen Versammlung“ fand vom 12.–15.2.1988 in Dresden statt. Wegen der öffentlichen Präsentation von „Zeugnissen der Betroffenheit“ gab es scharfe Gegenreaktionen des Staates. Die 2. Vollversammlung fand vom 8.–11.10.1988 in Magdeburg statt. Zum ganzen vgl. K. SEIFERT, Glaube und Politik. 22 Die Kirchenprovinz Sachsen gehörte zum Verbreitungsgebiet der Wochenzeitung „Die Kirche“. 1988 wurde durch die staatliche Zensur die Auslieferung folgender Nummern unterbunden: 17.4., 24.4., 26.4., 3.7. und 25.9. Folgende weitere Nummern mussten beanstandete Artikel austauschen oder korrigieren: 20.3., 3.4., 10.4., 19.6. und 2.10.1988. Wegen eines Aufsatzes von Bischof i. R. Dr. Werner Krusche durfte das Amtsblatt der KPS vom 3.7.1988 nicht ausgeliefert werden. Die Proteste sind von verschiedenen Seiten vorgetragen worden. Am 13.10.1988 fand ein Gespräch zwischen dem neuen Staatssekretär für Kirchenfragen Kurt Löffler, dem Leiter des Presseamtes der DDR Dr. K. Blecha und Landesbischof Werner Leich zu Pressefragen statt (F. HARTWEG (Hg.), SED und Kirche 2, S. 579–583). Am gleichen Tage [!] fand im Bundestag eine aktuelle Stunde mit ausführlicher Aussprache zum Thema „Jüngste Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Ost-Berlin und der DDR“ statt (Dt. Bundestag, 11. Wahlperiode, 100. Sitzung, Bonn, S. 6840–6852).
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des Staatsrates und dem Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen am 6. März 1978 geschrieben hatte, die Ursache waren. Die Vermittlung von Informationen über Themen und Sachverhalte, die auf Kirchentagen, Synoden oder solchen Veranstaltungen wie der Ökumenischen Versammlung bearbeitet und behandelt werden, ist ein unaufgebbarer Bestandteil kirchlicher Arbeit. Hier haben die kirchlichen Wochenzeitungen eine wichtige Aufgabe der Vermittlung zwischen den Gemeinden, zwischen Gemeinden und Kirchenleitungen und zwischen dem ökumenischen Geschehen und der Einzelgemeinde. Es gehört zum Auftrag der Kirche, Fragen auch des gesellschaftlichen Lebens im Licht des Evangeliums zu bedenken. Die kirchliche Presse darf von diesem Auftrag nicht ausgeschlossen werden. Deswegen hat die Kirchenleitung gegen die Maßnahmen des Presseamtes Einspruch erhoben. Sie sieht darin nicht gerechtfertigte Eingriffe in das kirchliche Leben. Die Kirchenleitung hofft, daß die Kirchenleitungen ihre Aufgabe der Vermittlung in vielen Bezügen des kirchlichen Lebens so sachgerecht, vielseitig und anregend wahrnehmen können, wie es den Erwartungen der Gemeindeglieder entspricht. 2.5.2. Kirchliche Fernsehsendungen Die Kirchenleitung ließ sich über Möglichkeiten und Grenzen kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit von einem Mitglied des Medienbeirates beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR informieren. Im Mittelpunkt dieses Gespräches standen die kirchlichen Sendungen im Fernsehen der DDR23. Die Drehbücher für diese Sendungen werden durch Mitarbeiter der Kirche ausgearbeitet. Die Herstellung der Sendungen erfolgt durch Mitarbeiter des Staatlichen Fernsehens der DDR. Die Sendezeit für diese Sendungen, die sechsmal jährlich ausgestrahlt werden können (meistens samstags 15 Uhr) liegt ungünstig. Dennoch sollte dieses Informationsangebot von uns rege genutzt und unser Interesse durch kommentierende Zuschriften gezeigt werden. Mit Interesse hat die Kirchenleitung wahrgenommen, daß wie in der allgemeinen Presse jetzt auch in der Berichterstattung des Fernsehens der DDR in verstärktem Maße kirchliche Ereignisse vorkommen. Die Kirchenleitung ist sich bewußt, daß die modernen Massenmedien unser Leben wesentlich beeinflussen. Davon sind auch die Kirchen betroffen, und sie können sich dem nicht entziehen. Darum muß auch dieses Element der modernen Gesellschaft von uns verantwortlich mit bedacht werden. In Gesprächen mit staatlichen Vertretern wird darum auch immer wieder die Medien- und Informationspolitik der DDR angesprochen. 23 Diese Regelung geht auf das Gespräch des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker mit dem Vorstand des BEK vom 6. März 1978 zurück.
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2.6. Erfahrungen mit Heiligabend-Gottesdiensten Im Leben unserer Gemeinden haben die Gottesdienste am Heiligabend schon immer einen besonderen, nicht unumstrittenen Stellenwert gehabt. In den letzten Jahren hat sich das Bild weiterhin verändert. Christvespern in den größeren Städten (und auch öfter in ländlichen Gebieten) sind überfüllt, auch wenn sie an späten Abendstunden stattfinden. Die Mehrzahl der Besucher hat sonst keinen regelmäßigen Kontakt zur Gemeinde. Oft ist die Unruhe während der Veranstaltungen groß. Nicht selten gibt es Verärgerungen bei treuen Gemeindegliedern, die sich in ihrer Andacht gestört fühlen. Die Beweggründe der vielen Menschen und ihre Erwartungen im Hinblick auf diesen einmaligen Gottesdienstbesuch sind sehr vielschichtig und im einzelnen schwer benennbar. Aber sie kommen und sind Adressaten des Evangeliums, Gesprächs- und andere Kommunikationsangebote im Rahmen der Heiligabend-Veranstaltungen sind nur begrenzt möglich und überfordern oft die Mitarbeiter. Ihre Bemühungen, sich bei der Vorbereitung und Durchführung der Heiligabend-Gottesdienste auf die besondere Situation einzustellen, verdienen Anerkennung und Unterstützung. Darum bittet die Kirchenleitung die Gemeindekommission des Bundes, Konsultationen zur Thematik „Heiligabend-Gottesdienste“ anzubieten oder anzuregen, damit die Mitarbeiter in den Gemeinden Anregungen und Hilfe bekommen. Bei allem Bemühen, mit Sorgfalt die besondere Situation des Heiligabends im Blick zu behalten, sollte uns die Gewißheit nicht verloren gehen, daß es allein auf die treue Ausrichtung des Zeugnisses von Christus als dem Retter der Welt ankommt. [. . .]
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53 b Beschluss der Synode zu den Berichten der Kirchenleitung und des Konsistoriums24 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 131, Dr. 21.1./88, S. 1–4, hier: S. 1–4 (hekt.), Protokoll des Sitzungstages 30. Oktober 1988. Abgedruckt in: EPD-DOKUMENTATION 52/1988, S. 61–63.
1. Die Synode dankt der Kirchenleitung und dem Konsistorium für die ihr gegebenen Berichte. Der Konsistorialbericht mit seinen informativen Anlagen gibt in seiner Ausführlichkeit und Detailliertheit einen umfassenden und realistischen Überblick über das Leben in unserer Kirchenprovinz. Das wurde durch eine eingehende Aussprache gewürdigt. Der Kirchenleitungsbericht greift in klärender und orientierender Weise die aktuellen Fragen der Kirche und des Christseins in unserer Gesellschaft auf. Die Synode empfiehlt, beide Berichte den Kirchenkreisen zur Weiterarbeit zuzuleiten. 2. In beiden Berichten und in der gegenwärtigen Gesamtsituation von Kirche und Gesellschaft begegnen uns Zeichen der Hoffnung und bedrängende Fragen, die uns die Hoffnung nehmen könnten. Wir unterstreichen mit der Kirchenleitung: „unsere Hoffnung lebt von der Verheißung Jesu Christi, daß Gott mit seiner Herrschaft kommt, unserem verlorenen Leben und unserer verlorenen Welt zugute.“ Von daher nehmen wir Zeichen der Hoffnung wahr und empfangen Kraft, uns den bedrängenden Fragen zu stellen. 3. Ein Zeichen der Hoffnung sieht die Synode darin, daß die christlichen Kirchen in der DDR sich aufgemacht haben, die überlebenswichtigen Fragen von Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung gemeinsam 24 Verhandlung und Beschlussfassung der Synode führten zu einer scharfen Intervention des Staates: Dr. Lubas, Stellvertretender Ratsvorsitzender für Inneres in Magdeburg, hatte Bischof Demke unmittelbar nach der Synode dringend zum Gespräch gebeten, das am 2.11.1988 stattfand (Vermerk im Aktenbestand Bischof Demke). Lubas trug die Einschätzung der Synode vor, die vom Staatssekretär für Kirchenfragen Löffler übermittelt worden war. Der Synode wird eine „Eskalation der Unvernunft“, Einmischung in staatliche Angelegenheiten u. Ä. vorgeworfen; insbesondere wird die Stellungnahme zu den Wahlen kritisiert. Es handele sich um eine Verunglimpfung des sozialistischen Staates. Die KL hat daraufhin beschlossen, ein Gespräch beim RdB zu führen und dabei eine „Erklärung zur Einschätzung des Staates über die Provinzialsynode in Halle 1988“ zu überreichen. Das Gespräch fand am 2.12.1988 statt; Gesprächsführer waren auf staatlicher Seite Dr. Lubas, auf kirchlicher Dr. Höppner. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2377. Zum Text s. unten Anhang, Anlage Nr. X, S. 619–625. Der Beschluss der Synode wird kommentiert bei H. M. KLOTH, Vom „Zettelfalten“ zu freien Wahlen, S. 207 f.
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zu bearbeiten. Vom 8.–11. Oktober 1988 kam in Magdeburg die Ökumenische Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR zu ihrer 2. Tagung zusammen. Die dort beschlossenen Zwischenergebnisse wurden der Synode vorgestellt. Wir hören daraus den Ruf zur Umkehr, der von uns als Kirche konkrete Veränderungen verlangt, wenn unser Zeugnis glaubwürdig sein soll. Die Synode fordert die Gemeinden auf, die Texte der Ökumenischen Versammlung aufzunehmen, vorrangig zu bearbeiten und ihre Stellungnahmen, Kritik und Anregungen der Ökumenischen Versammlung zuzuleiten. Sie hat dazu den Gemeinden einen Brief geschrieben. Ein weiteres Zeichen der Hoffnung sehen wir darin, daß sich Menschen in Gruppen zusammenfinden, um bedrängende Probleme von Kirche und Gesellschaft aufzugreifen. Aus persönlicher Betroffenheit und in der Entschiedenheit, die ihnen als Gruppe möglich ist, treiben sie die Fragen der Veränderung der Gesellschaft und der Erneuerung der Kirche voran. Dabei treten zwischen den gesellschaftlich engagierten Gruppen, den Gruppen der charismatischen Gemeindeerneuerung und Kirchengemeinden Spannungen, die bis zu Zerreißproben führen. Wenn wir gemeinsam Zukunft gewinnen wollen, müssen wir uns auf den einen Grund der Hoffnung stellen, der Christus für uns ist. Darum bitten wir Gemeinden und Gruppen, das Gespräch miteinander zu suchen und nicht aufzugeben. Daß die Friedensdekaden in unserer Kirche weiterhin lebendig sind, sich ökumenisch ausgeweitet haben und vielerorts ein regelmäßiges Friedensgebet gewachsen ist sehen wir ebenfalls als Zeichen der Hoffnung. Wir halten die Friedensdekade lebendig und bewahren sie vor Abnutzung, wenn wir in ihr die jeweils auf uns zukommenden Fragen aufgreifen und ihre Anliegen geistlich verantwortlich und politisch umsichtig in die Öffentlichkeit tragen. Die Berichte nennen noch andere Hoffnungszeichen, die in der Aussprache der Synode nicht aufgegriffen wurden. Sie weisen uns aber auch auf Fakten und Entwicklungen hin, die uns betroffen machen. So geht der Minorisierungsprozeß ständig weiter. Wir aber haben immer noch nicht die Antworten gefunden, die dem Grund unserer Hoffnung entspringen und unserer Situation entsprechen. Das gilt von unseren institutionellen Strukturen, unserem Umgang mit den Finanzen sowie von unserem Gemeindeleben und unserer Verkündigung. 4. Auch in der Gesellschaft beobachtet die Synode mit Interesse Bewegungen, in denen sie Hoffnungszeichen sieht. Sie begrüßt die internationalen Bemühungen um Vertrauensbildung, Entspannung und Abrüstung, die zu ersten konkreten Abrüstungsergebnissen geführt haben. In diesem Zusammenhang würdigt sie auch den Dialog, der in dem gemeinsamen Papier von SED und SPD „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ zum Ausdruck kommt.
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Im Zeichen des Friedens, der unteilbar ist, muß dem außenpolitischen der innergesellschaftliche Dialog entsprechen. Ein Hoffnungszeichen dafür sind Anzeichen einer zunehmenden Meinungsvielfalt in Kunst, Kultur und Gesellschaftswissenschaften und Änderungen im marxistischen Religionsverständnis. Das Zusammengehen von Christen und Marxisten beim Olof-PalmeFriedensmarsch 1987 vermittelte hoffnungsvolle Erfahrungen von Dialog und Kooperation. Das Gespräch über die Ermöglichung eines zivilen Wehrersatzdienstes müßte in unserem Land neu aufgenommen werden. Berichterstattungen von größeren kirchlichen Ereignissen in Fernsehen und Presse der DDR stellen kirchliches Leben als einen Teil unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit dar. Die erweiterten Reisemöglichkeiten geben dem großen Bedürfnis nach Freizügigkeit und Pflege der familiären Bindungen mehr Raum. Ein verantwortungsvolles Zusammenleben in unserer gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft läßt sich nur denken, wenn der einzelne Bürger mündig ist. Wir erfahren oft, daß dem Bürger mündiges Verhalten verwehrt wird. Das wird deutlich, – wenn rechtliches und soziales Leben durch die staatlichen Organe auf eine Weise gestaltet werden, die eigenes Denken und eigene Entscheidungen der Bürger lähmt; – wenn auf verschiedenen Gebieten Informationen bewußt zurückgehalten oder nicht veröffentlicht werden – das geschieht in diesen Monaten besonders durch Entscheidungen gegenüber der kirchlichen Presse; – wenn die Genehmigungspraxis bei Reisen undurchschaubar bleibt und oft willkürlich erscheint; – wenn noch keine für alle Bürger gleiche rechtliche Regelung der Reisemöglichkeiten veröffentlicht ist; – wenn nicht einmal zu Familienfeiern (z. B. Taufen oder Trauungen) Verwandte oder Freunde, die nicht in der DDR wohnen, eine Einreise in die Sperrzone an der Staatsgrenze erhalten und dadurch das Leben der Gemeinde behindert wird; – wenn ablehnende Entscheidungen nicht begründet werden; – wenn die Bürger keine Möglichkeit haben, gegen Entscheidungen staatlicher Organe bei einem unabhängigen Gericht Einspruch einzulegen. Derartige Erfahrungen gehören auch zu den vielfältigen Gründen für Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft. Selbst wenn in vielen Fällen persönliche Motive ausschlaggebend sein dürften, kommt es darauf an, ein Klima des verantwortungsvollen Zu-
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sammenlebens in der Gesellschaft zu schaffen, das solche Anträge gar nicht erst aufkommen läßt. 5. Mit wachsender Aufmerksamkeit beobachten wir die Umgestaltungsprozesse in der Sowjetunion. Viele Menschen erhoffen sich davon Impulse für eine Erneuerung unserer Gesellschaft und denken darüber nach, welche Veränderungen bei uns nötig sind und welche Impulse wir aus der Sowjetunion aufnehmen sollten. Dabei ist deutlich, daß sich sozialistische Gesellschaften unter unterschiedlichen Bedingungen entwickeln und keine schematischen Übertragungen von Land zu Land möglich sind. Andererseits sind unsere Gesellschaften so eng politisch und wirtschaftlich miteinander verflochten, daß Veränderungen in der Sowjetunion nicht ohne Einfluß auf unsere Verhältnisse bleiben können. Auch in unserer Gesellschaft sind Anzeichen von Stagnation zu erkennen. Es geht um seine „Erneuerung der Gesellschaft in der Wahrheit“ (Landesbischof Dr. Leich auf der Bundessynode), die alle Bereiche des Lebens umfaßt: die Rechte und Pflichten des einzelnen, seine Rechtssicherheit und Mündigkeit, die Demokratisierung der gesellschaftlichen Institutionen, den Zugang zu Informationen, die Aufhebung der Zensur. Daß die Veränderungs- und Erneuerungsprozesse nicht von heute auf morgen durchgesetzt werden können, ist einsichtig. Wir haben den Eindruck, daß die Führung unseres Landes aus Sorge vor unkontrollierbaren Entwicklungen gegenwärtig nicht die Möglichkeit eines innergesellschaftlichen Dialogs einräumt. Es kommt aber darauf an, das öffentliche Gespräch über die Fragen zu beginnen. Die Synode ist überzeugt, „daß die künftige Entwicklung in unserem Land von Dialogfähigkeit und Dialogbereitschaft in Kirche und Gesellschaft wesentlich abhängt. Wir müssen miteinander reden lernen, damit wir miteinander leben können“ (aus dem Beschluß der Bundessynode zu Fragen des innergesellschaftlichen Dialogs 1988). 6. Auch in angespannten Situationen des Verhältnisses von Kirche und Staat halten wir an der Bereitschaft zum Dialog fest im Wissen darum, daß es zum Gespräch keine Alternative gibt. Diese Bereitschaft stimmt überein mit der „am 6. März 1978 festgestellten Grundorientierung des Verhältnisses von Staat und Kirche“ (Landesbischof Dr. Leich, Bundessynode 1988). Das von beiden Seiten bejahte Prinzip der Trennung von Kirche und Staat bedeutet gerade nicht die Absage an den Dialog, sondern dessen Ermöglichung. Unsere kirchliche Presse hat die Aufgabe, Information und Dialog zwischen Christen und Gemeinden zu fördern. Weil die Sache des Evangeliums den ganzen Menschen betrifft, hat dieser Dialog auch Bedeutung für den öffentlichen Dialog in unserem Land.
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Daß Christen sich mit Problemen in unserem Land auseinandersetzen, muß sich auch in unseren Kirchenzeitungen niederschlagen können. Das Verbot der Auslieferung kirchlicher Zeitungen behindert nicht nur die kirchliche Arbeit, sondern schädigt auch das Ansehen der DDR. Die Synode erwartet, daß die Kirchenzeitungen künftig ungehindert erscheinen. 7. Im Blick auf die Kommunalwahlen 1989 halten wir es für notwendig, über die Durchführung von Wahlen nachzudenken. Die von der Verfassung her gebotenen Geheimhaltung muß so gewährleistet werden, daß die Benutzung der Kabinen und die geheime Stimmabgabe für jeden Wähler verbindlich gemacht wird. Die bisherige Praxis, daß die Mehrzahl der Bürger ihre Stimme offen abgibt, läuft darauf hinaus, daß die geheime Stimmabgabe und das Votum einzelner Bürger, die die Kabine benutzen, öffentlich gemacht werden. Diese Praxis verletzt den Verfassungsgrundsatz der geheimen Wahl. Der Stimmzettel ist so zu gestalten, daß der Wähler seinen Willen auf ihm eindeutig zum Ausdruck bringen muß. Die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Wahl schließt jeglichen Druck auf diejenigen aus, die sich nicht an der Wahl beteiligen.
BeschlüssederSynode,18.Juni1989 BerichteundBeschlüsse
54 Beschlüsse der 1. Tagung der XI. Synode Halle Diakoniewerk, 18. Juni 1989 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 132, Dr. 17.1./89 u. Dr. 20.1/89. Abgedruckt bei G. REIN, Protestantische Revolution, S. 180.
[Beschluss zu den Vorgängen in China]_1 In den letzten Monaten erreichten uns immer wieder Bilder aus China, zunächst von sehr friedvollen, fast fröhlich wirkenden Demonstrationen chinesischer Studenten für demokratische Veränderungen in ihrem Land. Mit großer Bestürzung hörten und sahen wir dann, wie diese gewaltfreie Bewegung blutig niedergeschlagen und so Gegengewalt provoziert wurde und eine brutale Verfolgung Beteiligter einsetzte. Wir sind betroffen von dem Leid, das durch diese Vorgänge hervorgerufen wurde und wollen in unseren Gebeten an die Opfer dieser gesellschaftlichen Katastrophe in China denken. Die uns zur Verfügung stehenden Informationen lassen befürchten, daß einseitige Bewertungen und kurzschlüssige Schuldzuweisungen langfristig eine Bewältigung der Konflikte erschweren. Eine solche breite Bewegung hat tiefere Ursachen, die zur Sprache gebracht und bewältigt werden müssen. Wenn wir an die Menschen in China denken, verbinden wir damit die Hoffnung, daß ihnen dies trotz der vielen tiefen Verletzungen, die es in diesen Auseinandersetzungen gegeben hat, doch gelingen möge. Wir bitten den Bund der Evangelischen Kirchen, der seit einigen Jahren ökumenische Kontakte zum chinesischen Christenrat hat, diesem unsere 1 Am 4. Juni 1989 war auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ in Peking eine Demonstration der Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen worden. Die Tatsache, dass sich die Staatsführung der DDR mit der chinesischen Führung bei dieser Entscheidung solidarisierte, führte zu Protesten in der DDR. Vgl. dazu E. NEUBERT, Opposition in der DDR, S. 815 f.; G. REIN, Protestantische Revolution, S. 180–185. Die KKL ist dem Vorschlag, einen Brief an den chinesischen Christenrat zu schreiben, gefolgt: Brief des Vorsitzenden der KKL, Landesbischof Dr. Leich, an den chinesischen Christenrat, z. Hd. Herrn Bischof Ding Guan Xun vom 1. Juli 1989. In: KUNDGEBUNGEN 2, S. 331.
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hier geäußerte Betroffenheit und Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. [Beschluß zu den Kommunalwahlen in der DDR am 7. Mai 1989]_2 Die X. Synode der Kirchenprovinz Sachsen hatte auf ihrer Herbsttagung 1988 auf die Notwendigkeit hingewiesen, über die für Mai 1989 angesetzten Kommunalwahlen nachzudenken. Dabei sind konkrete Erwartungen hinsichtlich der Weiterentwicklung des Wahlvollzuges zu mehr Demokratie ausgedrückt worden. Gruppen und einzelne Christen an vielen Orten der DDR haben sich in Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten intensiv mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Wahl beschäftigt. Nach Abschluß der Wahl wandten sich viele von ihnen in Eingaben an staatliche und kirchliche Gremien, wiesen darin auf zahlreiche Unstimmigkeiten hin und baten um Aufklärung. Auch unserer Synode lagen entsprechende Äußerungen vor. Die KKL hat sich auf ihrer 124. Tagung am 2./3.6.1989 mit den Anfragen aus den Gliedkirchen beschäftigt und dazu Stellung genommen. Die Synode unterstreicht folgende von der KKL getroffene Feststellungen: „Wir sind erschrocken über die beobachteten Unstimmigkeiten bei der Auswertung der Wahl. Wir sind beunruhigt über das Übergehen von Eingaben und Einsprüchen. Wir verstehen die Empörung, die manche ergriffen hat. Wir sind besorgt darüber, daß Resignation erneut bestätigt werden könnte. Diesen Weg dürfen wir nicht weitergehen. Denn es geht um das gerechte und friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Autorität und Stabilität brauchen Durchschaubarkeit und Wahrhaftigkeit. Wir bitten deshalb die Staatsführung dringend, eine konkrete und schnelle Beantwortung der im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen eingereichten Eingaben und Anträgen [sic!], zu veranlassen. Wir brauchen für unser Land Ermutigung zur Wahrhaftigkeit für den einzelnen Bürger, auch durch die Weiterentwicklung gesellschaftlicher Strukturen. Wir brauchen um des Friedens willen eine weitere Stärkung des Rechtes. Dazu gehört auch eine Weiterentwicklung des Wahlverfahrens, damit 2 Vgl. oben den Beschluss der 9. Tagung der X. Synode (Okt. 1988), Zi. 7. Der Tagung der 1. Tagung der XI. Synode (Juni 1989) lag die Meinungsbildung der KKL zu diesem Thema vom 2./3. Juni 1989 vor. Text s. KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 329 f. – Dokumentation zu den Vorgängen nach der Kommunalwahl am 7.5.1989 bei G. REIN, Protestantische Revolution, S. 135–146. – Für Thüringen liegt eine umfassende Analyse vor bei A. HERZ, Wahl und Wahlbetrug. Vgl. außerdem zur Sache unten den Bericht der KL zur 2. Tagung der XI. Synode sowie unten Dokument 55, Anm. 13, S. 564.
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jeder Bürger aktiv Auswahlentscheidungen treffen kann und eindeutig über die Wertung der Stimmen unterrichtet ist.“ Die Synode begrüßt, daß unsere Kirchenleitung das Konsistorium gebeten hat, die Beobachtungen und Eingaben auszuwerten und teilt deren Erwartung, daß daraus ein Beitrag für das erhoffte und notwendige Gespräch in unserer Gesellschaft über die Neugestaltung von Wahlen erwächst. Unabhängig von diesem längerfristigen Prozeß gehen wir davon aus, daß die gegenwärtig noch laufenden Gespräche mit staatlichen Stellen auf verschiedenen Ebenen über die beobachteten Unstimmigkeiten sachlich geführt werden, und daß „niemand wegen der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte Nachteile erfährt.“ (s. KKL)
BischofDr.ChristophDemke,2.November1989 BerichteundBeschlüsse
55 a Bericht von Bischof Dr. Christoph Demke auf der 2. Tagung der XI. Synode [Teil A des Kirchenleitungsberichts] Erfurt Johannes-Lang-Haus, 2. November 1989 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 133, Dr. 31/89, S. 1–15 (Teil A), hier: S. 4–15 (hekt.).
Schwerpunkte: Frage der Nutzung kirchlicher Räume für nichtkirchliche Veranstaltungen; Stellvertreterfunktion der Kirche: offener Dialog zur Überwindung von Angst und Mißtrauen („Erneuerung der Gesellschaft in der Wahrheit“) Gliederung: Teil A: 1. Was soll ich predigen? 2. Die Stellvertreterfunktion der Kirche. 3. Worauf es jetzt ankommt.
[. . .] 2. Die Stellvertreterfunktion der Kirche1 2.1. In einer Reihe von Gemeinden – und ihre Zahl wächst – wird seit Wochen das Gebet um gesellschaftliche Erneuerung in unserem Lande gehalten2. Hunderte, in den großen Städten auch Tausende, nehmen daran teil, auch solche Menschen, die noch nie ein Gotteshaus betreten haben. Ich habe dort, wo Zuspruch und Fürbitte den Mittelpunkt der Gebete bildeten, eine Dichte der Aufmerksamkeit, der Sammlung und Erwartung erlebt, die 1 Bischof Christoph Demke hatte bereits am 3. September 1989 einen offenen „Brief zur Lage“ an die Christen in der DDR geschrieben. „Unser Glaube mischt sich ein. Er ist ja selber Streit um die Wirklichkeit“, heißt es dort: zur Analyse der Situation, politische Warnung, Aufforderung zum „Gespräch über die Wirklichkeit unseres Landes“. Gedruckt in: NACHDENKEN, S. 214–218 und G. REIN, Protestantische Revolution, S. 193–199. ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 380–383. 2 Die Gebete um gesellschaftliche Erneuerung in der DDR sind inzwischen vielfältig dokumentiert. Für die KPS z. B. Magdeburg: ANSTIFTUNG ZUR GEWALTLOSIGKEIT, H.-J. RUPIEPER (Hg.), Friedliche Revolution; Quedlinburg: E. BRECHT/H. JAEKEL/E. SEHMSDORF (Hg.), Vom Mut des Neuanfangs; Lutherstadt Wittenberg: D. LINTZEL, Einhundertneunzig Tage, S. 17–27; Stendal/Havelberg/Osterburg: J. HELLMUTH/G. MIESTERFELDT (Hg.), Herbst 1989.
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sich deutlich von vielen überfüllten Christnacht-Gottesdiensten unterscheidet. Wenn ein Sohn für seinen Vater betet, der sich in den Kampfgruppen für den Einsatz bei Demonstrationen vorbereitet, wenn einer vortritt und die anwesenden Christen, zu denen er sich nicht zählen will und kann, auffordert, zu beten für Polizisten, die plötzlich vor Aufgaben stehen, auf die sie gar nicht oder mit falschen Feindbildern vorbereitet sind, so geht das zu Herzen. Natürlich ist die große Zahl mit ihrer Medienwirksamkeit auch eine Versuchung. Wir dürfen darüber nicht die vergessen, die wirklich keine Stimme haben und auf Zuspruch, Pflege und Fürsorge angewiesen sind. Natürlich geht von der großen Zahl auch eine Verführung aus, nicht alles auf das unwiderrufliche Wort des Herrn auszurichten, sondern dem zu folgen, was leicht in die Ohren geht und viele in den Bann schlägt. Wir müssen wachsam geschwisterlich einander helfen, in dieser Versuchung zu bestehen, damit wir die Gabe nicht vertun, die unlösbar zum Auftrag der christlichen Gemeinden gehört, nämlich Gebet und Fürbitte zu üben für jedermann. Das ist die ureigene Stellvertreterfunktion der Gemeinde. 2.2. An manchen Orten, wie z. B. im Magdeburger Dom, aber auch in kleineren Städten, schließen sich an diese Gebete Informationen an, in denen Initiativen zur Bildung neuer Vereinbarungen vorgestellt werden oder sich vorstellen, aber auch Dialogangebote gesellschaftlicher Organisationen bekanntgemacht und Meinungen und Stellungnahmen zur Entwicklung des Dialogs ausgesprochen werden. Hier wird der Kirchenraum selbst zum öffentlichen Forum des politischen Gesprächs, des Meinungsstreites und mitunter auch des Wettbewerbes. Je länger dies währt, um so deutlicher wird, daß hier die Gemeinde nicht ihren eigensten Auftrag wahrnimmt. Sie übernimmt hier Aufgaben, die von gesellschaftlichen Einrichtungen und staatlichen Institutionen übernommen werden müßten. Die Kirchenleitung bejaht, daß Gemeinden in ihren Räumen, notfalls auch in Kirchengebäuden, solchen Informationen und Gesprächen Raum geben. Sie handeln dann stellvertretend für die Gesellschaft. Das liegt im Sinne des Beschlusses der Bundessynode von 1988 zu Fragen des gesamtgesellschaftlichen Dialoges3. Solche Aufgabe kann die Kirche aber nur vorübergehend wahrnehmen. Je mehr sich der Dialog und Meinungsstreit in der Gesellschaft ausbreitet, um so schneller können und müssen wir diese Aufgabe abgeben, um uns wieder darauf zu konzentrieren, den spezifisch kirchlichen, aus der Erkenntnis des Glaubens erwachsenden Beitrag in das politische Gespräch einzubringen und Gemeindeglieder in der Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung seelsorgerlich zu begleiten. Wir müssen daher unablässig die kommunalen Organe und gesellschaftliche Einrichtungen bitten, in diese Aufgabe, dem politischen 3 Vgl. die Nachweise oben Dokument 45, Anm. 4, S. 431.
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Gespräch und Meinungsstreit Raum zu geben, ganz einzutreten. Stellvertretung heißt in diesem Zusammenhang, sich selbst in dieser Sache überflüssig machen. Auf keinen Fall dürfen wir an solchen Aufgaben, weil sie Zulauf bringen, eigensinnig festhalten, weil der Dialog andernorts noch nicht tief genug und radikal genug geführt werde. Vielmehr sollten wir dazu ermutigen, daß die Versammelten ihre Erkenntnis und Stimme in ihren alltäglichen Lebenszusammenhängen, Arbeitsstätten, Schulen und Organisationen zur Geltung bringen und dort den Dialog herausfordern. Die Medien bieten inzwischen in hinreichender Deutlichkeit dafür Beispiele und Stoff. Vor allem aber sollten wir durch deutliche Unterscheidung zwischen Gebet und solchen Informationen darauf achten, daß das Gebet wirklich Gebet bleibt aus dem Hören und Gottes Wort und in der Zuwendung zu ihm und nicht durch andere Anliegen und Motivationen überlagert wird. Das wird in der Friedensdekade zu bewähren sein. 2.3. Das lediglich stellvertretende Handeln der Kirche wird dort deutlicher – muß aber immer auch deutlich erkennbar gemacht werden – wo Kirchengemeinden ihre Räume nichtkirchlichen Veranstaltungsträgern zeitweilig zur Verfügung stellen. Nur im Notfall sollte es sich dabei um die Kirchengebäude handeln. Dabei muß geklärt sein, wer die Verantwortung trägt, daß der Inhalt und der Stil der Veranstaltung nicht im Widerspruch zum Auftrag der Kirche steht und welche rechtlichen Bedingungen zu beachten sind. Das Konsistorium hat auf Grund von Beratungen in der Kirchenleitung, die dabei Überlegungen aus der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen aufnahm, eine entsprechende Rundverfügung zur Orientierung der Gemeindekirchenräte und Kreiskirchenräte herausgegeben (Nr. 34/89)4. Daraus möchte ich den Gedanken unterstreichen, daß wir immer wieder darauf dringen sollten, daß sich solche Initiativen beharrlich und wiederholt um nicht-kirchliche Räume bemühen. Wir sollten dem Hang widerstehen, zu schnell „väterlichen Schutz“ zu bieten. Das würde die gesellschaftlichen Institutionen und Einrichtungen von den notwendigen Entscheidungen entlasten. Es würde aber gerade so der erstrebten und von dem neuen Generalsekretär der SED ausdrücklich bejahten Mündigkeit des Bürgers5 nicht dienen. Die Kernfrage in diesem Zusammenhang ist, ob die Initiativen zur Bildung neuer Vereinigungen in der Gesellschaft Raum bekommen, d. h. Versammlungsmöglichkeiten und Darstellungsmöglichkeiten in den Medien. Die Kirchenleitung versteht die Mehrzahl dieser Initiativen nicht als alternativ zu den existierenden Par4 Rv 34/89 vom 18.10.1989 „Nutzung kirchlicher Räume“: Rahmenüberlegungen insbesondere wegen des Bedarfs der neuen demokratischen Initiativen zur Erneuerung, für ihre Zusammenkünfte Räume zu finden. 5 Vgl. dazu die grundsätzlichen Aussagen in der Pressemitteilung über das Gespräch zwischen Egon Krenz und Landesbischof Dr. Werner Leich; s. unten Anm. 9.
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teien, sondern als Übungsfelder für das Lernen von Diskussion, Konsensbildung und Klärung von Meinungsunterschieden. Dafür besteht nach Auffassung der Kirchenleitung nach einer langen Zeit des Schweigens und des Einübens in bloßes Nachsprechen sehr wohl ein gesellschaftlicher Bedarf. Wir müssen lernen, aus dem „Schrebergarten“ eigener Gedanken – immer nur bewässert mit den Meinungen Gleichgesinnter – herauszutreten, um unsere Gedanken dem kritischen Gespräch mit Andersdenkenden auszusetzen. Wir werden nur miteinander reden lernen, wenn wir aufeinander zu hören und auf die Argumentationen des anderen einzugehen lernen. Das würde allen Parteien, die ja schon immer jede für sich einen bestimmten Konsens voraussetzen müssen, belebend zugute kommen, daß sie stärker als bisher ihr Eigenprofil einbringen. Die Kirchenleitung unterstützt daher die Bitten um Zulassung solcher Initiativen. Sie begrüßt es, daß Vertreter solcher Initiativen in verschiedenen Orten in das öffentliche Gespräch einbezogen werden und damit ein Signal dafür gesetzt wird: Niemand soll aus dem gesellschaftlichen Dialog ausgeschlossen werden. Die Kirchenleitung ist zugleich besorgt darüber, daß die Vorwürfe der Verfassungsfeindlichkeit und Staatsfeindlichkeit unter Berufung auf parteiinterne Informationen der SED – von denen gesprächsweise erklärt wird, daß sie veraltet seien, gelegentlich wiederholt werden. Hier muß Klarheit geschaffen werden, weil auf diese Weise immer erneut Vertrauen untergraben wird. Zugleich macht diese Sachlage nach Auffassung der Kirchenleitung deutlich, wie notwendig ein eigenes Organ für die Überprüfung der Verfassungsgemäßheit ist. Jedenfalls kann nicht ein Regierungsorgan, das als vollziehende Gewalt der obersten Volksvertretung untergeordnet ist, letztlich über Verfassungstreue entscheiden. 2.4. An verschiedenen Orten auch der Kirchenprovinz haben in den letzten Wochen auch Schweigemärsche oder Demonstrationen im Anschluß an Friedensgebete oder Gebete zur gesellschaftlichen Erneuerung stattgefunden. Die Kirchenleitung ist dankbar dafür, daß dabei überall zur Besonnenheit und Gewaltlosigkeit aufgerufen und auch dafür gesorgt wurde. Sie ist froh darüber, daß die Ordnungskräfte im Bereich unserer Kirchenprovinz – außer in Halle am 9.10.6 – wirklich nur ordnend wirkten und gewaltsames Eingreifen unterblieb. Ich weiß aus Gesprächen mit Teilneh-
6 Zwei Tage nach dem 40. Jahrestag der DDR, am Montag, dem 9.10.1989, hatte sich die Lage vor der Montagsdemonstration in Leipzig dramatisch zugespitzt. Mit vergleichbarer Nervosität beobachtete die Polizei in Halle die Ansammlung von Menschen vor der Marktkirche in Halle zwischen 17 und 18 Uhr; 18 Uhr fand eine Andacht in der Marktkirche statt. Die Polizei drängte Menschen, die vor der Kirche zusammenkamen, ab, sperrte dann den Zugang zur Kirche. 37 Personen wurden zugeführt, 4 von ihnen wurden (kurzfristig?) zu weiteren Ermittlungen einbehalten. Vgl. „KEINE ÜBERRASCHUNG ZULASSEN“, S. 14–21.
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mern, welch eindrückliches Erlebnis solches Mitgehen in einer Demonstration aus ganz eigenem Entschluß darstellt, wie dadurch viele eine Stärkung ihres Selbstbewußtseins und ihrer Selbstachtung erfuhren. Ein Mann meines Alters sagte mir nach dem Schweigemarsch in Magdeburg am 23. Oktober7: Jetzt fühle ich mich wirklich als Bürger dieses Landes. Mit diesen Wirkungen führen Demonstrationen nicht vom Dialog weg, sondern in ihn hinein. Darin haben sie ihren Sinn, aber auch ihre Zeit. Sie werden ein wichtiges Element einer neuen demokratischen Kultur sein. Das sollten wir bei den heute stattfinden Demonstrationen heute bedenken. Die Kirchenleitung verweist auf die immer wieder von staatlichen Vertretern ausgesprochene Mahnung, daß der Dialog nicht auf die Straße gehöre, es dabei all zu leicht zu unkontrollierbaren Entwicklungen kommen und Gewalt entstehen könne. Die Kirchenleitung ist der Auffassung, daß dieser Gefahr dann am sichersten begegnet wird, wenn friedliche Demonstrationen genehmigt werden. Dann kann der Anmelder Verantwortung für den friedlichen Ablauf und die inhaltliche Gestaltung übernehmen, können Wegführung und Zeitpunkt so festgelegt werden, daß es zu keinen unvertretbaren Behinderungen des Nahverkehrs oder gar der Arbeitswege kommt. Dann können sich die Sicherheitsorgane auf den Schutz der Demonstration beschränken. Die bloße Beschwichtigung und Abmahnung vergrößert nur das Mißtrauen. Die Kirchenleitung ist freilich der Auffassung, daß es jetzt nicht Aufgabe der Kirche oder der Gemeinde ist, selbst zu Demonstrationen aufzurufen. Sie sind Angelegenheiten des öffentlichen politischen Lebens, müssen dort verantwortet und geordnet werden. Manche sehen sich durch die Teilnahme an solchen Demonstrationen von einer Angst befreit, in der sie sich jahrelang eingeschlossen fühlten. Das ist ein wichtiger Schritt, denn die Fesselung durch Ängste, an die sich die meisten längst gewöhnt haben, ist ein schweres Hindernis für ein offenes, freimütiges und vertrauensvolles Miteinander in unserem Land. Aber die Überwindung von Ängsten in der Gemeinsamkeit der großen Zahl ist ein Schritt. Ein anderer ist die Überwindung von Ängsten im direkten Gegenüber des Gespräches, von Ängsten vor den Erwartungen und Argumentationen des anderen, vor der Notwendigkeit der Selbstkorrektur. Nur wenn dies gelingt, kann das Gespräch konstruktiv werden in Rede und Gegenrede. Die Demonstration kann solches Gespräch nicht ersetzen. Je offener und wahrhaftiger der Dialog ist, desto eher wird der Drang zu Demonstrationen auf der Straße abnehmen, das hat der Vorsitzende der Konferenz der Kirchenleitungen, Landesbischof Dr. Werner Leich, im Gespräch mit dem Staatsratsvorsitzenden, Egon Krenz, am 19. Oktober 7 Dokumentation zu dem Montagsgebet und dem Schweigemarsch in Magdeburg am 23. Oktober 1989 in: ANSTIFTUNG ZUR GEWALTLOSIGKEIT, S. 122–128.
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unterstrichen8. Damit ist die Richtung bezeichnet, auf die wir jetzt gemeinsam Bedacht nehmen sollten. 3. Worauf es jetzt ankommt 3.1. Wie Sie wissen, empfing am 19. Oktober der damalige stellvertretende Staatsratsvorsitzende und neu gewählte Generalsekretär der SED, Egon Krenz, den Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, Landesbischof Dr. Werner Leich, zu einem Gespräch im Schloß Hubertusstock. Der Termin war wenige Tage zuvor mit dem damaligen Vorsitzenden des Staatsrates, Erich Honecker, vereinbart worden. Das Gespräch, an dem auf kirchlicher Seite die stellvertretenden Vorsitzenden der Konferenz und der Leiter des Sekretariats des Kirchenbundes teilnahmen, sollte unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden, weil wir es für dringlich hielten, frei von Protokollrücksichten den katastrophalen Vertrauensschwund in unserem Land, seine Ursachen und was notwendig sei, um ihm zu begegnen, offen zu besprechen. Als kurze Zeit nach der Bekanntgabe seiner Wahl zum Generalsekretär Egon Krenz wissen ließ, daß er den vereinbarten Gesprächstermin wahrnehmen möchte, haben wir nach erneuter Beratung im Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen entschieden, diese Möglichkeit anzunehmen, weil wir meinten, daß wir auch dem „neuen Mann“ schuldig seien, zu sagen, wie ernst und bedrohlich wir die Situation sehen. Darüber gab es ein freimütiges Gespräch. Die Schnellinformation des Sekretariates des Bundes gibt dazu in den Grundzügen Auskunft9. Wodurch wurde Vertrauen so tief zerstört, und wie kann Vertrauen wieder wachsen, das war „damals“ Gegenstand der Sorge, und das ist es heute noch. Denn es zeigt sich immer neu, wie tief sich Mißtrauen eingefressen hat, obwohl sich so vieles inzwischen veränderte. Ja, es scheint mir, daß Mißtrauen und die Ängste, aus denen es wächst, auch zum Hindernis werden, Veränderungen wahrzunehmen, sie zu erkennen, zu nutzen und zu fördern. Ich habe zur Vorbereitung dieses Berichtes den Text der Ökumenischen Versammlung „Mehr Gerechtigkeit in der DDR – unsere Aufgabe, unsere Erwartungen“10 noch einmal gelesen 8 Am 18.10.1989 löste Egon Krenz, bis dahin stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates, Erich Honecker als Staatsratsvorsitzenden ab. Einen Tag später fand im Schloss Hubertusstock ein Gespräch zwischen Krenz und dem Vorsitzenden der KKL, Landesbischof Dr. Leich, statt. Vgl. unten Anm. 9. 9 Schnellinformation des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zum Gespräch des Generalsekretärs des ZK der SED, Egon Krenz, mit dem Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, Landesbischof Dr. Werner Leich. Vom 19. Oktober 1989 (hekt.). In: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 359–361. 10 Text: ÖKUMENISCHE VERSAMMLUNG, S. 72–86 sowie: G. REIN, Opposition in der DDR, S. 205–213.
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und gefunden, daß nahezu alles, was dort an Aufgaben und Erwartungen genannt ist, inzwischen im öffentlichen Gespräch ist, wie es sich jetzt in den Medien widerspiegelt. Dabei kommt es oft viel treffender, konkreter und lebendiger zur Sprache, als dies im Text der Ökumenischen Versammlung geschehen konnte. Wir waren also gar nicht weiter, als viele andere in unserem Land, die noch schwiegen. Darüber können wir uns freuen, froh und dankbar sein vor unserem Gott. Es wäre schlimm, wenn wir diesen Dank vergessen oder gar unterdrücken würden, weil natürlich die Sorge bleibt, dies öffentliche Benennen von Problemen und Erwartungen könnte nur eine rasch und prächtig sich auftürmende Sommerwolke sein, die der nächste Wind davonfegt. Dies wird um so weniger geschehen, je aufmerksamer wir die Entwicklung dankbar und entschlossen wahrnehmen in der mehrfachen Bedeutung des Wortes. Schon das Kenntnisnehmen macht Arbeit. Es genügt nicht mehr, eine Zeitung zu lesen. Die Vielfalt der Stimmen nimmt zu. Aber es fehlt noch an ihrer Vermittlung, daß sie aufeinander bezogen werden. Dieser Aufgabe werden die Redaktionen und Kommentatoren in den Medien noch nicht gerecht. Mir ist nur ein Thema aufgefallen, das bisher im öffentlichen Dialog sich kaum niederschlägt: die Rolle der Frauen in unserem öffentlichen Leben. Gerade die Fernsehbilder von den bedeutenden Ereignissen der letzten Wochen verdeutlichen, daß dies eine wichtige Frage ist. Sie richtet sich aber genauso eindringlich an unsere Kirche. Dringlich erscheint mir auch, daß wir in unseren Gemeinden die Arbeit an den offenen und umstrittenen Fragen aufnehmen, die die Ökumenische Versammlung am Schluß des Textes 3 „Mehr Gerechtigkeit in der DDR“11 11 Dieser Text schließt mit folgenden Fragen: „5.1. Welches sind die bestimmenden Elemente und Werte einer sozialistischen Gesellschaft? Welche ökonomischen Strukturen werden diesen Werten am ehesten gerecht? Welchen Beitrag kann ein sozialistisches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zu den Überlebensfragen der Menschheit leisten? 5.2. Worin bestehen die für ein möglichst gerechtes Leben der Gesellschaft notwendigen Funktionen des Staates? Wie können wir zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft kommen? 5.3. Wie stehen wir zum geschichtlichen Weg unseres Landes? Womit können wir uns identifizieren? Wo müssen Fragen gestellt werden? Welche Informationen und Fakten fehlen? 5.4. Was heißt es, Deutscher in der DDR zu sein? Wie arbeiten wir unsere Identitätsprobleme auf? Wie kann auch die nationale Frage im europäischen Friedensprozeß geklärt werden? 5.5. Wie können wir gemeinsam theologische Grundorientierungen finden für unsere politische Verantwortung in der Gesellschaft und für den Dialog zwischen Christen und Marxisten?“ (G. REIN, Opposition in der DDR, S. 213).
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gestellt hat. Denn die Frage nach den Werten und Grundelementen des Sozialismus sollte uns Christen herausfordern. Das streitbare Gespräch darüber ist unumgänglich bei der Suche nach einer „DDR-Identität“. 3.2. Angst und daraus erwachsendes Mißtrauen werden wir nicht überwinden, wenn wir nicht die Ursachen erkennen, die zu der schlimmen Situation geführt haben. Viele Fragen und Themen sind benannt, aber die Verständigung über die Ursachen kommt nur langsam in Gang. Nach meinem Eindruck liegt es auch an der von der Vergangenheit her verbreiteten Angst vor sogen. „Fehlerdiskussionen“. Fangen diese erst an, dann beginnt traditioneller Weise die Suche nach dem schwarzen Schaf. Es ist gut und notwendig, daß sich Menschen zu ihrer Verantwortung für das, was sie getan und gesagt haben, bekennen, deutlich machen, warum sie es taten und persönliche Konsequenzen ziehen oder deutlich machen, wie und warum sie es jetzt anders machen wollen. Schuldbekenntnisse gehören normalerweise nicht auf die politische Tribüne und dürfen nicht zum Ritus werden. Sie könnten dann gerade auch die Zwänge zudecken, die zu Fehlern führten und verführten. Diese aber müssen ans Licht, wenn es zu einer „Erneuerung der Gesellschaft in der Wahrheit“12 (Werner Leich) kommen soll. Wird der Sündenbock in die Wüste geschickt, bleiben die Ursachen gerade verdeckt, und wir haben nichts gelernt. Ich halte es für die Aufgabe von Christen, zu einer angstfreien Analyse der Ursachen beizutragen und dazu, daß Fehler auch als Lernchance für alle gesehen werden. Dann kann auch menschlich entschieden werden, wer Verantwortung weiter übernehmen soll und wer nicht. Vor allem aber bedarf es rechtlich geordneter und öffentlich durchsichtiger Kontrolle für jede Machtausübung, wenn Vertrauen dauerhaft wachsen soll. 3.3. Stationen des katastrophalen Vertrauensverfalls in diesem Jahr sehe ich vor allem in folgenden Sachverhalten: Vorgänge bei der Durchführung der Kommunalwahl am 7. Mai13, die zahlreiche Eingaben hervorgebracht haben, die eilige Solidaritätsbekundung mit der chinesischen Partei- und Staatsführung nach der blutigen Niederschlagung der Demonstrationen in Peking, Enttäuschungen über den Pädagogischen Kongreß, die lange Sprachlosigkeit von Partei- und Staatsführung angesichts der panikartigen Welle der Ausreise und Auswanderung, die Gewaltanwendung bei Demonstrationen und entwürdigende Behandlung von Zugeführten im polizeilichen Gewahrsam. 12 Vgl. unten zu Zi. B 1.4. 13 „Meinungsbildung zu Anfragen im Zusammenhang mit der Kommunalwahl am 7. Mai 1989“; Beschluss der KKL vom 2./3.6.1989. In: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 329 f. Vgl. dazu: B. RÖDER, Es bogen sich die morschen Balken.
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Zur Kommunalwahl und zum Pädagogischen Kongreß wird im Teil B des Kirchenleitungsberichtes gesprochen. Ich füge im Blick auf den Pädagogischen Kongreß nur hinzu: Aufrichtige und urteilsfähige, ihre Rechte und Pflichten verantwortlich wahrnehmende Jugendliche werden aus unseren Schulen nur dann hervorgehen, wenn auch Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Eigenverantwortung geachtet und sie nicht durch Kommandostrukturen degradiert werden. Schon bei der Bestimmung der Delegierten zum Pädagogischen Kongreß14 wurde dagegen sträflich verstoßen. Zur Gewaltanwendung bei Demonstrationen und zur Behandlung von Zugeführten durch Angehörige der Volkspolizei15 sind inzwischen Entschuldigungen ausgesprochen worden und konsequente staatsanwaltliche Ermittlungen und öffentlicher Bericht darüber zugesagt worden. Ich unterstütze darüber hinaus die Vorschläge die zur Bildung einer Untersuchungskommission – am besten unter Verantwortung der Volkskammer – gemacht wurden. Eine solche Kommission sollte aber nicht nur geschehene Übergriffe untersuchen, sondern umfassend die Arbeit der Polizei und der Organe der Staatssicherheit bei Demonstrationen und anderen Großveranstaltungen, wie Fußballspiel u. ä. prüfen. Wie wird die Polizei auf solche Einsätze psychologisch vorbereitet? Wie kann der Eindruck entstehen, daß alle Beteiligten als potentielle Unruhestifter und Gewalttäter angesehen werden? Die Verständigung des bedrohlichen Erscheinungsbildes durch Ausrüstung mit Schutzschilden und Helmen, durch Vorführen von Hundestaffeln usw. darf nicht als die einzige Einstellung auf neuartige Aufgaben erscheinen. Ferner muß das Strafrecht so überarbeitet werden, daß die politische, demokratische Betätigung der Bürger nicht behindert, sondern geschützt wird. Aufgearbeitet werden muß auch die Stellung, die Parteiführung und Volkskammer zu den Vorgängen in China eingenommen haben16. Sie kann nicht ungeschehen gemacht werden. Am schwierigsten ist die aus dem langen Schweigen und Zögern der Führung der SED zur Ausreisewelle unumgänglich gestellte Frage nach der Führungsrolle der SED17. Diese Frage ragt in viele Lebensbereiche 14 Zum Verlauf des IX. Pädagogischen Kongresses: vgl. unten Anm. 33 u. oben Dokument 53, Punkt 1.3., S. 539 f. 15 Die Vorgänge aus Berlin (7.–9.10.1989) sind durch ausführliche Protokolle belegt. Vgl. G. REIN, Protestantische Revolution, S. 244–264. – Text des Protestbriefs der Ev. Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an Ministerpräsident Willi Stoph vom 13.10.1989 in: KJ 1989, S. 171 f. 16 Vgl. die Stellungnahme der 1. Tagung der XI. Synode (Juni 1989), 18.86.1989, s. dort mit Kommentierung. 17 Die Führungsrolle der SED war in der DDR durch die Verfassung von 1968 grundsätzlich proklamiert; bei der Diskussion über die Ulbrichtsche Verfassung wurde von
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hinein. Auch auf der Grundlage des Artikels 1 der Verfassung muß das angstfreie Gespräch darüber möglich sein, wie und in welchen Strukturen diese Führungsrolle nach den Normen der Verfassung wahrgenommen werden kann, wie die Trennung und Zuordnung von Staat und führender Partei und zwar auf allen Ebenen und in allen Bereichen (auch in Betrieben und im Bildungswesen) geschehen soll, wie Führungsrolle einer Partei und Gleichberechtigung aller Parteien verbunden werden können. Gerade wenn diese Führungsrolle anerkannt wird, haben Bürger ein Recht, hier Klarheit zu erlangen und mitzusprechen. In der Kaderpolitik, wie der Arbeit von Klassenelternaktiven18 und an vielen Stellen ist die Art, wie diese Führungsaufgabe bisher wahrgenommen wurde, eine ständige Quelle von Ängsten und Mißtrauen. Verfahren und Verhaltensweisen, wie sie im illegalen Kampf des Widerstandes und in der Durchsetzung der Anerkennung Grund und Sinn gehabt haben können, werden nach 40 Jahren DDR zu einer gefährlichen Unterhöhlung der Stabilität unseres Geheimwesens. Der Bürger kommt sich als bloßer Gehilfe für die Durchführung von Entscheidungen, in die er nicht einmal Einblick hat, und also als Unmündiger vor. 3.4. Das sind schwere, schwierige und angstbesetzte Fragen, die vor uns liegen und die gemeinsam bewältigt werden müssen. Das setzt nicht nur offene Sprache, sondern auch Hörbereitschaft voraus. Freilich, wer lange schweigen mußte und nur nachsprechen mußte, hat ein Recht, auszusprechen, was ihn bewegt, ängstigt und erzürnt. Wir wollten aber in unseren Gemeinden daran arbeiten, daß die Fragen so gestellt werden, daß sie den Partner und seinen Denkhorizont berühren können. Wie soll sonst der Funke zum gemeinsamen Lernen überspringen? Ich nehme ein Beispiel: Was heißt es, wenn die Bundessynode demokratische Parteienvielfalt als notwendig bezeichnet? Wie ist das in Beziehung zu setzen zu dem Parteiensystem, das wir haben? Welche Vielfalt brauchen wir wirklich? Das gegenwärtige Mehrparteiensystem19 ist orientiert an Klassen, Schichten, Bevölkerungsgruppen. Inzwischen hat sich aber die Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung des einzelnen in ihr so verändert, daß dieses Prinzip der Gliederung nicht mehr greift, ja zum Hemmnis wird. Wenn wir heute so dringend den konstruktiven Dialog
kirchlicher Seite dieses Problem vorsichtig angesprochen. Als Grundsatzvotum gegen den ideologischen Herrschaftsanspruch der SED müssen die „10 Artikel von Freiheit und Dienst“ (1963, vgl. oben Syn. 1963) gewertet werden. Öffentlich ist die kritische Rückfrage an die Führungsrolle der SED erst hier neu gestellt worden. 18 Vgl. oben Dokument 31, Anm. 4, S. 297. 19 Mit diesen Sätzen wird unterstrichen, was auch von der Bundessynode im September 1989 öffentlich genannt wurde: Vgl. Bericht des Vorsitzenden der KKL, Landesbischof Werner Leich, an die Bundessynode MBL BEK 1989, S. 38–43.
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brauchen, das Ringen um Lösungsvarianten für die anstehenden Aufgaben, so könnte uns vielleicht dieser Dialog bisher deswegen fehlen, weil unser Mehrparteiensystem sich nicht gliedert nach Lösungsvarianten, nicht darauf ausgerichtet ist. Ich deute dies hier nur als Beispiel an. Worauf es jetzt ankommt, ist, daß wir bald wegkommen von pauschalen Vorschlägen und eine Sprache üben, die hörbereit ist. Darum sich zu bemühen, stünde Christenleuten gut an. 3.5. Die ökonomischen Fragen, die der neue Generalsekretär gegen Ende seiner Rede vor dem Zentralkomitee angesprochen hat20, sind nach meinem Eindruck noch wenig im Gespräch. Sie erfordern besonders Fachkenntnis und zuverlässige Information. In Zeitungsberichten aus Betrieben lese ich von kritisch-entschlossenen und konstruktiven Diskussionen über Arbeitsorganisation, sinnvolle Arbeitsgestaltung, Plan und Eigenverantwortung usw. Hat die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, da mitzureden? Ich denke, wir haben uns wohl nüchtern daran zu erinnern, daß gerade auf dem Felde einer sinnvollen materiellen Produktion Entscheidungen fallen, von denen vieles für die Gestaltung des Miteinanders abhängt. Ich glaube, soviel verstanden zu haben: wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Es wurde nicht genügend investiert und nicht immer an der richtigen Stelle. Ich denke, es gehört zur Aufgabe der Christengemeinde, auch vor unbequemen Fragen nicht die Augen zu verschließen. Es scheint doch so zu sein, daß wir im Bereich der materiellen Produktion keinen durchgreifenden Wandel erreichen können, ohne daß wir auch Verzichte in Kauf nehmen, damit sinnvolle Arbeit und mehr Effektivität erreicht werden. Darauf sollten wir uns selbst und andere gern einstellen. Die Ökumenische Versammlung hat ja auch dazu hilfreiche Anstöße gegeben. Das wird um so leichter gelingen, je mehr wir im Miteinander der gesellschaftlichen Gestaltung unserer gemeinsamen Angelegenheiten stark werden. Das Interesse an den gemeinsamen Angelegenheiten hat in den letzten Wochen so viele ergriffen oder ist bei so vielen erkennbar geworden, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Das ist ein Kapital, in dem sich auch das zeitweilige Fehlen von Kapitalien tragen läßt. Es wird darauf ankommen, dieses Potential nicht durch Winkelzüge, Tricks und Geplänkel zu verspielen, sondern Sachverstand und Kompetenz den Vorrang vor der Parteizugehörigkeit in ökonomischen Angelegenheiten einzuräumen. Worauf es ankommt, jetzt? Ich habe in Vorträgen vor Mitarbeitern in den Propsteien im zurückliegenden Jahr es so zusammengefaßt: Es kommt auf Mut zur Wahrheit an und auf Stärkung des Rechtes. Ich kann jetzt nicht ausführen, warum dies uns Christen aus dem Auftrag her, der uns 20 Rede von Egon Krenz am 18.10.1989; vgl. ND 19.10.1989.
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gegeben ist, als Aufgabe in unserer Gesellschaft besonders naheliegen muß. Ich habe mit wachem Interesse in der Rede des neuen Generalsekretärs beides wiederentdeckt. Sind es bloß gleichklingende Formeln, eine raffinierte Täuschung der Worte? Ich möchte gern, daß wir mit nüchterner Skepsis und ohne Ängste Schritt für Schritt die Probe machen, wie weit der Gleichklang trägt. Worauf es ankommt. Der Apostel schreibt gegen Ende des Briefes an die Kolosser gleichsam als Summe: „Seid beharrlich im Gebet und wachet in ihm mit Danksagung. Betet zugleich auch für uns, daß Gott uns seine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch entfesselt bin, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muß. Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allzeit freundlich und mit Salz gewürzt, daß ihr wißt, wie er einem jeden antworten soll“ (Kol 4,2–6). BerichtderKirchenleitung,3.November1989 BerichteundBeschlüsse
55 b [Schriftlicher] Bericht der Kirchenleitung [Teil B] auf der 2. Tagung der XI. Synode Erfurt Johannes-Lang-Haus, 3. November 1989 Fundort: AKPS, Rep. C 1, Nr. 133, Dr. 31/89, S. 1–32 (Teil B), hier: S. 1–7 (hekt.).
Schwerpunkte: Kirche in der Gesellschaft (Gespräche mit den Räten der Bezirke, Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989, 9. Pädagogischer Kongreß – Eingabe des Landesjugendkonvents, Verband der Freidenker, Umweltverantwortung, kirchliche Bauvorhaben)_21 Gliederung: 1. Kirche in der Gesellschaft. 2. Gemeindeaufbau und die Gemeinschaft von Christen unterschiedlicher Tradition und Prägung. 3. Arbeitsberichte der Planungsgruppe. 4. Kirchliche Ausbildung. 5. Die Kirchenprovinz in der Gemeinschaft der Gliedkirchen des Bundes und der EKU. 6. Zum konziliaren Prozeß 21 Teil A des KL-Berichtes ist in persönlicher Verantwortung von Bischof Dr. Christoph Demke verfasst und vorgetragen worden (Beschluss der KL vom 27.10.1989, Zi. 7 des Protokolls). Teil B hat dem Plenum der KL in mehreren Sitzungen vorgelegen; Zi. 1 des Teils B ist von OKR Hans-Christoph Sens entworfen worden. Verabschiedung des Textes ebenfalls am 27.10.1989. Es entspricht der sich überstürzenden Entwicklung im Herbst 1989, dass Teil A den Charakter einer unmittelbaren Stellungnahme in diesem revolutionären Prozess hat. (AKPS, Rep. C 2, Nr. 25).
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für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. 7. Neubildung der kirchlichen Leitungsgremien. 8. Entsendung eines Pfarrers nach Tansania. 9. Begegnungen und Berichte. 10. Personalentscheidungen. 11. Kirchliche Ordnungen. 12. Kindergartenfinanzierung. 13. Kolloquium Homosexualität und Weiterarbeit an diesem Thema. 14. Bericht der Finanzplanungsgruppe. 15. Ersatzbau Leibnizstraße 50. Anlagen zum Bericht: 1. Schnellinformation des Sekretariats des BEK über das Gespräch zwischen dem stellvertretenden Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretär Egon Krenz und dem Vorsitzenden der KKL Landesbischof Dr. Werner Leich vom 19. Oktober 1989. 2. Bericht zur Frage der Stellung reformierter Gemeinden in der KPS vom 16. August 1989. 3. Gemeinsame Mitteilung der Kirchenleitung der KPS und der Vorstände der Landeskirchlichen Gemeinschaften resultierend aus einem Treffen am 21. November 1989.
1. Kirche in der Gesellschaft Der Bericht schließt in diesem Abschnitt an den Rechenschaftsbericht an, den die Kirchenleitung vor einem Jahr der letzten Tagung der X. Synode vorlegte. Wichtige Fragen wurden bereits auf der konstituierenden Tagung der XI. Synode in der Aussprache zum Bericht des Bischofs, der die Fragestunde einleitete, behandelt. Dies wird hier ebenso vorausgesetzt, wie die Arbeit und die Beschlüsse der Bundessynode vom September dieses Jahres in Eisenach22, über die auf dieser Synodaltagung gesondert informiert wird. 1.1. Kirchenzeitungen Angesichts der sich überstürzenden Ereignisse seit dem Sommer dieses Jahres fällt es schwer, sich zu erinnern. Fast vergessen scheinen die Schwierigkeiten, die im vergangenen Jahr für die Arbeit der Kirchenzeitungen durch die Einsprüche des Presseamtes gegen einzelne Ausführungen oder ganze Artikel entstanden. Dankbar konnte die Kirchenleitung feststellen, daß die Kirchenzeitungen mit Beginn diesen Jahres schon lange vor den jetzt sich abzeichnenden Veränderungen in der staatlichen Medienpolitik umfassend über das kirchliche Leben, die Arbeit und Beschlüsse der Synoden usw. unterrichten können. Ungewohnt ist, daß die Kirchenzeitungen in eigener Verantwortung das kirchliche Leben kritisch kommentieren. Die darin enthaltene Herausforderung zum Widerspruch sollte von Gemeindegliedern in Zuschriften auch wahrgenommen werden. Die Überwindung der Schwierigkeiten, die durch staatliche Einsprüche entstanden, macht die Gestaltung der Kirchenzeitungen erst recht zu einer Aufgabe, an der alle wach teilnehmen sollten, damit die Kirchenzeitungen 22 Bericht der KKL auf der 5. Tagung der V. Synode des BEK in Eisenach (15.–19.9.1989) sowie die Beschlüsse der Synode in MBL BEK 1989, S. 38 ff.; KJ 1989, S. 156; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 339–358.
