Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau: Die güterrechtliche Absicherung der Ehefrau in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs [1 ed.] 9783428515301, 9783428115303

Wie sah die güterrechtliche Absicherung der Ehefrau in der Spruchpraxis des Obersten Gerichts auf der Burg zu Krakau in

116 16 29MB

German Pages 236 [237] Year 2005

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau: Die güterrechtliche Absicherung der Ehefrau in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs [1 ed.]
 9783428515301, 9783428115303

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

MARGRET OB LADEN

Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge . Band 48

Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau Die güterrechtliche Absicherung der Ehefrau in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Von

Margret Obladen

Duncker & Humblot . Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 3-428-11530-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter und dem Andenken meines Vaters

Vorwort Die vorliegende Schrift ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 200312004 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg vorgelegen hat. Sie ist in meiner Assistentenzeit am Freiburger Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung entstanden. Angeregt und betreut wurde sie von Frau Professor Nehlsen-von Stryk. Sie hat mich für die Rechtsgeschichte gewonnen und die Arbeit mit Rat und Tat, Zuspruch und Ermutigung begleitet. Für alle Förderung, die ich von ihr erfahren habe, gehört ihr meine ganze Dankbarkeit. Gern bekunde ich an dieser Stelle auch meinen Dank für Mühe, Beistand und Unterstützung: Herrn Professor Kroeschell, der das zweite Fakultätsgutachten erstellt hat; meiner lieben Mutter Elisabeth Obladen, meinem Bruder Christoph und seiner Frau Renate Obladen sowie der Freiburger Rechtshistorischen Gesellschaft, die durch großzügige Beiträge die Drucklegung der Arbeit ermöglicht haben; und der Konrad-Adenauer-Stiftung, die mir ein Stipendium gewährt und damit der Promotion den Weg geebnet hat. Die Korrekturarbeit ist zu einem Großteil von Renate Obladen und Werner Amelsberg getan worden, wofür ich ihnen großen Dank schulde. Ich vergesse aber auch nicht, wieviel ich dem täglichen Austausch unter den Assistenten und Doktoranden des Freiburger Instituts verdanke, allen voran Bettina Bubach, Andrea Karl, Alexander Nogrady und Rita Sailer. Stuttgart, im April 2005

Margret Obladen

Inhalt A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle ..............................

13

1. Gegenstand der Untersuchung und Erkenntnisziele .........................

13

a) Thematischer Rahmen ..................................................

13

b) Erkenntnisziele .........................................................

15

2. Literaturüberblick und Forschungsstand ....................................

16

a) Das 19. Jahrhundert: Höhepunkt der germanistischen Mittelalterforschung ..................................................................

16

b) Ferdinand von Martitz .............. . ...................................

17

c) Alfred Agricola .........................................................

19

d) Richard Schröder .......................................................

20

e) Neuere Forschung.......................................................

22

3. Die decreta des Krakauer Oberhofs und ihre Erschließung ..................

24

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof .... . .........

26

I. Deutsches Recht in Polen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

a) Die deutschrechtliche Siedlung als Träger des ius teutonicum . . . . . . . . . . . .

26

b) Das sächsisch-magdeburgische Recht ...................................

29

c) Sammlung und Verbreitung von Rechtstexten ...........................

32

Karte.......................................................................

34

2. Krakau und der Oberhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

a) Die Stadt Krakau: Das Umfeld für den Oberhof .........................

35

b) Organisationsstruktur und Zuständigkeit des Oberhofs ...................

38

c) Rechtscharakter der Anfragen ...........................................

41

d) Sprache und Stil der Sprüche ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs .......................................

48

I. Die Erbfolge in der Krakauer Spruchpraxis ............... . ............... . ....

48

1. Der Grundsatz des Verwandtenerbrechts ....................................

48

2. Die Erbfolge bei unbekindeter Ehe .........................................

49

10

Inhalt 3. Die Erbfolge bei bekindeter Ehe ........... . ................................

51

4. Zusammenfassung....... . ................................ . .................

58

H. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

1. Literaturiiberblick ..........................................................

58

2. Die Gerade in der Spruchpraxis der Krakauer Schöffen .....................

62

a) Terminologie............................................................

62

b) Gegenständlicher Bereich der Gerade ...................................

63

c) Die Erbfolge bei der Gerade................................ . ............

66

d) Die Witwengerade ......................................................

69

e) Regel und Ausnahme: Die Befreiung von der Niftelgerade durch Privilegien ..... ................ ..... ...................... ..... ..... ...........

70

f) Beweisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

3. Bewertung der Gerade als Versorgungsinstitut ..............................

80

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau ..... . .......... . ............

85

1. Terminologie ...............................................................

85

2. Morgengabe und Leibgedinge in den Rechtstexten und der Literatur ........

86

a) Die Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechts .....................

86

b) Das Begriffsgebäude der Literatur.......................................

96

3. Das dotalicium in der Krakauer Spruchpraxis ...............................

99

a) Inhalt des dotalicium ....................................................

99

b) Sicherung des dotalicium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

c) Das Verhältnis von dotalicium und Erblasserschulden ...................

116

d) Beweisrecht .............................................................

121

e) dotalicium und Mitgift................................... . ..............

126

f) Das dotalicium nach dem Tode der Frau .................................

127

4. Ergebnis ...................................................................

130

IV. Das Dritteilsrecht: antiqua conswetudo in Terra Russie ........................

132

1. Der Kampf der Literatur mit dem Dritteilsrecht .............................

132

2. Das Dritteilsrecht in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs ..............

136

a) Das Verhältnis von Gerade und dotalicium zum Dritteilsrecht ...........

136

b) Teilung des gesamten ehelichen Vermögens.............................

139

c) Das Dritteilsrecht bei erneuter Heirat ....................................

141

3. Zusammenfassung..........................................................

143

Inhalt

11

V. Eheliche Vergabungen: Die Zunahme individueller Gestaltungsmöglichkeiten 145

1. Einführung und Schwerpunkte der Literatur................................

145

2. Zuwendungen der Frau an ihren Mann......................................

150

a) Die gerichtliche Vormundschaft.........................................

150

b) Die adelige Frau Hedwig und ihr rechtlicher Handlungsspielraum .......

154

c) Die Übertragung aller Güter als Abkehr vom überkommenen Erbrecht ..

160

3. Vergabungen des Mannes an seine Ehefrau .................. . ..............

162

4. Gegenseitige Vergabungen .................................................

165

5. Zusammenfassung..........................................................

170

VI. Testamente: ultima voluntas habet vigorem ....................................

171

1. Das Aufkommen des Testaments und seine formellen Voraussetzungen .....

171

a) Die ,Entdeckung' letztwilliger Verfügungsrnacht ........................

171

b) Beispiele für Formerfordemisse aus der Rechtspraxis ... . . . . . . . . . . . . . . . . .

173

2. Inhaltliche Bestimmungen in Testamenten ..................................

178

3. Kurzer Ausblick............................................................

182

c. Schlussbetrachtung ...............................................................

185

I. Ehegüterrecht und Versorgung .................................................

185

1. Die Krakauer Spruchpraxis - Teil des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises ..................................................................... 185 2. Ehegüterrechtliche Entwicklungstendenzen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186

3. Die güterrechtliche Absicherung der Witwe ................................

188

11. Das Ehegüterrecht unter Lebenden ............................................

190

1. Die Illusion vom gemeindeutschen Ehegüterrecht ..........................

190

2. Die Lehre von der Verwaltungsgemeinschaft ...............................

192

3. Auseinandersetzung mit der These W. Ebels ................................

195

4. Ergebnis ...................................................................

198

III. Neue Perspektiven zur Interpretation des spätmittelalterlichen Ehegüterrechts 199 IV. Das Krakauer Schöffenrecht ...................................................

203

1. Strukturen der Spruchpraxis zur güterrechtlichen Absicherung ..............

203

a) Stimmiges Regelungsgefüge ............................................

203

b) Zwingendes und flexibles Recht.........................................

205

12

Inhalt c) Schichten des Rechts: ius teutonicum, conswetudo, wilkor; privilegium

206

d) Rationalisierung? Das Zusammenspiel von Eid und urkundlichen Beweismitteln ............................................................. 208 2. Spätmittelalterliche Rechtsfindung: Tradiertes Wissen und Buchgelehrtheit 210 Quellen- und Literaturverzeichnis .............................................. . ...

213

Quellen .................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Nachschlagewerke und Hilfsmittel ........................ . .........................

215

Literatur.................................................. . ..................... . ...

216

Sachwortverzeichnis .................................................................

234

A. Einleitung I. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle 1. Gegenstand der Untersuchung und Erkenntnisziele

a) Thematischer Rahmen

In den Rechtstexten des Mittelalters nehmen die güterrechtlichen Verhältnisse unter Ehegatten breiten Raum ein. 1 Dies ist nur zu verständlich, handelt es sich doch um eine Rechtsmaterie, die das Leben eines großen Teils der Bevölkerung unmittelbar berührte. Die rechtlichen Verhältnisse unter Ehegatten betrafen nicht nur die Vermögensverhältnisse der Ehepartner selbst; insbesondere der Tod eines Ehegatten wirkte sich auf die Interessen der übrigen Familienmitglieder aus: Was geschah mit dem ehelichen Vermögen? Fielen die Güter an den überlebenden Ehegatten, an die Kinder, oder gingen sie an die Herkunftsfamilie des Verstorbenen zurück? In der spätmittelalterlichen Gesellschaft waren Erhaltung und Schutz des Familienguts von elementarer Bedeutung, sicherte insbesondere der Besitz von Grund und Boden Einkommen und Wohlstand. Auch wenn in den Städten Handwerk und Handel wichtig waren: Güter und Vermögen wurden noch in einem hohen Maße durch Erbschaft erworben. 2 Gegenstand der Untersuchung ist die güterrechtliche Absicherung der Frau in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs, der nach sächsisch-magdeburgischem Recht zu urteilen hatte. Sie gilt mithin den güterrechtlichen Verhältnissen des größten deutschen mittelalterlichen Rechtskreises. Bekanntlich hat sich die Germanistik des 19. Jahrhunderts eingehend mit dem Ehegüter- und Erbrecht beschäftigt, wobei der sächsisch-magdeburgische Rechtskreis im Mittelpunkt ihres Interesses stand. Erinnert sei etwa an die Standardwerke des Deutschen Privatrechts von Schröder, v. Gerber, v. Gierke, Heusler oder Stobbe, 3 sowie an die Monographien zum sächsisch-magdeburgischen Ehegüterrecht von v. Martitz oder AgriI Vgl. etwa v. Gerber; Gesammelte Juristische Abhandlungen, S. 311: "Es ist bekannt, dass kein Gegenstand des Privatrechts in den deutschen Rechtsquellen so häufig berücksichtigt worden ist, als das Güterrecht der Ehegatten." 2 Vgl. Ericksen, Women and Property, S. 3. 3 Vgl. Schröder; Deutsche Rechtsgeschichte, ebenfalls von Schröder verfasst wurde eine Monographie zum Ehegüterrecht der verschiedenen mittelalterlichen deutschen Rechte, vgl. ders., Eheliches Güterrecht; v. Gerber; System des Deutschen Privatrechts; v. Gierke, Deutsches Privatrecht; Heusler; Institutionen; Stobbe, Deutsches Privatrecht.

14

A. Einleitung

cola. 4 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Quellen ist allerdings zu Beginn des 20. Jahrhunderts "unausgetragen abgebrochen worden".5 In der vorliegenden Untersuchung wird somit eine brachliegende rechtshistorische Materie aufgegriffen: Methoden und Erkenntnisziele haben sich inzwischen allerdings grundlegend verändert; dem hat die rechtshistorische Forschung auf dem Gebiet des mittelalterlichen Ehegüterrechts indessen kaum Rechnung getragen. 6 Das Ehegüterrecht regelt nach heutigem Verständnis vor allem die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten während bestehender Ehe und legt darüber hinaus Normen für die Zeit nach Beendigung der Ehe fest. Um dem Quellenmaterial gerecht zu werden, lautet der Titel dieser Arbeit ,Die güterrechtliche Absicherung der Witwe' und nicht ,Eheliches Güterrecht'; denn in nur wenigen Entscheidungen geht es um güterrechtliche Streitigkeiten zu Lebzeiten der Ehegatten: Hauptzweck des mittelalterlichen Ehegüterrechts war offenbar die Versorgung des überlebenden Ehegatten. Einsicht in die güterrechtlichen Verhältnisse unter Lebenden kann daher weithin nur durch Rückschlüsse aus den untersuchten Urteilen und Rechtsweisungen gewonnen werden. Ihre Darstellung erfolgt darum erst im Schlusskapitel. Ferner begegnen wir Rechtsinstituten, die nach heutiger Systematik dem Erbrecht zuzuordnen wären. Um von vornherein die Gefahr zu vermeiden, unsere pandektistische Begrifflichkeit auf die Lebenswelt des Mittelalters zu übertragen, wurde daher zur Verdeutlichung der Verzahnung von Ehegüterrecht und Erbrecht der Begriff der ,Absicherung' gewählt. 7 Die Arbeit legt den Schwerpunkt auf die Analyse der Versorgung der Frau. Es versteht sich, dass die Ausgangsfrage einer vorurteilsfreien Interpretation nicht sein kann, ob oder inwieweit die Frau diskriminiert oder im Verhältnis zu Männern ungleich behandelt wurde. Diese Frage orientierte sich an den heutigen Vorstellungen über Rechtsgleichheit von Mann und Frau, und ließe außer Acht, dass es eine Rechtsgleichheit nach diesem Verständnis in der ständisch geordneten Gesellschaft des Mittelalters nicht gab und Ungleichheit auch nicht mit Diskriminierung gleichzusetzen ist. 8 Um der Gefahr einer voreingenommenen Sichtweise vorzubeugen, erfolgt eine wertende Zusammenschau der güterrechtlichen Absicherung der Frau daher erst im Anschluss an die Analyse der Quellen und ihrer verschiedenen Rechtsinstitute. v. Martitz, Eheliches Güterrecht; Agricola, Gewere. W. Ebel, Über das ,ungezweite Gut', S. 188. 6 Als Ausnahmen zu nennen sind etwa Hagemann, Basler Rechtsleben und Gudian, Inge1heimer Recht, die innerhalb ihrer Arbeiten auch das Ehegüterrecht besprechen. Vgl. indessen auch den Appell von Ennen, Geschichtsschreibung über die Frauen, S. 60: "Für das Erbrecht und das eheliche Güterrecht wäre dringend eine umfassende Aufarbeitung zu wünschen, die allerdings Zeit erfordert. Jüngere Autoren sollten es nicht verschmähen, das ältere Schrifttum zu lesen und zu benutzen." 7 Die Verzahnung beider Rechtsmaterien im Sachsenspiegel betont Nehlsen-von Stryk, Prozessuales und materielles Rechtsdenken, S. 42. Theuerkauf, Lex, Speculum, S. 127 f., spricht von der Zweipoligkeit der beiden Rechtsmaterien. 8 Ennen, Geschichtsschreibung über die Frauen, S. 45. 4

5

1. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle

15

b) Erkenntnisziele

Leitendes Erkenntnisziel ist die Beantwortung der Frage nach der vermögensrechtlichen Situation der Witwe. Thema und Quellen erlauben indessen, auch weiteren Fragen nachzugehen. Da die güterrechtlichen Verhältnisse der Witwe ein wichtiger Indikator für ihre gesellschaftliche Stellung sind, liefern sie einen wichtigen Mosaikstein zur Erforschung der Frauengeschichte. 9 So stellt sich die Frage, ob es überhaupt ein gesellschaftliches Ziel war, für die Absicherung der Ehefrau Sorge zu tragen. Welche Gestaltungsmöglichkeiten hatte die Frau, ihre wirtschaftliche Absicherung selbst zu regeln? Welchen Spielraum ließen ihr die familiären Abhängigkeiten? Dabei soll nicht nur auf vermögensrechtliche Aspekte eingegangen werden. Rechtliche Gesichtspunkte und Probleme, die sich am Rande dieser Erörterung ergeben, können zur Erweiterung des Bildes beitragen: So etwa Fragen der Vormundschaft oder aus dem Beweisrecht die Eidesfähigkeit der Frau. Von Interesse ist zudem, inwieweit die Frau ihre Rechte gerichtlich durchsetzen konnte. Zu erwähnen ist ferner die wissenschaftsgeschichtliche Komponente der Arbeit. Die Standardwerke des 19. Jahrhunderts sind bis heute unersetzt. Dies gilt in besonderem Maße für das sächsisch-magdeburgische Ehegüterrecht. Wie der Forschungsüberblick zeigen wird, gibt es aus neuerer Zeit nur wenige einschlägige Arbeiten, die sich zudem ganz in den alten dogmengeschichtlichen Traditionen bewegen. Die Auseinandersetzung mit den germanistischen Lehrgebäuden wird im jeweiligen konkreten Sachzusammenhang Forschungsmethode und Erkenntnisziele der traditionellen Germanistik beleuchten. Wissenschaftliches Neuland betritt diese Untersuchung mit der Frage nach dem tatsächlichen Verlauf und dem Ausmaß der Rezeption des deutschen Rechts in Osteuropa. Die Ausbreitung des deutschen Rechts und insbesondere des sächsischmagdeburgischen Rechts in Polen ist bisher von der Wissenschaft, nicht zuletzt wegen der politischen Verhältnisse, wenig erforscht worden. Zwar ist die Thematik wiederholt als Forschungsdesiderat bezeichnet worden; 10 vornehmlicher Gegenstand bisheriger Untersuchungen waren jedoch die Siedlungsgeschichte und die Verbreitung der Rechtsquellen. Ob und in welchem Ausmaß das deutsche Recht tatsächlich rezipiert wurde, ist hingegen noch ungeklärt. Die vor wenigen Jahren 9 Vgl. Goetz, Modeme Mediävistik, S. 321, wonach Frauengeschichte Kenntnisse über Recht, Gesellschaft, Wirtschaft, Religion, Kultur und Mentalität der behandelten Zeit erfordert. Ferner Hellmuth, Frau und Besitz, S. 13; Gottschalk, Streit um Frauenbesitz, S. 182 ff. 10 Vgl. Weitzel, Magdeburger Schöffen, S. 63, der als Ausnahme auf W. Ebel und seine Arbeiten zum lübischen Rechtskreis hinweist. Der lübische Rechtskreis berühre die polnischen Verhältnisse aber nur am Rande. Ebenso Lück, Über den Sachsenspiegel, S. 80: "Als ... Desiderat läßt sich ein recht unvollständiges Bild von Verlauf, Formen und Ergebnissen der Rezeption des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Osteuropa konstatieren." Vgl. ferner Fechner, Deutsches Recht in Polen, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf fehlende Dogmengeschichte.

16

A. Einleitung

edierte Krakauer Schöffenspruchsammlung bietet die Möglichkeit, der Frage nachzugehen, in welchem Maße das verliehene Recht auch tatsächlich in der Rechtspraxis angewendet wurde. Schließlich soll bei der Untersuchung der Krakauer Schöffensprüche der Blick auch auf die Struktur des spätmittelalterlichen Schöffenrechts gerichtet werden. In diesem Zusammenhang sind etwa die Anwendung geschriebenen Rechts, das Beweisrecht sowie Konsistenz der Rechtsprechung und ihre Kontinuität von Interesse.

2. Literaturüberblick und Forschungsstand a) Das 19. Jahrhundert: Höhepunkt der germanistischen Mittelalterforschung Im 19. Jahrhundert erlebte die germanistische Mittelalterforschung ihre Blütezeit. Trotz großer Verdienste sind die Arbeiten dieser wissenschaftlichen Epoche nach heutigem Methodenverständnis revisionsbedürftig. Bei aller Verschiedenartigkeit 11 in Darstellung und Methode zeigen sie markante Gemeinsamkeiten. Zu ihnen gehört der Versuch, das mittelalterliche Recht nach pandektistischem Modell darzustellen, was unweigerlich zur Verwendung anachronistischer Begriffe führen musste. 12 Insbesondere die Literatur zum Deutschen Privatrecht war bestrebt, Rechtsinstitute bis zu ihren germanischen Wurzeln zurückzuverfolgen und sodann eine innere Einheit der deutschen Partikularrechte zu konstruieren. Damit verband sich die aus den Bedürfnissen der Zeit legitime Hoffnung, dem römischen Recht einen eigenen germanistischen Entwurf gegenüberstellen zu können. Außerdem ist zu beobachten, dass Ausgangspunkt und Basis vieler Untersuchungen der Sachsenspiegel war. Normen und Regeln anderer Rechtskreise wur11 Dies gilt insbesondere für die Literatur zum Deutschen Privatrecht. Vgl. hierzu Kroeschell, Zielsetzung und Arbeitsweise; ders., Das germanische Recht; Schlosser; Das ,wissenschaftliche Prinzip'; Gudian, Gemeindeutsches Recht. Einen Überblick der überkommenen und neuen Forschungsschwerpunkte und Ziele innerhalb der Rechtsgeschichte bietet Ogorek, Rechtsgeschichte. Es gab durchaus Bestrebungen, die Quellen in ihrem historischen Kontext zu erfassen. Vgl. bereits H. Brunner; Rechtsgeschichte I, S. 6 der bemerkt: "Die Geschichte des Rechts kann nach der historischen oder nach der systematischen Methode gegliedert werden ... Sie (die systematische Methode) teilt zunächst das Recht und dann erst die Geschichte, die historische Methode dagegen zunächst die Geschichte und dann das Recht ab ... So sehr jene Trennung die Rechtsgeschichte förderte, so kann doch der Wechsel der Methode nicht als ein dauernder Forschritt bezeichnet werden. Die systematische Darstellungsweise vermag nicht zur Anschauung zu bringen, wie die Rechtsinstitute eines Zeitalters sich in ihrem Dasein und in ihrer Ausgestaltung gegenseitig bedingen. Indem sie modeme Einteilungsrubriken und Begriffe, die selbst erst ein Ergebnis der historischen Entwicklung sind, in Perioden hineinträgt, denen sie völlig fremd waren, verstößt sie gegen das in der Rechtsgeschichte waltende Grundgesetz der Differenzierung der Rechtsinstitute. 12 Vgl. zu diesem Problem die ausgewogenen Ausführungen von Hoetink, Anachronistische Begriffsbildung. U

1. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle

17

den dann in Relation zum sächsischen Recht gesetzt. Das überaus reiche Quellenmaterial zum sächsischen Rechtskreis mag dieses Verfahren begünstigt haben: der Mannigfaltigkeit des mittelalterlichen deutschen Rechts wird es nicht gerecht. Begriffsdogmatische Konzeptionen und die Vorstellung einer ungebrochenen Kontinuität seit dem germanischen Altertum führten zu Fragen, die heute nicht mehr gestellt würden. So bemühte man sich, den Ursprung der Vergabung von Todes wegen bei den Germanen zu ergründen, statt sich mit der Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts oder dessen Auswirkung auf die vermögensrechtliche Stellung der Frau auseinanderzusetzen. Ehegüterrechtliche Werke untersuchen immer wieder, wann welcher Ehegatte an bestimmten Vermögensgegenständen das Eigentum erlangte und wie dieses Eigentum dogmatisch ausgestaltet war. Heute wird die Verfügungsmöglichkeit als wichtiger angesehen, zumal die Verwendung des Eigentumsbegriffs zumindest für die Zeit der Entstehung des Sachsenspiegels anachronistisch iSt. 13 Viele Fragen, denen die Germanistik nachging, sind nach heutiger Auffassung aus den Quellen gar nicht zu beantworten. Andererseits gehen wir auf Vieles ein, was in der Literatur bisher vernachlässigt wurde. Daher wird den Ausführungen zu den einzelnen Rechtsinstituten jeweils ein kurzer Literaturüberblick vorangestellt, der zusammenfasst, was in der Vergangenheit im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stand. So werden zugleich die wissenschaftlichen Schwerpunkte der germanistischen Forschung sichtbar. Ausführlicher werden zunächst die drei Hauptwerke zum sächsischen Ehegüterrecht vorgestellt, denen knappe Ausführungen zu den neueren Abhandlungen folgen. Dogmatische Einzelheiten und Ansichten werden an dieser Stelle nicht besprochen: Hier soll vielmehr ein Überblick über wissenschaftliche Zielsetzung, Struktur und Aufbau der Hauptwerke sowie ihrer Methode gegeben werden. Ihre Thesen und Argumente werden dann im jeweiligen Sachzusammenhang besprochen. Untersuchungen, die nur ein einzelnes Rechtsinstitut behandeln, werden hier nicht aufgeführt, finden aber am gegebenen Ort Berücksichtigung. 14

b) Fe rdinand von Martitz Beginnen wir mit dem ältesten der drei Werke. Im Jahre 1867 erschien ,Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels und der verwandten Rechtsquellen ' des Königsberger Professors Ferdinand von Martitz. In einer Vorrede erläutert er Intention und Zielrichtung seiner Arbeit: In einer Zeit, in der sich die allgemeine Erkenntnis etabliert habe, das deutsche Ehegüterrecht werde von zwei Prinzipien Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 76. Zu beachten ist auch, dass die alte Literatur nicht über die Menge edierter Quellen verfügte, auf die wir heute zurückgreifen können. Zu den Mühen, geeignete Quellen aufzufinden, siehe etwa Schräder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 320 Fn. 78: "In einem von Herrn Professor v. Martitz mir gütigst mitgetheilten Magdeburger Schöffenurteil ... " Die heute zur Verfügung stehenden Editionen erleichtern die Arbeit doch erheblich. 13

14

2 Obladen

A. Einleitung

18

beherrscht, der Gütereinheit (Verwaltungsgemeinschaft) und der Gütergemeinschaft, möchte er einen Beitrag zur Erforschung des Verhältnisses der beiden Güterstände zueinander leisten sowie deren Verhältnis zum römischen Recht erklären. 15 Als Ausgangspunkt seiner Untersuchung wählt er den Sachsenspiegel, dem gemeinhin der Güterstand der Gütereinheit zugeschrieben wird. Da v. Martitz eine zeitliche und räumliche Entwicklung darstellen will, werden in erheblichem Umfang weitere Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises einbezogen. v. Martitz unterteilt seine Arbeit in drei umfangreiche Kapitel: Im ersten Kapitel bespricht er ausführlich die Quellen des sächsischen Rechts, wobei er insbesondere der räumlichen Verbreitung des Magdeburger Stadtrechts nachgeht. Gegenstand des zweiten Kapitels ist das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels. Dabei unterscheidet er vom gesetzlichen das vertragliche Güterrecht, das er auch gesondert behandelt. Das dritte Kapitel ist der Darstellung des Ehegüterrechts nach dem Magdeburger Stadtrecht gewidmet. Es wird mit umfangreichen Ausführungen zur städtischen Wirtschaft und deren Einfluss auf das Privatrecht eingeleitet. Hier finden sich Gesichtspunkte und Entwicklungslinien, die heute die Diskussion über das Verhältnis von Stadtrecht zu Landrecht bestimmen: so die besondere Rolle des städtischen Bürgertums, die Geldwirtschaft, die Auswirkungen beider Phänomene auf das Rechtsleben wie etwa die Scheidung von Kaufgut und Erbgut oder das gleichberechtigte Erbrecht der Töchter. v. Martitz stützt seine Thesen fast ausschließlich auf die Entwicklung der Geldwirtschaft, der heute stark betonte Rationalisierungsgedanke liegt ihm noch fern. Nach seiner Auffassung hatte die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltige Auswirkungen auf das Ehegüterrecht. Sein Ansatz kann daher noch aus heutiger Sicht als durchaus modern bewertet werden, zumal er sich damit deutlich von anderen zeitgenössischen Autoren abhebt. Im Ergebnis konstatiert v. Martitz für die verschiedenen deutschen Rechte allgemein eine Hinwendung zur Gütergemeinschaft. Nur im Magdeburger Stadtrecht sieht er tendenziell eine Entwicklung von der Gütereinheit zu Elementen der Gütertrennung, die er auf die zunehmende Bildung des Sonderguts der Frau zurückführt. 16 Sondergut seien die Fahrnisgüter, welche nicht durch den Eheschluss in die Gewere des Mannes gelangen; über sie könne deshalb die Frau selbst verfügen. Die Vereinbarung von Sondergut sei in den Städten zur Regel gewordenY Sondergut und Vormundschaft bestimmen v. Martitz' gesamte Argumentation. Im Vordergrund steht allerdings das Sondergut. In dieser Schärfe arbeitet nur er mit diesem Begriff, den er zum Dreh- und Angelpunkt seiner Darstellung erhebt. Vgl. v. Manitz, Eheliches Güterrecht, Einleitung, S. IX. v. Manitz, Eheliches Güterrecht, S. 240 ff.: "Die obigen Untersuchungen haben auch für das Privatrecht des Ssp. eine bereits des öfteren gemachte Wahrnehmung bestätigt, dass nämlich seine Sätze mehr auf eine längst entschwundene Vergangenheit als auf das Jahrhundert, welches die mittelalterliche Cultur zu ihrem Höhepunkt führen sollte, zu passen scheinen." 17 Vgl. v. Manitz, Eheliches Güterrecht, S. 253 ff. 15

16

I. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle

19

v. Martitz beschließt seine Ausführungen mit einem pathetischen Schlusswort. Es ist vom Bedauern geprägt, das deutsche Recht habe dem römischen Recht nachgeben müssen, weil es qualitativ auf einem weitaus niedrigeren Stand gewesen sei. 18 Es habe den rechtlichen Problemen der Neuzeit nicht genügen können. Dabei stellt er die Frage: "War unser einheimisches Recht beim Uebergange des Volkes aus dem Mittelalter in die Neuzeit im Stande den Anforderungen, die das sociale Leben stellte, zu entsprechen? ... Die Frage ist offenbar unerlässlich zum Verständniss der Reception des römischen Rechts." Seine Antwort ist vernichtend: "Das Recht unseres Volkes ... war bei Ausgang des Mittelalters jedes innern Haltes baar geworden." Das römische Recht habe als "wissenschaftliches Recht" neue Impulse gesetzt. Seine Schlussworte sind dann wieder versöhnlich: "Und so freuen wir uns auch an dieser Stelle der Reception des römischen Rechts ... Denn es ist das wunderbare Geheimniss aller modemen Cultur, dass sie im klassischen Alterthum wurzelt." c) Alfred Agricola

Das 1869 erschienene Werk ,Die Gewere zu rechter Vormundschaft als Princip des Sächsischen ehelichen Güterrechts' von Alfred Agricola, einem Eisenacher Appellationsgerichtsrat, unterscheidet sich schon durch seinen Umfang von 651 Seiten von der v. Martitz'schen Monographie. Das Werk ist schwer zugänglich; Sprache und Gedankenführung verlangen dem Leser einiges ab. Schon in seinem Vorwort widerspricht Agricola dem Ergebnis, zu dem v. Martitz gelangt ist. In kategorischer Abgrenzung zum römischen Recht und überzeugt, die mittelalterlichen Prinzipien lägen auch noch dem Recht seiner Zeit zugrunde, schreibt er: 19 "Dieser specifisch Sächsische Rechtsorganismus ist getragen von einer Grundanschauung, die, im scharfen Contrast mit dem Römischen, innerhalb der Sphäre des Deutschen Rechtsbewusstseins ruht, innerhalb dieser Sphäre sich aber im entschiednen Gegensatz zu den Süddeutschen Typen befindet, einer Grundanschauung, die das Sächsische eheliche Güterrecht, ungeachtet der mannigfachsten, directen und indirecten Modificationen Seitens des Römischen Rechts, noch heute trägt und das modeme System als materiell identisch mit dem der alten, rein Deutschen Quellen erscheinen lässt." Ausdruck dieser Anschauung war für ihn die Gütereinheit der Ehegatten, die auf ,der Gewere zu rechter Vormundschaft' beruhte. Denn die Vormundschaft des Mannes über seine Frau erlaubte ihm, ihre Güter in seine Gewere zu nehmen. 2o Dem Kontinuitätsgedanken verhaftet, kommt 18 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 371: "Es ist uns vergönnt dem deutschen Volksgeiste auf einem wichtigen Felde seiner Bethätigung, auf dem Gebiete des Rechts, bis in die geheime Werkstatt zu folgen, ihn in seinem Schaffen zu belauschen, da er noch nicht dem klassischen Alterthum unsterbliche Muster zu entnehmen wusste." 19 Agricola, Gewere, Vorwort, S. XVI. 20 Er begründet die Vormundschaft des Mannes folgendermaßen, Agricola. Gewere, S. 10: "Die natürliche Superiorität des Mannes, seine durch Religion und Sitte geschaffne Ueber-

2*

20

A. Einleitung

Agricola zu dem Schluss: 21 "Wie dem Namen so der Sache nach trägt auch die modeme Gestaltung des gemeinen Sächsischen Güterrechts der Ehegatten die Signatur der Gewere zu rechter Vormundschaft." Darum möchte er auch die zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckte mittelalterliche Figur der Gewere für seine Zeit nutzbar machen. Agricola geht aber noch einen Schritt weiter: Trotz aller Gegensätzlichkeiten der Partikularrechte lägen dem deutschen Ehegüterrecht die beiden miteinander verknüpften Prinzipien ,Genossenschaft und Vormundschaft' zugrunde. 22 Es handle sich um zwei entgegengesetzte Pole, "deren Consequenzen sich gegenseitig beschränken, ergänzen, bestimmen." In der Art des Zusammenspiels der beiden Komponenten sei die Mannigfaltigkeit der deutschen Güterrechte begründet. Letztlich beruhe jeder Güterstand auf diesem zweipoligen Grundprinzip - man wird Agricola hier wohl die Projektion eines systemimmanenten Zirkelschlusses bescheinigen können. Auch in der Anlage seiner Arbeit unterscheidet sich Agricola vollkommen von v. Martitz. Die Kategorien Landrecht und Stadtrecht verwendet er nicht. Seine Monographie ist in zwei Bücher unterteilt, von denen das erste bezeichnenderweise mit ,Das Princip' überschrieben ist. Hier werden das sächsische Recht und der sächsische Rechtskreis dargestellt; außerdem werden Grundgedanken des Ehegüterrechts und der Vormundschaft sowie die Gewere zu rechter Vormundschaft behandelt. Gegenstand des zweiten Buches sind die Güterordnung während bestehender Ehe sowie die ,ergänzenden Institute' Gerade, Leibzucht, Morgengabe und Vergabungen. Agricola zieht für seine Untersuchung schwäbisch-fränkische Quellen als Repräsentanten des süddeutschen Rechts heran, um seinem Ziel, die Grundprinzipien aller deutschen Rechte herauszuarbeiten, gerecht werden zu können. Doch nicht nur in der Verfolgung dieses Ziels ist er ein Kind seiner Zeit: Die Sprache ist von der pandektistischen Terminologie geprägt, die Tendenz zu Systematisierung und Kategorisierung dominiert. Er bemüht sich stets, klare Definitionen zu liefern, womit er die Quellen allerdings in künstliche Systeme zwängt. d) Richard Schröder

Im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Autoren behandelt Richard Schröder23 nicht nur das Ehegüterrecht des sächsischen Rechtskreises, sondern die ,Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland'. Wegen des gewaltigen thematischen Umfangs ist das Werk in zwei Teilen erschienen. Die Zeit der Volksrechte legenheit, die natürliche oder juristische Beschränkung der Handlungsfähigkeit des weiblichen Geschlechts macht den Mann zum Haupt des Weibes, zum Haupt der ehelichen Gemeinschaft, zum Herrn des Hauses." 21 Agricola, Gewere, S. 65l. 22 Agricola, Gewere, S. 1l. 23 Siehe zur Person Erler, Art. Schröder, Richard, HRG IV, Sp. 1503 - 1505.

I. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle

21

behandelt er im ersten Teil von 1863. Der zweite Teil ist wiederum in drei Unterabschnitte gegliedert, die ab 1871 veröffentlicht wurden. Der uns interessierende Abschnitt zum sächsischen Recht stammt aus dem Jahre 1874. Auffallend ist bereits die doppelte Betitelung dieses Teils. Das Titelblatt ist mit ,Das eheliche Güterrecht Norddeutschlands und der Niederlande' beschrieben. Den Unterabschnitt als solchen nennt Schröder hingegen ,Das sächsische und das friesische Recht'. In seinem Vorwort wird der immense Umfang der verschiedenen Rechtsquellen deutlich und damit auch die Art der Betitelung verständlich: Neben dem Sachsenspiegel und dem Magdeburger Stadtrecht werden unter anderem das flämische Recht, das nordfriesische Recht oder auch Rechte aus Hamburg, Bremen oder Lübeck erwähnt, um nur einige zu nennen. Er setzt offenbar sächsisches mit norddeutschem Recht gleich. Daher bezeichnet er auch den Sachsenspiegel und das Magdeburger Stadtrecht als das ostfälische Recht. Schröder will demnach nicht nur das sächsische Recht im engeren Sinne, sondern die Rechte einer großen geographischen Region behandeln, sowie darüber hinaus Einflüsse anderer Rechtskreise auf den norddeutschen Raum darstellen?4 Schröder gibt selbst an, sich bei der Behandlung des ostfälischen Rechts im Wesentlichen auf die Monographien von v. Martitz und Agricola zu stützen: "Ohne mich selbständiger Prüfung zu begeben, habe ich es für Recht und Pflicht gehalten, beide Werke in ausgedehntem Masse zu benutzen.,,25 Nur wegen der guten Vorarbeiten sei es ihm überhaupt möglich gewesen, ein so umfassendes Werk fertig zu stellen. Den wesentlichen Teil des dritten Unterabschnitts macht das sächsische Recht aus, während das friesische Recht nur in einem kurzen Anhang abgehandelt wird. Er unterteilt die Behandlung des sächsischen Rechts in das gesetzliche und das vertragliche Güterrecht, wie es auch v. Martitz tut, geht aber nicht von einer Einteilung Land - Stadt aus. Dem Ziel und der Breite seines Werkes entsprechend, vermittelt Schröder überwiegend Ergebnisse und entwickelt nicht erst Lösungen. Sein Bestreben ist es, Beziehungen und Verknüpfungen verschiedener Güterrechtssysteme darzustellen. Daher nennt er das Kapitel, in dem er alle Rechte zusammenstellt ,Juristisches Prinzip und historischer Zusammenhang'. Schröders Werk bezeugt den Kontinuitätsglauben sowie die Selbstgewissheit des Autors. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, für die geltenden Güterrechtssysteme Vorläufer in der historischen Entwicklung zu finden?6 "Vor allem dürfte, der bisher hersehenden Meinung gegenüber, endlich der Nachweis geführt sein, dass schon das Mittelalter das Recht der Gütergemeinschaft ganz in dem Sinne des heutigen Rechts gekannt hat. Für die particuläre Gütergemeinschaft des fränkischen 24 V gl. auch Schröder, Eheliches Güterrecht II 3, S. I ff. Er schildert die Systeme, die alle zu den sächsischen Rechtsquellen gehören, wozu er etwa auch das ,niederrheinisch-westfalische System' zählt. 25 Schröder, Eheliches Güterrecht II 3, Vorrede, S. VIII. 26 Schröder, Eheliches Güterrecht II 3, Vorrede, S. X.

22

A. Einleitung

Rechts hoffe ich dasselbe schon in dem vorigen Bande nachgewiesen zu haben. Unser heutiges eheliche Güterrecht steht also nicht bloss da, wo das System der Verwaltungs gemeinschaft gilt (für dies wurde es längst allgemein zugegeben), sondern auch wo es dem Systeme allgemeiner oder particulärer Gütergemeinschaft huldigt, durchaus auf dem alten Boden, und auf diesem hat der Richter, wo sein Gesetz ihn im Stich lässt, die Grundlagen für seine Entscheidung zu holen." Er ist ersichtlich der Ansicht, in materiellrechtlicher Hinsicht habe keine wesentliche Entwicklung des ehelichen Güterrechts seit dem Mittelalter mehr stattgefunden. "Die heutigen Rechtsnormen sind, von unbedeutenden Modificationen abgesehen, dieselben wie vor fünf- und sechshundert Jahren:.27 Wie bei Agricola, aber anders als bei v. Martitz, ist sein Denken durch die Vorstellung einer bis in die Gegenwart reichenden deutschrechtlichen Kontinuität geprägt. e) Neuere Forschung

Was hat die Forschung des 20. Jahrhunderts zur Frage des sächsisch-magdeburgischen Güterrechts geleistet? Zu nennen sind drei Monographien, die sich - zumindest in Teilen - mit dem Ehegüterrecht des Sachsenspiegels befassen. Im Jahre 1957 ist die Dissertation von Dtto Schulte-Beckhausen mit dem Titel ,Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel' erschienen, in deren vierten Teil das eheliche Güterrecht behandelt wird. Der Autor stellt zu den jeweiligen Streitfragen die Ansichten der bisherigen Literatur vor und schließt sich dann einer Meinung an. Er betreibt keine eigenständige Quellenexegese und kann daher auch keine neuartigen Aspekte und Ansätze verfolgen. Vielmehr werden die überkommenen Probleme diskutiert, ohne ihren Sinn und ihre Aktualität zu hinterfragen. Schulte-Beckhausen hält an der harmonisierenden, vom Systemdenken geprägten Auslegung fest. Das ,Eherecht des Sachsenspiegels' ist eine etwas über 40-seitige Schrift aus dem Jahre 1978 von Friedrich-Wilhelm Fricke. Der Untertitel ,Systematische Darstellung' verrät bereits sein Vorgehen: Die alte Literatur und die einzelnen Textstellen des Sachsenspiegels werden in einem systematischen Aufriss knapp aufbereitet und zu einem möglichst widerspruchsfreien Gesamtkonzept geführt; neue Forschungsversuche werden nicht unternommen. Die Arbeit ist methodisch vollkommen veraltet und unbrauchbar. 28 27 Weiterhin schreibt er: "Das nunmehr abgeschlossene dritte Werk tritt bereits in unmittelbare Beziehung zu dem praktischen Rechtsleben der Gegenwart, und ich schmeichle mir mit der Hoffnung, durch dasselbe der grossen Aufgabe nationaler Gesetzgebung nicht unbeträchtlich vorgearbeitet zu haben ... Bis jetzt hat mein Werk das Schicksal aller rechtshistorischen Monographien getheilt, von der Praxis im wesentlichen unbeachtet gelassen zu bleiben. Es ist wol keine Ueberhebung (denn der Grund liegt in dem Gegenstande, nicht in der Ausfürung), wenn ich die Ansicht ausspreche, dass es dies Schicksal nicht verdient." 28 Siehe hierzu auch die Kritik von Nehlsen-von Stryk. Prozessuales und materielles Rechtsdenken, S. 39.

I. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle

23

Marie1la Rummel hat ihre Dissertation zu dem Thema ,Die rechtliche Stellung der Frau im Sachsenspiegel-Landrecht' verfasst, die 1987 erschienen ist. Im dritten und vierten Teil der Arbeit geht sie auf die vermögens- sowie erbrechtliche Stellung der Frau ein, bettet die Thematik aber in erster Linie in ihre Fragestellung nach den rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Frau ein. Sie geht selbstständiger als Schulte-Beckhausen vor, wagt es aber an kritischen Punkten nicht immer, eigene Stellungnahmen und weiterführende Ergebnisse zu entwickeln. So schildert sie zwar die Kritik, die W. Ebel an der Vorstellung eines Güterstandes der Verwaltungsgemeinschaft im Sachsenspiegel angebracht hat, vermeidet aber eine Stellungnahme, weil die Diskussion für ihre Arbeit im Ergebnis nicht relevant sei. 29 Neben diesen Monographien, die ausschließlich das Recht des Sachsenspiegels besprechen, äußern sich einige Autoren innerhalb ihrer Arbeit mit breiterem Oberthema zum Ehegüterrecht. Zu nennen ist einmal ,Recht und Rechtsgang' von Jan Ziekow aus dem Jahre 1986. Er bespricht anhand eines einzigen Magdeburger Schöffenspruchs verschiedene Strukturmerkmale und Charakteristika des mittelalterlichen Rechtsgefüges, wie Schiedsverfahren, Vormundschaft, Vorsprecher, aber auch die Vergabung von Todes wegen, wobei er in diesem Zusammenhang zunächst einen kurzen Überblick über das Ehegüterrecht gibt. 3o ,Die Abhängigkeit der Frau in Eherechtsnormen ' von Karina Kroj von 1988 enthält eine 20-seitige Zusammenfassung des mittelalterlichen Güterrechts überhaupt. Klaus Schmid kompiliert in ,Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch' von 1990 die Materie auf gerade neun Seiten. Diese kurzen Überblicke bergen alle eine Gefahr in sich: Da es keine neuere Forschung gibt, kann den Zusammenfassungen als Basis nur methodisch in weiten Teilen veraltete Literatur dienen. Diese wird zudem noch unkritisch zusammengefasst, ohne dass beachtet wird, wie sich Fragestellungen und methodische Probleme im Laufe der Forschungsgeschichte ändern können und müssen. Zweifel an der Zeitgebundenheit einiger dogmatischer Streitigkeiten des 19. Jahrhunderts werden nicht geäußert, weshalb keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden können. Bevor neue Zusammenfassungen zum ehelichen Güterrecht geschrieben werden können, muss erst der methodische Ballast des 19. Jahrhunderts in Einzelanalysen abgeworfen werden. Wie man sieht, fehlt es an einer Arbeit, die monographisch das Ehegüterrecht des sächsischen Rechtskreises beschreibt. Der hier gewählten Frage der güterrechtlichen Absicherung wurde bislang noch nicht nachgegangen. Vgl. Rummel, Stellung der Frau, S. 135 ff. Vgl. Ziekow, Recht und Rechtsgang, S. 45 - 48. Auch Ziekow ist sich der überholten Problemstellungen nicht bewusst, wenn er etwa bei der Besprechung der Vergabung von Todes wegen (S. 73 ff.) undistanziert die dogmatischen Probleme und Fragestellungen der Germanisten zu diesem Rechtsinstitut aufrollt oder für das Erfordernis der gerichtlichen Bestätigung der ,gelobten Morgengabe' in Breslau und Magdeburg einen vermeintlichen Unterschied ausmacht, aber jeweils nur eine Quellenstelle heranzieht. (S. 47). 29

30

24

A. Einleitung

3. Die decreta des Krakauer Oberhofs und ihre Erschließung

Für die Untersuchung wurden die Urteile und Rechtsweisungen Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoviensis von 1456-1481 ausgewählt, die erstmals 1995 ediert wurden? 1 Gegenstand der Edition ist der älteste der 50 Bände der acta decretorum, in welchem die Entscheidungen des Gerichts für die Untergerichte der Vogte und Schulzen des kleinpolnischen Raums fortlaufend und vollständig aufgezeichnet wurden. Die Edition umfasst 1629 sentencie, die überwiegend in lateinischer Sprache, zu einem geringeren Anteil in Mittelhochdeutsch verfasst sind. Es wurde also ein begrenzter Zeitraum und eine in sich geschlossene, chronologisch aufgebaute Quelle gewählt, was eine vollständige und umfassende Analyse ermöglicht. Ziel ist es, den Rechtszustand zu einem bestimmten Zeitpunkt möglichst präzise auszumachen. 32 Die Sichtung des Quellenmaterials erwies sich zunächst als schwierig: Die Sprüche sind von den Gerichtsschreibern nicht überschrieben, und auch in der Edition wurden keine Überschriften eingefügt. Überdies war es nicht möglich, sich auf das Sachregister zu verlassen und etwa unter Begriffen wie uxor oder testamentum nachzuschlagen: In vielen Fällen werden die beteiligten Prozessparteien mit Vornamen genannt, nicht jedes Rechtsinstitut kann substantivisch umschrieben werden. Daher musste jeder Spruch einzeln gesichtet und übersetzt werden. Nachdem auf diese Weise Spruch für Spruch erfasst worden war, konnten thematische Gruppen gebildet werden. Diese Vorgehensweise war also notwendig, um überhaupt die einschlägigen Entscheidungen herauszufiltern. Andererseits hat die konsequente Durchsicht der 1629 Entscheidungen einen Einblick in sämtliche streitigen Materien des Themenbereichs ermöglicht, die vor Gericht ausgetragen wurden. Es wurde also nicht unter einer vorgefassten Fragestellung Material gesucht. Dies bringt es mit sich, dass nicht - wie dies bislang gehandhabt wurde - von einem Fragenkatalog und heutigen Denkmustern aus an die Quelle herangetreten wird, sondern die rechtlichen Probleme aus ihr selbst geschöpft werden. Daher wird bei jedem Rechts31 LysiaklNehlsen-von Stryk, Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoviensis, Die Rechtssprüche des Oberhofs des deutschen Rechts auf der Burg zu Krakau 1456-1481. Hinweise und Ausführungen zur Handschrift und der Edition selbst siehe bei Lysiakl Nehlsen-von Stryk, Decreta Iuris, Einleitung. Zum Aktenbestand des Krakauer Oberhofs allgemein Lysiak, Ius supremum, Einführung. Der Zustand der erhaltenen Akten und Bücher des Krakauer Oberhofs ist als gut und fast komplett zu bezeichnen. Eine wissenschaftliche Bearbeitung dieser Schöffensprüche ist - von einem Aufsatz von Nehlsen-von Stryk zur handhaften Tat abgesehen - bislang nicht erfolgt. Vgl. Nehlsen-von Stryk, Sächsisch-magdeburgisches Recht. 32 Wenn man sich die Ausführungen von Simon im Vorwort der Edition ansieht, könnte man dieses Ziel für zu hochgesteckt halten: "Das alles schließt dogmenhistorische Feinuntersuchungen sicher aus und bietet auch kaum Gelegenheit für die fruchtbare Erörterung des ,Rechtszustandes' auf diesem oder jenem Rechtsgebiet." Wie die Untersuchung der Quelle zeigen wird, ist Simons Ansicht hingegen unzutreffend.

I. Erläuterungen zu Thematik, Literatur und Quelle

25

institut im Schwerpunkt etwas anderes besprochen: Einmal ist es etwa die Durchsetzung eines Rechts, ein anderes Mal stehen Formerfordernisse im Mittelpunkt der Spruchpraxis. 33 Bei der Durchsicht der Sprüche fiel auf, dass sich der Krakauer überhof überwiegend mit privat- und verfahrensrechtlichen Streitigkeiten befasste, während strafrechtliche Klagen verhältnismäßig selten vorkamen?4 Der überwiegende Teil der Sprüche, die Frauen betreffen, beschäftigt sich mit güterrechtlichen Fragen: Teilweise geht es um Rechtsstreitigkeiten unter Geschwistern, in der Hauptsache ist allerdings die Situation nach dem Tode eines Ehegatten Ausgangspunkt des Gerichtsverfahrens. Es konnte ferner beobachtet werden, dass über das Eherecht als solches nicht geurteilt wurde. Der Grund ist in der fehlenden Kompetenz der weltlichen Gerichte für diese Materie zu suchen, denn als Sakrament unterstand die Ehe, und damit die Eheschließung und -auflösung, der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Auch die Krakauer Schöffen erkennen die Regeln des kanonischen Rechts für die Gültigkeit einer Ehe an, wenn sie sagen: 35 ... mulier iam habuit legittimum virum, et cum eodem iuxta ritum ecclesie matrimonium contraxit copulam cum eo faciendo camalem.

Bei der Auswahl der zu besprechenden Urteile und Rechtsweisungen wurden solche berücksichtigt, die markant und repräsentativ zugleich sind. Da ein relativ kurzer Zeitraum behandelt wird, konnten die meisten einschlägigen Entscheidungen analysiert werden. Die Schwerpunkte der rechtlichen Streitigkeiten kristallisieren sich so deutlich heraus. Die Quellen werden zumeist wiedergegeben, damit der Interpretation Schritt für Schritt gefolgt werden kann. Denn auch in diesem Punkt ist der älteren Literatur ein Vorwurf zu machen: Sie teilt oft nur Ergebnisse mit und verweist lediglich in einer Fußnote auf die Quellen, die der Leser sich erst mühsam zusammensuchen muss, wobei auch die Interpretation häufig diesem selbst überlassen bleibt. Weiterhin werden die Krakauer Sprüche auf breiter Basis mit weiteren Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechts verglichen, damit der Umfang der Rezeption des deutschen Rechts im kleinpolnischen Raum herausgearbeitet werden kann. Dies macht es zudem möglich, die Verflechtung der Rechtstexte untereinander aufzuzeigen.

33 An dieser Stelle wird aber auch eine Grenze der Arbeit offenbar: Es ist nur bedingt möglich, Rückschlüsse auf unstreitige Sachverhalte zu ziehen. Offen bleiben müssen daher Fragen und rechtliche Konstellationen, die nicht vor den Krakauer Oberhof gelangten. Auch aus diesem Grund ist es gar nicht möglich, ein ,System des Ehegüterrechts' zu entwickeln. 34 Vgl. Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta Iuris, Einleitung, S. XXVI. Dieser Befund ist auch für die Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen zu machen. Siehe hierzu Nehlsen-von Stryk, Reinigungseid und Geständniserzwingung, S. 9, mit weiteren Hinweisen. 35 Nr. 637, Sentencia de Dobszycz (25. 10. 1464). Zum Eherecht allgemein und zum Konsens der Eheleute, der von der Kirche gefordert war, siehe im Überblick Schott, Art. Ehe, Germanisches und deutsches Recht, LexMA 111, Sp. 1629-1630. Zum Eherecht im kleinpolnischen Raum siehe Kisch, Das mittelalterliche polnische Privat-Recht, S. 220.

26

A. Einleitung

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof 1. Deutsches Recht in Polen a) Die deutschrechtliche Siedlung als Träger des ius teutonicum 36

Nach der Griindungsurkunde hatte der Krakauer Oberhof nach Magdeburger Recht zu urteilen. Auch die Gerichtsschreiber berichten vom ius Maydeburgensis 36 Vgl. W. Ebel, Deutsches Recht im Osten; Kroeschell, Rechtsgeschichte I, S. 152 ff., 210 ff.; Lieberwirth, Das sächsisch-magdeburgische Recht; Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes III; Schubart-Fikentscher, Verbreitung der deutschen Stadtrechte; WiSniowski, Spuren deutscher Kolonisation; Borodziej, ,Ostforschung' aus der Sicht der polnischen Geschichtsschreibung; Zernack, Der hochmittelalterliche Landesausbau; Schmidt, Deutsche Ostsiedlung; Kötzschke, Anfange des deutschen Rechtes; Weizsäcker, Das deutsche Recht als Aufbaufaktor; Zientara, Die deutschen Einwanderer in Polen; Davies, Im Herzen Europas; Menzel, Stadt und Land in der schlesischen Weichbildverfassung; Bartei, Stadt und Staat in Polen. Zur dörflichen Siedlung siehe BaderlDilcher, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 143146. Zur deutschen Ostsiedlung als Forschungsproblem siehe auch den umfangreichen Sammelband hg. von Schlesinger, Die deutsche Ostsiedlung. Zum Begriff ,Ostsiedlung IOstkolonisation' siehe Kroeschell, Rechtsgeschichte und Sozialgeschichte, S. 83 f. Von einer Kolonisation im eigentlichen Sinne kann nicht gesprochen werden, weil die Siedlungsbewegung auch von der einheimischen slawischen Bevölkerung getragen wurde und weil es, anders als bei modernen Kolonien, keine wirtschaftliche Ausbeutung durch das Mutterland gegeben hat. Vgl. auch Herberger, Art. Kolonisation, HRG 11, Sp. 954 - 960. Er vertritt die Ansicht, die mittelalterliche Wanderungs- und Siedlungsbewegung als eigenständige abgegrenzte Erscheinung erfassen zu müssen. Der Begriff ,Kolonisation' solle jedoch beibehalten werden, weil er sich in der rechtshistorischen Forschung, auch der ausländischen, eingebürgert habe. Zu dem Begriff ,deutsche Ostsiedlung' siehe ferner [rgang, Art. Ostsiedlung, LexMa VI, Sp. 1545 - 1546: "Der historiographische Begriff deutsche Ostsiedlung bezeichnet den Prozeß von Besiedlung und Akkulturation, der in den Gebieten östlich der Reichsgrenze des ausgehenden 11. Ib. bis zum Finnischen Meerbusen, zum Schwarzen Meer und zur Save vornehmlich durch deutsche Bauern, Handwerker und Kaufleute getragen wurde." Die Entstehung des Begriffs ,Kolonisation' hat ihten Grund in der zum Zeitpunkt seiner Prägung in der deutschen Geschichtswissenschaft herrschenden Kolonisationstheorie, nach der die Siedlung ausschließlich von Deutschen durchgeführt und getragen wurde. Die deutschrechtlichen Städte seien als planmäßige, auf wenige Jahte zusammengedrängte Neugründungen neben den alten Städten entstanden. In der polnischen Literatur wird demgegenüber vorwiegend die Evolutionstheorie vertreten, wonach die deutschtechtlichen Städte durch allmähliche Entwicklung aus polnischen Städten hervorgegangen seien. Einen Überblick über den Forschungsstand aus rechtshistorischer Sicht bietet Fechner, Deutsches Recht in Polen. Zu einer Gegenüberstellung und Bewertung von Kolonisationstheorie und Evolutionstheorie siehe Sporn, Die ,Stadt zu polnischem Recht', der mit den Worten abschließt, S. 173: "Insgesamt betrachtet entzieht sich dieser Entwicklungsverlauf jedoch einer mit Evolution erfaßbaren Umschreibung, sondern er erinnert vielmehr an das Veredeln eines Obstbaums durch Pfropfung, ein Vorgang, der seinerseits durch eine Evolutionstheorie, aber auch durch eine Kolonisationstheorie nicht erklärt werden kann." Siehe auch Willoweit, Zur Frage des Personalitätsprinzips. Willoweit macht hier deutlich, dass die Ausbreitung des deutschen Rechts nicht einfach darauf zurückgeführt werden könne,

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof

27

als anzuwendendem Recht. Die Urteilsnotizen sprechen aber auch davon, dass nach dem ius teutonicum geurteilt werde. 37 Wie erklärt sich die Gleichsetzung von deutschem und Magdeburger Recht? Die synonyme Begriffsverwendung liegt in dem historischen Phänomen der Ostsiedlung begründet: Für die Bewidmung der neuen Städte und Dörfer, aber auch für die Umwidmung der Orte,38 die nach polnischem Recht lebten, wählte man zumeist Magdeburger Recht. Zur Abgrenzung des neuen Rechts von den einheimischen Rechten diente die Bezeichnung ius teutonicum. Der Begriff hängt also mit der deutschrechtlichen Siedlung und der Etablierung einer deutschen Gerichtsbarkeit zusammen. Die Ostsiedlung ist im europäischen Rahmen zu sehen: Wesentliche Impulse dafür haben das stetige Bevölkerungswachstum in Westeuropa, die Entwicklung der abendländischen Stadt als Bürgergemeinschaft und vor allen Dingen die Fortschritte in der Agrartechnik gegeben. Dominierte zunächst die bäuerliche Siedlung, so kam es in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zum Ausbau von Marktorten zu Städten und der Gründung neuer Städte. Treibende Kraft war zunächst die Kirche, später beteiligten sich auch Landesfürsten und der Adel. Die Piasten förderten die städtische und ländliche Siedlung nach deutschem Recht. Es wird angenommen, dass in Kleinpolen und Galizien ungefahr 650 Ortschaften, in Großpolen um die ISO Städte und zahlreiche Dörfer mit deutschem Recht bewidmet wurden?9 Ein großer Teil der Siedler stammte aus dem an Kleinpolen angrenzenden Schlesien. Aber auch von weiter her machten sich Menschen auf den Weg: Anzutreffen sind Siedler aus Holland und Flandern, aus Franken und Westfalen oder vom dass die Siedler aufgrund des Personalitätsprinzips ihr bisheriges Recht behielten. Einen rezeptionsgeschichtlichen Erklärungsansatz für die Ausbreitung des ius teutonicum vertritt er in ders., Das deutsche Recht im Osten. 37 Siehe hierzu beispielsweise Nm. 66, 139, 158, 159, 199,313, 341, 346, 366, 401, 496, 503,743,820,920,1096,1197,1328,1422. 38 Siehe z. B. Piekosiliski, Codicis diplomatici V, CVII: ... predictum oppidum de lure Polonico in lus Theutonicum, quod Magdeburgense dicitur, tranferimus perpetuo duraturum ...

Vgl. Trawkowski, Deutsche Dorfkolonisation, S. 366, wonach sich Adelige oft um die herzogliche Einwilligung, ihre Dörfer nach deutschem Recht umzusetzen, bewarben, ohne allerdings den Bauern die Vorteile des deutschen Rechts zu gewähren. Kazimierz III. nahm um die Mitte des 14. Jahrhunderts den Kampf gegen diesen Zustand auf. Nach Trawkowski wurden auch weiterhin Dörfer nach polnischem Recht gegründet. 39 In die Betrachtung der Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Polen ist die Ukraine einzubeziehen, was einmal in der zeitweiligen Zugehörigkeit einiger ihrer Gebiete zum polnischen Königreich und zum anderen in der polnisch-litauischen Allianz von 1363 bis 1654 begründet ist. Vgl. hierzu mit weiteren Hinweisen Lück, Magdeburger Recht in der Ukraine: "Der Begriff des Magdeburger Rechts in der Ukraine umfaßte eine spezifische Form der Stadtverfassung und eine bestimmte Gruppe von Rechtsquellen. Zu den letzteren wurden neben dem Sächsischen Weichbild auch Sachsenspiegel-Landrecht gezählt. Eine strikte Trennung in Stadt- und Landrecht als gesonderte Rechtskreise kannte man nicht. Sowohl das Weichbild als auch der Sachsenspiegel wurden in Stadt- und Landgerichten angewendet. Die Kodifikationsversuche verstanden Sachsenspiegel und Magdeburger Stadtrecht als homogene Quellengruppe...

28

A. Einleitung

Rhein. Viele von ihnen blieben zunächst im Siedlungsgebiet der Marken und Schlesiens, um dann weiterzuziehen und sich dauerhaft im polnischen Gebiet niederzulassen. 4o In entscheidender Weise wurde die Besiedlung durch die Siedlungsunternehmer vorangetrieben. Sie erhielten als Lohn für ihre Dienste zins- und zehntfreie Hufen, das erbliche Schulzen- oder Dorfrichteramt (scultetus) in den Dörfern bzw. die Vogtei (advocatus) in den Städten, verbunden mit Einkünften aus der niederen Gerichtsbarkeit sowie aus örtlichen Gewerbebetrieben und dem Mühlen- und Schankrecht. Den Siedlern wurden umfangreiche Freiheitsrechte gewährt, die zugleich Anreiz und Antrieb für den gefahrvollen Aufbruch in die Fremde waren: Ihnen wurde entweder das eigene Recht belassen, durch Bewidmung erweitert, oder es wurde ihnen deutsches Recht - in Polen eben vornehmlich Magdeburger Recht - verliehen. Im bäuerlichen Bereich umfassten die Rechte zunächst die zweckmäßigen Siedlungsanlagen mit ihrer Gliederung nach Hufen als Wirtschaftseinheit. Den Siedlern wurde eine freiere Rechtsstellung, ein vorteilhafteres Besitzrecht und Ablösung der Dienste durch festen Zins zugestanden. Die Selbstverwaltung der dörflichen Gemeinschaft und die niedere Gerichtsbarkeit lagen in der Hand des Schulzen. Aufgrund der Immunität von der allgemeinen Gerichtsbarkeit erhielten die Dörfer damit eine Freiheit, die im Deutschen Reich ein besonderes Merkmal der Städte war. 41 In den Städten zählten zu den Freiheiten die Selbstverwaltung in Form der Zunftorganisation, eigene Gerichtsbarkeit, Marktrecht, Stapelrecht und Zollfreiheit. Befreit wurden die Stadtbürger aber auch von den Gefahren des Prozessformalismus (vare), wofür das Privileg des Erzbischofs Wichmann aus dem Jahre 1188 für Magdeburg als Vorbild diente. 42 So entstand durch die Ostsiedlung der Begriff des deutschen Rechts: 43 Er diente der Kennzeichnung neuer, freiheitlicher Rechte in Abgrenzung zum vorgefundenen 40 Auf die Angabe von Zahlenmaterial zu den Bevölkerungszahlen wird hier bewusst verzichtet, da Schätzungen und Berechnungen äußerst vorsichtig zu betrachten sind. Kuhn, Deutschrechtliche Siedlung, versucht, Bevölkerungszahlen zu erheben. Siehe hierzu ebenfalls ders., Ostsiedlung und Bevölkerungsdichte; ders., Siedlerzahlen der deutschen Ostsiedlung; Schubart-Fikentscher, Verbreitung der deutschen Stadtrechte, S. 268 ff., die allerdings auch darauf hinweist, dass Zahlen nur vorsichtig ermittelt werden können. Dies liegt zum einen daran, dass deutsche Namen, wie z. B. Petrus oder Heinrich, auch in der polnischen Bevölkerung vorkamen und dass zudem viele Ortschaften mit einer gemischten Bevölkerungsstruktur existierten. Daher könne man nicht von dem Namen des Lokators auf ein rein deutsches Dorf schließen. Kritisch äußert sich auch Trawkowski, Deutsche Dorfkolonisation, S. 360. 41 Aus diesen Gründen waren deutsche Rechtsverleihungen auch bei den adeligen Grundherren erwünscht, denn sie brachten Befreiung von Gerichts- und Steuerhoheit, wehrten Eingriffe der fürstlichen Beamten ab und stärkten ihre herrschaftliche Verwaltung. 42 Vgl. Laband, Magdeburger Rechtsquellen, Magdeburger Recht von 1188, § I: Ut districtio, que Vara appellatur, solis juramentis, que pro rebus obtinendis vel abdicandis fieri debent exceptis, perpetualiter postposita sit. Zu diesem Privileg siehe Lieberwirth, Privileg des Erzbischofs Wichmann. 43 Kroeschell, Rechtsgeschichte I, S. 212: "In der Ostsiedlung ist aus dem freibäuerlichen Recht auch zum ersten Mal die Vorstellung von einem deutschen Recht hervorgegangen, die

H. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof

29

Recht der einheimischen Bevölkerung, welches neben dem einflussreichen Kirchenrecht insbesondere durch das polnische Landrecht (ius terrestre) geprägt war. Dieses Ständerecht des Adels hatte sich in der Praxis der adligen Gerichte, auf altem Gewohnheitsrecht beruhend, entwickelt. Es galt als sehr konservativ und übte einen starken Widerstand gegen fremde Rechtseinflüsse aus. b) Das sächsisch-magdeburgische Recht 44 Die Krakauer Schöffen verwenden ius teutonicum und ius Maydeburgensis synonym. Um die Rechtsmaterie, nach der die Schöffen Recht sprechen, näher zu klassifizieren, ist indessen noch eine weitere Rechtsquelle zu berücksichtigen: der Sachsenspiegel. Bezeichnenderweise ist das Rechtsbuch, welches dem Gericht auf erst im 17. Jahrhundert, in der Zeit einer nationalen Reaktion auf das römische Recht, ihre historisch folgenreiche Wiedererstehung fand." 44 Zum Sachsenspiegel siehe die zusammenfassende Darstellung von Lück, Über den Sachsenspiegel; vgl. weiterhin - auch unter dem Gesichtspunkt des Auffindens weiterer Literatur - Lück, Die Verbreitung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, S. 38 f.; Koolman/Gäßler/Scheele, der sassen speyghel I; Fansa, der sassen speyghel H; SchmidtWiegand/Hüpper; Sachsenspiegel als Buch; 19nor; Rechtsdenken Eikes von Repgow; Kisch, Sachsenspiegel and Bible; Kroeschell, Studien zum frühen und mittelalterlichen Recht; Lieberwirth, Eike von Repgow und der Sachsenspiegel; lohanek, Rechtsschrifttum, S. 401 ff.; F. Ebel, Art. Sachsenspiegel, HRG IV, Sp. 1228-1237. Zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels vgl. insbesondere den Sammelband von Schmidt-Wiegand, Text - Bild - Interpretation. Zu den Gründen für die Aufzeichnung von Rechtsbüchern im gesamteuropäischen Zusammenhang siehe Kroeschell, Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, S. 349 ff.; Gagner; Studien zur Ideengeschichte, S. 288 ff. Zum Begriff des Magdeburger Rechts siehe Lück, Die Verbreitung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, S. 39-41; F. Ebel, Art. Magdeburger Recht, LexMa VI, Sp. 77 - 79; ders., Magdeburger Recht, S. 42; Buchda, Art. Magdeburger Recht, HRG III, Sp. 134-138; Bader/ Dilcher; Deutsche Rechtsgeschichte, S. 635 ff.; Lieberwirth, Das sächsisch-magdeburgische Recht. Siehe ferner Lieberwirth, Wirkungsgeschichte des Sachsenspiegels, S. 72: "Unter Magdeburger Recht ist nicht allein das ius lori, das Marktrecht mit all seinen Freiheiten, und die Selbstverwaltung der Bürgergemeinde, sondern auch die Organisationsform der Stadtbehörden und der Gerichtsbehörden, insbesondere die eigene Gerichtsbarkeit zu verstehen." Weitzel, Magdeburger Schöffen, S. 77, will das Magdeburger Recht nur gleichsetzen mit der Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen. Das Magdeburger Recht sei daher nur eine städtische Teilordnung und nicht mit der im Magdeburger Rechtskreis geltenden städtischen Ordnung deckungsgleich. Dies folgert er aus der für Magdeburg typischen Trennung von Rat und Schöffenbank, so dass es nicht zu einer Vermischung von recht und städtischer Willkür gekommen sei. Im Gegensatz zum Sächsischen Landrecht, welches im Sachsenspiegel eine umfangreiche Darstellung erfahren hat, fehlt es für das Magdeburger Recht an einer vergleichbaren Sammlung. Zwar existieren auch private Aufzeichnungen des Stadtrechts, diese behandeln jedoch stets nur eine bestimmte Teilmaterie. Um Aussagen über den Inhalt des Magdeburger Rechts treffen zu können, ist daher ein Rückgriff auf Rechtsmitteilungen und Urteile der Magdeburger Schöffen sowie auf Rechts- und Stadtbücher zu nehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Archiv der Magdeburger Schöffen im Jahre 1631 vollständig vernichtet wurde, weshalb die Spruchtätigkeit von der Empfängerseite her konstruiert werden muss.

30

A. Einleitung

der Burg zur Verfügung stand, mit Jus Saxonicum Magdeburgense per Serenissimum Casimirum Magnum Regem Poloniae betitelt. Dieses Rechtsbuch, welches nach Bischoff auf der Handschrift des Konrad von Oppe1n beruht, hatte Kazimierz III. anfertigen und auf der Krakauer Burg aufbewahren lassen. 45 Sächsisches und Magdeburgisches Recht sind im Titel in einer Wortverbindung zusammengeführt und bilden eine sprachliche Einheit. Die begriffliche Verknüpfung findet darüber hinaus in der inhaltlichen Gestaltung des Rechtsbuchs ihren Niederschlag: Es umfasst 502 Artikel, davon 390 des sächsischen Landrechts und 112 des Magdeburger Weichbildrechts (Vulgata).46 Dabei fügt sich das Weichbildrecht nahtlos an das Landrecht des Sachsenspiegels an; die beiden Rechtstexte trennt noch nicht einmal eine Überschrift, wodurch der Eindruck eines in sich geschlossenen Rechtstextes vermittelt wird. 47 Anschaulich und fassbar wird uns die Symbiose vor Augen geführt, die Sachsenspiegel und Weichbildrecht auf dem Weg nach Osten eingegangen sind. 48 Dabei handelt es sich von ihrem Ursprung und Regelungsgehalt um zwei Rechtsmaterien, die verschiedene soziale und wirtschaftliche Verhältnisse abbilden: Das sächsische Landrecht spiegelt die Rechtsgewohnheiten der ländlich-agrarischen Gesellschaft wider, das Weichbildrecht als Teil des Magdeburger Stadtrechts reflektiert die rechtlichen Verhältnisse einer mittelalterlichen Stadt. In den letzten Jahren ist viel über das Verhältnis beider Rechte zueinander geschrieben worden. Von der ur45 Oppitz, Deutsche Rechtsbücher 11, S. 612, Nr. 844; Homeyer; Rechtsbücher des Mittelalters, S. 144, Nr. 642. Siehe hierzu ausführlich Bischof!, Geschichte des Magdeburgerrechles, der eine umfangreiche Analyse des Textes vornimmt. Eine tabellarische Gegenüberstellung der einzelnen Artikel bietet Laband, Magdeburger Rechtsquellen, S. 74 ff. 46 Siehe hierzu Johanek, Rechtsschrifttum, S. 410 ff.; ders., Magdeburger Recht, Verfasserlexikon 11, Sp. 948-952. Die Weichbildvulgata setzt sich zusammen aus der Weichbildchronik, dem Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung (auch Weichbildrecht im engeren Sinne genannt) sowie dem Magdeburger Schöffenrecht. Das Magdeburger Schöffenrecht besteht aus einem Grundstock von Rechtsweisungen der Magdeburger Schöffen für Breslau aus dem Jahre 1261 und wurde um andere Sprüche des Magdeburger Schöffenstuhls stark erweitert. Der Zeitpunkt der Vereinigung der einzelnen Teile bleibt unsicher, wie auch die Entstehung der Teile bislang nicht festzulegen war. Johanek bezeichnet daher die Überlieferungsgeschichte als dringendes Forschungsdesiderat. 47 Vgl. Schmidt-Wiegand, Bedeutung und Wirkung, S. 39, die feststellt, dass der Sachsenspiegel häufig zusammen mit Handschriften des Weichbildrechts in einer Sarnrnelhandschrift überliefert ist. 48 Besonderes Kennzeichen der Ostsiedlung ist ein Siedlungssystem von Marktstädten, Ackerbaustädten und befreiten Kolonistendörfern, die nach einem Recht leben, was durch das Rechtssprichwort Auch Dörfer haben Weichbildrecht zum Ausdruck kommt. Eine strikte Trennung zwischen den rechtlichen Verhältnissen in der Stadt und auf dem Land ist wegen der persönlichen Freiheiten der Siedler nicht mehr auszumachen. Die Freizügigkeit und das Recht, Grundbesitz frei zu erwerben und zu veräußern, das freie Erbrecht, sowie die dörfliche Gerichtsbarkeit entsprachen mithin den Eigenschaften des Stadtbürgertums. Es kann insofern von einer rechtlichen Angleichung der Stadt- und Landverhältnisse gesprochen werden, weshalb sich die unterschiedslose Verwendung der Begriffe ius magdeburgense und ius saxonum erklärt.

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer überhof

31

sprünglichen Ansicht, das Stadtrecht habe sich aus dem Landrecht entwickelt, ist man inzwischen abgerückt. 49 Vor allem Dilcher hat die unabhängige Entwicklung beider Rechtsstränge herausgearbeitet, wobei selbstverständlich nicht von einer vollkommen isolierten Entwicklung beider Rechte, sondern von einer Wechselwirkung in örtlicher, zeitlicher, aber auch inhaltlicher Hinsicht ausgegangen wird. 50 Die inhaltliche Verwobenheit zeigt sich beispielsweise daran, dass die Farnilie Eikes von Repgow, des Verfassers des Sachsenspiegels, mit der Ministerialität der Magdeburger Erzbischöfe verwandt war; Eike waren die städtischen Verhältnisse durchaus bekannt, wovon die Aufzeichnung des Sachsenspiegels nicht unberührt geblieben ist. Weiterhin ist zu bedenken, dass viele Dörfer bei städtischen überhöfen anfragten und die übersandten Sprüche sammelten; ihnen wurde dann aus der städtischen Praxis Recht gewiesen. Städtische Schöffenkollegien waren hingegen auch Katalysator für die Verbreitung des Sachsenspiegels. 51 Zur Diskussion um das Verhältnis von Stadtrecht und Landrecht sei schließlich angemerkt: Der ausgemachte Motor der rationalen Rechtsentwicklung - die Stadt darf nicht zur künstlichen Trennung der Entwicklungsstränge führen. Sind die 49 So noch Schröder/v. Künßberg, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 741: " ... das Stadtrecht von Magdeburg, in dem die stadtrechtliche Umbildung des Sachsenspiegels zum reinsten Ausdruck gelangte ... " Siehe dazu auch noch W. Ebel, Lübisches Stadtrecht I, S. 24: "Das Magdeburger Recht, die stadtrechtliche Fassung des Sachsenspiegel-Landrechts ... "; etwas abgemildert ders., Rechtsschöpferische Leistung, S. 145: "Das deutsche Stadtrecht war ein Seitentrieb der landrechtlichen Welt, indes von einer erstaunlichen Triebkraft und Fruchtbarkeit." 50 Dieser Problemkreis wird dargestellt bei Gönczi, Ungarisches Stadtrecht, S. 213 ff.; Meuten, Erbfolgeordnung, S. 31 ff.; Lück, Über den Sachsenspiegel, S. 55 ff. Weitzel, Magdeburger Schöffen, S. 65-71; ders., überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 52; F. Ebel, Magdeburger Recht, S. 43; Lück, Sachsenspiegel und Magdeburger Recht, S. 25; Lieberwirth, Privileg des Erzbischofs Wichmann, S. 27; ders., Wirkungsgeschichte des Sachsenspiegels, S. 77. Vgl. zum Verhältnis von Stadtrecht und Landrecht Dilcher, "Hell, verständig"; ders., Die stadtbürgerliche Gesellschaft, aufbauend auf W. Ebel, Rechtsschöpferische Leistung, unter Einbeziehung der Theorie Max Webers zur okzidentalen Stadt. Er hebt hervor, Magdeburger Recht liege schon früher als der Sachsenspiegel verschriftlicht vor und sei spätestens seit dem 12. Jahrhundert ein feststehender Begriff. Berücksichtigt werden müsse die Eigendynamik des Stadtrechts, welches durch die rationale Denkart der Kaufmannschaft geprägt sei. Auch der vom Handel ausgelöste verkehrsfreundliche Charakter des Stadtrechts sei hervorzuheben. Zu den Parallelen in der Rechtssprache siehe Buchda, Schöffenspruchsammlung der Stadt Pössneck m, S. 7; ders., Art. Magdeburger Recht, HRG 11, Sp. 134. 51 Bislang ging man davon aus, die lateinische Rechtsmitteilung der Schöffen von Halle für Neumarkt aus dem Jahre 1235 sei der erste Beleg für die Verwendung des Sachsenspiegels. Vgl. etwa Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 258 ff., " ... liest sich passagenweise wie die lateinische Fassung des Sachsenspiegels ... ", woraus er schließt, dass die Praxis des Landrechts auch für die Rechtsverhältnisse in der Stadt den Ausgangspunkt gebildet habe. Diese - auf Karl August Eckhardt zurückgehende These - wird jetzt kritisiert von Kannowski/Dusil, Der Hallensische Schöffenbrief. Sie benennen indessen auch einige Beispiele für die Verwendung des Sachsenspiegels in der Stadt, etwa die Rechtsmitteilungen der Magdeburger Schöffen für Breslau von 1261 oder das Hamburger Ordeelbook von 1270.

32

A. Einleitung

Rechte auch ursprünglich eigenständig entstanden: Zumindest in den Rechtstexten, die nach Osten wanderten, wird weitgehend ein einheitliches Recht wiedergegeben. 52 Für die Krakauer Schöffen sind beide Rechtsmaterien längst zu einer Einheit verschmolzen. Sie sprechen schlicht vom deutschen Recht und orientieren sich dabei gleichermaßen an Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. In keiner einzigen Entscheidung differenzieren sie die Rechtsmaterien. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs ist damit beispielhaft für die Verbreitung des ,sächsischmagdeburgischen Rechts' in Oste uropa. 53

c) Sammlung und Verbreitung von Rechtstexten 54

Das Rechtsbuch der Krakauer Schöffen repräsentiert eine gesamteuropäische Entwicklung, die im deutschsprachigen Raum mit der Niederschrift des Sachsenspiegels ihren Anfang nahm: Der Beginn einer schriftlichen Rechtskultur durch Fixierung der geübten Gewohnheiten. Stand zu Beginn dieser Entwicklung schlicht die Aufzeichnung der rechtlichen Gewohnheiten im Vordergrund, ging das Bestreben zunehmend dahin, verschiedene Rechtstexte zu sammeln, zu bearbeiten und der Gerichtspraxis zugänglich zu machen. Von Fähigkeit und Zielsetzung des Schreibers einer solchen Sammlung hing ihre qualitative und insbesondere auch ihre inhaltliche Ausgestaltung ab: Wir haben Rechtsbücher wie den Sachsenspiegel, der geübte Rechtsgewohnheiten widerspiegelt. Anzutreffen sind auch reine Schöffenspruchsammlungen. Etliche Rechtsbücher verbinden beide Elemente, schöpfen aus Sachsenspiegel, weiteren Rechtsbüchern sowie verschiedenen Sprüchen und Spruchsammlungen. Verstärkt wird der Eindruck von der Verzahnung des sächsischen und Magdeburgischen Rechts. Wie wir im Laufe der Untersuchung der Krakauer Sprüche sehen werden, sind Rechtsbücher und Spruchsammlungen vielfach miteinander verwoben. Bemerkenswert ist, dass sich dennoch einige Autoren der ursprünglichen Differenzierung von Landrecht und Stadtrecht bewusst sind und dies gelegentlich im Text kenntlich machen. 55 52 Teilweise wird in den Sammlungen und Rechtstexten Landrecht und Weichbildrecht getrennt. Siehe hierzu A. II. 1. c). 53 Es umfasst innerhalb der Reichsgrenzen die Lausitzen, die Mark Brandenburg, Schlesien, das 1335 von Polen an das Königreich Böhmen abgetreten worden war, das Deutschordensland mit dem Kulmer Recht als Magdeburger Recht, im Königreich Polen die Gebiete von Großpolen, Masowien, Kleinpolen, Galizien, Podolien und südliche Teile Wolhyniens sowie im Großfürstentum Litauen die Gebiete Litauens, Podlachiens, Teile Wolhyniens und Weißrusslands und die Ukraine mit dem Kiewer Land als Kern. 54 Vgl. Lieberwirth, Wirkungsgeschichte des Sachsenspiegels; Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes I, S. 215 ff.; Lück, Sachenspiegel und Magdeburger Recht, S. 41-57; das., Über den Sachsenspiegel, S. 66; Nowak, Verbreitung und Anwendung des Sachsenspiegels, S. 325; Pauli, Art. Polnisches Recht, HRG III, Sp. 1810; Schubart-Fikentscher, Verbreitung der deutschen Stadtrechte, S. 262 ff. Bei Oppitz, Deutsche Rechtsbücher II, S. 611 ff., finden sich die Bestände Krakaus.

11. Das sächsisch-rnagdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof

33

Daneben wird bereits das Bestreben sichtbar, den Stoff zu systematisieren und in eine Ordnung zu bringen. In diesem Zusammenhang sind etwa das Systematische Schöffenrecht oder die Magdeburger Fragen zu nennen. Juristische Gelehrtheit zeigt sich in römisch-rechtlich geprägter Begrifflichkeit, wie es etwa bei der Blume von Magdeburg der Fall ist. Hier schimmert der Aspekt der Verwissenschaftlichung durch: Ist der Sachsenspiegel noch von einem rechtskundigen Laien verfasst, der die ihm bekannten Rechtsvorstellungen vornehmlich nach Lebenssachverhalten geordnet aufzeichnet, treffen wir in der Blume von Magdeburg auf einen juristisch gelehrten Autor, der sich um Systematisierung der Materie bemüht. Wenn diese Rechtstexte auch alle aus der gleichen Motivation - nämlich Recht schriftlich zu erfassen - heraus entstanden sind: In Form und Zusammensetzung sind sie vielfältig. Für die Etablierung und Stabilisierung des deutschen Rechts kommt den Rechtstexten eine beachtliche Bedeutung zu, denn die Stiftungsurkunden enthielten oft nur die schlichte Verleihung des ius teutonicum als solche, ohne dieses Recht näher auszugestalten. So verwundert es nicht, dass in Kleinpolen und insbesondere im Krakauer Raum zahlreiche Handschriften gesammelt wurden, wie bereits ein Blick in die Aufstellung der Rechtstexte bei Oppitz erkennen lässt. Aus der Anzahl der überlieferten Sachsenspiegelhandschriften kann geschlossen werden, dass Kleinpolen das Zentrum der Verbreitung des deutschen Rechts in Polen war, wofür einige Beispiele genannt seien: Der deutsche Notar Magister Konrad von Oppeln übersetzte im Auftrag des Breslauer Bischofs Thomas 11. den Sachsenspiegel zwischen 1272 und 1292 ins Lateinische (Versio Vratislaviensis).56 Wie etliche Handschriften belegen, muss diese Fassung bis nach Krakau gelangt sein. 57 Weiterhin wird in der Bibliothek der Universität Krakau eine Rechtssammlung aufbewahrt, welche der Stadt Krakau sowie den Bürgern zum Gebrauch dienen sollte. 58 In dieser Handschrift sind Rechtstexte in lateinischer und deutscher Sprache kompiliert. Sie enthält unter anderem die Versio Vratislaviensis, Lübisches Recht, Sächsisches Landrecht in 88 Artikeln, die Weichbildchronik, Sächsisches Landrecht in 156 Artikeln und das Rechtsbuch des 55 Einen anschaulichen Beleg dafür liefert v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXII § 3: Hirum zweiet sich daz landrecht unde wichbilderecht, wenn zu der morgingabe gehoren zeune unde zimmer; unde veltgenge vye; wenn man phleget in wichbilde mit steinen zu buwen, unde sien alle mit eynem rechte begriffen, die yn dem wichbilde gesessin sien, unde darumme nympt daz wip nicht mer; wenn dy gerade ist. 56 Bei Oppitz, Deutsche Rechtsbücher I, S. 26. Siehe hierzu auch lohanek, Rechtsschriftturn, S. 408. 57 Vgl. hierzu Oppitz, Deutsche Rechtsbücher 11, S. 611 ff., Nm. 846, 848, 859. 58 Bei Oppitz, Deutsche Rechtsbücher 11, S. 613, Nr. 845, der sie auf 1308 datiert. Bei Homeyer; Rechtsbücher des Mittelalters, S. 144, Nr. 643. Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes I, S. 215; Schubart-Fikentscher; Verbreitung der deutschen Stadtrechte, S. 261; Kroeschell, Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, S. 446. Zu weiteren Einzelheiten einen Kolophon dieser Handschrift betreffend siehe auch Hüpper; Auftraggeber, Schreiber und Besitzer, S. 70 ff.

3 Obladen

Karte: Spruner/ Menke, Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit, 3. Auflage, Gotha 1880, Nr. 69.

w

OQ

::s

c:

[

m ::s

~

"""

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer überhof

35

Konrad von Oppeln. Auch das Meißener Rechtsbuch fand neben den Gebieten Sachsens, Thüringens, Brandenburgs, Westfalens und Böhmens in Polen Verbreitung. 59 Als Beispiel für die Kompilation von Schöffensprüchen dient ein weiterer Rechtstext aus Krakau: Dort wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts eine Sammlung von 306 Schöffensprüchen verfasst, die Sprüche aus Magdeburg für Krakau enthielt. 6o Im 16. Jahrhundert wurden schließlich viele Rechtsbücher wegen des Rückgangs der deutschen Sprache ins Lateinische übersetzt. Zu dieser Zeit begann auch die Bestandsaufnahme und Kodifizierung der polnischen Rechtsnormen und Gewohnheiten, die zudem literarische Bearbeitungen fanden. 61

2. Krakau und der Oberhof a) Die Stadt Krakau: Das Umfeldfürden Oberhor2 Als Kazimierz III. im Jahre 135663 ein Obergericht für deutsches Recht gründete, wählte er als Standort die Burg zu Krakau aus, in der bis 1596 die polnischen Herrscher residierten. Die Königsstadt Krakau nahm über Jahrhunderte eine herausragende Stellung im polnischen Staatsgefüge ein: Der Oberhof wurde in einem Umfeld errichtet, das ein bedeutendes Zentrum für Handel, Kunst, Wissenschaft und Politik war. Erwähnung findet Krakau erstmals 965, als der jüdische Kaufmann Ibrahim ibn Jakub von der Stadt als einem wichtigen Handelsplatz auf dem Weg von Prag nach Osten berichtet. 64 Im Jahre 1000 wurde das Bistum Krakau geschaffen, gut 200 Vgl. z. B. Oppitz, Deutsche Rechtsbücher 11, S. 614, Nr. 847; S. 616, Nr. 850. Vgl. Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes I, S. 217. Schöffensprüche waren auch Inhalt weiterer polnischer Handschriften des 14.-16. Jahrhunderts, siehe Oppitz, Deutsche Rechtsbücher 11, S. 611, Nr. 840; S. 611, Nr. 842; S. 612, Nr. 843; S. 614, Nr. 847; S. 617, Nr. 851; S. 620, Nr. 860. 61 Siehe hierzu im Einzelnen Pauli, Polnische Literatur; Bischof!, Beiträge zur Geschichte der Magdeburgerrechtes, S. 216 ff. Pauli, Handbuch der Quellen, Bd. 11/2, S. 551 f., weist darauf hin, dass Versuche, das gesamte polnische Recht zu kodifizieren, nie zu einem positiven Ergebnis geführt haben. Gelungen ist dagegen die Kodifizierung partikularer Rechte einiger Landesteile. Für die Praxis waren daher private Darstellungen des geltenden Rechts von großer Bedeutung. 62 Zu Siedlungsgeschichte und Entwicklung der Stadt siehe Carter; Trade and Urban Development, S. 61; Kuhn, Deutschrechtliche Siedlung, S. 376; ders., Städtegründungen in Kleinpolen, S. 41; Schubart-Fikentscher; Verbreitung der deutschen Stadtrechte, S. 255; Jelicz, Das alte Krakau; Lieberwirth, Das sächsisch-magdeburgische Recht, S. 11; Dmitrieva/Lambrecht, Krakau, Prag und Wien; Baczkowski, Humanismus in Krakau und Wien; Strzelczyk, Art. Krakau, LexMa V, Sp. 1469; Friedrich, Cives Cracoviae; Kaindl, Deutsche in den Karpathenländern I, S. 117 ff. 63 Die Datierung ist streitig. Siehe hierzu Lysiak, lus supremum, S. 23 f. 64 Die Anfange Krakaus sind sagenumwoben. Nach einer Legende soll in einer Höhle des am Weichselufer gelegenen Wawelhügels ein furchtbarer Lindwurm gehaust haben, der durch eine List des Starnmesfürsten Krakus besiegt wurde. 59

60

3*

36

A. Einleitung

Jahre später ließen sich die ersten Dominikaner und kurz darauf auch die Franziskaner dort nieder. Wie Urkunden, die von der Gegenwart deutscher Kaufleute Zeugnis geben, belegen, muss bereits zu dieser Zeit eine deutschrechtliche Siedlung existiert haben. Einen die Entwicklung hemmenden Rückschlag musste die Stadt 1241 hinnehmen, als sie von den Mongolen nahezu vollständig zerstört wurde. Krakau wurde 1257 von Herzog Boleslaw neu gegründet und erhielt Breslauer Recht, wie es von Magdeburg dorthin verliehen worden war. 65 Es gilt damit die Magdeburger Ratsverfassung, die dort 1244 zuerst begegnet: In Magdeburg wurde mit der Entstehung des Rates die Funktion der Schöffen ausschließlich auf die Rechtsprechung beschränkt, während alle Verwaltungsaufgaben dem Rat zufielen. Dies ist ein typischer Grundzug der Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, der sich regelmäßig in den osteuropäischen Tochterstädten wieder findet. Das Krakauer Recht ist in der Folgezeit an andere kleinpolnische Orte verliehen worden. 66 Der erste polnische König Wladyslaw Lokietek bestätigte 1306 die Bewidmung. 67 Wegen eines missglückten Aufstandes der Bürger von 1311 / 1312 gingen die Vorrechte allerdings größtenteils verloren. Erst unter Kazimierz III. erhielt Krakau 1358 die alten Freiheiten zurück. 1471 konnte die Stadt die Vogtei aus königlichem Besitz erwerben, wodurch die niedere Gerichtsbarkeit, die sie ebenfalls 1312 hatte abgeben müssen, an die städtische Verwaltung zurückfiel. Wie setzt sich die Bevölkerung Krakaus im späten 15. Jahrhundert zusammen? Die Rolle als Stützpunkt deutscher Femhändler auf dem Weg nach Osten brachte es mit sich, dass der größte Teil der Einwanderer aus Schlesien stammte. Dazu kamen Siedler aus nahe gelegenen Städten des Deutschen Reichs, den Städten 65 Kötzschke, Quellen zur ostdeutschen Kolonisation, S. 133, Nr. 83: ... Intendentes ergo locare civitatem in Cracovia et homines inibi de diversis climatibus congregare, inculcamus auribus singulorum tam presencium, quam futurorum, quod nos Bolezlaus d. gr. dux Cracovie et Sandomirie, una cum illustri matre nostra Grimizlava et gene rosa nostra coniuge Cunegindi, eo iure eam locamus, quo Wratizlaviensis civitas est locata, ut non quod ibi fit, sed quod ad Magydburgensis civitatis ius etformamfieri debeat, advertatur, ut si quando de hoc dubitatumfuerit, ad ius scriptum a dubitantibus recurratur. Für die Neugründung der Stadt waren erhebliche finanzielle Mittel notwendig. Es wird vermutet, dass diese von der Frau des Herzogs stammten, weshalb sie in der Gründungsurkunde erwähnt ist. Siehe hierzu Jelicz, Das alte Krakau, S. 14. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Privilegs siehe Carter, Trade and Urban Development, S. 57 - 61. 66 Vgl. die Aufzählungen bei Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes 111, S. 325; Schubart-Fikentscher, Verbreitung der deutschen Stadtrechte, S. 289. Die Bewidmung mit deutschem Recht bedeutete zugleich das Entstehen einer bedeutenden planmäßigen Stadtanlage mit großem Markt, dem Bau einer mächtigen Stadtbefestigung und der Verbindung der Stadt mit dem Wawel. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts war Krakau die größte Stadtsiedlung im Bereich der polnischen Teilstaaten. In der Mitte des 13. Jahrhunderts umfasste das Stadtareal etwa 50 ha und verfügte über mindestens 20 Kirchen. 67 Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes I, S. 169. Den Krakauern ist im Jahre 1306 ihr Gerichtsstand in jedem Falle nur vor ihrem Richter zugewiesen worden; auch wenn sie sich außerhalb der Stadt befanden, durfte über sie nur nach deutschem Recht gerichtet werden, wie sie auch jeden überall nach deutschem Recht belangen konnten. Dauerhaft konnte weder Krakau noch eine andere Stadt diese Rechte behaupten.

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof

37

Kleinpolens und Reußens, Großpolens, aus Danzig, Elbing und Thom. Nach der Bewidmungsurkunde sollten nur Deutsche Bürger der Stadt werden können, wogegen Polen - selbst wenn sie freien Standes waren - dieser Status verwehrt bleiben sollte. 68 Diese Bestimmung hatte indessen nicht lange Bestand, und so blieb Krakau im Gegensatz zu Breslau keine deutsche Stadt. Seit dem 16. Jahrhundert wandelte sie sich in eine polnische, wenngleich die deutschsprachigen Bürger nach wie vor das Übergewicht bei der Besetzung von Stadtämtern und Gerichten hatten. 69 Besondere Erwähnung verdient die ethnische Pluralität der Stadtgesellschaft: In Krakau lebten nicht nur Polen und Deutsche; auch Italiener, Ungarn, Litauer, Tschechen und Holländer waren in Krakau anzutreffen. Sie kamen als Femhändler, Gäste oder Gesandte des Königshofs oder als Mitglieder der Universität in die Stadt. Im Untersuchungszeitraum zählte Krakau schätzungsweise 20.000 Bewohner. Die Stadt war somit kleiner als Prag, Breslau oder Danzig. Hervorzuheben ist die Funktion Krakaus als Handelsmetropole: 7o Mit dem Stapelrecht ausgestattet und in regem Handelsaustausch mit den Städten der böhmischen Krone, insbesondere Prag und Breslau, sowie mit Thom im Deutschordensland, erlebte Krakau in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts seine erste Blütezeit. Die Stadt spielte besonders seit dem 14. Jahrhundert im Femhandel eine bedeutende Rolle, etwa für den Südhandel von Venedig und Wien nach Norden und Osten, vom Norden her über den Seeweg von Brügge, Danzig oder Thom. 71 Starken Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung Krakaus hatte der Bergbau in den nahe gelegenen Ortschaften Bochnia, Wieliczka und Olkusz, wo Salz, Silber, Blei und in geringen Maßen auch Kupfer gewonnen wurden. Neben diesen Rohstoffen wurde mit Getreide, Vieh, Holz, Fellen, Leder und Tuchen sowie Erzeugnissen des einheimischen Handwerks gehandelt. Doch nicht nur als Handelszentrum war Krakau bedeutsam. Nachdem Kazimierz III. von Papst Urban V. die Erlaubnis erhalten hatte, konnte er im Jahre 1364 68 Die Begründung im Privileg war rein wirtschaftlicher Natur: Die umliegende Landwirtschaft würde sonst veröden und die Einkünfte daraus beeinträchtigt werden. Kötzschke, Quellen zur ostdeutschen Kolonisation, S. 135, Nr. 83: Hoc eciam nobis iidem advocati promiserunt, quod nullum ascripticium nostrum vel ecclesie seu cuiscumque alterius vel eciam Polonum liberum, qui in rure hactenus habitavit, faciant suum concivem, ne hac occasione nostra vel episcopalia aut canonicorum vel aliorum predia ruralia desolentur. 69 Versuche, die Bevölkerung prozentual aufzugliedern, finden sich bei Belzyt, Demographische Entwicklung, S. 67 ff.; Samsonowicz, Gesellschaftliche Pluralität, S. 121 f., der auch auf die verschiedenen Sprachen eingeht. Er geht davon aus, dass in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts etwa 35 % der Bevölkerung Krakaus Deutsche waren. 70 Zur wirtschaftlichen Situation Krakaus siehe insbesondere Carter, Trade and Urban Development; Sokolowski, Krakau im 14. Jahrhundert; Michels, Handel und Handwerk; Kutrzeba, Der Handel Krakaus. 71 Schubart-Fikentscher, Verbreitung der deutschen Stadtrechte, S. 284; Samsonowicz, Gesellschaftliche Pluralität, S. 119. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts konnte Krakau seine Position im Handel noch ausbauen. Im Jahre 1353 erhielt die Stadt das Monopol für den Russlandhandel. Gegen die Konkurrenz der preußischen Städte Thorn, Elbing und Danzig war ein Wegezwang für den Ungarnhandel über Krakau von 1358 gerichtet.

A. Einleitung

38

die Universität gründen. 72 Nach Kazimierz' Tod kümmerte sich indessen niemand um den gerade erst angelaufenen Lehrbetrieb der Universität, so dass sie ihre Tätigkeit aufgeben musste. Nahezu 30 Jahre verstrichen, bis der Unterricht wieder aufgenommen wurde. Zu verdanken war dies dem Einsatz von Königin Hedwig von Anjou, deren Bemühungen nach ihrem Tode durch ihren Mann Wladyslaw 11. JagieUo fortgesetzt wurden. Neben dem kanonischen Recht und der Theologie wurden in Krakau die artes liberales sowie Medizin gelehrt. Seit 1510 wurden auch Vorlesungen im römischen Recht abgehalten?3 b) Organisationsstruktur und Zuständigkeit des Oberhojs74

Die deutschrechtliche Besiedlung brachte es mit sich, dass die Vogtei- und Schulzeigerichte nach sächsisch-magdeburgischem Recht zu urteilen hatten. Ebenso richteten sich die Verhältnisse des Vogtei- und Schulzeiwesens selbst nach deutschem Recht und nicht nach polnischem Adelsreches luxta quod advocacie et scoltecie in regno iudicantur generaliter iure Thewtunico non tarnen iure feodali ...

