138 66 11MB
German Pages 628 [627] Year 2010
Bemessung im konstruktiven Betonbau
Konrad Zilch · Gerhard Zehetmaier
Bemessung im konstruktiven Betonbau Nach DIN 1045-1 (Fassung 2008) und EN 1992-1-1 (Eurocode 2)
2., neu bearbeitete und erweiterte Auflage
123
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. e.h. Konrad Zilch TU München LS Massivbau Theresienstr. 90 80333 München [email protected] Dr.-Ing. Gerhard Zehetmaier Bilfinger Berger Ingenieurbau GmbH Gustav-Nachtigal-Straße 3 65189 Wiesbaden [email protected]
ISBN 978-3-540-70637-3 e-ISBN 978-3-540-70638-0 DOI 10.1007/978-3-540-70638-0 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz und Herstellung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.de)
Vorworte
Vorwort zur 2. Auflage Die nun vorliegende zweite Auflage erscheint grundlegend aktualisiert und um einige Kapitel erweitert in völlig neuem Gewand. Eine Überarbeitung wurde einerseits durch die mittlerweile erschienenen Nationalen Anhänge zu EN 1992-1-1 (Eurocode 2) erforderlich, in denen verbindliche länderspezifische Festlegungen getroffen wurden, wo EN 1992-1-1 nur Empfehlungen enthält. Um den praktischen Nutzen des Bandes zu erhöhen, haben wir uns entschlossen, neben dem deutschen Nationalen Anhang auch die länderspezifischen Regeln Österreichs aufzunehmen. Ein weiterer Grund für die Aktualisierung liegt in der 2008 erschienenen Neufassung von DIN 1045-1, in die – nicht zuletzt ausgelöst durch die Arbeiten zum Eurocode – eine Reihe von Änderungen, Korrekturen und Klarstellungen eingearbeitet wurden. Das Spektrum behandelter Themen wird mit der zweiten Auflage, teils Anregungen aus der Praxis folgend, erheblich erweitert. Mit der Aufnahme der Kapitel zu Stabwerkmodellen, zum Durchstanzen und zum Ermüdungsnachweis wird – zusammen mit dem Abschnitt über Schubfugen – nunmehr die gesamte Breite normativer Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit abgedeckt. Die Aufnahme des Kapitels zum Durchstanzen durchbricht in gewisser Weise das ursprünglich verfolgte Konzept, die Grundlagen des Bemessens anschaulich am Beispiel von Stabtragwerken darzustellen und anschließend – in einem für einen späteren Zeitpunkt geplanten Erweiterungsband – auf Flächentragwerke zu übertragen. Allerdings sind wir überzeugt, dass der Bruch mit der didaktischen Leitlinie durch eine ausführliche Darstellung der Grundlagen und Hintergründe des Durchstanznachweises aufgewogen wird. Wir hoffen, dass der Band Studierenden weiterhin eine verlässliche Grundlage für ein vertieftes Studium
des Bemessens und Konstruierens im Massivbau bleibt und zugleich den in der Praxis tätigen Ingenieuren als Nachschlagewerk die zum Verständnis normativer Regeln unabdingbar erforderlichen Hintergründe liefert. Es bleibt, allen zu danken, die an der Umarbeitung des Buches in ein neues Format – von dem wir überzeugt sind, dass es kompakt dargestellte Information mit einem hohen Maß an Lesbarkeit verbindet – mitgeholfen haben. Nicht zuletzt gebührt dem Springer Verlag großer Dank für die fortgesetzt vertrauensvolle Zusammenarbeit.
München, Juni 2009
Konrad Zilch Gerhard Zehetmaier
Vorwort zur 1. Auflage Die Bemessung im konstruktiven Betonbau ist keineswegs Empirie, sondern sie beruht auf Mechanik und Festigkeitslehre und dem durch Modelle beschriebenen Verhalten der beteiligten Baustoffe Beton und Stahl sowie ihres Zusammenwirkens im Verbund. Ziel dieses Lehrbuches ist es, sowohl Studierenden als auch in der Praxis tätigen Absolventen ein vertieftes Verständnis der Massivbauweise und der zugehörigen Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit, im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit und der Dauerhaftigkeit zu vermitteln und ihr Gespür für die konstruktive Durchbildung zu wecken. Die Fragestellungen werden dabei zunächst allgemein gültig auf theoretischer Grundlage mit den dazugehörigen Modellen dargestellt. Danach werden die aus diesen Grundlagen heraus zur Vereinfachung und allgemeinen Verbindlichkeit entwickelten Norv
vi
menformulierungen beschrieben und durch Beispiele verdeutlicht. Im letzten Jahrzehnt wurden zur Harmonisierung des Bauens in Europa europäische Normen entwickelt. Auf der Basis europäischer Normen wurde im Jahre 2002 in Deutschland eine überarbeitete DIN 10451 als Vorwegnahme der zu erwartenden europäischen Regeln eingeführt. Diese Norm dient den Erläuterungen als Hauptbezugsdokument. Inzwischen liegt auch die europäische Bemessungsnorm für den Stahlbetonund Spannbetonbau DIN EN 1992-1-1, der EUROCODE 2, vor und wird in diesem Buch parallel zu DIN 1045-1 behandelt. Da allerdings der zugehörige nationale Anhang, in dem einige empfohlene Zahlenwerte für die Anwendung in Deutschland festgelegt werden können, noch nicht abschließend bearbeitet ist, basieren die Erläuterungen auf den empfohlenen Werten. Es soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass ein Mischen der beiden Normen nicht zulässig ist. Das Buch wurzelt in den Grundvorlesungen zum Massivbau, die der Erstverfasser seit über zehn Jahren an der Technischen Universität München hält. Den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Lehrstuhls für
Vorworte
Massivbau, die sich im Laufe der Jahre um die Vorlesungen verdient gemacht haben und mit viel Engagement die erforderlichen Aktualisierungen vorgenommen haben, sei an dieser Stelle gedankt. Desgleichen gebührt den Lehrstuhlmitarbeitern Dank, welche die deutsche und europäische Normungsarbeit begleitet und unterstützt haben. Der Mannschaft der Zilch + Müller Ingenieure GmbH sei für einige wertvolle Anregungen zu Fragen der konstruktiven Durchbildung gedankt. Die Autoren bedanken sich darüber hinaus bei Herrn Dipl.-Ing. K. Borchert für die Durchsicht des Manuskripts und die Mitarbeit bei der Erstellung der umfangreichen Bemessungshilfsmittel sowie bei den studentischen Hilfskräften, die einen Großteil der vielen Bilder angefertigt haben. Nicht zuletzt sei dem Springer-Verlag herzlich für die entgegengebrachte Geduld und die Bereitschaft, dieses Buch auch zu einem für Studenten akzeptablen Preis auf den Markt zu bringen, gedankt.