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ihren Auftrag der Vermittlung „zwischen Gemeinden untereinander, Gemeinden und Kirchenleitungen und zwischen dem ökumenischen Geschehen und der Einzelgemeinde“ gerecht werden können. Die Kirchenleitung bedauert, daß dem Antrag auf eine Erweiterung der Auflagenhöhe unserer Wochenzeitung DIE KIRCHE in diesem Jahr nicht stattgegeben wurde. Der dringende Bedarf in den Gemeinden besteht nach wie vor und macht es notwendig, die Bitte um eine Erhöhung der Auflage für das kommende Jahr zu wiederholen. Angesichts der bereits erreichten Qualitätsverbesserung durch Anwendung neuer Druckverfahren ist einer Erhöhung des Abonnementspreises auf M 1,– je Monat ab 1.1.90 staatlicherseits zugestimmt worden. Das wird zur Überwindung des Defizits bei den Herstellungskosten der Kirchenzeitung beitragen. 1.2. Gedenken an den November-Pogrom 1938 Nicht vergessen werden dürfen die Erkenntnisse und Einsichten, die aus der Vorbereitung des Gedenkens an die Pogromnacht am 9. November 1938 aus den Gottesdiensten und Gedenkfeiern erwuchsen23. Dieses Gedenken an die Verfolgung und Vernichtung jüdischer Mitbürger sollte ein ständiger Bestandteil der Friedensdekade bleiben, auch wenn der 9. November nicht ausdrücklich zu einem Gedenktag erklärt wird. Die Kirchenleitung nimmt diese Empfehlung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen auf, hält aber nach wie vor für notwendig, mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zu einer Verständigung darüber zu kommen, daß der 9. November gemeinsam zum kirchlichen Gedenktag erklärt wird. Auch die Sammlung weiterer Spenden für die Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“ könnte dadurch gefördert werden.– 1.3. Gespräche mit Räten der Bezirke Zu erinnern ist auch, daß es im Berichtszeitraum zu einer Vielzahl von Gesprächen und Begegnungen zwischen Mitgliedern der Kirchenleitung und den verschiedenen Räten der Bezirke, in deren Territorium sich die Kirchenprovinz Sachsen erstreckt, kam24. Die Mitglieder der Kirchenleitung haben diese Gespräche wahrgenommen, um die in dem Beschluß der Bundessynode von 1988 „zu Fragen des innergesellschaftlichen Dialogs“ unterstrichene Dialogbereitschaft in Kirche und Gesellschaft zu bewahren und so zu fördern, daß der Dialog auf allen Ebenen Raum bekommt und 23 EKD und BEK veröffentlichten am 26.5.1988 ein gemeinsames Wort zum fünfzigsten Jahrestag des Pogroms im November 1938. In: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 296–298; ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 110–112. Zum 50. Jahrestag der Pogromnacht erschien ein hekt. Arbeitsheft: Novemberpogrom 1938. Verwiesen sei auch auf Veröffentlichungen von staatlicher Seite, z. B.: K. PÄTZOLD/I. RUNGE, Pogromnacht 1938. 24 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2378.
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alle Gemeindeglieder in ihrem Lebensbereich darin Erfahrungen machen können. „Wir müssen miteinander reden lernen, damit wir miteinander leben können“25. Auf zentraler Ebene kamen allerdings die Sachgespräche, die der Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen und das Präsidium der Bundessynode im März 1986 bereits erbeten hatten und an die immer wieder erinnert worden ist, bis heute nicht in Gang26. Unmittelbar nach der 9. Tagung der X. Synode wurden dem Bischof und anderen Mitgliedern der Kirchenleitung staatliche Einschätzungen der Synodaltagung vorgetragen, in denen die Beschlüsse der Synode als Schritte zur Konfrontation bewertet wurden und insbesondere Diskussionsbeiträge von Propst Jaeger und dem Bischof_27 kritisiert wurden. Die Kirchenleitung sah sich genötigt, Fehlinterpretationen zurückzuweisen und beauftragte den Präses, bei der Übergabe der Synodalbeschlüsse, die staatliche Entscheidungsträger betrafen, an den Bezirk Magdeburg diese Zurückweisung zu verdeutlichen. Am 27. Februar 1989 kam es zu einer Begegnung des Bischofs mit dem Ratsvorsitzenden des Bezirkes Magdeburg, Siegfried Grünwald28. Dabei wurden in einer Besichtigung Maßnahmen der Waldschadensbekämpfung im Harzgebiet erläutert und die gesamtgesellschaftliche Situation (Kaderpolitik, Stellung des Bürgers gegenüber staatlichen Organen) in strittiger Weise erörtert. In der Kirchenleitung ist wiederholt Ertrag und Sinn solcher Gespräche angefragt worden, weil durch sie eine Täuschung über das Maß der Übereinstimmung entstehen könne und der Öffentlichkeit in falscher Weise Harmonie vermittelt werde. Die Kirchenleitung ist der Auffassung, daß nur durch Gespräche sowohl Ängste als auch Illusionen überwunden werden können. Gerade deswegen sind in gespannten Situationen solche Gespräche besonders wichtig. Die Kirchenleitung ist dankbar dafür, daß im Berichtszeitraum von staatlicher Seite die Gesprächsbereitschaft nachdrücklich bekräftigt wurde. Ausgangspunkt ist dafür nach wie vor das Gespräch vom 6. März 1978. 1.4. Kommunalwahlen Die Synode hat sich auf ihrer konstituierenden Tagung in Halle ausführlich mit Eingaben zur Durchführung der Kommunalwahlen am 7. Mai 25 Bundessynode Dessau 1988 [Orig. Anm.]. Vgl. oben Dokument 53, Anm. 2, S. 536. 26 Charakteristisch ist, dass das seit langen Jahren geforderte Gespräch der Vertreter des BEK mit dem Volksbildungsministerium der DDR erstmals am 15.11.1989 zustande kam. Vgl. KJ 1989, S. 205 f. 27 Vgl. die Erläuterung zum Beschluss der 9. Tagung der X. Synode im Dokument 53b, Anm. 24, S. 549. 28 Vermerk zu diesem Gespräch (von OKR H.-Chr. Sens) AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2377.
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198929 befaßt. Sie hat sich die wesentlichen Aussagen der Meinungsbildung der Konferenz der Kirchenleitungen vom 2./3. Juni 1989 zu eigen gemacht. Der Bischof hatte Gelegenheit, dem Ratsvorsitzenden des Bezirkes Halle, Alfred Kolodniak, am 7.9.1989 die bei der Durchführung der Kommunalwahlen beobachteten beschwerlichen Sachverhalte zu erläutern. Es ging dabei vor allem darum, zur weiteren Entwicklung der Rechtsordnung in unserem Lande beizutragen, damit entstandenes Mißtrauen durch größere Rechtssicherheit überwunden werden kann. Vor allem dürfen die vorgelegten Eingaben nicht vom Tisch gewischt werden. Aus Fehlern ist zu lernen. Die Kirchenleitung hat mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen, daß der neu gewählte Vorsitzende am 24.10. erklärt hat, daß diese Eingaben ausgewertet werden und ggf. Konsequenzen für die Durchführung künftiger Wahlen gezogen werden sollen. Darüber hinaus unterstreicht die Kirchenleitung in Übereinstimmung mit der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, daß eine Neugestaltung der Wahlen notwendig ist, „damit jeder Bürger aktiv Auswahlentscheidungen treffen kann und eindeutig über die Wertung der Stimmen unterrichtet ist“30. 1.5. Pädagogischer Kongreß (Eingabe des Landesjugendkonventes) Die X. Synode hat auf ihrer letzten Tagung in Aufnahme der Eingabe des Landesjugendkonventes an den Vorsitzenden des Staatsrates sich an die Gemeindeglieder gewandt und dazu ermutigt, sich an der Vorbereitung des 9. Pädagogischen Kongresses zu beteiligen31. An verschiedenen Orten sind aus dem Gespräch von Eltern und christlichen Lehrern Anregungen und Eingaben an den Pädagogischen Kongreß erwachsen. Auf Beschluß des Vorstandes der Konferenz der Kirchenleitungen hat das Sekretariat einen Beitrag der Kommission für kirchliche Arbeit mit Kindern und Konfirmanden zur Vorbereitung des 9. Pädagogischen Kongresses der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften übersandt32. Bisher ist es in keiner der genannten Beziehungen zu einem Gespräch gekommen. Die Kirchenleitung bedauert das. Bei den Gründen, die Menschen zum Verlassen unseres Landes zu veranlassen, spielen Erfahrungen im Bereich der Volksbildung eine nicht unerhebliche Rolle. Die anhebende Diskussion über die Gründe, die bei so zahlreichen jungen Menschen zur Auswan29 Vgl. oben Beschluß der Synode auf der 1. Tagung der XI. Synode (Juni 1989) vom 18.6.1989. Die ausführlichste Darstellung zu den Vorgängen um die Kommunalwahl 1989 bietet G. BESIER, SED-Staat und Kirche 3, S. 380–396. 30 Meinungsbildung der Konferenz der Kirchenleitungen vom 2./3.6.1989 [Orig. Anm.]. Text: KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 329 f. 31 Vgl. oben Dokument 53, Anm. 10, S. 540. 32 Beitrag der Kommission für Kirchliche Arbeit mit Kindern und Konfirmanden des BEK (30. Januar 1989) zur Vorbereitung des IX. Pädagogischen Kongresses der DDR (13.–15. Juni 1989). In: ZWISCHEN ANPASSUNG UND VERWEIGERUNG, S. 364–367.
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derung geführt haben, hat die Frage nach der Erziehung in unserer Gesellschaft im Wechselspiel der Einflüsse von Elternhaus, Schule, Betrieben und gesellschaftlichen Organisationen neu wichtig werden lassen. Die Materialien des 9. Pädagogischen Kongresses lassen erkennen, daß weitere Diskussionen über didaktisch-methodische Fragen dahinterstehen, die hoffentlich zu Verbesserungen in der schulischen Arbeit führen werden. Auch die beginnende Einbeziehung neuer zukunftsrelevanter Themen in den Unterricht, wie die Umweltverantwortung, ist zu begrüßen. Es bleiben die grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis christlicher Erziehung zu kommunistischer Erziehung und kommunistischer Moral, wie sie schon durch den 8. Pädagogischen Kongreß33 entstanden waren. Vor allem aber ist die Kirchenleitung besorgt, daß Äußerungen auf dem Kongreß eine gar nicht seltene Praxis befestigen, daß nämlich der „politische Auftrag“ des Lehrers allen anderen Aufgaben wie auch der Rechtsordnung übergeordnet wird (z. B. Zensurenmanipulation bei der Werbung von Berufsoffiziersanwärtern, Ausschulungen ohne Beschwerdemöglichkeit). Frau Minister Honecker hat in ihrem Referat vor dem 9. Pädagogischen Kongreß gesagt: „Kritik an Lehrern, weil sie ihren politischen Auftrag gewissenhaft erfüllen – das soll noch einmal bekräftigt werden – darf man nicht tolerieren“34. Die Kirchenleitung ist der Auffassung, daß einer solchen Aussage, die der Willkür Tor und Tür öffnen kann, widersprochen werden muß. 1.6. Verband der Freidenker Die Ankündigung der Gründung des Verbandes der Freidenker35 hat in unseren Gemeinden Überraschung ausgelöst und manche Gemeindeglieder irritiert. Die Kirchenleitung sah keine Notwendigkeit, dazu eine besondere Stellungnahme abzugeben. Da deutlich erklärt ist, daß die Grundlage für die Tätigkeit des Verbandes die materialistische Weltanschauung bildet, kommt eine Mitgliedschaft für Christen nicht in Betracht. Wenn der Verband es sich zur Aufgabe macht, Menschen in Fragen der Lebensbewältigung zur Seite zu stehen und zu beraten, so entspricht dies sicher einem Bedürfnis vieler Menschen. Das darf aber nicht dazu führen, daß 33 VIII. PÄDAGOGISCHER KONGRESS. Darin: Rede von Margot Honecker: Der gesellschaftliche Auftrag unserer Schule, S. 56–118. 34 Referat von Margot HONECKER: Unser sozialistisches Bildungssystem – Wandlungen, Erfolge, neue Horizonte. In: ND 14.6.1989; auch als Broschüre: Berlin 1989. 35 Am 13.1.1989 konstituierte sich in Berlin der „Arbeitsausschuss für die Bildung eines Verbandes der Freidenker in der DDR“ (ND 14./15.1.1989). Der 1. Verbandstag der Freidenker fand am 7.6.1989 ebenfalls in Berlin statt (Präsident: Prof. Dr. Helmut Klein). Der Zentralvorstand gab ein Journal FREIDENKER heraus; Heft 1 (15.9.1989 [!]) enthält die Satzung. – Die Studienabteilung des BEK reagierte rasch mit: Referat Weltanschauungsfragen/Informationen und Texte Nr. 16, März 1989 Stichwort: FREIDENKER. (hekt.).
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Einrichtungen, die der Gesundheit und Lebensbewahrung der Bürger dienen, eine einseitige weltanschauliche Ausrichtung erfahren (z. B. Telefon des Vertrauens). Wenn der Verband ausdrücklich die Trennung von Staat und Kirche betont, so geht die Kirchenleitung davon aus, daß es bei einer deutlichen Trennung zwischen dem Verband der Freidenker und den staatlichen Organen bleibt. Führende Mitglieder des Verbandes der Freidenker haben mehrfach ihre Bereitschaft zu einem Dialog mit Andersdenkenden erklärt. Die Kirchenleitung hält diese Erklärung für beachtenswert, da der Verband sich mit ethischen Fragen befassen will, die für unsere ganze Gesellschaft und darüber hinaus für das Überleben der Menschheit von großer Bedeutung sind. Ein wirklicher Dialog und sachkundiger Streit kann sich aber nur zwischen gleichberechtigten Partnern entwickeln. Die Kirchenleitung kann nicht erkennen, daß die Bildung des Verbandes für Gespräche über solche Fragen notwendig und hilfreich ist. 1.7. Umweltverantwortung Die ökumenische Versammlung hat zu dieser Frage eine Mehrzahl wichtiger Orientierungshilfen erarbeitet. Hier werden diese Fragen nur soweit aufgegriffen, als sie im Gespräch mit staatlichen Verantwortungsträgern eine Rolle spielten. Der Rat des Bezirkes Magdeburg bot nicht nur in der bereits erwähnten Begegnung zwischen dem Ratsvorsitzenden des Bezirkes und dem Bischof, an der u. a. auch Kirchenforstrat Günther beteiligt war, Einblick in die Waldschadensbekämpfung im Harzgebiet, sondern lud auch fünf Vertreter der Kirchenleitung zur ersten Umweltkonferenz des Bezirkes36 ein, um ihnen einen Eindruck von der staatlichen Arbeit auf diesem Gebiet zu vermitteln. Die Konferenz diente dazu, die Komplexität der mit der Bewahrung der Umwelt gestellten Aufgaben bewußt zu machen und zu verdeutlichen, wie notwendig es ist, Wege zu einer wirklich komplexen Entscheidungsfindung in jedem Einzelfall zu entwickeln. In den außerordentlich vielfältigen Beiträgen kamen auch ethische Fragen, die Fragen des Lebensstiles und der Informationspolitik zur Sprache. Der Bischof erhielt Gelegenheit zu einem eigenen Beitrag, in dem er den Gedanken der Umkehr erläuterte. Er überreichte dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes die Dokumente der ökumenischen Versammlung, die diesem Aufgabenbereich gewidmet sind. Mit Hilfe des Rates des Bezirkes Magdeburg gelang es auch nach mehreren intensiven Vorgesprächen, die Teilnahme von staatlichen Gesprächs36 Die erste Umweltkonferenz des Bezirkes Magdeburg am 20.7.1989 in Schönebeck mit ca. 500 Teilnehmern unter Leitung des 1. Sekretärs der BL der SED Werner Eberlein. Bischof Demke nahm mit vier Mitgliedern der KL Magdeburg teil. AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2377. Darin: Vermerk Demke (3 S.) (masch.).
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partnern am Seminar „Energie für die Zukunft – drei Jahre nach Tschernobyl – ein Thema für Christen“, das in der Dom-Gemeinde Stendal vom 21.–23. April 1989 stattfand, zu ermöglichen. Die Kirchenleitung hält solche Gespräche zwischen engagierten Gruppen und Gemeindekreisen und Fachleuten aus dem staatlichen Bereich für besonders wichtig und ist deswegen für den Einsatz des Bezirkes Magdeburg in dieser Sache dankbar. Sie hofft, daß solche Gespräche auch in Halle mit der ökologischen Arbeitsgruppe in Gang kommen, die bisher vor allem staatlicher Kritik ausgesetzt war37. Im Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden des Bezirkes Halle am 7.9.1989 wurde dies in Aussicht gestellt. Weil grundsätzliches Umdenken und einzelne praktische Schritte zusammengehören und sich ergänzen müssen, begrüßt es die Kirchenleitung, wenn es auch zur Beteiligung von kirchlichen Gruppen und Gemeindekreisen an praktischen Vorhaben zum Umweltschutz kommt. Der Versuch engagierter Gruppen, durch Verteilen von Handzetteln und Aufklebern in der Öffentlichkeit auf Umweltprobleme, die durch die Nutzung der Kernenergie zur Energiegewinnung entstehen können, aufmerksam zu machen, wurde durch das Eingreifen der Sicherheitsorgane unterbunden und hatte Ordnungsstrafen zur Folge. Nach Auffassung der Kirchenleitung unterstreichen diese Vorgänge, wie notwendig es ist, daß in den Medien unterschiedliche Auffassung zu Fragen der Umweltverantwortung zur Sprache kommen und der Diskussion ausgesetzt werden. 1.8. Besondere Bauvorhaben Für einen Gemeindehausbau in Delitzsch ist die Aufnahme in den Fünfjahrplan 1990–1995 durch den Rat des Bezirkes Leipzig zugesagt und ein günstiger Standort zugewiesen worden. Es wird ein Ersatzbau für eine Reihe von Kirchen und kirchlichen Gebäuden sein, die dem Braunkohleabbau weichen mußten. Über Einzelheiten von Durchführung und Finanzierung werden mit dem VEB Braunkohlenkombinat Bitterfeld Vereinbarungen zu treffen sein. Betroffen und mit Protest mußte die Kirchenleitung zur Kenntnis nehmen, daß die Arbeiten am Gemeindezentrum Halle-Silberhöhe ohne Vorankündigung und nähere Begründung am 14. November 1988 plötzlich eingestellt wurden38. Da auch Limex-Vorhaben anderer Gliedkirchen betrof37 Über die Maßnahmen des MfS zu Überwachung und möglicher Zersetzung der Ökologischen Arbeitsgruppe beim Kirchenkreis Halle vgl. C. KUHN, „Inoffiziell wurde bekannt . . .“. 38 Für die Kirchengemeinde Halle-Silberhöhe war bereits 1983 ein Gemeindehaus-Neubau geplant worden, das in das Kirchenneubauprogramm des BEK aufgenommen wurde (LIMEX-Programm, finanziert durch Valuta-Mittel der EKD). Der Baubeginn hatte sich bereits durch Jahre verzögert. Die Mitteilung über den Baustopp im November
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fen waren, wurde der Bund um entsprechende Verhandlungen gebeten. Auch Schreiben des Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen an den Vorsitzenden des Ministerrates führten lange Zeit zu keinem Erfolg. Erst im Sommer 1989 wurden die Arbeiten in HalleSilberhöhe, wie auch in Potsdam-Stern wieder aufgenommen. So erfreulich diese Wende ist, so muß die Kirchenleitung doch den Beschluß der Bundessynode zum kirchlichen Bauen unterstreichen, in dem die Bundessynode auf verläßliche Realisierung zugesagter Bauvorhaben dringt und die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen um Verhandlungen zur Bereitstellung der notwendigen Bilanzen gerade auch zur Erhaltung denkmalswerter Bausubstanz bittet. Es ist erfreulich zu erleben, wie gerade im ländlichen Bereich mitunter Gemeinden mit hohem finanziellen und persönlichen Einsatz die Erhaltung oder Wiederherstellung ihrer Kirchengebäude vorantreiben – oft mit kommunaler Unterstützung und dankenswerter Hilfe örtlicher Betriebe. An vielen Stellen aber ist das schon angesichts der Größe der Objekte und der Größe des Schadens, der im Laufe der Jahre, in denen keine Bilanzen bereitgestellt werden konnten, eingetreten ist, nicht möglich. Wo Bilanzen schließlich bereitgestellt werden, geht es meist nur schleppend – über Jahre hin – voran, was unerhörte Mehrkosten verursacht. Hier muß alles versucht werden, eine Wende zu schaffen. [. . .]
1988 erfolgte ohne Begründung. Kirchenamt d. Föderation Evangl. Kirchen in Mitteldeutschland, Dezernat F2m, Sonderakte C 40/9 Neubauprogramm, Bd. 2.
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ANHANG
ANLAGEN Nr. I Nr. II
Kanzelabkündigung vom 31.3.1950 a) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949. Kap. B. V. Religion und Religionsgemeinschaften b) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6.4.1968. Abschn. II, Art. 39 Nr. III Beschluss der Synode der KPS vom 13.6.1956 auf der 1. Tagung der III. Synode vom 8.–13. April 1956 und Brief des Präses der Synode Dr. Kreyssig im Auftrag der Synode an den Vorsitzenden des Ministerrates Otto Grotewohl vom 17.4.1956 Nr. IV Bericht zur Volksbildungssituation 1971 Nr. V Auszug aus der Ansprache des Vorsitzenden der KL bei dem Gespräch zwischen dem RdB Magdeburg und der KL am 14.11.1975 Nr. VI Brief der 8. Tagung der IX. Synode an die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom 26.11.1983 Nr. VII Wort an die Gemeinden (Beschluß der 8. Tagung der IX. Synode vom 23.–27. November 1983) Nr. VIII Wort zur Friedensverantwortung der Kirche – an die Eingeber an die Synode (Beschluß der 8. Tagung der IX. Synode vom 23.–27. November 1983) Nr. IX Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten – OWVO – vom 22.3.1984. § 4 Störung des sozialistischen Zusammenlebens Nr. X Erklärung zur Einschätzung des Staates über die Provinzialsynode in Halle 1988 Erläuterungen zu den Beschlüssen der Synode
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I Kanzelabkündigung vom 31.3.1950 AKPS, Rep. C 1, Nr. 27, Anlage 5 zum Bericht des Bischofs (hekt.). – Abgedruckt in: G. HEIDTMANN (Hg.), Kirche im Kampf der Zeit, S. 120 f. Magdeburg, den 31. März 1950 Evangelische Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen A – 269/50 Liebe Schwestern und Brüder im geistlichen Amt! Um der vielfachen Gewissensbedrängnis der Gemeinden und aller kirchlichen Amtsträger willen hat sich die Kirchenleitung einmütig für verpflichtet gehalten, vom Evangelium her ein Wort zur politischen Heilslehre des Materialismus und der Nationalen Front zu sagen, um ihnen zu helfen, die Geister zu prüfen (1. Joh 4,1), um sie im Glauben zu stärken und sie zu ermahnen, nach ihrem an Gottes Wort gebundenen Gewissen zu handeln. Wir ordnen daher für den 1. und 2. Ostertag die Verlesung der nachstehenden Kanzelabkündigung an und hoffen, daß dieses Wort zu einem einmütigen Zeugnis der Kirche wird. Wir bitten alle Brüder, mit uns anzuhalten am Gebet, daß Gott durch dieses Zeugnis der Kirche seine Kinder stärke und seine Feinde überwinde. Kanzelabkündigung Liebe Brüder und Schwestern! Heute grüßt uns der Auferstandene mit dem Wort: Friede sei mit euch! Es ist der Auftrag der Kirche, diesen Ostergruß im Namen Jesu Christi weiterzutragen in die Welt. Friede kann nur in einem befreiten Gewissen wohnen. Wir aber sehen heute mehr als je bedrängte und unruhige Gewissen. Unaufhörlich kommen die Rufe der Gemeindeglieder zu den Kirchenleitungen, zu den Pfarrern und zu den Kirchenältesten: Helft uns! Wir werden genötigt, etwas zu sagen, was wir mit gutem Gewissen nicht sagen können. Wir werden gezwungen, uns an Aktionen zu beteiligen, die wir mit gutem Gewissen nicht mitmachen können. Wir sollen Entscheidungen zustimmen, die wir nicht billigen können – immer unter der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Drohung, daß wir sonst Amt und Brot verlieren. Besonders beweglich sind die Hilferufe der Eltern, daß ihre Kinder sich mehr und mehr daran gewöhnen, unter dem Druck der Schule, der Hochschule oder der Jugendorganisation anders zu reden und zu schreiben,
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als sie denken, daß ihnen der christliche Glaube verächtlich gemacht werde und Lehrer ihnen einzureden versuchen, daß Christus überhaupt nicht gelebt habe. Diese Not hat sich im Zusammenhang mit der gesteigerten Werbung für die Nationale Front überall spürbar verschärft. Unsere Kirchenleitung hat dies alles den obersten Regierungsstellen mit großem Ernst vorgetragen. Es ist ihr geantwortet worden, daß man Fälle, die namentlich genannt werden, überprüfen werde und gegebenenfalls eingreifen wolle. Damit aber wird die Beunruhigung der Gewissen schwerlich überwunden werden. Wir sehen uns daher genötigt, folgendes auszusprechen: 1. Die evangelische Kirche bekennt sich zu Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Dieses Bekenntnis ist unvereinbar mit der materialistischen Weltanschauung, wie sie heute gelehrt und verbreitet wird. Verwahrt euch daher jeder an seiner Stelle mit uns gegen jede Propagierung dieser Weltanschauung in den Schulen, an den Hochschulen und in staatlich geförderten Organisationen. Keine Staatsgewalt hat das Recht, jemandem eine Weltanschauung aufzunötigen, die seinem Glauben und Gewissen widerspricht. Wir rufen euch alle dazu auf, überall da, wo euer Glaube angegriffen wird, unseren Herrn Jesus Christus mit Entschiedenheit und Freudigkeit zu bekennen. 2. Die christliche Kirche verkündigt das Evangelium von Jesus Christus, der die Liebe ist und der den Seinen geboten hat, den Nächsten zu lieben, auch wenn er sein Feind ist. Wo der Haß gegen Völker oder Klassen oder Einzelne gepredigt und in die Tat umgesetzt wird, müsst ihr als Christen widerstehen. Ihr dürft euch unter keinen Umständen an solcher Haßpropaganda mitschuldig machen. 3. Die Kirche weiß darum, daß die Obrigkeit Gewalt von Gott hat. Jedem Druck auf die Gewissen aber und jedem Versuch, Überzeugungen mit Gewalt zu erzwingen, muß sie widerstehen, weil sie Freiheit und Würde des nach Gottes Ebenbild geschaffenen und durch Christus erlösten Menschen zu achten und zu schützen berufen ist. Ihr dürft euch daher an solchen Gewaltakten nicht beteiligen. Wenn ihr selbst Opfer solcher Aktionen werdet, braucht ihr als Christen euch nicht zu schämen, als hättet ihr etwas Böses getan. Leidet vielmehr das Unrecht und ehrt dadurch Gott! 4. Wo ein Glied der Gemeinde Unrecht leidet, leiden alle Glieder mit. Sie werden dann das Ihre tun, ihm auf jede Weise zu helfen. 5. Ist aber jemand unter uns, der schuldig geworden ist und ein verletztes Gewissen hat, dem sagen wir: suche mit Ernst die Vergebung Gottes und laß dir von ihm einen neuen Anfang in Christus schenken! Keiner verachte den anderen, daß er nicht selbst dem Gericht Gottes verfalle! Nur daß niemand sein Gewissen abstumpfen lasse und ein Leben voll
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täglicher Unwahrhaftigkeit schließlich als etwas Unvermeidliches und Gleichgültiges hinnehme! Mit solchem Rat und solcher Weisung befehlen wir euch, liebe Brüder und Schwestern, unserem auferstandenen Herrn, der zu den Seinen gesagt hat: Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr in ihr Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Amen An die Herren Pröpste, Superintendenten und Pfarrer der Kirchenprovinz Sachsen (123)
[gez.] Bischof.
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II Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949. Kap. B. V. Religion und Religionsgemeinschaften und vom 6.4.1968. Abschn. II Art. 39 VERFASSUNG DER DDR [1952], S. 17–19 u. VERFASSUNG DEMOKRATISCHEN REPUBLIK VOM 6.4.1968 [1974], S. 34.
DER
DEUTSCHEN
a) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949 [. . .] V. Religion und Religionsgemeinschaften ARTIKEL 41 Jeder Bürger genießt die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung steht unter dem Schutz der Republik. Einrichtungen von Religionsgemeinschaften, religiöse Handlungen und der Religionsunterricht dürfen nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke mißbraucht werden. Jedoch bleibt das Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten. ARTIKEL 42 Private oder staatsbürgerliche Rechte und Pflichten werden durch die Religionsausübung weder bedingt noch beschränkt. Die Ausübung privater oder staatsbürgerlicher Rechte oder die Zulassung zum öffentlichen Dienst sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Verwaltungsorgane haben nur insoweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als davon Rechte oder Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden. ARTIKEL 43 Es besteht keine Staatskirche. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften wird gewährleistet. Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze.
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Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie es bisher waren. Andere Religionsgemeinschaften erhalten auf ihren Antrag gleiche Rechte, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlichrechtliche Körperschaft. Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sind berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern auf Grund der staatlichen Steuerlisten nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen zu erheben. Den Religionsgemeinschaften werden Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. ARTIKEL 44 Das Recht der Kirche auf Erteilung von Religionsunterricht in den Räumen der Schule ist gewährleistet. Der Religionsunterricht wird von den durch die Kirche ausgewählten Kräften erteilt. Niemand darf gezwungen oder gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen. Über die Teilnahme am Religionsunterricht bestimmen die Erziehungsberechtigten. ARTIKEL 45 Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden öffentlichen Leistungen an die Religionsgemeinschaften werden durch Gesetz abgelöst. Das Eigentum sowie andere Rechte der Religionsgemeinschaften und religiösen Vereine an ihrem für Kultur-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet. ARTIKEL 46 Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgemeinschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen. Niemand darf zur Teilnahme an solchen Handlungen gezwungen werden. ARTIKEL 47 Wer aus einer Religionsgesellschaft öffentlichen Rechtes mit bürgerlicher Wirkung austreten will, hat den Austritt bei Gericht zu erklären oder als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. ARTIKEL 48 Die Entscheidung über die Zugehörigkeit von Kindern zu einer Religionsgesellschaft steht bis zu deren vollendetem vierzehnten Lebensjahr den
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Erziehungsberechtigten zu. Von da ab entscheidet das Kind selbst über seine Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. [. . .] b) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6.4.1968. Abschn. II Art. 39 [. . .] 1. Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben. 2. Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten und üben ihre Tätigkeit aus in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik. Näheres kann durch Vereinbarungen geregelt werden. [. . .]
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III Beschluss der Synode der KPS vom 13.6.1956 auf der 1. Tagung der III.Synode vom 8.–13.April 1956 und Brief des Präses der Synode Dr. Kreyssig im Auftrag der Synode an den Vorsitzenden des Ministerrates Otto Grotewohl vom 17.4.1956 AKPS, Rep. C 1, Nr. 37. (hekt.). Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche der KPS In der jüngsten Vergangenheit haben sich Männer des Staates und des öffentlichen Lebens über den christlichen Glauben und die christliche Kirche geäußert. Diese Äußerungen werden durch Presse, Funk und Staatsorgane öffentlich verbreitet. In gleicher Weise zu entgegnen, ist der christlichen Gemeinde vorenthalten. Als die rechtmäßigen Vertreter aller evangelischen Gemeinden der Kirchenprovinz Sachsen sind wir damit aufgerufen, Antwort zu geben. Die Synode der evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen hat in ihrer Sitzung vom 13. April 1956 folgende Erklärung beschlossen: 1. Jesus Christus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh 14,6) Er ist es, dem wir nachfolgen. Er ist es, den wir hören. Er ist es, auf den wir vertrauen. Von Seiner Gnade leben wir. Das ist unser Glaube. Wir sind zuinnerst betroffen, wenn unser Glaube als religiöser Aberglaube diffamiert wird. Durch jahrelange Propaganda in Wort und Schrift genährt, nimmt das neuerdings überhand. Auf der 3. Parteikonferenz der SED in Berlin hat der Erste Sekretär der Bezirksleitung der SED in Leipzig den christlichen Glauben als religiösen Aberglauben bezeichnet. Dasselbe hat in seiner Erklärung gegenüber den Bischöfen in der Deutschen Demokratischen Republik der Minister des Innern, Herr MARON, getan. Wer uns im Glauben, im Kern unserer Existenz, nicht gelten läßt, wer diese Behauptung der materialistisch-atheistischen Weltanschauung zum Bekenntnis des Staates macht, kann ein gedeihliches Miteinander-Existieren nicht ernstlich beabsichtigen. 2. Von den Christen sagt die Heilige Schrift, daß sie „hinfort nicht sich selber leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist“ (2. Kor 5,15). Das heißt: Unser ganzes Leben in allen Bereichen gehört Jesus Christus. Vor Ihm essen und trinken wir, vor Ihm tun wir unsere Arbeit, vor Ihm führen wir unsere Ehre, vor Ihm erziehen wir unsere Kinder, vor Ihm
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ordnen wir unser Leben mit den Nächsten im Volke und in der Gesellschaft. Wer das christliche Leben auf die „Pflege der Kulthandlungen in der Kirche“ beschränkt, verfälscht den christlichen Glauben, nötigt den Christen zum Ungehorsam gegen seinen Herrn, verkennt die Weite und Fülle von Gottes Gebot und Angebot und macht dadurch ein gedeihliches Miteinander–Existieren mit den Christen unmöglich. 3. In Jesus Christus ist Gott offenbar, den „wir über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen sollen“ (Erklärung Luthers zum 1. Gebot). Das ist unser Glaube. Wir weisen die Behauptung zurück, als wären es politische Machthaber („Adenauer“) oder politische Kräfte („NATO“), die das Handeln der Kirche bestimmten. Wer solche Behauptungen im Ernst vertritt, verkennt die Hoheit und den Anspruch des Gebotes Gottes, verdächtigt die Christenmenschen und macht dadurch ein gedeihliches Miteinander–Existieren mit ihnen nicht möglich. 4. Jesus Christus spricht: „So ihr bleiben werdet an Meiner Rede, so seid ihr Meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,31,32). Als Christen nehmen wir die Verantwortung des Staatsmannes ernst und achten in ihr die Würde, die Gott dem Amte der Obrigkeit verliehen hat. Wir dienen dem Staate nicht damit, daß wir zu allem, was die Männer des Staates tun und reden, einfach Ja sagen, sondern daß wir Tun und Reden an Gottes Wort prüfen, von ihm her unsere Entscheidung treffen, auch wo es der Gehorsam vor Gott fordert, in Ehrerbietung widerraten, und, wo solcher Rat verachtet wird, Gott mehr gehorchen, als den Menschen (Apostelgesch. 5,29) und so helfen, den rechten Weg für unser Volk zu finden. Das ist die Treue und der Gehorsam des Christen. Wer diesen Dienst als Rückschritt oder gar als Boykotthetze diffamiert, macht dadurch ein gedeihliches Miteinander–Existieren mit den Christen unmöglich. 5. Jesus Christus spricht: „Wer nun Mich bekennet vor den Menschen, den will Ich bekennen vor Meinem himmlischen Vater. Wer Mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich verleugnen vor Meinem himmlischen Vater“ (Matth 10,32,33). Christlicher Glaube ist die Bereitschaft und das Wagnis, Gott und dem Vater unseres Herrn Jesus Christus in Wort und Tat jederzeit die Ehre zu geben. Wo wir uns zu Jesus Christus bekennen, tut Gott uns selber die Quelle Seines Segens auf, ohne die weder das Leben des Volkes noch das des Einzelnen gedeiht. Christlicher Glaube ist darum am allerwenigsten eine Sache privater religiöser Gefühle. Wer ihn dazu machen will und das Bekenntnis des christlichen Glaubens aus der Öffentlichkeit verdrängt, mißachtet die Verantwortung, die ein Christ vor
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seinem Herrn in Zeit und Ewigkeit trägt und macht dadurch ein gedeihliches Miteinander-Existieren mit den Christen unmöglich. Wir setzen unser Vertrauen ganz auf Gott, der die Herzen der Menschen lenkt wie Wasserbäche und bitten ihn immer wieder, Er möchte die Männer des Staates und der Öffentlichkeit erkennen lassen, daß wir Christen nichts mehr wollen, als im christlichen Glauben den Menschen unseres Volkes zu dienen und sie, die Männer des Staates und der Öffentlichkeit, als Brüder, die uns Gott auf den Weg gestellt und für die Er, wie für uns, Seinen Sohn in den Tod gegeben hat, um Christi willen zu lieben und zu ehren. Brief der Synode an Ministerpräsident Otto Grotewohl Magdeburg, den 17. April 1956 Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Der Präses der Synode Sehr zu verehrender Herr Ministerpräsident, die vom 8.–13. April in Halle zu ihrer ordentlichen Tagung versammelten Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen wendet sich an Sie, Herr Ministerpräsident, mit der dringenden Bitte, die in der anliegenden Entschließung der Synode vorgetragenen Beschwernisse zu würdigen. Wir erlauben uns, auf das in Artikel 6 der Verfassung hinsichtlich der Bekundung von Glaubenshaß Gesagte hinzuweisen. Es geht nicht an, daß Rundfunk, Presse und Film ungehindert den Atheismus propagieren, daß der Staatsapparat sowie maßgebende Funktionäre der herrschenden Partei und der Massenorganisationen das nicht nur dulden, sondern fördern, ohne daß eine Erwiderung aus christlicher Verantwortung oder auch nur Richtigstellung mit den gleichen Mitteln möglich ist. So entsteht das Gefühl der Schutzlosigkeit und Heimatlosigkeit in dem christlichen Volksteil, zu dem die große Mehrheit des Volkes der Deutschen Demokratischen Republik gehört. So entsteht Unfriede und Mißtrauen. Wir sehen diese Entwicklung mit großer Sorge. Wir würden uns versündigen, wenn wir schwiegen. Wir haben Gottes Zorn über alledem zu fürchten. Seine Geduld mit uns könnte zu einem neuen Ende kommen. Aus dieser Sorge reden wir. Bitte, nehmen Sie diese Sorge von uns, von uns und unserem ganzen Volk. Mit geziemender Hochachtung! gez. Dr. Kreyssig An die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik z. H. des Vorsitzenden des Ministerrates Herrn Otto Grotewohl in Berlin.
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IV Bericht über Entwicklungen auf dem Volksbildungssektor im Bereich der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen1, vorgelegt auf der 6. Tagung der VI. Synode am 6.11.1971 im Diakonissenmutterhaus Halle AKPS, Rep. C 1, Nr. 102. Wir geben den Bericht nach drei Gesichtspunkten: 1 Dem Magdeburger Konsistorium sind im Laufe des Jahres eine große Zahl von Beschwerdemeldungen aus dem Volksbildungsbereich zugegangen. Sie vermittelten den Eindruck, dass es sich um ein grundsätzlich härteres Vorgehen des Staates handele. OKR Heinrich Ammer hat dem RdB Magdeburg am 19.10.1971 diese Vorgänge mitgeteilt (Vermerk: AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3379); Bischof Krusche hat dann am 25.10. im Gespräch mit dem Stellvertreter des Bezirksratsvorsitzenden für Inneres, Herrn Fritz Steinbach angekündigt, dass er die Beschwerden auf der Synode vortragen werde. Im Rat der KL ist dann am 1.11.1971 das weitere Vorgehen (Behandlung auf der Synode und Weitergabe der Liste der Beschwerdefälle an Volkskammerpräsident Gerald Götting) besprochen worden. Für die Sitzung des Synodalausschusses wurde die Einladung von Jugendmitarbeitern und Studentenpfarrern vorgesehen. Der hier abgedruckte Bericht fehlt im Aktenband der Synode. Die KL hat ihn – so muss vermutet werden – mit Absicht nicht in öffentlicher Sitzung vortragen lassen, sondern in der Sitzung des Ausschusses „Erziehung und Jugend“. Bei einer solchen Sitzung konnten die Vertreter des Staatsapparates, die den Plenarsitzungen beiwohnten, nicht teilnehmen. Im Protokoll des Ausschusses „Erziehung und Jugend“ der Synode/Halle, 6.11.1971 (= AKPS, Rep. C 1, Nr. 102) ist notiert: „Ab 20 Uhr informieren OKR Hartmann und OKR Ammer über Vorkommnisse im Verhältnis Staat und Kirche. Dazu sind außer den ständigen Mitgliedern des Ausschusses und den Gästen aus anderen Ausschüssen Mitarbeiter der Jugend-, Schüler- und Studentenarbeit aus Halle geladen. OKR Hartmann berichtet ergänzend zum Kirchenleitungsbericht von alarmierenden Nachrichten zu Beginn des Schuljahres, nach denen Jugendliche mit kirchlicher Bindung keine Aussicht auf Aufnahme in die EOS haben (KL-Bericht, S. 24/25). Gesichtspunkte: 1. Behinderung von Christenlehre- und Konfirmandenunterricht 2. Zugang zu Berufen auf dem Bildungssektor 3. Aussichten für Kinder und Jugendliche auf Fortbildung Berichte von Einzelbeispielen: Großschwarzlosen, Haldensleben, Trossin, Falkenberg, Gladigau, Klostermansfeld, Gardelegen, Zella-Mehlis. Es scheint zentrale interne Weisungen über die Verfahrensweisen der Schulen zu geben. Es hat Gespräche gegeben. Darüber berichtet OKR Ammer, der diese Gespräche bei den Räten der Bezirke geführt hat. Bis zum letzten Sommer wurden diese Dinge als sektiererische Entgleisungen bezeichnet. Ab Mitte Oktober ist das anders (Siehe KL-Bericht, S. 25). Die Berichte dort sind richtig wiedergegeben, S. 26 sind die Konsequenzen der KL gezogen. W. Barth hat in Schwerin zugesagt, sich der Sache anzunehmen. Mit den Einzelvorgängen hat sich auch die CDU positiv befasst. G. Götting hat auch ein Befassen mit der Sache zugesagt.
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1.) Seit dem Beginn des neuen Schuljahres häufen sich bei uns Berichte über Behinderung der Durchführung der Christenlehre und des Konfirmandenunterrichtes. In der Tagesschule Groß-Schwarzlosen versuchen Lehrer die Durchführung von Christenlehre und Konfirmandenunterricht dadurch zu hindern, Wir haben jetzt eine grundsätzliche Linie, begründet im VIII. Parteitag auf den Tisch bekommen. Es muss ein Weg nach vorn gesucht werden in der richtigen Haltung. Die Diskussion bewegt sich um die Fakten des KL-Berichtes und die mögliche und nötige Reaktion der Synode, die Hilfen gibt. Kritisch betrachtet sollte der KL-Bericht die Bereitschaft zur Mitarbeit der Christen betonen, die der Staat mit seinen Maßnahmen ablehnt. Das Stichwort „Bewährungsprobe“ könnte nach beiden Seiten aufgenommen werden: Die Christen müssen sich bewähren und auch das sozialistische Staatswesen. Es wird angeregt, die Synode möge ein hilfreiches Wort an die Gemeinden, insbesondere an Eltern und ihre Kinder richten.“ Der Bericht, der auf der Synode vorgetragen wurde, wurde am 11.11.1971 an den Präsidenten der Volkskammer und Vorsitzenden der CDU Gerald Götting von OKR Ammer versandt. Dem Bericht, der offenbar im Wortlaut mit dem Bericht an die Synode übereinstimmt, ist folgender Schlussabsatz beigefügt: „Die Synode hat zu diesem Bericht mit folgenden Sätzen Stellung genommen: ‚Mit unseren Gemeinden sind wir darüber erschrocken, daß die im letzten Bericht der Kirchenleitung hinsichtlich der Bildungspolitik ausgesprochenen Befürchtungen so hart eingetroffen sind. Die Kirchenleitung wird aufgefordert, über die ihr von staatlicher Seite zugesicherten Überprüfungen zu berichten.“ AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 3379. In dieser Akte sind die Beschwerdefälle aus der KPS gesammelt. Beigefügt: – Anlage 1: Bericht der Kirchenleitung vor der Landessynode Greifswald vom 4.–7. November 1971 – Anlage 2: Bericht der KKL für die Synode des BEK im Juli 1971 (Auszug: Zi. 3.5.2) – Anlage 3: Materialien zur rechtlichen Argumentation (2 S.) Außerdem enthält die Mappe: Schreiben des Bischofskonventes an die Brüder im Ephoralamt (Kopfvermerk: Anlage zu 1190–3533/71) zum gleichen Thema, unterzeichnet von den acht leitenden Geistlichen/Advent 1971. Dem Schreiben an die Ephoren sind die gleichen Anlagen beigefügt. Entsprechende Beschwerden sind sowohl von der Synode des BEK (Juli 1971), der Generalsynode der VELK/DDR (Oktober 1971) wie auch von anderen Landeskirchen (Mecklenburg, Sachsen) vorgetragen worden. Dies wird in einer Information der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK der SED vom 3.12.1971 an das Politbüro des ZK weitergegeben (F. HARTWEG, SED und Kirche 2, S. 151–155). Da in dieser Analyse die Beschwerde der KPS als besonders aggressiv eingestuft wurde, erfolgte wiederum ein Grundsatzgespräch mit der Magdeburger KL am 9.2.1972 unter Leitung von Staatssekretär Seigewasser beim RdB Magdeburg (vgl. dazu oben Dokument 30b, Anm. 9, S. 288), wegen des Hinweises auf das Gespräch in Erfurt am 9.12.1970. Ebenfalls nahmen die Stellvertreter für Inneres der Vorsitzenden der Räte der Bezirke Erfurt, Halle und Leipzig teil. Da dies Gespräch als Grundsatzantwort auf die kirchlichen Beschwerden vorbereitet worden war, wurde die ausführliche Dokumentation auch an alle anderen Bezirke der DDR versandt. Der gesamte Text ist abgedruckt bei F. HARTWEG, SED und Kirche 2, S. 181–197. Im AKPS (Rep. A, Generalia, Nr. 2369) sind entsprechend Vermerk und Auswertung dokumentiert.
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ja unmöglich zu machen, daß sie angesetzte Termine für die kirchliche Unterweisung Woche für Woche mit schulischen Unternehmungen belegen. Der Schuldirektor lehnt in dieser Angelegenheit jedes Gespräch ab. Eine Lehrerin fragte in der 8. Klasse, wer sich noch konfirmieren lasse. Als sich daraufhin Kinder meldeten, antwortete sie vor versammelter Klasse mit einem wütenden und lautstarken „Pfui“! Kinder und Gemeindeglieder sind durch dieses Verhalten ernstlich beunruhigt. Kinder, die trotzdem zum Unterricht ins Pfarrhaus kommen, werden vom Schulbus nicht nach Hause mitgenommen, sondern brüsk vom Fahrer zurückgewiesen. VEB Kraftverkehr verwies bei der Nachfrage auf die Kompetenz der Schulleitung Groß-Schwarzlosen. Ähnliches Verhalten der Schule wird uns aus Haldensleben gemeldet. Unterrichtstermine, die von Pfarrern und Katecheten angesetzt werden, belegt die Schule mit ihren Unternehmungen, so daß die Durchführung der kirchlichen Unterweisung seit Beginn des Schuljahres weithin unterbunden wird. In Trossin, Kirchenkreis Torgau, wo die Pfarrfrau die Christenlehre erteilt, wurde mit der Hortnerin der Schule regelmäßig vereinbart, wann die Kinder zur Christenlehre kommen können. In diesem Jahr wurden schriftliche Bescheinigungen der Eltern gefordert, daß ihre Kinder an der Christenlehre teilnehmen sollen und dem Direktor der Schule zugeleitet. Daraufhin erklärten Hortnerin und Schuldirektor in einer Elternversammlung des Schulhortes, Besuch des Schulhortes und der Christenlehre sei künftig an keinem Werktagnachmittag möglich, da Christenlehre erst 2 Stunden nach der Schule, d. h. nach 19 Uhr beginnen könne, was nicht realisierbar sei. Wer die Christenlehre am Nachmittag besuchen wolle, müsse den Hort bereits mittags verlassen. Das ist unmöglich, da arbeitende Eltern ihre Kinder nicht ohne Aufsicht lassen können. Der Kreisschulrat billigt und unterstützt die Maßnahme der Schule. Dem Superintendenten des Kirchenkreises wurde in einem Gespräch am 8. November 1971 durch den ersten Stellvertreter für Inneres des Rates des Kreises Torgau erklärt, die Maßnahmen des Kreisschulrates seien gesetzlich auf Grund von § 9 Abs. 4 der Schulordnung 19672, Christenlehre für Hort-
2 § 9 (4) der Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung an den allgemeinbildenden Schulen – Schulordnung – vom 29.10.1967: „Die Schüler dürfen durch Veranstaltungen, die außerhalb des Unterrichts liegen, erst 2 Stunden nach Beendigung des Unterrichts und anderer Formen der schulischen Bildungs- und Erziehungsarbeit beansprucht werden. Für die Arbeit der Freien Deutschen Jugend und der Pionierorganisation ‚Ernst Thälmann‘ sind durch die Direktoren gegebenenfalls besondere Vereinbarungen mit der Leitung der Grundorganisation der Freien Deutschen Jugend, dem Freundschaftspionierleiter und dem Freundschaftsrat der Pionierorganisation ‚Ernst Thälmann‘ zu treffen.“ In: GBL. DDR II, 1967, S. 769–780, hier: S. 772.
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kinder sei am Sonnabend Nachmittag möglich. Alle Schuldirektoren im Landkreis würden auf § 9 der Schulordnung hingewiesen werden. Daß die Hortleiterin schriftliche Erklärung der Eltern gefordert habe, sei ungesetzlich und ein erster Schritt der Durchbrechung der Schulordnung gewesen. Obwohl an vielen Orten große Schwierigkeiten bestanden, Befreiung von Hortkindern für den Besuch der Christenlehre zu erreichen, ist bisher noch nie auf Grund von § 9 der Schulordnung erklärt worden, daß Christenlehre für Hortkinder an Wochentagen unmöglich sei. 2.) Auf Grund der bei uns eingegangenen Berichte haben wir den Eindruck gewinnen müssen, daß künftig Berufe im Volksbildungssektor für christliche Kinder und Jugendliche verschlossen sein sollen und daß von Mitarbeitern auf dem Volksbildungssektor erwartet wird, daß sie ihre Bindung zur Kirche lösen und jedenfalls nicht am kirchliche Leben aktiv teilnehmen. In Falkenberg/Elster wurden Eltern von 5 Kindern, die sich für die Ausbildung zu einem Dienst im Volksbildungssektor entschieden hatten, am Tage vor der Konfirmation 1971 aufgesucht und bewogen, von der Konfirmation ihrer Kinder Abstand zu nehmen. Sie wurden verpflichtet, keine Angaben zu machen, durch wen sie besucht wurden, und eine Erklärung zu unterschreiben. 4 der betroffenen Kinder haben an der Konfirmation nicht teilgenommen. Auf einer Elternversammlung der 7. Klasse der Polytechnischen Oberschule Gladigau hat ein dort wohnender Polizeioffizier als Vater eine Kirchenälteste, die den Kindergarten in Gladigau leitet und als Mutter zugegen war, in angetrunkenem Zustand beschimpft und verbal bedroht. Anläßlich einer Diskussion über Jugendweihe hatte die Kindergartenleiterin auf die in der Verfassung verbürgte Glaubens- und Gewissensfreiheit hingewiesen und geäußert, daß Teilnahme an der Jugendweihe freiwillig sei. Der Polizeioffizier äußerte, es sei unerhört, daß derartige Leute in leitender Stellung im staatlichen Erziehungswesen tätig wären. Er erinnerte an ein Vorkommnis, daß Kinder im Kindergarten ein Lied sangen, das ihnen durch den Kindergottesdienst bekannt war, ohne daran durch die Leiterin des Kindergartens gehindert zu werden, und daß der Kindergarten Kuchen angenommen hatte, der bei einem Dorfkirchentag übrig geblieben war. Der Polizeioffizier sagte, daß der Klerus die Menschen verdumme. Es sei unverständlich, daß überhaupt noch Menschen glauben, so etwas müsse eigentlich verboten werden. Unter Ausnutzung der Glaubensfreiheit würden sich, so meinte er, viele gegen unseren Staat gerichtete Kräfte in der Kirche verbergen. Er drohte der Kindergartenleiterin an, man würde prüfen, ob sie in ihrer Stellung bleiben könne. In der Aussprache mit der vorgesetzten Behörde der Kindergartenleiterin waren der stellvertretende Kreisschulrat des Kreises Osterburg, die stellvertretende
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Kreisreferentin für Vorschulerziehung bei der Abteilung Volksbildung und eine Vertreterin der Gewerkschaftsgruppe, der die Kindergartenleiterin angehört, zugegen. Die Vertreter der Schulbehörde stellten sich hinter die Äußerung des Volkspolizei-Offiziers. Bedauerten nur, daß sie im angetrunkenen Zustand gemacht wurden, entschuldigten aber seine Heftigkeit als verständliche Reaktion auf die Stellungnahme der Kindergartenleiterin zur Frage der Jugendweihe. Sie äußerten auch, es bestehe Gefahr, daß sich die Kirche durch Kuchenspenden in den Kindergarten einschleichen wolle. Der Schulleiter der Polytechnischen Oberschule Gladigau hat eine pensionierte Lehrerin, die noch Unterricht erteilt, offiziell aufgefordert, künftig den Gottesdienstbesuch zu unterlassen, da sie damit dem Geschichtsund Jugendweiheunterricht in den Rücken falle. Ein Lehrer der Erweiterten Oberschule Klostermansfeld, der Leiter der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Klostermansfeld ist, wurde mit Wirkung vom 1. August 1971 aus dem Dienst der Erweiterten Oberschule entlassen und ihm ein Dienst an der Volkshochschule zugewiesen mit der Begründung, er könne nicht Lehrer und Prediger zugleich sein. Ihm wurde ausdrücklich erklärt, daß keine Klagen gegen ihn vorgebracht worden seien, weder von Schülern, Eltern, FDJ-Leitung noch von der Partei. Er hat sich mit der Versetzung einverstanden erklärt um seines Dienstes in der Landeskirchlichen Gemeinschaft willen. 3.) Am beschwerlichsten sind zahlreiche Berichte, die erkennen lassen, daß Christenlehrekindern und Jugendlichen in Bildungsmöglichkeiten an der Erweiterten Oberschule und an den Hochschulen verschlossen sein sollen. In Haldensleben wurden von unserem Provinzialjugendpfarrer im Mai d. J. Gesprächsabende für die Junge Gemeinde durchgeführt. Vor der Durchführung dieser Abende äußerte der Kreisschulrat in einer Klasse: „Wer diese Abende der Jungen Gemeinde besucht, hat auf der Erweiterten Oberschule nichts mehr zu suchen.“ Der Direktor der Erweiterten Oberschule gab den Internatsschülern Ausgehverbot für die Abende, die für das Gespräch in der Jungen Gemeinde vorgesehen waren. Dafür gab er verschiedene Begründungen. Für das Ausgehverbot an einem Abend wurde keine Begründung gegeben. 5 Schüler, die an den Gesprächsabenden teilgenommen haben, wurden von der Schule relegiert. Sie haben das im Zusammenhang mit der erwähnten Äußerung des Kreisschulrates gesehen. Ein Lehrer gab dazu persönlich den Hinweis, Maßstab bei der Relegierung sei, ob einer die Gewähr dafür gebe, ein guter Funktionär unseres Staates zu werden. Der Klassenleiter einer 8. Klasse in Gardelegen erklärte seinen Schülern: „Wer am Christenlehre- und Konfirmandenunterricht teilnimmt, kann
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nicht mit Aufnahme in die Vorbereitungsklassen der Erweiterten Oberschule rechnen. Wer nach der Jugendweihe an der Konfirmation teilnimmt, muß damit rechnen, daß er nach der 10. Klasse die Erweiterte Oberschule verlassen muß.“ Obwohl der Klassenleiter diese Aussage in Abrede stellt, hat sie sich in der Gemeinde verbreitet. Nachweislich ist, daß 2 Schülerinnen, die für die Erweiterten Oberschule vorgesehen waren, gefragt wurden, ob sie am Konfirmandenunterricht teilnehmen. Auf einem Elternabend in Gardelegen wurde ein Beschluß des Elternbeirates bekanntgegeben, daß sämtliche Schüler der Klasse nur an der Jugendweihe teilnehmen sollen, es sei unhaltbar, daß einige Schüler am Konfirmandenunterricht teilnehmen und später konfirmiert werden, das läge nur an den Eltern. Eltern, die ihre Kinder in den kirchlichen Unterricht schicken, seien Staatsfeinde. Der Klassenleiter hat zu diesen Äußerungen nicht deutlich Stellung genommen. An der Spezial-Schule für Schießsport in Zella-Mehlis wurde Eltern in einer ersten Elternversammlung nach Schulbeginn von einem Lehrer gesagt: „Ja, und wer tanzt denn auf 2 Hochzeiten! Ich meine: Wer von den Schülern geht zur Jugendweihe und zur Konfirmation? Der kann gleich wieder nach Hause gehen! Allerdings, zwingen kann ich keinen. Nach dem Gesetz ist es ja erlaubt. Aber es hat keinen Sinn.“ Auf Grund der Einwirkungen auf Kinder und deren Eltern in den Schulen hat es sich ergeben, daß in zahlreichen Fällen Kinder von der Christenlehre und vom Konfirmandenunterricht durch ihre Eltern abgemeldet werden aus Sorge um ihre Berufsaussichten. Zum Teil wird uns von einer Atmosphäre der Angst berichtet, die sich lastend auf Kinder und christliche Elternhäuser legt. Die uns berichteten Vorkommnisse könnten den Anschein erwecken, als handele es sich um einzelne bedauerliche Entgleisungen. Allein solche Berichte häufen sich seit Beginn des neuen Schuljahres. Bei einer Information der Superintendenten über die Entwicklungen auf dem Volksbildungssektor stellte sich heraus, daß sie in ihrem Dienstaufsichtsbereich den Berichten entsprechende Erfahrungen machen mußten. Das legt die Vermutung nahe, daß interne Weisungen des Volksbildungsministeriums ergangen sind, auf die das Verhalten von Lehrern, Schuldirektoren und Schulräten zurückzuführen ist. Insbesondere scheint der Grundsatz allgemeine Gültigkeit zu haben, daß das in der Verfassung allen gewährte gleiche Bildungsrecht sich nur auf die Ausbildung in der 10-Klassenschule bezieht, jede Bildung darüber hinaus auf der Erweiterten Oberschule und an den Hochschulen aber als Kaderbildung betrachtet wird, für die das rückhaltlose Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus Voraussetzung ist. Diese Voraussetzung sieht man bei Kindern und Jugendlichen, die nicht an der Jugendweihe teilnehmen oder trotz Teilnahme an der Jugendweihe
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konfirmiert werden, sich zur Jungen Gemeinde und zum gottesdienstlichen Leben der Gemeinde halten, nicht gegeben. Demgemäß müßte erwartet werden, daß ihnen Berufe zu denen sie sowohl die Neigung als auch die Befähigung haben, verschlossen bleiben um ihres christlichen Glaubensbekenntnisse willen.
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V Auszug aus der Ansprache des Vorsitzenden der KL bei dem Gespräch zwischen dem Rat des Bezirkes Magdeburg und der KL am 14.11.1975 AKPS, Rep. C 1, Nr. 109, Anlage 2 zu Dr. 7/76 (hekt.), S. 1–2. 1. Der grundlegende Beitrag der Kirche ist die Verkündigung des Friedens als Angebot und Gebot Gottes und das Gebet für den Frieden. „Indem die Kirche in ihrem Gottesdienst das Evangelium verkündigt und die Eucharistie feiert, richtet sie vor der Welt ein sichtbares Zeichen des Friedens auf“3. Das muß an erster Stelle genannt werden, weil hier die Kirche unvertretbar ist und diese Aufgabe ihr von niemand abgenommen werden kann. Wir sind so anspruchsvoll zu glauben, daß damit reale Veränderungen geschehen. Wenn ein Nicht-Christ auch die realen Wirkungen dieses Friedensdienstes der Kirche keineswegs wird so hoch einschätzen können, so kann er doch so viel verstehen, daß sich hier ein ganz elementarer Wille zum Frieden ausspricht. 2. Wir sehen die weltgeschichtlichen Entwicklungen im Hoffnungshorizont des kommenden Reiches Gottes. Wir verstehen darunter die durch Gott bewirkte Gemeinschaft der Menschen in Frieden und Gerechtigkeit. Das will uns zu einem Tun inspirieren, das diesem Hoffnungsziel entspricht, und ermöglicht Zusammenarbeit mit Ihnen, die Sie aus anderen Einstellungen heraus sich dem Aufbau einer menschlichen Welt in Frieden und Gerechtigkeit verpflichtet wissen. Es bewahrt zugleich vor der Resignation, wenn es zu Fehlschlägen und Enttäuschungserlebnissen kommt. 3. Wir wissen als Kirche und Christen um die Wirklichkeit des Bösen in der Geschichte, und zwar sehr wohl auch in unserer eigenen Geschichte als Kirche. Da wir das wissen, werden wir uns in unserer Gesellschaft für das einsetzen, was den Menschen gut und dienlich ist. Christen werden sich auf Grund von Informationen um differenzierte Urteile bemühen. Wir werden den Friedenswillen und die Ängstigungen anderer nicht übersehen. 4. Wir anerkennen die Friedensbemühungen der sozialistischen Länder als wichtigen Beitrag zur Entspannung. Wir sind bereit, unserer Regierung in der von ihr intendierten Politik der friedlichen Koexistenz Vertrauen entgegenzubringen. Alle Handlungen, die dieses entgegengebrachte Ver3 Bericht der Sektion II der KEK-Konsultation in Buckow [Orig. Anm.].
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trauen bestätigen, bilden neues Vertrauen. Das schließt freilich die Möglichkeit nicht aus, sondern ein, daß es Entscheidungen oder Maßnahmen geben könnte, von denen wir nicht überzeugt sind, daß sie dem Frieden wirklich dienlich sind. Wenn es hier zu Gewissensbelastungen kommen sollte, müssen wir sie aussprechen können. 5. Wir sind als Kirchen dessen, der sich zu den Armen, Ohnmächtigen, am vollen Mensch-sein Gehinderten stellte und ihnen zu ihrem Lebensrecht verhalf, in Pflicht genommen, uns um die Not der gesellschaftlich Schwachen in aller Welt zu kümmern. Wo wir sichere Informationen über Unterdrückungen von Menschen haben und ihnen durch unsere Solidaritätsbekundungen helfen können, tun wir dies4. 6. Wir sehen eine wichtige Aufgabe in der Erziehung zum Frieden, die einen integralen Bestandteil auch im kirchlichen Unterricht, der kirchlichen Jugend- und Erwachsenenarbeit und in der Ausbildung zum kirchlichen Dienst darstellt. Sie wird einüben in ein Leben aus dem Kreuzesfrieden Christi, in verstehens- und hilfsbereite Verhaltensweisen und in die friedliche Lösung von Konflikten.
4 Bischof Frenz [Orig. Anm.].
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VI [Brief an die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen] Beschluß der 8. Tagung der IX. Synode vom 26.11.1983 AKPS, Rep. C 1, Nr. 121, Dr. 7.1./83 (hekt.). An die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik 1040 Berlin Auguststr. 80 Die IX. Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen hat auf ihrer 8. Tagung vom 23. bis 27. November 1983 in Halle mit Erschrecken und Enttäuschung die Raketenstationierungsbeschlüsse westeuropäischer Parlamente zur Kenntnis genommen. Die zwischen der Regierung der UdSSR und der DDR vereinbarte Reaktion, die Vorbereitung auf die Stationierung operativ-taktischer Raketen größerer Reichweite zu beschleunigen, bedrückt uns sehr. Die gemeinsame Sorge um den Frieden hat in den zurückliegenden Monaten zu einer größeren Gesprächsoffenheit in unserem Lande geführt. Wir erkennen das – in den sichtbaren Bemühungen unserer Regierung um die Erhaltung des Friedens in Europa; – in der Gesprächsbereitschaft unserer Regierungsvertreter mit westlichen Politikern; – in ermutigenden Zeichen, wie Christen in unseren Medien öffentlich Stimme gegeben wird5; – in der erklärten Bereitschaft, auch mit Pazifisten zusammenzuarbeiten6; – in der Bereitschaft unserer Regierung, das Territorium der DDR für eine kernwaffenfreie Zone in Mitteleuropa zur Verfügung zu stellen. Die Synode bittet die Konferenz, in Gesprächen mit der Regierung der DDR an diese Erfahrungen der letzten Monate anzuknüpfen und die nachstehenden Aussagen vorzutragen7. Der Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen liegen zahlreiche Eingaben vor, die einen solchen Schritt der Evangelischen 5 Z. B. Brief der Kirchengemeinde Dresden-Loschwitz [Orig. Anm.]. 6 Erich Honecker im ‚Stern‘-Interview; ND, 4.11.1983 [Orig. Anm.]. 7 Wir bitten darum, in diesem Gespräch auch die beiden Anlagen in dieser Frage zu überreichen [Orig. Anm.].
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Kirchen in unserem Lande jetzt für dringend notwendig halten. Die Konferenz der Kirchenleitungen ist auch durch den Beschluß der Bundessynode vom 19.9.1983 jetzt zu einer Reaktion herausgefordert. In diesem Beschluß, dem wir zustimmen, heißt es: „Wir kommen dem Aufruf der VI. Vollversammlung des ÖRK nach und erklären, ‚daß sowohl die Herstellung und Stationierung als auch der Einsatz von Atomwaffen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellen, und daß solch ein Vorgehen aus ethischer und theologischer Sicht verurteilt werden muß‘“. 1.
Der Staatsratsvorsitzende hat mehrfach erklärt, daß mehr Rüstung nicht mehr Sicherheit bedeutet, und daß es keinen Stationierungsautomatismus geben darf. Wir halten es für verhängnisvoll, daß diese Einsicht jetzt offenbar aufgegeben wird und der Frieden durch noch mehr Waffen gesichert werden soll. Wir bitten die Verantwortlichen dringend darum, die Erkenntnis, daß mehr Waffen nicht mehr Sicherheit bringen, auch künftig konsequent in konkrete Politik umzusetzen. Wir halten es deshalb für dringend erforderlich, – daß alles versucht wird, auf die beabsichtigte Stationierung von neuen Raketen auf dem Boden der DDR zu verzichten und die Vorbereitungen dazu einzustellen; – daß die Abrüstungsverhandlungen nicht abgebrochen, sondern gerade jetzt auf allen Ebenen weitergeführt werden; – daß in Aufnahme des politischen Konzepts der Sicherheitspartnerschaft eine gemeinsame Kommission von der Regierung der DDR und der BRD gebildet wird, die Fragen der militärischen Sicherheit und Abrüstung bearbeitet; – die Kontakte zwischen beiden deutschen Staaten auf allen Ebenen fortzuführen und nach Möglichkeit zu verstärken.