Der Krakauer überhof wurde als oberstes Gericht für die Rechtsprechung nach deutschem Recht gegründet: Er war zum einen für rechtliche Probleme der Schulzeien und Vogteien - auch zur Registrierung unstreitiger Rechtsangelegenheiten zuständig. 76 Zuvor hatten diese sich an das königliche Provinzialgericht gewandt, aus dem der überhof hervorgegangen ist. Zum anderen gelangten Anfragen von eben diesen Schulzei- und Vogteigerichten, aber auch von Ratsgremien oder Klöstern an den überhof. Die doppelte Zuständigkeit spiegelt sich auch in einer Krakau verfügte als zweite Stadt in Mitteleuropa nach Prag über eine Universität. Siehe zum Einfluss des römischen Rechts in Polen einführend die Ausführungen von Taubenschlag, Geschichte der Rezeption, S. 325 ff.; ders., Einflüsse des römischen Rechts; Kisch, Das mittelalterliche polnische Privatrecht, S. 217 ff. 74 Siehe hierzu ausführlich Lysiak, lus supremum. Da eine Monographie über die Entstehungsgeschichte und die Organisationsstrukturen des Krakauer Oberhof durch Lysiak vorgelegt wurde, wird hier nur eine zusammenfassende, knappe Darstellung vorgenommen. Siehe weiterhin Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta luris, Einleitung. Einen zusammenfassenden Überblick bieten Nehlsen-von Stryk, Sächsisch-magdeburgisches Recht, S. 829-835; Herberger; Art. Krakauer Oberhof, HRG 11, Sp. \169- \171; Schubart-Fikentscher; Verbreitung der deutschen Stadtrechte, S. 287. Zur Organisation der Obergerichte in Polen im Unterschied zu denen Kleinpolens, die nach dem Magdeburger Prinzip aufgebaut waren, siehe Lysiak, Höhere Gerichte. Den Gerichtsautbau in Polen schildert ausführlich Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes I, S. 171. Die Anzahl der Schöffen war meist sieben. In größeren Städten lag sie manchmal höher. Für schwerwiegende Fälle behielten sich die Landesfürsten und Gutsherren oft selbst die Gerichtsbarkeit vor. Vgl. hierzu Lysiak, Höhere Gerichte, S. 23. 32; ders., Rechtslage des Schultheißen. 75 Nr. 820, Sentencia de Golyess (5. 2. 1467). 76 Im Verlauf des 15. Jahrhunderts wurden immer mehr Schulzeien und Vogteien vom Adel aufgekauft. Siehe hierzu Lysiak, Höhere Gerichte, S. 31 ff. 72 73

II. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof

39

zweigeteilten Aktenführung wider. 77 Die erstinstanzlichen Sachen der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit wurden in den acta iudiciaria festgehalten, die Rechtsweisungen und Urteile aus dem Bereich der Oberhoftätigkeit, die Gegenstand dieser Arbeit sind, wurden in den acta decretorum verzeichnet. Die parallele Aktenführung ist bis 1650 erhalten geblieben. Danach kehrte der Oberhof zu seiner anfangs geübten Praxis zurück, gemeinsame Bücher für acta und decreta zu führen. Warum sah sich Kazimierz veranlasst, ein oberstes Gericht zu gründen, obwohl es im kleinpolnischen Raum bereits einige Obergerichte gab, an die sich die unteren Gerichte sowie die Schulzen und Vogte wenden konnten?78 Ein wichtiges Motiv lässt sich der Gründungsurkunde entnehmen: 79 Kazimierz beabsichtigte, den Rechtszug nach Magdeburg zu unterbinden, an den sich polnische Gerichte bislang vielfach gewandt hatten. 8o Inwieweit dies tatsächlich gelungen ist, kann nur schwer beantwortet werden, zumal Anfragen bis ins 16. Jahrhundert bezeugt sind. Kazimierz hatte dabei keineswegs die Absicht, das deutsche Recht aus Polen zu verdrängen; im Gegenteil: Er wollte dessen Geltungsanspruch und Kenntnis durch eine stabile Gerichtsbarkeit festigen. Zugleich sollte das deutschrechtliche Siedlungswesen in das polnische Staats- und Verfassungssystem integriert werden. An den Oberhof sollten sich alle wenden können, die nach deutschem Recht lebten. Im Untersuchungszeitraum wurde das Gericht von nahezu 250 Städten und Dörfern angerufen. Zu dieser Zeit war auch die Zahl der von den Dorfgerichten anfallenden Sachen noch erheblich. Im Jahre 1518 wurde dann allerdings den Bauern, die in zunehmendem Maße auch innerhalb der Dörfer dem Sog der Grundherrschaft unterlagen, verboten, sich an königliche Gerichte zu wenden, wodurch sie ganz der adeligen Gerichtsbarkeit anheim fielen. Zunächst stammten die Anfragen überwiegend aus den Woiwodschaften Krakau, Sandomir und Lublin. Der Oberhof konnte seine Spruchtätigkeit im Laufe der Zeit immer weiter ausdehnen, und so wurde im 16. und 17. Jahrhundert auch von außerhalb des kleinpolnischen Gebiets angefragt. 81 77 Weitzel, Recht und Spruch, S. 61, Fn. 32, ist der Ansicht, aus der Urkunde gehe keine erstinstanzliehe Zuständigkeit des Gerichts hervor. Es existieren aber zwei verschiedene Aktenbestände, die eine zweigeteilte Zuständigkeit belegen. 78 Auch die Obergerichte in Kleinpolen riefen den Krakauer Oberhof aufgrund seiner gefestigten Kompetenz an, weshalb sich der Oberhof zur höheren Instanz für diese Obergerichte entwickelte. Erkennbar wird dies auch in unserer Schöffenspruchsammlung. Vgl. etwa Nm. 641, 744, 912, 989, 1037, 1312, 1574. In Kleinpolen gab es Obergerichte in Biecz, Bodzentyn, Brozow, Debica, Frysztak, Golesz, Jaslo, Lanckorona, Lallcut, Miechow, Nowy Sacz, Sandomierz, Sanok, Stary Sacz, Tyczyn, Tyniec und Zwierzyniec. 79 Abgedruckt bei Lysiak, Ius supremum, S. 173 ff. 80 Siehe allgemein zum Bestreben der Territorialfürsten, außerterritoriale Oberhofzüge zu unterbinden und die Gerichtsbarkeit in eigenen Hofgerichten als oberste Instanz zu zentralisieren Weitzel, Gerichtsverfassung im 15. und 16. Jh. 81 Aus Großpolen fragte man dagegen nicht in Krakau an. Dort übernahm das Ratsgericht von Posen die Rolle des Oberhofs.

40

A. Einleitung

Wollte eine Partei den Spruch des Krakauer Oberhofs nicht akzeptieren, bestand nach der Gründungsurkunde die Möglichkeit, sich an die Kommissare der sechs Städte zu wenden. 82 Auch in der Krakauer Spruchsammlung wird für diesen Fall auf die sechs Städte verwiesen. 83 Mit den Kommissaren der sechs Städte ist das Sechs-Städte-Gericht gemeint, welches mit dem königlichen Gericht institutionell verbunden war. 84 Zunächst wurde dieses Gremium noch nicht als Gericht bezeichnet; so wählten auch die Gerichtsschreiber die Wendungen sex civitates oder commissarii sex civitatum. 85 Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts haben sich dann Bezeichnungen wie iudicium commissoriale sex civitatum herausgebildet. 86 An der Spitze des Oberhofs stand der Vogt, der vom König auf Lebenszeit berufen wurde. Ihm zur Seite standen sieben Schöffen, die sich zunächst aus Vögten und Schulzen aus dem Krakauer Umland rekrutierten. Den Bürgern gelang es indessen, sich Plätze auf der Schöffenbank zu erobern. Durch ein Privileg von König Renri III. Valois aus dem Jahre 1574 stand ihnen schließlich das alleinige Recht zu, die Schöffenbank zu besetzen. 87 Nach der Gründungsurkunde sollten die 82 Zum Sechs-Städte-Gericht siehe ausführlich Lysiak, Gerichtshof der sechs Städte. Ders., lus supremum, S. 173: ... quibus sentenciis et iuri per eosdem promuigatis auctoritate nostre regie maiestatis decemimus velut legi standum et tamquam legem obseruandum, nisi aliqui contendencium predictorum dixerint super suis questionibus et causis ius melius et sentencias meliores in oppositum ipsorum promulgatorum iuris et sentenciarum proponendum, et eisdem ab ipsis ad tribunal et solium nostre maiestatis licebit eis appellare et infra tempus dicti iuris Maydeburgensis librorum nostrorum a nobis super eorum prouocacione obtinere certos commissarios, quos volumus et decemimus fore consules ciuitatum, unde ipsi appellantes nominauerint, alteri parti non suspectos, de qualibet ciuitate per duos consules, videlicet de Cracouia, de Sandecz, de Bochna, de Weliczka, de Kazimiria, de Ilkus, qui ex nostra speciali commissione decident appellacionem et finem negocii appellacionis cause imponent. 83 Siehe etwa Nm. 174,254,584,587, 1569. Der Tennin für die Verhandlung vor den sex civitates wurde dabei vom Vogt des Krakauer Oberhofs festgesetzt. Vgl. z. B. Nr. 587, ohne Überschrift: Itemfraw Barbara Knollin sagete an am sonnabint vor Invocavit, wij das se das ortil des obirstin rechtes nicht hette off genomen, sunder se das salth vor dij sachs stete wnd unsir voyt ir das hot gabin off den neestin donestag post Conductum pasce. 84 Das Zusammenwirken von König und den sechs Städten geht aus Spruch Nr. 398, Sentencia de Slawkowia (19. 3. 1461) hervor: ... extunc prenominatus Mathias ab eadem iuris supremi sentencia appellare debet ad faciem domini nostri Regis graciosissimi, hoc est ad sex civitates, secundum iuris Teutonici formam et regalium munimentorum iuxta tenorem, de forma iuris scripti. Siehe auch Nr. 1212, Sentencia de Scarbimiria (11. 5. 1472): ... et suam melioracionem ad sedem alciorem Regie Magestatis sex civitatum prosequi debet, si wit. 85 Vgl. hierzu Nm. 37, 75, 716, 968, 1569 sowie die Bezeichnung in der Gründungsurkunde. 86 Vgl. Lysiak, Gerichtshof der sechs Städte, S. 124 f. Er meint, dies lasse darauf schließen, dass eine Aussonderung des Sechs-Städte-Gerichts aus dem königlichen Gerichtswesen und die Umgestaltung in ein selbstständiges Gericht stattgefunden habe. Siehe hier auch Ausführungen zu den Schwierigkeiten in Fragen der Zuständigkeit und Kompetenz dieses Gerichts. 87 Vgl. Lysiak, lus supremum, S. 47 zu den Verhältnissen an den übrigen kleinpolnischen Obergerichten.

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer überhof

41

Schöffen in dicto iure Maydeburgensi periti sein. 88 Auch sie wurden auf Lebenszeit gewählt und wurden für ihre Tätigkeit finanziell entschädigt. Wir haben somit in den Schöffen eine spezialisierte Fache1ite vor uns, die durch lange Amtsausübung im deutschen Recht geübt war. Im Laufe der hier zu betrachtenden 25 Jahre hat der Oberhof 1178 Sitzungen abgehalten, was einen Jahresdurchschnitt von 47 Sitzungen ergibt. Bei diesen Zahlen muss berücksichtigt werden, dass noch die Fälle, in denen das Gericht in erster Instanz zuständig war, hinzukommen. In dieser Zeit hat er etwa 1600 streitige Sachen behandelt, woraus sich ein Durchschnitt von 65 Sachen pro Jahr ergibt. Das Verfahren vor dem Oberhof wurde schriftlich geführt. Das anrufende Gericht sollte die Akten vollständig und versiegelt übermitteln. Dass die meisten Urteile und Rechtsweisungen des Oberhofs Formeln wie prout nobis scribitis oder super que scripta vestra nobis enthalten, scheint zu bestätigen, dass der Oberhof formell von den unteren Gerichten und auch im Fall der Schelte nicht von den Parteien angerufen wurde. 89 Das beim Krakauer Oberhof durch Boten eingehende Faszikel enthielt das Urteil des unteren Schöffengerichts sowie das dagegen gerichtete Vorbringen der Partei. 9o Die Parteien waren bei dem Rechtszugverfahren nicht beteiligt, sondern mussten nur bei der Abfassung der Anfrage an den Oberhof vor dem unteren Gericht anwesend sein. c) Rechtscharakter der Anjragen91

In den acta decretorum sind die Anfragen der Schulzei- und Vogteigerichte an den Krakauer Oberhof verzeichnet. Wie sind diese Anfragen rechtlich zu qualifi88 Vgl. Lysiak, Ius supremum, S. 171 ff. Der dienstälteste Schöffe vertrat zugleich den Vogt. Zu Einzelheiten siehe ders., Ius supremum, S. 54. 89 Siehe zu dieser Fragestellung im allgemeinen Weitzel, überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 12, Fn. 38. 90 Vgl. Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta Iuris, Einleitung, S. XXV. Dies soll dazu geführt haben, dass das Gericht grundsätzlich nur darüber zu entscheiden hatte, welche Sentenz, die scabinalis oder appellantis, es für richtig erachte. Dem ist insofern zuzustimmen, als die Schöffen zu entscheiden hatten, ob dem Urteil des unteren Gerichts oder aber dem Vorbringen der Partei zu folgen war. Allerdings enthalten bei weitem nicht alle Urteile die Abwägung zwischen der sentencia scabinalis und appellantis. Zudem ist dies eine prozessrechtliche Frage, die mit dem den Anfragen innewohnenden Charakter der Urteilsschelte in Zusammenhang steht. 91 Siehe zu diesem Themenkreis Weitzel, Appellation ans Reichskammergericht, S. 105 ff., der den Übergang der Urteilssche1te zur Appellation schildert. Vgl. ders., Art. Rechtszug, HRG IV, Sp. 442; ders., überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 4-19, der sich hier u. a. mit den Thesen von F. Ebel, Statutum und ius fori, kritisch auseinandersetzt. Er verweist auf die seiner Meinung nach wertvolle Arbeit von Schultze, Privatrecht und Process, S. 37-49,97-215. Ferner Buchda, Rechtsmittel des sächsischen Prozeß, insbesondere auch zur Läuterung und deren Abgrenzung zur Urteilsschelte. Ders., Art. Appellation, HRG I, Sp. 196-200; Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter 11, S. 26 - 30; Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffen-

42

A. Einleitung

zieren? Grundsätzlich können zwei Arten von Anfragen an einen überhof unterschieden werden: Ein unteres Gericht oder der Rat einer Stadt fragt bei einem überhof an, weil Auskunft über eine selbst nicht lösbare Rechtsfrage erbeten wird. Meistens geschah dies aufgrund eines konkreten Falls. Ferner konnte die Anfrage an den überhof durch eine Partei betrieben werden, die mit der Entscheidung eines unteren Gerichts unzufrieden war. Im deutschrechtlichen Verfahrenszug wird sie Urteilsschelte genannt. 92 Bei einem großen Teil der Sprüche kann nicht unterschieden werden, ob es sich um eine Rechtsweisung im engeren Sinne oder aber um ein Urteil, dem bereits eine Entscheidung eines anderen Gerichts vorausgegangen war, handelt. 93 Dies liegt darin begründet, dass der Gerichtsschreiber in den meisten Fällen die Antwort der Krakauer Schöffen festgehalten hat, ohne die Eintragung durch einen Einleitungssatz oder eine Schlusswendung einer der beiden Gruppen zuzuordnen. Für den Eintrag als solchen war dies belanglos, und auch für die Sammlung solcher Entscheidungen als Präjudiz spielte die Unterscheidung keine Rolle. Einigen Sprüchen ist ihr Charakter indessen deutlich anzusehen. Wenn wir zunächst reine Konsultationsanfragen betrachten, können wir manchmal bereits der Überschrift entnehmen, dass Recht im Falle von Unkenntnis gewiesen wird: 94 lnformacio sentencialis dominis consulibus Landczutensibus

sprüche, S. 843-847; Kaufmann, Urteilsfindung-Urteilsschelte, HRG V, Sp. 619-622; Landwehr; ,Urteilfragen' und ,Urteilfinden'; Diestelkamp, Appellation im weltlichen Prozeßrecht; Schott, Freiburger überhof. Zu Vorbehalten gegen die These von der Einstufigkeit der mittelalterlichen Gerichtsverfassung siehe Rödel, Intervention, S. 349 f. Vgl. zur Appellation insbesondere auch die Ausführungen von Weitzel, überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 16 f. Das Stadtrecht habe der Rezeption des römisch-kanonischen Instanzenwesens als des vorformulierten Ausdrucks von Herrschaft im Über- und Unterordnungsverhältnis vorgearbeitet, weil die Rechtsprechung in der Stadt nicht mehr wie auf dem Land als eine Selbstregulierung eines Standes unmittelbar zwischen den Rechtsgenossen stattfand, sondern den Bürgern bereits organisierte Stadtschöffen und der Rat gegenüberstanden. 92 Lysiak, lus supremum, S. 102, unterscheidet zunächst zwischen Rechtsweisungen, die den unteren Gerichten zur Information erteilt wurden, und Appellationen. Auf S. 89 geht er allerdings davon aus, der überhof habe im 16. Jahrhundert seine Tätigkeit als rechtsweisende Instanz verloren und agiere seither nur noch als Appellationsinstanz. Diese Unterscheidung ist meines Erachtens unscharf, denn die Appellation hat die Urteilsschelte und nicht die Rechtsweisung abgelöst. üb daneben auch die Rechtsweisungen zurückgingen, steht zwar sicherlich auch mit der Rezeption im Zusammenhang, ist rechtstechnisch gesehen aber eine andere Frage. 93 Vgl. hierzu Weitzel, überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 12: "Die Anfragen an überhöfe und Schöffenstühle in rechtshängigen Sachen gehen zumindest der äußeren Form nach stets vom Gericht oder vom Rat aus ... Der Unterschied zwischen der Konsultation bei anfänglicher Rechtsunkenntnis und dem Zug nach Schelte kommt in diesen Anfragen nur am Rande als Teil der Prozeßgeschichte zum Ausdruck. Er ist für das Rechtszugverfahren zumeist unwesentlich. In beiden Fällen wird der Sach- und Streitstand dargelegt ... " Weitzel verweist in Fn. 38 auf weitere Untersuchungen, in den berichtet wird, dass Konsultation im engeren Sinne und Schelte nicht unterschieden werden können. 94 Nr. 143, (20. 3. 1458).

II. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer überhof

43

heißt es da etwa. Dann treffen wir auf Eintragungen, die durch die Einleitungsformel ihren Charakter verraten: Providi amici carissimi, presentem vestram litteram pro informacione sentenciali ... 95 Scribitis ad nos pro quadam informacione sentenciali ... 96

Die Schöffen erteilen Rat, weil das anfragende Gericht oder der Rat nicht weiß, wie der Fall zu entscheiden ist. Wenn man versucht, die Anfragen, die von einer Partei wegen Unzufriedenheit mit einem bereits ergangenen Urteil betrieben wurden, prozessrechtlich zu bestimmen, stellt sich die Frage: Haben wir es noch mit der deutschrechtlichen Urteilsschelte zu tun, oder sind diese Anfragen bereits als Appellationen zu bezeichnen?97 Die Urteilsschelte ist geprägt durch die Einstufigkeit des Verfahrens; es wird noch nicht in Instanzen gedacht. Verfahren und Urteil verbleiben beim anfragenden Gericht. Nicht die Subsumtion ist streitig, sondern das Recht selbst. Typisch ist, dass einem Urteilsvorschlag ein zweiter gegenübersteht. Die Parteien sind demnach an der Findung des Urteils beteiligt; der Konsens steht im Vordergrund. Ist das Recht streitig, wird bei einer anerkannten Rechtsautorität um Rat angefragt. Von dieser wird dem anfragenden Gericht kein Urteil oktroyiert, sondern das von der angerufenen Autorität gefundene Urteil wird vom anfragenden Gericht als eigenes Urteil verkündet. "Der Rechtszug ist deshalb nicht Instanzenzug, sondern Einholung von Rechtsauskunft. ,,98 Demgegenüber ist die Appellation, die im römisch-kanonischen Prozess ihren Ursprung hat, geprägt vom Gedanken eines Instanzenzugs. Die Appellation wendet sich gegen ein bereits ergangenes Urteil, wobei in Frage steht, ob der Sachverhalt dem Recht entsprechend richtig subsumiert, das Recht also richtig angewendet worden ist. Kennzeichnend ist dabei schon ein gewisser Obrigkeitsgedanke, da durch die Appellation ein Urteil aufgehoben werden kann. Die Appellation beendet das Verfahren; sie ersetzt das Urteil des unteren Gerichts in vollem Umfang. Wie lassen sich die Krakauer Sprüche einordnen? Einige Schlussformeln deuten auf Appellationen hin. Es heißt etwa, das vom unteren Gericht gefundene Urteil werde aufgehoben (cassa est) oder es habe Bestand (sentencia vestra vigorem habet). Hingegen flillt in etlichen Urteilen ein typisches Merkmal der Urteilsschelte Nr. 145, Sentencia de Prochna (29.3. 1458). Nr. 105, (direkte Anfrage). 97 Die Urteilsschelte wird behandelt in Homeyer, Der Richtsteig Landrechts, Cap. 49. Als anschauliches Beispiel für die Schelte vgl. Goerlitz, Magdeburger Schöffen sprüche, Posen und andere Städte des Warthelandes, S. 59, Nr. 1: Von schaldunge eynes ortilis. Ir habit uns geschrebin eyn ortil, das euer scheppe gesprochen hat. Nu meynen eczliche lute, das nicht recht sy. Ab nu das ortil, das der scheppe gesprochen hat, besten mÖge adir nicht. (Hiruff s. w.e.r.) Das ortil, das der scheppe mit andim scheppen volge gesprochen und yngebrocht hat an rechte wedersprache, das ist bestetigit. v.r.w. 98 Weitzel, überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 7. 95

96

44

A. Einleitung

ins Auge: Der Schreiber berichtet, beide Parteien hätten das ihnen vorgeschlagene Urteil angenommen. 99 Ist dies der Fall, solle das gefundene Urteil auch Bestand haben. Hier zeigt sich die Beteiligung der Parteien bei der Urteilsfindung. Auch das sprachliche Argument kann nicht zugunsten der Appellation ins Feld geführt werden. Zwar spricht die Gründungsurkunde bereits von appellare, doch wie sollte man auch sonst den deutschrechtlichen Ausdruck der Schelte übersetzen?IOO Die in deutscher Sprache abgefassten Urteilsnotizen sprechen dann auch stets von der Schelte: 101 Zint daz eynem yderim unvorsprochnem manne, der sich zeynes schadens dirwegen wil, ist frey, ortil czu scheiden, daz en nicht gerecht dunckit, und zich dorvon vorruffen an hoer dingstat.

Wenn man auch zugeben muss, dass die Urteilsschelte bereits von dem Gedanken beeinflusst ist, man könne ein bereits gefundenes Urteil aufheben, und sie nicht mehr in ihrer Reinform vorliegt, so sind ihre Merkmale doch noch als vorherrschend anzusehen. 102 Die Appellation setzt die Existenz eines durchstrukturierten Rechts voraus, mit Hilfe dessen bestimmte Sachverhalte juristisch erfasst werden können. Durch erneute Subsumtion kann entschieden werden, ob das Recht richtig angewandt wurde. In den Krakauer Entscheidungen wird hingegen noch abgewogen, welches von zwei Urteilen das bessere Recht sei: 103 ... Et sic sentencia appellantis debet habere processum, vestra autem scabinalis sentencia permanebit irrita eo iure, de forma iuris scripti. 99 Nr. 104, Sentencia de Bochna (16. 8. 1457): actor vestram sentenciam in hac causa edictam exaudivit et ipsam laudavit et, ut iuris est, non redarguit nec contradixit, pars eciam rea eandem vestram sentenciam pro iure suscepit, extunc causa circa vestram huiusmodi sentenciam permanere debet, de forma iuris. Siehe ebenfalls als anschauliche Beispiele Nm. 400,1243. 100 Vgl. Diestelkamp, Appellation im weltlichen Prozeßrecht, S. 15: "Daß das Auftreten der Worte appellatio oder seit dem 14. Jahrhundert in den deutschsprachigen Quellen des 14. Jahrhunderts beruffunge nicht als Indiz für eine Appellation gewertet werden dürfen, zeigt sich nicht zuletzt daran, wie schon die ältere Literatur festgestellt hat, dass auch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch Verfahren, die direkt an den König herangetragen wurden, weiterhin als appellatio bezeichnet werden konnten. Appellare ad regem oder appellare regem heißt ursprünglich eben nichts anderes als den König anrufen." 101 Nr. 99, Sentencia de Cracovia (28.7. 1457); weiterhin: ... des scheiders ortil ... , siehe z. B. Nm. 34,58, 108. 102 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts beginnt der Übergang von der Urteilsschelte hin zur Appellation. So hat die Appellation die Urteilsschelte nicht einfach abgelöst, sondern der Übergang vollzog sich allmählich, wobei die Urteilsschelte im Spätmittelalter einigen Veränderungen unterlag, bis sich der Instanzenzug im Laufe des 16. Jahrhunderts durchsetzte. Vgl. Buchda, Die Rechtsmittel des sächsischen Prozeß, S. 307. Bemerkenswert sind auch die hier aufgeführten Beispiele zeitgenössischer Literatur des 16. Jahrhunderts, woraus sich entnehmen lässt, dass das Urteilsschelten in die Appellation übergeleitet wurde. Ferner Weitzel, Appellation ans Reichskammergericht, S. 110 f.; Diestelkamp, Appellation im weltlichen Prozeßrecht, S. 10; Schott, Freiburger Oberhof, S. 66. 103 Nr. 416, Sentencia de Kazimiria (20. 7.1461).

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer Oberhof

45

Die Aussagen von F. Ebel: "Die deutsche Urteils schelte wird nicht nur als appellatio übersetzt, sondern sie ist es zu dieser Zeit wohl auch schon gewesen" und von Weitzel, der das Krakauer Gericht als "echtes Appellationsgericht" bezeichnet, sind somit unzutreffend. l04 Weitzel lässt sich von dem Charakter des Gerichts als Königsgericht in die Irre führen, weshalb er auch dessen Bezeichnung als überhof für unzulässig hält. 105 Dies ist aber lediglich eine gerichtsverfassungsrechtliche Frage, die mit der Einordnung der Sprüche als solcher nichts zu tun hat. In der Tat hatte das Krakauer Gericht eine Doppelfunktion als Königsgericht und überhof. 106 Insofern nimmt es eine Sonderstellung gegenüber anderen überhöfen ein, wie etwa dem Magdeburger überhof oder dem Leipziger Schöffenstuhl. In seiner Funktion als Königsgericht macht sich deutlich der Anspruch, den bereits Kazimierz III. an den Gerichtshof stellte, bemerkbar: Die Anwendung des deutschen Rechts sollte gefördert werden, indem der überhof Abhilfe bei Unkenntnis und rechtlichen Schwierigkeiten leistete. Bezeichnend ist die Einsetzung durch den König, der damit bewusst rechtspolitische Ziele verfolgte, nämlich die Stärkung und Vereinheitlichung des deutschen Rechts bei Wahrung der Unabhängigkeit von anderen rechtskundigen Autoritäten. Trotzdem erfüllt das Gericht die Aufgabe eines überhofs: Es gibt Auskunft bei Unkenntnis des anfragenden Gerichts oder Gremiums und wird bei Unzufriedenheit über eine bereits getroffene Entscheidung angerufen. Angefragt wird von Stadt- und Dorfgerichten, Stadträten, Klöstern,107 übergerichten oder von Privatklägern, die sich direkt nach Krakau wandten. Der überhof wurde als eine Autorität angesehen, an die man sich in rechtlichen Zweifelsfällen wenden konnte oder von der man sich im eigenen Prozess ein günstigeres Urteil erhoffte.

Vgl. F. Ebel, Decreta iuris, S. 539; Weitzel, Recht und Spruch, S. 61, Fn. 32. Ein Oberhof ist ein Gremium rechtskundiger Laien, das auf Anfrage und im Rechtszug Rat und Spruch erteilt. Vgl. Lück, Über den Sachsenspiegel, S. 58, Fn. 142, der darauf hinweist, dass der Begriff ,Oberhof' sich allgemein in der rechtshistorischen Literatur durchgesetzt habe. Der Begriff tauche aber in den sächsischen Quellen nicht auf. In ihnen sei durchgängig von Schöffenstühlen die Rede. In Bezug auf ihre Funktion im Verhältnis zu den Tochterstädten sei aber wohl das gleiche gemeint. Weiterhin Weitzel, Recht und Spruch, S. 61; F. Ebel, Aufzeichnungen von Ratsurteilen und Schöffensprüchen, S. 123, der den europäischen Charakter dieses Phänomens hervorhebt. 106 Deutlich wird dies auch in den Sprüchen selbst, vgl. z. B. Nr. 166, Declaracio ad Florenciam alias Clepars (22.6. 1458): ... quam dominus noster Rex graciosus suas per serenitatis litteras per nos vobis clarius pronunciare et intellegibiliter Jerre remittereque ad iudicium vestre civitatis nobis demandavit ... Der König spricht durch die Schöffen des Gerichts. 107 Siehe etwa Nr. 159, Sentencia de Brzesko monasterii (2. 6. 1458): ... quod soli per vos decemere non poteritis, hoc ad nos pro inJormacione conscribendo, vestris amiciciis finem eiusdem negocii iuxta Jormam iuris Teutonici inJormando pro pecuniis parcium inponemus, de Jorma iuris scripti. 104

105

46

A. Einleitung

d) Sprache und Stil der Sprüche

Abschließend wollen wir die Krakauer Sprüche sprachlich und stilistisch näher beleuchten. Dabei sind generalisierende Aussagen zu ,den' Schöffensprüchen mit Vorsicht zu genießen: 108 Jede Spruchsammlung ist durch ihre individuellen Eigenarten geprägt. Für Form und Inhalt einer Spruchsammlung ist entscheidend, ob es sich um ein Gerichtsbuch handelt, ob es eine Arbeit aus privater Hand ist, ob der Verfasser kompiliert oder systematisch geordnet hat. Auch bei der Charakterisierung der einzelnen Schöffensprüche selbst sind verschiedene Gesichtspunkte zu beachten. Prägend wirkt sich beispielsweise die Ausgestaltung der Anfrage aus, etwa ob es sich um eine Bitte nach Rechtsauskunft oder den Wunsch nach einer Entscheidung handelt. Sie kann vollständig, verkürzt oder gar nicht mit in die Aufzeichnung aufgenommen worden sein. Markante Besonderheit der Krakauer Entscheidungen ist, dass sie überwiegend in lateinischer Sprache abgefasst sind. Zudem weisen sie sprachlich einen hohen Abstraktionsgrad auf. Das Latein ist äußerst präzise, die Terminologie wird sicher und bestimmt verwendet, weshalb die Sprüche prägnanter und klarer erscheinen als deutschsprachige Schöffenurteile. Unsichere Formulierungen konnten im Bereich des Ehegüterrechts nicht nachgewiesen werden. 109 Man wird den Gerichtsschreibern gute Lateinkenntnisse bescheinigen können: So gebrauchen sie beispielsweise häufig Partizipialkonstruktionen; auch die Verwendung von Zeiten, etwa von Perfekt und Plusquamperfekt, ist differenziert. Zudem trifft man auf anspruchsvolle Konstruktionen wie das Gerundivum oder den Ablativus absolutus. Die Satzkonstruktion erinnert indessen oft an den deutschen Satzbau: Das Prädikat steht nicht etwa an letzter Stelle, oder es wird eine der deutschen Sprache eigene Nebensatzkonstruktion gewählt. 110 Bemerkenswert sind zudem volkssprachliche Vokabeln. Polnische wie auch deutsche Wörter werden durch ein alias dem lateinischen angefügt. Die Personen bleiben zumeist anonym; 11 1 nur in sehr seltenen Fällen erfahren wir Namen oder sozialen Stand der Beteiligten. Oft ist schlicht ein Vorname ohne weitere Spezifizierung der Person erwähnt. Man kann überlegen, ob dies bereits auf die Anfrage zurückgeht, ob also das anfragende Gericht die Personen unerkannt lassen wollte, oder ob erst der Schreiber des Oberhofs durch das Weglassen des Namens dem Spruch ein abstrakteres Gewand verliehen hat. Da die Unterlagen 108 Insofern ist die Darstellung von einer einheitlichen Erscheinungsform von Schöffensprüchen bei Weitzel. Recht und Spruch, S. 70 f., unzutreffend. 109 Bemerkenswert ist z. B. die deutliche Unterscheidung von Testament und Vergabung. In den Magdeburger Schöffensprüchen lassen sich die bei den Rechtsinstitute nicht so leicht unterscheiden. 110 Z. B. dicere. quod anstatt dicere in Verbindung mit einer aci-Konstruktion. 111 Vgl. F. Ebel. Aufzeichnung von Ratsurteilen und Schöffensprüchen, S. 131 ff. zur Tendenz bei Sammlungen durch die Empfängerseite, Urteile auf die wesentlichen Rechtsinhalte zu reduzieren.

11. Das sächsisch-magdeburgische Recht und der Krakauer überhof

47

und Akten vom unteren Gericht vollständig und gesiegelt an den Oberhof gesandt werden mussten, ist davon auszugehen, dass die Schreiber für das präjudizienhafte Erscheinungsbild verantwortlich sind. Die Entscheidungen sind in chronologischer Reihenfolge durch die Gerichtsschreiber in das Gerichtsbuch eingetragen worden. 112 Die Sprüche sind knapp abgefasst, ihnen fehlt jede Geschwätzigkeit. Lediglich einige Sprüche in deutscher Sprache neigen zu längeren Ausführungen. Der Schreiber hat die Entscheidungen nicht thematisch überschrieben, was wohl auch typischerweise erst gemacht wurde, wenn eine Privatperson Sprüche zu einer Sammlung zusammenstellte. Genannt wird der Ort, an den die Entscheidung ging, sowie das Datum. 113 In der Krakauer Spruchsammlung werden Anfrage und Antwort der Schöffen nicht getrennt voneinander wiedergegeben. Der Sachverhalt muss daher entweder einem kurzen Verweis in den ersten Sätzen oder aber der Entscheidung indirekt entnommen werden. Darstellung des Sachverhalts und Entscheidung verschmelzen praktisch ineinander. Nur durch eine Gesamtschau kann man Sachverhalt und Entscheidung sowie deren innere Verknüpfung erkennen. 114 Weiterhin fehlt es an einer Einleitung, wie etwa in Magdeburg Hyr uff spreche wyr schepphen zcu Magdeburgk vor recht. Vielmehr heißt es schlicht quod ex quo, sind der czeit oder quod si, was darin begründet ist, dass es keine Teilung in Anfrage und Antwort gibt. Vorhanden ist indessen eine Schlussformel, wie de forma iuris oder de forma iuris scripti. Man könnte zunächst vermuten, die besondere Kürze und das Weglassen der Anfrage seien im Charakter als Gerichtsbuch zu suchen. Die Sprüche wurden indessen in dieser Form auch an das anfragende Gericht zurückgeschickt, was sich an einigen Sprüchen durch die Bezugnahme auf das anfragende Gericht erkennen lässt, wie etwa iuxta vestra scripta oder prout ex scriptis vestris sane intelleximus. Die Krakauer Sprüche kann man demnach als abstrakt und nicht individualisierend bezeichnen. Die Schreiber reduzieren den Fall auf das Wesentliche und versuchen sogar, allgemeine Rechtssätze zu formulieren. Damit gelingt es, die Sprüche als Vorlage für weitere Entscheidungen nutzbar zu machen. 1I5 112 Vgl. Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta iuris, Einleitung, S. XVI, gehen von vier bis fünf Schreibern aus. 113 Vgl. Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta iuris, Einleitung, S. XVIII. Diese Überschrift ist üblicherweise in einer größeren Zierschrift ausgeführt worden. 114 Vgl. zur Art und Weise, wie Schöffen ihre Entscheidung begründen Gudian, Begründung in Schöffensprüchen. Gudian, S. 22, weist selbst darauf hin, dass bei dieser Frage die unterschiedliche Situation des heutigen Richters, der sein Urteil durch Subsumtion ermittelt, und den Schöffen zu beachten ist, und die Frage nach der Begründung dem Rechnung zu tragen hat. 115 Vgl. Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta iuris, Einleitung, S. XXIX. Dort heißt es, das Buch ähnle einer Sammlung von Präjudizien. Vgl. auch Stobbe, Deutsche Rechtsquellen I, S. 280: "Andere haben wir nur in einer Bearbeitung, welche unternommen wurde, um durch das Schöffenurtheil ein Präjudiz für andere ähnliche Fälle zu erhalten; hier liess man Namen und Daten fort, oder deutete sie durch Zeichen an, entfernte alles Individuelle und behielt aus dem Schöffenurtheil nur den Rechtssatz bei."

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs I. Die Erbfolge in der Krakauer Spruchpraxis 1. Der Grundsatz des Verwandtenerbrechts

Wenn wir uns nun den Krakauer Schöffensprüchen selbst zuwenden, sollen zunächst grundsätzliche Fragen zum Erbrecht geklärt werden. Um verstehen zu können, wie die Ehegatten wirtschaftlich beim Tode ihres Partners dastanden - wobei freilich zunächst versorgungsrechtliche Gewohnheiten, Eheverträge, Testamente oder eheliche Vergabungen unberücksichtigt bleiben - ist es erforderlich, die erbrechtlichen Gewohnheiten kurz zu schildern. Dabei soll nicht auf Einzelheiten der verschiedenen Erbschaftsgrade eingegangen werden, denn dies bleibt einschlägigen Monographien zu diesem Themenkreis überlassen. I Vielmehr sollen nur die Grundzüge dargelegt werden. Es kommt hier auch nur darauf an, die erbrechtliche Situation bei Versterben eines Ehegatten oder der Kinder zu erfassen, um die Ausgestaltung des ehelichen Erbrechts herauszuarbeiten. Nach Sichtung sämtlicher erbrechtlicher Sprüche, an denen Frauen beteiligt sind, wurden einige markante Urteile und Rechtsweisungen ausgewählt, die die Kernfragen des Erbrechts repräsentativ und anschaulich behandeln. Der erbrechtliche Grundsatz wird in Spruch Nr. 366 von den Schöffen mitgeteilt: 2 Quod ex quo bona hereditaria iuri Teutonico subiecta post mortem alicuius derelieta secundum formam iuris Teutonici Maydburgensis semper volvuntur ad propinquiorem, quicunque sit in linea consanguineitatis propinquior; sive post gladium sive post fusum.

Erbschaftsgüter3 - so die Schöffen - die nach dem Tode eines jeden anfallen, erbt nach deutschem Recht der nächste Verwandte des Verstorbenen. Dabei ist es I Diese Thematik wird zumeist implizit in den Werken zum ehelichen Güterrecht besprochen. Ausschließlich wird das Erbrecht nach sächsisch-magdeburgischem Recht behandelt bei Meuten, Erbfolgeordnung. Dieser Arbeit lassen sich weitere Literaturhinweise entnehmen. Aus älterer Zeit siehe Schanz, Erbfolgeprinzip. Einen sehr guten Überblick bietet Friese in FrieselLiesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 770 ff. 2 Sentencia de Bobrowa (17. 11. 1460). 3 Was das Erbe beinhaltet, sagen Sachsenspiegel und Weichbildrecht. Hierunter sind nicht nur unbewegliche Güter zu verstehen, auch wenn dies der überwiegende Anteil ist, insbesondere weil die heiden Verrnögenskomplexe Gerade und Heergewäte, die bewegliche Güter umfassen, nicht zum Erbe gehören. Eine Abgrenzung von hereditas und bona mobilia wird in Spruch Nr. 1106, Sentencia de PyIcza (9.5. 1470) erkennbar. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 6 § 1: Mit swelkeme gude de man bestirft, dat het allet erve. v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXVI, § 1: Nu vomemet,

1. Die Erbfolge in der Krakauer Spruchpraxis

49

gleichgültig, ob es sich um die Verwandtschaftslinie nach der Spindel (Postfusum), also die weibliche, oder nach dem Schwert (post gladium), also die männliche handelt. 4 Der nächste Verwandte ist dabei nicht der überlebende Ehegatte, denn er ist nicht Teil der linea consanguineitatis. Er gehört vielmehr der Verwandtschaftslinie der Familie an, aus der er selbst stammt: 5 Quod ex quo ipse Nicolaus filius predicti Stanislai actoris ab hac luce iam decessit et post se nonnulla certa bona mobilia et immobilia, que in legacione vestra sunt descripta, una cum suppellectilibus artis sutorice reliquit, extunc ipse Stanilaus est propinquior ad eadem bona in querelis contenta filii sui predicti vita functi derelicta, quam ipsa Margaretha pars respondens uxor deserta predicti Nicolai, de fonna iuris.

Stanislaus klagt gegen seine Schwiegertochter Margaretha, die Frau seines verstorbenen Sohnes Nicolaus, um einige bewegliche und unbewegliche Güter sowie um Schusterhandwerkszeug. Diese Güter hat sein Sohn Nicolaus hinterlassen. Die Schöffen entscheiden, dass die in der Klage genannten Güter Stanislaus und nicht Margaretha zustehen. Die Ehegatten beerben sich also nicht gegenseitig, was dem Sachsenspiegel und der Praxis der Magdeburger Schöffen entspricht. 6 2. Die Erbfolge bei unbekindeter Ehe

Wer ist nun der nächste Verwandte des verstorbenen Ehegatten? Dies hängt davon ab, ob die Ehe bekindet oder unbekindet war.? Betrachten wir den Fall der unbekindeten Ehe exemplarisch anhand eines Spruchs aus dem Jahre 1460: 8 waz zu dem erbe gehoret in wichbilde noch der ebenbortigkeit. Dorzu gehoret alles eigen, daz unbegabit ist, alles golt unde silber, gewant, wullen unde lynen, phert, ryndere unde swyn, di zu des mannes hove gehen. § 2: Mastswyn gehoren zu dem musteil, halb zu dem erbe; ganze bachen unde syten, schuldern, schincken, kornkasten, melkasten, tische, stule, bencken, badelachin, hantvaz, siechte kisten, phannen, botten, die stille stehen in des mannes erbe, sunder eyn waschkessil, der gehort zu der gerade, kussin die ledig sein, die gehoren zu dem erbe; hunre unde andere vogele, hunde unde katzen, morser und allerhande harnisch unde wapen, sunder daz hie benannt ist, alles silberynne tringkefesse gehoret zu dem erbe. 4 Zu dieser erbrechtlichen Konstellation siehe auch Nr. 820, Sentencia de Golyess (5. 2. 1467). Zu dem Begriffspaar Schwert und Spindel siehe Grimm, Deutsches Wörterbuch XV, Sp. 2592; XVI, Sp. 2505; Ogris, Art. Schwert- und Spindelteil, HRG IV, Sp. 1574. 5 Nr. 1380, Sentencia de Wolborz (3. 2. 1476). 6 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 27 § 1: lewelk wif eift twier wegene: er rade an er

naesten nichtelen, de er van wif halven is beswas, unde dat erve an den naesten, it si wif oder man. § 2: lewelk man van ridders art eift ok twier wegene: dat erve in den naesten evenbordegen mach, swe he si, unde dat hergewede in den naesten swertmach. Vgl. Friese in Friesel Liesegang, Magdeburger Schöffenrecht, S. 783. 7 In der Literatur, aber auch in einigen Quellen, werden auch oft die Begriffe beerbt und unbeerbt benutzt. Diese Begriffe sind allerdings etwas schief, denn beerbt wird die Ehe in

jedem Fall, unabhängig davon, ob aus ihr Kinder hervorgegangen sind oder nicht. s Nr. 326, Sentencia de Schydlow (11. 6. 1460). 4 Obladen

50

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Quod ex quo Dorothea medietatem domus, agrorum et pratorum et aliorum, que habentur in scriptis vestris, Anastazie et Paulo marito eiusdem in vestro iudicio banito resignavit, iuxta quod eanunt scripta vestra, et quamvis Anastazia cum Paulo marito suo prolem non coniuges mutuo facta extitit, extunc medietas medietatis bonorum predietorum taUter resignatorum ad Dorotheam matrem Anastasie viceversa, et ultimata medietas, videlieet quarta pars bonorum superius deseriptorum, ad Paulum iuxta resignacionem devolvi debet, de forma iuris scripti.

Dorothea hat ihrer Tochter Anastazia und deren Mann Paulus die Hälfte des Hauses, der Äcker und der Gärten gerichtlich aufgelassen (resignare)9. Die Eheleute haben zu Lebzeiten keine weitere Vereinbarung über das halbe Haus getroffen und aus ihrer Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Als nun Anastazia stirbt, haben die Schöffen zu entscheiden, was mit dem halben Haus geschehen solle. Nach ihrem Urteil fällt der vierte Teil des Hauses an Paulus. Dies entspricht dem Anteil, der ihm nach der Auflassung seiner Schwiegermutter zusteht. Anastazias Anteil geht hingegen an ihre Mutter Dorothea. Es hilft Paulus auch nicht, dass die Auflassung beide Eheleute als Begünstigte vorsieht; er ist nicht Erbe seiner Frau. Vielmehr erbt die Mutter als nächste Verwandte. Rezipiert ist hier Art. LVII des Sächsischen Weichbildrechts, in dem es heißt, dass das Erbe einer 9 Zum Begriff der resignatio vgl. Käbler; Verzicht und Renuntiation; Goerlitz, Übertragung liegenden Gutes, S. 102 ff.; Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, S. 28 ff.; Oberländer; Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, S. 618. Zur Auflassung siehe Friese in Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 847 ff. Auflassungen waren im sächsisch-magdeburgischen Rechtskreis grundsätzlich vor Gericht vorzunehmen. Vgl. z. B. F. Ebel, Magdeburger Recht 11/ I, Nr. 390, datiert 1339: Hir vfJ spreke wij scheppen zcu Magdeburch vor recht: Jst dij gabe, dy frauwe Barbara Stuppynne mit ghuter vornunfft Johanni WolczhofJer vorreyeht vnde vfJgegeben had, vor gerichte vnde gehegeter bang nicht geschin, sunder vor deme sitczende rathe zu Swidenicz: De gabe ist machtelos vnde dye vorsperrunge, de Petrus Hane, der stadschriber; gethan had, ist ouch machtelos vnde dy vorsperrunge, de Willuseh ufJ der frauwen gud gethan had, da ist her nehir vnde mit besseren rechten bij zcu bUbende, wen Johanni WolczhofJer mit siner gabe on dar van gedringen mag. Von rechtis weghen. Vorsegilt mit vnseme jngesegele. Zugleich ders., Der Rechte Weg I, H 24. Siehe hierzu auch ders., Magdeburger Recht 11/ 1, Nr. 481, datiert 1436-1452; zugleich ders., Der Rechte Weg 1, H 49. Etwas anderes galt in Breslau, wo Vergabungen aufgrund der starken Position des Rates vor diesem zulässig waren. Siehe ders., Der Rechte Weg 2, 0 76: Was ein man vorreicht vor eyme siezende rathe zu Breßlaw, es sey, weme es sey, das dy rathmanne bekennen vor gehegtem dinge, das hat craft und macht gleicherweiße, als es vor gehegtem dinge gesehen were. Die Auflassung von Eigen war ein zweiseitiges Geschäft. Vgl. v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XX: Sal eyn man sin eigen vorgeben in wichbilde nach rechte, do sal yener; der sein eigen vorgeben wil, und ouch ghener; der is entphaen wil, komen in eyn geheget ding vor die vier bencke. So bitte ghener; der daz eigen wil vorgeben eynes vorsprechen, unde frage mit orteiln, wie er sien eigin vorgeben solle, daz is em helfende were zu sinem rechte... Wenn er is denn vorgeben hot, unde ghener is entphangen hat, so frage er mit orteiln, ab is em alzo gegebin ist, alz is em hulflich sy an sinem rechte. Wenn em daz gefunden wirt, so bitte er mit orteil der inwisunge von rechtes halben; zo sal en der richter ader der schultis ynwisen, ader der von deme dy gabe gegeben ist, unde die sehepphen sollen mit em gehen, die do keinwertig warn, daz sy gezug sien, daz is em gegeben sy zu allem rechte.

I. Die Erbfolge in der Krakauer Spruchpraxis

51

kinderlosen Frau an ihren nächsten Verwandten (Magen)lO, männlich oder weiblich, fcilltY Eine Krakauer Eigenheit wird dann aber in folgendem Spruch geschildert: 12 Quod ex quo Katherina presentis scilicet cause pars respondens cum suo viro modo defuncto hec bona, de quibus nobis scribitis, per tot annorum tempora simul laborantes propriis laboribus acquisiverunt, extunc omnia mobilia bona taliter per eos acquisita ad eandem Katherinam post suum virum pertinent et pertinere debebunt, bona vero immobilia, sicut sunt hereditates, ad Raphaelam fratrem videlicet eiusdem defuncti viri hereditarie pertinebunt, de forma iuris scripti.

Der Mann der Katherina stirbt, ohne Kinder zu hinterlassen. Nunmehr wird angefragt, wer die Güter erben soll. Die Schöffen unterscheiden zwei Vermögensmassen: Die beweglichen Güter, die die Ehegatten durch gemeinsame Arbeit hinzugewonnen haben, werden der Witwe zugesprochen. Weiterhin wird um unbewegliche Güter gestritten. Diese sind nicht gemeinsam erarbeitet, sondern Erbschaftsgüter des verstorbenen Mannes. Daher fallen sie auch nicht an Katherina, sondern an Raphael, den Bruder des verstorbenen Mannes. Die Erbfolge in die unbeweglichen Güter entspricht den besprochenen Erbregeln. Anders verhält es sich aber mit den beweglichen Gütern: Da diese gemeinsam erarbeitet wurden, gebühren sie der Witwe. Soweit es mir durch die Sichtung Magdeburger Schöffensprüche bekannt ist, haben die Magdeburger Schöffen nicht in dieser Weise entschieden. Wir können daher wohl von einer eigenständigen Entwicklung in der Spruchpraxis des Krakauer Gerichts ausgehen. Eine besondere rechtliche Behandlung des Kaufgutes entspricht indessen der allgemeinen Rechtsentwicklung. 3. Die Erbfolge bei bekindeter Ehe

Wenden wir uns nunmehr der bekindeten Ehe zu. Als Ausgangsfall kann Spruch Nr. 1489 dienen: I3 Ex quo filia post patris mortem in bona patema tanquam heres vera se intromisit et ea possidet et tenet, iuxta scripta vestra, extunc filia propior est bonis patemis velut heres obtinendis et possidendis, quam patruus eius, de forma iuris.

Nach dem Tod des Vaters tritt die Tochter in dessen Güter ein. Dagegen möchte offenbar der Bruder ihres Vaters, der patruus, vorgehen. Die Schöffen ziehen die Tochter dem Bruder des Verstorbenen vor. Wäre die Ehe kinderlos geblieben, wäre Siehe hierzu Grimm, Deutsches Wörterbuch XII, Sp. 1435. v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. LVII: Stirbit eyne frouwe ane erben, do sy keyne erben gewonnen by irem manne, sy erbit ir teil uff iren nehisten magen, is sy wip ader man, der ir ebenbortig ist. Daz selbe tut der man mit sinem teile. 12 Nr. 443, Sentencia de Czanstochowia (29. I. 1462). 13 Sentencia de Byecz (9.5. 1478). 10

11

4*

B. Die Spruchpraxis des Krakauer überhofs

52

wie im zuvor behandelten Spruch der Bruder als nächster Verwandte der Erbe. So aber hat er hinter der Tochter des Erblassers zurückzustehen. Dieses Ergebnis bestätigt ein weiterer Spruch l4 , in dem die Kinder beim Tod der Eltern der Schwester väterlicherseits vorgezogen werden. Zur Verdeutlichung der bislang aufgezeigten Erbregeln sollen noch zwei weitere Fälle herangezogen werden. Zunächst ein Spruch nach Krosno:1 5 Sint der czeit das der man, von dem ir wns schreybet, hot genomen eyn eliche frawe in seyn guth, mit welcher her gelosin hoth eyn kinth, und ist selbir gestorbin, domoch ouch dy muttir gestorbin ist, alzo das das guth allenthalbin wider kommen ist an das kinth, und zo das kinth gestorben ist und czu dem gutte sich czien der eldir vatir von der muttir und dy babe, das ist des kindes vater muttir; so zollin sy das guth von beydin teylin undir sich gleich teylin issey wenig adir vii. Von rechtes wegin.

Ein Mann hot genomen eyn eliche frawe in seyn guth: Damit bringt der Gerichtsschreiber zum Ausdruck, dass die Frau nach der Heirat zu ihrem Mann in dessen Gut gezogen ist. Aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen. Zunächst stirbt der Mann, später auch die Frau. Das angesprochene Gut befindet sich nunmehr bei dem Kind. Als auch das Kind stirbt, sind die Schöffen damit befasst, wer als dessen Erbe anzusehen ist. Sie bestimmen, dass das Erbe gleichermaßen zwischen dem Vater der Frau und der Mutter des Mannes aufzuteilen ist. Die beiden sind wohl die noch einzig lebenden Verwandten der nächsten Linie. Auffallend ist, dass auch der Vater der Frau erbt, obwohl es sich ja ursprünglich um Güter des Mannes handelte. Wie ist dies zu erklären? Mit dem Tod des Kindes tritt ein neuer Erbfall ein, der von dem vorherigen getrennt zu betrachten ist. Da das Kind selbst noch keine Nachkommen hat und seine Eltern bereits verstorben sind, sind die Großeltern die nächsten Erbberechtigten in der Verwandtschaftsordnung des Kindes. 16 Damit konnte ein Teil des Gutes des Mannes an die Familie der verstorbenen Frau gelangen. Das zweite Beispiel beinhaltet zwei Rechtsweisungen nach Zarnowiecz, die denselben, fortgesetzten Fall behandeln: 17 Der Mann der Katherina Klichnowa ist Nr. 961, Sentencia de Welopole (16. 5. 1468). Nr. 918, Sentencia de Crosna (2. 1. 1468). 16 Auffällig ist hier, dass der Spruch an einen ürt geht, in dem für die ehe güterrechtliche Absicherung das Dritteilsrecht - eine regionale Besonderheit - gilt. In Bezug auf das Erbrecht nach dem Tod des Kindes entscheiden die Schöffen im Sinne des Magdeburger Rechts. Siehe aus dem sächsisch-magdeburgischen Rechtskreis Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV I 11, 35: Stirbit eyn kint und lesit lebinde czwu eldinnutir; eyne von dem vatir; die andir von der mutir; und lesit ouch lebinde synis vatir brudir und synis vatir swestir und ouch synir mutir swestir; alle di vorgenantin lute, beyde dy eldinnutir und synis vatir brudir vnd synis vatir swestir und synir mutir swestir nemyn mit rechte alle gliche des vorgenantin kindis gute. 17 Nr. 1418, (24. 10. 1476); Nr. 1425, (20.11. 1476). Hier ist es zu einer wiederholten Anfrage an den überhof gekommen, weil den Krakauer Schöffen zunächst mitgeteilt wurde, aus der Ehe der Katherina Klichnowa seien zwei Kinder hervorgegangen. Zum Verständnis des Sachverhalts sind daher beide Sprüche heranzuziehen. Diese Fälle der wiederholten, klarstellenden Anfrage sind als Läuterung zu klassifizieren. Vgl. Buchda, Rechtsmittel des sächsisehen Prozeß; Friese in Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 810- 814. 14

15

I. Die Erbfolge in der Krakauer Spruchpraxis

53

gestorben. Er hinterlässt vier gemeinsame Kinder, die ihn beerben. Allerdings sterben nach dem Tode des Vaters drei der Kinder. Die überlebende Tochter ist mit Mathias Lanifex 18 verheiratet. Aus dieser Ehe geht ein Sohn hervor. Als auch die einzig noch lebende Tochter stirbt, wird ihr Sohn Erbe. Zwischen Katherina und ihrem Schwiegersohn Mathias kommt es zum Streit, als schließlich auch der Sohn des Mathias, der Enkel der Katherina, stirbt. Die Schöffen erklären Mathias zum Erben. Katherina ist allerdings Erbin ihrer zuvor verstorbenen drei Kinder, die offenbar selbst noch keine Kinder hatten. 19 Bislang kann festgehalten werden, dass Ehegatten nicht ihren verstorbenen Partner beerben. Hat der Verstorbene Kinder hinterlassen, treten diese das Erbe an. Stirbt ein Kind, ohne bereits eigene Nachkommen zu haben, erben dessen Eltern. Sie gehen den Großeltern vor. In den Krakauer Schöffensprüchen beerbt die Mutter das verstorbene Kind allerdings immer erst dann, wenn ihr Mann bereits verstorben ist. zo Der Vorrang des Mannes vor seiner Frau bei der Beerbung der Kinder entspricht dem Recht des Sachsenspiegels;Zl und auch die Magdeburger Schöffen urteilen in diesem Sinne?Z Wir haben hier eine Konstellation, in der die Frau Güter ihres verstorbenen Mannes erbt: mit dem Umweg über ihre Kinder als deren Erbin. 23 Dass die Unterscheidung von bekindeter und unbekindeter Ehe von immenser Wichtigkeit war, veranschaulicht folgende Entscheidung: z4 Quod si ista bona, de quibus nobis scribitis, fuerunt awi et matris pueri istius et puer post matrem conflens quatuor angulos mortuus est et hoc actor docere potest, prout iuris est, extunc propior est idem actor eandem medietatem bonorum post suum puerum obtinere, quam pars rea ipsum per annum et diem, secundum, tercium etc. evadere posset, de forma iuris. 18 Vgl. Habei, Mittellateinisches Glossar: lanificium - Wollarbeit, Verarbeitung von Wolle; lanifica - Woll spinnerin. 19 Vgl. Friese in Friese/Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 778. Nach Magdeburger Recht werden Kinder von ihren Eltern beerbt, wenn sie selbst keine Kinder hinterlassen (sog. Schoßfall). 20 Zu dieser Konstellation finden sich zahlreiche Urteile, siehe z. B. Nm. 224, 143, 211, 236,442,524,778,833,1024,1074,1304,1370,1461. 21 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 17 § 1: Stiift de man ane kint, sin vader nimt sin erve; ne hevet he des vader nicht, it nimt sin muder mit mereme rechte, den sin bruder. 22 Vgl. etwa F. Ebel, Der Rechte Weg, I, A 90: Sterben kynder eyns adir alle, so erben si ir gut uf die muter. K 49: Hyruf sprechin wir scheppen zu Magdburg: Der toden kynder erbe und gut sal volgen der muter nehir denne der kynder swester. Behrend, Magdeburger Fragen, B. I. Kap. 7 Di. 1: Stirbet der kinder eyns adir alle, so erben sy ir gut allis vort uff dy muter. Siehe hierzu im einzelnen Meuten, Erbfolgeordnung, S. 197 ff., der sich mit der anders Jautenden Meinung von Schanz, Erbfolgeprinzip, S. 87, Fn. 226, auseinandersetzt. 23 Vgl. Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /11,29: Stirbit eyn man und hot her gut unvorgebin, daz selbe gut erbit uf syne kindir, ab sy (im) ebinburtig sint und stirbit der kindir ir keynes, syn teil daz vellit uf syne mutir und di mutir enmag nicht mit deme gute tun ane der erbin gelob. 24 Nr. 113, Sentencia de Andrzeow (3. 10. 1457).

54

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Ein Mann verklagt seine Schwiegermutter um die Hälfte der Güter, die der Schwiegermutter und ihrer Tochter, also der Frau des Klägers, gemeinsam gehörten. Der Streit ist entbrannt, nachdem die Frau des Klägers gestorben ist. Aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen, welches allerdings kurz nach seiner Mutter starb. Streitig ist, ob das Kind noch die vier Wände beschrieen hat (conflens quatuor angulos), bevor es starb. Frau und Kind sind während oder kurz nach der Geburt gestorben. Die Frage ist, ob in einem solchen Fall die Ehe als bekindet oder als unbekindet gilt. Wenn sie unbekindet ist, bekäme die Schwiegermutter den Anteil, den ihre Tochter an den Gütern hatte. Ist die Ehe bekindet, stünde dem Ehemann der Anteil seiner Frau zu, denn das Kind war - wenn auch nur für kürzeste Zeit - Erbe der Mutter, und dessen Erbe ist wiederum der Kläger. Damit die Ehe als bekindet anerkannt werden kann, muss das Kind nach Ansicht der Schöffen zumindest lebendig geboren worden sein. Ob dies der Fall ist, bemisst sich danach, ob das Kind die vier Wände beschrieen, also Lebenskraft gezeigt hat. 25 Weiterhin befinden sie, der Kläger müsse diesen Umstand beweisen, damit ihm der Anteil seiner Frau an den Gütern zukommen könne. Als nächstes wollen wir uns der Frage zuwenden, ob Kinder beiderlei Geschlechts die Eltern zu gleichen Teilen beerben. Der Sachsenspiegel sieht nämlich im ersten Erbenkreis lediglich den Sohn vor. Die Tochter erbt nur, wenn aus der Ehe ihrer Eltern kein männlicher Nachkomme hervorgegangen ist. 26 Dagegen ist die Bevorzugung des Sohnes in den Quellen des Magdeburger Stadtrechts nicht zu finden;27 vielmehr sind Söhne und Töchter in der Erbfolge gleichberechtigt, ein Befund, der uns einmal mehr die rechtliche Entwicklung in der Stadt vor Augen 25 Vgl. Eckhardt, Sachsenspiegel, Lnr., 20 § 1: Swenne de sone na des vader dode levet also lange, dat men sine stimme horen mach in vir enden des huses, so is he beerft mit sines vader lene, unde hevet it gevemet allen den de dat gedinge dar an hadden ... ; ders., Sachsenspiegel, Ldr., I 33, wonach vier Männer das Kind haben schreien hören müssen, damit es als lebendig geboren gilt. Ein Beispiel aus einem anderen Rechtskreis ist zu finden bei Kraut, Lüneburger Stadtrecht, S. 19: Sterfft en man vnd leuet sin wiff, na sineme dode wert er en kind van deme suluen manne vnd leuet id a/zo lange, dat id de veer wende bescryget, also dat id de nabur nedene vnd bouene horet vnd betughet, de vrowe schal de herewede beholden binnen deme hus. 26 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 17 § I: Vader unde muder; suster unde bruder erve nimt de sone, unde nicht de dochter; it ne si dat dar nen sone ne si, so nimt it de dochter. Zu dieser SachsenspiegelsteIle siehe Rummel, Stellung der Frau, S. 166 ff. 27 Siehe hierzu zahlreiche Nachweise bei Friese in Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 776 ff.; Meuten, Erbfolgeordnung, S. 160 ff. Vgl. auch Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, I, 6: Der son und di tochter sin glich erbe zcu nemene. Wo abir son und tochtir nicht ensint, alle, di sich gliche nahe gesippe mogin, di nehmen daz erbe gliche. Onloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. VI, Di. I: Daz kint ist daz neste. Son unde tochter sin glich an erbe czu nehmen. Dass im Magdeburger Recht der generelle Vorzug der Männer vor den Frauen beseitigt wurde, bezweifelt F. Ebel, "Halue bord scrikket nicht", S. 55, der sich auf einen Fall der Erbkonkurrenz von Kindern von Halbgeschwistern bezieht.

I. Die Erbfolge in der Krakauer Spruchpraxis

55

führt. Wir wollen sehen, wie die Krakauer Schöffen entscheiden. Dem bereits zuvor betrachteten Spruch Nr. 141828 lässt sich ein Grundsatz der Schöffen entnehmen: Quod si maritus, qui fuit eiusdem Katherine Klichnowe, mortuus est et post martern suam dimisit filium et filiam, cuius bona iam fuerunt eorundem duorum puerorum sorte equali divisa ...

Der Mann der Katherina Klichnowa ist gestorben, wobei er einen Sohn und eine Tochter hinterlässt. Nach Auffassung der Schöffen beerben Sohn und Tochter ihren Vater zu gleichen Teilen. Die Krakauer Schöffen folgen damit nicht dem Sachsenspiegel, sondern liegen im Einklang mit der Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen?9 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sie wiederum den Sachsenspiegel zu Rate ziehen, wenn es um die grundsätzliche Aufteilung einer Erbschaft unter Geschwistern geht: 3o Die Schwestern Katherina und Agnes streiten um die Aufteilung des Erbes. Das anfragende Gericht hat entschieden, dass die ältere Schwester die Teilung vorzunehmen hat und die jüngere Schwester daraufhin ihren Anteil aussuchen darf. Diese Entscheidung wird von den Krakauer Schöffen bestätigt. Sie wenden demnach den Teilungsgrundsatz an, der bereits im Sachsenspiegel - dort allerdings bezogen auf die Söhne - vorzufinden ist,3) der auch von den Magdeburger Schöffen herangezogen wird. 32 28 Dieser Spruch betrifft den zunächst geschilderten Sachverhalt, bei dem die Schöffen davon ausgehen, aus der Ehe seien zwei Kinder hervorgegangen. 29 Auch in den weiteren Gliedern wird nach Personenzahl aufgeteilt. Vgl. etwa Laband, Magdeburger Rechtsquellen, Das Magdeburg-Breslauer Recht von 1261, § 20: Of sich ein erbe vorswesteret oder vorbruderet, die sich geliche na dazu gezien mugen, die nemen daz erbe geliche. F. Ebel, Der Rechte Weg 1, E 74: ~r scheppen zu Magdburg sprechin noch schult und noch antwort das nochgeschrebene recht: Was die vier kynder, die noch Nickel Nonners, ihres vaters, und auch noch irer muter tode gestorbin sint, erbes und gutes gelaßin haben, das ehn von iren eldim ankomen ist, es sey an erbe und eygen, farnde habe und hufen, die sie vorerbin mogen, das habin sie fort geerbit uf ire große muter und uf ihres vater rechte bruder und swester von voller geburt, und was der leute sint, die haben alle gleiche recht zu deme erbe und gute und sollen durch recht das gleiche teylen noch personen czale. v.r.w. 30 Nr. 1218, Sentencia de Proschowicze (17. 6.1472): Quod ex quo prius vestra mediante sentencia decrevistis inter partes superius descriptas, quod senior soror iuniori debet facere similem divisionem et iunior debet eligere ... 31 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. III, 29 § 2: Swar twene man en erve nehmen scolen, de eldere scal delen unde de jungere scal kesen. 32 Vgl. z. B. F. Ebel, Der Rechte Weg I, F 13: ... Wollet irdenne des hauses und hofes vor 300 marg groschin nicht behaldin, so muss man noch laute des artickels das haus und hof achten, als billich ist, und das muste der eldiste denne wirderen und uf ein gnant gelt seczin, und wer denne der jungste is, der hat die macht zu kießen, ap das haus und hof etc., als das gewirdiget und geschaczt ist, behaldin, will er abir dem eldisten das laßin, wer denne das beheldet, der muss die andem abelegin, und dem sechsten teyle und dem virdin teyle must ir und euer geswisterde noch personen czale gleiche teylen, als euch vormals uf schult und antwort vor recht geteylet ist. V. r. w.

56

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Die Güteraufteilung unter Geschwistern scheint oft zu rechtlichen Schwierigkeiten und Streitereien geführt zu haben, wie die Fülle von Entscheidungen zu diesem Problemkreis belegt. Exemplarisch seien zwei Fälle angeführt: Katherina verklagt ihren Bruder Andreas um einen Teil des elterlichen Erbes?3 Andreas möchte sie nicht teilhaben lassen, sondern sie ebenso in Geld entschädigen, wie er bereits seine zweite Schwester ausbezahlt hat. Katherina ist damit aber nicht einverstanden. Sie besteht darauf, ihren Erbteil zu erhalten. Nach dem Schöffenurteil ist Andreas auch verpflichtet, ihr den Anteil zu gewähren. Dass grundsätzlich eine Auszahlung möglich ist, zeigt Spruch Nr. 1130. 34 Hier erhalten zwei Söhne jeweils eine Schulzei und der dritte Sohn wird zum Ausgleich mit einem jährlichen Zins abgefunden. Erforderlich ist diese Lösung wohl, weil der Vater zwei Schulzeien besaß und diese wegen der mit ihnen verbundenen Herrschaftsrechte nicht an drei Söhne aufgeteilt werden konnten. Die Erbauseinandersetzung zu gleichen Teilen setzt allerdings voraus, dass die Kinder noch nicht von den Eltern abgesondert sind. 35 Absonderung bedeutet die vermögensrechtliche Verselbstständigung eines Kindes von den Eltern, indem es von diesen Zuwendungen zur Begründung einer eigenständigen wirtschaftlichen Lebensstellung erhält. 36 Grundsätzlich führte die Absonderung nach Sachsen33 Nr. 1104, Sentencia de Scala (23.3. 1470): Quod ex quo Katherina proposuit contra ipsum Andream fratrem germanum pro parte patrimonii et matrimonii ad ipsam concemente tocius hereditatis, et Andreas sibi hoc recognoscit, volens sibi illam partem exsolvere, ut alteri sorori, sed Katherina solucionem habere non wit, sed suam partem patrimonii et matrimonii tocius hereditatis a fratre suo habere wlt; et ex quo ipse Andreas eandem partem sui sorori patrimonii et matrimonii recognoscit, extunc eadem pars ipsi Katherine par cum suo fratre venire debet iuxta recognicionem ipsius, de forma iuris. 34 Sentencia de Lanczhutt (22. 10. 1470): Quod si pater ipsius partis adverse fuit introductor in bona eadem hereditaria materna, pro quibus lis agitur; et eadem bona hereditaria scolteciarum dictarum flliis suis post obitum matris eorum divisit et partitus est, uni fllio dedit scolteciam in Hanzlowka et alteri fllio in Scheleczka scolteciam et tercio fllio manens pater in Halwigowa solvit annuatim censum quatuor marcarum et hoc ipsum ad acta vestra iudicialia induxit et inscripsit; et postea prefata actrix, videlicet media soror; per tam longum tempus sustinuit usque ad tricesimum annum, iuxta quod in scriptis vestris comperimus, et siluit et nunquam fratres suos iure mediante monuit neque impedivit, extunc adhuc silere debet; et prefati fratres eadem bona scolteciarum iuxta contenta registri vestri tenere et possidere debent pacifice et quiete ad tempora evitema, de forma iuris. 35 Vgl. Nr. 182, Sentencia de Lelow (26.9. 1458): ... frater cum sorore germani fuerunt indivisi, extunc bona ista, pro quibus lis agitur; debent dividi inter partes per medium. Hier wird eine hälftige Teilung nur vorgenommen, wenn bewiesen werden kann, dass noch keine Absonderung der Geschwister stattgefunden hat. 36 Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch I, Sp. 99; Ogris, Art. Ausstattung, HRG I, Sp. 269; ders., Art. Abschichtung, HRG I, Sp. 13; siehe auch Meuten, Erbfolgeordnung, S. 165, Fn. 571, der darauf hinweist, dass die zum Teil in der rechtshistorischen Literatur getroffene Unterscheidung von Abschichtung und Ausstattung in den Quellen des Magdeburger Rechts nicht zu finden ist. Dass bei der Abschichtung durchaus nach verschiedenen Gütern unterschieden wurde, zeigt sich bei F. Ebel, Der Rechte Weg I, F 17: ... Hat euer vater euer swester czu manne gegebin und hat er an metegobin, cleydem und bettegewande ir gegebin, was er ir gunste, domete muste sie ausgeradt bleybin und ir en durfet ir adir irem manne von

I. Die Erbfolge in der Krakauer Spruchpraxis

57

spiegel und Sächsischem Weichbildrecht dazu, dass die abgesonderten Kinder nicht mehr an der Teilung des Erbes partizipieren konnten. Zu fragen ist aber, ob das Erbrecht wieder aufleben kann, wenn das Kind dasjenige, was es zur Absonderung erhalten hat, wieder in die Erbmasse einwirft. Im Gegensatz zur Rechtsprechung der Magdeburger Schöffen ist dies nach dem Sachsenspiegel möglich. 37 Die Krakauer Schöffen entscheiden in einem Urteil nach Lelow 38 im Sinne des Sachsenspiegels und lassen eine Einwerfung des abgesonderten Gutes ZU?9 Sind bereits sämtliche Kinder abgesondert, wird das Erbe unter allen gleichermaßen aufgeteilt. 4o

euem lehn keyne aussaczunge thun. Hette abir euer vater rente adir czinse, die ym und seinen erbin czugeschrebin stunden, do hetten euer swestem so gut recht czu also ir. 11. r.w. 37 Vgl. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 13 § 1: Sundert vader unde muder enen eren sone oder ene ere dochter van en mit erme gude, se twein sek mit der kost oder ne dun, willet se na des vader dode oder na der muder dode an er erve dei spreken, de bruder an der brudere, oder de gemannede dochter an der umbestadeden suster; se moten in de deZe brengen mit erme ede al dat gut, dar se mede af gesundert waren, of it is varende gut sunder rade. Is it aver andere gut, dat men bewisen mach, dar ne mogen se nicht vore sweren. Zugelassen ist das Einbringen aber auch bei Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XX, Di. XI; Rondi, Das Eisenacher Rechtsbuch, I, 40,65. F. Ebel, Magdeburger Recht I, VI Nr. 16: Hir vp spreke wy scheppin to Magdeburg eyn recht: Wat dy vader erffelikes gutes vnd varende haue na syme dode gelaten hefft, dy hefft he geeruet vppe synen son, dy in der were bestoruen is, vnd dy uthgeraden brüder hebben dar neyne deyl ane, sunder sint dar menlike lehinguder adir vorbriuede guder, dy ome vnd synen eruen to geschreuen sin, dy hefft he geeruet vp syne dry sone nach personental, vnd dy vtgeraden bruder döruen denn nicht wedder inbringen, dar sy mede vtgeraden synt nach meydeborgischem rechte. Von rechtis wegen. Vorsegilt mit unserm ingesegele. Die Magdeburger Schöffen beziehen die Ausschließung der ausgestatteten Güter nur auf das gewonnene und erworbene Erbgut sowie auf die Fahrhabe. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich die Wiedereinwerfung gerichtlich vorzubehalten. Vgl. z. B. Friese/Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, III B, No. 20: sp.w.sch.cz.M.e.r.: Die tochter, die ire vater zcu manne gegeben had, mag dor mit der andem tochter, die in dez vater were umberaten bestorben ist, an vatererbe keynen teyl nehmen; is en sie denne, daz dy sunderunge unde der dryszig schog inbrengunge vor gerichte alzo bescheiden unde gemacht ist, daz sie moge inbrengen unde denne vatirerbe nehmen. Hat abir ouch der vater stende eygen, daz im angestorbin sie, gelazin, des sich die gemante tochter vor gerichte nicht vorczogin hat, dar mag die selbe bestatte tochter erbe nehmen unde erbeteil ane vordem. lI.r.w. Siehe zum Problemkreis der Einwerfung detailliert und in verschiedenen Fallgruppen Meuten, Erbfolgeordnung, S. 165 ff. 38 Nr. 1202, (4. 2. 1472). 39 Dies legt die Vermutung nahe, dass sich Schöffen an dem orientiert haben, was sie schriftlich vorliegen hatten, denn im Weichbild findet sich keine Aussage zu diesem Problemkreis. Siehe hierzu ausführlich C. IV 2. 40 Siehe hierzu die Nachweise bei Friese in Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 775.

58

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

4. Zusammenfassung

Die erbrechtliche Situation der Ehefrau kann folgendermaßen zusammengefasst werden: 41 Die Ehefrau ist nicht Erbin ihres Mannes. Sind Kinder vorhanden, treten sie das Erbe ihres Vaters an. Ist die Ehe hingegen unbekindet, erbt die Familie des Mannes. Lediglich in zwei Fällen ist die Frau am Erbe des Mannes beteiligt: Zum einen, wenn sie unabgetrennt mit den Kindern im Erbe des Mannes wohnen bleibt. 42 Dann wird sie aus den Gütern durch die Kinder mitversorgt. Zum anderen, wenn nach dem Tod des Mannes eines ihrer Kinder stirbt. Dieses wird von ihr beerbt. Das Erbrecht diente demnach nicht der Absicherung der Witwe. Diese Aufgabe kam ehe güterrechtlichen Rechtsgewohnheiten, ehegüterrechtlichen Vereinbarungen, Testamenten oder Vergabungen zu. Schließlich ist hervorzuheben, dass zahlreiche Entscheidungen Bezüge zum Sachsenspiegel oder zum Sächsischen Weichbildrecht aufweisen. Darüber hinaus bewegen sich die Krakauer Schöffen in weiten Teilen im Einklang mit der Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen. Die Krakauer Schöffen haben - zumindest was den hier untersuchten Kernbereich des Erbrechts angeht - auch tatsächlich nach sächsisch-magdeburgischem Recht geurteilt.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit? 1. Literaturüberblick "Die Gerade ist ein wesentliches und unentbehrliches Glied im Organismus des älteren Sächsischen Familiengüterrechts. Sie hat diese Stellung auch, ungeachtet sich die umgebenden Rechtsinstitute änderten und manche Voraussetzung und Stütze im Laufe der Zeit wegfiel, noch lange behauptet, so dass es sich an den meisten Orten des Sächsischen Rechtsgebiets bis in unser Jahrhundert erhielt und, obwohl schon lange morsch und zerklüftet, doch erst in diesem vor dem Hauch des modernen Geistes völlig in Trümmern fiel."

So wortgewaltig und bildhaft äußert sich Agricola43 im Jahre 1869 - vom evolutionistischen Zeitgeist geprägt - zur Gerade. Bei ihm und anderen seiner zeitgenössischen Autoren, die sich mit dem Ehegüterrecht befassen, nimmt die Behandlung der Gerade einen breiten Raum ein. Dabei geht es hauptsächlich um ihren Inhalt 41 Aus der Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen vgl. z. B. F. Ebel, Der Rechte Weg 1, A 13: Hat der man seiner frauen gut und erbe direrbet und ist der frauen dorczu was gegebin vor gerichte, das sal sie behalden. Hat ir auch der man was benanten guts an seime erbe gegebin adir an farnder habe vor gerichte, das sal sie auch behalden. Anders hat sie an ihres mannes gute nicht mehre. Auch der frauen was stehindes erbis adir eygens anerstorben von iren eidern, das behelt sie auch czuvor. v.r.w. 42 Vgl. z. B. Nr. 1000, Sentencia de Bochnya (30.9. 1468). 43 Agricola, Gewere, S. 424.

H. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

59

und die Erbfolge sowie insbesondere um ihre rechtliche Konstruktion. Auffällig ist, dass der Gerade im Spätmittelalter zumeist ein Niedergang nachgesagt wird. Selbst Agricola äußert sich in dieser Weise,44 weshalb das Eingangszitat aus seinem Werk zunächst um so mehr verwundern muss. Im Folgenden soll die Gerade in der Spruchpraxis der Krakauer Schöffen untersucht werden, da immerhin in über 40 Urteilen und Rechtsweisungen von diesem Rechtsinstitut berichtet wird. Die wirtschaftliche Bedeutung der Gerade im Gesamtgefüge der ehegüterrechtlichen Absicherung wird dabei besonders herausgearbeitet werden. Zunächst wird berichtet, wie das Rechtsinstitut der Gerade bisher in der Literatur dargestellt wurde. Wie bereits der Literaturüberblick gezeigt hat, wurden die meisten Darstellungen zum ehelichen Güterrecht - und somit auch zur Gerade im 19. Jahrhundert verfasst. Neuere Stellungnahmen zu diesem Rechtsinstitut, wie der Artikel von Bungenstock45 oder die Monographie von Rummel46 , fassen lediglich ältere Literatur zusammen. 47 Im Deutschen Wörterbuch wird die Gerade als "fahrende Habe der Frau, Hausrat und Kleider, vor allem aber der weibliche Schmuck und Putz" definiert. 48 Allgemein wird angenommen, dass das Wort Gerade auf einen dem altnordischen reidh verwandten Wortstamm zurückzuführen ist und ursprünglich Brautschmuck oder Aussteuer bedeutete.49 In der Bedeutung von Aussteuer finden sich die Worte rheda und mahalareda in den Volksrechten wieder. Daher ist Kroeschell der Auffassung, die Gerade sei bereits ein Element des Sächsischen Stammesrechts, da sie schon in der Lex Thuringorum bezeugt sei. 50 Sachsenspiegel und Sächsisches Weichbildrecht unterscheiden zwei Formen der Gerade: 51 Zum einen die Witwengerade als ein Sondervermögen52 , welches die Vgl. Agricola, Gewere, S. 425. Bungenstock, Art. Gerade, HRG I, Sp. 1527 -1530; vgl. auch ders., Heergewäte und Gerade. Im Rahmen dieser Arbeit setzt sich Bungenstock mit dem bäuerlichen Erbrecht Nordwestdeutschlands auseinander. 46 Rummel, Stellung der Frau, S. 138 -145. 47 Eine Abhandlung zur Gerade in der Frühen Neuzeit findet sich bei Gottschalk, Streit um Frauenbesitz. Sie beschränkt sich keineswegs auf die Kompilation älterer Literatur. Durch die Analyse der Verlassenschaftsakten des Leipziger Universitätsgerichts im 18. Jahrhundert erschließt sie eine neue Quellengruppe zu diesem Themenkomplex. 48 Grimm, Deutsches Wörterbuch V, Sp. 3554. 49 Bungenstock, Art. Gerade, HRG I, Sp. 1527 -1530; Schröder; Eheliches Güterrecht H 3, S.4. 50 Kroeschell, Stadtrecht und Landrecht, S. 26. 51 Behre, Eigentumsverhältnisse, S. 10 ff., konstruiert darüber hinaus auch die Gerade des Mannes. Die Ausführungen Behres zur Gerade gelten jedoch allgemein als widerlegt. Vgl. hierzu nur Gottschalk, Streit um Frauenbesitz, S. 185, Fn. 11. 52 Gegen den Begriff des Sondervermögens wendet sich Gottschalk, Streit um Frauenbesitz, S. 232, weil sie die Gerade als integralen Bestandteil eines bestimmten Systems des ehelichen Güterrechts verstanden wissen will. Es ist sicherlich richtig, dass die Gerade nicht isoliert vorn Ehegüterrecht betrachtet werden kann. Sondervermögen lässt sich aber auch so 44

45

60

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Frau nach dem Tode des Mannes erhält53 ; zum anderen die Niftelgerade, die nach dem Tode der Frau an ihre nächste weibliche Verwandte fällt. 54 Umstritten ist, ob hierbei noch ein Zusammenhang zur Aussteuer besteht. 55 Heukamp nimmt eine Gleichsetzung von Aussteuer und Gerade an. 56 Er klassifiziert die Gerade als "die Aussteuer in dem Zustand, wie sie sich während der Ehe gestaltet hat".57 Auch Hradil geht davon aus, die "Gerade befinde sich in einem Kreislauf, der mit der Aussteuer beginnt, hernach zur ehelichen Gerade insbesondere, der Gerade in der Ehe führt und mit der Ausstattung der Tochter wieder in sich zurückläuft".58 Schließlich übersetzt Schmidt-Wiegand die Gerade bei ihrer Übertragung des Sachsenspiegels ins Hochdeutsche sogar mit Aussteuer. 59 Andere Autoren sehen einen Unterschied zwischen Gerade und Aussteuer. Schröder nimmt an, der Begriff der Gerade habe sich seit den Volksrechten gewandelt. Als Gerade seien nicht mehr die von der Frau in die Ehe eingebrachten Güter zu verstehen; vielmehr handle es sich bei der Gerade um einen eigenständigen Vermögensbegriff, der alles umfasse, was nach Landessitte üblicherweise von der Frau mit in die Ehe gebracht wird. 60 Ob die Frau tatsächlich etwas eingebracht habe, sei irrelevant. Agricola formuliert, "die Gerade sei nicht Aussteuer, sie sei aber jederzeit zur Aussteuer bestimmt".61 Und auch Friese geht davon aus, es handle sich bei Gerade und Aussteuer um verschiedene Rechtsinstitute. 62 Wie die Untersuchung des Inhalts der Gerade zeigen wird, überschneiden sich tatsächlich einzelne Bestandteile von Gerade und Aussteuer. Betrachtet man allerdings die Frage rechtsdogmatisch, muss ein Unterschied zwischen beiden Instituten festgestellt werden: Die Aussteuer ist rechtlich nicht festgeschrieben; es bestehen keine gängigen Regeln oder Rechtsgewohnheiten, was stets und allgemein verstehen, dass die Gerade ein selbstständiger Verrnögenskomplex neben Erbe und übriger Fahrnis ist, der erb- und güterrechtlich gesondert behandelt wird. 53 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 24 § 3. 54 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 31 § 1; v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. LVII § 3. 55 Zum Verhältnis der Begriffe Aussteuer, Mitgift, Aussonderung siehe Ogris, Art. Aussteuer, HRG I, Sp. 271-273. 56 Heukamp, Gerade, S. 11. 57 Heukamp, Gerade, S. 41. 58 Hradil, Theorie der Gerade, S. 68. 59 Schmidt-Wiegand, Übertragung des Landrechts, S. 57 f. Ebenso Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, 11, 10 bei seiner Übertragung ins Hochdeutsche sowie Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 8. 60 Schröder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 4, 321 ff. Mit der Frage der Rechtsnatur wird in der Literatur auch die anachronistische Diskussion nach den Eigentumsverhältnissen verknüpft. Siehe dort auch Nachweise für andere Ansichten. Vgl. auch Schmitt, Fortleben der Gerade, S. 26. 61 Agricola, Gewere, S. 436. 62 Friese in Friese I Liesegang, Magdeburger Schöffenrecht, S. 795.

II. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

61

unter Aussteuer zu verstehen ist. Ihr Umfang und Inhalt hing vielmehr davon ab, was die Eltern ihrer Tochter mit in die Ehe gaben. Sie zeichnet sich daher durch ein hohes Maß an Individualität aus, auch wenn es sicher milieu- und schichtenspezifische Gebräuche gab, wie eine Aussteuer auszusehen hatte. Demgegenüber zeugen umfangreiche Geradekataloge in den Stadt- und Landrechten von der Gerade als einem fest umrissenen Rechtsinstitut. 63 Sie unterlag nicht dem Belieben der Familien, sondern es existierten anerkannte Rechtsgewohnheiten über ihren konkreten Inhalt. Die Gerade ist zudem kein starres Institut: So ist es beispielsweise denkbar, dass die Eheleute während der Ehezeit Gegenstände hinzuerwerben, die unter den Begriff der Gerade fallen, oder auch Gegenstände durch Verkauf oder Abnutzung aus dem Geradekomplex herausfallen. 64 Eine Gleichsetzung von Gerade und Aussteuer wie Hradil sie vornimmt, ist schon insofern sinnwidrig, als eine Tochter zu ihrer Hochzeit nicht alles, was nach dem Tode der Mutter zur Gerade gehörte, als Aussteuer erhalten konnte. Einen weiteren Aspekt schildern die Krakauer Schöffen selbst, wenn sie in einem Spruch nach Sandomir äußern: 65 Quod ex quo parafamalia alias grat non habent nomen proprium grat circa vitam alicuius femine, sed pocius utensilia et omacio corporis prima post mortem alicuius femine aquirunt hoc nomen grat . ..

Die Gerade trägt zu Lebzeiten einer Frau noch nicht diesen Namen. Vielmehr nehmen die Geräte und der Schmuck erst nach dem Tode einer jeden Frau den Namen Gerade an. Die Gerade entsteht als selbstständiger Vermögenskomplex erst mit dem Tode des Ehemannes bzw. im Fall der Niftelgerade mit dem Tode der Ehefrau; dieser Befund wurde von der Literatur in dieser Schärfe bisher nicht herausgearbeitet. 66 Es handelt sich bei der Gerade also um einen Vermögenskomplex, der sich So auch Gottschalk, Streit um Frauenbesitz, S. 231. Vgl. auch Rummel, Stellung der Frau, S. 143; Hübner, Deutsches Privatrecht, S. 675. 65 Nr. 939, Sentencia de Sandomiria (23.2. 1468). 66 Siehe beispielsweise Rummel, Stellung der Frau, S. 142: "Zwei andere Stellen (Ssp. Ldr. I, 5 § 2; Ssp. Ldr. I, 13 § 1) beweisen, daß es sich bei der Gerade um Gut handelt, welches als Sondergut aus dem Erbe herausfiel und daß die Gerade auch schon während der Ehe als Vermögenskomplex bestand, ohne daß dies jedoch irgendwelche Konsequenzen während der Ehe hatte." Agricola, Gewere, S. 422: "In der Regel bildet sich die Gerade also erst bei einem Todesfalle. Indessen ist dies eben nur die Regel: die Succession kann nämlich auch anticipirt sein und sie braucht nicht sofort bei dem Tode des Besitzers realisirt zu werden." Hiermit meint Agricola zum einen die Ausradung der Tochter und zum anderen den Fall, dass ein Elternteil bei Versterben des Ehepartners mit den Kindern unabgeteilt in den Gütern bleibt. Gottschalk, Streit um Frauenbesitz, S. 183: "Der Ehemann hatte alleinige Verfügungsgewalt ... über die Gerade der Frau." v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 103: "Die Frau nimmt nur die Gerade, die sich beim Tode des Mannes vorfindet, nur das Vorhandene wird getheilt. Sonderung der Gerade und des Erbes wird erst bei des Mannes Tode bewirkt." Schräder, Eheliches Güterrecht 11 3, S. 10,323: "Eike gab an ... was als Gerade in den Hän63

64

62

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

zwar faktisch, d. h. den Vermögensgegenständen nach, oft mit der Aussteuer überschneiden mag, der aber rechtlich klar abgegrenzt ist: Was im Einzelfall als Gerade anzusehen ist, entscheidet sich erst, wenn im Falle der Witwengerade der Mann und im Falle der Niftelgerade die Frau stirbt. 2. Die Gerade in der Spruchpraxis der Krakauer Schöffen a) Terminologie

Für den weiteren Gang der Untersuchung gilt es zu klären, welche Termini die Krakauer Schöffen für die Gerade verwenden. Die deutschsprachigen Sprüche bereiten keine Probleme, denn die Schöffen verwenden den Begriff gerade. 67 Problematisch sind allerdings die Sprüche in lateinischer Sprache. Zieht man zur Orientierung die lateinische Fassung des Sächsischen Weichbildrechts heran, findet man für die Gerade das Wort paraferna. 68 Die Wortwahl der Krakauer Schöffen ist hingegen nicht einheitlich: Zum einen trifft man auf den Begriff parafarnalia. Dass die Schöffen damit die Gerade meinen, lässt sich zumeist am Inhalt des betreffenden Spruchs erkennen. Darüber hinaus wird die parafarnalia oft mit alias graty oder alias gratowy näher bezeichnet. 69 Neben der parafarnalia taucht in der Quelle das Wort suppellectilia auf, das ebenfalls auf die Gerade hindeutet. Supplex70 bezeichnet Hausrat, Habe und Vorrat. Auch die Krakauer Schöffen verwenden suppellectilia, um Hausrat zu bezeichnen. Dies wird in Spruch Nr. 133471 deutlich: Hier erläutern die Schöffen den Begriff bona mobilia. Aufgezählt werden in diesem Zusammenhang Speisen, Geld und suppellectilia, womit Hausrat gemeint sein muss. In den meisten Fällen ergibt die Übersetzung von suppellectilia mit Hausrat dagegen keinen Sinn, weil wegen typischer Rechtsprobleme, die im Zusammenhang mit der Erbfolge bei der Gerade auftauchen, gestritten wird. Dem Begriff suppellectilia wird auch oftmals das bei der parafarnalia vorkommende alias graty angehängt. 72 Die Verwendung des Begriffs suppellectilia für die Geraden der Witwe belassen wurde ... alle nicht zur Gerade gehörige Fahmiss war Eigenthum des Mannes; die Gerade war Eigenthum der Frau, und zwar beides schon während der Ehe, in Folge einer durch die Eheschliessung herbeigeführten Eigenthumsverschiebung." 67 Vgl. hierzu z. B. Nm. 736, 867, 900, 927. 68 v. Daniels Iv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXIII: de gerada seu parafema et quae ad eam pertinent. In Habei, Mittellateinisches Glossar, Sp. 273 findet sich unter paraphemalia die Definition: nicht zur Mitgift Gehörendes, Brautgeschenke. 69 Nm. 25,31,35,528,687, 783,939,976,989,1037. 70 Habei, Mittellateinisches Glossar, Sp. 390. So auch Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, S. 671. 71 Sentencia de Przemislia (13. 12. 1474): Quod ex quo domine nowerce puerorum predictorum tercia pars omnium bonorum mobilium, videlicet de argento, pecuniis, suppellectilibus, pulmentariis, etc., ex divisione cessit et ei iam data est ... 72 Nm. 979, 993, 1076, 1547.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

63

de verwundert nicht: Wie wir noch sehen werden, gehört ein nicht unbeträchtlicher Teil der Hausrats zur Gerade. Die Schöffen verwenden demnach zwei Begriffe für die Gerade, nämlich parafamalia und suppellectilia. 73 b) Gegenständlicher Bereich der Gerade

Um den gegenständlichen Bereich der Gerade zu bestimmen, richten wir unseren Blick zunächst auf die Entscheidungen der Krakauer Schöffen. In Spruch Nr. 103774 klagt Hedwig gegen Iacobus auf Herausgabe der parafarnalia, die ihre verstorbene Schwester Katherina hinterlassen hat. Wie der Urteilsbegründung entnommen werden kann, ist Iacobus ein Sohn der Katherina. Es werden verschiedene Gegenstände aufgezählt, die von den Schöffen als parafamalia bezeichnet werden: Hemden, Leinen, Tischdecken, Mäntel, Bettdecken und Felle. Diese Dinge findet man in den Geradekatalogen des Sachsenspiegels75 und des Sächsischen Weichbildrechts76 • Die Krakauer Schöffen umschreiben sie in diesem Spruch auch verallgemeinernd als omamenta muliebria. Ein Spruch nach Clepars77 gibt weitere Auskunft über den Inhalt der Gerade: Eine Nichte klagt gegen ihren Onkel um ihren Anteil an der parafamalia. Die Geradestücke, die sie verlangt, sind ein grüner Mantel aus warmem Tuch sowie Ringe und Ketten. Eine offenbar schwierige Rechtsfrage beantworten die Schöffen in den Sprüchen Nr. 77678 und 93979 . Stanislaus klagt im ersten Spruch im Namen seiner Frau gegen Nicolaus, ihren Schwager, auf Herausgabe der parafamalia. Hinterlassen wurde die parafamalia von der verstorbenen Schwester der Frau. Wahrend sich die Parteien einig sind, dass Hemden und Schmuck zur Gerade zu zählen sind, streiten sie darüber, ob Leinen und Kissen zur Gerade gehören. Die Schöffen machen dies von der Nutzungsart des Hauses abhängig, in dem die Frau lebte. Wenn das Haus als gewöhnliches Wohnhaus genutzt wurde, gehören Leinen und Kissen zur parafamalia. Handelte es sich hingegen um ein Gasthaus, so ist zu differenzieren: Leinen und Kissen fallen nicht unter den Begriff der Gerade, bis auf diejenigen, 73 An der verschiedenen Begriffsverwendung der Schöffen lässt sich noch einmal deutlich machen, dass die Gerade nicht mit der Aussteuer gleichzusetzen ist. Die Verwendung der lateinischen Begriffe parafamalia und suppellectilia für die Gerade ist auch nachgewiesen im Deutschen Rechtswörterbuch IV, Sp. 255. 74 Sentencia de Zamow (20. 3. 1469). 75 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 24 § 3. 76 v. Daniels/v. Groben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXIII § 1. 77 Nr. 945, (22. 3. 1468). 78 Sentencia de Radomsko (30. 5. 1466). 79 Sentencia de Sandomiria (23.2. 1468).

64

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

welche die verstorbene Frau für ihr eigenes Bett benötigt hat. 80 In gleicher Weise entscheiden die Schöffen in Spruch Nr. 939. Bereits dem Sächsischen Weichbildrecht ist ein ähnlicher Rechtsgedanke zu entnehmen: 81 War der verstorbene Ehemann Gastwirt und verfügte über mehrere Betten für Gäste, so darf die Ehefrau nicht die gesamte Bettwäsche als Gerade erhalten. Weitere Quellen des Magdeburger Rechts lassen diesen Gedanken auch für andere Berufe erkennen. 82 Die Magdeburger Schöffen entscheiden gegen Ende des 15. Jahrhunderts in einer der Krakauer Entscheidung vergleichbaren Konstellation: 83 Der beklagte Witwer, der eine Gastwirtschaft betreibt, muss nicht herausgeben, was zur Beherbergung der Gäste dient. Die Regelung des Weichbildrechts und ihre Anwendung durch die Krakauer und Magdeburger Schöffen verfolgt den Zweck, eine der Gerade immanente Benachteiligung für den Ehemann auszugleichen: Zählte man die genannten Gegenstände zur Gerade, wäre dem Ehemann die Grundlage seines Gewerbes entzogen. Was zum Betrieb des Mannes gehört, soll ihm zur Fortführung seines Gewerbes auch nach dem Tode seiner Frau erhalten bleiben. Zu Inhalt und Umfang der Gerade kann festgehalten werden: Was im einzelnen zur Gerade gehörte, war nicht streitig oder unbekannt, denn in nur vier Sprüchen werden einzelne Geradestücke näher beschrieben. In allen anderen Entscheidungen wird schlicht der Begriff parafarnalia bzw. suppellectilia verwendet. Streitpunkt 80 Si domus ista, in qua femina defuncta est, non est hospitalis alias gosczyny, extunc omnia linthiamina et cussini spectant ad suppellectilia; si autem est hospitalis, tunc solum ista linthiamina et cussini, quibus usi sunt pro ipsorum lecto, spectant ad suppellectilia, eiste vel cisticule non spectant ad suppellectilia, excepto quod solum ad servandum suppellectilia sint ordinata. 81 v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXIII § 3: Waz er aber eyn gastgebe, so daz er vii bette hatte yn der gastkamere, sy mag dorane nicht mer behalden, wenn alzo hievor gesprochen ist. 82 Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV / 11, 10: Bettgewant, daz eyn gast gebe hat czu notdoJft syner geste, daz gehort czu der gerade nicht; abir was Bettegewant her hat geczugit czu syner und synis tegelichin gesindes notdoJft, das mag sich czihin czu der frauwen gerade. Leman, Das alte kulmische Recht, IV, LI: Abir allirleye bettegewant das eyn gastgebe tzu nutze unde tzu notdoJft syner geste hat getzuget ... gehoret nicht tzu wibes gerade ... F. Ebel, Der Rechte Weg 1, D 12: ... Were abir der man eyn gemeyne gastgebe gewest, das er teglichen leute und geste umbe ir gelt herberget und nicht umbe frundschaft adir dinst willen, so darf man seyner nochgelassen witwe solche bette, die zu der geste behuf gehoren und pflegin zu dienen, czu gerade nicht gebin noch volgen laßin. Siehe auch v. Daniels/v. Groben, Das Sächsische Weichbildrecht, Glosse, Sp. 292, 9 bezogen auf den Gastwirt; Sp. 292, 28 bezogen auf den Fleischer: Hat eyn fleischhouwer schaff ader andere vie, dovon er alle tage zu den benken sleth, er habe sy wo er sy habe, daz gehorit zu dem erbe; hat er aber schaff usgehende umme nuz, ader hette er eyne ku, zwo ader mehr, die er nuzinde were zu sinem husgesinde, enten unde gense, die gehoren alle zu der gerade; hune re abir die gehorin zu dem erbe. Im Sächsischen Weichbildrecht Art. XXIII § 2 geht es um den Kaufmann: Waz aber ir man eyn kramer, zo daz er vielen kouff hatte, alzo schalunen, tepte, daz mag die wittwe nicht behalden wenn alzovil, alzo zu irem kamergewande gehoret ader zum hochsten izlichz drie stucke. Siehe ferner Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 8, Nr. 2, 3. 83 Friese/Liesegang, Magdeburger Schöffenrecht, III B, No. 79,166.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

65

ist dann auch nicht der Inhalt der Gerade, sondern die Erbfolge oder das Beweisrecht. Mit Ausnahme der beiden Sprüche, in denen es um den Betrieb einer Gaststätte geht, ist nicht in einem einzigen Fall fraglich, ob ein Fahrnisgegenstand zur Gerade zählt oder nicht. Dieser Befund bezeugt einen gesellschaftlichen Konsens; deshalb kam es wegen des gegenständlichen Bereichs der Gerade nur selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Um über die Krakauer Schöffensprüche hinaus mehr über den Inhalt der Gerade zu erfahren, soll auf den Sachsenspiegel und das Sächsische Weichbildrecht zurückgegriffen werden. 84 In kasuistischer Weise wird in den Rechtsbüchern die Gerade dargestellt. Neben den bereits genannten Geradestücken erwähnt Ssp. Ldr. I, 24 § 3 noch Schafe, Gänse 85 , Kisten, Garn, Waschschüsseln, Leuchter, Sessel, Truhen, Teppiche, Vorhänge, Bücher, die dem Gottesdienst dienen, Bürsten, Scheren und Spiegel. Art. XXIII § 1 des Sächsischen Weichbildrechts stimmt überwiegend mit dem Sachsenspiegel überein, erwähnt darüber hinaus noch Seide, Armschmuck, Waschkessel und Bücher. Die Verfasser der Geradekataloge waren zwar um Vollständigkeit bemüht; dass dies nicht gelingen konnte, räumt jedoch Eike selbst ein. 86 Zwei Gruppen lassen sich bei dem Versuch ermitteln, die Gerade allgemein zu klassifizieren: 87 Zunächst sind es Gegenstände, die Frauen selbst benutzen, wie Kleider oder Schmuck. Ein weiteres Kriterium kann darin gesehen werden, dass die Gegenstände im Zusammenhang mit der Tatigkeit der Frau als Hausherrin stehen, wie etwa Waschkessel, Bettwäsche, Vorhänge oder Teppiche. Die Gegenstände dienen der Familie zur Errichtung eines eigenen Hausstandes, wobei sie jedoch eher der Sphäre der Frau zuzuordnen sind. 88 84 Siehe zu einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert die Gerade betreffend Oppitz, Ordnung zur ,Gerade'. 85 Ob Tiere wirklich als Bestandteile der Gerade anzusehen sind, ist angezweifelt worden von Krogmann, Verderbnisse im Archetypus, S. 279-315. Zu einer Auseinandersetzung hiermit siehe Bungenstock, Art. Gerade, HRG I, Sp. 1528; Rummel, Stellung der Frau, S. 141. 86 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 24 § 3: ... dat en horet, al ne nenne ek is nicht sunderleke ... 87 Vgl. Gottschalk, Streit um Frauenbesitz, S. 192 f.; Schmitt, Fortleben der Gerade, S. 25; Agricola, Gewere, S. 434. 88 Diese Zuordnung wird sehr schön deutlich bei F. Ebel, Der Rechte Weg I, G 15: ... Nochdememole die kasten mit den ufgehobin ledin nocht also gemeine sint, als sie vor gewest sein, so sal man den frauen czu irer gerade gebin die kasten, do die frauen ir gerethe ynne haldin und beslissen, und ladin und schreyne, die sie czu yrem nucze und notdurft nuczen, die weyle ir man lebite. Abir speysekasten und die mannes badekappen, krenczel und czappel, do sich die manne mite cziren, die gehoren nicht zu der gerade, wenne yn deme rechte obin stet geschrebin, was von golde und von silber gewurcht ist czufrauen czirunge, das gehort zu der gerade. Fortmehr als kannen, bechir, flaschen, schusseln, leffele, leuchter, tischmesser, leffel, morsir und koppe, die von golde und silber nicht gewurcht sein, die gehoren zu der gerade nicht. v.r.w. Siehe auch Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV / 11, 73: Taschynmessir vnd gorteie beslagin, dy den vrauwyn nicht czympt czu tragyn, di gehorin czu der vrauwyn gerade nicht. Von R. weyn.