München, September 2005
Konrad Zilch Gerhard Zehetmaier
Inhaltsverzeichnis
1
2
Betonbauteile – Grundlagen, Tragverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Verbundbaustoff Stahlbeton . . . . . . . . . 1.1.1 Kennzeichnende Eigenschaften des Verbundbaustoffs . . . . . . . . . . . 1.1.2 Tragwerke und Tragelemente des Betonbaus . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Verhalten eines Einfeldbalkens – Versuchsbeobachtungen . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Trag- und Verformungsverhalten . . . . . . . 1.2.2 Versagensformen . . . . . . . . . . . 1.2.3 Prinzip der Vorspannung . . . . . 1.2.4 Betrachtungsebenen – Querschnitt und System . . . . . . 1.3 Aufgaben der Bemessung – Struktur des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Geschichte des Betonbaus . . . . 1.4.2 Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Normengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte und Grundlagen der Nachweise 2.1 Anforderungen an Bauten und deren Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Hintergrund – Anforderungen an bauliche Anlagen . . . . . . . . . 2.1.2 Grenzzustände und Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Nachweiskonzepte . . . . . . . . . . 2.2 Sicherheitskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Grundzüge der Zuverlässigkeitstheorie . . . . . . 2.2.3 Einwirkungen und Einwirkungskombinationen . . .
2.2.4
Nachweiskonzept für den Grenzzustand der Tragfähigkeit 2.2.5 Nachweiskonzept für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit . . . . . . . 2.3 Bezugsachsen und Querschnittswerte . 2.3.1 Koordinatensysteme und Bezugsachsen . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Mitwirkende Breite von Plattenbalken . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Kennwerte des ungerissenen Querschnitts . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Idealisierungen des Tragsystems . . . . . 2.4.1 Lagerungsbedingungen . . . . . . 2.4.2 Effektive Stützweite . . . . . . . . . 2.4.3 Maßgebende Biegemomente an Innenauflagern . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1
1 2 4 4 7 8 10 10 11 11 16 18 19 21 21 21 22 24 26 26 30 36
3
Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Beton unter Druckbeanspruchung . . . . . . . . 3.1.3 Beton unter Zugbeanspruchung 3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton . . 3.2.1 Zeitabhängige Dehnungskomponenten . . . . . . 3.2.2 Kriechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Kriechen bei veränderlichen Spannungen – Superposition . . 3.2.4 Schwinden . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Auswirkungen zeitabhängiger Dehnungen auf Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Leichtbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
44 46 46 48 51 52 53 54 54 56
59 59 59 60 68 72 73 74 79 83
86 86 vii
viii
Inhaltsverzeichnis
3.3.1
Trag- und Verformungsverhalten . . . . . . . 3.3.2 Normative Regelungen . . . . . . 3.4 Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Kennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Spannstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Kennwerte für die Bemessung 3.6 Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Verbundmechanismen . . . . . . . 3.6.2 Einflussgrößen – Prüfung . . . . 3.6.3 Modellierung des Verbundes . . 3.6.4 Verbundverhalten von Spanngliedern . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Mehrachsiale Festigkeit von Beton . . . 3.7.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2 Mehrachsiale Festigkeit unbewehrten Betons . . . . . . . . . 3.7.3 Kraftübertragung über Risse hinweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.4 Mehrachsiale Festigkeit von Stahlbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
5
Grundlagen der Berechnung von Spannbetonbauteilen . . . . . . . . . . . . . . 161 5.1 Arten und Ausführung der Vorspannung161 5.1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 5.1.2 Vorspannung mit sofortigem Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5.1.3 Vorspannung mit nachträglichem Verbund . . . . . 162 5.1.4 Vorspannung ohne Verbund . . . 163 5.2 Schnittgrößen aus Vorspannung bei statisch bestimmten Systemen . . . . . . . 164 5.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 164 5.2.2 Gleichgewicht am Querschnitt 165 5.2.3 Berechnung mit Anker- und Umlenkkräften . . . . . . . . . . . . . 166 5.2.4 Kreisförmiger oder parabolischer Spanngliedverlauf – Sonderfall 167 5.2.5 Anmerkungen zur Spanngliedführung . . . . . . . . . . 169 5.2.6 Ermittlung von Spannungen infolge Vorspannung . . . . . . . . 171 5.3 Spannkraftverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5.3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5.3.2 Spannkraftverluste während des Spannvorganges . . . . . . . . . 173 5.3.3 Zeitabhängige Spannkraftverluste . . . . . . . . . . 181 5.4 Rechenwerte der Vorspannkraft . . . . . . 184 5.4.1 Zulässige Spannkräfte . . . . . . . 184 5.4.2 Charakteristische Werte der Vorspannkraft . . . . . . . . . . . . . . 186 5.4.3 Bemessungswert der Vorspannkraft . . . . . . . . . . . . . . 186 5.4.4 Spannbettzustand . . . . . . . . . . . 187 5.4.5 Anrechnung der Vorspannung bei Biegebeanspruchung . . . . . 188 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
6
Biegung und Längskraft . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Tragverhalten, Bemessungsgrundlagen 6.1.1 Schnittgrößen und Gleichgewichtsbedingungen . . 6.1.2 Tragverhalten des ungerissenen Balkens . . . . . . . . 6.1.3 Tragverhalten des gerissenen Balkens – Grundsätze der Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.4 Versagensarten und Dehnungszustände . . . . . . . . . . 6.1.5 Verformungsverhalten und Duktilität . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 87 89 91 91 93 95 95 95 97 99 99 101 103 105 106 106 107 115 118 121
Kraftfluss in Stahlbetonbauteilen – Stabwerkmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4.1 Kraftfluss in Betonbauteilen . . . . . . . . . 127 4.1.1 Spannungsfelder in ungerissenem Beton . . . . . . . . . 127 4.1.2 Kraftfluss in gerissenem Beton – Stabwerke . . . . . . . . . . 128 4.2 Stabwerkmodelle – Grundlagen . . . . . . 131 4.2.1 Plastizitätstheorie und Grenzwertsätze . . . . . . . . . . . . . 131 4.2.2 Diskontinuitätsbereiche . . . . . . 132 4.2.3 Methodik des Bemessens mit Stabwerkmodellen . . . . . . . . . . 134 4.3 Entwurf von Stabwerkmodellen . . . . . 134 4.3.1 Modellierungsstrategie . . . . . . . 134 4.3.2 Entwurfsgrundsätze . . . . . . . . . 136 4.3.3 Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . 137 4.4 Nachweis von Stabwerkmodellen . . . . 140 4.4.1 Nachweis von Streben . . . . . . . 140 4.4.2 Nachweis von Knoten . . . . . . . 142 4.5 Typische Stabwerkmodelle . . . . . . . . . . 147 4.5.1 Einleitung konzentrierter Kräfte 148 4.5.2 Konsolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4.5.3 Abgesetzte Auflager . . . . . . . . . 155 4.5.4 Höhenversprung von Balken . . 157 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
191 191 191 192
194 196 198
Inhaltsverzeichnis
ix
7.4.1 7.4.2