2.
Wir bejahen, daß unser Staat die Aufgabe hat, für die Sicherheit unseres Landes zu sorgen, und wir wollen an der Stärkung der DDR weiter mitarbeiten. Uns erschreckt aber, daß schon durch die bestehende Rüstung unser Land ökonomisch, ökologisch und moralisch belastet wird. Auch und gerade in dieser Situation der Rüstungseskalation wollen wir als Kirche deutlich machen, daß wir bereit sind, – dazu zu helfen, Spannungen in unserem Land abzubauen, weil sie friedensgefährende Belastungen darstellen; – mit den Kirchen der Welt im Gespräch zu bleiben, daß sie das ihre tun, um Unrecht, Not und Gewalt zu verringern;
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3. 3.1.
3.2.
3.3.
3.4.
3.5.
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– uns an neuem, bisher kaum erprobten, ökonomisch weniger aufwendigen Formen der Sicherheit unseres Landes zu beteiligen (unter anderem sozialer Friedensdienst); – neue Lasten, die durch ökologische Anpassung der Produktion entstehen, mitzutragen; – im Lande und nach außen solche Einschränkungen verständlich zu machen, die den Friedenswillen der DDR auch im Blick auf die Dritte Welt deutlich erkennen lassen. Darüberhinaus sollte die Konferenz der Kirchenleitungen Gespräche zu folgenden Problemen suchen: Wir sehen uns in der derzeitigen Situation in Mitteleuropa genötigt, den Gemeindegliedern zu sagen, daß wir militärische Rüstung nicht mehr als ein sinnvolles Instrument zum Schutz des Friedens betrachten und somit auch die Beteiligung am Wehrdienst infrage stellen müssen. Wir erwarten, daß die Gewissensentscheidung von Wehrdienstverweigerern (auch bei Reservisten) respektiert wird. Da der Einsatz von Massenvernichtungsmitteln nach unserer Einsicht gegen Grundsätze des Völkerrechtes, der Menschenrechte und des Kriegsrechts verstößt und in einem solchen Fall die Berufung auf „Gesetz, Befehl oder Anweisung“ nicht entschuldigen8, glauben wir, daß der Fahneneid für den Fall der Mitwirkung am Einsatz von Massenvernichtungsmitteln nicht binden kann. Daher wäre zu fragen, welche juristische Konsequenzen dies für unsere Wehrgesetzgebung hat9. Wir lehnen ebenso wie viele Frauen, die uns beunruhigt geschrieben haben, jede Art der Erfassung oder des Einsatzes der Frauen zum militärischen Dienst ab. Ebenso lehnen wir ab, daß Mädchen im Sportunterricht und vormilitärischen Übungen zum Schießen genötigt werden. Das Militärische darf nicht das gesellschaftliche Leben vom Kriegsspielzeug für Kinder bis zu Übungen der Zivilverteidigung ausnahmslos durchdringen. Darin erkennen wir keine Erziehung zum Frieden. Wir bitten die Konferenz der Kirchenleitungen insbesondere in Gesprächen mit der Regierung dafür einzutreten, daß die Hoffnung, die sich im Friedensengagement unserer Gemeinden Ausdruck verschafft, nicht zum Erliegen gebracht wird. Halle, den 26. November 1983
8 Strafgesetzbuch § 95 [Orig. Anm.]. 9 Vgl. Erklärung „Frieden und Gerechtigkeit“ der VI. Vollversammlung von Vancouver, Zi. 25 [Orig. Anm.].
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VII Wort an die Gemeinden Beschluß der 8. Tagung der IX. Synode vom 23. bis 27.11.1983 AKPS, Rep. C 1, Nr. 121, Dr. 7.2./83 (hekt.). Wort an die Gemeinden Wir leben im Advent und hören das Wort: Unser Herr kommt als Gerechter und als Helfer. Und gerade in diesen Wochen zerbrechen viele Hoffnungen. Darum schreiben wir Euch. In Westeuropa werden neue Raketen stationiert. In Genf wird nicht mehr miteinander gesprochen. Neue Raketen sollen auch in unserem Land aufgestellt werden. Weiterhin verzehrt die Rüstung das Brot der Armen. Es geschieht, was doch keiner will und wollen kann. Dabei waren wir uns mit unseren politisch Verantwortlichen darin einig, daß weitere Raketen uns nicht sicherer machen. Daran halten wir fest und sagen nein zur Stationierung neuer Raketen bei uns. Es bleibt unsere Aufgabe, alle Verhandlungen zu unterstützen. Denn Rüstung ist keine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Wir erleben, daß viele von denen, die sich besonders für den Frieden eingesetzt haben, die Hoffnung sinken lassen. Aber ohne Hoffnung können wir nicht leben. Darum fragen wir mit Euch: Was gibt unserer Hoffnung verläßlichen Grund? Jesus war, ist und bleibt Gottes Ja zum Leben. Gott will nicht, daß wir seiner Welt Tod und Zerstörung bringen. Gott will für unsere Welt das Leben. Daran wollen wir uns halten. Die Sehnsucht nach Frieden hat vielfältige zeichenhafte Handlungen ausgelöst. Für jedes erkennbare Zeichen des Friedens unter uns sind wir dankbar. – In der Friedensdekade waren wir im Gebet miteinander verbunden. – Die große Zahl der Eingaben zum Frieden aus den Gemeinden zeigt, wie viele der Resignation widerstehen.
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– Viele haben neu angefangen, auf den zu hören, der wahrhaft Frieden
stiften kann, und sie versuchen, Frieden zu leben. – Junge und Alte erschrecken über die Rechtfertigung militärischer Gewalt heute; der Dienst mit der Waffe ist keine Selbstverständlichkeit mehr. – Die sozialen Folgen der Rüstung in aller Welt werden nicht mehr einfach hingenommen. In all Eurem Erschrecken und in aller Gefahr überseht solche Zeichen des Friedens nicht. Die Friedensbemühungen und Einübung in friedliche Verhaltensweise müssen wir verstärken. Dem ausweglosen Freund-Feind-Denken müssen wir widersprechen. Der Versuchung, die als Feinde anzusehen, die in Zwängen leben und uns in Zwänge bringen, müssen wir widerstehen. Euch Eltern bitten wir: Ermutigt Eure Kinder und laßt sie, wo sie bedrängt werden, nicht allein. Euch Jugendliche bitten wir: Bedenkt rechtzeitig die Entscheidungen, die auf Euch zukommen, und welchen Weg Ihr als Christen gehen könnt. Die Frauen, die in militärischen Sicherungsmaßnahmen einbezogen werden sollen, ermutigen wir, sich auf die Freiwilligkeit der Teilnahme zu berufen. Wir bleiben auf der Suche nach einer zivilen Alternative zum Wehrdienst, die in unserem Lande Sicherheit und Frieden fördert. Euch Älteste und kirchliche Mitarbeiter bitten wir: Informiert Euch und Eure Gemeinden über die Beratungen und Entscheidungen unserer Synoden. Wir bitten Euch alle: Sucht die Gemeinschaft mit allen, die auf der Suche nach Frieden anders entschieden als Ihr. Wir haben für den Frieden gebetet und wollen es weiter tun. Unser Herr kommt uns entgegen und bleibt bei uns, auch wenn wir schwach werden. Der Friede unseres Herrn Jesus Christus sei mit uns allen. Die Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Dr. Höppner) Präses
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VIII [Wort zur Friedensverantwortung der Kirche – an die Eingeber an die Synode] Beschluß der 8. Tagung der IX. Synode vom 23. bis 27. November 1983 AKPS, Rep. C 1, Nr. 121, Dr. 7.3./83 (hekt.). Einleitung Die Synode hatte auf ihrer Herbsttagung 1982 gesagt, daß der Einsatz von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln in unaufhebbarem Gegensatz zum Evangelium des Friedens steht und „der nukleare Krieg unter keinen Umständen und niemals gerechtfertigt werden kann“. Sie hatte die Gemeinden unserer Kirche gebeten, die Frage zu diskutieren, welche Konsequenzen für unser Handeln diese Einsicht hat, angesichts der konkreten Erkenntnis, daß ein Krieg in Mitteleuropa nahezu unvermeidlich zu einem Nuklearkrieg eskalieren wird. Der Präses der Synode hatte die Gemeinden noch einmal dringlich mit einem Brief vom 11.3.1983 an diese Bitte gewiesen und dabei insbesondere die 3 Fragen der Bundessynode – Dürfen Christen sich an der Vorbereitung von Verteidigung mit atomaren Waffen beteiligen, wenn doch sicher ist, daß die Verteidigung unwiederbringlich zerstört, was sie schützen soll? – Dürfen Christen sich an der Ordnung mit Waffen beteiligen, die eben die Katastrophe wahrscheinlich machen, die sie verhindern sollen? – Können Christen und Kirchen angesichts des unvorstellbaren Grauens eines möglichen Krieges Waffengewalt als Mittel der Friedenssicherung und zum Schutz des Nächsten noch rechtfertigen? zu bedenken gegeben. Die Antwort darauf ist in einer Weise erfolgt, die uns tief berührt hat. Das gilt schon von dem zahlenmäßigen Umfang, in dem sich die Glieder unserer Gemeinden an uns gewandt haben; etwa 80 Briefe liegen uns vor, in denen direkt durch eine Unterschrift oder durch den Bericht über ein Gespräch, an dem sie beteiligt waren, die Meinung von mindestens 1000 Christen zum Ausdruck kommt. Ebenso berührt sind wir von dem Engagement und dem Ernst, mit denen sichtlich um die Antwort gerungen worden ist. Das gilt auch von der Fülle von Gemeinschaft, die sich in dem Ringen um solche Antwort gefunden zu haben scheint. Und das gilt schließlich für das große Vertrauen, das aus ihnen zu uns spricht; hier
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fühlen wir uns geradezu von der Sorge betroffen, ob und wie wir diesem Vertrauen zu entsprechen vermögen. Unsere Bitte hat das brüderliche Gespräch untereinander und mit uns ausgelöst und so Gemeinde Gestalt werden lassen. Diese Erfahrung macht uns dankbar, das wollen wir als erstes ausdrücken. Wir wissen, daß das Gespräch über die bedrängende Frage, wie wir mitwirken können, Frieden zu schaffen, noch viel umfassender und intensiver die Gemeinden erfaßt hat, als es die Briefe an die Synode erkennen lassen. Wir sehen schon in der Tatsache dieses Gespräches ein Zeichen der Hoffnung; einen Damm gegen Resignation oder gar Verzweiflung. Es sind Viele, die von der gleichen Frage bewegt sind, die in gleicher Weise unterwegs sind, um den Frieden zu gewinnen. Wenn die Versuchung der Resignation und der Verzweiflung uns bewältigen will, dann dürfen wir uns in dieser Gemeinschaft bergen. Wir vermögen es nicht, auf alle Fragen, die an uns gerichtet sind, zu antworten; und wir haben nicht die Antwort auf alle Fragen. Deshalb muß das Gespräch auch morgen weitergehen. Wir haben in unserer folgenden Antwort versucht, die Kernfragen des begonnenen Gesprächs zu erkennen und aufzunehmen. Es gibt freilich auch noch andere, wichtige Aspekte der Friedensproblematik, über die wir miteinander reden sollten, auch wenn sie bisher nicht im Brennpunkt unseres Interesses standen. Wir konnten unsere Antwort unvollständig und offen für das weitere Gespräch lassen, weil wir einladen zu einer direkten Begegnung bei einem Friedenswochenende, das bis zum Sommer 1984 einberufen werden soll. Wir werden unseren Weg nur gehen können, wenn wir uns immer wieder neu fragen, zu welchen Schritten uns der Gott des Friedens heute und morgen leiten will. I Vor welche Fragen sind wir gestellt Die meisten Eingeber antworten auf die drei genannten Fragen mit NEIN und teilen die Überzeugung der Provinzialsynode, „daß uns die Beteiligung an einer Kriegführung mit Massenvernichtungsmitteln von Gott untersagt ist und wir dabei nicht mitwirken können, ohne Gott, den Schöpfer, Versöhner und Vollender zu verleugnen.“ Dieses NEIN fügt sich ein in den aktuellen ökumenischen Kontext. So erklärte die Weltkirchenkonferenz in Vancouver 1983, daß, – „sowohl die Herstellung und Stationierung als auch der Einsatz von Atomwaffen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellen“; – „daß Christen erklären sollten, daß sie es ablehnen, sich an einem Konflikt zu beteiligen, bei dem Massenvernichtungswaffen oder andere Waffen, die wahllos alles zerstören, eingesetzt werden“.
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Als kompliziert und strittig erwiesen sich aber die Fragen, – welche Konsequenzen dieses grundsätzliche NEIN für unser konkretes Handeln hat; – wie insbesondere Waffendienst heute zu beurteilen ist. Drei Positionen lassen sich unterscheiden, die auch unter uns in der Synode vertreten sind. Diese drei Positionen sollen hier skizziert werden: 1. Waffendienst ist uns nicht mehr möglich. 2. Waffendienst lehnen wir ab, können diese Ablehnung aber nicht leben. 3. Waffendienst ist uns (noch) möglich. Zu 1. Waffendienst ist uns nicht mehr möglich Christen (wie auch Nichtchristen) in vielen Ländern lehnen den Weg militärischer Friedenssicherung heute ab und erklären außerdem, daß sie sich nicht weiter durch Massenvernichtungsmittel schützen lassen wollen. Die politische Einsicht und der Nachfolgeruf Jesu kommen bei ihnen so zur Deckung, daß sie für sich selbst den Dienst mit der Waffe verweigern. Gleichzeitig suchen sie nach Wegen, wie sie beim Aufbau einer überlebensfähigen und lebenswerten Welt teilnehmen können. Ihr NEIN zum Militärdienst kommt also aus ihrem JA zum Leben. So schreiben Frauen: – „Wir trauen keiner Sicherheit, die durch Abschreckung mit Massenvernichtungsmitteln bewirkt werden soll und die durch die entsprechende Drohung des Gegners immer unsicherer wird. – Darum möchten wir in einer Sicherheit leben, die aus Vertrauen zum anderen erwächst, damit wir auf Massenvernichtungsmittel verzichten können. – Wir können uns auch nicht denken, daß ein Waffendienst unserer Söhne und Töchter zum Schutz unseres Landes einen Sinn hat (im Ernstfall wären doch selbst Sieger Verlierer). – Wo früher Mütter stolz waren, wenn ihre Männer und Söhne in den Krieg zogen und ihr Leben für das Vaterland einsetzten, wollen wir versuchen, den Mut unserer Söhne und Töchter zu begleiten, wenn sie heute im Sinne des Friedens den Dienst mit der Waffe verweigern. – Wir sind bereit, von unserem Lebensstandard abzugeben. Wir wären sehr froh, wenn durch Abschaffung von Kriegsmaterial Mittel freiwerden, die helfen, Gerechtigkeit herzustellen, damit nicht an einem Tag 40.000 Kinder sterben müssen.“
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Eine andere Gruppe von Christen formuliert ihre persönliche Entscheidung so: „Wir sehen auch auf unserer Seite – trotz aller Abrüstungsabsichten und trotz aller auf Rüstungsstopp zielenden Vorschläge – die Zwänge des Abschreckungssystems so wirksam, daß wir für uns selbst die Beteiligung daran im Wehrdienst, in der Wehrerziehung und in paramilitärischen Einheiten ablehnen. Wenn wir uns dennoch daran beteiligen sollten, so nur aus Furcht vor persönlichen und familiären Nachteilen und Belastungen, die daraus entstehen können. Wir nehmen dann eine Schuld auf uns. Unsere Vorbehalte aber werden wir auch in unserem Verhalten im militärischen Bereich deutlich machen. Wir fühlen uns verbunden mit denjenigen, die ihre Ablehnung des Abschreckungssystems dadurch zeichenhaft ausdrücken, daß sie Bausoldaten werden. Wir suchen aber beharrlich weitergehende Schritte, die sich auf soziale Dienste als klare Alternative zum militärischen Dienst richten.“ Wir erkennen in diesen Entscheidungen gegen den Waffendienst Wege des Glaubensgehorsams, denen sich die ganze Kirche stellen muß, – die auch unter schweren persönlichen Belastungen nach einer zeichenhaften Bewährung des Glaubens suchen; – die schon heute zu leben versuchen, was morgen sein soll: eine Welt ohne tödliche Gewalt; – die alle Christen zu der Frage herausfordern, ob sie überhaupt noch ein gutes Gewissen beim Waffendienst haben bzw. zum Waffendienst machen können. Wir sind uns bewußt, daß diejenigen, die hier Leiden auf sich nehmen, unserer Stützung, Stärkung und Begleitung bedürfen. Zu 2. Waffendienst lehnen wir zwar ab, können diese Ablehnung aber nicht leben Die überwiegende Mehrheit unter uns lebt mit der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Spannung zwischen Einsicht und Verhalten. Gemeindekreise schreiben: „Wir wissen nicht, wie weit die Kraft eines jeden von uns reicht, um auch im Ernstfall nach unserer Einsicht zu handeln.“; „Wir heißen unsere Beteiligung an der Abschreckung durch den Wehrdienst, in der Wehrerziehung, in den paramilitärischen Einheiten und in der für den Militärischen Bereich arbeitenden Industrie nicht mehr gut. Wenn wir uns trotzdem daran beteiligen, so nur aus Furcht vor den Folgen, die eine Ablehnung der Beteiligung nach sich zieht. Wir bitten unseren Herrn Jesus Christus, daß er uns diese Furcht nimmt und uns zu einem klaren Zeugnis für seinen Frieden fähig macht.“
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Uns fällt es oft schwer, mit der belastenden Spannung zwischen Einsicht und Verhalten zu leben10. Wir können auch nicht verschweigen, daß viele von uns bisweilen die Resignation ansteckt, die sagt: „Du kannst ja doch nichts tun.“ Zu 3. Waffendienst ist uns (noch) möglich Einige von uns sind der Überzeugung, daß der Waffendienst zum Schutz des Friedens noch gerechtfertigt werden kann, und daß es darauf ankommt, diejenigen einzudämmen, die zum Kriege rüsten. Eine Gruppe von Jugendmitarbeitern weist auf folgendes hin: „Der völlige Verzicht auf eine Verteidigung mit Gewalt durch Waffen ist in unserer auf die Vollendung wartenden Welt noch nicht möglich. Im Blick auf die weltweite Situation beurteilen wir den Einsatz von Waffen immer als die schlechteste und allerletzte Möglichkeit der Verteidigung.“ Ein Gemeindekreis gibt zu bedenken, daß wir nicht übersehen dürfen, „wer bei der fortlaufenden Aufrüstung der Bedrohte und der Bedrohende ist [. . .] Wir fragen uns, ob Christen angesichts des unvorstellbaren Grauens eines atomaren Krieges dazu aufrufen und beitragen dürfen, das Risiko für einen potenziellen atomaren Aggressor zu vermindern.“ Die hinter diesen Zitaten stehenden Situationsanalysen müßten weiterdiskutiert und auf ihre Bedeutung für die Glaubensentscheidung hier ernsthaft bedacht werden. Alle drei in sich differenzierten Positionen in unserer Kirche brauchen das herausfordernde und brüderliche Gespräch, das uns alle im Ringen um glaubwürdige Christusnachfolge zusammenbindet. II Auf der Suche nach einem deutlichen Wort In den Briefen und Eingaben ist immer wieder die Wehrdienstverweigerung genannt worden, als die exemplarischer Konkretion, in der die Erkenntnis zur Friedensverantwortung persönlich gelebt wird. Viele Stimmen der Briefschreiber haben „ein deutliches Wort der Synode“ verlangt. Wir sind einander Rechenschaft schuldig. Deshalb möchten wir als Synode versuchen zu sagen, wie wir heute die Wehrdienstverweigerung sehen und wie wir zu ihr stehen. 1. Seit Jahren ist von unserer Synode immer wieder ausgesprochen worden, daß wir unser Friedenszeugnis auch als Beitrag zu der staatlichen Politik der Friedenssicherung ansehen und eine Mitverantwortung wahrzunehmen versuchen. Dabei haben wir uns für eine 10 Vgl. dazu Abschnitt III [Orig. Anm.].
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Umkehrung des Rüstungswettlaufes, eine Abkehr von Geist und Logik der Abschreckung und eine Politik der Koexistenz und Sicherheitspartnerschaft mit Staaten anderer Gesellschaftsordnung ausgesprochen. – Zu dieser Mitverantwortung steht die persönliche Waffendienstverweigerung nach unserem Verständnis in zeichenhafter Korrespondenz. Mit ihr wird dem Staat nicht nur zugemutet, eine individuelle Gewissensentscheidung zu tolerieren. Es wird ihm damit auch ein sicherheitspolitisches Signal angeboten, das darauf drängt, alles an die Umwandlung der militärischen Abschreckungspolitik in eine Politik der Sicherheitspartnerschaft zu setzen und ein durch Verträge gesichertes Zusammenleben. 2.
Wir wissen, daß eine Entscheidung zur Waffendienstverweigerung heute bei uns vielfach auf Mißtrauen stößt, auf die Verdächtigung, sie sei gegen die Interessen der DDR gerichtet, und pazifistische Entscheidungen seien staatsgefährdend. Sie ist auch vielfach mit Nachteilen und Schwierigkeiten im Ausbildungsweg verbunden. Durch beide Belastungen ist die Waffendienstverweigerung stark angefochten und wird von anderslautenden Ratschlägen immer wieder bestritten. Christen, die Waffendienst verweigern, sind darum in ihrer Entscheidung nur zu oft elementar auf ihren Glauben angewiesen. Sie suchen Gewißheit mit der Glaubensfrage: „Was willst Du, Herr, das ich heute in diesem Bereich tun soll?“ Das setzt voraus, daß wir die Weisung Jesu als Stimme Christi heute an uns hören. Sie führt uns im Streit der vernünftigen Argumente zur Klärung und zu einem Tun aus Gewißheit. Es ist die Gewißheit, seinen verbindlichen Ruf mitten in dem Feld der Fragen von Militärdienst zu hören. 3. Soweit können wir Synodalen Ihnen zu dieser Frage eine gemeinsame Antwort geben. Als wir versuchten, die weitergehenden Fragen der Eingaben zu beantworten, ob Waffendienst heute überhaupt noch ein Weg für Christen sein kann, haben wir erfahren, daß wir uns in der Synode zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu einer einhelligen Antwort zusammenfinden konnten. Eine ganze Reihe von Gliedern der Provinzialsynode sagen: 3.1. Wir glauben, daß die im Friedensdienst engagierten Christen in der Waffendienstverweigerung heute „das Rechte tun“. In dem Sinne das Rechte tun, wie es Bonhoeffer (der bis an sein Lebensende aus dem Glauben an die Rechtfertigung des Sünders lebte) bei seinem Nachfolgeschritt in ein ganz anderes politisches Feld gewiß war, das Rechte zu tun. Von diesem Schritt schreibt er 1944: „Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen [. . .] nicht in der Flucht der
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Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit [. . .] Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, nur von Gottes Geist und deinem Glauben getragen. Und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen“. Wir sehen in der Entscheidung zur Waffendienstverweigerung, das uns heute vom Herrn gebotene ‚rechte Tun‘ und können es heute im Waffendienst der Armeen der Staaten Europas so nicht mehr erkennen. Für eine Reihe von uns faßt sich das in dem Ausdruck zusammen: „Ich bin nicht mehr im Stande, jemanden zum Armeedienst ein gutes Gewissen zu machen“. Indem wir das so aussprechen, treten uns sogleich christliche Brüder vor Augen, die solche Entscheidung nicht mitvollziehen. Entweder nicht, weil sie sich außer Stande sehen, die Folgen zu tragen, oder weil sie die Weisung Christi so nicht vernehmen. Wir wollen daraus weder eine Art Klassenunterschied zwischen den verschieden handelnden Christen ableiten, noch soll es zu einer grundsätzlichen Spaltung oder zur Verweigerung der Herrenmahlgemeinschaft unter uns kommen. Vielmehr wollen wir im Gespräch bleiben und vor allem die Last derer in Fürbitte und Begleitung mittragen, die durch unumgehbare Zwänge zu ihrer Entscheidung für den Armeedienst geführt werden. Wir möchten aber auch dem Eindruck begegnen, als ob die Frage von Wehrdienst und Verweigerung in das Belieben des Einzelnen gestellt sei. Vielmehr suchen wir in unserer Kirche für unser Verhalten auf dem Feld der Sicherheitspolitik des Staates so dringlich die rechte Erkenntnis und Gewißheit aus dem Hören auf die Stimme Christi, daß das Gespräch unter uns darüber nicht abreißen kann und wir einander nicht mehr loslassen dürfen mit der Frage: „Wie führt der Herr in dieser Hinsicht seine Gemeinde heute und morgen?“ [. . .] Ein anderer Kreis von Synodalen erklärt sich zu der Kernfrage folgendermaßen: Wir sind der Auffassung, daß sich ein Christ dem Armeedienst nicht generell entziehen kann. Aus Gründen des Glaubens und der Vernunft sind auch heute zur Friedenssicherung Armeen unverzichtbar. Darum ist der Armeedienst eine Konkretion der Nächstenliebe, sofern die Armee ein Instrument der Sicherung des Friedens ist. Wir bejahen die Wehrdienstverweigerung als eine Möglichkeit bindender Gewissensentscheidung. Wir sehen, zusammen mit anderen Brüdern, einen Atomkrieg in jedem Falle als unverantwortlich an und möchten ebenso helfen, den Wahnsinn des Rüstungswettlaufes zu stoppen und in die Abrüstungsbewegung zu verwandeln. Wir fordern mit den anderen, alles dafür einzusetzen, daß die Aufrüstungsspirale gegenseitiger Drohungen umgekehrt wird zu einer schrittweisen Abrüstung, einer Minderung militärischer Bedrohung und so zunehmend abge-
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löst wird durch die Sicherheitspolitik von Verträgen und friedlicher Koexistenz mit den Staaten anderer Gesellschaftsordnungen. Aber wir halten für die Zeit der Verhandlungen die bestehende Rüstung im Rahmen eines militärischen Gleichgewichtes noch für notwendig. Darum sehen wir auch den Armeedienst von Christen noch als eine verantwortliche Entscheidung an. Wir hätten den Schreibern der Eingabe zur Friedensfrage als Synode gerne eine einheitliche Antwort gegeben, so wie sie viele unter uns gewünscht haben. Wir hätten gerne die Stimme der Synode als Ton einer klaren Trompete erklingen lassen (1. Kor 14). Aber eine einheitliche Antwort, die zugleich deutlich bleibt, war in unserer Synode nicht zu gewinnen. Hätten wir sie versucht, wäre die Aussage in der Sache verwaschen gewesen und am entscheidenden Punkt undeutlich geblieben. Darum hielten wir es für besser, deutlich zu sprechen und die Brüder und Schwestern, die Eingaben schrieben, am Gespräch unserer Synode teilhaben zu lassen. Das Gespräch in der Bruderschaft unserer Kirche wird weitergehen müssen. Es wird in sich selber ein Bewährungsfall dafür sein, ob wir in unserem Friedenszeugnis und Friedensdienst selber aus dem Frieden Gottes leben, der uns in Christus bewahrt und die Versöhnung mit Gott und den Brüdern gewährt (Röm 5,1), gerade auch wenn er uns unversöhnlichen Einspruch gegen die vermeintlichen Zwänge einer friedlosen Welt aufträgt. Das Gespräch geht darum notwendigerweise weiter und möchte auch mit Ihnen weitergehen.
III Wie gehen wir mit unseren friedensethischen Erkenntnissen um, und wie gehen wir im Licht dieser Erkenntnis miteinander um? Vor allem möchten wir hier zu den Vielen sprechen, die in großer Offenheit eingestehen, daß ihnen zwar das Nein zur Beteiligung an allem, was Rüstung heißt, in unserer Zeit eskalierender Rüstung völlig klar und zwingend sei, daß sie es aber nicht schaffen, diese Erkenntnis auch konsequent zu leben und die Folgen auf sich zu nehmen11. In dieser Situation ist es eine naheliegende Versuchung, die eigene Erkenntnis von sich wegzuschieben, weil man nicht im Dauerkonflikt zwischen Gewissen und Handeln leben kann. Auch diejenigen, die andern jene friedensethische Erkenntnis zumuten müssen, kennen diese Versuchung. Eltern, Seelsorger, Kirchenleitungen fragen sich, ob sie Jugendliche und andere Gemeindeglieder in diesen Konflikt stürzen dürfen, der sie zu Außenseitern der Gesellschaft macht oder in einem inneren Zwiespalt 11 Vgl. I, Zi. 2 [Orig. Anm.].
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zerreibt. So neigen wir aus Fürsorge oder Selbsterhaltung dazu, die Forderung abzuschwächen oder zu verdrängen. Aber das ist kein Weg. Wir würden dann sagen „Friede, Friede!“ wo kein Friede ist (Jer 6,14). Wir würden uns aus einem Konflikt davonstehlen, statt ihn aufzuarbeiten. Wir würden unsere Gewissen einschläfern, statt die Gewissen zu wecken und wachzuhalten. Dreierlei möchten wir zu bedenken geben: 1. Der Kern aller christlichen Friedensethik ist, daß wir auf die Stimme Jesu Christi hören. Wir haben es also nicht mit einer abstrakten Forderung, einem Prinzip, einer alle zwingenden logischen Konsequenz zu tun. Vielmehr haben wir in alledem, was uns heute in der Friedensfrage bewegt, die Begegnung mit unserem lebendigen Herrn zu suchen. Er aber ruft uns, mit ihm zusammen den Weg der Friedensstifter zu gehen, die als seine Brüder und Schwestern Gottes Kinder sind (Mt 5,9). An ihn also sind wir gewiesen mit unsern Fragen und Zweifeln, was wir können und was nicht. Er spricht zu jedem in seiner persönlichen Lage, mit seinen Gaben, Kräften und Grenzen, in seinen Bindungen und Verpflichtungen. Er zwingt niemand Werke des Friedens auf, sondern zieht uns in den Frieden Gottes hinein, damit Friede von uns ausgeht und getan wird. Weil sie „Kinder seines Geistes“ sind, können seine Jünger die Werke der Abschreckung und Vergeltung nicht tun (Luk 9,55). Er mutet keinem Untragbares zu und Jüngerschaft ist gerade keine Uniform und kein Gleichschritt für alle. An einer abstrakten ethischen Forderung können wir zerbrechen, uns im Dauerkonflikt zwischen Gewissen und Angst aufreiben, in der Dauerreflexion, die nie zum Tun kommt, steckenbleiben oder in den faulen Frieden eines salvierten Gewissens flüchten. Christus aber ruft uns da heraus, indem er uns das Joch aussucht, das zu unseren Schultern paßt, und indem er uns zusagt, es mit uns zu tragen. So kommt alles darauf an, daß jeder den Ruf und die Zumutung Jesu für sich entdeckt, und daß wir uns im Gespräch miteinander dazu helfen. Hier ist auch ein Wort an die Entschiedenen angebracht, die ihre friedensethische Einsicht konsequent leben12. Weil der Friede so gefährdet ist und ihre Einsicht so starke Gründe der Bibel und der politischen Vernunft für sich hat, wirkt sie auf andere so drängerisch und liegt es so nahe, sie andern wie ein zwingendes Gesetz aufzuerlegen. Das erzeugt innere Abwehr, und die Entschiedenen sehen sich dann häufig in der Rolle des lebensfernen Rigoristen, der womöglich außerdem noch – z. B. als kirchlicher Mitarbeiter – gut reden hat. Es kann aber nicht darum 12 Vgl. I, Ziff. 1 [Orig. Anm.].
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gehen, daß wir uns die Peitsche einer unbedingten Forderung um die Ohren hauen, sondern daß wir uns die Ohren öffnen für die Stimme Jesu Christi, einander freimachen und dann auch freigeben für den Weg, den er einen jeden führen will. Freilich ist auch zu sagen, daß wir die Tragekraft der Stimme Jesu Christi nur erfahren, wenn wir ihr folgen13. Die Kraft dazu gibt er nicht vorweg, so daß wir von uns aus entscheiden könnten, ob wir die Kraft zur Nachfolge haben oder nicht. Wenn wir uns seiner Stimme anvertrauen, werden wir dann auch erfahren, daß wir der Gebrochenheit unseres Christseins nicht entkommen, daß er uns vielmehr mit unsern Schwächen und Zwiespältigkeiten tragen muß. Eben das tut er. 2. Häufig kann man die besorgte oder empörte Feststellung hören: Wenn die Kirche nein zum Wehrdienst sagt, dann spricht sie den Christen in der Armee das Christsein ab. Besonders Christen in kirchenleitenden Funktionen sind von der Sorge bewegt, daß wir mit solch einem Nein die Christen in zwei Klassen einteilen, je nach ihrer Haltung in dieser Frage in die Besseren und in die Schlechteren. Da die Friedensfrage zusammen mit der Gerechtigkeitsfrage zum Hauptproblem unserer Welt geworden ist, drängt sich vielen der Eindruck auf, daß sie auch das entscheidende Kriterium des Christseins sei. Auch hier gilt natürlich, daß wir uns die Wahrheit des Wortes Gottes nicht verschleiern dürfen, um die Einheit der Kirche zu retten. Denn die Kirche und wir Christen haben ja unsere Einheit und Gemeinschaft nirgend anders als in diesem Wort und dieser Wahrheit, die Christus selber ist. Aber diese Wahrheit ist ja die gute Botschaft von dem Herrn, der die Sünder annimmt und um seinen Tisch vereint (Luk 15,1 f.). Wenn wir um ihn versammelt sind, begegnen wir uns alle in der Gebrochenheit unserer Existenz. Erfährt sie der eine bei seinen Kompromissen in der Friedensfrage, so der andere in seiner Ehe oder seinem Beruf. Der Splitter des Kompromisses im Auge des Soldaten oder Kampfgruppenglieds14 kann eine Winzigkeit sein gegenüber dem Balken des Stolzes im Auge des konsequenten Pazifisten. Wir sind alle Menschen, denen Christus das Christsein zuspricht, obwohl er es uns allen absprechen müßte. Daraus folgt nicht die billige Toleranz, die jeden machen läßt, weil keiner besser ist als der andere. Vielmehr werden wir uns gegenseitig kritische 13 Vgl. Bonhoeffer-Zitat Abschnitt II, Zi. 3.1. [Orig. Anm.]. 14 Nach dem Aufstand vom 17.6.1953 wurden in den größeren Volkseigenen Betrieben Betriebskampfgruppen gebildet, die in der Freizeit militärisch ausgebildet und im Laufe der Jahrzehnte auch mit mittelschweren Waffen ausgebildet wurden. Sie kamen praktisch nur einmal zu einem wirklichen Einsatz bei der Errichtung der Mauer in Berlin am 13.8.1961.
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Fragen zu stellen haben, uns beim Wort Jesu behaften und uns auch einmal sagen müssen: Was du da tust, ist nach meiner Erkenntnis gegen Gottes Gebot. Das aber kann nicht heißen, daß wir uns das Christsein absprechen, es muß vielmehr heißen, daß wir uns gegenseitig das Christsein zusprechen, aber konkret und verbindlich: Weil du Christ bist und Christus zu dir steht, könntest du da, müßtest du da nicht dieses versuchen, jenes lassen usw.? Die Frage, wie wir im Licht unserer friedensethischen Erkenntnis miteinander umgehen, wird also zur Frage, ob wir auch aus der Rechtfertigung des Sünders leben oder aus der Werkgerechtigkeit. Und Werkgerechtigkeit ist nicht nur, wenn einer dem anderen wegen dessen Fehlentscheidung das Christsein abspricht, sondern auch, wenn einer mit seiner Entscheidung sich nicht den kritischen Fragen anderer aussetzen will. Nur wenn wir aus der vergebenden Liebe Gottes leben, wird der Dialog gelingen, den wir in der Friedensfrage weiter führen müssen, damit wir in unsern unterschiedlichen Entscheidungen beieinander bleiben und miteinander auf dem Weg des Friedens vorankommen. 3. Warum ist es so schwer, in unserer Welt das Nein zum Wettrüsten praktisch zu leben? Aus den vielen Gründen, die hier zu nennen wären, möchten wir zwei hervorheben und dazu zwei Hinweise geben. Die Wehrdienstverweigerung und analoge Entscheidungen werden als Nein zu unserer Gesellschaft aufgefaßt und behandelt. Und die Verweigerer werden so zu Außenseitern, die zwar viele Sympathisanten haben, sich in ihrem Handeln aber doch als Randgruppe fast auf dem Abstellgleis und ohne Perspektive fühlen. Da in unserer Gesellschaft die Bereitschaft zur Landesverteidigung als ein entscheidendes Kriterium staatsbürgerlicher Gesinnung angesehen wird, werden wir das Mißverständnis, es handele sich bei der Wehrdienstverweigerung um ein Nein zum Staat, kaum restlos überwinden können. Umso wichtiger ist es daher, daß wir selbst aus dem Ja Gottes zum Frieden – d. h. auch zum Frieden und zur Zukunft unseres Landes – leben und dieses Ja mit unserer ganzen Existenz bezeugen. Nicht als müßten Wehrdienstverweigerer ihre Verweigerung mit positiven gesellschaftlichen Leistungen sozusagen wieder gutmachen. Damit hätten wir uns ja die negative Wertung der Verweigerung zu eigen gemacht, während sie doch als Entscheidung für die Zukunft unseres Landes, die militärisch gerade nicht gesichert werden kann, gemeint ist. Daß sie so gemeint ist, gilt es aber deutlich zu machen in Worten, Taten und Zeichenhandlungen, und die Eingaben zeigen, daß viele dafür eine große Phantasie aufbringen. Wir dürfen also nicht in die Rolle des chronischen Neinsagers geraten, uns diese Jacke nicht anziehen. Wir entdecken dann viele positive Handlungsmöglichkeiten einfach nicht mehr und spielen uns selbst ins Aus.
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Gewiß gehört zu diesem Ja auch Kritik an unserer Gesellschaft. Viele leiden an Erfahrungen der Friedlosigkeit in ihr. Aber auch die Kritik soll aus dem Ja kommen und nicht aus dem aggressiven Ressentiment. Es genügt nicht, die Friedlosigkeiten unserer Gesellschaft nur bloßzustellen, es gilt, daran mitzuarbeiten, daß unsere Gesellschaft friedlicher, entspannter, freundlicher wird. Dennoch kann es sein, daß die Verweigerer eine Randgruppe scheinbar ohne Perspektive bleiben. Hier kann es helfen, wenn wir uns der Hoffnung vergewissern, aus welcher die Entscheidung für den gewaltlosen Friedensdienst lebt. In dieser Entscheidung wird vorwegnehmend schon heute eine Einsicht praktiziert, die in der Welt von morgen die herrschende wird sein müssen, weil sie zu deren Überleben notwendig wird. So hat es C. Fr. von Weizsäcker schon in den 60er Jahren nahegelegt und unsere christliche Hoffnung ermutigt uns dazu. In diesem Sinne können wir die Verweigerer als Pfadfinder zu einer Welt verstehen, die es lernt, ihre Konflikte nicht durch Massenmord, sondern auf gewaltfreien Wegen auszutragen. Ihre Einsicht und vorwegnehmende Praxis führt heute noch in eine Außenseiterposition, weil unsere Welt noch tief in den objektiv längst überholten Mechanismen des Abschreckungssystems befangen ist und sich gegen die Risiken des Auswegs daraus wehrt. Die Außenseiterposition ist aber nicht die Fremdlingschaft einer absterbenden Sekte, sondern die Fremdlingschaft einer Vorhut, die eine noch unvertraute Zukunft zu leben wagt, die also um eine Perspektive weiß und sich nicht in die Rolle hoffnungsloser Spinner drängen läßt. Damit wollen wir den Verweigerern nicht ein elitäres Selbstbewußtsein einflößen. Wohl aber gilt es auch hier, das Nein aus dem Ja zu begreifen, statt den Depressionen einer kleinen erfolglosen Minderheit zu erliegen. Es gilt nach Wegen zu suchen, wie die Hoffnung ansatzweise schon heute gelebt und ausprobiert werden kann und wie wir uns heute als Pfadfinder in die Zukunft bewähren können. IV Schritte und Zeichen Das NEIN zu Geist und Logik der Abschreckung entspringt dem JA zu allem, was der Erhaltung der Schöpfung und des Lebens, was dem Frieden und der Verheißung dient. Dieses JA führt uns zum Umdenken. Es greift an die Wurzeln unseres Bestrebens, uns in der Beschränkung auf uns selbst Sicherheit durch immer gefährlichere Waffen auf Kosten anderer zu verschaffen. Dabei können wir doch Leben nur zusammen mit anderen haben. Das Friedenszeugnis
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Christi ermutigt und befreit uns, den Frieden mit allen gemeinsam zu suchen. Friedenserziehung ist im verstärkten Maße geboten. In den Eingaben ist eine solche Fülle von Ideen und Anregungen genannt, daß wir sie nicht alle aufführen können (dazu soll das Friedenswochenende eine Gelegenheit bieten). Friedenserziehung heißt zunächst für uns in unserem engeren Lebensbereich und in der Gemeinde: – Eine neue Haltung im Umgang miteinander zu gewinnen, die in jedem Mitmenschen zugleich den mitbetroffenen Nächsten und Bruder sieht, ihn zu verstehen sucht und in gemeinsame Bemühungen einbezieht. – Weisen des Miteinanders zu entwickeln und einzuüben, die uns mit Konflikten offen umgehen und Gespräche nicht abreißen lassen, so daß Spaltungen in Kirche und Gemeinde vermieden werden. – Bei uns und unseren Kindern der Verführung zum Feinddenken, zur Ideologie der Abgrenzung und zum Sichverlassen auf militärische Stärke mit allen Kräften entgegenzuwirken. – Das Verständnis für politische Entwicklungen und politische Verhältnisse zu fördern, besser argumentieren zu lernen und Verstand und Emotionen ins rechte Verhältnis zu bringen. – Unseren Lebensstil im Sinne einer Gerechtigkeit für alle zu überdenken und fähig zu werden zur Solidarität und zum Miteinanderteilen. Für den Bereich des öffentlichen Lebens in der Gesellschaft bedeutet das für uns weiterhin: – Jeden kleinen Schritt zu unterstützen, der von Seiten des Staates auf Sicherheitspartnerschaft zielt, alle auch noch so kleinen und unscheinbaren Ansatzpunkte friedensdienlicher Entscheidungen und Maßnahmen ausfindig zu machen und zu fördern. – Zu unserem Leben und Bleiben in unserer Gesellschaft auch Erfahrungen zu bejahen. – Uns in verantwortlicher Mitgestaltung einzusetzen für unsere sozialistische Gesellschaft, in der der Mensch dem Menschen ein Helfer sein soll. – Die menschliche Gestaltung von Gesellschaft und natürlicher Umwelt mit zu bedenken und aktiv zu fördern. – Überall und zu jeder Zeit das Gespräch über den Frieden in Partnerschaft zu suchen. – Der Sterilität des Konfrontationsdenkens die schöpferische Phantasie des Miteinanders entgegenzusetzen. Um unser JA zu bezeugen, sollten wir daher auch weiterhin Aktionen und Zeichenhandlungen phantasievoll wahrnehmen, wie sie in den vergangenen
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Jahren entwickelt worden sind (z. B. Friedensgebet, Friedensdekade, Friedenswerkstätten, persönliche Friedenserklärungen). Dabei sollten wir darauf achten, daß solche Aktionen und Zeichenhandlungen positiv anregen und nicht Aggressionen unter uns wachrufen, die die ursprüngliche Absicht ins Gegenteil verkehren. Alles, was wir tun, ist begründet in der Hoffnung, die letztlich nicht aus der Erkenntnis der Weltsituation, sondern aus der Auferstehung Christi erwächst. Diese Hoffnung mutet uns zu, ihr mehr zu trauen als den Realitäten. Sie wehrt der Resignation, die das Scheitern aller Bemühungen immer schon vorweg nimmt. Nur diese Hoffnung eröffnet uns immer wieder neue Schritte und Möglichkeiten. Sie befreit uns dazu, unsere Ängste genau zu erkennen und zu benennen, einen klaren Blick für die Situation zu gewinnen und angstfrei zu handeln. Sie treibt uns, mit unseren Gedanken und Absichten nicht allein zu bleiben, sondern das Gespräch, die Unterstützung und Ermutigung einer Gruppe zu suchen. Dies ist auch der Ort, die Kraft gemeinsamen Gebets erneut zu entdecken. Diese Hoffnung läßt uns auch die Verbindung zu Menschen aufrechterhalten und suchen, die aus Gründen vernünftiger Einsicht gleiche Wege gehen. In der Hoffnung der Auferstehung haben wir die Zusage und sie gilt schon jetzt: „Selig sind, die Frieden stiften, selig sind die Friedfertigen, denn sie sollen Gottes Kinder heißen“.
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IX Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten – OWVO – vom 22.3.1984. § 4 Störung des sozialistischen Zusammenlebens Abgedruckt in: GBL. DDR I, 1984, S. 173 f.; KUNDGEBUNGEN BEK 2, S. 165 f. [. . .] Störung des sozialistischen Zusammenlebens §4 (1) Wer vorsätzlich das sozialistische Zusammenleben der Bürger stört, indem er 1. ruhestörenden Lärm verursacht oder Bürger anderweitig ungebührlich belästigt, 2. rechtswidrig Sachen oder Einrichtungen geringfügig beschädigt oder verunstaltet oder solche Sachen, soweit sie von geringem Wert sind, zerstört oder unbrauchbar macht, 3. eine Zusammenkunft, die geeignet ist, gesellschaftliche Interessen zu mißachten oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu beeinträchtigen, organisiert, unterstützt, in sonstiger Weise daran mitwirkt oder diese nach Aufforderung durch zuständige Staatsorgane nicht verläßt, 4. in demonstrativer Weise eine Mißachtung von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften, staatlichen oder gesellschaftlichen Interessen bekundet oder dazu auffordert, 5. Gegenstände, Symbole oder andere Zeichen in einer den staatlichen oder gesellschaftlichen Interessen widersprechenden Weise verwendet, 6. Weisungen der zuständigen staatlichen Organe zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit zuwiderhandelt, 7. andere Handlungen begeht, die den allgemeinen Interessen der sozialistischen Gesellschaft oder den Bedürfnissen der Bürger nach Gesetzlichkeit, Ordnung und Sicherheit widersprechen, kann mit Verweis oder Ordnungsstrafe bis 500 Mark belegt werden. (2) Ebenso kann zur Verantwortung gezogen werden, wer gegen Gesetze und andere Rechtsvorschriften oder deren Verwirklichung gerichtete Erhebungen durchführt, schriftliche Erklärungen sammelt, verbreitet, veranlaßt oder daran mitwirkt. (3) Wurden durch die Ordnungswidrigkeiten nach Abs. 1 Ziffer 1 und 2 der Bevölkerung dienende oder öffentlich zugängliche Sachen oder Ein-
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richtungen beeinträchtigt, und ist eine nachhaltigere erzieherische Wirkung auf den Rechtsverletzer notwendig, kann zusätzlich oder selbständig die Heranziehung zur gemeinnützigen Arbeit ausgesprochen werden. (4) Bei geringfügigen Zuwiderhandlungen sind die dazu ermächtigten Angehörigen der Deutschen Volkspolizei befugt, eine Verwarnung mit Ordnungsgeld von 10 bis 20 Mark auszusprechen. (5) Sachen, die zur Begehung einer Ordnungswidigkeit nach Abs. 1 Ziffern 3 bis 7 oder Abs. 2 benutzt oder hergestellt wurden, können neben dem Ausspruch einer Ordnungsstrafe oder selbständig unabhängig von Rechten Dritter eingezogen werden. (6) Die Durchführung des Ordnungsstrafverfahrens obliegt den Leitern der Dienststellen der Deutschen Volkspolizei. Anmerkung Erhebliche Störungen des sozialistischen Zusammenlebens können als Straftat gegen die staatliche und öffentliche Ordnung oder als Sachbeschädigung verfolgt werden. [. . .]
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X Erklärung zur Einschätzung des Staates über die Provinzialsynode in Halle 1988 AKPS, Rep. A, Generalia, Nr. 2377. Der Kirchenleitung ist die Einschätzung des Staates zur diesjährigen Tagung der Provinzialsynode in Halle durch den Bischof übermittelt worden. Die Kirchenleitung hat die darin enthaltenen kritischen Fragen zur Kenntnis genommen. So sehr die Kirchenleitung bereit ist, kritische Anfragen zur Arbeit der Synode zu hören, so sehr muß sie die in diesen Anfragen enthaltenen Unterstellungen zurückweisen. Sie kann es nicht akzeptieren, daß z. B. die Aussagen zum 6. März 1978 als „leeres Lippenbekenntnis“ abqualifiziert werden. Der Gesamtzusammenhang der Synodalverhandlungen und so auch die Aussagen der Kirchenleitung in ihrem Bericht an die Synode zum Prinzip der Trennung von Staat und Kirche haben offenbar in der vorgetragenen staatlichen Einschätzung keine Berücksichtigung erfahren. Es gehört zu den in der Grundordnung unserer Kirche festgelegten Aufgaben der Synode, „zu Lebensfragen der Gesellschaft Stellung“ zu nehmen. Es ist völlig abwegig zu denken, die Kirche wolle einen „Keil zwischen Volk und Staat“ treiben. Es geht uns vielmehr darum, durch das Aussprechen auch problematischer Punkte das konstruktive Miteinander der verschiedenen Kräfte der Gesellschaft zu fördern. Die Kirchenleitung bedauert, daß dies nicht verstanden worden ist. Sie kann weder in den Ausführungen zur Durchführung der Kommunalwahlen eine „Attacke gegen den sozialistischen Staat“ noch in den beanstandeten Bemerkungen des Bischofs eine Verunglimpfung des Staates und leitender Repräsentanten sehen. Leider ist durch die isolierte Wiedergabe einzelner Teile der Synodalverhandlung in der Presse der BRD an manchen Stellen dieser Eindruck entstanden. Dagegen unterstreicht die Kirchenleitung, was sie in ihrem Bericht an die Synode deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß es keine Alternative zur am 6. März 1978 festgestellten Grundorientierung des Verhältnisses von Staat und Kirche gibt und daß sie die Trennung von Staat und Kirche gerade als Basis und Ausgangspunkt für ein offenes, nämlich auf der Respektierung des jeweiligen Auftrages beruhendes und um Verständnis bemühtes Gespräch sieht. Um so mehr ist sie betroffen darüber, daß Ausführungen von Propst Jaeger und eine Bemerkung des Bischofs zur Rede von Professor Kurt Hager als Verstoß gegen diese Respektierung und als eine Art Kampfansage auf staatlicher Seite beurteilt worden sind15. 15 Vgl. dazu Dokument 53b, S. 549 mit der Anm. 24. Bischof Demke hatte in der Aus-
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Die Kirchenleitung möchte schließlich darauf hinweisen, daß die Aussagen von Propst Jaeger, die auch ohne ihn auf Grund einer Eingabe bei der Synode zur Sprache gekommen wären, weitgehend in einem Beschluß der Synode aufgenommen worden sind, der ohne Gegenstimmen verabschiedet wurde. Diese Stellungnahmen sind, wie es die Synode selbst betont hat, Beiträge zum Nachdenken und können schon deshalb nicht als Einmischung in die Angelegenheiten des Staates betrachtet werden. Die Kirchenleitung hofft, daß diese Erklärung zur Verdeutlichung der Intentionen der Synode beiträgt und den Dialog über den weiteren Weg unserer Gesellschaft befördert. [II. Teil des Aide-memoire der Kirchenleitung vom 2.12.1988] Die X. Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen hat sich auf ihrer 9. Tagung Ende Oktober in Halle entsprechend ihrem in der Grundordnung unserer Kirche beschriebenen Auftrag mit Fragen beschäftigt, die das Leben und Zeugnis der Christen im gesellschaftlichen Bereich betreffen. Die Kirchenleitung bittet darum, Äußerungen und Erklärungen der Synode zu Fragen, die in den staatlichen Entscheidungsbereich gehören, vortragen und erläutern zu können. 1. In einer Reaktion auf den Rechenschaftsbericht der Kirchenleitung hat die Synode geäußert, daß sie in den ihr vorliegenden Berichten und in der gegenwärtigen Gesamtsituation von Kirche und Gesellschaft Zeichen der Hoffnung und bedrängende Fragen erkenne. Die in dem betreffenden Synodenbeschluß (Dr. 21.1./88) genannten Beispiele und der Gesamtzusammenhang der Aussagen in diesem Beschluß wollen deutlich das erklärte Ziel unterstützen, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der alle Bürger an der Verantwortung für das Ganze teilnehmen. Es heißt dort: „Auch in der Gesellschaft beobachtet die Synode mit Interesse Bewegungen, in denen sie Hoffnungszeichen sieht. Sie begrüßt die internationalen Bemühungen um Vertrauensbildung, Entspannung und Abrüstung, die zu ersten konkreten Abrüstungsergebnissen geführt haben. In diesem Zusammenhang würdigt sie auch den Dialog, der in dem gemeinsamen Papier von SED und SPD ‚Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit‘ zum Ausdruck kommt. Im Zeichen des Friedens, der unteilbar ist, muß dem außenpolitischen der innergesellschaftliche Dialog entsprechen. sprache der Synode zum Bericht der Kirchenleitung am 30.10.1988 Bezug genommen auf ein Referat, das Kurt Hager am 18.10.1988 auf dem Seminar für Schulräte in Ludwigsfelde gehalten hatte (ND, 30.10.1988). Darin hatte Hager die Aufforderung zu Umgestaltungen in der DDR zurückgewiesen. Demke hatte daraufhin formuliert: „Wenn wir in dieser Form von Selbstgerechtigkeit unsere Gesellschaft weiter betrachten, dann ist das der sichere Weg in unkontrollierbare Entwicklungen.“ Akten Bischof Demke, Vermerk 3.11.1988.
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Ein Hoffnungszeichen dafür sind Anzeichen einer zunehmenden Meinungsvielfalt in Kunst, Kultur und Gesellschaftswissenschaften und Änderungen im marxistischen Religionsverständnis. Das Zusammengehen von Christen und Marxisten beim Olof-PalmeFriedensmarsch 1987 vermittelte hoffnungsvolle Erfahrungen von Dialog und Kooperation. Das Gespräch über die Ermöglichung eines zivilen Wehrersatzdienstes müßte in unserem Land neu aufgenommen werden. Berichterstattungen von größeren kirchlichen Ereignissen in Fernsehen und Presse der DDR stellen kirchliches Leben als einen Teil unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit dar. Die erweiterten Reisemöglichkeiten geben dem großen Bedürfnis nach Freizügigkeit und Pflege der familiären Beziehungen mehr Raum. Ein verantwortungsvolles Zusammenleben in unserer gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft läßt sich nur denken, wenn der einzelne Bürger mündig ist. Wir erfahren oft, daß dem Bürger mündiges Verhalten verwehrt wird. Das wird deutlich, – wenn rechtliches und soziales Leben durch die staatlichen Organe auf eine Weise gestaltet werden, die eigenes Denken und eigene Entscheidungen der Bürger lähmen; – wenn auf verschiedenen Gebieten Informationen bewußt zurückgehalten oder nicht veröffentlicht werden – das geschieht in diesen Monaten besonders durch Entscheidungen gegenüber der kirchlichen Presse; – wenn die Genehmigungspraxis bei Reisen undurchschaubar bleibt und oft willkürlich erscheint; – wenn noch keine für alle Bürger gleiche rechtliche Regelung der Reisemöglichkeiten veröffentlicht ist; – wenn nicht einmal zu Familienfeiern (z. B. Taufen oder Trauungen) Verwandte oder Freunde, die nicht in der DDR wohnen, eine Einreise in die Sperrzone an der Staatsgrenze erhalten und dadurch das Leben der Gemeinde behindert wird; – wenn ablehnende Entscheidungen nicht begründet werden; – wenn die Bürger keine Möglichkeit haben, gegen Entscheidungen staatlicher Organe bei einem unabhängigen Gericht Einspruch einzulegen. Derartige Erfahrungen gehören auch zu den vielfältigen Gründen für Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft. Selbst wenn in vielen Fällen persönliche Motive ausschlaggebend sein dürften, kommt es darauf an, ein Klima des verantwortungsvollen Zu-
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sammenlebens in der Gesellschaft zu schaffen, das solche Anträge gar nicht erst aufkommen läßt.“ 2. Der Bezug auf die Umgestaltungsprozesse in der Sowjetunion gibt Hoffnungen wider, die in unseren Gemeinden vorhanden sind, betont aber zugleich, daß wir eigene Wege finden müssen, die bei uns anstehenden Probleme zu lösen. Er bezieht sich bewußt auf die entsprechenden Beschlüsse der Bundessynode, die von unserer Synode mit getragen werden. Es heißt dazu: „Mit wachsender Aufmerksamkeit beobachten wir die Umgestaltungsprozesse in der Sowjetunion. Viele Menschen erhoffen sich davon Impulse für eine Erneuerung unserer Gesellschaft und denken darüber nach, welche Veränderungen bei uns nötig sind und welche Impulse wir aus der Sowjetunion aufnehmen sollten. Dabei ist deutlich, daß sich sozialistische Gesellschaften unter unterschiedlichen Bedingungen entwickeln und keine schematischen Übertragungen von Land zu Land möglich sind. Andererseits sind unsere Gesellschaften so eng politisch und wirtschaftlich miteinander verflochten, daß Veränderungen in der Sowjetunion nicht ohne Einfluß auf unsere Verhältnisse bleiben können. Auch in unserer Gesellschaft sind Zeichen von Stagnation zu erkennen. Es geht um eine ‚Erneuerung der Gesellschaft in der Wahrheit‘ (Landesbischof Dr. Leich auf der Bundessynode), die alle Bereiche des Lebens umfaßt: die Rechte und Pflichten des einzelnen, seine Rechtssicherheit und Mündigkeit, die Demokratisierung der gesellschaftlichen Institutionen, den Zugang zu Informationen, die Aufhebung der Zensur. Daß die Veränderungs- und Erneuerungsprozesse nicht von heute auf morgen umgesetzt werden können, ist einsichtig. Wir haben den Eindruck, daß die Führung unseres Landes aus Sorge vor unkontrollierbaren Entwicklungen gegenwärtig nicht die Möglichkeit eines innergesellschaftlichen Dialogs einräumt. Es kommt aber darauf an, das öffentliche Gespräch über diese Fragen zu beginnen. Die Synode ist überzeugt, daß die künftige Entwicklung in unserem Land von Dialogfähigkeit und Dialogbereitschaft in Kirche und Gesellschaft wesentlich abhängt. Wir müssen miteinander reden lernen, damit wir miteinander leben können‘ (aus dem Beschluß der Bundessynode zu Fragen des innergesellschaftlichen Dialogs 1988).“ 3. Ein nächster Abschnitt bekräftigt unser Festhalten an den Grundorientierungen des 6. März 1978, nimmt noch einmal Bezug auf die Ausführungen zum Prinzip der Trennung von Kirche und Staat, wie sie im Kirchenleitungsbericht erläutert wurden und stellt dann speziell zur Frage der kirchlichen Presse fest: „Unsere kirchliche Presse hat die Aufgabe, Information und Dialog zwischen Christen und Gemeinden zu fördern.
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Weil die Sache des Evangeliums den ganzen Menschen betrifft, hat dieser Dialog auch Bedeutung für den öffentlichen Dialog in unserem Land. Daß Christen sich mit Problemen in unserem Land auseinandersetzen, muß sich auch in unseren Kirchenzeitungen niederschlagen können. Das Verbot der Auslieferung kirchlicher Zeitungen behindert nicht nur die kirchliche Arbeit, sondern schädigt auch das Ansehen der DDR. Die Synode erwartet, daß die Kirchenzeitungen künftig ungehindert erscheinen.“ 4. Die Synode hat im Blick auf die Kommunalwahlen 1989 von der Notwendigkeit gesprochen, „über die Durchführung von Wahlen nachzudenken“: Der Synodenbeschluß formuliert Ergebnisse unseres Nachdenkens, wobei gerade Erfahrungen aus der Durchführung von Wahlen in kleineren Ortschaften und Gemeinden ausschlaggebend waren: „Die bisherige Praxis, daß die Mehrzahl der Bürger ihre Stimme offen abgibt, läuft darauf hinaus, daß die geheime Stimmabgabe und das Votum einzelner Bürger, die die Kabine benutzen, öffentlich gemacht werden. Diese Praxis verletzt den Verfassungsgrundsatz der geheimen Wahl. Der Stimmzettel ist so zu gestalten, daß der Wähler seinen Willen auf ihm eindeutig zum Ausdruck bringen muß. Die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Wahl schließt jeglichen Druck auf diejenigen aus, die sich nicht an der Wahl beteiligen.“ Unser Nachdenken möchte – ausgehen von Erfahrungen aus der Wahlbeteiligung von Synodalen – dazu beitragen, diesen Mißstand abzustellen und den in der Verfassung verankerten Charakter der geheimen Wahl zu bewahren. Dem dienen auch die Hinweise zur Gestaltung der Stimmzettel und zur Freiwilligkeit der Teilnahme. 5. Der Beschluß der Synode zur Frage der Nutzung von Kernenergie hatte zum Anlaß, daß der Reaktorunfall in Tschernobyl und der Bau eines Kernkraftwerkes in der Kirchenprovinz Sachsen sowie entsprechende Eingaben und Anträge die Synode in besonderer Weise herausforderten, sich mit der Frage der Kernenergie zu befassen. Wesentliches Anliegen dieses Beschlusses ist die Grundaussage, daß Energiegewinnung aus Kernspaltung nicht die Grundlage unserer künftigen Energiegewinnung sein darf. „1. Der Reaktorunfall in Tschernobyl und der Bau eines Kernkraftwerkes im Bereich der Kirchenprovinz Sachsen (bei Stendal), sowie entsprechende Eingaben und Anträge forderten die Synode in besonderer Weise heraus, sich mit der Frage der Kernenergie zu befassen. 2. Aus einigen Eingaben und aus Voten von Synodalen spricht die Überzeugung,
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– daß eine sofortige Umorientierung in der Energiepolitik unserer Gesellschaft begonnen werden muß, – daß ein sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie notwendig ist, – daß ein sofortiger Baustop für die im Bau befindlichen Kernkraftwerke gefordert werden muß. 3. Die Synode sieht den Ernst, der hinter diesen Forderungen steht, denn sie weiß um die schweren Anfragen an die Kernenergie, z. B.: – die Entsorgung, die Jahrtausende betrifft, ist nicht gelöst, – nicht auszuschließende Unfälle sind eine außerordentliche Gefährdung für Mensch und Natur, – ein Kernkraftwerk setzt ständig Radioaktivität frei und belastet die Umwelt durch übermäßige Abwärme, – ein Kernkraftwerk ist ein hohes Bedrohungspotential im Kriegsfall und bei Terrorismus. 4. Die Synode sieht weiterhin die schweren Belastungen, die aus der Braunkohleverbrennung für Mensch und Natur entstehen und unsere Gesellschaft vor kaum lösbare Probleme stellen. 5. Unter dem Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, dürfen wir uns nicht mit einer Energiewirtschaft abfinden, die gegenwärtige und zukünftige Generationen von Menschen und Mitgeschöpfen derartigen Gefährdungen aussetzt. „Kernenergie darf nicht Grundlage unserer künftigen Energieversorgung sein“ (Arbeitspapier „Energie für die Zukunft“ der ökumenischen Versammlung). 6. Daher sieht sie es als dringende Aufgabe an, – die sofortige Umorientierung in der Energiepolitik einzuleiten, – den frühestmöglichen Ausstieg aus der Kernenergie anzustreben, – den weiteren Einstieg in die Kernenergie (Inbetriebnahme neuer Kernkraftwerke) solange auszusetzen, bis die sichere Endlagerung der radioaktiven Abfälle so gelöst ist, daß sie kommenden Generationen gegenüber verantwortlich werden kann, – und die Wege zu einem effektiveren Umsatz und sparsameren Einsatz von Energie und zu einer rascheren Entwicklung und Anwendung regenerativer Energieentwicklungen zu gehen. 7. Die Synode bittet das Präsidium und die Kirchenleitung, dafür Sorge zu tragen, – daß in unserer Kirche an diesen Fragen so weiter gearbeitet wird, wie es ihrer Dringlichkeit entspricht,
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– daß praktische Schritte zu verantwortlichen Umgang mit Energie in der Kirche beschlossen werden (vgl. Vorlage 40.1./88 Bauausschuß). 8. Die Synode bittet Kirchenkreise und Gemeinden in der letzten Woche im April in Erinnerung an den Reaktorunfall in Tschernobyl einen „Energietag“ zu gestalten, der der Bewußtseinsbildung und der Beratung über praktische Möglichkeiten dient.“ Der Bericht der Kirchenleitung und die Beschlußtexte im einzelnen sind den bei der Synodaltagung anwesenden Vertretern des Staates bereits zugänglich gemacht worden. Der Kirchenleitung liegt daran, dass die Aussagen der Synode in ihrem Gesamtzusammenhang gesehen werden und die entsprechenden Beschlüsse den zuständigen Stellen zur Kenntnis gebracht werden.