5 Obl.den

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

66

Vollständigkeitshalber sei schließlich erwähnt, dass sich die Krakauer Schöffen nicht nur mit der Gerade, sondern auch mit dem Korrelat auf der Mannesseite, dem Heergewäte,89 befassen. Das Heergewäte ist ein Vermögenskomplex, der nach dem Tode eines Mannes an seine nächsten männlichen Verwandten fällt. Die Schöffen verstehen unter dem Heergewäte (arma bellica):9o das Schwert des Mannes, einen guten Sattel, gute Waffen, wie Wurfgeschosse, Messer und anderes, einen Sessel mit zwei Federkissen, zwei Leinenkleider, einen Tisch, zwei Schüsseln, ein Handtuch und tägliche Kleidung, die seiner Ehre dient. Auffällig ist wiederum die Übereinstimmung der Beschreibung aus Sachsenspiegel91 und Sächsischem Weichbildrecht92 mit der Rechtsprechung der Schöffen.93 c) Die Erbfolge bei der Gerade

Der Sachsenspiegel berichtet von der Witwengerade in Ldr. 124 § 3: Nach der Aussonderung des Heergewätes soll die Witwe die Morgengabe sowie die Gerade an sich nehmen. Im Anschluss an diese TextsteIle fügt Eike den Geradekatalog an. Im Sächsischen Weichbildrecht werden Stadtrecht und Landrecht in Art. XXII § 3 gegenübergestellt. Art. XXIII beinhaltet dann den Geradekatalog. Siehe hierzu allgemein Bungenstock, Art. Heergeräte, HRG 11, Sp. 29-30. Nr. 823, Sentencia de Nowa Civitate (17. 2. 1467). Dass mit arma bellica das Heergewäte gemeint ist, ergibt sich wiederum aus Art. XXV des Sächsischen Weichbildrechts, der im Deutschen mit von Hergewete und im Lateinischen mit de arma bellieis überschrieben ist. 91 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 22 § 4: So scal de vrowe to herwede ers mannes swert geven, unde dat beste ors oder pferd gesadelet, unde dat beste harnasch, dat he hadde to enes mannes live, do he staif, binnen sinen weren; dar na scal se geven enen herepole, dat is en bedde unde en kussen unde en linlaken unde en dischlaken, twei beckene unde ene dwelen. 92 v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXV § 2: Do gehoret zu des mannes beste phert, gesattilt, unde sein swert unde sein schilt, unde daz beste harnisch, daz er hatte zu eynes mannes libe unde sine tegeliche kleidere, unde eyn heerphol, daz ist eyn bette unde ein kuss in und zwey lynlachen, unde zwey becken unde eyne twele, eyn kesselin unde eynen kessilhut ader eyn andir wapen. 93 Allerdings verwundert es, dass die Schöffen hier ausgerechnet das Pferd nicht erwähnen. Bemerkenswert ist zudem die Übereinstimmung von Sachsenspiegel und dem Krakauer Schöffenspruch in Bezug auf die Beweisregel: In Spruch Nr. 823 wird die Frau verklagt, das Heergewäte ihres verstorbenen Mannes herauszugeben. Die Schöffen entscheiden, wenn sie die genannten Sachen nicht in ihrem Besitz hat, muss sie auch nichts herausgeben. Sie ist aber verpflichtet, einen Eid für jeden einzelnen Gegenstand zu leisten. Für die Stücke, die man aber - wohl durch Augenschein - nachweisen kann, darf sie allerdings keinen Unschuldseid leisten. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 22 § 4: Swes dat wif nicht ne hevet dirre dinge, des ne darf se nicht geven, of se er unscult dar to dut, dat se is nicht ne hebbe; umme iewelke scult sunderleke; swat men aver dar bewisen mach, dar ne mach neweder man noch wif nene unscult vor dun. Nr. 823: ... sed quidquod ex hiis nominatis iudieialiter non habet, ad hoc compelli non potest ad dandum eadem, si iuramento probaverit pro qualibet re de per se, si vero poterit patenter ostendi, ibi vir nec mulier per iuramentum evadere non potest. 89 90

II. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

67

Zur Niftelgerade gibt Ssp. Ldr. I, 27 § I Auskunft: lewelk wif eift twier wegene: er rade an er naesten nichtelen, de er van wif halven is beswas, unde dat erve an den naesten, it si wif oder man.

Die Frau vererbt zweierlei Dinge: Gerade und Erbe. Die Gerade flillt dabei nach ihrem Tod an ihre nächste weibliche Verwandte (Niftel). Gleich zweifach begegnet eine parallele Vorschrift im Sächsischen Weichbildrecht: 94 Stirbt eynem manne sein wip, ire nehiste nyftile nympt die gerade. Der frouwen nehiste nyftil nympt ire gerade.

Nach der Betrachtung der Regelungen in den Rechtsbüchern soll die Erbfolge der Gerade in der Krakauer Spruchpraxis dargestellt werden. Da die Untersuchung zum Erbrecht ergeben hat, dass die Krakauer Schöffen auf Sachsenspiegel und Weichbildrecht zurückgreifen, erstaunt es nicht, wenn sie bestimmen, dass die Gerade nur an weibliche und nicht an männliche Verwandte fallen soll:95 Ex quo filius legittimus post matris mortem suppellectilia wlt habere et sorores gennane post sororis earum gennane mortem similiter suppellectilia volunt habere, extunc quodcumque concernit suppellectile alias na grath, iuxta iuris Maydeburgensis ritum, hoc sorores germane propinquiores sunt obtinere, de forma iuris.

Nach dem Tode seiner Mutter fordert der Kläger die Gerade. Doch auch die Schwestern der verstorbenen Mutter wollen die Gerade haben. Die Schöffen antworten daraufhin, nach Magdeburger Brauch seien die Schwestern näher als der Sohn, die Gerade zu erhalten. Waren keine weiblichen Nachkommen vorhanden, konnten also die Söhne nicht die Gerade ihrer Mutter erben. 96 Sind aus der Ehe hingegen Töchter hervorgegangen, [,illt die Gerade an sie. Als Beispiel dient Spruch Nr. 52, in dem die Schöffen bestimmen, dass die verheirateten Töchter zu gleichen Teilen die Gerade erben. 97 Auch weibliche Halbgeschwister gehen dem leiblichen Sohn vor. 98 Bei kinderloser Ehe erbte ebenfalls die nächste weibliche v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXIII § 4; Art. LVII § 3. Nr. 1547, Sentencia de Laky (19. I. 1480). 96 Einen weiteren Beleg dafür liefert Spruch Nr. 25, Sentencia de Pyotrkow (I. 9. 1456), wo die verstorbene Frau nur einen Sohn hinterlässt. Die Gerade, so die Schöffen, falle an die Schwägerin der Verstorbenen. In Spruch Nr. 979, Sentencia de Scala (9. 8. 1468) bestimmen die Schöffen, dass der Vater die Gerade auch nicht für seine Söhne verwalten darf. 97 Sentencia de Dobschice (ohne Jahresangabe): Quod ex quo ambe sorores circa vitam matris sunt maritis tradite, extunc illa parafernalia alias sczebruch, que essent nota, per medium sorori seniori cedunt ... War eine Tochter bereits aus dem elterlichen Haus abgetrennt, teilte sie nicht mehr die Gerade mit der Schwester, die noch im Haushalt der Eltern lebte. Vgl. Nr. 904, Sentencia de Byezanow (4. 11. 1467): ... suppellectilia aut parafarnalia manebunt sorori iuniori non expedite de huiusmodi bonis paternis, de forma iuris. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 5 § 2: De dochter; de in 'me hus is umbestadet, de ne delet nicht er muder rade mit der dochter; de utgeradet is. Ebenso Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, II, 11, Nr. 3. 98 Nr. 528, Sentencia de Wartha (I. 6. 1463). Interessant ist noch die Konstellation in Nr. 904, Sentencia de Byezanow (4.11. 1467), die auf eine Kombination von Ssp. Ldr. I, 13 94

95

5*

68

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Verwandte. In Spruch Nr. 1415 ist dies die Mutter der verstorbenen Frau, in den Nm. 993 und 976 die Großmutter. 99 Weitere Einzelheiten zur Erbfolge über die nächsten Verwandtschafts grade hinaus sollen hier nicht dargestellt werden. 1oo Die vielen Urteile und Rechtsweisungen, die zu der Frage der Erbfolge ergehen, zeigen indessen, dass hierüber nicht in gleichem Maße Einigkeit in der Bevölkerung herrschte wie zum Inhalt der Gerade. Beachtung verdienen allerdings einige Beispiele, die den Einklang der Spruchpraxis der Krakauer Schöffen mit dem sächsisch-magdeburgischen Recht veranschaulichen. In Spruch Nr. 734 101 wird die Situation nach dem Tode einer kinderlosen Frau geschildert. Ihre Mutter verlangt die Gerade von ihrem Schwiegersohn, dem Ehemann der verstorbenen Frau, heraus. Die Krakauer Schöffen entscheiden, dass der Sohn zwar zur Herausgabe verpflichtet ist, die Mutter ihm allerdings zunächst Tisch und Bett zu richten hat. Hier orientieren sich die Schöffen wieder an Sachsenspiegel und Sächsischem Weichbildrecht: Stirft des mannes wif, swelk er nichteie er rade nimt, de seal van der rade deme manne berichten sin bedde, alse it stunt do sin wif levede, sinen disch mit eneme dischlakene, sinen bank mit eneme pole, sinen stul mit eneme kussen. 102 Stirbit eynem manne sein wip, ire nehiste nyftile nympt die gerade. Die sal dem manne sein bette berichten, alzo is stunt, do syn wip lebete, unde sine bangk mit eynem phole, unde sinen tisch mit eynem tischlachen, unde eyn hanttuch, unde sinen stul mit eynem kussin. 103

Diese Regelungen haben wohl den Sinn, dem Witwer die für das Leben unentbehrlichen Gegenstände zu überlassen. Er darf sie daher behalten und ist nicht zur Herausgabe an die Nifte1 verpflichtet. 104 § 1 und Ssp. Ldr. I, 5 § 2 hindeutet: Der Vater hat einen Sohn und eine Tochter bereits vor seinem Tod mit beweglichen und unbeweglichen Gütern ausgestattet. Danach hat er ein zweites Mal geheiratet. Aus dieser Ehe ist eine weitere Tochter hervorgegangen, die unausgestattet in den Gütern wohnt. Offenbar nach dem Tode des Vaters verlangen Sohn und Tochter aus erster Ehe Anteil am väterlichen Erbgut. Sie können an der Erbteilung nur teilnehmen, wenn sie die bereits erhaltenen Güter wieder einbringen. Nicht einzubringen haben sie hingegen die Fahrnis, die als Gerade anzusehen wäre. Bei der nunmehr stattfindenden Erbteilung erhalten alle Geschwister den gleichen Anteil; jedoch erhält die bislang unausgestattete Halbschwester die unverteilte Fahrnis, die als Gerade angesehen wird, alleine. 99 Sentencia de przemislia (2. 10. 1476), Sentencia de Thurobin (6. 9. 1468), Sentencia de Ialowaschy (16. 7. 1468). 100 Vgl. zu den weiteren Verwandtschafts graden die Nm. 25, 31, 35, 52, 176, 226, 251, 276, 528,641,687,734,776,783,867,904,976,979,989,939,993, 1037, 1076, 1415, 1547. 101 Sentencia de Schidlowia (7. 12. 1465). 102 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. IlI, 38 § 5. 103 v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXIII § 4. 104 Vgl. v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 99. Eine entsprechende Regelung findet sich auch bei Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV / II, 11; Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Glogauer Rechtsbuch, XXXI; Leman, Das alte kulmische Recht, IV, LI; Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, II, 8, Nr. 4.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

69

In einem Fall aus Czanstochow 105 streitet sich ein Bruder mit seinen bereits verheirateten Schwestern um die parafamalia. Die Besonderheit liegt hierbei darin, dass der Bruder ein Geistlicher ist, der keine Pfründe erhält. 106 Die parafamalia - entscheiden die Schöffen - steht dem Bruder und nicht den Schwestern zu. Der Grund wird wohl darin liegen, dass die Schwestern durch ihre Ehe im Gegensatz zu ihrem Bruder finanziell abgesichert sind. Im Sächsischen Weichbildrecht findet sich hierzu folgende Vorschrift: 107 Wer aber yn den geweren ist, unde blibit er eyn phaffe, er nymt dy gerade, ab do keine jungfrouwe ist, ist do abir ouch eyne jungfrouwe, zo teilen sy ouch die gerade.

Ob in unserem Fall der Bruder noch yn den geweren ist, also unabgeteilt in den elterlichen Gütern lebt, wird in der Entscheidung nicht mitgeteilt. Eine Parallele ergibt sich aber insoweit, als die Schwestern verheiratet sind. In diesem Falle bestimmt auch das Weichbildrecht das alleinige Recht des Bruders an der Gerade. Dass der Bruder die Gerade nicht bekäme, wenn er durch Pfründe versorgt wäre, wie dies in Spruch Nr. 35 vorausgesetzt ist, sagt bereits Ssp. Ldr. I, 5 § 3: 108 De pape nimt geliken dei der suster in der muder rade, unde geliken dei den bruder an egene unde an erve . .. De ungeradede suster ne delet nicht er muder rade mit dem papen, de kerken oder provende hevet.

Wie die Schöffen entschieden hätten, wenn der Bruder nicht versorgt und die Schwestern nicht verheiratet gewesen wären, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Vermutlich wäre es - dem Weichbildrecht entsprechend - zu einer Teilung der Gerade gekommen. d) Die Witwengerade

Die bisher besprochenen Urteile und Rechtsweisungen der Krakauer Schöffen befassen sich ausschließlich mit der Niftelgerade. Auch bei Durchsicht aller Entscheidungen zur Gerade findet sich keine einzige, in der die Witwengerade Streitgegenstand ist. Es ist daher zu überlegen, ob die Witwengerade im Einzugsbereich Nr. 35, (18. 10. 1456). Vgl. hierzu auch Heukamp, Gerade, S. 51. 1O? Sächsisches Weichbild Art. LVI § 7. Siehe auch Laband, Magdeburg-Breslauer Recht von 1261, § 22: Swie so mit dem gute besezzen ist, belibet daz kint phaphe, daz nimet die rade, of dar nichein juncvrowe nist. Ist dar ein jungvrowe unde ein phaphe, die teilen die rade under sich. Diese Thematik wird auch behandelt bei F. Ebel, Der Rechte Weg 2, M 84; Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XVIII, Di. IV; Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Glogauer Rechtsbuch, XXIX. 108 Siehe hierzu auch Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XVIII, Di. IV: Aber dy ungeradete swester teylt nicht der muter gerade mit deme phaffen, der kerchen unde phrunde had ... Dit ist in lantrechte unde in wichbilde. UI/rich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 9, Nr. 4: Welich ir abir binnen den geweren ist bliben, und blibit er wol ein phaffe, er nimit doch di gerade, und ab do kein iuncvrouwe ist. Ist abir da eine iuncvrouwe und ein phaffe, di teilen di gerade gelich under sich. 11 12, Nr. 3: Di swester teWt nicht der muter gerade mit deme phaffen, der kirchin oder phrunden hat. 105

106

70

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

des Krakauer Oberhofs überhaupt existierte. Die vielen Entscheidungen zur Niftelgerade zeigen indessen, dass die Gerade als selbstständiger Vermögenskomplex des ehelichen Vermögens bekannt war. Zudem treffen die Schöffen ihre Entscheidungen zur Niftelgerade nach den Regeln des sächsisch-magdeburgischen Rechts. Wieso sollte dann ausgerechnet die Witwengerade in Kleinpolen nicht rezipiert worden sein? Wenn sich die Schöffen auch nicht explizit zur Witwengerade äußern, so kann ihre Existenz doch mittelbar erschlossen werden. Betrachten wir einen Fall, der nicht die Gerade, sondern ein anderes, später noch zu besprechendes Rechtsinstitut zum Inhalt hat: In einer Rechtsweisung vom 6. September 1468 formulieren die Schöffen, dass es eine besondere Rechtsgewohnheit gebe, nach der die Frau beim Tode des Mannes nicht die Gerade und ein dotalicium erhalte, sondern den dritten Teil der Güter. 109 Aus dieser Rechtsweisung lässt sich die Existenz der Witwengerade schließen. Warum sie in den Urteilen und Rechtsweisungen des Krakauer Oberhofs nicht erwähnt wird, lässt sich folgendermaßen erklären: Wie die zahlreichen Entscheidungen zur Niftelgerade zeigen, kann die Frage der Erbfolge der Gerade beim Tod der Frau recht kompliziert sein. Wer die nächste Niftel ist, lässt sich nicht immer leicht beantworten. Anders sieht es nach dem Tode des Ehemannes aus: Die Gerade geht stets an seine Frau. Über diesen Rechtssatz wird so viel Klarheit geherrscht haben, dass es gar nicht notwendig war, ein Gericht in dieser Sache anzurufen. Wie auch bereits die wenigen Entscheidungen zum Inhalt der Gerade gezeigt haben, war sie der Rechtsgemeinschaft bestens bekannt. Es war allgemeiner Rechtsbrauch, dass die Gerade beim Tode des Mannes an die Witwe fiel. e) Regel und Ausnahme: Die Befreiung von der Niftelgerade durch Privilegien

Führt man sich die Literatur zur Gerade vor Augen, ist die Existenz so vieler Entscheidungen zur Niftelgerade erstaunlich, wird doch immer wieder das Aussterben dieses Rechtsinstituts im Spätmittelalter betont. 110 Die Niftelgerade habe sich nämlich negativ auf die Vermögensverhältnisse des Mannes ausgewirkt, wenn er etwa alle zur Haushaltsführung notwendigen Gegenstände nach dem Tode seiner Frau an ihre nächste weibliche Verwandte herausgeben musste. Dies konnte darüber hinaus insbesondere dann als ungerecht erscheinen, wenn die Frau nichts oder nur wenig an Aussteuer mit in die Ehe gebracht hatte. Weiter wird argumentiert, nach Magdeburger Recht seien weibliche und männliche Verwandte erbrechtlich 109 Nr. 993, Sentencia de Thurobin: Quod si vestra in civitate utimini antiqua conswetudine in terra Russie tenta, in qua terra non est dos neque dotalicium alias wyano, et ubi non datur dos, ibi eciam non datur suppellectile alias grat, sed omnes femine recipiunt terciam partem omnium bonorum ... 110 Buchda, ,Gewohnheiten', S. 68; Schröder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 13 ff.; v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 318-328; Agricola, Gewere, S. 222-233.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

71

gleichgestellt gewesen, weshalb eine Berücksichtigung der nächsten weiblichen Verwandten durch die Vererbung der Gerade entbehrlich geworden sei. 111 Daher habe man vornehmlich durch Privilegien und Willkür versucht, sie zurückzudrängen: Sei es, dass die Niftelgerade, beispielsweise durch Begrenzung der Erbfolge auf die Tochter, eingeschränkt wurde; sei es, dass man sie ganz abschaffte. 112 Die vielen Urteile und Rechtsweisungen der Krakauer Schöffen zur Niftelgerade belegen zum einen ihre Existenz in Kleinpolen. Andererseits zeigen die zahlreichen Streitigkeiten, die ihretwegen entbrannten, dass sie durchaus auf Ablehnung stieß: Weshalb wäre es sonst so häufig zu Klagen gekommen, in denen die Niftel versucht, ihr Recht durchzusetzen? Der überhof entscheidet indessen stets zugunsten der Niftel. Die Schöffen halten also an diesem Rechtsinstitut fest. 113 Dadurch verhelfen sie den Bestimmungen des sächsisch-magdeburgischen Rechts zur Durchsetzung. Es wurde allerdings auch von Eheleuten versucht, die Erbfolge der Gerade an die Niftel auszuschließen. Um dieses Ziel zu erreichen, wollten einige Frauen die Gerade ihrem Mann übertragen. Betrachten wir dazu zunächst einen Spruch nach Sandomir: 114 Quod ex quo parafamalia alias grat non habent nomen proprium grat circa vitam alicuius femine, sed pocius utensilia et omacio corporis prima post mortem alicuius femine aquirunt hoc nomen grat, ideo femina circa suam vitam marito suo tales res inscribere neque resignare potuit; et hoc, quod gener istius femine actricis in subsidium recipit, quod siluit anno et die, hoc femine minime nocere potest, quia talis inscripcio minus iuste facta est et nullius vigoris esse debet super parafamalia, sed plus maritus tenetur ea restituere, et ideo tacitumitas huiusmodi inscripcionis femine nichil nocere potest, de forma iuris ...

Eine Frau verklagt ihren Schwager auf Herausgabe der Gerade seiner verstorbenen Frau. Problematisch ist allerdings, dass diese die Gerade zu ihren Lebzeiten ihrem Mann übertragen hat. 115 Der Beklagte lässt sich nun dahingehend ein, die Klägerin habe zu dieser Übertragung geschwiegen. Sie habe sogar Jahr und Tag 116 verstreichen lassen. Sein Einwand ist so zu interpretieren, dass die Klägerin 111 Vgl. Schmitt, Fortleben der Gerade, S. 27. Zu diesem Argument ist allerdings kritisch anzumerken, dass die Gerade nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der Existenz des Heergewäte gesehen werden darf. 112 Siehe hierzu umfangreiche Nachweise bei v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 322328. Siehe auch F. Ebel, Der Rechte Weg 1, G 16. 113 Die Niftelgerade war somit neben dem allgemeinen Erbrecht eine der Möglichkeiten, wie Frauen an Güter gelangen konnten. 114 Nr. 939, Sentencia de Sandomiria (23. 2. 1468). 115 Offenbar in Form einer Auflassung, die vor Gericht in ein Gerichtsbuch eingeschrieben wurde. 116 Umstritten ist, weIcher Zeitraum genau unter der Formel ,Jahr und Tag' zu verstehen ist. Nach einer Ansicht ist anfangs der Jahreszeitraum wörtlich gemeint. Nach anderer Ansicht ist unter ,Jahr und Tag' von Anfang an die seit dem 14. Jahrhundert ausdrücklich belegte Frist von einem Jahr, sechs Wochen und drei Tagen zu verstehen, weIche sich aus der Dingfrist von sechs Wochen und der Dauer eines Gerichtstages von höchstens drei Tagen

72

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

innerhalb von Jahr und Tag ihr Recht vor Gericht hätte geltend machen müssen; andernfalls sei es nicht mehr durchsetzbar. 1l7 Die Schöffen befinden hingegen, der Klägerin schade es nicht, dass sie Jahr und Tag habe verstreichen lassen. Als Begründung nennen sie den bereits oben angeführten Grundsatz, die Gerade entstehe als Begriff erst mit dem Tod einer jeden Frau. 11 8 Die Schöffen berufen sich also darauf, dass noch gar kein selbstständiger Vermögenskomplex existiere, den man übertragen könne. Da eine Übertragung der Gerade nicht möglich sei, habe die Handlung der Frau keinen Bestand. Vielmehr ist der Beklagte gehalten, der Klägerin die Gerade zu ersetzen. Diese Begründung unterstreicht zugleich, dass die von der verstorbenen Ehefrau vorgenommene Übertragung noch zu ihren Lebzeiten wirksam werden sollte. Die Schöffen bedienen sich des Arguments, die Gerade sei zu Lebzeiten der Frau noch kein übertragungsfähiger Vermögensteil. Hätte es sich um eine Übertragung auf den Todesfall gehandelt, würde das Argument nicht greifen, denn nach dem Tod der Frau entsteht die Gerade ja als selbstständiger Komplex. Diese Entscheidung der Schöffen verwundert, halten sie doch gewöhnlich auch bei der Niftelgerade an dem Ausschluss von Ansprüchen nach Jahr und Tag fest. Dies zeigt folgende EntscheidungY9 Eine Nichte klagt gegen ihren Onkel auf ergebe. Siehe hierzu Klein-Bruckschwaiger, Jahr und Tag; ders., Jahr und Tag, HRG 11, Sp. 288 - 291; Hardenberg, Jahr und Tag. 117 Am häufigsten wurde das Wortpaar ,Jahr und Tag' für die Gewährsfrist bei Übereignung von Grundstücken gebraucht. Der Ablauf von Jahr und Tag begründete die rechte Gewere, gegen die eine Anfechtung nicht mehr möglich war. Vgl. auch v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXI § 1: Gener der daz eigen gab sal sein gewere sein an dem gute jar unde tag alz recht ist, daz ist sechz wochen unde eyn jar. Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 65: Wetich man abir ein gut hat in geweren jar und tac ane rechte widersprache, der hat dor an eine rechte gewere, ab er daz gezugen mac. Überliefert ist auch ein Krakauer Ratsbeschluss aus dem Jahre 1342, wonach der Erwerb von Grundstücken nach Jahr und Tag unangreifbar wird. Vgl. Piekosiliski, Codicis diplomatici VII, CCLX: § 3. Quicumque emit hereditatem et possidet eam Anno et die sine iusta allocucione, is eam tibere debet possidere et optinere ex parte omnium in Civitate existencium, sive sint luvenes, sive senes. Eine Bestimmung zu Jahr und Tag findet sich auch schon bei Laband, Magdeburger Rechtsquellen, Magdeburg-Breslauer Recht von 1261, § 16: Swaz so ein man gibit in hegeteme dinge, besitzet her damite jar unde tach an jemannes widersprache, die recht ist, der ist her naher zu behaldene mit dem richtere unde mit den schephenen, dan iz ime jeman untvuren muge. 118 Schröder, Eheliches Güterrecht II 3, S. 372 argumentiert, eine Gabe von einzelnen Geradestücken der Frau an den Mann während der Ehe sei deshalb nicht möglich, da die einzelnen Geradestücke während der Ehe nicht "für sie existierten, da nur die Gesamtheit der Gerade, als ein wandelbarer Vermögensbegriff, ihr Eigenthum war; aber auch an der ganzen Gerade nicht, weil der Mann als Vertreter der ehelichen Genossenschaft dieselbe im Besitz hatte, weil die Frau bei ihm lebte und daher thatsächlich bis zu ihrem Tode im Genuss der Gerade'blieb und nur ihren Erben etwas entzog, was sie selbst nicht entbehrte." Mit Erlaubnis der Erben sei die Gabe indessen gültig gewesen. 119 Nr. 55, Sentencia de Oppatkowicze (7. 12. 1456). Siehe auch Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Glogauer Rechtsbuch, XXXIV: Stirbit eymen manne seyn weip und beheld er dor nach dy gerade in seynen geweren Jar unde tag ane widersprache domach kann sy nymand angewynnen von rechte.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

73

Herausgabe der Gerade nach dem Tode ihrer Tante, wobei es sich allerdings nicht um einen Fall handelt, bei dem die Ehefrau die Gerade ihrem Mann übertragen hat. Die Nichte macht demnach ihren Anspruch auf die Gerade als nächste weibliche Verwandte der verstorbenen Tante geltend. Der Onkel beruft sich schlicht darauf, die Klägerin habe seit Jahren geschwiegen und die Gerade nicht gerichtlich geltend gemacht. Die Schöffen schließen sich seiner Meinung an und verpflichten ihn nicht zur Herausgabe. Wenn wir nun erneut den Blick auf den zuvor behandelten Spruch richten, fällt ein bemerkenswert hohes AbstraktionlWermögen der Schöffen bei der Entscheidungsbegründung auf: Die sonst beachtete Regel von Jahr und Tag erklären sie bewusst für nicht anwendbar. Vielmehr setzen sich die Schöffen über eine formale Prozessregel hinweg, indem sie ihrem Argument, eine Übertragung der Gerade zu Lebzeiten sei begrifflich schon nicht möglich, den Vorzug geben. Dieser Befund ist um so interessanter, als etwa den Magdeburger Schöffen zuweilen noch im 15. Jahrhundert ein Unvermögen zur begrifflichen Abstraktion nachgesagt wird. 120 Im nächsten Spruch haben die Schöffen wiederum in einem Streit zwischen dem Ehemann der verstorbenen Frau und deren Schwester zu entscheiden: 121 Quod hec domus, de qua nobis scribitis et que in actis vestris iudicialibus continetur, cum singulis rebus, que ad hereditatem de iure dinoscuntur peninere, peninent ad Maninum Szepyolak, sed parafemalia ac universa huius mulieris defuncte corporis et capitis omamenta peninent ad Swyatochnam, dicte mulieris defuncte sororem germanam, quia eadem defuncta mulier premissa huiusmodi parafemalia etc. absque consensu et voluntate sui sororis pretacte suo marito minime potuit resignare, de forma iuris.

Im Gegensatz zu Spruch Nr. 939 hat die verstorbene Ehefrau ihrem Mann die Gerade auf den Todesfall übertragen. Inhalt des Spruchs ist nämlich die Aufteilung ihrer gesamten Erbmasse. 122 Bisher sind ihre Güter also noch nicht verteilt worden. Hier geht es demnach nicht um ein Herausgabeverlangen der Schwester gegen den Ehemann der verstorbenen Frau; streitig ist vielmehr, wie die Gabe der Frau an ihren Mann insgesamt rechtlich zu beurteilen ist: Sie hat ihm ihr gesamtes Gut auf den Todesfall aufgelassen, wovon auch die Geradestücke erfasst sind. Die Schöffen bestimmen, dass die Gerade an die Schwester fallen soll, weil es der verstorbenen Frau nicht möglich gewesen sei, ihrem Mann die Gerade ohne Wissen 120 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 113, Fn. 44 a; Weitzel, Oberhöfe, Recht und Rechtszug, S. 41. Siehe auch die Aussage bei Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /1,7: Keyne vrauwe mag vorgebin erym wine adir eym andim by eris winis lebin gerade. dy eyne vrauwe noch eris mannis tode anevallin sal. Von R. Leman, Das alte kulmische Recht, IV, VII: Keyne vrouwe mag vorgeben yrme wirte adir eyme andim by yres wines leben gerade. dy eyner vrouwen noch yres mannes tode an gevallen sal. 121 Vgl. Nr. 176, Sentencia de Nova Civitate alias Corczyn (29. 7. 1458). 122 Diese Interpretation wird gestützt durch die Verwendung des Verbs peninere bei der Entscheidung der Schöffen, wer nun die Gerade erhält.

74

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

und Zustimmung der Schwester zu übertragen. 123 Eine Übertragung auf den Todesfall wird im Umkehrschluss mit Zustimmung der Schwester wohl möglich gewesen sein. Ob dies auch im oben besprochenen Fall so wäre, wo die Übertragung noch unter Lebenden stattfand, kann nicht sicher gesagt werden; das dort vorgetragene Argument des noch nicht existierenden Vermögenskomplexes lässt dies allerdings unwahrscheinlich erscheinen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch im kleinpolnischen Raum versucht wurde, die gewöhnliche Erbfolge der Niftelgerade zu umgehen, indem die Frau Geradestücke, sei es zu Lebzeiten, sei es auf den Todesfall, an ihren Mann übertrug. Dieses Bestreben ist ein Indiz für die Auflösung des Verbandes der Großfamilie und die verstärkte Betonung der Kernfamilie: Die Gerade sollte nicht der Familie zugute kommen, aus der man stammte, sondern der eigenen, selbst gegründeten Familie zum Unterhalt dienen. Die Schöffen halten allerdings beharrlich an der Niftelgerade fest und schützen sie: 124 Wenn die Gerade auf den Todesfall übertragen werden soll, muss die nächste weibliche Verwandte, also die eigentlich berechtigte Empfangerin der Gerade, zustimmen. Die Übertragung ist unwirksam, wenn sie unter Lebenden vorgenommen wird. Es ist sogar unschädlich, wenn es die Niftel unterlassen hat, den Anspruch auf Herausgabe der Gerade gerichtlich binnen Jahr und Tag geltend zu machen. Grundsätzlich lehnen die Krakauer Schöffen also die Übertragung der Gerade auf männliche Verwandte ab. In der Krakauer Entscheidungssammlung treffen wir allerdings auf eine Fallgestaltung, bei der auch männliche Verwandte als Erben der Gerade von den Schöffen akzeptiert werden. Betrachten wir einen Spruch, bei dem die Schöffen die Gerade dem Witwer und seinen Kindern zusprechen: 125 123 Ob die Niftel Jahr und Tag zur gerichtlichen Geltendmachung einhalten musste, lässt sich Spruch Nr. 176 nicht entnehmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Stelle bei Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XVII, Di. VI: Besterbet eyn hergewete adder gerade, daz wissende ist, wen is antreffen muchte von rechte, unde daz man daz hilde iar unde tagk: ab ymant queme, deme is zeugeborn wer, deme sulde man is geben. Hier wird darauf abgestellt, ob derjenige, der die Gerade unberechtigterweise erhalten hat, weiß, wer der eigentlich berechtigte EmpHinger der Gerade ist. Bei Kenntnis muss die Gerade auch noch nach Jahr und Tag herausgegeben werden. 124 Vgl. auch F. Ebel, Der Rechte Weg I, G 18. Hier untersagen die Magdeburger Schöffen, die Gerade zugunsten einer von drei Töchtern zu vergeben: ... sunder solche stucke, die czu gerade gehoren, also nemelich die bette und leylachen, der mochte frau Margaretha irer tochter Marthan den andem iren tochtem zu schadin nicht vorgebin, sunder die hat sie alles gebracht und erstammet uf ire drey tochter zu gleicher teylunge noch personen czal. v.r.w. Die Magdeburger Schöffen schützen auch die Witwengerade. Siehe z. B. ders., Der Rechte Weg 1, B 96/F 88; zugleich ders., Magdeburger Recht 11, Nr. 311, datiert ca. 1400-1429. Hier wird es für unzulässig erklärt, dass der Ehemann seine Fahrhabe, die nach seinem Tode zur Gerade wird, zur Hälfte auf seinen Stiefsohn überträgt. Ebenso entscheiden die Schöffen in einem ähnlichen Fall bei ders., Magdeburger Recht II, Nr. 262, datiert um 1460; zugleich bei ders., Der Rechte Weg 2, N 10. 125 Nr. 641, Sentencia de Sandecz (15. 11. 1464).

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

75

Sinterczeit das ewer handfeste ynne helt, das ir sundirlicher gnode begobit seyt von dem alirgnadigstin hem dem konyge Wladislao konig von Polen. Stirbt eynem mitteburgher seyn weip, so stirbt die gerade an en und an seyne kinder; sey welirley geslechte dy werin etc., wellhe wilkor und begnodunge von dem, der euch dy gegebin hot adir von seynen nochkomen ny gebrochin ist, welche begnodunge auch lawt czu ewigin tagin czu haldin. So mus solche zache bey solcher gnodunge bleybin noch ynnehaldunge der stat hantfesten und in eyn solchin hot der scheppin onil von Crocaw bund und craft mit sampt des scheIders und der scheppin onil von Czansze machtlos.

Auf den ersten Blick wirkt dieser Spruch wie eine Rechtsweisung, da die Schöffen mit einem allgemeinen Rechtssatz antworten, ohne den Fall zumindest kurz zu erörtern. Hingegen bestätigen die Schöffen des Krakauer Oberhofs das Urteil der Schöffen von Krakau und verwerfen die Entscheidung der Schöffen von Sandecz. Offenbar hat sich eine der Prozessparteien nach Anrufung des Gerichts von Sandecz zunächst an das Stadtgericht in Krakau gewandt. Von dort aus ging die Urteilsschelte an den Oberhof. Die Schöffen sprechen die Gerade dem Ehemann und den Kindern der verstorbenen Frau zu. Dabei spielt das Geschlecht der Kinder keine Rolle. In ihrer Begründung führen die Schöffen an, der Stadt sei eine handfeste durch König Wladyslaw 126 gegeben worden. 127 Das Wort handfeste hat zwar eine große Bedeutungsbreite; im Spätmittelalter wird es hingegen oft für Urkunden mit grundsätzlich verfassungsrechtlicher Bedeutung, insbesondere für Stadtrechtsurkunden, verwendet. 128 Als Stadtrechtsurkunde begegnet das Wort handfeste auch hier: Ihr Inhalt betrifft mitteburgher, was auf eine städtische Urkunde hindeutet. Mit dieser Urkunde wurde die Stadt durch den König besonders begobit. Die Stadt hat demnach ein Vorrecht erhalten, das sie von der sächsisch-magdeburgischen Erbfolge der Gerade befreit und es ihr erlaubt, die Gerade statt an die nächste weibliche Verwandte an den Ehemann und die Kinder fallen zu lassen. Die Schöffen betonen allerdings noch, dass dieses Vorrecht nicht inzwischen durch den König oder seine Nachfolger aufgehoben worden sein darf. In einigen weiteren Urteilen und Rechtsweisungen äußern sich die Schöffen zu diesem Rechtsproblem: In einem Urteil vom 30. Mai 1466 129 befassen sich die Schöffen mit einer Klage des Stanislaus, der im Namen seiner Frau gegen Nicolaus, den Mann der verstorbenen Schwester seiner Frau, auf Herausgabe eines Geradestücks - nämlich eines Mantels - klagt. Nicolaus argumentiert, er habe den Mantel von seinem verstorbenen Sohn erhalten. Die Schöffen entscheiden, es kön126 In Betracht kommen hier drei Personen: Wladyslaw I. Lokietek (1305-1333), Wladyslaw II. Jagiello (1386-1434), Wladyslaw III. Wamenczyk (1434-1444). Siehe hierzu Hoensch, Geschichte Polens, S. 45 ff., 69 ff., 82 ff. 127 Grimm, Deutsches Wörterbuch X, Sp. 387 f. Als handfeste wird zunächst die Bestätigung einer Erklärung durch eigenhändige Namensunterschrift bezeichnet. 128 Vgl. Erler; Art. Handfeste, HRG I, Sp. 1960; Johanek, Art. Handfeste, LexMa IV, Sp. 1901 f. 129 Nr. 776, Sentencia de Radomsko.

76

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

ne nicht sein, dass der Sohn des Nicolaus nach dem Tode seiner Mutter ihre Gerade erhalten habe. Dies sei nur möglich, wenn der Stadt ein Schriftstück gegeben worden sei, welches die Gerade Söhnen wie Töchtern gleichermaßen zuweist. 130 Verfüge die Stadt nicht über eine solche Befreiung, könne Nicolaus den Mantel nicht behalten. Die Befreiung von der gewöhnlichen Erbfolge der Gerade ist nur durch königliches Privileg möglich, was auch eine Entscheidung in einem Fall, der zuvor vom Obergericht in Sandomir beurteilt wurde, zum Ausdruck bringt:)3) Die Gerade könne nicht an den Sohn fallen, si tune vestra civitas non habet aliqua speeialia munimenta et privilegia super huiusmodi parafamalia, donata et confirmata per Regiam Maiestatem.

Wie diese Urteile und Rechtsweisungen zeigen, erkennen die Schöffen königliche Privilegien an. Wenn ein Privileg erteilt wurde, sind sie bereit, von den sächsisch-magdeburgischen Rechtsgewohnheiten abzuweichen. Es lässt sich damit eine Parallele zu der von v. Martitz 132 nachgewiesenen Entwicklung in anderen Gebieten des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises, wie der Mark Brandenburg, dem Erzbistum Magdeburg oder Schlesien, nachweisen. Allerdings ist hervorzuheben, dass solche Privilegien in Kleinpolen noch selten sind. Bemerkenswert ist die Situation in Krakau selbst: Überliefert ist ein Ratsbeschluss aus dem Jahre 1363, in dem bestimmt wird, dass die Gerade bei bekindeter Ehe an den Witwer und die Kinder, gleich welchen Geschlechts sie sind, fallen soll. Ist die Ehe unbekindet, erhält die nächste weibliche Verwandte die Gerade. Aus dem Jahre 1530 ist ein Privileg von Zygmund I. mit gleichem Inhalt erhalten. 133 Es ist ungewiss, ob die Krakauer Schöffen den Ratsbeschluss akzeptiert Ebenso entscheiden die Schöffen in Spruch Nr. 783, Sentencia de Pyotrkow (1. 7. 1466). Nr. 1037, Sentencia de Zarnow (20. 3. 1469). 132 Vgl. v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 323 ff. 133 Vgl. zum Ratsbeschluss Piekositiski, Codicis diplomatici VII, CCLXI: § 1: Quandoeumque uxor alieuius Ciuis Craeouiensis deeesserit ab hae luee, tune omnia suppelleetilia non ad aliquem alium, nisi ad maritum et ad pueros ipsius euiuseumque sexus fuerint, debent pertinere, aliis omnibus propinquis penitus exclusis. § 2: Si vero pueri non fuerint, extune omnia suppelleetilia, que predieta uxor mortua ad maritum eius apportaverat, vel eciam dietorum suppelleetiliorum remaneneie Sorori diete mortue aut eognate ipsius in linea eonsanguinitatis propinquiroi de iure presentur: Vgl. zum Privileg Piekositiski, Leges, privilegia et statuta VIII, S. 59: § 4: ... quod quandoeunque uxor alieuius eivis ab hae luee deeesserit relietis pueris, filiis vel filiabus uno vel pluribus, extunc parafema omnis, quae Gerada vulgo dicitus, suppelleetilisque tota quoeumque nomine voeetur, non ad aliquem alium, nisi ad maritum et pueros ipsius euiuseunque sexus fuerint, pertinere debet. aliis omnibus dietae mortuae propinquis, sororibus, eognatis penitus exclusis. Puerisque tandem ab hae luee deeedentibus, illud totum, ut iuris est, patri cedet. § 5: Si vero uxor mortua prolem non reliquerit, extune id totum, quod ad parafemam speetat vel speetare iure eemitur, quod ipsa seeum in domum mariti importavit, eaque vivente interim a se non alienavit vel temporis longitudine eontrita et eonsumpta non sunt, sorori deetae mortuae aut propinquiori in linea eognatae per maritum extradatur; alia suppelleetili in auro et argen130 131

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

77

hätten, bevor die Krakauer Bürger das königliche Privileg erhielten. Vielleicht haben sie das Privileg erbeten, um einen unsicheren Rechtszustand zu beenden. Leider findet sich in unserer Quelle keine Anfrage zur Niftelgerade aus Krakau selbst, so dass genauere Aussagen nicht möglich sind. Diese Entscheidungen zeigen, dass die Krakauer Schöffen rechtliche Besonderheiten der anfragenden Städte berücksichtigen. Dem Magdeburger Oberhof wird zuweilen nachgesagt, er habe nicht nach regionalen Eigenheiten geurteiltY4 Unter örtlichen rechtlichen Besonderheiten können Gewohnheiten, Privilegien oder auch Willküren verstanden werden. Da der Krakauer Oberhof Ausnahmen vom Anfall der Niftelgerade nur bei Vorliegen eines Privilegs zulässt, soll in diesem Zusammenhang lediglich die Beachtung von Privilegien durch den Magdeburger Oberhof betrachtet werden. Weitzel geht davon aus, der Magdeburger Oberhof habe sich noch im 15. Jahrhundert gegen jegliche Form fremden Rechts, und somit auch gegen Privilegien, gewandt und nicht nach ihrem Regelungsgehalt Recht gesprochen. 135 Die Magdeburger Schöffen hätten dadurch versucht, die eigene Spruchautorität zu verteidigen. Zudem liege dieses Verhalten darin begründet, dass das Magdeburger Recht gleichzusetzen sei mit der Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen. Aus ihrem Selbstverständnis als rechtsprechende Schwurgemeinschaft heraus hätten sie daher fremdes Recht jeglicher Art abgelehnt. F. Ebel vertritt ebenfalls diese Meinung; er weist allerdings nach, dass die Magdeburger Schöffen diese Praxis bereits im 15. Jahrhundert änderten und auch über Privilegien Recht sprachen. 136 Der Magdeburger Schöffenstuhl habe sich damit der Praxis der Leipziger Schöffen angepasst. to, clenodiis, pecuniis paratis ac aliis omnibus rebus per eandem in domum mariti importatis, a maximo ad minimum, quae ad parafernam seu geradam non pertinent, circa maritum uxoris mortuae remanente, pro quibus omnibus a propinquis maritus ipse nullo modo impeti debebit, verum illa maritus libere pro libitu convertet, suo, nulli exinde rationemfaciendo. Auffällig ist, dass unter paraferna im Falle der unbekindeten Ehe nur solche Gegenstände verstanden werden, die von der Frau in die Ehe eingebracht worden waren, wobei hier nicht der Zusatz quae Gerada vulgo dicitus hinzugefügt ist. Vielleicht wollten die Krakauer Bürger für den Fall, dass aus einer Ehe keine Kinder hervorgegangen sind, dem Witwer seine in die Ehe eingebrachten Güter belassen und an die Familie der verstorbenen Frau auch nur das herausgeben, was sie wirklich eingebracht hatte. In keinem Krakauer Schöffenspruch findet sich hingegen diese Unterscheidung. 134 Zu diesem Problemkreis siehe Weitzel, überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 38 ff.; ders., Magdeburger Schöffen, S. 74 ff.; ders., Gewohnheiten; Buchda, ,Gewohnheiten'; F. Ebel, "Halue Bord scrikket nicht", S. 56 f.; ders., Statutum und ius fori, S. 132 ff. 135 Weitzel, überhöfe, Recht und Rechtszug, S. 40; ders., Magdeburger Schöffen, S. 76 f. Für die Krakauer Schöffen geht - in Bezug auf die handhafte Tat - auch Nehlsen-von Stryk, Sächsisch-magdeburgisches Recht, S. 850, davon aus, sie hätten sich zu königlichen Privilegien nicht geäußert. Sie verweist dabei auf Spruch Nr. 129, Sentencia de Thuchow (14. 12. 1457), in dem sich die Schöffen tatsächlich nicht zu einer durch den König bestätigten Willkür äußern wollen. Es lässt sich aber hier auch argumentieren, dass die Schöffen die autorisierte Willkür akzeptieren und darauf verzichten, ihre eigene Rechtsanschauung durchzusetzen, sondern es vielmehr bei der Ansicht des anfragenden Rates belassen. 136 F. Ebel, Statutum und ius fori, S. 136 f.; ders., "Halue bord scrikket nicht", S. 56 f.

78

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Legt man F. Ebels Erkenntnisse zugrunde, so lässt sich festhalten, dass die Krakauer Schöffen der Zeit entsprechend handeln, wenn sie königliche Privilegien anerkennen. Sie nehmen demnach auch in diesem Punkt an den Entwicklungen des Magdeburger Rechtskreises teil. Es ist allerdings zu überlegen, ob daneben noch die Gegebenheiten in Polen selbst und die Funktion des Krakauer überhofs eine Rolle gespielt haben: Der Krakauer überhof wurde eingerichtet, um das deutsche Recht in Polen zu stärken. Er hatte mithin Rechtsweisungsfunktion. Vergessen werden darf aber nicht sein gleichzeitiger Charakter als Königsgericht. Durch den König selbst eingerichtet, ist er nicht wie die überhöfe im deutschen Reich ein lokales Gericht, das nur kraft Autorität seine Spruchtätigkeit geographisch stetig ausweitet. Vielmehr ist seine Funktion als zentrales Gericht in der Gründungsurkunde selbst angelegt. Daher ist es fast schon selbstverständlich, dass es Privilegien, die der König verliehen hat, zur Rechtsanwendung bringen muss. f) Beweisrecht

Bei der Betrachtung der Gerade soll noch ein Blick auf das Beweisrecht gerichtet werden. Dabei werden zunächst die Grundzüge des sächsisch-magdeburgischen Beweissystems kurz aufgezeigt: 137 Noch im 15. Jahrhundert wird das Verfahren vom typischen Merkmal des älteren germanischen Prozesses getragen, nämlich dem Parteienbetrieb. Der Prozess wird also von den Parteien vorangetrieben, was sich auch im Beweisrecht widerspiegelt: Beweisen gehört dem Handlungsspielraum der Parteien an, das Gericht selbst erhebt keinen Beweis. Im Mittelpunkt steht grundsätzlich nicht, das tatsächliche Geschehen zu klären, sondern dass der Beweisführer den Widerspruch des Gegners gegen seine Behauptung beseitigt. 138 Die Vorstellung einer Beweislast ist dem Prozess fremd, denn das Beweisen-dürfen gilt als prozessualer Vorteil, den grundsätzlich der Angegriffene genießt. Entscheidend ist dabei, welche Klage erhoben wurde: Tritt der Kläger seine Klage ohne Beweisangebot an, so handelt es sich um eine schlichte Klage, und der Beklagte kann den einfachen Unschuldseid leisten. Der Kläger kann den Beklagten hingegen auch mit Zeugen ansprechen. Dies hat zur Folge, dass dem Beklagten der einfache Unschuldseid abgeschnitten ist; er muss nun den Mehreid leisten. 139 Nimmt der Beklagte aber die angebotenen Zeugen des Klägers an, muss der Kläger den Beweis auch durchführen. Anderenfalls verliert er den Prozess. Dem Beklagten kann der Unschuldseid auch überhaupt verlegt werden, wenn dem Kläger ein Gerichtszeugnis, etwa in Form einer Urkunde, zur Verfügung steht. Dies ist aller137 Ein guter Überblick ist zu finden bei Buchda, Beweis im sächsischen Recht, sowie bei Friese in Friese/Liesegang, Magdeburger Schöffenrecht, S. 720-744. Grundlegend ist immer noch Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter. 138 Vgl. Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter 11, S. 2; Buchda, Beweis im sächsischen Recht, S. 523. 139 Vgl. Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter I, S. 369 f.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

79

dings typischerweise nur dann möglich, wenn es sich um ein Geschäft handelt, welches vor Gericht beurkundet wurde. l40 Zur Gerade passt das Gerichtszeugnis demnach nicht. Wenden wir uns nun einigen Krakauer Schöffensprüchen zu, die sich mit dem Beweis befassen. Bemerkenswert ist, dass sich nur sehr wenige Entscheidungen zur Gerade mit Beweisfragen auseinander setzen. Das Grundprinzip des Beweisrechts führt uns folgender Fall vor Augen: 141 Elena verklagt ihre Schwägerin Dorothea auf Herausgabe der Gerade. Elena trägt vor, Dorothea sei im Besitz der Gerade ihrer verstorbenen Mutter. Dorothea verneint hingegen, etwas von der Gerade zu besitzen. Wie der Schöffenspruch Auskunft gibt, klagt Elena simpliciter, also einfach und ohne Zeugen. Daraufhin entscheiden die Schöffen, Dorothea ipsa audet manu propria coram Deo iuramento obtinere. Kann sie den Beweis erbringen, ist sie von den Anschuldigungen ihrer Schwägerin frei. Der Beklagten wird also zugesprochen, sich selbst durch Eid mit eigener Hand vor Gott freizuschwören. 142 Um eine andere Beweislage geht es im nachstehenden Prozess: 143 Die Klägerinnen fordern vom Beklagten wiederum Herausgabe der Gerade. Hier ist der Besitz der Gerade beim Beklagten allerdings offensichtlich (quod ipsa pars respondens haberet aliqua superlectilia, que manifeste apparerent). Diese Tatsache dürfen die Klägerinnen mit zwei probis hominibus beweisen, einem Personenkreis, der sich durch Ansehen und Einfluss in der Rechtsgemeinde auszeichnet, wobei Alter, Rechtsfähigkeit und Stand eine bedeutende Rolle spielten. 144 Dem Beklagten ist es hingegen versagt, der Klage auszuweichen (ad negaciam devenire non potest). Bemerkenswert ist, dass der Beklagte nicht ebenso mit zwei Eidhelfern schwören darf, um sich der Herausgabe der Gerade zu entziehen. Dies erinnert an den von Planck als Überführungseid bezeichneten Fall, bei dem ausnahmsweise der Kläger zum Beweis gelangt. Ursprünglich war dieser nur bei der handhaften Tat sowie bei dem Vorbringen des in der Verfestung gefangenen Friedbrechers - also mithin strafrechtlichen Klagen - zulässig. 145

Vgl. Buchda, Beweis im sächsischen Recht, S. 528. Nr. 29, Sentencia de Skawina (8.9. 1456). In Nr. 945, Sentencia de Clepars (22.3. 1468) entscheiden die Schöffen ebenfalls in der hier erörterten Art und Weise. 142 Einzelheiten zu Form und Ausführung des Eides siehe bei Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter 11, S. 31 ff. 143 Nr. 121, Sentencia de Ropczice (31. 10. 1457). 144 Siehe hierzu ausführlich Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter 11, S. 45 ff. 145 Vgl. Nehlsen-von Stryk, Sächsisch-magdeburgisches Recht, S. 835 ff. Nach dem Sachsenspiegel und dem Magdeburger Recht wurde dem handhaften Täter der Reinigungseid verlegt, während bei der Klage mit Zeugen am formalen Verfahren festgehalten wurde. Allerdings wurde hier dem Beklagten nur der verstärkte Reinigungseid mit sechs Eidhelfern gestattet. 140 141

80

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Zuletzt wollen wir noch ein Urteil vom 15. Mai 1467 betrachten: 146 Quod ex quo Anna cum filiabus proposuit super Stanislaum post mortem sororis eiusdem Anne pro palio tamquam pro parafamali, Stanislaus vero respondens dixit, se hoc palium sibi inpignoratum [haberel una cum monili in quinque marcis, ipsa Anna replicans dicens, hoc palium sorori sui vendidisse a XlIII annis, subiungens eciam, quod soror sua utebatur palio isto tamquam proprio interim, quod vixit, dicens, quod hoc notorium esset probis hominibus; si ergo ipsam noticiam probare poterit bonis hominibus, quod soror sua consors Stanislai utebatur palio eodem uti proprio, extunc propior erit iurare, quod hoc palium vendidit sorori sue, quam quod Stanislaus simpliciter iurare posset, quod hoc haberet inpignoratum in quinque marcis. Et in [eol sentencia vestra habet locum, et sentencia appellantis invalida, de forma iuris scripti.

Anna klagt mit ihren Töchtern gegen Stanislaus, ihren Schwager, auf Herausgabe eines Mantels mit dem Argument, dieser sei Bestandteil der Gerade nach dem Tode ihrer Schwester. Stanislaus lässt sich dahingehend ein, Anna habe ihm den Mantel verpHindet. Anna behauptet wiederum, sie habe ihrer Schwester den Mantel vor 14 Jahren verkauft. Sie fügt hinzu, ihre Schwester habe den Mantel seit dieser Zeit wie Eigen benutzt, was auch den probis hominibus notorisch sei. Die Frage ist also, ob der Mantel, der sich unstreitig bei Stanislaus befindet, Teil der Gerade ist oder nicht. Die Schöffen entscheiden wie folgt: Wenn Anna mit bonis hominibus zeigen kann, dass ihre Schwester den Mantel wie Eigen getragen hat, dann ist sie ,näher' zu schwören, dass sie den Mantel ihrer Schwester verkauft hat, als dass Stanislaus durch einfachen Eid schwören kann, er besitze ein Pfand an dem Mantel. Auch hier haben wir es mit einer Abweichung von der gewöhnlichen Beweissituation zu tun. Wenn Anna zeigen kann, dass ihre Schwester den Mantel selbst wie ihr Eigen behandelt hat, sprechen die Schöffen ihr den Beweisvorzug zu. Wiederum wird auf evidente Tatsachen zurückgegriffen. Beide Sprüche weisen eine Gemeinsamkeit auf: Es geht jeweils darum, dass eine bestimmte Tatsache bekannt ist, weil sie für die Rechtsgemeinschaft sichtbar ist. In Spruch Nr. 121 ist es eine tatsächliche, denn streitig ist, ob der Beklagte überhaupt Geradestücke in seinem Besitz hat; in Spruch Nr. 838 wird darum gestritten, auf welche Weise ein bestimmter Fahrnisgegenstand in den Besitz der Eheleute gelangt ist. In beiden Fällen führt dies zu einer Abweichung vom gewöhnlichen Beweissystem. Die Schöffen tragen damit realen Gegebenheiten Rechnung und weichen von rein formalen Verfahrensgrundsätzen ab. 3. Bewertung der Gerade als Versorgungsinstitut Neben der Niftelgerade wird auch der Witwengerade die Eignung als Versorgungsinstitut abgesprochen. 147 Wird bei der Niftelgerade eine Ungerechtigkeit für Nr. 838, Sentencia de Veliczka. Siehe v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 318 ff. Er geht davon aus, diese Unzulänglichkeit habe zur Ausbildung des Sondergutes geführt. Die Frau habe sich bei Eheschließung 146 147

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

81

den Ehemann konstatiert, sehen viele Autoren auch die Witwengerade im Spätmittelalter als unausgewogenes Rechtsinstitut an. Für die Frau sei die Gerade nämlich gleichermaßen ungerecht gewesen: Mit Zunahme der Geldwirtschaft in den Städten habe die Frau zumeist Geld und nicht Hausrat in die Ehe eingebracht. Wenn sie nach dem Tode des Ehemannes lediglich die Gerade erhielt und das Geld, welches als Fahrnis angesehen wurde, an die Familie des Mannes gefallen sei, habe sich dieses System negativ für sie ausgewirkt. v. Martitz weist daher erhebliche Einschränkungen der Witwengerade seit Anfang des 14. Jahrhunderts in den nördlichen Städten des deutschen Reiches nach. 148 Zudem hätten bereits viele Stadtrechte in östlichen Teilen des Reiches, die nach Magdeburger Recht gegründet worden waren, die Sonderung des ehelichen Vermögens in Erbe und Gerade verworfen und stattdessen eine Teilung des Vermögens nach Quoten eingeführt. Vorbild hierfür seien die Städte im Westen des Reiches sowie die flandrischen Städte gewesen, aus denen ja viele Siedler der Ostbewegung stammten. Aber auch die Städte, die zunächst das sächsisch-magdeburgische Ehegüterrecht rezipiert hatten, hätten Veranlassung gesehen, das Geraderecht einzugrenzen. Für das Erzbistum Magdeburg und später auch für Kursachsen weist er eine Willkür aus dem 14. Jahrhundert nach 149, die eine Einschränkung der Gerade vorsieht. Neben der Beschränkung der Niftelgerade war auch die Witwengerade betroffen: Die Witwe sollte nur noch bei unbekindeter Ehe die Gerade vollständig erhalten; falls die Ehe bekindet war, kam ihr nur die Hälfte des Hausrats 150 zu. Es entsteht mithin der Eindruck, die Gerade habe sich mit Beginn des 14. Jahrhunderts auf dem Rückzug befunden: In ihrer Funktion als Versorgungsinstitut habe sie ausgedient und mache nun anderen, der Geldwirtschaft verträglicher erscheinenden Versorgungsinstituten Platz. Doch bereits ein Blick in die Kursächsischen Konstitutionen zeigt ein anderes Bild. Hier stand der Witwe ein Wahlrecht zwischen der Aufteilung der Güter und der Herausnahme der Gerade und einer Teilung nach Quoten ZU. 151 Einen weiteren Beleg für das Fortleben der Gerade lievorbehalten können, nicht alle Fahrnis in die Gewere des Mannes zu geben. So argumentieren auch Heukamp, Gerade, S. 53 f. und Daeschner, Die altdeutsche Gerade, S. 39 f. Siehe zu diesem Problemkreis - jedoch sehr rechtstechnisch argumentierend - ferner Agricola, Gewere, S. 222 ff. 148 Vgl. v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 319 ff. 149 Vgl. v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 323, Fn. 13. 150 Die Witwe durfte ihre Kleider, das beste Bett, zwei Kissen, zwei Laken und eine Decke nehmen. Den übrigen Hausrat sollte sie mit ihren Kindern teilen. 151 Vgl. Lünig, Codex Augusteus, Kursächsische Konstitutionen XX, part. 3: Ließ aber der verstorbene Mann keine Kinder, so soll seinem uberlebenden Eheweibe aus seiner Verlassenschafft, nach Ablegung der Schulden, ein Drittheil folgen, und die Frau, in beiden Fallen, alle ihre eingebrachte, anererbte, und andere Guter, zusamt der Gerade, in die gemeinsame Theilung zu bringen schuldig seyn; iedoch soll, der Frauen, in alle wege frey stehen, ob sie zu ihrem eingebrachten Guth, oder aber, nach Gelegenheit derer Falle, zu dem vierdten oder dritten Theil greiffen will; und ihr, solche Wahl, ohne Unterschied, es hatte der verstorbene Mann Kinder oder nicht, in einem oder dem andem Fall, wie obstehet, gelassen werden. 6 Obladen

82

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

fert Gottschalk in ihrer Studie zu den Verlassenschaftsakten der Leipziger Universität. Dort zeigt sie aufl52 , dass die Gerade auch im 18. Jahrhundert durchaus noch attraktiv für Witwen war. Zumindest für das universitäre Bürgertum kann sie keinen Bedeutungsverlust der Gerade ausmachen. Wie es sich in Kleinpolen ab dem 16. Jahrhundert verhielt, kann nicht gesagt werden. Die Analyse der Krakauer Entscheidungen hat allerdings für den Untersuchungszeitraum insgesamt einen Fortbestand von Witwen- wie Niftelgerade im 15. Jahrhundert ergeben. Das Festhalten der Krakauer Schöffen an diesem Rechtsinstitut könnte als Konservativismus bewertet werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Gerade nicht auch noch im 15. Jahrhundert ein geeignetes Versorgungsinstitut für die Witwe war. Rummel vertritt - bereits für den Sachsenspiegel - die Ansicht, zur Gerade zählten keine bedeutenden Wertgegenstände: im Gegenteil, diese seien sogar ausdrücklich ausgeklammert gewesen. 153 v. Martitz behauptet, in Städten reduziere sich das Vermögen auf Geldwerte. 154 Rummel argumentiert mit Ssp. Ldr. I, 24 § 3, wo es bei der Aufzählung der Geradegegenstände unter anderem heißt: Al laken ungesneden to vrowen klederen, golt noch si/ver ungewarcht, dat ne horet den vrowen nicht.

Von der Gerade ausgenommen wird ausdrücklich Leinen, das noch nicht zu Frauenkleidern verschnitten ist, sowie unverarbeitetes Gold und Silber. Dem ersten Anschein nach hat diese Rechtsregel eine benachteiligende Wirkung auf das Geradevermögen der Frau. Doch man sollte diese Textstelle nicht nur unter dem Blickwinkel der Ausgrenzung wertvoller Güter vom Vermögen der Frau betrachten. Als Eike den Geradekatalog verfasste, ging es ihm darum, möglichst genau den Inhalt der Gerade wiederzugeben. Zum einen erreicht er dies durch positive Abgrenzung, indem er Gegenstände benennt, die zur Gerade gehören, und zum anderen, indem er bestimmte Gegenstände von der Zugehörigkeit zur Gerade bewusst ausnimmt. Die Ausklammerung von unbearbeitetem Leinen sowie Gold und Silber ist indessen nicht unbegründet; haben wir doch bereits festgestellt, dass die Geradegegenstände entweder zur Verwendung durch die Frau selbst bestimmt waren oder mit ihrem Tätigkeitsfeld als Hausherrin im Zusammenhang standen. Dazu zählen unverarbeitete Materialien aber eben nicht, da die spätere Funktion oder Verwendung noch nicht feststeht. Was die These von v. Martitz betrifft, so ist ihr insofern zuzustimmen, als die aufkommende Geldwirtschaft in den Städten dazu geführt hat, dass neben Sach152 Gottschalk, Streit um Frauenbesitz, S. 198. An der Universität Leipzig gab es nach einem Statut von 1729 ähnlich wie in den Kursächsischen Konstitutionen ein Wahlrecht der Witwe. Sie konnte entweder ihr eingebrachtes Gut aus dem Vermögen ziehen oder alles in die allgemeine Teilung einbringen und ein Drittel des Gesamtvermögens erhalten. Anders als im Kursächsischen Recht stand ihr auch bei der Wahl der Quotenteilung die gesamte Gerade zu. Zu einer Einschränkung der Niftelgerade siehe ebenfalls dort. 153 Rummel, Rechtsstellung der Frau, S. 143. 154 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 320.

11. Die Gerade: Relikt aus einer vergangenen Zeit?

83

güter als Wertgegenstände Geld getreten ist. Vor allem im ländlichen Bereich wird die Gerade aber ihre Bedeutung behalten haben. Doch auch in der Stadt muss man von einem erheblichen Wert der Geradegegenstände ausgehen: Schmuck, Kleider und auch Haushaltsgeräte wurden oft über Generationen gepflegt und vererbt, zumal die Neuanschaffung von Gebrauchsgegenständen des Alltags durchaus kostspielig sein konnte. Dass die Gerade nicht nur von geringem Wert ist, soll auch ein Blick auf die Wertangaben, die in der Quelle genannt sind, zeigen: Wertangaben werden in den Schöffensprüchen in marca beziffert. Damit wird die Krakauer Mark benannt, die von Kazimierz 11. als neue Silberwährung eingeführt worden war. Es handelt sich dabei um eine Gewichtsmark l55 von 197,98g,156 wobei 48 Groschen auf die 13,5-lötige Mark kamen. Genaue Aussagen über die Münzqualität und deren Wert für das Spätmittelalter zu treffen, fällt indes sehr schwer; dafür sind Wertverluste, Inflation und ein fehlender allgemeiner Vergleichsmaßstab verantwortlich. Zudem waren in Polen auch Münzen anderer Länder - eingebracht insbesondere durch die Kaufleute - im Umlauf. 157 Es finden sich in der Literatur zwar vereinzelt Angaben zu Preisen; 158 diese sollten allerdings wegen der genannten Unsicherheitsfaktoren vorsichtig behandelt werden. Weiterhin ist zu bedenken, dass der Gerichtsschreiber auch nur symbolische Zahlenangaben festgehalten haben könnte, die nicht dem wirklichen Streitwert entsprachen. Es soll daher hier genügen, die Werte für die Gerade in Relation zu anderen Vennögensmassen innerhalb der Schöffenspruchsammlung selbst zu setzen. Die Höhe der Beträge, die für die parafamalia in den Urteilen genannt werden, liegen relativ dicht beieinander: Erwähnt werden sechs Mark für Hausrat und Kleider, drei Mark für einen Mantel, vier Mark für Kleider und Hausrat sowie drei und zwei Mark ohne konkrete Bestimmung des Streitgegenstandes. 159 In Spruch Nr. 1076 16 der den Hausrat und die Kleider mit sechs Mark benennt, wird zugleich um ein halbes Haus gestritten. Dessen Wert beträgt sieben Mark. Als Vergleichsmaßstab kann ein Fall herangezogen werden, in dem ein Haus mit Garten einen Wert von zehn Mark hat. 161 In anderen Sprüchen sind als Streitgegenstand

°,

155 Vgl. Kahnt / Knorr; Alte Maße, Münzen und Gewichte; Grierson, The coins of medieval Europe, S. 223. Als Wahrungsnominal ist die Mark erstmals 1506 nachgewiesen. 156 Vgl. Carter; Trade and Urban Development, S. 38 ff.; Berghaus, Art. Münze, LexMa VI, Sp. 928. Eigene Prägung gab es in Polen in Anlehnung an deutsche und böhmische Vorbilder seit Boleslaw I. Im 14. und 15. Jahrhundert war der Prager Groschen im Umlauf (in der Quelle als grossus bezeichnet). Nach der Münzreform unter Kazimierz III. wurde der Groschen nach Vorbild des Prager Groschens eingeführt. 157 Vgl. Carter; Trade and Urban Development, S. 39. 158 Siehe etwa bei Jelicz, Das alte Krakau, S. 152, wonach der Trompeter auf dem Turm der Marienkirche im Jahre 1392 acht Groschen wöchentlich bezog, und der Stadtschreiber im Monat etwa 2,5 Mark verdiente. 159 Siehe Nm. 776, 1076, 330, 29, 121. 160 Sentencia de Coschicze (24. 10. 1469).

6*

84

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Gärten im Wert von 20 Mark 162 und fünf Mark genannt. 163 Der Kauf eines Ackers wird mit acht Mark veranschlagt. 164 Außergewöhnlich hoch ist dagegen der Wert eines Hauses in einer Rechtsweisung nach RopczicZ l65 , dessen Wert 80 Mark beträgt. Im Allgemeinen ist zu sagen, dass die Streitgegenstände, sofern ihre Höhen genannt sind, in der Regel 166 nicht mehr als 40 Mark betragen, wobei die Streitwerte durchschnittlich bei acht bis zehn Mark liegen. Von diesen Streitwerten sind auch Klagen um Geldschulden erfasst. Es lässt sich daher anhand des Zahlenmaterials - selbst bei der Annahme symbolischer Werte - erkennen, dass die Gerade durchaus nicht von geringem Wert war. Schließlich sei angemerkt, dass für Polen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Verschlechterung der Münzen und eine einhergehende Inflation angenommen wird. 167 Gerade in solchen Zeiten kommt der Fahrnis im Verhältnis zu Geld eine wichtige Rolle zu. Weiterhin ist die Gewichtung der Gerade innerhalb der Fahrnisgüter von Interesse. Um diese Frage beantworten zu können, ist zu überlegen, was im Spätmittelalter zur Fahrnis gehörte. Was beispielsweise die Ausstattung des spätmittelalterlichen Handwerkers betrifft, so erhalten wir folgende Informationen: 168 Zur Möblierung gehören Bank, Tisch, Bett und Truhe, Decken und Kissen, ein Federbett, etwas Leinenzeug. In der Küche finden sich Kessel, Pfannen und Messer, Schüssel, Löffel, Krüge, Tröge und Fässer. Daneben werden je nach Beruf und Wohnort in Stadt oder auf dem Land Vieh, landwirtschaftliche Geräte, Werkzeug oder kaufmännische Gegenstände getreten sein. Hinzu kamen noch Kleidung, Schmuck und persönlicher Bedarf. Vergleicht man diese Aufzählung mit den Geradekatalogen und dem Inhalt des Heergewätes, zeigt sich, dass sie einen beträchtlichen Teil der ehelichen Fahrnis ausmacht, zumal davon ausgegangen werden muss, dass der gewöhnliche Haushalt nicht alle Fahrnisgegenstände in mehrfacher Ausführung besaß. Die Gerade ist daher nicht nur als ein geringer Anteil am ehelichen beweglichen Gut anzusehen, sondern als bedeutender Bestandteil. 161 Nr. 1085, Sentencia ante valvam Sutorum in iure Cerdonum Cracoviensium, (5. 12. 1469). 162 Nr. 40, Sentencia de Le\ow (20. 10. 1456). 163 Nr. 642, Sentencia de Dobschicz (16. 11. 1464). 164 Nr. 577, Sentencia de Dambicza (9.2. 1464). 165 Nr. 262, (27. 10. 1459). 166 Siehe zum Beispiel Nr. 262: 80 Mark für ein Haus, Nr. 37: 100 Mark für Aufwendungen, Nr. 328: 200 Mark für die Folgen einer Brandstiftung, Nr. 1453: 120 Mark für den Wert einer Schulzei. 167 Vgl. Carter, Trade and Urban Development, S. 40; Jelicz, Das alte Krakau, S. 152. 168 Vgl. Kühnei, Alltagsleben im Hause, S. 59 ff.; Dimt, Haus und Wohnung, S. 83 ff. Die Ausstattung wird allgemein als quantitativ sparsam, qualitativ aber durchaus gut bis luxuriös bezeichnet. Kümmelt, Alltag und Festtag, S. 80 ff.: "Die wohlhabende Oberschicht wird über Pelz, Samt, Seide und teuren Schmuck verfügt haben. Die mittleren und ärmeren Handwerker verfügten über einige Stücke Ober- und Unterbekleidung, vielleicht ein besseres Stück für den Feiertag, einen Schafspelz oder Gestricktes gegen die Kälte, Schuhe aus Holz oder Leder."

111. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

85

Nach dem Blick auf Wert und Inhalt der Gerade kann festgehalten werden, dass die Gerade kein vernachlässigenswertes Rechtsinstitut war, welches zur Versorgung der Frau nur unzureichend geeignet war. Wenn es sich dabei um einen eher geringwertigen Vermögenskomplex gehandelt hätte, der seine Funktion als Teil der Versorgung nicht mehr zu erfüllen vermochte, wären wegen der Gerade wohl nicht so viele Klagen und Anfragen an den Krakauer überhof gelangt. 169

111. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau 1. Terminologie Neben der Gerade begegnet ein weiterer Rechtsbegriff in über 40 Urteilen und Rechtsweisungen: das dotalicium. 170 Versuchen wir zunächst eine vorläufige begriffliche Einordnung. Wie eine Gegenüberstellung der deutschen und lateinischen Fassung des Sächsischen Weichbildrechts zeigt, kennt dieses zwei Bedeutungen für dotalicium. Zum einen wird die Leibzucht mit dotalicium übersetzt, zum anderen die Morgengabe. 17I Diese Terminologie wird indessen nicht strikt durchgehalten, denn die Morgengabe wird auch als sponsalitia largitas und die Leibzucht als donatio propter nuptias oder vitae provisio bezeichnet. 172 Im Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum von 1753 finden wir für dotalitium folgende Begriffsbestimmung: 173 169 Aus der Magdeburger Spruchpraxis sei abschließend ergänzend bemerkt: Die Magdeburger Schöffen ließen der Witwe Schutz zukommen, indem sie die Vergabe von Fahrnis durch den Mann, welche nach seinem Tode als Gerade eingeordnet wurde, für ungültig erklären. Vgl. F. Ebel, Magdeburger Recht 11/ I, Nr. 262, datiert um 1410: Vorreichte eyn man vor gehegetim dinge syme sone adir eyme andim alle syne vamde habe, noch syme tode czu tun unde czu losyn, dorynne begriffen wirt eczliche vamde habe, di sich noch syme tode czu der vrauwin gerade czyen mochte: Mit sulchir gemeynen gift, dy eyn man alzo an syme gute gebit, do mag man nicht in geczyen, daz der vrauwyn noch des mannis tode czu der gerade gebort. Von rechtis weyn. Zugleich ders., Der Rechte Weg 2, N 10; Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV / 11, 72. In Analogie zu der Magdeburger Spruchpraxis kann zudem auch für die Krakauer Schöffen vermutet werden, dass die Gerade nicht für die Schulden des verstorbenen Mannes haftet. Vgl. F. Ebel, Der Rechte Weg 1, F 87: ... wenne sie es ist von der gerade nicht pflichtig, ires mannes schulde zu geldin, der sie nicht globt hat. v.r.w. Ferner ders., Der Rechte Weg 1, C 60; zugleich ders., Magdeburger Recht 11/ 1, Nr. 433, datiert 1449. 170 Siehe zur Begriffsbestimmung einführend: Deutsches Wörterbuch XII, Sp. 600; Hessler, Art. Dotalitium, HRG I, Sp. 779 f.; Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, S. 208. 171 Vgl. v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXII: Von Libegezucht zu vordem - De jure dotalitiali mulierum post mortem viri. Art. LVI § 4: Wolde man der vrouwen ire morgingabe brechen . .. - Quod si dotalicium mulier infringere ... 172 Vgl. v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXII § 2, Art. LVI Überschrift. 173 Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, S. 234.

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

86

Das Leibgut, Leibgedinge, Leibzucht, Wittum, ist nichts anders als eine Verehrung, sie bestehe in Lehen oder Eigentum, welche der Mann oder seine Erben der Frauen zur Vergeltung ihres Heyrath-Guts verordnen, dass sie deren, nach des Mannes Tod, so lang sie lebet, genieße. Davon weiß das lus Commune nichts, sondern es ist durch Gewohnheit von Adelichen Personen eingeführt worden, und durch langwierigen Gebrauch bestättiget, hernach auch von Unedlen, wann sie sonst Lehen-Güter betreffen, auch praktiziert worden.

Die Morgengabe fehlt in dieser Aufzählung. Definiert wird das dotalicium als eine Gabe des Mannes an seine Frau zur Kompensation ihres Heiratsguts. Gegenstand der Zuwendung ist ein lebenslanges Nutzungsrecht der Witwe an einem Grundstück des Mannes. 1838 schreibt Leman im Wörterbuch zum Kulmer Recht unter morgengabe: 174 morgengabe, gleichbedeutend mit lypgedynge, was einer Ehefrau nach dem Tode ihres Mannes zu ihrem Unterhalt gebührt, und ihr gewöhnlich bei Eingehung der Ehe blos versprochen, aber erst nach seinem Tode wärend der mantzyt 175 gegeben wird.

Morgengabe und Leibgedinge werden hier gleichgesetzt. Die Gabe wird bei der Eheschließung versprochen und soll der Witwe zum Lebensunterhalt dienen. 2. Morgengabe und Leibgedinge in den Rechtstexten und der Literatur a) Die Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechts

Wie diese kurze Einführung gezeigt hat, werden sowohl Morgengabe als auch Leibzucht als dotalicium bezeichnet. In den deutschsprachigen Schöffensprüchen unseres Gerichts wird die Morgengabe nur ein einziges Mal erwähnt 176 ; das Leibgedinge begegnet in zwei Sprüchen, die jedoch den gleichen Fall betreffen. I?? Alle übrigen Entscheidungen sind in lateinischer Sprache verfasst und sprechen von dotalicium. Über Morgengabe und Leibgedinge ist deshalb den Krakauer Schöffensprüchen nichts abzugewinnen. Für eine Analyse des dotalicium ist es gleichwohl zweckmäßig, den Sprachgebrauch von Leibgedinge und Morgengabe in einigen zentralen Rechtstexten des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises zu unterLeman, Das alte kulmische Recht, S. 315. Vgl. zu diesem Ausdruck F. Ebel, Magdeburger Recht 11/1, Nr. 125, datiert 1363: Noch des mannes tode man endarf eynir vrowen ire morgengabe nicht e geben wenne czu des mannis drsigstin, wenne man syne mancz t begangin hat. Gebit man ir abir e ire morgengabe, so mag s doch vrist haben, sech vorczusehende unde besiczen in des mannis gute bis an di vorgenanthe cz t. Von rechtis wegene. Der Dreißigste schloss die Trauerzeit ab und wurde nach der kirchlichen Liturgie feierlich begangen. Der Ausdruck manczit ist einer von vielen Redeweisen für den Dreißigsten und bezeichnet die Monatsfrist. Siehe hierzu Homeyer, Der Dreissigste, S. 197 f.; Lentze, Begräbnis und Jahrtag. 176 Nr. 736, Sentencia de Lanczhutt (18. 12. 1465). 177 Nr. 810, Sentencia de Pylsno (17. 11. 1466)/Nr. 827, Sentencia de Pilsno (2. 3.1467). 174 175

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

87

suchen. Zum besseren Verständnis der Krakauer Spruchpraxis soll die Bedeutung der beiden Begriffe ermittelt werden. Es versteht sich, dass dabei nicht an ein dogmatisches Begriffssystem gedacht wird; vielmehr sollen die Fallgestaltungen geklärt werden, in denen Morgengabe und Leibgedinge erwähnt werden. Beginnen wir mit dem Sachsenspiegel. Dort heißt es: 178 Nu vernemet, wat iewelk man van ridders art moge geven sime wive to morgengave. Des morgens, als he mit er to disehe geit, vor etene, ane erven gelof so mach he er geven enen knecht oder ene maget, de binnen eren jaren sint, unde tune unde timmer unde veltginge ve. Alle de van ridders art nicht ne sin, de ne mogen eren wiven nicht geven to morgengave wan dat beste perd oder ve, dat se hebbet.

Nach der Hochzeitsnacht soll der Ehemann seiner Frau einen noch unmündigen Knecht oder eine Magd geben l79 , ein Haus aus Holz 180 sowie feldgängiges Vieh. 181 All dies sind Fahrnisgüter, denn auch das Haus aus Holz zählte im Landrecht zur Fahrnis. 182 Der Mann braucht nicht das Einverständnis seiner Erben, um seiner Frau die Morgengabe geben zu können. Ist er nicht von ritterlicher Geburt, so darf er der Frau nicht mehr als das beste Pferd oder das beste Stück Vieh geben, das er besitzt. Auch die Leibzucht ist dem Sachsenspiegel bekannt. Hierzu finden wir: 183 Men mut ok wol vrowen egen geven to erme live mit der erven gelove, swo junk se sin, binnen deme gerichte dar dat egen inne leget in iewelker stat, deste dar koninges ban inne si. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 20 §§ 1,8. Rummel, Stellung der Frau, S. 148 ff., diskutiert den Streit, wann die Frau an der Morgengabe das Eigentum erlange. Geht man davon aus, dass der Eigentumsbegriff erst im 14. Jahrhundert in das deutsche Recht Eingang gefunden hat - vgl. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 75 - so ist dieser Streit für die Entstehungszeit des Sachsenspiegels als überflüssig zu bezeichnen. Im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen relativiert sie selbst die Bedeutung des Streits um die Eigentumsproblematik, weil die Verfügungsgewalt über eine Sache im Vordergrund stehe, was vollkommen richtig ist. An dem Begriff des Eigentums hält sie indessen fest, S. 161: ,,Eike von Repgow kam es gar nicht so sehr darauf an, hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse eine klare Definition zu geben. Deshalb fehlt es an jeglicher Vorschrift, die über die Eigentumsverhältnisse zu Lebzeiten der Ehegatten unmittelbar etwas aussagt." 180 Schiller/ Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch IV, S. 544, 631: tunete ist das Eingezäunte, Hof, Garten; timmer bedeutet gezimmerter Bau, Haus. 181 Vgl. auch Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 24 § 1: Na deme herwede seal dat wifnehmen er morgengave; dar hort to alle veltperde unde rindere unde zegen unde swin, de vor den herde gat ... 182 Dies besagt auch das Rechtssprichwort: Was die Fackel verzehrt, ist Fahrnis. Vgl. hierzu Graf/Dietherr; Deutsche Rechtssprichwörter, S. 64 ff. In den Städten setzte sich allmählich die Ansicht durch, dass Häuser - zumal aus Stein erbaut - als Liegenschaften anzusehen sind. Vgl. Goerlitz, Übertragung liegenden Gutes, S. 81 ff.; Ogris, Art. Fahrnis, HRG I, Sp. 1049 ff. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 20 § 2: Swar der vrouwen de stat nicht n 'is mit deme gebuw, als er man stirft, binnen ses weken na deme drittegesten seal se mit deme gebuw rumen, so dat se de erde nicht ne wunde. Budet se it aver to losene na der bure kore jeneme, des de stat is, unde ne wel he is nicht, so mut se wolop graven, deste se de erde weder evene. 183 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 21 § 1. 178 179

88

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Mit Erlaubnis der Erben kann Frauen, wie jung sie auch sein mögen, Lebensunterhalt aus einem Grundstück zugesagt werden. 184 Vorzunehmen ist dieses Rechtsgeschäft - wie jedes Grundstücksgeschäft - in dem Gerichtsbezirk, in dem das Grundstück belegen ist. Die Leibzucht kann die Witwe nicht wie Eigen behalten oder vererben: 185 Nen wif ne mach ok to egene behalden er lifgetucht, noch er erven na erme dode, de wile dat men getugen mach, dat it er to erme live gegeven si.

Morgengabe und Leibzucht werden klar unterschieden: Die Morgengabe besteht aus Fahrnis und wird der Frau nach der Hochzeitsnacht gegeben; weder sind Zeugen erforderlich noch die Zustimmung der Erben. Die Leibzucht ist die vornehmlichste Witwen versorgung: Sie wird vor Gericht an einem Grundstück bestellt und dient der Frau, solange sie lebt, zum Unterhalt. Die Morgengabe des Sachsenspiegels ist typisch für ländliche Verhältnisse. Der städtischen Lebenswelt musste eine derart ausgestaltete Morgengabe bereits ein wenig fremd erscheinen. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Sächsischen Weichbildrecht l86 Man spricht, daz man frouwen yn wichbilde phleget zu geben morgingabe. Daz ist nicht; wenn waz den frouwen gegebin wirt yn wichbilde vor gerichte daz mus sein eyne lipzucht ader eyn eigen, mit erbe gelobde, ader vamde habe in des mannes gereitem gelde. Hierum zweiet sich daz lantrecht unde wichbilderecht, wenn zu der morgingabe gehoren zeune unde zimmer, unde veltgenge vye; wenn man phleget in wichbilde mit steinen zu buwen, unde sein alle mit eynem rechte begriffen, die yn dem wichbilde gesessin sein, unde darumme nympt daz wip nicht mer, wenn dy gerade ist.

Nach sächsischem Weichbildrecht konnte der Ehefrau mithin keine Morgengabe gegeben werden. Wohl aber kann der Mann vor Gericht mit Erlaubnis seiner Erben der Ehefrau ein Grundstück zur Leibzucht bestellen oder zu Eigen 187 geben. Außerdem kann er ihr Geld zuwenden. In diesem Fall bedurfte es offenbar nicht der Erlaubnis der Erben. Damit folgt das Weichbildrecht wohl dem Sachsenspiegel, der die Vergabe fahrender Habe ohne Erbenlaub zulässt. Das Weichbildrecht selbst erklärt uns, warum es in der Stadt die Morgengabe des Sachsenspiegels nicht gibt Da in der Stadt mit Stein und nicht mit Holz gebaut werde, könne es die Morgengabe in Form von Zaun und Zimmer sowie fe1dgängigem Vieh nicht geben. 18B Das einzige, was die Frau nach dem Tode des Mannes er184 Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, S. 208. lif kann Leib, Leben und Lebensunterhalt bedeuten. W. Ebel, Über das ,ungezweite Gut', S. 187, möchte die Wendung zumindest für Ssp. Ldr. I, § 31 mit ,zu ihrem Leben, zu ihrem Unterhalt', und nicht wie die übrige Literatur mit ,zu ihren Lebzeiten', übersetzen. Ob es eine eindeutige und richtige Übersetzung gibt, muss hier nicht entschieden werden. Das Wesen der Leibzucht ist die Nutzung durch die Frau zu ihren Lebzeiten. Daher ist es hier nicht von entscheidender Bedeutung, ob man to erme live mit ,zu ihren Lebzeiten' oder mit ,zu ihrem Lebensunterhalt' übersetzt. Siehe hierzu bei C. 11. 3. 185 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 32 § 1. 186 v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXII §§ 2, 3. 187 Siehe hierzu B. V.

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

89

halte, sei daher die Gerade und das, was der Mann ihr vor Gericht zu Eigen oder zu Leibzucht gegeben habe. I 89 Diese Textpassagen lassen zunächst vermuten, die Morgengabe gebe es im Stadtrecht gar nicht. Doch verblüffenderweise finden sich auch im Sächsischen Weichbildrecht TextsteIlen, die von einer Morgengabe sprechen: 190 Keyn wib mag in wichbilde morgingabe noch lipgedinge an eynes mannes erbe zu eigen behalden. Stirbit sy, is gheit weder an des mannes erben.

Das Weichbildrecht entspricht hier dem Sachsenspiegel, allerdings ist die Morgengabe dem Leibgedinge hinzugefügt. Vermutlich wird im Weichbildrecht begrifflich nicht mehr deutlich zwischen Morgengabe und Leibzucht unterschieden: Im Sachsenspiegel findet sich nämlich keine Stelle, nach der die Morgengabe beim Tod der Frau an den Mann oder dessen Familie zurückfallen soll. Die Witwe konnte sie vielmehr selbst vererben. 191 Die Morgengabe wird daher in dieser TextsteIle als Synonym für das Leibgedinge verwandt worden sein. Das Weichbildrecht kennt gleichwohl eine Form der Morgengabe, die im Sachsenspiegel nicht aufgezeichnet ist: 192 So eyn man synem elichen wibe eyn gelt zu morgingabe gelabet ...

Der Mann kann seiner Frau Geld als Morgengabe geloben. In der entsprechenden lateinischen TextsteIle ist die Morgengabe mit dotalitium übersetzt. Wie wir gesehen haben, ist bereits in Sachsenspiegel und Weichbildrecht die Begrifflichkeit von Morgengabe und Leibgedinge nicht einheitlich. Um einen detaillierteren Einblick zu gewinnen, werden weitere zentrale Rechtsquellen des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises einbezogen. Die Rechtssammlungen wurden vollständig auf die Begriffe Morgengabe und Leibgedinge hin gesichtet; markante Passagen werden hier wiedergegeben. Dabei wird die inhaltliche Verzahnung von Sachsenspiegel, Weichbildrecht und weiteren Rechtstexten deutlich. Der Gang der Darstellung orientiert sich chronologisch an der Entstehungszeit der Texte. Wir beginnen daher mit dem Systematischen Schöffenrecht, einer Bearbeitung des im Unsystematischen Schöffenrecht enthaltenen Rechtsstoffs. Dieses wiederum ist die offizielle Sammlung des Breslauer Rats, in dem die Magdeburger 188 Aus heutiger Sicht ließe sich einwenden, die meisten Städte seien noch Ackerbürgerstädte gewesen, in denen auch Vieh gehalten wurde. Im Sächsischen Weichbildrecht wird aber wohl besonders auf den doch neuartigen Charakter der Stadt in Bezug auf die baulichen Anlagen und das wirtschaftliche Gefüge genommen. 189 v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XII § 1: Nu vomemet unde hort, waz eyne frauwe iris mannes gut behalden moge nach sinem tode yn wichbilde rechte. Waz er ir gegeben hot vor gerichte an sinem eigen zu irem libe. 190 v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. LVI § 1. 191 Vgl. Rummel, Stellung der Frau, S. 150. 192 v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XCII.

90

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Willküren von 1261 und 1295 mit späteren Magdeburger Schöffensprüchen für Breslau verbunden wurden. Obwohl das Systematische Schöffenrecht nie offiziell zum Stadtrecht erklärt wurde, wird es seit dem 15. Jahrhundert als solches bezeichnet: 193 Ab eyn man eyn weip nympt, stirbit der man, das weip hat an syme gute nicht; si en sie denne, daz her is ir habe gegebin in gehegtim dinge adir czu lipgedinge czu irme leibe. En keyn weip mag ir lipgedinge czu eygene behaldin noch vorkeufin, wenne zo se stirbit, daz lipgedinge get weder an des mannis erbin. Nu gelobe abir eyn man synem wibe gelt vii adir wenig czu gebin czu morgingobe ... Nach dem hergewete sal das weip nehmen ir lipgedinge und alles das zu der gerade gehöret ... Eyn man hot begobit syne housvrauwe mit eyme lipgedinge mit czen marken mynnyr adir me ...

Geschildert wird das Leibgedinge, welches vor Gericht bestellt wird. Nach dem Tode der Frau fällt es an die Familie des Mannes zurück, was dem Sachsenspiegel entspricht. 194 Außerdem kennt das Systematische Schöffenrecht die gelobte Morgengabe in Geld, wie wir sie schon in Art. XCII des Sächsischen Weichbildrechts kennen gelernt haben. Terminologisch verändert ist der Text zum Heergewäte: Während es im Sachsenspiegel heißt, die Witwe solle im Zuge der Erbauseinandersetzung nach der Aussonderung des Heergewäte ihre Morgengabe nehmen, 195 spricht das Systematische Schöffenrecht vom Leibgedinge. Ein weiterer Unterschied zum Sächsischen Weichbildrecht ist darin zu erkennen, dass nicht nur die Morgengabe, sondern auch das Leibgedinge in Geld gegeben werden kann. Das Systematische Schöffenrecht weiß dagegen nichts von der Morgengabe, wie sie im Sachsenspiegel ihre Ausgestaltung gefunden hat. 196 193 Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /11, 1, la, 7, 9 d, 12. Zum Systematischen Schöffenrecht siehe das., Systematisches Schöffenrecht, Einleitung; Goerlitz, Breslauer Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts; Oppitz, Art. Systematisches Schöffenrecht, Verfasserlexikon 9, Sp. 562-564. 194 Vgl. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 32 § 1. 195 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 24 § 1: Na deme herwede scal dat wif nehmen er morgengave. 196 Mit den drei bisher besprochenen Rechtsquellen sind der Alte Kulm und das Zwickauer Rechtsbuch - zumindest was Morgengabe und Leibgedinge angeht - inhaltlich eng verwandt. Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XXXVI; IV, XL: Ab eyn man eyn wyb nymet. und stirbet der man das wyb hot an syme gute nicht. is en sy denne das her is habe ir gegeben in gehegetem dynge. tzu morgen gobe adir tzu lypgedynge tzu irem lybe. Gelobit eyn man syme wibe dy her nymt tzu der e. tzen mark adir me tzu morgen gobe tzu gebene und stirbet her e eher is volfuret vor gehegtir bank . .. Deutlich erkennbar ist die Nähe des Alten Kulm zum Systematischen Schöffenrecht. Dass die Frau außer dem Leibgedinge kein Recht am Gute des Mannes hat, haben wir schon dort vorgefunden. Allerdings heißt es im Alten Kulm, sie habe nichts außer Morgengabe und Leibgedinge, wohingegen es im Systematischen Schöffenrecht nur um das Leibgedinge

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

91

Das Glogauer Rechtsbuch wurde für das schlesische Herzogtum Glogau erstellt, wie viele lokale Bezüge zeigen. Sein Landrechtsteil basiert auf dem Systematischen Schöffenrecht, eingeflossen ist aber auch Sachsenspiegel- und Breslauer Recht 197 Czu einer morgengabe gehoret czymmer czwene veltgenge unde VI weiden. Worde eyner frawen eyne morgengabe globet storbe sy abe unde hette nicht kinder mit erem manne So were auch der man der morgengabe frey billich unde ledig von rechtis wegen wenne morgengabe leipgedinge unde gerade erbet nicht ee ys habe sich denne vorfallen von r.w. Eyne frawe mag leipgedinge czu eygen behalden nach ane erbin laube vorkeuffen, wenn sy gestirbit so erbet ys unde gefellet weder an yres mannes nehesten von danne ys herkommen ist.

Sehr kurz - und im Verhältnis zum Sachsenspiegel unvollständig - ist die Textstelle zur Morgengabe, die besagt, zu dieser gehörten Häuser aus Holz, Zäune, feldgängiges Vieh und Weiden. Bekannt ist die Morgengabe, die versprochen wird, wobei zu deren Inhalt nichts aufgeführt wird. Indessen wird bestimmt, dass die Morgengabe nicht entsteht, wenn die Frau vor dem Mann verstirbt, was der Morgengabe des Sachsenspiegels widerspricht. Zudem werden in diesem Text Morgengeht. Die Stelle zur gelobten Morgengabe in Form von Geld entspricht dem Systematischen Schöffenrecht. Zum Alten Kulm siehe Johanek, Art. Alter Kulm, Verfasserlexikon 1, Sp. 267-269. Der Alte Kulm stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und basiert im Wesentlichen auf dem Systematischen Schöffenrecht. Aufgenommen wurden auch zahlreiche Artikel aus dem Landrecht des Schwabenspiegels. Verbreitung fand der Alte Kulm hauptsächlich im Ordensland. Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 9, Nr. 1,2; 11, 19,20: Nimt ein man ein wip bime wichbilde und stirbit der man, daz wip hat an sime gute nicht, er enhabe es vor gerichte in gehegettem dinge gegeben zu irem libe oder zu morgengabe. Kein wip mac morgengabe oder lipgedinge zu eigen behalden. Stirbit abir si, es vellet wider uffe des mannes erben kint. Nu vememit, waz ein man von ritters art muge gegeben sime wibe zu morgengabe. Des morgens, als er zu tische get mit ir vor essen, ane erben gelubde mac er ir geben einen knecht oder eine mait, di bi iren jaren sin, und einen hove, gezunt und gezimmert, und veltgenge vieh. Aber alle di von ritters art nicht ensin, di enmugen iren wiben zu morgengabe nicht mer geben wen daz beste phert oder vieh, daz si haben. Der Frau gebührt nach dem Tode des Mannes nichts von seinen Gütern, außer der vor Gericht bestellten Morgengabe oder dem Leibgedinge. So haben wir diese Regelung auch im Alten Kulm vorgefunden. Die anschließende TextsteIle, nach der beim Tode der Frau Morgengabe und Leibgedinge an die Familie des Mannes zurückfallen, findet sich so im Weichbildrecht. Die Aufzählung der Morgengabe entspricht dagegen dem Sachsenspiegel. Zum Zwickauer Rechtsbuch siehe Munzel-Everling, Art. Zwickauer Rechtsbuch, HRG V, Sp. 1859-1862. Der Verfasser dieses Stadtrechtsbuchs ist bemüht, das Zwickauer Recht dem Landrecht des Sachsenspiegels und dem Weichbildrecht gegenüberzustellen. 197 Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Glogauer Rechtsbuch, CCCXCVIII, CD, CDI. Zum Glogauer Rechtsbuch siehe Johanek, Art. Glogauer Rechtsbuch, Verfasserlexikon 3, Sp.59-60.

92

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

gabe und Leibgedinge synonym verwendet. 198 Mit Sachsenspiegel, Weichbildrecht und auch Systematischem Schöffenrecht geht überein, dass die Witwe die Leibzucht weder ohne Erlaubnis der Erben verkaufen noch zu Eigen behalten darf und dass sie nach ihrem Tod an die Erben ihres Mannes fallt. Der nächste Rechtstext, die Magdeburger Fragen, lässt wie das Systematische Schöffenrecht das Bemühen erkennen, die Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen umfassend darzustellen. Als Hauptquelle der Magdeburger Fragen diente ein Krakauer Urteilsbuch mit Magdeburger Rechtsbelehrungen, welches in Polen verbreitet war und dessen Bestand bis in die Jahre nach 1380 reichte. Der äußeren Form nach war es in Anfrage und Entscheidung gegliedert. Zu diesem Zeitpunkt waren die Magdeburger Fragen noch nicht systematisch gegliedert; die Sammlung wurde später durch weiteres Material, unter anderem aus dem Alten Kulm, ergänzt, und die Sprüche wurden durch Auslassung konkretisierender Informationen zu einem Präjudizienbuch geformt. Danach erst wurde der Rechtstext - wahrscheinlich durch denselben Verfasser - erneut ergänzt und schließlich systematisiert: 199 Ab eyner frouwen morgengobe vor gerichte nicht gegeben worde, sal man wissen, das man zcu Magdeburg nicht pflegit morgengobe vor gerichte zcu geben, sundir is zete ist unde gewonheit do selbist, wenne sich czwe nehmen zcu der ee, so gehin der selbin czweir lute frunde von mannen zcu sampne unde thun das gelobde offinbar, unde wenne des mannes frunde das gelobde entpfangen haben, do sprechen der frouwenfrunde also: ab got icht an uch thut, das ir ee sterbit denne unser frundynne, womete wellit ir unser frundynne belossen? So spricht her: mit L, LX ader mit C marken. Das helt man vor eyne morgengobe, das gibit man der frouwen nach syme tode.

Dieser Textausschnitt ist Teil einer Anfrage an die Magdeburger Schöffen. Es wird vorgetragen, dass es in Magdeburg Sitte und Gewohnheit sei, der Frau die Morgengabe nicht vor Gericht zu bestellen; unter Morgengabe verstehe man vielmehr die Gabe, welche der Mann bei Eheschluss seiner Frau in Geld gelobt. Es wird deutlich, dass die Morgengabe offensichtlich in verschiedenen Städten auch in unterschiedlicher Form vereinbart werden konnte und eine vereinheitlichende Konstruktion dieses Rechtsinstituts schon aus diesem Grunde fehlschlagen muss. Die Verwandten beider Ehegatten sind dabei als Zeugen anwesend?OO Dem Quellentext ist weiterhin zu entnehmen, dass im Zuge der Verhandlung um die Morgengabe dem Mann von der Familie der Frau etwas versprochen wird. Es wird sich dabei um die Mitgift handeln. 198 Erkennbar ist dies, weil die Leibzucht in Form eines Nutzungsrechts nach dem Tode der Frau nicht an ihre Seite weiter vererbbar ist. 199 Behrend, Magdeburger Fragen, B. I. Kap. 11. Di. 1. Im Wortlaut ähnlich überliefert ist dieser Spruch auch bei F. Ebel, Der Rechte Weg 1, B 37. Zu den Magdeburger Fragen siehe Homeyer, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, S. 35; lohanek, Art. Magdeburger Fragen, Verfasserlexikon 5, Sp. 1127 -1130. 200 Aus der Antwort der Schöffen werden für diese Art der Morgengabebestellung indessen Beweisschwierigkeiten für die Frau deutlich. Siehe zum Beweisrecht B. III. 3. d).