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 248 Tragverhalten bei gerissenem, bewehrtem Trägersteg . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7.4.3 Tragmodell und Bemessungsgrundlagen – Fachwerkanalogie . . . . . . . . . . . 251 7.4.4 Bemessung nach DIN 1045-1 . 257 7.4.5 Bemessung nach EN 1992-1-1 261 7.4.6 Interaktion von Biegung und Querkraft – Versatzmaß . . . . . . 263 7.5 Mindestquerkraftbewehrung . . . . . . . . 264 7.6 Bemessungswert der Querkraft – Maßgebender Schnitt . . . . . . . . . . . . . . 265 7.6.1 Direkte Lagerung – Auflagernahe Lasten . . . . . . . . 266 7.6.2 Indirekte Lagerung . . . . . . . . . . 267 7.6.3 Auswirkungen geneigter Gurte und Spannglieder . . . . . . 269 7.7 Schub in Gurten gegliederter Querschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 7.7.1 Tragverhalten und Tragmodelle 272 7.7.2 Fachwerkmodell und Bemessung für Druckgurte . . . 273 7.7.3 Fachwerkmodell und Bemessung für Zuggurte . . . . . 274 7.7.4 Interaktion von Längsschub und Querbiegung . . . . . . . . . . . 274 7.8 Schubfugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 7.8.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 7.8.2 Tragverhalten und Tragmodelle 279 7.8.3 Nachweis von Schubfugen . . . 282 7.8.4 Interaktion mit der Querkraftbemessung . . . . . . . . 285 7.8.5 Ergänzende Hinweise . . . . . . . . 287 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
6.1.6
Äußere und innere Schnittgrößen . . . . . . . . . . . . . . 200 6.2 Bemessung für überwiegende Biegung 203 6.2.1 Querschnitte ohne Druckbewehrung . . . . . . . . . . . 203 6.2.2 Querschnitte mit Druckbewehrung . . . . . . . . . . . 208 6.2.3 Bemessungshilfsmittel . . . . . . . 212 6.2.4 Vereinfachte Bemessung – Näherungsbeziehungen . . . . . . 214 6.3 Bemessung für überwiegende Längskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6.3.1 Mittige Zugkraft und Zugkraft mit geringer Ausmitte 216 6.3.2 Drucknormalkraft . . . . . . . . . . . 217 6.3.3 Beliebige M -N Kombinationen – Interaktionsdiagramm . . . . . . . 218 6.4 Querschnitte mit nicht rechteckiger Druckzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 221 6.4.2 Plattenbalken . . . . . . . . . . . . . . . 222 6.4.3 Kreis- und Kreisringquerschnitte . . . . . . . . 226 6.4.4 Allgemeine Querschnitte – Schiefe Biegung . . . . . . . . . . . . 226 6.5 Bemessung vorgespannter Querschnitte 227 6.5.1 Vorspannung mit Verbund . . . . 227 6.5.2 Vorspannung ohne Verbund . . . 230 6.6 Sicherstellung ausreichender Duktilität – Mindestbewehrung . . . . . . 231 6.6.1 Mindestbewehrung bei Stahlbetonbauteilen . . . . . . . . . 231 6.6.2 Mindestbewehrung bei vorgespannten Bauteilen . . . . . 232 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 7
Querkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Tragverhalten bei ungerissenem Trägersteg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Bemessung von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Tragverhalten bei gerissenem, unbewehrtem Trägersteg . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Tragmodelle und Tragmechanismen . . . . . . . . . . 7.3.3 Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4 Interaktion von Biegung und Querkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Bemessung von Bauteilen mit Querkraftbewehrung . . . . . . . . . . . . . . .
235 235 237 239
239 240 243 247 248
8
Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Tragverhalten bei reiner Torsion . . . . . 8.2.1 Spannungen in ungerissenen Bauteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Tragverhalten gerissener Stahlbetonbauteile . . . . . . . . . . 8.3 Torsionstragfähigkeit von Bauteilen mit prismatischem Querschnitt . . . . . . 8.3.1 Bemessungsgrundlagen . . . . . . 8.3.2 Bemessung für reine Torsion . . 8.4 Kombinierte Beanspruchungen . . . . . . 8.4.1 Interaktion von Torsion mit Biegung und Längskraft . . . . . 8.4.2 Interaktion von Torsion mit Querkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295 295 296 297 300 302 302 306 307 308 308
x
Inhaltsverzeichnis
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 9
Durchstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Anwendungsbereiche . . . . . . . . 9.1.2 Nachweis im Überblick . . . . . . 9.1.3 Schnittgrößenermittlung . . . . . 9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung . . 9.2.1 Tragverhalten . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Tragmodelle und Nachweiskonzept . . . . . . . . . . . 9.2.3 Auswirkungen exzentrischer Stützenlasten . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Nachweis gegen Durchstanzen ohne Durchstanzbewehrung . . . . . . . 9.2.5 Kollapsbewehrung . . . . . . . . . . 9.3 Platten mit Durchstanzbewehrung . . . . 9.3.1 Arten von Durchstanzbewehrung . . . . . . . 9.3.2 Tragverhalten und Versagensformen . . . . . . . . . . . 9.3.3 Tragmodelle und Bemessungskonzepte . . . . . . . . 9.3.4 Nachweis nach DIN 1045-1 . . 9.3.5 Nachweis nach EN 1992-1-1 . . 9.4 Fundamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.2 Besonderheiten beim Durchstanznachweis . . . . . . . . . 9.5 Vorgespannte Platten . . . . . . . . . . . . . . . 9.5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 9.5.2 Berücksichtigung der Vorspannung im Durchstanznachweis . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313 313 313 316 317 321 321 322 324
331 339 341 341 342 343 345 352 354 355 356 358 358
359 361
10 Spannungen und Verformungen auf Gebrauchslastniveau . . . . . . . . . . . . . . . 365 10.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 10.1.1 Verformungen – Arten, Ursachen und Zweck der Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 365 10.1.2 Grundlegende Annahmen . . . . 366 10.2 Längsdruckkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 10.2.1 Kurzzeitig wirkende Druckbeanspruchungen . . . . . . 366 10.2.2 Auswirkungen zeitabhängigen Verhaltens . . . . 367 10.3 Längszugkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 10.3.1 Tragverhalten bei kurzzeitiger Zugbeanspruchung 371
10.3.2 Kräfte und Verformungen des ungerissenen Zugstabes . . . . . . 10.3.3 Kräfte und Verformungen des gerissenen Zugstabes . . . . . . . . 10.3.4 Auswirkungen langandauernder Zugbeanspruchung . . . . . . . . . . 10.3.5 Vorgespannter Zugstab . . . . . . . 10.4 Biegebeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Spannungen und Verformungen im Zustand I . . 10.4.3 Querschnittswerte und Spannungen im reinen Zustand II . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.4 Verformungsberechnung durch Integration der M --Beziehung . . . . . . . . . . . . 10.4.5 Vereinfachte Berechnung . . . . . 10.4.6 Auswirkungen zeitabhängigen Verhaltens . . . . 10.5 Querkraft und Torsion . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . 11.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Nachweisumfang . . . . . . . . . . . 11.1.2 Nachweisgrundlagen . . . . . . . . 11.1.3 Vorspannung . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Spannungsbegrenzungen . . . . . . . . . . . 11.2.1 Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Anwendungsbereich – Maßgebender Grenzzustand . . 11.3 Begrenzung der Biegeverformung . . . . 11.3.1 Grenzwerte und Nachweisverfahren . . . . . . . . . . 11.3.2 Nachweis durch Berechnung der Verformungen . . . . . . . . . . . 11.3.3 Nachweis durch Begrenzung der Biegeschlankheit bei überwiegender Biegebeanspruchung . . . . . . . . 11.4 Rissbreitenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Ursachen und Erscheinungsformen von Rissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Allgemeines zu den Nachweisen – Anforderungsklassen . . . . . . . . 11.4.3 Berechnung der Rissbreite . . . . 11.4.4 Vereinfachte Nachweise – Konstruktionsregeln . . . . . . . . .