ÜbersichtüberdieSynodaltagungen ÜbersichtüberdieSynodaltagungen
ÜBERSICHT ÜBER DIE SYNODALTAGUNGEN DER EVANGELISCHEN KIRCHE DER KIRCHENPROVINZ SACHSEN 1946–1989
I. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 7. Tagung 8. Tagung 9. Tagung
Halle, 22.–24. Oktober 1946 Halle, 15.–16. April 1947 Halle, 26.–27. Juni 1947 Elbingerode, 13.–18. Oktober 1947 Halle, 11.–17. Oktober 1948 Erfurt, 9.–13. Mai 1949 Halle, 22.–26. November 1949 Halle, 26. Juni–1. Juli 1950 Quedlinburg, 27.–31. Mai 1951
II. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung
Halle, 10.–15. Februar 1952 Halle, 13.–17. April 1953 Stendal, 2.–7. Mai 1954 Halle, 12.–17. Juni 1955
III. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung
Halle, 12.–16. November 1956 Leuna, 24.–29. März 1957 Halle, 1.–6. Juni 1958 Wittenberg, 8.–13. März 1959
IV. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung
Halle, 19.–22. März 1960 Magdeburg, 25.–29. Juni 1960 Halle 10.–15. März 1961 Erfurt, 12.–16. Mai 1962 Halle, 11.–15. Mai 1963
V. Synode 1. Tagung Halle, 29. Februar–3. März 1964 2. Tagung Magdeburg, 20.–24. Juni 1964 3. Tagung Halle, 13.–17. März 1965
Übersicht über die Synodaltagungen
4. Tagung Halle, 25.–30. März 1966 5. Tagung Mühlhausen, 10.–15. März 1967 VI. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung
Halle, 15.–20. März 1968 Magdeburg, 19.–22. Oktober 1968 Magdeburg, 11.–13. April 1969 Halle, 15.–19. November 1969 Wernigerode, 5.–10. November 1970 Halle, 5.–9. November 1971
VII. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung
Magdeburg, 5.–7. Mai 1972 Halle, 17.–21. November 1972 Halle, 16.–20. November 1973 Halle, 15.–19. November 1974 Magdeburg, 23.–26. Oktober 1975
VIII. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 7. Tagung
Halle, 13.–16. Mai 1976 Magdeburg, 28.–31. Oktober 1976 Erfurt, 3.–6. November 1977 Halle, 16.–19. November 1978 Halle, 14.–18. November 1979 Magdeburg, 13.–16. März 1980 Magdeburg, 26. April 1980
IX. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 7. Tagung 8. Tagung
Naumburg, 13.–15. Juni 1980 Halle, 13.–15. November 1980 Magdeburg, 27.–29. März 1981 Halle, 4.–8. November 1981 Wernigerode, 26.–28. März 1982 Magdeburg, 28.–31. Oktober 1982 Magdeburg, 9. September 1983 Halle, 23.–27. November 1983
X. Synode 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 7. Tagung
Wittenberg, 15.–17. Juni 1984 Halle, 24.–28. Oktober 1984 Erfurt, 13.–16. Juni 1985 Magdeburg, 24.–27. Oktober 1985 Halle, 30. Oktober–2. November 1986 Magdeburg, 27.–28. März 1987 Blankenburg, 29. Oktober–1. November 1987
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Übersicht über die Synodaltagungen
8. Tagung Wittenberg, 18.–20. März 1988 9. Tagung Halle, 27.–30. Oktober 1988 XI. Synode 1. Tagung Halle, 16.–18. Juni 1989 2. Tagung Erfurt, 2.–5. November 1989
MitgliederderKirchenleitung MitgliederderKirchenleitung
MITGLIEDER DER KIRCHENLEITUNG DER KIRCHENPROVINZ SACHSEN (1946–1989) Vorläufige Geistliche Leitung (8.8.1945) Propst Dr. Gerhard GLOEGE, Erfurt Dr. Franz GROSSE, Pfarrer, Stapelburg Prof. Dr. Gerhard HEINZELMANN, Theol. Fakultät Halle/S. Sup. Ludolf MÜLLER, Heiligenstadt Helmut SCHAPPER, Pfarrer, Groß-Möringen Prof. Dr. Friedrich Karl SCHUMANN, Theol. Fakultät Halle/S. Sup. Oskar ZUCKSCHWERDT, Magdeburg Vorläufige Kirchenleitung (10.1.1946) Präses: Präses Ludolf MÜLLER, Heiligenstadt Mitglieder: Konsistorialpräsident Dr. Lothar KREYSSIG, Magdeburg Dr. Otto FRETZDORFF Konsistorialpräsident a. D., Magdeburg Propst Dr. Gerhard GLOEGE, Erfurt Dr. Franz GROSSE, Pfarrer, Stapelburg Prof. Dr. Gerhard HEINZELMANN, Theol. Fakultät Halle/S. Sup. Prof. Maximilian MEICHSSNER, Wittenberg Helmut SCHAPPER, Pfarrer, Groß-Möringen Prof. Dr. Friedrich Karl SCHUMANN, Theol. Fakultät Halle/S. Oskar ZUCKSCHWERDT, Pfarrer, Magdeburg Bernhard HOFMANN, Rechtsanwalt, Magdeburg Dr. Siegfried KLEWITZ, Oberregierungsrat (LDP) Wilhelm BORCHERT, Landwirt, Nahrstedt Dr. HARTWIG, Studienrat, Halle (SPD) BONITZ, Oberregierungsrat, Magdeburg/VOGLER, Bankier, Halberstadt zwei weitere Mitglieder d. Konsistoriums Kirchenleitung (Stand 22.10.1946) Präses: Ludolf MÜLLER (am 26. Juni 1947 von der Synode zum Bischof berufen)/seit 27. Juni 1947 Dr. Lothar KREYSSIG Mitglieder: Konsistorialpräsident Dr. Lothar KREYSSIG, Magdeburg/seit 1. November 1947 Bernhard HOFMANN, Rechtsanwalt, Magdeburg
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Mitglieder der Kirchenleitung
Propst Oskar ZUCKSCHWERDT, Magdeburg Propst d. Altmark Helmut SCHAPPER, Groß-Möringen Propst Wolfgang STAEMMLER, Wittenberg Lic. Erich HEIN, Halle/seit 15. Oktober Sup. Lic. Walter ROHKOHL, Sangerhausen Werner PEUCKERT, Pfarrer, Halle/S. Sup. Fritz FÜHR, Nordhausen/seit 15. Oktober 1947 Sup. Karl BARBE, Torgau Prof. Dr. Gerhard HEINZELMANN, Theol. Fakultät Halle/S. Bernhard HOFMANN, Rechtsanwalt, Magdeburg (gewähltes Mitglied bis Oktober 1947, sodann weiterhin Mitgl. in d. Funktion d. Konsistorialpräsidenten) Johannes MARTIUS, Bürgermeister a. D., Halberstadt, seit 15. Oktober 1947 Wilhelm BORCHERT, Landwirt, Nahrstedt Kurt NAUMANN, Kaufmann, Bitterfeld Dr. Friedrich DRYANDER, Oberregierungsrat a. D., Halle/S. REUTER, Rechtsanwalt, Erfurt BONITZ, Oberregierungsrat, Magdeburg/seit 15. Oktober 1947 Elisabeth MEYER, Magdeburg zwei weitere Mitglieder d. Konsistoriums Kirchenleitung (1948–1949) Vorsitzender: Bischof D. Ludolf MÜLLER, Magdeburg Mitglieder:
Präses Dr. Lothar KREYSSIG, Magdeburg Konsistorialpräsident Bernhard HOFMANN, Rechtsanwalt, Magdeburg Propst Oskar ZUCKSCHWERDT, Magdeburg Propst d. Altmark Helmut SCHAPPER, Groß-Möringen Propst Wolfgang STAEMMLER, Wittenberg zwei vom Konsistorialpräsidenten zu bestimmende juristische Mitglieder des Konsistoriums Sup. Prof. Maximilian MEICHSSNER, Wittenberg/Sup. Wilhelm HÜLSEN, Magdeburg Sup. Lic. Walter ROHKOHL, Sangerhausen Werner PEUCKERT, Pfarrer, Halle/S. Sup. Karl BARBE, Torgau Prof. Dr. Gerhard HEINZELMANN, Theol. Fakultät Halle/S. Elisabeth MEYER, Magdeburg Wilhelm BORCHERT, Landwirt, Nahrstedt Kurt NAUMANN, Kaufmann, Bitterfeld/seit 22. November 1949 Adalbert GOEDECKE, Dipl.-Kaufmann, Völpke Dr. Friedrich DRYANDER, Oberregierungsrat a. D., Halle/S.
Mitglieder der Kirchenleitung
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Johannes MARTIUS, Bürgermeister a. D., Halberstadt Dr. jur. Wilhelm KOCH, Rechtsanwalt, Mühlhausen Kirchenleitung 1952–1956 Vorsitzender: Bischof D. Ludolf MÜLLER, Magdeburg seit 22. September 1955 (Einführung) Bischof Johannes JÄNICKE, Magdeburg Mitglieder: Präses Dr. Lothar KREYSSIG, Magdeburg Konsistorialpräsident Bernhard HOFMANN, Magdeburg/seit 1.7.1954 Konsistorialpräsident Kurt GRÜNBAUM, Magdeburg Propst Oskar ZUCKSCHWERDT, Magdeburg Propst D. Wolfgang STAEMMLER, Wittenberg Propst Helmut SCHAPPER, Stendal/seit 1955 Propst Max MÜLLER, Naumburg/S. zwei vom Konsistorialpräsidenten zu bestimmende juristische Mitglieder des Konsistoriums Sup. Karl BARBE, Torgau Sup. Lic. Walter ROHKOHL, Sangerhausen Lic. Paul WÄTZEL, Pfarrer, Halle/S./seit 7. Mai 1954 Prof. Dr. Hans URNER, Theol. Fakultät Halle/S. Sup. Wilhelm HÜLSEN, Magdeburg Dr. Friedrich DRYANDER, Oberregierungsrat a. D., Halle/S. Dr. jur. Wilhelm KOCH, Rechtsanwalt, Mühlhausen Dr. Walter KNAUT, Rechtsanwalt, Calbe/S./seit 7. Mai 1954 Frau Dr. STUBBE, Gatersleben/seit 28. Juli 1954 Karl NOLTE, Schulrat a. D., Magdeburg Emil GROSSE, Buchbinder, Halle/S. Martha ERBKAM, Stud.-Ass. a. D., Magdeburg Dr. Gerhard THIELE, Volkswirt, Halberstadt Wilhelm BORCHERT, Landwirt, Nahrstedt Kirchenleitung 1956–1960 Vorsitzender: Bischof D. Johannes JÄNICKE, Magdeburg Mitglieder: Präses Dr. Lothar KREYSSIG, Magdeburg Konsistorialpräsident Kurt GRÜNBAUM, Magdeburg (1958 in Ruhestand versetzt – keine Neubesetzung) Propst Oskar ZUCKSCHWERDT, Magdeburg Propst D. Wolfgang STAEMMLER, Wittenberg Propst Max MÜLLER, Naumburg/S. zwei vom Konsistorialpräsidenten zu bestimmende juristische Mitglieder des Konsistoriums Sup. Friedrich ANDRAE, Leitzkau Joachim GREMMES, Pfarrer, Welsleben
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Mitglieder der Kirchenleitung
Sup. Otto HELD, Schönhausen Lic. Paul WÄTZEL, Wittenberg Emil GROSSE, Buchbinder, Halle/S. Dr. phil. Alfred NOLLAU, Provinzialkatechet, Halle/S. Eva POHLE, Frauenhilfsleiterin, Magdeburg Dr. Gerhard THIELE, Volkswirt, Halberstadt Dr. med. Arnold LAHUSEN, Arzt, Schönebeck Krafft MOST, Rechtsanwalt, Aschersleben/seit 3. Juni 1958 Oberin Elisabeth v. HEYDEBRANDT, Magdeburg Dr. Reinhold FRICK, Ingenieur, Leuna/seit 3. Juni 1958 Dr. Fritz HESSLER, Rechtsanwalt, Halle/S. Kirchenleitung 1960–64 Vorsitzender: Bischof D. Johannes JÄNICKE, Magdeburg Mitglieder: Präses Dr. Lothar KREYSSIG, Magdeburg Konsistorialpräsident Dr. Gerhard THIELE, Halberstadt Propst Heinz FLEISCHHACK, Magdeburg Propst D. Wolfgang STAEMMLER, Wittenberg Propst Max MÜLLER, Naumburg/S. zwei vom Konsistorialpräsidenten zu bestimmende juristische Mitglieder des Konsistoriums Sup. Otto HELD, Schönhausen Martin ALBRECHT, Pfarrer, Egstedt Werner MÜHLHAUSEN, Bauer, Fretterode/seit 14. Mai 1963 Dr. phil. Alfred NOLLAU, Provinzialkatechet, Halle/S. Prof. Dr. Erich HOFFMANN, Halle/S. Dr. med. Heinrich SCHIELE, Naumburg/S. Karl HERBORN, Architekt, Nordhausen Eva POHLE, Frauenhilfsleiterin, Magdeburg Kirchenleitung 1964–68 Vorsitzender: Bischof D. Johannes JÄNICKE, Magdeburg Mitglieder: Präses Helmut WAITZ, Rechtsanwalt, Magdeburg Konsistorialpräsident Dr. Gerhard THIELE, Magdeburg/seit 1. August 1966 Konsistorialpräsident Dr. Wilhelm Koch, Magdeburg Propst Heinz FLEISCHHACK, Magdeburg Propst Johannes RICHTER, Quedlinburg Propst Johannes HOFFMANN, Nordhausen ein theologisches und ein nichttheologisches Mitglied des Konsistoriums, das jeweils vom Konsistorialpräsidenten bestimmt wird Sup. Dr. Walter MÜNKER, Gardelegen/seit 15. März 1967 Martin UHLE-WETTLER, Aken/Elbe
Mitglieder der Kirchenleitung
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Ernst BILLER, Pfarrer, Nebra/Unstrut/seit 17. März 1965 Dr. Martin GABRIEL, Pfarrer, Halberstadt Christel STEINBRINK, Kreiskatechetin, Erfurt Rudi STEFFENS, Landwirt, Kremkau Dr. Erwin HINZ, Soziologe, Magdeburg Prof. Dr. hab. sc. nat. Erich HOFFMANN, Halle/S. Dr. med. Heinrich SCHIELE, Arzt, Naumburg/S. Kirchenleitung 1968–72 Vorsitzender: Bischof D. Johannes JÄNICKE, Magdeburg seit 23. Oktober 1968 (Einführung) Bischof Dr. Werner KRUSCHE
Mitglieder:
Präses Helmut WAITZ, Rechtsanwalt, Magdeburg Konsistorialpräsident Dr. Wilhelm Koch, Magdeburg/seit 1. Juli 1971 Konsistorialpräsident Dr. Gerhard KRAUSE, Magdeburg Propst Heinz FLEISCHHACK, Magdeburg Propst Johannes RICHTER, Quedlinburg Propst Johannes HOFFMANN, Nordhausen ein theologisches und ein nichttheologisches Mitglied des Konsistoriums, das jeweils vom Konsistorialpräsidenten bestimmt wird Sup. Walter LANGE, Osterwieck Dr. Martin GABRIEL, Pfarrer, Halberstadt Prof. Dr. hab. sc. nat. Erich HOFFMANN, Halle/S. Dr. med. Heinrich SCHIELE, Arzt, Naumburg/S. Christa DRUMMER, Dipl.-Wirtschaftlerin, Gnadau Dr. med. Edda v. HARDER, Magdeburg Manfred FREITAG, Ingenieur, Schwarzheide-West/seit 9. November 1970 Christel STEINBRINK, Kreiskatechetin, Erfurt
Kirchenleitung 1972–76 Vorsitzender: Bischof Dr. Werner KRUSCHE, Magdeburg Mitglieder: Präses Helmut WAITZ, Rechtsanwalt, Magdeburg Konsistorialpräsident Dr. Gerhard KRAUSE, Magdeburg Propst Heinz FLEISCHHACK, Magdeburg Propst Wilhelm BERNDT, Wittenberg Senior Werner KIESCHNICK, Magdeburg ein theologisches und ein nichttheologisches Mitglied des Konsistoriums, das jeweils vom Konsistorialpräsidenten bestimmt wird Martin ZIEGLER, Pfarrer, Merseburg/seit 19. November 1974 Dr. Martin GABRIEL, Pfarrer, Halberstadt Ludwig HAMMER, Pfarrer, Oberheldrungen Gudula LENSSEN, Ingenieur-Ökonomin, Zeitz
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Mitglieder der Kirchenleitung
Reinhard HÖPPNER, Dipl.-Mathematiker, Prösen/seit 24. Oktober 1975 KMD Klaus-Dieter MÜCKSCH, Wittenberg Friedrich SCHRÖDER, Landwirt/LPG-Vorsitzender, Wieglitz Wolfgang BIERSTEDT, Malermeister, Beetzendorf Helmut BESSER, Bau-Ingenieur, Sömmerda/seit 19. November 1974 Gisela HARTMANN, Hausfrau, Nordhausen Kirchenleitung 1976–80 Vorsitzender: Bischof Dr. Werner KRUSCHE, Magdeburg Mitglieder:
Präses Helmut WAITZ, Rechtsanwalt, Magdeburg Konsistorialpräsident Dr. Gerhard KRAUSE, Magdeburg Propst Friedrich Wilhelm BÄUMER, Magdeburg Propst Bernhard BRINKSMEIER, Quedlinburg Propst Rolf STUBBE, Nordhausen ein theologisches und ein nichttheologisches Mitglied des Konsistoriums, das jeweils vom Konsistorialpräsidenten bestimmt wird Dr. Martin GABRIEL, Pfarrer, Halberstadt Gisela HARTMANN, Hausfrau, Nordhausen Helmut HARTMANN, Pfarrer, Eisleben/seit 7. Juli 1978 Sup. Günter WEYHE, Merseburg Dr. Reinhard HÖPPNER, Dipl.-Mathematiker, Prösen KMD Klaus-Dieter MÜCKSCH, Wittenberg Friedrich SCHRÖDER, Landwirt/LPG-Vorsitzender, Wieglitz Dr. Infried TÖGEL, Dipl.-Psychologe, Uchtspringe
Kirchenleitung 1980–84 Vorsitzender: Bischof Dr. Werner KRUSCHE, Magdeburg ab 1. September (Einführung) 1983 Bischof Dr. Christoph DEMKE Mitglieder:
Präses Dr. Reinhard HÖPPNER, Dipl.-Mathematiker, Magdeburg Konsistorialpräsident Martin KRAMER, Magdeburg Propst Friedrich Wilhelm BÄUMER, Magdeburg Propst Dr. habil. Heino FALCKE, Erfurt Propst Günter BRONISCH, Naumburg/S. ein theologisches und ein nichttheologisches Mitglied des Konsistoriums, das jeweils vom Konsistorialpräsidenten bestimmt wird Sup. Günter WEYHE, Merseburg Dr. Martin GABRIEL, Pfarrer, Halberstadt Marlene SCHOLZ, Hausfrau, Gatersleben Dr. Wolfgang KÖNIG, Dipl.-Ingenieur, Erfurt Friedrich SCHRÖDER, Landwirt/LPG-Vorsitzender, Wieglitz
Mitglieder der Kirchenleitung
635
Hanne-Lore FRIEDRICH, Kantorin, Sangerhausen Hans-Christoph FAHLBERG, Bauingenieur, Halle/S. Kirchenleitung 1984–89 Vorsitzender Bischof Dr. Christoph DEMKE, Magdeburg Mitglieder: Präses Dr. Reinhard HÖPPNER, Dipl.-Mathematiker, Magdeburg Konsistorialpräsident Martin KRAMER, Magdeburg Propst Hans TREU, Wittenberg Propst Günter WEYHE, Magdeburg ein Mitglied des Konsistoriums Reiner BOHLEY, Pfarrer, Magdeburg Sup. Hans-Christoph SENS, Torgau Elisabeth URMONEIT, Fürsorgerin, Magdeburg KMD Klaus-Dieter MÜCKSCH, Wittenberg Ute GABRIEL, Dipl.-Ökonomin, Halberstadt Marlene SCHOLZ, Hausfrau, Gatersleben Karl-Heinz MEWES, Agraringenieur, Deutsch Dr. Wolfgang KÖNIG, Dipl.-Ingenieur, Erfurt Dr. Uwe HEUCK, Dipl.-Chemiker, Wernigerode Kirchenleitung 1989 Vorsitzender: Bischof Dr. Christoph DEMKE, Magdeburg Mitglieder: Präses Dr. Reinhard HÖPPNER, Dipl.-Mathematiker, Magdeburg Konsistorialpräsident Martin KRAMER, Magdeburg Propst Günter WEYHE, Magdeburg Propst Hans TREU, Wittenberg ein Mitglied des Konsistoriums Sup. Volker v. REINERSDORFF, Hohenseeden Sigrid WIEFEL, Pastorin, Sömmerda Helmut AECHTNER, Landesposaunenwart, Leuna Ingrid WALLMANN, Propsteikatechetin, Aschersleben Gudrun HAINSCH, Ärztin, Uchtspringe Dr. Uwe HEUCK, Dipl.-Chemiker, Wernigerode Reinhard JAKUSZEIT, Dipl.-Physiker, Magdeburg Hans-Joachim LANGE, Dipl.-Ingenieur, Salzwedel Barbara RINKE, Werbeökonomin, Nordhausen
Abkürzungen Abkürzungen
ABKÜRZUNGEN
Abkürzungen für Schriftreihen, Zeitschriften etc. richten sich nach: Siegfried M. SCHWERTNER: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG2). Berlin, New York 21994. ABl. Abt. ACK/AGCK ACDP ADGB ADN AdW AFV AG AKPS ANC ao. APO APU APW ASR Potsdam Ass. ASV AT AZ BBK BEK BK BL BM BRD BStU CDU CFK
Amtsblatt Abteilung Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Archiv für Christlich-Demokratische Politik Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Akademie der Wissenschaften Allchristliche Friedensversammlung Arbeitsgemeinschaft Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Magdeburg African National Congress außerordentlich Abteilungsparteiorganisation Evangelische Kirche der altpreußischen Union Akademie der Pädagogischen Wissenschaften Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften „Walter Ulbricht“ Potsdam-Babelsberg Assistent Armeesportverein Altes Testament Aktenzeichen Berliner Bischofskonferenz Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR Bekennende Kirche Bezirksleitung Bürgermeister Bundesrepublik Deutschland Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Christlich-Demokratische Union Christliche Friedenskonferenz
Abkürzungen
CSSR DASR DC DDP DDR DEK Dir. DIZ Dr. DSF DSP DVdI DVP DWK EKD/EKiD EKKI EKU em. EMAU ena EOK ESG EVA EZAB FDGB FDJ Frhr. FSU FU Berlin GBl. GDC GEP GKR GrO GVP HA hekt. HS HU Berlin
637
Tschechoslowakei Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft Deutsche Christen Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Deutsche Evangelische Kirche Direktor/-in Deutsches Institut für Zeitgeschichte Doktor Drucksache Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Deutsche Staatspartei Deutsche Verwaltung des Innern Deutsche Volkspartei/Deutsche Volkspolizei Deutsche Wirtschaftskommission Evangelische Kirche in Deutschland Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale Evangelische Kirche der Union emeritiert/Emeritus Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Evangelischer Nachrichtendienst (Berlin/DDR) Evangelischer Oberkirchenrat, Berlin Evangelische Studentengemeinde Evangelische Verlagsanstalt Evangelisches Zentralarchiv in Berlin Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend Freiherr Friedrich-Schiller-Universität Jena Freie Universität Berlin (West) Gesetzblatt Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik Gemeindekirchenrat Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Gesamtdeutsche Volkspartei Hauptabteilung hektographiert Hochschule Humboldt-Universität Berlin
638 HV IfG IFM IM IMHW
Abkürzungen
Hauptverwaltung Institut für Gesellschaftswissenschaften b. ZK d. SED Initiative für Frieden und Menschenrechte Innere Mission Innere Mission und Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in der DDR IPW Institut für Internationale Politik und Wirtschaft KB Kulturbund KEK Konferenz Europäischer Kirchen KG Kirchengeschichte KI Kommunistische Internationale KJ Kirchliches Jahrbuch KJVD Kommunistischer Jugendverband Deutschlands KKL Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR KKR Kreiskirchenrat Kkrs Kirchenkreis KL Kirchenleitung/Kreisleitung KMU Leipzig Karl-Marx-Universität Leipzig KonsR Konsistorialrat KOS Naumburg Katechetisches Oberseminar Naumburg KPC Kommunistische Partei der Tschechoslowakei KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KPÖ Kommunistische Partei Österreichs KPS Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen KR Kirchenrat KSZE Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KVP Kasernierte Volkspolizei KZ Konzentrationslager KZG Kirchliche Zeitgeschichte. Internationale Halbjahresschrift für Theologie und Geschichtswissenschaft. LDP/LDPD Liberal-Demokratische Partei (Deutschlands) LHASA Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Lic. Lizentiat LKA Landeskirchenamt LKMD Landeskirchenmusikdirektor LPG Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Ltr. Leiter/-in LWB Lutherischer Weltbund masch. maschinenschriftlich MBl Mitteilungsblatt
Abkürzungen
MdI MfS ML MLU Halle MP MTA MVB NATO ND NF NK NKFD NR NS NT NSDAP NVA NVR OB OberkonsR ÖRK OKR OLKR Orig. Anm. OWVO PB PD PDS Pfr. PHS PKR PM PNB Prov.Pfr. PT PVAP RdB RdK Rekt. Rv
639
Ministerium des Innern Ministerium für Staatssicherheit Marxismus-Leninismus Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ministerpräsident medizinisch-technische(r) Assistent(in) Magdeburger Verkehrsbetriebe North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantikpakt) Neues Deutschland Nationale Front des demokratischen Deutschland/Nationale Front der DDR Nationalkomitee Nationalkomitee „Freies Deutschland“ Nationalrat der Nationalen Front (NF) Nationalsozialismus Neues Testament Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationale Volksarmee Nationaler Verteidigungsrat Oberbürgermeister Oberkonsistorialrat Ökumenischer Rat der Kirchen Oberkirchenrat Oberlandeskirchenrat Originalanmerkung im KL-Bericht Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten Politbüro Privatdozent Partei des Demokratischen Sozialismus Pfarrer/-in Parteihochschule „Karl Marx“ b. ZK d. SED Provinzialkirchenrat Paß- und Meldewesen Pfarrernotbund Provinzialpfarrer/-in Praktische Theologie Polnische Vereinigte Arbeiterpartei Rat des Bezirkes Rat des Kreises Rektor Rundverfügung
640 SAJ SALT SAP/SAPD SBZ SDP SED SMA/SMAD SoFD sp. SPD SPÖ ST SU Sup. ThSA TOP TU UCC UdSSR UN/UNO UNESCO USA USPD VDJ VELKD VELKDDR VGL VKL VP VPKA VVN VVO ZA ZK ZKSK ZL ZPKK ZR ZRK
Abkürzungen
Sozialistische Arbeiterjugend Strategic Arms Limitation Talks (Gespräche zur Reduzierung strategischer Waffen zwischen der UdSSR und den USA) Sozialistische Arbeiterpartei (Deutschlands) Sowjetische Besatzungszone Sozialdemokratische Partei (in der DDR) Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Militäradministration (in Deutschland) Sozialer Friedensdienst später Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sozialistische Partei Österreichs Systematische Theologie Sowjetunion Superintendent Theologische Studienabteilung Tagesordnungspunkt Technische Universität United Church of Christ Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Nations (Organization) (Vereinte Nationen) United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Verband der Journalisten der DDR (ab 1972) bzw. Verband der Deutschen Journalisten (1959–1972) Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR Vorläufige Geistliche Leitung Vorläufige Kirchenleitung Volkspolizei Volkspolizeikreisamt Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Veranstaltungsverordnung Zentralausschuss Zentralkomitee Zentrale Kommission für Staatliche Kontrolle Zentralleitung Zentrale Parteikontrollkommission Zentralrat Zentrale Revisionskommission
Quellen-undLiteraturverzeichnis Quellen-undLiteraturverzeichnis
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
I. UNVERÖFFENTLICHTE QUELLEN Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Magdeburg (AKPS) Rep. A (Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen), Generalia: Generalia, Nr. 265b Generalia, Generalia, Generalia, Generalia,
Nr. 1734 Nr. 1745 Nr. 1747 Nr. 2369
Generalia, Nr. 2377 Generalia, Nr. 2378 Generalia, Nr. 2384 Generalia, Nr. 2385 Generalia, Nr. 2386
Generalia, Generalia, Generalia, Generalia, Generalia, Generalia, Generalia,
Nr. 2585 Nr. 2593 Nr. 2594 Nr. 2595 Nr. 2596 Nr. 2874 Nr. 2875
Generalia, Nr. 2876 Generalia, Nr. 3017
Generalia, Nr. 3230 Generalia, Nr. 3379
Das Schniewind-Haus in Schönebeck, Ev. Mädchenheim, 1957–1960. Schloss Mansfeld, 1951–1953. Stift Ilsenburg, weitere Verwendung, 1952–1959. Stift Ilsenburg, Lutheranerspende, 1949–1961. Kirche und Staat, Besprechungen mit Regierungsstellen, 1972–1975. Verhältnis der Kirche zu Staat, Parteien etc., 1987–1990. Einzelgespräche mit Rat des Bez. Halle, 1983–1990. Gespräche mit staatlichen Vertretern (Regierung, Räte der Bezirke und Kreise), 1958–1964. Gespräche mit staatlichen Vertretern (Regierung, Räte der Bezirke und Kreise), 1965–1967. Besprechungen mit Regierungsstellen, Räten von Bezirken und Kreisen – Einzelbesprechungen von Vertretern der Kirchenleitung und des Konsistoriums, 1968–1971. Kirche und Gesellschaft, Friedensbewegung, 1988. Verhältnis von Kirche und Staat, 1972–1989. Kirche und Gesellschaft, 1946–1993 Kirche und Gesellschaft, 1965–1995. Verhältnis von Kirche und Staat, 1950–1991. Dienst der Kirche auf dem Lande, 1951–1976. Dienst der Kirche auf dem Lande: Sozialisierung der Landwirtschaft (Zwangskollektivierung), 1953–1961. Wehrgesetzgebung in der DDR, Zivilverteidigungsgesetz, 1967–1984. Kirche und Staat, Besprechungen mit Regierungsstellen, Kirchenkanzlei Berlin, Rat des Bez. Magdeburg, 1953– 1955. Zeugnis der Kirche in Gesellschaft und Öffentlichkeit/Friedensbewegung. Volksbildungssektor, 1971–1972.
642
Quellen- und Literaturverzeichnis
Generalia, Nr. 3437
Kirche und Staat, Kirchliche Veranstaltungen, Polizeistrafen, 1952–1958. Kirche und Gesellschaft: Auseinandersetzungen mit Medien in der DDR, 1949–1990. Gefangenenfürsorge, Fürbittenliste, 1952–1954. Ephorenkonvente in der Kirchenprovinz Sachsen, 1950– 1968. Kirche und Staat, Gespräche mit politischen Parteien: Christlich-Demokratische-Union (CDU). Kirchenleitung – Informationsdienst (für Pröpste, Superintendenten und Pfarrer, Bd. 1, 1950–1952). Volksbefragungen, 1951 u. 1954. Worte der Kirche zu den wirtschaftlichen und politischen Fragen der Gegenwart, 1947–1966. Kirche und Staat, Kirchliche Veranstaltungen, Anzeigepflicht, Allgemeines und Grundsätzliches, 1953–1970. Beraterkreis der Kirchenleitung zu gesellschaftspolitischen Fragen, 1977–1982. Kirche und Staat, Erklärung der Menschenrechte, 1968– 1978. Ausstellung von Passierscheinen in die Sperrzone, 1961– 1980. Schließung und Räumung kirchlicher Heime im Grenzgebiet (Zonengrenze), 1962–1968. Kirchlicher Dienst im Grenzgebiet (Zonengrenze), Allgemeines und Grundsätzliches, 1952–1980. Stellung von Staat und Pfarrern im öffentlichen Leben, Angriffe gegen Kirche und Pfarrer, 1975–1982. Material zum Lutherjahr, 1983. Kirchentage 1983. Lutherjubiläum 1983, 1977–1981. Zeugnis der Kirche in Gesellschaft und Öffentlichkeit, Kirchliche Zeitgeschichte, 1984–1986. Friedensbewegung, Allgemeines und Grundsätzliches, 1983–1986. Kirche und Staat, Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMA) 1948 Gesamtephorenkonvente, 1981–1987. Störung von Gottesdiensten, Kirchen- und Friedhofsschändungen u. Ä., 1951–1962. Inhaftierung des Konsistorial-Präsidenten Grünbaum und des Finanzdezernenten Klewitz, 1957–1960. Politisches, 1950–1958. Ökumenische Beziehungen USA, 1982–1984.
Generalia, Nr. 3449 Generalia, Nr. 3544 Generalia, Nr. 3552 Generalia, Nr. 3563 Generalia, Nr. 3586 Generalia, Nr. 3600 Generalia, Nr. 3606 Generalia, Nr. 3646 Generalia, Nr. 3660 Generalia, Nr. 3661 Generalia, Nr. 3770 Generalia, Nr. 3775 Generalia, Nr. 3776 Generalia, Nr. 3843 Generalia, Generalia, Generalia, Generalia,
Nr. 3874 Nr. 3877 Nr. 3891 Nr. 3899
Generalia, Nr. 3908 Generalia, Nr. 4061 Generalia, Nr. 4064 Generalia, Nr. 4073 Generalia, Nr. 5004 Generalia, Nr. 5016 Generalia, Nr. 5884
Quellen- und Literaturverzeichnis
Generalia, Generalia, Generalia, Generalia, Generalia, Generalia,
643
Nr. 6146 Nr. 6344 Nr. 6480 Nr. 6876 Nr. 6988 Nr. 7150
Entnazifizierung, 1947–1952. Verhaftung kirchlicher Amtsträger, Einzelfälle. Kirchliche Proseminare, Allgemeines. Kirche und Staat, 1958–1966. Besprechungen mit Regierungsstellen, 1949–1950 Staat und Kirche allgemein (Handakte Preisler), Bd. 1, 1949– 1964. Specialia G, Nr. 8791 Oppin, Pfarrstellenbesetzung, 1941–1987. Specialia G, Nr. A 22522 Vertrag vom 17.4.1964 zwischen dem Rat der Stadt Magdeburg und der Evangelischen Kirchengemeinde Altstadt Magdeburg über den Verkauf der Katharinenkirche, 1952–1967. Specialia G, Nr. A 22559 St. Ulrich und Levin, Bauten, 1956–1968. Specialia G, Nr. A 22724 Berichte von Paulus Hinz und des Konsistoriums vom 2.6.1959 bis September 1959 (EK VI-1332/59). Specialia P, Nr. M 489 Heinrich Moerschel. Specialia P, Nr. R 472 Dr. Wilhelm Richter. Rep. B 1 Bischof Ludolf Müller: Nr. 36 Namentliche Fürbitten, 1952–1953. Nr. 114 Protokoll der 3. Tagung der II. Synode (1954). Nr. 138 Rundverfügungen der Abteilung A, 1947–1956. Nr. 195 Kirche und Politik, 1948. Nr. 196 Kirche und Politik, 1949. Nr. 205 Pfarramtlicher Dienst im Sperrgebiet, 1953–1955. Rep. B 2 Bischof Johannes Jänicke: Nr. 37 Westfalenbesuch, 26.11.1956. Nr. 56 3. Tagung der dritten Synode d. Ev. Kirche d. KPS vom 1.–6. Juni 1956. Nr. 74 Protokolle des Rates der Kirchenleitung, 1963–1964. Nr. 85 Rundverfügungen, 1955. Nr. 220 Staat und Kirche, 1956–1960. Nr. 221 Staat und Kirche, 1961–1968. Nr. 222 Rat des Bez. Magdeburg, 1955–1962. Nr. 223 Räte der Bezirke Cottbus, Erfurt, Halle, Leipzig, 1955–1961. Nr. 226 Allgemeine Wehrpflicht, 1962. Nr. 229 Konfirmation und Jugendweihe, 1955–1963. Nr. 230 Sozialisierung der Landwirtschaft, 1960. Nr. 259 Predigten anlässlich der Trauerfeiern für OKR Erich Hein und Propst Max Müller (Naumburg 1957–1961).
644
Quellen- und Literaturverzeichnis
Rep. B 3 Bischof Werner Krusche: Nr. 11 Protokolle der Kirchenleitung, 1971–1972. Nr. 16 Protokolle der Kirchenleitung, 1980–1981. Nr. 129 Protokolle des Rates der Kirchenleitung, 1983. Nr. 191 Kirchentag Magdeburg, 1983. Nr. 192 Kirchentag Eisleben, 1983. Nr. 354 Rat des Bezirkes Magdeburg, 1974–1977. Nr. 365 Rat des Bezirkes Halle, 1968–1983. Nr. 366 Gespräche mit dem Rat des Bezirkes Erfurt, 1969–1983. Nr. 367 Staatssekretariat für Kirchenfragen 1., 1969–1976. Nr. 368 Rat des Bezirkes Magdeburg, 1968–1973. Nr. 373 Räte der Bezirke, 1963–1968. Nr. 455 Sozialistische Wehrerziehung, 1978–1983. Nr. 490 Bundessynode, 1980. Nr. 508 Kirchenleitung, 1970–1972. Nr. 675 Protokolle des Propstkonventes, 1963–1968. Nr. 677 Bischofskonvent, 1973–1975. Rep. C 1 Synode: Nr. 27 Nr. 29 Nr. 30 Nr. 37 Nr. 53 Nr. 56 Nr. 57 Nr. 58 Nr. 77 Nr. 78 Nr. 81 Nr. 82 Nr. 83 Nr. 84 Nr. 87 Nr. 88 Nr. 89 Nr. 90 Nr. 91 Nr. 93 Nr. 94 Nr. 95 Nr. 96 Nr. 97
Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll
der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der
8. Tagung 1. Tagung 2. Tagung 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 1. Tagung 1. Tagung 2. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 7. Tagung 9. Tagung 4. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 1. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 1. Tagung 2. Tagung
der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der
I. Synode (1950). II. Synode (1952). II. Synode (1953). III. Synode (1956). III. Synode (1957). III. Synode (1958). III. Synode (1959). IV. Synode (1960). I. Synode (1946). I. Synode (1947). I. Synode (1948). I. Synode (Mai 1949). I. Synode (Nov. 1949). I. Synode (1951). II. Synode (1955). IV. Synode (1961). IV. Synode (1962). IV. Synode (1963). V. Synode (1964). V. Synode (1965). V. Synode (1966). V. Synode (1967). VI. Synode (März 1968). VI. Synode (Okt. 1968).
Quellen- und Literaturverzeichnis
Nr. 98 Nr. 99 Nr. 101 Nr. 102 Nr. 104 Nr. 105 Nr. 106 Nr. 107 Nr. 108 Nr. 109 Nr. 110 Nr. 111 Nr. 112 Nr. 113 Nr. 114 Nr. 115 Nr. 116 Nr. 118 Nr. 119 Nr. 120 Nr. 121 Nr. 124 Nr. 125 Nr. 126 Nr. 127 Nr. 129 Nr. 130 Nr. 131 Nr. 132 Nr. 133
Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll Protokoll
der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der
3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 1. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 1. Tagung 2. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 6. Tagung 8. Tagung 2. Tagung 3. Tagung 4. Tagung 5. Tagung 7. Tagung 8. Tagung 9. Tagung 1. Tagung 2. Tagung
der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der der
645
VI. Synode (April 1969). VI. Synode (Nov. 1969). VI. Synode (1970). VI. Synode (1971). VII. Synode (Mai 1972). VII. Synode (Nov. 1972). VII. Synode (1973). VII. Synode (1974). VII. Synode (1975). VIII. Synode (Mai 1976). VIII. Synode (Okt. 1976). VIII. Synode (1977). VIII. Synode (1978). VIII. Synode (1979). VIII. Synode (März 1980). IX. Synode (Juni 1980). IX. Synode (Nov. 1980). IX. Synode (Nov. 1981). IX. Synode (März 1982). IX. Synode (Okt. 1982). IX. Synode (Nov. 1983). X. Synode (Okt. 1984). X. Synode (Juni 1985). X. Synode (Okt. 1985). X. Synode (1986). X. Synode (Okt. 1987). X. Synode (März 1988). X. Synode (Okt. 1988). XI. Synode (Juni 1989). XI. Synode (Nov. 1989).
Rep. C 2 Kirchenleitung: Nr. 2 Protokolle, 1951–1952. Nr. 20 Protokolle, 1985–86. Nr. 22 Protokolle, Mai–Dezember 1987. Nr. 23 Protokolle, Januar–April 1987. Nr. 24 Protokolle, 1988. Nr. 25 Protokolle, 1989. Rep. N 7 Nachlass Prof. Schultze: Nr. 13 Materialien zum Thema Frieden. Nr. 21 Lebensweise. Ausschuß Kirche u. Gesellschaft, 1985.
646
Quellen- und Literaturverzeichnis
Registratur des Bischofs der Kirchenprovinz Sachsen Bestand Dr. Christoph Demke. Archiv für Christlich-Demokratische Politik, Sankt Augustin (ACDP) Zentralbestand Ost-CDU, Sachthemen: 07–013–3309. Bundesarchiv Berlin Bestand des Staatssekretärs für Kirchenfragen: DO 4/435. DO 4/793. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (BStU; s. u. unter II.) Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg (LHASA/MD) Rep. K 2 Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt (1945–1952).
Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Pfarrerkartei der Kirchenprovinz Sachsen.
II. INFORMATIONSMATERIAL DER RÄTE DER BEZIRKE UND DES MINISTERIUMS FÜR STAATSSICHERHEIT ÜBER SYNODALTAGUNGEN DER KIRCHENPROVINZ SACHSEN SYNODEN 1960–1970 SYNODE STENDAL MAI 1954 Rep. M 1 Rat des Bezirkes Magdeburg, Nr. 3647. Einschätzungen des RdB Magdeburg LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16442. SYNODE HALLE MÄRZ 1961 Einschätzung der Synode . . . LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 3647, Bl. 3–7. SYNODEN 1965–1973 Einschätzungen über den Verlauf der Synoden LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16443. SYNODE HALLE MÄRZ 1966
Quellen- und Literaturverzeichnis
647
Bericht für das Politbüro und ZK, Verteiler u. a.: Honecker, Stoph, Verner, Barth BStU, ZAIG 1213, 4 S. SYNODE MÜHLHAUSEN MÄRZ 1967 [dsgl.] BStU, ZAIG 1342, 13 S. SYNODE HALLE MÄRZ 1968 MfS-Bericht für Mitglieder des Politbüro und des ZK der SED BStU Z, Nr. 1466, 16 S. SYNODE MAGDEBURG APRIL 1969 Plan zur politisch-ideologischen Einflussnahme auf die außerordentliche Synode der Kirchenprovinz Sachsen am 12. und 13.4.69 in Magdeburg LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16442, Bl. 142–145. SYNODE HALLE NOVEMBER 1969 Bericht über die Synodaltagung LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16442, Bl. 218–223. SYNODE WERNIGERODE NOVEMBER 1970 Einschätzung über den Verlauf . . . (RdB Magdeburg) LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16442, Bl.98–110. SYNODE HALLE NOVEMBER 1974 „Information über beabsichtigte Ausführungen von Bischof Krusche vor der Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen am 15.11.1974“ BStU, ZAIG 2354 [Verteiler: Verner, Barth, Mittig/XX] 6 S. SYNODEN 1974–1983 Einschätzungen über de Verlauf der Synode durch den RdB Magdeburg LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16444. SYNODE HALLE OKT. 1975 MfS-Bericht, BStU BV Halle XX, Nr. 1722, 12 Bl. SYNODE HALLE MAI 1976 Konzeption des RdB Magdeburg „zur politischen Einflußnahme auf die Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen“ LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16444, Bl. 241–247. SYNODE MAGDEBURG OKT. 1976 Bericht des Sektors Kirchenfragen des RdB Magdeburg LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16444, Bl. 223–236. MfS-Information zur Weiterleitung an Honecker, Politbüro und ZK der SED und das MfS Berlin BStU, ZAIG, Nr. 2587, 8 Bl. MfS: Zusammenfassende Wertung, BStU, ZAIG, Nr. 2590, 16 Bl. SYNODE ERFURT NOV. 1977 Bericht des Sektors Kirchenfragen des RdB Magdeburg LHASA, MD, Rep. M 1, Nr. 16444, Bl. 211–222. SYNODE HALLE NOV. 1978 MfS-Berichte, Maßnahmeplan, Auswertungen, Drucksachen der Synode BstU, BV Halle XX, Nr. 208, 201 S. u. BStU, ZAIG 2901, 2 Bl.
648
Quellen- und Literaturverzeichnis
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BiogrammeundPersonenregister BiogrammeundPersonenregister
BIOGRAMME
Editorische Vorbemerkung Angaben zur Volkskammer schließen die Zeit der anfänglichen „Provisorischen Volkskammer“ (7.10.1949–1950) ein. ABEL, Karl, Propst zu Halle-Merseburg 417, 539, 543 geb. 24.12.1931 Riga, 1970 Pfr. u. Sup. Loburg, 1978 Hilfsprediger, dann Pfr. Liebenrode (KKrs. Nordhausen), 1979 Propst zu Halle-Merseburg, 1996 Ruhestand. ADENAUER, Konrad, Bundeskanzler 100, 587 ALAND, Kurt, Prof., Dr. h. c. theol. 112 geb. 28.3.1915 Berlin-Steglitz, gest. 13.4.1994 Münster (Westf.), 1933–38 Studium Theol. HU Berlin, während Studium Mtgl. BK u. Mitarb. In „Junge Kirche“, 1939 Lic., 1939/40 Kriegsdienst, 1941 habil. theol. u. Lehrverbot, 1946 Extraordinarius HU Berlin, 1947 Lehrauftrag MLU Halle, 1950 Dr. h. c. theol. (Göttingen), 1953 zweiwöchige Untersuchungshaft, 1957 „Doctor of Divinity“ University of St. Andrews (Schottland), 1958 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, 1959 Beginn Aufbau d. Instituts für Neutestamentliche Textforschung Münster. ALLENDE GOSSENS, Salvador, Staatspräsident Chiles 316 geb. 26.7.1908 Valparaiso, gest. 11.9.1973 Santiago de Chile, chilen. Politiker, Arzt, Mitbegründer d. Sozialist. Partei Chiles, 1970 Staatspräsident, Tod durch Militärputsch. AMMER, Heinrich, Dr. theol., Pfr., OberkonsR 121, 139, 147, 153, 186, 219, 247, 255, 282, 301, 589 f. geb. 20.2.1909 Stadtroda (Thür.), gest. 3.8.1976 Magdeburg, 1933–1934 Predigerseminar Düsseldorf, 1934–1935 Hilfsprediger Magdeburg, 1936–1938 Pfr. d. BK Potsdam, 1938 Emden (b. Haldensleben), 1939–1947 Kriegsdienst u. Gefangenschaft, 1947–1952 Pfr. Genthin, 1952 KonsR, 1958 OberkonsR (Abt. Leitung d. Kirche) Magdeburg, 1974 Ruhestand. ANZ, Johannes, Pfr., OberkonsR 98 geb. 24.11.1906 Pansfelde, gest. 5.12.2003 Bad Münstereifel-Odesheim, 1931 Hilfsprediger Pauluskirche Halle/S., 1932–1945 Pfr. Lebusa, 1934 Mitgl. d. erweiterten Bruderrates d. Provinz Sachsen, Vors. d. Bezirksbruderrates Herzberg/Elster, 1946 KonsR, 1949–1957 OberkonsR (Theol. Dezernent) Magdeburg (ausgeschieden), dann Dienst bei d. EKU, Übersiedlung, im Ministerium f. Innerdeutsche Angelegenheiten in Bonn tätig, im Ruhestand zur kath. Kirche konvertiert.
Biogramme und Personenregister
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BAADE, Fritz, Prof., Dr. rer. pol., Volkswissenschaftler, Politiker 226 geb. 23.1.1893 Neuruppin, gest. 15.5.1974 Kiel, Studium klass. Philol., Kunstgesch., Theol., Medizin u. Volkswirtschaft Göttingen, Berlin, Heidelberg, Münster, Soldat im I. Weltkrieg, 1919 prakt. Landwirt, 1925 Ltr. d. Forschungsstelle f. Wirtschaftspolitik von SPD u. ADGB Berlin, 1930–1933 Vertreter d. Wahlkreises Magdeburg-Anhalt im Reichstag, 1933 von allen Ämtern entl., Landwirt Kirchmöser, Verbindung mit d. Widerstandsgruppe Bruschke-Lehmann Magdeburg, 1948 Prof. f. Wirtschafts- u. Staatswiss. u. Dir. d. Instituts f. Weltwirtschaft Kiel, 1961 Dir. d. Forschungsinstituts f. Wirtschaftsfragen d. Entwicklungsländer Bonn, 1949–1965 Mitgl. d. Bundestages, 1961 Ruhestand. BÄUMER, Friedrich-Wilhelm, Pfr., Propst u. Ständiger Vertreter d. Bischofs 352, 416, 513 geb. 31.8.1917 Taroetoeng (Sumatra), gest. 5.7.2000 Magdeburg, 1936–1937 Theolog. Schule Elberfeld, 1937–1939 Studium Theol. Tübingen, Halle/S., 1939–1945 Kriegsdienst, 1944 Notprüfung Halle/S., 1945–1946 Vikar Falkenberg (Elster), 1946–1947 Predigerseminar Wittenberg, 1947–1954 Pfr. Saxdorf, 1954–1965 St. Marien Eilenburg, 1965–1974 Sup. Wanzleben, 1974–1983 Propst u. Ständiger Vertreter d. Bischofs d. KPS, 1984 Ruhestand. BAKER, Kenrick M., Dr., Vertreter der United Church of Christ (USA) 492 BARTH, Karl, Prof., Dr., schweiz. ref. Theologe 157 f., 192 f., 222, 261 geb. 10.5.1886 Basel, gest. 10.12.1968 ebd., 1906–1908 Studium Theol. Bern, Berlin, Marburg, Tübingen, 1911–1921 Pfr. Safenwil, 1921–1925 Prof. f. ref. Theologie Göttingen, 1925–1929 f. Dogmatik u. NT Münster, 1930 f. ST Bonn, 1933–1935 führende Rolle im Kirchenkampf, bes. auf d. Bekenntnissynode in Barmen 1934, 1935 als Gegner d. NS amtsenthoben, 1935–1962 Prof. Basel. BARTH, Willi, Ltr. d. Arbeitsgruppe Kirchenfragen d. ZK d. SED 589 geb. 15.9.1899 Ingersleben, gest. 5.5.1988, 1914–1917 Ausbildung zum Tischler, 1919 KPD, aus polit. Gründen wiederholt inhaftiert, 1928–1931 Instrukteur im Verband proletarischer Freidenker Gotha, 1930–1933 Bezirkssekr. der Roten Hilfe in Thüringen, 1935 Exil CSR, 1937 dt. Staatsbürgerschaft aberkannt, 1938 Emigration Großbritannien, 1946 Rückkehr nach Berlin, 1946 SED, 1946–1954 zunächst Instrukteur, dann als stellv. Ltr. d. Abt. Staats- und Rechtsfragen beim Parteivorstand d. SED, 1954–1977 Ltr. Arbeitsgruppe Kirchenfragen d. ZK. BEBERSTEDT, Martin, Pfr. 116 geb. 26.7.1891 Berga (Kyffh.), gest. 2.3.1977 Teneriffa (Spanien), Jurastudium Göttingen, Studium Theol. Tübingen, Berlin, Halle/S., 1920–1923 Hilfsprediger Zschornegosda, 1923–1931 Pfr. Hirschfeld, 1931 Sup. Mansfeld, verließ DDR, machte aber 1954 v. d. Möglichkeit d. Rückkehr nach einer Rückrufaktion d. KL Gebrauch, 1959 Ruhestand, Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, 1959–1967 als Em. Pfarrverweser St. Andreas-Nord Seesen. BECHER, Johannes R., Schriftsteller, Minister f. Kultur d. DDR 133 BECKER, Manfred, Präses der Synode Berlin-Brandenburg 518 geb. 11.8.1938 Breslau, Studium Germanistik, Slawistik u. Erwachsenenpädagogik Leipzig, 1961–1990 Zentralinstitut f. Sprachwiss. Akademie d. Wiss. Berlin, 1973–90 Präses d. Synode Berlin-Brandenburg, 1976–1982 Präses der Synode der EKU/Bereich DDR, 1990 Staatssekretär im Ministerium f. Medienpolitik
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Biogramme und Personenregister
der DDR, 1993 Leiter d. Kirchenreferats beim Senat von Berlin, 1995 Leiter d. Abteilung Kirchen, Religions- u. Weltanschauungsgemeinschaften, 2002 Beauftragter f. Kirchen, Religions- u. Weltanschauungsgemeinschaften in d. Senatsverwaltung f. Wissenschaft, Forschung u. Kultur Berlin, 2003 Ruhestand. BEHM, Hans-Jürgen, OKR 135 geb. 1913, gest. 1994, 1955–1969 Referent Kirchenkanzlei d. EKD Berlin(Ost), 1955–1959 Vors. d. Arbeitsgemeinschaft d. Gemeindeständischen Werke, 1962–1966 Mitgl. d. Bundesrates d. Martin-Luther-Bundes, 1966 stellv. Vors. d. Burckhardthauses in d. DDR, 1969–1978 Referent i. Sekretariat des BEK. BELLMANN, Rudi, Ltr. Arbeitsgruppe Kirchenfragen ZK d. SED 519 geb. 6.11.1919, Soldat II. Weltkrieg, sowj. Kriegsgefangenschaft, Mitgl. d. NKFD, 1946 Rückkehr nach Deutschl. u. Mitgl. d. SED, in 1950er Jahren Abt.-Ltr. im Amt f. Information u. im Amt f. Literatur u. Verlagswesen, 1960 Mitarb. bzw. stellv. Ltr. u. 1977 Ltr. d. Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK d. SED. BELLSTEDT, Fritz, Ltr. d. Sektors Kirchenfragen beim RdB Magdeburg 219, 282, 343, 518 geb. 25.3.1929, Ausbildung zum Landmaschinenschlosser bis 1947 und Arbeit in der Landwirtschaft bis 1950, 1950 VP Wanzleben, 1952–54 Kreisleitung d. Gesellschaft f. Sport u. Technik, 1954 KL SED, 1955 Tätigkeit beim MdI, 1957– Juli 1989 Referent, dann Ltr. d. Sektors Kirchenfragen beim RdB Magdeburg, 1974 Abschluss d. Jurastudiums an der HU Berlin. BERGER, Christfried, Pfr., OberkonsR 227, 387 geb. 7.1.1938 Posen, gest. 19.11.2003 Berlin, Studium Theol. HU Berlin, bis 1963 Vikar Zeuthen, Predigerseminar Brandenburg, 1963 Ass. Ökumen. Institut Berlin, 1964 als erster ordinierter Pfr. Wehrersatzdienst in d. Baueinheiten d. NVA, Aufbau u. Leitung d. Konvents ehemal. Bausoldaten in d. DDR, 1966 Pfr. Berlin-Schmöckwitz, 1976–85 OberkonsR u. Ökumenereferent im Konsistorium Magdeburg, 1979/80 Mitarbeit in d. Dialogabt. d. ÖRK in Genf, 1985 Dir. d. Ökumen.-Missionarischen Zentrums, 1989/90 Moderator d. Arbeitsgruppe „Ausländerpolitik“ d. Zentralen Runden Tischs, 1992 Ltr. d. Ökum.Missionarischen Instituts d. ÖRK Berlin, 1997 Ruhestand. BERNAU, Heinz, Dr. theol., Pfr. 122 geb. 9.4.1912 Stendal, gest. 22.12.1992 Bernburg, 1940 Hilfsprediger Schöna b. Herzberg (Elster), 1944 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1946) St. Georg Salzwedel, 1955 Doz. Pastoralkolleg Ilsenburg, 1958 Prov.Pfr. u. Doz. KOS Naumburg, 1965 Wartestand, 1969 Pfr. Großpaschleben, 1971 Ruhestand (krankheitshalber). BERNDT, Wilhelm, Propst d. Kurkreises 206, 248 geb. 25.10.1910 Berlin, 1937 Hilfsprediger Pritzwalk, 1938 Pfr. Gantikow u. Vehlow, 1949 Pfr. Perleberg, 1958 Sup. Falkensee, 1964 Pfr. in Wittenberg/ Schlosskirche und Propst, 1975 Ruhestand. BEYERS NAUDE, Christiaan Frederick, Dr. theol., Generalsekr. d. Südafrikanischen Christenrates 504 geb. 10.5.1915 Roodepoort, gest. 7.9.2004 Johannesburg, 1939 Studium Theol. abgeschlossen, Pfr. d. konservativen Niederländisch-Reformierten Kirche u. Mitgl. im burischen Geheimbund (bis 1963), 1963 Mitbegr. Christliches Institut
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für das Südliche Afrika (1977 verboten), 1977 für sieben Jahre von d. Regierung unter Hausarrest gestellt, 1980 Austritt aus weißer Kirche u. Eintritt in schwarze reformierte Kirche, 1982 Generalsekr. d. Südafrikanischen Christenrates, 1990 Berufung ins erste Verhandlungskomitee d. ANC mit d. Apartheidregierung, 1992 Gründung d. Ecumenical Advice Bureau zur Förderung benachteiligter schwarzer Studenten. BIASTOCH, Werner, Pfr. 209 geb. 3.4.1931 Cammin (Pom.), 1950–1955 Studium Theol. Halle/S., Basel, 1956 Predigerseminar Brandenburg, 1958 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1959–1962) Torgau, 1962–1968 Arzberg, 1968–1973 Rogätz u. Sup. Wolmirstedt, 1974–1991 Pfr. u. Vorsteher d. Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg, 1991 Pfr. Diakonissenhaus Eisenach, 1996 Ruhestand. BIERMANN, Wolf, Liedermacher, Schriftsteller 22 geb. 15.11.1936 Hamburg, 1953 Übersiedlung in d. DDR, 1955–1957 Studium Polit. Ökonomie u. 1959–1963 Phil. u. Mathematik HU Berlin, dazwischen Arbeit am Berliner Ensemble unter Förderung H. Eislers, 1960 Kandidat d. SED, 1963 gestrichen, Gründung eines Berliner Arbeiter- u. Studententheater, das aber schon vor Eröffnung 1962 verboten wurde, ab 1962 Mitwirkung bei Lyrikabenden u. zeitweilig Auftrittsverbot, Auftritte in d. BRD, 1965 erneut Auftritts- und Publikationsverbot, weiterhin Veröffentlichungen in d. BRD, Freundschaft mit Robert Havemann, Sept. 1976 zum 1. Mal öffentlicher Auftritt nach 11 Jahren in einer Prenzlauer Kirche, Genehmigung zu einer BRD-Tournee u. anschließend Ausbürgerung von d. DDR, Apr. 1982 einmalige Einreiseerlaubnis zum letzten Besuch bei Robert Havemann, nach Wende 1989 Einreise in d. DDR, 1993 Georg-Büchner-Preis, 1995 Heinrich-Heine-Preis. BIERTÜMPEL, Ewald, Ltr. d. Sektors Kirchenfragen b. RdB Halle 219, 343, 371 geb. 6.6.1921 Wansleben a. See, gest. 25.7.2001 Klostermansfeld, Ausbildung zum Bäcker u. Konditor, Soldat im II. Weltkrieg, Studium Verwaltungsrecht Babelsberg, 1965–1978 Ltr. d. Sektors Kirchenfragen RdB Halle, Ruhestand Wansleben. BISCHOFF, Wilhelm, Pfr., Rektor, OberkonsR 460 geb. 5.8.1930 Schmersau, Studium Theol. Berlin, Göttingen, KOS Naumburg, 1955 Vikar Naumburg, 1957 Predigerseminar Erfurt, 1958 Hilfsprediger St. Bartholomäus Halle/S., 1958 Studium klass. Philol. u. Archäol. Halle/S., 1961 Prov.Pfr., Studieninsp. u. Doz., dann Prov.Pfr. u. Rektor (1963) Kirchliches Proseminar Naumburg, 1975 2. Pfr. St. Katharinen Salzwedel, 1983 OberkonsR Magdeburg (Abt. Erziehung u. Unterweisung), 1990 invalidisiert u. Ruhestand. BLAKE, Eugene Carson, Generalsekr. d. ÖRK, Pfr. 276 geb. 7.11.1906 St. Louis, gest. 31.7.1985 Davenport, Studium Phil. u. Theol., 1932 presbyterian. Pfr. an d. St. Albans-Kirche in New York, 1940 Pasadena (Kalifornien), 1951 Generalsekr. d. Vereinigten Presbyterian. Kirche in d. USA, 1966 Generalsekr. d. ÖRK. BLECHA, Kurt, Ltr. Presseamt d. DDR 546 geb. 25.2.1923 Aussig (Böhmen), Mitgl. d. NSDAP, Kriegsdienst II. Weltkrieg, 1943 sowjetische Kriegsgefangenschaft, Mitgl. NKFD, 1946 Mitgl. SED, 1. Journalistenlehrgang PHS u. ab 1950 Redakteur d. „Schweriner Volkszei-
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Biogramme und Personenregister
tung“, Mitarb. Amt f. Information, 1955 stellv. Vors. d. Presseamtes beim Vors. d. Ministerrates, 1958–1989 Ltr. d. Amtes, Mitgl. d. Zentralvorstandes d. VDJ u. 1956–1989 Mitgl. d. Präs. d. VDJ. BODELSCHWINGH, Friedrich von, d. Ä., Ltr. d. Betheler Anstalten seit 1872 189 geb. 6.3.1831 Tecklenburg, gest. 2.4.1910 Bethel, Studium Theol. Basel, Erlangen u. Berlin, Hilfsprediger Paris 1858–1864, 1864 Pfr. in Dellwig (Westf.), Hg. d. „Westfälischen Hausfreund“, Engagement f. d. wohnsitzlosen Wanderarmen, 1903 Mitgl. d. Preußischen Landtags. BÖHME, Hans-Joachim, Dr. h. c., Hochschulminister 401 geb. 25.4.1931 Leipzig, gest. 11.5.1995, 1950–1953 Studium Päd. Leipzig, 1952 SED, 1953–1955 Ass. Leipzig, 1955–1959 1. Stellvertr. Sekr., 1959–1966 1. Sekr. d. SED-KL d. KMU Leipzig, 1966–1968 Ltr. d. Studienabt. an d. DDR-Botschaft Moskau, 1968–1970 Staatssekr. u. 1. Stellv. Minister, 1970–1989 Minister f. Hoch- u. Fachschulwesen, 1973–1989 Mitgl. d. ZK d. SED, 1970 Prof. HU Berlin, 1981 Dr. h. c. Leningrad, 1989 Rücktritt mit d. Regierung Stoph u. d. ZK d. SED. BOHLEY, Michael, Mitgl. d. Gruppe „Christliche Mediziner in sozialer Verantwortung“ in Halle/S. 498 geb. 5.10.1945 Halle/S., Studium Medizin Halle/S., 1971–1976 Facharztausbildung f. Neurologie u. Psychiatrie Halle/S., 1976–1978 Ausbildung zum Facharzt f. Kinderneuropsychiatrie, seit 1978 Facharzt an d. Poliklinik Merseburg, ab 1991 am Klinikum Merseburg Facharzt f. Kinder- u. Jugendpsychiatrie u. Psychotherapie. BOHLEY, Reiner, Prov.Pfr., Rektor 505 geb. 14.5.1941 Halle/S., gest. 31.12.1988 Magdeburg, 1960–62 Studium Verkehrshochschule Dresden, 1960/61 u. 1962/63 Rangierer u. Rangierleiter Halle/S., 1963–1966 u. 1968/69 Studium KOS Naumburg, 1966–68 Sprachenkonvikt Berlin, 1969/70 Studieninspektor Kirchliches Proseminar Naumburg, 1971–1974 Repetent u. Ass. KOS Naumburg, 1974/75 Studienreferendar Kirchliches Proseminar Naumburg, 1975–1982 Prov.Pfr. u. Rekt. Kirchliches Proseminar Naumburg, 1982–1988 Pfr. Magdeburg (St. Martin). BONHOEFFER, Dietrich, Dr. theol., Theologe 357, 361, 608, 612 geb. 4.2.1906 Breslau, gest. 9.4.1945 KZ Flossenbürg, Studium Theol. Tübingen, 1928–1929 Vikar Barcelona, 1930–1931 Stipendiat d. Union Theological Seminary New York, 1931 PD u. Studentenpfarrer Berlin, Mitgl. d. BK, 1933–1935 Pfr. dt. Gemeinde London, 1935 Dir. d. Theol. Seminars d. BK Finkenwalde, 1936 Entzug d. Lehrbefugnis, 1939 kurzer Aufenthalt in New York, trotz Rede(1940) u. Schreibverbots Aufgaben in d. BK wahrgenommen, in d. dt. Widerstandsbewegung tätig, 1943 Verhaftung, im KZ Flossenbürg hingerichtet. BORCHERT, Wilhelm, Mitgl. d. KL d. KPS, selbstständiger Landwirt Nahrstedt 116, 174 geb. 5.10.1897 Nahrstedt, gest. 13.5.1975 Stendal, landwirtschaftl. Lehre, Kriegsteilnehmer I. Weltkrieg, 1925–1933 Bürgermeister Nahrstedt, Soldat im II. Weltkrieg (Einsatz 1939–1944, zuletzt als Major in Polen, Frankreich, Sowjetunion), Mitgl. d. BK (Bezirksbruderrat d. Altmark), 1946 CDU-Abgeordneter im Kreistag Stendal, 1946–56 Mitgl. d. KL d. KPS, Mitgl. d. Synode d.