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

93

Als das am weitesten verbreitete Stadtrechtsbuch des 14. Jahrhunderts gilt das Meißener Rechtsbuch, das in über 100 Handschriften überliefert ist. Als Quelle und Vorlage diente das Sachsenspiegel-Landrecht, das Magdeburger Weichbildrecht, das Goslarer Stadtrecht sowie das Zwickauer Stadtrechtsbuch. 201 Der unbekannte Verfasser bemüht sich um klare Definitionen: Er hat sich selbst zur Aufgabe gemacht, Landrecht, Weichbildrecht und Kaiserrecht - womit er das Goslarer Stadtrecht meint - in ihren Übereinstimmungen und Verschiedenheiten darzustellen: 202 Lipgedinge ist, daz eyn man sinen wibe leth lin unde dinge den hern an sime gute, daz sy besicczen sal unde gebruchen noch sime tode, dywile daz sy lebet unde wol eynen andem man nempt noch sime tode. He mag or dingen zcu lantrechte adder zcu wichbilde erbe, huser; adder acker, adder eygen, vor deme richter unde vor den dingeluthen, vor deme gerichte, do is inne lith, an gehegter bang. He mag ouch lipzcucht machen mit gelde, daz or vorborget wert, ab der man sterbet, daz or dii erben adder dy borgen daz geld lissen. Noch orme tode vellet daz gelt nicht hinder sich. Daz ist unde heyst morgengabe: dez morgens, so her zcu tysche geht czu essen, an erben gelobde so mag he or geben eynen knecht unde eynen mayt, dii zcu om iam kommen sinth, geczune unde geczummere, unde veltgenge vihe. Alle dy von rittersart nicht en sin, dii mogen oren wiben nicht en geben zcu margengabe, wen daz beste phert adder fye, daz he had. Dyselben frouwen mogen wol behalden ore morgengabe zcu den heyligen ane geczuge. Man mag ouch wol fruwen eygen geben zu orem libe mit erben gelobde, wy wening dez ist, yme gerichte, do daz eygen inne lid, unde in iczlicher stad, do des koninges ban inne ist. In wichbilde recht ist nicht morgengabe, wen eyn iczlich frouwe had noch ores mannes tode nicht mer, wen waz her had or gegeben an gerichte. Man saget ouch daz man frauwen in wichbilde phlege morgengabe zcu geben, des en ist nicht; wen waz der frouwen in wichbilde wert gegeben, daz mus dez mannes eygen lipczucht sin, adder sin eygen erbe mit 201 Es war Behelf für das Elbinger Rechtsbuch, welches möglicherweise als deutsche Übersetzung eines älteren polnischen Rechtsbuchs anzusehen ist. Vgl. hierzu Maisei, Das Rätsel des Elbinger Rechtsbuches, S. 49. Bemerkenswert ist ein Spruch der Magdeburger Schöffen nach Eisleben, in dem sich die Schöffen negativ über das Meißener Rechtsbuch äußern. Vgl. F. Ebel, Magdeburger Recht I, VI Nr. 10. Von dort wurde angefragt, was genau unter der Gerade zu verstehen sei. Man habe nämlich zwei Bücher vorliegen, die dazu unterschiedlichen Inhalts seien. Gemeint sind einmal das Meißener Rechtsbuch und zum anderen das Weichbildrecht. Die Schöffen entscheiden: Ok alse gy vns gebeden hebben, gik to vorschriben, welkes boikes gy in juwem wicbilde gebruken mogt, süllet ir wißin, vmme das buch ,distinctiones', das wir da nicht von halden, wen das nicht bestetigt ist von pawesen ader von keysem, vnd ist körczlich vffkomen, daz man nicht en weYß, wy daz zcu houffe gesaczt, vnd ouch mennigerleye vnd vele artikele heldt, dy wedder vnse aide beschrebene vnd bestetigede recht sin. Zu der Vorstellung vom Kaiserrecht siehe Krause, Kaiserrecht und Rezeption. 202 Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XII, Di. I; Cap. XIII, Di. I, III; Cap. XIV, Di. I. Zum Meißener Rechtsbuch siehe Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, Einleitung; Munzel, Art. Meißener Rechtsbuch, HRG III, Sp. 461-463; Ulmschneider, Art. Meißener Rechtsbuch, Verfasserlexikon 6, Sp. 326 - 329; Weizsäcker, Geschichte des Meißener Rechtsbuchs. Die Edition von Ortloffwird bereits hier als emeuerungsbedürftig bezeichnet.

94

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

erben gelobde, adder famde habe in des mannes bereyten guten. Hirumbe czweyged sich lanrecht unde wichbilde, wen czu morgengabe gehort geczune unde gezcymmere unde veldgende vie.

Das Leibgedinge kann im Landrecht und im Weichbildrecht gegeben werden. Es dient der Frau nach dem Tode des Mannes zeit ihres Lebens zum Unterhalt. Das Leibgedinge wird gerichtlich bestellt. Es kann das Erbe, Häuser, Acker oder Eigen umfassen. Möglich ist auch die Bestellung des Leibgedinges in Fonn von Geld, für das der Mann zur Sicherung Bürgen bestellen kann. Das Geld ist der Witwe nach dem Tode des Mannes von den Erben oder den Bürgen auszuzahlen. Die Definition der Morgengabe entspricht der des Sachsenspiegels?03 Im Anschluss daran findet sich eine Darlegung zum Leibgedinge, die ebenfalls dem Sachsenspiegel entstammt. Darauf folgt eine TextsteIle aus dem Sächsischen Weichbildrecht: Ablehnung findet daher die Morgengabe des Sachsenspiegels für das städtische Rechtsleben. Es wird also wieder zwischen Land und Stadt unterschieden. 204 Man wird wohl festhalten dürfen, dass die Gegenüberstellung der beiden Begriffe Morgengabe und Leibgedinge trotz des Versuchs des Verfassers um Klarheit nicht recht gelingt: Eine stringente Differenzierung der Tennini vermag er nicht zu leisten; so bemüht er sich im ersten Absatz zwar um eine klare Definition des Leibgedinges, der er im dritten Absatz jedoch, ohne dies kenntlich zu machen, die Sachsenspiegelregelungen zu diesem Rechtsinstitut folgen lässt, weshalb sich insgesamt kein homogenes Bild ergibt. Der gesamten Darstellung 203

dig.

Der Knecht oder die Magd ist im Gegensatz zum Sachsenspiegel allerdings wohl mün-

204 Dem Meißener Rechtsbuch inhaltlich ähnlich ist das Eisenacher Rechtsbuch. Vgl. Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, 11, 11, 13, 16: Lipgedinge ist das eyn man sime wybe leid lihen und dingen den herrin an sinen guthen, daz si besitzcin sullin und gebruchin noch sime tode, diwile si lebit, ab si wol eynen andim nemmit. Her mag er dingen zcu lantrechte adir zcu witpilde hufe, ackir, erbe adir eygen vor dem richte re und vor den dingluthen in dem gerichte, daz ez ynne ist adir lied, an geheygitir bang. Her mag er ouch lipzcucht machin mit gelde, daz er vorburgit wirt, ab der man sterbit, daz her di erbin adir di burgen daz geld leisten. Morgengabe ist, waz eyn man von rittirsard sime wybe mag gegebin. Morgengabe heissit: des morgens, so eyn man mit sime wybe zcu tysche ged, vor essene, vor erbe gelobede, so mag her er gebin eynen knecht und eyne mayt, di zcu iren kommen sint, gezcune und gezcimmerde, waltgenge und wingarten, daz gebit man zcu morgengabe. Dit ist lantrecht. Morgengabe in witpilde ist, daz eyn iczlich frouwe noch eris mannes tode nicht mer enhad an sime gute, wan daz her er gegebin had an gerichte. Die Nähe zum Meißener Rechtsbuch wird offenbar. Die Stelle zum Leibgedinge entspricht diesem. Was die Morgengabe betrifft, so wird zwischen Landrecht und Weichbildrecht unterschieden. Die TextsteIle zum Landrecht ähnelt den Aussagen des Sachsenspiegels: Am Morgen nach der Hochzeitsnacht, bevor Mann und Frau zu Tische gehen, kann der Mann ohne Erbenlaub seiner Frau einen Knecht oder eine Magd, die mündig sind, Gezäuntes und Gezimmertes, einen Weingarten sowie waldgängiges Vieh geben. Im Weichbild ist die Morgengabe das, was der Mann der Frau vor Gericht gegeben hat. Zum Eisenacher Rechtsbuch siehe Benna, Art. Eisenacher Rechtsbuch, HRG I, Sp. 914915. Verfasser dieses Rechtsbuchs ist der Eisenacher Stadtschreiber Johannes Rothe.

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

95

zu Morgengabe und Leibgedinge, die hier nur in Auszügen wiedergegeben wurde, ist anzumerken, wie schwierig die begriffliche Abgrenzung der verschiedenen Leistungen ist. Das Posener Rechtsbuch, das in nur einer Handschrift überliefert ist, wurde vom Posener Stadtschreiber Bemhard von Peisem verfasst. Grundlagen sind die älteste Form des Systematischen Schöffenrechts - vermutlich vermittelt durch das Glogauer Rechtsbuch - sowie der unsystematische Krakauer Vorläufer der Magdeburger Fragen. Das Rechtsbuch enthält auch Bestimmungen aus der Posener Rechtspraxis. Es wurde bis 1427 fortlaufend durch Magdeburger Sprüche für Posen ergänzt. Zu Morgengabe und Leibgedinge finden sich nachfolgende Textpassagen: 205 Vert eyn burgir adir eyn andir man vor richtir und vor scheppen in eyn gehegit ding in euwir stat gerichte und begobit syn eUch weib mit eyme erbe, also das se is nucze czu erem leibe ... Liebin vrunde. Wissit, das man hy nicht pflegit morgengobe vor gerichte czu gebin, sunder is ist sete, wenne sich czwe sullin nehmen czu der ee, so geen derselben czwer lute vrunt czusamme und tuen das globde offimbar, also das her globit X marg noch syme tode, und das heisit czu uns morgengobe ... Welch man bynnen weichbilde besessen und wonhaft ist, der mag synem weibe eigen standerbe, das her gewalt hat czu vorgeben, und ouch an anderm synem gute und vamder habe czu morgengobe gebin, was her will.

Bekannt ist die Leibzucht an einem Grundstück, die vor Gericht bestellt wird, was wiederum dem Sachsenspiegel und dem Weichbildrecht entspricht. Wie in den Magdeburger Fragen wird die Problematik geschildert, dass die Morgengabe in Geld vor Verwandten und nicht vor Gericht gelobt wird. Im Posener Rechtsbuch taucht zum ersten Mal die Morgengabe auf, die an jeglichem Standerbe, über das der Mann verfügen kann, bestellt werden kann. Die Morgengabe, die inhaltlich dem Sachsenspiegel entspricht, findet sich hingegen nicht. Abschließend wollen wir uns der Blume von Magdeburg zuwenden, die in zwei Handschriften überliefert ist. 206 Sie stammt aus der Feder des gelehrten Juristen und Glossators sächsischer Rechtsquellen Nikolaus Wurm, der sie als Arbeit des Magdeburger Schöffenstuhls aussehen ließ. Er orientierte sich am Richtsteig Landrecht, Sachsenspiegel Landrecht sowie dem Weichbildrecht: 207 Kein weip mag gut, daz ir czu irem leibe geben ist, den erbin intpfromdin, dy iz nach irem tode wartin sein, dy wile sy iz imr geczugin mugin, daz ir czu irem leibe gebin waz. 205 Maisei, Posener Rechtsbuch, IV, 66, 102, 151. Zum Posener Rechtsbuch siehe lohanek, Art. Bernhard von Peisern, Verfasserlexikon 1, Sp. 772-773. 206 Vgl. Oppitz, Deutsche Rechtsbücher 11, S. 391, Nr. 198; S. 412, Nr. 271. 207 Boehlau, Die Blume von Magdeburg, Particula 11. 2, c. 134, c. 169. Zu Nikolaus Wurm siehe lanz, Art. Wurm, Nikolaus, HRG V, Sp. 1546 ff. Nikolaus Wurm ist ebenfalls Verfasser der Blume des Sachsenspiegels, einer landrechtlichen Umarbeitung der Blume von Magdeburg.

96

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs Morgingabe an varender habe muz ein weip wol behaldin one geczug. Ist is ir ab ir an eigin gebin, und wil man ir dez nicht gloubin, daz iz ir man in geweren gehabit hab mit czu tune und czu lasin: sy mus iz mit geczuge behaldin.

Die TextsteIle, die sich mit dem Leibgedinge befasst, entspricht dem Recht des Sachsenspiegels. Bemerkenswert ist die Beweisregelung zur Morgengabe: Wurde der Frau Morgengabe an varender habe gegeben, kann sie diese ohne Zeugenbeweis behalten. Ist ihr jedoch die Morgengabe an eigin bestellt worden und wird angezweifelt, dass ihr verstorbener Mann es zur freien Verfügung in seiner Gewere hatte, kann sie es mit Zeugenbeweis behalten. Unklar ist, ob Fahrnis und Eigen selbst Inhalt der Morgengabe sind, oder ob von einem Geldversprechen, welches durch Pfand gesichert ist, gesprochen wird. Fraglich ist ferner, woher diese Regel kommt, entspricht sie doch weder Sachsenspiegel noch Weichbildrecht.

b) Das Begriffsgebäude der Literatur Der Überblick über die begriffliche Verwendung von Morgengabe und Leibgedinge in den einzelnen Rechtstexten hat verdeutlicht, dass wir im 15. Jahrhundert nicht mehr von den inhaltlich abgegrenzten Rechtsinstituten des Sachsenspiegels ausgehen können: Zwar sind die Termini des Sachsenspiegels erhalten geblieben; die klare Trennung von Morgengabe und Leibgedinge, wie Eike sie schildert, ist den übrigen Sammlungen indessen nicht mehr eigen. Teilweise werden Morgengabe und Leibgedinge des Sachsenspiegels noch beibehalten. Beide Begriffe werden aber auch synonym verwendet, so dass jeweils zu fragen ist, was sich hinter der Morgengabe oder dem Leibgedinge verbirgt. Daneben wird aber schon von der Morgengabe oder dem Leibgedinge in Form einer Geldgabe berichtet. Das Posener Rechtsbuch - vielleicht auch die Blume von Magdeburg - kennt sogar die Bestellung einer Immobilie als Morgengabe. In dieses Rechtsbuch ist neben dem Systematischen Schöffenrecht und einem Krakauer Urteilsbuch auch Posener Recht eingeflossen. Da die Magdeburger Fragen ebenfalls auf dem Systematischen Schöffenrecht und der Krakauer Sammlung basieren, das Grundstück als Morgengabe indessen nicht kennen, kann vermutet werden, dass es sich bei der Morgengabe in Form eines Grundstücks um eine regionale Besonderheit Posens handelt. Die Verwendung der Termini ist zu vielschichtig, um Begriffe und Wortgebrauch der Rechtsbücher und Schöffensprüche zu systematisieren und in Kategorien zu pressen. Erkannt hat dies bereits v. Martitz, wenn er schreibt, die Ausdrücke Morgengabe und Leibgedinge seien im Stadtrecht nicht technischer Natur gewesen. Vielmehr seien beide Begriffe für eheliche Verfügungen mannigfachsten Inhalts verwendet worden. 2os Dennoch versucht er, ein Begriffssystem für die ver208 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 341. Vgl. auch Kugelmann, Begründung des particulären Erbvertrages, S. 43. Eine Forschergeneration später widerspricht Behre, Eigentumsverhältnisse. S. 67 mit einer wenig einleuchtenden Erklärung auf das Heftigste: "Nein! Morgengabe und Leibgedinge sind

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

97

schiedenen Ehegaben zu finden. Wie auch seinen wissenschaftlichen Zeitgenossen bereiten ihm dabei insbesondere die Einordnung der Geldgabe und das bloße Versprechen einer Gabe erhebliche Probleme. Die nachfolgenden Zitate zeigen anschaulich die Versuche der Literatur des 19. Jahrhunderts, ein juristisches Denkmodell zu erstellen: v. Martitz verwendet den Begriff ,gelobte Morgengabe'. 209 Er definiert sie als Versprechen des Mannes, der Frau nach seinem Tode eine bestimmte Geldsumme zukommen zu lassen. Dieses Gelöbnis scheidet er dann noch in zwei Untergruppen: 210 "Zwei Fälle sind zu unterscheiden. Wir sondern das Verhältniss, wo ein vom Manne gegebenes Gelübde sich auf gerichtliche Bestellung bezieht, von dem, wo die Morgengabe durch ein Gelübde bereits constituiert wird. Der erstere Fall ist ein überaus einfacher, der den gewöhnlichen Regeln unterliegt. Der letztere, die gelobte Morgengabe im eigentlichen Sinne, ist ein nur statutarisch im Geltungsbereich des magdeburger Rechts vorkommendes Institut." Doch v. Martitz muss selbst erkennen, dass sich sein aufgestelltes System in den Quellen so nicht wieder findet: "Beide Verhältnisse erscheinen aber in unsern Quellen häufig zusammengeworfen und unter dieselben Regeln gebracht." Auch Agricola macht für die Stadt die gelobte Morgengabe als eine neue Form der Witwenversorgung aus: 21J "Die in den Städten übliche, die Leibzucht mit umfassende Morgengabe ist daher regelmässig nur die vor oder bei Eingehung der Ehe von der Frau stipulirte, vom Manne verheissene, gelobte Morgengabe, die ihrer juristischen Formulirung nach den rechtlichen Charakter der Vergabung unter Eheleuten trägt, der Sache nach aber von verschiedenstem Inhalt sein kann und namentlich den der Leibzucht mit umschliesst." Er erkennt allerdings nicht die von im Magdeburger Recht der juristischen Konstruktion nach zwei völlig in sich abgerundete, von einander unabhängige Institute, die niemals in den Quellen miteinander verwechselt werden. Ja noch mehr. Dies Magdeburger vertragsmäßige Güterrecht ist keine neue Errungenschaft städtischer Wirtschaft, es ist vielmehr mit geringen Ausnahmen lediglich aus dem sächsischen Landrecht übernommen worden, die vertragsmäßige Verfügungen der Ehegatten nach dem Weichbilde wie nach Landrechte haben denselben Ursprung, und das ist in erster Linie die verschiedene rechtliche Behandlung der Rade und der Ungerade im gesetzlichen Güterrecht. .. 209 Vgl. zum Begriff der gelobten Morgengabe Behre, Eigentumsverhältnisse, S. 68: "Der Begriff ,gelobte Morgengabe', in dieser, übrigens äußerst glücklichen Fassung erst durch die neuere germanistische Literatur ein Gemeingut der Wissenschaft geworden, den alten sächsischen Quellen dagegen nur unter dem Namen ,morgingabe' bekannt, ist kein rein juristischer, sondern in der Hauptsache ein wirtschaftlicher Begriff: die Quellen verstehen unter der gelobten ,morgingabe' nichts weiter als ein von dem Ehemann seiner Frau im Wege des gelobdes zugewendetes Vermögensobjekt. .. Hier zeigt sich einmal mehr die Vorgehensweise von Teilen der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts: Es wurde ein Begriff entwickelt, der sich in den Quellen gar nicht findet. Dieser Vorgang wird von Behre sogar erkannt, aber nicht als negativ bewertet. Vielmehr erklärt er paradoxerweise, was die Quellen ,in Wirklichkeit' unter diesem konstruierten Begriff verstehen. 210 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 345. 2lI Agricola, Gewere, S. 525. 7 Obladen

98

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

v. Martitz unterschiedenen Fälle der gelobten Morgengabe an, sondern trennt zwischen dem Gelöbnis der Morgengabe und der Bestellung derselben. Rechtsdogmatisch erinnert dies an das Abstraktions- und Trennungsprinzip: "Das erstere hat die rechtliche Natur eines pactum de contrahendo, das durch die letztere erfüllt wird." Er gesteht jedoch auch, dass "hie und da in den Quellen das Gelöbniss der Morgengabe als die gelobte Morgengabe" - womit er den Gehalt des Gelöbnisses meint - "behandelt, wenigstens Beides vermengt wird ,,?12 Die Literatur zum sächsisch-magdeburgischen Ehegüterrecht hat also zumeist erkannt, dass Morgengabe und Leibgedinge in ihrer Begrifflichkeit nicht mehr dem Sachsenspiegel entsprechen. Aber statt einen untechnischen Gebrauch dieser Termini hinzunehmen, wurde ein neues Begriffssystem erschaffen, dem die einzelnen Quellentexte zugeordnet werden konnten. 213 Da aber die Quellen längst von 212 Kritisch gegen v. Martitz und Agricola äußert sich wiederum Behre. Methodisch ist sein Vorgehen indessen äußerst bedenklich. Behre, Eigentumsverhältnisse, S. 69: "Die mannigfachen Modalitäten, die von dem gelobde bis zu dem endgültigen Übergang der gelobten Geldsumme in das Vermögen der Ehefrau vorkamen, haben bei den neueren Forschern, namentlich bei Martitz und Agricola, dazu geführt, dass sie das einheitliche Grundprinzip verkannten und infolgedessen nur ein sehr verschwommenes Bild von dem juristischen Anfall der gelobten Morgengabe erhielten. Nun würde sich die Polemik gegen diese Irrtümer am einfachsten gestalten, wenn wir jede Modalität, die uns in den Quellen bei der Zuwendung der Morgengabe von dem gelobde an bis zur Übereignung der gelobten Geldstücke begegnet, systematisch für sich gesondert der kritischen Betrachtung unterwürfen. Leider wird uns das durch die Eigenart der über die gelobte Morgengabe handelnden Quellenzeugnisse verwehrt; denn nicht selten streifen sie, und meist in demselben Satze, die ganze Fülle der Streitfragen, die hier in Betracht kommen, sodass die einzelnen Stellen nur dann zu verstehen sind, wenn von vornherein über alle Streitfragen klarer Tisch gemacht ist. Wir sehen uns daher genötigt, zunächst das Institut der gelobten Morgengabe systematisch und ohne jede Verweisung auf die Quellen darzustellen und dann erst die wichtigsten der über die gelobte Morgengabe handelnden Stellen zu interpretieren, sie so als Prüfstein für das aufgestellte System benutzend." Schräder, Eheliches Güterrecht 11 3, S. 337 erkennt ebenfalls den untechnischen Gebrauch des Begiffs Morgengabe für die verschiedenartigsten Gaben des Mannes an die Frau im Stadtrecht an. Dennoch macht er neben diesem untechnischen Gebrauch drei Formen der Morgengabe als eigenständige Rechtsinstitute aus, die sich nach seiner Ansicht aus der Scheidung von Stadtrecht und Landrecht ergeben: "In den Städten, wo die landrechtliche Morgengabe ihrer Natur nach nicht heimisch zu werden vermochte und demgemäß auch die gesetzliche Morgengabe" - womit er die Institute der Landrechte meint - "im wesentlichen unbekannt blieb, hat sich, neben dem untechnischen Gebrauche des Wortes für die verschiedenartigsten Geschenke des Mannes im Anfange der Ehe, als ein neues Rechtsinstitut die gelobte Morgengabe ausgebildet, deren Gegenstand, der Geldwirtschaft in den Städten entsprechend, fast immer eine Geldsumme bildete." Mit den Landrechten meint Schröder beispielsweise das Schlesische und Mecklenburgische Landrecht. Zur Textgeschichte des Schlesischen Landrechts siehe Wegener, Art. Schlesisches Landrecht, HRG IV, Sp. 1426-1429. 213 Schubart-Fikentscher, Eherecht, S. 131-148, hat sich in ihrer Arbeit zum Brünner Schöffenrecht bereits zu großen Teilen von der althergebrachten Dogmatik gelöst. Der Gang ihrer Darstellung orientiert sich an den auftretenden Streitfällen selbst. Zu einem weiteren Rechtskreis siehe ferner Brauneder, Ehegüterrecht in Österreich, S. 47, der in seiner Abhandlung zum Ehegüterrecht in Österreich zum Ausdruck bringt, dass es im Spätmittelalter keine typische Morgengabe, sondern eine Anzahl unterschiedlichster Leistungen, welche diese Bezeichnungen trugen, gab.

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

99

einer einheitlichen Begrifflichkeit abgerückt sind, ist der Versuch eines neuen Systems zum Scheitern verurteilt. Verdeutlichen lässt sich das Dilemma der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts in anschaulicher Weise mit einem Zitat von Agricola: 214 "Das Geschäft trug aber mehr nur noch den Namen der Morgengabe, in der That war es nichts als die alte Leibzucht, und wie man eine Leibzucht an Mobilien annahm, die in Wahrheit nichts als eine gelobte Morgengabe war, so hatte man jetzt umgekehrt eine Morgengabe an Immobilien, die in Wahrheit nichts als eine Leibzucht war." Und auch Schröders Äußerung zum Meißener Rechtsbuch ist bezeichnend: 215 "Es ist klar, dass wir unter dem, was hier ,Leibzucht' genannt wird, die gelobte Morgengabe zu verstehen haben." Sehen wir uns aber die Quellenauszüge auf der einen und das mühsam konstruierte germanistische Begriffsgebäude auf der anderen Seite an, muss festgestellt werden: Wenn man versucht, ein Begriffssystem für die verschiedenen überlieferten Rechtsquellen zu entwickeln und allein darauf den Fokus richtet, versperrt sich der Blick auf die wirklichen Streitigkeiten und rechtlichen Probleme, die durch die Schöffensprüche und Rechtsbücher überliefert sind. Denn nicht ein widerspruchsfreies Begriffssystem kann im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung stehen, sondern der Umgang der Rechtspraxis mit streitigen Rechtsfällen, die verschiedene Gaben unter Ehegatten zum Inhalt haben. So haben sich auch die Schöffen selbst nie damit auseinander gesetzt, die unterschiedlich ausgestalteten Gaben einer bestimmten Terminologie zuzuordnen. Wir sprechen daher - wie es auch die Krakauer Schöffen tun - ohne weiteres vom dotalicium und untersuchen, welche rechtlichen Probleme in diesem Zusammenhang vor Gericht ausgetragen wurden. Es soll nicht versucht werden, eine terminologische Einteilung der Fälle zum dotalicium in Morgengabe und Leibgedinge vorzunehmen. Vergleiche mit Magdeburger Schöffensprüchen und verschiedenen Rechtsbüchern sollen bei der Untersuchung helfen, Strukturen und wiederkehrende Lösungsmuster streitiger Probleme zu erkennen.

3. Das dotalicium in der Krakauer Spruchpraxis a) Inhalt des dotalicium

Wir beginnen die Untersuchung zum dotalicium mit einem gerichtlichen Streit, bei dem Mathias gegen seine Schwester Anna und seine Mutter Stachna klagt. Streitgegenstand ist die Erbschaft, die sein Vater hinterlassen hat: 216 ... Extune idem pater Mathie non potuit dietam hereditatem resignare uxori et Anne filie sue simul eum genera absque voluntate et eonsensu Mathie filii sui, sed dietam heredi214 215 216

7*

Agrieola, Gewere, S. 505. Sehröder, Eheliches Güterrecht 11 3, S. 338, 343. Nr. 1, Ort und Datum sind unbekannt, da der Textanfang dieser Notiz fehlt.

100

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

tatem dictus Mathias cum Anna sorore sua inter se per medium dividere debent, de forma iuris. Stachna vero ad eandem hereditatem nichil iuris habere potest, nisi quid dotalicii ipsa in eisdem haberet, de forma iuris scripti.

Mathias' Vater konnte die Erbschaft seiner Frau Stachna und seiner Tochter Anna zusammen mit ihrem Mann ohne Wissen und Zustimmung seines Sohnes Mathias nicht wirksam hinterlassen. Vielmehr müssen von Rechts wegen Mathias und seine Schwester Anna die Erbschaft unter sich hälftig aufteilen. Der Witwe Stachna kann dagegen an dieser Erbschaft kein Recht zustehen, es sei denn, sie selbst habe an den Erbschaftsgegenständen ein dotalicium. Was war geschehen? Mathias' Vater hat eine von den Rechtsgewohnheiten abweichende Aufteilung seines Nachlasses bestimmt: Als Erben hat er seine Frau sowie seine Tochter und seinen Schwiegersohn eingesetzt. Das war möglich, aber nicht ohne Zustimmung seines Sohnes,z17 Er jedoch hat die Verfügung ohne Wissen und Wollen seines Sohnes getroffen. Sie ist daher unwirksam mit der Folge, dass die den Rechtsgewohnheiten entsprechende Erbfolge eintritt. Da Mathias neben seiner Schwester nächster Erbe seines Vaters ist, entscheiden die Schöffen, dass die Erbschaft ihm und seiner Schwester zu gleichen Teilen zufällt. Sie müssen sich die Erbschaft teilen. Ihre Mutter Stachna, die Ehefrau des Erblassers, geht hingegen leer aus. Das entspricht, wie wir schon wissen, den erbrechtlichen Grundsätzen des sächsisch-magdeburgischen Rechts: Die Kinder beerben ihren Vater unabhängig von ihrem Geschlecht zu gleichen Teilen; die Witwe ist dagegen nicht Erbin ihres verstorbenen Mannes. Stachna nimmt nur dann am Erbe ihres verstorbenen Mannes teil, wenn sie ein dotalicium an diesem geltend machen kann. Für das Leibgedinge - in seiner ursprünglichen Bedeutung - kennt diesen Grundsatz schon das Magdeburg-Breslauer Recht von 1261; dort heißt es: 218 Ofte ein man ein wip nimet, stirbet die man, daz wip ne havet in sime gute nicht, her ne hab' iz ir gegeben in gehegteme dinge, oder zu libgedinge zu irme libe.

Nach dem Spruch der Krakauer Schöffen ist das dotalicium eine Zuwendung des Mannes an seine Frau auf den Todesfall. Das dotalicium gewährt der Witwe eine Teilhabe an der Hinterlassenschaft des Mannes, die ihr nach den erbrechtlichen Grundsätzen nicht zusteht. Was mit dem dotalicium inhaltlich gemeint ist, kann hier nur vermutet werden. Bei der offensichtlichen Parallele zum MagdeburgBreslauer Recht ist nicht auszuschließen, dass der Spruch der Krakauer Schöffen auch der Bestimmung entspricht, dass die Witwe am Erbe ihres verstorbenen Mannes ein Recht nur dann hat, wenn ihr ein lebenslanges Nutzungsrecht zugewiesen ist. Für diese Möglichkeit gibt es freilich keinen weiteren Anhaltspunkt. Vgl. hierzu B. V. Laband, Magdeburger Rechtsquellen, Magdeburg-Breslauer Recht von 1261, § 14. Zugleich ders., Systematisches Schöffenrecht, IV 111, 1; Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XXXVI; Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 9, Nr. 1. 2I7

218

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

101

Eindeutig bestimmen lässt sich der Inhalt des dotalicium, wenn eine Geldsumme genannt wird?19 Quod ex quo Helena uxor Stanislai Cozub olim concivis vestri pro decem marcis dotalicii sui super Gregorium tutorem pueri vivi predicti Stanislai Cozub est conquesta coram iure ...

Helena, die Frau des verstorbenen Mitbürgers Stanislaus Cozub, klagt von Gregor, dem Vormund des noch lebenden Kindes ihres verstorbenen Mannes 22o, die Auszahlung ihres dotalicium in Höhe von zehn Mark ein. Das dotalicium besteht hier in einer Geldleistung, die der Sohn des verstorbenen Mannes, also sein Erbe, der Witwe aus dem Nachlass schuldet. Die Rechtspraxis im kleinpolnischen Raum kennt demnach das dotalicium in Form einer Geldgabe, wie sie im Sächsischen Weichbildrecht, aber noch nicht im Sachsenspiegel erwähnt wird?21 Die Summen, die für das dotalicium genannt werden, sind wesentlich höher als die durchschnittlichen Werte, die wir für die Geradegegenstände ermitteln konnten: 222 So entscheiden die Schöffen etwa in einem Spruch nach Malogoscz 223 über ein dotalicium in Höhe von zehn Mark. Von 30 Mark wird in einer Anfrage aus Slawkow 224 berichtet. Die höchste Summe findet sich mit 72 Mark in einem Spruch nach Byecz. 225 Das sind beträchtliche Summen. Weiteren Aufschluss über den Inhalt des dotalicium gewinnen wir aus einem Rechtsstreit, bei dem sich die Kinder gegen die Bestellung eines dotalicium für ihre Mutter wenden: 226 Quod pater presencium puerorum, de quibus nobis scribitis, uxori sue bene potuit pro dotalicio inscribere super omnia bona et possessiones suas per se ipsum acquisitas et elaboratas, quantumcunque voluit, ideo si idem pater uxori sue hoc dotalicium, de quo scribitis, coram bannito iudicio inscripsit, tune pueri dictum dotalicium eorum matri minime infringere possunt ...

Der Vater - so die Schöffen - konnte seiner Frau in Anwesenheit seiner Kinder alle Güter und Besitzungen, die er selbst hinzugewonnen und erarbeitet hat, als dotalicium einschreiben. Wenn dieses dotalicium vor Gericht eingetragen worden ist, können die Kinder ihre Mutter deswegen nicht angreifen. Nr. 224, Sentencia de Zarnovecz (14. 4. 1459). Nach dem Wortlaut ist zu vermuten, dass es sich nicht um ein gemeinsames Kind, sondern um ein Kind aus einer vorherigen Ehe des Stanislaus handelt. 221 v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XCII. 222 Siehe hierzu Nm. 224, 342, 390/400,472,810/827,929,1243, 1408, 141211436, 1499. 223 Nr. 342, (23. 7. 1460). 224 Nr. 390, (5. 2. 1461) 1Nr. 400, (24. 4. 1461). 225 Nr. 1408, (16. 7. 1476). 226 Nr. 466, Sentencia quorundam nobilium strenuorumque virorum dominorum, videlicet Procopii Pyenasek, Henrici Kamyenyeczky etc., (19. 6. 1462). 219 220

102

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Das Verb inscribere weist darauf hin, dass die Bestellung des dotalicium in ein Gerichtsbuch eingetragen wurde. Insbesondere Grundstücksgeschäfte wurden in Gerichtsbüchern festgehalten. Aber auch andere Rechtsgeschäfte und rechtlich relevante Sachverhalte wurden schriftlich fixiert und damit zugleich dem gerichtlichen Beweis zugänglich gemacht. So führte etwa auch der Krakauer überhof selbst Gerichtsbücher, in die Angelegenheiten in seiner erstinstanzlichen Zuständigkeit in Schulzei- und Vogteisachen eingetragen wurden. 227 Inhalt des dotalicium könnte eine Geldsumme sein. Dann wäre die Formulierung pro dotalicio inscribere super bona et possessiones so zu verstehen, dass das Geld in die Güter und Besitzungen eingeschrieben ist. Ein Pfandrecht könnte die Frau für den Fall absichern, dass nach dem Tode ihres Mannes nicht genügend Geld zur Auszahlung ihres dotalicium zur Verfügung steht. Erste Quellenbelege für die Bestellung von Grundpfandrechten finden sich für das 12. Jahrhundert?28 Kannte man zunächst nur das Fahrnispfand, das die Inbesitznahme durch den Gläubiger erforderte, entwickelte sich aus den Bedürfnissen des städtischen Kaufmannslebens das besitzlose Pfandrecht. Es verbreitete sich in allen Gesellschaftskreisen, zumal damit verschiedene Zwecke verfolgt werden konnten: Die Bestellung eines Pfandrechts konnte etwa als Sicherungsfunktion oder Kapitalanlage dienen, was seine differenzierte Ausbildung erklärt. Durch die öffentliche Bestellung vor Gericht oder dem Rat, die in einem Buch vermerkt wurde, konnte dem Publizitätserfordernis Rechnung getragen werden. Möglich wurde so auch die mehrfache Belastung eines Grundstücks. Näher liegt jedoch, dass Gegenstand des dotalicium die Güter und Besitzungen selbst sind. Dafür spricht vor allem der Wortlaut, denn wenn ein Grundstück oder Haus als Sicherheit für eine Geldsumme gesetzt wird, formulieren die Schöffen dies meistens mit Wendungen wie quod in et super bonis istis dotalicii sui reforma227 Siehe etwa Nr. 42, Sentencia de Sandomiria (4. 11. 1456): ... dotalicio per maritum suum reformata, si igitur ipsa pars respondens docere hoc poterit registro aut litte ra iudicii banniti aut per iudicium bannitum ... Vgl. Kisch, Das mittelalterliche polnische Privat-Recht, S. 225: "Sehr häufig wurde der Vertrag vor der Behörde abgeschlossen oder in die Gerichtsbücher eingetragen, was bei sonstiger Unwirksamkeit in genau vorgeschriebener rechtsförmlicher Weise stattfinden mußte." Lysiak, Ius supremum, S. 94 ff.; Winterberg, Art. Gerichtsbücher, HRG I, Sp. 1543 f. Rehme, Stadtbuchstudien, der sich mit Stadtbüchern des Magdeburger Rechtskreises befasst. Siehe zur Entwicklung von Grundbüchern, die in der Vornahme von Grundstücksgeschäften vor Gericht ihren Ursprung nimmt, allgemein Hofmeister, Art. Grundbuch, LexMa IV, Sp. 1737 f. Funktional verlief die Entwicklung von der Gedächtnisstütze über die Beweisfunktion bis hin zur konstitutiven Wirkung von Eintragungen. Nach W Ebel, Rechtsschöpferische Leistung, S. 159 waren insbesondere Verpfändungsgeschäfte treibende Kraft für das Entstehen von Stadt- und Grundbüchern. Auch wurden Stadtbücher geführt, siehe etwa Nr. 40, Sentencia de Lelow (20. 10. 1456): ... quod inscriptum est in registro vestro civili ... 228 Vgl. hierzu Planitz, Grundpfandrecht, der wiederum sehr dogmatisch und systematisierend argumentiert. Eine regionale Studie findet sich bei Kunstein, Vollstreckungs- und Pfandrecht. Zur Einführung vgl. Hagemann, Pfandrecht, HRG III, Sp. 1684-1688; Ogris, Satzung, HRG IV, Sp. 1310-1313.

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

103

cionem habuit quadraginta marcarum229 oder racione cuius dotalicii ei decem marcas in domo suo assignavit. 230 In diesem Spruch verwendet der Schreiber hingegen das Verb inscribere. Andererseits werden wir noch einige Fälle kennen lernen, in denen eine schlichtere Umschreibung für eine durch Pfand gesicherte Geldsumme gewählt wird. Ein schärferes Argument gegen die Annahme einer gesicherten Geldgabe kann aus dem Begehren der klagenden Kinder hergeleitet werden: Sie machen geltend, der Vater hätte ihrer Mutter das dotalicium nicht gewähren dürfen. Bezöge man dies auf ein Pfandrecht, hieße dies, sie würden sich gegen die Setzung des Pfandrechts als solches wenden. Bei der Durchsicht aller erreichbaren gedruckten Quellen zum sächsisch-magdeburgischen Recht ist mir indessen kein einziger Fall aufgefallen, in dem dies Streitgegenstand gewesen wäre; vielmehr scheint es selbstverständlich gewesen zu sein, dass der Mann für das Geldversprechen ein Pfand ohne Zustimmung der Erben setzen konnte. Daher spricht sehr viel dafür, dass hier tatsächlich die erworbenen Güter Inhalt des dotalicium sind. Wenn wir annehmen, die erworbenen Güter seien Inhalt des dotalicium, gilt es als nächstes zu klären, ob der Frau ein Nutzungsrecht an den Gütern zustehen oder ob sie diese zu frei vererbbarem Eigen erhalten sollte. Zur Terminologie sei an dieser Stelle klarstellend bemerkt: In den decreta kommt das Wort Eigentum kein einziges Mal vor. Auch das lateinische dominium findet sich lediglich in einer Handvoll Sprüchen. Verwendet werden bona, hereditas, gut, erbe. Daher wird in dieser Arbeit der Begriff Eigen statt Eigentum verwendet: Es soll die Zuordnung und Beziehung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zu einer Person im Vordergrund stehen und verhindert werden, dass der absolutistisch-individualistische Charakter des heutigen Eigentumsbegriffs mit dem mittelalterlichen Rechtsdenken in Verbindung gebracht wird. 231 Dabei darf indessen nicht vergessen werden, dass die Begriffe Eigen und Eigentum einer Entwicklung unterworfen waren und keine gegensätzlichen Pole darstellen, also nicht in zwei verschiedenen Begriffskategorien gedacht werden soll. Nr. 1499, Sentencia de Lelowia (18.7. 1478). Nr. 1436, Sentencia de Proschowicze (9. 1. 1477). 231 Siehe zur Wandlung des Eigentumsbegriffs insbesondere Willoweit, Dominium und Proprietas, auch mit weiteren Literaturhinweisen, S. 154: "Das Eigentum als ein objektiv geregeltes Zuordnungsverhältnis finden wir in der Rechtswirklichkeit des Mittelalters wieder, und zwar nicht nur im deutschrechtlichen Bereich. Die Vorstellung, Eigentum sei primär Sachherrschaft und daher Entfaltungsraum des Individuums, ist dagegen charakteristischer Ausdruck einer auf den Rechten des einzelnen aufbauenden Privatrechtsordnung, die sich nach dem Zerfall der im Mittelalter vorgegebenen sozialen Bindungen durchsetzt und später in Aufklärung und Liberalismus ihre Kulminationspunkte erreicht." Die unterschiedslose Verwendung von Eigen und Eigentum ist sicherlich ein methodisches Problem der Germanistik des 19. Jahrhunderts. Nur so lässt sich auch erklären, warum etwa Fragen des Eigentumsübergangs in umfänglicher Breite behandelt werden, anstatt schlicht nach Zuordnung der Güter und Verfügungsmöglichkeiten zu fragen. 229 230

104

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Wenden wir uns wieder dem Schöffenspruch zu: Das Nutzungsrecht entspräche dem ursprünglichen Inhalt der Leibzucht des Sachsenspiegels. Doch was wäre dann die Besonderheit dieses Falles? Warum wird ausdrücklich erwähnt, die Güter seien erarbeitet? Diese Einwände lenken die Interpretation in eine andere Richtung: Ein Merkmal der städtischen Rechtsentwicklung ist die Unterscheidung von Erb- und Kaufgut. 232 So unterlag etwa nach vielen spätmittelalterlichen Stadtrechten nur die Vergabe von Erbgütern der Zustimmung der Erben, während über Kaufgüter frei verfügt werden konnte. 233 Ein weiteres Beispiel für eine gesonderte rechtliche Behandlung des Kaufguts haben wir bei der Besprechung des Erbrechts kennen gelernt: Die Witwe erbt die gemeinsam erarbeitete Fahrnis. Es entspräche dem Rechtsgedanken der Scheidung von Erb- und Kaufgut, dass der Mann das erarbeitete Gut als dotalicium vergeben konnte. Die Durchsicht des Quellenmaterials hat zudem ergeben, dass kein Spruch über die Vergabe von Erbgütern als dotalicium befindet. 234 Darin könnte die rechtliche Brisanz dieses Falles liegen und darüber ist es wohl zum Streit gekommen, dass hinzugewonnene Güter als dotalicium zu frei vererbbarem Eigen vergeben werden konnten?35 Ein Kaufvertrag über ein Haus steht im Mittelpunkt der nächsten Entscheidung?36 232 Vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen WEbei, Rechtsfragen des bürgerlichen Grundbesitzes; Ogris, Art. Erbgut, HRG I, Sp. 964 f.; Bader/ Dilcher; Deutsche Rechtsgeschichte, S. 666; Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 75 ff. 233 Siehe hierzu z. B. bei F. Ebel, Der Rechte Weg 1, B 20: Standterbe, das eyme vor gerichte vorgebin ist, und dorczu andir sein gut, das er selber gewonnen und irworben hat, unde farnde habe mag der man gebin seyme weybe, frunden adir fremden, wie er will, ane der erben widersproche. Vorgebe adir ein man sein anirstorben standeygen, das mochten seyne erben widersprechen bynnen jare und tage, wenne is ehn wissentlichen wurde, dornoch die gobe gescheen were, is were denne, das den erben echte not beneme und denne die echte not beweyseten. Dennoch mochten die erben die unrechte gobe widerreden. v.r.w. 234 Auch im Weichbild - vgl. B. III. 2. a) - wird zwischen der Vergabung von Leibzucht und Eigen unterschieden. Die Vergabung zu Eigen wird in einem eigenständigen Kapitel behandelt. Deshalb kann an dieser Stelle nicht näher auf diesen Problemkreis eingegangen werden. Vgl. B. IV. 235 Doch es kommt eine weitere, aber recht konstruiert wirkende Interpretationsmöglichkeit in Betracht: Der Mann könnte seiner Frau zur Witwenversorgung ein Nutzungsrecht an den erarbeiteten Gütern zugesprochen haben. Eben weil es sich um erarbeitete Güter handelt, müssen die Kinder indessen nicht zustimmen. Zwar waren die Kinder vor Gericht anwesend; jedoch ist für die Frist von Jahr und Tag zur Geltendmachung des Erbenrechts erforderlich, dass der Berechtigte bereits mündig ist. Der Spruch wäre dann so auszulegen, dass die Kinder zunächst unmündig waren und sich nunmehr, nach Erreichen des MündigkeitsaIters, gegen die Gabe des Vaters wenden. Die entscheidungserhebliche Besonderheit des Falles wäre dann, dass ein Nutzungsrecht ohne Zustimmung der nächsten Erben gewährt werden kann. Als Argument für diese Auslegung kann die Verwendung des Verbes inscribere ins Feld geführt werden: Üblicherweise wird nämlich für die Übertragung von Gütern - was bei der ersten Interpretationsmöglichkeit relevant wäre - das Verb resignare vom Schreiber benutzt. lnscribere könnte daher auf die Eintragung eines Rechts an den Gütern hinweisen. 236 Nr. 265, Sentencia de Byecz (6. 11. 1459).

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

105

Quod si mulier; de qua nobis scribitis, poterit probare dotem seu dotalicium suum iudicio banito, quod sibi super eodem domo est reformatum, extunc forum et contractum pro ipso domo factum potest infringere et denegare, de forma iuris. Si vero hoc banito iudicio probare non poterit, extunc emptor circa empcionem eiusdem domus debet remanere, de iure scripto.

Wir haben es mit einem Konflikt zwischen der Witwe des ursprünglichen Eigners des Hauses und einem Käufer zu tun. Beide machen Ansprüche an dem Haus geltend: Die Frau beruft sich auf ein dotalicium, die gegnerische Partei führt ins Feld, das Haus gekauft zu haben. Die Frau wird zum Beweis zugelassen: Ihr wird die Möglichkeit gegeben, das dotalicium gerichtlich zu beweisen. Gelingt ihr der Beweis, ist der Kaufvertrag entkräftet. Kann sie allerdings den Beweis vor gehegtem Ding nicht erbringen, bleibt der Kaufvertrag bestehen. Mit dem dotalicium könnte hier ein Nutzungsrecht an dem Haus gemeint sein. Dafür könnte sprechen, dass die Klägerin bei Annahme eines Pfandrechts eher auf Auszahlung geklagt und nicht versucht hätte, gegen den Kaufvertrag vorzugehen. 237 Hingegen könnte die Witwe mit der Klage auch bezweckt haben, in den Besitz des Hauses zu kommen, um ein Pfandrecht verwerten zu können. Ginge man von einem Nutzungsrecht aus, wäre weiterhin fraglich, warum es der Witwe gestattet wird, gegen den Kaufvertrag vorzugehen. Vorstellbar ist doch auch, dass sie ein Nutzungsrecht an dem nun dem Käufer gehörenden Haus erhält, wie dies in vergleichbarer Weise bei der Regelung ,Kauf bricht nicht Miete' der Fall ist. 238 Die Begründung könnte darin liegen, dass ein Nutzungsrecht mehr umfassen konnte als ein bloßes Wohmecht, also etwa auch das Recht, den Ertrag aus einer Sache zu ziehen. Bei dem dotalicium könnte es sich indessen auch um eine durch Pfand gesicherte Geldforderung handeln. Dafür spricht das Wortmaterial der Entscheidung, welches - wie wir noch sehen werden - mit super eodem domo reformatum est Fällen entspricht, bei denen eindeutig um ein Pfandrecht gestritten wird. Indessen wird in den decreta das Verb reformare im Zusammenhang mit dem dotalicium auch in Fällen verwendet, in denen sich ein Pfandrecht wiederum nicht eindeutig ausmachen lässt, so dass aus dem Wortmaterial allein noch keine verbindlichen Rückschlüsse gezogen werden können. 239 Bemerkenswert wäre zudem das Ergebnis der 237 Siehe zu diesem Problemkreis auch den Spruch bei F. Ebel, Der Rechte Weg 2, I 31. Hier hat der Mann seiner Frau Geld gelobt, welches durch sämtliche seiner Güter, bewegliche und unbewegliche, gesichert ist. Als der Mann verstirbt, fordert die Frau das Geld. Allerdings hat der Mann einiges verkauft. Die Schöffen entscheiden, dass die Käufer näher sind, bei ihren Gütern zu bleiben. Die Witwe kann aber ihren Geldanteil den noch verbleibenden Gütern entnehmen. Wenn über die verkauften Güter hinaus weiteres Vermögen vorhanden ist, findet demnach keine Auszahlung statt. 238 Vgl. z. B. F. Ebel, Der Rechte Weg 2, K 5: Hat ein man sein hauß und erbe vormytet und vorkauft das sint der czeyt: Wolde denne der keufer den mytman dor abe treybin, das sal nicht sein. Sundir als denne ir yngedinge adir mytunge gestandin heue, denne mag der keufer sein eygin behaldin und warte seines czinses, ap er wil. 239 V gl. B. III. 3. d).

106

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Entscheidung, wenn es sich tatsächlich um eine durch Pfand gesicherte Geldforderung handelte: Der Witwe wird es gestattet, gegen den Kaufvertrag vorzugehen. Es wäre somit einem Ehemann unmöglich gemacht, ein Grundstück zu veräußern, welches der Absicherung einer Geldgabe dient. Was mit dem dotalicium in diesem Spruch gemeint ist, muss offen bleiben. Auch in den nachfolgend zu besprechenden Entscheidungen bieten sich oftmals verschiedene Interpretationsmöglichkeiten an. Es kann daher erst in einer Zusammenschau versucht werden, ein Ergebnis zu finden. b) Sicherung des dotalicium Die Schöffen hatten zahlreiche Entscheidungen zur Sicherung des dotalicium zu treffen, so wie im Streit zwischen Silvester Laszek und seiner Stiefmutter: 24o Quod ex quo Silvester Laszek est frater senior istorum puerorum, quos pater suus cum Hedwigi nowerca sua habuit et post se relinquit, et trahit se ad patrimonium et matrimonium propinquitate et ad tutelam eorundem puerorum, nolens nowerce ad annos discrecionis puerorum permittere manere in eadem domo, prout hoc ipsum ex scriptis vestris clare cognoscitur, extunc ipse Silvester Laschek propinquior est ad huiusmodi suum patrimonium et matrimonium, et ad tutelam eorundem puerorum, quos pater suus post se reliquit, quam ipsa Hedwigis nowerca sua; et ipsa Hedwigis si habet dotalicium suum, prout dicit, querat eum secundumformam iuris. Et in eo sentencia vestra est cassa, et sentencia appellantis habet suum progressum, de forma iuris.

Silvester Laszek ist der ältere Bruder jener Kinder, die aus der Ehe seines Vaters mit Hedwig hervorgegangen sind. Als der Vater stirbt, nimmt Silvester die Erbgüter und die Vormundschaft über die Kinder in Anspruch. Weiterhin möchte er seiner Stiefmutter nicht gestatten, bis zu den annos discrecionis 241 seiner Geschwister im Haus zu bleiben. Die Schöffen entscheiden - in Abweichung zum unteren Gericht, das zuerst in der Sache entschied - zugunsten des Silvester: Er ist näher zu den Erbschaftsgütern und darf die Kinder in Vormundschaft nehmen, bis diese mündig sind. 242 Nr. 1412, Sentencia de Proschowicze (12.8. 1476). Vgl. Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, S. 50: Anni discretionis, werden genannt die Jahr, wenn einer zu seinem Verstande kommt. Ogris, Art. Mündigkeit, HRG III, Sp. 738-742. In der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs liegt diese Altersgrenze für Jungen bei 17 Jahren, für Mädchen bei 14 Jahren. Siehe hierzu Nr. 610, Sentencia de Dobschycze (12. 6. 1464): Quod ex quo mater istorum puerorum, de quibus nobis scribitis, recognovit, quod pueri eius haberent annos etatis, coram iudicio banito, videlicet masculo XVII annos et femelle XlIII . .. 242 Dies bedeutet wohl, dass die Mutter von ihren Kindern getrennt wird, denn Silvester verlangt, dass seine Stiefmutter das Haus verlässt. Die Schöffen geben ihm auch in diesem Punkte Recht. Dieser Befund ist sehr verwunderlich, da die Kinder ja noch minderjährig sind. Zur Vormundschaft über die Witwe siehe B. V. 2. a). 240 241

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

107

Offenbar hatte sich die Witwe in diesem Prozess um die Güter vorrangig auf die Vormundschaft berufen. Dass der nächste männliche Verwandte die Güter für die erbenden Kinder verwaltet, ist aber auch fester Bestandteil des Sachsenspiegels und der Magdeburger Spruchpraxis. 243 Die Schöffen raten ihr daher, wenn sie ein dotalicium geltend machen könne, solle sie dies einklagen. Diesen Ratschlag befolgt Hedwig, wie einem späteren Spruch zu entnehmen ist: 244 Quod ex quo Hedwigis nowerca ipsius Laszek adversa pars in eius replicacione dicit, quod patrimonium et matrimonium eis non recusat, sed quidquid teneret, illud teneret in dotalicio suo, quod ei maritus eius et pater ipsius Silvestri, dum cum ea lectum ingredi debuit, compromisit, racione cuius dotalicii ei decem marcas in domo suo assignavit, quam teneret in gwar; si ergo ipsa Hedwigis pars adversa docere poterit, uti iuris est, quod maritus eius easdem decem marcas dotalicii eidem super eadem domo sua assignavit et reformavit, extunc propinquior erit dictas decem marcas dotalicii sui in et super eadem domo obtinere, quam quod ipse Silvester eam ab eis reprimere posset, de forma iuris.

Hedwig antwortet, sie wolle Silvester die Erbgüter nicht verweigern. Ihr stehe aber ein dotalicium zu, welches ihr Mann ihr versprochen habe, als er mit ihr das Ehebett beschritt: Ihr seien zehn Mark super eadem domo zugewiesen, welches sie in der Gewere halte. Wenn Hedwig ihr Vorbringen beweisen kann, ist sie näher, die durch das Haus gesicherten zehn Mark zu erhalten, als dass sie Silvester davon abhalten kann. Hedwig ist zunächst ein dotalicium versprochen worden. Später hat der verstorbene Mann das dotalicium abgesichert, indem er die Geldsumme als Pfandrecht auf sein Haus hat einschreiben lassen. 245 Da es sich hierbei um ein Grundstücksgeschäft handelt, musste es vor Gericht vorgenommen werden. 246 Das Pfandrecht ermöglicht es der Witwe, in das Gut zu vollstrecken: 247 Siehe z. B. F. Ebel, Der Rechte Weg I, D 80: Fruntlichin grus zuvor! Wir fragen umbe recht, das do ist yn solchen worten: Eyn man stirbet und lest kynder, eyns adir mehr, die do jung sein, ehe sie czu eren jaren komen seyn. Ap der kynder neste swertmoge der muter, sie habe ein man genomen adir nicht, die kynder und das gut nehmen mogen ane willen der muter. Sentencia Der kynder nehste swertmoge mag sich der kynder und ihres gutis undirwinden und sie vorstan. Mehr, er sal das der muter und auch den kyndem ir gut, dasfamde gut ist, vorgewissen mit stand eygin, und er sal auch der muter von jare czu jare das gut berechin, die weyle die kynder unmundig und bey iren jaren nicht sein, das sie wissen moge, wie er das gut und die kynder vorstehe. Adir stehinde eygin darf der swertmoge nicht vorgewissen, mehir das vorwisset sich selbir. 1I.r.w. Die Magdeburger Schöffen fordern hier, dass sich der nächste männliche Verwandte, der die Vormundschaft über die Kinder und die Güter übernimmt, der Mutter und den Kindern für die fahrende Habe mit seinem eigenen Standeigen bürgen soll. Weiterhin soll er der Mutter jährlich über die Güter Rechenschaft ablegen. Für das Standeigen der Kinder muss er sich indessen nicht verbürgen, weil dafür kein Bedürfnis besteht. 244 Nr. 1436, Sentencia de Proschowicze (9. l. 1477). 245 Vgl. hierzu auch Schräder, Eheliches Güterrecht II 3, S. 338. 246 Vgl. z. B. F. Ebel, Der Rechte Weg I, B 39: Erbe sal man ufbyten, erbe ufgebin yn gehegtem dinge zu rechter dingestat und yn offin tagin, das vor mit gerichte besaczt ist, 243

108

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

So eyn man synem elichen wibe eyn gelt zu morgingabe gelabet, unde ir sien eigen ader sien erbe dovor zu phande sezit under wichbildis rechte, stirbit der man, die frouwe mag daz phant mit rechte vorsezen vor ir gelt, wenne sy wil.

Das Sächsische Weichbildrecht räumt der Witwe die Möglichkeit ein, das Eigen oder Erbe ihres Mannes zu verpfänden, um die in Geld gelobte und durch Pfandrecht an einem Grundstück gesicherte Morgengabe zu realisieren. Und auch die Krakauer Schöffen gewähren ein Recht zur Verwertung?48 Quod si Anna Mloda docere poterit, ut iuris est, quod in et super bonis istis in legacione notatis racione dotalicii sui reformacionem habuit quadraginta marcarum, per primum virum sibi factam, iuxta scripta vestra, extunc bona prefata potuit in hiis tantum quadraginta marcis obligare iuxta reformacionem suam ...

Wenn Anna Mloda beweisen kann, dass ihr erster Mann für das dotalicium ein Pfandrecht an den genannten Gütern in Höhe von 40 Mark bestellt hat, ist es ihr erlaubt, die Güter in dieser Höhe zu verpfänden. Der Wortlaut des Schöffenspruchs lässt die Vermutung zu, dass Anna nicht nur die Möglichkeit hat, das Pfandrecht zu verwerten, sondern es ihr sogar zusteht, das pfandrecht weiter zu verpfänden. Hervorzuheben ist ferner, dass die zweite Heirat der Anna der Geltendmachung ihres dotalicium aus erster Ehe nicht im Wege steht. Auch die Bürgschaft spielt bei der Sicherung des dotalicium eine Rolle, wie ein Spruch nach Skawina zeigt: 249 Quod ex quo Petrus Sampson, Laurencius Stokmal et lacobus Maldrzyk non negant, se fideiussisse domine Barbare Gyelytowna dotalicium XII marcarum, sed nolentes credere, quod ipsa in sede viduali existeret, et admittentes ei docere et ostendere suam huiusmodi vidualem sedem, et ipsa mediante littera domini Comorowsky suo sigillo sigillata docuit; qui per eandem suam litteram testatur manifeste, quod quodam tempore maritus dicte Barbare Crzeczek nuncupatus in quodam conflictu cum Hungaris sit occisus et omnino privatus sua vita; quam eciam litteram prefati domini Comorowsky honorabilis vir dominus Raphael prepositus Kyelciensis, canonicus et officialis Cracoviensis, confirmavit ipsamque sanam et salvam fore assumendo, ac prenominatam Barbaram relictam ac viduam fuisse et esse rite et realiter pronunciavit, prout hoc ipsum vestris presentibus ex scriptis et copiis litterarum nobis per vos destinatis clare patet; extunc sepedicta Barbara sui huiusmodi probacioni documentoque per omnia satisfecit, de forma iuris scripti.

Petrus Sampson, Laurencius Stokmal und Iacobus Maldrzyk leugnen nicht, sich für das dotalicium der Barbara Gyelytowna in Höhe von zwölf Mark verbürgt zu haben. Allerdings melden sie Zweifel am Witwenturn der Barbara an, gestatten dieser jedoch, darüber Beweis zu erbringen. Barbara legt daraufhin eine Urkunde und andirs nicht. Also sal man auch pfandt beseczin, ujbyten und in gehegtem dinge erwerbin. v.r.w. 247 v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XCII. Ebenso in Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 80. 248 Nr. 1499, Sentencia de Lelowia (18. 7. 1478). 249 Nr. 395, (5.3. 1461).

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

109

vor, die mit dem Siegel des Herrn Comorowsky versehen ist und die beweist, dass ihr Mann im Kampf mit den Ungarn gefallen ist. 25o Bestätigt wird dies durch Raphael, wohl einem höherrangigen Geistlichen aus Krakau. Erklärt wird ebenfalls, dass Barbara gesund und wohlbehalten sei. Daher hat Barbara ihren Beweis und die Dokumente ausreichend erbracht. 251 Der verstorbene Mann der Barbara hat dieser ein dotalicium versprochen, wofür sich drei Herren verbürgt haben. Da ihr Mann verstorben ist, fordert Barbara nunmehr von den Bürgen die Geldsumme ein. Besonders auffällig ist, dass nicht die Bürgschaft als solche, sondern der Tod des Mannes bestritten wird. Bemerkenswert ist zudem der hohe Aufwand, der für die Beweiserbringung betrieben wird: Aus dem heimatlichen Gerichtsbezirk kann es keine Zeugen für den Tod des Mannes geben, denn er ist im Kampf - also weit entfernt von seinem Heimatort - gestorben. Weder seine Familie noch Freunde oder Nachbarn waren bei seinem Tod zugegen. Daher sind die Anforderungen an den Beweis besonders hoch; ehrwürdige Personen von hohem Ansehen, die über Kenntnis vom Schicksal des Mannes der Barbara verfügen, müssen das Witwenturn der Barbara bestätigen. Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang die Wendung confinnavit ipsamque sanam et salvam fore assumendo? Vielleicht muss über die Identität der Barbara Auskunft gegeben werden, damit sie den Beweis antreten darf. Durch einen Bürgen konnte somit das Versprechen des dotalicium abgesichert werden. Einzelheiten über die Entwicklung des Bürgschaftsrechts sind umstritten und bis heute nicht abschließend geklärt?52 Es wird angenommen, dass sich noch bis in das 15. Jahrhundert in vielen Rechten der Grundsatz bewahrt habe, der Bürge hafte dem Gläubiger primär und ausschließlich. Die subsidiäre Haftung des Bürgen wird als ein Ergebnis der Rezeption des römischen Rechts angesehen. 253 Für das sächsische Recht wird vertreten, dass primäre und subsidiäre Haftung nebeneinander standen, wobei die subsidiäre Haftung die jüngere Entwicklungsstufe sei. Auch habe es die solidarische Haftung von Bürge und Schuldner gege250 Kazimierz IV. (1427 -1492) versuchte in Allianzplänen die Kronen von Böhmen, Ungarn sowie Polen und Litauen für seine Söhne zu gewinnen. Bereits zuvor hatten die Jagiellonen versucht, in Böhmen und Ungarn dauerhaft Fuß zu fassen, was ihnen jedoch nicht gelungen war. Vgl. hierzu Gieysztor, Art. Polen, LexMa VII, Sp. 52-58. Zu Einzelheiten siehe Hoensch, Geschichte Polens, S. 82 ff. 251 Verwunderlich ist, dass in einern späteren Spruch, Nr. 401, Sentencia de Skawina (30. 4. 1461), der in der gleichen Sache ergeht und das erste Urteil lediglich bestätigt, von 30 Mark dotalicium die Rede ist. Es könnte sich bei den hier erwähnten zwölf Mark daher um eine Fehlinfonnation der Schöffen handeln. 252 Siehe hierzu Ogris, Persönliche Sicherheiten; Kaufmann, Bürgschaft und Einlager; Martin, Bürgschaftsrecht; Kaufmann, Art. Bürgschaft, HRG I, Sp. 565 - 572; Schuler, Art. Bürgschaft, LexMa II, Sp. 1060-1062. Der grundlegende Aufsatz starrunt nach wie vor von Beyerle, Der Ursprung der Bürgschaft. 253 Seit Justinian konnte der Bürge eine aufschiebende Einrede erheben, bis der Gläubiger den Hauptschuldner verklagt und die Vollstreckung gegen ihn versucht hatte. Vgl. Krüger/ Scholl, Novelle 4, 2. Siehe hierzu Kaser, Das römische Privatrecht, S. 457 ff.

llO

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

ben. Friese geht hingegen davon aus, der Bürge hafte dem Gläubiger neben oder nach dem Hauptschuldner, wobei der Gläubiger zunächst versuchen müsse, seine Forderung bei seinem Schuldner einzutreiben. 254 Wahrscheinlich ist eine einheitliche, auf alle Fallgestaltungen zutreffende Beantwortung der Frage gar nicht möglich. Im folgenden soll daher nur versucht werden, sich diesem Problemkreis mit Blick auf das dotalicium zu nähern. Dabei ist zudem zu beachten, dass der Mann in den streitigen Fällen bereits verstorben ist. Die Frage lautet daher also, ob die Erben oder die Bürgen der Witwe haften. Im geschilderten Fall wendet sich Barbara sogleich an die Bürgen und nicht an die Erben ihres verstorbenen Mannes, die für seine Verbindlichkeiten einzustehen haben. Warum Barbara Klage gegen die Bürgen erhebt und in welcher Weise diese ihr haften, geht aus dem Spruch nicht hervor: Es könnte sein, dass diese vor den Erben haften. Vielleicht verspricht sie sich aber auch von einem Vorgehen gegen die Bürgen größeren Erfolg, zumal sie gleich drei Personen angehen kann. Betrachten wir zum Vergleich drei Quellenbeispiele aus dem sächsisch-magdeburgischen Rechtskreis. Im ersten Spruch aus Magdeburg haben sich die Schöffen mit einer ähnlichen Konstellation auseinander zu setzen?55 Gelobit ouch eyn man synym wibe gelt vii adir wenig czu morgingobe und volvurit des nicht in gehegtim dinge, stirbit denne der man und lesit schulde alzo vii, alz her hot, man sal syne schult beczalin von syme gute vnd di vrauwe hot nicht (rechtis) an deme gute von rechtis wegin; hat abir di vrauwe burgin do vor, di mag ze manyn. Von R.

Der Mann hat seiner Frau Geld als Morgengabe gelobt, dieses Versprechen aber nicht vor Gericht volvurit. Nunmehr verstirbt der Mann und hinterlässt Schulden, die in der Höhe sein gesamtes Vermögen ausmachen. Die Gläubiger sollen befriedigt werden; der Witwe steht von dem Gute nichts zu. Wenn es indessen Bürgen gibt, kann sie das Geld von diesen einfordern. Die Gläubiger werden der Witwe vorgezogen, weil der Mann die Morgengabe nicht vor gehegtem Ding volvurit hat. Kugelmann meint, die Frau wäre den Gläubigem vorgegangen, wenn die Morgengabe vor gehegtem Ding volvurit sei und legt die TextsteIle daher wie folgt aus: "Das volvuren in gehegtem dinge bedeutet aber nichts anderes als entweder die Sicherung des ehefräulichen Anspruchs durch Pfand oder die Überlassung der Gabe an die Frau zu frei vererblichem, von Erbschaftsschulden unberührtem Einhandsgut, wodurch das Recht der Frau eben zu 254 Friese in FrieselLiesegang, Magdeburger SchöffenspTÜche, S. 749 ff. Für die Ansicht Frieses indet sich eine Stelle bei Laband, Systematisches Schöffenrecht, III! 11, 87: Seczit eyn man burgin vor eyn gelt czu beczalende uf eynyn benumptin tag vnde beczalt daz nicht, zo sal man erste czu sprechin deme selb schuldegin, ab man en gehabin mag; wes ym denne bruch wirt vnd man syn nicht gehabin mag, zo sal her denne dem burgin vmme czu sprechin, der sal daz haldin daz her gelobit hat. Von R. Zugleich Leman, Das alte Kulmische Recht, III, CXVII. 255 Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /11,5; zugleich F. Ebel, Magdeburger Recht 11/1,91, datiert 1363 -1370; Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XLI. Ein ähnlicher Wortlaut findet sich bei Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Glogauer Rechtsbuch, CXXI.

111. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

11l

einem gegenwärtigen dinglichen wurde.,,256 Diese Interpretation ist zu dogmatisch und zu weitgehend: Man kann dem Wortlaut nur entnehmen, dass das Versprechen der Morgengabe nicht vor Gericht getätigt wurde,zs7 Zweck der Bestätigung ist in erster Linie die Verbesserung der Beweislage, worauf später noch einzugehen sein wird. 258 Die Quelle liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Morgengabe nur dann nicht für die Schulden des Mannes haftet, wenn die Frau frei vererbliches Eigen daran erhalten hat oder sie ein Pfand besitzt. Kugelmann problematisiert also lediglich das Verb volvurit und geht gar nicht auf die Frage nach der Bürgenhaftung ein. Ob dieser Quellenstelle über den Wortlaut hinaus tatsächlich eine weitergehende Interpretation als das bloße Bestätigen vor Gericht zu entnehmen ist, kann entgegen bisheriger Ansicht nicht gefolgert werden. Was sagt der Quellentext mit Sicherheit aus? Wir haben das Versprechen des Mannes, Geld als Morgengabe zu leisten. Als der Mann stirbt und Schulden hinterlässt, gehen die Gläubiger der Witwe vor, weil das Versprechen nicht vor Gericht bestätigt wurde. Weiterhin kann festgestellt werden, dass sich die Witwe zumindest dann direkt an die Bürgen wenden kann, wenn der Nachlass verschuldet ist und sie gegenüber den Gläubigem des verstorbenen Mannes das Nachsehen hat. Die Bürgschaft bietet der Witwe demnach die Möglichkeit, trotz Verschuldung des Nachlasses die Auszahlung des versprochenen Geldes durchzusetzen. Eine weitere Schutzfunktion könnte darin zu sehen sein, dass die Bürgen der Witwe haften, wenn die gerichtliche Bestätigung des dotalicium nicht mehr vorgenommen werden konnte. Der Krakauer Spruch gibt keine Auskunft über die genaue Sachlage: Wir erfahren nicht, ob der Nachlass überschuldet ist oder aus welchen Motiven sich die 256 Kugelmann, Begründung des particulären Erbvertrages, S. 44. Auch Schröder, Eheliches Güterrecht H 3, S. 338, deutet volvuren so, dass der Frau für die gelobte Morgengabe ein Grundstück zum Pfand gesetzt wird. Ähnlich Laband, Die vermögensrechtlichen Klagen, S. 397, Fn. 41, der zwei Formen der städtischen Morgengabe unterscheiden möchte; zum einen das einfache Gelöbnis und zum anderen die durch Pfand sichergestellte (vollfürte) Morgengabe. 257 Siehe auch Grimm, Deutsches Wörterbuch XXVI, Sp. 644 ff. vollführen bedeutet demnach vollbringen, vollenden, vollstrecken, vollziehen und ist nicht als terminus technicus anzusehen. In der älteren Rechtssprache heißt es zunächst ,etwas in den rechtlichen formen bis zum ende durchführen, dann in der bedeutung von beweisen'. Beweisen passt aber hier nicht. Es ließe sich argumentieren, dass mit der Vollendung vor Gericht die Pfandsetzung gemeint ist, weil dies so üblich war. Es finden sich aber genügend Quellen, in denen von einem bloßen Versprechen berichtet wird, so dass man das Pfandsetzen nicht als das allgemein übliche bezeichnen kann. 258 Siehe B. 111. 3. d). Vgl. aber als Beispiel an dieser Stelle bereits F. Ebel, Magdeburger Recht HI 1, Nr. l39, datiert l363 -l386: Gelobit eyn man syme wibe, dy her nimet czu der e, 10 marg adir me czu morgengaben czu gebene, unde stirbit, er hers vulvurit vor hegetir bank, dorumme mag dy vrowe des mannis erben wol ansprechen. Bekennen si dez, daz der man der vrowen daz gelt czu morgengabe lobit habe, so sullen si daz leysten alzo verre, alze daz erbe wart, daz si nomen haben. Abir vorseczen di erben des gelobdis, sy mugen unschuldik werden unde sullen sweren, das der man der vrowen dy morgengabe nicht gelobit habe. Von rechtis wegene. Zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV IH, 6.

112

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Witwe mit der Klage an die Bürgen wendet. Zu vermuten ist aber, dass sie sich direkt an die Bürgen halten kann oder zumindest gleichrangige Haftung besteht, weil die Bürgschaft die Durchsetzbarkeit des dotalicium absichern sol1. 259 Zur Überprüfung dieser Vermutung soll ein weiterer Magdeburger Schöffenspruch befragt werden: 26o Eyne vrowe mag iris toten mannis erbe, dorynne sy bestorben ist, nicht genyssen also, daz sy daz vermiten mogen noch nicht besiczen an der erben lop unde willen. Wer abir der vrowen icht gelobit czu morgengobe, do sy bewizen mag, als recht ist, unde ist ir daz nicht geleystit adir gegeben unde hat sy keynen burgen dorvor, so endarf sy der were, do sy ynne bestorben ist, dy iris mannis waz, do her tot usgetragen wart, nicht rumen, er denne die erbnamen ir geben, daz ir czu morgengabe geteydingit unde globit waz: Unde dywile man ir dez nicht engibit unde sy in der were blibit ane man, so sal man ir geben notdorft von dez mannis gute. Hat abir dy vrowe burgen, vor daz ir globit waz czu morgengabe, so sal sy rumen dy were, unde man ist ir nicht pflichtig, lipnar czu geben, unde mane dy burgen, daz sy ir leysten. Mag abir dy vrowe nicht volkomen noch bewysen, daz ir icht czu morgengabe globit sy adir nicht globit sy, unde ist ouch nicht gegebin, wenne daz dikke geschit, daz man unde wib czusamen komen czu der e sundir allirleye vorwort unde gelobde, so enhat sy an des mannis gute nicht. Sy mus dy were rumen unde man ist ir lipnar nicht pflichtig. Unde daz sy in der were bestorben ist, daz kan ir nicht gehelfen. Von rechtis wegene.

Wenn der Frau eine Morgengabe gelobt wurde, was sie auch beweisen kann, und ihr diese noch nicht geleistet ist, muss sie das Haus ihres verstorbenen Man259 Eine weitere Aussage zur Bürgschaft bei der Morgengabe findet sich bei Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /11,9: auch geschege is das eyn man eyn wib neme vnd gelobete her ir selbir eyn genant gelt tzu morgengobe adir setzete yr burgen douor das her sy welle begoben. Vnde der man sturbe e denne der vrouwen geleystet wurde. Der vrouwen der das gelobit was vnd noch vngeleystet ist der ist man das pflichtig tzu halden. v. r. Ein Mann hat geheiratet und gelobt seiner Frau Geld zur Morgengabe oder er setzt ihr Bürgen, dass er sie damit begaben möchte. Nun stirbt der Mann, bevor das Geld der Frau geleistet wurde. Es besteht die Pflicht, der Frau das Geld zu leisten. Im ersten Falle werden wohl die Erben das Geld auszuzahlen haben. Hat der Mann hingegen Bürgen gesetzt, kann sich die Witwe an diese wenden. Es spricht hier vieles für eine primäre Haftung des Bürgen wegen der alternativen Aufzählung. Vgl. auch Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XLVI. Agricola, Gewere, S. 536 äußerst sich zu dieser Stelle: "Hier wird als die versprochne Leistung ausdrücklich die Vergabung bezeichnet, der ,unbegabten Frau' aber ihr Recht aus dem obligatorischen Vertrag vorbehal-

ten."

Für eine parallele Haftung spricht die Stelle bei Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XII, Di. I: ... He mag ouch lipzcucht machen mit gelde, daz or vorborget wert, ab der man sterbet, daz ordii erben adderdy borgen daz geld lissen. Der Mann hat der Frau eine Leibzucht in Geld versprochen, für welches Bürgen gesetzt sind. Wenn der Mann stirbt, haben die Erben oder die Bürgen das Geld zu zahlen. Zugleich Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, 11, 11. Schubart-Fikentscher, Eherecht, S. 139, nimmt für Brünn die primäre Haftung des Bürgen eines dotalicium an. 260 F. Ebel, Magdeburger Recht lI/I, Nr. 121, datiert 1363; zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /11, 3a; Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XXXIX; Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Glogauer Rechtsbuch, XLI, XLII.

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

113

nes, aus dem er tot hinausgetragen wurde, nicht verlassen, bis ihr dessen Erben die ausgehandelte und versprochene Morgengabe zuwenden. Bis dahin sind die Erben verpflichtet, die Witwe aus der Erbschaft des verstorbenen Mannes zu versorgen. Sind der Witwe indessen Bürgen für die Morgengabe bestellt worden, muss sie das Haus räumen und die Erben haben auch keine Unterhaltspflicht. Vielmehr sind die Bürgen zur Leistung der Morgengabe verpflichtet. Kann die Frau allerdings ihre Morgengabe nicht nachweisen, muss sie den Besitz des Mannes verlassen und die Erben sind ihr nicht zum Unterhalt verpflichtet. Erkennbar wird eine abgestufte Sicherung der Morgengabe: An erster Stelle sind die Bürgen zur Leistung verpflichtet. Wenn keine Bürgen gesetzt sind, die Morgengabe aber lediglich versprochen und noch nicht geleistet wurde, ist die Witwe dadurch gesichert, dass sie das Haus des verstorbenen Mannes nicht verlassen muss. Darüber hinaus haben die Erben der Witwe Lebensunterhalt zu gewähren. Das Recht der Witwe, im Haus zu verbleiben und versorgt zu werden, wird eine äußerst pragmatische Lösung gewesen sein: Den Erben wird daran gelegen sein, selbst in den Besitz des Erbes zu gelangen. Dadurch erhöhte sich der Druck, der Witwe die Morgengabe zu leisten. Vorteilhaft ist für die Witwe zudem, dass sie jedenfalls bis zum Ende eines Prozesses versorgt ist. Dieser Schöffen spruch bestätigt weiterhin die bereits erörterte Frage, ob die Witwe sogleich die Bürgen zur Leistung auffordern darf: Nach Aussage der Schöffen sind die Bürgen sogar vor den Erben verpflichtet, die Morgengabe zu erbringen. Dieser Rechtsgedanke findet sich bereits im Sächsischen Weichbildrecht: 261 Alle dy wile darf sie ouch nicht die gewere rumen, dy erben wissen sy denne abe mit rechte ader mit gute. Hat sy aber burgen dovor; zo bedarf! sy die erben nicht manen von rechte; so sal sy die gewere rumen; wenn gelobde unde willekor bricht allerhande recht do man is gezugen mag.

Die Frau muss den Besitz nicht verlassen, es sei denn, die Erben können sie mit Recht abweisen oder sie statten sie mit der Morgengabe aus. Wenn es aber Bürgen gibt, darf sie die Erben nicht belangen und ist verpflichtet, den Besitz zu verlassen. 262 Unsere bisherige Vermutung findet also Bestätigung. Im Rahmen der Diskussion um die Bürgschaft haben wir in den Magdeburger Schöffensprüchen ein weiteres Sicherungsmittel kennen gelernt, nämlich das schlichte Verbleiben im Haus, von dem auch in einem Schöffenspruch nach Cleparzs berichtet wird: 263 261 v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXIV § 3. Siehe auch Boehlau, Die Blume von Magdeburg, Particula I, c. 14: Alsotane sachin behorin nicht hoher tzu vorderen, wen uf eine bewisunge. Wen worum? heue ein man seinem weibe eine morgengab gemacht, ir nach seime tode czu habin, vnd hot sy dar beweysunge ubir: sy in darf der gewere nicht roumen, ir in werde denne ir morgengabe. Hot sy aber burgin, sy muz dy gewere reumen vnd dy burgin mit rechte manen vnd clagin. 262 In der lateinischen Fassung findet sich noch der Zusatz: Acceptis etiam pecuniis possessionem evacuare tenetur. Hat die Witwe das Geld angenommen, muss sie die Güter verlassen.

8 Obladen

114

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Quod si Dorothea doeere potest super suum dotalieium. praut allegat. ut iuris est. extune predietum dotalicium suum obtinebit et de domo exire non debet. donee prius in dotalicio expedietur. Qui autem ipsam in dotalicio expediet. idem domum tenere debet usque ad annos discrecionis pueri ...

Wenn Dorothea ihr dotalicium beweisen kann, wird sie dieses erhalten. Zudem muss sie bis dahin das Haus nicht verlassen. Wenn sie mit dem dotalicium ausgestattet ist, soll sie jedoch das Haus weiterhin behalten, bis das Kind das Mündigkeitsalter erreicht hat. Der Sachverhalt lässt die Annahme zu, dass für das dotalicium weder ein Grundstück oder Haus haftet, noch dass ein Bürge gesetzt war. Vielmehr dient das Verbleiben im Haus selbst als Sicherheit: Die Witwe muss das Haus nicht verlassen, bis sie das dotalicium erhalten hat. Daraus kann zugleich geschlossen werden, dass es sich um eine Geldleistung handeln muss. Das Verfahren ist damit noch nicht abgeschlossen. Das anfragende Gericht hat nämlich die erste Entscheidung offenbar nicht verstanden. In einer weiteren Entscheidung antworten die Schöffen sonderbar schroff und ungehalten: 264 Amici earissimi. miramur de vobis. quod vos tam simplicem materiam. quam dominus noster Rex graciosus suas per serenitatis litteras per nos vobis clarius pronunciare et intellegibiliter ferre remittereque ad iudicium vestre civitatis nobis demandavit. intelligere non poteritis. Eapropter iuxta mandatum eiusdem domini nostri Regis hanc eandem materiam taliter deelaramus vobisque in meliorem intellectum dedueendo. Scire enim debeatis. quod ibi ubi vobis seripsimus per sentenciam nostram primam, quod si Dorathea doeere potest suum dotalicium. praut allegat. ut iuris est. extune predietum suum dotalicium obtinebit et exire de domo non debet. donee prius in dotalicio expedietur. Qui autem ipsam in dotalicio expediet. idem domum tenere debet ad annos diserecionis pueri. [tem hic intelligentis. si Dorothea super huiusmodi suo dotalicio docuisset. praut in alia sequenti senteneia decretum per nos extitit. tune suum huiusmodi dotalicium obtinuisset; quod si vera ipsa ita. prout eadem nostra seeunda sentencia ostendit. non doeuit. tune huiusmodi dotalicium suum perdidit. Sed levir de domo sui fratris tutorio nomine se intromittere potest eandem et tenere usque ad annos discrecionis eiusdem pueri. sentencieque iuris supremi eum singulis reliquis litteris debent sigillari et in eistacula vestra eonservari. uti premissum est. usque ad eiusdem pueri annos discrecionis.

Unsere lieben Freunde. wir wundem uns. dass ihr eine solch einfache Materie. die unser Herr König. seine Hoheit. durch sein Schreiben uns klar zu verkünden und verständlich zu machen und an euer Stadtgericht zurückzuschicken empfiehlt. nicht verstehen konntet. Mit ungewohntem Unmut und Unverständnis reagieren die Schöffen auf die erneute Anfrage des Stadtgerichts. Wahrscheinlich hat sich die anfragende Partei nach Erhalt des ersten Spruchs direkt an den König gewandt, 263 Nr. 111, (20.9. 1457). Zu diesem Themenkomplex siehe auch Nr. 342, Sentencia de Malogoscz (23. 7. 1460); Nr. 346. Sentencia de Alba Ecclesia (26.8. 1460); Nr. 369, Sentencia de Alba Ecclesia (19.11. 1460). 264 Nr. 166, Declaracio quarundam sentenciarum ad mandatum domini nostri Regis ad Florenciam alias Clepars data sequitur in hac verborum forma (22.6. 1458).

III. Das dotalieium: Die Gabe des Mannes an die Frau

115

was die Verärgerung der Schöffen erklären würde. Sie beziehen sich in dieser Entscheidung zunächst auf die vorangegangene Anfrage. Wenn aber Dorothea - so die Schöffen dann weiter - ihr dotalicium nun entgegen der Darstellung in der ersten Anfrage nicht beweisen kann, verliert sie es. Dann darf ihr Schwager das Haus seines Bruders betreten und das Kind in Vormundschaft nehmen, bis es mündig ist. Die Schöffen treffen noch eine weitere Anordnung: Die Sentenzen des obersten Gerichts sind mit den übrigen Schriftstücken zu versiegeln und in einer Kiste beim anfragenden Ort bis zur Mündigkeit des Kindes aufzubewahren. In einem zuvor besprochenen Fall wollte es der Stiefsohn nicht dulden, dass die Mutter weiterhin im Haus wohnen blieb. In der ersten Entscheidung zu diesem Fall heißt es, Dorothea dürfe im Haus bleiben, bis das Kind mündig sei, selbst wenn sie mit dem dotalicium ausgestattet wird. Im zweiten Spruch wird dann bis zur Mündigkeit des Kindes dem nächsten männlichen Verwandten Zutritt in das Erbe gewährt, weil Dorothea ihr dotalicium nicht beweisen kann. Ob die Witwe dann ebenfalls dort bleiben darf, erfahren wir nicht. Auch können wir den Sprüchen insgesamt nicht entnehmen, nach welchen Kriterien die Schöffen diese Streitfrage entscheiden. Abschließend wenden wir uns einem Urteil nach Woynicz ZU: 265 Prima. Super scriptis vestris vobis senteneialiter respondemus, quod hec vidua Maszya bene et iuridice potuit arrestare bona olim mariti sui et arrestum mitte re acticare in suo dotalicio, potestque eandem arrestacionem continuare et iure ulterius prosequi contradiceione cuiuslibet non obstante, de forma iuris.

Die Witwe konnte zu Recht die Güter ihres verstorbenen Mannes in Arrest nehmen und diesen aufrechterhalten, um ihr dotalicium einzuklagen. Sie kann den Arrest weiterverfolgen, ohne dass der Widerspruch einer beliebigen Person dem entgegenstünde. Vornehmlich in den Städten hatte sich der Arrest als Sicherungsmitte1 herausgebildet: Er bezeichnet das Festhalten einer Person oder Sache zum Zwecke der Befriedigung oder Sicherung einer Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner. 266 Worin liegt hier der Unterschied zu den Fällen, in denen die Witwe im Gut des verstorbenen Mannes wohnen durfte, bis ihr die Erben das dotalicium gewährten? Man könnte zunächst vermuten, es handle sich um die gleiche Fallgestaltung und der Sachverhalt sei lediglich durch den Gerichtsschreiber in einer anderen Wortwahl wiedergegeben worden. Zwei Argumente sprechen indessen dagegen: Zum einen die äußerst präzise Wortwahl der Schreiber, und zum anderen die durch das Verb arrestare zum Ausdruck kommende Handlung. Der Unterschied liegt vermutlich darin, dass in den zuvor besprochenen Fällen die Witwe noch im Haus Nr. 460, (2. 6. 1462). Sellert, Art. Arrest, LexMa I, Sp. 1034 f. Zum Arrest siehe auch den Überblick bei Buchda, Art. Kummer, HRG H, Sp. 1257 -1263. Zu Einzelheiten Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter H, Drittes Capitel. 265

266

8*

116

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

wohnte und dieses schlicht nicht verlassen musste. Ihr Verbleib im Haus war Sicherung genug. Im vorliegenden Fall lebt sie wahrscheinlich nicht in dem Erbgut. Daher muss sie das Gut zur vorläufigen Sicherung in Arrest nehmen, um ihren Anspruch auf das dotalicium - wohl gegen die Erben - durchsetzen zu können. Zusammenfassend wird man festhalten dürfen: 267 Der Frau kann zur Sicherung des dotalicium ein Pfandrecht an einem Grundstück oder Haus bestellt werden. Auch eine Bürgschaft bietet Hilfe bei der Durchsetzung des dotalicium. Verfügt die Frau über keine speziellen Sicherheiten, ist es ihr zumindest gestattet, in dem Erbe ihres verstorbenen Mannes zu verbleiben, bis die Erben sie mit dem dotalicium ausstatten. c) Das Verhältnis von dotalicium und Erblasserschulden Von Interesse ist die Frage, ob aus dem Nachlass des Mannes zunächst dessen Gläubiger oder die Witwe wegen ihres dotalicium zu befriedigen waren. Relevant war dies vor allem, wenn der Nachlass nicht ausreichte, um beiden Ansprüchen nachzukommen. Sehen wir uns dazu zunächst die Magdeburger Spruchpraxis an. Wir beginnen mit einem Rechtsstreit aus Breslau zwischen einer Witwe und den Gläubigem ihres verstorbenen Mannes. Aus der Anfrage an den Magdeburger Schöffenstuhl geht hervor, dass der Mann seiner Frau Barbara 200 Mark als Morgengabe vor dem Eherat, also den bei der Aushandlung der Ehegaben anwesenden Personen, versprochen hat. Auf Wunsch der Witwe wurde der Eherat dazu befragt, der daraufhin ihre Aussage bestätigt hat. Weiterhin sagt sie aus, der Mann habe ihr das Geld mit den Worten Liebes weip! Ap Got an mir icht thete, so behalt dir das gut vor deyne morgingobe bereits in die Gewere gegeben. Im Spruch heißt es dann: 268 Syntdemmol das Vetzens Maulfrauen Barbara, seinerelichen hausfrauen, an benanten stehinden eygen adir leginden grunden nicht bemorgingobet hat, so muss man seyne schulde czuvorauß beczolen; und das der frauen gereyt gelt vor ir morgingobe in ire were geantwort hat, des enmag sie vor morgingobe nicht behaldin und domete den schuldigem ire clagen vorstoren. 1!.r.w.

Was ist mit der Wendung an benanten stehinden eygen adir leginden grunden nicht bemorgingobet hat gemeint? Da aus der Anfrage der Inhalt der Morgengabe und die Form ihrer Bestellung vor dem Eherat bekannt ist, ist sie dergestalt zu interpretieren, dass der Mann es unterlassen hat, seiner Frau für die Morgengabe eine Sicherheit zu bestellen. Das bloße Versprechen der Morgengabe kann die Witwe 267 Da aus dem Spruch zum Arrest nichts über dessen Voraussetzungen entnommen werden konnte, wird dieser bei der Zusammenfassung ausgelassen. 268 F. Ebel, Der Rechte Weg I, G I. Aus der Anfrage geht hervor, dass beide Parteien den Nachlass des Verstorbenen haben sperren lassen, was ebenfalls ein rechtliches Problem dieses Falles darstellt, worauf hier aber nicht eingegangen werden soll.

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

117

demnach nicht vor den Gläubigem ihres verstorbenen Mannes schützen, selbst wenn sie das Geld in ihrer Gewere hat: Ausschlaggebend ist die fehlende Sicherung durch die Güter des Mannes. In den Magdeburger Fragen heißt es: 269 Hiruff sprechen wir scheppin zcu Magdeburg recht: Vordinet Ion unde redeliche scholt sal man von eynis toden mannis gelde czuvor gelden vor der morgengobe, ab dy frouwe an dem gereiten gute begobit ist. Adir ist ir dy morgengabe an stehindem eygen adir erbe gegeben, so sal dy frouwe dy morgengabe doran behalden. Von rechtis weyn.

Noch ausstehende Lohnzahlungen und Schulden des toten Mannes sind vor der Morgengabe auszuzahlen, wenn die Witwe mit Geld begabt ist. Da für diesen Spruch keine Anfrage an die Schöffen erhalten ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, was mit der Wendung dy morgengabe an stehindem eygen adir erbe gegeben gemeint ist. Daher stellt sich die Frage, ob Inhalt der Morgengabe das Haus oder Erbe selbst oder ein Nutzungsrecht daran ist. In Betracht kommt auch wieder die Auslegung, dass eine Geldsumme durch ein Pfandrecht gesichert ist. Agricola geht ohne jede Begründung davon aus, die Frau sei "mit Immobilien zu Eigenthum oder auch auf den Todesfall begabt ". 270 Der Zusammenhang zum ersten Teil des Spruches legt allerdings die Vermutung nahe, dass es sich auch hier um eine Geldsumme handelt, die durch Güter gesichert ist: Es geht um die Auszahlung von ausstehenden Lohnforderungen und Schulden. Wahrscheinlich ist daher streitig, wer aus dem Erbe des Verstorbenen zuerst befriedigt werden soll. Hätte die Morgengabe ein Nutzungsrecht oder gar vererbliches Eigen zum Inhalt, wäre die streitige Frage eine andere: Das Problem wäre dann, ob die Erben zur Zahlung der Außenstände verpflichtet sind271 oder ob die Witwe die Vollstreckung in das Grundstück dulden müsste, wenn die Erben zur Zahlung aus dem Nachlass nicht in der Lage sind. Dies müsste im Spruch zum Ausdruck kommen. Das Zusammenspiel zwei weiterer Faktoren spielt eine Rolle: Zum einen, ob die Morgengabe vor oder nach der Schuld bestellt wurde, und zum anderen, ob die Schuld gesichert war oder nicht. Aus der Anfrage zum folgenden Spruch geht hervor, dass der Mann seiner Frau die Geldsumme durch ein Pfandrecht an seinen Gütern gesichert hat: 272 Hiruff spreche wir etc. Die frawe mit ir morgengabe und mit ir beweyszunge ist nehir vor allen schulden die ir man uff den gutem gemacht hat noch der morgengabe wenne sie Behrend, Magdeburger Fragen, B. 11. Kap. 2. Di. 7. Agricola, Gewere, S. 542. 271 Vgl. hierzu bereits Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 22 § 2: Van deme erve scal men aller erst gelden deme ingesinde er verdenede Ion, als en geborde bit an den dach dat er herre starJ. 272 Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Dresdner Handschrift, CXLIX: Ab eyn man seynem weibe vorschrebe eyn genant gelt zcu rechtir morgengabe uff alle seyn gut is were vamde adir nicht vamde und her hylde dach yn dem selbigen gute zcu thune und zcu lassen der man vorseczte die gutir ummb gelt dornach ... 269

270

118

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

ymant doran gehindem moge hette aber der man schult gemacht uff die selbin guter ehir wenne ir die morgengabe vorschrebin was zcu warten uff den selbin gutem die schult ginge vor die morgengabe und domoch die frawe mit ir schult von rechtis wegen.

Die Frau ist näher mit ihrer Morgengabe und dem Beweis, wenn der Mann die Morgengabe durch Pfand gesichert hat, bevor er die Schulden in seine Güter verschrieb. Stammen die Schulden allerdings aus einer Zeit, bevor er die Morgengabe mit seinen Gütern abgesichert hat, muss die Witwe den Gläubigern nachstehen. Sowohl die Morgengabe als auch die Schulden sind durch die Güter des Mannes abgesichert. Daher gilt das gewöhnliche Prioritätsprinzip: Der Inhaber des älteren eingeschriebenen Rechts genießt den Vorrang. Durch die Bestellung einer Gabe an die Frau ist es somit nicht möglich, den Gläubigern im Nachhinein Teile der Haftungsgrundlage zu entziehen. Wenden wir uns nun den Krakauer Sprüchen zu: In dem untersuchten Zeitraum der Spruchpraxis des Gerichts wird lediglich in einer einzigen Entscheidung zu dieser Frage Stellung genommen: 273 Ex quo eivis vester alteri civium summam introscriptam coram bannito iudieio vestro recognovit per annum integrum solvendam, tali sub condicione, si per decursum anni sibi non solverit, ut idem creditor in debitoris domum intromissionem haberet omnimodam, reD itaque non solvente creditori ius vestrum inscripeionem roboravit intromissione sibi decreta ac iuxta obligata data in domum rei, ipso ad hec conseneiente, iuxta scripta vestra, extunc dictus creditor eirca intromissionem in summa obligata et iuxta acta vestra permanere debet; et ex quo relicta debitoris defuncti dotalicii sui reformaeionem nullam habet super eadem hereditate, extunc super bonis mariti sui defuncti, si que seit, dotalicium suum querere potest, de forma iuris.

Der verstorbene Mann hat sich Geld geliehen und dafür sein Haus als Sicherheit bestellt. Es ist ihm nicht gelungen, innerhalb der festgesetzten Frist das Geld zurückzuzahlen. Daher ist es dem Gläubiger nun gestattet, das Haus in Höhe der Schuld zu verwerten. Zwischen Schuldner und Gläubiger war vereinbart worden, dass der Gläubiger in debitoris domum intromissionem haberet. Dieses Recht wird ihm dann auch von den Schöffen zugesprochen. Wie ist dies zu verstehen? Geschildert wird eine Fonn der Vollstreckung: 274 Der Gläubiger besitzt bereits durch die Schuldvereinbarung einen vollstreckbaren Titel. Nunmehr kann er in das Grundstück eingesetzt werden, was ihm die Möglichkeit zur Verwertung des Hauses gibt. Gleichzeitig geht es aber auch um die Witwe, die ihr dotalicium geltend macht. Es wird sich bei dem dotalicium um eine versprochene Geldsumme handeln, denn hätte das dotalicium ein Nutzungsrecht an dem Haus oder das Haus zu freiem Eigen zum Inhalt, wäre es ja erst durch gerichtliche Bestellung wirksam entstanNr. 1501, Sentencia de Pylcza (21. 7. 1478). Vgl. Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter 11, S. 256 ff. Ursprünglich wurde der Gläubiger für drei Tage und Nächte in das Grundstück gesetzt. Nach dem Verstreichen des vierten Dingtermins konnte er sich dann aus dem Grundstück befriedigen. 273

274

IlI. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

119

den. Die angeratene Klage wäre für die Witwe dann sinnlos. Problematisch ist aber, dass das dotalicium nicht gerichtlich in dem Erbe als Pfandrecht festgeschrieben wurde. Da das dotalicium nicht durch das Haus gesichert ist, hat die Witwe gegenüber dem Gläubiger ihres verstorbenen Mannes bei der Verwertung des Hauses das Nachsehen. Ihr bleibt daher nichts anderes übrig, als Klage auf Zahlung des dotalicium gegen die Erben in der Hoffnung zu erheben, dass nach der Zahlung der Schulden noch etwas vom Erbe übrig ist. Die Frage nach dem Verhältnis mehrerer Forderungen gegen den Nachlass bringt es mit sich, dass alle behandelten Sprüche ein Geldversprechen an die Frau zum Inhalt haben. Daher finden sich Ausführungen der Literatur zu diesem Problemkreis jeweils bei den Abhandlungen zur so genannten gelobten Morgengabe: v. Martitz bemerkt: "Unklar wie das Beweisverfahren bei gelobter Morgengabe war aber auch die Concurrenz derselben mit andern Nachlaßschulden gestaltet.,.275 Er geht davon aus, die gelobte Morgengabe gewähre der Frau ein Forderungsrecht gegen die Erben. Daher müsse die Frau mit den sonstigen Nachlassgläubigern konkurrieren, obwohl er dieses Ergebnis in den Quellen so nicht wieder zu finden glaubt. 276 Agricola ist der Ansicht, die Witwe könne die versprochene Morgengabe nur dann realisieren, wenn der Nachlass nicht überschuldet sei. 277 Eine Gleichstellung mit den übrigen Gläubigem nimmt er also nicht an. Habe der Mann sie hingegen während der Ehe "mit Immobilien zu Eigenthum oder auch auf den Todesfall begabt", hafteten diese nicht für die Schulden des Mannes. Gleiches hätte für den Fall gegolten, dass der Mann der Frau während der Ehe "Fahrnis zu Einhandsgut278 abtrat". Schröder nennt selbst keine Quellen, sondern verweist vornehmlich auf Agricola und v. Martitz. 279 Auch er geht daher davon aus, die Frau erhalte durch das Gelöbnis eine Forderung gegen den Nachlass des verstorbenen Mannes. Mit dieser Forderung gehe sie den Erben vor, im übrigen stehe sie den sonstigen Gläubigem des Mannes gleich. Zudem sei mit dem Gelöbnis der Morgengabe oft einhergegangen, dass der Mann der Frau für die Morgengabe vor Gericht ein Grundstück, "sei es zu Satzung, sei es als Pfand", gab. Dadurch sei die Forderung der Frau allen persönv. Manitz, Eheliches Güterrecht, S. 352. So benennt er beispielsweise einen Schöffenspruch, dem er entnehmen möchte, die Witwe gehe den übrigen Gläubigem vor, zuerst ediert bei Wendroth, De institutis, S. 31- 35. Jetzt bei F. Ebel, Magdeburger Recht II/2, Nr. 653, datiert 1496. Dabei verkennt er jedoch, dass es sich bei der entsprechenden TextsteIle lediglich um das Vorbringen einer Prozesspartei und nicht um das Urteil der Schöffen handelt. Der Spruch der Schöffen selbst ist dann lediglich ein Prozessurteil und lässt keine weitere Aussage zu. 277 Agricola, Gewere, S. 542 f. 278 Damit meint er "volles, vererbliches Eigenthum, dergestalt, dass sie es wie ihr andres Vermögen auch in eine zweite Ehe einbringen konnte". 279 Schröder, Eheliches Güterrecht II 3, S. 337 ff. 275

276

120

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

lichen Gläubigem sowie den Pfandrechten jüngeren Datums vorgegangen. 280 Ebenso äußert sich Laband. 281 Er geht jedoch nicht wie Schröd~r davon aus, dass die Frau den übrigen Gläubigem gleichstehe; vielmehr erhalte sie nichts, wenn der Mann Schulden hinterlassen habe. Die Aussagen von v. Martitz zeugen noch von einer beträchtlichen Unsicherheit. Er sieht sich nicht in der Lage, die aufgeworfene Frage strukturiert zu beantworten. Agricola meint, die Frau sei wie jeder Pfandgläubiger zu behandeln, wenn sie über ein Pfandrecht verfüge. 282 Schröder und Laband sehen bereits deutlicher den Unterschied, ob die Morgengabe durch die Güter des Mannes abgesichert ist oder nur in einem schlichten Geldversprechen besteht. Ich meine aber, dass ein darüber hinausgehender Aspekt zu beachten ist: Die entscheidende Frage ist doch, ob und wann die Witwe ihr dotalicium durchsetzen kann. Ob die Witwe mit der Inanspruchnahme des dotalicium den Gläubigem des Mannes nachzustehen hat, hängt allein von der Form der Bestellung des dotalicium ab: Ist der Frau eine Geldsumme als dotalicium mündlich versprochen, ist dies zwar ein formgültiges Versprechen; allerdings hat die Frau gegenüber jedweden Gläubigem des verstorbenen Mannes das Nachsehen. Sind hingegen sowohl dotalicium als auch weitere Schuldversprechen an Gläubiger gesichert, geht das ältere Recht vor. Erhalten hat sich als Relikt des Sachsenspiegels, dass ein bloßes Versprechen für die wirksame Begründung eines Anspruchs auf die Morgengabe ausreicht. Die Durchsetzbarkeit gegenüber anderen Gläubigem ist indessen nur gewährleistet, wenn eine gerichtliche Sicherung an den Gütern des Mannes vorliegt. In diesen Zusammenhang ist auch der Krakauer Spruch zu stellen: Der Mann hat Geld geliehen und dafür sein Haus eingesetzt. Die Witwe macht ein dotalicium geltend, kann sich aber nicht auf eine Sicherung berufen. Daher kann sie keine Befriedigung aus dem Haus selbst verlangen. Es geht hier zwar um die Frage nach dem Verhältnis von Gläubigem und dem Anspruch der Witwe, aber nicht um die Frage, ob sie Vorrang vor den Gläubigem genießt oder nicht. Zentraler Streitpunkt ist, ob ihr überhaupt ein Recht zur Verwertung des Hauses zusteht. Dieses wird ihr nicht zugestanden, denn Voraussetzung ist eine gerichtlich bestellte Sicherung. Sie wird daher auf die Klage verwiesen. Könnte sie ein Pfandrecht ins Feld führen, käme es zu der Frage nach dem Vorrang mit anderen Gläubigem, und es wäre in diesem Fall wohl in Anlehnung an die Magdeburger Schöffen nach dem Prioritätsgrundsatz zu entscheiden. 280 Symptomatisch ist aber wieder Schröders Verwunderung über die Quellenbezeichnungen: "Obwol die überlebende Frau regelmäßig Eigenthümerin des ihr als Morgengabe verheißenen Geldes wurde, bezeichnete man dasselbe in den Quellen doch nicht selten als ,Leibgedinge', sei es wegen der gemeinsamen Tendenz, als Witwenversorgung zu dienen, sei es, weil die gelobte Morgengabe, wenn sie mit einer Immobiliarsatzung verbunden war, der Witwe in der That der Leibzucht ähnliche Nutzungsrechte an dem betreffenden Grundstück gewährte." 281 Vgl. Laband, Die vermögensrechtlichen Klagen, S. 396 f. 282 Er sagt weiterhin, die Frau genieße den Vorrang vor den Gläubigem, wenn ihr bereits ,Eigentum' übertragen sei. Diese Aussage konnte indessen bereits oben widerlegt werden.