374 374
378 378 381 381 382
383
387 392 395 399 400 403 403 403 404 404 404 404 406 407 407 409
409 411
412
412 415 418
Inhaltsverzeichnis
11.4.5 Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite . . . . 11.4.6 Nachweise nach DIN 1045-1 . 11.4.7 Nachweise nach EN 1992-1-1 . 11.4.8 Besonderheiten bei Spannbetonbauteilen . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
xi
420 426 428 432 436
12 Nachweise gegen Ermüdung . . . . . . . . . . . . 439 12.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 12.1.1 Anwendungsbereiche . . . . . . . . 440 12.1.2 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . 440 12.1.3 Nachweiskonzepte . . . . . . . . . . 443 12.2 Ermüdungsverhalten von Werkstoffen 445 12.2.1 Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 12.2.2 Spannstahl und Spannglieder . 450 12.2.3 Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung . . . . 454 12.3.1 Bauteilverhalten – Versagensmechanismen . . . . . . 454 12.3.2 Betriebslasten . . . . . . . . . . . . . . 456 12.3.3 Schnittgrößenermittlung . . . . . 458 12.3.4 Spannungsermittlung . . . . . . . . 459 12.3.5 Besonderheiten bei Spannbeton 462 12.3.6 Besonderheiten bei Querkraftbeanspruchungen . . . 466 12.4 Nachweis gegen Ermüdung . . . . . . . . . 471 12.4.1 Nachweisführung . . . . . . . . . . . 471 12.4.2 Betriebsfestigkeitsnachweis (Stufe 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 12.4.3 Nachweis über schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreiten (Stufe 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 12.4.4 Nachweis durch Spannungsbegrenzung (Stufe 1) 477 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 13 Statisch unbestimmte Systeme . . . . . . . . . . 13.1 Tragverhalten und Grundlagen . . . . . . 13.1.1 Tragverhalten . . . . . . . . . . . . . . 13.1.2 Folgerungen aus dem Tragverhalten . . . . . . . . . . . . . . 13.1.3 Rotation plastischer Gelenke . . 13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT . . . . . . . . . 13.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Elastizitätstheorie . . . . . . . . . . . 13.2.3 Plastizitätstheorie . . . . . . . . . . . 13.2.4 Elastizitätstheorie mit Umlagerung . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.5 Nichtlineare Berechnung . . . . .
487 487 487 489 491 493 493 494 496 498 500
13.2.6 Nachweis der Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke . . . . . . . . . 13.3 Indirekte Einwirkungen – Zwang . . . . 13.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.2 Überlagerung von Last und Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.3 Berücksichtigung von Zwang in GZG und GZT . . . . . . . . . . . 13.3.4 Auswirkungen zeitabhängigen Verhaltens . . . . 13.4 Vorgespannte, statisch unbestimmte Balken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.2 Berechnung der statisch unbestimmten Wirkung . . . . . . 13.4.3 Ansatz der statisch unbestimmten Wirkung in Nachweisen . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.4 Entwurfsstrategien unter Nutzung der statisch unbestimmten Wirkung . . . . . . 13.5 Torsion in statisch unbestimmten Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Schädigungsmechanismen . . . . . . . . . . 14.2.1 Korrosion der Bewehrung . . . . 14.2.2 Betonangriff (Betonkorrosion) 14.3 Prinzipien zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.2 Expositionsklassen . . . . . . . . . . 14.3.3 Betondeckung . . . . . . . . . . . . . . 14.3.4 Normenregelung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Grundlegende Bewehrungsregeln . . . . 15.2.1 Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2 Anordnung der Bewehrung im Querschnitt . . . . . . . . . . . . . 15.2.3 Umlenkungen – Biegen von Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Verankerung von Bewehrung . . . . . . . . 15.3.1 Verbundverankerung gerader Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
502 506 506 509 510 512 517 517 518
523
523 525 525 529 529 530 530 533 533 533 534 535 537 541
543 543 544 544 545 547 549 549
xii
Inhaltsverzeichnis
15.4 15.5
15.6 15.7 15.8
15.3.2 Weitere Möglichkeiten der Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . 553 Stoßverbindung von Bewehrungsstäben 554 15.4.1 Übergreifungsstöße . . . . . . . . . 555 15.4.2 Direkte Stöße . . . . . . . . . . . . . . 558 Konstruktionsregeln für Balken . . . . . . 559 15.5.1 Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 15.5.2 Querkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 15.5.3 Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 15.5.4 Ergänzende Regeln für Plattenbalken . . . . . . . . . . . . . . . 568 Konstruktionsregeln für Stützen . . . . . 568 15.6.1 Längsbewehrung . . . . . . . . . . . . 569 15.6.2 Querbewehrung . . . . . . . . . . . . 569 Ausbildung indirekter Auflager . . . . . . 571 Bewehrungszeichnungen . . . . . . . . . . . 571
15.8.1 Zeichnungen für die Tragwerksplanung im Massivbau . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 15.8.2 Elemente einer Bewehrungszeichnung . . . . . . . 573 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 Aktuelle Ergänzungen zur Schlussfassung des Nationalen Anhangs DIN EN 1992-1-1/NA vom November 2009 577 Normen und Richtlinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 Symbole und Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . 583 Bemessungshilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619
Kapitel 1
Betonbauteile – Grundlagen, Tragverhalten
1.1 Verbundbaustoff Stahlbeton Betonbauwerke sind heute in vielfältigster Gestalt Elemente unseres täglichen Lebens. Zwar verfügten bereits römische Baumeister vor zwei Jahrtausenden über grundlegende Kenntnisse zur Herstellung von Beton, aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde durch das Einlegen von stählernen Bewehrungselementen der entscheidende Schritt hin zum Verbundbaustoff Stahlbeton moderner Prägung getan. Im Vergleich mit anderen Baustoffen kommt dem Konstruktionsbeton – ein Begriff, der sowohl Stahlbeton als auch Spannbeton umfasst – angesichts der vielen Vorteile eine dominierende Stellung im Bauwesen zu. Das Verständnis der Wirkungsweise des Verbundbaustoffs ist allerdings von zentraler Bedeutung für die Bemessung und Konstruktion von technisch und ästhetisch anspruchsvollen und zugleich ökonomischen Bauwerken.