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KPS, 1953 wegen d. Protestes gegen d. Kollektivierung u. 1958–1962 wegen staatsgefährdender Propaganda u. Hetze in Haft, 1957 Verleihung d. JustusLiebig-Preises d. Uni. Gießen f. hervorragende Leistungen in Landwirtschaft u. Tierzucht. BRAND, George, Luth. Kirche in Amerika 503 BRÜCK, Ulrich von, Pfr., OLKR 212, 243 geb. 10.3.1914 Dresden, gest. 2.4.1999 Darmstadt, Studium Theol. Leipzig, Königsberg, Riga, Vikar d. BK, 1939 Hilfsgeistlicher Altstädter Kirche Erlangen, seit 1941 Dresden, 1943–1945 Kriegsteilnehmer II. Weltkrieg, 1945 Pfr. Erlöser-Andreas-Kirche Dresden, 1950–1964 Ltr. d. Landeskirchlichen Amtes f. IM Radebeul, Bevollmächtigter d. Hilfswerks u. ao., seit 1965 ordentl. Mitgl. d. LKA, seit 1968 OLKR, 1959 Aufbau d. Aktion „Brot für die Welt“ in d. DDR u. bis 1981 deren Bevollmächtigter, 1961–1969 Mitgl. d. EKD-Synode, 1965 OKR, Mitgl. d. Generalsynode d. VELKD, 1969 Stellvertreter d. Bischofs, bis 1975 Mitgl. d. Zentralausschusses d. ÖRK u. d. Exekutivkomitees d. LWB, 1980 Ruhestand. BRÜNING, Ernst, Pfr. 122 geb. 12.5.1911 Haldensleben, gest. 2.3.1989 Herrsching, Studium Theol. Bethel, Erlangen, Halle/S., 1936 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1937) Unseburg, 1952 Genthin, 1976 Ruhestand, Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. BRUNDERT, Willi, Ministerialdir. Sachsen-Anhalt 108 geb. 12.6.1912 Magdeburg, gest. 7.5.1970 Frankfurt/M., Studium Rechtswiss. u. Prom. Hamburg, anschließend Staatsdienst, 1930 SPD, nach 1933 aus d. Staatsdienst entl., Arbeit als Wirtschafts- u. Steuerberater, Soldat II. Weltkrieg, brit. Kriegsgefangenschaft, nach 1945 Prof. MLU Halle, 1946 SED, Ministerialdir. im Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt, Verhaftung u. 1950 in einem Schauprozess im Dessauer Landestheater zu 15 Jahren Zuchthaus wegen „Sabotage“ verurteilt, 1957 aus Haft entl. u. Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, 1958–1963 Dir. d. Landesfinanzschule Hessen, 1963–1964 Ltr. d. hessischen Staatskanzlei u. bis zu seinem Tod OB Frankfurt/M. BRUSCHKE, Werner, MP Sachsen-Anhalts 73, 82, 86 f., 89, 92 f., 111 geb. 18.8.1898 Magdeburg, gest. 17.2.1994 Halle/S., Schlosserlehre Magdeburg, 1912 SAJ, 1916 SPD, 1933 Mitgl. d. Bezirkssekretariats Magdeburg-Anhalt, Abgeordneter d. Landtags Sachsen-Anhalts, illegal polit. tätig, mehrmals in Haft, 1939 Anklage wegen Hoch- u. Landesverrat, U-Haft, dann „Schutzhaft“, 1942–1945 KZ Sachsenhausen u. Dachau, 1945 Sekr. d. SPD-Bezirksvorstands Magdeburg, 1945/46 Vizepräsident d. Provinzialverwaltung Sachsen-Anhalts, 1946–1948 Finanzminister Sachsen-Anhalts, 1946–1949 einer d. beiden Vors. d. SED-Landesverbandes, 1948/49 Mitgl. d. Dt. Volksrats, 1949–1954 Abgeordneter d. Volkskammer, 1949–1952 MP Sachsen-Anhalts, 1950–1954 Mitgl. d. ZK d. SED, ab 1952 Vors. d. RdB Halle, 1955 Entlassung aus gesundheitlichen Gründen, bis 1989 Mitgl. d. ZL d. Komitees d. Antifaschistischen Widerstandskämpfer. BRÜSEWITZ, Oskar, Pfr. 19, 22, 346–362, 501, 513 f. geb. 30.5.1929 Willkischken, gest. 22.8.1976 Halle/S., Kaufmannslehre (abgebrochen), Kriegsdienst u. Gefangenschaft, 1945 Schuhmacherlehre Burgstädt,
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Biogramme und Personenregister
1947 Übersiedlung n. Melle, 1951 Schuhmachermeister, 1954 Übersiedlung in d. DDR, 1955 selbstständiger Handwerksmeister Markkleeberg, 1960 Weißensee/Thür., 1964 Predigerschule Erfurt, 1969 Hilfsprediger, dann Pfr. Rippicha, 1976 Selbstverbrennung in Zeitz. BUCHENAU, Günter, Pfr., Sup. Halle/S. 346 geb. 30.6.1932 Falkensee b. Berlin, Studium Theol. Halle/S., 1955 Vikar Straußfurt, 1957 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1959) Unseburg, 1965 Schwarzheide-West, 1973 Provinzialjugendpfarrer Magdeburg, 1981 2. Pfr. Hoffnungsgemeinde ebd., 1987 1. Pfr. Paulusgemeinde u. Sup. Halle/S., 1996 Ruhestand. BÜCHSEL, Conrad, Pfr., KonsR 109 f. geb. 30.1.1882 Rosenthal, gest. 2.7.1958 Magdeburg, Studium Theol. Tübingen, Halle/S., 1908 Hilfsprediger Swinemünde, Sagard u. Saßnitz, 1909 2. Pfr. u. Garnisonpfarrer Swinemünde, 1913–1927 Pfr. Düsseldorf-Grafenberg u. -Flingern, 1914–1918 Feldgeistlicher, 1927 KonsR Ev. Konsistorium Breslau (Dez. f. Schulangelegenheiten, Jugendarbeit, Kirchenmusik), 1934 Vorsteher d. ev.luth. Diakonissenanstalt Bethanien ebd., 1948 Ltr. u. 1. Geistlicher d. Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg, 1954 Ruhestand. BÜDKE, Günter, Heimleiter Pfeiffersche Stiftungen Magdeburg 110, 112 geb. 16.6.1921 Magdeburg, gest. 10.4.1986 Stendal, Drogist, 1972 Heimleiter Pfeiffersche Stiftungen 1952, 1953 inhaftiert, später tätig als Rendant (Kirchengemeinde Magdeburg-Cracau) u. als Mitarbeit. in d. Finanzabt. d. Konsistoriums. BURY, Wilhelm, Pfr. 104 geb. 23.2.1889 Eichmodien (Ostpr.), gest. 6.7.1972 Bernburg, 1916 Pfr. Skottau, 1927 Pfr. Lyck, 1931 Pfr. u. Sup. Hohenstein, 1947 Pfr. Hessen, 1953 nach Ausweisung aus Sperrgebiet Pfarrverweser Lüderitz, Ruhestand 1957. CARSTENS, Reinhard, Pfr. Sup. 157 geb. 5.8.1927 Stendal, 1946–53 Studium Theol., 1956 Pfr. Erxleben, 1960 Pfr. Tangermünde, 1967–75 Pfr. u. Sup. Aschersleben, 1975–1992 Pfr. u. 1975–85 Sup. Stendal, 1992 Ruhestand. CHANDRA, Romesh, Präsident d. Weltfriedensrates, Politiker 317 f. geb. 30.3.1919, Studium in Lahore u. Cambridge, 1942 Generalsekr. des Allindischen Studentenbundes, 1952 Generalsekr. des von ihm mitbegründeten Allindischen Friedensrates, Mitbegründer u. seit 1966 Generalsekr. d. Weltfriedensrates, 1977 Präsident, seit 1990 Ehrenpräsident. CHRUSCHTSCHOW, Nikita Sergejewitsch, 1. Sekr. d. KPdSU 189 COYM, Gustav, Pfr., Propst zu Naumburg 122, 206 geb. 12.6.1909 Hamburg, gest. 12.4.1979 Malente, 1931 Predigerseminar Eisenach, 1932 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1933) Unterkatz, 1938 Hinternah, 1946 Sup. Meiningen, 1952 Pfr. Eichstedt, 1954 Sup., 1962 Propst Naumburg, 1974 Ruhestand. DEFORT, Wolfgang, Ingenieur 363 geb. 1942, nach Fachschulstudium Ingenieur f. Verpackungswesen, April 1973 Verhaftung nach versuchter Republikflucht in d. CSSR, zu 3 Jahren u. 8 Monaten Haft verurteilt, 13.1.1975 Flucht aus Haftanstalt Cottbus, am gleichen
Biogramme und Personenregister
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Tag im Pfarrhaus Forst-Eulo wieder verhaftet u. zu weiteren 10 Monaten Haft verurteilt, September 1977 Freikauf durch Bundesregierung. DEMKE, Christoph, Dr. theol., Bischof d. KPS 13, 16, 19, 452, 455, 460, 491, 517, 525, 530, 533, 535, 539, 549, 557, 568, 571 f., 574, 619 f. geb. 3.5.1935 Berlin, Studium Theol. HU Berlin, 1958–1963 Repetent Sprachenkonvikt ebd. u. Vikar Sachsenhausen, Dr. theol. HU Berlin (1963), 1964–1977 Doz. Sprachenkonvikt Berlin, 1975 nebenamtl., 1977–1981 hauptamtl. Sekr. d. Theol. Kommission d. BEK, 1977 Stellv. Ltr. u. 1981–1983 Ltr. d. Sekretariats d. BEK, 1980–1983 Sekr. d. kirchlichen Lutherkomitees, 1983–1997 Bischof d. KPS, 1986–1990 Stellv. Vors., ab 1990–1991 Vors. d. KKL, 1997 Ruhestand. DIBELIUS, Otto, Dr. theol., Dr. phil., Bischof v. Berlin-Brandenburg, Vors. d. Rats d. EKD 16, 37, 100, 112, 115, 140, 143, 165, 167, 194 geb. 15.5.1880 Berlin, gest. 31.1.1967 ebd., Dr. phil. Gießen (1902), Lic. Berlin (1906), 1906 Hilfsprediger Guben, 1907 Archidiaconus Crossen/Oder, 1909 Auslandsgeistlicher Schottland, 1910–1925 Pfr. in Danzig, sp. Berlin-Schöneberg, seit 1921 ehrenamtl. Mitgl. d. EOK, 1925 Generalsup. Kurmark, 1933 Zwangspensionierung, 1934 Mitgl. d. Provinzialbruderrats Berlin-Brandenburg, 1938 d. Bruderrats d. APU, wiederholt in Haft, 1945 Mitbegründer d. CDU, 1945–1966 Bischof v. Berlin-Brandenburg, seit 1948 im Zentralausschuss d. ÖRK, 1949–1961 Vors. d. Rats d. EKD, 1954–1961 einer d. fünf Präsidenten im ÖRK. DIECKMANN, Johannes, Dr. jur. h. c., Volkskammerpräsident 149, 168 geb. 19.1.1893 Fischerhude, gest. 22.2.1969 Berlin (Ost), 1918 DVP, 1919–1933 Redakteur u. Parteiarbeit, 1945 Mitbegründer d. späteren LDPD in Dresden, Mitgl. d. Landesvorstands Sachsen, ab 1946 Mitgl. d. Zentralvorstands, 1946–1952 Vors. d. LDPD-Fraktion u. Mitgl. d. Präsidiums d. Sächs. Landtags, 1948–1950 Minister f. Justiz u. Stellv. MP Sachsens, seit 1949 einer d. Stellv. Vors. d. LDPD u. Präsident d. Volkskammer d. DDR, 1953 Dr. jur. h. c. Leipzig, ab 1960 einer d. Stellv. Vors. d. Staatsrates d. DDR. DIETL, Hanns-Martin, Prof., Dr. sc., Ltr. d. Instituts für ML Medizinische Akademie Magdeburg 506 geb. 9.10.1928 Mühlhausen (Thür.), 1947–49 Gärtner Magdeburg, 1950 Neulehrer, 1951 Lehrgang zum Fachschullehrer für ML, bis 1954 Lehrer Fachschule f. Gartenbau Dresden-Pillnitz u. bis 1957 Werder (Havel), 1957 wiss. Ass. Institut f. Agrarökonomie Potsdam, 1961–1990 Doz. f. Dialektisch-Historische Philosophie Medizinische Akademie Magdeburg, 1990 em. Magdeburg. DOERNBERG, Stefan, Dr. d. Gesch., Dr. h. c., Historiker, Diplomat 290 geb. 21.6.1924 Berlin, Historiker, Diplomat, 1935 Emigration in d. UdSSR, Elektroschweißer, nach 1939 Leutnant d. sowj. Armee, 1945/46 Mitarb. d. SMA Mecklenburg, Dr. d. Gesch. (1959), 1971–1978 Generalsekr. d. DDR-Komitees f. europäische Sicherheit u. Zusammenarbeit, 1978–1982 dessen Vizepräsident, 1976–1982 Dir. d. Instituts f. Internat. Bez. an d. ASR Potsdam, 1979 Ernennung zum Vors. d. Rats f. Forschungen zur Internat. Politik, 1983–1987 Botschafter Finnland, 1984 Dr. h. c. u. Ruhestand, 1990 PDS. DREES, Ludwig, Dr. med., Psychiater und Psychoanalytiker 505, 518 geb. 15.6.1934 Stettin, Studium Med. Rostock u. Halle/S., Examen 1958, Arzt
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Biogramme und Personenregister
Radeberg, Bezirkskrankenhaus f. Psychiatrie u. Neurologie Bernburg, Poliklinik Stendal, 1988 Psychiatrisches Fachkrankenhaus Uchtspringe, 1993 Niederlassung als Psychoanalytiker Magdeburg. DRENGER, Shanghai [Steffen], Jugendlicher Magdeburg 525 geb. 16.5.1967, 1983–85 Ausbildung zum Facharbeiter f. städtischen Nahverkehr bei MVB, 1985–90 Triebwagenführer Magdeburg, 1987 inhaftiert, 1993–95 Jugendsozialarbeit Magdeburg, 1997–2000 Studium Deutsches Literaturinstitut Leipzig, 2000–2001 freie publizistische Arbeiten, seit 2002 Redakteur Radio LOTTE Weimar. DUDEY, Irmgard, Pfr., OberkonsR’in 417 geb. 26.7.1922 Hattingen (Ruhr), gest. 29.10.1998 Lehnin, 1944 Gemeindehelferin Berlin-Wilmersdorf und -Johannisthal, 1947 ReiseSekr.in d. Burckhardthauses in Thüringen, Studium Theol. Jena, 1952 Kreisjugendpfarrerin ebd., 1953 Doz. f. AT u. Jugendarbeit Katechetisches Seminar Altenburg, 1960 Eisenach, 1963 Ltr. d. Ev. Jungmädchenwerks unter Berufung zur Prov.Pfr. u. Wertung d. Einsegnung (1955) als Ordination, 1970 mit d. Kooperativen Praxisberatung f. d. Strukturreformen d. Kirchenverfassung in d. KPS beauftragt, 1978 OberkonsR (Abt. Erziehung u. Unterweisung d. Jugend) Magdeburg, 1982 Ruhestand. DUTSCHMANN, Eberhard, Pfr. 122 geb. 2.3.1931 Pulsnitz (Sachs.), 1955 Pfr. Groß-Garz, 1957 Hohenmölsen, 1967 Kühnhausen, 1975 Anhaltische Diakonissenanstalt Dessau, 1991 2. Pfr. Petruskirche ebd. u. Polizeiseelsorger, 1996 Ruhestand. EBERLEIN, Werner, 1. Sekr. d. SED-BL Magdeburg 539, 574 geb. 9.11.1919 Berlin, gest. 11.10.2002 Berlin, 1934 Emigration in d. UdSSR, 1934–1937 Karl-Liebknecht-Schule Moskau, 1940–1948 wegen d. Inhaftierung seines Vaters n. Sibirien verbannt, 1948 Rückkehr n. Dtschl., Mitarb. d. SEDParteivorstands, 1960 Mitarb. d. ZK d. SED, 1960–1964 Mitgl. d. Agit.-Kommission d. PB d. SED, 1964–1983 Stellv. Ltr. d. Abt. Parteiorgane b. ZK d. SED, 1981–1989 Mitgl. d. ZK d. SED, 1983–1989 1. Sekr. d. SED-BL Magdeburg, 1985/86 Kandidat, 1986–1989 Mitgl. d. PB d. ZK d. SED, 1989 mit d. PB zurückgetreten, als Mitgl. d. PB wiedergewählt u. bis Dez. 1989 tätig. EGER, Karl, Prof. theol., Dr. theol., Dr. jur. h. c., Präses d. Provinzialsynode 34 geb. 22.4.1864 Friedeberg (Hessen), gest. 3.7.1945 Magdeburg, 1888–1892 Prädikant, Hilfsgeistlicher u. Pfarrverwalter Langenhain/Oberhessen, dann Darmstadt (1889), auf Studienreisen (1888), 1892 Pfr. Darmstadt, 1901 Prof. u. Dir. Predigerseminar Friedberg/Hessen, 1913 Prof. f. PT Halle/S., 1925 Geh. KonsR (nebenamtl.) Magdeburg, 1928 Dr. jur. h. c. Halle/S., 1929 Präses d. Provinzialsynode u. Vors. d. PKR, 1934 Ruhestand. EGGERATH, Werner, MP Thüringen, Staatssekr. f. Kirchenfragen 165 geb. 16.3.1900 Elberfeld, gest. 16.6.1977, Schlosserlehre, 1936 Verurteilung zu Zuchthaus wegen Hochverrats, nach 1945 Landrat, Bezirksleiter d. KPD Thüringen, Mitgl. d. Landtags (1946) u. thüringischer MP (1947–1952), 1952–1954 Staatssekr. b. MP d. DDR u. Ltr. d. Koordinierungs- u. Kontrollstelle f. d. örtlichen Organe, 1954–1957 Botschafter Rumänien, 1957–1960 Staatssekr. f. Kirchenfragen.
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EICHENBERG, Friedrich Carl, Pfr., Propst d. Altmark 219, 346 geb. 3.8.1915 Chemnitz, Studium Theol. Leipzig (1937–1939 u. 1939/40), Tübingen (1939), Kirchliche HS Berlin (1949–1952), 1940–1949 Kriegsteilnehmer II. Weltkrieg u. russ. Gefangenschaft, 1953–1960 Vik., sp. Hilfsprediger (1954) u. Pfr. (1955) Breitenbrunn, 1960 Pfr. St. Nikolai Freiberg, 1966 1. Domprediger Stendal u. Propst d. Altmark, 1980 Ruhestand. EIGENFELD, Kathrin, Bürgerrechtlerin 446, 449 f. geb. 13.11.1946 Halle/S., Ausbildung zur Präparatorin, Bibliotheksfacharbeiterin bis 1990, 1980 Mitgl. d. Leitung d. ev. Gemeinde Halle-Neustadt, Initiatorin von u. Teilnehmerin an Hauskreis- u. Gruppenarbeit, 1982 Unterschriftensammlung f. d. „Berliner Appell“, Herbst 1983 3 Monate U-Haft n. d. Vorbereitung eines Gottesdienstes zum Weltfriedenstag, seit 1983 Mitarb. in d. Gruppe „Frauen für den Frieden“, seit 1986 in der IFM, Mitarbeit b. d. Samizdat-Zeitschriften „grenzfall“ (1986/87), „Artikel 27“ (1987) u. „Blattwerk“ (1988), 1989 Gründerin d. Neuen Forums Halle/S., 1990–1994 Mitgl. d. Fraktion Bündnis 90/Grüne in d. Stadtverordnetenversammlung Halle/S., 1995 Umzug n. Kasnevitz, 1999 Mitgl. d. Fachbeirat d. Stiftung zur Aufarbeitung d. SED-Diktatur. FALCKE, Heino, Dr. theol., Dr. h. c., Pfr., Propst zu Erfurt 23, 292, 372 f., 436, 478, 481, 514 f., 535, 539 geb. 12.5.1929 Reisenburg (Westpr.), Studium Theol. Berlin (West), Göttingen, Basel, 1952 Vikar St. Georg Salzwedel, 1953 Wittenberg, 1954 Studieninsp. Predigerseminar Wittenberg, 1956 wiss. Ass. Rostock, 1958 Dr. theol. Rostock, 1962 habil. ebd., 1958–1964 Pfr. Wegeleben, 1964–1973 Dir. d. Predigerseminars d. EKU Gnadau, 1973 Propst Erfurt, 1975–1987 Vors. Ausschuss Kirche und Gesellschaft d. BEK, 1979 Delegierter d. BEK in Boston f. d. Ökum. Weltkonferenz „Glaube, Wissenschaft und Zukunft“, 1983 Redner b. d. großen Kundgebung d. Friedensbewegung Bonn, 1984 Dr. h. c. Bern, 1988/89 Stellv. Vors. d. Ökumenischen Versammlung f. Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung d. Schöpfung, 1994 Ruhestand. FASCHER, Erich, Prof., Lic., Dr. theol., Theologe, Vors. d. CDU Sachsen-Anhalt 41 geb. 14.12.1897 Göttingen, gest. 23.7.1978 Potsdam, 1924 Lic. theol. Göttingen, 1926 habil. ebd., 1926 PD f. NT Marburg, 1930 Prof. f. NT Jena, 1930 Dr. theol. Marburg, 1937 Prof. Halle/S. (strafversetzt), 1945 Mitbegründer d. CDU ebd., 1946 2. Landesvors. u. Vors. d. Landtagsfraktion d. CDU Sachsen-Anhalt (1948), Ltr. d. Pressekammer d. Konsistoriums Magdeburg, 1950 Prof. f. NT Greifswald (strafversetzt auf Weisung d. Sowj. Kontrollkommission), 1954 HU Berlin, 1958 Dekan ebd., 1964 Ruhestand. FASSBINDER, Klara-Marie, Prof., Historikerin, Hochschullehrerin 326 geb. 15.2.1890 Trier, gest. 4.6.1974 Berkum, Studium Germanistik, Gesch., Franz., Phil., 1918 Referentin f. „Vaterländischen Unterricht“ im Hauptquartier d. 3. Armee, wurde aber unter d. Eindruck d. Krieges von einer Nationalistin zur Pazifistin, 1923 Friedensbund Deutsche Katholiken u. 1931 dessen zweite Beisitzerin im Bundesvorstand, 1935 v. d. Nationalsozialisten aus d. Schuldienst entl., als freie Schriftstellerin tätig, 1940–1951 Ltr. private Realschule Horem, 1945–1954 Prof. f. Gesch. an d. Pädag. Akademie Bonn, 1951 Gründungsmitgl. „Westdeutsche Frauen-Friedensbewegung“.
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Biogramme und Personenregister
FEODOSSIJ, Exarch des Moskauer Patriarchats f. Berlin u. Mitteleuropa 492 geb. 1927, Priesterweihe 1945, 1962 Mönchsweihe, danach Bischofsweihe. Bischof von drei Bistümern in d. Ukraine, 1972 Bischof von Smolensk und Wjasmas, 1978 Erzbischof ebd., seit 1985 Exarch des Moskauer Patriarchats f. Berlin u. Mitteleuropa, 1986 überraschend abgelöst. FIRIT, Referent f. Religionsgemeinschaften d. RdB Magdeburg 121, 139, 219 FLEISCHHACK, Heinz, Pfr., Propst u. Stellv. d. Bischofs 219 geb. 19.6.1913 Magdeburg, gest. 9.4.1988 Halle/S., Studium Philol., dann d. Theol. Halle/S., Marburg, 1936/37 Vikar Großburschla, 1937 Prädikant GroßSantersleben, 1937/38 Sammelvikar Groß Schlönwitz u. Predigerseminar Finkenwalde, 1938/39 Prädikant St. Andreas Eisleben, Arnsnesta (1939), 1939– 1950 Hilfsprediger d. BK St. Andreas Eisleben, 1940–1942 Zwangsdienstverpflichtung Eisleben, Kriegsdienst (1942) u. russ. Gefangenschaft, 1950–1955 2. Pfr. St. Andreas Eisleben, 1955 theol. Hilfsarbeiter Ev. Konsistorium Magdeburg, 1956–1958 KonsR ebd. (KL), 1958 Pfr. St. Johannis, Propst Magdeburg u. langjähriger Stellv. d. Bischofs, 1978 Ruhestand. FLINT, Fritz, Stellv. d. Staatssekr. f. Kirchenfragen 219, 254 geb. 11.3.1917 Bad Doberan, 1937/38 Kaufmann Braunschweig, 1938–1945 Wehrmacht u. brit. Gefangenschaft, 1946 CDU, 1946–1949 Buchhalter Bad Doberan, 1946–1951 Kreistagsabgeordneter Rostock-Land, 1949–1951 Stellv. BM Bad Doberan, 1951 BM Grabow, 1953–1957 Stellv. OB Schwerin, 1957/58 Vors. d. CDU-Bezirksverbands Cottbus, dann Groß-Berlin, Mitgl. d. Präsidiums d. Hauptvorstandes d. CDU, 1958–1963 Abgeordneter d. Volkskammer, 1960 Stellv. d. Staatssekr.s f. Kirchenfragen, 1977 Ruhestand. FRANKE, Ralf, Mitgl. d. RdB Magdeburg f. Wasserwirtschaft u. Umweltschutz 506 FRENZ, Helmut, Pfr., Propst d. Ev.-Luth. Kirche in Chile, Generalsekr. von amnesty international in d. BRD 597 geb. 4.2.1933 Allenstein (Ostpreußen), Studium Theol. u. Sport Bonn, Göttingen, Kiel, 1960 Pfr. auf Fehmarn, 1964 als EKD-entsandter Pfr. n. Chile, 1965 Pfr. Concepción (Chile), 1970 im bischöflichen Amt als Propst d. Ev.-Luth. Kirche in Chile, 1973 Mitbegründer u. Co-Präsident d. Comité para la Paz („Ökumen. Komitee f. d. Frieden“), 1975 v. d. Pinochet-Diktatur ausgewiesen u. Rückkehr n. Deutschland, Pfr. Hamburg-Bramfeld, 1976 Generalsekr. von amnesty international in d. Bundesrepublik Deutschland, 1988 Pfr. Norderstedt, 1992 Pfr. mit bes. Auftrag f. Ausländer an d. Ev. Akademie Bad Segeberg, 1994 Flüchtlingsbeauftragter d. Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, 1998 Ruhestand. FRICK, Reinhold, Mitgl. d. KL d. KPS 147 geb. 13.2.1900 Leipzig, gest. 18.2.1981 Bad Boll, Studium Chemie Heidelberg, 1929 bei d. IG Farben Leuna, 1942 bei d. IG Farben Auschwitz tätig, ab 1945 wieder in Leuna, arbeitete wiss. u. prakt. an d. Herstellung v. synthetischem Harnstoff, Laienmitgl. d. KL d. KPS, Mitgl. d. Synode d. KPS, 1958 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, 1959 Chemiker BASF Ludwigshafen, 1965 Ruhestand. FUCHS, Emil, Lic., Prof., Theologe 175, 390 geb. 13.5.1874 Beerfelden, gest. 13.2.1971 Berlin (Ost), 1900 Lic., Studium
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Theol. Gießen, 1902–1903 Vikar d. dt. Gemeinde Manchester, 1903 Repetent Gießen, Mitarb. d. „Christlichen Welt“, 1905 Pfr. Rüsselsheim, 1918 Eisenach, 1921 SPD, Begründer d. Thür. Gruppe, 1926–1930 Landesvors. d. Bundes Religiöser Sozialisten, 1931 Prof. f. Religionswissenschaften Pädag. Akademie Kiel, 1933 Entl. aus polit. Gründen, U-Haft, anschl. versch. Gelegenheitsarbeiten, 1943 Emigration in d. Schweiz, 1949 Übersiedlung in d. DDR, 1950–1958 Prof. f. ST u. Religionssoziologie Leipzig, 1950 Mitgl. d. Friedensrats d. DDR, 1954 Ehrenmitglied d. CDU, 1958 Mitbegründer u. Mitgl. d. Fortsetzungsausschusses d. CFK. FUCHS, Klaus, Dr. d. Mathematik, Dr. d. theor. Physik, Physiker 505 geb. 29.12.1911 Rüsselsheim, gest. 28.1.1988 Berlin (Ost), Sohn v. Emil F., Studium Mathematik u. Physik Leipzig u. Kiel, 1930 Mitglied der SPD, 1932 der KPD, 1933 Emigration n. England, Stipendiat b. Max Born Edinburgh, 1937 Dr. d. Mathematik Bristol, 1938 Dr. d. theor. Physik Edinburgh, Mitwirkung am brit. Atombomben-Programm d. Uni. Birmingham, 1942 brit. Staatsbürger, 1943–1946 am US-Atombomben-Programm in Los Alamos beteiligt, 1949/50 als Agent enttarnt, 1950 verhaftet, 1959 Begnadigung u. Abschiebung in d. DDR, 1959 SED, 1959–1972 Stellv. Dir. u. Bereichsleiter im ZI f. Kernforschung Rossendorf, 1967 Mitgl. d. ZK d. SED, 1974–1978 Ltr. d. Forschungsbereiches Physik, Kern- u. Werkstoffwiss. d. AdW, 1979 Ruhestand. GABRIEL, Paul, Dr. theol., Pfr., Dozent 12, 80 geb. 15.12.1883 Steinhorst, gest. 20.4.1964 Wernigerode, Studium Theol. Tübingen, Berlin, Halle/S., Predigerseminar Naumburg/Queis, 1910 Hilfsprediger St. Ambrosius Magdeburg, 1911 Studieninsp. Predigerseminar Wittenberg, 1914–1916 Feldgeistlicher, 1916 Pfr. Stülpe, 1921 Domprediger Halle/S., zugleich ab 1932 Lehrbeauftragter f. Gesch. d. KPS u. Anhalts sowie d. Kirchenlieds u. 1944 Sup. u. KonsR (nebenamtlich), 1944 Dr. theol. h. c. Halle/S., 1947 Sup. u. Senior d. Reformierten KKrs., Febr.–Apr. 1950 Entzug d. Lehrauftrags, 1955 Ruhestand. GARSTECKI, Joachim, kath. Theologe 227, 368 geb. 28.2.1942 Magdeburg, Studium Theol. Erfurt, 1965–1970 Referent f. Jugendseelsorge im Erzbischöflichen Kommissariat bzw. Bischöflichen Amt Magdeburg, 1971 Studienreferent f. Friedensfragen im BEK-Sekretariat, Mitgl. Aktionskreis Halle/S., 1974–1990 Referent f. Friedensfragen in d. ThSA beim BEK, 1988/89 Berater der Ökum. Versammlung d. Kirchen u. Christen in d. DDR u. der „Zukunftswerkstatt Europa“ d. Europäischen Ökum. Versammlung in Basel, ab 1990 Mithg. „Publik-Forum“, Generalsekr. d. dt. Sektion v. Pax Christi; sp. Geschäftsführer der Adam-von-Trott-Stiftung Imshausen. GENSICHEN, Hans-Peter, Dr. Theol. 461, 493 geb. 30.10.1943 Pritzwalk, Theologiestudium Berlin, 1972 Vikar, später Hilfsprediger Wittenberg, 1978 Dr. theol. Halle/S., 1975–2002 Ltr. d. Kirchl. Forschungsheims Lutherstadt Wittenberg, 2002 Ruhestand. GEYER, Fritz, Dr. jur., Chef d. Regierungskanzlei 108 geb. 30.12.1888, gest. 24.6.1966, 1919 USPD, 1922 SPD, vor 1933 Verwaltungsjurist, Landtagsabg. Sachsen, 1933 aus Staatsdienst entfernt, nach 1945 Justitiar u. Staatssekr. d. Landesregierung Sachsen, 1950–1956 Chef d. Regie-
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Biogramme und Personenregister
rungskanzlei bzw. Leiter d. Büros d. Präs. d. Ministerrates d. DDR, Prof. f. Völkerrecht an d. DASR, Dir. Instituts f. Völkerrecht u. internationale Beziehungen an d. DASR u. Prorekt. GIENKE, Horst, Dr. theol. h. c., Bischof d. Ev. Landeskirche Greifswald 318, 406, 437 geb. 18.4.1930 Schwerin, Studium Theol. Rostock, 1954 Pfr. Blankenhagen, 1960 Johanniskirche Rostock, 1964–1971 Rekt. Predigerseminar Schwerin, seit 1969 Mitgl. d. Bundessynode u. d. KKL, 1972 Bischof f. Ev. Landeskirche Greifswald, 1973–1976 u. 1987–1989 Vors. d. Rats d. EKU in d. DDR, 1977 Delegierter d. VI. Vollversammlung d. LWB in Daressalam, 1980 Dr. h. c. Greifswald, 1984–1989 Mitgl. d. Exekutivkomitees d. LWB, 11.6.1989 Wiedereinweihung d. Greifswalder Doms unter Teilnahme d. v. ihm eingeladenen Staatsratsvors. Honecker, Nov. 1989 Vertrauensentzug durch d. Landessynode, Rücktritt, auf eigenen Wunsch, Versetzung in d. Ruhestand. GLOEGE, Gerhard, Prof., Dr. theol., Pfr., Propst zu Erfurt 47 geb. 24.12.1901 Crossen/Oder, gest. 15.4.1970 Bonn, Studium Theol. Berlin, Marburg, 1927 Pfr. Bernau, 1927 Dr. theol. Tübingen u. Doz. f. KG u. NT Auslandsseminar Ilsenburg, 1933 Pfr. u. Studiendir. Naumburg (Queis) (BK), 1934 Austritt b. d. DC, 1934 Mitgl. d. schles. Provinzialbruderrats u. d. Naumburger BK-Synode, 1934 Amtsenthebung, 1934/35 Mitgl. d. Lutherischen Rates, 1937 Reichsredeverbot, 1938 Ausweisung aus Schlesien, 1938 Pfr. Predigerkirche Erfurt, 1946 Bevollmächtigter d. KL Magdeburg f. d. Verhandlungen mit d. sowj. Militäradministratur, 1946 Propst Erfurt, 1946 Prof. f. ST Jena, 1953 Dr. theol. h. c. Heidelberg, 1961 Prof. f. ST Bonn, 1968 Ruhestand. GÖTTING, Gerald, Vors. d. CDU, Volkskammerpräsident 194 f., 221, 223 f., 455, 589 geb. 9.6.1923 Halle/S., 1942–1946 Kriegsteilnahme, amerik. Gefangenschaft, 1946 CDU, FDJ, 1947–1949 Studium Philol. und Gesch. Halle/S., 1948 Mitgl. Hauptvorstand d. CDU, 1948–1949 Mitglied Deutscher Volksrat, 1949–1966 Generalsekr. d. CDU, 1949–1990 Abgeordneter d. Volkskammer, deren Vize(1950–1954) u. Stellv. Präsident (1954–1958), ab 1954 Mitgl. Präsidium d. Liga d. UN, ab 1955 Mitgl. Präsidium d. Friedensrats u. Präsident d. DSF, 1960–1989 Stellv. Vors. d. Staatsrates d. DDR, ab 1966 CDU-Vors., 1969–1976 Präsident u. 1976–1989 Stellv. Präsident d. Volkskammer, 1989 Rücktritt als CDU-Vors., Abberufung aus d. Staatsrat, 1989/90 2 Monate Untersuchungshaft, 1991 Ausschluss aus d. CDU. GOLLWITZER, Helmut, Prof., Dr., Theologe 214 geb. 29.12.1908 Pappenheim, gest. 17.10.1993 Berlin, Studium Theol. München, Erlangen (mehrmals), Jena, Bonn, 1933 Schloßprediger u. Prinzenerzieher Ernstbrunn b. Wien, 1936–1938 Ausbildungstätigkeit beim thür. (1937 ausgewiesen) u. altpreuß. Bruderrat, 1938 Dr. theol. Basel u. Pfr. Berlin-Dahlem, 1940 Reichsredeverbot u. Ausweisung, 1940–1949 Militärdienst u. russ. Gefangenschaft, 1950 Prof. f. ST Bonn, Dr. theol. Heidelberg, 1957 D.D. Glasgow, 1957 FU Berlin (West), 1975 Ruhestand. GOSSLAU, Friedemann, Pfr. 157 geb. 13.4.1929 in Frankfurt (Main), Theologiestudium Berlin-Zehlendorf, Hei-
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delberg, Basel, I. theol. Prüfung Halle/S. 1953, II. theol. Prüfung 1955, Pfr. Wanzer (KKrs. Seehausen/Altmark) 1955–1965, 1965–1993 St. Servatii Quedlinburg, 1993 Ruhestand. GORBATSCHOW, Michael Sergejewitsch, Generalsekr. d. ZK d. KpdSU 24, 501–503, 508 f., 530 f. GOTHE, Richard, Vors. d. RdB Erfurt 254 f. geb. 31.12.1928 Nordhausen, gest. 17.1.1985, Ausbildung zum Elektriker, 1944/45 Marinehelfer, 1949 SED, 1950/51 FDJ-KL Sondershausen, 1952–55 Instrukteur/Abt.-Ltr. SED-KL Sondershausen, 1955–60 Instrukteur u. Stellv. Ltr. Organisation/Kader SED-BL, 1962–85 Vors. d. RdB Erfurt. GRIGEL, Joachim, OberkonsR 256 geb. 22.3.1908 Halle/S., gest. 29.7.1981 Magdeburg, 1959 jurist. Hilfskraft Konsistorium Magdeburg, 1960 KonsR, 1966 OberkonsR (Dez. f. Finanzen u. Pfarrbesoldung u. -versorgung) ebd., 1973 Ruhestand. GROTEWOHL, Otto, Ministerpräsident DDR 76, 79, 100, 108, 111, 116 f., 129, 135, 149, 579, 584, 588 GRÜBER, Heinrich, Dr. theol., Dr. theol. hc. mult., Pfr., Propst Berlin (Ost) 131, 143 geb. 24.6.1891 Stolberg (Rhld.), gest. 29.11.1975 Berlin (West), 1920 Pfr. Dortmund, 1925 Ltr. d. Düsseltaler Anstalten, 1926 Erziehungsdir. d. Waldhofes Templin, 1934 Pfr. Berlin-Kaulsdorf, Mitgl. d. PNB, 1937 Gründer u. Ltr. d. Ev. Hilfsstelle f. nichtarische Christen („Büro Grüber“), 1940–1943 KZ Sachsenhausen u. Dachau, 1945 Propst Berlin (Ost: St. Nikolai u. St. Marien), 1949–1959 Bevollmächtigter d. Rats d. EKD bei d. Regierung d. DDR. GRÜNBAUM, Kurt, Jurist u. OberkonsR 21, 121, 135, 144–147 geb. 5.4.1892 Storkow, gest. 9.4.1982 Prerow, Jurastudium Heidelberg, Kiel, 1922 Rechtsanwalt Berlin, 1923 juristischer Hilfsarbeiter u. 1925 KonsR im Konsistorium (der Kirchenprovinz Brandenburg) Berlin, 1927 Ministerialrat in d. Geistl. Abt. d. Preuß. Ministeriums f. Wissenschaft, Unterricht u. Kultus, 1935 im Reichskirchenministerium, 1945 Regierungsdir. d. Landesregierung Brandenburg, 1948 Domkurator Brandenburg, 1950–1952 Ltr. d. HA Verbindung zu d. Kirchen in d. Regierungskanzlei d. DDR (entlassen), 1953 OberkonsR Konsistorium Berlin, Mitarb. in d. Kirchenkanzlei d. EKD, Mitgl. d. EKD- u. EKUSynode, 1953 Haft, 1954–1958 Konsistorialpräsident Magdeburg, Vizepräsident d. Zentralausschusses f. d. IM, 1957 Untersuchungshaft u. Verurteilung, 1958 Domkurator Brandenburg, 1961–1971 juristischer Referent d. Kirchenkanzlei d. EKU. GRÜNWALD, Siegfried, Vors. d. RdB Magdeburg 540, 571 geb. 1938, Dreherlehre, Ingenieurökonomstudium Plauen, ab 1963 verantwortliche Funktionen b. RdK Wolmirstedt u. b. RdB Magdeburg, Studium Staatswiss. an d. DASR Potsdam-Babelsberg, 1982/83 Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK d. SED, Vors. d. Bezirkspartei-Kontrollkommission d. SED Magdeburg, 1976–1985 1. Stellv. d. Vors., dann Vors. d. RdB Magdeburg, ab 1976 Abgeordneter d. Bezirkstages, ab 1985 Mitgl. d. Sekretariats d. SED-BL Magdeburg. GRUNDMANN, Peter, Landeswart d. Jungmännerwerks Sachsen-Anhalt 417 geb. 3.5.1935 Breslau, Maschinenschlosserlehre, Gütekontrolleur u. Dokumen-
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Biogramme und Personenregister
tationssachbearbeiter Schönebeck u. Halberstadt, 1967–1985 Mitarb. im Ev. Jungmännerwerk Sachsen-Anhalt, zunächst Kreisjugendwart, 1977–1982 Landeswart, dann Referent, 1985–1992 Referent im Amt f. Kinder- und Jugendarbeit der KPS, 1993–1998 Ltr. d. Suchtberatungsstelle d. Magdeburger Stadtmission e. V., 1998 Rentner, Kuratoriumsvorsitzender d. Magdeburger Stadtmission. GÜNTHER, Oswald, Kirchenforstrat 574 geb. 16.8.1933 Wittstock/Dosse, 1950–52 Ausbildung zum Forstfacharbeiter u. 1953–56 zum Forstingenieur Tharandt, 1958/59 Revierförster Kyritz, 1959–70 wiss. Mitarb. TU Dresden, 1966 Dipl. Forstingenieur, 1970–74 Kirchenrevierförster Sandau, ab 1974 Kirchenforstmeister Konsistorium Magdeburg, ab 1981 Kirchenforstrat, 1996 Ruhestand. GURCKE, René, Jugendlicher Magdeburg (1987 inhaftiert) 525 GYSI, Klaus, Dr. h. c., Minister f. Kultur, Staatssekr. f. Kirchenfragen 437, 450, 521, 527, 530 f. geb. 3.3.1912 Berlin, gest. 6.3.1999 ebd., 1928 KJVD, 1931 KPD, 1931–1935 Studium Volkswirtschaft Frankfurt, Paris, Innsbruck, Berlin, 1935 Emigration n. Frankreich, 1939/40 interniert, ab 1940 Untergrundtätigkeit in Berlin, 1945 Bezirksbürgermeister Berlin-Zehlendorf, 1946 SED, 1945–1948 Chefredakteur d. Zeitschrift „Aufbau“, 1949–1954 u. 1967–1990 Abgeordneter d. Volkskammer, 1952–1954 Ltr. d. Abt. Deutsche Literaturgeschichte Verlag Volk und Wissen, 1957–1966 Ltr. d. Aufbau-Verlags, 1957–1977 Mitgl. d. Präsidiums d. KB, 1958–1962 Stadtverordneter Berlin, 1966–1973 Kulturminister d. DDR, 1973–1978 Botschafter in Italien u. Malta, 1979–1988 Staatssekr. f. Kirchenfragen, 1987 Dr. h. c. Jena, 1988 Ruhestand. HAGENDORF, Willi, Pfr. 116 geb. 22.7.1911 Aschersleben, gest. 16.4.1999, Studium Theol. Halle/S., 1939 Hilfsprediger, 1940–1955 Pfr. Seyda, 1940/41 Soldat, 1944/45 in Haft, 1951/52 Disziplinarverfahren u. bis 1954 in Haft, 1955 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, Pfr. Lünen. HAGER, Kurt, Prof., Mitgl. d. PB d. ZK d. SED 435, 619 geb. 24.7.1912 Bietigheim a. d. Enz, gest. 18.9.1998 Berlin, 1929 KVJD, 1930 KPD, journalistische Tätigkeit, 1933 mehrere Monate KZ Heuberg, bis 1936 Widerstandsarbeit, 1936 Inhaftierung in d. Schweiz, 1937–1939 Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg, 1939 Internierung in Frankreich, 1941–1946 Forstarbeiter, Schweißer u. journalistische Tätigkeit in England, 1946 Rückkehr n. Dtschl., 1946–1948 Stellv. Chefredakteur „Vorwärts“, seit 1949 Ltr. d. Abt. Parteischulung/Parteipropaganda u. ab 1952 d. Abt. Wissenschaft u. Hochschulen im Parteivorstand bzw. ZK d. SED, seit 1949 Prof. f. Phil. Berlin, ab 1955 Sekr. d. ZK d. SED, 1959 Kandidat, seit 1963 Mitgl. d. PB u. Ltr. d. Ideologischen Kommission b. PB, 1958 Abgeordneter d. Volkskammer, seit 1966 Mitgl. d. Präsidiums d. Forschungsrats, seit 1976 Mitgl. d. Staatsrates, 1990 aus SED/PDS ausgeschlossen. HAMEL, Johannes, Dr. theol., Pfr., Doz. 106, 109, 112, 116, 206 geb. 19.11.1911 Schöningen, gest. 1.8.2002 Wernigerode, 1936 Studium Theol. Tübingen, Königsberg, Halle/S., 1936 Adjunkt am Auslandsseminar d. BK
Biogramme und Personenregister
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Ilsenburg, 1938 Studentenamtsleiter d. BK Halle/S., 1939 Hilfsprediger Beckwitz, 1940 Kayna, 1942 Heuckewalde, 1942–1946 Soldat, verwundet, amerik. Kriegsgefangenschaft, Lagerpfarrer in Florenz u. Pisa, 1946 Studentenpfarrer Halle/S., 1953 mehrere Monate in Haft, 1955 Doz. f. PT u. Rekt. (mehrfach) KOS Naumburg, 1976 Ruhestand, Mitgl. d. Synode der EKU. HAMMER, Detlef, Dr. jur., OberkonsR 26 geb. 2.4.1950 Gersdorf (Sachsen), gest. 3.4.1991 Magdeburg, Jurastudium Halle, Mitarbeiter am Vertragsgericht Karl-Marx-Stadt, seit 1974 im Konsistorium Magdeburg (KonsR, seit 1978 OberkonsR), jurist. Dezernent f. theol. Ausbildung, Diakonie, Ökumene, 1990 Konsistorialpräsident, Offizier im besonderen Einsatz des MfS (OibE). HANKE, Rolf, Referent f. Kirchenfragen beim Rat d. Stadt Halle 343 HARDER, Walter, Pfr., KR 147 geb. 15.3.1897 Berlin, 1924 Pfr. Zachow, 1929 Heinrichau, 1939 Wehrmachtspfarrer Görlitz, 1940 Wehrmachtsoberpfarrer, 1946 Provinzialrat, KR (1948), Ltr. (1952) d. Ev. Hilfswerks Magdeburg, 1958 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. HARTMANN, Gisela, Mitgl. d. KL d. KPS 346 geb. 12.6.1939 Eberswalde, Pädagogikstudium Institut f. Lehrerbildung Nordhausen, 1957 Med. Praktikantin ebd., sp. Bleicherode, 1959 Studium Med. FH Halle/S. (Abschluss als MTA), 1962 Zusatzstudium Jena, Leipzig, dann Hausfrau, 1970–1979 Mitgl. d. Synode u. 1972–1980 d. KL d. KPS, seit 1972 d. Synode d. EKU, 1981–1994 Mitgl. d. Rates d. EKU, ab 1990 Fachbereichsleiterin Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Nordhausen, 1971 Teilnehmerin KEK in Nyborg, 1988/89 Ökolog. Beraterin im Konziliaren Prozess, 1990 Berufung in d. Weltteam d. Internationalen Rates f. Kommunale Umweltinitiativen (ICLEI), 1994–1997 Mitglied im Beirat d. Umweltbeauftragten d. EKD, 1995–2001 Mitglied im Beirat Umweltmediation e. V. Bonn, 2004 Ruhestand. HARTMANN, Helmut, Pfr., Sup. Mitgl. d. KL d. KPS 416, 469, 493, 518 geb. 6.2.1932 Burgörner, Studium Theol. Halle/S., 1955 Vikar Lindau b. Eisenberg (Thür.), Predigerseminar Brandenburg, 1957/58 Industriearbeiter Schwarze Pumpe, 1958 Hilfsprediger, sp. 2. Pfr. (1959) St. Jakobi Mücheln, 1967 1. Pfr. St. Andreas-Nicolai Eisleben, 1978 1. Pfr. Pauluskirche u. Sup. Halle/S., 1976–1978 Mitglied der KL der KPS, 1986 Kreispfarrer f. Gemeindedienst u. Stadtmission d. KKrs. Erfurt, 1995 Ruhestand. HARTMANN, Martin Paul Gerhard, OberkonsR 589 geb. 16.3.1913 Schernikau, gest. 19.12.1996 Magdeburg, 1933–1937 Studium Theol. Halle, Erlangen u. Tübingen, 1939–1945 Soldat II. Weltkrieg, 1945 Hilfsprediger Schlewecke (Bad Harzburg), 1945/46 Hilfsprediger Bad Gandersheim, 1946/47 Hilfsprediger u. 1947–1956 Pfr. Derenburg, 1956–1967 Pfr. Erfurt (Regler), 1967 KonsR, 1970 OberkonsR, 1978 Ruhestand. HECKEL, Konrad, Pfr. 104 geb. 2.7.1908 Rößel (Ostpreußen), gest. 12.5.1993 Berlin-Bohnsdorf, 1929–33 Studium Theol. Königsberg, Bonn, Marburg, 1936 Hilfsprediger Bäslack (Ostpreußen), 1937–45 Pfr. ebd., 1939–1945 Soldat, 1945–48 Gefangenschaft,
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Biogramme und Personenregister
1949–52 Pfr. Osterwieck, 17.6.1952 Ausweisung aus dem Sperrgebiet, 1952 Pfr. Berlin-Bohnsdorf, 1977 Ruhestand. HEGEN, Josef, Stellv. Minister f. Auswärtige Angelegenheiten 87, 94, 100 geb. 23.4.1907 Hunschgrün (Böhmen), gest. 28.2.1969, 1925 KPC, 1929–1934 ZK d. KPC u. ZK-Sekr. d. kommunist. Jugendverbandes, 1935–1938 Leninschule Moskau, 1942/43 Partisaneneinsatz in Polen, Verhaftung, KZ Mauthausen, 1945 KPC-Sekr. Karlovy Vary, 1946 Übersiedlung in d. SBZ, SED-Vors. Südwestsachsen, sp. Kreis Zwickau, 1948–1950, Chef d. VP Sachsen-Anhalt, 1950–1952 Innenminister Sachsen-Anhalts u. Stellv. d. MP, 1952–1953 Vors. d. RdB Magdeburg, 1953–1957 Staatssekr. u. Stellv. Minister d. Innern, 1957–1961 Botschafter Warschau, 1961–1964 Peking, 1964 2. Stellv. Minister, 1966 Staatssekr. u. 1. Stellv. Minister f. Auswärtige Angelegenheiten. HEIN, Erich, Pfr., Lic., OberkonsR 145 geb. 27.4.1902 Groß Rominten (Ostpr.), gest. 14.11.1957 Magdeburg, 1925 Lic. Königsberg, Studium Theol. ebd., Predigerseminar Wittenberg, 1927 Hilfsprediger Lutherkirche Insterburg, 1928 Pfr. Groß Warningen, 1930–1944 Kussen, 1945 Kitzscher, 1946 6. Pfr. Pauluskirche Magdeburg, 1949 KonsR, 1952 OberkonsR (Ausbildungsdez.), starb b. Verhör durch d. Staatsanwaltschaft. HEINEMANN, Gustav, Dr. jur., Bundespräsident, Präses d. EKD-Synode 154 geb. 23.7.1899 Schwelm, gest. 7.7.1976 Essen, Dr. jur. (1921), 1926 Rechtsanwalt Essen, 1928–1936 zugleich Prokurist d. Rhein Stahlwerke, 1936–1949 Vorstandsmitgl. ebd., 1933 Mitgl. d. BK u. Synodaler d. Bekenntnissynoden d. DEK Barmen (1934), Augsburg (1935), Bad Oeynhausen (1936), 1945–1952 CDU, 1945–1967 Mitgl. d. Rats d. EKD, 1946 OB Essen, 1947–1950 Justizminister Nordrhein-Westfalen, 1949–1953 Mitgl. d. Bundestags (CDU), 1949–1955 Präses d. Synode d. EKD, 1949/50 Bundesinnenminister, 1951 Mitbegründer d. Notgemeinschaft für den Frieden Europas, 1952 Gründung d. GVP, 1957 SPD, 1966–1969 Bundesjustizminister, 1969–1974 Bundespräsident. HEINTZE, Gerhard, Dr. theol., Landesbischof Ev.-luth. Landeskirche Braunschweig 287 geb. 14.11.1912 Wehre, Studium Theol. Tübingen, Göttingen, 1935 Austauschjahr im Hartlex Victoria College Manchester, 1938/40 Hilfsgeistlicher in d. Württ. Landeskirche, u. 1939/40 in Gifhorn, 1940–1945 Kriegsteilnehmer, amerik. Gefangenschaft, 1942–1946 Pfr. Hollern-Twielenfleth, 1946 Missionsinsp. Missionsanstalt Hermannsburg, 1950–1957 Studiendir. Predigerseminar Hildesheim, 1957 Sup. ebd., 1957 Dr. theol. Göttingen, seit 1965 Landesbischof d. Ev.-luth. Landeskirche Braunschweig, 1978–1981 Leitender Bischof d. VELKD, zugleich Vors. d. KL u. d. LWB, 1976–1979 Vors. d. ACK, 1977 Ltr. d. dt. Delegation b. d. VI. Vollversammlung d. LWB in Daressalam, 1982 Ruhestand. HEINZELMANN, Gerhard, Prof., Dr. theol., Lic. 41 geb. 10.6.1884 Coswig, gest. 21.12.1951 Halle/S., Studium Theol. Tübingen, Halle/S., Berlin, 1907 Inspektor Theol. Stift Göttingen, 1910 Lic., Dr. habil. u. PD Göttingen, 1914 ao. Prof. Basel, 1917 Lazarettpfarrer Kurland, Litauen, Berlin, 1918 ordentl. Prof. u. Rekt. (1927) Basel, 1929 Prof. f. ST u. NT Halle/S., 1945 Mitgl. d. Vorläufigen Geistlichen Leitung d. KPS, 1946 CDU, 1946–1949 Mitgl. d. KL d. KPS, Ltr. d. Prüfungswesens d. KPS, 1931–1952
Biogramme und Personenregister
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Vors. des Gustav-Adolf-Vereins d. KPS, 1945–1951 dessen Gesamtpräsident (in d. DDR). HELD, Otto, Pfr., Sup. Schönhausen, OberkonsR 172 geb. 19.6.1913 Uelzen, gest. 3.1.1975 Magdeburg, Kriegsteilnehmer II. Weltkrieg, 1946 Hilfsprediger, dann Pfr. Badingen, 1952 Pfr. u. Sup. Schönhausen (Elbe), 1970 OberkonsR (Finanzdez.) Magdeburg. HEMPEL, Johannes, Dr. theol., Dr. h. c. mult., Landesbischof d. Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens 450, 476 geb. 23.3.1929 Zittau, 1947 Studium Germanistik, Phil., Gesch. Tübingen, 1949 Studium Germanistik, Phil., Gesch., Theol. Heidelberg u. Kirchliche HS Berlin (West), 1952 Rückkehr in d. DDR, 1955 Hilfsgeistlicher, sp. Pfr. (1956) Gersdorf b. Glauchau, 1958 Studieninsp. Predigerkolleg St. Pauli Leipzig, 1963 Studentenpfarrer ebd., 1963 Dr. theol., 1967 Studiendir. Predigerkolleg St. Pauli ebd., 1972–1994 Landesbischof d. Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1975 Mitgl. d. Zentralausschusses u. Exekutivausschusses d. ÖRK, 1981–1986 Leitender Bischof d. VELKDDR, 1982–1986 Vors. d. KKL, 1983–1991 einer d. sieben Präsidenten d. ÖRK, 1983 Dr. h. c. Leipzig, 1984 Canterbury/Kent u. 1987 Muhlenberg/Allentown, 1991 Stellvertretender Ratsvors. d. EKD, 1994 Ruhestand. HEMPRICH, Herbert, Dr. jur., OberkonsR 74, 111, 121, 139, 147 geb. 8.9.1913 Seehausen b. Magdeburg, gest. 28.4.1985 Oldenburg, Jurist, 1938 Dr. jur. Göttingen, 1941 Reichsbahnassessor, 1942–1946 Reichsbahnrat, 1939–1946 Kriegsdienst u. Gefangenschaft, 1947 Referent im Provinzialamt d. Hilfswerks d. EKD Magdeburg, 1950 KonsR, 1956 OberkonsR (jur. Dezernent d. allg. Abt.) ebd., 1955 Mitgl. d. Synode d. KPS, 1958 Verwaltungsgerichtsrat Berlin (West), 1964–1981 OKR, hauptamtl. Mitgl. im Ev. Oberkirchenrat Oldenburg u. Vertreter d. Bischofs; u. a. 1968–1985 Mitgl. d. Hermann-EhlersStiftung, 1971–1979 d. Rates d. Konföderation Ev. Kirchen Niedersachsen. HENKYS, Reinhard, Journalist 19, 493 geb. 22.7.1928 Nidden (Krs. Memel), Studium Geschichte, Germanistik, Wirtschaftswiss., Redakteur bei d. Zeitung „Der Kurier“ (Berlin), 1955 Redakteur beim epd Düsseldorf, Berlin 1961, 1964–1971 Mitarbeit in der epd-Zentralredaktion Berlin, 1972–1991 Leiter d. Ev. Publ. Zentrums Berlin (West) u. Geschäftsführer d. Berliner Arbeitsgemeinschaft f. Kirchl. Publizistik, 1972–1990 Leitung d. Zeitschrift „Kirche im Sozialismus/Übergänge“, 1974–1991 Leitung des „Berliner Sonntagsblattes“, 1996 Träger d. Karl-Barth-Preises. HENTSCHEL, Paul, Vors. d. RdB Magdeburg 121 geb. 26.10.1913 Breslau, gest. 20.11.1959 Magdeburg, Lehre u. Arbeit als Maurer, 1936 Angehöriger d. Interbrigaden in Spanien, Rückkehr n. Dtschl., Wehrmacht, sowjet. Kriegsgefangener, Angehöriger d. NKFD, 1945 Rückkehr n. Dtschl., 1945 KPD, 1946 SED, 1946 Ministerialdir. in d. Landesreg. Brandenburg, 1949–1952 Mitarb., zeitweilig Abt.-Ltr. Staats- u. Rechtsfragen im SEDZentralsekretariat, beteiligt an d. Waldheimer Prozessen, Sekr. d. Magistrats v. Groß-Berlin, 1953 Vors. d. RdB Magdeburg, Mitgl. d. Bezirkstags u. d. Büros d. SED-BL ebd.
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Biogramme und Personenregister
HERTEL, Helmut, Pfr. 122 geb. 14.3.1928 Bleckendorf, 1954 Hilfsprediger Bad Suderode u. Straßberg (1955), 1956 Pfr. Straßberg, 1984 Ruhestand. HILD, Helmut, Dr. theol. h. c., Kirchenpräsident d. Ev. Kirche in Hessen u. Nassau 287 geb. 23.5.1921 Weinbach/Lahn, gest. 11.9.1999 Darmstadt, 1938–1945 Wehrpflicht, Kriegsdienst, Gefangenschaft, Studium Theol. Marburg, 1950 Vikar Limburg, 1951 Pfr. Westerburg, 1957 Frankfurt-Unterliederbach, 1960 Öffentlichkeits-Pfr. d. hess.-nass. Kirche in Frankfurt, 1964 Vors. d. Ev. Gemeindeverbandes u. Pfr. Lutherkirche ebd., seit 1969 Kirchenpräsident d. Ev. Kirche in Hessen u. Nassau, seit 1973 Stellv. Ratsvors. d. EKD, u. a. Mitgl. Zentralvorstand d. Ev. Bundes, Präsidium d. Deutschen Ev. Kirchentages, Fernsehrat d. ZDF, 1974 Dr. theol. h. c. Warschau, 1985 Ruhestand, 1985 Vorstandsvors. d. GEP. HILDEBRANDT, Franz-Reinhold, Pfr., Propst zu Halberstadt-Quedlinburg 47, 118 geb. 12.1.1906 Braunsberg (Ostpr.), gest. 18.12.1991 Brühl, Studium Theol. Königsberg, Berlin, Tübingen, 1933 Pfr. Goldap, Mitgl. d. Rats d. BK Ostpreußens u. d. Bruderrats d. APU, 1946 Propst Halberstadt-Quedlinburg, 1952 Präsident d. Kirchenkanzlei d. EKU u. 1961 zugleich Oberdomprediger Berlin, 1972 Ruhestand. HINZ, Christoph, Dr. h. c., Pfr., Propst Magdeburg 227, 346, 355, 481, 504 geb. 28.1.1928 Zezenow, gest. 21.3.1991 Magdeburg, Kriegsdienst u. Gefangenschaft, Studium Theol. Münster, Berlin-Zehlendorf, Heidelberg, 1954 Studieninsp. Sprachenkonvikt Halle/S., 1956 Hilfsprediger Studentengemeinde, 1958 Studentenpfarrer ebd., 1963 Pfr. St. Viti Merseburg, Mitgl. d. EKD-Synode, 1967 Rekt. Predigerseminar Gnadau, 1972–1986 Mitgl. d. Synode d. KPS, 1978 Propst Magdeburg, 1982 Dr. h. c. Kirchliche HS Berlin, 1986 Ruhestand, Mitgl. d. Kommission Faith and Order d. ÖRK. HINZ, Erwin, Dr. phil., Studienleiter d. Ev. Akademie Sachsen-Anhalt 229, 219 geb. 20.7.1917 Ratzebuhr (Kr. Neustettin), Soziologe, Studienleiter d. Ev. Akademie Sachsen-Anhalt, Studium Soz., Gesch. u. Phil. Jena, 1953 Dr. phil. Jena, 1953–1961 Studienleiter d. Ev. Akademie Sachsen-Anhalt, 1954 Lehrauftrag (f. mehrere Semester) f. Phil. u. Soziallehren KOS Naumburg, 1961–1982 Studienleiter in d. Arbeitsgemeinschaft f. Soziologie u. Theologie (AST) d. EKU (DDR), 1960–1990 Mitarbeit in d. Ev. Forschungsakademie d. EKU, 1964–1968 Mitgl. d. KL d. KPS, 1965–1982 d. Ökumene-Ausschusses d. EKU, 1966 Teilnahme an d. Weltkonferenz „Kirche u. Gesellschaft“ in Genf u. 1968 an d. IV. Vollversammlung d. ÖRK Uppsala. HINZ, Paulus, Dr. theol., Pfr., Sup. 168 geb. 5.2.1899 Bad Polzin (Pom.), gest. 28.1.1988 Halberstadt, Studium Theol. Greifswald, Halle/S., 1923 Predigerseminar Wittenberg, 1924 Hilfsprediger Lauenburg u. nebenamtl. Gefängnis- u. Krankenhauspfarrer ebd., 1927 Pfr. Zezenow, 1930 Dompfarrer u. nebenamtl. Krankenhaus- u. Standortpfarrer Kolberg, 1946 komm. Pfr. Berlin-Frohnau, dann Berlin Hermsdorf, 1946 1. Domprediger u. Sup. Halberstadt, 1965 Ruhestand, 1974 Dr. theol. Marburg.
Biogramme und Personenregister
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HITLER, Adolf, Reichskanzler 34 f., 80 HOEKENDIJK, Johannes Christian, Prof., Dr. theol., niederl. ev. Theologe, Missionswissenschaftler 310 geb. 3.5.1912 Garut (Java), gest. 25.6.1975 New York, 1942 Studentenpfarrer, 1945 Missionskonsul Djarkarta, 1947 Sekr. d. Niederl. Missionsrats, Dr. theol. (1948), 1949 Sekr. f. Evangelisation b. ÖRK Genf, 1952 Prof. f. PT, 1958 f. KG d. 20. Jh. Utrecht, 1965 am Union Theological Seminary New York. HOFFMANN, Erich, Prof., Dr. sc. nat., Agrarwissenschaftler, Vizepräses d. Synode d. KPS 229 geb. 29.9.1904 Halle/S., gest. 16.10.1989 ebd., Lehre als Landwirt, Studium Landwirtschaft Frankfurt, Halle/S., 1929 Vors. d. Deutschen Studentenschaft, 1929 Dr. sc. nat., 1933–1945 Landwirt in Mecklenburg, Kriegsdienst u. Gefangenschaft, 1946 Enteignung, 1948 habil. u. Prof. u. Institutsdir. f. Agrarwesen bzw. Landwirtschaftliche Betriebs- u. Arbeitslehre Halle/S., 1958 aus polit. Gründen aus d. Uni. entfernt („Spirituskreis“), 1958–1969 Ltr. einer Filiale d. Instituts d. Akademie d. Landwirtschaftswissenschaften der DDR in Bad Lauchstädt, ab 1952 Mitgl. d. Synode d. KPS, sp. deren Vizepräses u. Mitgl. d. Synode d. EKU, 1960–1972 Mitgl. d. KL d. KPS, Teilnahme an d. Weltkonferenz „Kirche u. Gesellschaft“ in Genf (1966). HOFFMANN, Fritz, Landeswart d. Jungmännerwerks in d. KPS 107, 112, 116 geb. 17.8.1906 Ludwigshafen (Rhein), gest. 4.6.1996 Berlin, kaufmännische Ausbildung, dann bis 1932 Ausbildung zum Diakon f. kirchl. Jugendarbeit am Johannesstift Berlin-Spandau, Jugendwart Schneidemühl, 1935 Landeswart d. Ev. Jungmännerwerks f. Sachsen-Anhalt Magdeburg, 1939–1945 Militärdienst, 1945–1966 Landeswart Magdeburg, 1953 4 Monate U-Haft, bis 1976 Aufbau u. Leitung d. Versandstelle d. Jungmännerwerks Magdeburg, seit 1955 Geschäftsführer, sp. Ltr. d. Evangelistenkonferenz in d. DDR, seit 1974 Mitgl. d. Internationalen Lausanne-Komitees f. Weltevangelisation, 1976 Vors. d. Evangelistenkonferenz in d. DDR. HOFFMANN, Heinz, Mitgl. d. PB, Minister f. Nationale Verteidigung 471 geb. 28.11.1910 Mannheim, gest. 2.12.1985 Berlin (Ost), Maschinenschlosserlehre, 1926 KJVD, 1930 KPD, 1933–1935 Widerstand in Baden, 1935 Emigration in d. UdSSR, 1937–1939 Angehöriger d. Interbrigaden in Spanien, anschl. UdSSR, Instrukteur in Kriegsgefangenenlagern, 1946 Rückkehr n. Dtschl., 1947 Sekr. d. SED-Landesleitung Groß-Berlin, 1950 Stellv. Minister d. Innern, 1955 Studium an d. Generalstabsakad. UdSSR (Dipl. rer. mil.), 1957 1. Stellv. Minister f. Nationale Verteidigung, 1960–1985 Minister f. Nationale Verteidigung, 1961 Armeegeneral, 1950–1985 Mitgl. d. Volkskammer, 1952–1985 Mitgl. d. ZK d. SED, 1973–1985 Mitgl. d. PB. HOFFMANN, Johannes, Propst Südharz 177 geb. 24.4.1910, gest. 26.4.1977, Studium Theol., 1934 als Vikar wegen „Unbotmäßigkeit“ gegen „Reichsbischof“ aus Predigerseminar Wittenberg entfernt, erste Leiter d. Bruderschaft d. Hilfsprediger u. Vikare d. BK d. KPS, Predigerseminar BK Bielefeld-Siecker, 1948 Sup. Liebenwerda, 1956–1975 Propst Nordhausen, zugleich mehrere Jahre Präs. d. Gustav-Adolf-Werkes in d. DDR.