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

121

Die Beantwortung der Frage nach der Reihenfolge der Befriedigung aus dem Nachlass zwischen Witwe und Gläubigem richtet sich also - was bislang in dieser Deutlichkeit noch nicht herausgearbeitet wurde - nach dem Verhältnis der Fonn der Bestellung des dotalicium wie auch der Schuld selbst. 283 d) Beweisrecht

Eine Anfrage durch den Rat von Zarnovecz soll am Anfang der Überlegungen zum Beweisrecht stehen: 284 Quod ex quo Helena uxor Stanislai Cozub olim civis vestri pro decem marcis dotalicii sui super Gregorium tutorem pueri vivi predicti Stanislai Cozub est conquesta coram iure et Gregorius in responsione sua negavit, prout nobis scribitis, extunc eadem Helena proprio suo iuramento easdem decem marcas dotalicii propior est obtinere; et exinde sentencia vestra est cassa, de forma iuris.

Helena, die Frau des verstorbenen Mitbürgers Stanislaus, klagt gegen Gregor, den Vonnund des noch lebenden Kindes des Stanislaus, auf Auszahlung ihres dotalicium in Höhe von zehn Mark. In seiner Antwort streitet Gregor das dotalicium ab. Die Schöffen entscheiden zu Gunsten von Helena: Sie ist näher, das dotalicium durch eigenen Eid zu erhalten. Daher wird das Urteil des anfragenden Rates aufgehoben. Helena trägt vor, ihr Mann Stanislaus habe ihr als dotalicium eine Geldsumme zugesagt. Deren Auszahlung macht sie nun gegen den Erben ihres verstorbenen Mannes geltend. Zu vennuten ist, dass das beklagte Kind aus einer vorherigen Ehe des Stanislaus stammte, weil der beklagte Erbe lediglich als dessen Kind bezeichnet wird. Als nun der Vonnund dieses Kindes das dotalicium abstreitet, geht es um die Frage, wer näher zum Beweis ist. Erstaunlicherweise wird Helena trotz ihrer prozessualen Stellung als Klägerin zum Eid zugelassen. Das gängige Beweissystem erfährt demnach eine Umkehrung. Ein Beweisprivileg der Witwe schildert schon der Sachsenspiegel: 285 Morgengave mut en wifwol op den hilgen behalden ane tuch. 283 Angemerkt sei noch, dass dies wohl auch ein Ergebnis der Entwicklung dieses Rechtsinstituts ist. Als man die einzelnen Institute noch trennte, sah man die Haftung vielleicht anders. Eine Stelle aus dem Rechtsbuch nach Distinctionen, in der noch die Institute getrennt werden, sagt: Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XVIII, Di. IX: Von morgengabe, hergewete unde gerade en gilt man dy schult nicht zcu lantrechte. Von lipczucht en gilt man or ouch nicht, dy eyn man sime wibe gemacht had. 284 Nr. 224, (14. 4. 1459). 285 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 20 § 9. Zu Ldr. I 20 § 6: Morgengave behalt dat wif oppe'n hilgen, de gewere aver mit getuge, der ein Zusatz ist, siehe v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 221, Fn. 22. Siehe diese Rechtsregel auch bei Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XIII, Di. 11; Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 21; Boehlau, Die Blume von Magdeburg, Particula 11.2, c. 167.

122

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Die Witwe darf ihre Morgengabe mit eigenem Eid auf die Heiligen behalten. Sie ist insofern privilegiert, als sie den Eid allein leisten darf und keine weiteren Zeugen hinzugezogen werden müssen. Begründet ist diese Privilegierung mit dem Umstand, dass bei der Übergabe der Morgengabe nach der Hochzeitsnacht, wie Eike sie schildert, keine Zeugen anwesend waren. 286 In der Rechtsweisung nach Zamovecz geht es nicht darum, ob Helena ihr dotalicium behalten darf; vielmehr möchte sie die Auszahlung, die bei einem Geldversprechen regelmäßig erst nach dem Tode des Mannes erfolgte, durchsetzen. Unabhängig von ihrer Parteirolle im Prozess sprechen die Krakauer Schöffen ihr aber entsprechend dem Sachsenspiegel das Recht zu, ihren Anspruch selbst und allein zu beweisen?87 Die Privilegierung der Witwe verdeutlicht die folgende Entscheidung, in der für das Beweisrecht zwischen einem dotalicium und allgemeinen Geschenken unter Ehegatten unterschieden wird: 288 Quod ex quo Helena bene dotalicium suum probare potest manu propria nec ei est necesse testes locare super X marcis, sed pro aliis bonis donatis per maritum suum sibi, si testes quatuor, de quibus nobis scribitis, audebunt iurare, quod circa hoc fuerunt, cum ipsius maritus testator existens bone racionis condonavit hoc, quod audiverunt, extunc ei eadem bona cedent, de forma iuris.

Es ist Helena gestattet, ihr dotalicium mit eigener Hand zu beweisen und wegen dieser zehn Mark sind keine weiteren Zeugen erforderlich. Aber für die anderen Güter, die sie von ihrem Mann geschenkt bekam, gilt ein anderes: Wenn vier Zeugen schwören, dass sie anwesend waren, als der Mann als Erblasser der Frau den Teil der Güter geschenkt hat und es so vernommen haben, dann sollen diese Güter an Helena fallen. In diesem Rechtsstreit geht es zum einen um ein dotalicium in Höhe von zehn Mark und zum anderen um sonstige Geschenke des verstorbenen Ehemannes. Die Frage nach dem Beweisrecht beantworten die Schöffen differenziert: Für das dotalicium besteht das Beweisprivileg, die übrigen Geschenke müssen mit vier Zeugen, die bei der Schenkung zugegen waren, bewiesen werden. Während die Krakauer Schöffen demnach am Eidprivileg festhalten, haben sich die Magdeburger Schöffen davon distanziert?89

Vgl. Rummel, Stellung der Frau, S. 145 f. Die Schöffen entscheiden so ebenfalls in Nm. 390/400; 929; 1590. 288 Nr. 472, Sentencia de Nova Civitate Corczin (7. 7. 1462). 289 F. Ebel, Magdeburger Recht 1111, Nr. 139, datiert 1363 -1386; zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV III, 6; Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XLII. Nahezu identischer Wortlaut auch bei F. Ebel, Der Rechte Weg I, C 50. Ein ähnlicher Fall ist zu finden bei Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV III, 93; zugleich F. Ebel, Magdeburger Recht IIII, Nr. 282; ders., Der Rechte Weg 2, N 28. 286 287

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

123

Gelobit eyn man syme wibe, dy her nimet czu der e, 10 marg adir me czu morgengaben czu gebene, unde stirbit, er hers vulvurit vor hegetir bank, dorumme mag dy vrowe des mannis erben wol ansprechen. Bekennen si dez, daz der man der vrowen daz gelt czu morgengabe lobit habe, so sullen si daz leysten alzo verre, alze daz erbe wart, daz si nomen haben. Abir vorseczen di erben des gelobdis, sy mugen unschuldik werden unde sullen sweren, das der man der vrowen dy morgengabe nicht gelobit habe. Von rechtis wegene.

Ein Mann verspricht seiner Frau, zehn Mark als Morgengabe zu geben. Allerdings stirbt er, bevor er dieses vor Gericht vulvurit hat. Die Frau kann nun von den Erben des Mannes die Auszahlung der Morgengabe verlangen. Wenn die Erben das Versprechen des Mannes anerkennen, sind sie zur Zahlung aus der Erbmasse verpflichtet. Streiten sie das Gelöbnis des Mannes ab und beschwören dies, müssen sie nicht leisten. Die Magdeburger Schöffen äußern sich zu der Bestellung der Morgengabe, wie sie in Magdeburg selbst Sitte war. 290 Die Morgengabe wurde in vielen Fällen nicht vor Gericht bestellt, was auch als zulässig erachtet wurde. Allerdings brachte dies eine nachteilige Beweissituation für die Witwe mit sich: Die Erben konnten den Anspruch durch eigenen Eid abwehren. Was mit er hers volvurit vor hegetir bank gemeint ist, lässt sich wiederum nicht eindeutig klären: Entweder wurde für die Geldsumme kein Pfandrecht bestellt, oder es wurde versäumt, das schlichte Versprechen durch einen Eintrag in ein Gerichtsbuch zu festigen. Den Krakauer Sprüchen und dem Spruch aus Magdeburg ist gemeinsam, dass es sich um einen Geldanspruch handelt, der nicht vor Gericht bestellt wurde. Eine bevorzugte Beweisstellung gewähren aber nur die Krakauer Schöffen; nach An290 Behrend, Magdeburger Fragen, B. I. Kap. 11. Di. I. Der erste Teil der Anfrage ist abgedruckt bei B. V. 2. a): Ab nu des mannis kinder also sprechende sind, sy enwusten nicht von der morgengobe, ab ir icht gemorgengobit sey adir nicht adir wy vii dez sey, unde der lute ouch eyn teils tot syn unde eyn teil noch leben, dy by der gobe sind gewest, dy noch lebin, gedencken wol, das man der frouwen gemorgingobit hat, sy dencken abir nicht, wy vii, wy nu dy frouwe ire mogengobe bewiszen sülle czu haben, unde ab sy dy irkriget, ab sy domete gar thun unde lossen sulle adir moge, sint is eyne gobe ist an varndem gute. Hiruff sprechen wir schepp in zcu Magdeburg recht: Noch demmole daz dy frouwe gerichts bewisung nicht enhat, uff ire morgengabe, so sint des mannis kindere mit irem eide do neher vorczukomen, swerende mit eynis hant, das ir vater dy frouwe nicht bemorgingobit habe, wenne sy dy morgengabe bewiszen unde behalden moge. Wellen abir dy kinder nicht sweren unde wellen der frouwen ire morgengobe zcu staten, so sal sy dy morgengabe benumen unde sweren mit iris eynis hant uff den heiligen, das ir so vii gemogengobit sey, als sy benumet hat, unde bewiszet sy das also, so mag sy mit der mogengobe thun unde losen, wy sy wil. Von rechtis wegen. Zu finden ist dies auch bei Maisei, Posener Rechtsbuch, IV, 102; F. Ebel, Der Rechte Weg I, B 37. Von dem Brauch, die Morgengabe in Geld außerhalb des Gerichts zu bestellen, wird auch berichtet bei Maisei, Posener Rechtsbuch, IV, 112. Zugleich F. Ebel, Der Rechte Weg I, B 58.

124

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

sicht des Magdeburger Spruchkörpers ist die fonnlose Morgengabebestellung zwar ebenfalls wirksam, sie birgt indessen beweisrechtliche Schwächen in sich. Aber auch in der Krakauer Spruchpraxis wird der bloße Eid nicht immer als ausreichend angesehen: 291 Quod ex quo ista femina. de qua nobis scribits. non egit pro dotalicio suo interim. quod residebat in sede viduali. sed primo agit existens iam maritata. extunc si dotalicium in et super hereditate habere wlt. tunc hoc dotalicium debet docere inscripcione baniti iudicii aut sessi consilii. si quid habet reformatum super eadem hereditate. de forma iuris.

Die Frau hat nicht geklagt, als sie noch Witwe war. Vielmehr macht sie ihr dotalicium erst geltend, als sie erneut verheiratet ist. Wenn sie ein dotalicium am Erbe erhalten möchte, dann muss sie mit einer vor gehegtem Ding oder sitzendem Rat angefertigten Eintragung beweisen, dass sie ein Recht an der Erbschaft innehat. Der Inhalt des dotalicium kann dem Spruch nicht entnommen werden: Entweder ist ein Nutzungsrecht an dem Erbe oder aber eine gesicherte Geldforderung gemeint. Beiden Ausgestaltungen ist indessen die gerichtliche Bestellung gemeinsam. Es ist daher zu erwägen, ob die verschärfte Anforderung an das Beweisrecht mit der Fonn der Bestellung in Zusammenhang zu sehen ist, was wir anhand eines weiteren Spruchs überprüfen wollen: 292 Quod ex quo domina vidua ad excitacionem orphani heredis actoris ex parte iudicii interrogata primo. secundo. tercio et ex superhabundanti quarta vicibus. utrum aliquas reformaciones seu inscripciones in et super eadem hereditate dicti orphani haberet dottaliciaturn. ipsaque palam confessa est. nullas inscripciones seu reformaciones sui dottalicii super eadem hereditate habere. extunc super eadem hereditate suum dottalicium obtinere non potest. sed eam eidern heredi orphano evacuare tenetur, de forma iuris.

Die Witwe ist durch das Gericht auf die Vorladungen des klagenden Kindes des Erben mehrfach gefragt worden, ob sie eine Eintragung ihres dotalicium an der Erbschaft des Kindes habe. Sie hat öffentlich bekannt, nicht über eine Einschrift an den Gütern zu verfügen. Daher kann sie ihr dotalicium nicht erhalten, sondern ist vielmehr verpflichtet, die Erbschaftsgüter zu verlassen. Wie im zuvor behandelten Spruch bleibt der Inhalt des dotalicium im Dunkeln. Macht die Witwe ein Nutzungsrecht geltend, kann sie dies nicht in Anspruch nehmen, sondern muss das Erbe verlassen, weil sie keinen hinreichenden Beweis erbringen kann. Handelt es sich bei dem dotalicium um eine gesicherte Geldforderung, ist der Spruch anders auszulegen: Es ginge dann darum, dass die Witwe wegen der fehlenden Eintragung die Auszahlung des Geldes nicht durchsetzen kann, weil sie die Erbschaft verlassen muss. 293 Wiederum wäre die wirksame Bestellung des dotalicium in beiden Fällen nur vor Gericht möglich. Nr. 935, Sentencia de Zarnowiecz (11. 2.1468). Nr. 950, Sentencia de Nowa Civitate (6. 4. 1468). 293 Diese Auslegung hätte zur Konsequenz, dass im Fall. in dem die Witwe durch bloßes Verbleiben im Gut des verstorbenen Mannes ihren Anspruch durchzusetzen versucht, sie eine 291

292

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

125

Die Anforderungen an den zu erbringenden Beweis richten sich also nach der Form, in der das dotalicium zugesagt wurde. 294 Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Bestellung und dem Beweis. Dies ist indessen nichts Außergewöhnliches, sondern entspricht den gängigen Beweisregeln des sächsisch-magdeburgisehen Rechts. 295 Auf den ersten Blick mag dies für die Witwe nachteilig erscheinen: Sind doch an das stärker gesicherte Recht erhöhte Beweisanforderungen gestellt. Das bloße Versprechen kann sie hingegen selbst durch Eid beweisen. Doch bietet der gerichtliche Beweis eine erheblich größere Sicherheit: Ist das dotalicium vor Gericht bestellt worden, so wird es der Witwe auch möglich sein, hierüber Beweis zu erbringen. Diesem Beweis kann dann nichts entgegengehalten werden; der gerichtliche Beweis ist vielmehr als der durchschlagende anzusehen. Die Krakauer Schöffen orientieren sich demnach an den gewöhnlichen Beweisregeln. Allerdings gewähren sie der Witwe das Privileg, ihr dotalicium bei einem schlichten Geldversprechen selbst zu beweisen. Wie die Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen in Bezug auf Morgengabe und Leibgedinge im einzelnen aussieht, kann bis auf den oben genannten Hinweis auf die Abwendung vom Eidprivileg nicht behandelt werden. Die Sichtung der Quellen zu diesem Fragenkreis ergab eine zu große Fülle an Urteilen und Rechtsweisungen. Es schien zu willkürlich, einige Sprüche herauszugreifen, weil sie nicht als exemplarisch angesehen werden konnten. Auch ein Blick in die Rechtsbücher hat keine klare Linie erkennen lassen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Literatur zum Ehegüterrecht in dieser Frage im Dunkeln tappt?96

gerichtliche Bestellung ihres dotalicium benötigt. Dies legt es nahe, hier ein Nutzungsrecht anzunehmen, denn in den diese Fallgestaltung betreffenden Entscheidungen fand sich kein Hinweis aus das Erfordernis einer gerichtlichen Bestellung. Vielmehr scheint es, als habe gerade das bloße Versprechen durch das Verbleibendürfen im Gut abgesichert werden sollen. 294 Dies belegt auch der bereits oben behandelte Spruch Nr. 1499. 295 Vgl. Friese in Friese/Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 732; Buchda, Beweis im sächsischen Recht, S. 544. Das Gerichtszeugnis erfolgt entweder durch das wörtliche, persönliche Bekenntnis des Richters und der Schöffen oder durch die Vorlegung eines Gerichtsbriefes, einer schriftlichen Urkunde über das Beweisthema. 296 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 349 ff., bezeichnet die Frage daher als unklar. Er begründet dies wie folgt: "Aber das sächsische Stadtrecht hat die gelobte Morgengabe nicht mehr zu einem klaren und umgrenzten Rechtsgebilde zu gestalten vermocht. Sie tritt uns in verschwommenen Umrissen gegenüber; der Einfluss des Ssp. war so mächtig, dass er es bei dem neuen Institut zu einer selbständigen Rechtsauffassung, zu einer begriffsmäßigen Gestaltung nicht mehr kommen ließ." Unschlüssig ist sich auch Agricola, Gewere, S. 534. Die Autoren stehen sich wohl selbst im Weg, weil sie ihre fest konstruierten Formen der gelobten Morgengabe, des Leibgedinges und der althergebrachten Morgengabe stets vor Augen haben. Dies versperrt den Blick auf einen Gesamtzusammenhang. Als einziger hat Laband, Die vermögensrechtlichen Klagen, S. 398 ff. eine andere Sichtweise eingenommen. Doch auch er geht in seinen Ausführungen nur von der gelobten Morgengabe aus. Er unterscheidet verschiedene Beweisvoraussetzungen, je nachdem, ob das Gelöbnis vor Gericht oder vor Heiratszeugen gegeben wurde.

126

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

e) dotalicium und Mitgift Während das Quellenmaterial eine Fülle von Sprüchen zum dotalicium hergibt, sieht es mit Entscheidungen zur Mitgift bedeutend bescheidener aus: Das Verb dotare wird zumeist für die Ausstattung der Kinder durch die Eltern verwendet, wobei diese Entscheidungen keinen ehe güterrechtlichen Zusammenhang erkennen lassen. Von den sehr wenigen Sprüchen, die die Mitgift thematisch streifen, lässt lediglich einer verbindliche Aussagen über die Mitgift der Frau zu. Rechtliche Schwierigkeiten scheinen in diesem Zusammenhang daher kaum aufgetreten zu sein. Da bereits in den Magdeburger Fragen eine Wechselbeziehung zwischen beiden Rechtsinstituten deutlich geworden ist, soll ein Augenmerk auf die Mitgift gerichtet werden. Ausgangspunkt unserer Überlegungen soll folgende Entscheidung sein: 297 Quod domina Katherina, presentis scilicet cause pars respondens, possessionem huius scoltecie, de qua nobis scribitis, iuxta tenorem privilegiorum sui defuncti mariti obtinere non potest, nichilominus ex quo prefata domina Katherina dicit, se recepisse a fratribus suis XlIII marcas sui dotis alias posagu easdemque ad suum maritum in predictam scolteciam imposuisse, si tune hoc docebit mettercia cum testibus et viris jidedignis, tune ipsa de eadem scoltecia Glanowiensi exire non tenetur; nisi prius premisse XlIII marce ei reponentur plenarie cum effectu, de forma iuris scripti.

Katherina kann den Besitz an der Schulzei nach der Bestimmung ihres verstorbenen Mannes nicht erhalten. Sie hat aber von ihrem Bruder neun Mark erhalten, die sie als Mitgift in die Schulzei eingebracht hat. 298 Wenn sie dies selbdritt mit Zeugen und ehrbaren Männern beweisen kann, dann muss sie die Schulzei nicht verlassen, bis ihr die neun Mark vollständig zurückerstattet sind. Die Witwe ist von ihrem verstorbenen Mann nicht mit einer Gabe bedacht worden. Stattdessen erhält sie ihre Mitgift zurück. Parallel zum dotalicium steht es ihr zu, bis zum Rückerhalt der Mitgift im Erbe des verstorbenen Mannes zu bleiben. Ob diese Entscheidung zu verallgemeinern ist, kann wegen der schmalen Quellenbasis nicht festgestellt werden. Die Magdeburger Schöffen indessen lehnen die Herausgabe der Mitgift ab, wenn die Frau nicht durch ihren Mann mit einer Ehegabe bedacht wurde. 299 297 Nr. 360, Sentencia de G1anow (24. 10. 1460). Eine vergleichbare Situation könnte in Nr. 1243, Sentencia de Wawrzinczicze (29. 1. 1473) geschildert sein. Allerdings war es nicht möglich, diesen Spruch hinreichend zu interpretieren. Zum einen scheint ein entscheidendes Verb zu fehlen, zum anderen weist diese Entscheidung mit recepitque dos suum peccorum eine Wendung auf, die sich nicht aufschlüsseln ließ. 298 Die Worte dotis alias posagu bedeuten Mitgift, siehe hierzu Kisch, Das mittelalterliche polnische Privat-Recht, S. 222. 299 F. Ebel, Magdeburger Recht II/l, Nr. 95, datiert l363: Brengit eyne vrowe gelt adirandir vamde habe czu irem wirte unde gibit is im undir syne gewer: Der man sterbe adir blibe lebinde unde habe dy vrowe nicht begobit: Daz gelt adir vamdin habe mag dy vrowe adir ire geerben noch synem tode nicht widergevordim noch irvolgen. Von rechtis wegene. Laband,

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

127

Die Autoren zum sächsisch-magdeburgischen Ehegüterrecht haben einen Zusammenhang zwischen Mitgift und Morgengabe bzw. Leibgedinge gesehen, was durch die Magdeburger Spruchpraxis belegt werden kann. 3OO Auch wenn sich in den decreta keine Entscheidung unmittelbar mit dem Zusammenspiel von Mitgift und dotalicium befasst, kann doch aus einer Gesamtschau der Sprüche zum Ehegüterrecht folgendes geschlossen werden: 301 Was die Frau als Mitgift mit in die Ehe brachte, war ihr Beitrag zur Bestreitung des gemeinsamen Lebensunterhaltes. Grundsätzlich verblieb die Mitgift nach dem Tode des Mannes in seinem Erbe. Für den Fall seines Todes konnte der Mann seine Frau durch ein dotalicium absichern. Dieses diente neben der Versorgung der Witwe auch der Kompensation der Mitgift. f) Das dotalicium nach dem Tode der Frau

Abschließend soll gefragt werden, was nach dem Tode der Frau mit dem dotalicium geschah. Bei den im Sachsenspiegel klar abgrenzbaren Rechtsinstituten Morgengabe und Leibzucht ist eine eindeutige Aussage möglich: Die Morgengabe konnte die Frau vererben. Anders sah es bei der Leibzucht aus. Da sie ein lebenslanges Nutzungsrecht an einem Grundstück gewährte, fiel sie nach dem Tode der Frau an die Erben des Mannes zurück. 302 Systematisches Schöffenrecht, IV 11, 18: Was eyne vrauwe erym wirte gebit, daz ist syn. Blibit dy vrauwe vnbegobit, der man sterbe adir lebe, di vrauwe noch ere geerbin habin an deme gute nicht; sy mogin ouch daz gelt noch vamde habe, daz dy vrauwe czu erym wirte broucht und gegebin hatte, nicht wedir irvolgin Von R. Zugleich bei Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XVIII. Hier wird nur von Geld und Fahrnis gesprochen. Immobilien verbleiben ja nach den erbrechtlichen Grundsätzen beim jeweiligen Ehegatten, wenn keine anderweitigen Rechtsgeschäfte vorgenommen werden. 300 Vgl. Schröder, Eheliches Güterrecht 11 3, S. 340; Agricola, Gewere, S. 529 ff.; v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 348 Fn. 50. Zum sächsisch-magdeburgischen Rechtskreis vgl. hierzu folgende Quellen: Behrend, Magdeburger Fragen, B. I. Kap. 11. Di. 1; Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Dresdner Handschrift, CLIV; F. Ebel, Der Rechte Weg 2, Q 32. Ferner ders., Magdeburger Recht 11 12, Nr. 609. In diesem Spruch geht es um die Verhandlung von Morgengabe und Mitgift. Die Morgengabe besteht dann aus einer erhöhten Rückzahlung der Mitgift: ... das er mir mit seyner tachtir czwehunderth marg groschen geben vnd awsrichten sal. Vnd so mir dye worden seint, so sal ich seyner tachtir, meyner hawsfrawe, achthunderth gulden zu dem, das sie zu mir bracht hat, vormachen . .. 301 Vgl. insbesondere B. V. 4. a) (Nr. 1160); VI. 2. (Nr. 404). Einen Hinweis gibt bereits das Wort dotalicium als Substantivierung von dotalis selbst. Hinzu kommt, dass sich lediglich ein Spruch mit der Rückerstattung der Mitgift befasst, dies also nicht als der Regelfall angesehen werden kann. 302 Eckhardt, Sachenspiegel, Ldr. I, § 32: Nen wif mach to egene behalden ire liftucht, noch geerven na irme dode, de wile dat man dat getughen mach dat ir to iren lif gegheven si. Spreket se it si ir eighen, unde wirt se dar afgewiset mit rechte, se heft beide eghen unde liftucht dar an ver10m. Ebenso findet sich diese Stelle bei Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XXXVII; Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Glogauer Rechtsbuch, CDI; Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 29, Nr. 5. Ähnlicher Wortlaut bei Boehlau, Die Blume von Mag-

128

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Aus der Rechtspraxis sollen zwei Magdeburger Schöffensprüche konsultiert werden, die diesen Fragenkomplex berühren?03 Wer der totin vrouweyn man allir neste czu gehorin von mogeschaft wegen, die sullen der vrouwin lipgedinge, das se von dem manne hatte, alleyne behaldin, is ensy denne, das dy gift andir uswisit. Von rechtis wegene.

Die nächsten Verwandten des Mannes der verstorbenen Frau sollen das Leibgedinge, das sie von ihrem Mann erhalten hat, allein behalten. Dies gilt nicht, wenn etwas anderes vereinbart wurde. Unwahrscheinlich ist, dass der Inhalt der Leibzucht in diesem Fall ein Nutzungsrecht an einem Grundstück ist. Zum einen mutet es seltsam an, dass die Schöffen dann eine solche Selbstverständlichkeit zu entscheiden hätten, und zum anderen weist der Nachsatz, dass auch etwas anderes vereinbart werden könne, darauf hin: Denn Wesen des Nutzungsrechts ist ja der Rückfall an die Erben des Mannes, eine anderweitige Vereinbarung würde dieses aushebeln. Im zweiten Beispiel wird jedenfalls um eine Geldgabe gestritten: 304 Gibt ein man seinem weybe hundert margk czu irem leybe, der man stirbt dornoch und lest ein kynt. Das selbe kynt stirbt auch. Dornoch stirbt die fraue. Es fallen die 100 margk uf deburg, Particula 11. 2, c. 134: Kein weip mag gut, daz ir czu irem leibe geben ist, den erbin intpfromdin, dy iz nach irem tode wartin sein, dy wile sy iz imr geczugin mugin, daz ir czu irem leibe gebin waz. Im Sächsischen Weichbildrecht, wo ja nicht mehr deutlich zwischen Morgengabe und Leibgedinge getrennt wird, heißt es, v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. LVI § 1: Keyn wip mag in wichbilde morgingabe noch lipgedinge an eynes mannes erbe zu eigen behalden. Stirbit sy, is gheit weder an des mannes erben . .. Die Morgengabe besteht hier auch an eynes mannes erbe. Es ist also nicht die Rede von der Fahrhabe, wie sie im Sachsenspiegel erwähnt ist. Es könnte sein, dass Morgengabe hier ein Synonym für Leibgedinge ist. Zu den bisher genannten und den noch zu besprechenden Quellen siehe außerdem Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV / I, 24: Gebit und vorreicht eyn man vor richter vnd vor scheppjin in gehegtim dinge synym wibe noch syme tode czen mark yerlichis czinses uf eynen benumptin tag czu hebyn vnd czu nemyn (nurt) czu irme libe, zo sal und mag daz weip noch eris mannis tode sich czihin und haldin tzu den czen markin yerlichs czinses uf den gesacztin tag noch irre gift uzwysunge und stirbit dornoch daz weip e und vor deme gesacztin tage des czinses, zo geburt der czins des czukujtegin czinses des totin mannis unde nicht der totin vrauwin erbin noch dem mole, daz daz weip bis uf den czins tag nicht gelebt hat. Von R. Zugleich Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XXIV. Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XII, Di. I: ... Noch orme tode vellet daz gelt nicht hinder sich. Sy erbet is ouch oren man, ab sy den genomen had, unde uf are kinth, ab sy sich mit om bekindet had, unde allewege uf ore nesten; es en sy denne mit genanten worten uszgescheyden, daz is wedder om sulle vallen. Zugleich Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, 11, 11. Es findet sich aber im Rechtsbuch nach Distinctionen auch die Stelle aus dem Sächsischen Weichbild unter I, Cap. XIV, Di. II. 303 F. Ebel, Magdeburger Recht lI/I, 200, datiert 1363 -1386; zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /II, 12, 13. 304 F. Ebel, Das Magdeburger Recht lI/I, Nr. 127, datiert 1363; zugleich ders., Der Rechte Weg 2, I 99; Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /11, 40; Leman, Das alte kulmische

III. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

129

des mannes erbnemen und nicht uf der frauen erbnemen, wenne das kynt mochte uf die muter nicht brengen von deme, das uf das kynt noch nicht komen ist.

Ein Mann hat seiner Frau 100 Mark czu irem leybe zugeteilt. Zuerst stirbt der Mann, danach das gemeinsame Kind und schließlich auch die Frau. Das Geld soll an die Erben des Mannes und nicht an die Verwandten der Frau fallen. Begründet wird dies damit, dass das Kind vor der Mutter gestorben sei und demnach das Geld nicht an die Erben der Frau weitervererben konnte, weil es selbst noch nicht Erbe seiner Mutter geworden war. Das Kind hätte also das Geld erhalten, wenn es die Mutter überlebt hätte. Das Geld wäre nicht zurück an die Familie des Mannes gefallen. Die Krakauer Schöffen setzen sich lediglich in einem Fall mit der aufgeworfenen Frage auseinander?05 Ist is sache, das dy fraw lebit, welcher das gelt czu leybgedinge gegeben ist, alzo der anclager spricht in seyner clage, so ist der selbin frawin man neher und mit besserm rechte solch gelt, das seyner hawsfer gegeben ist czu leybgedinge, ap is also ist czu im aws czu borgin, das is noch seyner hawsfir tode den neestin nicht entginge, wenn das ein dy swestir ihres forriges mannes dor fon getreybin mochtin. Von rechtes wegen.

Die Frau, um die es in dem Rechtsstreit geht, hat das Geld, welches sie von ihrem ersten Mann als Leibgedinge erhalten hat, ihrem zweiten Mann entweder geborgt oder aber sich damit für ihn verbürgt. 306 Dazu ist die Frau auch näher, so dass die Schwester ihres ersten Mannes sie daran nicht hindern kann. Denn - so die Schöffen - das Geld könne den nächsten Verwandten nach dem Tode der Frau nicht entgehen. Nach dem Tode ihres ersten Mannes erhielt die Frau Geld als Leibgedinge. Sie hat daraufhin ein zweites Mal geheiratet. Zum wiederholten Mal erfahren wir, dass es der Frau gestattet ist, das Geld trotz erneuter Heirat zu behalten. Nunmehr möchte die Frau sich mit diesem Geld für ihren zweiten Mann einsetzen. Die Verwandten des ersten Mannes hegen die Befürchtung, das Geld könne dadurch ihrer Familie entzogen werden. Da es sich aber lediglich um einen Kredit oder eine Bürgschaft handelt, ist das Geld nicht dauerhaft der Familie vorenthalten. Es muss damit die Familie des verstorbenen Mannes gemeint sein, denn die Schwester, die ihre Befürchtungen vor Gericht vorträgt, entstammt eben dieser Familie. Der Spruch deutet darauf hin, dass das Geld nach dem Tode der Frau an die Verwandten des verstorbenen Mannes zurückfallen soll. Ob diese Entscheidung verallgemeinert werden kann, muss stark bezweifelt werden. Ein einziger Spruch ist eine zu schmale Basis für generalisierende Aussagen. Im zweiten Band der Recht, IV, LXXXIII. Eine Kombination aus diesem Text und dem zuvor besprochenen siehe bei Leman, Das alte kulmische Recht, IV, LXXX; zugleich Maisei, Posener Rechtsbuch, III, 8. 305 Nr. 810, Sentencia de Pylsno (l7. 11. 1466). 306 Für borgen kommen beide Bedeutungen in Betracht. Siehe Grimm, Deutsches Wörterbuch 11, Sp. 241 f.; Schiller/Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch I, S. 394. 9 Obl.den

130

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Edition der Krakauer Schöffensprüche finden sich zudem Urteile und Rechtsweisungen, die auf eine Vererbbarkeit hindeuten. 307 Zu vermuten ist, dass in diesem Punkt die vertragliche Vereinbarung im Vordergrund stand. 308 Denkbar ist aber auch ein Zusammenhang mit der Frage, ob die Ehe bekindet oder unbekindet war. Sowohl der erste Magdeburger Spruch wie auch die Krakauer Entscheidung behandeln eine unbekindete Ehe und weisen die Gabe, nachdem die Frau verstorben ist, der Familie des Mannes zu, während der zweite Magdeburger Spruch das Kind als Erben vorgesehen hätte. Mit Sicherheit kann diese Frage indessen nicht beantwortet werden. 4. Ergebnis

Durch den Vergleich mit Urteilen und Rechtsweisungen des Magdeburger Schöffenstuhls sowie weiteren Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechts haben wir versucht, das dotalicium der Krakauer Spruchpraxis nach Begriff und Funktion näher kennen zu lernen. Das Ergebnis fassen wir im Folgenden zusammen: Das dotalicium ist die zentrale Gabe des Mannes an seine Frau und zugleich dazu bestimmt, ihr im Witwenstand zum Lebensunterhalt zu dienen; zugleich soll es die eingebrachte Mitgift kompensieren. 309 Was die Ehefrau als dotalicium erhielt, wurde ausgehandelt. Das dotalicium ist offenbar eine Weiterentwicklung der Morgengabe und des Leibgedinges, die der Sachsenspiegel beschreibt. Die Morgengabe ist in ihrer eigentlichen Bedeutung in der Spruchpraxis nicht mehr anzutreffen, was nicht ausschließt, dass der Mann nach der Vermählung seine Frau mit einer kleineren Gabe beschenkte. Wenn es diesen Brauch gab, so hat er nicht zu rechtlich relevanten Konflikten geführt. 307 Siehe Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta iuris, Band 2, Nm. 139, 199 und 751, Sentencia de Coschicze (17. 6.1499): Ex quo Dorothea de Uscze querit afratre amitali germano dotalicium post amitam germanam, interrogans, quis est propinquior ad hoc dotalicium, utrum consobrina post amitam germanam vel filius post matrem, et pater pueri sicuti tutor naturalis dicit, cum puer etatem non habet, utrum causa stare debet ad etates pueri, iuxta scripta vestra; igitur ex quo Dorothea querit dotalicium et puer etatem non habet, extunc causa stare debet ad etatem pueri congruens, et interim res ibi contente conscribi debent et integre servari, de forma iuris scripti. 308 So auch Agricola, Gewere, S. 541. 309 Signori, Vorsorgen-Vererben-Erinnern, S. 113 äußert für Basel, die Morgengabe - hier in Form von Barschaft - sei entgegen der in der Forschung häufig vertretenen These nicht zur Witwen versorgung geeignet gewesen. Vielmehr komme ihr eher ein symbolischer Gehalt zu. Dies mag für Basel zu der von ihr behandelten Zeit richtig sein. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass Signori die entsprechende Stelle aus dem Sachsenspiegel heranzieht, die ja noch dem ursprünglichen Inhalt der Morgengabe entsprach und äußert, in der Praxis sei die Morgengabe zumeist ein Versprechen gewesen. Insofern vermischt sie zum einen die zeitlichen, zum anderen die regional unterschiedlichen Entwicklungen. Eine generelle Bewertung dieses Instituts kann nicht vorgenommen werden.

111. Das dotalicium: Die Gabe des Mannes an die Frau

131

Es ist anzunehmen, dass das dotalicium üblicherweise vor der Eheschließung vereinbart wurde. Aber auch im Nachhinein wird seine Bestellung möglich gewesen sein; diese Vermutung liegt nahe, weil sich die Vermögensverhältnisse der Eheleute im Laufe der Ehe ändern konnten. Rechtliche Probleme und Streitigkeiten ergaben sich stets erst nach dem Tode des Mannes. Darum ist davon auszugehen, dass das dotalicium der Frau mit ihrem Eintritt in den Witwenstand anfiel. Bei den rechtlichen Problemen, die im Rahmen der Streitigkeiten um das dotalicium von den Schöffen zu lösen waren, stehen im Vordergrund sowohl Beweisfragen als auch die rechtlichen Möglichkeiten der Witwe, ihren Anspruch auf das dotalicium durchzusetzen. Zahlreiche Sprüche belegen, dass der Witwe ein hoher Schutz zukam. Beweisrechtlich ist sie privilegiert: Ein bloßes Geldversprechen durfte sie selbst und ohne Zeugen beweisen. In der Durchsetzung ihres Anspruchs war sie auf verschiedene Weise geschützt: So konnten ihr Bürgen für das dotalicium bestellt werden oder auch ein Pfandrecht an einer Immobilie. Außerdem stand ihr zu, im Erbe wohnen zu bleiben, bis sie das dotalicium erhalten hatte?\O Was der Ehefrau als dotalicium bestellt werden konnte, war nicht eindeutig zu klären, weil die Entscheidungen oftmals mehrere Interpretationsmöglichkeiten zulassen. Das dotalicium könnte jedoch durchweg in einer Geldgabe bestanden haben: In keinem Fall ist ein Nutzungsrecht eindeutig nachzuweisen, während jeder Spruch die Möglichkeit zulässt, das dotalicium als Geldgabe auszulegen. Das gemeine Sachsenrecht soll seit dem 16. Jahrhundert eine besondere Entwicklung genommen haben. Nach den Lehrbüchern zum Deutschen Privatrecht hat sich das sächsische dotalicium aus der Leibzucht und der Widerlage 311 entwickelt. Es sei besonders in adeligen Kreisen, in denen VOn den Frauen vornehmlich Kapitalvermögen in die Ehe eingebracht wurde, verbreitet gewesen?12 Nach dem Tode 310 Ist die Frau schwanger, wenn der Mann stirbt, wird sie ebenfalls geschützt. Sie darf dann bis einige Wochen nach der Geburt im Gute bleiben und davon ihren Lebensunterhalt bestreiten. Aus der Krakauer Spruchpraxis siehe Nr. 1242, Sentencia de Dambicza (8. 1. 1473): Quod ex quo Barthosius pie memorie remansit uxorem suam Elizabeth post se inpregnatam in dictis bonis et ipsa Elizabeth nondum istum puerum produxit in mundum, praut hoc ipsum ex scriptis vestris sane percepimus, extunc ipsa Elizabeth in eisdem bonis, pro quibus lis agitur, manere debet et eis utifrui eo iure et in eadem reformacione, prout ipsam maritus in eis post se reliquit, absque inpedimento ipsius Anne usque ad nativitatem pueri, de forma iuris. Siehe hierzu weiterhin F. Ebel, Magdeburger Recht II/l, Nr. 111, datiert 1363: Ist eyne vrowe swangir noch iris mannis tode, dy vrowe sal in der were besiczen, und dye kind sullen ir lipnar geben als lange, biz daz sy dez kindes gen{sit und us den sechs wochen komit. Von rechtis wegene. Unde daz ir ir morgengobe leystit ist und bewisit, daz kann ir dorczu nicht geschaden. Von rechtis wegene. Zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV / 11, 8. 311 Heusler, Institutionen 11, S. 370: "Gegenleistung aus dem Mannesvermögen, welche bei Tod des Mannes mit der Heimsteuer, nicht statt derselben, an die Frau fallt ... Die Widerlegung ist nämlich ein fast nur in den höheren und vornehmen Ständen wirklich eingebürgertes Institut." 312 Vgl. hierzu näher Heusler, Institutionen 11, S. 370 ff.; Gengier, Das Deutsche Privatrecht, S. 580 f.; Gerber, System des Deutschen Privatrechts, S. 585 f.; Stobbe, Deutsches Privatrecht IV, S. 236 f.; Hessler, Art. Dotalicium, HRG I, Sp. 779 f.

9*

132

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

des Mannes sei es die Pflicht der Erben gewesen, Mitgift und Widerlage an die Witwe herauszugeben. Kamen sie damit in Verzug, hatten sie beides zu verzinsen. Diese Zinszahlung sei indessen zunehmend zur Regel geworden, denn die Erben seien oft gar nicht in der Lage gewesen, die gesamte Summe auszuzahlen. Daher habe sich das sächsische dotalicium als Leibrentenberechtigung der Witwe gestaltet, die ihr statt Rückempfang der Mitgift und des Gegenvermächtnisses zugestanden habe? 13 Die Zinsen seien dabei als eine Rente auf Lebenszeit ausgestaltet gewesen. Die Kursächsischen Konstitutionen - so die Literatur - hätten der Witwe schließlich ein Wahlrecht gewährt, ob sie Mitgift und Widerlage oder Zinsen verlangen wollte. Inwiefern diese Ausführungen zutreffend sind, kann hier nicht überprüft werden. Eine kritische Betrachtung und erneute Auseinandersetzung mit dieser Thematik scheint indessen wegen des veralteten Forschungsstandes angebracht. 314

IV. Das Dritteilsrecht: antiqua conswetudo in Terra Russie 1. Der Kampf der Literatur mit dem Dritteilsrecht "Einem der dunkelsten und bestrittensten Gebiete der deutschen Rechtsgeschichte gehört das Dritteilsrecht an ... 315

Im Gegensatz zu den zahlreichen Urteilen und Rechtsweisungen zu Gerade und dotalicium haben die Schöffen zu einem weiteren Begriff des Ehegüterrechts, dem 313 Über den Zinssatz werden in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht. Durch das Königlich Sächsische Allodial-Erbfolge-Mandat von 1829 §§ 99, 101 ist dieses adelige Leibgedinge abgeschafft worden. Es konnte danach noch als eine vertragsmäßige Zuwendung gegeben werden. 314 Folgende Stellen werden von der Literatur angeführt: Lünig, Codex Augusteus, Kursächsische Konstitutionen, 11 Art. XLII: Unsere Rathe, Facultaten und Schoppensttthle, halten es richtig, und unzweiffelhafftig seyn: wann einer Frauen ein Leib-Geding aufgerichtet und bestatigt worden, welches sie auch beliebet und angenommen, dass dargegen ihre Mitgifft und Einbringen verlosche und abgehe; do aber derowegen, wie es zu halten, gewisse Pacta und Vereinigungen aufgerichtet, dieselbige mttssen zuforderst in acht genommen, und darauf gesprochen werden. Hieraus geht indessen hervor, dass das Leibgedinge ein Ausgleich für die Mitgift ist. 11 Art. XLIV: Wann es sich aber begabe, dass die Frau, von ihrem Manne, gegen ihr Einbringen, nicht beleibgedinget, und sie will, nach seinem Absterben, kein Leib-Gedinge haben, sondern fordert ihr eingebrachtes Ehe-Geld, die Lehens-Folger aber wollen sie beleibgedingen, und das Ehe-Geld nicht geben; In diesem Fall, haben Unsere Rathe, Facultaten und Schoppensttthle beschlossen: Es sollte in der Frauen Willktthr stehen, ihr eingebrachtes EheGeld wieder zu fordern, oder aber das Leib-Gedinge anzunehmen; welches Wir uns auch gefallen lassen, und soll demnach also gesprochen werden. Hier wird der Fall behandelt, dass die Frau von ihrem Mann kein Leibgedinge erhalten hat. In diesem Fall steht ihr ein Wahlrecht zu, wenn die Lehnsnachfolger des Mannes sie mit einern Leibgedinge ausstatten wollen. Ob ihr dieses Wahlrecht allgemein - also auch für den Fall, dass ihr Mann sie mit einern Leibgedinge bedacht hatte - zusteht, geht aus der Stelle meines Erachtens nicht hervor. 315 Schröder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 80.

IV. Das Dritteilsrecht

133

Dritteilsrecht, lediglich sieben Entscheidungen getroffen. Dennoch wollen wir uns diesen Sprüchen zuwenden, insbesondere weil sie eine Verklammerung von Gerade und dotalicium sichtbar werden lassen. Bei dem Versuch, einen Überblick über die Literatur zum Dritteilsrecht zu gewinnen, muss man zunächst feststellen, dass bei weitem nicht so viel über das Dritteilsrecht geschrieben wurde wie etwa zu Gerade oder dotalicium. 3 !6 So wird das Dritteilsrecht zwar in einigen Büchern zum Deutschen Privatrecht behandelt; die Ausführungen fallen indessen nur sehr knapp aus. Und auch in der Spezialliteratur zum ehelichen Güterrecht wird das Dritteilsrecht meist auf wenigen Seiten abgehandelt. Die Lektüre dieser Literatur erweist sich zudem als recht schwierig; die Ausführungen wirken unübersichtlich und verwirrend. Bei intensiverer Auseinandersetzung mit den einzelnen Darstellungen erschließt sich die Ursache für diesen Befund: ,Das' Dritteilsrecht gibt es gar nicht! Vielmehr existieren verschiedene ehegüterrechtliche Konstellationen, die unter diesen Begriff gefasst werden. 3 !7 Die einzelnen Autoren erörtern verschiedene Ausprägungen des Dritteilsrechts. Da sie aber stets aufeinander Bezug nehmen, entsteht der Eindruck, es hätte ein einheitliches Dritteilsrecht gegeben. 3 !8 Ursache dieses Phänomens liegt in dem Versuch der Rechtshistoriker des 19. Jahrhunderts begründet, aus den mittelalterlichen Quellen ein einheitliches deutsches Privatrecht herauszufiltern. Bei dieser Vorgehensweise werden dann weniger die regionalen Verschiedenheiten herausgear316 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 50, 361 ff.; Sehröder; Eheliches Güterrecht II 3, S. 80 ff.; Sehubart-Fikentscher; Eherecht, S. 152 ff.; Agricola, Gewere, S. 36, 38, 332, 606; Giil, Summa legum, S. 80 ff.; v. Roth, Deutsches Privatrecht II, S. 190 ff.; Schröder/v. Künßberg, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 811 ff.; Heusler; Institutionen des Privatrechts, S. 362 ff.; Hübner; Deutsches Privatrecht, S. 684 f.; Beseler; Privatrecht I, S. 568 f. 317 So selbst schon Schröder; Eheliches Güterrecht II 3, S. 96: "Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass man mit Unrecht versucht hat, das sogenannte Drittheilsrecht auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen." 318 Ein Beispiel hierfür findet sich bei Schubart-Fikentscher; Eherecht, S. 151 ff., die das Verhältnis der beiderseitigen Ehegaben bespricht und dabei auf die Meinung von Schröder; Eheliches Güterrecht II 1, S. 65 zum Brünner Eherecht eingeht. Im nächsten Absatz schon äußert sie sich zur Herkunft des von ihr besprochenen Brünner Dritteils und nimmt wiederum Stellung zu Schröder; Eheliches Güterrecht II 3, S. 97 ff., dieses Mal aber nicht zu seinen Ausführungen zum Brünner Dritteil, sondern zu seinen Vermutungen, wo das Dritteilsrecht generell entstanden sein könnte. Wie Schubart-Fikentscher argumentiert auch Giil, Summa legum, S. 80 ff. Weiterhin bei Schröder; Eheliches Güterrecht II 3, S. 81: " ... so ist es überhaupt Streitfrage, ob das Drittheilsrecht eine dem Systeme der Halbtheilung entsprechende, vielleicht mit mittel- und oberrheinischen Gebilden zusammenhängende Theilung des ganzen ehelichen Vermögens nach Schwert- und Spindeltheil eintreten ließ, oder ob es sich um ein bloßes Quotenerbrecht, sei es zu Gunsten des überlebenden Ehegatten überhaupt, sei es bloß der Witwe gegenüber dem Nachlaß des Mannes, handelt." Für die in diesem Zitat aufgeführten Ansichten nennt er dann verschiedene Autoren, die Dritteilsrechte in verschiedenen Regionen behandelt haben. Er bezeichnet die Unterschiede im Dritteilsrecht jedoch als ,Streitfrage', anstatt die verschiedenen regionalen Ausgestaltungen anzunehmen.

134

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

beitet, sondern vermeintliche Gemeinsamkeiten in den Vordergrund gestellt. Das verbindende Element der einzelnen Dritteilsrechte wird darin gesehen, dass sie alle Teil der Wegstrecke von der Verwaltungsgemeinschaft hin zur Gütergemeinschaft sind?19 Es ist also nur allzu verständlich, dass Schröder zu der Ansicht gelangte, das Dritteilsrecht sei eines der dunkelsten und bestrittensten Gebiete der deutschen Rechtsgeschichte: Eine einheitliche, ,unbestritten' und widerspruchsfreie Darstellung kann es gar nicht geben. Es soll hier nicht unternommen werden, die verschiedenen Formen des Dritteilsrechts darzustellen; eine kurze Schilderung der verschiedenen Verwendungen des Begriffs soll daher genügen. Formen des Dritteilsrechts werden vorwiegend in Böhmen, Mähren, der Mark Meißen und teilweise in Schlesien festgemacht. Weiterhin ist es im südöstlichen Deutschland nachweisbar. 32o Als Dritteilsrecht kann zum einen das Verhältnis bezeichnet werden, welches die Werte der gegenseitigen Ehegaben zueinander einnehmen?21 Zum anderen kann aber auch die Aufteilung des ehelichen Vermögens nach dem Tode eines Ehepartners gemeint sein. Dabei kann sich die Dreiteilung entweder auf das gesamte eheliche Vermögen 322 oder nur auf das Vermögen des Mannes 323 beziehen. Weiterhin kann Dritteil bedeuten, dass die Witwe ein Drittel des Vermögens des verstorbenen Mannes, der Ehemann aber dagegen das Vermögen der verstorbenen Frau insgesamt erhält. Trotz dieser verschiedenen Bedeutungen von Dritteil versucht die Literatur, eine gemeinsame Wurzel für das Entstehen des Dritteilsrechts zu ergründen. Einige 319 Dies wird z. B. deutlich bei v. Roth. Deutsches Privatrecht 11. S. 192: "So mannigfaltig auch die Gestaltungen sind, in denen diese Güterordnung in den verschiedenen Rechtsgebieten hervortritt, so zeigt sich doch übereinstimmend eine Hinneigung zur Entwicklung der Gütergemeinschaft. " 320 VgI. v. Roth. Deutsches Privatrechts 11, S. 192; v. Martitz. Eheliches Güterrecht. S. 37 sagt aus, das Dritteilsrecht habe auch zumeist in den österreichischen Städten gegolten. Doch sagt er nicht, weIche Form des Dritteilsrechts er meint. Gill. Summa legum, S. 80 vertritt die Ansicht, das Dritteilsrecht als Verhältnisrecht der gegenseitigen Ehegaben habe es in Österreich nur singulär für Wien gegeben. 321 Gill, Summa legum, S. 80 ff.; Schubart-Fikentscher, Eherecht, S. 149 ff.: "Bei diesen gegenseitigen Gaben: Heimsteuer und Widerlegung, lag es nahe, sie in ein bestimmtes Berechnungsverhältnis zu stellen. So findet sich im Wiener Recht, im böhmisch-mährischen Landrecht und in Brünn die Regelung, dass der Mann die Heimsteuer der Frau um ein Dritteil - die Hälfte der Mannesgabe - widerlegte." v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 355 ff., geht davon aus, in den Städten sei es zunächst abweichend vom Eherecht des Sachsenspiegels zu gegenseitigen Ehegaben gekommen. Dies habe den Weg hin zur Quotenteilung des ehelichen Gutes im Erbrecht bereitet. Für den Bereich des Magdeburger Rechts nennt er zwei Systeme der Teilung, die Halbteilung und das Dritteilsrecht. Für das Dritteilsrecht vertritt er dann die Ansicht, bei Vorversterben des Mannes werde "das eheliche Vermögen zusammengeworfen und einer Quotenteilung unterworfen". 322 So zum Beispiel Agricola, Gewere, S. 606: "Im Dritteilsrecht fallt ja das von den Ehegatten zusammengebrachte Gut wenigstens nach beerbter Ehe nicht wieder auseinander, sondern die Witwe erhält ein Drittheil des Gesamtgutes." 323 So bei Kraut, Vormundschaft, S. 460; Beseler, Privatrecht I, S. 569.

IV. Das Dritteilsrecht

135

Autoren vennuten, das Dritteilsrecht stamme aus dem flämischen Rechtskreis und sei durch die Ostsiedlung nach Schlesien, Böhmen und Mähren gelangt. 324 Teilweise wird angenommen, die deutschen Einwanderer hätten das Dritteilsrecht in Böhmen und Mähren als tschechisches Recht kennen gelernt und es von dort nach Meißen und Schlesien gebracht. 325 Schließlich wird auch vertreten, die Herkunft sei nicht zweifelsfrei nachweisbar. 326 Es kann hier nicht die Aufgabe sein, die weithin zeitgebundene wissenschaftliche Diskussion zu den Ursprüngen und verbindenden Elementen des Dritteilsrechts näher zu erörtern. Vielmehr soll herausgearbeitet werden, was die Krakauer Schöffen unter dem Dritteil verstehen. Dieser Aufgabe wollen wir uns wie gewohnt mit einem Blick in die Rechtsbücher des sächsisch-magdeburgischen Rechts nähern. Weder im Sachsenspiegel noch im sächsischem Weichbildrecht ist eine Fonn des Dritteilsrechts aufgezeichnet. Belegt sind Ausprägungen des Dritteilsrechts im Meißener, Eisenacher327 und im Zwickauer Rechtsbuch, auf die im Vergleich mit dem Dritteilsrecht der Krakauer Spruchpraxis noch eingegangen wird. Dass das Dritteilsrecht grundsätzlich nicht Bestandteil des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises war, zeigt neben den nicht vorhandenen Regelungen in Sachsenspiegel und Weichbildrecht ein Magdeburger Schöffenspruch für Schweidnitz. Die Schöffen haben sich mit der Frage zu befassen, ob und inwiefern das alte Recht der Stadt Schweidnitz oder das inzwischen eingeführte Magdeburger Recht beim Tode des Ehemannes für die Witwe gelte, wenn diese noch nach altem Recht geheiratet habe, aber nach der Bewidmung der Stadt mit Magdeburger Recht ohne Bestellung einer Morgengabe Witwe geworden sei. Sie sagen aus, dass die Vorschrift des alten Rechtes Platz greife, wonach die Witwe nach einer Ehe von Jahr 324 Vgl. v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 35 ff., 50. Es verwundert, dass v. Martitz zunächst nachzuweisen versucht, das Dritteilsrecht sei mit den flämischen Siedlern in den Osten gelangt. Später sagt er, das Dritteilsrecht entspreche dem fränkischen douaire. Siehe hierzu Cavanna, Art. dotalitium, LexMa III, Sp. 1328 f.: Dotalitium (douaire) im französischen droit coutumier Bezeichnung für die aus der Verschmelzung der alten fränkischen Institute dos und tertia hervorgegangene Witwenversorgung, die der Mann am Hochzeitstag seiner Frau übereignete. 325 Schröder, Eheliches Güterrecht 11 3, 97 f., der zugleich einen Zusammenhang mit dem altfränkischen Recht ablehnt. Bedenkt man, dass Schröder selbst sagt, das Dritteilsrecht basiere nicht auf einem einheitlichem Prinzip, so ist seine Aussage "Ich trage nun keine Bedenken anzunehmen, dass die deutschen Einwanderer das Drittheilsrecht in Böhmen und Mähren als czechisches Recht kennengelernt haben ... " sehr verwunderlich, denn er versucht nun doch, das Dritteilsrecht auf eine Wurzel zurückzuführen. In Schröder/v. Künßberg, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 813 wird dann vertreten, in den Gebieten des Dritteilsrechts seien flämische, bayrische und tschechische Elemente zusammengeflossen. Beseler, Privatrecht I, S. 569 Fn. 6 äußert sich wie folgt: "Die von Schröder aufgestellte Verrnuthung, dass das Drittheilsrecht czechischen Ursprungs sei, ist unhaltbar." 326 Schubart-Fikentscher, Eherecht, S. 153; Agricola, Gewere, S. 28, Fn. 2: " ... während das Drittheilsrecht vielleicht eher auf alten genuinen Gewohnheiten ruht ... " 327 Hauptquelle des Eisenacher Rechtsbuchs ist das Meißener Rechtsbuch. Daher lassen sich die inhaltlichen Parallelen erklären. Vgl. B. III. 2. a).

136

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

und Tag ein Drittel vom Gesamtgut der Ehegatten erhalte. Das Dritteilsrecht wird also als altes Recht, die Morgengabe als dem Magdeburger Recht zugehörig bezeichnet: 328 Hiruff spreche wir schepfin zu Magdeburg eyn recht: Nach dem male dy vrowe sich mit yrem manne in dem alden recht also vorjaret hatte, daz yre nach des mannes toeete eyn drittel alles gutes volgen solde, so sal ir daz vnschedelich syn, ap ire man sie syder in Magdeburgischem rechte nicht begabt hat, mer sie sal behalden vnde nemen, waz re nach dem alden recht boren mag.

2. Das Dritteilsrecht in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs a) Das Verhältnis von Gerade und dotalicium zum Dritteilsrecht

Betrachten wir nun die Urteile und Rechtsweisungen der Krakauer Schöffen. Ausgangspunkt soll eine Rechtsweisung nach Landshut sein. 329 Sie hat zwar eine Erbauseinandersetzung nach dem Tode zweier Brüder zum Inhalt, gibt jedoch mittelbar Auskunft zum Dritteilsrecht: Sint der czeit das dy czwene bruder in ewer stat gewonet habin und von todis halbin abegestorbin seynt unde ettliche guttir noch en gelosin habin unde ouchfrunde, noch dem als ir wns schreybit, so zal das gut dem rechtin vettir unde der gebomir swestir kinder mit besserim rechte folgin neher und ee wen den vetter kinder, idoch alzo das dy rechte vettirs dy heiffte der guttir nehmen sollin undir sich teylinde und der swestir kinderdy andir helftte undir sich ouch teylinde von rechtes wegin, idoch zo wo man dritteyl gebit, do ist nicht gerade, do kann ouch keyn hergewet seyn. Von rechtes wegin.

Die Schöffen erklären, welche Familienmitglieder in die Erbaufteilung einbezogen werden. Da zwei Männer verstorben sind, müsste nach sächsisch-magdeburgischem Recht jeder der beiden Brüder Fahrnis hinterlassen, die unter das Heergewäte fällt. Die Schöffen führen hingegen aus, dass kein Heergewäte als Sondervermögen anfalle, weil es auch keine Gerade gebe; denn wie wir bereits gesehen haben, bildet die Gerade das Gegenstück zum Heergewäte. Warum keine Gerade anfällt, begründen die Schöffen folgendermaßen: Es gibt keine Gerade, wenn das Dritteilsrecht praktiziert wird. Es schließt also den Anfall der Gerade aus. Dieser Grundsatz findet sich auch im Meißener Rechtsbuch: 33o Eyn iczlich wip erbet wol czweyger wegen or gut; gerade an ore nesten nifteln, dy or vor mutter halben zcugesippet ist, unde daz erbe an den nesten, es sy wip ader man; in lant328 Goerlitz/Gantzer, Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmiueilungen für Schweidnitz, 11 2 Nr. 1. Der Spruch wird um 1365 datiert. Schweidnitz wurde 1363 mit Magdeburger Recht bewidmet. 329 Nr. 900, Sentencia de Landishutt (30. 10. 1467). 330 Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XX, Di. XIII.

IV. Das Dritteilsrecht

137

rechte unde in wichbilde. Do man abirdenfrouwen dritten teyl gibt, do erbet keyn gerade, wen sy nempt keyn gerade, also vor beschreben ist.

Grundsätzlich vererbt eine Frau nach ihrem Tode erbe und gerade. Wenn den Frauen allerdings der dritte teyl gegeben wird, erhält sie nach dem Tode ihres Mannes keine Gerade. Daher kann sie selbst nach ihrem Tode keine Gerade hinterlassen. Auch im Meißener Rechtsbuch stehen Gerade und der dritte Teil in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Weiteren Aufschluss über die Ausgestaltung des Dritteilsrechts in der Spruchpraxis der Krakauer Schöffen gibt eine Rechtsweisung nach Turobin: 331 Quod si vestra in civitate utimini antiqua conswetudine in terra Russie tenta, in qua terra non est dos neque dotalicium alias wyano, et ubi non datur dos, ibi eciam non datur suppellectile alias grat, sed omnes femine recipiunt terciam partem omnium bonorum, tune eciam ad huiusmodi suppellectile alias grat ipsa awa nullum ius haberet;

Die Schöffen äußern sich in dieser Rechtsweisung wie folgt: Wenn es in der Stadt die alte Gewohnheit der terra Russie gibt, dass keine dos und kein dotalicium gegeben wird, dann kann auch keine Gerade existieren. Dafür erhalten die Frauen den dritten Teil aller Güter, weshalb der Großmutter kein Recht an dem Streitgegenstand zustehe. Die Übersetzung von dos mit Mitgift erscheint hier nicht treffend: Es ist nämlich zum einen sehr unwahrscheinlich, dass in Gebieten des Dritteilsrechts keine Mitgift gegeben wurde. Dies hätte ja zur Folge gehabt, dass eine Frau mittellos in die Ehe ging, wenn sie selbst noch nichts geerbt hatte. Zudem wird im zweiten Teil des Satzes nur noch das Wort dos verwendet. Wahrscheinlich ist daher, dass das dotalicium doppelt umschrieben wird, und sich alias wyano auf beide Wörter bezieht. 332 Die Schöffen nehmen eine Gegenüberstellung vor: Einmal berichten sie von der alten Gewohnheit, nach der Frauen den dritten Teil aller Güter erhalten, zum anderen von dotalicium und Gerade. Nicht nur die Gerade ist demnach ausgeschlossen, wenn der dritte Teil gegeben wird, sondern auch das dotalicium. 333 Erkennbar wird, dass die Schöffen verschiedene ,Systeme' der güterrechtlichen Versorgung unterschieden. Die Großmutter erhebt offenbar Ansprüche auf die Gerade. Streitgegenstand ist demnach die Niftelgerade, woraus zu schließen ist, dass die Ehefrau verstorben ist. 331 332

lage.

Nr. 993, (6. 9. 1468). Kisch, Das mittelalterliche polnische Privat-Recht, S. 222, übersetzt wiano mit Wider-

333 Schon amüsant wirkt die Aussage bei Kraut, Vormundschaft, S. 460: "Das Drittheilsrecht weicht im Wesentlichen von dem Rechte des Sachsenspiegels nur darin ab, dass die Witwe statt der Gerade, der Leibzucht, der Morgengabe und des Mustheils, welche sie nach dem Letzteren bekommt, den dritten Theil des sämmtlichen von dem Manne hinterlassenen Vermögens erhält."

138

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Der Witwer beruft sich aber auf das Dritteilsrecht, wonach keine Gerade anfällt. Nunmehr stellt sich die Frage, nach welchen Grundsätzen zu entscheiden ist: Damit der Fall nach dem Dritteilsrecht entschieden werden kann, muss in der Stadt dieses auch als Gewohnheit geübt werden. Andernfalls fällt die Gerade an, die der Großmutter zustünde: sed si non utimini vestra in civitate eadem antiqua conswetudine terre Russie, tunc ipsa awa propior esset ad recipiendum eadem suppellectilia alias grat . ..

Das Geflecht von Gerade und dotalicium wird uns noch in einem weiteren Spruch vor Augen geführt: 334 Sind der czeit das czu euch eyn recht ist und eyn aide gewonheyt, das man den weybem dritteil gebit und nicht morgingobe, so ist auch keyn gerade do nicht, und dy mag auch nicht geerbin an nymandin als gerade . ..

Und auch dem Meißener Rechtsbuch ist dieser Zusammenhang bekannt: 335 In unsen wichbilden disses landes gibt man den frouwen wedder gerade noch musteil, von des wegen: di frouwen sin domete vorsichert, ab man si nicht vorgibt mit lipgedinge, noch mit lipczucht, noch mit ussgescheiden phenningen, so nehmen si an allen guten, di under dem mannen sint erstorben, an eigen, an erbe, an zcinsgute, an farender habe, di in huss adder in hoffe sint, ein dritteil . .. Unde daz dritte teil ist denne or eigen.

Den Frauen wird aus folgendem Grund weder Gerade noch Musteil gegeben: Wenn sie kein Leibgedinge oder Geld erhalten, sind sie damit abgesichert, dass sie den dritten Teil aller Güter des Mannes erhalten. Mit dem Dritteilsrecht ist hier nur eine Teilung des Vermögens des Ehemannes gemeint. Darüber hinaus erhielt die Witwe, zumindest bei unbekindeter Ehe, ihr eingebrachtes Gut zurück: 336 Sterbet aber der vater, unde en had keyn kinth mit der frouwen elichen, dy fruwe nemmet oren dritten teyl zcuvom ufz, unde waz sy zcu orem manne bracht had, daz sy bewisen mag also vor beschreben ist; unde dy zcwey teyl nehmen sine nesten.

Im Eisenacher Rechtsbuch finden wir diesen Zusammenhang ebenfalls vor: 337 Syn nu someliche stete in sechsir ard, do man wedir gerade noch hergewette gebit mit siner richtunge. In unsim witpilde des landis gebit man den frowen wedir gerade noch mustel von des wegin: di frowin sint damete besichirt, ab man si nicht vorgebit mit lipgedinge noch mit lipcucht noch mit genanten phennigen, so nehmen si in allen guthen, daz Nr. 736, Sentencia de Lanczhutt (18. 12. 1465). Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XI, Di. I. 336 Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. V, Di. VI. Siehe zum Dritteilsrecht im Meißener Rechtsbuch im Einzelnen Schräder, Eheliches Güterrecht 11 3, S. 81 ff. Er geht davon aus, dass das Dritteilsrecht für die bekindete und unbekindete Ehe galt. Er ist der Ansicht, dass zumindest die kinderlose Witwe neben dem Dritteil ihre eingebrachten Güter zurückerhielt, wie es die Quelle ja auch belegt. Weiterhin findet sich dort eine Auseinandersetzung mit der Kontroverse, ob der Mann Alleinerbe der Frau war oder nicht. 337 Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, 11, 8 § I, 18 § 2. Über das Verhältnis von Meißener und Eisenacher Rechtsbuch siehe B. 111. 2. a). 334

335

IV. Das Dritteilsrecht

139

undir den manne irsterbit, an erbe, an eygen, an zcinsguthin, an allir farinde habe, di in huse und in hofe ist, eynen dritten teil. Abir in witpilde in den steten ist dez nicht, do man den frowen derten teil gebit; wan alle frowen sin an lipgedinge, an morgengabe, an gerade, abgescheidin mit erme dertten teile, daz er recht ist, do si mete eyn andirn man nemmit, dez es danne wirt. Dit ist witpilde.

Im Eisenacher Rechtsbuch wird zwischen Stadt und Land unterschieden: Die erste TextsteIle entspricht, vom Einleitungssatz abgesehen, dem Meißener Rechtsbuch. Dem zweiten Quellenbeispiel, dem ein Abschnitt über Beweisfragen vorausgeht,338 ist zu entnehmen, dass das Dritteilsrecht auch in den Städten praktiziert werden konnte. Wie im Meißener und Eisenacher Rechtsbuch ist auch in der Spruchpraxis der Krakauer Schöffen die Fahrnis Bestandteil des Dritteilsrechts: 339 Quod ex quo domine nowerce puerorum predictorum tercia pars omnium bonorum mobilium, videlicet de argento, pecuniis, suppellectilibus, pulmentariis etc., ex divisione cessit et ei iam data est, extunc eciam tercia pars omnium bonorum hereditariorum, videlicet de domo et aliis bonis, cedi debet; et domina nowerca tantummodo in eadem sua tercia parte dictorum bonorum residere debet et eadem utifrui velud suo proprio, et cum eademfacere secundum formam iuris, et ipsi pueri in aliis duabus partibus patrimonii sui dictorum bonorum posessione et usufruicionem habere debent, de forma iuris.

Der Stiefmutter der Kinder ist zu Recht der dritte Teil aller beweglichen Güter, nämlich Geld, Haushaltsgegenstände und Speisen, zugefallen. Aber auch der dritte Teil des Hauses und der Güter, die zum Erbe gehören, sollen ihr zukommen. In ihrem Teil darf die Stiefmutter wohnen und den Nutzen aus den Gütern ziehen. Den Kindern stehen die übrigen zwei Drittel zu. b) Teilung des gesamten ehelichen Vermögens

Vom Dritteilsrecht werden sämtliche Güter, einschließlich der Fahrnis, erfasst. Zu Gerade und dotalicium steht es in einem Exklusivverhältnis. Zu fragen bleibt, welche Vermögensmasse aufgeteilt wurde. Es könnte - wie im Meißener, Eisenacher und auch im Zwickauer Rechtsbuch340 - nur das Vermögen des Mannes für die Teilung herangezogen werden. Denkbar ist indessen auch die Dreiteilung des gesamten Vermögens bei der Ehegatten. Die Formulierung terciam partem omnium 338 Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, 11, 18 § 1: Solde man den frowen morgengabe brechin anfarinde habe, di er gegebin were vor gerichte, daz irzcugit man mit richte re und mit schepphin. Ist di kuntschaJt irstorbin an gerichte, so irzcugit man si mit zcwen bydirben mannen, di unbeschuldin sint, di vor gerichte und bi der hochzcit gewest sinto Is enmag nymant irzcugkenisse gebin, wan der brutegum uf di brut und di brut uf den brutegum. Noch lantrechte. 339 Nr. 1334, Sentencia de Przemislia (13. 12. 1474). 340 Vgl. Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 81: Doch ist gewonheit hi zu der stat, daz man den vrouwen driteil gebit ane erbe und ane varender habe, swaz des under dem man erstirbit; den kindern gibt man di zwei teil, waz der ist, ir si wenic oder vil ...

140

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

bonorum aus der Rechtsweisung nach Turobin spricht dafür, dass der dritte Teil aus dem gesamten Gut beider Ehegatten herauszulösen ist. In ihrer gewohnt präzisen Ausdrucksweise hätten die Schöffen sonst sicherlich formuliert, jede Frau erhalte den dritten Teil der Güter des Mannes und nicht den dritten Teil aller Güter. Um diese Vermutung zu bestätigen, soll der Blick auf die geographische Lage der Orte gerichtet werden, in denen das Dritteilsrecht geübt wird. Die Urteile und Rechtsweisungen zum Dritteilsrecht gehen überwiegend an die Stadt Landshut. Die übrigen Anfragen gelangen aus Turobin, Krosno und Przemysl an den Krakauer Oberhof. In der Rechtsweisung nach Turobin sprechen die Schöffen von einer antiqua conswetudo in terra Russie. Im süd-östlichen Teil des damaligen Polens stoßen wir auf eine Landschaft, die als Terra Russia bezeichnet wurde?41 Dieses Gebiet wurde Polen gegen Mitte des 14. Jahrhunderts im Zuge der Expansionspolitik einverleibt. 342 Alle genannten Orte bis auf Turobin, das etwas nördlich dieser Region liegt,343 in denen das Dritteilsrecht Anwendung findet, befinden sich in dieser geographisch am weitesten von Magdeburg entfernten Landschaft. Die Orte liegen relativ dicht beieinander?44 was darauf hindeutet, dass das Dritteilsrecht in einem bestimmten abgrenzbaren Gebiet bekannt war. Aus dieser Gegend ist ein Privileg von Wladyslaw 11. an die Stadt Lemberg 345 aus dem Jahre 1422 erhalten: 346 quod legittime viro et uxore matrimonium contrahentibus bonaque hereditaria mobilia et immobilia ex utraque parte vel ex una tantum insimul comportantibus, illa omnia bona debent indivisa esse et ad unum coadunata. Dum autem contingat, uxorem decedere ab hac luce et marito ipsius superstite remanente, idem maritus haeredibus aut consanguineis vel proximioribus dictae uxoris suae sexus utriusque tertiam partem omnium bonorum mobilium et immobilium pro successione matema dare teneatur, duabus partibus eorundem bonorum pro se reservatis. 341 Vgl. Spruner/ Menke, Hand-Atlas, Nr. 69. Die übliche deutsche Bezeichnung für dieses Gebiet ist Rotreußen. Dort grenzen Wolynien, Podolien, Moldavien und Ungarn an. 342 Dies brachte unter anderem eine Handelsverbindung von Lemberg mit den genuesischen Kolonien am Schwarzen Meer ein. In dieser Zeit bestand eine Personalunion zwischen Polen und Litauen unter Kazimierz IV. Jagiellonczyk, wobei Podolien unter polnischer, und Wolhynien unter litauischer Administration stand. Siehe hierzu Hoensch, Geschichte Polens, S. 84 ff.; Davies, Im Herzen Europas, S. 260 ff.; Gieysztor, Art. Polen, LexMa VII, Sp. 52 - 58. 343 Dies könnte erklären, warum ausgerechnet in dieser Rechtsweisung nach Turobin auf die Gewohnheit der Terra Russia verwiesen wird, weil eben eine außerhalb dieses Gebietes liegende Stadt diese Gewohnheit pflegt. 344 Bemerkenswert ist noch, dass nur wenige Rechtsweisungen und Urteile aus dem Bereich des Güterrechts an Orte und Städte der Terra Russia ergehen. Aus dem südlichen Teil der Wojewodschaft gelangen gar keine Anfragen an den Oberhof. 345 Seit 1444 gab es in Lemberg ein Obergericht für alle Städte und Dörfer deutschen Rechts in Galizien und Podolien, soweit sie der polnischen Krone unterstanden. Nach der Übertragung der polnischen Verfassung 1433/34 war Lemberg Hauptstadt der Wojewodschaft Russia. Vgl. Lück, Über den Sachsenspiegel, S. 72; Trawkowski, Art. Lemberg, LexMa V, Sp. 1869 - 1870. 346 Vgl. Bischof!, Stadtrechte und Privilegien, S. 74 ff.

IV. Das Dritteilsrecht

141

Es wird bestimmt, dass die beweglichen und unbeweglichen Güter von Mann und Frau mit der Eheschließung zusammenfallen. Stirbt die Ehefrau, erhalten ihre Verwandten ein Drittel der gesamten Güter, der Witwer bekommt zwei Drittel. Vom Dritteilsrecht umfasst sind demnach die gesamten Güter bei der Ehegatten und nicht nur jene des Ehemannes. Auch tritt die Teilung beim jeweiligen Tod des Ehepartners und nicht bloß bei Tod des Ehemannes ein?47 Neben diesem Privileg ist für Lemberg eine Willkür von 1360 überliefert, welche von der Halbteilung berichtet. 348 Es wurde also zuvor nach einem anderen Ehegüterrecht gelebt. Die Stadt Lemberg war hingegen mit der Halbteilung höchst unzufrieden, wie das Privileg, welches das Dritteilsrecht einführt, verrät. 349 Vermutlich wurde mit dem Privileg bezweckt, eine Anpassung an die umliegenden ürtschaften herbeizuführen. Die Wendung antiqua conswetudine in terra russie deutet auf eine von Kontinuität geprägte Anwendung des Dritteilsrechts in diesem Gebiet hin. Wenn nun auch Lemberg durch ein Privileg das Dritteilsrecht erhält, liegt die Vermutung nahe, dass dies den landschaftlichen Gepflogenheiten entsprechend ausgestaltet war. Somit wird es auch möglich sein, Rückschlüsse auf das Dritteilsrecht der Krakauer Schöffen zu ziehen: Auch in den Anfragen an den Krakauer überhof, die aus der Terra Russia an den überhof gelangen, wird das Dritteilsrecht das gesamte Vermögen beider Ehegatten umfassen. c) Das Dritteilsrecht bei erneuter Heirat

Eine weitere Facette des Dritteilsrechts schildert folgende Entscheidung: 35o Was dy frawe gwter von standerben hatte, dy ir von erim irsten manne und noch erir kinde tode andirstorbin zeyn, dorczu hat ihres lecztin mannis bruder keyn angefelle noch ir ewir stat wilkor, dor von ir uns schreibit, ichtis dor an geschaden mag. Zunder hette dy frawe ichtis von frunden gute gehabt, welchirley daz wer, daz har der man in zyne gewer entpfangen hette, dor an nymmit desselbin toten mannis bruder czwey teil und dy frawe eyn dritteil. Von rechtes wegen.

Die Frau hat geerbt, weil nach dem Tode ihres ersten Mannes auch die Kinder gestorben sind. Mit gwter von standerben ist ein bebautes Grundstück gemeint. 351 347 Gerade und Heergewäte konnten nur verlangt werden, wenn sie an das Dritteil angerechnet wurden. Siehe Bischof!, Stadtrechte und Privilegien, S. 75. 348 Vgl. Bischof!, Stadtrechte und Privilegien, S. 74 ff.: quod domina aut mulier quaelibet post mariti sui obitum cum consanguineis et cognatis dicit mariti sui quibuslibet utriusque sexus omnes res mobiles et immobiles per medium dividere debet et tenetur. 349 V gl. Bischof!, Stadtrechte und Privilegien, S. 75: ... multiplicibus defectibus, incommodis controversiis, erroribus et dubiis dictae civitati nostrae saepissimae occurentibus, quibus taliter occurrere cupientes, Praelatorum et Baronum nostrorum ad hoc habito salubri consilio, eandem clausulam injringimus, cassamus et annullamus ac tali modo in alium sensum immutamus, interpretamur, declaramus et innovamus ... 350 Nr. 170, Sentencia de Crosno dominis consulibus ibidem (1. 7. 1458). 351 Siehe im Deutschen Rechtswörterbuch III, Sp. 44 unter Erbe: "bebauter Grund, Haus und umliegendes Gelände wie Hof, Garten uä." Für diese Umschreibung werden Quellen-

142

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Die Worte lecztin mannis bruder geben Aufschluss darüber, dass die Frau erneut geheiratet hat. Doch auch ihr zweiter Mann ist gestorben. Dessen Bruder macht nun Erbansprüche gegen die Witwe geltend. Die Schöffen bestimmen, dass der Bruder von den angestorbenen Gütern des ersten Mannes nichts erhält. Daran könne auch die Willkür der Stadt nichts ändern. Der Inhalt dieser Willkür kann aus dem zweiten Abschnitt des Spruchs erschlossen werden: Hier geht es um eine weitere Vermögensmasse der Frau, nämlich um die Güter, die sie von ihrer eigenen Familie geerbt und in die Gewere des zweiten Mannes gebracht hat. 352 Diese werden nach Quoten geteilt: Der Bruder des zweiten Mannes erhält zwei Drittel, die Frau behält ein Drittel. Die Willkür befasst sich demnach mit dem Dritteilsrecht. Zumindest das Grundstück, das sie von ihrem ersten Mann und den verstorbenen Kindern ererbt hat, wird nicht in die Quotenteilung hineingenommen, wenn die Ehe unbekindet ist. Ob dies bei bekindeter Ehe anders wäre, lässt sich dem Schöffenspruch nicht entnehmen. 353 Das Dritteil bezieht sich nicht auf die Liegenschaften aus erster Ehe. Alles, was die Frau an ererbten Gütern besitzt und in die Gewere des Mannes gebracht hat, unterliegt der Dreiteilung. Eine parallele Quellenstelle findet sich im Eisenacher Rechtsbuch: 354 Wo man den frowin den derten teil gebit, waz an si irsterbit, daz nemmit er andir man wol in formundeschafft. Sterbit si abir da mach, si erbit daz anirstorbin gud, ez si erbe adir farinde habe, mit mereme rechtin an ere nehisten wan an erin man, ab si nicht mit eme bekindet ist. Lantrecht.

Wenn die Frau eine zweite Ehe eingeht, nimmt ihr Mann das ihr angefallene Gut aus der ersten Ehe in Vormundschaft. Nunmehr stirbt die Frau, wobei die Ehe kinderlos geblieben ist. Fahrnis und Erbe aus der ersten Ehe fallen an die nächsten Verwandten der Frau und nicht an den Witwer. In einem ähnlichen Zusammenhang steht ein weiterer Spruch nach Landshut: 355 Die Tochter eines Schulzen hat geheiratet. Nachdem aus ihrer Ehe ein Kind hervorgegangen ist, ist zunächst der Mann und anschließend das Kind gestorben. Der zitate angebracht, die lauten: staende und liggende erve, an liggenden grunden, standen arven. Der natürliche Sprachgebrauch spricht außerdem dafür, dass mit einem stehenden Erbe ein Haus oder Gebäude auf einem Grundstück gemeint ist. 352 Jene Güter hat der Mann in seine Gewere genommen. Diese Wendung könnte darauf hindeuten, dass es der Frau möglich gewesen wäre, sich Teile dieser Güter vorzubehalten, indem sie sie nicht in die Gewere des Mannes gibt. 353 Schließlich würden dann ja Kinder aus der zweiten Ehe davon profitieren, was ein Einbringen dieser Güter in die Teilung rechtfertigen könnte. Ob das Dritteilsrecht überhaupt in gleicher Weise in der bekindeten wie in der unbekindeten Ehe zur Anwendung kommt, oder ob sich Unterschiede ergeben, lässt sich unserer Quelle nicht entnehmen, weil in keinem Spruch erkennbar von noch lebenden Kindern die Rede ist. Von der grundSätzlichen Anwendung des Dritteilsrechts bei bekindeter Ehe wird man hingegen ausgehen können, wie dies auch dem Privileg an die Stadt Lemberg zu entnehmen ist. 354 Rondi, Eisenacher Rechtsbuch, I, 27. 355 Nr. 927, Sentencia de Landishutte (28. I. 1468).

IV. Das Dritteilsrecht

143

Frau ist - der rechtliche Grund wird nicht genannt - ein Grundstück nach dem verstorbenen Mann geblieben. Die Witwe hat daraufhin erneut geheiratet. Die Liegenschaft hat sie verkauft und von dem Geld eyn andir bessir standerbe erworben, welches sie ihrem zweiten Mann aufgelassen hat. Die Frau ist nun kinderlos verstorben. Der Mann ist nach Ansicht der Schöffen berechtigt, das Grundstück zu behalten. Die Verwandten der verstorbenen Frau haben kein Recht daran, weil sie dem Verkauf des ursprünglichen Grundstücks zugestimmt haben. Gestritten wird aber nicht nur um Liegenschaften; auch die Erbfolge der Fahrnis ist streitig. Hierzu sagen die Schöffen: Zundir was das ir cleydir und gortil und andir ir gerethe, so das nicht gerade ist, zundir farinde guth, so man czu euch dritteyl nymt, so zollin ir frunde noch ewer stat recht und willkor dy selbin guttir mit irem gelosin manne teylin.

Nach Recht und Willkür der Stadt wird das Dritteilsrecht praktiziert. Daher sind die genannten Güter, nämlich Kleider, Gürtel und andere Geräte, nicht als Gerade anzusehen, sondern als Fahrnis. Diese Fahrnis wird zwischen dem Witwer und den Verwandten der verstorbenen Frau geteilt. Es tritt eine bereits erwähnte Ausprägung des Dritteilsrechts zu Tage: Der Mann wird beim Tode seiner Frau nach Auffassung der Schöffen nicht Alleinerbe; vielmehr wird auch in diesem Fall eine Aufteilung des Vermögens vorgenommen. Es ist allerdings leider nicht erkennbar, ob es sich um Fahrnis handelt, die aus der ersten oder der zweiten Ehe stammt. 356 Geteilt wird hier nur die Fahrnis. Der Grund ist darin zu sehen, dass die Frau ihrem zweiten Mann das Grundstück aufgelassen hat. Ob dies eine Übertragung auf Lebzeiten oder nur zur lebenslangen Nutzung ist, lässt sich nicht sagen. Die Übertragung wird wie folgt motiviert gewesen sein: Das Grundstück stammt aus erster Ehe. Es unterliegt daher nicht der Dreiteilung und fiele somit an die Verwandten der Frau. Um dies zu verhindern und ihren Mann güterrechtlich abzusichern, hat die Frau ihm das Grundstück aufgelassen. Es war demnach möglich, die - vielleicht manchmal negativen - rechtlichen Folgen des Dritteilsrechts durch individuelle vertragliche Vereinbarungen zu umgehen. 3. Zusammenfassung Es gibt im Einzugsgebiet des Krakauer Oberhofs eine Region, in der eine Form des Dritteilsrechts praktiziert wird. Diese Rechtsgewohnheit wird von den Schöffen anerkannt, indem sie sich zu den Anfragen äußern und Auskunft erteilen. 357 356 Ob eine Parallele zum Eisenacher Rechtsbuch gezogen werden kann, wo auch die Fahrnis aus erster Ehe nicht geteilt wird, ist schwierig; schließlich fällt ja in unserem Dritteilsrecht das Vermögen der Ehegatten bei Eheschließung zusammen, während es der Ehemann im Eisenacher Rechtsbuch nur in Vormundschaft nimmt und die Witwe auch nur ein Drittel am Vermögen des Mannes erhält, was gegen ein Zusammenfallen der beiden Vermögen spricht.

144

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Besonderes Merkmal dieses Dritteilsrechts ist das Zusammenfallen der Vermögen beider Ehegatten bei Eheschließung. Stirbt ein Ehegatte, wird das gemeinsame Vermögen nach Quoten aufgeteilt. Bei Vorversterben des Mannes erhält die Frau ein Drittel des Vermögens, stirbt hingegen die Frau zuerst, fallen zwei Drittel des Vermögens an den Witwer. Der übrige Teil des Vermögens steht den nächsten Verwandten zu. Der dritte Teil des gemeinsamen Vermögens dient der Witwe zum Lebensunterhalt. Er ist aber zugleich die einzige Absicherung: Weder Gerade noch dotalicium kann es im Dritteilsrecht geben. Da das Vermögen beider Eheleute eine einheitliche Masse bildet und die Witwe davon ein Drittel erhält, ist davon auszugehen, dass sie im Gegensatz zu den Regelungen des Meißener Rechtsbuchs, wo ihr nur ein Drittel vom Vermögen des verstorbenen Mannes zusteht, ihr eingebrachtes Gut nicht zurückerhält. Bei einer Wiederheirat der Frau gilt zumindest für die unbekindete Ehe: Die von der Frau ererbten Güter, Fahrnis und Grundstücke, unterliegen dem Dritteilsrecht. Die Liegenschaften aus erster Ehe werden hingegen nicht geteilt; über die Fahrnis sind keine genauen Angaben möglich. Verblüffend ist indessen, dass auch Urteile und Rechtsweisungen an Orte der Terra Russia gehen, die nicht das Dritteilsrecht zum Inhalt haben. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang ein Spruch nach Przemysl358, wo ebenfalls das Dritteilsrecht in Übung war, in dem die Gerade den Streitgegenstand bildet. Oder ein Spruch nach Landshut359 , in dem es darum geht, dass sich eine Frau Geld am Erbe ihres Mannes ausbedungen hat. Dies deutet auf ein Nebeneinander von Dritteilsrecht und anderen ehegüterrechtlichen Gewohnheiten hin. Abschließend bleibt anzumerken, dass die Urteile und Rechtsweisungen zum Dritteilsrecht nicht sehr zahlreich sind und sich auf ein ganz bestimmtes Gebiet des polnischen Königreichs beschränken. In allen übrigen Regionen treffen wir dagegen auf die Gerade und das dotalicium. Die im sächsisch-magdeburgischen Recht hauptsächlich praktizierten Rechtsgewohnheiten dominieren die Spruch357 Wir kommen damit wieder zu der bereits bei der Gerade besprochenen Problematik, ob die Schöffen über ,fremdes Recht' urteilen. Wie wir gesehen haben, sprechen die Schöffen vom Dritteilsrecht als einer antiqua conswetudine, einer aiden gewonheyt oder stat und recht willkor. Bei der Gerade haben die Schöffen königliche Privilegien anerkannt und nach ihnen geurteilt. Hier haben wir es aber nicht nur mit Privilegien, sondern mit Gewohnheiten und Willküren zu tun, die ebenfalls akzeptiert werden. In diesem Zusammenhang fällt ein une inheitlicher Sprachgebrauch der Schöffen auf: Obwohl zwei der Sprüche nach Landshut gehen, sprechen sie einmal von Gewohnheit und einmal von Willkür. Siehe hierzu C. IV. 2. c). Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch einige Magdeburger Schöffensprüche bei Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Dresdner Handschrift, 11, XXVI, CLXX, wo die Schöffen in zwei Fällen nicht über das Dritteilsrecht entscheiden wollen, weil es sich um fremde Willküren handelt. In einem Fall entscheiden sie aber auch über die Willkür und gestehen der Frau den dritten Teil zu. Wasserschieben möchte die Sammlung nicht vor Ende des 14. Jahrhunderts datieren. 358 Nr. 1415, (2. 10. 1476). 359 Nr. 804, (27. 10. 1466).

V. Eheliche Vergabungen

145

praxis der Krakauer Schöffen. Man kann daher für den Untersuchungszeitraum nicht allgemein von einer Hinwendung zur Halbteilung oder zum Dritteilsrecht sprechen, wie dies teilweise von der Literatur behauptet wird?60

V. Eheliche Vergabungen: Die Zunahme individueller Gestaltungsmöglichkeiten 1. Einführung und Schwerpunkte der Literatur

Bisher war mit Gerade, dotalicium und Dritteilsrecht von Rechtsinstituten die Rede, deren Ausgestaltung relativ präzise Konturen erkennen lässt. Bevor wir schließlich auf das Testament als Mittel der vermögensrechtlichen Absicherung der Ehefrau eingehen, werden im Folgenden die Zuwendungen unter Ehegatten behandelt, die diesen Rechtsinstituten nicht zugeordnet werden können. Es sind ehegüterrechtliche Vereinbarungen vielfältigen Inhalts, die weithin eine typisierende Bestimmung als Vergabung unter Lebenden oder auf den Todesfall oder als Erbvertrag nicht zulassen. Darum fassen wir sie unter der allgemeinen Bezeichnung als Eheliche Vergabungen 361 zusammen. Die Sprüche, die wir behandeln, geben einen Eindruck von dieser Vielfalt, und lassen zugleich aber auch gewisse sachliche und rechtliche Gemeinsamkeiten erkennen: Insgesamt deuten sie auf einen Umbruch in der Art und Weise der Witwenversorgung, der offenbar einem allmählichen Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und wirtschaftlichen Ordnung entspricht. Nicht mehr die Familie, aus der man stammt, steht im Vordergrund, sondern die eigene, selbst gegründete Kernfamilie. Das Bestreben, Familiengut im Besitz des Familienverbandes zu halten, nimmt ersichtlich ab. War die Lebenswelt des Sachsenspiegels noch bäuerlich geprägt, in welcher der Erhalt des Familienguts unbedingten Vorrang hatte, befin360 Vgl. etwa v. Martitz. Eheliches Güterrecht, S. 49 f.: "In fast allen dem Slaventhum abgewonnenen, für Deutschland eroberten Territorien, die von der Ostsee die Gebiete der Eibe, Oder, Weichsel bis zur Donau herab umfassen, ist es eine durchgehende Erscheinung, dass die nach dem Rechte Magdeburg's gegründeten Städte das eheliche Vermögensrecht dieser Stadt nicht recipirt haben, dass sie an die Stelle der demselben entsprechenden Gütereinheit der Ehegatten ein anderes System setzen, dessen Wesen in einer Quotentheilung des ehelichen Vermögens bei Auflösung der Ehe, demnach in Herstellung einer Gütergemeinschaft von Todeswegen bestand ... Aus Ungarn und Polen sind die Nachrichten zu gering um ein Urtheil fällen zu können." 361 Zu diesem Begriff siehe Schwab. Art. Gabe, HRG I, Sp. 1364 - 1366: "Der ma. Rechtsbegriff ,Gabe' wird in aktivischer (,Vergabung') wie in passivischer (das Gegebene) Bedeutung verwendet ... Mit ,Gabe' kann jeglicher Vorgang bezeichnet werden, durch den sich die Änderung der Rechtszuständigkeit an einem Gegenstand vollzieht ... Der Bedeutungsgehalt von Gabe ist auch insofern offen, als durch sie keine fest umrissene Rechtszuständigkeit des Empfängers begründet wird; nur aus der Zwecksetzung der Gabe kann entnommen werden, ob sie zu eigen geschieht, ob sie ferner eine vererbliche Rechtsposition des Empfängers begründen oder nach dessen Tod wieder an den Schenker zurückfallen soll."

10 Obladen

146

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

den wir uns mit den Krakauer Schöffensprüchen in einem Jahrhundert, in dem Handel und städtische Wirtschaft in voller Blüte stehen. Die Zunahme der Mobilität fördert den allgemeinen Güteraustausch, während das Bemühen, Grund und Boden dauerhaft im Familienbesitz zu halten, nachlässt. 362 Diese Veränderungen holen nunmehr auch das Recht ein und bewirken eine individuelle Ausgestaltung der Witwenversorgung. In der Literatur wurden die ehelichen Vergabungen ganz unterschiedlich gewürdigt. Ihre Darstellung in den Werken zum sächsisch-magdeburgischen Ehegüterrecht ist auffallend knapp. v. Martitz äußert sich in der Darstellung der Entwicklung der städtischen Wirtschaft und deren Auswirkung auf das Rechtsgefüge nur beiläufig zu den Vergabungen. 363 In einem eigenen Kapitel über das ,Gewillkürte eheliche Güterrecht' berichtet er dann aber später, fasziniert von dem fortschrittlichen Charakter des städtischen Rechts, dass der Mann "in schrankenloser Freiheit über sein Vermögen zu Gunsten der Frau disponiren,,364 dürfe. Dabei glaubt er, dass sich für diese Gaben althergebrachte Namen erhalten hätten: nämlich Morgengabe und Leibgedinge. Und neben diesen Zuwendungen hätte sich die ,gelobte Morgengabe' in Geld entwickelt. v. Martitz geht hier also Fragen nach, die in dieser Arbeit im Kapitel über das dotalicium erörtert wurden. Der eigenständige Charakter ehelicher Vergabungen, sei es unter Lebenden oder auf den Todesfall, wird von ihm nicht herausgearbeitet. Schröder widmet zwar den ehelichen Vergabungen unter dem Titel ,Vergabungen unter Ehegatten und vertragsmässige Gütergemeinschaft' einen eigenen Abschnitt, beschränkt seine Darstellung aber auf die Möglichkeit der Frau, die Gerade ihrem Mann zuzuwenden, und auf die Zulässigkeit von Schenkungen unter Ehegatten nach dem Sachsenspiege1. 365 Umfangreicher sind dagegen die Ausführungen Agricolas in seinem Kapitel ,Vergabungen unter Ehegatten'. Ganz im Mittelpunkt seiner Darstellung steht indessen einmal mehr die Frage nach den Eigentumsverhältnissen in der ehelichen Gemeinschaft. 366 Die Eheliche Vergabe hat also in diesen Kompendien nicht die gleiche Beachtung als eigenständiges Rechtsinstitut gefunden, wie Gerade, Morgengabe oder Leibgedinge. In der Spezialliteratur werden die Vergabungen mit den Erbverträgen in Zusammenhang gebracht. 367 Die Vergabung auf den Todesfall wiederum wird 362 Zu diesem Vorgang siehe insbesondere W. Ebel, Rechtsschöpferische Leistung; ders., Rechtsfragen des bürgerlichen Grundbesitzes; Dilcher; "HeU, verständig". 363 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 245 ff. 364 v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 341. 365 Schröder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 371. Er weist lediglich nach, dass Schenkungen der Frau an den Mann bereits nach dem Sachsenspiegel zulässig waren. Selbstverständlich seien auch Vergabungen des Mannes an seine Frau erlaubt gewesen. 366 Agricola, Gewere, S. 545 - 586. 367 Siehe etwa Beseler; Lehre von den Erbverträgen; Kugelmann, Begründung des particulären Erbvertrages.