1.1.1 Kennzeichnende Eigenschaften des Verbundbaustoffs Der Baustoff Beton ist dank seiner hohen Druckfestigkeit, der in großen Mengen vorhandenen Ausgangsstoffe und der einfachen Herstellung in idealer Weise zur Konstruktion von druckbeanspruchten Bauteilen nahezu beliebiger Form geeignet. Die fundamentale Eigenschaft des Baustoffs, die letztlich in der Entwicklung von bewehrtem Beton mündete, ist allerdings seine geringe Zugfestigkeit. Die i. Allg. ein Zehntel der Druckfestigkeit nicht überschreitende Zugfestigkeit führt dazu, dass zug- bzw. auch biegebeanspruchte Bauteile ausschließlich aus Beton nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll sind. K. Zilch, G. Zehetmaier, Bemessung im konstruktiven Betonbau DOI 10.1007/978-3-540-70638-0, © Springer 2010
Bei bewehrten Bauteilen übernimmt der in den Beton eingebettete Stahl bei der Rissbildung die freiwerdende Betonzugkraft. Damit kann die hohe Betondruckfestigkeit gemeinsam mit der hohen Zugfestigkeit des Stahls wirtschaftlich genutzt werden. Bewehrter Beton, also Stahlbeton und Spannbeton, ist damit ein klassischer Verbundbaustoff. Die Verbundwirkung zwischen Beton und eingebetter Bewehrung, die u. a. durch die dem Stahl aufgeprägten Rippen erreicht wird, erzwingt, dass sich Beton und Stahl bei Beanspruchung annähernd gleich verformen und ermöglicht so das statische Zusammenwirken. Die hohe Widerstandsfähigkeit bewehrten Betons gegenüber Umwelteinflüssen macht bewehrten Beton zu einem preiswerten und zugleich robusten Baustoff. Bei sachgerechter Ausführung ist der eingebettete Stahl durch die hohe Alkalität des Zementsteins zudem dauerhaft vor Korrosion geschützt. Neben der geringen Zugfestigkeit des Betons haben zwei Eigenschaften Konstruktion und Formgebung von bewehrten Betonbauteilen wesentlich geprägt und zu typischen Bauformen geführt: • die nahezu uneingeschränkte Formbarkeit und • die monolithische Verbindung einzelner Bauteile. Die Anpassung des Frischbetons an nahezu beliebige Schalungsformen ermöglicht die Optimierung von Form oder Querschnittsabmessungen nach dem Verlauf der Schnittgrößen (Abb. 1.1); die eingebettete Bewehrung kann nach dem inneren Kraftfluss orientiert werden. Durch die auch für abschnittweise hergestellte Bauteile zu erzielende monolithische Verbindung können zum einen Bauteile hergestellt werden, die mehrere Funktionen und Tragwirkungen in sich vereinen und zum anderen durch vielfache statische Unbestimmtheit hohe Tragreserven aufweisen. 1
2
1 Betonbauteile – Grundlagen, Tragverhalten Unterzug (Hauptträger) Unterzug (Nebenträger)
Randunterzug Wandscheibe
Platte Innenstütze
Randstütze Fundament
Abbildung 1.1 Stahlbetondecke, Entwurf Pier Luigi Nervi (1953) – die Form folgt der Richtung der Hauptmomente (aus Nervi u. a. 1957)
Die aufgezählten Eigenschaften bringen allerdings auch einige Nachteile mit sich: Bei Tragwerken aus Beton stellt das Eigengewicht im Vergleich zu Stahltragwerken einen wesentlich größeren Anteil an der gesamten Belastung dar. Zudem weisen Betonbauten durch die monolithische Verbindung einzelner Bauglieder nur eingeschränkte Variabilität auf; Umnutzungen oder Umbauten sind unter Umständen mit größeren Eingriffen in das Tragwerk verbunden.
1.1.2 Tragwerke und Tragelemente des Betonbaus Aus Stahl- und Spannbeton können die vielfältigsten Bauwerke – Geschossbauten, weitgespannte Hallen, Brücken, etc. – errichtet werden. Für die Berechnung müssen die Bauwerke allerdings auf das lastabtragende Grundgerüst, das Tragwerk reduziert werden (Abb. 1.2). Eine Betrachtung des gesamten Tragwerks als i. Allg. räumliche Struktur repräsentiert zwar am ehesten das wirkliche Tragverhalten, ist aber mit äußerst hohem Aufwand verbunden und daher nur in wenigen Fällen vertretbar. Im Allgemeinen wird das Tragwerk in einzelne Tragelemente untergliedert, denen Randbedingungen – z. B. Lagerungsbedingungen – zugewiesen werden, die ihr Zusammenwirken mit dem übrigen Tragwerk abbilden sollen. Die Konzentration des Bauwerks auf das Tragwerk bzw. einzelne, miteinander durch Rand- oder Übergangsbedingungen verknüpfte Tragelemente bzw. die Überführung in ein sta-
a Isometrie
b Grundriss
Abbildung 1.2a,b Tragwerk und Tragelemente – Stahlbetonskelett eines Geschossbaus
tisches System wird unter dem Begriff Modellbildung zusammengefasst. Tragelemente werden neben ihrer Geometrie primär durch die Art der Lastabtragung in Stab- und Flächentragwerke bzw. Stützen, Balken oder Bogen und Scheiben, Platten oder Schalen unterschieden. Eindimensionale, d. h. linienförmige Elemente sind Stäbe, deren Querschnittsabmessungen b und h gegenüber ihrer Länge ` klein sind; allgemein gilt als Abgrenzung ` 2b bzw. ` 2h (Abb. 1.3a). Stützen sind überwiegend in ihrer Achse belastete Stäbe, während Balken als dominierende Elemente des Stahlbetonbaus vorwiegend senkrecht zu ihrer Achse, d. h. durch Biegung beansprucht werden. Einige typische Stabquerschnitte sind in Abb. 1.4 dargestellt. Durch die monolithische Verbindung können Stäbe zu Rahmen zusammengefügt werden. Gekrümmte Stäbe – Bögen – ermöglichen eine für Beton günstige Abtragung vertikaler Lasten durch Normaldruckkräfte bei Verminderung der Biegemomente gegenüber einem Balken gleicher Spannweite. Im Idealfall wird für eine definierte Belastung
1.1 Verbundbaustoff Stahlbeton
3 Schwerachse
b
nyy
nyx h
y
y
x
z nxy
l
x My Vy
nxx Vz
N T
h
Scheibenmittelfläche
Mz b Scheibe
a Stab
x y
Abbildung 1.5 Maintalbrücke Veitshöchheim, DB-Hochgeschwindigkeitsstrecke Würzburg-Fulda; Stahlbeton-Stabbogen, Spannbetonhohlkasten (Der im Taktschieben hergestellte Hohlkasten wird im Bild gerade über den Bogen geschoben; der an der rechten Bogenhälfte angehängte Ballast dient zum Ausgleich der für Bogen ungünstigen exzentrischen Belastung.) (vgl. Naumann u. a. 1988)
Plattenmittelfläche
z h mxy mxx qxz
myy myx
qyz c Platte
Abbildung 1.3a–c Tragelemente – Stab, Flächentragwerke bf hf h