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Biogramme und Personenregister
HOFMANN, Bernhard, Rechtsanwalt, Konsistorialpräsident 110 geb. 19.7.1889 Magdeburg, geb. 10.2.1954 ebd., Jurastudium Freiburg, Berlin, Halle/S., Gerichtsassessor Amtsgericht Magdeburg, Febr. 1919 auf Antrag aus dem Justizdienst entl., dann Rechtsanwalt u. Notar Kalbe/Milde, 1925 Magdeburg, seit 1927 Mitgl. d. Provinzial- u. Generalsynode, 1933 Mitgl. d. Laienkreises d. PNB, BK-Synodaler, im engeren Rat d. BK-Bruderrats d. Provinz Sachsen, 1937 zusammen mit Ludolf Müller u. a. wegen Ungehorsams (Kirchenkollekte f. d. BK) angeklagt, Verfahren aber sp. eingestellt, Sept. 1945 als Rechtsanwalt am Amts- u. Landgericht Magdeburg zugelassen, 1947–1954 Konsistorialpräsident Magdeburg. HONECKER, Erich, 1. Sekr. d. SED, Vors. d. Staatsrates d. DDR 23, 25, 277, 326, 375 f., 408, 447, 455, 495, 533, 547, 562, 598 HONECKER, Margot, Ministerin
Volksbildung 573 HÖPPNER, Reinhard, Dr. rer. nat., Präses d. Synode d. KPS 286, 549, 602 geb. 2.12.1948 Haldensleben, 1963 Ausbildung Elektromonteur Braunkohlekombinat Lauchhammer, 1967 Studium Mathematik TU Dresden, 1971–1990 Lektor Akademie Verlag Berlin, ab 1972 Mitgl. d. Synode d. KPS, Mitgl. d. KL d. KPS, 1976 Dr. rer. nat., 1980–1994 Präses der Synode d. KPS, 1989 SDP, 1990 Mitgl. d. Parteivorstands d. SPD (DDR), 1990 Abgeordneter d. Volkskammer, Vizepräsident, seit 1990 MdL Sachsen-Anhalt, 1990–1994 Vors. d. SPD-Fraktion, 1994–2002 MP Sachsen-Anhalts. HOSSENFELDER, Joachim, Pfr., Reichsleiter d. DC 34 geb. 19.4.1899 Cottbus, gest. 28.6.1976 Lübeck, 1917 Kriegsdienst, 1919 Freikorpskämpfer, 1925 Pfr. Simmenau, 1927 Alt-Reichenau, 1929 NSDAP, 1931 Pfr. Christuskirche Berlin, 1932 Kirchenfachberater d. Reichsleitung d. NSDAP, Mitbegründer u. erster Reichsleiter d. DC, Juni 1933 Geistl. Vizepräsident d. EOK, Bischof d. Ev. Bistums Brandenburg, Sept. bis Nov. 1933 Geistlicher (uniert) Minister in d. Reichskirchenregierung (29.11. Gesamtrücktritt d. Ministeriums), Dez. 1933 i. W., 1939 Pfr. Friedenskirche Potsdam, 1945 Krankenhausgeistl. u. andere Pfarrstellen, komm. Verwalter v. Pfarrstellen, 1969 Ruhestand. HÜBENER, Erhard, Prof., Dr. phil., MP Sachsen-Anhalts 37 f., 52, 58, 63, 66 72 f. geb. 4.8.1881 Tacken, gest. 3.6.1958 Wernigerode, Pfarrerssohn, Studium Staatswiss. u. Gesch. Kiel u. Berlin, 1905 Dr. phil., Soldat im I. Weltkrieg, ab 1919 Beamter im Preuß. Ministerium f. Handel u. Gewerbe, ab 1922 Mitgl. d. Sächs. Provinzialversicherung, ab 1924 Landeshauptmann d. Provinz Sachsen, DDP bzw. Dt. Staatspartei, 1933 zwangspensioniert, wiss. u. liter. Tätigkeit Jena u. Wernigerode, 1941/42 Militärdienst, 1945 Mitbegründer d. DVP in Halle/S., v. d. amerik. Besatzung als Landeshauptmann eingesetzt, Präsident d. Provinzialverwaltung Sachsen, 1946 Prof. f. Verw.-Wiss. Halle/S., 1946–1949 MP Sachsen-Anhalts, 1948/49 Mitgl. d. Dt. Volksrats, 1949 Rücktritt aus Altersgründen, weiterhin tätig als Prof. HÜLLMANN, Walther, Pfr. 41 geb. 11.10.1895 Berlin, gest. 30.6.1981 Magdeburg, 1925 Hilfsprediger Jerusa-
Biogramme und Personenregister
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lemkirche Berlin, 1928 Pfr. Freyenstein, 1937 4. Pfr., 1945 1. Pfr. St. Nicolai Magdeburg, 1946 Prov.Pfr. f. Äußere Mission, 1966 Ruhestand. IMMER, Karl, Lic., Präses d. Ev. Kirche im Rheinland 287 geb. 25.8.1916 Rysum (Ostfriesl.), gest. 3.1.1984 Düsseldorf, 1935–1937 Wehrdienst, 1937–1942 Studium Theol. Wuppertal, Halle/S., 1939–1945 Kriegsdienst, 1945 Hilfsprediger, dann Pfr. (1948–1968) Duisburg-Neudorf, seit 1958 nebenamtl. Mitgl. d. rhein. KL, 1968–1971 OberkonsR im Konsistorium Düsseldorf (Engagement f. Kirchliche Bruderschaften u. Prager CFK), 1971–1981 Präses d. Ev. Kirche im Rheinland, 1973 Mitgl. d. Rates d. EKD u. dessen Beauftragter f. Fragen d. Kriegsdienstverweigerung u. f. Seelsorge an dt. Kriegsverurteilten im ausländischen Gewahrsam, Mitgl. d. Arnoldshainer Konferenz. IRGANG, Martin, Pfr. 112 geb. 20.2.1894 Wreschen (Posen), gest. 13.11.1979 Stendal, 1922 Pfr. Annarode, 1930 Pfr. Stendal, 1962 Ruhestand in Stendal. JAEGER, Joachim, Pfr., Propst Südharz 571, 619 f. geb. 26.5.1935 Johanngeorgenstadt, Maschinenschlosserlehre, Ingenieurstudium Karl-Marx-Stadt, Studium Theol. KOS Naumburg, Sprachenkonvikt Berlin, 1967 Pfr. Wiederstedt, 1973 Studentenpfarrer Halle/S., 1977 Nordhausen-Altendorf u. Sup., 1981–1985 Mitgl. d. KKL, 1983 Delegierter b. d. Vollversammlung d. ÖRK in Vancouver, 1986 Propst Südharz, 1994 Propst Erfurt, 2000 Ruhestand. JÄNICKE, Johannes, Dr. h. c., Bischof d. KPS 14 f., 19, 43, 124 f., 133 f., 138, 145, 147, 153, 156, 163, 165, 174, 177, 180, 182, 186–188, 195, 198, 202, 206, 211, 214, 219 f., 224, 227, 230, 240, 246 f., 250, 256, 259, 264, 432, 456 geb. 23.10.1900 Berlin, gest. 30.3.1979 Halle/S., Bischof d. KPS, Soldat im I. Weltkrieg, Studium Theol. Berlin, Basel, 1925 Stadtvikar Berlin, 1926 Pfr. Luckenwalde, 1929 St. Ulrich Halle/S., 1935–1947 Palmnicken, ab 1934 Mitgl. d. PNB u. d. BK Ostpreußens (1940–1943 Ltr. d. ostpreuß. Bruderrats), 1939–1945 Soldat u. Sanitäter, 1947 komm. Pfr. Berlin-Schlachtensee, 1948 Dir. d. Burckhardthauses Berlin-Dahlem, 1949 Propst Halle-Merseburg, 1955–1968 Bischof d. KPS, 1956 Dr. h. c. Göttingen, Stellv. Vors. d. Rates d. EKU, seit 1968 Ltr. d. Kuratoriums Diakonissenmutterhaus Halle/S., 1968 Ruhestand. JAHN, Eberhard, Pfr. 123 geb. 17.9.1921 Magdeburg, 1941–1946 Kriegsteilnehmer II. Weltkrieg u. Gefangenschaft, Studium Theol. Wuppertal, Tübingen, Bethel, 1951 Vikar BielefeldSchildesche, 1952 Vikar, Prädikant, 1953/54 Hilfsprediger Farnstädt, 1954 Hilfsprediger, dann Pfr. Lutherkirche Haldensleben, 1955 3 Monate Untersuchungshaft in Magdeburg, 1957 Barleben, 1964 Pfr. Kunnerwitz. JANSA, Bernhard, Pfr. 168 geb. 17.5.1901 Leipzig, gest. 3.3.1967 Schönebeck (Elbe), Buchhändler, Bibliothekar in d. Thüringer Landeskirche, dabei volksmissionarische Tätigkeit, 1938 Pfarrverweser, 1942 Pfr. Bischofroda, 1947 Sonneberg, 1957 Prov.Pfr. JuliusSchniewind-Haus Schönebeck/Elbe. JAROWINSKI, Werner, Mtgl. d. PB 532 geb. 25.4.1927 Leningrad, gest. 2.10.1990, 1941–1943 Ausbildung zum Industriekaufmann, 1943–45 Soldat II. Weltkrieg, 1945 KPD, 1946 SED, 1948–1951
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Biogramme und Personenregister
Studium Rechtswiss. MLU Halle u. Wirtschaftswiss. HU Berlin, 1951–1956 Doz. HU Berlin, 1956 Dr. rer. oec. ebd., 1956–1963 Arbeit im Ministerium f. Handel u. Versorgung, 1956/57 Ltr. d. Forschungsinstituts f. d. Binnenhandel u. 1957/58 Hauptverwaltungsleiter, 1959–1963 stellv. Minister bzw. Staatssekr. u. 1. Stellv. d. Ministers, 1963–1989 Mitgl. d. ZK d. SED, dort u. a. für Kirchenfragen zuständig, 1984 Mitgl. d. PB, Nov. 1989 Stellv. d. Präs. d. Volkskammer, Dez. 1989 Rücktritt mit PB von allen Funktionen, 1990 Ausschluss aus d. SED/PDS. JARUZELSKI, Wojciech, poln. General u. MP 420 JERMOLAJEW, W. A., Offizier für Kirchenfragen in d. SMAD 65 geb. 1910, Geschichtsdozent, Leutnant/Hauptmann, Mitarb. Polit. Hauptverw. Rote Armee, 1945–49 SMAD-Informationsverw. verantwortlich f. Kontakte mit d. Kirchen, sowj. Vertreter f. Kirchenfragen im Kontrollrat, danach wieder Geschichtsdozent. JOHANNES PAUL II, Papst 571 JUNGHANS, Helmar, Prof., Dr., Mitglied Lutherkomitee d. BEK 1983 455 19.10.1931 Geyer (Erzgeb.), 1947–51 Gefangener SMA, 1951–1955 Kirchliches Oberseminar Potsdam Hermannswerder, 1955–1960 Studium Theol. KMU Leipzig, 1960/61 Lehrvikar Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 1962–69 wiss. Mitarb. Theol. Fakultät Leipzig, 1964 Dr. theol. KMU Leipzig, 1969–1971 wiss. OberAss. ebd., seit 1971 Hg. „Lutherjahrbuch“, 1979–1983 Mitgl. Lutherkomitee d. BEK, 1982–1990 ao. Prof. f. KG Leipzig, 1982–94 Vors. Arbeitsgemeinschaft f. Sächs. KG, seit 1988 Vorstandsmitglied Luthergesellschaft, 1990–1997 Prof. f. KG Leipzig, 1991 Dr. theol. h. c. Ohio, 1992–1998 Mitgl. d. Historischen Kommission d. Dt. NK d. LWB. KÄHLER, Ernst, Prof., Dr. theol., Doz. Theol. Fakultät d. Universität Halle/S. 80 geb. 7.6.1914 Duisburg-Meiderich, gest. 17.11.1991 Greifswald, Kirchenhistoriker, 1942 Ass., 1948 Dr. theol. u. Doz. f. Landes-KG u. Kirchl. Kunst Halle/S., Februar–April 1950 Entzug d. Lehrauftrags, 1950 Rekt. u. Doz. KOS Naumburg, 1952 habil. theol., 1953 Lehrauftrag f. KG u. DG Halle/S., 1954 Prof. f. KG Greifswald, 1957 Dr. theol. h. c. Göttingen. KÄHLER, Martin, Prof., Lic., Theologe 198, 311 geb. 6.1.1835 Neuhausen, gest. 7.9.1912 Freudenstadt, Studium Rechtswissenschaften Königsberg, Studium Theol. ebd., Heidelberg, Halle/S., Tübingen, 1860 Lic. Halle/S., 1864 ao. Prof. f. NT u. ST Bonn, 1867 Halle/S. u. Insp. Schlesisches Konvikt, 1878 ordentl. Prof. f. NT u. ST ebd. KAMLAH, Friedrich, Pfr. Stendal 123 geb. 29.5.1891 Eisleben, 1923 Hilfsprediger Spandau, 1924 Pfr. Hohennauen, 1934 Berlin (Heilandskirche), 1940 Stendal, 1957 Ruhestand Berlin-Spandau. KLAER, Ingo, Dr. theol., Doz., Pfr. 424 geb. 13.10.1937 Magdeburg, Studium Musik Halle/S., Studium Theol. Naumburg, Sprachenkonvikt Berlin, 1963 Vikar Wittenberg, sp. Berlin-Weißensee (1963/64) u. wiss. Repetent Sprachenkonvikt ebd. (bis 1965), 1965 Hilfsprediger Tasdorf-Rüdersdorf, 1969 Doz. f. ST Sprachenkonvikt Berlin, 1973 Prov.Pfr. u. Doz. f. ST KOS Naumburg, 1993 Pfr. Droyßig, 1996 Ruhestand.
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KLEIN, Helmut, Dr. phil., Pädagoge, Präsident d. Verbandes d. Freidenker in d. DDR 573 geb. 2.3.1930 Berlin-Lichterfelde, Studium Mathematik, Physik u. Pädagogik in Berlin, 1952 Promotion, 1959 Habilitation an d. HU Berlin, dort seit 1961 Prof. f. Systemat. Pädagogik, 1976–1988 Mitgl. d. KL d. SED an d. HU Berlin, 1976–1988 Rektor d. HU Berlin, 1979 korrespond. Mitgl. d. Akademie d. Wiss. d. DDR, 1989–90 Präsident des Verbandes d. Freidenker in d. DDR, 1990 Mitgl. d. Volkskammer. KLEINSCHMIDT, Otto, Dr. med. h. c., Prov.Pfr. Kirchliches Forschungsheim Wittenberg 461 geb. 13.12.1870 Geinsheim, gest. 25.3.1954 Lutherstadt Wittenberg, Studium Theol. Marburg, Berlin, 1895 Ass. b. Hans Graf v. Berlepsch (Einrichtung einer Vogelsammlung), 1898 Vikar Schönstadt, 1899 Pfr. Volkmaritz, 1910 Dederstedt, 1923 Dr. med. h. c. Halle/S., 1928 Prov.Pfr. f. Weltanschauungskunde und Ltr. Kirchliches Forschungsheim Wittenberg, 1953 Ruhestand. KLEWITZ, Siegfried, Dr. phil., Oberregierungsrat, OberkonsR 21, 145–147 geb. 9.4.1888 Möckern, gest. 1.1.1970 Gnadau, Studium Volkswirtschaft u. Rechtswiss. Kiel, Berlin, Lausanne, Halle/S., Dr. phil. Halle/S., 1914 Magistratsassessor Quedlinburg, Kriegsteilnehmer I. Weltkrieg, 1920 Syndikus in Quedlinburg, 1927 Stadtrat Magdeburg, 1932 Mitbegründer d. Philosophischen Gesellschaft ebd., Mitgl. d. DVP, nahm nach der Vertreibung v. Ernst Reuter die Geschäfte d. OB wahr, 1933–1939 Stadtkämmerer, 1938 ord. Mitgl. d. Deutschen Akademie f. Bauforschung Berlin, 1940 Verwaltungstätigkeit im Bergbau, 1943 Zwangsversetzung in d. Ruhestand, 1944/45 Jurist am Konsistorium Magdeburg, Juli 1945–Aug. 1946 Oberregierungsrat Magdeburg, 1946 OberkonsR, jurist. Mitgl. d. Konsistoriums Magdeburg (Finanzdez.), Fraktionsvors. d. LDP im Stadtrat, sp. Mandatsverlust u. Ausschluss aus d. LDP, 1957 Verhaftung, 1958 Ruhestand. KLIER, Freya, Bürgerrechtlerin 536 geb. 4.2.1950 Dresden, Abitur mit Ausbildung zur Maschinenbauzeichnerin, Verurteilung zu 16 Monaten Haft („versuchte Republikflucht“), vorzeitig entl., 1970–1975 Schauspielstudium Leipzig u. Dresden, ab 1975 Schauspielerin Theater Senftenberg, 1978–1982 Regiestudium Berlin, Inszenierungen in Halle/S., Bautzen, Berlin, 1980 aktiv in d. Friedensbewegung, 1982 freischaffende Theaterregisseurin Berlin (Ost), 1985 Berufsverbot, danach Auftritte mit d. Liedermacher Stephan Krawczyk in ev. Kirchen, eigene Stücke u. Prosaarbeiten, Mitarb. in d. „Kirche von unten“, 1988 Verhaftung, Ausbürgerung mit Stephan Krawczyk n. Berlin (West), dort freischaffende Autorin u. Regisseurin. KLOHR, Olof, Prof., Dr., Ltr. d. Forschungsgruppe „Wissenschaftlicher Atheismus“ 345 geb. 4.1.1927 Hamburg, gest. 1994, 1946 KPD, Übersiedlung in d. SBZ, Studium Gesellschaftswiss. Leipzig, Doz. f. ML ebd., Dr. (1956), habil. (1962), 1963–1968 Prof. f. Wissenschaftlichen Atheismus Jena, 1969–1990 Ltr. d. Forschungsgruppe „Wissenschaftlicher Atheismus“ an d. Ingenieurhochschule f. Seefahrt Warnemünde/Wustrow.
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Biogramme und Personenregister
KNITTEL, Fritz, 1950 Ltr. d. Abt. Kirchenfragen d. Landesregierung Sachsen-Anhalt 87 KOCH, Wilhelm, Dr. jur., Konsistorialpräsident 219 geb. 11.12.1903 Mühlhausen (Thür.), gest. 10.9.1989 Haar üb. Neuhaus (Elbe), 1931 Dr. jur. Marburg, Studium Handels- u. Rechtswiss. Frankfurt, 1933 Gerichtsassessor, 1934 Rechtsanwalt Mühlhausen, 1937 Notar ebd., 1939–1945 Kriegsteilnehmer II. Weltkrieg, 1948 rechtskundiger Mitarb. d. KKR Mühlhausen, 1955 komm. Ltr. d. Kirchl. Rentamts d. Altmark Stendal, 1956 Kirchenverwaltungsamtmann ebd., 1958 jurist. Hilfsarbeiter Ev. Konsistorium Magdeburg, 1959 KonsR, 1965 OberkonsR ebd. (Abt. Bauten), 1966–1971 Konsistorialpräsident, 1971 Ruhestand. KOLODNIAK, Alfred, Vors. d. RdB Halle 539, 572, 575 geb. 9.10.1931, Klempner, Ingenieurstudium u. Studium Gesellschaftswiss., 1969 Pol. Mitarb. d. ZK d. SED, 1979 Generaldir. VEB Kombinat Metallaufbereitung, 1984–1989 Vors. d. RdB Halle. KOOTZ, Gerhard Rudolf, Präses d. Landessynode Anhalts 219 geb. 21.6.1912 Hoyerswerda, gest. 9.8.2000 Dessau, vereidigter Bücherrevisor u. Steuerberater, 1963–1970 u. 1976–1987 Präses d. Landessynode Anhalts u. Mitgl. d. Landeskirchenausschusses, Vors. d. Verwaltungsrates d. Anhaltischen Diakonissenanstalt (30 Jahre). KRAMER, Martin, Pfr., Konsistorialpräsident 9, 371, 440, 518, 539 geb. 16.2.1933 Berlin, Industriekaufmann, Studium Theol. Halle/S., 1962 Hilfsprediger u. persönlicher Mitarb. d. Bischofs sowie Studentenseelsorger Magdeburg, 1964 Pfr. Magdeburg-Salbke, 1974 Pfr. Pauluskirche Magdeburg, bis 1970 im Nebenamt Studentenpfarrer, 1964 Mitgl. d. Synode d. KPS, ab 1969 d. Bundessynode u. d. KKL (bis 1977 im Vorstand), 1971–1980 Vizepräses d. Synode d. KPS, 1974–1991 Mitgl. d. Ausschusses Kirche u. Gesellschaft d. BEK (1987 Vors.), 1980–1990 Konsistorialpräsident Magdeburg, 1990 Pfr. St. Gertrauden Magdeburg, ab 1991 Mitgl. d. Kammer f. öffentliche Verantwortung d. EKD (Stellvertretender Vors.), 1995 Ruhestand. KRAWCZYK, Stephan, Liedermacher, Schriftsteller 521, 536 geb. 31.12.1955 Weida, 1976 SED, 1978–1982 Fernstudium im Fach Konzertgitarre Weimar, freiberufl. Liedermacher, 1984 Umzug n. Berlin, Kontakt zur Künstlerszene Prenzlauer Berg u. zu opp. Gruppen, 1985 Austritt aus d. SED, Auftrittsverbot, Aufführungen in kirchl. u. priv. Rahmen, 1988 Verhaftung, zum Ausreiseantrag gezwungen wegen „landesverräterischer Beziehungen“, Ausbürgerung mit Freya Klier n. Berlin (West). KRENZ, Egon, Generalsekr. d. SED 231, 559, 561 f., 567, 569 geb. 19.3.1937 Kolberg (Pommern), 1953–1957 Ausbildung am Institut f. Lehrerbildung Putbus, 1955 SED, 1957–1959 NVA, 1960–1961 1. Sekr. d. FDJ-BL Rostock, 1961–1964 u. 1967–1974 Sekr. d. Zentralrats d. FDJ, 1964–1967 Studium Parteihochschule d. KPdSU Moskau, Vors. d. Pionierorganisation, 1971– 1973 Kandidat, 1973–1989 Mitgl. d. ZK d. SED, 1971–1981 Mitgl. d. Präsidiums d. Volkskammer, 1974–1983 1. Sekr. d. Zentralrats d. FDJ, 1976–1983 Kandidat, 1983–1989 Mitgl. d. PB u. ZK-Sekr. f. Sicherheit u. Kaderfragen, 1981–1984 Mitgl., 1984–1989 Stellv. Vors. d. Staatsrates, 1989 Generalsekr. d.
Biogramme und Personenregister
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ZK d. SED, Vors. d. Staatsrates u. d. Nationalen Verteidigungsrats, 1990 Ausschluss aus der SED/PDS, 2000–2003 in Haft. KRETSCHMANN, Hans, Pfr. 469 geb. 13.3.1933 Wernigerode, Studium Theol. Halle/S., Vikar Jerichow u. Saubach, Predigerseminar Brandenburg, 1958 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1960) Saubach, 1972 Brüderpfarrer d. Kirchlich-Diakonischen Lehrgangs Berlin-Weißensee in d. Stephanus-Stiftung, 1991 Pfr. Berlin-Friedrichsfelde, 1997 Ruhestand. KREYSSIG, Lothar, Dr. jur., Präses d. Synode d. KPS u. d. EKU, Begründer d. Aktion Sühnezeichen 33, 74, 87, 94, 100, 122, 128, 143, 164, 186, 588 geb. 30.10.1898 Flöha (Sachs.), gest. 5.7.1986 Bergisch-Gladbach, ab 1918 Studium Jura Leipzig, 1922 Referendar, 1924 Richter, 1926–1936 Landgerichtsrat Chemnitz, 1934–1936 Mitgl. d. Landesbruderrates Dresden, 1936 Ltr. d. sächs. Bekenntnissynode, 1937 Amtsrichter Brandenburg, Mitgl. d. Provinzialbruderrats ebd. u. d. Bruderrats d. APU, 1942 Zwangsruhestandsversetzung u. a. wegen Einspruches gegen Euthanasiemorde, 1945 Landgerichtsdir. Potsdam, 1946/47 Konsistorialpräsident u. KonsR Magdeburg, 1947–1964 Präses d. Synode d. KPS, 1951/52 komm. Ltr. d. Kirchenkanzlei d. APU, 1952–1970 Präses d. Synode d. EKU, 1958 Gründung d. Aktion Sühnezeichen, bis 1970 deren Vors. KRUMMACHER, Friedrich-Wilhelm, Dr., Bischof d. Pommerschen Ev. Kirche 129, 135, 179, 204 geb. 3.8.1901 Berlin, gest. 19.6.1974 Berlin (Ost), Studium Theol. Tübingen, Berlin, Greifswald, 1923 Vikar Neuruppin, 1925 Hilfsprediger Berlin-Wannsee, 1926 Provinzialvikar Kurmark, 1927 Dr. Tübingen, 1928 Pfr. Essen-Werden, 1933 Kirchenbundesamt Berlin, NSDAP, 1934 OberkonsR im Kirchlichen Außenamt, 1939 Divisions- und Lazarettpfarrer, 1943 sowj. Gefangenschaft, Mitarb. im NKFD, 1945 Pfr. Berlin-Weißensee u. Sup. Berlin-Land (bis 1949), nebenamtl. OberkonsR d. EKD (Kirchenkanzlei-Berliner Stelle), 1946–1955 Generalsup. Berlin (Sprengel II), 1953 Dr. h. c. HU Berlin, 1955–1972 Bischof Pommersche Ev. Kirche, 1960–1969 Vors. d. Ostkirchenkonferenz, 1961–1969 Rat d. EKD, 1972 Ruhestand. KRUSCHE, Günter, Dr. theol., Generalsup. 367, 371 geb. 25.2.1931 Dresden, Studium Theol. KMU Leipzig, 1956 Pfr. Taucha, 1958 Studieninsp. Predigerseminar Lückendorf, 1966 Pfr. u. Referent LKA Dresden, 1969–1974 Studiendir. Lückendorf, 1970–1984 Mitarbeit im LWB (1977 Vors. d. Studienkommission), 1974 Doz. f. PT Sprachenkonvikt Berlin, 1983 Generalsup. d. Sprengels Berlin (Ost) u. Dr. theol. Leipzig, Mitgl. d. AG „Menschenrechte“ d. BEK, 1992 Ruhestand, Delegierter zur Vollversammlung LWB Nairobi. KRUSCHE, Werner, Dr. theol., Bischof d. KPS 16 f., 22 f., 27 f., 247, 252, 254 f. 257, 272, 276, 285 f., 301, 312, 343, 346, 363, 371, 381 f., 392, 402, 416, 426, 429, 433, 443, 455, 469, 513 f., 546, 589 geb. 28.11.1917 Lauter (Erzgeb.), 1940–1944 Kriegsdienst (schwer verwundet), Studium Theol. Leipzig, Bethel, Heidelberg, Göttingen, Basel, 1953 Dr. theol., bis 1954 wiss. Ass. Heidelberg, 1954 Pfr. Dresden, 1958 Studiendir. Predigerseminar Lückendorf, 1966 Doz. f. ST Theol. Sem. Leipzig, 1968–1983 Bischof
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Biogramme und Personenregister
d. KPS, 1974 Mitgl. d. Präsidiums d. KEK, 1976–1979 Ratsvors. d. EKU (Bereich DDR), 1977 Dr. h. c. Basel u. Halle/S., 1981–1982 Vors. d. KKL, 1983 Ruhestand, Mitgl. d. Nordisch-dt. Kirchenkonvents, Ehrensenator d. Universität Heidelberg. KUNISCH, Georg Arthur, Dr. jur., Ltr. d. Abt. Kirchenwesen d. Landesregierung, Finanzminister Sachsen-Anhalt 72 geb. 30.10.1905 Rösnitz (Kr. Leobschütz/Oberschl.), 1928 Zollinspektor, 1928 Studium Rechts- u. Staatswissenschaften Breslau, Berlin, 1933 Dr. jur. Breslau, 1935 Richter Amts- u. Landgericht ebd., 1936 aus d. Justizdienst entl., Rechtsberater u. Syndikus Raiffeisenbank ebd., 1937 Dienst im Ev. Konsistorium ebd., 1939 Konsistorialassessor, 1940 KonsR ebd., 1943–1945 Soldat, 1945 im Dienst d. Ev. Oberkirchenrates Stolberg, 1946 mit Befürwortung d. KL Magdeburg Ltr. d. Abt. Kirchenwesen d. MP d. Prov. Sachsen, CDU, 1946–1949 Ltr. d. Präsidialkanzlei, 1949 Finanzminister, Opfer der v. d. SED inszenierten „Säuberungsaktionen“ der Blockparteien, Febr. 1950 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. LANGE, Fritz, Minister f. Volksbildung 153 geb. 23.11.1898 Berlin, gest. 16.9.1981, 1919–1924 Volksschullehrer Berlin-Neukölln (entl.), 1919 USPD, 1920 KPD, 1925 Redakteur b. Pressedienst d. ZK d. KPD, 1925–1928 leitender Funktionär im Roten Frontkämpferbund, 1925–1933 Bezirksverordneter Berlin-Neukölln u. Stadtverordneter Berlin, 1933 KZ Sonnenburg, danach bis 1942 kaufmännischer Angestellter, illegaler Widerstand, 1942–1945 Haft u. a. in Brandenburg-Görden, 1945–1948 OB Brandenburg, 1948/49 Ltr. d. HA d. Zentralen Kontrollkommission b. d. DWK, 1949–1954 d. ZKSK, 1950–1958 Abgeordneter d. Volkskammer u. Kandidat d. ZK d. SED, 1954–1958 Minister f. Volksbildung, 1960/61 Mitarb. im Dt. Institut f. Militärgeschichte Potsdam, 1961 Ruhestand. LANGE, Werner, Pfr. 123 geb. 26.9.1903 Lauban (Schlesien), gest. 18.1.1987 Prettin (Elbe), 1929 Erzieher Ev. Johannisstift Berlin-Spandau, 1930 Jugendwart Berlin-Karlshorst, 1934 Kreis-Volksmissionar Oberwünsch, 1937 Großthiemig, 1948 Pfr. ebd., 1955 Prettin, 1955 in Haft, 1973 Ruhestand. LAUSZAT, Hellmuth, Senior Ev. Ministerium u. Sup. Erfurt 539 geb. 7.1.1934 Sprakten (b. Insterburg/Ostpreußen), 1952–57 Studium Theol. Halle/S., 1958/59 Predigerseminar Erfurt, 1959 Pfr. Lützensömmern, 1970 Pfr. Regler-Gemeinde Erfurt, 1971 Senior d. Ev. Ministeriums u. Sup. Erfurt u. 1988 Rücktritt wegen polit. Repressionen, 1988 Pfr. Regler-Gemeinde Erfurt, 1996 Pensionierung Erfurt. LEICH, Werner, Dr. theol. h. c., Landesbischof Thüringens, Vors. d. KKL 446, 455, 517, 521, 530 f., 533, 536 f., 546, 552, 554, 559, 561 f., 564, 566, 569, 622 geb. 31.1.1927 Mühlhausen (Thüringen), 1942–1944 Luftwaffenhelfer, ab 1945 Bergwerker, Schlosserlehre, 1947–1951 Studium Theol. Marburg, Heidelberg, 1951–1953 Vikar Angelroda, 1954 Pfr. Wurzbach, seit 1960 Mitgl., 1967–1978 Vizepräses d. Synode in Thüringen, 1969 Sup. Lobenstein, 1969–1978 Mitgl. d. KL d. VELKDDR, 1978–1990 Bischof d. Ev.-Luth. Kirche in Thüringen,
Biogramme und Personenregister
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1980–1983 Vors. d. kirchlichen Lutherkomitee, 1983 Dr. h. c. Jena, 1986–1990 Vors. d. KKL, 1990 Mitautor d. Loccumer Erklärung, 1992 Ruhestand. LEWEK, Christa, Dr. h. c., OKR 299, 318, 371, 406 geb. 19.1.1927 Leipzig, Studium Germanistik, Gesch., Phil. Leipzig, 1951–1952 wiss. Ass. Leipzig, CDU, ab 1952 Hauptreferentin d. HA Verbindung zu d. Kirchen unter Leitung Nuschkes, nach Auflösung d. HA dessen persönliche Referentin, 1958 Cheflektorin EVA, 1959 Austritt aus d. CDU, 1958–1969 KR, OKR d. Kirchenkanzlei d. EKD f. d. Gliedkirchen in d. DDR, 1969–1988 OKR u. Stellvertretende Ltr. d. BEK-Sekretariats, verantwortlich f. d. Bereich „Kirche u. Gesellschaft“, Mitgl. d. Kommission d. Kirchen f. Internationale Angelegenheiten d. ÖRK, 1979–1987 Präsidentin d. Menschenrechtsprogramms d. Kirchen zur Verwirklichung d. Schlussakte von Helsinki, 1988 Ruhestand, 1989 Dr. h. c. Rostock. LIEBKNECHT, Karl, Mitbegr. u. Vors. Spartakusbund 536 LIEDKE, Gerhard, Dr. theol., Referent in der FEST 481 geb. 1937, Studium Theol. Heidelberg, Hamburg, Tübingen, Bethel, Prom., 1969–71 Kernforschungszentrum in Karlsruhe, 1971–1978 Referent Forschungsstätte d. Ev. Studiengemeinschaft Heidelberg, 1977–1982 Pfr. Heidelberg, 1982–1989 Umweltbeauftragter, später Dir. d. Predigerseminars d. badischen Landeskirche. LÖFFLER, Kurt, Staatssekr. f. Kirchenfragen 455, 546, 549 geb. 24.8.1932 Leipzig, 1951–55 Studium Wirtschaftswiss. KMU Leipzig u. HU Berlin, 1952 SED, 1955–61 Ass., Wahrnehmungsdoz., Prorektor für Ges.-Wiss. an d. Musik-HS „Franz Liszt“ in Weimar, 1961–67 Ltr. d. Abt. Kultur beim RdB Erfurt, 1967–70 Mitgl. RdB Erfurt, ab 1971 Mitarb. d. ZK d. SED, seit 1973 Staatssekr. im Ministerium f. Kultur, 1980–83 Sekr. d. Staatl. Martin-Luther-Komitees d. DDR, 1988/89 Staatssekr. f. Kirchenfragen. LOHMANN, Karl, Dr. theol. h. c., Generalsup. Sprengel Halle-Wittenberg 34, 36 geb. 30.6.1878 Rüggeberg (Schwelm), gest. 15.4.1945 Magdeburg, Studium Theol. Erlangen, Greifswald u. Halle/S., 1903 Hilfsprediger Klafeld u. Dortmund, 1906 Iserlohn, 1908 Pfr. ebd., 1917 Altstadtgemeinde Essen, 1928 Sup. ebd., 1931 Generalsup. Sprengel Halle-Wittenberg u. Dr. theol. h. c. Halle/S., Bitte um Beurlaubung wegen ungeklärter Abgrenzung u. a. zu Bischof Peter, 1934 Geschäftsführer d. Reichsfrauenhilfe Potsdam, 1935 Wiederaufnahme seines Amtes in Magdeburg nach Entlassungsgesuch in Potsdam, 1937 nach Weggang v. Bischof Peter geistl. Ltr. d. Provinz Sachsen, 1940 geistl. Dirigent im Konsistorium, starb bei Bombenangriff auf Magdeburg. LOHSE, Eduard, Prof., Dr. theol., Landesbischof d. Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Vors. d. Rats d. EKD 287 geb. 19.2.1924 Hamburg, 1951 Pfr. Hamburg, 1953 PD f. NT Mainz, 1956 Prof. (bis 1962 ao.) f. NT Kiel, 1961 Dr. theol. Mainz, 1964 Prof. f. NT Göttingen, 1971–1975 Vors. Rat d. Konföderation ev. Kirchen Niedersachsen, 1971–1988 Bischof d. Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers, ab 1973 Mitgl. d. Rats d. EKD, 1975–1978 Leitender Bischof d. VELKD, 1979–1985 Vors. d. Rats d. EKD, 1983–1987 Vors. d. Deutschen Bibelgesellschaft u. d. Ev. Bibelwerks.
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Biogramme und Personenregister
LUBAS, Helmut, Dr. jur., Stellv. d. Vors. d. RdB Magdeburg f. Inneres 506, 525, 549 geb. 14.1.1934 Reichenberg, gest. 2003, SED, Studium Rechtswiss. Jena 1953– 1957 (Diplom), 1957 Angehöriger d. MfS, 1983 Promotion zum Dr. jur. an d. Juristischen HS d. MfS Potsdam, Oberstleutnant, Träger d. Verdienstmedaille d. NVA in Gold 1970, d. Vaterländischen Verdienstordens in Bronze 1980, in Silber 1989, 1982 Stellv. d. Vors. d. RdB Magdeburg. LUTHER, Friedrich, Pfr. 87 geb. 31.8.1891 Aschersleben, gest. 24.1.1962, Studium Theol. Göttingen, (Berlin), Halle/S., 1919 Pfr. Ihlewitz, 1924 Gerbstedt, 1926 Pfr. u. Studienrat Roßleben, 1951 Pfr. (bis 1952 komm.) Propsteikirche Osterfeld, 1961 Ruhestand. LUXEMBURG, Rosa, Mitbegr. u. Vors. Spartakusbund 536 MARON, Karl, Minister d. Innern 124, 128 f., 135, 586 geb. 27.4.1903 Berlin, gest. 2.2.1975 Berlin (Ost), bis 1929 Maschinenschlosser, 1926 KPD, 1933 illegale Tätigkeit, 1934 Emigration nach Kopenhagen, 1935 in d. UdSSR, 1937 Mitarb. d. Presse- und Informationsabt. d. EKKI, 1941 Evakuierung nach Ufa, 1943–1945 Stellv. Chefredakteur u. Militärkommentator d. Zeitung „Freies Deutschland“, 1945 Rückkehr n. Dtschl. als Mitgl. d. Initiativgruppe d. KPD für Berlin („Gruppe Walter Ulbricht“), 1945–1946 1. Stellv. OB Berlin, SED, 1946–1949 Stadtverordneter u. ab 1948 Stadtrat f. Wirtschaft, 1950–1955 Chef d. DVP, Generalinspekteur, ab 1954 Mitgl. d. ZK d. SED, 1955 Minister d. Innern, 1958–1967 Abgeordneter d. Volkskammer, 1961 Mitgl. d. Nationalen Verteidigungsrats d. DDR, Generaloberst, 1963 Rücktritt auf eigenen Wunsch aus gesundheitl. Gründen, 1964 Ltr. d. Instituts f. Meinungsforschung beim ZK d. SED, 1974 Ruhestand. MATERNE, Helmuth, Pfr. 41 geb. 6.1.1895 Breslau, gest. 20.1.1965 Ottobrunn, 1921 Vikar Deutsch-Hammer (Schlesien), 1922 Pfr. Groß-Hammer (Schlesien), 1925 Ilmenau, 1930 Pfr. d. IM Leipzig u. Borsdorf, 1936–1947 Pfr. u. Ltr. d. Stadtmission Magdeburg, 1946–51 Ltr. provinzialkirchliches Amt f. IM KPS, 1951 Leiter kreiskirchlicher Gemeindedienst f. IM KKrs. Elberfeld. MAU, Rudolf, Prof., Dr., Mitgl. Lutherkomitee d. BEK 1983 455 13.3.1927 Güstrow (Mecklenburg), 1947–52 Studium Theol. Halle/S., Greifswald u. Basel, 1954–64 Wiss. Ass. f. ST HU Berlin, 1964 Habil. ebd., 1964 Pfr. Ev. Kirche Berlin-Brandenburg, 1965–91 Doz. d. Kirchlichen Lehramtes, 1990 Prof. f. KG am Sprachenkonvikt, u. 1991 Theol. Fakultät HU Berlin, 1992 em. MEISNER, Joachim, Dr. theol., kath. Bischof f. Berlin, Kardinal 517 geb. 25.12.1933 Breslau, Lehre u. Tätigkeit als Bankkaufmann, 1953 Spätberufenenseminar „Norbertuswerk“ Magdeburg, 1956–1962 Studium Theol. ebd., 1963 Kaplan Heiligenstadt u. Erfurt, 1966 Rekt. d. Diözesancaritas Erfurt, 1969 Dr. theol. Rom, 1975 Weihbischof Erfurt-Meiningen, 1980 Bischof Berlin, 1982–1989 Vors. d. BBK, 1983 Ernennung durch d. Vatikan zum Kardinal, seit 1989 Erzbischof Köln. MERKER, Gerhard, Pfr., Sup. 122 geb. 20.6.1896 Battin, gest. 30.10.1965 Artern, Studium Theol. Halle/S., 1924
Biogramme und Personenregister
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Hilfsprediger Artern, 1925 Pfr. Schmetzdorf, 1932 Haldensleben, Mitgl. d. PNB u. d. BK, 1951 Pfr. u. Sup. Artern, 1965 Ruhestand. MEYDAM, Wolf, Pfr. 123 geb. 17.2.1914 Berlin, gest. 13.5.1985, Diplomkaufmann, 1948 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1949) Unterneubrunn, 1952–1957 Pfr. u. Ltr. d. Stadtmission Magdeburg, 1955 wegen Boykotts u. Fluchthilfe in mehreren Fällen zu sechs Jahren Zuchthaus verhaftet u. verurteilt, 1957 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, Beschäftigung b. Volksmissionarischen Amt Witten, 1958 Beschäftigungsauftrag in d. Kirchengemeinde ebd., 1979 Ruhestand. MITZENHEIM, Moritz, Dr. h. c., Landesbischof Thüringens 17, 129, 135, 149, 179, 190 geb. 17.8.1891 Hildburghausen, gest. 4.8.1977 Eisenach, Studium Theol. Leipzig, Heidelberg, Berlin, Jena, 1914 Pfarrvikar Grabe, 1917 Diaconus Saalfeld, 1929 Pfr. Eisenach, 1936 Mitgl. d. Bekenntnisgem., 1943 Ltr. d. Landesbruderrats d. BK, 1945 Vors. d. Thüringer Landeskirchenrats, 1947 Landesbischof d. Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, 1947 Dr. h. c. Jena, Teilnehmer an d. Gründungsversammlung d. Luth. Weltbunds, 1947 Delegierter 1. Dt. Volkskongreß, 1955–1961 Mitgl. d. Rats d. EKD, 1961 Teilnehmer an d. Vollversammlung d. ÖRK Neu-Dehli u. 1964 der II. AFV d. CFK Prag, 1962 Dr. h. c. Bratislava, 18.8.1964 Treffen mit dem Staatsratsvors. Ulbricht („Wartburggespräch“), 1970 Ruhestand. MOERSCHEL, Heinrich, Pfr. 98 f. geb. 9.12.1905 Schiltigheim (Elsaß), Studium Med. Straßburg, 1927/28 franz. Militärdienst, Offiziersschule St. Cyr, Militärdienst Straßburg, 1928 Präparator Anatom. Institut ebd., 1932 Missionsschule d. Londoner Missionsgesellschaft El-Biar/Nordafrika, Studium Theol. Aix-en-Provence, 1936 Hilfsgeistlicher Algier, 1938 Pfr. Mekknes/Marokko, 1939/40 Militärgeistlicher u. Hauptmann, 1940 Pfr. Marseille, 1942 KZ St. Sulpice la Pointe u. Festung Barraux, 1943 als polit. Häftling in dt. Rüstungsindustrie, 1944 Dienst in Freikirche in Baden-Baden u. Mühlacker, mehrere Krankenhausaufenthalte wegen schwerer seelischer Erkrankung, 1946 Hilfsgeistlicher Duisburg-Neuenkamp, 1947 Reichenau/Vogtl., 1949/50 Kreuzkirche Dessau, 1952 Kirchenaustritt, 1953 Referent d. CDU, Bibliothekar Halle/S., 1957 arbeitsunfähig. MORSBACH, Heinrich, kath. Theologe, Propst 49 geb. 15.6.1895 Wanne-Eickel, gest. 8.9.1962 Herne, 1918 Priesterweihe Paderborn, Pfarrvikar Dessau-Alten, sp. Assessor St. Sebastian Magdeburg, 1933 Propst Halle/S., 1954 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. MOST, Krafft, Rechtsanwalt, Mitgl. d. KL d. KPS 147 geb. 16.6.1922 Roßleben (b. Naumburg), März 1939 Reichsarbeitsdienst (9 Monate), Studium Rechtswiss. Halle/S., München, 1941–1945 Kriegsdienst, 1945 Referendar Oberlandesgerichtsbezirk Halle-Merseburg, 1949 Rechtsanwalt Aschersleben, seit 1952 auch Notar, 1955 Mitgl. d. Synode, 1956 Mitgl. d. KL d. KPS, 1957 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, Justiziar (als Syndikusanwalt) Stuttgart und sp. Geschäftsführer d. Siedlungsgesellschaft d. Ev. Hilfswerkes, 1975–1999 freier Anwalt u. Notar.
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Biogramme und Personenregister
MÜLLER, Hartwin, jurist. OberkonsR 343, 417, 506, 539 geb. 18.9.1941 Stendal, Jurastudium am KOS Naumburg, 1971 KonsR, 1977 OberkonsR (Abt. Leitung d. Kirche) Magdeburg, 2004 Ruhestand. MÜLLER, Ludolf, Dr. theol. h. c., Bischof d. KPS 13, 15, 19, 33, 37 f., 43, 52, 54 f., 57, 60, 63–65, 67, 70, 73, 76, 85, 87, 91 f., 102, 108–111, 113 f., 116 f., 119, 121, 127, 172, 396 geb. 8.10.1882 Calbe (Saale), gest. 14.2.1959 Magdeburg, 1908 Vikar, 1909 Pfr. Dambeck, 1915–1917 Feldgeistlicher, 1917 Pfr. Schönsee (Westpreußen) 1921 aus Polen ausgewiesen, 1922 Pfr. Dingelstedt a. Huy, 1927 Pfr. u. Sup. Heiligenstadt, 1933 Mitgl. d. Provinzialbruderrats, 1934 Suspendierung als Sup., Ltr. d. provinzialkirchlichen Bekenntnissynode u. Vors. d. Bruderrats, 1935–1936 u. 1943–1945 Mitgl. d. Bruderrats d. APU, 1937 Verhaftung, 1945 Vors. d. VGL d. KPS, Präses d. Synode d. KPS, 1947 Dr. h. c. theol. Halle/S., 1947 Bischof d. KPS, 1955 Ruhestand. MÜLLER, Max, Pfr., Propst Naumburg 47 geb. 28.4.1891 Magdeburg, gest. 5.6.1961 Naumburg, Studium Theol. Halle/S., Greifswald, 1919 Pfr. Kehmstedt, 1924 Eilsleben, 1931 Pfr. u. Sup. Mücheln, 1933 Mitgl. d. PNB, 1934 d. BK u. Vors. d. Bezirksbruderrats Merseburg, 1935 Mitgl. d. Provinzialkirchenausschusses, 1946 Domprediger u. Propst Naumburg. MÜLLER, Renate, Pfr. 243 geb. 31.5.1931 Wünschendorf, 1957 Vikarin, 1960 Pfarrvikarin im kat. Dienst Wittenberg, 1965 Kreispfarrerin im kat. Dienst Halle/S., 1975 Pfr. Kreuzkirche Suhl, 1991 Ruhestand. MÜLLER, Rudolf, Pfr. 134 geb. 6.4.1893 Preußisch Friedland, gest. 8.1.1954, Studium Theol. Tübingen u. Berlin, 1921 Hilfsprediger Reppen u. sp. Jeetze, 1927–45 Inspektor d. Franckeschen Stiftungen u. Studienrat Latina Halle/S., 19[45]–1954 Seelsorger Stiftungsgemeinde u. 2. Pfr. St. Georgen Halle/S. MÜNKER, Walter, Lic. (Dr.) theol., Pfr., Propst Halle-Merseburg 343 geb. 19.11.1913 Dahlbruch, gest. 14.1.1998 Wernigerode, Studium Theol. Tübingen, Halle/S., 1936 Vikar Seehausen (Altmark)., 1936 Ass. Halle/S. (b. Prof. Schumann), 1938/39 Prädikant Seehausen, 1939 Lic. theol. (umgewandelt in Dr. theol. Halle/S. 1955), 1939–1946 Kriegsdienst u. Gefangenschaft, 1944 Pfr. Losse, 1953 3. Pfr. u. Sup. Gardelegen, 1967 1. Pfr. St. Laurentius Halle/S. u. Propst Halle-Merseburg, 1978 Ruhestand. NATHO, Eberhard, Dr. theol. h. c., Kirchenpräsident d. Ev. Landeskirche Anhalts 318 geb. 24.6.1932 Dessau, Studium Theol. Greifswald, 1959 Vikar Roßlau, 1959– 1971 Vikar, sp. Pfarrvikar (1960) u. Pfr. (1961) Güsten, Abgeordneter in d. Stadtverordnetenversammlung zunächst f. d. KB, dann f. d. CDU ebd., 1969 Dr. theol. h. c. Halle/S., Nov. 1970 Kirchenpräsident d. Landeskirche Anhalts, 1971 zugleich Pfr. St. Georg Dessau, Mitgl. d. KKL, 1979–1982 Vors. d. Rats d. EKU in d. DDR, 1981–1990 d. ACK, 1994 Ruhestand. NATTERMANN, Christian, Dr. med., Mitgl. d. Gruppe „Christliche Mediziner in sozialer Verantwortung“ in Halle/S. 498 geb. 22.7.1949 Ammendorf, 1969–1974 Studium Humanmedizin, 1974–1979
Biogramme und Personenregister
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Facharzt Internist, 1978 Dr. med. Halle/S., 1981 Oberarzt Elisabeth-Krankenhaus Halle/S., 1989 Oberarzt Städt. Kliniken Offenbach, 1995 Habil. Gießen, 1995 Chefarzt Klinik Hochtaunus Usingen. NEHER, Siegfried, Pfr. 469 geb. 26.4.1944 Mühlhausen (Thüringen), Studium Theol. Halle/S., 1967 Vikar Langensalza, 1969 Pfr. (bis 1974 im Hilfsdienst) Sundhausen, 1979 Kreispfarrer f. Jugendarbeit Halle/S., 1985 Pfr. Christuskirche u. Gefängnisseelsorger (1996) Halle/S., 2002 Ruhestand. NEUGEBAUER, Werner, Ltr. d. Abt. Volksbildung d. ZK d. SED 148, geb. 27.8.1922 Burgstädt, Schriftsetzerlehre, 1945 Neulehrer Burgstädt u. Taura, dann Schulleiter Lunzenau u. Burgstädt, 1953 Ltr. d. Abt. Volksbildung bzw. Kreisschulrat b. Rat d. Stadt Chemnitz, 1954–1955 Sekr. f. Erziehung u. Wiss. d. SED-BL Karl-Marx-Stadt, 1954–1981 Mitgl. d. ZK d. SED, 1955 Stellv. Ltr. bzw. Ltr. d. Abt. f. allgemeinbildende Schulen d. ZK d. SED, 1957 Ltr. d. Abt. Volksbildung beim ZK d. SED, ab 1963 Stellv. Ltr. d. Ideologischen Kommission bzw. Ltr. d. Abt. Volksbildung u. Wiss. d. SED-BL Berlin. NIEBUHR, Walter, Pfr., OberkonsR 147 geb. 7.6.1910 Berlin, gest. 25.3.1976 Magdeburg, Studium Theol. Berlin, 1939 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1940) Zichtau, 1950 Irxleben u. Sup. d. KKrs. Barleben, 1957 theol. Hilfsarbeiter im Konsistorium Magdeburg, 1958 KonsR, 1966 OberkonsR Magdeburg (Dez. f. Diakonie, Volksmission, Werke, Mission, Ökumene, Kollekten), 1975 Ruhestand. NIEMÖLLER, Martin, Dr. theol., Pfr., Kirchenpräsident d. Ev. Kirche in Hessen u. Nassau 143, 163 geb. 14.1.1892 Lippstadt, gest. 6.3.1984 Wiesbaden, 1912–1918 Marineoffizier, zuletzt U-Bootkommandant, nach Kriegsende Studium Theol., 1924 Geschäftsführer d. Provinzialverbandes d. IM Münster, 1931–1937 Pfr. Berlin-Dahlem, Sept. 1933 Gründer d. PNB, 1934 Mitgl. d. Reichsbruderrates d. DEK, d. Bruderrates u. sp. d. Rates d. Ev. Kirche d. APU, Verhaftung u. Prozess wegen „Kanzelmißbrauch und Widerstand gegen die Staatsgewalt“, 1938–1945 Häftling KZ Sachsenhausen u. Dachau, 1945–1956 Ltr. d. Kirchl. Außenamtes u. Mitgl. d. Rats d. EKD, 1947–1964 Kirchenpräsident d. Ev. Kirche in Hessen u. Nassau, 1948–1961 Mitgl. d. Exekutivkomitees u. 1961–1968 einer d. Präsidenten d. ÖRK, 1957 Präsident d. Deutschen Friedensgesellschaft. NOACK, Axel, Pfr., Mitgl. d. Synode, Bischof 535 geb. 8.11.1948 Biesnitz (Kr. Niesky), Pfleger in einer Diakonischen Einrichtung Lobetal, 1969–1975 Studium Theol. KOS Naumburg, 1980 Studentenpfarrer Merseburg, 1985 Pfr. Wolfen, Mitgl. d. Synode d. KPS u. d. BEK, 1991 Mitgl. d. Synode u. d. Rates d. EKD, 1997 Bischof d. Ev. Kirche d. KPS. NOACK, Erwin, Dr. jur., Rechtsanwalt, Präses d. Provinzialsynode 34 geb. 11.2.1899 Spandau, gest. 11.7.1967 Kallsee, Rechtsanwalt u. Notar Halle/S., 1931 NSDAP, führend im „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“, 1933 Vizepräsident d. Reichsrechtsanwaltskammer, Mitgl. d. GDC, Präses d. Provinzialsynode, Vors. d. PKR, Mitgl. d. Generalsynode u. d. Kirchensenats d. APU, Mitgl. d. Nationalsynode d. DEK, 1934 ao. Prof. Halle/S., 1937 Reichsorganisationswalter d. NS-Rechtswahrerbundes, 1938 Rechtsanwalt Kam-
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mergericht Berlin, Lehrbeauftragter Uni. ebd., 1940 Doz. HS f. Politik u. am Schulungshaus d. NSDAP, nach 1950 Verteidiger im Beleidigungsprozess gegen Opfer d. 20. Juli 1944. NOETZEL, Almuth, Pfr., Sup., Pröpstin d. Altmark 522 geb. 14.7.1948 Salzwedel, 1975 Doz. u. Studieninsp. Kirchliches Proseminar Naumburg, 1980 Pfr. Groß-Ammensleben, 1983 Prov.Pfr. f. Jugendarbeit, 1989 2. Pfr. Altstadtgemeinde u. Sup. Magdeburg, 1995–2004 1. Dompredigerin Stendal, Pröpstin d. Altmark u. Stellv. d. Bischofs, 2004 Pfr. Weißenfels. NORDEN, Albert, Mitgl. d. PB d. ZK d. SED 296, 318 geb. 4.12.1904 Myslowitz (Oberschlesien), gest. 30.5.1982 Berlin (Ost), 1921 KPD, Chefredakteur bei KPD-Zeitungen, 1923–1926 mehrere Haftstrafen, ab 1933 antifaschistische Tätigkeiten in Dtschl., Paris, Prag u. in den USA, 1939–1941 in franz. Internierungslagern, 1946 Rückkehr n. Dtschl., SED, 1949–1952 Ltr. d. Presseabt. im Amt f. Information d. DDR-Regierung, 1955–1981 Mitgl. u. Sekr. d. ZK, 1958–1981 Mitgl. d. PB d. ZK d. SED, Abgeordneter d. Volkskammer, Mitgl. d. Präsidiums d. Friedensrats d. DDR. NUSCHKE, Otto, Dr. rer. pol. h. c., Vors. d. CDU, Stellv. MP 108, 140 geb. 23.2.1883 Frohburg, gest. 27.12.1957 Niederheuendorf, Ausbildung zum Buchdrucker Leipzig, 1902 Volontär, 1904–1908 Chefredakteur d. „Hessischen Landeszeitung“ Marburg, 1906 Generalsekr. d. Freisinnigen Vereinigung ebd., 1910 Generalsekr. d. Fortschrittlichen Volkspartei Kassel, Redakteur, 1918 Mitbegründer d. DDP, dann Ltr. ihrer Reichsgeschäftsstelle, Mitgl. d. Nationalversammlung u. bis 1933 Abgeordneter d. Preuß. Landtags, 1931 Reichsgeschäftsführer d. DDP bzw. Deutschen Staatspartei, ab 1933 Landwirt, tätig im Widerstand, mehrfach in Haft, seit 1944 illegal lebend, 1945 Mitbegründer d. CDU, Verlagsleiter „Neue Zeit“, ab 1948 Vors. d. CDU, 1948/49 Ko-Vors. d. Deutschen Volksrates, ab 1949 Abgeordneter d. Volkskammer, 1949–1957 Stellv. MP, u. a. Ltr. d. HA Verbindung zu d. Kirchen, 1955 Dr. rer. pol. h. c. Leipzig. ONNASCH, Martin, Prof., Dr. theol., Pfr. 9, 391 geb. 20.5.1944 Köslin, 1964–69 Studium Theol. Halle/S., 1970–74 Ass. u. Repetent KOS Naumburg, 1974–1979 Pfr. Osterweddingen, 1979 Prom. Halle/S., 1979–1993 Prov.Pfr. u. Doz. f. KG KOS Naumburg (1990 Prof.), 1993–96 Prof. Pädagogische HS Erfurt, 1994–1997 stellv. Dir. Hannah-Arendt-Institut f. Totalitarismusforschung Dresden, seit 1996 Prof. f. KG EMAU Greifswald. ORDNUNG, Carl, Sekr. d. CFK i. d. DDR 276 geb. 18.10.1927 Lengenfeld (Vogtland), Besuch der Höheren Handelslehranstalt und Wirtschaftsoberschule, 1944 Einzug zum Reichsarbeitsdienst, Kriegsdienst, 1946 Neulehrerkurs u. anschließend Lehrer, 1946 SPD, dann SED, 1951 Studium Germanistik, Gesch., Psych. u. Theol. KMU Leipzig, 1950 Austritt SED u. 1952 Eintritt CDU, 1957 Redakteur „Neue Zeit“, 1958–1990 Mitarb. Hauptvorstand CDU, seit 1958 Aktivität in CFK, 1962–90 Sekr. d. Regionalausschusses d. CFK i. d. DDR u. 1962–90 Mitgl. des Friedensrates der DDR, 1968–90 Mitgl. d. NR, 1983–90 Vizepräs. d. Freundschaftsgesellschaft DDR-USA u. 1989/90 zeitweise CDU-Vertreter am Zentralen Runden Tisch, April–Sept. 1990 Referent f. Entwicklungsländer d. Abt. Außen- und Sicherheitspolitik im Amt d.
Biogramme und Personenregister
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MP d. DDR, Okt. 1990 ehrenamtl. Vors. d. Solidaritätsdienstes international e. V. PALME, Olof, Schwedischer Politiker u. MP 521, 530 f., 545, 550, 621 geb. 30.1.1927 Stockholm, gest. 28.2.1986 ebd., Studium Rechtswissenschaften, 1955–1961 im Vorstand d. sozialdemokratischen schwedischen Jugendverbandes, seit 1958 Reichstagsabgeordneter, 1963 Minister ohne Geschäftsbereich, 1965 Minister f. Verkehr, Post u. Fernmeldewesen, 1967 Erziehungsminister, 1969 Vors. d. Sozialdemokratischen Partei Schwedens u. MP, 1976 Oppositionsführer, 1982 MP, ermordet. PASEWALD, Werner, Pfr. 87 geb. 25.11.1906 Salzwedel-Perver, gest. 12.8.1981 Magdeburg, Landeskirchliches Diasporaseminar Stettin, 1929 Vikar Sampaio (Brasilien), 1933 Pfr. Lageado (Brasilien), 1936–1967 (bis 1943 komm.) Pfr. Rottmersleben, 1967 Ruhestand. PASSAUER, Michael, Pfr. 530 geb. 20.1.1943 Angerapp (Ostpreußen), Studium Theol. Greifswald u. HU Berlin, 1969 Pfr. Berlin-Weißensee, 1976–1983 hauptamtlicher Jugendpfarrer in Berlin (Ost), 1984 Pfr. Sophienkirche Berlin, 1988–1990 Berlin, pers. Referent von Bischof Forck, 1992 Sup. Berlin Stadt III, 1996 Generalsuperintendent Berlin. PETER, Friedrich, Bischof d. Bistums Magdeburg-Halberstadt 35 geb. 4.10.1892 Merseburg, gest. 17.4.1960 Gronau, Studium Theol. Greifswald, Halle/S., Kriegsteilnehmer I. Weltkrieg, 1921 Hilfsprediger Pfeiffersche Anstalten Magdeburg, 1922 Pfr. Jessen, dort Verbindung zur „vaterländischen Freiheitsbewegung“, 1926 Pfr. Segenskirche Berlin, 1927 Bundespfarrer d. Ostbundes d. Ev. Jungmännervereins, 1929 Teilnahme am Kampf d. NSDAP (1933 Mitgl.), 1933 OberkonsR im EOK, Okt. 1933 Bischof d. Bistums MagdeburgHalberstadt u. Vors. d. Konsistoriums, Nov. 1933 Verwalter d. Bistums Merseburg-Naumburg, 1936 1. Domprediger Berlin (versetzt), 1948 durch Spruchkammerurteil aus d. kirchl. Dienst entl., 1949 Pfr. Oeding/Westfalen, 1953 Gronau. PETER, Herbert, LKMD Thüringen 224 geb. 11.3.1926 Weimar, Studium Kirchenmusik Staatl. Musikhochschule Weimar, 1949 Kantor u. Organist Bad Berka, 1950 Doz. f. Orgelspiel, Tonsatz u. angrenzende Fächer an d. Thür. Kirchenmusikschule Eisenach, 1961–1991 LKMD d. Ev.-Luth. Kirche Thüringen, zugleich Kantor Georgenkirche Eisenach (1961–1984), Ltr. d. Bachchores u. Dir. d. Kirchenmusikschule (1961–1988) ebd., 1992 Ruhestand. PFLUGBEIL, Sebastian, Dr. rer. nat., Physiker, Bürgerrechtler 540 geb. 14.9.1947 Bergen (Rügen), 1966–71 Studium Physik EMAU Greifswald, ab 1971 wiss. Mitarb. Zentralinstitut f. Herz-Kreislauf-Forschung d. Akad. d. Wiss. d. DDR, 1986 (nach Tschernobyl) im Auftr. des BEK Mitarb. an einer Studie über Probleme d. Kernenergieprod. in der DDR, 1989 Mitbegründer d. Neuen Forums, ab Dez. 1989 Vertreter d. Neuen Forums am Berliner u. am Zentr. Runden Tisch, im Febr. 1990 Minister ohne Geschäftsbereich in d. 2. Regierung Modrow.