V. Eheliche Vergabungen

147

verstärkt in den Lehrbüchern zum Deutschen Privatrecht behandelt, wobei insbesondere ihr deutschrechtlicher Charakter herausgestellt wird. Die getrennte Behandlung der Rechtsinstitute entspricht dem pandektistischen Systemdenken des 19. Jahrhunderts, das auch das Recht der Person, zu dem das Ehegüterrecht gehörte, und das Erbrecht gesondert behandelte. 368 Ein weiteres Mal wird hier das Denken in dogmatischen Kategorien unter Verwendung anachronistischer Begrifflichkeit offenkundig, was dazu führte, dass bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem mittelalterlichen Recht Lebenszusammenhänge künstlich auseinander gerissen wurden. Wie wir sehen, haben von den ehelichen Vergabungen vor allem die Vergabungen auf den Todesfall breites Interesse in der Literatur zum Deutschen Privatrecht gefunden. Auch darin kommt das spezifische Erkenntnisinteresse dieser Literatur zum Vorschein: nämlich das Bestreben, pangermanische Elemente herauszuarbeiten und vermeintliche Kontinuitäten sichtbar zu machen. Das führt dazu, dass die regionalen Besonderheiten und die unterschiedlichen Rechtskreise nicht hinreichend gewürdigt werden und der Zeitraum vom Früh- bis zum Spätrniuelalter in einem epochalen Rundumschlag diskutiert wird. Wie bei den zuvor besprochenen Rechtsinstituten macht sich darüber hinaus einmal mehr das Bestreben bemerkbar, rechtsdogmatische Konstruktionen aus den Quellen herauszulesen. Zu den Schwierigkeiten dieses Unternehmens bemerkt etwa Müller mit Erstaunen: 369 "Die Magdeburger Schöffen sind der Frage über die juristische Konstruktion dieses Rechtsgeschäftes selbst nicht näher getreten, sie haben sich lediglich auf die Feststellung beschränkt, welche Befugnisse den beiden Personen zukommen." Wie sollten die Schöffen dieser Frage auch näher getreten sein; sie werden sie sich gar nicht gestellt haben! Vergabungen auf den Todesfall veränderten das überkommene rechtliche Gefüge; durch sie wird erkennbar, wie das Bestreben nachlässt, Güter innerhalb der Familie zu belassen. Für das Aufkommen dieses Rechtsinstituts hatte die alte - bislang jedoch nicht ersetzte - germanistische Literatur folgende Erklärung bereit: 37o 368 Diese Trennung findet sich bis heute im Bürgerlichen Gesetzbuch, in dem ehegüterrechtliche Versorgungen und Ausgleiche teilweise im Familienrecht, Testamente und Erbverträge dagegen im Erbrecht geregelt sind. 369 Müller, Vergabung von Todes wegen, S. 208. 370 Mitteis / Lieberich, Deutsches Privatrecht, S. 172 ff. mit weiteren Nachweisen. Hier wird die bisherige alte Literatur knapp zusammengefasst. Ziekow. Recht und Rechtsgang, S. 64 ff., der lediglich Altes unkritisch kompiliert und sich maßgeblich - teilweise ohne dies kenntlich zu machen - an Müller; Vergabung von Todes wegen, orientiert, schreibt in neuerer Zeit hierzu, S. 64: "Bezugnehmend auf eine Bemerkung des Tacitus besteht nahezu vollkommene Einigkeit darüber, daß insbesondere wegen der Sippengebundenheit der Güter in germanischer Zeit Verfügungen von Todes wegen als unzulässig angesehen wurden. Schon bald allerdings wurde es dem Erbenlosen gestattet, sich einen Nachfolger durch Annahme einer Person an die Stelle eines Familienmitgliedes zu schaffen oder über einen Mittelsmann dem Erwählten Gaben zukommen zu lassen. Der zunächst familienrechtliche Charakter der letztbeschriebenen Affatomie wandelte sich vornehmlich unter dem Einfluß der Kirche. Sie erhielt nun zur Sicherung des Seelenheils des Verstorbenen nicht nur dessen Grabbeigaben, sondern

10*

148

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Wie Tacitus berichtet, sei den Gennanen eine gewillkürte Erbfolge ursprünglich fremd gewesen. Die Verfügung von Todes wegen sei mit dem Wunsch aufgekommen, bei Kinderlosigkeit eine Ausnahme von dem Grundsatz nullum testamentum zu gestatten: Damit das Totenopfer erbracht werden könne, das grundsätzlich den Kindern oblag, sollte ein Erbe bestimmt werden können (adaptio in hereditatem). Daraus hätten sich dann die donatio post obitum (Schenkung auf den Todesfall) und die donatio reservato usufructu (Schenkung unter Vorbehalt des Nießbrauchs) entwickelt?71 Seltener wird die Meinung vertreten, dass donatio post obitum und donatio reservato usufructu aus dem spätrömischen Recht in das mittelalterliche Rechtsgefüge übernommen worden sind. Für diese Rezeption seien vor allem religiöse Gründe maßgebend gewesen. 372 Die Frage nach dem Ursprung der Vergabung auf den Todesfall kann indessen hier nicht verfolgt werden. Unser Thema ist vielmehr ihre Ausgestaltung in der förderte aufgrund ihres umfangreichen Finanzbedarfs auch die Entwicklung des Freiteils." Sellert, Art. Erbvertrag, HRG I, Sp. 982 sieht hierin eine dem Erbvertrag ähnliche Rechtsfigur. Ogris, Art. Testament, HRG V, Sp. 154 sagt, "über diese Geschäfte" - er bezieht sich auf den adoptionsähnlichen Vorgang, sich einen Erben zu schaffen - "sei vieles im unklaren." Weitere Literatur Schänfeld, Vollstreckung der Verfügungen; Beseler, Lehre von den Erbverträgen I, S. 96 ff.; Hübner, Deutsches Privatrecht, S. 780 ff.; ders., donationes post obiturn; Kugelmann, Begründung des particulären Erbvertrages, S. 3-52; Heusler, Institutionen 11, S. 117 ff., 197 ff., behandelt die Vergabung bei seinen Ausführungen zum Sachenrecht getrennt danach, ob es sich um Fahrnis oder um Liegenschaften handelt, weil es um Fragen des Eigentumsübergangs gehe. Dies ist damit zu erklären, dass einige Autoren bereits in den Vergabungen Elemente des Erbvertrags erblicken, andere hingegen den vorherrschenden sachenrechtlichen Charakter betonen. Piper, Testamente und Vergabungen, S. 94 ff., betont ebenfalls, es handle sich bei Vergabungen auf den Todesfall um eine Thematik des Sachenrechts. Gestritten wurde vor allen Dingen über den mit der Vergabung eintretenden Rechtszustand: So wurde überlegt, ob der durch die Vergabung von Liegenschaften Bedachte befristetes Eigentum erhielt oder ob zwischen Bedachtem und Vergabendem Gesamteigentum entstand. Weiterhin wurde beispielsweise gefragt, ob die Vergabung von Fahrnis ein obligatorisches Verhältnis zwischen Vergabendem und Empfänger schuf, ob der Empfanger ein dingliches Recht an der Sache oder ob der Empfänger die Stellung eines Erben erhielt. Zusammengefasst und bewertet wird dieser Streit von Müller, Vergabung von Todes wegen, S. 208 ff. Anzumerken ist hierzu, dass sich Müller bei seiner Argumentation zum Teil auch auf Quellenstellen stützt, die von der Morgengabe berichten. 371 Hierzu ist Folgendes anzumerken: Bereits das römische Recht kannte Möglichkeiten, einen ,gesetzlichen' Erben zu schaffen (adrogatio). Vgl. Kaser, Das römische Privatrecht, S. 105 ff., 347 ff. 372 Hagemann, Basler Rechtsleben 11, S. 199 ff.; Beck, Römisch-vulgarrechtliche Elemente, S. 217, sieht als Ursache für das Wiederaufleben einen religiösen Aspekt: "Den Germanen war die Schenkung als unentgeltliches, einseitiges Rechtsgeschäft fremd gewesen. Die religiöse Ergriffenheit und die Verpflichtung des Christen, für sein und seiner Angehörigen Seelenheil zu sorgen, bewirken in der Vulgarrechtsperiode ihre Rezeption als donatio pro anima, die dann zu einem eigentlichen Kennzeichen des Mittelalters wurde." Gegen die Unterscheidung von donatio post obitum und donationes reservato usufructu wendet sich Voser, Liegenschaftsübereignungen, S. 59 ff., der davon ausgeht, die donatio post obitum sei in Wirklichkeit den donationes reservato usufructu gleich, und es handle sich lediglich um eine Abkürzung in den Quellen.

V. Eheliche Vergabungen

149

Spruchpraxis des Krakauer Gerichts - zumal uns die übrigen Quellen des 15. Jahrhunderts über den Ursprung der Vergabung auf den Todesfall keine weitere Auskunft geben. 373 Neben der Diskussion über das Aufkommen der Vergabungen auf den Todesfall wurde in der Germanistik des 19. Jahrhunderts erörtert, ob der Erbvertrag in den Vergabungen seinen Ursprung habe. Der Erbvertrag entwickelte sich nachgerade zu einem Lieblingskind der Germanistik, weil man glaubte, mit ihm eine deutschrechtliche Alternative zum römischrechtlichen Testament vorweisen zu können. Zur seIben Zeit wurde der Erbvertrag mit dem dogmatischen Profil entwickelt, wie er schließlich in das Bürgerliche Gesetzbuch Eingang gefunden hat. Kern der wissenschaftlichen Diskussion war, ob bereits in der Vergabung ein Erbvertrag zu sehen sei, oder ob das sachemechtliche Element in Form der Auflassung überwiege: Agricola sieht in der Vergabung auf den Todesfall charakteristische Elemente des Erbvertrags. Er argumentiert insbesondere mit dem Eigentum, welches durch den Tod bedingt übergehe. Damit gewinne der Begünstigte praktisch die Rolle eines Erben?74 Nach Hübner und Stobbe liegt ein Erbvertrag vor, wenn sich Ehegatten alle Güter unwiderruflich auflassen. 375 Andere sehen auch in der Auflassung sämtlicher Güter noch keinen Erbvertrag, sondern stellen den sachenrechtlichen Charakter in den Vordergrund. 376 373 Wünschenswert wäre eine Betrachtung und Erforschung dieses Rechtsinstituts als Teil einer europäischen Rechtsentwicklung, die eine Gesamtschau beider Elemente - des römischen und germanischen Rechts - berücksichtigt. Nur eine solche Herangehensweise kann dem Wesen dieses Rechtsinstituts gerecht werden, denn die strikte Trennung von germanischem und römischem Recht ist methodisch überholt. Die Zielrichtung der alten Literatur ist durch das Bemühen motiviert, dem römischen Recht einen deutschrechtlichen Entwurf gegenüberstellen zu können. Nach modernem methodischen Verständnis sollte indessen nicht mehr ausschließlich der dogmatische Ursprung der Vergabung auf den Todesfall im Vordergrund stehen - vielleicht sollte man die Frage des Totenkultes auch besser den Archäologen überlassen -, sondern es muss nach der Funktion gefragt werden, welche dieses Rechtsinstitut wie auch die anderen hier zu besprechenden Rechtsinstitute im rechtlichen Leben der mittelalterlichen Gesellschaft einnehmen, und warum sie in verstärktem Maße in den Quellen auftauchen. Diese Aufgabe ist auch wesentlicher Bestandteil der Methode der Rechtsvergleichung, siehe hierzu Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 31 - 47. 374 Agricola, Gewere, S. 560 ff., hier S. 563, Fn. 3: "Vielmehr erhalten alle jene Wirkungen ihren adäquaten Ausdruck, wenn man in dem Recht des Honorirten ein wahres Recht von Todeswegen, ein Erbrecht im allgemeinsten Sinne, oder, wenn man lieber will, ein Wartrecht sieht, das heisst ein Recht, welches den Honorirten in die nämliche Stellung bringt, in welcher der gesetzliche Erbe sich befindet. Denn als socher hat er, während der Geber Eigenthümer bleibt, mit dessen Tode ipso iure das Besitzrecht des Erblassers (der Todte erbt den Lebendigen), sofern er ihn überlebt, dergestalt jedoch, dass er wenigstens hinsichtlich der Immobilien schon bei Lebzeiten den ihm nachtheiligen Dispositionen wirksam widersprechen kann." 375 Hübner; Deutsches Privatrecht, S. 788; Stobbe, Deutsches Privatrecht V, S. 189 ff. 376 Vgl. Beseler; Lehre von den Erbverträgen I, S. 187 ff.: " ... es (das römische Recht) führte zu den testamentarischen Dispositionen, und rief zum Theil durch den Gegensatz, welchen die gelehrten Juristen zu finden meinten, die Lehre von den Erbverträgen hervor." Heusler; Institutionen 11, S. 640 ff.; Schröder; Deutsche Rechtsgeschichte, S. 774.

150

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Auch diese weitgehend zeitgebundene und dogmatisch orientierte Interpretation der Quellen sollte inzwischen überwunden sein; sie ist von modernen juristischen Kategorien gelenkt, die auf ein mittelalterliches Rechtsinstitut nicht übertragen werden können. 377

2. Zuwendungen der Frau an ihren Mann a) Die gerichtliche Vormundschaft

In einem Spruch vom 18. Januar 1465 befassen sich die Schöffen mit der Frage der Wirksamkeit einer Auflassung, die eine Frau ohne Vormund getätigt hat. Dem Spruch ist eine Entscheidung vom 2. November 1464 vorausgegangen: Quod si littera resignacionis, de qua nobis scribitis, cum libro non concordat, et eciam si mater ipsius Michaelis resignacionem quam marito suo fecit absque tu tore, extunc cum talis littera resignacionis cum libro non concordat nec eciam mater Michaelis per tutorem resignacionem marito suo fecit, talis resignacio nullius est vigoris, de forma iuris scripti. Et in eo sentencia vestra scabinalis cassa est et irrita, nec processum habere debet, de forma iuris. 378 Quod ex quo vobis prius in nostris prioribus scriptis pro informacione decrevimus, quod Anna hanc resignacionem, quam marito suo fecit, absque tutore facere non potuit, et cum ex scriptis vestris hodiemis intelleximus, quod resignacio talis per mulieremfacta est absque tutore, extunc nullius est vigoris, et causa circa nostrum prius decretum manere debet, de forma iuris scripti. 379

Zu eurer Unterrichtung haben wir in unserem ersten Schreiben entschieden, dass Anna die Auflassung an ihren Mann nicht ohne Vormund vornehmen konnte. Da wir eurem neuerlichen Schreiben entnehmen, dass die Frau bei dieser Auflassung tatsächlich ohne Vormund gehandelt hat, hat die Auflassung keinen Bestand; deshalb bleibt das erste Urteil aufrecht erhalten. Die Schöffen waren mit der Sache schon einmal befasst. Vorgebracht wird nicht die Unrichtigkeit des Urteils eines unteren Gerichts, sondern der Sachverhalt, der bereits einmal vor dem Krakauer überhof zur Entscheidung stand, wird präzisiert. Zu vermuten ist daher, dass wir es mit einer Läuterung des ersten Spruchs zu tun haben?80 Damals war den Schöffen vorgetragen worden, dass die Auflassungs377 In diesem Sinne äußert sich auch Hagemann, Basler Rechtsleben 11, S. 199, zu den Verfügungen von Todes wegen: "Die Grenzen zwischen diesen verschiedenen, zeitlich weitgehend nebeneinander her laufenden Verfügungsarten waren vielfach fliessend. Das Bemühen um juristische Unterscheidungen und Katalogisierung, die Aufstellung etwa einer scharfen Trennung zwischen sachenrechtlichen und erbrechtlichen Geschäften, birgt daher die Gefahr in sich, Gräben aufzureissen, wo keine waren, prinzipielle Unterschiede zu sehen, wo bloss graduelle vorlagen." 378 Nr. 638, Sentencia de Mstow. 379 Nr. 651, Sentencia de Mstow. 380 Vgl. Buchda, Rechtsmittel des sächsischen Prozeß; Friese in Friese/Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 810-814.

V. Eheliche Vergabungen

151

urkunde (tittera resignationis) nicht mit dem tiber, offenbar dem bei Gericht geführten Buch, übereinstimmt. Unter dem 2. November 1464 hatten sie für diesen Sachverhalt pro injormacione 381 aber auch für den Fall, dass die Ehefrau ohne ihren Vormund gehandelt hat, entschieden, dass die Auflassung unwirksam ist. 382 Der neuerlichen Eingabe entnehmen sie nun, dass die Ehefrau tatsächlich die Auflassung ohne Vormund vorgenommen hat. Darum erklären sie jetzt, dass die Rechtslage so bleibt, wie sie entschieden hatten. Über den Gegenstand der Auflassung erfahren wir nichts. Hätte die Ehefrau sich eines Vormundes bedient, wäre die Auflassung an ihren Mann zulässig gewesen. 383 Hier ist es angebracht, einen Blick auf das Vormundschaftsrecht der Krakauer Spruchpraxis zu werfen. 384 Dabei beschränken wir uns auf die Lage der verheirateten Frau. Nach dem Recht des Sachsenspiegels wird der Mann durch die Eheschließung Vormund seiner Frau: Swen en flUJn wif nimt, so nimt he in sine were al er gut to rechter vormuntscap ... 385 De flUJn is ok vormunde sines wives, to hant alse se eme getruwet iS. 386 381 Man könnte zunächst meinen, die Wendung pro injoTflUJcione deute auf eine Anfrage des unteren Gerichts wegen Unkenntnis über die Entscheidung des Falles hin. Hingegen spricht die Wendung sentencia vestra scabinalis cassa est für eine Urteilsschelte. Siehe hierzu A. 11. 2. c). 382 Worin die Diskordanz bestand, erfahren wir nicht; möglicherweise aber in der Erwähnung des Vormunds. Das könnte die vorsorgliche, pro injoTflUJcione getroffene Entscheidung für eben den Fall erklären, dass die Ehefrau die Auflassung tatsächlich ohne den Vormund vorgenommen hat. 383 In einem Schöffenspruch bei F. Ebel, Magdeburger Recht li/I, Nr. 390, datiert 1439, macht eine Partei für Breslau eine Gewohnheit geltend, wonach Frauen Fahrnis ohne Vormund vergeben durften. 384 Zur Vormundschaft siehe insbesondere die Studie von Signori, Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft; zum sächsischen Rechtskreis siehe Rummel, Stellung der Frau, S. 42-125, beide mit umfangreichen, weiterführenden Literaturangaben. 385 Vgl. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 31 § 2: ... dar umme ne flUJch nen wif erme flUJnne nene gave an erme egene, noch an erer varender have, dat se it eren rechten erven mede veme na erme dode; went de flUJn ne kan an sines wives gude nene andere were winnen, wen als he to deme ersten mit er untvenk in vormuntscap. Aus der Vormundschaft hat Eike zugleich geschlossen, dass die Frau ihrem Mann kein Eigen und keine Fahrnis geben könne, weil der Mann keine weitergehenden Rechte erhalten könne als die durch die Vormundschaft erlangten. Die Auslegung dieser Stelle ist bislang unklar. Es könnte gemeint sein, dass die Frau Vergabungen von Eigen und Fahrnis vornehmen kann, wenn sie die Erlaubnis der Erben hat. Dann macht aber der zweite Teil des Satzes keinen Sinn. Oder aber es soll bedeuten, der Mann könne nicht mehr erlangen als die Gewere, die er bei der Eheschließung erhält. Eine Gabe der Frau an den Mann ist nicht möglich, weil den nächsten Verwandten nichts entzogen werden soll. v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 233 ff., argumentiert hier wieder begriffsjuristisch: Da die Gewere an den Gütern der Frau während der Ehe bei ihrem Mann liege, könne sie schon aus sachenrechtlicher Sicht nicht verfügen. Nach dem Tode der Frau würden die Rechtsgeschäfte wirksam. Schräder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 371 sagt zu dieser Stelle: " ... dass dieser Satz nicht in allen Punkten wörtlich genommen werden darf: von dem Mobiliarvermögen der Frau kam

152

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Durch die Vonnundschaft ihres Mannes wird die Frau in ihrer rechtlichen Handlungsmöglichkeit eingeschränkt. Die Vonnundschaft des Mannes über die Frau ist wie für die Magdeburger, so auch für die Krakauer Schöffen verbindliches Recht. Dies belegt ein Spruch, der die zum Teil wörtliche Übernahme von Sachsenspiegelrecht und damit zugleich auch die Buchgelehrtheit der Krakauer Schöffen veranschaulicht: 387 Quod non est necessarium uxori coram bannito iudicio committere marito tutoriam, quia maritus, cum ducit uxorem, immediate est tutor uxoris sue et bonorum ipsius ...

Es ist nicht notwendig, dem Mann die Vonnundschaft über seine Ehefrau vor Gericht zu übertragen, denn mit der Heirat wird er sogleich ihr Vonnund und der ihrer Güter. Wie wir bei Gerade und dotalicium gesehen haben, steht es der Frau zu, eigenständig einen Eid zu leisten?88 Will sie allerdings Klage erheben, muss sie sich eines Vonnunds bedienen: 389 Sinterczeit das wir vor geteilit hab in, das dy swestir clagin zal und der brudir ir entwortin, zundir wns nicht geschrebin wart, ap sy eynen elichin man adir vormunde hethe, und zo de keyn weip an iren elichen formunde nisnicht thuen mag, zo kann dy swestir an keigenwartikeyt ihres elichen mannes adir formunde nicht geclagin, und das kann ir nicht heifin, dassy spricht, das dy gutter ir weren und nicht ihres mannes. Von rechtes wegin.

Da den Schöffen der Personenstand der Frau unbekannt war, haben sie zunächst angenommen, ihr Bruder sei als nächster männlicher Schwertmage ihr Vonnund. Nunmehr ist ihnen aber bekannt geworden, dass sie verheiratet ist. Daher ist ihre Klage durch ihren Ehemann vorzubringen. Das Argument, es handle sich um ihr eigenes Gut, zeugt zwar von dem Selbstverständnis und dem Wunsch der Frau, nur die Gerade in den vormundschaftlichen Besitz des Mannes; sein Besitztitel an ihrer übrigen Fahrnis war nicht vormundschaftliches Nutzungsrecht, sondern Eigenthurn." Siehe bei Agricola, Gewere, S. 546 ff. 386 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. III, 45 § 3. 387 Nr. 562, Sentencia de Scarbimiria (7. 12. 1463). Siehe auch Nr. 1143, Sentencia de Schidlowia (29. 12. 1470): ... Mathias Panek, qui est caput uxoris sue ... , wohl in Anlehnung an Paulus, Eph. 5, 22.24. Siehe hierzu auch F. Ebel, Magdeburger Recht, lIll, Nr. 528, datiert um 1452: Hiruf spreche wir scheppin czu Magdeburg eyn recht: Eyn man ist seynis weibis vormunder und hot macht, von irentwegen czu clagen und czu antworten, und dorczu bedarf eyn sundirlichin nicht mechtig machin vor gerichte. Dorumme mag Caspar Vngerothin Niclas Hoffeman seynir vorsperrunge und clage nicht vorstoren, domit seyn weip dobey nicht keginwortig gewest were. Von rechtis wegen. 388 Vgl. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 47 § 1: Swar it den vrowen to eden kumt, den scolen se selven dun, unde nicht er vormunde. 389 Nr. 1026, Sentencia de districtu Landishuttensi (30. 1. 1469). Dieser Spruch ist wiederum als Läuterung zu klassifizieren. Vgl. auch Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 46: Maget unde wif moten vormunde hebben an iewelker klage, dorch dat men se nicht vertugen ne mach, des se vor gerichte spreket oder dut.

V. Eheliche Vergabungen

153

über ihr Gut selbstständig verfügen zu können; doch mit diesem rechtlichen Argument wird sie nicht gehört. Gerichtliche Handlungen, die eine Ehefrau durch eine andere Person als ihren Ehemann vornehmen lässt, sind unwirksam. 39o Stirbt der Ehemann, kann der Witwe gerichtlich ein neuer Vormund zugewiesen werden: 391 Quod ex quo domina Margaretha petivit tutoriam mariti sui post mortem et domini in presencia parcium admiserunt domine tutoriam parte consenciente et non contradicente ...

Hervorzuheben ist, dass sich die Frau selbst an das Gericht wendet, daniit sie eine rechtsgültige Handlung vornehmen kann. Dem Gericht kommt die Aufgabe zu, einen Vormund zu bestellen, wobei der Frau zumindest das Recht zusteht, dieser Wahl zu widersprechen. 392 Von der Bestellung eines Vormundes für die Witwe durch das Gericht wird bereits im Sachenspiegel berichtet. 393 Die Tragweite dieser Bestimmung ist allerdings umstritten: Möglicherweise benötigte die Witwe nur vor Gericht einen Vormund, während sie im übrigen nicht unter Vormundschaft stand. Was der Sachsenspiegel berichtet, kann indessen auch als Ausnahmevorschrift verstanden werden. Dann wäre die Bestimmung so auszulegen, dass die Witwe stets unter Vormundschaft stand und nur dann ein Vormund durch das Gericht bestellt wurde, wenn der eigentliche Vormund nicht präsent war oder sich die Klage gegen den Vormund selbst richtete. In einer neueren Untersuchung vertritt Rummel die Ansicht, dass die Witwe unter ständiger Vormundschaft gestanden habe und die gerichtliche Bestellung, von der der Sachsenspiegel berichtet, somit eine Sonderregelung sei. 394 Die Vormundschaft sei auf den nächsten Verwandten ihres verstorbenen Mannes übergegangen und nur, wenn ihr Mann niedrigeren Standes als sie selbst gewesen sei, sei die Vormundschaft an ihre eigene Familie gefallen. Wie sich der Krakauer Spruch in das Vormundschaftsrecht einfügt, ob wir es etwa mit einer besonderen Klagesituation der anfragenden Witwe zu tun haben, lässt sich dem Text nicht entnehmen. 390 Vgl. Nr. 1349, Sentencia de Sandomiria (20.6. 1475): Quod licet mater cumfilio suo et vero herede bonorum predictorum vendidit domum prefatam, quam tenere deberet ad tempora vite sue, et eandem iam per alium tutorem preter maritum suum legittimum resignavit, prout hoc ipsum scripta vestra in se tenent et ostendunt, hoc facere non potuit, dum maritus eius legittimus hoc admittere non wlt nec in hoc consentit, et ex eo huiusmodi contractus fori et vendicio prefate domus in absencia maritifactus non potest habere vigorem neque progressum, de forma iuris. Et in eo sentencia vestra scabinalis est cassa, et sentencia ipsius appellantis habet suum progressum, de forma iuris. Siehe hierzu auch Nr. 637, Sentencia de Dobszycz (25. 10. 1464). 391 Nr. 832, Sentencia de Proschowicze (22. 4. 1467). 392 Offen bleibt, was unter domini . .. admiserunt zu verstehen ist. 393 Eckhardt, Sachenspiegel, Ldr. 1,47 § 2. 394 Siehe zu diesem Meinungsstreit Rummel, Stellung der Frau, S. 54-56, die sich mit den Stellen aus dem Sachsenspiegel auseinander setzt.

154

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Die Vormundschaft des Mannes über seine Ehefrau ist keineswegs nur Ausdruck seiner dominierenden Rolle in Ehe und Haus. Sie dient prinzipiell auch dem Schutz der Frau. Der Schutzzweck der ehelichen Vormundschaft wird darin besonders anschaulich, dass der Ehemann in Fällen von ,Interessenkollision ' von der Vertretung seiner Frau ausgeschlossen war. Für die ehelichen Vergabungen hatte diese der Vormundschaft eigentümliche Beschränkung besondere Bedeutung. Wollte die Ehefrau ein Geschäft tätigen, das den Ehemann begünstigte und vor Gericht vorgenommen werden musste, so konnte er nach der Krakauer Spruchpraxis nicht als ihr Vormund auftreten. 395 Der Sachsenspiegel sieht außerdem eine Vertretung der Ehefrau durch das Gericht vor, wenn der Ehemann seiner Frau Gut übertragen wollte. 396 Vermutlich wurde auch diese Regelung von den Krakauer Schöffen rezipiert. Die eine wie die andere schützt ersichtlich die Ehefrau vor Benachteiligung durch ihren Mann?97 Zur Vormundschaft sei abschließend bemerkt: Bei der gegebenen Quellenlage ist das Rechtsinstitut nur schwer zu fassen. Die Literatur zur Vormundschaft ist überwiegend unbefriedigend, da sie oftmals ideologisch geprägt ist: sei es, dass sie einem veralteten Verständnis von der dominierende Rolle des Mannes in der Ehe verhaftet ist, sei es, dass sie allzu feministisch gefärbt ist. Hier konnte nur auf wenige Aspekte der Vormundschaft eingegangen werden. Dabei wurde immerhin deutlich, dass eine einseitige Betrachtungsweise der Vormundschaft verfehlt ist. Die Quellen erlauben nicht, nähere Aussagen über die gerichtliche Vormundschaft des Mannes zu treffen. Da die meisten Sprüche lediglich die Frau als Prozesspartei erwähnen, ohne dass explizit auf einen Vormund Bezug genommen wird, kann nicht gesagt werden, ob tatsächlich das Erfordernis des Gerichtsvormunds in jedem Prozess beachtet wurde. Bei verheirateten Frauen ist zu vermuten, dass ihr Ehemann stets für sie gehandelt hat. Wie allerdings das Vormundschaftsrecht bei ledigen und verwitweten Frauen in der Rechtspraxis ausgestaltet war, kann den Krakauer Sprüchen nicht entnommen werden. b) Die adelige Frau Hedwig und ihr rechtlicher Handlungsspielraum

Streitgegenstand des nächsten Schöffenspruchs sind Schulzeien und Vogteien, die eine Adelige ihrem Mann aufgelassen hat: 398 Siehe hierzu beispielsweise Nm. 276, 1060, 1589. Vgl. Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 44: Klaget ok maget oder wedewe to lantrechte over eren rechten vormunden, dat he er er gut neme, to der klage scal se dat gerichte vormunden, unde dar er ere man gift egen in ursale oder to er live. 397 Vielleicht spielt auch der Gedanke eine Rolle, dass eine Person nicht gleichzeitig für zwei Parteien vor Gericht auftreten kann. 398 Nr. 503, Sequitur alia sentencia. (zuvor Nr. 502, Sentencia de Schendomiria, 5. 1. 1463). 395

396

V. Eheliche Vergabungen

155

Quod ex quo nobilis domina Hedvigis, consors domini Eustachii de Sprawa castellani Radomiensis, has advocacias sive scultecias in Occalino et Goyczow eidem domino Eustachio suo marito non perpetualiter sed temporaliter; scilicet ad tempus vite sue resignavit et huiusmodi resignacioni secundum iuris Teutunici formam infra annum et diem iudicialiter non est contradictum per quempiam, nisi quod domina Anna consors domini Warsy contradicere habuit, sed tamen iuridice quia per ministerialem non fecit nec eciam ad talem suam contradiccionem partem suam adversam non citavit, donec annus et dies preteriit, prout hoc ipsum vestris presentibus concepimus ex scriptis, extunc taUs et huiusmodi dictarum sculteciarum sive advocaciarum resignacio, taliter per prefatam dominam Hedvigis prenominato domino Eustachio suo marito facta, in suo robore permanere debet illesa, de forma iuris scripti.

Die adelige Frau Hedwig, Ehefrau des Herrn Eustachus von Sprawa, Burgvogts von Radom, hat die Vogteien und Schulzeien in Occalino und Goyczow ihrem Mann übertragen - aber nicht endgültig, sondern auf Zeit, nämlich ad tempus vite sue. Zwar hat Anna, die Ehefrau des Herrn Warsy, widersprochen, aber der Widerspruch ist nicht wirksam geworden: Er hätte binnen Jahr und Tag von ihrem Ministerialen vor Gericht erklärt, und zu diesem Termin hätte Hedwig geladen werden müssen; nichts davon ist erfolgt. Daher soll die Auflassung Bestand haben. Frau Hedwig hat die Schulzeien und Vogteien ad tempus vite sue aufgelassen. Das Possessivpronomen suus wird ersichtlich reflexiv gebraucht, bezieht sich also auf Hedwig. Hedwig hat die Güter demnach nicht auf den Todesfall übertragen; vielmehr hat sie eine Änderung der rechtlichen Zuordnung zu ihrer Lebzeit und nur für ihre Lebenszeit herbeigeführt. Sie hat also keine erbrechtliche Regelung getroffen, sondern die Schulzeien und Vogteien mit sofortiger Wirkung ihrem Mann aufgelassen. Die Auflassung ist aber zeitlich begrenzt: Mit Hedwigs Tod endet die Berechtigung ihres Mannes und die Güter fallen in ihren Nachlass. Was wollte Frau Hedwig mit dieser Ehegabe bewirken? Stand nicht dem Ehemann durch seine Vormundschaft ohnedies die Verwaltung der Güter zu? Welche rechtliche Änderung bewirkte die Auflassung? Da die Auflassung durch Hedwigs Tod zeitlich begrenzt ist, wird durch sie auch nicht die gewöhnliche Erbfolge modifiziert. Vorstellbar ist, dass die Herrschaftsrechte im Vordergrund der Gabe stehen. Über den Inhalt der Vogtei- und Schulzeirechte kann hier nur spekuliert werden: 399 Schulzeien und Vogteien waren im kleinpolnischen Raum auch an Frauen vererbbar, und sogar die Ausübung der Gerichtsbarkeit konnte ihnen eingeräumt werden. 4OO In jedem Fall sind mit der Vogtei aber herrschaftliche Befugnisse und Siehe hierzu Willoweit, Art. Vogtei, HRG V, Sp. 932 - 946. Kaindl, Geschichte des deutschen Rechtes I, S. 172 mit Nachweisen. Siehe hierzu auch Nr. 820, Sentencia de Golyess (5. 2. 1467): Iuxta quod advocacie et scoltecie in regno iudicantur generaliter iure Thewtunico non tamen iure feodali, scriptisque vestris intelleximus, quod finaliter ad Annam scoltecia ista, de qua nobis scribitis, cecidisset, et si ipsa taliter absque prole decessit, extunc quicunque in linea consanguinitatis propinquior eedem Anne ostendere se potest, sive post gladium sive post fusum, iste propior erit ad eandem scolteciam obtinendam, de forma iuris. 399

400

156

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Einkünfte verbunden. Hedwig bezweckte offenbar, das Amt und die Herrschaftsrechte ihrem Mann zu übertragen. Vielleicht aber ging es ihr vor allem darum, ihrem Ehemann die Einkünfte aus den übertragenen Gütern zu verschaffen. Der Fall verdeutlicht, dass die Frage nach der rechtlichen Stellung der Frau nicht pauschal und einheitlich beantwortet werden kann. Frau Hedwig war von Hause aus begütert, was bei ihrer gesellschaftlich herausgehobenen Stellung nicht weiter erklärungsbedürftig ist. Ihre soziale Stellung ändert auch nichts daran, dass sie seit ihrer Eheschließung unter der Vormundschaft ihres Mannes stand. Die Vormundschaft berührte aber nicht ihre Zuständigkeit: nach wie vor waren die Schulzeien und Vogteien die ihren. Und wie der Schöffen spruch zeigt, war sie auch nicht in der Verfügung über ihre Güter beschränkt; sie konnte sie übertragen. Freilich überträgt sie in diesem Fall die Güter ihrem Mann. Darum bleibt offen, ob die Übertragung auf einen Dritten an die Zustimmung ihres Vormunds und Ehemanns gebunden war. Der Spruch zeigt zudem ein Weiteres: An dem ,Dogma' von der allumfassenden Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis des Ehemannes am Frauengut, das später noch zu besprechen sein wird, werden erste Zweifel laut: Hedwig muss die Vogteiund Schulzeirechte erst gerichtlich übertragen, damit ihr Mann sie für sich selbst nutzen kann. Da die Übertragung der Güter ein Grundstücksgeschäft war, hätten Hedwigs Erben ihre Zustimmung erteilen müssen, obwohl die Übertragung auf Hedwigs Lebenszeit begrenzt war. Und offensichtlich wendete sich auch eine Verwandte - die genannte Anna - gegen die Auflassung. Sie hat es indessen versäumt, ihren Widerspruch innerhalb von Jahr und Tag förmlich vorzubringen. Daher ist sie in diesem Rechtsstreit unterlegen. Die genannten Schulzeien und Vogteien sind Gegenstand einer weiteren Entscheidung, die elf Jahre später ergeht: 401 Quod ex quo privilegium resignacionis dicta rum scolteciarum in Okalina et Goyczow ultimate circafinem eiusdem in se ostendit, quomodo ipsa domina Hedwigis per procuratorem suum una cum eodem magnifico domino Eustachio de Sprowa castellano Radomiensi et marito eius legittimo, post omnes illas condiciones in eodem privilegio explicatas et descriptas, easdem scoltecias, existens sane mentis et compos racionis, coram iudicio banito iuris supremi in castro Sandomiriensi dicto monasterio Sulowiensi perpetualiter dedit et resignavit, nichil iuris, proprietatis et dominii pro se et suis consanguineis in eisdem reservando; cui resignacioni ipsa pars agens protunc sibi nichil iuridice fecit neque eidem infra annum et diem contradixit, sed ipsam subticuit usque ad XIII annos, prout hoc ipsum ex scriptis vestris et eciam responsione partis ree satis clare percepimus, extunc talis resignacio super easdem scoltecias taliter monasterio facta una cum privilegio iudiciali in suo vigore per omnia debet permanere, de forma iuris. Et in eo sentencia vestra scabinalis est cassa, de forma iuris. 401 Nr. 1312, Sentencia iuris supremi de castro Sandomiriensi ad ius scoltetorum (25.6. 1474).

V. Eheliche Vergabungen

157

Der Vertrag über die Auflassung beweist in seinem letzten Teil, dass die adelige Hedwig durch ihren procurator und zusammen mit ihrem Mann, Eustacius de Sprowa, dem Burgvogt von Radom, nach allen Bedingungen, die in dem Vertrag enthalten und beschrieben sind, jene Schulzeien bei gesundem Geiste und Verstand vor gehegtem Gericht, nämlich dem obersten Gericht auf der Burg in Sandomir, dem besagten Kloster für immer aufgelassen hat. Dabei hat sie nichil iuris, proprietatis et dominii für sich und ihre Erben vorbehalten. Die klagende Partei hat die Auflassung nicht gerichtlich angegriffen und nicht innerhalb von Jahr und Tag widersprochen, sondern 13 Jahre geschwiegen. Jene gerichtliche Auflassung der Schulzeien soll in allem Bestand haben. Nachdem Hedwig die Schulzeien und Vogteien zu ihren Lebzeiten ihrem Mann aufgelassen hat, nimmt sie nun vor dem Obergericht in Sandomir eine zweite Auflassung vor. Wann soll diese zweite Auflassung Wirkung entfalten? Denkbar ist der sofortige Übergang der Güter in den Besitz des Klosters. Dann hätte Hedwig aber an der ersten Auflassung zugunsten ihres Mannes nicht mehr festhalten wollen. Näher liegt die Deutung, Hedwig habe eine Regelung für ihren Todesfall treffen wollen. Häufig wurde die Kirche oder ein Kloster um des Seelenheils willen bedacht, wobei mit der Gabe zumeist Auflagen verbunden waren, wie etwa eine See1messe am Todestag des Vergabenden zu lesen. 402 Dabei sollte das Gut dem Vergabenden zu seinen Lebzeiten erhalten bleiben. Wenn man beide Sprüche im Zusammenhang sieht, komplettiert sich das Bild: Hedwig hat die Schulzeien und Vogteien für ihre Lebenszeit ihrem Mann aufgelassen. Mit ihrem Tode verlor diese Auflassung ihre Gültigkeit, so dass sie nicht gehindert war, außerdem auf ihren Todesfall über ihre Güter zu verfügen. Das tat sie mit der zweiten Auflassung zugunsten des Klosters. Beide Rechtsgeschäfte können gleichzeitig vorgenommen worden sein. 403 Dann wäre freilich verwunderlich, warum nicht beide Rechtsgeschäfte mit einer Klage angegriffen wurden, und zwischen beiden Sprüchen elf Jahre verstrichen sind. Wahrscheinlichkeit hätte diese Annahme wohl aber nur dann, wenn die Auflassungen von verschiedenen Klägern angegriffen würden. Was die Wirksamkeit der Auflassung betrifft, so werden die üblichen Anforderungen, die an ein Immobiliengeschäft gestellt wurden, verlangt: Das Geschäft musste vor Gericht getätigt werden und, wie dem Hinweis auf die Frist von Jahr und Tag zu entnehmen ist, mussten die Erben ihre Zustimmung erteilen. 404 Für die Vergabe auf den Todesfall galt demnach nichts anderes als für das lebzeitige Vgl. auch Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 564. Aufgrund der Jahreszahlen ist hierzu keine Aussage möglich. Das erste Urteil stammt aus dem Jahre 1463, wobei zumindest Jahr und Tag seit der Auflassung vergangen sein muss. Das zweite ergeht im Jahre 1474, und es wird ausgesagt, die Kläger hätten 13 Jahre geschwiegen. Ein zeitliches Zusammenfallen bei der Auflassungen ist daher möglich. 404 Die Frist von Jahr und Tag war für jeden gedacht, dessen Rechte an einem Grundstück durch die Auflassung betroffen waren. In der Regel waren dies jedoch die nächsten Verwandten. 402 403

158

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Rechtsgeschäft. 405 Über die Wirksamkeit einer solchen Vergabung wird nach rein fonnellrechtlichen Kriterien entschieden. Kommen wir nun zu Einzelheiten: Welche Funktion nimmt der procurator ein, der in diesem Prozess in Erscheinung tritt?406 Der Schreiber könnte procurator synonym für tutor verwendet haben, wie dies wiederholt in den Krakauer Schöffensprüchen auftaucht. Eindeutig kann die Frage nicht beantwortet werden: Für eine Übersetzung mit Vonnund spricht, dass der Ehemann wegen eines Interessenkonflikts nicht als Vonnund seiner Frau auftreten konnte und daher für dieses Rechtsgeschäft ein Gerichtsvonnund bestellt werden musste. Auf der anderen Seite lässt sich anführen, dass die Verfügung, die getroffen wird, erst Gültigkeit erlangt, wenn die Auflassung an den Ehemann ihre Wirksamkeit verliert, mithin ein Interessenkonflikt ausgeschlossen ist, da kein Geschäft zu seinen Gunsten abgeschlossen wird. Dann wäre mit procurator schlicht die professionelle Vertretung vor Gericht gemeint. Von besonderem Interesse ist auch die Wendung nichil iuris, proprietatis et dominii pro se et suis consanguineis in eisdem reservando. Auffallig ist einmal, dass von proprietas und dominium gesprochen wird und nicht wie üblich von bona oder hereditas. 407 Wollte man die Wendung mit Eigen oder Eigentum übersetzen, wäre dies eine Verkürzung, ist das Bedeutungsspektrum dieses Begriffspaars doch vielschichtiger. Hier wird proprietatis et dominii verwendet, um die vorausgegangene Umschreibung der Ausgestaltung der Gabe - nichil iuris - näher zu charakterisieren. Hedwig behält also keinerlei Recht an den Schulzeien und Vogteien. Im Vordergrund steht damit der Gedanke der Herrschaftsbefugnis über die Güter. 408 Die Schulzeien und Vogteien überträgt Hedwig auf ihren Tod an das Kloster, ohne also ihren erbberechtigten Verwandten Befugnisse zu erhalten. Mit ihrem Tode gehen die Güter vielmehr uneingeschränkt und dauerhaft aus dem Herrschaftsbereich ihrer Familie in den des Klosters über. 405 So auch Kugelmann, Begründung des particulären Erbvertrages, S. 22: "Wir werden daher überall die für Immobiliarveräusserungen geltenden Grundsätze auch auf unsere Vergabungen angewendet finden." Anderer Ansicht ist Loening, Testament, S. 93. 406 Siehe zu diesem Begriff Bader. Vorsprecher und Anwalt, S. 66 ff.; Oberländer. Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, S. 568; Holenstein, LexMa VII, Sp. 237 f., Art. Procurator; Sellert, HRG 111, Sp. 2032-2034, Art. Prokurator. Im kanonischen Prozessrecht ist der Prokurator Sachvertreter im eigentlichen Sinne. Vor dem Reichskammergericht gab es die Zweiteilung in Prokurator und Advokat, wobei es Aufgabe des Prokurators war, prozessuale Handlungen formgerecht vorzunehmen. 407 dominium findet sich in den Sprüchen Nr. 3, 48, 52, 64, 148, 604, 789, 1106, 1190, 1222, 1249, 1278, 1555. 408 Vgl. zu dem Begriffspaar Willoweit, Dominium und Proprietas, S. 138: "Dominium meint Herrschaft im Sinne von beherrschen, in der Gewalt haben, Herr sein über Personen und Sachen, über Länder und Völker, über Städte, Dörfer, Klöster, Rechtspositionen. Mit proprietas soll dagegen nicht eine Herrschaftsbeziehung, sondern die Zuordnung der genannten Objekte zu einem Rechtssubjekt beschrieben werden." Vgl. hierzu auch ders., Rezeption und Staatsbildung; S. 30 ff.; Ogris, Art. dominium, HRG I, Sp. 755 ff.

V. Eheliche Vergabungen

159

Abschließend betrachten wir die Wendung existens sane mentis et compos racionis. Die Krakauer Schöffen fordern hier also geistige Gesundheit des Vergabenden. Nach dem Recht des Sachsenspiegels durfte man bei der Vergabe von Fahrnis keine allzu großen körperlichen Gebrechen aufweisen. Als sichtbares Zeichen der Gesundheit musste man in der Lage sein, bewaffnet und ohne fremde Hilfe ein Pferd zu besteigen. 409 Die Gabe erfolgte durch schlichte Übergabe der Sache.410 Die Vergabe von liegendem Gut war hingegen generell durch die erforderliche Erlaubnis der Erben erschwert. Noch im Magdeburger Recht, das nur noch für die Vergabe von ererbtem Gut die Erlaubnis der Erben forderte, musste zum Schutz vor leichtfertigem Handeln bei der Vergabe von Fahrnis und hinzugewonnenem Gut vor Gericht ein gewisses Maß an körperlicher Kraft gezeigt werden: 4 I I Welch man als mechtik ist sinis leibis, das her an mannis hulfe vor gehegetim dinge gesten moge als lange, bis das her di gobe getut, der mag sine vamde habe und erbe (vorgebin), das her gekouft hat adir ym gegebin ist. Hat her abir stendege eygin vorgebin, das en angeerbit was, das mogen sine erbin wedirsprechin bynnenjare unde tage. Von rechtis wegene.

Die körperliche Stärke bei der Vergabe von Fahrnis und gewonnenem Gut korreliert mit der Erlaubnis der Erben bei der Vergabe von ererbtem Gut. Denn auch die Anforderung an die körperliche Gesundheit diente offenbar dem Schutz der Erben. Der Magdeburger Spruch lässt zugleich vermuten, dass man auch Vergabungen von Fahrnis auf den Todesfall vor Gericht vorzunehmen pflegte: 412 Die Sprüche 409 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 52 § 2: Alle varende have gift de man ane erven gelof in allen steden, und let unde liet gut, al de wile he sek (so) vermach, dat he, sek begort mit eneme swerde unde mit eneme scilde, op en ors komen mach, van eneme stene oder stocke, ener dumelnen ho, sunder mannes hulpe, deste men eme dat ors unde den stegerep halde; swen he disses nicht dun ne mach, so ne mach he geven noch laten noch lien, dat he it jeneme untveme, de is na sineme dode wardende iso Zum Ausdruck kommt hier deutlich der Schutz der eigentlichen Erben. Siehe hierzu auch Boehlau, Die Blume von Magdeburg, Particula 11. 2, C. 2: By gesundim leibe vnd mit wol bedochtin mute und mit frolychem antlictze mag ein yderman seine uarende habe uorgebin, wem er wil, dest er sy im gibit uor erwem leutin, mit den iz ienr beweisin mag, ob ers bedarf. Eine besondere Regelung findet sich für Bauern, Particula 11. 2, C. 22: Alle varende habe, dy ein gebowr hot, dy mag er gebin, wem er wil, dest er sy gybit, dye weil er seim pfluge geuolgin mag ein morgin lang; dez sol der geczeug habin an czwen seinr nagebour und dy gobe bestigin. 410 a.A. Wacke, Art. Testament, Deutsches Recht, LexMa VIII, Sp. 565, der für die hier angeführte Stelle eine donatio post obitum annimmt. Schräder, Eheliches Güterrecht 11 3, S. 372 entnimmt der Passage, die Vergabe von Fahrnis auf den Todesfall sei unzulässig, wenn die Erben nicht zustimmen und ausdrücklich auf ihr Recht verzichten. 411 F. Ebel, Magdeburger Recht 11/ I, Nr. 239, datiert um 1397; zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /I, 37. Ähnlich Boehlau, Die Blume von Magdeburg, Particula 11. 2, C. 21: Alle uarende habe gibit ein burgir wol vnd lyet und lest in allin stetin, dy weil er czu dinge und czu rynge vnd gehen muge one mans hulfe gegort mit einem swerte vnd daz geczuckin und auz czihin mag; daz muz der uolkomen, dem dy gobe gebin wirt nach dem rechte; wen er dez nicht tun mag, so hot mans da uor, daz ers seinen erben intpfromdin wil. 412 Dieser Ansicht ist V. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 247. Siehe hierzu Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /1, 17; zugleich Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XVII; weiterhin F. Ebel, Magdeburger Recht lI/I, Nr. 262, datiert um 1410 (zu dieser Datierung ist

160

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

im Umfeld dieser Textstelle aus dem Systematischen Schöffenrecht handeln alle von Vergabungen auf den Todesfall. c) Die Übertragung aller Güter als Abkehr vom überkommenen Erbrecht

Um die Vergabe sämtlicher Güter wird im nächsten Spruch gestritten: 413 Quod ex quo reus mediante Ubro vestro iudidaU docet, quod Margaretha uxor legitima Andree carpentarii per procuratorem suum Stanislaum Carch omnia bona sua mobilia et immobilia resignavit eidem Andree omnibus amids suis exclusis, et actor jiebat in eodem iure vivente adhuc matre et sorore et non contradixit, extunc idem Andreas eadem edam omnia bona mobiUa et immobilia sibi per uxorem resignata preter paraffemalia, si que ibi forent, pacifice debet obtinere ... 414

Der Beklagte kann mit Hilfe des Gerichtsbuchs nachweisen, dass Margaretha, die Frau des Zimmermanns Andreas, durch ihren procurator Stanislaus Carch alle ihre beweglichen und unbeweglichen Güter ihrem Mann aufgelassen hat, und zwar unter Ausschluss sämtlicher Verwandten. Der Kläger, der in eodem iure mit Mutter und Schwester zu deren Lebzeiten war, hat nicht widersprochen. Der Ehemann Andreas kann daher alle Güter, die ihm aufgelassen worden sind, behalten. Ausgenommen bleibt allerdings die Gerade. Wie haben wir uns die Prozesssituation vorzustellen? Da die Niftelgerade mit dem Tod der Frau anfällt, ist davon auszugehen, dass Margaretha verstorben ist. Dieser Befund ermöglicht es, den Rechtscharakter der Vergabe zu bestimmen: Da der Rechtsstreit nach Margarethas Tod stattfindet, muss sie alle ihre beweglichen kritisch zu bemerken, dass das Systematische Schöffenrecht vor 1410 entstanden sein soll); zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV / 11, 72; Behrend, Magdeburger Fragen, B. I. Kap. 12. 1. Anderer Ansicht ist Loening, Testament, S. 93 ff. Die von Loening angebrachten Beispiele beziehen sich aber alle auf die Weggabe von Fahrnis unter Lebenden. Möglicherweise ist eine eindeutige Antwort gar nicht möglich, sondern es kann in der Tat nur von einer Gewohnheit gesprochen werden. Vielleicht war auch ein Kriterium, ob das gesamte Hab und Gut vergeben wurde. Siehe etwa auch Boehlau, Die Blume von Magdeburg, Particula 11. 2, c. 24: Alle uarende habe, dy ein man einem bescheidit, iz sy uor gehegetir bang odir dor bousin, mit sotanem untirscheit, daz er im domit behelt czu tun und czu lazin, und ienr dy gabe irst nemen sol nach seinem tode, dem dy gabe gebin ist, muz seine gabe beczugin selb dritte. 413 Nr. 276, De Przyworsko sentencia (1. 12. 1459). Zu dem Problemkreis die Gerade betreffend siehe auch Nm. 176, 226. 414 Der Spruch endet mit ... et hoc quod actor allegat, quia ibi fuisset tamquam hospes de longinquis, sibi minime potest projicere in hac parte, de forma iuris scripti, quia paraffernaUa obtinent spedale ius suum. Die Bedeutung dieses Satzes konnte ich nicht eindeutig klären. Vielleicht macht der Kläger eine andere Rechtsgewohnheit geltend. Die Gerade richtet sich aber nach einem eigenen, unabdingbaren Recht. In Bezug auf diese ist auch die von der Frau getätigte Übertragung ungültig. Weder Andreas noch der Kläger können die Gerade für sich in Anspruch nehmen, weil sie an die nächste weibliche Verwandte fallt.

V. Eheliche Vergabungen

161

und unbeweglichen Güter ihrem Mann auf ihren Tod aufgelassen haben. Margaretha hat ihr gesamtes Vermögen auf ihren Mann übertragen. Es werden also nicht nur einzelne Teile des Erbes aufgelassen, sondern das gesamte Hab und Gut gelangt durch Vergabe auf den Todesfall an eine Person, die nach dem geübten Erbrecht nicht Erbe ist. Bewirkt wird damit eine Änderung der Erbfolge; die Vergabe dient mithin der Erweiterung des Erbrechts. Verdeutlicht wird dieser Eingriff in das herkömmliche Erbrecht durch die Wendung omnibus amicis suis exclusis. Sie stellt klar, dass die Erben von der Vergabe aller Güter und damit auch von der Erbschaft ausgeschlossen sind. Es fällt weiterhin auf, dass die Vergabung des gesamten Gutes den Anfall der Gerade nicht beeinflusst. Diese steht der nächsten weiblichen Verwandten zu, und eine Verfügung zugunsten einer anderen Person ist nur mit Zustimmung eben dieser Niftel zulässig. Der Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen können wir ergänzend entnehmen, dass bei einer Gabe des Mannes an die Frau die Gerade nicht angerechnet wird, die Gabe also nicht um den Wert der Gerade geschmälert wird. 415 Wie sind nun die beteiligten Personen den Prozessrollen zuzuordnen? Nahe liegend ist Folgendes: Beklagte Partei ist Andreas, der Ehemann der verstorbenen Margaretha. Zwar wird einmal von Andreas und im gleichen Satz von reus gesprochen; da Andreas aber Recht erhält und ihm die Güter zugesprochen werden, muss er die beklagte Prozesspartei sein. Der Hinweis auf die unterlassene Geltendmachung des Erbenlaubs lässt den Schluss zu, dass die klagende Partei zur Verwandtschaft der verstorbenen Frau gehörte. Es handelt sich offenbar um den erbberechtigten Sohn der Margaretha. Dieser hätte der Auflassung widersprechen können und müssen, da er ,im selben Recht' mit Mutter und Schwester, die inzwischen beide verstorben sind, lebte.

415 Siehe hierzu auch Friese/Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, III B, No. 80: H.sp.w.sch.cz.M.e.r.: Was gutes undir uwerm wibe vorstorbin ist, daz czu irer gerade gehorte, daz had sy alles vorerbet uff ire neheste nifteln. Unde ir muget or des von der gabe wegin, dy uch uwir wib gegebin had, unde daz ir dy gabe also lange, als ir schribt, an rechte widersprache besessen habt, nicht vorenthalden, wenne gerade unde waz darczu gehoret myt uwers wibis gabe unvorgebin ist. Es ist sogar unerheblich, dass bereits Jahr und Tag vergangen sind. Im umgekehrten Falle gilt dies auch. Die Gerade wird nicht auf die Gabe angerechnet, die der Mann seiner Frau gewährt hat. F. Ebel, Der Rechte Weg 1, A 43: Wo eyne fraue begobit wirt von irem manne yn der stat recht adir yn dem lande, do sal sie ire gabe haben noch ires mannes tode und sal ir dorumbe an irer gerade nichtis abegehin, was von rechte czu der ge· rade gehoret, das die frauen haben, wie das ist. v'r.w. Siehe hierzu auch ders., Magdeburger Recht 11 11, Nr. 19, datiert vor 1352: Swo eine vrowe wirt begobit von irem manne in der stat rechte ader in dem lande, do sal sie ire gobe noch ihres mannes tode habin unde sal dorumme ire rade nicht abe gan. Was czu rechte czu der rade gehorit, das sal di vrowe habin, wo das ist. Zugleich auch ders., Der Rechte Weg 1, A 43; Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV 111,2; Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XXXVIII.

11 Obl.den

162

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

3. Vergabungen des Mannes an seine Ehefrau Als Gabe des Mannes an seine Frau haben wir schon das dotalicium kennen gelernt. Nunmehr wenden wir uns den eigentlichen Vergabungen des Mannes an seine Frau zu. Sie waren verschieden ausgestaltet. Um die Formgültigkeit einer Schenkung wird in einem Spruch aus dem Jahre 1470 gestritten: 416 Quod ex quo Hedwigis nowerca predictorum orphanorum coram vobis banito in iudicio palam recognovit, quod nullam habet inscripcionem neque reformacionem banito in iudicio per maritum eius factam in et super eadem domo iuxta formam iuris, extunc eandem domum suis simplicibus verbis obtinere neque possidere potest, sed predicti orphani propinquiores sunt domum eandem patemalem pociori iure obtinere et possidere, de forma iuris.

Streitparteien sind die Witwe Hedwig auf der einen und die Kinder ihres verstorbenen Ehemannes, also ihre Stiefkinder, auf der anderen Seite. Sie streiten um ein Hausgrundstück. Hedwig hat vor gehegtem Ding öffentlich erklärt, ihr Ehemann habe ihr das Haus übertragen; er habe es ihr aber formlos - simplicibus verbis übertragen und so sei auch der gerichtliche Eintrag nicht erfolgt. Die Schöffen entscheiden, dass sie darum das Haus weder haben noch besitzen kann, vielmehr die Kinder ihres verstorbenen Ehemannes das väterliche Haus aus besserem Recht haben und besitzen. Für die Schenkung eines Hauses ist die gerichtliche Auflassung erforderlich, auch wenn es sich um die Vergabe unter Ehegatten handelt. Bemerkenswert ist indessen, dass der Ehemann sein Vermögen aufteilen und seiner Frau immerhin das Haus zukommen lassen wollte. 417 Damit hätte er die Erbfolge zugunsten seiner Frau geändert, denn nach den erbrechtlichen Gewohnheiten stand mit dem gesamten väterlichen Nachlass auch das Haus den Kindern zu. Ein weiteres Mal steht die Frist von Jahr und Tag im Mittelpunkt einer Entscheidung: 418 Quod si filia ista, de qua nobis scribitis, protunc fuit circa resignacionem, quam pater ipsius matri eius fecit, audiensque talem resignacionem subticuit immediateque non contradixit, tunc adhuc tacere et silere debet; sin autem non interfuit et infra annum et diem contradixit asserens talia bona sic per patrem matri resignata fore bona awalia ipsius filie, si ergo hoc docere poterit, quod eadem bona nuper resignata, sicut in se sunt resignata, sunt etfuerunt eedemfilie bona awalia, extunc talis resignacio per patrem matrifacta non habet potestatem, de forma iuris.

Wenn die Tochter bei der Auflassung, die der Vater zugunsten seiner Frau vorgenommen hat, zugegen war und geschwiegen und nicht sofort widersprochen hat, Nr. 1133, Sentencia de Nowa Civitate Corczin (2. 11. 1470). Siehe wiederum v. Daniels/v. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXII, § 2: ... wenn waz denfrouwen gegebin wirt yn wichbilde vor gerichte daz mus sein eyne lipzucht ader eyn eigen, mit erben gelobde, ader vamde habe in des mannes gereitem gelde. 418 Nr. 847, Sentencia de Slawkow (16. 6. 1467). 416

417

V. Eheliche Vergabungen

163

dann muss sie auch weiterhin schweigen: Mit ihrem Einspruch wird sie dann nicht mehr gehört. Anders, wenn sie bei der Auflassung vor Gericht nicht zugegen war, jedoch von ihrem Widerspruchsrecht binnen Jahr und Tag Gebrauch gemacht hat. Wenn sie zudem beweisen kann, dass das der Mutter übertragene Gut großmütterliches Erbgut war, dann hat die Auflassung keinen Bestand. Über die Auflassung selbst erfahren wir nichts, ebenso wenig über das der Mutter übertragene Gut. Ungewiss bleibt auch, ob die Auflassung sogleich oder erst mit dem Tode des Vaters wirksam werden sollte. Die Frist von Jahr und Tag war nur anwendbar, wenn man inlendisch419 war und somit auch Gelegenheit hatte, von dem Rechtsgeschäft, dem man widersprechen konnte, Kenntnis zu erlangen. Die Magdeburger Schöffen äußern sich hierzu in folgendem Spruch: 42o Vor uns ist komen in gehegtem dinge eyne frau und hat gegebin irem manne anirstorbin erbe und leginde grunde von iren kyndem. Do kegin ist komen eyne ire tochter mit irem manne und vormunden und widerspricht das und spricht, sie hoffe, ire muter konne noch moge nicht vorgebin das, das sie anirstorbin ist von ihren kyndem und von irem geswisterdeo Dokegin sprach der frauen man, deme die gobe gegebin ist, und hat doruber eynen scheppenbriej, und das jar und tag besessen hat ane rechtis ansproche, und die fraue und ir man mit ym gegangen sein zu wegin und czu steg in, zu kirchen und czu strassin, und das nye widersprochin hat an der stat, do man es mit rechte widersprechin sal. Dokegin sprach der frauen tochter mit irem manne und vormunden: " Von der gobe habe ich nicht gewust. Do ichs irfam habe, do habe ichs widersprochen vor gehegtem dinge, und das dirweysen [will, wie myrs der scheppe teylet, und hoffe, ich sey nehir dobey zu bleyben, wenne mir ichts dokegin geschaden moge, von rechtis wegin . .. Sentencia Ist die tochter mundisch und bynnen landes gewest und hat sie der goben, die ire muter yrem manne gegebin hat an deme stehinden eygen und leginden grunden, das ir von iren kyndem angestorbin was, bynnen jare und tage nicht widerrufen, so hat sie sich an irem erbglobin vorswegen und vorseumet, und der man bleybet bey seiner gobe, nochdeme als die außweyset. v.r.w.

Eine Frau hat ihrem Ehemann Erbgüter übertragen, die sie im Schoßfall von ihren Kindern erhalten hat. Dieser Übertragung widerspricht eine Tochter gemeinsam mit ihrem Mann. Der Ehemann, der die Zuwendung erhalten hat, beruft sich darauf, er habe die Güter nunmehr Jahr und Tag besessen, während die Tochter seiner Frau durchaus die Möglichkeit gehabt habe, Widerspruch einzulegen, weil sie mit ym gegangen sein zu wegin und czu stegin, zu kirchen und czu strassin. Die 419 Terminologie bei F. Ebel, Magdeburger Recht lI/I, Nr. 348, datiert 1432-1436. Siehe hierzu auch das Beispiel bei Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, III B, No. 128. Hier entscheiden die Schöffen, dass eine Frau, die im Umkreis von sieben Meilen der Stadt, in der die Gabe getätigt wurde, wohnt, sich nicht auf eine Verlängerung der Frist von Jahr und Tag berufen kann. 420 F. Ebel, Der Rechte Weg 1, D 20. Zu diesem Themenkreis siehe ebenfalls ders., Der Rechte Weg 1, D 65; ders., Magdeburger Recht lI/I, Nr. 348, datiert 1432-1436.

11*

164

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Tochter repliziert, gleichwohl nichts von der Vergabe gewusst zu haben. Nach Auffassung der Schöffen ist allein ausschlaggebend, dass die Tochter bereits mündig und bynnen landes war. Hier wird ein Bestreben nach Rechtssicherheit sichtbar: Nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es an, sondern auf die abstrakte Möglichkeit des Verwandten, dem Rechtsgeschäft widersprechen zu können. In den beiden bisher besprochenen Schöffensprüchen hat ein Ehegatte den anderen bedacht. Von einer Auflassung an den anderen Ehegatten und einen Sohn handelt ein Spruch vom 13. März 1471: 421 Quod ex quo ipsa Katherina registro vestro iudiciali sufficienter docuit, quod maritus eius de bona et spontanea voluntate, existens bonorum suorum dominus et heres, resignavit eedem et flUo suo Johanni omnia bona sua ad tempora eviterna, iuxta tenorem eiusdem resignacionis, extunc ipsa Katherina secundum talem resignacionem eadem bona peramplius tenere et possidere debet ad tempora eviterna, et ipsa Barbara pro eisdem bonis perpetuum silencium habe re debet, de forma iuris.

Anhängig war offenbar ein Rechtsstreit zwischen Katherina und ihrer Tochter Barbara. Der verstorbene Ehemann und Vater hatte sein Vermögen seiner Ehefrau Katherina und seinem Sohn Johannes als dominus et heres übertragen. Da Katherina mit dem Eintrag der Auflassung in das Gerichtsbuch den Beweis führen kann, entscheiden die Schöffen, dass sie - wohl für sich und ihren Sohn - das ihr und ihrem Sohn überschriebene Vermögen ihres Mannes auf ,ewige Zeiten halten und besitzen darf'. Barbara dagegen erhält nichts von dem Vermögen ihres Vaters. Der Ehemann und Vater begünstigt also seine Frau und seinen Sohn; beide sollen dauerhaft in den Genuss seiner Güter kommen. 422 Wieder geht es dem Ehemann in erster Linie darum, die erbrechtlichen Gewohnheiten auszuschalten. Nicht nur sein erbberechtigter Sohn, sondern auch seine Ehefrau ,beerbt' ihn. Seine Tochter hat sich entweder verschwiegen, oder aber aus der Wendung dominus et heres423 ergibt sich, dass der Ehemann zustimmungsfrei verfügen konnte. Seine Verfügung auf den Todesfall weicht insofern von der gewöhnlichen Erbfolgeregelung ab, als die Tochter ,enterbt' wird und der Sohn das Erbe mit der Mutter teilen muss. Er erreicht damit, dass seine Ehefrau nach seinem Tode wirtschaftlich abgesichert ist. Nr. 1161, Sentencia de Ropczicze. Siehe hierzu F. Ebel, Magdeburger Recht HI 1, Nr. 338, datiert 1432-1436: Eyn man genant Nicolaus Rumppuld hot ufgereicht Katherinen, seiner elichen hausfrauen, und Hanußen, irem zone, der ir beydir kinth ist, sein erbe und alle seyn gut, farnde und unfarnde, noch seyme tode zu tun und zu lossin ... ; zugleich ders., Der Rechte Weg I, E 51. Zunächst der Mann und dann das Kind ist bedacht bei ders., Magdeburger Recht 11/1, Nr. 76, datiert 1352 - 1363; zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /I, 11. 423 Die Bedeutung dieser Wendung ist nicht klar. Ich habe sie in königlichen Privilegien zur Bezeichnung der Person des Königs gefunden; siehe z. B. zahlreiche Privilegien bei Piekosiriski, Codicis diplomatici V. 421

422

V. Eheliche Vergabungen

165

4. Gegenseitige Vergabungen Wenden wir uns nun den Sprüchen zu, die von gegenseitigen Vergabungen der Eheleute handeln. Wir beginnen mit einem Schöffenspruch vom 15. Dezember 1480, der von einer wechselseitigen Übertragung berichtet: 424 Ex quo Stachnycza per suum tutorem iudicialiter electum marito suo Nicolao Baba bona sua in legacione descripta coram iudicio bannito vestro resignavit et ille similiter uxori sue bona omnia habita et in post habenda resignavit, cuius resignacionis XVIII anni preterierunt, iuxta scripta vestra, extunc talis resignacio robur habet et vigorem ...

Stachnycza hat durch ihren gerichtlich bestellten Vormund ihrem Ehemann Nicolaus die in der Anfrage beschriebenen Güter vor gehegtem Ding aufgelassen, und auf die gleiche Weise hat Nicolaus alle seine Güter, die er im Zeitpunkt der Auflassung besitzt und die er zukünftig noch erwerben wird, seiner Ehefrau Stachnycza übertragen. Diese Auflassung des Ehemannes ist aber schon vor 18 Jahren erfolgt. Der Spruch der Schöffen bestätigt, was die Eheleute offenbar wissen wollten, nämlich dass die Auflassung nach wie vor Bestand hat. Ein Spruch nach Lublin handelt ebenfalls von einer wechselseitigen Güterübertragung: 425 Quod ex quo Petrus Iocundus notarius Lublinensis et Katherina coniuges sibi adinvicem bona omnia reformaverunt banito in iudicio, prout tenent acta vestra, et Petrus supervixit Katherinam, per ipsasque actrices non fuit impeditus pro aliquo, duxitque secundam uxorem Agnetem et utrique sibi ipsis eciam bona omnia resignaverunt coram iudicio, prout littera cum sigillo, quam nobis inclusam misistis, late continet, et ipsa Agnes maritum suum Petrum supervixit, qui usque ad mortem suam pro rebus istis, pro quibus nunc lis agitur; monitus non fuit, extunc et nunc ipsa Agnes ab actricibus, habens iura tam forcia, nichil pati debet, de forma iuris.

Petrus Iocundus, notarius in Lublin, und seine Ehefrau Katherina haben sich wechselseitig vor gehegtem Ding alle ihre Güter übertragen. Petrus hat Katherina überlebt und wieder geheiratet. Seine zweite Frau ist Agnes, und auch sie haben sich vor gehegtem Ding alle ihre Güter wechselseitig aufgelassen. Agnes hat Petrus überlebt und wird nun von den nicht weiter benannten Klägerinnen auf Herausgabe ebenfalls nicht benannter ,Sachen' in Anspruch genommen. Nach dem Spruch der Schöffen hat Agnes aber das stärkere Recht und obsiegt. 424 Nr. 1589, Sentencia de Woynycz. Siehe einen vergleichbaren Spruch aus der Magdeburger Spruchpraxis FrieselLiesegang, Magdeburger Schöffensprüche, III B, No. 124: H.sp.w.sch.z.M.e.r.: Nochdemale Schafferad und syne frauwe sich under enander mid alle oren gutem, dy sy hadten ader ummermer gewunnen, begabit haben, und mag dy frauwe mid der schepphen buche volkomen, das die gabe jar und tag ane rechte wedirsprache gestanden had, und is des mannes swester mundig und bynnen landes gewest, und had sy [bynnenJ ja re unde tage keyne wedersprache mid rechte getan umbe erbelobis willen, ab husz und hoff oren bruder angeerbid were, so beheld die frauwe, dy Schafferatynne, mid besserem rechte das gut, das or gegeben und in der schepphin buch zcugeschreben ist, wenne sie ores mannes swester daran gehindem mogin. v.r.w. v.m.u.i. 425 Nr. 1358, Sentencia de Lublin (19. 9. 1475).

166

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Die Güter, um die gestritten wird, befinden sich offenbar im Besitz von Agnes. Agnes hat sie von Petrus erhalten, der sie seinerseits von seiner ersten Frau Katherina erlangt haben muss. Denn von den Klägerinnen wird gesagt, dass sie zu Petrus' Lebzeiten die Herausgabe der jetzt begehrten Güter nicht verlangt haben, und dass er nach Katherinas Tod nicht von ihnen in Anspruch genommen worden ist. Die Klägerinnen hätten Petrus also schon damals wegen der jetzt begehrten Güter in Anspruch nehmen können, woraus sich wiederum ergibt, dass sie erbberechtigte Verwandte der Katherina sind. Wenn sie jetzt Agnes in Anspruch nehmen, müssen sie Katherinas Vergabe in Frage stellen, was jedenfalls inzwischen nicht mehr möglich ist; offenbar haben sie sich verschwiegen. Mit der nunmehr unangreifbaren Vergabe der Katherina erhielt Petrus das Recht, über das von ihr erworbene Gut wie über eigenes zu verfügen und es auch selbst weiter zu vererben. Der Sachverhalt macht im übrigen anschaulich, dass es sinnvoll war, bei der Vergabe am Erfordernis der Zustimmung der nächsten Erben festzuhalten: Erbgüter der Katherina befinden sich jetzt im Besitz einer Person, der Agnes, die mit der Familie, aus der sie stammen, verwandtschaftlich nicht verbunden ist; die beiden Farnilien stehen nicht einmal durch Heirat in losem Verbund. Der Spruch schließt nicht mit Gewissheit aus, dass die Vergabungen sofort wirksam wurden; in diesem Fall hätten sich jeweils die Gütermassen verbunden. Indessen liegt es näher, dass beide wechselseitigen Vergabungen auf den Todesfall des Verfügenden erfolgten. Darauf deutet auch entschieden das Verhalten der Klägerinnen. Schließlich wollen wir einen Spruch nach Krakau betrachten: 426 Sint der czeit das Petir Zitto solche siechte ofgebunge und forreichunge gethon hot seyner hawsfrawen vor ewenn gerichte, ir ofgebinde alle seyne guttir noch seynem tode czu habin noch ynnehaldunge ewers buches unde scheppin brijjis, ydoch im dy herschaft behaldin hoth czu seyme lebin, des gleich in ouch Katherina Zitten durch Masnik iren vonnunden, den sy gerichtliclichen durch recht dirkriget hot, in dem selbin dinge ouch siecht alle ire guttir beweglich und unbeweglich ofgebin und forreicht hoth Petro Zitto irem manne und iren kindern nach seynem tode czu habin, alle frunde awsgeslossin, als wir aws ewer czedit, dy do aws ewenn scheppin buche awsgeczogin ist, vornommen habin, ir ouch dy hirschoft behaldinde czu ir lebetagin, dor noch Petrus Zitto nach solcher forreichunge geswigen hoth jor und tag und obir jor und tag und obir jor und tag bis fier jor sollin vorgangin, newlich siecht kummen ist vor gehegit ding alleyne an dy hawsfrawe und hoth solche forreichunge und ofgobe wider ruffin, dy her seyner hawsfrawen gethon hoth, hinder irem rocke unde wissin, zy ouch mit keynem rechte in keyner schande nicht obirwundin Nr. 1060, Sentencia de Cracowia (17.8. 1469). Vgl. aus der Spruchpraxis der Magdeburger Schöffen Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV II, 22: Gebit und vorreichit eyn burger vor gericht vor richter vnd vor scheppfin in gehegetim dinge synym wibe vnd synyn kindin alle syn gut vnd erbe noch syme tode czu tun ynd czu lozin, di wile her abir lebt, daz her selbir do mete wil tun vnd lozin; vnd was denne der burger noch syme tode gutis und erbis gelozin hat, daz sal di mutir und di kindir glich teilin noch personyn czal. Von R. Zugleich F. Ebel, Magdeburger Recht lIll, Nr. 164, datiert 1363-1386. 426

V. Eheliche Vergabungen

167

noch ouch dorczu geladin noch mit keynem ortil im das forwaret hoth, als wir aws der melioracio vomommen hab in, zundir mit siechtin wortin das widerrufin hot hinder irem rucke, so hoth solche widerruffunge, dy do heinderim rocke seyner hawsfrawen gesehen ist, nicht bund und craJt, zunder dy forrige forreichunge und ofgabe, dy do in keyginwortikeyt ir beydir gesehen unde gethon ist, zal bund und craJt habin, und in dem ist des scheIders ortil gerecht und ewer scheppin ortil ungerecht. Von rechtes weg in.

Petrus Zitto hat seiner Frau gerichtlich seine gesamten Güter mit der Maßgabe übertragen, dass sie diese nach seinem Tode erhält, was durch Eintragung in das Gerichtsbuch sowie durch einen Schöffenbrief ausgewiesen ist. Dabei behält er sich zu seinen Lebzeiten die Herrschaft an den Gütern vor. 427 Ebenso hat seine Ehefrau Katherina durch ihren gerichtlich bestellten Vormund ihre gesamten beweglichen und unbeweglichen Güter ihrem Mann zugewandt. Nach dessen Tod sollen die Kinder diese Güter erhalten. Auch Katherina hat sich zu Lebzeiten die Herrschaft vorbehalten. Durch die Vergabe hat sie ihre Verwandten ausgeschlossen. Nach vier Jahren ist nunmehr Petrus Zitto, und zwar ohne seine Frau, vor das gehegte Ding gekommen und hat die Vergabe widerrufen. Allerdings hat er dies hinder irem rocke unde wissin getan, weshalb der Widerruf unwirksam ist. Auffällig ist die Länge und Ausführlichkeit, mit der von den beiden Vergabungen berichtet wird. Anders als bei den bisher besprochenen Entscheidungen ist es hier möglich, genauere Aussagen über die rechtliche Ausgestaltung der Vergabungen zu treffen. Wir stoßen auf die Wendung noch seynem tode czu habin . .. ydoch im dy herschaft behaldin hoth czu seyme lebin. Beide Vergabungen sind auf den Todesfall gerichtet, und es behält sich der Vergabende zu seinen Lebzeiten die Ver427 Vgl. F. Ebel, Magdeburger Recht HI 1, Nr. llO, datiert 1363; zugleich Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV /1, 15: Gibit unde vorreychit eyn man in gehegetim dinge vor den scheppfin dem andim gud adir erbe noch syme tode czu tun und czu lossen ane undirscheit, alzo daz her ym keine gewald beheldit an deme gute unde erbe czu tun und czu lossyn, dywile her lebit, so enmag her dy gobe nicht gewandiln noch entpfuren adir empfremden deme, dem her dy sundir undirscheit noch syme tode gegeben hat. Von rechtis wegene. Die Vergabe auf den Todesfall wurde hier ane undirscheit, alzo daz her ym keine gewald beheldit ausgestaltet. Die Wendung ane undirscheit wird näher umschrieben: Der Vergabende behält sich keine Herrschaftsgewalt vor. Daher kann er die gobe nicht ändern oder aufheben. Es ist vielmehr eine Bindungswirkung eingetreten. Hier handelt es sich freilich um eine einseitige Gabe, die mit unserer wechselseitigen nicht zu vergleichen ist, weshalb Rückschlüsse über das Zusammenspiel von Vergabungen unter einer Bedingung und einer nachträglichen Änderungsmöglichkeit der Vergabung auf unsere Fallkonstellation nicht möglich sind. Ein Motiv für einen Vorbehalt der Verfügungsgewalt wird sicher darin zu sehen sein, dass wegen der hohen Sterblichkeitsrate eine erneute Heirat nicht unwahrscheinlich war. Da die Gaben der Absicherung dienten, sollte es möglich sein, im Falle einer zweiten Heirat den neuen Ehepartner abzusichern. Zu diesem Zwecke konnte aber auch die Gabe mit der Bedingung versehen werden, dass der Ehegatte den Vergabenden überlebe. Siehe zur Gabe ohne Bedingung bei F. Ebel, Magdeburger Recht HI 1, Nr. 278, datiert 1408: Nach dem mole, das dy vrauwe erim manne gab allis, das sy hatte, unde keyne gewalt doran behilt, so mochte sy nymant gobe mir doran getun, Von rechtis weyn. Zugleich ders., Der Recht Weg 2, N 16; Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV 111,81. Der Anfrage kann entnommen werden, dass es sich um eine Vergabe auf den Todesfall handelt.

168

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

fügungsgewalt vor. Die Erben werden ausgeschlossen, denn der bedachte Ehepartner soll die Güter selbst vererben können. Ob auch der Mann seine Kinder mitbedacht hat, kann nach dem Wortlaut des Spruchs nicht gesagt werden, erscheint aber lebensnah. Die Bindungswirkung könnte in der gegenseitigen Übertragung auf den Todesfall begründet sein. Der Herrschaftsvorbehalt hätte dann die Wirkung, dass zwar beide zu Lebzeiten die Verfügungsgewalt und Nutzung behalten, die Vergabungen aber nur im gegenseitigen Einverständnis aufgehoben werden können. In lediglich drei Sprüchen hatten sich also die Schöffen mit gegenseitiger Vergabe sämtlicher Güter unter Ehegatten auseinander zu setzen. Weit verbreitet war diese Art der güterrechtlichen Absicherung offensichtlich noch nicht. Im Jahre 1530 ist sie dann Gegenstand eines Privilegs von Zygmunt I. für die Stadt Krakau: 428 Donationes etiam mutuae, quas coniuges prole carentes inter se facere consveverunt, vti iustae et iuri consentaneae inviolabiles firmaeque manere debebunt. Licitumque erit marito vxori suae et econtra vxori ipsi marito suo prole carentibus coram officio consulari aut iudicio bannito bona omnia mobilia et immobilia a maximo ad minimum nullis exceptis et exclusis, quocunque nomine vocentur, quae actu habuerint vel habituri sunt, sive huiusmodi bona sint ex parentibus hereditaria, ex aliaque successione quacunque deuoluta, sive labore proprio parata, sibi invicem mutuo dare, donare, resignare, per illum coniugem, qui alteri supervivet, habenda, tenenda ac hereditarie possidenda, de eiusque disponendum secundum eius beneplacitum absque cuiusvis contradictione, nec per aliquem donatio huiusmodi infringi poterit.

Gegenseitige Schenkungen eines kinderlosen Ehepaars, die einverständlich und nach rechtem Brauch geschehen sind, bleiben unantastbar. Es sei erlaubt, dass sich Ehegatten, die ohne Nachkommen sind, vor dem officium consularis oder dem gehegten Ding alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, die sie haben und haben werden, gegenseitig schenken und auflassen, damit der Überlebende sie als Erbgut besitzen kann. Dies gilt für elterliche Erbgüter, für Güter aus anderer Erbfolge und auch für solche, die durch eigene Arbeit erworben wurden, ohne dass ein Dritter widersprechen kann. Gegen eine Schenkung dieser Art kann niemand vorgehen und sie entkräften. Die Regelung betrifft allein kinderlose Ehen. Gegenseitige Vergabungen sämtlicher Güter, die von kinderlosen Ehepaaren getroffen werden, beschneiden die Interessen ihrer Familien in empfindlichem Maße. Verstirbt auch der zweite Ehegatte, fallen alle seine Güter, auch die ihm von seinem vorverstorbenen Gatten gegebenen, an seine Familie, sofern keine anderweitige Regelung getroffen wurde. Damit treten die Güter durch die wechselseitige Vergabe endgültig aus der ursprünglichen Familienbindung heraus. Die Wendung absque cuiusvis contradictione lässt auf eine Befreiung von dem Zustimmungsrecht der nächsten Erben schließen. Diese Befreiung ist einerseits 428

Piekosinski, Leges, privilegia et statuta VIII, Nr. 43, § 9.

V. Eheliche Vergabungen

169

sehr weit reichend. Andererseits beschränkt sich das Privileg auf kinderlose Ehepaare: Der Ausschluss von der Erbfolge kann nur sonstige Verwandte betreffen und nicht die eigenen Kinder. Deren Erbrecht darf durch Verfügungen ihrer Eltern nicht ohne ihre Zustimmung beeinträchtigt werden. In dem abschließend zu behandelnden Schöffenspruch vom 12. März 1471 geht es nicht um eine Vergabe im eigentlichen Sinne. Vielmehr hat hier die Ehefrau zugestimmt, dass ihr Mann das ihr gehörende Erbgut veräußert und dafür eine Ausgleichszahlung erhalten soll. Dennoch wollen wir die Entscheidung in einem Exkurs besprechen: 429 Quod ex quo Gregorius proposuit contra Applonia glotem suam, tutelam iure propinquiori ab ea habere volens bonorum et pueri usque ad annos discrecionis eiusdem pueri fratris sui vita functi, et ipsa Appolonia prefatam tutelam sibi non denegat, extunc ipse Gregorius eandem tutelam propinquior est habere eiusdem pueri et bonorum quam mater; cum est patruus germanus. Sed quod Appolonia dicit, quod ipsa sederet in proprietate sua, quam ad maritum suum inportasset, videlicet braseatorium et quinque marcas, prout scripta vestra in se ostendunt, et ob hoc per prius et ante taUa levare vellet, antequam tutelam dimittere deberet, sed cum ipsa talia bona paternalia et quinque marcas pecuniarum ad manus marito suo dedit et per comutacionem eadem a se alienare permisit, extunc ad ea ulterius pervenire non potest, sed tantummodo de istis septem marcis et fertone, quas post obitum mariti sui pro agro provido Mathias per fratrem suum Mathiam Sadlo persolvit, gaudere debet, et easdem per prius et ante levare debet, si ad inquantum hoc docere poterit, uti iuris est, de forma iuris.

Streitparteien sind die Witwe Appolonia und der Bruder ihres verstorbenen Mannes Gregorius. Gregorius verlangt nach dem ,Recht des näheren' - iure propinquiori - die Vormundschaft über den Nachlass und den Sohn seines verstorbenen Bruders, und zwar für die Zeit bis zur Volljährigkeit des Neffen, während Appolonia die Vormundschaft für sich beansprucht. Als patruus germanus erhält Gregorius sie zugesprochen. Appolonia macht - offenbar gegen das nach dem Spruch begründete Verlangen, den Nachlass herauszugeben - geltend, dass sie in Eigenem ,sitze'. Sie habe eine Brauwirtschaft und fünf Mark in die Ehe eingebracht; und bevor sie auf die Vormundschaft verzichten müsse, wolle sie dieses eingebrachte Gut ,erheben', also erstattet haben. Sie hat indessen das von ihr eingebrachte väterliche Erbgut sowie die fünf Mark ihrem Mann an die Hand gegeben und auch erlaubt, es entgeltlich zu veräußern. Die Schöffen entscheiden, dass sie statt des eingebrachten Erbgutes, das sie nicht mehr zurückerhalten kann, sieben Mark erhalten soll, die nach dem Tode ihres Mannes für ein Grundstück erlöst worden sind; sie soll sie auch vor dem Verzicht auf die Vormundschaft erhalten, wenn sie diesen Sachverhalt beweisen kann. Da die Brauerei eine Immobilie ist, wäre diese üblicherweise nach dem Tode der Frau ihrer Familie verblieben. Doch sie hat mit ihrem Mann ein anderes verein429

Nr. 1160, Sentencia de Vislicia.

170

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

bart: Wahrscheinlich hat der Mann die Brauerei selbst betrieben, weshalb ihm durch diesen Erbgang die Erwerbsstätte verloren gegangen wäre. Daher hat die Frau die Brauerei ihrem Mann überlassen. Allerdings wurde hier ein Tauschgeschäft vorgenommen: Die Frau wird auf den Erlös aus dem Verkauf eines zu diesem Zwecke vorgesehenen Grundstücks verwiesen. Dieses Geld diente der Kompensation der Brauwirtschaft. Dieser Spruch verdeutlicht zugleich, dass es dem Ehemann nicht möglich war, ohne Zustimmung seiner Frau über ihr Erbgut zu verfügen. 5. Zusammenfassung

Was fällt an den Urteilen und Rechtsweisungen zu den ehelichen Vergabungen besonders ins Auge? Zum einen sind sie weniger zahlreich als die Sprüche zu Gerade und dotalicium. Das dotalicium kann als die noch gebräuchlichere Form der güterrechtlichen Absicherung der Witwe gesehen werden. Die rechtlichen Probleme, die vor den Oberhof getragen werden, sind zudem anders gelagert: Standen beim dotalicium das Beweisrecht und die Sicherung der Gabe im Vordergrund, ist es hier eindeutig das Einspruchsrecht der nächsten Verwandtschaft, welches innerhalb von Jahr und Tag geltend gemacht werden muss. Zu erklären ist dies mit dem unterschiedlichen Charakter der Zuwendungen: Wenn die Witwe ein dotalicium erhielt, verblieb das Erbe der Familie. Durch die ehelichen Vergabungen wird die Witwe dagegen Teilhaberin am Erbe ihres verstorbenen Mannes: Sie erhält entweder einen Teil seiner Güter oder gar das gesamte Erbe. Wie insbesondere die Entscheidungen zur Übertragung des gesamten Vermögens zeigen, umfassten Vergabungen nicht nur Immobilien, wie dies das Verb resignare vermuten lässt, sondern bewegliches wie unbewegliches Vermögen. Das dotalicium hatte Versorgungscharakter, während die Vergabe eine Veränderung des erbrechtlichen Gefüges erlaubte. Die Schöffen äußern sich weder über die Vergabe selbst noch über die Güter, die vergeben wurden. Ganz im Vordergrund steht die Einhaltung der formellen Anforderungen. Die Auflassung vor Gericht, die Zustimmung der Erben, die Einhaltung von Jahr und Tag: das sind Kriterien, die dem tradierten Rechtsbewusstsein entstammen und formellrechtliche Charakteristika des mittelalterlichen Rechts widerspiegeln. Wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist das Rechtsgeschäft wirksam und wird von den Schöffen anerkannt. Materiellrechtliche Einschränkungen sind nicht ersichtlich. Dies gewährleistet, dass sich das Recht den gesellschaftlichen Bestrebungen entsprechend weiter entwickeln kann. Sichergestellt ist indessen auch eine kontinuierliche, ohne abrupte Brüche verlaufende Entwicklung. Das formelle Recht bietet den äußeren Rahmen für individuelle Vereinbarungen. Die Gesellschaft befindet sich im Aufbruch zu einer neuartigen Bewertung der Erbfolge innerhalb der Familie: Die eigene, selbst gegründete Kernfamilie gewinnt an Bedeutung. Die Häufigkeit, mit der das Erbenlaub zum Problem wird, reflektiert allerdings erhebliche Vorbehalte gegen diese Form der ehegüterrechtlichen Versorgung.

VI. Testamente

171

VI. Testamente: ultima voluntas habet vigorem 1. Das Aufkommen des Testaments und seine formellen Voraussetzungen430 a) Die ,Entdeckung' letztwilliger Veifügungsmacht

Die Entscheidungen zu den ehelichen Vergabungen haben das zunehmende Bestreben erkennen lassen, individuelle Regelungen zur gegenseitigen Absicherung auf den Todesfall zu treffen. Die gesellschaftlichen Bedingungen leisteten somit der Aufnahme einer neuartigen Form der Gabe auf den Todesfall Vorschub: dem Testament. War sich die Literatur des 19. Jahrhunderts über den deutschrechtlichen Ursprung der Vergabung von Todes wegen weitgehend einig, kann dies vom Testament nicht behauptet werden. Gestritten wurde vielmehr, ob das Testament römisch-rechtlicher Herkunft sei oder ob es sich aus den Vergabungen auf den Todesfall entwickelt habe. 431 Dabei wurde einmal mehr übersehen, dass die Herkunftsfrage nicht monokausal beantwortet werden kann; vielmehr sind verschiedene Entwicklungsstränge heranzuziehen. Von nicht wegzudenkendem Einfluss war die Rezeption des römischen Rechts und damit einhergehend die Betonung des freien Willens des Erblassers. Durch sie vermittelt verbreitet sich das Testament seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auch nördlich der Alpen. Einen beson430 Zum Testament siehe einführend Ogris, Art. Testament, HRG V, Sp. 152-165; Weimar; Art. Testament, Recht, LexMa VIII, Sp. 563-565; Wacke, Art. Testament, Deutsches Recht, LexMa VIII, Sp. 565 - 566; Piper; Testament und Vergabung, S. 34 ff. Die europäische Dimension ist nachzulesen bei Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 564 ff. Zum Magdeburger Recht siehe Loening, Testament. Ferner Friese in Friese/Liesegang, S. 833 ff., der die anfänglichen Zwecke vor allen Dingen in den Seelgerätsstiftungen sieht. Testamente werden in der Literatur zum Ehegüterrecht gar nicht behandelt. Wie bereits bei den Vergabungen erwähnt, liegt das an der pandektistischen Systematik und Begrifflichkeit. 431 Loening, Testament. Siehe hier insbesondere S. 36 ff., wo er sich über die unterschiedlichen Auffassungen der Germanisten zur Herkunft der Testamente im deutschen Recht äußert: "Man kann drei Ansichten unterscheiden. Die eine Ansicht geht dahin, dass sich die einseitigen Verfügungen von Todes wegen aus den deutschrechtlichen Vergabungen von Todes wegen entwickelt hätten. Testamente widersprächen nicht direkt dem alten deutschen Erbrecht, sondern die alten Germanen hätten nur keine Kenntnis von einem derartigen Rechtsinstitut gehabt. Eine zweite Ansicht sieht in den Testamenten einen prinzipiellen Gegensatz zu den alten heimischen Anschauungen und führt ihr Vorhandensein daher auf das Eindringen von römisch-rechtlichen und kanonischen Anschauungen zurück. Die dritte Ansicht endlich vereinigt die beiden anderen; nach ihr haben deutsch-rechtliche Gedanken und römisch-kanonische für die Entwicklung der Testamente im deutschen Recht zusammengewirkt. Infolge von oberflächlicher Kenntnis des römischen und des kanonischen Rechtes hätten sich die letztwilligen Verfügungen aus den Vergabungen von Todes wegen entwickelt." Er selbst streitet die Entwicklung des Testaments aus den Vergabungen von Todes wegen ab. Er sieht das Testament unter Einfluss der Kirche aus dem römischen Recht herkommend.

172

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

deren Förderer fand das Testamentswesen in der Kirche, die von den Seelgerätsstiftungen profitierte. 432 Doch auch die einheimische Rechtsentwicklung war selbst Wegbereiter, insbesondere durch das wachsende Bestreben, von den geübten Rechtsgewohnheiten abweichende Erbfolgeregelungen zu treffen. Nach römischem Recht war die Einsetzung eines Erben unablässige Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Testaments. 433 Dies wurde zunächst nicht rezipiert, was insbesondere in den Seelgerätsstiftungen zu Tage tritt, die die prinzipielle Erbfolge nicht änderten, denn in den meisten Fällen wurde nur ein Teil des Vermögens der Kirche zugewendet. Loening definiert daher für das Magdeburger Recht das Testament als "jede einseitige Verfügung von Todes wegen".434 Es ist mithin schwierig, Vergabungen und Testamente in den Quellen zu unterscheiden, weshalb Müller meint: "Der Zusammenfluß, zum Teil auch Zusammenstoß von römischen, kirchlichen und einheimischen Rechtsvorstellungen brachte eine Fülle von Zwischen- und Übergangslösungen hervor, die sich einer eindeutigen dogmatischen Erfassung weitgehend entziehen.,,435 Was die Krakauer Spruchsammlung betrifft, so kann festgestellt werden: Zwar berichten die Entscheidungen zum Testamentswesen nicht immer von einer Erbeinsetzung, dennoch lassen sich diese Sprüche deutlich von den Urteilen und Rechtsweisungen zu den Vergabungen unterscheiden. Die Schreiber verwenden eindeutig und wohl differenziert die Begriffe testamentum und resignacio. Die Vergabung ist durch das zweiseitige Geschäft der Auflassung vor Gericht geprägt. Bei den Testamenten geht es indessen um ein primär einseitiges Geschäft des Testators, auch wenn der Bedachte bei der Testamentserrichtung anwesend sein konnte. Dies war das wirklich Neue, ja Revolutionäre des Testaments: Die Betonung des einseitigen, letzten Willens. Probleme bereitete im Testamentswesen überwiegend das Formerfordemis. Daher verwundert es nicht, dass sich die Krakauer Schöffen in einem Großteil der Urteile und Rechtsweisungen mit den Voraussetzungen eines wirksamen Testaments auseinander zu setzen hatten. Im Gebiet des sächsisch-magdeburgischen Rechts rief das Testament noch im 15. Jahrhundert den Konflikt widerstreitender Interessen hervor: Auf der einen Seite stand die Betonung des freien Willens des Erblassers, auf der anderen Seite die althergebrachte Familienbindung der Güter. Die 432 Weshalb sie sich auch zunächst für die Testierfreiheit ihrer Angehörigen einsetzte (sog. Klerikertestamente), wobei die Formvorschriften erheblich erleichtert wurden. So waren etwa Testamente von Geistlichen entweder vor dem Pfarrer und Zeugen oder vor dem Offizial des geistlichen Gerichts zulässig. Literaturangaben zur neueren, auch internationalen Forschung zum Testamentswesen im Hinblick auf das Seelenheil findet sich bei Simon-Muscheid, Diebstahl oder Erbrecht?, S. 35, Fn.l. 433 Siehe Gaius, Institutionen 11, 229: ... et ob id velut caput et Jundamentum intellegitur totius testamenti heredis institutio. 434 Loening, Testament, S. 21. 435 Müller, Vergabung von Todes wegen, S. 76 ff. argumentiert für die Unterscheidung von Vergabung und Testament zu dogmatisch mit dem Eigentumsbegriff.

VI. Testamente

173

Zustimmungspflicht der nächsten Verwandten wollte man deshalb zunächst nicht aufgeben. An der gerichtlichen Bestellung, wie sie auch bei der Vergabung erforderlich war, wurde festgehalten. Die strengen Formerfordernisse sollten darüber hinaus verhindern, dass der Kirche Grundstücke und sonstige Gaben formlos übertragen werden konnten, war doch nach einer Dekretale Papst Alexanders III. lediglich die Anwesenheit von zwei oder drei Zeugen bei der Testamentserrichtung erforderlich. 436 Vor den weltlichen Gerichten wurde dies nicht anerkannt. 437 b) Beispiele für Fonnerfordemisse aus der Rechtspraxis Es wurde verlangt, dass Testamente ebenso wie Auflassungen vor gehegtem Ding zu errichten seien. Eine allgemeine Testierfreiheit gab es nicht. Die Verwandtschaft sollte geschützt werden, indem Güter nicht ohne weiteres, sondern nur mit ihrem Einverständnis dem Familienverband entzogen werden können. In manchen Städten, wie etwa Breslau, hatte sich der Stadtrat neben der Zuständigkeit für Auflassungen auch diejenige für die Errichtung von Testamenten erobert. 438 Auch hier wurde strengstens auf das ordnungsgemäße Zustandekommen geachtet, wie folgender Magdeburger Spruch nach Breslau belegt: Einem Ehepaar ist ein Haus gemeinsam aufgelassen worden. Als die Frau stirbt, geht ihr Anteil an ire nehisten erben. 439 Die Frau hat zudem ein Testament - wohl zugunsten ihres Mannes - vor einem Schreiber und Zeugen errichtet. Wegen der Fahrnis bestehen keine Bedenken an der Gültigkeit des Testaments. 44o Die Magdeburger Schöffen entscheiden aber für die Immobilien: Siehe hierzu Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, S. 451 f. So etwa auch in Basel, siehe Hagerrumn, Basler Rechtsleben 11, S. 205 ff. Die Reichsnotariatsordnung von 1512 bestätigte das römische Sieben-Zeugen-Testament, wobei die einzelnen Stände abweichende Formen zulassen konnten. Zahlreiche Stadt- und Landrechte haben davon Gebrauch gemacht; so ist z. B. in Städten häufig das Testament vor dem Rat aufrecht erhalten worden. 438 Vgl. zu den Formerfordernissen Loening, Testament, S. 93 ff.: "Andererseits scheinen aber die Magdeburger Schöffen bei Anfragen von anderen Städten stets daran festgehalten zu haben, dass nicht der Rat, sondern das Schöffenkollegium nach Magdeburger Stadtrecht für die Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig sei, und nur da, wo ein lokales Gewohnheitsrecht oder ein besonderes Privilegium vorhanden war, haben sie auch die Kompetenz des Rates anerkennen müssen." Die europäische Dimension schildert Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 564 ff. In Breslau wurden die vor dem Rat abgegebenen Testamente in Testamentsbücher eingetragen. Die frühesten sind erhalten aus dem 16. Jahrhundert. Siehe hierzu Rehme, Breslauer Stadtbücher, S. 53 ff. 439 F. Ebel, Magdeburger Recht 11/2, Nr. 715, datiert 1484-1490; zugleich ders., Der Rechte Weg 2, 116. 440 Vgl. auch Kisch, Leipziger Schöffenspruchsammlung, Nr. 296: Sprechen zu Leiptzig: Konnen die alter/eut unser lieben frauen kirchen zu Zwickau beweisen mit volstendigen gesigilten schriften, das Mattes Richter sein testament pei gesundem leibe gesaczt und sein guter alle, ligend, stehend und farend, on was er seinen negsten erben aussaczt hat, zu unser lieben frauen kirchen bescheiden und geschickt hat: So behalden die alterleut von der kirchen 436 437

174

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

aber fraue Katherina mochte ir stant eygen und leginde grunde vor dem offinbar schreiber zu testament nicht geben noch bescheyden, noch deme, das man stand eygen und leginde grunde anders nyrgen vorgeben noch vorreichen mak, wenne in zotan steten, dorynne sie gelegen seyn, und do man die durch recht zu vorreichen pflegit. Von rechtis wegen.

In einer weiteren, recht verworrenen Erbstreitigkeit entscheiden die Schöffen: 441 Hyr vif sprechen wir scheppen zcu Magdeburg vor recht: Weß vormals der wirdiger herre magister Johannes Patzschir vor eynem offinbaren schreiber vnd geczeugen seyner gutere halben, farnde vnd vnfarnde, bestalt vnd also seynen letzsten willen, wie vnd jn welcher mase eynem gesatzten testamentarien vnd selewertern, obgnant, do mit handelen vnd thun sullen, verordent, daß hat er jn seynem testamento an seynem wolgewunnen gute alse an farinder habe zcu thun wol macht gehabt, abir die bestellunge jn deme selbten testamento obir die zcwey hewser vnd leginde grunde kan jme lantloufftigen sachsen rechte nicht bestehn, daz eß seynen erben hinderlich adir schedelich geseyn mochte . ..

Demnach ist es nicht nur zulässig, Geld und Fahrnis vor einem Schreiber und Zeugen testamentarisch zu vermachen, sondern auch gewonnenes Gut. Über das Erbgut konnte er nach lantloufftigen sachsen rechte allerdings nicht verfügen. Ob diese Testierfreiheit auf eine Rechtsgewohnheit oder ein Privileg zurückzuführen ist, kann der TextsteIle nicht entnommen werden. Die strengen Formerfordernisse wurden nur in besonderen Fällen gelockert. Überliefert ist etwa ein Privileg von König Matthias 442 für Breslau aus dem Jahre 1485, das im Krankheitsfall ein Testament vor zwei Schöffen und einem Schreiber sowie in Pestzeiten vor zwei ehrwürdigen Männern und einem Schreiber zulässt, wenn der Stadtrat dies im konkreten Fall für zulässig erachtet hat. Das Privileg sieht keine Einschränkung in Bezug auf die Art der Güter vor. 443 wegen deshalben alles farende gute, was nun Mattes Richter blieben ist, als er bescheiden ist. Aber an dem stehend, liegend erbgut ist die bescheidung unmechtig nach sechsischem recht; es wer dan, das die fur gericht und fur gehegtem dinge bestetigt were. Von rechtes wegen. Versigelt. Siehe auch Nr. 294. 441 F. Ebel, Magdeburger Recht, II/2, Nr. 651, datiert 1495: In diesem Spruch geht es zugleich noch um die wirksame Form der Bestellung eines selwart. Die selewarte des Verstorbenen berufen sich darauf, der Verstorbene sei nicht Einwohner Breslaus gewesen, daher geite das Privileg für ihn nicht, sondern ihre Form der Bestellung sei als gültig anzusehen. 442 Matthias I. Corvinus, König von Ungarn, 1458-1490. Durch den Vertrag von Korneuburg 1477 Anerkennung als König von Böhmen durch Friedrich III. 443 F. Ebel, Der Rechte Weg 2, K 32: Gracia regis Mathie super wilkor Wratislauiensis: So czwene scheppen mit eyme statschriber adir auch yn bosen seuchen czwene erbar manne und ein schreyber mit des rathis wille und laube gehin zu eynem eynwoner zu Breßlaw yn seiner krankgheyt: Was der krancke vor solchen dreyen geczeugin bestellunge thut und seinen leczten willen macht, das sal craft habin und gehaldin werdin. Ein weiteres Privileg von König Mathias aus dem Jahre 1470 findet sich bei ders., Der Rechte Weg 2, N 37: ... intelligimus ut ammodo deinceps nullus in ipsa nostra ciuitate coram publico notario et testibus testamentum aliquod de suis bonis facere valeat siue hac in articulo aut causa mortis siue aliter in lecto egritudinis decumbens uel sanus facere uelit, nisi assunt semper due ciues de consulato, una cum notario ciuitatis coram quibus Jiat in maius robar; et Jirmitatem testa-

VI. Testamente

175

Auf die Einhaltung von Formerfordernissen achten auch die Krakauer Schöffen: 444 Quod ex quo ipsa Dorothea boni recordii dictum agrum pro ecclesia simpliciter coram preconsule et viceadvocato et aliis probis hominibus in lecto egritudinis donavit et legavit, et non coram iudicio banito, secundum quod iuris Thewtonici Maydburgensis forma tenet et ostendit, neque eciam coram sesso consilio, extunc huiusmodi testamentum per ipsam Dorotheam in lecto egritudinis super hereditate factum nullum habet vigorem, de forma iuris.