h
b a Rechteck
bw b Plattenbalken
h
h
c Kreis, Kreisring
d Hohlkasten
Abbildung 1.4a–d Typische Stabquerschnitte des Massivbaus
mit der Form einer Stützlinie die ausschließliche Beanspruchung des Bogens durch Druckkräfte erreicht. Bögen werden u. a. für weitgespannte Tragwerke wie
Talbrücken mit aufgeständerter oder abgehängter Fahrbahn oder für Dachtragwerke bei Hallen eingesetzt (Abb. 1.5). Flächentragwerke sind zweidimensionale Tragelemente, deren Bauhöhen h im Vergleich zu den übrigen Abmessungen klein sind. Ebene Flächentragwerke werden abhängig von der dominierenden Tragwirkung in Scheiben und Platten unterschieden. Während Scheiben primär parallel zur Mittelfläche beansprucht werden, erfolgt die Belastung von Platten vorwiegend senkrecht dazu (Abb. 1.3b,c). Durch die schub- und biegesteife Verbindung ebener Flächentragwerke entstehen steife Faltwerke, deren Elemente sowohl Scheiben- als auch Plattenschnittgrößen abtragen. Im Stahlbetonbau werden Faltwerke angesichts der einfach zu realisierenden monolithischen Verbindungen häufig verwendet (Abb. 1.6). Der aus Druckplatte und Stegscheibe zusammengesetzte Plattenbalken ist zwar ein klassisches Faltwerk, für die Ermittlung der Schnittgrößen und Beanspruchungen wird er angesichts b; h ` i. Allg. mit ausreichender Genauigkeit als Stab betrachtet. Ähnliches gilt für Hohlkastenträger. Schalen als Flächentragwerke mit gekrümmten Mittelflächen werden abhängig von Form und Belastung i. Allg. durch Schnittkräfte parallel und senkrecht zur Mittelfläche beansprucht. Ähnlich dem Bogen ist für Schalen eine Abtragung äußerer Lasten über Beanspruchungen in Schalenebene – so genannte Membranspannungen – durch die Formgebung anzustreben; zur Aufnahme von Biegemomenten sind
4
1 Betonbauteile – Grundlagen, Tragverhalten a Trapezfaltwerk
Tragwerken mit äußerst dünnen Schalenstärken von wenigen Zentimetern.
1.2 Verhalten eines Einfeldbalkens – Versuchsbeobachtungen
b Hohlkasten
Der vorwiegend senkrecht zur Stabachse belastete Balken ist eines der fundamentalen Tragelemente des Stahlbetonbaus. Anhand eines Versuchs an einem Einfeldbalken nach Abb. 1.8 werden die Grundprinzipien des Tragverhaltens und der daraus abgeleiteten Regeln zur Bemessung und Konstruktion exemplarisch vorgestellt. Der mit zwei Einzellasten F in den Drittelspunkten belastete Einfeldbalken ist – der heute üblichen Konstruktionspraxis folgend – mit einer Biegezugbewehrung As1 und zusätzlich zwischen Lasteinleitungspunkten und Auflagern mit vertikalen, im Abstand sw angeordneten geschlossenen Bügeln der Querschnittsfläche Aw (Summe beider Schenkel) zur Aufnahme der Querkraftbeanspruchungen bewehrt. Das Eigengewicht des Balkens soll vernachlässigt werden.
c Plattenbalken
Abbildung 1.6a–c Faltwerke
a einfach gekrümmte Schale (Tonnenschale)
1.2.1 Trag- und Verformungsverhalten c freie Schalenform (Hängeform nach Isler)
b zweifach gegensinnig gekrümmte Schale (Rotationshyperboloid)
Abbildung 1.7a–c Schalen
Schalen angesichts ihrer geringen Dicke wenig geeignet. Da für Beton insbesondere Druckspannungen günstig sind, werden in Schalen auftretende Zugbeanspruchungen häufig durch Vorspannung kompensiert. Zu den mathematisch beschreibbaren Schalenformen zählen einfach gekrümmte Flächen (Zylinderschalen) und zweifach-einsinnig bzw. sinklastisch (Kugelschalen) oder -gegensinnig bzw. antiklastisch (Sattelflächen, Hyperbolische Paraboloide) gekrümmte Flächen (Abb. 1.7a,b). Die Optimierung der Schalenform zur Abtragung definierter Lasten ausschließlich über Membranspannungen erfolgte in der Vergangenheit u. a. durch experimentelle Methoden, etwa nach den von Heinz Isler entwickelten Verfahren der pneumatischen Formen oder der Hängeformen (Abb. 1.7c) (vgl. Ramm u. Schunck 1986). Heute werden numerische Methoden der Formfindung über Optimierungsalgorithmen verwendet (Bletzinger u. Ziegler 2000). Die Beanspruchung von Schalen vorwiegend durch Membranspannungen führt zu
1.2.1.1 Zustand I – ungerissener Balken Solange die aus den Lasten hervorgerufenen Zugspannungen am unteren Bauteilrand die Betonzugfestigkeit nicht erreichen, verhält sich der Stahlbetonbalken wie ein Bauteil aus homogenem Material. In dem als Zustand I bezeichneten ungerissenen Zustand werden die Lasten durch Längs- und Schubspannungen x , xz und zx abgetragen, denen an den Einleitungspunkten konzentrierter Kräfte – Lasteinleitungs- und Auflagerpunkten – zusätzliche lokale Spannungen z überlagert werden. Die in Abb. 1.8c wiedergegebene lineare Verteilung der Dehnungen und Spannungen über die Querschnittshöhe folgt der elementaren Balkenbiegetheorie; die Dehnungsnulllinie fällt mit der Schwerachse des Verbundquerschnitts zusammen. Deutlich anschaulicher kann die sich tatsächlich einstellende Tragwirkung allerdings durch ein System von Hauptzug- und Hauptdruckspannungen beschrieben werden. In Abb. 1.8c sind die Hauptspannungstrajektorien, die in jedem Punkt die Richtung der zueinander senkrecht gerichteten Hauptspannungen angeben, dargestellt. Im Bereich konstanter Biegemomente verlaufen die Zug- und Drucktrajektorien annähernd parallel zu den Bauteilrändern; in der Nähe des Aufla-
1.2 Verhalten eines Einfeldbalkens – Versuchsbeobachtungen F
5
F
Schnitt A - A
A
Asw As1
A l/3
l/3
l/3
l a Geometrie und Belastung ME F.l / 3 F VE
-F b Schnittgrößen
Schnitt B-B Dehnungen Spannungen B
ss
es1 B c Hauptspannungstrajektorien (Zustand I)
sc
ec2
sc < fct,eff
Zug Druck
B
ec2
sc
Fs
ss
es1
Fc
B d Auftreten erster Biegerisse (F ~ Fcr)
B
sc
ec2 es1
ss
Fc Fs
B e Ausgeprägtes Rissbild unmittelbar vor Erreichen der Bruchlast (F ~ Fu)
Abbildung 1.8a–e Einfeldbalken im Versuch
gers sind die Trajektorien um etwa 45ı gegen die Bauteilachse geneigt. Die Durchbiegung des Balkens in Feldmitte ist in Abhängigkeit der aufgebrachten Last F in Abb. 1.9 wiedergegeben. Im ungerissenen Zustand (F < Fcr ) verläuft die F -w-Beziehung annähernd linear.