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Biogramme und Personenregister
PIECK, Wilhelm, Vors. SED, Präs. d. DDR 133 PLUMO, Paul, Ingenieur, Mitgl. d. Bruderkreises v. Prenzlauer Bausoldaten 227 geb. 20.2.1941 Frankfurt (Oder), 1959–1962 Studium an d. Ingenieurschule f. Maschinenbau u. Elektrotechnik Berlin-Lichtenberg, 1962 Verweigerung des Dienstes in d. NVA, 1963 Ingenieur in Berlin (Ost), 1964/65 Bausoldat erster Generation in Prenzlau, nach Gelöbnis- u. Befehlsverweigerung 10 Tage scharfer Arrest u. Abstellung als „Hauselektriker“ bis zur Entlassung, ab 1965 VEB Starkstrom-Anlagenbau Berlin, 1990 Mitbegründer d. lokalen freien Wählergemeinschaft,1998 Vorruhestand. PÖHNER, Theo, Stellv. d. Vors. f. Inneres d. RdB Halle 27, 343, 371, 417 geb. 1.4.1929, 1943–46 Lehrling u. Gehilfe Drogerie Zeitz, seit 1945 KPD/SED, 1946–48 hauptamtl. FDJ-Sekr. FDJ-KL Zeitz, 1948–50 Jugendreferent RdK Zeitz, 1950 Abt.-Ltr. VP Kreisamt Zeitz u. seit 1952 Referatsleiter Bez.-Behörde DVP Halle/S., 1954–58 Ltr. VPKA Bitterfeld u. 1961–75 Lutherstadt Wittenberg, 1971 Dipl.-Staatswiss., Vaterländischer Verdienstorden in Bronze 1974, in Silber 1989, 1975 Stellv. d. Vors. d. RdB Halle f. Inneres, 1976 Mitgl. d. RdB Halle u. Stellv. d. Vors., 1990 aus gesundheitl. Gründen abberufen. POTRAFKE, Gerhard, Diakon 107, 112 geb. 13.4.1930 Danzig, bis 1952 Diakonschüler Neinstedt, 1952/53 Martin-Luther-Proseminar Mansfeld, 1953 in U-Haft d. MfS, Okt. 1953 Diakonschüler Neinstedt, Jan. 1954 Pfleger Johanniterkrankenhaus Stendal, 1955 Gemeindediakon Dom ebd., 1957 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, tätig im Christlichen Jugenddorfwerk Castrop-Rauxel, 1967 Aufbau u. Leitung d. „Haus Reineberg“ Lübbecke, sp. Ltr. der Tagungsstätte Balingen. POTTER, Philip, Dr., Method. Theol., Generalsekr. d. ÖRK 337 geb. 19.8.1921 Roseau (Domenica), 1940 Laienprediger, 1944–1948 Studium Theol. Jamaika u. London, 1950–1954 method. Sup. Haiti, 1958–1961 Ltr. d. Jugendreferats d. ÖRK, 1960–1968 Sekr. d. Christlichen Studentenweltbundes u. 1961–1966 d. Method. Missionsgesellschaft, seit 1967 wieder b. ÖRK, 1972–1984 dessen Generalsekr., Studentenpfarrer Uni. Jamaica. PRAUTZSCH, Hans, Pfr. 41 geb. 7.12.1901 Apolda, gest. 13.5.1980 Eisenach, Predigerseminar Eisenach, 1924 Hilfsprediger Lauscha, 1925 Oberlind, 1926 Pfr. Hardisleben, 1931 3. Pfr. Pauluskirche Magdeburg, Ltr. d. Liturg. Amts d. Ev. Kirche d. KPS, 1949 Pfr. Arnstadt I, 1954 zugleich Oberpfarrer, 1956 Sup. ebd., 1970 Ruhestand. PREISLER, Karl, jurist. OberkonsR 186 geb. 28.4.1903 Bredstedt (Schleswig), gest. 31.7.1980 Magdeburg, Jurastudium Göttingen, Tübingen, Würzburg, Kiel. 1932 jurist. Staatsprüfung, Hilfsrichter am OLG Kiel, 1934–1940 Mitarbeit in d. Reichsumsiedlungsgesellschaft, 1934 Mitgl. d. BK, 1937 NSDAP, Amtsgerichtsrat Berlin 1940, dann Militärdienst u. Kriegsgefangenschaft, 1947–1952 Katechet Halberstadt, 1953 KonsR Magdeburg, 1962 OberkonsR, 1968 Ruhestand. RAISER, Ludwig, Prof., Dr. jur., Jurist, Präses d. Synode d. EKD 287 geb. 27.10.1904 Stuttgart, gest. 13.6.1980 Tübingen, Zivilrechtslehrer, 1942 Prof. Straßburg, 1945 Göttingen, 1955 Tübingen, seit 1955 Mitgl. d. Synode d. EKD, 1970–1973 deren Präses, 1961–1965 Vors. d. Wissenschaftsrates.
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RANKE, Kurt, Vors. d. RdB Magdeburg 14, 187, 254, 344 geb. 28.7.1920 Mansfeld, bis 1947 sowj. Kriegsgefangenschaft, 1948 Mitgl. SED, ab 1953 Vors. d. RdK Hettstedt, 1960–1985 Vors. d. RdB, 1962–1972 Vors. des DSF-Bezirksvorstands Magdeburg. REAGAN, Ronald Wilson, Präsident d. USA 502 REESE, Rudolf, Ltr. des Jungmännerwerkes Sachsen-Anhalt 343 geb. 6.12.1927 Bretnig, Diakon, 1952 Bezirksjugendwart Glauchau, 1955 Landesjugendwart d. Pommerschen Ev. Kirche Greifswald, 1966 Landeswart, sp. Ltr. (1976) Jungmännerwerk Sachsen-Anhalt Magdeburg (CVJM-Ostwerk), 1992 Ruhestand. RESCHKE, Willi, Jugendwart 107 geb. 27.9.1912 Berlin, gest. 25.12.1999, Diakon, Jugendwart Quedlinburg, sp. Wittenberg, Kriegsteilnehmer II. Weltkrieg, bis 1948 Propsteijugendwart Wittenberg, 1948 Ltr. Schloss Mansfeld, 1953 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, tätig als ReiseSekr. in Württemberg, dann Ltr. Christliches Jugenddorfwerk Castrop-Rauxel, sp. Aufbau eines Christlichen Jugenddorfwerkes in Altenstieg/Schwarzwald. RICHTER, Johannes, Pfr., Sup., Propst zu Halberstadt-Quedlinburg 153, 178, 206, 219, 236 geb. 17.6.1903 Benninghausen (Westf.), gest. 26.3.1991 Quedlinburg, Studium Theol. Rostock, Tübingen, Halle/S., 1926 Predigerseminar Wittenberg, 1929 Hilfsprediger Kreuzkirche Suhl, 1931 Pfr. Rohr, 1940 Helbra, 1947 2. Pfr. St. Nikolai u. Sup. (bis 1953) Quedlinburg, 1953 zugleich Propst HalberstadtQuedlinburg, 1971 Ruhestand. RICHTER, Wilhelm, Dr. phil., Pfr. 61, 67 f. geb. 22.8.1904 Tharandt, gest. 28.8.1983 Schönebeck, Studium Theol. Breslau, Tübingen, Berlin, 1930 Pfr. Neudorf (Erzgebirge), 1933 Groß-Rosenburg, 1943/44 Gaststudium Marburg, 1947 Dr. phil. Marburg, 1974 Ruhestand. ROCHAU, Lothar, Diakon 446, 449 f. geb. 2.9.1952 Weißensee (Thüringen), 1977–1983 Ltr. d. offenen Jugendarbeit Halle-Neustadt, 1983 Kündigung d. Arbeitsverhältnisses durch d. Gemeinde, danach Verhaftung u. dreijährige Gefängnisstrafe, Abschiebung in d. Bundesrepublik Deutschland, seit 1990 Ltr. d. Jugendamts d. Stadt Halle/S.. RÖDER, Konrad, Prof., Dr., Strahleninstitut d. Medizinischen Akademie Magdeburg 506 ROGGE, Joachim, Bischof d. Ev. Kirche d. Görlitzer Kirchengebietes, Prof., Dr. theol., Mitgl. Lutherkomitee d. BEK 1983 455 geb. 3.12.1929 Halberstadt, 8.6.2000 Lutherstadt Wittenberg, 1948–53 Studium Theol. HU Berlin, anschl. Wiss. Ass. ebd., 1955 Prom. u. 1959 Habil. HU Berlin, 1959–77 Doz. f. Kirchen- u. Dogmengeschichte am Sprachenkonvikt Berlin, 1961–74 Pfr. „Zur Barmherzigkeit“ Berlin-Lichtenberg, 1972 Dir. Ev. Forschungsakademie, 1977 Präses d. Kirchenkanzlei EKU, 1982 Dr. h. c. theol. Universität Lund (Schweden), 1986 Honorarprof. HU Berlin, 1986 Bischof Kirchengebiet Görlitz, 1986 Honorarprof. u. 1989 Dr. h. c. HU Berlin, 1990 Ratsvors. EKU (Ost).
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Biogramme und Personenregister
ROHDE, Dietrich, Stellv. d. f. d. KKW zuständigen Ratsmitgl. 506 ROHDEN, Wilhelm von, Dr. theol., Pfr., KonsR u. Rekt. 105, 122 geb. 14.11.1901 Düsseldorf, gest. 30.9.1990 Magdeburg, Studium Theol. Marburg, Berlin, Jena, Halle/S., 1928 Studieninsp. Predigerseminar Wittenberg, 1930 Pfr. Rosian, 1934 Eichenbarleben, Mitgl. d. PNB u. d. BK, Mitgl. d. Prüfungsamtes d. BK, 1939–1945 Kriegsteilnehmer, 1946 KonsR, 1948 Rekt. Pastoralkolleg Ilsenburg, 1960 Rekt. Kirchliches Proseminar Naumburg, 1963 Doz. f. NT KOS ebd., 1965 Ruhestand, 1967–1971 Doz. Sprachenkonvikt Berlin. ROHKOHL, Walter, Lic., Pfr. u. OKR 147 geb. 21.2.1891 Groß-Schierstedt, gest. 9.11.1969 Mühlhausen (Thüringen), 1919 Predigerseminar Naumburg (Queis), 1920 Studieninsp. ebd., 1923 Pfr. Bolkenhain, 1939 Sup. Trebnitz (Schlesien), 1945 komm. Pfr. St. Ulrici, 1948 Pfr. St. Jacobi u. Sup. Sangerhausen, 1958 Ltr. d. Diakon. Amts Magdeburg u. OKR, 1965 Ruhestand. RÜCKER, Walter, Vizepräsident d. Thüringer Landtages, Landessekr. d. CDU Thüringen 76, 79 geb. 16.12.1905 Hagen (Westfalen), Studium Theol., Bankangestellter, 1930 DSP, nach 1933 mehrmals in Haft, 1945 CDU, nach 1945 Religionslehrer, 1946 Beratende Versammlung Thüringen, 1946–1950 Abgeordneter u. Vizepräsident d. Thüringer Landtages, 1948–1950 Mitgl. d. Volksrates bzw. d. Volkskammer, 1947 Landessekr., 1950 Stellv. Vors. d. CDU Thüringen, 1950 Minister f. Handel u. Versorgung d. Landes Thüringen, Okt. 1950 Parteiausschluss. SALZMANN, Gerhard, Sekr. d. BL d. SED Magdeburg 343 geb. 19.9.1920 Magdeburg, gest. 5.6.1988 ebd., Lehrerausbildung, Soldat im II. Weltkrieg, Lehrer Tangerhütte, sp. Mitarb. BL SED Magdeburg, (Abt. Kultur u. Agitation, Kirchenfragen), zuletzt Doz. Bezirksparteischule SED Magdeburg. SANDER, Reinhold, Lic., Dr. theol., Pfr., OberkonsR. 147 geb. 18.2.1903 Forbach (Lothringen), gest. 8.3.1988 Magdeburg, 1927 Ass. Tübingen, 1928 Ass. Palästina-Institut u. Insp. theol. Studienhaus Greifswald, 1932 Hilfsprediger Unser Lieben Frauen Halle/S., 1933 Pfr. Goldschau, 1938 Droyßig, 1947 St. Sixtus u. Sup. Ermsleben, 1958 KonsR, 1965 OberkonsR Magdeburg (Ausbildungsdez.), 1968 Ruhestand. SCHACHE, Klaus, Pfr. 420 geb. 4.10.1946 Bad Kösen,1965–70 Studium Theol. MLU Halle, 1974 Pfr. Belleben (KKrs. Könnern), 1976 Pfarrer Halle/S. (Paulus), 1983 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland ohne Freigabe durch d. KL, Gymnasiallehrer für Religion in Alsfeld, seit 2001 zusätzlich Tätigkeit als Notfallseelsorger. SCHAPER, Karl, Pfr., Propst d. Altmark 72, 153 geb. 25.2.1910 Wietze (Kr. Celle), gest. 21.2.1965 Stendal, Studium Theol. Göttingen, Marburg, Berlin, 1938 Vikar Stadtmission Berlin, 1939–1945 Kriegsteilnehmer II. Weltkrieg, verwundet, 1945 Pfr. Eisleben, 1948 KonsR Magdeburg, 1954 Propst d. Altmark, zugleich Pfr. Eichstedt u. 1. Domprediger Stendal (1961). SCHAPPER, Helmut, Pfr., Propst 47, 112, 116 geb. 1.8.1891 Groß Möringen, gest. 27.4.1976 Döllnitz, Studium Theol. Tübin-
Biogramme und Personenregister
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gen, Halle/S., 1920 Pfr. Groß Möringen u. 1946 zugleich Propst d. Altmark, 1933 Mitgl. d. Provinzialsynode u. d. PKR, Mitgl. d. PNB, 1934 Vors. d. Bezirksbruderrates Altmark, Synodaler aller BK-Synoden, viermal in Haft (dreimal in NS-Zeit u. als Propst 1953), 1963 Ruhestand. SCHARF, Kurt, Dr. h. c. mult., Bischof d. Ev. Kirche Berlin-Brandenburg 115, 135, 146, 204, 287 geb. 21.10.1902 Landsberg (Warthe), gest. 28.3.1990 Berlin (West), Studium Theol. Tübingen, Halle/S., Jena, 1928 Pfr. Friesack, 1933–1946 Sachsenhausen, Präses d. Bruderrates d. BK in d. Mark Brandenburg u. Vors. d. Konferenz d. Landesbruderräte, wiederholt in Haft, seit 1941 Kriegsdienst u. Gefangenschaft, 1945 Geistl. Ltr. (Propst) d. Abt. Brandenburg im Konsistorium Berlin-Brandenburg, 1951 Pfr. St. Marien Berlin, 1957–1960 Vors. d. Rates d. EKU, 1961 Verweser d. Bischofsamts im östl. Kirchengebiet u. Pfr. Berlin-Steglitz, 1961–1967 Vors. d. Rats d. EKD, 1966–1976 Bischof d. Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (seit 1972 im Westteil), seit 1968 Mitgl. d. Zentralausschusses d. ÖRK. SCHILLING, Walter, Pfr. 469 geb. 28.2.1930 Sonneberg, 1949 Ev. Studentenwerk Villigst, Werkstudent im Bergbau, 1950 Studium Theol. Münster, Heidelberg, Jena, 1955 Vikar Königsee u. Braunsdorf, 1957 Kreisjugendpfarrer Rudolstadt, 1959 Aufbau u. Leitung eines kirchl. Jugendheimes, ab 1968 maßgebl. Beteiligung am Aufbau d. offenen sozialdiak. Jugendarbeit in Thüringen, 1974 Absetzung als Ltr. u. Schließung d. Hauses, 1987 Mitorganisator d. „Kirchentags von unten“, 1989 zu deren theol. Begleiter durch d. Ev. Kirche Berlin-Brandenburg berufen, Herbst 1989 Beteiligung an Protestaktionen in Berlin, 1990 Ltr. d. Heims f. „offene Arbeit“ Braunsdorf, Berater d. Thüringer Kirche f. d. Aufarbeitung v. MfS-Verstrickungen, 1994 Ruhestand. SCHLUND, Georg, Pfr. 116 geb. 8.7.1901 Nürnberg, 1926 im Dienst d. IM, 1935 2. Pfr. Osterwieck, 1948 Pfr. Bühne, 1956 Ruhestand, Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. SCHNIEWIND, Julius, Prof., Dr. theol., Propst zu Halle-Merseburg 47 geb. 28.5.1883 Elberfeld, gest. 7.9.1948 Halle/S., Studium Theol. Bonn, Halle/S., Berlin, Marburg, 1910 Dr. theol. Halle/S., 1914 habil. ebd., 1914 PD Halle/S., 1921 ao. Prof. f. NT ebd., 1927 ordentl. Prof. Greifswald, 1929 Königsberg, 1935 Kiel (strafversetzt), 1936 Halle/S., aktiv im Kirchenkampf, 1946 zugleich Propst Halle-Merseburg. SCHÖNHERR, Albrecht, Bischof Berlin-Brandenburg (Ost) 27, 255, 317 f., 334, 366, 375, 380, 526 geb. 11.9.1911 Katscher (Oberschlesien), Studium Theol. Tübingen, Berlin, 1933 Vikar Potsdam, 1934 f. BK tätig in Potsdam, 1934 Eintritt ins Predigerseminar d. BK Finkenwalde, 1936 Pfr. Greifswald, 1937 Brüssow, 1940–1945 Soldat, 1945–1946 engl. Gefangenschaft Italien, Lagerpfarrer, 1946 Pfr. u. Sup. Brandenburg/Havel, 1951–1962 Dir. d. Predigerseminars, 1958 Mitbegründer d. Weißenseer Arbeitskreises, 1963 Generalsup. Eberswalde, 1964–1965 Ltr. d. DDR-Regionalausschusses d. CFK, ab 1967 Verwalter d. Bischofsamts Berlin-
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Biogramme und Personenregister
Brandenburg (Ost), 1969 Mitbegründer d. BEK u. Vors. d. KKL (bis 1981), 1972–1981 Bischof d. Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost), 1981 Ruhestand. SCHOLZ, Günther, Dr. sc. nat., Agrarwissenschaftler, Mitgl. d. Synode d. KPS 240, 373 geb. 9.7.1931 Neusalz (Oder), gest. 8.6.2000 Quedlinburg, Lehre als Landwirt, Studium Landwirtschaft Halle/S., 1954 Zusatzstudium d. Chemie ebd., 1955 Aspirantur an d. Chem.-Physiol. Abt. d. Instituts f. Kulturpflanzenforschung Gatersleben, seit 1959 Mitarb. ebd., 1960 Dr. sc. nat. Halle/S., 1964–1968 u. 1989–1992 Mitgl. d. Synode d. KPS, 1968 Teilnehmer an d. IV. Vollversammlung d. ÖRK Uppsala, bis 1975 Mitgl. in dessen Zentralausschuss, 1970 habil. sc. nat., 1970–1982 Ltr. d. Abt. Eiweißstoffwechsel am Institut Gatersleben, 1975 Teilnehmer an d. V. Vollversammlung d. ÖRK Nairobi, bis 1987 Mitarb. in dessen Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“, ab 1982 Ltr. d. Arbeitsgruppe Mineralstoffwechsel am Institut Gatersleben, 1990 Bereichsleiter d. Wissenschaftsbereichs IV Pflanzenphysiologie ebd., 1996 Ruhestand. SCHOMERUS, Johann Gerhard, Pfr. 98 f., 112 f. geb. 24.8.1906 Erode (Indien), gest. 17.12.1985 Bochum, Studium Theol. Halle/S., Marburg, 1934 Hilfsprediger Könnern, 1935 Rosian, 1936 Pfr. Hohenziatz u. 1946 zugleich Studieninsp. Predigerseminar Wittenberg, 1948 2. Pfr. Kemberg, 1952 in Haft, 1953 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland, 1963 Vorruhestand, 1963–1979 wiss. Mitarb. Institut f. neutestamentliche Textforschung Universität Münster unter Prof. Kurt Aland. SCHULTZ, Emmerich, Pfr. Schermcke Kr. Oschersleben 112 geb. 22.6.1915 Tomaschewo (Westpreußen), gest. 13.7.1985 Herne (Westfalen), 1954 Pfr. Rothenschirmbach, 1963 Pfr. Schermcke. SCHULTZE, Harald, Prof., Dr. theol., Pfr., OberkonsR 343, 371, 417, 455, 518 geb. 16.12.1934 Jena, Studium Theol. Leipzig, Rostock, Jena, 1963 Pfr. Neundorf (Kr. Schleiz), 1964 Dr. theol. Jena, 1967 Doz. f. ST KOS Naumburg, 1974 KonsR, 1975 OberkonsR (Abt. Leitung d. Kirche) Magdeburg, 1986 Doz. Sprachenkonvikt Berlin, 1991 OKR Magdeburg (Beauftragter d. Ev. Kirchen beim Landtag u. bei d. Landesregierung v. Sachsen-Anhalt), 1991 habil. theol. Halle/S., 1997 apl. Prof. f. PT Halle/S., 1993–2001 Mitgl. d. Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt, 2000 Ruhestand. SCHULZ, Gerhard, Diakon 367 geb. 1952, 1970/71 Diakonschüler Neinstedt, 1975 Sozialdiakon d. KKrs. Suhl, 1982 Ltr. d. Stadtmission Bitterfeld, 1988 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. SCHULZ, Johannes, Dr. jur, OberkonsR 147 geb. 9.1.1898 Posen, gest. 14.9.1986 Mölln, 1917 Soldat, 1924 Ernennung zum Gerichtsassessor, tätig bei Anwälten, Gerichten u. d. Landschaft d. Provinz Sachsen, 1926–1946 Landschafts- u. Generallandschaftssyndikus (1932) u. Erster Generallandschaftssyndikus (1944) im Dienst d. Landschaft d. Provinz Sachsen Halle/S., 1939/40 Kriegsteilnehmer, 1946 Dezernent b. Provinzialamt d. Ev. Hilfswerks in Magdeburg, 1948 KR, 1955 KonsR, 1958 OberkonsR (Finanzdez.) ebd., 1966 Ruhestand, 1967 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland.
Biogramme und Personenregister
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SCHULZ, Martin, Pfr. 116, 123 geb. 13.4.1911 Neusalz (Oder), Studium Theol. Halle/S., Breslau, Berlin, 1938 Predigerseminar Dünne (Westf.), 1939 Hilfsprediger Hillersleben, 1940 Pfr. Dorf Alvensleben, 1951–1955 4. Pfr. St. Georgen Halle/S., 1953–54 in Haft, 1956 Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. SCHUMANN, Friedrich Karl, Prof. theol., Dr. phil. 41, 46 geb. 15.6.1886 Messkirch (Baden), gest. 21.5.1960 Münster, Dr. theol. h. c. Basel u. Debrecen; Studium Theol. Basel, Berlin, Greifswald, Würzburg, 1910 Stadtvikar Mannheim, 1911 Dr. phil. Greifswald, 1914–1924 Pfr. Triberg, 1914–1918 Felddivisionspfarrer, 1919 Mitgl. d. verfassungsgebenden Synode Badens, 1923 Dr. theol. Tübingen, 1924 habil., 1928 ao. Prof. f. ST Tübingen, 1929 ordentl. Prof. Gießen, 1932 Prof. f. ST u. PT Halle/S., 1933 zeitweilig Mitgl. DC, Berater d. Reichsbischofs Ludwig Müller in Berlin, Herbst 1933 Austritt aus d. GDC, Rückkehr n. Halle/S., 1945 v. d. Uni. Halle/S. entl., 1945 Mitgl. d. VGL d. KPS, Ltr. d. Theol. Amtes d. KPS, 1948–1957 Ltr. d. Ev. Forschungsakademie Hemer, 1951 Honorarprof., 1955 em. ordentl. Prof. f. ST Münster. SCHUTZ-MARSAUCHE, Roger, Theol., Gründer d. Communanté de Taizé 363, 372 geb. 12.5.1915 Provence (Bezirk Grandson, Kanton Waadt), Studium Theol. Genf, zog 1940 n. Taizé, Gründer d. Communanté de Taizé, seit 1949 ihr Prior, erhielt 1974 d. Friedenspreis d. Dt. Buchhandels u. 1989 den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen. SEFRIN, Max, CDU-Politiker, Minister f. Gesundheitswesen 179 geb. 21.11.1913 Stambach (Pfalz), gest. 10.8.2000, 1932 Kaufmann, 1937 Flugzeugführer, 1945 kurzzeitig sowj. Gefangenschaft, 1946 CDU, 1951–53 HALtr. in der CDU-Parteileitung, 1952–März 1990 Mitglied der Volkskammer, 1954–89 Mitgl. d. CDU-Hauptvorstandes, ab 1966 Stellv. Vors. d. CDU, 1958–71 Stellv. Vors. d. Ministerrats u. Minister f. Gesundheitswesen, ab Gründung 1961 Präsident der Dt.-Südostasiat. Gesellschaft, 1961–90 Vizepräsident d. Liga f. Völkerfreundschaft der DDR, 1971 Ruhestand. SEIGEWASSER, Hans, Staatssekr. f. Kirchenfragen 13 f., 22, 179 f., 186, 219, 236, 254 f., 288, 342 f., 371, 380, 590 geb. 12.8.1905 Berlin, gest. 18.10.1979 Berlin (Ost), 1921–1923 Bankangestelltenlehre, 1921 USPD, Gewerkschaft, 1922 SPD, 1926–1933 Angestellter d. Sozialversicherung, 1928 Mitgl., 1930 Vors. d. Reichsleitung d. Jungsozialisten, 1931 Mitbegründer d. SAPD, Vors. d. SAPD Berlin-Brandenburg, 1932 KPD, 1933 in Widerstandsbewegung, 1934 zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt, bis 1945 KZ Sachsenhausen, 1945/46 Mitarb. v. Franz Dahlem im ZK d. SED, 1946 SED, 1946–1950 Mitgl. d. SED-Parteivorstands bzw. d. ZK, 1970–1979 Mitgl. d. Volkskammer, 1950 Stellv. Vors., 1953–1959 Vors. d. Büros d. NR d. NF, 1960–1979 Staatssekr. f. Kirchenfragen. SEILS, Martin, Prof., Dr. theol., Doz., Pfr. 240, 292, 455 geb. 4.7.1927 Schlatkow, 1953 Dr. theol., 1953 wiss. Ass. u. Lehrbeauftragter Rostock, 1955 Halle/S., 1960 Prov.Pfr. u. Doz. f. KG, 1963 f. ST u. Rekt. (1975/76) KOS Naumburg, 1982 Prof. u. 1985 Dir. d. Sektion Theol. d. Uni. Jena.
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Biogramme und Personenregister
SENS, Hans-Christoph, Sup., OberkonsR. 535, 539, 543, 568, 571 geb. 29.4.1939 Schlieben, Studium Theol. Halle, 1964 Hilfsprediger, dann Pfr. Stassfurt, 1975 Sup. Torgau, 1987 OberkonsR Magdeburg, 2001 Ruhestand. SINDERMANN, Horst, Mitgl. d. PB d. ZK d. SED, Vors. d. Ministerrats d. DDR, Volkskammerpräsident 206, 217, 518 geb. 5.9.1915 Dresden, gest. 20.4.1990 Berlin (Ost), 1929 KJVD, 1932/33 Funktionär d. KJVD Dresden, 1933 Widerstand, mehrfach inhaftiert, 1935 zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt, bis 1945 KZ Sachsenhausen u. Mauthausen, 1945 KPD, 1946 SED, 1945 Chefredakteur d. „Sächsischen Volkszeitung“ Dresden, 1947–1949 1. Sekr. d. SED-KL Chemnitz u. Leipzig, 1950–1953 Chefredakteur d. „Freiheit“ Halle/S., 1954–1963 Abt.-Ltr. f. Agitation im ZK, 1958–1963 Kandidat, 1963–1989 Mitgl. d. ZK d. SED, 1967–1989 d. PB, 1963–1989 d. Volkskammer, 1963 1. Sekr. d. SED-BL Halle, 1971 1. Stellv. Vors., 1973 Vors. d. Ministerrats, 1976 Präs. d. Volkskammer d. DDR, 1989 Ausschluss aus d. SED, vorübergehend inhaftiert. SKYDSGAARD, Krister Ejner, Prof., Dr. theol., Theologe, Ökumeniker 224 geb. 15.11.1902 Sonder N[raa, gest. 9.2.1990 Kopenhagen, 1935 Pfr., 1940–1973 Prof. f. Dogmatik Kopenhagen, 1952–1968 Mitgl. d. Kommission f. Glauben u. Kirchenverfassung b. ÖRK, seit 1957 im LWB f. d. ökum. Forschung engagiert, 1967–1977 Mitgl. d. offiziellen Dialoggruppe zwischen den Konfessionen. SOKOLOWSKIJ, Wassilij, Sowjet. Marschall 57, 60 f., 64, 73, 76 f. geb. 21.7.1897 Ko²liki (Woiwodschaft Podlachien), gest. 10.5.1968 Moskau, führte im II. Weltkrieg 1943/44 d. Heeresgruppe „Westfront“, anschl. d. „1. Ukrain. Front“, 1946–1949 als Oberbefehlshaber d. sowjet. Truppen in Dtschl. Militärgouverneur in der SBZ, 1952–1960 Generalstabschef d. sowjet. Streitkräfte. SONNEMANN, Friedrich, Dr. phil., OB Magdeburg 206 geb. 6.2.1922 Lindhof (Kr. Salzwedel), 1936–1940 Lehrling u. Geselle Zimmermann, 1940 Soldat II. Weltkrieg, 1948–51 Studium Bauschule Osterwieck, 1951–53 Ass., Fachschullehrer u. stellv. Direktor Ingenieurschule f. Bauwesen Blankenburg, 1953–55 Abt.-Ltr. f. Fern- u. Abendstudium Ingenieurschule Görlitz, 1954–59 Fernstudium HS f. Ökonomie Berlin mit Abschluss Dipl.-Wirtschaftler, 1957 Dir. Ingenieurschule f. Bauwesen u. 1960–61 bzw. 1965–69 Ingenieurschule f. Wasserwirtschaft u. Bauwesen Magdeburg, 1961–1965 OB Magdeburg, 1961–67 Mitgl. RdB Magdeburg, 1973 Dr. phil. (HS f. Pädagogik Potsdam), 1974–76 Kaderleiter im Ministerium f. Bauwesen, 1976–87 Stellv. Abt.-Ltr. HA Bauvorhaben d. Hauptstadt, in dieser Zeit u. a. Vaterländischer Verdienstorden in Bronze, Orden „Banner d. Arbeit“, 1987 Ruhestand Magdeburg. STAEMMLER, Wolfgang, Dr. theol., Pfr., Propst 47 geb. 2.9.1889 Duschnik (Posen), gest. 27.10.1970 Calbe/S., Studium Theol. Berlin, Halle/S., Kriegsteilnehmer I. Weltkrieg, 1919 Pfr. Schlieben, 1924 Wolfen, 1929 Pfr. Reideburg u. Sup. Halle-Land, 1931 Studiendir. Predigerseminar Frankfurt/O., 1934 Pfr. Großkugel, Mitgl. d. Provinzialbruderrates, BK-Synodaler, 1936 Mitgl. d. Bruderrats d. APU, amtierender Präses d. BK-Synoden d.
Biogramme und Personenregister
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APU (1936, 1939, 1940), seit 1940 Vors. d. Bruderrats d. APU, 1934 Redeverbot, 1937/38 viermal in Haft, 1940 Rede- und Aufenthaltsverbot, 1941 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, aus d. kirchl. Dienst entl., 1944 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, seit 1945 Propst Kurkreis, 1945–1950 zugleich Studiendir. Predigerseminar Wittenberg u. seit 1950 Pfr. Schlosskirche ebd., 1963 Ruhestand. STALIN, Josef Wissarionowitsch [Dschugaschwili], Vors. d. KPdSU 386 STAUSS, Curt, Pfr., Sup. 417, 518 f. geb. 15.7.1948 Cottbus, Studium Theol. Berlin, Leipzig u. Naumburg. 1974 Vikar, 1975–1980 Pfr. Röcken (KKrs. Lützen), 1981–1986 Provinzialjugendpfarrer in Magdeburg, 1987–1989 Referent beim BEK, 1989–1996 Pfr. in Lauchhammer, 1996–2004 Sup. in Nordhausen. 1986–1999 Mitgl. d. Präsidiums des Dt. Ev. Kirchentages. STEENBECK, Max, Prof., Physiker 290 geb. 21.3.1904 Kiel, gest. 15.12.1981 Berlin (Ost), Prof. in Jena, Dir. d. Instituts f. Magnetohydrodynamik d. Akademie d. Wissenschaften d. DDR, Präsident d. DDR-Komitees f. europäische Sicherheit. STEINBACH, Fritz, Stellv. d. Vors. d. RdB Magdeburg f. Inneres 219, 255, 342 f. geb. 11.2.1925 Zeitz, gest. 5.12.1988 Magdeburg, Lehre als Feintäschner, 1942–45 Soldat im II. Weltkrieg, 1945–49 Volkspolizei, 1953–56 1. Sekr. d. SED-KL Burg, dann Halberstadt, 1956–60 Abt.-Ltr. d. SED-BL Magdeburg, 1960/61 1. Stellv. d. Vors. d. RdB Magdeburg, 1961–1982 Stellv. Vors. f. Inneres Bez. Magdeburg, 1971 Dipl.-Staatswiss. Dt. Akademie f. Staats- u. Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ Potsdam-Babelsberg, Vaterländischer Verdienstorden in Silber, 1982 Abberufung wegen Invalidisierung. STEMPEL, Fred, 1. Stellv. d. Vors. f. Inneres d. Bezirkes Halle 219 11.12.1925 Erfurt, 1940–43 Ausbildung zum Kaufmann, 1943 Soldat II. Weltkrieg, 1947–49 KreisSekr. der FDJ-KL, 1949/50 Pers. Referent d. MP Thüringen, 1951–56 Pers. Mitarb. u. 1956–59 Pers. Referent d. MP d. DDR, 1958 Dipl.-Gesellschaftswiss., 1959–1965 Vors. d. RdK Naumburg, 1965 Stellv. d. Vors. d. RdB Halle f. wiss. Führungstätigkeit, 1966 1. Stellv. d. Vors. d. RdB Halle, 1971 Abberufung von d. Funktion als 1. Stellv. d. Vors. d. RdB Halle u. Einsetzung als Vors. eines RdK im Bez. Halle. STIER, Alfred, KMD, Landessingewart KPS 122 geb. 27.11.1880 Greiz (Thüringen), gest. 21.7.1967 Ilsenburg (Harz), 1895–1900 Fürstl. Lehrerseminar Greiz, 1903/04 Studium Konservatorium Leipzig, 1904–1911 Kantor Limbach (Sachs.), 1911–1947 Kantor u. Organist Versöhnungskirche Dresden, 1933 LKMD Sachsen, 1948 Landessingewart KPS, 1955 Dr. h. c. theol. Greifswald. STOPH, Willi, Vors. d. Staatsrates, Vors. d. Ministerrats 140, 142, 179, 476, 565 geb. 9.7.1914 Berlin, gest. 13.4.1999 ebd., 1928–1931 Maurerlehre, Bautechniker, 1928 KJVD (versch. Funktionen), 1931 KPD, ab 1933 Widerstandstätigkeit, 1935–1937 Militärdienst, 1940–1942 Kriegsdienst (verwundet), 1945 Ltr. d. Abt. Baustoffindustrie u. Bauwirtschaft, 1947 d. HA Grundstoffindustrie, 1948 d. Abt. Wirtschaftspolitik beim Parteivorstand d. SED, 1950–1989 Mitgl. u. 1950–1953 Sekr. d. ZK d. SED, 1953–1989 Mitgl. d. PB, 1950–1989 Abge-
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Biogramme und Personenregister
ordneter d. Volkskammer, 1952–1955 Minister d. Innern, 1954–1962 Stellv. Vors. d. Ministerrats, 1956–1960 Minister f. Nationale Verteidigung, 1959 Armeegeneral, 1962–1964 1. Stellv. Vors. u. 1964–1973 Vors. d. Ministerrats, 1963–1964 Mitgl., 1964–1973 u. 1976–1989 Stellv. Vors., 1973–1976 Vors. d. Staatsrates, 1976–1989 Vors. d. Ministerrats, 1989 mit seiner Regierung zurückgetreten, Parteiausschluss durch d. ZK d. SED. STRAUSS, Franz Josef, Bundesverteidigungsminister 163 STREWE, Adolf, Lic., Pfr. 87 geb. 22.6.1891 Magdeburg, gest. 1.9.1963 Egeln, Studium Theol. u. Rechtswiss. Marburg, Jena, Halle/S., 1918 Volontär Stadtbibliothek Magdeburg, 1919 Generalsekr. d. Deutschen Protestantenvereins, 1919 Pfarrverweser, sp. Pfr. (1922) Keutschen, 1924 Unterwerschen, 1925 Magdeburg-Salbke, 1935 Pfr. u. 1945 zugleich BM, dann Stadtrat (parteilos) Egeln, 1960 Ruhestand. SWATEK, Arthur, Vors. d. RdB Erfurt 539 geb. 20.8.1932, gest. 4.2.1990, Sohn einer Arbeiterfamilie, Maschinenschlosser, sp. Studium an Parteihochschulen, Dipl.-Gesellschaftswissenschaftler, leitende SED-Funktionen in versch. Kreisen Thüringens, 1980 polit. Mitarb. des ZK der SED, 1985–1990 Vors. d. RdB Erfurt. THRIENE, Bernd, Dr. med. habil., Ltr. Bezirkshygieneinstitut Magdeburg 506 geb. 19.3.1940 Köthen (Anhalt), 1960–66 Studium Medizin KMU Leipzig u. Medizinische Akademie Magdeburg, 1966–69 Doz. ebd., 1969 Ltr. Kreishygieneinspektion Magdeburg, 1972 Stellv. u. 1973 Dir. Bezirkshygieneinstitut Magdeburg, 1986 habil. Magdeburg, 1994 Direktor Landeshygieneinstitut SachsenAnhalt, seit 2003 Ltr. Fachbereich 2 Gesundheit, Hygiene, Epidemiologie im Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt. TOILLIE, Kurt, Pfr. 123 geb. 22.12.1893 Königsberg, gest. 1.7.1960 Parey, Studium Theol. Königsberg, Berlin, 1920 Pfr. Groß-Baum, 1945 Pfarrverweser, 1948 Pfr. Parey, 1960 Ruhestand. THOMPSON, William, Dr., Präs. d. Nationalen Christenrates d. UCC 366 TREU, Hans, Pfr., Propst d. Kurkreises 417, 470, 521 geb. 16.1.1933 Arensburg, gest. 22.10.1999 Lutherstadt Wittenberg, Studium Theol. Jena, 1957 Vikar Predigerkirche Erfurt, 1959 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1961) Mückenberg, 1966 Provinzialjugendpfarrer d. KPS, 1973 Pfr. Kemberg, 1976 Schloßkirche Wittenberg u. Propst Kurkreis, 1997 Ruhestand. ULBRICHT, Walter, 1. Sekretär d. SED, Vors. d. Staatsrates d. DDR 106, 148 f., 175, 190, 266, 277, 565 URMONEIT, Elisabeth, Sozialberaterin u. Supervisorin 535 geb. 28.2.1935 Tangermünde, Krankenschwester, seit 1973 Sozialberaterin f. psychisch Kranke Stadtmission Magdeburg, Mitgl. d. KL 1984–1989, 1984 Abschluss Ausbildung Supervisorin d. Dt. Ges. f. Pastoralpsychologie, 1981–1995 Mitarbeiterin als Supervisorin im Diak. Werk Magdeburg. URMONEIT, Hannes, Ltr. d. Stadtmission Magdeburg, Propst Magdeburg 535 geb. 4.1.1934 Ostmoor (Krs. Tilsit), Studium Theol. Jena u. Halle, 1959 Pfr.
Biogramme und Personenregister
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Kläden, dann Plathe KKrs. Salzwedel, 1969 Leiter der Stadtmission, 1986 Propst Magdeburg, 1996 Ruhestand. VERNER, Paul, Mitgl. d. PB, Sekr. d. ZK d. SED 27, 375 geb. 26.4.1911 Chemnitz, gest. 12.12.1986 Berlin (Ost), Maschinenschlosser, 1925 KJVD u. 1929 KPD, 1933 Chefredakteur d. illegalen Zeitschrift „Junge Garde“, Emigration nach Frankreich, 1936–1939 Leutnant d. Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, Emigration nach Schweden, 1945 Rückkehr nach Deutschland, 1946 SED u. Mitbegr. d. FDJ, 1946–1949 Mitgl. d. Sekr. d. FDJ-ZR u. Abt.-Ltr. Jugend d. Parteivorstandes bzw. d. ZK d. SED, 1950–1953 Mitgl. d. Sekr. d. ZK d. SED, dann Abt.-Ltr. f. gesamtdt. Fragen im ZK, 1950–1986 Mitgl. d. ZK d. SED, 1958–1986 Abg. d. Volkskammer, 1959–1971 1. Sekr. d. SED-BL Berlin, 1963–1984 Mitgl. d. PB d. ZK d. SED, 1969–1986 Mitgl. d. Präs. d. NR, 1971–1984 Mitgl. d. Sekr. d. ZK d. SED, 1981–1984 stellv. Vors. d. Staatsrates d. DDR. VERNER, Waldemar, Admiral, Chef d. Politischen HV d. NVA 272 geb. 27.8.1914 Chemnitz, gest. 15.2.1982 Berlin (Ost), Dekorateur, Jungspartakusbund, 1930 KPD, 1933 Widerstand, inhaftiert, 1935 Emigration in d. UdSSR, 1935–1937 Leninschule Moskau, 1938 Kopenhagen, Mitbegründer d. NKFD in Dänemark, 1945 Rückkehr n. Dtschl., 1946–1949 1. Sekr. d. SED-KL Stralsund, 1950 Chef d. Seepolizei bzw. d. Seestreitkräfte, 1956 Chef d. Volksmarine d. NVA, 1959–1979 Stellv. Minister u. Chef d. Polit. HV d. NVA, 1961 Admiral, 1954 Kandidat, 1963–1982 Mitgl. d. ZK, 1978 aus d. aktiven Wehrdienst entl., 1979 Generalsekr. d. DDR-Komitees f. d. KSZE, 1981 Abgeordneter d. Volkskammer. VERWIEBE, Walter, Dr. phil., Pfr., Propst Erfurt 105, 177 geb. 28.1.1908 Essen, gest. 21.1.1992 Euskirchen, Studium Theol. u. Phil. Berlin, Greifswald, Marburg, Gießen, Bonn, 1931 Dr. phil. u. Ass., 1936 Hilfsprediger, sp. Pfr. (1937) u. Sup. (1948) Bad Wilsnack, hielt sich zur BK, 1952 3. Pfr. Augustinerkirche u. Propst Erfurt, 1973 Ruhestand, Übersiedlung in d. Bundesrepublik Deutschland. VISSER ’T HOOFT, Dr. theol., D.D. mult., Generalsekr. d. ÖRK 241 f. geb. 20.9.1900 Haarlem, gest. 4.7.1985 Genf, Pfr. d. Niederl. Ref. Kirche u. d. Prot. Kirche von Genf, Studium Theol. Leiden, 1924 Sekr. d. Weltbunds d. CVJM, 1928 Dr. theol., 1931 Sekr. u. 1933 Generalsekr. d. Christlichen Studentenweltbundes, seit 1937 maßgeblich beteiligt am Aufbau d. ÖRK (Weltkonferenzen v. Oxford u. Edinburgh) u. 1938–1966 dessen erster Generalsekr. in Genf, 1963 Dr. theol. Kirchliche HS Berlin, Dr. theol. mult., D.D. mult., 1968 Ehrenpräsident d. ÖRK. VOIGT, Frank, Ltr. d. Sektors Kirchenfragen d. RdB Halle 417 geb. 31.3.1943 Berlin, Ausbildung als Landwirt, Fachschule Oranienburg mit Abschluss staatl. gepr. Landwirt, 1966–75 Mitarb. MfS Kreisstelle Jüterbog, 1976 Referent f. Kirchenfragen RdK Wittenberg, 1978–87 Ltr. Sektor Kirchenfragen RdB Halle, 1987 Sektorenleiter Reisefragen Dienststelle d. Staatssekretärs f. Kirchenfragen, 1990–2000 Mitarb. Oberfinanzdirektion Berlin.
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Biogramme und Personenregister
VOLKMANN, Albrecht Carl Wilhelm, Dr. phil., Dir. d. Ev. Forschungsakademie d. Ev. Kirche d. APU Ilsenburg 105 geb. 24.3.1910 Leipzig, gest. 6.12.1987 Ranis (b. Pößneck), 1930–34 Studium Theol. Halle/S. u. Leipzig, seit 1934 Studium Kunstgesch., Neuere Gesch. u. Archäologie Rostock, 1935 Ass. Institut f. Kunstgesch. ebd., 1937 Dr. phil. ebd., 1938 wissschaftl. Mitarb. Forschungsstelle f. Hausmarken u. Sippenzeichen Berlin, 1939–45 Soldat im II. Weltkrieg, 1946 Kustos Staatl. Museen Dresden, 1948 Dir. Ev. Forschungsakademie Ilsenburg, 1954 Pfr. Friedrichroda, 1956–59 Doz. f. Liturgik Predigerseminar Eisenach, 1959 Pfr. Pößneck-Jüdewein, 1975 Ruhestand. WAGNER, Heinz, Prof., Dr. theol., Pfr., Rundfunkbeauftragter 224 geb. 28.11.1912 Olbernhau (Erzgebirge), gest. 10.4.1994 Markkleeberg, 1937 Pfr. Leipzig, 1940 Jugendpfarrer, 1946–1959 Dir. d. IM u. bis 1958 Rekt. Diakonissenmutterhaus Borsdorf, 1946 Lehrbeauftragter f. PT Leipzig, dazu 1955 Halle/S., 1953 Dr. theol., 1959 Doz., 1961 Prof. f. PT KMU Leipzig, bis 1983 Rundfunkprediger. WAITZ, Helmut, Rechtsanwalt, Synodalpräses d. EKU u. d. KPS 219, 284 geb. 4.4.1910 Magdeburg, gest. 12.3.1993 ebd., bis 1931 Jurastudium, Referendar Amtsgericht Gommern u. OLG Naumburg, Assessor Magdeburg, 1939–1945 Kriegsdienst u. Gefangenschaft, 1947 Zulassung zum Rechtsanwalt, schloss sich nicht d. Magdeburger Kollegium d. Rechtsanwälte an, vertrat kirchl. Körperschaften u. unangepasste DDR-Bürger, 1952 Mitgl., 1964–1980 Präses d. Synode d. KPS u. Mitgl. d. KL d. KPS, 1970–1976 Präses d. Synode d. EKU (Bereich DDR), 1969–1973 Vizepräses d. Synode d. BEK, Vors. d. Arbeitskreises Grundordnung d. Ev. Kirche d. KPS (1974–1980). WANDEL, Paul, Dr. h. c. mult., Minister f. Volksbildung 80, 148 geb. 16.12.1905 Mannheim, gest. 3.6.1995 Berlin, Maschinentechniker, Mitgl. d. christl. Jugend, 1919 SAJ, 1923 KJVD, 1926 KPD, Sekr. d. KPD-BL Baden, 1933 Emigration in d. UdSSR, bis 1936 ParteiSekr. u. Lehrer Leninschule Moskau, KPdSU, 1945 Rückkehr n. Dtschl., 1945 Chefredakteur „Deutsche Volkszeitung“, 1945–1949 Präs. d. Deutschen Zentralverwaltung f. Volksbildung, 1946 SED, 1949–1958 Mitgl. d. Volkskammer, 1949–1952 Minister f. Volksbildung, 1953–1957 Sekr. f. Kultur u. Erziehung d. ZK d. SED, 1946–1958 Mitgl. d. Parteivorstands bzw. d. ZK, 1958–1961 Botschafter in China, 1961–1964 Stellv. Außenminister, seit 1955 Mitgl. u. 1964–1975 Präsident d. Weltfriedensrats, 1990 PDS. WANDER, Maxie, Schriftstellerin 394 f. geb. 3.1.1933 Wien, gest. 20.11.1977 Berlin (Ost), Sekr.in Scala-Theater Wien, Heirat mit Schriftsteller Fred Wander, 1958 Übersiedlung in d. DDR, als Schriftstellerin, Fotografin u. Journalistin tätig. WANKE, Joachim, Dr. theol., kath. Bischof 456, 517 geb. 4.8.1941 Breslau, Studium Phil. u. Theol. Erfurt, 1966 Kaplan Dingelstädt, 1969 Präfekt u. Ass. Priesterseminar Erfurt, 1974 Dr. theol. Erfurt u. Lehrbeauftragter, 1975 Doz. am Phil.-Theol. Studium ebd., Seelsorger Ichtershausen, 1980 Prof. f. NT am Phil.-Theol. Studium Erfurt, Weihbischof u. Koadjutor Erfurt-Meiningen, 1981 Apostolischer Administrator d. Bischöflichen Amts Er-
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furt-Meiningen, 1982 Mitgl. d. Ständigen Rats d. BBK, 1985 deren Stellv. Vors., seit 1994 Bischof d. neu errichteten Bistums Erfurt, 1995–2001 Vors. d. ACK. WEHRHAHN, Curt, Pfr. 87 geb. 7.12.1889 Hannover, gest. 13.3.1958 Kassieck, Studium Theol. Erlangen, Göttingen, 1914 Pastor coll. Rinnsloh, 1915 Duderstadt, 1916 Pfr. Erbsen, 1923 amtsenthoben, Jurastudium, Werkstudent, 1926 Hilfsprediger Kirchheim, 1927 Deutsch-Krone, 1927 Diaconus Gefell, 1931 Pfr. Kassieck. WEIZSÄCKER, Carl Friedrich Frhr. von, Prof., Dr., Dr. h. c., Physiker u. Philosoph 499, 614 geb. 28.6.1912 Kiel, Studium Physik Berlin, Göttingen, Leipzig, 1942–1944 Prof. f. Theor. Physik Straßburg, 1945 Göttingen u. am Max-Planck-Institut ebd., organisierte 1957 d. „Erklärung der Göttinger Achtzehn“ (Protest dt. Wissenschaftler gegen d. Bewaffnung d. Bundeswehr mit Atomwaffen), 1957 Prof. f. Phil. Hamburg, 1969–1980 Dir. d. Max-Planck-Instituts zur Erforschung d. Lebensbedingungen d. wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg. WERTHER, Anton, Pfr., Propst zu Halle-Merseburg 206 geb. 8.5.1903 Merseburg, gest. 24.6.1966 Halle/S., 1928 Pfr. Wiederau, 1934 Ströbeck, 1939 Bad Lauchstädt, 1947 Halle/S., seit 1948 Sup. Halle/S., 1956 Propst. WESKAMM, Wilhelm, kath. Theologe, Bischof 49 geb. 13.5.1891 Helsen (Waldeck), gest. 21.8.1956 Berlin, Studium Theol. Paderborn, München, 1914 Priesterweihe Paderborn, Kooperator u. stellv. Ltr. d. kirchlichen Kriegsgefangenenhilfe Paderborn, 1919 Domvikar ebd., 1932 Pfr. Merseburg, 1943 Propst Magdeburg u. Erzbischöflicher Kommissar f. d. östlichen Teil d. Erzbistums Paderborn, 1944 Dechant Magdeburg u. nichtresidierender Domkapitular Paderborn, 1945 Übertragung weitgehender Vollmachten, legte Grundlage einer eigenen kirchlichen Verwaltung in Magdeburg, 1949 Zweiter Weihbischof v. Paderborn mit Sitz in Magdeburg, 1951 Bischof v. Berlin, gab 1947 Anstoß zu regelmäßigen Zusammenkünften d. Ordinarien, aus denen d. BBK entstand. WESTPHAL, Willi, Lehrer, Pfarrverweser 122 geb. 25.9.1902 Malchin (Mecklenburg), gest. 30.12.1982 Krottorf, 1927 Lehrer in Mecklenburg, 1946 Katechet Eldena, 1955 pfarramtliche Tätigkeit, 1957 Pfarrverweser Barneberg, 1967 Ruhestand. WEYHE, Günter, Propst u. Ständiger Vertreter d. Bischofs 521 geb. 6.1.1932 Bleicherode, 1959 Hilfsprediger u. sp. Pfr. Oberheldrungen, 1967 Pfr. Merseburg (St. Maximi), 1974 Sup. Merseburg, 1978–1994 Mitgl. d. KL, 1984 Propst/Stellv. d. Bischofs d. KPS, Vors. d. Missionskonferenz d. KPS (Hallesche Missionskonferenz), 1997 Ruhestand Bad Sachsa. WIESNER, Kurt, Prof., Dr. theol., Vors. d. AG Christliche Kreise b. NR d. NF 175 geb. 13.1.1907 Breslau, gest. 16.4.1967, Studium Musik u. Theol. Breslau, 1933 NSDAP, Ass., Vikar, Pfr. Grünberg (Schlesien), 1937 Dr. theol., 1942 Kriegsdienst, russ. Gefangenschaft, 1945 Gefängnisgeistlicher in Thüringen, anschl. Pfr. Weimar, Studentenpfarrer Jena, 1955 CDU, 1956 NR d. NF, zeitweilig
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Biogramme und Personenregister
Vors. d. AG Christliche Kreise b. NR d. NF, 1958 Abgeordneter d. Bezirkstages Leipzig, 1955 Aspirant, 1958 Prof. f. ST u. Religionssoziologie KMU Leipzig. WILD, Artur, Pfr. 539 geb. 25.10.1946 Flöha, 1965–71 Studium Theol. KMU Leipzig, 1971/72 Predigerseminar Lückendorf, 1973 Pfr. Erfurt-Marbach, 1989 Mitbegr. Demokratisches Forum Erfurt, 1990 CDU, 1994–2004 Stadtrat Erfurt, 1995 -2003 Beauftragter f. Soldatenseelsorge KKrs. Erfurt. WILKE, Hans, Dr., Abt.-Ltr. Dienststelle d. Staatssekretärs f. Kirchenfragen geb. 1932, ab 1952 Studium Phil. HU Berlin, 1949 FDJ, 1950 SED, sp. polit. Mitarb. einer FDJ-KL, 1958–90 Mitarb., u. zuletzt Abt.-Ltr. Dienststelle d. Staatssekretärs f. Kirchenfragen, 1968 Dr. phil., 1987 Gast d. Bundessynode. WILLEBRANDS, Johannes Kardinal, röm. kath. Ökumeniker 456 geb. 4.9.1909 Bovenkarspel (Niederlande), 1940 Prof. d. Phil., 1945 Dir. Theol. Seminar Warmond, 1951 Ltr. d. röm.-kath. Konferenz f. ökum. Fragen, ab 1969 Präsident d. Sekretariats f. d. Einheit d. Christen, Kardinal, 1975 Erzbischof Utrecht. WILLIAMS, Glen Garfield, Dr. theol. D.D., Generalsekr. d. KEK 335 geb. 14.9.1923 Newport (South Wales), gest. 28.3.1994 Genf, 1947–55 Studium Philosophie u. Theologie Wales, London Tübingen, 1955–59 Mitgl. d. Baptistenunion v. Großbritannien u. Irland, 1959–68 Sekr. für Europa ÖRK, Flüchtlings- und Weltdienst (CICARWS), 1968–87 Generalsekr. KEK. WILM, Ernst, Dr. theol. h. c., Präses d. Ev. Kirche v. Westfalen 191 geb. 27.8.1901 Reinswalde (Niederlausitz), gest. 1.3.1989 Espelkamp, Studium Theol. Bethel, Tübingen, Greifswald, Halle/S., Kandidatenstift Bethel, Hilfsprediger Mennighüffen, 1926 Hilfsprediger Betheler Zweiganstalt Freistatt, 1928 Anstaltsgeistlicher ebd., 1929 Pfr. Lüdenscheid, 1931 Mennighüffen, Mitgl. d. Bruderrats d. BK, 1942 verhaftet u. bis 1945 KZ Dachau, 1949–1968 Präses d. Ev. Kirche v. Westfalen, 1951 Dr. theol. h. c. Münster, bis 1973 Mitgl. d. Rats u. d. Synode d. EKD, Ehrenpräsident d. KEK. WINGREN, Gustaf, Prof., Dr. theol., schwed. luth. Theologe 224 geb. 29.11.1910 Tryserum, gest. 1.11.2000 Lund, 1947 Prof. f. ST Abo/Finnland u. Basel, 1952–1977 Prof. Lund, 1956 Prof. f. ST Aarhus/Dänemark, Präs. der Societas Ethica, Dr. theol. h. c. (1965 Kiel, 1966 St. Andrews, 1969 Rostock, 1981 Oslo). WIRTH, Günther, Dr. phil., Dr. h. c., Hg. d. „Standpunkt“ Berlin 337 geb. 7.12.1929 Brand Erbisdorf, Dr. phil. (1977), Dr. h. c. Prag (1989), 1946 FDJ, 1947 CDU, 1948–1950 Volontär, Redakteur „Märkische Union“ Potsdam, 1951–1954 Studium Germanistik Berlin, 1952–1953 Hauptreferent CDU-Parteivorstand, 1954–1958 Sekretariat d. Hauptvorstands d. CDU, 1958–1961 Studium Philol. Berlin, 1960–1989 Mitgl. d. CDU-Hauptvorstands (ab 1972 d. Präsidiums), 1964–1970 Cheflektor Union Verlag Berlin, 1967–1990 Mitgl. d. Stadtverordnetenversammlung Berlin, 1970–1972 Chefredakteur d. „Evangelischen Pfarrerblatts“, 1972–1990 Vizepräsident d. KB, 1973–1985 Chefredakteur u. 1986–1990 Hg. d. „Standpunkt“ Berlin, 1985 Honorarprof. f. KG HU Berlin. WOLF, Ernst, Prof., Dr. theol., Lic. 307 geb. 2.8.1902 Prag, gest. 11.9.1971 Garmisch-Partenkirchen, 1925 Lic., 1925
Biogramme und Personenregister
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PD f. KG Rostock, 1930 Dr. theol. Rostock, 1930/31 Lehrstuhlvertreter Tübingen, 1931 Prof. f. KG Bonn, 1935 zwangsversetzt nach Halle/S., 1945 Göttingen, 1957 Prof. f. ST ebd. WONNEBERGER, Christoph, Pfr. 423 geb. 5.3.1944 Wiesa (Erzgebirge), Maschinenschlosserlehre, Sprachstudium Theol. Sem. Leipzig, Studium Theol. Rostock, 1970 Vikar Dresden, 1973 Pfarrvikar Leipzig-Möckern, 1974 Pfr. Taucha, 1977 Weinbergskirche Dresden („offene Jugendarbeit“), Berater von Wehrdienstverweigerern, 1979 Begründer d. SoFD, 1984 Ephoralvikar Meißen, 1985 Pfr. Lukaskirche Leipzig, 1986 Gründer d. Gruppe „Menschenrechte“, schwere Konflikte mit staatl. u. kirchl. Stellen, Herbst 1989 Verantwortlicher d. Friedensgebete u. Organisator d. Demonstrationen, 1991 Ruhestand (nach schwerer Erkrankung). WURM, Theophil, Landesbischof Württembergs, Dr., Vors. d. Rats d. EKD 36 f. geb. 7.12.1868 Basel, gest. 28.1.1953 Stuttgart, Dr., 1899 Pfr. Ev. Gesellschaft Stuttgart, 1913 Ravensburg, 1920 Dekan Reutlingen, 1927 Prälat Heilbronn, 1929 Kirchenpräsident, 1933 Landesbischof d. Ev. Kirche Württemberg, im Kirchenkampf Wortführer d. BK, 1941 Gründer d. Kirchlichen Einigungswerks, 1945 Vors. d. Rats d. EKD, 1949 Ruhestand. ZOLLMANN, Gottfried, Pfr., Geschäftsführer Lutherkomitee d. BEK 455 geb. 31.8.1929 Grovesmühle (b. Ilsenburg), Studium Theol. Erlangen, Tübingen, Berlin-Zehlendorf, bis 1978 Pfr. Jena und Jena-Neulobeda, Mitgl. Synode Thüringen, vorübergehend Krankenpfleger Berlin, 1981–1983 Geschäftsführer d. Kirchlichen Lutherkomitees in d. DDR, Doz. Diakonisches Qualifizierungszentrum des Diakonischen Werks in der DDR Lobetal. ZUCKSCHWERDT, Oskar, Pfr., Sup., Propst Magdeburg 47, 85, 98, 153 geb. 19.6.1883 Gandersheim, gest. 21.10.1965 Göttingen, Studium Theol. Göttingen, Straßburg, Marburg, 1909 Pfr. Seemanns- u. Auswandermission Liverpool, 1913 Dt. Gemeinde Glasgow, 1914 Garnisonspfarrer Berlin-Lichterfelde, 1916 Pfr. Groß-Salze, 1917/18 Divisionspfarrer, 1922 in Schulabt. d. Ev. Presseverbandes Berlin tätig, 1922 Pfr. St. Ulrich u. Levin Magdeburg, PNB, BK, 1937 wiederholt verhaftet wegen Vergehen gegen „Sammlungsgesetz“ und „Kanzelmißbrauch“, 1945 Sup. Magdeburg u. Berufung in d. VGL d. KPS (Aug. 1945), 1946–1958 Propst Magdeburg u. ständiger Vertreter d. Bischofs, Pfr. an St. Ulrich u. Levin, 1958 Ruhestand.
Sachregister
Register
SACHREGISTER VORBEMERKUNG Das Sachregister soll der Erschließung der Texte dienen. Aufgenommen wurden alle Institutionen, sofern sie nicht unmittelbar zum Verantwortungsbereich der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen gehören. Erwähnungen der Kirchenprovinz, der Synode, der Kirchenleitung, des Konsistoriums, des Bischofs und des Konsistorialpräsidenten, der Kirchenkreise und der Kirchengemeinden sind zu häufig, um sinnvoll erfasst zu werden. Entsprechend wurde bei der generellen Nennung von Pfarrern und Mitarbeitern verfahren. Generell musste auf den Stellennachweis von Schlagworten verzichtet werden, die durchgängig in den Texten verwendet werden: Kirche, Glauben, Bekenntnis, Gewissensentscheidungen, Gottesdienst u. Ä. Das Gleiche gilt für das Verhältnis von Kirche und Staat, Gesellschaft, Gerechtigkeit, Krieg, für Bezugnahmen auf die DDR, auf Staat, Bezirke, Kreise und auf die Regierung (sofern nicht einzelne Organe der Regierung genannt sind). Dagegen sind Sachverhalte, Arbeitsbereiche, Grundbegriffe in verschiedenen Varianten erfasst. Querverweise sollen das Auffinden erleichtern, weil häufig im Ablauf der Jahre, aber auch aus stilistischen Gründen Schlagworte und Begriffe variieren, obwohl es zentral um das gleiche Thema geht. Das fällt insbesondere bei den Themen des Friedenszeugnisses, des Waffendienstes und der Wehrdienstverweigerung, des Bezuges zu Öffentlichkeit, zu Medien und Presse auf. Bei den kurzen Inhalts-Regesten der Dokumente wurden (im Kleindruck) auch diejenigen Kapitel der Synodalberichte aufgeführt, die hier nicht abgedruckt sind. Diese weiteren Stichworte erscheinen im Register nicht.