Dorothea hat von den verzeichneten Gütern den Acker vor dem preconsul und dem viceadvocatus und anderen ehrwürdigen Männern auf dem Krankenbett liegend der Kirche geschenkt und vermacht. Sie hat dies weder vor gehegtem Ding, was nach deutschem Magdeburger Recht die erforderliche Form wäre, noch vor dem Rat getan. Daher ist das Testament nicht von Bestand. Unverzichtbare Voraussetzung für ein wirksames Testament ist seine Errichtung vor gehegtem Ding oder dem Rat, also dem Ort, an dem auch eine Auflassung vorzunehmen wäre. Doch wie auch in Breslau gewähren Privilegien Erleichterungen: 445 Quod si causa ista, de qua nobis scribitis, tangit bona hereditaria, tune inscripcio aut resignacio coram consulatu facta nec eciam testamentum coram fidedignis in agone factum potest habere processum penitus nec vigorem, nisi aliquod laudum confirmatum per sigillum Regie Maiestatis haberent desuper roboratum, de forma iuris scripti.

Da der Fall Erbgüter berührt, kann nur die Eintragung und Auflassung, die vor dem Rat vorgenommen wurde, Bestand haben, nicht jedoch das im Todeskampf errichtete Testament. Ein anderes gilt allerdings, wenn ein gesiegelter Spruch des Königs dies besagt. 446 Mit Erlaubnis durch königliches Privileg wäre wohl ein auf dem Sterbebett errichtetes Testament über Erbgüter zulässig. Welche Anforderungen genau an ein solches Testament zu stellen wären - etwa wie in Breslau die Genehmigung des Rates, dass zwei Schöffen das Testament in der Wohnung des Testators aufnehmen -, können wir dem Spruch hingegen nicht entnehmen. Auf dem Krankenbett im gemeynen gespreche errichtete Testamente waren in Krakau allgemein nur gültig, wenn man sie danach noch vor Gericht bestätigen ließ. 447 menti, quod si aliquando per aliquem aUter fieret, quam hic expressimus regia nostra auctoritate nullius vigoris et momentifore decernimus ... Besonders zu Pestzeiten gab es viele Erbfälle. Das Vennögen konzentrierte sich oftmals auf wenige Personen, weshalb so manche Familie zu immensem Reichtum kam. 444 Nr. 1393, Sentencia de Ropczicze (13. 5. 1476). Weitere Sprüche mit kirchlichem Bezug in den Nm. 966, 971. Zum kanonischen Testamentsrecht und zu späteren Zuwendungen an die Kirche piae causae nach dem ius commune siehe Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 571 ff. 445 Nr. 742, Sentencia de Dambycza (3. 1. 1466). 446 Siehe hierzu einen Schöffenspruch bei Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen, Dresdner Handschrift, CCXXXIX.

176

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Dass indessen selbst im Falle eines Privilegs die Anwesenheit von zwei Schöffen oder Ratsherren üblich war, lässt folgende Entscheidung vermuten: 448 Quod ex quo vos per scripta vestra testificatis, quod maritus pretacte domine venit ad eam in bona ipsius hereditaria nichil inponando ad eam, nisi tantum id, quod laboribus suis propriis aquisisset, si tunc civitas vestra Crasnistaw talibus munimentis regalibus et privilegiis est dotata, quod quivis civis vestre civitatis testamentum facere et ultimam voluntatem disponere posset coram duobus aut pluribus consulibus, extunc talis ultima voluntas habet vigorem; sed si talibus privilegiis caret, extunc pocius circa inscripcionem coram consulibus in anteafactam causa pocius manere debet. Et ex eo sentencia Sandomiriensis cassa est et irrita, de forma iuris scripti.

Der Mann, von dem berichtet wird, hat in das Erbgut seiner Frau eingeheiratet und hat nichts in die Ehe eingebracht, außer dem, was er selbst erarbeitet hat. Wenn der Stadt ein Privileg gegeben ist, dass ein Bürger ein Testament errichten und seinen letzten Willen vor zwei oder mehreren Ratsherren bestimmen kann, dann hat dieser letzte Wille Bestand. Existiert hingegen kein derartiges Privileg, dann soll die zuvor vor den Ratsherren vorgenommene Eintragung Bestand haben. Offensichtlich wurden in dieser Stadt Auflassungen und Grundstücksgeschäfte vor dem Rat vorgenommen. Wir erfahren allerdings nicht, was in das Buch eingetragen wurde, ob es sich etwa um ein Testament oder eine Auflassung handelt. Weiterhin wird von der Möglichkeit der Testamentserrichtung vor zwei Ratsherren berichtet, soweit ein Privileg dies erlaubt. Hervorgehoben wird die ultima voluntas, also der freie Wille; von einer notwendigen Zustimmung der Erben wird nichts gesagt. Einmal mehr wird in einem Spruch unseres Gerichts von erarbeiteten Gütern berichtet. 449 Das Privileg deckt zumindest die Testierfreiheit über das Kaufgut ab. 447 Nr. 482, Sentencia de Cracovia (27.8. 1462): Sint dem mol daz desis testament, von deme ir uns schreibit, Clysz, etwan ewer mitborger dem Got gnode, in seynem totbette leginde gemacht hat und auch doselbist deze vormfmden, von den ir uns auch schreibit, seynen kindern gekorn hat und diz nicht noch ordenunge dewtschis mayd(eburgischen) rechtis geton hat, alzo daz her is vor gehegtim dinge, ee her starb, hette losen bestetigin, und Ambrosius Zontag mit seynem weibe doselbist stehnde off frischir tat wedirsprochen und gehemnt hat dasselbe testament und dy vormnden eyn sulchis testament, dy weile Clysz leybte und lebte, von der wedirsproch und hemunge des genanten Ambrosii und seynis weibis nicht gefreyet haben, zo mo gen sy is auch nw nicht noch seynem tode gefreyen noch auch daz testament, am totbette wedir geschrebin recht gemacht, mag bestendig seyn von rechtes wegen. Und in deme sal des scheiders onil vorgang, bundt und kraft haben. Zint auch daz sulche testament, dy am totbette gemacht werden in deme gemeynen gespreche, czu Pyothrcow gebrochin seyn, alz denne daz uns unsir gnediger her der Konig in seynen koniglichin bryfin offinbar schreibit. 448 Nr. 744, Sentencia de Crasnystaw (22. 1. 1466). 449 Zu einer ähnlichen Konstellation siehe Nr. 971, Sentencia de Usscze (4. 7. 1468). Hier darf der Mann ein gemeinsam erarbeitetes Haus, welches aber nur ihm aufgelassen ist, im Totenbett seiner Frau als Nießbrauch überlassen, da es ja dadurch nicht seinen Verwandten entzogen werde. In diesem Fall kommt es zu einer erneuten Anfrage, wobei es dann um das Beweisrecht geht, Nr. 988, Sentencia de Uscze (20. 8. 1468): Quod ex quo prius decrevimus nostra sentencia mediante, quod is homo bene potuit dare bona sua uxori sue ad tempora vite

VI. Testamente

177

Ob es auch die letztwillige Verfügung über Erbgut gestattete, kann nicht gesagt werden: Einerseits wird das eingebrachte Gut speziell als Kaufgut bezeichnet, andererseits wird durch die Wendung ... quod quivis civis ... keine Einschränkung vorgenommen. Eine Zusammenschau mit dem Magdeburger Spruch für Breslau legt die Vermutung nah, dass auch in Breslau die Testierfreiheit über das Kaufgut auf einem Privileg beruhte. Die Beispiele verdeutlichen, dass auf die Einhaltung der Formerfordernisse strengstens geachtet wurde. Das freie, eigenhändige Testament hat sich noch nicht durchgesetzt. 45o Loening erörtert, ob die Formstrenge der Testamente mit der Vergabe von Todes wegen zusammenhängt, und verneint dies, weil beide Institute nicht in einem Entwicklungszusammenhang stünden. 451 Er sieht den Grund vielmehr in der Übernahme "alten germanischen Rechts", dass niemand seine Erben durch Verfügungen rechtlich binden könne. Damit der Testator der Durchsetzung seines Willens sicher sein konnte, sei die gerichtliche Form erforderlich, denn "nach alt-germanischem Recht war es üblich, dass sowohl Verträge als auch einseitige Willenserklärungen vor Gericht verlautbart wurden, um dadurch eine sichere Gewähr für ihre Ausführung zu gewinnen". Meines Erachtens liegt die Formstrenge in dem Bestreben begründet, Güter, und insbesondere ererbtes Gut, innerhalb der Familie zu bewahren. Eine freie Verfügungsbefugnis ist gesellschaftlich noch nicht allgemein erwünscht. Daher gelten tantummodo utifruendum, non tamen a propinquis alienandum, extunc hoc hiis hominibus ipsa Dorothea docere debet, qui interfuerunt testamento, sive sint ex consulatu sive ex scabinis, de forma iuris. 450 Es findet sich aber ein Magdeburger Spruch, bei dem die Schöffen ein formungültiges Testament als gültig ansehen, wenn alle Beteiligten zustimmen. Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche, II, No. 28: ... Hejft Czander Peytzs nach Cristi, unses heren, gebort der mynretal ime neghen und sestigesten jare frouwen Agneten, siner eelike husfrouwen, de helffte alle siner gudere na sineme dode in gehegeder bangk vor richtere und scheppen also gegheven, dat he, de wile dat he levet, eyn here der gudere bliven wolde, isz denne deme sulven Czander Peytzs damach in etliken tyden eyne enghestliken kranckheit angekomen, und hejft he in den sulven enghestliken noden eyn testament gesath und etlike bescheydinge gedan, und isz dat sulve testament vor eynen openbaren schrivere und vor getugen, so sick ime rechten behoret, edder in solken steden, dar dat crajft und macht hejft, nicht gesath, bestalt noch gemaket, so steith dat by sinen erven und by ju von der stad wegen und ok by Agneten, siner nagelatenen wedewen, ejft gy und se dat testament und selegerede holden willen. Wolde aver frouwe Agnete, des gnanten Czander Peitzs nagelatene wedewe, und gy von der stad wegen to solkem testamente juwen willen nicht gheven noch dar inne fulborden, so kann sulk testament frouwen Agneten an oreme geghiffteden gude noch ju an der stad gerechticheit, de gy an deme sulven gude hebben moghen, nicht hinderlik noch schedelik gesin. Von rechtis wegen. Vorsegilt mit unseme ingesegil. Loening, Testament, S. 91 f. möchte aus dieser Stelle schließen, die Magdeburger Schöffen hätten Testamente zugunsten der Kirche vor Zeugen anerkannt, was er auf das römische Recht zurückführt. Dies kann aus dieser Stelle nicht geschlossen werden. Man wird aber wohl davon ausgehen müssen, dass die kirchlichen Gerichte andere, geringere Anforderungen an die Form gestellt haben. 451 Loening, Testament, S. 93. 12 Obl.den

178

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

selbstverständlich für das Testament dieselben Voraussetzungen wie für jede andere Form der Weggabe von Familiengut. Hinzu kommt das Schutz- und Machtinteresse der weltlichen Obrigkeit gegenüber dem Bestreben der Kirche, die eigene Machtposition durch Grundbesitzerwerb zu erweitern. 452 Die zahlreichen Urteile und Rechtsweisungen, die Formerfordernisse des Testaments zum Inhalt haben, verdeutlichen weiterhin: Trotz des Widerstands des Krakauer Oberhofs und des Festhaltens an den Voraussetzungen, die für jedwede Vergabe von Gütern gelten, wird eine Abkehr vom zweiseitigen Geschäft vor gehegtem Ding deutlich. Privilegien ermöglichen eine Hinwendung zum einseitigen, letzten Willen - die eigene Persönlichkeit, der individuelle Wille, wird stärker respektiert. 453

2. Inhaltliche Bestimmungen in Testamenten Im ersten Spruch kommt das Bestreben zum Ausdruck, vor einer gefahrvollen Unternehmung Anordnungen für den Fall des eigenen Versterbens zu treffen. Die Testamentserrichtung kann dabei mit der Bedingung versehen werden, dass das Testament nur dann wirksam werden soll, wenn sich die konkrete Gefahr realisiert: 454 Sinterczeit das Hannus Beem der rimer seyn testament gemacht hot mit undirscheit nort 0/ den Rom weg, ap her do st(rbe und nicht, seynen lecztin willen an undirscheit und her wider komende dy guttir wider genomen hot in seyn gewer und domitte gethon hot, wy her gewolth hot . ..

Hannus Beem hat ein Testament unter der Bedingung errichtet, dass er die Romfahrt nicht überlebt. Seinen letzten Willen hat er hingegen bedingungslos dargetan. Nunmehr ist er zurückgekehrt und hat die Güter wieder in seine Gewere genommen. Mit diesen kann er nach seinem freien Willen verfahren. Eine Pilgerfahrt - zumal bis nach Rom - war ein wagemutiges und gefahrvolles Unternehmen. Daher sollte für den Fall, dass man nicht zurückkehrte, Vorsorge getroffen werden. Andererseits sollte die uneingeschränkte Befugnis an den eigenen Gütern für den Fall der Wiederkehr gewährleistet sein. 455 Im nächsten Spruch geht es um die Teilungsanordnung, die in einem Testament getroffen wird: 456 452 Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Problem des Gütererwerbs durch die ,Tote Hand' in den Städten. Hierzu einführend Ogris, Tote Hand, HRG V, Sp. 281 f., mit weiteren Nachweisen. 453 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Zusammenspiel von Recht (Gewohnheit) und obrigkeitlicher Normsetzung (Gebot). Siehe hierzu Schlussbetrachtung, 11. c), sowie einführend W. Ebel, Geschichte der Gesetzgebung. 454 Nr. 565, Sentencia de Cracovia (9. 12. 1463). 455 Von einem Parallelfall berichtet Hagemann, Basler Rechtsleben H, S. 205, 208. 456 Nr. 1011, Sentencia de Rzeschow (12.11. 1468).

VI. Testamente

179

Quod si Strzampca pie memorie testamentum fecit, uti iuris est, in quo testamento recognovit, quod cumfratre suo Paulo Royekfuit indivisus de patrimonio, quod habuerunt inter se, ideo pueris fratris suis Jiliastrici braseatorium dedit et Jiliastro Stanislao duas partes domus, uxorique sue terciam partem domus; et si tune pueri cum matre existentes in possesione domus iuxta testamentum tenuerunt annum et diem in pace absque inpedimento ipsius Ieronimi, et postea predicti pueri decesserunt ab hac luce, extunc predicta bona pociori iure in sinum matris post obitum puerorum devenerunt, quam quod ipse Ieronimus ipsam inpedire posset, de forma iuris.

Strzampca hat sein Testament errichtet. Darin hat er anerkannt, mit seinem Bruder Paulus unabgeteilt in dem väterlichen Erbgut gelebt zu haben. Er hinterlässt den Kindern seines Bruders, seinen Stiefkindern, die Brauwirtschaft und dem Stiefsohn Stanislaus zwei Teile des Hauses. Seine Frau erhält den dritten Teil des Hauses. Wenn nun die Kinder mit der Mutter das Haus nach dem Inhalt des Testaments Jahr und Tag in Besitz gehalten haben, ohne dass Ieronimus gegen sie vorgegangen ist, und die Kinder später gestorben sind, dann fallen die Güter mit besserem Recht in den Schoß der Mutter. Ieronimus kann dagegen nicht angehen. Die Kinder des Bruders werden als Stiefkinder des Strzampca bezeichnet. Daraus ist zu schließen, dass er die Witwe seines Bruders geheiratet hat. Anderenfalls wäre er sicher nur als tutor und nicht als Stiefvater der Kinder bezeichnet worden. Eindeutig wird hier mit der Erbfolgeregelung zugleich eine Teilungsanordnung getroffen: Strzampca hat ein Testament angefertigt, in dem die Aufteilung der väterlichen Güter angeordnet wird. Darin bedenkt er seine Stiefkinder mit der Brauwirtschaft und eines der Kinder, nämlich Stanislaus, mit zwei Dritteln des Hauses. Seiner Frau lässt er ein Drittel des Hauses zukommen. Für den Fall seines Todes hat er testamentarisch seine Familie in unterschiedlicher Weise bedacht. Durch den Tod der Kinder erlangt seine Witwe die Güter (sog. Schoßfall)457. Offenbar hat er aber die Erbfolge so angeordnet, dass einer seiner nächsten Verwandten ausgeschlossen ist, denn Ieronimus erhebt Einspruch, macht also das Recht der nächsten Erben geltend. Wer dies ist, lässt sich dem Eintrag des Schreibers nicht entnehmen - vielleicht ein weiterer Bruder. Ieronimus hat es aber zunächst unterlassen, seinen Einspruch gegen das Testament vorzubringen, weshalb es ihm nun auch verwehrt ist, sich gegen den Verbleib der Güter bei der Witwe zu wenden. Ein Spruch vom 20. Februar 1469 berichtet von der testamentarischen Einräumung eines Nießbrauchrechts: 458 Quod si Iaross a principio cause, quando querela facta est, et domina respondit defendens se testamento, ipse Iaross protune contra huiusmodi testamentum non contradixit, quod non factum fuisset coram banito iudicio aut sesso consulatu, nec et pro illa vice infra annum et diem non contradixit, sed permisit dominam cum pueris suis utifrui bonis eisdem 457 458

12*

Vgl. hierzu B. I. 3. Nr. 1032, Sentencia de Rzeschow.

180

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

testamentaliter donatis annum et diem, extunc causa circa priorem nostram sentenciam iuris supremi manere debet, de forma iuris.

Die Frau verteidigt sich mit dem Testament gegen die Klage des Iaross. Dieser hatte ursprünglich nicht eingewandt, das Testament sei nicht vor gehegtem Ding oder sitzendem Rat errichtet worden. Er hat es auch unterlassen, innerhalb von Jahr und Tag zu widersprechen; vielmehr hat er der Frau mit den Kindern den Nießbrauch der Güter gewährt, wie es im Testament bestimmt ist. Daher soll es beim ersten Urteil bleiben. Der Spruch zeigt wieder, dass die für Auflassungen geltenden Regeln auf das Testament übertragen werden. Ist die Frist von Jahr und Tag verstrichen, kann man sich auch nicht mehr gegen ein form ungültiges Testament wenden. Der nächste Spruch belegt die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, die die Errichtung eines Testaments bot. Hier wird nicht von einem dotalicium als Kompensation für das eingebrachte Gut der Frau, sondern von einer anderen Ausgleichslösung berichtet: 459 Quod ex quo Mathias in sue egritudinis lecto iacens testamentaliter recognovit, quod Osanna uxor sua legittima, dum ipsam matrimonialiter duxit in uxorem, XV marcas cum duabus vaccis et quinque mensuris siliginis ad ipsum importasset, racione cuius ipse Mathias prefate uxori sue predicta importata tam in pecuniis quam eciam in aliis bonis et rebus recognitis super partem sue domus, in qua residebat, cum omni iure, sicut solus eandem lucratus est in iure supremo, habere legavit; hoc libens facere potuit, quia in eo contra ius scriptum nichili fecit; eciam alia, quecunque idem Mathias prefate Osanne uxori sue ac suis pueris legittimis eosdem ad nutriendum in eodem suo testamento legaverat, similiter et sue filie, eadem vim et vigorem obtinebunt ...

Mathias hat, krank im Bett liegend, testamentarisch anerkannt, dass seine Frau ihm in die Ehe 15 Mark sowie zwei Kühe und fünf Maß Winterweizen gebracht hat. Mit Rücksicht darauf hat Mathias seiner Frau das benannte Eingebrachte, sei es in Geld, sei es in anderen Gütern und Sachen, darüber hinaus den Teil des Hauses, in dem er wohnt, mit allen Rechten, so wie er das Haus selbst genutzt hat, vermacht. Er ist frei dies zu tun, weil es nicht gegen das geschriebene Recht verstößt. Und das andere, was Mathias seiner Frau und seinen Kindern wie auch seiner Tochter zum Lebensunterhalt in seinem Testament vermacht hat, soll Kraft und Bestand haben. Wir finden erneut Bestätigung für eine bereits angestellte Vermutung: Was die Frau als Heiratsgut mit in die Ehe bringt, verbleibt grundsätzlich bei ihrem Mann und fällt bei seinem Tode nicht an die Witwe zurück. Mathias war bestrebt, seine Frau und die Kinder für den Fall seines Todes abzusichern. Insbesondere aber möchte er einen Ausgleich für die eingebrachten Güter der Frau schaffen. Mit der Begründung, die Vorgehensweise des Mathias verstoße nicht gegen das geschriebene Recht, gehen die Schöffen von der Gültigkeit des Testaments aus. 459

Nr. 404, Sentencia de Proschowicz (22. 5. 1461).

VI. Testamente

181

Wir erfahren nicht, warum das Testament trotz der unüblichen Form der Errichtung wirksam ist, können aber davon ausgehen, dass der anfragende Ort ein besonderes Privileg geltend machen kann. In einem Spruch nach Kazimierz steht ein Testament mit einer zuvor getätigten Auflassung in Konflikt: 46o Quod ex quo Borzichna per duas efficaces litteras dominorum consulum Kazimiriensium sigillo civitatis munitas et roboratas docet sufficienter, prima scilicet per primam litteram docet, quomodo ortus in Blechi continens Mathie Chmelars et uxori sue legittime, videlicet ambabus personis, est resignatus, per secundam vero litteram docet clare, quod idem Mathias Chmelars eundem ortum et hereditatem in Blechi aliaque omnia sua bona mobilia et immobilia magna et parva, que ibi habuit et habiturus esset, omnes suos consangwineos, quocunque, vocarentur nomine, secludendo, Borzichne uxori sue legitime perpetue habenda, tenenda et in usus uberiores convertenda libere resignavit; et ex quo eadem Borzichna eadem resignata bona tempore sui mariti et post ipsius decessum facta resignacione absque quorumvis impedimento tenuit per annum et diem et ultra in sua quieta possessione, nullo penitus contradicente, prout patet ex predictarum domino rum consulum litterarum Kazimiriensium data, ac eciam ex quo sentencia domini officialis non sonat nec lata est contra Borzichnam, sed quod solum dominus officialis quoddam testamentum factum olim per predictum Mathiam Chmelars contra dominum prepositum suumque conventum apud Corpus Christi suam per sentenciam decrevit esse invalidum et inofficiosum etc., prout in eadem sentencia domini officialis lacius continetur, ideo eadem domini officialis sentencia ipsi Borzichne quoad ius suum minime nocere potest, sed ipsa Borzichna pretactum ortum et hereditatem cum reliquis bonis, que idem Mathias Chmelars ibidem in Blechi reliquit, iuxta tenorem litte ra rum pretactorum dominorum consulum ulterius pacifice sine quorumvis hominum impedimento debet libere possidere, de forma iuris scripti.

Borzichna hat durch zwei Schriftstücke der Ratsherren von Kasimierz, welche mit dem Siegel der Bürgergemeinde versehen sind, Folgendes hinreichend bewiesen: Das erste Schriftstück zeigt, dass der Garten in Blechus Mathias und seiner Frau, nämlich beiden Personen, aufgelassen ist. Das zweite Schriftstück beweist, dass Mathias den Garten und die Erbschaft und alle anderen beweglichen und unbeweglichen Güter, klein und groß, die er hat und haben wird, alle Verwandten, die genannt sind, ausschließend, seiner Frau für alle Zeiten zu besitzen und zu reichlichem Gebrauch aus freien Stücken aufgelassen hat. Borzichna hat zu Lebzeiten ihres Mannes und nach dessen Tode die aufgelassenen Güter ohne Einspruch Jahr und Tag in ihrem Besitz gehalten, ohne dass jemand widersprochen hätte, wie es durch die Briefe der Ratsherren ersichtlich wird. Auch das Urteil des Offizials ist nicht gegen Borzichna gerichtet, sondern das durch Mathias errichtete Testament wird für unwirksam erklärt. Das Urteil richtet sich gegen den Vorsteher und den Konvent Corpus Christi, wie in demselben Urteil des Offizial festgestellt wird. Deshalb kann das Urteil des Offizial ihrem Recht nicht im Geringsten schaden. Vielmehr kann sie den Garten und die Erbschaft mit den übri460

Nr. 234, Sentencia de Kazimiria (26.5. 1459).

182

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

gen Gütern, die Mathias in Blechus hinterlassen hat, gemäß den Schriftstücken der Ratsherren friedlich besitzen, ohne dass sie von irgendjemandem daran gehindert werden könnte. Zunächst hat der Mann seiner Frau alle Güter, auch die, die er noch hinzugewinnen wird, aufgelassen. Bereits zu seinen Lebzeiten hat sie die Güter besessen. Ausgeschlossen hat er hingegen seine Verwandten, was die Wirkung einer Enterbung mit sich bringt. Danach hat er aber - wohl zu seinem Seelenheil - zugunsten eines Klosters ein Testament errichtet. Nunmehr geht es um die Konfliktsituation, die beide Zuwendungen hervorgerufen haben. Doch offenbar hat nicht nur der Krakauer Oberhof zu entscheiden: Berichtet wird zugleich von einem Urteil eines Offizials, also eines gelehrten kanonischen Richters. 461 Auch das Offizialgericht verweigert dem Testament die Anerkennung. Das Testament müsste schon allein deswegen unwirksam sein, weil der Mann die Güter bereits zuvor seiner Frau aufgelassen hat. Ob darüber hinaus weitere Mängel vorliegen, ist unbekannt. Deutlich wird in diesem Spruch weiterhin die klare Abgrenzung einer resignacio von einem testamentum. Den Krakauer Schöffen war die Unterscheidung beider Rechtsinstitute offensichtlich bewusst. Mit Blick auf das Gerichtsverfassungsrecht ist hervorzuheben, dass in der streitigen Sache zwei Gerichte angerufen wurden: das Offizialgericht sowie der Krakauer Oberhof. Die Kirche beanspruchte die Zuständigkeit in Testamentsangelegenheiten für sich; doch konnte sie eine alleinige Gerichtskompetenz nicht durchsetzen. In unserem Fall tritt zudem der Umstand hinzu, dass eine geistliche Institution in den Rechtsstreit verwickelt ist. Der Spruch führt uns vor Augen, dass es durchaus üblich war, mehrere Gerichte in derselben Sache anzurufen. 462 Der Gedanke eines übergeordneten Gerichts, welches letztendlich und verbindlich entscheidet, hatte sich noch nicht durchgesetzt.

3. Kurzer Ausblick

Ist bisher nur der erste Band der Edition Inhalt der Untersuchung gewesen, um eine vollständige, lückenlose Sichtung dieses Quellentextes zu ermöglichen, soll hier ein Ausblick auf den zweiten Band gegeben werden. Bereits der Blick in 461 Vgl. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 369 ff. mit umfangreichen Literaturangaben. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, S. 152 f., S. 451 ff. zur Abgrenzung der Zuständigkeit der weltlichen und geistlichen Gerichte bei Testamentssachen. In Krakau findet sich der Offizial ab dem Jahre 1255, in anderen polnischen Bistümern seit 1275. Der Offizial ist ausschließlich bischöflicher Richter, abberufbar und tritt im 14. Jahrhundert an die Spitze einer besonderen Kurialbehörde für die Justiz, des Offizialats, das vom Bischof seine eigenen Gerichtsstatuten erhält. Zuständig ist er für die streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit, in gewissem Umfang auch für die Strafrechtspflege. 462 Vgl. Planck, Gerichtsverfahren im Mittelalter I, S. 312. Siehe hierzu etwa den Fall bei F. Ebel, "Halue Bord scrikket nicht."

VI. Testamente

183

das Sachregister führt zu einem aummigen Ergebnis: Die Fälle zum testamentum machen im ersten Band 1 % aus, im zweiten Band sind es bereits 4 %. Die Urteile und Rechtsweisungen spielen im Vergleich zum dotalicium aber auch hier noch eine untergeordnete Rolle. Indessen ist eine Zunahme der Fälle in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erkennbar. 463 Anforderungen an die Form der Testamentserrichtung stehen dabei weiterhin im Vordergrund. Privilegien und Gewohnheiten zur Vereinfachung setzen sich indessen immer stärker durch, und verhelfen dem Testament damit allmählich zum Durchbruch. Es ist mehr als verständlich, dass man Testamenten zunächst mit Skepsis gegenüberstand; hätte doch ein formfreies und nicht öffentliches Testament ermöglicht, ohne die alte Familienbindung über Güter frei verfügen und von der traditionellen Erbfolge abweichen zu können. Daher wurde an den alten Formerfordernissen und dem Einspruchsrecht der nächsten Verwandten festgehalten. Die Loslösung des Einzelnen aus der Familienbindung und die Individualisierung nehmen zwar stetig zu, sind aber noch nicht vollends ausgeprägt. Die gesellschaftliche Umbruchsituation wird durch das zunehmende Testamentswesen ein weiteres Mal sichtbar. 464 Die Spruchpraxis der Krakauer Schöffen zum Testamentswesen kann zudem als ein Mosaikstein für die Rezeptionsforschung gesehen werden. Die Rahmendaten und Grundpfeiler dieses rechtshistorischen Phänomens sind bekannt. 465 Das Aufkommen und die Verbreitung des Testaments sind ein wichtiger Indikator für das Fortschreiten der ,praktischen Rezeption'. Übernommen wird zunächst nicht das Rechtsinstitut in seiner gesamten materiellrechtlichen Ausgestaltung. Vielmehr werden überkommene Rechtsregeln beibehalten, das neue Gedankengut wird behutsam integriert. Das Testament fungiert dabei als Vehikel zur flexibleren und individuelleren Verfügung über das eigene Vermögen. Das Beharren auf gängigen Formerfordernissen sollte dabei nicht als Konservativismus gewertet werden. Die Schöffen versuchen vielmehr, einen Ausgleich zwischen der noch fest verwurzelten Rechtstradition und den neuen Bestrebungen zu finden. 466 Um die Idee einer individuell gestalteten Erbfolge zu verwirklichen, bediente man sich zunächst bekannter Rechtsformen. Das Testament kam dem Bedürfnis entgegen, die Erbfolge individuell zu regeln. Zunächst war das neue Rechtsinstitut aber noch eingebettet in die überkommenen Formerfordernisse. 463 Vgl. Hagemann, Basler Rechtsleben 11, S. 208, der für Basel zu gleichen Ergebnissen gelangt. 464 Festgestellt wurde dieser Umbruch bereits in dem Bestreben, von der Niftelgerade Abstand zu nehmen sowie bei den Vergabungen. Siehe B. 11. 2. d); V. 5. 465 Siehe eine Zusammenführung der bisherigen Forschung bei Sellert, Rezeption. 466 Die fonnellen Anforderungen boten auch Schutz vor Missbrauch: Das freie, eigenhändige Testament, welches nicht mehr von der Zustimmung der nächsten Erben abhängt, bietet die Möglichkeit, bis zum Tode des Testators auf diesen manipulativ einzuwirken.

184

B. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs

Eine treibende Kraft der Rezeption war bekanntlich die Kirche. 467 Eines ihrer Motive war die Durchsetzung eigener Interessen mithilfe der neuen Strukturen. Erkennbar wird dies in der Förderung des Testamentswesens, welches ihr durch die Seelgerätsstiftungen erheblichen Zuwachs an Gütern bescherte: Eine soziale Komponente der Rezeption wird sichtbar.

467

Siehe hierzu Trusen. Anfange des gelehrten Rechts.

C. Schlussbetrachtung

I. Ehegüterrecht und Versorgung 1. Die Krakauer Spruchpraxis Teil des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises Die Urteile und Rechtsweisungen des Krakauer Oberhofs zeigen die Zugehörigkeit des Gerichts zum sächsisch-magdeburgischen Rechtskreis. Der Bewidmung mit deutschem Recht folgten dessen tatsächliche Aufnahme und Anwendung. Dabei wurde nicht nur das Ehegüterrecht rezipiert; Rechtsfragen, die sich im Umfeld güterrechtlicher Probleme stellten, wurden ebenfalls nach sächsischem Recht entschieden. Grundlegende Institute und Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Magdeburger Schöffenstuhls sind fest in der Krakauer Spruchpraxis verankert: Das gleichberechtigte Erbrecht der Töchter, die differenzierte Behandlung von Erbgut und Kaufgut, die Weiterentwicklung von Morgengabe und Leibgedinge zu einem neuen Versorgungsinstitut sowie Vergabung und Testament sind markante Beispiele. Daneben ist allerdings auch eine zunehmende Anerkennung regionaler Rechtsgewohnheiten, Willküren oder Privilegien zu erkennen. Das deutsche Recht wird von den Krakauer Schöffen mit großer Souveränität angewandt. Ihre Entscheidungen bezeugen fundierte Rechtskenntnisse und sind, soweit ersichtlich, frei von Widersprüchen. Der Forderung der Gründungsurkunde des Oberhofs, sie sollten in dicta iure Maydeburgensi periti sein, werden sie damit in vollem Maße gerecht. Da sich das Schöffenkollegium zunächst überwiegend aus Vögten und Schulzen aus dem Umland Krakaus zusammensetzte, die an ihrem Ort auch eigene Gerichtsbarkeit ausübten, ist anzunehmen, dass auch die unteren Gerichte das deutsche Recht beherrschten. Ein Teil der Schöffen rekrutierte sich aus dem Krakauer Bürgertum; auch die Bürgerschaft vermochte demnach, hinreichend rechtskundige Personen für das Schöffenamt zu stellen. In der Bevölkerung waren ebenfalls solide Kenntnisse des deutschen Rechts vorhanden. Erkennbar wird dies einmal in den Entscheidungen, die auf eine Schelte hin ergehen. In fast einem Drittel dieser Fälle entschieden die Schöffen zugunsten des Schelters. I Die Personen, die die Schelte und somit ihre eigene Rechtsansicht vortrugen, müssen also ebenfalls - und sei es durch die Konsultation rechtskundiger Personen - im deutschen Recht erfahren gewesen sein. Auffällig ist zum anderen, dass in den meisten Fällen nicht wegen der Grundlinien des Rechts beim OberI

V gl. Lysiak/ Nehlsen-van Stryk, Decreta iuris, Einleitung, S. XXV.

186

C. Schlussbetrachtung

hof angefragt wird; diese sind bekannt. Es geht in den oft schwierigen und komplexen Fällen um detaillierte Einzelfragen. 2. Ehegüterrechtliche Entwicklungstendenzen

Da sich die Ehegatten nach dem sächsisch-magdeburgischen Recht nicht gegenseitig beerben, bediente man sich zur Absicherung auf den Todesfall der erörterten Rechtsinstitute. Wie lassen sich diese in ein Gesamtbild einfügen? Zwei strukturell verschiedene Modelle sind denkbar: Eine besondere, regionale Gewohnheit im Südosten Kleinpolens ist das Dritteilsrecht, welches nicht Bestandteil der Magdeburger Spruchpraxis ist und nur in wenigen Rechtsbüchern, wie etwa dem Meißener Rechtsbuch, überliefert wird. 2 Nach dem Dritteilsrecht fallen die Güter der Ehegatten mit der Hochzeit zusammen. Individuelle Absprachen sind nicht erforderlich. Nach dem Tode eines Ehegatten wird das Vermögen nach Quoten aufgeteilt. Wahrend der Mann bei Versterben der Frau zwei Drittel der gesamten Vermögensmasse erhält, steht der Frau im umgekehrten Falle nur ein Drittel zu. Ausgeschlossen ist die Vereinbarung eines dotalicium. Auch die Gerade ist dem Dritteilsrecht fremd und wird von den Schöffen ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt. Das Dritteilsrecht ist ein schlichtes, aber auch starres Rechtsinstitut: Es sieht für jede Ehe - wie unterschiedlich die Vermögensverhältnisse auch sein mögen - eine einheitliche Lösung vor. 3 Andererseits ist hier die Witwe Teil der Erbengemeinschaft; sie partizipiert arn gemeinsamen Vermögen. Wesentlich weiter verbreitet waren die dem sächsisch-magdeburgischen Recht entlehnten Rechtsinstitute, die feste Regeln und individuelle Vereinbarungen miteinander verknüpfen. Danach fallen die Immobilien grundsätzlich an die nächsten leiblichen Verwandten des verstorbenen Ehegatten. Die Fahrnis zerfällt im Wesentlichen in Heergewäte und Gerade. 4 Die Aufteilung in diese beiden Vermögensmassen ist nicht abdingbar und weder Gerade noch Heergewäte stehen in ihrer Ausgestaltung zur Disposition der Ehegatten. Fahrnisgüter, die weder der Gerade noch dem Heergewäte zugehörig sind, fallen an die Mannesseite, sofern die Frau sie zu ihrem Mann in die Ehe gebracht hat. 5 Zu Einzelheiten siehe B. IV. Zu abweichenden Vereinbarungen im Dritteilsrecht siehe B. IV. 2. c). 4 Siehe hierzu z. B. Nr. 900, Sentencia de Landishutt (30. 10. 1467) zum Dritteilsrecht, aus der dies mittelbar hervorgeht. 5 Siehe etwa Nr. 939, Sentencia de Sandomiria (23.2. 1468). Dort wird von der Gerade berichtet, die der Ehemann an die nächste weibliche Verwandte seiner verstorbenen Frau herauszugeben hat. Zu den übrigen Gütern heißt es: alie vero res in querela descripta pertinent ad hereditatem aut ad bona mobilia, ista non tenetur restituere, de forma iuris. Nr. 978, Sentencia de Landishutte (30.7. 1468): Sint der czeit das dy tote frawe iren elichen man hot mechtig gemacht, ir vatirlich guth eynczu fordern of dem stand erbe, und her mit der selbin macht eyn teyl des selbin vaterliches guttes gehabin und das andir teyl ist noch of dem selbin 2

3

I. Ehegüterrecht und Versorgung

187

Von dieser festen, grundsätzlich unabdingbaren Ausgangslage standen verschiedene Wege offen, um der Witwe eine angemessene Versorgung zu ermöglichen: In vielen Fällen wurde ein dotalicium vereinbart. Statt dessen konnte die Witwe auch durch Vergabung oder Testament abgesichert werden, die inhaltlich höchst unterschiedlich ausgestaltet waren. Im Unterschied zum dotalicium eröffneten Vergabung und Testament die Möglichkeit, Einfluss auf die Erbfolge zu nehmen und von den geübten Rechtsgewohnheiten abzuweichen. An die Stelle der Versorgungsinstitute konnte so die Teilhabe am Erbe treten. Insgesamt zeichnet sich eine Hinwendung zur Kemfamilie und eine Abkehr von der Großfamilie ab: 6 Das vermehrte Auftreten von Vergabung und Testament stärkt die Position der Frau innerhalb der Familie: Wenn sie Gerade und dotalicium erhielt, stand sie außerhalb der Erbengemeinschaft. Vergabung und Testament ließen sie dagegen am Erbe ihres Mannes partizipieren. Oftmals wurden die nächsten stand erbe blebin, als ir wns schreybet, unde zo denne solches geldes eyn teyl of dem selbin stand erbe ist blebin unde der man das eyn seyn gewer nicht folkomlich gehabin hot, so seynt seyner gestorbin frawen neeste frunde neher czu dem obrigen gelde, das der man yn seyn gewer nicht gebrocht hoth, das czu hebin, wenn sy der man mit der vorstorbin macht dor von getreybin mochte. Von rechtes wegin. Vgl. auch Kisch, Leipziger Schöffenspruchsammlung, Nr. 44: Schöpfen zu Leipzig: Hat N., euer bruder; euers weibs schwester zu der ee genomen, das sie wittib was, und ist er zu ir in ir gut komen; was sie dann an farender habe gehabt hat, daran hat pillich euer bruder von stund an ganz recht und gerechtigkeit erlangt und es ist sein aigen gut worden . .. ; Behrend, Magdeburger Fragen, Beilage III, Th. 29: ... Was dy frawe gereytis geldis czu erem manne brochte, das bedarf! man ir nicht wedir geben, wenne das gelt was seyn, do her is in seyne gewere brochte und war man von rechtis Meydeburgischem rechte wegen. Ferner Laband, Systematisches Schöffenrecht, IV 11, 18; zugleich Leman, Das alte kulmische Recht, IV, XVIII. Aus dem Sachsenspiegel kann man wohl Ssp. Ldr. I, 31 § 1 sowie Ssp. Ldr. III, 76 § 2 heranziehen. Man könnte auf den Gedanken kommen zu fragen, warum dann die Frau in vielen Fällen der ehelichen Vergabungen ihr gesamtes Gut ausdrücklich ihrem Mann überträgt, käme er doch ohnedies in den Genuss der Fahrnis. v. Martitz sieht dies als ein Argument für die Existenz des Sondergutes an. Erst wenn sich die Frau etwas vorbehalten habe, könne sie dies dem Mann übertragen. Diese Überlegung ist indessen sehr konstruiert und umständlich. Wahrscheinlicher ist, dass schlicht etwas individuell geregelt wurde, was ohnedies nach dem geübten Recht die Regel gewesen wäre. Dies ist ja auch heute in Testamenten sehr häufig der Fall. 6 Dilcher; "Hell, verständig", S. 26 ff. macht dies als typische Entwicklung der Stadtrechte aus. Er stellt die kaufmännische oder gewerbliche Hauswirtschaft der Kleinfamilie der boden wirtschaftenden patrilinearen Verwandtschaft gegenüber. Er macht seine Kritik daran fest, die alte Literatur habe versucht, ein einheitliches deutsches Recht zu erschaffen. Dabei habe man dann nicht nur die regionalen Unterschiede der Rechte verkannt, sondern insbesondere den Unterschied von Stadt und Land zu wenig beachtet. Unserer Quelle kann die Unterscheidung von Stadt und Land in dieser Schärfe nicht entnommen werden. Doch Dilcher; "Hell, verständig", S. 15 sagt zum Siedlerrecht selbst: "Dieser Bereich ist gekennzeichnet durch Fehlen alter civitas, durch ein Siedlungssystem von Marktstädten, Ackerbauerstädten und befreiten Kolonistendörfern mit der Dominanz von Magdeburger Recht, welches StadtLandverhältnisse gerade rechtlich anglich - dies auf der einen Seite; durch den langdauernden, dominanten Einfluß eines früh und auf hohem Niveau schriftlich aufgezeichneten Landrechts, des Sachsenspiegels, auf der anderen Seite."

188

C. Schlussbetrachtung

Verwandten des Mannes entweder vom Erbe ganz ausgeschlossen oder konnten - wenn die Ehe bekindet war - erst nach der Witwe oder gemeinsam mit ihr das Erbe antreten. Erste Anzeichen eines Ehegattenerbrechts werden sichtbar. Die Abkehr von der Großfamilie und die verstärkte vermögensrechtliche Fürsorge für die eigene, selbst gegründete Familie wird auch durch die in vielen Fällen erstrebte Umgehung der Niftelgerade deutlich. So versuchten viele Frauen, die Gerade für den Fall ihres Todes auf ihren Mann oder ihre Kinder zu übertragen; dass Alltagsgegenstände an eine vielleicht nur entfernte Verwandte fallen sollten, wurde nicht mehr allgemein akzeptiert. Den gesellschaftlichen Veränderungsbestrebungen werden allerdings durch die Krakauer Schöffen noch klare Schranken gesetzt: Die Gerade darf nur auf den Mann übertragen werden, wenn ein Privileg dies ausdrücklich zulässt. Bei Vergabung wird strikt auf die Einhaltung des Zustimmungsrechts der nächsten Verwandten geachtet. Und auch an das Testament werden formellrechtliche Anforderungen geknüpft. Diese Spruchpraxis darf man indessen nicht als Konservativismus oder gar starres Verharren bei überkommenen Gewohnheiten deuten. Durch ihre konsequente Haltung wird die Rechtsprechung berechenbar. Eben weil die für gültig erachteten Rechtsregeln auch rechtlich durchgesetzt werden, verhelfen die Schöffen dem Recht zu Stabilität. Wenn sich etwa eine Frau als nächste weibliche Verwandte an den Oberhof wandte, weil ihre Schwester die Gerade ihrem Mann übertragen hatte, konnte sie auch davon ausgehen, dass die Schöffen ihr Recht gaben. Da die Schöffen aber zugleich Privilegien und regionale Gewohnheiten akzeptierten, versperrten sie einer Weiterentwicklung des Rechts nicht den Weg. War eine Stadt durch Privileg von der Niftelgerade befreit, wurde auch diesem Recht zur Durchsetzung verholfen. Diese Rechtspraxis ist ausgewogen und umsichtig; sie ermöglicht eine behutsame Weiterentwicklung des rechtlichen Gefüges, ohne es aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie verdeutlicht zugleich, dass die Schöffen die Weiterentwicklung des Rechts nicht für ihre Aufgabe halten. Zwar akzeptieren sie neues, legitimiertes Recht. Antreibende Kraft der Rechtsfortbildung sind indessen die Bürger selbst, indem sie durch Willkür Recht schaffen, oder aber die Obrigkeit, die durch den Erlass von Privilegien eine Veränderung der überkommenen Rechtsgewohnheiten förderte.

3. Die güterrechtliche Ahsicherung der Witwe

Versucht man, die vermögensrechtliche Lage der Witwe im Ganzen zu beurteilen, stellt man fest, dass diesem Versuch durch die Quelle klare Grenzen gesetzt sind. Zwar konnten wir komplexe Strukturen der ehegüterrechtlichen Absicherung erarbeiten; es fehlt jedoch an sozialgeschichtlichen Vorarbeiten, die erlaubten, dieses Regelungsgefüge mit konkreten Zahlen anzureichern. Wegen der anonym bleibenden Personen und der Abstraktheit der Entscheidungen sind die Vermögensverhältnisse der Beteiligten nicht ersichtlich. Auch fehlen genaue Angaben über den

I. Ehegüterrecht und Versorgung

189

Wert der Vermögensgegenstände, mit denen Frauen nach dem Tode des Mannes bedacht wurden. Eine Annäherung an diese Frage ist allerdings durch erneute Beleuchtung gefundener Ergebnisse möglich, wobei freilich von einheitlichen, schablonenartigen Lösungsmustern abzusehen ist? Neben der mit dem Tode des Mannes anfallenden Gerade beruhte die Absicherung der Witwe vornehmlich auf individuellen Vereinbarungen, die im Rahmen der abgesteckten Rechtsinstitute getroffen werden konnten. Die Existenz dieser differenzierten Rechtsmaterie spiegelt einen gesellschaftlichen Regelungsbedarf wider: Es wurde demnach als wichtig erachtet, die Frau für den Fall des Todes ihres Mannes abzusichern. Betrachtet man dotalicium und Vergabung oder Testament von ihrer funktionalen Seite, so geben sie Auskunft über die unterschiedlichen Auswirkungen auf das Alltagsleben der Witwe; denn neben dem finanziellen Aspekt ist auch die Fortführung des bisherigen Familienlebens von Bedeutung. Vielfach haben wir bei der Besprechung des dotalicium erfahren, dass die Witwe das Erbe des verstorbenen Mannes zu verlassen hatte, weil die nächsten Verwandten sowohl das Erbe wie auch die Vormundschaft über die Kinder übernahmen. Dadurch wurde die Frau aus ihrem bisherigen sozialen und familiären Umfeld hinausgedrängt. 8 Für die weitere Gestaltung ihres Lebens spielte neben dem Wert des dotalicium die Möglichkeit einer erneuten Heirat ebenso eine Rolle, wie die Frage, ob sie von ihrer elterlichen Familie finanziell und sozial aufgefangen wurde. Anders sah die Situation für den Mann aus, wenn die Frau zuerst verstarb, denn sein Alltag veränderte sich nicht, weil er weiterhin in seinem Erbe mit den Kindern zusammen leben konnte. Dagegen gestaltete sich die Situation der Witwe anders, wenn sie durch Vergabung oder Testament am Erbe beteiligt war. Dann nämlich hatte sie die Möglichkeit, ihr bisheriges Leben fortzuführen. Man denke etwa an den Fall, in dem der Mann seine Frau gemeinsam mit den Kindern zu Erben bestimmte, oder auch an die wechselseitigen Vergabungen unter Ehegatten. Die vermögensrechtliche Lage der Witwe wurde außerdem durch das Verhalten der Verwandtschaft des Mannes mitbestimmt. War diese nicht kooperativ, war die Witwe gezwungen, ihr Recht auf gerichtlichem Weg durchzusetzen. So haben beispielsweise die Entscheidungen zum dotalicium gezeigt, dass die Verwandten nicht immer bereit waren, die vereinbarte Summe auszuzahlen. Es mag auch sein, dass sie dazu in manchen Fällen nur unter Mühen in der Lage waren. Die Schutzmechanismen, die das Recht vorsah - etwa die Bestellung eines Pfandrechts oder das Verbleibendürfen der Witwe im Erbe bis zur Auszahlung - gelangten durch die 7 V gl. etwa Bresc, Stadt und Land, S. 186: "Die Situation der Witwe war doch in der Regel eine Katastrophe." Siehe auch die viel zu pauschalisierende Bewertung bei Kroj, Abhängigkeit der Frau, S. 39 f. 8 Uns stehen leider keine Zahlen zur Verfügung, ob und wie häufig die Witwe trotz dotalicium mit den Kindern unabgetrennt in den Gütern blieb oder ob sie stets das Gut zu verlassen hatte.

190

C. Schlussbetrachtung

stringente Rechtsprechung der Schöffen zur Anwendung. Wir haben durchaus ,wehrhafte Witwen' kennen gelernt, die bereit waren, ihr Recht vor Gericht zu erstreiten. Damit waren sie auch nicht dem entgegenstehenden Willen der Verwandtschaft ihres verstorbenen Mannes schutzlos ausgeliefert. Schließlich versteht sich, dass der finanzielle Hintergrund der Ehepartner, sowohl auf Seiten der Frau als auch auf der des Mannes, von entscheidender Bedeutung ist. In vermögenden Kreisen stand für die Gestaltung der güterrechtlichen Verhältnisse eine größere Vermögensmasse zur Verfügung. Daneben musste auch die Bereitschaft treten, für die finanzielle Ausstattung der Kinder zu sorgen. So wird es vielen Familien nicht möglich gewesen sein, alle Kinder im gleichen finanziellen Rahmen zu verheiraten.

11. Das Ehegüterrecht unter Lebenden 1. Die Illusion vom gemeindeutschen Ehegüterrecht Durch die Krakauer Schöffensprüche selbst geleitet, haben wir uns bisher vor allem mit güterrechtlichen Fragen nach Beendigung der Ehe auseinander gesetzt. Die vermögensrechtliche Stellung der Ehefrau berührt aber zwei Lebensphasen: Wie nach der Aufteilung des Vermögens nach dem Tode des Ehemannes, kann ebenso nach der Zuordnung während der Ehe gefragt werden. So ist von Interesse, wie sich die Ehe auf die verschiedenen eingebrachten Vermögenskomplexe auswirkte, was mit hinzukommenden Gütern geschah oder wie das Vermögen verwaltet wurde. Auch wenn im Zentrum dieser Arbeit die Versorgung auf den Todesfall steht, wollen wir nun, nach der Analyse der einzelnen Rechtsinstitute, doch noch die Frage aufwerfen, ob unsere Untersuchungen Einblick in die güterrechtliche Zuordnung während einer bestehenden Ehe gewähren. Da die Krakauer Schöffen in ihrer Spruchpraxis nach sächsisch-magdeburgisehern Recht geurteilt haben, ist die Fragestellung zulässig, ob das sächsische Ehegüterrecht einem übergreifenden Prinzip unterliegt, anders gesagt, ob es einen Güterstand vorgibt. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war man überwiegend der Ansicht, die Gütergemeinschaft könne als Grundprinzip des deutschen Ehegüterrechts ausgemacht werden. Dieses fuße auf dem - wie v. Martitz diese Anschauung darstellt - "urgermanischen Begriff des Gesamteigenthums".9 Territoriale Besonderheiten wurden als Modifikationen angesehen. Aber auch noch im späteren 19. Jahrhundert waren viele der Meinung, den mittelalterlichen Quellen ein pangermanisches Güterrechtsprinzip abgewinnen und als Konzept für die zeitgenössische rechtliche Gestaltung nutzen zu können. Allmählich gab man allerdings die Idee der Güter9

v. Martitz, Eheliches Güterrecht, Einleitung, S. VI.

11. Das Ehegüterrecht unter Lebenden

191

gemeinschaft auf und gab dem Konzept einer rein äußerlichen Güterverbindung in der Hand des Mannes den Vorzug. Hervorragender Vertreter für diesen Versuch ist v. Gerber. In einem pathetischen und moralisierenden Aufsatz geht er mit den Ansichten seiner Generation hart ins Gericht: 10 Die Literatur habe bislang zwischen der Gütertrennung und der Gütergemeinschaft unterschieden, also danach, ob das Eigentum mit der Eheschließung zusammenfalle oder nicht. Die Gütergemeinschaft habe man dabei als das eigentlich deutsche Prinzip gesehen. Unter dieses Schema habe man alle Rechte gezwängt. v. Gerber hält diese Systembildung für falsch: Es sei daher an der Zeit, "zu dem System zurückzukehren, welches ohne Zweifel allein das deutsche ist, zu dem der Gütereinheit".lJ Ausgangspunkt der Gütereinheit sei, dass die Ehe an der rechtlichen Zuständigkeit des Vermögens der Ehegatten nichts ändere; so bleibe jeder Ehepartner Eigentümer seines Vermögens. Die Vermögen der Eheleute vereinigten sich indessen wirtschaftlich und würden nach außen durch den Mann repräsentiert. Dies werde bereits durch das ,alte Dogma' vom ungezweiten Gut im Sachsenspiegel dargetan. Den Namen ,Gütereinheit' habe er daher in bewusster Anlehnung an Eikes Rechtsbuch gewählt. 12 In früherer Zeit sei die repräsentative Rolle des Mannes durch die Vormundschaft begründet gewesen, in der Gegenwart entspräche sie der natürlichen Stellung des Mannes. v. Gerber betont, diese Grundprinzipien entsprächen bereits dem mittelalterlichen Recht. 13 In den Städten habe IO v. Gerber, Güterrecht der Ehegatten. Siehe auch S. 314: "Hierbei darf aber eine gewisse Freiheit der Behandlung Entschuldigung finden, da es nicht bloss Aufgabe der Wissenschaft ist, das sich vielfach widerstrebende statutarische Material zu einer am Ende doch nur scheinbaren Einheit zusammenzusetzen, sondern auch die darin liegenden allgemeinen Grundgedanken einmal ungehemmt in ihren Consequenzen zu entwickeln, - eine zwar auf der Vergangenheit ruhende, aber doch mehr der Zukunft zugewandte Arbeit." Kritisch zur Ansicht v. Gerbers, die Aufgabe der Germanisten bestünde darin, "den deutschrechtlichen Stoff mit jener hohen romanistischen Bildung zu durchdringen, um so den aus unserem Volksleben hervorgegangenen Rechtsideen die geistige und wissenschaftliche Ebenbürtigkeit zu erwerben." v. Gierke, Historische Rechtsschule, S. 27: "Schade nur, dass dieser eigenartige Arzt mit seiner Pandektenkur die deutsche Seele im deutschen Recht tötete und, als er Schule machte, überall, wo er das Werk von anderen getan glaubte, nach Brunners Ausdruck das Amt des Totengräbers germanistischer Rechtsanschauung versah." 11 v. Gerber setzt sich zunächst mit anderen Formen des Güterrechts auseinander, die er allesamt ablehnt. 12 v. Gerber, Güterrecht der Ehegatten, S. 347: "Gütereinheit sollte den Gegensatz zu Gütergezweitheit bilden, und andererseits die bloss wirthschaftliche Verbindung im Gegensatze der in dem Worte Gütergemeinschaft liegenden Eigenthumsgemeinschaft hervorheben." 13 v. Gerber, Güterrecht der Ehegatten, S. 340: "Wenn nun statutarische Willkür und Missverständnisse der Doctrin Vielerlei hinzugesetzt haben, wodurch die eigentliche Natur desselben verdunkelt werden konnte ... so darf diese Veränderung nicht als die Entwicklung zu einer höheren Stufe der Rechtsbildung (wie man wohl die Gütergemeinschaft bezeichnet) betrachtet werden, sondern als eine Verunstaltung, welche unsere Zeit allen Grund hat mit der Rückkehr zu jenem einfachen System zu entfernen." Die in einer Ehe erzielte Vermögensmehrung steht nach v. Gerbers Ansicht dem Mann zu. Etwaige Ungerechtigkeiten, die der Frau dadurch entstünden, seien durch das Erbrecht auszugleichen.

192

C. Schluss betrachtung

sich indessen das Recht gewandelt; so habe sich beispielsweise mancherorts ein Erbrecht nach Quoten gebildet. Dadurch sei die im Sachsenspiegel statuierte Gütereinheit allerdings nicht aufgegeben worden, vielmehr seien diese Änderungen nur Anordnungen äußerlicher Art gewesen, "d. h. Bestimmungen, welche sich auf die schliessliche Auseinandersetzung bei Trennung der Ehe bezögen". Andere Autoren vertreten dagegen eine Abkehr von einem allgemeingültigen Prinzip.14 Nach Schröder war die Gütergemeinschaft weit verbreitet. Ausgenommen sei jedoch der Sachsenspiegel, der die Gütereinheit repräsentiere. 15 Diesen die Germanisten enttäuschenden Befund versucht er mit der die Gegensätze versöhnenden Frage zu begegnen "inwiefern das genossenschaftliche Element auch im ostfalischen Güterrecht zur Anerkennung gekommen" sei. Auf diese Weise versucht Schröder immerhin ein gemeinschaftliches Element zu finden. 16 Außerdem sei die Gütergemeinschaft durch Einflüsse anderer Rechte auch in Sachsen verbreitet gewesen. Die Diskussion um ein gemeindeutsches Güterrecht ist als zeitgebunden zu bewerten. Sie veranschaulicht beispielhaft das Bemühen, dem römischen Recht ein über Jahrhunderte gewachsenes germanisches Prinzip entgegenzusetzen: Trotz Abweichungen im Einzelnen ist allen Darstellungen der Versuch gemeinsam, für das zu ihrer Zeit geltende Ehegüterrecht eine historische Legitimation zu finden und das ursprünglich germanische zu ergründen, auch wenn man sich der unterschiedlichen Ausprägung von Güterrechten bewusst war. 2. Die Lehre von der Verwaltungsgemeinschaft Da die Suche nach einem gemeindeutschen Ehegüterrecht als gescheitert gelten muss, liegt es nahe, die Besprechung auf das sächsisch-magdeburgische Ehegüterrecht zu beschränken. Wie sieht die Literatur das Güterrecht des Sachsenspiegels? Gemeinhin wird angenommen, durch die Heirat gelange das der Frau in die Ehe mitgegebene Eigen und Erbe in die Gewere des Mannes; das Eigentum an diesen Gütern verbliebe dagegen bei ihr. Andererseits werde das Vermögen des Mannes durch die Eheschließung nicht berührt. Uneinig war man jedoch über die recht14 Siehe hierzu auch die Schilderung bei Schröder; Deutsche Rechtsgeschichte, S. 752 ff. Heusler; Institutionen 11, S. 364 ff., der ein einheitliches Güterrecht ablehnt. Grundprinzipien sind für ihn die Güterverbindung (Verwaltungsgemeinschaft) sowie die Gütergemeinschaft, die ein Güterrecht "mehr oder weniger durchgreifend und consequent beherrschen". 15 Siehe hierzu die Zusammenfassung der Güterstände der jeweiligen Rechte bei Schröder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 295 ff. 16 Schröder; Eheliches Güterrecht 11 3, S. 319: "Dagegen muss allerdings die erhöhte Bedeutung, welche die eheherrliche Vormundschaft von der gewöhnlichen Geschlechtsvormundschaft besass, einer Einwirkung der genossenschaftlichen Idee zugeschrieben werden, indem der Mann seine besonderen Rechte ausschliesslich im Interesse der ehelichen Genossenschaft erhielt, wenn auch die Art, wie er sie ausübte, keiner weiteren Controlle unterworfen war."

11. Das Ehegüterrecht unter Lebenden

193

lichen Verhältnisse an der Fahrnis. l ? Was geschah mit den Fahrnisgütern, die VOn der Frau eingebracht wurden, später aber nicht zur Gerade gehörten? Was galt für die hinzugewonnenen Fahrnisgüter?18 Uneinigkeit herrschte ferner darüber, ob die von der Frau eingebrachte Fahrnis in ihrem Eigentum blieb. 19 Lebhaft diskutiert wurde schließlich die Frage, ob der Mann nach der Ehe für Frauengut, das er verringert oder verbraucht hatte, Ersatz leisten musste - Fragen, auf die der Sachsenspiegel zum Bedauern der germanistischen Altmeister keine Antwort liefert. Trotz dieser umstrittenen Details wird dem sächsischen Recht der Güterstand der Gütereinheit zugeschrieben. Schröder hat dafür auch den Begriff ,Verwaltungsgemeinschaft' "erfunden".2o Neben der Gewere des Mannes am Frauengut wird als Grundlage des Ehegüterrechts Sachsenspiegel Ldr. I, 31 § 1 gesehen: Man unde wifne hebbet nein getveiet gut to irme live.

Auf diese Lehre, die bis heute vertreten wird, ist näher einzugehen. Dabei kann es nicht das Ziel sein, aus dem Sinngehalt dieses Satzes direkte Schlüsse auf das Ehegüterrecht der 300 Jahre später niedergeschriebenen decreta der Krakauer Schöffen zu ziehen. Da diese TextsteIle jedoch Ausgangspunkt und Diskussions17 Vgl. Schulte-Beckhausen, Ehe- und Familienrecht, S. 65 ff., der die verschiedenen Auffassungen darstellt. 18 Die unterschiedlichen Ansätze sind meiner Meinung nach im Zusarnrnenhang mit den Ansichten, die über den rechtlichen Charakter und den Entstehungszeitpunkt der Gerade vertreten werden, zu sehen. Sieht man nämlich die Gerade als einen Verrnögenskomplex an, der bereits während der Ehe besteht, ergeben sich andere rechtsdogmatische Probleme, als wenn man davon ausgeht, die Gerade falle erst nach dem Tode eines Ehegatten an. Erwähnenswert ist noch, dass manche Autoren zur Kennzeichnung von Gegenständen, die nicht unter die Gerade fallen, den quellenfernen und unpassenden Begriff ,Ungerade' geprägt haben. 19 Agricola, Gewere, S. 215, Fn. 2 und v. Martitz, Eheliches Güterrecht, S. 124, Fn. 13; S. 126; 142, Fn. 23; 233 meinen, die Fahrnis verbleibe im Eigentum der Frau. Albrecht, Gewere, S. 262; Schröder, Eheliches Güterrecht II 3, S. 320 ff. meinen, die Fahrnis falle in das Eigentum des Mannes. Schröder nimmt dann aber an, schon während der Ehe habe die Frau Eigentum an der Gerade. Heusler, Institutionen 11, S. 391 meint, die gesamte Fahrnis stehe keinesfalls im Alleineigentum des Mannes. Er wählt einen sehr komplizierten Weg: " ... das Recht der Ehefrau an der Gerade, zugleich das einzige Recht, welches sie an Fahrnis überhaupt hat, als ihren Antheil am ehelichen Mobiliargut bezeichnen, welcher während der Ehe quantitativ noch nicht feststeht und darum auch von dem übrigen Mobiliarbestande rechtlich nicht gesondert ist: das Prinzip der Gütergemeinschaft, nur statt auf Quotenteilung, auf Ausscheidung bestimmter Gattungen der Sachen gestellt und darum für die juristische Construction etwas weniger einfach." 20 Nach W. Ebel, Über das ,ungezweite Gut', S. 186: "In der Tat wird ja auch - so wie man den Ausdruck versteht - weder von einer Gemeinschaft noch für eine Gemeinschaft noch ein gemeinschaftliches Gut verwaltet." Heusler, Institutionen 11, S. 364, der den Begriff als "sprachlich und logisch verkehrt" ansieht, weil es sich doch um eine Alleinverwaltung des Mannes handle. "Ein üblerer Ausdruck hätte schwerlich können gefunden werden." Heusler wählte daher den von Bluntschi aufgebrachten Ausdruck Güterverbindung. Die Lektüre wird erschwert durch die oft verwirrende Tenninologie, siehe etwa die Verwendung von Gütereinheit, Güterverbindung oder Verwaltungsgemeinschaft für den Sachsenspiegel, wobei jeweils das gleiche gemeint ist.

13 Obladen

194

C. Schlussbetrachtung

basis für das gesamte mittelalterliche Ehegüterrecht ist, soll über diesen Satz nachgedacht werden. Nach wie vor wird er in rechtshistorischen Lehrbüchern angeführt, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit dem Sachsenspiegelrecht, sondern als Grundlage des deutschen Ehegüterrechts überhaupt. 21 Bevor sich W. Ebel im Jahre 1975 in einem kurzen Aufriss zu dieser Stelle äußerte, wurden aus ihr die oben beschriebenen ehegüterrechtlichen Konsequenzen konstruiert. Andererseits wird der Satz herkömmlich übersetzt: Mann und Frau haben zu ihren Lebzeiten kein gezweites Gut. Weist er also nicht vielmehr auf den Güterstand der Gütergemeinschaft hin? Bereits vor Schröders ,Verwaltungsgemeinschaft' behalf man sich damit, die Ungezweitheit des Gutes lediglich auf die gemeinschaftliche, aber vom Mann ausgeübte Verwaltung des ehelichen Vermögens zu beziehen?2 Durch diese Interpretation verliert die TextsteIle jedoch ihre selbstständige Bedeutung, weist doch bereits Sachsenspiegel Ldr. I, 31 § 2: 23 Wen en man wifnimt, so nimt he in sine were al er gut to rechter vormuntscap.

auf die einheitliche Verwaltung durch den Mann hin. Daher meint W. Ebel: "Es kann einfach nicht das richtige Verhalten sein, diesen Satz mit der Literatur für den Ssp praktisch wegzueskamotieren, nur um wieder einmal, fälschlich wie immer, auch an diesem Institut gedankliche Konsequenz als zwingendes konstruktives Prinzip auch des germanisch-mittelalterlichen Rechts bestätigt zu sehen." Ebel schlägt daher eine andere Interpretation vor: to irme live übersetzt er nicht mit zu ihren Lebzeiten, sondern zu ihrem Leben, zu ihrem Unterhalt. Bei Lebzeiten hieße seiner Meinung nach bi ireme live. 24 Der Satz vom ungezweiten Gut bedeute 21 Vgl. etwa MitteislLieberich, Deutsches Privatrecht, S. 65: " ... so haben die Eheleute, wie der Sachsenspiegel sagt, kein gezweit Gut, was also nicht notwendig Gütergemeinschaft bedeutet. Vor allem soll er die Substanz des Frauengutes erhalten; es soll ,weder wachsen noch schwinden'; die Nutzungen gebühren ihm." Siehe auch Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 406 f.: "Gemeinschaftlich war diesen Güterrechtssystemen die Zusammenfassung der Vermögen der Gatten zu einer Einheit. Daher galt für beide Güterrechtsgruppen der Satz des Sachsenspiegels: Mann und Frau haben kein gezweiet Gut zu ihrem Leib". Zu einer weiträumigen Geltung der Verwaltungsgemeinschaft siehe Ogris, Art. Gütergemeinschaft, HRG I, Sp. 1871: "Im Laufe des MA. ist die Gütergemeinschaft weiter vorgedrungen, sie hat auch im Norden und Osten Deutschlands die auf dem Grundsatz der Gütertrennung beruhende Verwaltungsgemeinschaft mehr und mehr verdrängt." 22 Vgl. etwa Heusler, Institutionen II, S. 380: "Die wichtigste güterrechtliche Wirkung der Ehevogtei des Mannes ist die, dass das Vermögen der Frau in seine Hand und Verwaltung gelangt. Man unde wifne hebbet nein getveiet gut to irme live, dieser Satz von Ssp I 31 § 1 in seiner Allgemeinheit enthält nicht dem Güterverbindungssystem Eigenthümliches, wie ihn denn auch Schwsp (L.) 34, (W.) 33 mit den Worten reproduciert: man unde wip mugen niht gehaben dehein guot gezweihen." v. Schwerin, Deutsches Privatrecht, S. 280: ,Die Verwaltungsgemeinschaft ist das herrschende Güterrecht des ostfalisch-sächsischen Rechts. Den Grundgedanken der Verwaltungs gemeinschaft kleidet der Sachsenspiegel in die Worte man unde wif ... " 23 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 31 § 2. 24 Er argumentiert hier mit Ssp. Ldr. I, 31 § 1: Stirft aver dat wif bi des mannes live . .. und mit dem Begriff ,Leibzucht' , welche die Witwe to irme live erhält.

II. Das Ehegüterrecht unter Lebenden

195

daher: "Für den Unterhalt der Eheleute (und mittelbar natürlich auch den ihrer Kinder), also für alles, was sie zum Lebensunterhalt aufwenden, ausgeben, zu dem Zweck veräußern, an Schulden eingehen, einbüßen, können sie die Substanz - nicht bloß die Nutzung - ihres beiderseits zusammengebrachten Vennögens und Gutes angreifen, ohne es auseinander zu halten, ohne Rücksicht auf seine Herkunft, ohne spätere Ausgleichung, unabgerechnet." Mit diesem Verständnis bekommt der Satz eine vollkommen neuartige und eigenständige Bedeutung. Auch die aufgeworfenen Fragen zur Fahrnis würden hinfällig: Es besteht beispielsweise keine Ersatzpflicht des Mannes für das, was zur Ehe- und Lebensführung verbraucht wurde. Ebel schließt in seine Überlegungen auch Immobilien ein. Der Mann dürfe die Substanz solcher Güter angreifen, die allerdings weiterhin den erbrechtlichen Gebundenheiten unterlägen. Die zeitliche Dimension, die der Satz nach der herkömmlichen Auslegung hat, verliert nach Ebels Interpretation ihre Bedeutung und wandelt sich in eine Zweckbestimmung. 3. Auseinandersetzung mit der These W. Ebels Dem neuartigen Gedankengang Ebels ist bislang niemand nachgegangen?5 Würde sich sein Ansatz als tragbar erweisen, fiele ein ganzes, mühsam konstruiertes Gedankengebäude in sich zusammen. Ein Großteil der streitigen Fragen verlöre an Bedeutung: Grund genug, sich mit seiner These auseinander zu setzen. Ebel untennauert seine Ansicht mit dem Argument, man habe die Sachsenspiegelstelle bisher fälschlich mit zu ihren Lebzeiten statt mit zu ihrem Lebensunterhalt übersetzt. 26 Wird diese Übersetzung durch andere Textpassagen des Sachsenspiegels gestützt? to erme live finden wir im Zusammenhang mit der Leibzucht. 27 Ebel möchte den Ausdruck auch hier mit zu ihrem Lebensunterhalt übersetzen. Die ein25 Rummel, Stellung der Frau, S. 135, umgeht eine Stellungnahme, weil die neue Ansicht für ihre Thematik - nach dem Handlungsspielraum und der rechtlichen Stellung der Frau nicht relevant sei. 26 Weiterhin stützt sich W. Ebel auf zwei Kommentierungen des Sachsenspiegels. Er verweist einmal auf den letzten Kommentar zum Sachsenspiegel, der von Meckbach 1761 besorgt wurde. Wir finden dort die Erläuterung von to irme live mit quoad victum, amictum et sustentationem. Weiterhin heißt es, Mann und Weib haben keine separatam oeconomiam et mensam, sondern leben zusammen von einem Gut. Auch Zobel schreibt in seinen Summarien: Man und Weib haben zu ihrem leben oder narung kein geteilt oder gezweiet gut/weder an nutzung noch an gewehre. Jedoch treffen wir dort auch auf die Erläuterung maritus et uxor bona inter se possident indiuisa. Meckbach, Commentar über den Sachsenspiegel. Hier wird die zweite Auflage von 1789 verwendet. Meckbach war der Ansicht, der Sachsenspiegel sei fränkischen Kapitularen entnommen. Siehe hierzu Schlipp, Recht und seine Literatur, S. 175 f., der Meckbachs Kommentar als Literatur der historisch-antiquarischen Richtung einordnet. Benutzt wird Zobel, Sachsenspiegel, Ausgabe 1604. Die erste Ausgabe stammt aus dem Jahre 1535. 27 Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 21 § 1. 13*

196

C. Schlussbetrachtung

zig mögliche Auslegung ist dies indessen nicht. Die Leibzucht dient zwar ihrem Wesen nach zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Zugleich ist sie aber auch zeitlich begrenzt, nämlich auf die Lebenszeit der Witwe. Außerdem sprechen zwei weitere Stellen des Sachsenspiegels entschieden für die Übersetzung mit zu ihren Lebzeiten: 28 An egene is recht lifgetucht der vrowen, went it en nemant gebreken mach to erme live. Neweder man noch wif ne mogen len lenger hebben wan to erme live.

Ebels sprachliches Argument ist demzufolge nicht zwingend. Seine Übersetzung kann zwar nicht widerlegt werden, sie ist aber nicht "die einzig sprachlich richtige". Seine These lässt sich mit dem von ihm vorgebrachten Gesichtspunkt weder widerlegen noch bestätigen. Um den Blickwinkel zu erweitern, ist zu fragen, ob und wie die Sachsenspiegel stelle rezipiert wurde. Von Interesse ist insbesondere, ob der Rechtssatz von der Rechtspraxis aufgegriffen wurde. Die Sachsenspiegelstelle findet sich wortgetreu in einigen Rechtsbüchern?9 In das sächsische Weichbildrecht hat sie dagegen keinen Eingang gefunden, weshalb sie über den Sachsenspiegel in die Rechtsbücher gelangt sein muss. Die Durchsicht der Schöffenspruchsammlungen und Präjudizienbücher hat ein erstaunliches Ergebnis zu Tage gefördert: Weder in der Krakauer Urteilssammlung noch in anderem Quellenmaterial konnten Hinweise auf eine Rezeption des Satzes vom ungezweiten Gut gefunden werden?O Lediglich in den Magdeburger SchöffenspTÜchen für Breslau taucht die Wendung in zwei Fällen auf, wovon wir uns einen näher ansehen wollen: 3 ! Czwene manne sein abtrfmnig worden in eynir gesellesclulft und habin hindir en gelossen iglichir eyn elich weip. Dieselbin czwu frauen habin erbe steende und leginde und dorczu czinse czu wedirkouf, das sie anirstorben ist von iren nehisten, und ouch eyn teil, das en vor gerichte gegebin ist zu thun und zcu lossen ungehindirt, das sie in ire manne gewere eyn teil nicht gebracht habin, und dorczu allirleye hausgerethe, das sich czeuet czu gerade: Ab man das umbe irer manne schulde, die abgetrunnig seyn, dieweil ire manne Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. III, 75 § 1,3. Vgl. Boehlau, Die Blume von Magdeburg, Particula 11. 2, c. 166; Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen, I, Cap. XX, Di. XV; Ullrich, Zwickauer Rechtsbuch, 11, 29, Nr. 1. 30 Gesichtet wurden folgende Spruchsamrnlungen und Präjudizienbücher: Kisch, Leipziger Schöffenspruchsammlung; F. Ebel, Magdeburger Recht I; Wasserschieben, Deutsche Rechtsquellen; ders., Deutsche Rechtsquellen des Mittelalters; Buchda, Die Schöffenspruchsammlung der Stadt Pössneck; Goerlitz/Gantzer, Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz; Weizsäcker, Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für den überhof Leitmeritz; Behrend, Magdeburger Fragen; Laband, Systematisches Schöffenrecht. 31 F. Ebel, Magdeburger Recht lI/I, Nr. 531, datiert um 1452; zugleich ders., Der Rechte Weg 2, I 11. Der weitere Fall ist für unseren Problemkreis nicht aussagekräftig. Vgl. ders., Magdeburger Recht lI/I, Nr. 433, datiert 1449; zugleich ders., Der Rechte Weg 1, C 63; fortgesetzt in Nr. 485, datiert 1436-1452 (Da es sich eindeutig um den selben Fall handelt und die Datierung des ersten Spruchs sicher ist, kann die vorgenommene Datierung des zweiten Falls präzisiert werden). 28

29

11. Das Ehegüterrecht unter Lebenden

197

lebin, mit rechte irclagin mogen, adir waz sie mit rechte ausgeczhyen mogen von rechtis wegin? Hiruf spreche wir scheppin czu Magdeburg eyn recht: Sintdemmole das man und weip keyn geczweyt gut habin czu irem leibe, so mag man alle famde habe vor des mannis schulde wol irclagen und doran hot die fraue bey ihres mannes lebende keyne gerade. Dorumme mogen die czwu frauen der famde habe als gerade nicht vorantworten, sundir ire cleydere und gesmeyde czu irer czirheit, das sie irem mannen in ire gewere nicht geantwort habin, mogen sie alleyne vorantworten, und was sie habin an stehenden, legenden grunden und czinsen, das en anirstorben adir vor gerichte gegebin ist, doran mag man en umme irer manne schulde willen, dieweile die mannen lebindig seint, andirs nicht abegeclagen denne die bruchunge. Von rechtis wegen.

Die Schöffen werden um Rat gebeten, ob gegen zwei Frauen wegen Schulden ihrer Ehemänner aus einer gesellschaftsrechtlichen Betätigung Klage erhoben werden kann. 32 Die beiden Frauen sollen belangt werden, weil sich die Ehemänner ihrer Haftung durch Flucht entzogen haben. Die Schöffen unterteilen das Vermögen der Frauen in verschiedene Massen: Zunächst wird von der Fahrnis berichtet. Da Mann und Frau kein gezweyt gut habin czu irem leibe, darf die Fahrnis eingeklagt werden, denn daran haben die Frauen bey ires mannes lebende keine Gerade. Auffällig ist zunächst die sprachliche Unterscheidung von czu irem leibe und bey ihres mannes lebende, die zugunsten der Interpretation Ebels in die Waagschale fallen könnte. Wir erfahren weiterhin, dass zu Lebzeiten des Mannes die Gerade als solche noch nicht existiert. 33 Daher ist es nicht möglich, die Gerade als Vermögensmasse mit einer Klage anzugreifen. Die Entscheidung der Schöffen ist aus prozessrechtlicher Sicht zu interpretieren: Wären die Männer bereits verstorben, könnte gegen die Frauen wegen der Gerade Klage erhoben werden. Sie müssten sich dann selbst vor Gericht verantworten. Da die Männer jedoch noch leben, allerdings flüchtig sind, hat sich die Gerade noch nicht aus der Fahrnis herausgelöst. Des Weiteren wird von Fahrnisgütern berichtet, die die Frauen nicht in die Gewere ihres Mannes gegeben haben. Allein mit diesem eigenen Vermögensteil müssen sie sich verantworten. Ferner dürfen sie bei Häusern, Grundstücken und Zinsen zu Wiederkauf, die sie geerbt haben oder die ihnen vor Gericht gegeben worden sind, nur wegen der Nutzung beklagt werden. Die Argumentation mit der Wendung keyn geczweyt gut lässt vermuten, dass auch die Männer wegen der noch als Gesamtkomplex bestehenden Fahrnis gerichtlich belangt werden müssten. Wegen der Fahrnis allein gegen die Frauen Klage zu erheben, ist nicht möglich. Dies kann auch durch Umkehrschluss aus der Ablehnung ihrer Haftung mit der 32 [rklagen ist gleichzusetzen mit erklagen, was Klage erheben bedeutet. Vgl. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 102. In der Überschrift zu dem Spruch, die der Edition beigefügt wurde, steht zwar Erblasserschulden, doch ist davon auszugehen, dass die Männer noch leben. 33 Hier finden wir einen weiteren Beleg für die These, dass die Gerade als Verrnögenskomplex erst mit dem Tod eines Ehegatten entsteht. Siehe B. 11. l. a).

198

C. Schlussbetrachtung

Gerade, die noch nicht als solche existiert, gefolgert werden, sowie schließlich daraus, dass die übrigen Vermögenskomplexe, die nicht zur ehelichen Fahrnis gehören, einzeln herausgegriffen werden und dass deren Haftung bewertet wird. Die Schöffen trennen die Güter, mit denen sich die Frauen allein vor Gericht zu verantworten haben, von der Fahrnis, wegen der sie nicht allein gerichtlich angegriffen werden können. Die Anfrage an die Magdeburger Schöffen dreht sich demnach darum, welche ehelichen Vermögensteile überhaupt mit einer Klage gegen die Frauen wegen der Schulden ihrer Männer überzogen werden können. Ob diese Klagen im einzelnen Fall erfolgreich sind, ist eine andere Frage. Was nun verstehen die Magdeburger Schöffen unter dem Begriff kein gezweyt gut? Die exakte Unterscheidung der Vermögensmassen und die Satzkonstruktion lassen die Annahme zu, dass sich die Ungezweitheit des Gutes jedenfalls in diesem Spruch nur auf die Fahrnis bezieht. Danach bestünde eine Art Fahrnisgemeinschaft, die mit dem Tod eines Ehegatten auseinander fällt. Die Immobilien blieben hingegen grundsätzlich getrennt. Geschildert wird in erster Linie die Rechtslage der Fahrnis zu Lebzeiten beider Ehegatten im Gegensatz zu deren Aufteilung nach dem Tode eines Gatten, also ihre Aufteilung in Gerade und Heergewäte. Zu Lebzeiten beider Ehegatten fallen alle Fahrnisgüter zusammen, gleich welcher Herkunft sie sind, nach dem Tode eines Ehegatten zerfällt die Fahrnis in verschiedene Komplexe. Der Magdeburger Spruch lässt die Vermutung zu, dass in dem berichteten Fall während der Ehe die Fahrnis als gemeinsame Haftungsgrundlage der Eheleute diente. 4. Ergebnis

Sind die verschiedenen Gesichtspunkte, die wir zum ,ungezweiten Gut' kennen gelernt haben, Teilansichten eines Ganzen? Ob W. Ebels Lehre diese Verbindung leistet, muss bezweifelt werden. Fragwürdig ist insbesondere seine Annahme, auch Immobilien der Frau könnten für den gemeinsamen Lebensbedarf in ihrer Substanz angegriffen werden. Die Schöffen sprüche des Spätmittelalters zeichnen ein anderes Bild. Immerhin hat Ebel den vermeintlichen Zusammenhang der Formel vom ungezweiten Gut und dem Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft in Frage gestellt und auf falsche Schlüsse und unnötige Kontroversen hingewiesen. Das jedenfalls bleibt sein Verdienst. Zu überlegen ist weiterhin, ob sich die Interpretation des Magdeburger Schöffenspruchs verallgemeinern lässt. Verbinden die Magdeburger Schöffen mit kein gezweyt gut das gleiche, was Eike lange Zeit zuvor niedergeschrieben hat? Auch hier sind Zweifel anzumelden, denn der Ausdruck ist keine in der Rechtspraxis gängige Wendung, die sich über Jahrhunderte in Entscheidungen gehalten hätte. Der Rechtssatz ist im Sachsenspiegel und verschiedenen Rechtsbüchern überliefert. Hier allerdings ist die Norm offensichtlich schlicht abgeschrieben, denn in manchen Rechtsbüchern wirkt sie geradezu aus dem Zusammenhang gerissen. Da

III. Neue Perspektiven

199

der Satz nicht von der Rechtspraxis rezipiert wurde, ist unsicher, ob die Magdeburger Schöffen 300 Jahre später das Gleiche meinen wie Eike. Die Untersuchung der SachsenspiegelsteIle zum ,ungezweiten Gut' hat ein ernüchterndes Ergebnis erbracht: Was die Wendung letzten Endes bedeutet, konnte nicht geklärt werden. Hat vielleicht W. Ebel doch Recht? Oder bezieht sich das ungezweite Gut wie in dem Magdeburger Schöffenspruch allein auf die Fahrnis? Ist der Satz sogar untechnisch zu verstehen, indem nur ausgedrückt werden soll, dass die Ehegatten zu Lebzeiten gemeinschaftlich leben und wirtschaften, was eine ,abgeschwächte Variante' der Interpretation Ebels wäre? Der Ertrag des gesichteten Quellenmaterials ist jedenfalls zu gering, um eine verbindliche Aussage treffen zu können. Dennoch kann ein nicht unerhebliches Ergebnis festgehalten werden: Die Sichtung der Quellen zum sächsisch-magdeburgischen Recht hat erkennbar werden lassen, dass der Satz vom ungezweiten Gut von der Rechtspraxis nicht rezipiert wurde. Daher ist diese TextsteIle kein tragHihiges Fundament für das Güterrecht des sächsisch-magdeburgischen Rechts. Insbesondere kann mit ihr ein Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft nicht begründet werden. Über eine generalisierende Anwendung des Satzes vom ungezweiten Gut hinaus sind überhaupt Zweifel an einer ,Verwaltungsgemeinschaft' anzumelden. Sie birgt die Gefahr eines Harmonisierungsmodells, welches güterrechtliche Fragen schablonenartig beantwortet. Im Folgenden soll daher versucht werden, mögliche Perspektiven für die Analyse güterrechtlicher Verhältnisse zu gewinnen, ohne die Absicht, ein vereinheitlichendes System zu konstruieren.

III. Neue Perspektiven zur Interpretation des spätmittelalterlichen Ehegüterrechts Untersuchungen des spätmittelalterlichen Ehegüterrechts und insbesondere seines Güterstandes haben sich bisher von modemen Rechtsbegriffen und Fragestellungen leiten lassen. So fragte man, in wessen Eigentum Fahrnis und unbewegliche Güter standen,34 wer Eigentümer der während einer Ehe erwirtschafteten Vermögensteile wurde, ob der Frau eine Art Schlüsselgewalt zustand, um Besorgungen für den Haushalt tätigen zu können oder welche Rechtsinstitute ,gesetzlicher', welche ,vertraglicher' Natur waren. Diese Fragen führen zwangsläufig zu Ergebnissen, die begrifflich wie dogmatisch unserem Rechtsverständnis und der pandektistischen Systembildung entsprechen. Auf diese Weise wird ein Modell des Ehegüterrechts konstruiert, das der mittelalterlichen Lebenswelt nicht gerecht wird.

34 Insbesondere ist die Fragestellung dann unzulässig, wenn sie sich auf den pandektistischen Eigentumsbegriff des 19. Jahrhunderts stützt.

200

C. Schlussbetrachtung

Wie die Ausführungen zur Verwaltungsgemeinschaft gezeigt haben, ist die Festlegung eines Güterstandes nicht unproblematisch: Bei den juristischen Problemen, die von den Krakauer Schöffen zu lösen waren, ging es überwiegend um Fragen, die sich beim Tod eines Ehegatten stellten. Schon darum ist es gewagt, von diesen Fällen auf einen allgemeinen Güterstand bei bestehender Ehe zu schließen, was überdies den in erheblichem Maße getroffenen individuellen Vereinbarungen nicht gerecht würde?5 Das Deutungsschema ,Güterstand ' beantwortet die Fragen nicht, mit denen wir es bei der Untersuchung der Sprüche zu tun hatten. Für das Ehegüterrecht bedeutet dies, dass rechtliche Regelungen und Geflechte nicht aus einem bestimmten System heraus erklärt werden können. Vielmehr sind verschiedene Blickwinkel und Betrachtungsebenen angebracht. Wenn wir einerseits das generalisierende Deutungsschema ,Güterstand ' aufgeben, andererseits aber nicht nur Einzelfragen beantworten wollen, müssen diese Einzelfragen gebündelt werden. Dabei müssen die eigenen Ordnungskriterien des spätmittelalterlichen Rechts maßgeblich sein: Bei güterrechtlichen Fragen ist die Herkunft der Vermögenskomplexe von grundlegender Bedeutung. So kann etwa entscheidend sein, ob es sich um Erbgüter der Frau oder des Mannes handelte; oder etwa, ob die Güter gemeinsam erworben wurden. Erbgüter können nur mit der Erlaubnis der nächsten Erben dem Ehegatten übertragen werden. Der Mann darf das Erbgut seiner Frau nur mit ihrem Einverständnis als Haftungsgrundlage für seine Schulden heranziehen?6 Herrschaftsrechte werden von demjenigen ausgeübt, dem von Erbes wegen die Güter zustehen. Darüber hinaus spielt die Herkunft der Vermögensgüter bei der erbrechtlichen Auseinandersetzung eine entscheidende Rolle. Ansatzpunkt vieler Entscheidungen ist ferner die formalrechtliche Zuordnung. Der nach außen hin erkennbaren und für die Rechtsgemeinde sichtbaren Gerichtshandlung kommt unübertroffene Bedeutung zu. Wer eine gerichtliche Auflassung nachweisen kann, vermag sich im Prozess zu behaupten. 37 Wie sich Beweis- und 35 Vgl. auch Hagemann, Basler Rechtsleben 11, S. 165, 177, der fragt, ob es zulässig sei, von einer erbrechtlichen Teilungsquote auf das Güterrecht zu schließen. Selbst v. Gerber; Güterrecht der Ehegatten, S. 312 hinterfragt, ob man vom Erbrecht Rückschlüsse auf das Güterrecht ziehen könne. 36 Nr. 65, Sentencia de Lelowia (8. 2. 1457): Quod si iste ortus, de quo nobis scribitis, fuit prime uxoris istius mariti, de quo nobis scribitis, et idem maritus in bona eiusdem uxoris prime subintravit, extunc idem maritus huiusmodi suum debitum super eundem ortum non potuit legare nec quovismodo assignare, nisi hoc ipsum debitum tempore eiusdem sue prime uxoris fecisset et de ipsius voluntate et consensu. Sin autem dictus maritus hoc ipsum debitum post decessum eiusdem prime uxoris fecisset, tune ipse predictum debitum super pretactum ortum minime potuit allegando assignare, de forma iuris scripti. 37 Vgl. auch Nehlsen-von Stryk, Prozessuales und materielles Rechtsdenken, S. 43, die darauf verweist, dass bei der Übertragung von Grundeigen das zugrunde liegende Verkehrsgeschäft ohne Interesse sei. Geregelt sei im Sachsenspiegel die Gerichtsöffentlichkeit der Auflassung sowie die Erforderlichkeit der Zustimmung der Erben.

III. Neue Perspektiven

201

Haftungsfragen oder auch Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgeschäfts danach richten, ob eine ordnungsgemäße gerichtliche Übertragung stattgefunden hat, so bedient man sich auch bei der personenrechtlichen Zuordnung eines Grundstücks oder eines Hauses dessen, was wir heute als formelle Rechtslage bezeichnen würden: Maßstab für die Entscheidung der Schöffen ist nicht die Frage, ob ein Grundstück oder Haus von beiden Eheleuten gekauft oder erarbeitet, sondern einfach, wem es aufgelassen wurde. Dieses Zuordnungskriterium ist auch für die Haftung relevant. 38 Bei Fahrnis können güterrechtliche Fragen auch unter dem Gesichtspunkt geschlechtsspezifischer Zuordnung zu entscheiden sein. Hier sind nicht Herkunft oder formellrechtliche Zuordnung maßgebend; die Aufteilung in Gerade und Heergewäte richtet sich vielmehr danach, ob die einzelnen Fahrnisgegenstände typischerweise dem Lebenskreis der Frau oder dem des Mannes zugerechnet werden. 39 Die Fahrnis ist als Begriff zwar bekannt; für die Aufteilung der Fahrnisgüter nach dem Tode eines Ehegatten bediente man sich indessen anderer Kategorien. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung von der Entstehungszeit des Sachsenspiegels bis ins Spätmittelalter: Die Aufteilung der Fahrnis bereitete ursprünglich wenig Schwierigkeiten; sie zerfiel in Gerade und Heergewäte, ein anderer Teil wurde dem Erbe zugerechnet, ein weiterer war Mustei1. 4o Mit dem Aufblühen der Städte und ihrer Wirtschaft gingen indessen tief greifende Änderungen einher. Die aufkommende Geldwirtschaft konnte nicht ohne Auswirkungen auf die Fahrnisaufteilung bleiben. Gerade und Heergewäte wurden zwar aufrechterhalten; die Vereinbarung weiterer Ehegaben, insbesondere die Geldgabe, ist in engem Zusammenhang mit der Aufteilung zu sehen. Denn Fahrnis, die nicht einer der beiden Vermögensgruppen zugeordnet werden konnte, fiel an die Mannesseite. Festzuhalten bleibt, dass allgemeine Aussagen über Fahrnis oder unbewegliche Güter nicht möglich sind. Vielmehr ist jede Gütermasse für sich zu betrachten. Von einer Einheitslösung ist abzusehen. 41 Wir treffen mithin auf ein gemischtes EheVgl. Nr. 751, Sentencia de Pylcza (11. 2. 1466). Siehe auch Hagemann, Art. Eigentum, HRG I, Sp. 889: "Die natürliche Verschiedenheit der Sachgattungen und ihrer Zweckbestimmung schlug sich - wie zumal die Behandlung von Gerade und Heergeräte zeigt - bis zu einem gewissen Grade in einer entsprechenden Verschiedenheit ihrer rechtlichen Zuordnung nieder." 40 Siehe zum Musteil Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 22 § 3; 24 § 2; v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXVI § 2. Zur Abgrenzung von Gerade und Erbe Eckhardt, Sachsenspiegel, Ldr. I, 24 § 3; v. Danielslv. Gruben, Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXVI § 2. Zum Erbe dies., Das Sächsische Weichbildrecht, Art. XXVI § 1: Nu vomemet, waz zu dem erbe gehoret in wichbilde noch der ebenbortigkeit. Dorzu gehoret alles eigen, daz unbegabit ist, alles golt unde silber, gewant, wullen unde lynen, phert, ryndere unde swyn, die zu des mannes hove ghen. Die hochdogmatische Diskussion um die rechtliche Zugehörigkeit der Fahrnis ist auch unter diesem Gesichtspunkte irrelevant, da sie als einheitlicher Komplex zwar während der Ehe, danach aber nicht mehr besteht. 38

39

202

C. Schluss betrachtung

güterrecht, dem kein moderner Güterstand entspricht, das sich vielmehr nach den dargestellten Zuordnungen und den daraus resultierenden Befugnissen richtet. Immobilien verbleiben im Eigen des Ehegatten, dem sie kraft Erbes oder Ausstattung durch die Eltern zugefallen sind. Neu erworbene Güter stehen dem Ehegatten zu, dem sie gerichtlich aufgelassen sind. Immobilien, die von der Frau ausdrücklich in die Ehe als Mitgift ,eingebracht' wurden, gehen an den Ehemann. Was die Fahrnis betrifft, teile ich die Meinung, dass sie während der Ehe eine Einheit bildet, ohne damit über das Eigentum befinden zu wollen. Gerade und Heergewäte lösen sich erst nach dem Tode eines Ehegatten heraus. Da ich in den Krakauer Sprüchen die Existenz von Sondergut nicht ausmachen konnte, soll hierzu keine Aussage getroffen werden. Schließlich werden güterrechtliche Verhältnisse durch die Vormundschaft des Mannes geprägt. Auch in diesem Zusammenhang haben wir festgestellt, dass eine eindimensionale Betrachtung zu kurz greift: Zwar erlangt der Mann mit der Hochzeit die Vormundschaft über seine Frau. Hervorzuheben ist jedoch, dass der Mann trotz seiner Vormundschaft nicht nach Belieben über Immobilien der Frau verfügen darf; er ist auf ihr Einverständnis angewiesen. Ferner ist ihm untersagt, vor Gericht als Vormund seiner Frau aufzutreten, sobald er selbst Partei eines ihre Güter betreffenden Rechtsgeschäfts ist. Wir sehen, dass die Annahme eines abstrakten Güterstandes wie etwa einer Verwaltungsgemeinschaft diesem vielschichtigen Gefüge nicht gerecht wird. Stattdessen haben wir es mit konkreten Zuordnungen der jeweiligen Vermögensmassen zu tun, die sich an den Ordnungsmustern der mittelalterlichen Rechtsgemeinschaft orientieren. Schließlich darf auch nicht die Bedeutung individueller Vereinbarungen aus den Augen verloren werden, auch wenn sie nur einzelne Vermögensgegenstände umfassen. Sie haben oft wichtige Auswirkungen auf die ehelichen Vermögensverhältnisse.

41 Siehe ähnlich Demelius, Eheliches Güterrecht, S. 21, der das Ehegüterrecht des Ehepaars in einern von ihm behandelten Fall als "sehr gemischt" bezeichnet. Siehe als Beispiel Nr. 1415, Sentencia de Przernislia (2. 10. 1476): Quod ex quo gener domine actricis induxit paratas pecunias in suam potestatem alias w gwar, quas post suam uxorem in paratis recepit, prout hoc ipsum ex scriptis vestris sane percepimus, extunc iste parate pecunie ipsius generi partis adverse esse debent, et mater in eis nullam successionem habere potest. Insuper pro domo: si eadem hereditas, quam emit gener, est resignata solo marito et non uxori sue filie prefate actricis, extunc eciam mater post filiam suam in eadem hereditate nullam successionem habere potest, sed ipse maritus pars respondens eandem domum iam eviteme iuxta suam resignacionem possidere debebit, demptis parafamalibus, ad que mater est propinquior, de forma iuris.

IV. Das Krakauer Schöffenrecht

203

IV. Das Krakauer Schöffenrecht 1. Strukturen der Spruchpraxis zur güterrechtlichen Absicherung a) Stimmiges Regelungsgejüge

Wie Nehlsen-von Stryk dargelegt hat, ist die These vom prozessualen Charakter des mittelalterlichen Rechts zu relativieren: 42 In Teilbereichen trägt bereits der Sachsenspiegel materiellrechtliche Züge; dies gilt insbesondere für das Ehegütersowie das Erbrecht. So verwundert es nicht, dass die 300 Jahre später niedergeschriebenen Krakauer Sprüche im Bereich des Ehegüterrechts von materiellrechtlichem Denken beherrscht werden. Selbst wenn etwa Fragen der Auflassung vor Gericht oder der Formgültigkeit eines Testaments zu entscheiden sind, zeugt die Argumentation der Schöffen von der Vorstellung bestimmter objektiver Rechtsregeln. Es geht also nicht mehr lediglich darum, wer näher zum Beweise ist. Die formellen Anforderungen sind vielmehr Wirksamkeitsvoraussetzungen. An diesen Befund knüpft die Frage an, ob die materiellrechtlich geprägten Urteile und Rechtsweisungen in einem Denkzusammenhang stehen oder ob sie eher von Zufälligkeiten geprägter Ausdruck eines allgemeinen Rechtsempfindens sind. Dem mittelalterlichen Recht wurde gelegentlich nachgesagt, es entbehre der Begrifflichkeit, und es sei ein Produkt des Rechtsgefühls der Schöffen, die das Recht aus ihrer inneren Überzeugung schufen. 43 Zu anderer Ansicht kommt Gudian in seiner grundlegenden Untersuchung zum Ingelheimer überhof. 44 Er geht für Ingelheim von einem in sich folgerichtigen und so gut wie widerspruchsfreien Recht aus, in dem er darum ein Produkt begrifflicher Gedankenarbeit sieht. Auch Hagemann betont in seiner Analyse des Basler Rechts, dass es durch mehr oder minder gleichmäßig gehandhabte Entscheidungsregeln geprägt sei. Eine bemerkenswerte 42 Vgl. Nehlsen-von Stryk, Prozessuales und materielles Rechtsdenken. Zum prozessualen Charakter des mittelalterlichen Rechts siehe Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 122-125. Eine andere Akzentuierung findet sich bei Weitzel, Recht und Spruch der Laienurteiler, S. 57 f.; ders., Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, S. 81 f. Diese Diskussion hat ihren Schwerpunkt für die Zeit des 10.-12. Jahrhunderts. Kroeschell nimmt hingegen noch für das 13. und 14. Jahrhundert an, der überwiegende Teil der Schöffenspriiche seien Beweisurteile. Es fragt sich, inwieweit diese Problematik für das 15. Jahrhundert noch relevant ist. Viele Spriiche tragen indessen noch Anklänge an Beweisurteile in sich. Offensichtlich ist dies, wenn etwa gefragt wird, wer näher sei, etwas zu beweisen. Auch wenn es um dem Besitz geht, heißt es manchmal noch propior est obtinere. 43 Vgl. z. B. Stobbe, Deutsche Rechtsquellen I, S. 277 ff. So meint er für das 15. und 16. Jahrhundert in Bezug auf die Magdeburger Schöffen: "Jedoch waren sie nicht im Stande, nach den Principien juristischer Deduction und wissenschaftlicher Interpretation der anerkannten Rechtssätze ihr Urtheil zu motiviren, sondern sie entschieden nach Billigkeitsgriinden aus ihrem Rechtsgefühl heraus." Problematisch hieran ist insbesondere die kategorische Gegenüberstellung von juristischer Deduktion und Urteilen nach Rechtsgefühl. 44 Vgl. Gudian, Ingelheimer Recht, S. 3.