1.2.1.2 Übergang zum Zustand II – gerissene Betonzugzone Bei Erhöhung der Last wird zunächst im Bereich M D const. am unteren Bauteilrand die Betonzugfestigkeit erreicht; erste Biegerisse treten also im Bereich
zwischen den Lasteinleitungspunkten auf und dringen senkrecht zur Richtung der Hauptzugspannungen in den Querschnitt vor. Der gerissene Querschnitt befindet sich im Zustand II. Das aus den Einzellasten entstehende Biegemoment wird im gerissenen Querschnitt durch ein inneres Kräftepaar aus der Stahlzugkraft und der Resultierenden der Betondruckspannungen aufgenommen. Die Dehnungsnulllinie und damit der Hebelarm zwischen den inneren Kräften stellt sich so ein, dass zwischen innerem und äußerem Moment Gleichgewicht herrscht. Als Folge der gegenüber der Betonzugzone geringeren Dehnsteifigkeit der Bewehrung rückt die Dehnungsnulllinie näher an den gedrückten Rand; die Rissspitze reicht fast bis an die Dehnungs-
6
nulllinie heran. Die Dehnungsverteilung im gerissenen Querschnitt kann weiterhin als linear angenommen werden; gleiches gilt bei geringen Lasten in guter Näherung für die Verteilung der Betondruckspannungen in der Druckzone. Mit dem Auftreten erster Risse nimmt die Durchbiegung gegenüber dem Zustand I überproportional zu (Abb. 1.9). Wird die Belastung weiter erhöht, treten auch Risse in den Bereichen zwischen den Auflagern und den Lasteinleitungspunkten auf. Allerdings verlaufen die so genannten Biegeschubrisse im Unterschied zu Biegerissen gegenüber der Stabachse geneigt, ungefähr senkrecht zu den Hauptzugspannungstrajektorien, d. h. annähernd parallel zur Richtung der Hauptdruckspannungen (Abb. 1.8e). Während für den betrachteten Querschnitt in Feldmitte die Dehnungen weiterhin als linear verteilt angenommen werden können, wird die Verteilung der Betonspannungen in der Druckzone mit weiterer Belastung völliger. Bei höheren Druckstauchungen treten zunehmend plastische Verformungen des Betons auf; die Druckspannungen nehmen damit nicht mehr linear mit den Dehnungen zu. Abhängig von der Funktion, die der Balken in einem realen Tragwerk erfüllen müsste – etwa als Träger einer Deckenkonstruktion – wären ab einer bestimmten Höhe der Belastung die auftretenden Verformungen bzw. die als Rissbreiten bezeichneten, sichtbaren Öffnungen der Risse für die Nutzer des Gebäudes aus ästhetischen oder funktionalen Gründen nicht mehr tolerierbar. Die Grenze der Gebrauchstauglichkeit des Balkens wäre damit erreicht; die auf Gebrauchslastniveau möglichen bzw. zulässigen Beanspruchungen liegen daher i. Allg. deutlich unter der Tragfähigkeit des Bauteils. Bei hoher Belastung ist mit Ausnahme der Bereiche unmittelbar an den Auflagern der Träger auf gesamter Länge gerissen. Wenn sich keine neuen Risse mehr bilden, ist das abgeschlossene Rissbild erreicht. Die LastDurchbiegungs-Beziehung steigt in diesem Fall wieder annähernd linear an.
1.2.1.3 Versagen Bei weiterer Lasterhöhung erreicht die Biegezugbewehrung in einem Rissquerschnitt im Bereich M D const. die Streckgrenze. Eine darüber hinausgehende Lasterhöhung ist bei fließender Bewehrung nur noch in geringem Umfang durch die Stahlverfestigung und die Vergrößerung der Hebelarme zwischen Stahlzugkraft und resultierender Betondruckkraft bei weiterer Einschnürung der Druckzone möglich, geht aber einher mit großen Verformungen und stark anwachsenden
1 Betonbauteile – Grundlagen, Tragverhalten Belastung F Fu Fließen des Betonstahls
Bruch
EII
F Fcr
F
erster Riss w
Durchbiegung in Feldmitte w
Abbildung 1.9 Last-Verformungs-Beziehung
Rissbreiten. Mit weiterer Einschnürung weist die Betondruckzone zunehmend Gefügeauflockerungen auf. Bei Erreichen der Maximallast ist die Tragfähigkeit der Druckzone erschöpft. Teile einer keilförmigen Bruchzone können abgesprengt werden und führen beim betrachteten Versuchsbalken zu einem vollständigen Kollaps. Je nach Konstruktion und Belastung sind andere Versagensformen möglich.
1.2.1.4 Rissbildung und Verbund zwischen Bewehrung und Beton Das Rissbild, insbesondere der Abstand benachbarter Risse, weist für alle Laststufen starke Unregelmäßigkeiten auf, da es vor allem mit der entlang des Bauteils streuenden Zugfestigkeit verknüpft ist. Eine exakte Vorhersage der Risslagen und des Rissverlaufs ist daher i. Allg. nicht möglich, allerdings lassen sich Gesetzmäßigkeiten ableiten. Bereits angesprochen wurde, dass der Rissverlauf annähernd den Druckspannungstrajektorien folgt. Darüber hinaus schwankt der Rissabstand des abgeschlossenen Rissbildes nur in engen Grenzen. Die am unteren Querschnittsrand durch die Wirkung der dort eingelegten Bewehrung verteilten Risse laufen zudem in Richtung des Druckrandes aufeinander zu und vereinigen sich zu Sammelrissen. In den Rissquerschnitten muss die Bewehrung die gesamte Biegezugkraft aufnehmen; zwischen den gerissenen Querschnitten verbleiben allerdings weiterhin ungerissene Bereiche der Betonzugzone. Durch die Verbundwirkung der Bewehrung wird zwischen den Rissen ein Teil der Zugkraft wieder auf den Beton übertragen, die Betonstahldehnungen sind daher selbst im mittleren Drittel des Balkens nicht konstant, sondern nehmen zwischen den Rissen ab (Abb. 1.10).