16. Januar 1945 Zerstörung Magdeburgs 492 8. Mai 1945 Kapitulation des Deutschen Reiches 36, 333 7. Oktober 1949 Gründung der DDR 28 April 1953 13, 21, 28, 102 ff. 9./17. Juni 1953 Neuer Kurs und Volksaufstand 612 Kommuniqué 10./11. Juni 1953 115 ff., 120 f., 129 Kommuniqué 1958 149, 158 13. August 1961 Bau der Mauer 28, 178 Prager Frühling 1968 21 Jahrestage der DDR (1969, 1974) 256, 322 ff. 6. März 1978 Spitzengespräch Honecker – Vorstand der KKL 23, 28, 375 ff., 401 f., 408, 415, 446 f.,
449 f., 495, 526, 536, 547, 552, 571, 619, 622 1989: Herbst 19, September 20, November 1989 13 Abendmahlszulassung 417 Aberglaube 586 Abgrenzung 615 Abschreckung (Geist und Logik der Abschreckung, Abschreckungssystem) 386, 405 ff., 412, 428, 436, 471, 473 f., 482 f., 531, 605 ff. Ärzte der DDR zur Verhütung eines Nuklearkriegs (IPPNW) 498 Ärzte für den Frieden 498 Äußere Mission 41 Akademie der Pädagogischen Wissenschaften 572 Aktion Sühnezeichen 164, 231
Sachregister
Alters- und Pflegeheime 130, 377, 491, 495 Amnestie 300, 526 Amtsblatt 11, 29, 62, 94, 131, 546 f. Andersdenkende 350, 524, 560, 574 Anpassung 409 Antikommunismus 175, 194, 333 f. Antirassismusprogramm 18, 295 Apartheid 484 Arbeiterklasse 291, 296 f. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen 517 Arbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendarbeit 418, 520 Arbeitslosigkeit 368 f. Arbeitsplatz 323 Armut in der Welt 273, 460, 468 Atheismus 161, 164, 198, 209, 588 – atheistische Bindung 184 Atommächte 153, 226, 438 Atomtest-Moratorium 503 Atomwaffen s. Massenvernichtungswaffen Augustinerkloster Erfurt 377, 456, 458 Ausbildungsstätten, kirchliche 338 Ausreiseanträge 369 f., 460, 476 ff., 512, 535, 538, 541 f., 564 f. Außenseiter in Gesellschaft und Kirche 409 Ausschuss Erziehung und Jugend 416 f., 589 – Weltverantwortung 465 f., 505, 516, 528, 540 f. Banknotenumtausch 146 Barmer Theologische Erklärung 1934 76 f., 91, 120, 183, 193, 323, 463, 478 f. Baueinheiten/Bausoldaten 21, 202 f., 230 f., 246, 263 f., 272 f., 282, 285, 297, 326 227, 326 f., 367, 423, 431 f., 450 f., 460, 470, 511, 606 ff. – vgl. auch Schwerter zu Pflugscharen, Wehrdienst, Wehrdienstverweigerung/Wehrersatzdienst, Ziviler Ersatzdienst/Sozialer Friedensdienst (SoFD)
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Bauern s. Landwirtschaft Bauernpartei 107 Baufragen 11, 18, 132, 258, 371, 377, 379, 539 f., 568, 575 f. – Erteilung von Baulizenzen 152 – Kirchenneubauprogramm 575 Beflaggung 61 – Kirchenfahne 61 Befreiung vom Faschismus s. Krieg (Kriegsende) Begräbnis, atheistisches 160 Beiruter Konferenz (SODEPAX) 1968 243 Bekennende Kirche 36 f., 40 f., 47, 77, 148 – Bruderrat 36 f., 66 Bekenntnisse 77 Belastungen 390 Benachteiligung von Christen 303, 393 f. Beratergruppe der KL für gesellschaftspolitische Fragen 433, 460 Beratergruppe für Ökumene und Mission 490 Berichte zur Lage 14, 535 Berichtsausschuss 29, 128, 172, 341 Berufsausbildung 278, 367, 497, 512 Berufschancen 11, 357 – Berufsexistenz 149, 309 Bewahrung der Schöpfung s. Umweltfragen, Umweltverantwortung Bezirksgericht Magdeburg 146 Bezirkshygieneinstitut Magdeburg 506, 528 Bezirksstaatsanwalt (Magdeburg) 146 Bildungspolitik 11 ff., 21, 283, 285, 292, 298, 325, 376, 590 f. Bildungssektor 22, 261 ff., 292, 325, 342, 394, 589 ff. – Bildungseinrichtungen 20, 370, 379 – Recht auf Bildung, Bildungschancen 19, 272, 280, 314, 357, 376, 401, 593 – sozialistisches Bildungssystem 197, 200 f., 207 ff., 277, 296, 320, 324, 343, 401, 446 f., 480, 501, 510 f., 527, 539
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Register
– Volksbildung 206, 276, 314, 326 – Zulassungen zu Schule und Hochschule 497, 510 – s. auch Hoch- und Fachschulen, Kindergärten, Schule Bischofskonvent 342, 590 Bleiben in der DDR 478 Blockparteien 407 Bodenreform 13, 21, 43, 60 Braunkohle 465, 467, 575, 624 Brief an einen Pfarrer in der DDR (Karl Barth) 157 Brief zur Lage an die Christen in der DDR 1989 557 Brot für die Welt 212, 242, 260, 317, 484, 488 f. Bündnissysteme 438 Bürgerliche Revolution 1848/49: Hundertjahrfeier 66 Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR/BEK 17, 21 f., 252 f., 299, 318, 331, 334 ff., 374, 379, 403 f., 429, 437 f., 440, 472, 476, 479, 482 f., 492 f., 502, 513, 518, 530 f., 535, 554, 571 – Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“ 465, 475 – Facharbeitskreis „Ökumenische Diakonie“ 421 – Facharbeitskreis Friedensfragen 227, 385 – Facharbeitskreis Information 398 – Gemeindekommission 548 – Kommission für Kirchliche Arbeit mit Kindern und Konfirmanden 540, 572 – Medienbeirat 547 – Ordnung des BEK 252 – Sekretariat 377, 390, 422, 503, 562, 572 – Studienreferat Friedensfragen 385 – Theologische Studienabteilung 385, 424, 573 – Wort zum Frieden des BEK und der EKD (1.9.1979) 404 Bundesbeauftragter für die Unterlagen
des Staatssicherheitsdienstes der DDR/BStU 26 f., 186 Bund der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in der DDR 304, 456 Bundeswehr 140 Bund der evangelischen Pfarrer in der DDR 160 f. Bundesrepublik Deutschland/BRD – Bundestag 287, 546 – vgl. Regierung der Bundesrepublik Cäcilienstift Halberstadt 104 Chile – United Popular 316 China 565 – Chinesische Staatsführung 564 – Chinesischer Christenrat 554 – Demonstrationen der Studenten 1989 554, 564 Christlich Demokratische Union/ CDU 59, 79, 118, 153, 379, 589 ff. – Bezirksleitungen 255 – CDU-Presse 118, 194 f. – Generalsekretär 194 f. – Hauptvorstand 19, 138 – Parteitage 296 (XIII. 1972) Christenlehre 18, 44 f., 122, 129, 154, 258, 262, 277, 281, 314, 320, 325, 370, 414, 417, 589 ff. Christliche Friedenskonferenz/CFK 178, 390, 433 Christliche Mediziner in sozialer Verantwortung 498 Christliches Abendland 175 Communauté von Taizé 372 – Brief an das Volk Gottes 372 Confessio Augustana 76 Consilium Conferentiarum Episcopalium Europae/CCEE 426 Demokratie 19, 22, 106, 153, 299 Demokratisierung 552, 555, 561, 565 f., 622 Demonstrationen 558, 560 f., 565 Deutsche Christen 34, 42 Deutsche Volkspolizei/DVP 295 f., 367
Sachregister
Deutscher Friedensrat 65 – Christliche Arbeitskreise 99 – Bezirksfriedensrat 120 Deutscher Volksrat 58 f. Deutsches Komitee der Kämpfer für den Frieden 65 Deutschlandpolitik 11, 180, 599 – Deutsch-deutsche Verträge 286, 299 – Grundlagenvertrag 289, 298, 318 – Transitabkommen 286 – Verkehrsvertrag 298 f., 320 – Einheit Deutschlands/Wiedervereinigung 59, 73, 100, 162 f., 239, 249, 259, 390, 403, 563 – Lebensfragen des deutschen Volkes 152, 200, 229, 516, 541 – Ost-West-Spannungen 103, 411 – Ost-West-Dialog/Kommunikation 163 – Paketsendungen 233 Deutsch-Ostafrikanische Missionsgesellschaft 189 Diakonenausbildung 469 Diakonie 21, 200, 303, 308, 331, 539 – Diakonisches Amt 147, 229 – Evangelischer Diakonieverein 110 Diakonie, politische 194, 504 Diakonissenmutterhaus Halle 170 Dialog 21, 260 f., 268, 308, 494, 528, 536, 538, 550 ff., 558 ff., 570, 574, 613, 621 f. Diaspora 17, 301 ff. Dritter Weg 296 Dritte Welt 243 f., 250, 333, 336, 406, 424, 440 f., 466, 468, 484, 488 f., 515, 530, 600 Ehe – Eheweihe 160 Ehrenmal Berlin Treptow 334 Eingaben 238, 527 f., 555 f., 572, 598, 601, 610, 615, 623 Einmischung in staatliche Angelegenheiten 536, 620 Eltern 154, 207, 262, 325, 333, 395, 414 f., 491, 510, 572, 580, 593, 602, 610
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– Elternaktiv, Elternbeiräte 96 f., 135 f., 297, 326, 379 – Elternbrief 128 – Elternhaus 197, 413, 573 – Elternrecht 136 – Elternversammlungen 122, 166, 591 ff. Energiegewinnung 508, 624 Entspannung 287, 365, 383, 386 f., 403, 406, 550, 596, 620 Enteignungen 13, 43, 109 Entnazifizierung 41 f., 54 f., 60 – Entnazifizierungsausschüsse, kirchliche 60 f. – Entnazifizierungsausschüsse, staatliche 61 – Entnazifizierungskommission 67 f. Enttäuschungserfahrungen 354 f., 357 Einflussnahme, staatliche 25 – Predigtverbot 68 entmilitarisierte (atomwaffenfreie) Zone 180, 189, 202, 216, 530, 598 Entwicklungshilfe 424 f., 490 Ephorenkonvente 14, 86, 113, 183, 493, 590 Erholungsheime, kirchliche 236 f., 256 Erneuerung 534, 536 f., 550, 552, 557, 560, 564, 622 Erwachsenenarbeit 597 Erziehung 233, 263, 278, 329, 395, 402, 414, 573 – atheistische 201 – christliche 53 Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt 73 f., 174 Evangelische Forschungsakademie Ilsenburg 105 Evangelische Jugendwoche Halle 416 f. Evangelische Kirche der altpreußischen Union/APU 38, 40, 46, 48 f., 55, 89, 103, 105, 111, 172, 182 vgl. Evangelische Kirche der Union – Ordnung der APU 44, 100 – Verfassung der APU 1922 35 f., 37, 46
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Register
Evangelische Kirche der Union/EKU 16 f., 21, 221, 249, 473, 502 – Christliches Friedensinstitut 226 f. – Kirchenkanzlei 455 – Rat der EKU 121, 226 – Vorsitzender 226, 382 Evangelische Kirche in Deutschland/EKD/EKiD 17, 82, 106, 142, 157, 161, 176, 178, 213, 221, 252, 403 f., 437, 493, 517, 570, 575 – Denkschrift „Zur Lage der Vertriebenen“ 213 – Jugendkammer 81 – Kirchenkanzlei 94, 152, 196 – Konsultation mit dem BEK über Fragen der Friedensverantwortung 1982 437 f. – Rat der EKD 44, 61, 100, 120, 154, 204 – Wort des Bruderrates 1947 („Darmstädter Wort“) 58 – Wort zum Frieden (Eisenach 1948) 64 f., 78, 82 Evangelische Landeskirchen – Anhalt 48, 86 f., 452 – Berlin-Brandenburg 37 f., 49, 62, 87, 90, 96, 100, 140, 152, 171, 229, 261, 565 – Greifswalder Kirchengebiet 590 – Hessen und Nassau – Kirchenpräsident 163 – Mecklenburg 67, 154, 590 – Rheinland 16, 38 – Sachsen 62, 67, 128, 221, 423, 590 – Schlesien 38 – Thüringen 17, 40, 48, 55, 62, 67 – Westfalen 16, 38, 139 – Württemberg 287 Evangelische Verlagsanstalt Berlin 545 Evangelische Waldenserkirche 473 Fahneneid 178 f., 203, 217, 264, 432, 511, 600 Familienangelegenheiten, dringende 476 f. Familienzusammenführung 327, 337 Familiengesetz 218
Feierabendmahl 454 Fernsehen 224, 233, 377 f. – vgl. Staatliches Fernsehen Fernsehsendungen, kirchliche 378, 547 Finanzfragen 18 – Besoldung 119 – Finanzausschuss 489 – Kirchensteuer 119, 132 – Staatsleistungen 131 f., 258 – Umlageverfahren 312 Flüchtlingsfrage 50 Fonds für „Ökumenische Solidarität“ 488 ff. Francke, August Hermann: 300. Geburtstag 186 Frauen, Rolle der 563, 600, 602 Frauenforum 544 Frauenhilfe 225 Freie Deutsche Jugend/FDJ 99, 109 f., 117, 129 f., 234, 279, 292, 297, 580, 591 ff. – IV. Parlament der FDJ 1952 106 – Pfingsttreffen 1983 449 – Zentralrat 278, 402 Freiheit 158, 238, 245, 291, 311, 332, 394, 534 Freiheitsstrafen 525 vgl. auch Haft Freiraum 333, 418 Freund-Feind-Denken 157, 180, 333, 511, 602 Friedensbewegung 23, 28, 88, 97 ff., 118 – Landesfriedenskomitee Sachsen-Anhalt 85 f., 97 – Christliche Arbeitskreise für den Frieden (Mecklenburg) 98, 107 – Friedenspropaganda 100 Friedensdekade 23, 404 f., 427, 433, 439, 443 f., 448, 498 f., 501, 519 ff., 531, 535, 545, 550, 559, 570, 601, 616 Friedensdienst 210, 215, 217, 225, 227, 232, 365 ff., 403, 424, 440, 521, 596, 608 ff. Friedensengagement 405, 430 ff., 440 ff., 482 ff., 520, 596, 600, 602 Friedenserziehung 332 f., 339, 343,
Sachregister
365, 381 ff., 387, 415, 423, 528, 597, 600, 615 Friedensethik 406, 611 ff. Friedensforschung 227 Friedensfrage 176, 329, 434, 454, 482, 530, 604 ff., 612 f. Friedensgebet 522, 544, 550, 560, 616 Friedenspolitik 180, 366, 383, 385, 405, 483, 531 Friedensrat der DDR 65 Friedensverantwortung 335, 385 f., 404 f., 422, 429, 431, 436 ff., 460, 470, 473, 545, 563, 603 ff. Friedensvertrag 88 Friedenszeugnis 11, 230, 364, 384, 413, 471, 474, 491, 496, 545, 607 Friedhöfe, kirchliche 377 Fürbitte 104, 111 ff., 117, 171, 212, 215, 229, 256, 333, 393, 472, 504, 557, 609 – Handreichung für Betstunden 113 – Kriegsgefangene 54 – Ostergebet 54 Fürsorge 333 – Behinderte 331 – Kinder und alte Menschen 323 Gebetstreffen für den Frieden in Assisi 1986 517 Gefängnis s. Haft – Gefängnis-Seelsorge 70 ff., 117, 377 ff. – entlassene Strafgefangene 70 Geläut 66 f., 97 Gemeindeaufbau, vgl. Diaspora Generalstaatsanwalt 135, 140 Genetik 295 Genfer Abrüstungsverhandlungen 189 Gerichtsurteil 123, 264 Gespräche 14, 139, 166, 168, 177, 186, 205 f., 217, 232, 269, 275, 314, 344, 356, 371, 527 f., 531, 538, 558, 560, 564, 571 Gesundheitsfürsorge 323 Ghetto 169, 211, 305, 307 Glaubens- und Gewissensfreiheit 20, 149, 231, 238 f., 261 ff., 280, 282,
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284 f., 298 f., 325, 359, 370, 514, 583, 593 Gleichberechtigung 323, 480, 495 Gnadauer Anstalten 105 Gottlosigkeit 259 Grundordnung KPS 15, 76, 284, 340, 523, 529, 619 f. – Ordnung der Leitung des Kirchenkreises 312 Gruppen 409, 460, 470, 475, 518, 521, 528, 535, 544, 550, 575 – Charismatische Gruppierungen 544, 550 – Frauengruppen 544 – Ökologiegruppen 544 Gustav-Adolf-Werk 302 Haft 70 ff., 123, 146, 174, 446, 449, 496, 525, 533 – Haftanstalten 72, 130 f., 367, 526, 584 – Häftlinge 131, 525 – Polizeihaftanstalten 71 f. Halberstädter Dom 168 – Domschatz 168 Handreichung – EVANGELIUM UND DAS CHRISTLICHE LEBEN 1959 159, 182 – „Zum Friedensdienst der Kirche“ 202, 213, 424 Heiligabend-Gottesdienste 548, 558 Helsinki-Schlussakte s. Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Hilfswerk 50, 331, 377 Hirtenbrief 90, 115, 149 Hirtenwort der Bischöfe 149 Hoch- und Fachschulen 231, 246, 264, 279, 297, 326, 401, 580 f., 593 f. – kirchliche 45 – Prüfungsordnung für Universitäten und Hochschulen in der DDR 264 – staatliche 20, 126 – Studienordnung 285 – vgl. auch Universitäten
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Register
Hoch- und Fachschulstudium 13, 153, 278, 314, 367 Homosexualität 475 Hort 591 f. Humanität/Humanismus 224, 260, 365, 484 Hunger in der Welt 171, 212, 244, 295, 460, 468 Ideologie 176, 201, 206, 302, 362, 368, 386, 401, 403, 409, 566 – Ideologie des Materialismus 159 f. – Atheistische Ideologie 161 – Atheistische Propaganda 130, 158, 345 Information 370, 490, 506 f., 514, 527, 547, 551 f., 574, 621 f. – Informationsmangel 487 – Internationales Jahr des Friedens 1986 499 Innenpolitik 356 f., 386, 531 Innere Mission 41, 70, 109, 116, 258, 331, 377 – Bahnhofsmission 117 – Schiffermission 133 f. – Schriftenmission 72 – Stadtmission 71 (Bitterfeld) Internationale (Hymne) 234 Internationale Kontrollkommission 228 Internationaler Kongress für Lutherforschung 456 Internatsschüler 593 Internierung 61 f. – politische Gefangene 61 Intoleranz 270, 395 Irrlehre 199, 208 Jom-Kippur-Krieg 316 Juden 170, 192, 387, 454, 456, 459, 543 vgl. auch Neue Synagoge Berlin – Antisemitismus 170, 204, 209 – Ausschreitungen 165, 169 f. – Holocaust 203 Jugendarbeit 18, 258, 408 f., 413, 416 f., 418, 446, 448 f., 469, 498, 522, 589, 597 – Jugendliche 394 f., 401, 409, 510,
524, 539 f., 565, 589, 592 f., 602, 610 – Kreisjugendpfarrerkonferenz 419 – Offene Arbeit 415, 419, 433, 449 f., 469 – Provinzialjugendpfarrer 518 f., 522 Jugendschutzgesetz 208 – Entwurf eines Jugendgesetzes 196 Jugendweihe 13, 15, 18, 21, 122, 124 ff., 136, 147 ff., 153, 159 ff., 163, 165 f., 180, 195, 234 f., 256, 270, 279, 292, 592 ff. Julius-Schniewind-Haus (Seelsorgeheim) 118, 168 f. Junge Gemeinde 20, 28, 81, 104 ff., 116, 417, 539, 593 ff. – Bekenntniszeichen der ev. Jugend 81 Junge Tankisten 512 Jungmännerwerk 107, 343 Kaderpolitik 13, 278, 376, 407 f., 479, 530, 566, 571, 594 Kalter Krieg 176, 199, 216, 239, 322 Kampfgruppen 612 Kanzelabkündigung 78 ff., 90, 133, 580 ff. – Wort der Information und der Seelsorge auf dem Bildungssektor 1975 342 Kanzelparagraph 54 Kapitalismus 234 – Gesellschaftsprobleme 386 Karl-Marx-Jahr 455 Katecheten 282, 320 Katechetischer Ausschuss 53, 150 f. Katechetisches Oberseminar Naumburg – Brief der Naumburger Studenten 424 Katholische Kirche 86, 99, 101, 141, 248, 421, 517 – Berliner Bischofskonferenz 456, 517, 520 – Bistum Magdeburg 97, 546 – Einheitssekretariat des Vatikans 456 – Firmung 151 – Katholikentag (Magdeburg 1928) 48 – katholische Minderheit 49
Sachregister
– Militärbischof 141 – Reichskonkordat 1933 141 Kernenergie: friedliche Nutzung 501, 504 ff., 528, 535, 540, 575, 623 f. Kernkraftwerk Stendal 23, 505 ff., 540, 623 f. Kernwaffen s. Massenvernichtungswaffen Kinder 152, 154, 325, 370, 394 f., 401, 417, 510, 524, 539, 580, 592 ff., 602 – Kindesweihe 160 Kinderarbeit 469 Kindergarten – evangelischer Kindergarten 81 f., 377 – Georgengemeinde (Halle) 343, 371 – staatlicher Kindergarten 126, 592 f. Kinderkrankenhaus Warschau 421 Kirch- und Pfarräcker 119 Kirche – Innerkirchliche Probleme 355 ff., 360 – Kirchenaustritt 13, 348, 584 – Kirche im Sozialismus 20, 258, 342, 361, 460, 478, 523 – Kirche von unten 528 Kirchen im Osten 188 Kirchenausschüsse 34 Kirchenkampf 21, 77, 79 f., 81 ff., 93, 103 ff., 114 f., 118, 222, 258, 361 Kirchenmusik (kirchenmusikalische Veranstaltungen) 256, 258 Kirchenpolitik 249, 253, 345, 536 Kirchenschändungen 170 f. Kirchentag 18, 140, 417, 535, 538, 547 – Berlin 1951 100 – Stuttgart 1952 104 – Halle 1976 343 – Erfurt 1978 371, 381 – Leipzig 1978 248, 381 – Stralsund 1978 381 – Kirchentage 1983 446, 453 f., 458 – Düsseldorf 1985 499, 514 – Erfurt 1988 543 f. – Halle 1988 543 f. Kirchenzeitung 11, 62, 351, 381
729
Kirchenzucht 127, 150 Kirchlich-diakonischer Lehrgang Berlin-Weißensee 460, 469 f. Kirchliche Bruderschaften 193 Kirchliche Ostkonferenz/Ostkirchenkonferenz 74, 81, 112, 149, 160 Kirchliches Einigungswerk 36 f. Kirchliches Forschungsheim Wittenberg 451, 461 Kirchliches Proseminar Salzelmen 134 Klassenkampf 290 f., 386, 403 Klerikalismus 345 Körperschaft öffentlichen Rechts 584 Koexistenz – Staat und Kirche 125 – Gesellschaftsordnungen (friedliche) 189, 289 f., 386, 444, 511, 596, 608, 610 Kommunalwahl 1989 536, 553, 555, 564 f., 568, 571 f., 623 Kommunismus/Kommunisten 68, 334, 345, 353, 362 – Erziehung zur kommunistischen Persönlichkeit 267, 401 Kommunistische Moral 573 Kommunistische Partei Deutschlands/KPD 407 Kommunistische Partei der Sowjetunion/KPdSU 386 – Generalsekretär 502 f., 508 f., 530 – XX. Parteitag 1956 386 Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR/KKL 23, 183, 204, 231, 246, 272, 279, 295, 314 f., 317 f., 322, 324, 327. 342, 368, 374, 376, 378 f., 381 f., 398, 402, 407, 412, 421, 424, 430, 434 f., 437, 443, 450, 467, 472 f., 475, 491, 505, 513, 517, 520, 523, 531, 533, 536, 541, 544, 554 f., 559, 561 f., 566, 570 ff., 590, 599 f. Konferenz europäischer Kirchen/KEK 317, 366, 426 – Beratender Ausschuss 365 – Generalsekretär 335 – Konsultation Buckow 596 – Präsidium 365, 368
730
Register
– Vollversammlungen – Engelberg/Schweiz 1974 329 – Pörtschach am Wörthersee/Österreich 1967 335 – Stirling 1986 515 f. – Vorsitzender 366, 380 Konfirmation 13, 15, 44, 124, 126 ff., 147 ff., 159 ff., 165 f., 235, 256, 270, 277, 279, 281, 314, 414 – Konfirmanden 127 f., 163, 417 – Konfirmandeneltern 163, 165 – Konfirmandenunterricht 122, 314, 379, 589 ff. – Konfirmationsausschuss 161 – konfirmierendes Handeln 13, 18, 297 Konfliktfälle Staat und Kirche 95, 116, 401, 491, 494, 533, 536, 539, 549, 571 Konfrontation 493 Konformismus 194, 394 Konkordienformel 76 Konkret für den Frieden (Seminar) 517 ff. Konziliarer Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Erhaltung der Schöpfung 23, 481 ff., 491, 498 ff., 501, 514 ff., 522, 528, 531 f., 534, 545, 549 – s. auch Ökumenische Versammlung Krankenhäuser 130 – Seelsorge 130, 377 f., 584 Kreisjugendsonntag 169 Krieg 271, 543, 600 – Kriegsspielzeug 600 – I. Weltkrieg 215, 383 – II. Weltkrieg 333, 383, 405, 428 – Kriegsende/Befreiung 36, 203 f., 333 f., 491 ff., 498 – 30. Jahrestag 1975 333 f., 342 Kriegs- und Boykotthetze 113, 135, 587 Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa/KSZE 1975 23, 287 ff., 299 f., 335 f., 406, 512, 515
– Nach-Helsinki-Konsultation Madrid 1980 406 – Schlussakte von Helsinki 335, 337 f., 368, 383, 385 Kultur 13, 337 – kulturelle Erneuerung 332 – Kulturerbe 333 Kulturbund der DDR 493, 505 – Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund 487 Laienbesuchsdienst 139 Landesjugendkonvent 107, 539 f., 568, 572 Landeskirchliche Gemeinschaft 593 Landeskulturgesetz 467 Landesregierung Thüringen (Weimar) 48, 55, 88, 90, 94 – Innenminister 111 – Kirchenabteilung 55 Landgericht Dessau 113 Landwirtschaft 13, 116, 377, 530 – Bauern 94, 111, 171 f. – Handreichung zur Seelsorge an den heutigen Bauern der LPG 172 – Kirchliche Land- und Forstwirtschaft 46, 467 – Maul- und Klauenseuche 95 f. – Sozialisierung/Kollektivierung der Landwirtschaft 13, 171 ff., 331 – Volkseigene Güter 172 Lebensfragen der Gesellschaft 295, 401, 537, 583, 619 f. Lebensstil, Lebensweise 410, 465, 467 f., 475, 489, 505, 574, 615 Lehrer 96, 127, 262, 379, 394, 447, 527., 565, 572 f., 581, 591 ff. Lehrling 367, 431, 451, 497, 511 Lehrerbildungsanstalten 127 Lehrstelle 149 Lernprozess 307, 321, 332, 345, 400 f. Liberaldemokratische Partei/LDP 59, 379 Literaturaustausch 209 – Einführung theologischer Literatur 220
Sachregister
– Einführung ökumenischer Literatur 377 Literatur für Kinder und Jugendliche, christliche 378 Liturgische Nacht 454 Liturgisches Amt 41 Loyalität 136, 496 Lutherhalle Wittenberg 377 Lutherische Kirche von Amerika 221, 503 Lutherische Kirche in Skandinavien 221 Lutherische Reichskirche 49 Lutherischer Weltbund/LWB 327, 458 – Nationalkomitee der DDR 327 f. – Studie „Sorge um eine menschliche Welt“ 328 – Vollversammlung – Daressalam 1977 367 Lutherjahr 1983 28, 377, 446 f., 452 ff. 479, 495 – Ausstellungen 457 – Ökumenische Begegnungstage 456 f. Lutherkomitee der DDR 223, 455, 458 Lutherkomitee der Evangelischen Kirchen in der DDR 455 ff. Machtlosigkeit 306 Mandat 356, 358 f., 381 Marxismus-Leninismus 102, 117 f., 126, 148, 155, 208, 233, 257, 270, 296, 302 f., 350, 408, 594 – marxistische Ideologie 125, 148, 152, 173, 175 – marxistische Weltanschauung 161, 292, 359, 435, 444, 581, 586, 621 – dialektischer Materialismus 159, 165, 175, 580 – vgl. auch Ideologie Marxisten 235, 279, 479 Marxistische Doktrin 11 Massenvernichtungswaffen 153 f., 157, 163, 178, 189, 242, 406 f., 412, 430 f., 433, 482 f., 509, 600, 602 ff. – Atombombe (Wasserstoffbombe) 171, 118, 143, 154, 433, 436, 599, 609
731
– Atomwaffen 406 – Nuklearwaffen 365 f., 412437, 444, 501 f. – Raketen 23, 406, 412, 439, 530 – Raketenstationierung 404, 439, 471 f., 483, 598 ff., 601 f., 604 Mauer 28, 188, 612 – Schüsse an der Grenze 190 Medien s. Presse Medizinische Akademie Magdeburg 505 f. Meinungsäußerung, freie 245, 546 – politische Meinungsäußerung 79 Meißner Thesen 118 Menschenrechte 20, 22, 152, 163, 281, 287, 291, 299, 317, 327, 328 f., 338, 367 ff., 393 f., 495 f., 519 Menschenwürde 173, 328 Menschheitsfragen 212, 229 f., 242, 401 Militärseelsorge – Militärseelsorgevertrag 16, 24, 138 ff., 154, 165, 390 Militarisierung 422 f. Minderheiten 302 ff., 333 Mindestumtausch 27, 320, 402 f. Ministerium für Staatssicherheit 14, 23, 25, 418, 565 – Bezirksverwaltungen 26, 400 (Halle u. Magdeburg) – Inoffizielle Mitarbeiter 26 – Minister 112 – Überwachung von Synoden 26 f., 400 (Halle 1980), 28 (Wernigerode 1982) Ministerpräsidenten der SBZ 86 Ministerpräsident Sachsen-Anhalt 37, 58 f., 71 ff., 82, 86 f., 89 f., 93 ff. Ministerrat 62, 286, 411 – Vorsitzender 231 Minorisierungsprozess 550 Misereor 212 Missbrauch religiöser Handlungen 78 Missionskonferenz Halle 1953 111, 117 Mitarbeiter, kirchliche 377
732
Register
– Altersvorsorge 377 – Mitarbeitermangel 119 Mitverantwortung in der Gesellschaft 267, 296, 298, 309 ff., 331 f., 335, 343, 362, 390, 407, 494, 523 f., 558, 607 f. Mobil ohne Auto 461 Moderamen des Reformierten Bundes (BRD) 433 Montagsdemonstrationen 560 f. Moskauer Abkommen 189 Moskauer Patriarchat 88, 492 Moskauer Vertrag 289, 299 Moskauer Weltkonferenz „Religiöse Vertreter zur Rettung der Heiligen Gabe des Lebens . . .“ 1982 437 Mündigkeit, mündiges Verhalten 551 f., 559, 566, 621 f. Nachfolge 14, 137, 281, 293, 307, 311, 321 f., 328 f., 332, 347, 353 f., 392 f., 401, 605 ff., 612 Nationalrat der Kirchen Christi in den USA/NCC 366, 440 Neubaugebiete 303 – Neubaugemeinden 343 Nationale Front 74, 77, 80, 82, 85, 87, 99, 580 f. – Bezirksausschüsse 255 – Christliche Kreise 77 – Landesausschuss Sachsen 85 – Landesausschuss Sachsen-Anhalt 88 f. – Nationalrat 371 Nationale Volksarmee/NVA 21, 144, 178, 232, 264, 326, 363, 366 f., 432, 496 f., 609 ff. – Grenztruppen 367 – Politisch-ideologische Erziehung 217 – Truppenstärke 497 Nationalsozialismus 162, 222 – Vernichtungslager 204 Nationalstaaten, junge 273 f., 290, 299, 336 f., 339, 471 NATO 135, 140, 155, 287, 439, 471, 587 Neokolonialismus 484
Neukonstituierung der KPS 33 ff., 389 Neue Synagoge Berlin 570 Neues politisches Denken 24, 508 f., 524 Neuordnung des geistlichen Dienstes 312 Neutralismus 438 Niederländisch Reformierte Kirche 406 f. Novemberrevolution 1918 224 NSDAP 34, 41 NS-Kirchenpolitik 34 NS-Zeit/Drittes Reich 33 ff., 77 Oberschule s. Schule Obrigkeitsfrage vgl. Stellung zu staatlichen Stellen Öffentlichkeit 15, 25, 30, 93, 103, 127, 135, 142, 154, 160, 166, 175, 258, 286, 324 f., 340 ff., 356, 390, 406, 449, 455, 461, 466, 481, 503, 507, 521, 535, 541, 545 ff., 550, 560, 562 f., 566, 571, 575, 587 f., 623 – öffentliches Leben 73 ff., 77, 90, 112, 136, 561, 615 – öffentliche Verantwortung 204, 232, 245, 510, 529 – Öffentlichkeitsausschuss 157 Ökologische Probleme 385, 436 s. auch Umwelt Ökumene 247 f., 327, 332, 383, 493, 498, 513, 517 – Gespräche zwischen Lutheranern und Reformierten 242 – Ökumenische Verantwortung 18 – Verhältnis zur katholischen Kirche 18, 48 f. Ökumenische Versammlung 1988/89 517, 532, 534 f., 541, 546 f., 549 f., 562 f., 567, 574, 624 Ökumenischer Rat der Kirchen/ÖRK 18, 241, 243, 372, 383, 515 f. – Exekutivausschuss 214, 227, 515 – Generalsekretär 337 – Kommission für internationale Angelegenheiten 214
Sachregister
– Konsultation mit Mitgliedskirchen aus sozialistischen Ländern (Budapest 1980) 404 f. – Vollversammlungen – Bangalore 1978 387 – Evanston 1954 143 – Nairobi 1975 332, 337, 339, 367 – Uppsala 1968 230, 240 ff., 271, 273, 336 – Vancouver 1983 23, 599, 604 – Vollversammlung [Seoul] 1990 515 – Weltkonferenzen – Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft 1966 229 – Weltkonferenz „Glaube, Wissenschaft und Zukunft“ 1979 (Cambridge/Mass.) 373 – Weltmissionskonferenz Bangkok 1973 332 – Weltmissionskonferenz 1980: Offener Brief der Melbourne-Fahrer 441 – Zentralausschuss 153, 214, 227, 367, 424 Offiziersberuf/Offiziersbewerber 367, 497, 573 Olof-Palme-Friedensmarsch 1987 521, 530 f., 545, 551, 621 Ordnung des kirchlichen Lebens 127, 147 (EKU) Ordnungsausschuss 150 Ordnungswidrigkeitenverordnung 460, 475 f., 575, 617 ff. Orientierung 15 f., 18, 20, 275, 390, 434, 503, 529 f., 559, 563, 574, 619 Ost und West 143, 155, 157, 178, 291, 390, 404 f., 482, 499, 515 – Ost-West-Konflikt 287, 411 Pädagogischer Kongress/IX. Kongress 1989, 535, 540, 564 f., 568, 572 f. Parteien und Massenorganisationen 59, 68, 77, 567 Partnerschaft 490
733
Pastoralkolleg Ilsenburg (später Gnadau) 88, 104, 117, 122, 174, 389 – Sonderpastoralkolleg „30 Jahre Geschichte der Kirche in der DDR“ 389 ff. Patronat 43, 89 Pazifismus 246, 435, 474, 598, 608, 612 Perestroika s. Neues politisches Denken Petersbergtreffen 343, 416 f., 419, 449 Pfarrer – Flüchtlingspfarrer 39 f., 50 – fortschrittliche Pfarrer 79, 82, 98 f. – Gesamtpfarrkonvent Zeitz 361, 502 f. – politische Betätigung 42 – theologische Weiterbildung 45 Pfarrstellenbesetzung 39 f. Pfeiffersche Stiftungen 109 f., 112, 114, 539 Pharisäismus, politischer 199 Pionierorganisation 297 – Junge Pioniere 129 f., 591 Planungsgruppe 533 Polen 27, 420 ff. – Gewerkschaft Solidarnosc 420 – Militärrat der Nationalen Errettung 420 – Ökumenischer Rat der Kirchen in Polen 422 Polizeiorgane 122, 560, 565 – VPKA Magdeburg 111 – Polizeimaßnahmen 111, 443, 491 – Sicherheitsdienst 107 Predigerschule Erfurt 220 Predigerseminar Wittenberg 46 Presbyterianische Kirche der USA 505 Presse, allgemeine 14, 74, 86, 127, 135, 138, 140, 154, 171, 199, 233, 255, 324, 347, 351, 357, 410, 492, 502, 507, 529, 547, 551, 558 f., 563, 575, 588, 621 – ADN 108 – Bauernecho 107 – Eulenspiegel 139 – Familienanzeigen 379
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Register
– Freiheit 379 f. (Quedlinburg u. Halle) – Junge Welt 109 f. – Lehrerzeitung 134 f. – Leipziger Volkszeitung 125 – Magdeburger Volksstimme 86, 125, 133, 169, 379 – Massenmedien 295, 349, 547 – Medien, westliche 15, 28, 348, 363, 491 f., 503, 619 – ARD 411 – Frankfurter Allgemeine Zeitung 363 – Korrespondenten 411 – Morgenpost 363 – Rheinische Post 363 – Rheinischer Merkur 224 – Tagesspiegel 363 – ZDF 411 – Mitteldeutsche Neueste Nachrichten 133 – Neue Zeit 350 f. – Neues Deutschland/ND 349 ff. 455, 524, 540, 568, 598, 620 – Presseamt beim Ministerpräsidenten der DDR 220, 546 f., 569 – SED-Presse 81, 86 – Standpunkt 337 – Volksarmee 216 Presse, kirchliche 131, 258, 351, 398 f., 473, 529, 534, 538, 546 f., 551 ff., 569, 621 ff. – Benjamin 378 – Berliner Sonntagsblatt 363 – Die Kirche 131, 398, 513 f., 546, 570 – Druckgenehmigungen 152, 543 – epd 491 – Evangelische Verlage 378 – Frohe Botschaft 131 – Gemeindeblatt 62, 131, 220 – Glaube und Heimat 378 – Informationsmaterial zur Friedensarbeit (KPS) 520 – Materialdienst Frieden 473 – Pressekammer 41
Privilegien (der Kirche) 258, 302, 303, 306, 526 Propaganda, politische 12, 64, 66, 73, 77, 93, 98, 103, 118, 127, 140, 216, 325, 360, 380 f., 586 – Propaganda-Abteilung der SED 55 (Magdeburg) Prophetisches Amt 258 f., 329 Propstamt 46 f. Propstsprengel – Erfurt 478 Protestantismus 101 Provinzialkirchenausschuss 35 Provinzialverwaltung/Landesregierung Sachsen-Anhalt 44, 48, 61, 71 f., 86, 88 ff., 94 – Innenminister 87 f., 93 – Volksbildungsministerium 81 – Landtag 106 – Landtagspräsident 86 – Landwirtschaftsminister 95 Prozess gegen KP Grünbaum und OKR Dr. Klewitz 1957/58 21, 145 ff. Rat der Stadt – Halberstadt 168 – Magdeburg 133, 206 f. Rat des Bezirkes – Erfurt 177, 254 f., 288, 313 – Vorsitzender des RdB 538 f. – Stellvertreter des Ratsvorsitzenden für Inneres 590 – Halle 186, 206 f., 219, 288, 313, 342 f., 371, 372, 416 f., 543 – Vorsitzender des RdB 538 f., 572, 575 – Stellvertreter des Ratsvorsitzenden für Inneres 416 f., 590 – Leipzig 206 f., 220, 255 f., 288, 313, 575 – Stellvertreter des Ratsvorsitzenden für Inneres 590 – Magdeburg 25, 139, 153, 168, 178, 180, 186, 206 f., 219 f., 236 f., 254 ff., 269, 272, 282, 288, 313, 342 ff. 505 f., 549, 596 f.
Sachregister
– Vorsitzender des RdB 14, 22, 27, 107, 121, 530, 539 f., 571, 574 f. – Stellvertreter des Ratsvorsitzenden für Inneres 255, 323, 343, 371, 375, 506, 525, 549, 589 f. – Leiter Sektor für Kirchenfragen 25, 518 – Suhl 255 Rat des Kreises – Hettstedt 108 – Torgau 207, 591 – Zeitz 360 Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe/ RGW 465 Raumordnung 312 Reaktorkatastrophe Tschernobyl s. Tschernobyl-Unfall Rechtssicherheit 238, 476, 521, 525, 552, 572, 622 Rechtsunsicherheit 369, 443, 491, 496, 525 Reformationsjubiläum 28, 220 ff., 247, 455 f. Regierung der Bundesrepublik 140, 142, 155, 471 – Bundeskanzler 189 – Verteidigungsminister 163 Regierung der DDR 78, 80, 142, 230, – Ministerpräsident der DDR 79, 108, 129, 135, 149 f., 208, 565, 576, 586 ff. – Stellv. Ministerpräsident 140 – Ministerium des Innern der DDR/Innenminister 78, 81 f., 89, 124, 128 f., 135, 140, 231, 318, 586 – Ministerium für Arbeit und Berufsausbildung 130 – Staatssekretariat für Berufsausbildung 431 – Ministerium/Minister für Finanzen 402 – Minister für Gesundheitswesen (DDR) 331, 377 – Ministerium/Minister für Hochund Fachschulwesen 272, 282, 285, 401
735
– Minister für Nationale Verteidigung 140, 231, 263, 271 f., 282, 471, 474 – Minister für Staatssicherheit 112, 231 – Ministerium für Umweltschutz 493 – Ministerium/Minister für Volksbildung 129, 153, 278, 371, 380, 448, 540, 571, 573, 594 – Staatsrat 246, 300 – Staatsratsvorsitzender 189, 223, 231, 246, 375 ff., 495, 525, 528, 533, 540, 561 f., 572 – Staatssekretär für Kirchenfragen 13, 22, 26, 165, 180, 186, 207, 209, 220, 236 f., 254 f., 269, 279, 282, 288, 331, 342, 367, 371, 380, 402, 437, 450, 493, 505 ff., 518 f., 527, 530 f., 540, 546, 549, 590 Reichskirchenminister 34 Reichspogromnacht 1938 171, 191, 387 f., 492, 520, 570 Reisen 327, 370, 521 – Reiseerleichterungen 23, 209, 286, 496, 501, 512, 526, 530, 543, 551, 621 – Reisegenehmigungen 152, 318 f., 491, 495, 518, 525, 543, 621 – Reiseverweigerung 222 Religion, Religionsgemeinschaften 364 f., 583 ff. – Interreligiöser Dialog 364 – Religion als Privatsache 537, 621 Religionsfreiheit 58, 104, 126, 394 Religionsunterricht 33, 44 f., 53, 68, 154, 583 f. Remilitarisierung 88 Republikflucht 116 Reserveoffizier 423, 431 Reservisten 432, 496 f., 511 Rosa-Luxemburg-Demonstration 1988 533, 536, 541 Rotes Kreuz 243, 260 Rüstung 171, 180, 216, 244, 366, 383, 385, 422, 424 f., 427, 430, 436, 440, 460, 472, 474, 486, 492, 512, 530 f., 600 ff. – Abrüstung 165, 171, 180, 271, 289,
736
Register
343, 365 f., 387, 405, 424, 430, 439, 444, 474, 482, 501, 503, 509, 521, 528, 530 f., 542, 550, 599, 606 ff., 620 – Aufrüstung 142 f., 428, 509 – Gleichgewicht 386, 405, 412 – Kontrolle 406 – Salt I-Abkommen 289 – Stopp 406, 412 – Wettrüsten 365, 386, 406 f., 410 ff. Rüstzeiten 243 – Bibelrüstzeiten 174, 197, 207, 237, 262, 315 – diakonische Rüstzeiten 256, 269 Rundfunk 74, 233, 377 f. – Rundfunkgottesdienst 118 – vgl. Staatliches Rundfunkkomitee Russische Orthodoxe Kirche 101, 456, 500 – Moskauer Patriarchat 88 Säkularisierung 302 – säkularer Staat 258 Sammlungen, kirchliche 91, 134 Schießsport 594 Schöpfung, Verantwortung für die Schöpfung (vgl. auch Umweltfragen) 462 ff., 485 f., 493 Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft 461 Schuldfrage 44, 191, 204, 305, 387 Schule 20, 23, 33, 44, 103, 129 f., 134 ff., 140, 197, 231, 258, 262, 264, 270, 275 ff., 292, 297, 315, 325, 367, 379 f., 384, 401 f., 413 ff., 447, 474, 509 f., 521, 527, 539, 565, 573, 580 f., 589 ff. – Berufsschule 134, 474 – Oberschule 80, 106, 117, 129 f., 149, 153, 246, 414, 423, 497, 593 f. – Abiturprüfung 80 – Erweiterte Oberschule 264, 277 ff., 285, 293, 297, 314, 379 – Polytechnische Oberschule 279 – Relegation 116 – Schüler 195, 262, 325, 367, 379, 431, 496 f., 589 ff.
– Schulhort 297, 370 – Schulleitung 527 – Schulordnung (Verordnung) 1967 591 f. – Schulräte 195, 593 Schwangerschaftsabbruch 295 Schwerter zu Pflugscharen 21, 23, 271, 405, 427 f., 439, 443, 448, 471 SED-Staat 11, 19, 22, 566 Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz 19, 22, 340 ff., 513 f. – Brief der KKL an die Gemeinden 1976 351, 358 ff., 513 – Wort an die Gemeinden (21.8.1976) 347 f. Senat von Berlin-West 190 Sicherheit, europäische 289, 291 f., 508, 609 f. – DDR-Komitee für europäische Sicherheit 290 – Forum der europäischen Öffentlichkeit für Sicherheit 299 – Grundprinzipien der europäischen Sicherheit 289 – Sicherheitsinteresse 368 – Sicherheitspartnerschaft 599, 608 Soldaten 217, 497, 612 Solidarität 285, 359, 416, 465 f., 484, 488 f., 499, 542, 597, 615 Sonderausschuss „Friedensfragen“ 470 Sonntagsheiligung 91, 209 Sowjetische Besatzungszone/SBZ 11 f. – Bischöfe der SBZ 57 f., 61, 65, 77, 82 Sowjetische Militärbehörde/SMAD 33, 54, 58 f., 62, 65, 68 – Stadtkommandant Magdeburg 65 – General der SMAD in Halle 71 Sowjetunion – Besatzungsmacht 12, 37, 43, 67 f., 78 – Botschafter 334 – Oktoberrevolution/60. Jahrestag 367, 371 Sozialdemokratische Partei Deutschlands/SPD s. Sozialistische Einheits-
Sachregister
partei Deutschlands (Gemeinsames Dokument) Sozialer Friedensdienst (SoFD) s. Ziviler Ersatzdienst Sozialismus, realexistierender 11 – Aufbau des Sozialismus 160, 196 f., 255, 345, 390 Sozialismus, christlicher 68 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands/SED 13, 17, 21 f., 55, 79 f., 96, 126, 341, 390, 407 f., 467, 518, 530, 543, 560, 565 – Abteilung Volksbildung 148 – Bezirksleitung 26, 343, 375 – 1. Sekretär – Halle 206, 217, 219 – Leipzig 568 – Magdeburg 219, 231, 236, 539, 574 – Suhl 231 – Gemeinsames Dokument SED/SPD 1987 „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ 524, 529, 550, 620 – Generalsekretär 231, 375, 559, 562, 567 f. – 3. Parteikonferenz 1956 586 – Parteitage – 1950 79 – 1971 277, 375, 590 – 1976 342 f., 345 – Politbüro 590 – SED-Zentralismus 72 – Zentralkomitee 26, 148, 231, 286, 318, 543 – Arbeitsgruppe Kirchenfragen 590 – Sekretariat 223 – Tagungen 277 (16. Tagung 1971) Sozialistische Gesellschaftsordnung 19 f., 27, 193, 199, 257, 260, 291, 296, 331 f., 339, 341, 345, 358, 372, 374, 383, 401 ff., 493, 495, 501, 509 ff., 523, 536, 563, 615 – Sozialistische Menschengemeinschaft 267, 270 Sozialistische Länder 596 Sozialpolitik 277, 323
737
Spannungen 105, 359, 599 Sperrgebiet/Sperrzone 104 f., 112 f., 117, 121 f., 131, 256, 396 ff., 530, 551, 621 – Passierscheinabkommen 190, 397 – Passierscheine 178 – Schutzstreifen 117, 131 Sportunterricht 415 Staatliche Versicherung 377 Staatliches Fernsehen der DDR 378, 547, 551, 621 – Aktuelle Kamera 224 Staatliches Rundfunkkomitee 378 Staatsbürgerrecht 285, 476, 541, 551, 621 – Geistliche 79 Staatskirchenrecht 55 Staatskirchenvertrag 356 Staatsvertrag 143 Stadt des kirchlichen Wiederaufbaus 206 Statistik 13 status confessionis 23 Stellung zu staatlichen Stellen/Verhältnis zwischen Staat und Kirche/Kirche und Politik 42, 52 ff., 60, 72, 583 f. – Obrigkeitsfrage 83, 151 ff., 158, 165 ff., 194, 537, 581, 587 – Wort der Kirche zu den politischwirtschaftlichen Fragen der Gegenwart 1949 73 Stellvertreterfunktion der Kirche 557 ff. Stiftungen, kirchliche 134 Stockholmer Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa 1984 501 Strafgesetzbuch 476, 525, 565, 600 Straßensammlungen 258 Strategische Verteidigungsinitiative der USA/SDI 502 Studentengemeinden 20 f., 109, 249, 448, 589 Südafrikanischer Christenrat 504 Superintendenturbesetzung 40, 47 Synkretismus 198 f., 208 Synoden
738
Register
– APU-Synode – Generalsynode 1930 44, 49 – Berlin-Weißensee 1953 115 – BEK-Synode – Präsidium der Bundessynode 571 – Eisenach 1971 324, 590 – Schwerin 1973 279, 314, 374 – Potsdam-Hermannswerder 1974 315, 323 – Züssow 1976 351, 360 f. – Herrnhut 1977 366 – Görlitz 1977 368 – Berlin 1978 377, 383 – Dessau 1979 383, 404 – Leipzig 1980 398, 410 – Güstrow 1981 425 – Halle 1982 430 ff., 443 – Potsdam-Hermannswerder 1983 448, 599, 603 – Greifswald 1984 462, 472 ff., 480 – Dresden 1985 491 f., 496 f., 500 – Erfurt 1986 506, 509, 520 – Görlitz 1987 24, 530 f. – Dessau 1988 536, 552, 558, 570, 622 – Eisenach 1989 566, 569, 576 – EKD/EKiD-Synode 16, 104 – Weißensee 1950 143, 162, 215, 383 – Elbingerode 1952 121, 162 – Berlin-Spandau 1954 115, 134, 139 – Espelkamp 1955 120 – Berlin-Spandau 1957 141 f., 143, 149 f., 154 f., 162 – Berlin-Weißensee 1958 157 – Berlin 1960 167 – Potsdam-Babelsberg 1965 204, 213 f. – Berlin-Spandau 1966 214, 227 – Fürstenwalde/Spree 1967 227, 253 – EKU-Synode 16 – Berlin-Weißensee 1957 151, 162 – Berlin-Spandau 1959 156, 159, 161 f., 164 – Berlin-Weißensee 1965 191
– Magdeburg 1972 226, 256, 288 – Berlin-Weißensee 1978 382 – Berlin-Weißensee 1986 505 Technik 336, 463 Terrorakte 502, 504, 624 Theologie-Studium 45, 104 Theologischer Ausschuss 150 f., 157 Thüringer Nationalkirchliche Einigung 42 Todesstrafe 308, 525 f. Toleranz 19, 268, 291, 394, 612 Trennung von Staat und Kirche 25, 52, 233, 266 f., 479, 513, 533 f., 536 ff., 552, 574, 619, 622 Treysaer Konferenz 38 f., 50 Tschernobyl-Unfall 23, 501 ff., 507, 575, 623, 625 Überleben der Menschheit 372, 534, 538, 563, 574 Übersiedlung (in die Bundesrepublik) 13, 23 f., 147, 363, 369 ff., 476, 526, 534, 539 Umweltfragen 493 ff. – Umweltbelastung/-verschmutzung 295, 385, 465 – Umweltbewegung 465 – Umweltbibliothek 24, 533, , 536, 536, 539 – Umweltgruppen 461, 575 – Umweltkonferenz des Bezirkes Magdeburg 1989 574 – Umweltschutz 333, 486 f., 528, 575 – Umweltsonntag 451, 461 – Umweltverantwortung 23, 446, 451 f., 460 ff., 475, 485 ff., 491, 493, 568, 573 ff. Unasankta-Bewegung 48 United Nations Educational, Scientific and Cultural/UNESCO 327 – Konvention gegen Diskriminierung im Bildungswesen 319, 327 – Weltkongress zur Erziehung für Abrüstung 1980 424 United Church of Christ der USA/UCC 472 f., 492, 505
Sachregister
– Präsident 366 United Nations/UN 274 f., 318, 327, 384, 492, 499 – Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 328 – Beschluss zur Verurteilung des Zionismus 342 – Charta 385 – Generalversammlung 1982 439 – Genfer Friedenskonferenz 1967 228 – Menschenrechtskonventionen 1966 327 – Vollversammlung 316 Universitäten 264, 402, 447 – Exmatrikulation 231, 282 – Prüfungsordnung für Universitäten und Hochschulen in der DDR 264 – Studenten 402 – Studienplätze 277, 497, 510 – Studienplatzverweigerung 264 – Universität Halle 45 – Theologische Fakultät 80, 222 vgl. Hoch- und Fachschulen, Bildungssektor Untersuchungshaft 117, 123 – s. auch Gefängnis, Haft, Haftanstalten, Verhaftung, Gerichtsurteil Veranstaltungsverordnung 111, 117, 122, 131, 295 f., 315, 320, 417, 540, 557, 559 Verband der Freidenker 568, 573 f. Vereinbarung über die Ausbildung mittlerer medizinischer Fachkräfte 331 Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands/VELKD 21, 221, 249 – Generalsynode 1971 590 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/VVN 79 Verfassung – Weimarer Republik 53 – Sachsen-Anhalt 53 – Thüringen 53 f. – SBZ 58, 68 – DDR 20, 74, 78, 80, 93, 104, 112,
739
116, 126, 134 ff., 149, 152, 154, 231, 237 ff., 244 f., 252, 256, 259 ff., 263, 278 ff., 284 f., 292 f., 295, 315, 341, 356, 359, 376, 423, 446, 479, 513, 536 f., 553, 556, 560, 565 f., 583 ff., 588, 593 f., 623 – Schreiben der sieben Bischöfe der Ev. Landeskirchen der DDR 1968 238, 259 Verhaftung 21, 116 Verjährung von Verbrechen 204 Verleumdungskampagne 539 Versöhnung 204, 215 f., 225, 227, 232, 260, 269, 287, 293, 298, 330, 336, 389, 403 ff., 411, 422, 491 Verteidigungsgesetz 1978 382, 474 Verteidigungspolitik 406 Verteidigungsrat der DDR, Nationaler 202, 231, 246, 263 Vertrauen 360, 411 f., 436, 530 f., 550, 564, 596 f., 605 Vietnamkrieg 214 f., 227 ff., 241 f., 317 Visitationsbericht 416 f. Völkerrecht 335, 370, 385, 600 Volksabstimmung 93 Volksbefragung 90 Volksbegehren 57 ff. Volksentscheid (Sachsen 1946) 43 Volkskammer 30, 90, 200, 237, 382, 423, 565 – Volkskammerpräsident 149, 168, 231, 518, 589 f. Volkskirche 147, 150, 303 f., 306 Volkskongress 57 ff., 73, 77 – Verfassung für ganz Deutschland (Entwurf) 68 – Wahlen 1949 73 Volksmission 68, 72 Vorläufige Geistliche Leitung 37, 39 Vorläufige Kirchenleitung 33, 38 f. Vormilitärische Ausbildung 231, 246, 264, 367, 382, 423, 431, 450, 497, 527, 600 – Militärische Kurse für Studenten 293 vgl. auch Wehrkundeunterricht Vorschulerziehung 593
740
Register
Wahlen, Wahlgeheimnis 22, 24, 43, 90, 254, 521, 523 f., 553, 555 f., 572, 623 – kirchliche Wahlen 88 f. Waldschäden 571, 574 Warschauer Vertrag 288 ff., 299, 425, 472, 483 Wartburg-Gespräch 1964 190 Wegweisung 18, 29, 183, 250 vgl. auch Orientierung Wehrdienst 246, 366, 383, 428, 432, 450 ff., 470 ff., 491, 497, 511, 600 – Seelsorge an Wehrpflichtigen 140, 142 f., 144, 405, 412 vgl. auch Handreichung „Zum Friedensdienst der Kirche“ – Waffendienst 231, 250, 366, 483, 496, 602, 605 ff. – Wehrpflicht 21 f., 143, 178 ff., 272, 326, 367, 496 – Memorandum „Argumentation zu Fragen über die allgemeine Wehrpflicht“ 179 Wehrdienstverweigerung/Wehrersatzdienst 12, 19, 21, 120, 154, 179 f., 203, 210, 231, 263 f., 271, 326, 329, 367, 423, 425, 432, 483, 511 f., 600, 605 ff. Wehrkundeunterricht 23, 382, 384, 387, 402, 446, 474, 497, 501, 527 – Orientierungshilfe der KKL zu Fragen der Einführung des Wehrunterrichts 380 f. – Sozialistische Wehrerziehung 380 ff., 402 vgl. auch Vormilitärische Ausbildung Weißenseer Arbeitskreis – Sieben Sätze 193 Weltanschauung 130, 162, 277, 302, 327, 342, 344, 584 f. – marxistische (atheistisch-materialistische) 125 f., 129 f., 136, 148, 262, 270, 278 f., 344, 401 f., 573, 586 – nationalsozialistische 36, 41 Weltfriedensbewegung 21, 85 ff., 230, 239, 444, 449 – Weltfriedenskongresse 64 (Paris und Prag 1949), 66 f., 308, 317 f.,
320, 329 (Moskau 1973), 364 (Moskau 1977) – Weltfriedensrat 64 f. – Weltfriedenstage 73 Weltkirchenkonferenz 241 s. Ökumenischer Rat der Kirchen Weltrevolution 185 Weltverantwortung 161, 212, 364, 513 Westflucht 13 Wiederaufbau 11, 125, 132 ff. – Provinzialkonservator 133 Wirtschaft 336 f., 368, 441, 465, 484, 520, 563 – Außenhandelspolitik 273, 336 – Deutsche Wirtschaftskommission 66, 68 – Fünfjahresplan 277 – Staatliche Plankommission 66 – Wirtschaftsform 172, 332 – Wirtschaftspolitik 273, 277, 336, 372, 467 f., 485 – Wirtschaftsstrukturen 13 – Zweijahresplan 66 Wissenschaft 13, 336 Wohnungsbauprogramm 323 Zehn Artikel von Freiheit und Dienst der Kirche 14, 16, 182 ff., 192 ff., 208, 566 Zeitgeschichte in der DDR, kirchliche 391 Zensur 29, 301, 493, 546, 552, 569 f. Zentralismus, demokratischer 408 Zeugen Jehovas 231 Zeugnis und Dienst (der Kirchen) 266, 344, 403, 533 Zionsgemeinde Berlin 24, 533 Zivilcourage 359 Ziviler Ersatzdienst/Sozialer Friedensdienst (SoFD) 21, 230, 273, 326, 405, 423 f., 471, 497, 551, 600, 602, 621 Zivilverteidigung 23, 434, 474, 498, 600 Zukunftsfragen 386 f., 416 Zusammenbruch (Ende II. Weltkrieg) s. Krieg (Kriegsende) Zuzugs- und Aufenthaltsgenehmigungen 91, 152
Ortsregister
Register
ORTSREGISTER Ägypten 316 Afrika 537 Albanien 287 Alleringersleben 122 Alt-Haldensleben 123 Altmark 47, 150, 505 Anhalt 48 Assisi 517 Athenstedt 132
Brüssel 299 Buckow 336, 533, 596 Budapest 404 f. Bulgarien 404 Buna 461 Bundesrepublik Deutschland/BRD 169, 190, 231, 263, 287, 289, 293, 300, 318, 327, 369 ff., 396 f., 403, 411, 425, 496, 503, 541, 543, 599, 619
Babelsberg 213 f. Bad Oeynhausen 363 Bangalore 387, 426 Bangkok 332 Barmen 193, 323, 478 Bayern 41 Beirut 243 Bengasi 502 Berlin 9, 24, 26, 45, 67 f., 82, 94 f., 100, 104, 109, 111, 115, 118, 121, 127, 132, 135, 138 f., 143, 146, 149, 154, 156, 161 f., 165, 167, 175, 189 ff., 193 f., 214 f., 222, 226 f., 231, 238, 254 f., 286, 289 f., 320, 334, 341, 363, 383, 455 f., 460, 469, 492 f., 495, 498, 512, 517, 520, 533, 536, 538, 540, 546, 565, 570, 573, 586, 588, 598, 612 Bethel 189 Bialystok 421 Bielefeld 191 Bitterfeld 71, 575 Blankenberg 105 Blankenburg/Harz 256, 521 Blintendorf 105 Bömenzien 122 Bodenstein (Burg) 60 Brandenburg 492, 525 Braunschweig 61, Braunsdorf 469 Bremen 41
Cambridge/Mass. 373 Cassieck 87 Chantilly 426 Chile 316 China 228, 454 f., 564 Chorin 440 Comiso/Sizilien 473 CSSR/Tschechoslowakei 21, 251, 404, 471, 491, 495, 518, 525 Dambeck 169 Daressalam 367 Dedeleben 122 Dessau 48 (Regierungsbezirk), 113, 404, 536, 571 Delitzsch 575 Dresden 67, 79, 85, 97, 292, 424 f., 491 f., 500, 517, 546, 598 Druxberge 132 Düsseldorf 499, 514 Dziegielow 421 Egeln 87 Eichsfeld 49, 397 Eilenburg 166 Eilsleben 121 Eisenach 64 f., 67, 78, 82, 183, 324, 361, 493, 495, 569 Eisleben 134, 221, 452 f., 457 Elbingerode 104, 162
742
Register
Elend 237 Erfurt 13, 22 f., 47 f. (Regierungsbezirk), 54 f., 63, 104 f., 140, 163, 177, 220 ff., 288, 296, 363, 371, 373, 377, 381, 452 f., 456 ff., 478, 481, 493, 498, 506, 517, 520, 522, 532, 538 f., 543, 557, 590 Espelkamp 120 Europa 327, 334 f., 336 f., 371, 508, 609 – Mitteleuropa 598 ff., 603 – Westeuropa 471 f., 483, 601 Evanston 143 Evian 328 Falken 105 Falkenberg/E. 589, 592 Ferch b. Potsdam 440 Frankreich 21, 171 Fürstenwalde/Spree 227, 253 Gangloffsömmern 178 Gardelegen 589, 593 f. Gatersleben 240 Gefell 105 Genf 189, 228 f., 287, 492, 501, 515, 601 Genthin 71 Gera 27, 360 Gehrden 89 Ghana 244 Gladigau 589, 592 f. Gnadau 105, 174, 389 Görlitz 24, 183, 368, 530 f. Gommern 71 Gotha 367 Greifswald 462, 472, 480, 590 Griefstedt 132 Großbritannien 189, 228 Großburschla 105 Großörner 130 Groß-Schwarzlosen 589 ff. Großwanzer 122 Güstrow 425 Hadmersleben 134 Halbe 492
Halberstadt 47, 105, 168, 178, 379, 492 Haldensleben 123, 397, 589, 591, 593 Halle/S. 26 f., 33, 37, 42, 45, 48 f., 52, 57, 59, 70 ff., 76, 85 ff., 88, 90, 92, 95, 102, 111, 115 ff., 119, 123 f., 134, 138 f., 145, 165, 168, 170, 174, 182, 186, 188, 198, 202, 206, 211, 217, 221, 236, 243, 248, 254, 276, 294, 301, 321, 340, 343, 351 f., 355, 362, 371, 374, 389, 400, 413, 416 f., 420, 430 f., 433, 446, 449, 457, 460 f., 498, 501, 503, 535, 539, 543 ff., 554, 560, 571 f., 575 f., 588 f., 598, 619 f. – Paulusgemeinde 433 – Silberhöhe 575 f. Halle-Merseburg (Gau) 34 Halle-Neustadt 409, 449 f. Hannover 82 Harz 571, 574 Havelberg 557 Heidelberg 481 Helsinki 23, 65, 287, 300, 335 ff., 368, 370, 383, 385, 406 f. Herrnhut 366 Hessen (Ort) 96, 104 Hessen (Land) 41 Hettstedt 108 Hohenseeden 540 Hubertusstock (Schloss) 562 Iasi 365 Ilsenburg (Ort, Schloss u. Stift) 60, 88, 99, 105, 117, 122, 237 Indien 212, 216, 228 Israel 191 f., 209, 316, 463 Italien 21, 473 Japan 278 Jugoslawien 405 Kalkutta 363 Kanada 228, 287 Karl-Marx-Stadt 449 Kassel 163 Kemberg 99, 113 Kiel 226
Ortsregister
Klostermansfeld 589, 593 Kuba 244 Kurkreis 47 Lateinamerika 244 Lauchhammer 170 Lehnin 259 Leimbach b. Mansfeld 170 Leinefelde 178 Leipzig 106, 221, 248, 381, 398, 410, 455 ff., 560, 586 Leuna 138 f. Libyen 502 f. Liebenrode 121 Löbnitz 170 f. Lössen 132 Ludwigsfelde 620 Madrid 406 Magdeburg 9, 21 f., 24, 26, 29, 37, 46, 48 (Regierungsbezirk), 49, 55, 65, 70, 82, 95, 97 f., 101, 109 ff., 114, 123, 125, 132 ff., 139, 145 f., 150, 163, 170 f., 180, 187, 191 f., 219, 221, 231, 236, 240, 252, 259, 276, 284, 288, 331, 343, 371, 392, 397 f., 416 f., 424, 429, 449, 453, 491 f., 503, 505 f., 522, 525, 528, 539, 546, 549 f., 557 f., 560 f., 574, 580, 588 – Altstadtgemeinde 207, 346 – Heilig-Geist-Kirche 133, 206 – Katharinenkirche 206 f. – Wallonerkirche 206 f., 346 Magdeburg-Anhalt (Gau) 34 Mansfeld (Ort u. Schloss) 60, 106 ff., 114, 116, 139, 221, 452 Mecklenburg 98 Mehrin 89 Melbourne 441 Merseburg 34, 47 Montreux 367 Moskau 21, 88, 189, 289, 308, 317, 320, 329, 364, 437 f., 492 Mühlhausen 219 f., 249, 397 Münster 10 Mukran 471
743
Nairobi 332, 337, 339, 367 Naumburg 47, 106, 111, 122, 165, 182, 206, 240, 391, 396, 424, 455, 457 Neinstedt 112, 114 Neulingen 89 New Haven 153 f. Nigeria 241 Nordhausen 106, 177, 492 Nyborg 285, 287, 290, 317 Österreich 21 Oppin 89 Osterburg 557, 592 Osterwieck 104, 397 Pakistan 216 Parey 123 Paris 64, 67, 135, 363, 424, 503, 508 Peking 564 Petersberg 178, 243, 343, 416, 419, 449 Polen 27, 228, 289, 293, 299, 404, 420 f., 526 Posen 48 Potsdam 371, 440, 446, 576 Prag 64, 178, 299, 390 Prenzlau 22, 227 Prettin 123 Preußen 48 Prora 471 Provinz Sachsen (Regierungsbezirk) 37, 47 f. Quedlinburg 47, 85, 94, 106, 134, 178, 379, 557 Querfurt 275 Qumran 353 Reinsdorf 112 Rippicha (Droßdorf) 360, 513 Rossla 132 Roßleben 87 Rotha 89 Rottmersleben 87 Rügen 471 Rumänien 365, 405 Sachsen 43, 53 f., 85, 97, 590
744
Register
Sachsen-Anhalt 58, 61 f., 66, 80 ff., 85 f., 88, 106 Sachsenhausen 492 Sahara 171 Salzelmen 99, 118, 134, 168 Sangerhausen 147 SBZ 11 f., 41, 49, 55, 61, 81 Schadeleben 89 Schierke 237 Schlesien 38 Schönburg 413 Schönebeck/E. 168 Schnellmannshausen 105 Schwerin 67, 154, 314, 374 Seelow 492 Seyda 70, 116 Skandinavien 221 Sömmerda 539 Sonneberg 148 f. Sorge 237 Soweto 504 Sowjetunion/UdSSR (Russland) 12, 65, 111, 189, 204, 228, 278, 287, 289, 293, 299, 316, 386, 405, 428, 439, 471, 492, 497, 503, 508 f., 530, 552, 622 Sparnberg 105 Stanislavovo 421 Stendal 23,106, 112, 114, 121, 123, 132, 379, 503, 505, 518 f., 528 540, 557, 575, 623 Stirling/Schottland 515 Stockholm 501 Stolberg 132 Stony Point/New York 440 Stralsund 381 Stuttgart 36, 104 Südafrika 504 Südamerika 537 Suezkanal 316 Suhl 231, 502 Syrien 316 Taizé 372 Tansania 244, 532, 569 Thüringen 34 (Gau), 42, 47, 53, 55, 79, 88, 94, 111, 149 f., 453, 555
Torgau 62, 209, 221, 492, 522, 531, 591 – Schlosskirche 207 Treffurt 105 Treysa 38 f., 50 Tripolis 502 Trossin 589, 591 Tschernobyl 23, 501 ff., 575, 623, 625 Ukraine 502 Ungarn 404, 495 Unseburg 122 Uppsala 230, 240 ff., 271, 273, 336 USA (Amerika) 66, 79, 100, 189, 214, 221, 227 f., 241 f., 317, 363, 439 f., 473, 492, 501 ff., 509 Vancouver 23, 514, 600, 604 Vatikan 243, 456 Vietnam 214 f., 227 ff., 241 f., 317 Völpke 112 Warschau 421 Wartburg 221 Washington D.C. 473, 502 Weferlingen 122 Weimar 48 (Landesverwaltung), 55, 88, 90 Weißrussland 502 Wendgräben 540 Wenzlow 170 Wernigerode 28, 76, 236 f., 266, 397 Westfalen 38 Westpreußen 48 Windsor b. London 214, 227 Wittenberg 19, 46, 73, 79, 85, 92, 98, 156, 221 ff., 247 f., 259, 377, 451 ff., 457, 461, 531, 533, 557 Württemberg 41, 287 Zeitz 22, 347, 349, 351 ff., 359 ff., 457, 502 f., 513 f. Zella (Kloster) 60 Zella-Mehlis 589, 594 Ziesar 170 Zürich 157 Züssow 360