204

C. Schluss betrachtung

Folgerichtigkeit macht er für das Ehegüterrecht, Unsicherheiten dagegen in HandeIsprozessen aus. 45 Die Untersuchung der Krakauer Spruchpraxis zum Ehegüterrecht - und nur dazu können hier verbindliche Aussagen getroffen werden - hat ein ganz entsprechendes Ergebnis erbracht. Die Entscheidungen zu den versorgungsrechtlichen Instituten führen uns eine in sich schlüssig strukturierte Rechtsmaterie vor Augen. Worin zeigt sich dieses Ergebnis? Zu nennen ist einmal die klare, ausdifferenzierte Begrifflichkeit, die eine strukturierte Rechtsanwendung möglich macht: Die einzelnen Rechtsinstitute, wie dotalicium, Vergabung oder Testament, werden sprachlich und begrifflich deutlich voneinander unterschieden. Das abstrakte Denk- und Vorstellungsvermögen der Schöffen wird sichtbar, wenn sie etwa die Gerade als einen Vermögenskomplex bezeichnen, der zu Lebzeiten der Ehegatten noch nicht diesen Namen trage, und sie mit diesem Argument eine Übertragbarkeit unter Lebenden ablehnen. 46 Da sie die Rechtsbegriffe reflektiert und bewusst verwenden, ist es ihnen möglich, RechtsregeIn in spezifischer Weise an den einzelnen Rechtsinstituten auszurichten und anzuwenden. Ebenso werden allgemein gültige Rechtsregeln, wie das Zu stimmungsrecht der Erben, schlüssig und durchgehend beachtet. Bemerkenswert ist sodann die Konsequenz der Entscheidungen, die sich zu einem geschlossenen Bild zusammenfügen. Die Sprüche zu den verschiedenen Rechtsinstituten sind nicht von Zufallserwägungen geprägt. Sie zeugen auch nicht nur von einigen feststehenden Regeln; sie sind vielmehr durchweg konsistent. Das gesamte Rechtsgebiet kann daher als weitgehend widerspruchsfrei charakterisiert werden. Deutlich wird darüber hinaus eine Verknüpfung der einzelnen Rechtsregel mit einem übergreifenden Netzwerk von Regeln. Die Gegenüberstellung und Ausschließlichkeit von Dritteil auf der einen sowie der Kombination von Gerade und dotalicium auf der anderen Seite bezeugt systematisches Denken. Es tritt auch zu Tage in der Fähigkeit der Schöffen, Geltungs- und Anwendungsanspruch der verschiedenen Rechtsrnassen zu trennen, wie etwa bei Privilegien und Willkür. 47 Diese Entscheidungen mögen für uns heute schwer zugänglich erscheinen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber eine strukturierte, klar umrissene Spruchpraxis. Festzuhalten ist also, dass die Rechtspraxis zur güterrechtlichen Absicherung von materiellen Rechtsregeln und rechtlichem Ordnungsdenken geprägt ist. Diese Regeln dürfen indessen nicht als kohärentes System in dem Sinne verstanden werden, wie sie das pauschalisierende Deutungsschema ,Güterstand ' postuliert. Das mittelalterliche Recht orientiert sich an den typischen Rechtsproblemen des gesellschaftlichen Lebens. Für sie bietet es konkrete Lösungsmuster, die nicht als bloße 45

46 47

Vgl. Hagemann. Basler Rechtsleben 11, S. 96 f. Vgl. Die Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs, 11. 1. a). V gl. hierzu näher C. IV. 1. c).

IV. Das Krakauer Schöffenrecht

205

Einzelentscheidungen lose nebeneinander stehen, sondern ein widerspruchsfreies, konsistentes Ganzes bilden. Die Stringenz der Spruchpraxis zum Ehegüterrecht bezeugt uns schließlich dessen tiefe Verwurzelung im Bewusstsein der Menschen. Auch heute noch ist den Meisten bekannt, wer grundsätzlich erbberechtigt, oder wie ein Testament zu errichten ist. Ob das Ergebnis unserer Untersuchung in dieser Konsequenz verallgemeinert werden darf, kann nur die Analyse weiterer Rechtsinstitute und Rechtsmaterien ergeben. Von der Vorstellung einer vor allem auf bloßem Rechtsgefühl beruhenden Rechtskultur wird man sich indessen zu verabschieden haben. b) Zwingendes und flexibles Recht

Zur weiteren Charakterisierung des Krakauer Schöffemechts ist auf das Zusammenspiel von zwingenden und flexiblen Komponenten einzugehen. Eine in sich geschlossene Rechtsmaterie setzt verbindliche Rechtsregeln voraus. Das Ehegüterrecht beruht zwar weitgehend auf individuellen Vereinbarungen, es unterliegt aber zugleich festen Grundprinzipien und Regeln. 48 So war die Gerade durch jahrhundertelange Übung in der Gesellschaft tief verankert, dass man die ihr zugerechneten Gegenstände mit der Zeit in Katalogen erfasste. Den Ehepartnern blieb keine Gestaltungsmöglichkeit, denn die Gerade fiel in jedem Fall an. Nach und nach begann ihre unangefochtene Geltung jedoch zu bröckeln. Insbesondere fand die Niftelgerade in der Gesellschaft keine ungeteilte Zustimmung mehr. Die Schöffen stellten sich indessen Bestrebungen entgegen, die Niftelgerade durch andere Verfügungen zu umgehen. Die Folge war ein RegelAusnahme-Mechanismus: Abweichende Vereinbarungen wurden bei Gestattung durch Privileg zulässig. Andererseits wird die Gerade ausgeschlossen, wenn das Dritteilsrecht ausgeübt wurde. Sie konnte dann nicht vereinbart werden. Die begriffliche Unterscheidung von dotalicium, resignacio bei der Vergabung und testamentum verdeutlicht, dass nicht jedwedes Gut als dotalicium ausgehan48 Bislang unterscheidet man gesetzliches und vertragliches Ehegüterrecht, was ebenfalls die mittelalterliche Gedankenwelt in ein nicht passendes Kleid zwängt. Wir haben es vielmehr mit einem Zusammenspiel von Gewohnheiten, tradierten Regeln und individuellen Vereinbarungen zu tun. Anders noch Ogris, Art. Güterrecht, eheliches, HRG I, Sp. 1876: "Diese Ehepakte waren vor allem auf die Bestellung eines Wittums, einer Leibzucht oder einer Widerlage gerichtet oder zielten darauf ab, die gesetzlichen Güterstände abzuändern oder zu ergänzen." Dem gesetzlichen Güterrecht wird stets die Gerade zugeordnet: Richtig ist zwar, dass diese nicht abdingbar war und erst in späterer Zeit durch Privilegien teilweise abgeschafft wurde; dies liegt aber nicht daran, dass die Gerade als ehegüterrechtliches Rechtsinstitut gesetzlich vorgesehen war, sondern an der Zuordnung der Fahrnisgüter in einem bestimmten - oben dargestellten - Ordnungsmuster. Dem vertraglichen Güterrecht werden hingegen Morgengabe, Leibzucht sowie Vergabungen zugerechnet. Daran ist richtig, dass diese Gaben individuell ausgestaltet wurden. Der Ansatz ,gesetzliche Gerade plus vertragliche Morgengabe bzw. Leibzucht' trägt indessen nicht.

206

C. Schlussbetrachtung

delt werden konnte. Zwar musste auch das dotalicium vereinbart werden, doch boten die Vergabungen einen größeren Freiraum für individuelle Abreden. Begrenzt wurde er von zwei Faktoren: Der Zustimmungspflicht der nächsten Erben und der förmlichen Auflassung vor Gericht. Auch das Testament ist zunächst an diese Regeln gebunden, bis Privilegien Erleichterungen gewähren. Die Notwendigkeit fester Rechtsregeln ist durch die Funktion des Rechts bedingt. Ihre Ordnungsfunktion tritt darin hervor, dass sie einerseits die individuellen Vereinbarungen begrenzt, andererseits aber ein stabiles Rechtsgefüge gewährleistet, welches nur in behutsamer Weise Veränderungen zulässt. c) Schichten des Rechts: ius teutonicum, conswetudo, wilkor, privilegium

Wie qualifizieren die Schöffen selbst den Rechtsstoff, nach dem sie urteilen? Gehen sie von einem einheitlichen Geltungsgrund aus oder gibt es für sie qualitative Abstufungen? Auf die breit diskutierte Frage nach Recht und Gewohnheit ist hier nicht einzugehen, zumal sie überwiegend das neunte bis zwölfte Jahrhundert betrifft. 49 Vielmehr wollen wir versuchen, die in den Entscheidungen verwendeten Begriffe ius, conswetudo, wilkor und privilegium näher zu bestimmen. 50 Die Schöffen beenden ihre Sprüche zumeist mit den Formeln de forma iuris oder de forma iuris scripti. Die Urteile und Rechtsweisungen werden nach dem für sie verbindlichen ius gesprochen. Was darunter zu verstehen ist, sagt die Gründungsurkunde des Oberhofs: Die Schöffen sollen die deutsche Gerichtsbarkeit wahrnehmen, also nach sächsisch-magdeburgischem Recht urteilen. Es ist in Sachsenspiegel, Weichbildrecht und verschiedenen Schöffenspruchsammlungen überliefert und somit in verschriftlichter Form den Schöffen für die Rechtsfindung zugänglich. Im 15. Jahrhundert kann nicht mehr nur von der vor Gericht gefundenen Gewohnheit gesprochen werden; vielmehr hat sich bis zum Ende des Spätmittelalters ein Wandel zum autoritativen Schriftrecht vollzogen. 51 Durch die Verschriftlichung hat das Recht an Festigkeit gewonnen. Die Schöffen selbst nennen es daher ius scriptum. 49 Deutsches Rechtswörterbuch IV, Sp. 813 ff., Grimm, Deutsches Wörterbuch VI, Sp. 6545 ff. Siehe hierzu Kroeschell, Recht und Rechtsbegriff; ders., Rechtswirklichkeit und Rechtsbücherüberlieferung; ders., Von der Gewohnheit zum Recht; Weitzel, Gewohnheiten; Buchda, ,Gewohnheite'. Siehe ferner den Sammelband hg. von Dilcher, Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten. Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 126-144, wendet die verschiedenen Begriffe konkret auf das Basler Recht an. 50 Die durch die Quelle bezeugten Begriffe werden in einer Zusammenschau dargestellt bei WEbei, Geschichte der Gesetzgebung. Sie können eine wertvolle Arbeitshilfe sein, die Schichten des Rechts anschaulicher zu erfassen, auch wenn man freilich nicht zu stark in Kategorien denken darf. 51 Vgl. Weitzel, Gewohnheiten, S. 355.

IV. Das Krakauer Schöffenrecht

207

Sprechen die Schöffen nicht nach ihrem eigenen Recht, grenzen sie es vom ius teutonicum ab. So klassifizieren sie das Dritteilsrecht - ein Institut, das ihrem eigenen Recht fremd ist - als antiqua conswetudo. Die lokale Besonderheit, die sich auf einen abgrenzbaren Landesteil beschränkt und nicht in ihrem Rechtsbuch verzeichnet ist, kennzeichnen sie als Gewohnheit. 52 Auffällig ist hierbei, dass nicht nur von einer antiqua conswetudo oder der aide gewonheyt gesprochen wird. Zugleich bezeichnen die Schöffen das Dritteilsrecht, auch in Sprüchen an ein und dieselben Adressaten als stat recht und willkor. 53 Die gesetzte Willkür wird nach ihrem Verständnis durch lange Übung zur Gewohnheit. 54 Deutlich wird die spezifische Eigenheit dieser Rechtsrnasse: Im Vordergrund steht die Selbstbindung der Stadtbürger, die sich ihrer eigenen Willkür unterwerfen. 55 Hier haben wir selbstgesetztes Recht, das auf langer Tradition beruht, und daher von den Schöffen als conswetudo bezeichnet wird. In diesen Fällen hat die Willkür durch lange Übung einen weiteren Geltungsgrund erhalten. Die Privilegien wiederum haben besonders nachhaltig das Testamentswesen geprägt. Bei der Gerade ließen sie Abweichungen von der Niftelgerade zu, 56 wenn sie etwa bestimmten, die Gerade der Frau solle an den Witwer und die Kinder fallen. Es kennzeichnet die Privilegien im Bereich der güterrechtlichen Absicherung, dass sie durch Lockerungen und Erleichterungen zur Weiterentwicklung der Rechtsmaterie beitrugen. Königliche Privilegien konnten auch bezwecken, eine Willkür zu bestätigen. 57 Das Privileg bezeugt wiederum eine spezifische Qualität: Der obrigkeitliche Gebotscharakter in Form eines Einzelakts kommt hier zum Vorschein. Die Schöffen sind in der Lage, die einzelnen Schichten des Rechts gegeneinander abzugrenzen und sie nach Herkunft und Geltungsgrund einzuordnen: Das deutsche Recht war das ius, wonach sie lebten und grundsätzlich Recht sprachen. Daneben gab es Gewohnheiten, die ihrem Recht an sich fremd waren, aber anerkannt wurden. Und dem Status des Königsgerichts entsprechend spielten die königlichen Privilegien eine übergeordnete Rolle. 52 Vgl. auch Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 133, der betont, Gewohnheit sowie Herkommen stünden oftmals in enger Beziehung zum kleinräumigen, lokalen Rechtsbereich. 53 Vgl. Nm. 170,736,900,927,993. 54 Siehe auch Nr. 1171, Alia sentencia de ibidem pro dominis consulibus, (Crosno), (30. 3. 1471): Sint der czeit das denne ewer eyner mitteburgher wider der stat saczunge und willekor gebrochin hot, dy vor vii jaren und vor ewer forfaren gesaczt, vorwillet und in ewer stat gehaldin ist bey den gesacztin bussin und noch alle jor gekundiget, vomewet, vorwillet und bestetigt werdin ... Zum Verhältnis von Recht und Willkür siehe Weitzel, Oberhöfe, S. 43 - 57; F. Ebel, Statutum und ius fori, S. 132 ff. 55 Grundlegend hierzu W. Ebel, Willkür; ders., Bürgereid. 56 Vgl. Nr. 641, Sentencia de Sandecz (15.11. 1464). 57 Vgl. Nr. 129, Sentencia de Thuchow (14. 12. 1457): ... Si autem peticionem seu arbitrium alias wilker; de quo nobis scribitis, quod arbitrium per dominum Regem er maiestatis sue sigillum esset confirmatum ...

208

C. Schlussbetrachtung

Wie ist die differenzierte Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Recht und anderen Rechtsschichten zu erklären? Vermutlich ist die üstsiedlung von größter Bedeutung. Die Bewidmung mit deutschem Recht war ein Vorgang, der bewusst wahrgenommen wurde. Zwar hatten viele Siedler bereits zuvor nach sächsisch-magdeburgischem Recht gelebt. Nunmehr wurde es einheitlich einer ganzen Region verliehen. Kazimierz III. richtete den überhof ein, damit das deutsche Recht besser bekannt und angewendet wurde. Die Schöffen hatten daher ein anderes Selbstverständnis als etwa der Magdeburger Schöffenstuhl, der nach seinem ohnedies geübten Recht urteilte. 58 Den Krakauer Schöffen war offenbar in verstärktem Maße bewusst, dass es auch anderes Recht gab, wie das polnische ius terrestre, wie überkommene Gewohnheiten in einzelnen Landesteilen oder königliche Privilegien. d) Rationalisierung? Das Zusammenspiel von Eid und urkundlichen Beweismitteln

Der auch unsere Zeit beherrschende Fortschrittsglaube läuft Gefahr, das Mittelalter als dunkel und geheimnisvoll darzustellen: als ein Zeitalter, das von irrationalen gerichtlichen Handlungen, von Willkür und archaischem Verhalten geprägt ist. Dem stellt man mit der Rationalisierung des Rechts gern ein Modernisierungskonzept gegenüber, welches das Abstreifen traditionalistischer Rechtshandlungen durchweg als positiv begreift. Bei dem Schlagwort der Rationalisierung denkt man neben dem Verfahrensrecht vornehmlich an das Beweisrecht, das an dieser Stelle nähere Betrachtung finden soll. 59 In zivilrechtlichen Streitigkeiten dominieren im Spätmittelalter rationale Beweismittel. 60 Zu ihnen gehören Urkunden, Gerichts- und Stadtbücher. Vorrangiges Beweismittel ist aber das Gerichtszeugnis, mit dem alle gerichtlichen Handlungen dargetan werden mussten. Diese Praxis wird durch die Urteile und Rechtsweisungen der Krakauer Schöffen vielfach bestätigt: So etwa bei der Auflassung eines Grundstücks, oder in dem Fall, dass die Witwe ein Pfandrecht an einer Immobilie ihres verstorbenen Mannes zur Durchsetzung ihres dotalicium geltend machte. Der Gerichtsbeweis bezeugt uns die Vielzahl der vor Gericht vorzunehmenden Handlungen. 58 Zum Geltungsgrund des Sachsenspiegels in der Rechtspraxis siehe Kroeschell, Von der Gewohnheit zum Recht, S. 88 ff. Er vermutet, die Rechtsgeltung des Sachsenspiegels könnte in seiner Deutung als Kaiserrecht liegen. Zur Idee vom Kaiserrecht siehe Trusen, RechtsspiegeI und Kaiserrecht. 59 Als Einzelstudien siehe hierzu Fellinger, Das formelle und materielle Beweisrecht. Die Studie von Hildbrand, Aktualisierung von Recht, hebt bei der Untersuchung von Eid und Schriftbeweis im Schwerpunkt auf das Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit ab. 60 Zu der Begrifflichkeit und zugleich deren Kritik siehe insbesondere Nehlsen-von Stryk, Die Krise des ,irrationalen' Beweises, die die Frage für das Strafverfahren aufwirft. Mit dem Deutungsschema Rationalität setzen sich auch auseinander Schnell, Rechtsgeschichte, Mentalitäten und Gattungsgeschichte; Battenberg, Rationalität im Verfahren, S. 313 - 316.

IV. Das Krakauer Schöffenrecht

209

Gelegentlich sind wir auch auf ein anderes Beweismittel gestoßen: den Eid. Während durch das Gerichtszeugnis die vorgetragenen Fakten auf ihre materielle Wahrheit hin überprüft werden können, vertraut man beim Eid coram Deo auf Rechtschaffenheit und Integrität des Eidleistenden. In welchen Fällen sind wir dem Eid begegnet? Bei der Gerade konnte eine Beklagte das Herausgabeverlangen ihrer Schwägerin durch Eid abwehren, wenn die Schwägerin behauptet hatte, die Beklagte befinde sich im Besitz von Geradestücken ihrer verstorbenen Mutter. Hier wird sichtbar, dass die unbescholtene Beklagte nicht durch einfache, von keinem Beweisangebot begleitete Klage bedrängt werden konnte. Diese Entscheidung entspricht den üblichen Beweisregeln. In zwei weiteren Prozessen erhielt die beklagte Witwe abweichend von den gewöhnlichen Beweisregeln den Beweisvorzug durch Eid - in einem Fall mit Eidhelfern - weil evidente, für die Rechtsgemeinschaft ohne weiteres erkennbare Tatsachen vorlagen. 61 Diese beiden Urteile tragen der offensichtlichen Sachlage Rechnung: aus der Sichtweise der spätmittelalterlichen Gesellschaft wohl reflektierte Beweggründe, die zudem von Pragmatismus zeugen. Eine etwas andere Situation haben wir beim dotalicium: Erhalten hat sich hier die Privilegierung der Frau beim einfachen Geldversprechen des Mannes, das ja aus rein tatsächlichen Gründen nicht mit einem schriftlichen Zeugnis bewiesen werden konnte. Im Gegensatz zu den Magdeburger Schöffen gewährten die Krakauer Schöffen der Witwe das Recht, das Versprechen eines dotalicium in Geld selbst und allein zu beeiden. Hierin ein hartnäckiges Festhalten an einem überkommenen Beweismittel zu sehen, wäre zu einseitig: Die Krakauer Schöffen boten der Witwe Schutz und halfen ihr bei der gerichtlichen Durchsetzung des ihr zustehenden Anspruchs. Wenn sie vor Gericht beeidete, ihr Mann habe ihr eine gewisse Summe Geld zugesagt, vertraute man ihrer Aussage und schenkte ihr Glauben. Da es üblich war, die Frau mit einer Gabe abzusichern, trägt die Beweiszuteilungsregel auch einem wahrscheinlichen Geschehensablauf Rechnung. In den wenigen Entscheidungen, in denen der Eid eine Rolle spielt, wird er als Beweismittel wohl überlegt und klug eingesetzt. Ihn schlicht als irrationales, inzwischen sinnentleertes, fossilienähnliches Beweismittel abzutun, wird den sozialen Ordnungsmustern und der Wahrnehmung der spätmittelalterlichen Gesellschaft nicht gerecht. Die Verflechtung von Eid und schriftlichem Beweis ist nicht willkürlich; vielmehr stellt sie eine Regelhaftigkeit innerhalb geltender Rechtsgrundsätze dar, die den Zeitgenossen berechenbar und transparent erscheinen musste.

61

Siehe hierzu B. 11. 2. e).

14 Obl.den

210

C. Schlussbetrachtung

2. SpätmittelaIterliche Rechtsfindung: Tradiertes Wissen und Buchgelehrtheit

Unsere Untersuchung der Krakauer Schöffensprüche bestätigt die in den letzten Jahren von der Forschung vorgetragene Kritik an der kategorischen Gegenüberstellung von gelehrtem und ungelehrtem Recht, welche sich zum einen durch die überkommene Bewertung des mittelalterlichen Schöffenrechts als irrational und zum anderen durch Wieackers Deutung der Rezeption als Prozess der Verwissenschaftlichung ergeben hat. 62 Die Krakauer Schöffenspruchsammlung zeigt, dass den Schöffen gedankliche Arbeit bei der Entscheidungsfindung nicht abgesprochen werden kann. Wenn sie aber einerseits nicht nach bloßem Rechtsgefühl geurteilt haben, ihnen andererseits die Subsumtionstechnik des gelehrten Rechts noch fremd war, stellt sich die Frage nach dem konkreten Gebrauch von Rechtsbüchem und Schöffenspruchsammlungen, deren vielfältige Verflechtungen immer wieder hervorgetreten sind. Die Krakauer Schöffen hatten Abschriften des Sachsenspiegels und des sächsischen Weichbildrechts, die in einem Rechtsbuch zusammengebunden waren. Sodann haben wir Kenntnis von einer weiten Verbreitung anderer Rechtstexte im kleinpolnischen Raum, so etwa von einer Sammlung Magdeburger Schöffensprüche, die von der Stadt Krakau in Auftrag gegeben worden war. 63 Andererseits zitieren die Krakauer Schöffen keine Rechtstexte, wie es auch der Praxis der Magdeburger Schöffen entsprach. 64 Der Nachweis direkter Verwendung von Rechts62 Vgl. etwa die kritischen Anmerkungen bei Willoweit, Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, S. 371 f., der darauf hinweist, wenn für das Schöffenrecht rationale Reflexion nachgewiesen werden könne, Wieackers Hinweis auf die logische Erörterung der autonomen juristischen Sachproblematik als Kern des Rezeptionsgedankens an Gewicht verlöre. Vgl. ferner Nehlsen-von Stryk, Krise des ,irrationalen' Beweises; Sailer, ,Verwissenschaftlichung' und Rechtspraxis. Grundsätzlich wird indessen an der Verwissenschaftlichung als Wesen der Rezeption festgehalten, jedoch mit verschobenen Akzenten. Der Vorgang der Rezeption wird seit Wieacker als Verrechtlichung sozialer Konflikte unter gleichzeitiger Verwissenschaftlichung des rechtlichen Lebens gedeutet. Unter Verwissenschaftlichung versteht Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 131, "die intellektuelle Rationalisierung des gesamten öffentlichen Lebens: den Austrag politischer und privater Konflikte nicht mehr durch Gewalt, Emotionen oder unreflektierte Lebenstradition, sondern durch logische Erörterung der autonomen juristischen Sachproblematik und durch Entscheidung nach einer daraus gewonnenen rationalen Regel." Daher bezeichnet er die einheimische Spruchpraxis als ,ungewiss', welche die vom rationalen Rechtswollen geprägten gelehrten Juristen nicht mehr befriedigen konnte. Erst recht gilt die Kritik für den ohnedies wissenschaftlich überholten, aber berühmten Ausspruch Beyeries, man habe von den Schöffen nur "Orakel statt der ratio decidendi" erhalten. Zitiert bei Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 114. Auch Wieacker selbst bemerkt: "Solche Orakel hinzunehmen, waren die Rechtsgenossen nicht mehr gesonnen, seit der gelehrte Jurist logische Bestimmtheit und rationale Überprüfbarkeit seiner Entscheidungsgründe anzubieten hatte." 63 Siehe A. II. 1. c). 64 Vgl. F. Ebel, Statutum und ius fori, S. 132; Buchda, ,Gewohnheiten', S. 83.

IV. Das Krakauer Schöffenrecht

211

büchern und Schöffenspruchsammlungen ist daher nur schwer möglich. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass sich zu einem großen Teil der Sprüche eine parallele Fallkonstellation oder Textpassage in zumindest einer der zahlreichen Quellen zum sächsisch-magdeburgischen Recht finden lässt. Mit Sachsenspiegel und Weichbildrecht eng verwoben ist die Krakauer Spruchpraxis zu Gerade, Vormundschaft und zum Erbrecht. Die Entscheidungen zum dotalicium weisen dagegen schon weniger Übereinstimmungen auf. Bei den Vergabungen bleibt es bei einem Hinweis zur formgültigen Auflassung und dem Einspruchsrecht der Erben. Dieser Befund ist im Zusammenhang mit dem dargestellten Geflecht von zwingendem und flexiblem Recht zu sehen: Die Gerade als fest umrissenes Rechtsinstitut, deren Gegenstand bereits der Sachsenspiegel genau festgehalten hat, ist geprägt von Bestimmungen, die leicht übernommen werden konnten, was die teils wörtlichen Übereinstimmungen überraschend deutlich zeigen. Auch das Erbrecht war im Sachsenspiegel in seinen Grundzügen klar abgesteckt. Seine Übernahme durch die Krakauer Schöffen lässt sich hier am einfachsten nachweisen. Bei Vergabungen achteten die Schöffen überwiegend nur auf die formellen Voraussetzungen wie die ordnungsgemäße gerichtliche Handlung; der Sachsenspiegel bot daher weniger Gelegenheit zur direkten Verwendung. Hier ist dann in Krakau eine vergleichbare Entwicklung zur Magdeburger Spruchpraxis erkennbar. Insbesondere gilt dies für das dem Sachsenspiegel noch unbekannte Testament. Trotz all dieser Parallelen ist nicht nachweisbar, dass die Schöffen im konkreten Fall einen Rechtstext konsultiert haben. Da das sächsisch-magdeburgische Recht jedoch recht verästelt und detailreich ist, wird man nicht annehmen dürfen, dass die Schöffen jedes Rechtsproblem ausschließlich aufgrund ihrer Erfahrung lösen konnten. Je spezifischer ein Rechtssatz ist, desto wahrscheinlicher ist seine Übernahme aus einem Rechtstext. Sie muss nicht im konkreten Fall geschehen sein, sondern kann in einem Rechtswissen der Schöffen liegen, das allerdings ohne gelegentliche Auffrischung und Rückbindung an das schriftlich fixierte Recht nicht vorstellbar ist. 65 Auch wenn der Beantwortung der Frage nach dem konkreten Gebrauch von Rechtstexten Grenzen gesetzt sind, können zwei Ergebnisse festgehalten werden: Zum einen hat die Analyse der Krakauer Spruchpraxis gezeigt, dass das in den Rechtsbüchern und Spruchsammlungen fixierte Recht tatsächlich in Übung war. 66 65 Siehe auch Willoweit, Rationales und traditionales Rechtsdenken, S. 370, Fn. 10, der davon spricht, die schriftliche Fixierung der Urteile habe ein kollektives Gedächtnis entstehen lassen, auf das man jederzeit zurückgreifen konnte. lohanek, Rechtsschrifttum, S. 397, der das Bemühen, normative Rechtstexte durch systematische Erfassung und Kompilationen für die Praxis zu erschließen sowie die Schriftlichkeit, die Überprüfbarkeit der Normen ermöglicht, hervorhebt. 66 Wobei selbstverständlich zu berücksichtigen ist, dass das Recht einer Entwicklung unterworfen war. Wie wir beim dotalicium gesehen haben, war nicht mehr das Recht des Sachsenspiegels als solches in Übung, sondern es hatten sich einzelne Rechtssätze trotz der Veränderung dieses Rechtsinstituts erhalten.

14*

212

C. Schlussbetrachtung

Zum anderen, dass die Krakauer Schöffen wissende Anwender ihres Rechts waren. Als spezialisierte Fachelite sind die Schöffen durch ihr lebenslanges Amt hocherfahren und vermutlich auch buchgelehrt. Ihre Kenntnis und ihr Urteilsvermögen lassen sich nicht auf bloße mündliche Tradition und Überlieferung zurückführen; beachtlich ist vor allem ihr Umgang mit dem in Rechtsbüchern und Spruchsammlungen fixierten Recht. luxta scripta iuris Maydeburgensis - das Recht ist mehr als überkommenes, über Generationen gepflegtes Wissen. Es ist greifbar durch das Buch. Darüber hinaus werden die Schöffen sicherlich auch vieles aus ihrer langjährigen Erfahrung geschöpft haben. Viele Rechtsregeln waren so alltäglich, dass ihnen manche Entscheidung wie selbstverständlich erscheinen musste. Tradiertes Wissen und Buchgelehrtheit greifen offenbar ineinander. 67 Wir treffen auf eine mündliche Rechtstradition, die durch die Rückkopplung an das Buch geprägt ist.

67 Siehe auch bei Behrend. Magdeburger Fragen, B. I. Kap. 3. Di. 2: Hiruff sprechen wir scheppen zcu Magdeburg recht: Alle schrifft syn den luten geschreben unde gegeben zcu wissentschajft unde zeu lere. Hirumb wer eyn scheppe ist unde gesworen hat zcu dem rechte. der mag noch syner redelicheit synes besten synnes unde noch wissenheit der schriffte unde des rechten orteil vinden uff synen eid. Weitzel. Recht und Spruch, S. 73 meint zu dieser Stelle: "Man merkt, wie die Verfasser sich winden. Einerseits können sie das Schriftrecht, zumal das des eigenen Rechtskreises, nicht als unnütz oder untauglich hinstellen. Andererseits müssen sie die Autorität des Schöffen verbandes und des im Urteil gesprochenen Rechts hochhalten. Offenbar war ihnen im Zuge des 14. Jahrhunderts das Schriftrecht zum Synonym für die vom Eindringen des gelehrten Rechts ausgehende Gefahr geworden. Sie fühlten instinktiv, daß sie den methodischen Anforderungen des neuen Kaiserrechts nicht gewachsen sein würde." Diese Interpretation ist unzutreffend: In der Anfrage geht es vor allen Dingen um die Frage, wie sich der Schöffe zu verhalten habe, wenn er im Weichbild eine andere Regelung findet, als etwa im Lehnrecht oder Landrecht. Mit Schriftrecht wird hier nicht ein Synonym für eine Gefahr durch das gelehrte Recht gemeint sein. Eine ähnliche Stelle findet sich zudem bereits in der Vorrede zum Sachsenspiegel.

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellenverzeichnis Behrend, Jakob Fr.: Die Magdeburger Fragen, Berlin 1865. Bischof!, Ferdinand: Österreichische Stadtrechte und Privilegien mit Literaturangaben und Anmerkungen, Wien 1857. Boehlau, Hugo: Die Blume von Magdeburg, Weimar 1868.

v. Daniels, A.I v. Gruben, Fr.: Das sächsische Weichbildrecht, Jus municipale saxonicum, Erster Band, Weltchronik und Weichbildrecht in 136 Artikeln mit der Glosse, Berlin s.a. (1858). Ebel, Friedrich: Der Rechte Weg, Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, Band 1, unter Mitarbeit von Wieland Carls und Renate Schelling, Köln 1Weimar 1Wien 2000. Ebel, Friedrich: Der Rechte Weg, Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, Band 2, unter Mitarbeit von WieIand Carls und Renate Schelling, Köln 1Weimar 1Wien 2000. Ebel, Friedrich: Magdeburger Recht, Band I, Die Rechtssprüche für Niedersachsen, Mitteldeutsche Forschungen, Band 89/1, Köln 1Wien 1983. Ebel, Friedrich: Magdeburger Recht, Band 11, Die Rechtsmitteilungen und Rechtssprüche für Breslau, Teil 1, Die Quellen von 1261 bis 1452, Mitteldeutsche Forschungen, Band 89111/1, KölnIWien 1989. Ebel, Friedrich: Magdeburger Recht, Band 11, Die Rechtsmitteilungen und Rechtssprüche für Breslau, Teil 2, Die Quellen von 1453 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Mitteldeutsche Forschungen, Band 89111 12, Köln 1Weimar 1Wien 1995. Eckhardt, Karl August: Sachsenspiegel Landrecht, Monumenta Gerrnaniae Historica, Fontes iuris gerrnanici antiqui, Nova Series, Tomi I, Pars I, Dritte Ausgabe, Göttingen 1973. Eckhardt, Karl August: Das Lehnrecht des Sachsenspiegels, Gerrnanenrechte, Band 15, Göttingen 1Berlin 1Frankfurt am Main 1956. Friese, Victor 1Liesegang, Erich: Die Magdeburger Schöffen sprüche für Gross-Salze, Zerbst und Anhalt, Naumburg und aus dem Codex Harzgerodanus, Erster Band, Abteilungen I bis IV, Berlin 1901. Goerlitz, Theodor: Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen, hg. von Fritz Markmann, Reihe VIII WartheIand, 1. Band, Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen und andere Städte des WartheIandes, Stuttgart/Beriin 1944. Goerlitz, Theodor 1Gantzer, Paul: Die Magdeburger Schöffen sprüche und Rechtsmitteilungen, hg. von Fritz Markmann, Reihe VII Schlesien, 1. Band, Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz, Stuttgart 1Berlin 1940.

214

Quellen- und Literaturverzeichnis

Grosch, Reinhold, unter der Mitarbeit von Karl Theodor Lauter und Willy Flach: Die Schöffenspruchsammlung der Stadt Pössneck, Teil I, Der Text der Sammlung, Weimar 1957. Homeyer, Carl Gustav: Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, Berlin 1857. Kisch, Guido: Leipziger Schöffenspruch-Sammlung, Quellen zur Geschichte der Rezeption, Erster Band, Leipzig 1919. Kötzschke, Rudolf: Quellen zur Geschichte der ostdeutschen Kolonisation im 12. bis 14. Jahrhundert, Leipzig I Berlin 1912. Kraut, Wilhelm Theodor: Das alte Stadtrecht von Lüneburg, Göttingen 1846. Krüger, Paull Scholl, Rudolf: Corpus Iuris Civilis, III, Novellae, Berlin 1895. Kunkel, Wolfgang I Thieme, Hans: Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, bearbeitet von Franz Beyerle, Zweiter Halbband, Landrechte des 16. Jahrhunderts, Weimar 1938. Laband, Paul: Das Magdeburg-Breslauer Systematische Schöffenrecht aus der Mitte des XlV. Jahrhunderts, Berlin 1863. Laband, Paul: Magdeburger Rechtsquellen, Königsberg 1869. Leman, C. K.: Das alte kulmische Recht, Berlin 1838. Lüning, Johann Christian: Codex Augusteus, oder Neuvermehrtes Corpus Iuris Saxonici, Leipzig 1724. Lysiak, Ludwigl Nehlsen-von Stryk, Karin: Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoviensis, Die Rechtssprüche des Oberhofs des deutschen Rechts auf der Burg zu Krakau 1456-1481, Ius Commune, Sonderheft 68, Frankfurt am Main 1995. Lysiak, Ludwigl Nehlsen-von Stryk, Karin: Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoviensis, Die Rechtssprüche des Oberhofs des deutschen Rechts auf der Burg zu Krakau, Band 2: 1481- 1511, Ius Commune, Sonderheft 104, Frankfurt am Main 1997. Maisei, Witold: Das Posener Buch des Magdeburger und Meissner Rechts, Breslau/Warschau I Krakau 1964. Ortloff, Friedrich: Das Rechtsbuch nach Distinctionen nebst einem Eisenachischen Rechtsbuch, Jena 1836. Piekosiliski, Franciszek: Codicis diplomatici civitatis Cracoviensis (1257 -1506), Monumenta medii aevi historica, Band V, Krakau 1879. Piekosinski, Franciszek: Codicis diplomatici civitatis Cracoviensis (1257 -1506), Monumenta medii aevi historica, Band VII, Krakau 1882. Piekosinski, Franciszek: Leges, privilegia et statuta civitatis Cracoviensis (1507 - 1795), Acta historica res gestas Poloniae illustrantia, Band VIII, Krakau 1885. Rondi, Peter: Eisenacher Rechtsbuch, Germanenrechte Neue Folge, Abteilung Stadtrechtsbücher, Band 3, Weimar 1950. Schott, Clausdieter: Eike von Repgow - Der Sachsenspiegel, Übertragung des Landrechts von Ruth Schmidt-Wiegand, Übertragung des Lehenrechts und Nachwort von Clausdieter Schott, 3. revidierte Auflage, Zürich 1984. Ullrich, Günther, unter Mitarbeit von Hans Planitz: Zwickauer Rechtsbuch, Germanenrechte Neue Folge, Abteilung Stadtrechtsbücher, Weimar 1941.

Nachschlagewerke und Hilfsmittel

215

Wasserschieben, Hermann: Deutsche Rechtsquellen des Mittelalters, Leipzig 1892. Wasserschieben, Hermann: Sammlung deutscher Rechtsquellen, Erster Band, Giessen 1860. Weizsäcker, Wilhelm: Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen, hg. von Fritz Markmann, Reihe IX Sudetenland, I. Band, Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für den überhof Leitmeritz, Stuttgart/ Berlin 1943. Zobel, Christoff: Sachsenspiegel mit Summariis vnd newen Additionen, 1604.

Nachschlagewerke und Hilfsmittel Deutsches Rechtswörterbuch: hg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Weimar 1914 ff. Deutsches Wörterbuch: hg. von Jacob und Wilhelm Grimm, Leipzig 1854 ff., Nachdruck München 1984. Graf, Eduard/ Dietherr, Mathias: Deutsche Rechtssprichwörter, Zweite Ausgabe, Nördlingen 1869. Habei, Edwin/ Gröbel, Friedrich: Mittellateinisches Glossar, Nachdruck der 2. Auflage, Paderbom / München / Wien / Zürich 1989.

Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte: hg. von Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann, Berlin 1971 ff. Homeyer, Gustav: Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften, neu bearbeitet von Conrad Borchling, Karl August Eckhardt und Julius von Gierke, Weimar 1931/1934.

Lexikon des Mittelalters: München/Zürich 1980 ff. Mittelniederdeutsches Handwörterbuch: hg. von August Lübben, Nach dem Tode des Verfassers vollendet von Christoph Walther, Leipzig 1888, Nachdruck Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995. Mittelniederdeutsches Wörterbuch: hg. von Karl Schiller und August Lübben, Bremen 1875 ff., Nachdruck Münster 1931. Oberländer, Samuel: Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, Unveränderter Nachdruck der 4. Auflage Nümberg 1753, herausgegeben und eingeleitet von Rainer Polley, Köln / Weimar/Wien 2000. Oppitz, Ulrich-Dieter: Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Band I, Beschreibung der Rechtsbücher, Köln / Wien 1990. Schmidt-Wiegand, Ruth: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, Ein Lexikon, München 1996. Spruner/ Menke: Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der Neueren Zeit, Dritte Auflage von K.v. Spruner's Handatlas, neu bearbeitet von Th. Menke, Gotha 1880.

Verfasserlexikon: Die deutsche Literatur des Mittelalters, hg. von Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil, Wemer Schröder, Burghart Wachinger, Franz Josef Wortbrock, Berlin / New York 1978 ff.

216

Quellen- und Literaturverzeichnis

Literatur Agricola, Paul: Die Gewere zu rechter Vonnundschaft als Princip des Sächsischen ehelichen Güterrechts, Gotha 1869. Albrecht, Wilhelm Eduard: Die Gewere, als Grundlage des aItem deutschen Sachenrechts, Koenigsberg 1828. Baczkowski, Krzysztof: Humanismus in Krakau und Wien um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, in: Metropolen und Kulturtransfer im 15./16. Jahrhundert, Prag - Krakau Danzig - Wien, hg. von Andrea Langer und Georg Michels, Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Band 12, Stuttgart 2001, S. 53 -64. Bader, Karl Siegfried: Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen und verwandten Rechtsquellen, Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Rechtsanwaltschaft, Freiburg im Breisgau 1931. Bader, Karl Siegfried/ Dilcher, Gerhard: Deutsche Rechtsgeschichte, Land und Stadt - Bürger und Bauer im Alten Europa, Heidelberg 1999. Bartei, Wojciech M.: Stadt und Staat in Polen im 14. Jahrhundert. Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert - Entwicklungen und Funktionen, hg. von Wilhelm Rausch, Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas II, Linz/Donau 1972, S. 129-165. Battenberg, Friedrich: Wege zu mehr Rationalität im Verfahren der obersten königlichen Gerichte im 14. und 15. Jahrhundert, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. von Dieter Simon, lus Commune, Sonderhefte, 30, Frankfurt am Main 1987, S. 313331. Beck, Alexander: Römisch-vulgarrechtliche Elemente in schweizerischen Schenkungs- und Kaufurkunden des frühen Mittelalters, in: Itinera luris, Arbeiten zum Römischen Recht und seinem Fortleben, hg. von Pio Caroni und Josef Hofstetter, Bem 1980, S. 209 - 235. Beck, Alexander: Romanistische Bemerkungen zu früheren bemischen Rechtsquellen, in: Itinera luris, Arbeiten zum Römischen Recht und seinem Fortleben, hg. von Pio Caroni und Josef Hofstetter, Bem 1980, S. 181-209. Behre, Emst: Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht des Sachsenspiegels und Magdeburger Rechts, Weimar 1904. Belzyt, Leszek: Demographische Entwicklung und ethnische Pluralität in den großen Städten Ostmitteleuropas 1400-1600, in: Metropolen im Wandel, Zentralität in Ostmitteleuropa an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. von Evamaria Engel, Karen Lambrecht und Hanna Nogossek, Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropas, Berlin 1995, S. 61-71. Berghaus, Peter: Art. Münze, in: Lexikon des Mittelalters, Band VI, Sp. 924 - 930. Beseler, Georg: Die Lehre von den Erbverträgen, Erster Theil, Die Vergabungen von Todes wegen nach dem älteren deutschen Rechte, Göuingen 1835. Beseler, Georg: System des gemeinen deutschen Privatrechts, Erste Abtheilung, Allgemeiner Theil, Das allgemeine bürgerliche Recht, Berlin 1885. Beyerle, Franz: Der Ursprung der Bürgschaft. Ein Deutungsversuch vom gennanischen Recht her, in: ZRG GA 47 (1927), S. 567 -645.

Literatur

217

Bischoff, Ferdinand: Beiträge zur Geschichte des Magdeburgerrechtes, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-historische Klasse, L. Band, IV. Heft, Jahrgang 1865. Borodziej, Wlodzimierz: ,Ostforschung' aus der Sicht der polnischen Geschichtsschreibung, in: Zeitschrift für Ostmitte\europa-Forschung, Neue Folge der Zeitschrift für Ostforschung, 46. Jahrgang, 1997, S. 405 -426. Brauneder, Wilhelm: Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, Ein Beitrag zur Dogmengeschichte und Rechtstatsachenforschung des Spätmittelalters und der Neuzeit, Salzburg I München 1973. Brauneder, Wilhelm: Frau und Vermögen im spätmitte\alterlichen Österreich, in: Frau und spätmittelalterlicher Alltag, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophischhistorische Klasse, Sitzungsberichte, 473. Band, Wien 1986. Bresc, Henri: Stadt und Land in Europa zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert, in: Geschichte der Familie, Band 2, Mittelalter, hg. von Andre Burguiere, Christiane Klapisch-Zuber, Martine Segalen, Francoise Zonabend, Frankfurt am Main I New York 1997, S. 159-206. Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte, Erster Band, Dritte Auflage, Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft, hg. von Karl Binding, Berlin 1906. Buchda, Gerhard: Art. Appellation, in: HRG I, Sp. 196-200. Buchda, Gerhard: Der Beweis im sächsischen Recht, in: Recueils de la societe Jean Bodin pour l'histoire comparative des institutions, XVII, La Preuve, deuxieme partie, moyen age et temps modernes, Brüsse11965, S. 519-546. Buchda, Gerhard: Die Schöffenspruchsammlung der Stadt Pössneck, Teil III, Die Bedeutung der Sammlung für die allgemeine Rechtsgeschichte, Ordnung der Sprüche nach Rechtssachen, Weimar 1962. Buchda, Gerhard: Die Rechtsmittel des sächsischen Prozeß, in: ZRG GA 75 (1958), S. 274348. Buchda, Gerhard: ,Gewohnheiten' in der Pößnecker Schöffenspruchsammlung, in: ZRG GA 78 (1961), S. 64-92. Buchda, Gerhard: Art. Klage, in: HRG II, Sp. 837 - 845. Buchda, Gerhard: Art. Kursächsische Konstitutionen, in: HRG II, Sp. 1304 - 1310. Buchda, Gerhard: Art. Kummer, in: HRG II, Sp. 1257 -1263. Buchda, Gerhard: Art. Magdeburger Recht, in: HRG III, Sp. 134-138. Buchholz, Stephan: Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, Zur Geschichte der Auflassung und der Grundschuld, Ius Commune, Sonderheft 8, Frankfurt am Main 1978. Bungenstock, Wilfried: Art. Gerade, in: HRG I, Sp. 1527 - 1530. Bungenstock, Wilfried: Art. Heergeräte, in: HRG II, Sp. 29 - 30. Carter, Francis W.: Trade and urban development in Poland: an econornic geography of Cracow, from its origins to 1795, Cambridge 1994. Cavanna, Adriano: Art. dotalitium, in: LexMa III, Sp. 1328-1329. Coing, Helmut: Die Frankfurter Reformation von 1578 und das Gemeine Recht ihrer Zeit, Eine Studie zum Privatrecht der Rezeptionszeit, Weimar 1935.

218

Quellen- und Literaturverzeichnis

Coing, Helmut: Europäisches Privatrecht, Band I, Älteres Gemeines Recht (1500 bis 1800), München 1985. Conrad, Hermann: Deutsche Rechtsgeschichte, Band I, Frühzeit und Mittelalter, 2., neubearbeitete Auflage, Karlsruhe 1962. Daeschner; Carl: Die altdeutsche Gerade und die Bestimmungen des BGB über Frauengeräte, Haushaltsgegenstände und Rechtsvermutungen unter Ehegatten, Dissertation Heidelberg 1908, Hannover o.J. (1908). Davies, Norman: Im Herzen Europas, Geschichte Polens, München 2000. Dembiinska, Maria: Women in daily life of medieval Poland, in: Frau und spätmittelalterlicher Alltag, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte, 473. Band, Wien 1986. Demelius, Heinrich: Eheliches Güterrecht im spätmittelalterlichen Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte, 265. Band, 4. Abhandlung, Wien 1970. Diestelkamp, Bernhard: Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation im weltlichen Prozeßrecht Deutschlands, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftIichen Klasse, Jahrgang 1998, Nr. 2, Mainz / Stuttgart 1998. DUcher; Gerhard: Die stadtbürgerliche Gesellschaft und die Verrechtlichung der Lebensbeziehungen im Wandlungsprozeß zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, I. Teil, Berichte über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1994 bis 1995, hg. von Hartrnut Boockmann, Ludger Grenzmann, Bernd Moeller, Martin Staehelin, Abhandlung der Akademien der Wissenschaften in Göttingen, Philosophisch-Historische Klasse, Dritte Folge, Nr. 228, Göttingen 1998, S. 93-114. DUcher; Gerhard: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, hg. von Gerhard Dilcher, Heiner Lück, Reiner Schulze, Elmar Wadle, Jürgen Weitzel, Udo Wolter, Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungs geschichte, Band 6, Berlin 1992. Dilcher; Gerhard: .. Hell, verständig, für die Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend.", in: ZRG GA 106 (1989), S. 12-45. Dimt, Gunter: Haus und Wohnung zwischen Mittelalter und Neuzeit am Beispiel Oberösterreichs, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. von Alfred Haverkamp, Städteforschung: Reihe A, Band 18, Köln/Wien 1984, S. 66-99. Dmitrieva, Marina/ Lambrecht, Karen: Krakau, Prag und Wien: Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat. Eine Zusammenfassung, in: Krakau, Prag und Wien, Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat, hg. von Marina Dmitrieva und Karen Lambrecht, Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Band 10, Stuttgart 2000, S. 331- 342. Ebel, Friedrich: Aufzeichnungen von Ratsurteilen und Schöffensprüchen im Lübecker und Magdeburger Rechtskreis, in: Judicial Records, Law Reports, and the Growth of Case Law, Edited by John H. Baker, Comparative Studies in Continental and Anglo-American Legal History, hg. von Helmut Coing und Knut Wolfgang Nörr, Band 5, Berlin 1989, S. 123141.

Literatur

219

Ebel, Friedrich: "Halue Bord scrikket nicht", Bemerkungen zu einer Lüneburger Rechtsanfrage aus dem Jahre 1410, in: Zeitschrift für historische Forschung 9 (1982), S. 49-62. Ebel, Friedrich: Art. Magdeburger Recht, in: LexMa VI, Sp. 77 -79. Ebel, Friedrich: Magdeburger Recht, in: ErzbischofWichmann (1152-1192) und Magdeburg im hohen Mittelalter, Stadt-Erzbistum-Reich, hg. von Matthias Puhle, Magdeburg 1992. Ebel, Friedrich: Rezension Lysiak/Nehlsen-von Stryk, Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoviensis, in: ZRG GA 114 (1997), S. 539-540. Ebel, Friedrich: Art. Sachsenspiegel, in: HRG IV, Sp. 1228-1237. Ebel, Friedrich: Statutum und ius fori im deutschen Spätmittelalter, in: ZRG GA 93 (1976), S.100-153. Ebel, Wilhelm: Der Bürgereid als Geltungsgrund und Gestaltungsprinzip des mittelalterlichen deutschen Stadtrechts, Weimar 1958. Ebel, Wilhelm: Deutsches Recht im Osten; Sachsenspiegel, Lübisches und Magdeburgisches Recht, Der Göttinger Arbeitskreis, Heft 21, Kinzingen / Main 1955. Ebel, Wilhelm: Die Willkür, Göttingen 1953. Ebel, Wilhelm: Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts, I. Teil, Dreizehn Stücke zum Prozeß- und Privatrecht, Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, Band 14, Lübeck 1950. Ebel, Wilhe1m: Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, Eine staatsbürgerliche Einführung, Hannover 1956. Ebel, Wilhelm: Lübisches Recht, Erster Band, Lübeck 1971. Ebel, Wilhelm: Rechtsfragen des bürgerlichen Grundbesitzes im ostdeutschen Siedlungsgebiet des Mittelalters, in: Probleme der deutschen Rechtsgeschichte, Göttinger rechtswissenschaftliehe Studien, Band 100, Göttingen 1978, S. 239-256. Ebel, Wilhelm: Über das ,ungezweite Gut' in Ssp. Ldr. 131, in: ZRG GA 92 (1975), S. 184189. Ebel, Wilhelm: Über die rechtsschöpferische Leistung des mittelalterlichen deutschen Bürgertums, in: Probleme der deutschen Rechtsgeschichte, Göttinger rechtswissenschaftliche Studien, Band 100, Göttingen 1978, S. 145 -162; zuerst in: Vorträge und Forschungen des Konstanzer Arbeitskreises XI, Konstanz 1966, S. 141 ff. Ennen, Edith: Zur Geschichtsschreibung über die Frauen im Mittelalter, in: Historia socialis et oeconomica, Festschrift für Wolfgang Zorn zum 65. Geburtstag, hg. von Hermann Kellenbenz und Hans Pohl, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft, Nr. 84, Stuttgart 1987, S. 44-60. Erickson, Amy Louise: Women and Property in early modem England, London / New York, 1993. Erler, Adalbert: Art. Handfeste, in: HRG I, Sp. 1960. Erler, Adalbert: Art. Schröder, Richard, in: HRG IV, Sp. 1503-1505. Fansa, Mamoun (Hg.): der sassen speyghel, Sachsenspiegel - Recht - Alltag, Band 2, Aus dem Leben gegriffen - Ein Rechtsbuch spiegelt seine Zeit, Oldenburg 1995.

220

Quellen- und Literaturverzeichnis

Fechner, Johannes F.: Deutsches Recht in Polen. Ein Überblick über die Forschungslage in Deutschland, in: Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. von Dietmar Willoweit! Winfried Schieh, Rechtshistorische Reihe, Band 10, Frankfurt am Main 1980, S. I - 22. Feine. Hans Erich: Kirchliche Rechtsgeschichte, Band 1, Die katholische Kirche, 5., durchgesehene Auflage, Köln! Graz 1972. Fellinger, Helmut: Das formelle und materielle Beweisrecht des Stadtgerichts Butzbach im Zivilprozess des 15. Jahrhunderts, Gerichtsbücherstudien, Band 2. hg. von Gunter Gudian, Aalen 1975. Fricke. Friedrich-Wilhelm: Das Eherecht des Sachsenspiegels, Systematische Darstellung, 1. Auflage, Frankfurt am Main 1978. Friedrich. Karin: Cives Cracoviae: Bürgertum im frühneuzeitlichen Krakau zwischen Stadtpatriotismus und nationaler Pluralität, in: Krakau, Prag und Wien, Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat, hg. von Marina Dmitrieva und Karen Lambrecht, Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Band 10, Stuttgart 2000, S. 143 -161. Gagner, Sten: Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, Uppsala 1960. Gal. Alexander: Die Summa legum brevis levis et utilis des sogenannten Doctor Raymundus

von Wiener-Neustadt, Weimar 1926.

Gemeinsame deutsch-polnische Schulbuchkommission: Empfehlungen für Schulbücher der Geschichte und Geographie in der Bundesrepublik Deutschland und in der Volksrepublik Polen, Schriftenreihe des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung, 22. Band, Braunschweig 1977. Gengler, Heinrich Gottfried: Das Deutsche Privatrecht, vierte verbesserte Auflage, Erlangen! Leipzig 1892. v. Gerber, Carl Friedrich: Betrachtungen über das Ehegüterrecht der Ehegatten nach deutschem Rechte, in: Gesammelte Juristische Abhandlungen, Zweite Ausgabe in einem Bande, Jena 1878, S. 311-372. v. Gerber, Carl Friedrich: System des Deutschen Privatrechts, sechste verbesserte Auflage, Jena 1858. v. Gierke. Dtto: Deutsches Privatrecht, Erster Band, Allgemeiner Teil und Personenrecht, Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft, Zweite Abteilung, dritter Teil, erster Band, Leipzig 1895. v. Gierke. Dtto: Die historische Rechtsschule und die Germanisten, Berlin 1903, Neudruckausgabe Aalen 1973. Gieysztor, A.: Art. Polen, in: LexMa VII, Sp. 52-58. Goerlitz. Theodor: Die Breslauer Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, in: ZRG GA 59 (1939), S. 136-164. Goerlitz. Theodor: Die Übertragung liegenden Gutes in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Stadt Breslau, in: Deutschrechtliche Beiträge, Band I, Heft 2, Heidelberg 1906.

Literatur

221

Gönczi, Katalin: Ungarisches Stadtrecht aus europäischer Sicht, Die Stadtrechtsentwicklung im spätmittelalterlichen Ungarn am Beispiel Ofen, Ius Commune, Sonderheft 92, Frankfurt am Main 1997. Goetz, Hans-Wemer: Moderne Mediävistik, Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999. Gottschalk, Karin: Streit um Frauenbesitz, Die Gerade in den Verlassenschaftsakten des Leipziger Universitätsgerichts im 18. Jahrhundert, in: ZRG GA 114 (1997), S. 182-232. Grierson, Philip: The coins ofmedieval Europe, London 1991. Gudian, Gunter: Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, Ein Leitprinzip der Abfassung spätmittelalterlicher Schöffensprüche, Darmstadt 1960. Gudian, Gunter: Gemeindeutsches Recht im Mittelalter? in: Ius Commune II, Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte, hg. von Helmut Coing, Frankfurt am Main 1969, S. 33 -42. Gudian, Gunter: Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Neue Folge, Band 10, Aalen 1968. Gudian, Gunter: Zur Charakterisierung des deutschen mittelalterlichen Schöffenrechts, in: Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart, Festschrift für Helmut Coing zum 70. Geburtstag, Band I, hg. von Norbert Horn in Verbindung mit Klaus Luig und AIfred Söllner, München 1982, S. 113 -127. Hagemann, Hans-Rudolf: Basler Rechtsleben im Mittelalter, Band I, Basel/Frankfurt am Main 1981. Hagemann, Hans-Rudolf: Basler Rechtsleben im Mittelalter, Band H: Zivilrechtspflege, Basei/Frankfurt am Main 1987. Hagemann, Hans-Rudolf: Art. Eigentum, in: HRG I, Sp. 882-896. Hardenberg, Lambertus: Zur Frist von Jahr und Tag, in: ZRG GA 87 (1970), S. 287 - 290. Hellmuth, Doris: Frau und Besitz, Zum Handlungsspielraum von Frauen in Alarnannien (700-949), Vorträge und Forschungen, hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Sonderband 42, Sigmaringen 1998. Herberger, Maximilian: Art. Krakauer Oberhof für deutsches Recht, in: HRG H, Sp. 11691171. Herberger, Maximilian: Art. Kolonisation, in: HRG H, Sp. 954-960. Hessler, R.: Art. Dotalitium, in: HRG I, Sp. 779-780. Heukamp, Bernhard: Die Gerade im ehelichen Güterrecht des Sachsenspiegels und des älteren Magdeburger Rechts, Bonn 1912. Heusler, Andreas: Institutionen des Deutschen Privatrechts, Erster Band, Leipzig 1885. Heusler, Andreas: Institutionen des Deutschen Privatrechts, Zweiter Band, Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft, hg. von Karl Binding, Zweite Abtheilung, zweiter Theil, zweiter Band, Leipzig 1886.

222

Quellen- und Literaturverzeichnis

Hildbrand, Thomas: Aktualisierung von Recht im Spannungsfeld von Eid und Schriftbeweis, Überlegungen zum rechtspraktischen Handeln im 15. Jahrhundert, in: Eid und Wahrheitssuche, Studien zu rechtlichen Befragungspraktiken in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von Stefan Esders und Thomas Scharff, Frankfurt am Main 1999, S. 139-162. Hoensch, Jörg K.: Geschichte Polens, 3. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 1998. Hoetink, Hendrik R.: Über anachronistische Begriffsbildung in der Rechtsgeschichte, in: ZRG Rom 72 (1955), S. 39 - 53. Hofmeister, Herbert: Art. Grundbuch, in: LexMa, IV, Sp. 1737 - 1738. Hofmeister; Herbert: Art. Liegenschaftsrecht, in: HRG 11, Sp. 2008 - 2022. Holenstein, Stefan: Art. Procurator, in: LexMa VII, Sp. 237 - 238. Homeyer; Gustav: Der Dreissigste, Aus den Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1864, Berlin 1864. Homeyer; Gustav: Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften, Weimar 1931/1934. Hradil, Paul: Zur Theorie der Gerade, in: ZRG GA 31 (1910), S. 67 -130. Hübner; Rudolf: Die donationes post obiturn und die Schenkungen mit Vorbehalt des Nießbrauchs im älteren deutschen Recht, Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Alte Folge, Heft 26, Neudruck der Ausgabe Breslau 1888, Aalen 1970. Hübner; Rudolf: Grundzüge des Deutschen Privatrechts, fünfte Auflage, Leipzig 1930. Hüpper; Dagmar: Auftraggeber, Schreiber und Besitzer von Sachsenspiegel-Handschriften, in: Schmidt-Wiegand, Ruth/Hüpper, Dagmar, Der Sachsenspiegel als Buch: Vorträge und Aufsätze, Frankfurt am Main 1991, S. 57 - 105. 19nor; Alexander: Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes von Repgow, Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, Neue Folge, Heft 42, Paderborn I München I Wien I Zürich 1984. Irgang, Winfried: Art. deutsche Ostsiedlung, in: LexMa VI, Sp. 1545 - 1546. lrgang, Winfried: Art. Landesausbau und Kolonisation (Ostmiue1europa und Ungarn), in: LexMa V, Sp. 1649-1653. lanz, Brigitte: Art. Wurm, Nikolaus, in: HRG V, Sp. 1546. Jelicz, Antonina: Das alte Krakau, Alltagsleben vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, 1. Auflage, Leipzig 1981. lohanek, Peter: Art. Alter Kulm, in: Verfasserlexikon I, Sp. 267 - 269. lohanek, Peter: Art. Bemhard von Peisern, in: Verfasserlexikon I, Sp. 772 - 773. lohanek, Peter: Art. Glogauer Rechtsbuch, in: Verfasserlexikon III, Sp. 59 - 60. lohanek, Peter: Art. Handfeste, in: LexMa IV, Sp. 1901-1902. lohanek, Peter: Art. Magdeburger Fragen, in: Verfasserlexikon V, Sp. 1127 - 1130.

Literatur

223

lohanek, Peter: Rechtsschrifttum, in: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter, 12501370, Zweiter Teil, Reimpaargedichte, Drama, Prosa, hg. von Ingeborg Glier, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen bis zur Gegenwart, Dritter Band/Zweiter Teil, München 1987, S. 396-431. Kahnt, Helmut/ Knorr; Bemd: Alte Maße, Münzen und Gewichte, Mannheim/Wien/Zürich 1987. Kaindl, Raimund Friedrich: Beiträge zur Geschichte des deutschen Rechtes in Galizien, Teil I und H, in: Archiv für österreichische Geschichte, 95. Band, Wien 1906, S. 163-234. Kaindl, Raimund Friedrich: Beiträge zur Geschichte des deutschen Rechtes in Galizien, Teile III-VIII, in: Archiv für österreichische Geschichte, 96. Band, Wien 1907, S. 319-389. Kaindl, Raimund Friedrich: Geschichte der Deutschen in den Karpathenländem, 3 Bände, Gotha 1907,1911. Kaser; Max: Das Römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, Die Nachklassische Entwicklung, Zweite, neubearbeitete Auflage mit Nachträgen zum Ersten Abschnitt, Rechtsgeschichte des Altertums im Rahmen des Handbuchs der Altertumswissenschaft, Dritter Teil, Dritter Band, Zweiter Abschnitt, München 1975. Kaufmann, Ekkehard: Art. Bürgschaft, in: HRG I, Sp. 565 -569. Kaufmann, Ekkehard: Bürgschaft und Einlager im spätmittelalterlichen fränkischen Recht, in: Recueils de la societe Jean Bodin pour l'histoire comparative des institutions, XXIX, Les silretes personnelles, deuxieme partie: moyen age et temps modemes, Bruxelles 1971, S.653-672. Kaufmann, Ekkehard: Art. Urteilsfindung-Urteilsschelte, in: HRG V, Sp. 619-622. Kisch, Guido: Das mittelalterliche polnische Privat-Recht, in: Zeitschrift für osteuropäische Geschichte, Band III, hg. von Theodor Schiemann, Otto Hoetzsch, L.K. Goetz, H. Uebersberger, Berlin 1913. Kisch, Guido: Sachsenspiegel and Bible. Researches in the Source History of the Sachsenspiegel and the Influence of the Bible on Medieval German Law, Notre Dame /Indiana 1941. Klein-Bruckschwaiger; Franz: Art. Jahr und Tag, in: HRG H, Sp. 288 - 291. Klein-Bruckschwaiger; Franz: Jahr und Tag, in: ZRG GA 67 (1950), S. 441-446. Köbler; Gerhard: Das Familienrecht in der spätmiuelalterlichen Stadt, in: Haus und Familie in der spätmiUelalterlichen Stadt, hg. von Alfred Haverkamp, Städteforschungen, Reihe A, Band 18, Köln/Wien 1984, S. 136-161. Köbler; Gerhard: Verzicht und Renuntiation, in: ZRG GA 85 (1968), S. 211-217. Kötzschke, Rudolf: Die Anfange des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius teutonicum), Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, 93. Band, 2. Heft, Leipzig 1941. Krause, Hermann: Kaiserrecht und Rezeption, in: Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1951/52, Heidelberg 1952.

224

Quellen- und Literaturverzeichnis

Kraut. Wilhelm Theodor: Die Vormundschaft nach den Grundsätzen des Deutschen Rechts. Zweiter Band. Göttingen 1847. Kroeschell. Karl: Deutsche Rechtsgeschichte 1 (bis 1250). 11. Auflage. Opladen 1999. Kroeschell. Karl: Deutsche Rechtsgeschichte 2 (1250-1650).8. Auflage. Opladen 1980. Kroeschell. Karl: Germanisches Recht als Forschungsproblem. in: Festschrift für Hans Thieme zu seinem 80. Geburtstag. hg. von Karl Kroeschell. Sigmaringen 1986. S. 3 -19. Kroeschell. Karl: Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit. Das Beispiel des Sachsenspiegels. in: Recht und Schrift im Mittelalter. hg. von Peter Classen. Vorträge und Forschungen. Band XXIII. Sigmaringen 1977. S. 349-380. Kroeschell. Karl: Recht und Rechtsbegriff im 12. Jahrhundert. in: Probleme des 12. Jahrhunderts. Vorträge und Forschungen Band XII. 1968. S. 309-335. Kroeschell. Karl: Rechtsgeschichte und Sozialgeschichte am Beispiel der deutschen Ostkolonisation. in: Sozialwissenschaften im Studium des Rechts. Band IV. Rechtsgeschichte. hg. von Gerhard Dilcher und Norbert Horn. München 1978. S. 83 - 94. Kroeschell. Karl: Rechtswirklichkeit und Rechtsbücherüberlieferung. Überlegungen zur Wirkungsgeschichte des Sachsenspiegels. in: Text-Bild-Interpretation. Untersuchungen zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels. I. Textband. hg. von Ruth Schmidt-Wiegand. München 1986. S. 1-10. Kroeschell. Karl: Stadtrecht und Landrecht im mittelalterlichen Sachsen. in: der sassen speyghel, Sachsenspiegel - Recht - Alltag, Band 1. hg. von Egbert Koolman, Ewald Gäßler. Friedrich Scheele. Oldenburg 1995, S. 17 - 32. Kroeschell. Karl: Von der Gewohnheit zum Recht. Der Sachsenspiegel im späten Mittelalter. in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. I. Teil. Berichte über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1994 bis 1995. hg. von Hartrnut Boockmann. Ludger Grenzmann. Bernd Moeller. Martin Staehelin. Abhandlung der Akademien der Wissenschaften in Göttingen, Philosophisch-Historische Klasse. Dritte Folge, Nr. 228. Göttingen 1998, S. 68-92. Kroeschell. Karl: Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. von Helmut Coing und Walter Wilhelm, Studien zur Rechtswissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts, Band 1, Frankfurt am Main 1974. S. 249-276. Krogmann. WiIIi: Verderbnisse im Archetypus des Sachsenspiegels. in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Band 77.1955, S. 279-315. Kroj. Karina: Die Abhängigkeit der Frau in Eherechtsnormen des Mittelalters und der Neuzeit als Ausdruck eines gesellschaftlichen Leitbilds von Ehe und Familie. Zugleich eine Untersuchung zu den Realisierungschancen des zivilrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes, Europäische Hochschulschriften, Reihe 11 Rechtswissenschaft. Band 743. Frankfurt am Main/Bern/New York/Paris 1988. Kugelmann. Georg: Gemeinrechtliche Begründung des particulären Erbvertrages. Ein rechtsgeschichtlicher Versuch. Erlangen 1877. Kühnei. Harry: Das Alltagsleben im Hause der spätmittelalterlichen Stadt. in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. von Alfred Haverkamp. Städteforschung, Reihe A. Band 18. Köln/Wien 1984. S. 37 -66.

Literatur

225

Kümmell, Juliane: Alltag und Festtag spätmittelalterlicher Handwerker, in: Mentalität und Alltag im Spätmittelalter, hg. von Cord Meckseper und Elisabeth Schraut, 2. Auflage, Göttingen 1991, S. 76-96. Kuhn, Walter: Die deutschrechtliche Siedlung in Kleinpolen, in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, Reichenau-Vorträge, hg. von Walter Schlesinger, Vorträge und Forschungen, Band XVIII, Sigmaringen 1975, S. 369417. Kuhn, Walter: Die deutschrechtlichen Städte in Schlesien und Polen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, Marburg 1968. Kuhn, Walter: Die deutschrechtlichen Stadtgründungen in Kleinpolen, in: Die mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. von Heinz Stoob, Städteforschung Reihe A, Band 4, Köln 1977, S. 39-90. Kuhn, Walter: Die Siedlerzahlen der deutschen Ostsiedlung, in: Vergleichende Untersuchungen zur mittelalterlichen Ostsiedlung, Köln/Wien 1973, S. 211-235, zuerst in: studium sociale, Ergebnisse sozial wissenschaftlicher Forschung der Gegenwart, Karl Valentin Müller dargebracht, hg. von Karl Gustav Specht, Hans Georg Rasch, Hans Hofbauer, Köln / Opladen 1963, S. 131-154. Kuhn, Walter: Ostsiedlung und Bevölkerungsdichte, in: Vergleichende Untersuchungen zur mittelalterlichen Ostsiedlung, Köln/Wien 1973, S. 173-211; zuerst in: Ostdeutsche Wissenschaft, Jahrbuch des Ostdeutschen Kulturrates 7, München 1960, S. 31-68. Kutrzeba, Stanislaus: Der Handel Krakaus im Mittelalter im Lichte der Handelsverhältnisse Polens, in: Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau, Philologische Classe, Historisch-philosophische Classe, Krakau 1902, S. 5 - 21. Laband, Paul: Die vermögensrechtlichen Klagen nach den sächsischen Rechtsquellen des Mittelalters, Königsberg 1869. Landwehr, Götz: ,Urteilfragen' und ,Urteilfinden' nach spätmittelalterlichen, insbesondere sächsischen Rechtsquellen, in: ZRG GA 96 (1979), S. 1-37. Lentze, Hans: Begräbnis und Jahrtag im mittelalterlichen Wien, in: ZRG KAN 36 (1950), S.328-364. Lieberwirth, Rolf: Das sächsisch-magdeburgische Recht als Quelle osteuropäischer Rechtsordnungen, Sitzungs berichte der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, Band 127, Heft 1, Berlin 1986. Lieberwirth, Rolf: Das Privileg des Erzbischof Wichmann und das Magdeburger Recht, in: Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologischhistorische Klasse, Band 130, Heft 3, Berlin 1990. Lieberwirth, Rolf: Die Wirkungsgeschichte des Sachsenspiegels, in: Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, Kommentarband zur Faksimile-Ausgabe, hg. von Ruth Schmidt-Wiegand, Berlin 1993, S. 63-87. Lieberwirth, Rolf: Eike von Repgow und der Sachsenspiegel, Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, Band 122, Heft 4, Berlin 1982. Laening, Otto: Das Testament im Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, hg. von Otto Gierke, 82. Heft, Breslau 1906. 15 Obladen

226

Quellen- und Literaturverzeichnis

Lück, Heiner: Die Verbreitung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts in Osteuropa, in: Der sassen speyghel: Sachsenspiegel - Recht - Alltag, Band 2, hg. von Mamoun Fansa, Oldenburg 1995, S. 37 -49. Lück, Heiner: Magdeburger Recht in der Ukraine, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte, 12. Jahrgang, 1990, S. 113 -126. Lück, Heiner: Sachsenspiegel und Magdeburger Recht, Europäische Dimensionen zweier mitteldeutscher Rechtsquellen, adiuvat in itinere, Band V, Hamburg 1998. Lück, Heiner: Über den Sachsenspiegel; Entstehung, Inhalt und Wirkung des Rechtsbuches, Veröffentlichungen der Stiftung Schlösser, Burgen und Gärten des Landes Sachsen-Anhalt, hg. von Boje Schmuhl, Heft I, Halle an der Saale 1999. Lysiak, Ludwik: Die Rechtslage des Schultheißen und des Schultheißbesitzes in Polen bis zum Ende des 16. Jh. - Ausgewählte Probleme, in: Vorträge zur Geschichte des Privatrechts in Europa, Symposium in Krakau, 9.-12. Oktober 1979, lus Cornrnune Sonderheft, Band 15, Frankfurt am Main 1981, S. 9-16. Lysiak, Ludwik: Höhere Gerichte des deutschen Rechts in Polen, in: Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Mittelalter, hg. von Wolfgang Sellert, Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich, Band 16, Köln I Wien 1985, S. 21-35. Lysiak, Ludwik: lus supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794. Organisation, Tätigkeit und Stellung des Krakauer Oberhofs in der Rechtsprechung Altpolens, Frankfurt am Main 1990. Lysiak, Ludwik: Über den sogenannten Gerichtshof der sechs Städte in Krakau, in: Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. von Dietmar Willoweit/Winfried Schich, Rechtshistorische Reihe, Band 10, Frankfurt am Main 1980, S. 122-129. Maisei, Wiltold: Das Rätsel des Elbinger Rechtsbuches, in: Deutsches Recht zwischen Sachsenspiegel und Aufklärung. Rolf Lieberwirth zum 70. Geburtstag, Rechtshistorische Reihe, Band 80, Frankfurt am Main/Bern/New York I Paris 1990, S. 47 -52. Martin, Rolf: Das Bürgschaftsrecht Nord- und Ostdeutschlands im späten Mittelalter, Dissertation Frankfurt am Main 1960. v. Martitz, Ferdinand: Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels und der verwandten Rechtsquellen, Leipzig 1867. Meckbach, Hieronymus Christoph: Commentar über den Sachsenspiegel, Nachdruck der 2. Auflage, Weimar 1789, Nachdruck Keip Verlag, Goldbach 1998. Menzel, Josef-Joachim: Stadt und Land in der schlesischen Weichbildverfassung, in: Die mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. von Heinz Stoob, Städteforschung Reihe A, Band 4, Köln 1977, S. 19-39. Meuten, Ludger: Die Erbfolgeordnung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts. Ein Beitrag zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts, Rechtshistorische Reihe, Band 218, Frankfurt am Main I Berlin I Brüssel 2000. Michels, Georg: Handel und Handwerk in Krakau und Wien im Vergleich, in: Krakau, Prag und Wien, Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat, Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Band 10, hg. von Marina Dmitrieva und Karen Lambrecht, Stuttgart 2000, S. 77 - 91.

Literatur

227

Mitreis, Heinrich 1Lieberich, Heinz: Deutsches Privatrecht, 9. Auflage, München 1981. Müller, Robert: Die Vergabung von Todes wegen im Gebiete des Magdeburger Stadtrechtes, in: Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst, I. Band, Halle an der Saale 1911, S. 72-98/188-226. Munzel, Dietlinde: Art. Meißener Rechtsbuch, in: HRG III, Sp. 461-463. Munzel-Everling, Dietlinde: Art. Zwickauer Rechtsbuch, in: HRG V, Sp. 1859-1862. Nehlsen-von Stryk, Karin: Das sächsisch-magdeburgische Recht in der Spruchtätigkeit des Oberhofs des deutschen Rechts auf der Burg zu Krakau, in: Wirkungen europäischer Rechtskultur, Festschrift für Karl Kroeschell zum 70. Geburtstag, hg. von Gerhard Köbler und Herrnann Nehlsen, München 1997, S. 829-850. Nehlsen-von Stryk, Karin: Die Krise des ,irrationalen' Beweises im Hoch- und Spätmittelalter und ihre gesellschaftlichen Implikationen, in: ZRG GA 117 (2000), S. 1 - 38. Nehlsen-von Stryk, Karin: Prozessuales und materielles Rechtsdenken im Sachsenspiegel, in: Festschrift für Sten Gagner zum 3. März 1996, hg. von Maximiliane Kriechbaum, Ebelsbach 1996, S. 33-71. Nehlsen-von Stryk, Karin: Reinigungseid und Geständniserzwingung: Die beiden Gesichter spätmittelalterlicher Strafrechtspflege, in: Grundlagen des Rechts, Festschrift für Peter Landau, hg. von R. Helmholz, Michael Stolleis, 1. Müller, Paderborn 2000, S. 621- 643. Nowak, Elisabeth: Die Verbreitung und Anwendung des Sachsenspiegels nach den überlieferten Handschriften, Dissertation Hamburg 1965, Manuskript. Ogorek, Regina: Rechtsgeschichte in der Bundesrepublik (1945-1990), in: Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, Studien zur Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz, hg. von Dieter Simon, Frankfurt am Main 1994, S. 12 - 99. Ogris, Wemer: Art. Abschichtung, in: HRG I, Sp. 13 -17. Ogris, Wemer: Art. Ausstattung, in: HRG I, Sp. 269-270. Ogris, Wemer: Die persönlichen Sicherheiten in den westeuropäischen Rechten des Mittelalters, in: Recueils de la societe Jean Bodin pour l'histoire comparative des institutions, XXIX, Les suretes personnelles, deuxieme partie: moyen age et temps modernes, Bruxelles 1971,S. 7-26. Ogris, Wemer: Art. dominium, in: HRG I, Sp. 755-757. Ogris, Wemer: Art. Gütergemeinschaft, in: HRG I, Sp. 1871-1874. Ogris, Wemer: Art. Güterrecht, eheliches, in: HRG I, Sp. 1874-1876. Ogris, Wemer: Art. Erbgut, in: HRG I, Sp. 964-965. Ogris, Wemer: Art. Fahrnis, in: HRG I, Sp. 1049-1053. Ogris, Wemer: Art. Mündigkeit, in: HRG III, Sp. 738-742. Ogris, Wemer: Art. Schwert- und Spindelteil, in: HRG IV, Sp. 1574. Ogris, Wemer: Art. Testament, in: HRG V, Sp. 152-165. 15*

228

Quellen- und Literaturverzeichnis

Oppitz, Ulrich-Dieter: Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Band II, Beschreibung der Handschriften, Köln/Wien 1990. Oppitz, Ulrich-Dieter: Über eine sächsische Ordnung zur ,Gerade', in: Beiträge zur Rechtsund Ideengeschichte für Rolf Lieberwirth anläßlich seines 80. Geburtstags, hg. von Heiner Lück und Bernd Schildt, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 151-157. Oppitz, Ulrich-Dieter: Art. Systematisches Schöffenrecht, in: Verfasserlexikon IX, Sp. 562564. Pauli, Leslaw: Die polnische Literatur des Magdeburger Rechts im 16. Jahrhundert, in: Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. von Dietmar Willoweit/Winfried Schieh, Rechtshistorische Reihe, Band 10, Frankfurt am Main 1980, S. 150-163. Pauli, Leslaw: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Zweiter Band, Neuere Zeit (1500-1800), Das Zeitalter des Gemeinen Rechts, Zweiter Teilband, Gesetzgebung und Rechtsprechung, Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte, hg. von Helmut Coing, München 1976, S.551-560. Pauli, Leslaw: Art. Polnisches Recht, in: HRG III, Sp. 1808-1813. Piper, Henning: Testament und Vergabung von Todes wegen im braunschweigischen Stadtrecht des 13. bis 17. Jahrhunderts, Braunschweig 1960. Planck, Julius Wilhelm: Das Deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Erster Band, Braunschweig 1879. Planck, Julius Wilhelm: Das Deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Zweiter Band, Braunschweig 1879. Plöchl, Willibald M.: Geschichte des Kirchenrechts, Band II, Das Kirchenrecht der abendländischen Christenheit 1055 bis 1517,2. Auflage, Wien/München 1962. Rehme, Paul: Stadtbuchstudien, in: ZRG GA 37 (1916), S. 1-93. Rehme, Paul: Über die Breslauer Stadtbücher, Ein Beitrag zur Geschichte des Urkundenwesens, zugleich der städtischen Verwaltung und Rechtspflege, Halle an der Saale 1909. Rödel, Ute: Intervention, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. von Dieter Simon, Ius Commune, Sonderheft 30, Frankfurt am Main 1987, S. 347 -350. v. Roth, Paul: System des Deutschen Privatrechts, Zweiter Theil, Familienrecht, Tübingen 1881. Rummel, Mariella: Die rechtliche Stellung der Frau im Sachsenspiegel-Landrecht, Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte, Band 10, Frankfurt am Main 1987. Samsonowicz, Henryk: Gesellschaftliche Pluralität und Interaktion in Krakau, in: Krakau, Prag und Wien, Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat, hg. von Marina Drnitrieva und Karen Lambrecht, Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Band 10, Stuttgart 2000, S. 117 -129. Schanz, Franz: Das Erbfolgeprinzip des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, Tübingen 1883. Schlesinger, Walter (Hg.): Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, Vorträge und Forschungen, Band XVIII, Sigmaringen 1975.

Literatur

229

Schlipp, Harry: Das sächsische und magdeburgische Recht und seine Literatur in Deutschland vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und in Polen, hg. von Dietmar Willoweit/Winfried Schich, Rechtshistorische Reihe, Band 10, Frankfurt am Main 1980. Schlosser, Hans: Das ,wissenschaftliche Prinzip' der germanistischen Privatrechtssysteme, Bedeutungswandel und aktuelle Folgewirkungen, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte, Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, hg. von Gerd Kleinheyer und Paul Mikat, Rechtsund Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, Neue Folge, Heft 34, Paderborn/München/Wien/Zürich 1979, S. 491-523. Schmid, Klaus: Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Stellung der Frau, Schriften zur Rechtsgeschichte, Heft 46, Berlin 1990. Schmidt, Roderich: Die deutsche Ostsiedlung des Mittealters, in: Die historische Wirkung der östlichen Regionen des Reiches, Vorträge einer Tagung zum vierzigjährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1989, hg. von Hans Rothe, Studien zum Deutschtum im Osten, Heft 24, Köln/Weimar/Wien 1992, S. 31-59. Schmidt-Wiegand, Ruth/ Hüpper, Dagmar (Hg.): Der Sachsenspiegel als Buch, Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte, Band 1, Frankfurt am Main/Bern/New York 1991. Schmidt-Wiegand, Ruth: Die Bedeutung und Wirkung des Sachsenspiegels Eikes von Repgow in Land und Stadt, in: der sassen speyghel, Sachsenspiegel- Recht - Alltag, Band 1, hg. von Egbert Koolman, Ewald Gäßler, Friedrich Scheele, Oldenburg 1995, S. 33 -47. Schmidt-Wiegand, Ruth (Hg.): Text - Bild - Interpretation, Untersuchungen zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, I. Textband, Münstersche Mittelalter-Schriften, Band 55/ I, München 1986. Schmitt, Aloys: Das Fortleben der Gerade des Sachsenspiegels in den neueren Rechten mit Verwaltungsgemeinschaft, Dissertation Heidelberg, Berlin 1913. Schnell, Rüdiger: Rechtsgeschichte, Mentalitäten und Gattungsgeschichte. Zur literarischen Autonomie im Mittelalter, in: Literarische Interessenbildung im Mittelalter, DFG-Symposium 1991, hg. von Joachim Heinzle, Germanistische Symposien, Berichtsbände, Band XIV, Stuttgart/Weimar 1993. Schön/eid, Walther: Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter, in ZRG GA 42 (1921), S. 240-379. Schott, Clausdieter: Der Freiburger Oberhof und die Überlinger Appellation, in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins (,Schau-ins-Land'), 101. Jahresheft, Freiburg 1982, S.65-85. Schott, Clausdieter: ,Germanisches und deutsches Recht' zu Art. Ehe, in: LexMa 111, Sp. 1629 - 1630. Schröder, Richard: Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Zweiter Teil: Das Mittelalter, Dritte Abteilung: Das sächsische und das friesische Recht, Stettin / Danzig / Elbing 1874. Schröder, Richard: Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte, fünfte Auflage, Leipzig 1907.

230

Quellen- und Literaturverzeichnis

Schräder, Richard / v. Künßberg, Eberhard: Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Siebente Auflage, Berlin/Leipzig 1932. Schubart-Fikentscher, Gertrud: Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, Stuttgart 1935. Schubart-Fikentscher, Gertrud: Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, Forschungen zum deutschen Recht, Band IV, Heft 3, Weimar 1942. Schuler, Peter-Johannes: Art. Bürgschaft, in: LexMa 11, Sp. 1060-1062. Schulte-Beckhausen, Otto: Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, Dissertation Bonn 1957. Schultze, August S.: Privatrecht und Process in ihrer Wechselbeziehung, Grundlinien einer geschichtlichen Auffassung des heutigen Civilprocessrechts, Erster Theil, Freiburg und Tübingen 1883. Schwab, Dieter: Art. Gabe, in: HRG I, Sp. 1364-1366. v. Schwerin, Claudius: Grundzüge des deutschen Privatrechts, Grundrisse der Rechtswissenschaft, Dreizehnter Band, Berlin/Leipzig 1919. Sellert, Wolfgang: Art. Arrest, in: LexMa I, Sp. 1030 - 1031. Sellert, Wofgang: Art. Erbvertrag, in: HRG I, Sp. 981-985. Sellert, Wofgang: Art. Prokurator, in: HRG III, Sp. 1032 - 1034. Sellert, Wolfgang: Zur Rezeption des römischen und kanonischen Rechts in Deutschland von den Anfangen bis zum Beginn der frühen Neuzeit: Überblick, Diskussionsstand und Ergebnisse, in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, I. Teil, Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätrnittelalters 1994 bis 1995, hg. von Hartrnut Boockmann, Ludger Grenzmann, Bernd Moeller, Martin Staehelin, Abhandlungen der Akademien der Wissenschaften in Göttingen, Philosophisch-Historische Klasse, Dritte Folge, Nr. 228, Göttingen 1998, S. 115-166. Shahar, Shulamith: The history of women in the later middle ages - a general view and problems of research, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte, 473. Band, Wien 1986. Signori, Gabriela: Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, Die Basler ,Fertigungen' (1450 bis 15(0), in: ZRG GA 116 (1999), S. 119-151. Signori, Gabriela: Vorsorgen - Vererben - Erinnern, Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters, Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, 160, Göttingen 200 I. Simon-Muscheid, Katharina: Diebstahl oder Erbrecht? Streit um letztwillige Verfügungen in den oberrheinischen Städten des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Kriminalität und Justiz in Deutschland und Italien, Rechtspraktiken und gerichtliche Diskurse in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Marco Bellabarba, Gerd Schwerhoff, Andrea Zorzi, Bologna/ Berlin 2001, S. 35 -62. v. Sokolowski, Eugen: Krakau im 14. Jahrhundert - Ein Beitrag zur Geschichte des Magdeburger Rechts in Polen, Marburg 1910.

Literatur

231

Sporn, Thomas: Die ,Stadt zu polnischem Recht' und die deutschrechtliche Gründungsstadt, Frankfurt am Main 1978. Stobbe, Otto: Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Erste Abtheilung, Braunschweig 1860. Stobbe, Otto: Handbuch des Deutschen Privatrechts, Vierter Band, Dritte Auflage, bearbeitet von H. D. Lehmann, Familienrecht, Berlin 1900. Stobbe, Otto: Handbuch des Deutschen Privatrechts, Fünfter Band, Erste und zweite Auflage, Berlin 1885. Strzelczyk, Jerzy: Artikel Krakau, in: LexMa V, Sp. 1467 -1470. Taubenschlag, Rafael: Einflüsse des römischen Rechts in Polen, in: Ius Romanum Medii Aevi, Pars V 8, Varese 1962. Taubenschlag, Rafael: Zur Geschichte der Rezeption des römischen Rechts in Polen, in: ZRG ROM, 52. Band (65. Band der Zeitschrift für Rechtsgeschichte), 1932, S. 325 - 326. Theuerkauf, Gerhard: Lex, Speculum, Compendium Iuris, Rechtsaufzeichnung und Rechtsbewußtsein in Norddeutschland vorn 8. bis zum 16. Jahrhundert, Forschungen zur Deutschen Rechtsgeschichte, hg. von Sten Gagner, Herrnann Krause und H. Schultze-v. Lasaulx, 6. Band, Köln/Graz 1968. Trawkowski, Stanislaw: Die Rolle der deutschen Dorfkolonisation und des deutschen Rechtes in Polen im 13. Jahrhundert, in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, Reichenau-Vorträge, hg. von Walter Schlesinger, Vorträge und Forschungen, Band XVIII, Sigmaringen 1975, S. 349-369. Trawkowski, Stanislaw: Art. Lernberg, in: LexMa V, Sp. 1869-1870. Trusen, Winfried: Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, Ein Beitrag zur Geschichte der Frührezeption, Wiesbaden 1962. Trusen, Winfried: Rechtsspiegel und Kaiserrecht, in: ZRG GA 102 (1985), S. 12-59. Ulmschneider, Helgard: Art. Meißener Rechtsbuch, in: Verfasserlexikon VI, Sp. 326-329. Voser, Peter: Die altdeutschen Liegenschaftsübereignungen von ihren Anfängen bis zum Beginn der Rechtsbücherzeit, Dissertation Zürich 1952. Wacke, Andreas: Art. Testament, Deutsches Recht, in: LexMa VIII, Sp. 565 - 566. Wegener, Wilhelm: Art. Schlesisches Landrecht, in: HRG IV, Sp. 1426-1429. Weimar, Peter: ,Recht, Römisches und gemeines Recht' zu Art. Testament, in: LexMa VIII, Sp.563-564. Weitzel, Jürgen: Der Kampf um die Appellation ans Reichskarnrnergericht, Zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland, Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich, hg. von Bemhard Diestelkamp, Ulrich Eisenhard, Gunter Gudian, Adolf Laufs, Wolfgang Sellert, Band 4, Köln / Wien 1976. Weitzel, Jürgen: Gewohnheiten im lübischen und im sächsisch-magdeburgischen Rechtskreis, in: Recueils de la societe Jean Bodin pour l'histoire comparative des institutions, Band 52, La Coutume, 1990, S. 325-358. Weitzel, Jürgen: Art. Rechtszug, in: HRG IV, Sp. 430-443.

232

Quellen- und Literaturverzeichnis

Weitzel, Jürgen: Recht und Spruch der Laienurteiler - zumindest eine Epoche der europäischen Rechtsgeschichte, in: Recht - Idee - Geschichte, Beiträge zur Rechts- und Ideengeschichte für Rolf Lieberwirth anläßlich seines 80. Geburtstags, hg. von Heiner Lück und Bemd Schildt, Köln / Weimar / Wien 2000, S. 53 - 78. Weitzel, Jürgen: Über Oberhof, Recht und Rechtszug, Göttinger Studien zur Rechtsgeschichte, Band 15, Göttingen 1981. Weitzel, Jürgen: Wege zu einer hierarchisch strukturierten Gerichtsverfassung im 15. und 16. Jahrhundert, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. von Dieter Simon, Ius Commune, Sonderheft 30, Frankfurt am Main 1987, S. 333 -347. Weitzel, Jürgen: Zum Rechtsbegriff der Magdeburger Schöffen, in: Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. von Dietmar Willoweit und Winfried Schich, Rechtshistorische Reihe, Band 10, Frankfurt am Main 1980, S.94-116. Weizsäcker, Wilhelm: Das deutsche Recht als Aufbaufaktor des Ostens, in: Der deutsche Osten und das Abendland, hg. von Herrnann Aubin, München 1953, S. 95 -115. Weizsäcker, Wilhelm: Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuchs in Böhmen und Mähren, in: ZRG GA 58 (1938), S. 584-614. Wendroth, Aemilius: De institutis quibusdam juris dotalis saxonico-vratislaviensis, Dissertation Breslau 1862. Wieacker, Franz: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 2. neubearbeitete Auflage, Göttingen 1967. Willoweit, Dietmar: Das Deutsche Recht im Osten - vom Kulturvergleich zur Rezeptionsgeschichte, in: Die historische Wirkung der östlichen Regionen des Reiches, Vorträge einer Tagung zum vierzigjährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1989, hg. von Hans Rothe, Studien zum Deutschtum im Osten, Heft 24, Köln/Weimar/Wien 1992, S. 61-87. Willoweit, Dietmar: Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, Rationales und traditionales Rechtsdenken im ausgehenden Mittelalter, in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, 11. Teil, Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1996 bis 1997, hg. von Hartrnut Boockmann, Ludger Grenzmann, Bemd Moeller, Martin Staehelin, Göttingen 2001, S. 369-385. Willoweit, Dietmar: Dominium und Proprietas, Zur Entwicklung des Eigentumsbegriffs in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Rechtswissenschaft, in: Historisches Jahrbuch 94 (1974), S. 131-156. Willoweit, Dietrnar: Rezeption und Staatsbildung, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. von Dieter Simon, Ius Commune, Sonderhefte, 30, Frankfurt am Main 1987, S.19-44. Willoweit, Dietmar: Art. Vogtei, in: HRG V, Sp. 932 - 946. Willoweit, Dietmar: Zur Frage des Personalitätsprinzips im Sachsenspiegel und in schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts, in: Studien zur Geschichte des sächsischmagdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. von Dietmar WilloweitlWinfried Schich, Rechtshistorische Reihe, Band 10, Frankfurt am Main 1980, S. 94-109. Winterberg, Hans: Art. Gerichtsbücher, in: HRG I, Sp. 1543 -1544.

Literatur

233

Wisniowski, Eugeniusz: Auf den Spuren deutscher Kolonisation im mittelalterlichen Polen, in: Landesgeschichte als Herausforderung und Programm, Karlheinz Blaschke zum 70. Geburtstag, hg. von Uwe John und Josef Matzerath, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Leipzig / Stuttgart 1997, S. 167 -176. Wunder, Heide: "Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert." Zur geschlechterspezifischen Teilung und Bewertung von Arbeit in der Frühen Neuzeit, in: Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung, Zur Geschichte ungleicher Erwerbschancen von Männern und Frauen, hg. von Karin Hausen, Göttingen 1993, S. 19-40. Zemack, Klaus: Der hochmittelalterliche Landesausbau als Problem der Entwicklung Ostmitteleuropas, in: Preußen-Deutschland-Polen, Aufsätze zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen, hg. von Wolfram Fischer und Michael G. Müller, Historische Forschungen, Band 44, Berlin 1991, S. 185 -202. Ziekow, Jan: Recht und Rechtsgang, Studien zu Problemen mittelalterlichen Rechts anhand von Magdeburger Schöppensprüchen des 15. Jahrhunderts, Pfaffenweiler 1986. Zientara, Benedykt: Die deutschen Einwanderer in Polen vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, hg. Walter Schlesinger, Vorträge und Forschungen, Band XVIII, Sigmaringen 1975, S. 333349. Zweigert, Konrad/ Kötz, Hein: Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3., neubearbeitete Auflage, Tübingen 1996.

Sachwortverzeichnis Absonderung 56 f. acta decretorum 24,39,41 acta iudiciaria 39 Aktenführung 39 Alter Kulm 90 Fn. 196, 92 Appellation 43 ff. Arrest 115 f. Auflassungsurkunde 150 Aussteuer 59 ff., 70 Beweisrecht 15 f., 65, 78 ff., 121 ff., 131, 170,208 Bewidmung 27 f., 36, 135, 185,208 Bewidmungsurkunde 37 Blume von Magdeburg 33, 95 f. Boleslaw, Herzog 36 Breslauer Recht 36, 91 Buchgelehrtheit 152,210 ff. Bürgschaft 108 f., 112 f., 116, 129 consuetudo 132 ff., 140,206 ff.

Diskriminierung 14 Ehe, bekindete, unbekindete 49 ff., 53 f., 58, 76,77 Fn. 133,81, 130, 138, 142, 144 Eid 78 ff., 121 ff., 152,208 ff. Eidesfahigkeit 15 Eidhelfer 79, 209 Eigen 80, 88, 92, 94, 96, 103 f., 108, 111, 117f., 158, 192,202 Eigentum 17, 103, 146, 149, 158, 191 f., 199 Eike von Repgow 31, 65 f., 82, 96,122,191, 198 f. Eisenacher Rechtsbuch 138 f., 142, 143 Fn.356 Erblasserschulden 116 ff., 197 Fn. 32 Erbvertrag 145, 147 Fn. 370, 149

Fachelite 41, 212 Familie - Herkunftsfamilie 13 - Kernfamilie 74, 145, 170, 187 Familiengut 13, 145, 178 Formerfordernis 25,172,173 ff., 183 Frauengeschichte 15 Geldwirtschaft 17, 81 f., 98 Fn. 112,201 Gelobte Morgengabe 90, 97 ff., 119, 146 Geradekatalog 61,63,65 f., 82, 84 Gerichtsschreiber 24, 26, 40, 42, 46 f., 115 Gerichtsverfassungsrecht 182 Gewere 18 ff., 96, 107, 116, 142, 178, 192, 197 Glogauer Rechtsbuch 91,95 Gütereinheit 18 f., 191 ff., Gütergemeinschaft 18,22,134,190 ff. Güterstand 18,20,23,193,199 ff. Gütertrennung 18, 191 Halbteilung 141, 145 handfeste 75 Hausherrin 65 Hausrat 59,62 f., 81, 83 Hedwig von Anjou 38 Heergewäte 66,84,90, 13, 186, 198,201 f. Henri III. Valois 40 ius terrestre 29, 208

Jahr und Tag 71 f., 74, 135, 155 ff., 162 f., 170, 179 ff.

Kaufgut 18,51,104,176,185 Kazimierz III. 30, 35 ff., 39,45,208 Konrad von Oppeln 30, 33 f. Landrecht und Stadtrecht 18,20,31 f. Leibgedinge 86 ff.

Sachwortverzeichnis Leipziger Schöffenstuhl 45 Lex Thuringorum 59 Lübisches Recht 33 Magdeburger Fragen 33, 92, 95 f., 117, 126 Magdeburger Oberhof 45, 77 Magdeburger Schöffenstuhl 77, 95, 116, 130, 185,208 Magen 51 Mark 83 f., 101, 107 f., 116, 121 f., 126, 128, 169, 180 Meißener Rechtsbuch 35, 93 ff., 99, 136 f., 144, 186 Mitgift 60 Fn. 55, 92, 126 ff., 130 ff., 137,202 Mobilität 146 Morgengabe 86 ff. Niftelgerade 60 ff., 67, 70 ff., 80 f., 137, 160,188,205,207 Nutzungsrecht 86, 100, 103 ff., 117 f., 124, 127 f., 132 überhof - Gründungsurkunde 26, 39 f., 44, 78, 185, 206 Offizial 182 Ostsiedlung 26 Fn. 36, 27 f., 30 Fn. 48, 135, 208 parafamalia 62 ff., 69, 83 Parteienbetrieb 78 Partikularrecht 16, 20 Pest 174 Pfand 80, 96, 102 ff., 106 ff., 117 ff., 123, 131,190,208 Pfründe 69 Posener Rechtsbuch 95 f. Präjudizien 42, 47, 92, 196 Prioritätsprinzip 118 Privilegien 70, 76 ff., 175, 178, 183, 185, 188,204,206 ff. Rationalisierung 18, 208 ff. Rechtszug 39, 41, 43 Rezeption 15,25,109,148,171,183 f., 196, 210

235

Schelte 41 ff., 185,75 Schöffenbank 40 Schoßfalll63, 179 Schriftrecht 206 Schulzei38,41,56, 102, 126, 154ff. Schwertmage 152 Sechs-Städte-Gericht 40 Seelgerätstiftung 172, 184 Seelmesse 157 Sondergut 18, 61 Fn.66, 80 Fn. 147, 187 Fn.5 Spindel 49 suppellectilia 62 ff. Stadtrecht und Landrecht 18,20,31 f. Strafrecht 25, 79 Streitwert 83 f. Systematisches Schöffenrecht 89 ff., 160 terra russia 140 ff. Thomas 11. 33 ungezweites Gut 191,192 ff. Unschuldseid 78 Unsystematisches Schöffenrecht 89 Unterhaltspflicht 113 Urban V. 37 Verfügungsmacht 171 Verschriftlichung 206 Verwaltungsgemeinschaft 18, 22 f., 192 ff. Verwandtschaftserbrecht 49 f. Versio Vratislaviensis 33 Verwissenschaftlichung 206 Vogtei 28, 36, 38 ff., 102, 154 ff.

134,

Weichbildchronik 33 Wichmann, Erzbischof 28 Willkür 71, 77, 81, 90, 141 ff., 185, 188, 204, 206 ff., 208 Witwengerade 54, 66, 69 f., 80 f. Wladyslaw Lokietek 75 Fn. 126 Wladyslaw 11. Jagiello 75 Fn. 126 Zeugen 78 ff., 88, 92, 109, 122, 126, 131, 173f. Zwickauer Rechtsbuch 135, 139