1.2 Verhalten eines Einfeldbalkens – Versuchsbeobachtungen Dehnungsnulllinie
es
Betonstahldehnung
Abbildung 1.10 Verlauf der Betonstahldehnungen zwischen den Rissen im Bereich M D const.
1.2.2 Versagensformen Stahlbetonbalken können je nach Geometrie, Bewehrungsmenge und Beanspruchung verschiedene Versagensmechanismen aufweisen; das anhand des Versuchsbalkens nach Abb. 1.8 beschriebene Versagensbild ist nur eines der möglichen. Eine Einordnung der Versagensformen erfolgt zweckmäßig nach den versagensauslösenden Beanspruchungen in:
7
• Biegezugversagen Die Betonstahlbewehrung reißt nach großen plastischen Verformungen, bevor der druckbeanspruchte Beton versagt. Eine Sonderform des Biegezugversagens kann bei sehr gering bewehrten Bauteilen auftreten, wenn die Bewehrung nicht in der Lage ist, die im Riss freiwerdende Betonzugkraft aufzunehmen. Da das Bauteil bei Auftreten des ersten Risses ohne Vorankündigung kollabiert, ist dieser Mechanismus in jedem Fall durch die Anordnung einer ausreichenden Menge an Betonstahlbewehrung, der Mindestbewehrung zu vermeiden (! Stahlversagen, Abb. 1.11c). Querkraftversagen Im querkraftbeanspruchten Bereich können weitere Versagensmechanismen auftreten, die hier nur angesprochen und in Kap. 7 näher erläutert werden: • Biegeschubversagen Bei schwach bügelbewehrten Balken oder Bauteilen ohne Querkraftbewehrung wird durch das Vor-
• Biegeversagen und • Querkraftversagen (Schubversagen). Das Bauteilversagen ist dabei stets ein lokales Phänomen; die Versagensmechanismen laufen in einem eng begrenzten Bereich ab, während das übrige Bauteil weitgehend intakt bleibt. Zudem sind die Versagensabläufe immer mit einer Überschreitung der Tragfähigkeit von Bewehrungsstahl oder Beton verknüpft. Ein Nachweis der Tragfähigkeit muss daher zwingend auf dem Konzept der Fehlstelle aufbauen: Das Versagen tritt stets an einer Fehlstelle des Bauteils ein, in der die Baustoffeigenschaften aufgrund der stochastischen Streuung äußerst ungünstige Werte annehmen.
F
l/3
F
l/3 l
l/3
a Geometrie und Belastung
b Biegedruckversagen
Biegeversagen • Primäres Biegedruckversagen Der Beton der Druckzone wird zerstört, bevor die Biegezugbewehrung fließt, d. h. bevor durch große Verformungen oder breite Risse ein Versagen angekündigt wird (! Betonversagen, Abb. 1.11b). • Sekundäres Biegdruckversagen Der sekundäre Biegedruckbruch entspricht dem anhand des Versuchsbalkens geschilderten Versagensmechanismus; nachdem die Bewehrung die Streckgrenzdehnung überschritten hat, wird durch große Verformungen die Druckzone stark eingeschnürt und schließlich zerstört (! Betonversagen, Abb. 1.11b).
c Biegezugversagen
d Biegeschubversagen, Zugbruch der Bügel
e Stegdruckversagen
Abbildung 1.11a–e Mögliche Versagensformen des Einfeldbalkens
8
dringen eines kritischen Schubrisses und die damit einhergehende starke Einschnürung der Druckzone die Biege- und Querkrafttragfähigkeit so stark vermindert, dass ein schlagartiges Versagen der Druckzone eintritt (! Betonversagen, Abb. 1.11d). • Zugversagen der Bügelbewehrung Nach dem Fließen der Bügelbewehrung weiten sich die Schubrisse stark auf; der Balken versagt – sofern nicht vorher die Biegeschubtragfähigkeit der Druckzone erreicht wird (Biegeschubversagen) – letztlich durch einen Zugbruch der Bügel (! Stahlversagen, Abb. 1.11d). • Stegdruckversagen Bei Balken mit sehr starker Bügelbewehrung kann der Beton im Bereich des Steges zerstört werden. Allerdings tritt dieser Versagensmechanismus eher bei stark profilierten Bauteilen, z. B. Plattenbalken mit dünnen Stegen, auf (! Betonversagen, Abb. 1.11e). Neben den vorgestellten Mechanismen können weitere, sekundäre Versagensformen, z. B. ein Verankerungsversagen der Biegezugbewehrung, auftreten.
1.2.3 Prinzip der Vorspannung Wie am Beispiel des Einfeldbalkens beschrieben, ist die im Vergleich zur Druckfestigkeit geringe Zugfestigkeit von Beton dafür verantwortlich, dass bereits bei geringer Belastung Risse auftreten, die die Steifigkeit deutlich vermindern und damit größere Verformungen nach sich ziehen. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde daher der Gedanke verfolgt, in der Zugzone der Betonbauteile durch Vorspannen Druckspannungen zu erzeugen, die den Zugspannungen aus äußeren Lasten entgegenwirken. Durch die Lastspannungen muss zunächst der Druck abgebaut werden, bis schließlich Zug auftreten kann. Um das der Vorspannung zugrunde liegende Prinzip zu erläutern, sei wieder der aus Abb. 1.8 bekannte Stahlbetonbalken betrachtet. In ein einbetoniertes Leerrohr wird nach dem Erhärten des Betons ein Spannstahlstab eingeführt, der an beiden Enden mit Ankerplatte, Gewinde und Mutter versehen ist (Abb. 1.12a). Wird der Stab mit Hilfe der Muttern gegen den Beton gespannt, wird über die Ankerplatten eine exzentrische Vorspannkraft P (engl. Prestressing force) ähnlich einer äußeren Last auf den Beton übertragen, die neben einer Normalkraft Np D P ein entlang des Balkens konstantes Biegemoment Mp D P zp erzeugt. In jedem Querschnitt des Balkens steht die Zugkraft des Spannstahlstabes mit der Betondruckkraft im Gleichgewicht. Durch Vorspannen wird
1 Betonbauteile – Grundlagen, Tragverhalten
daher in statisch bestimmt gelagerten Bauteilen ein reiner Eigenspannungszustand hervorgerufen; es entstehen keine Auflagerreaktionen. Die Vorspannung allein ruft am unteren Querschnittsrand Druckspannungen hervor, am oberen Rand gleichzeitig geringe Zugspannungen, wenn der Stahlstab mit zp > h=6 außerhalb des Kernquerschnitts liegt. Durch das Vorspannen entsteht neben einer Verkürzung eine Verkrümmung des Balkens (Abb. 1.12b). Wirken neben der Vorspannung das Eigengewicht und die beiden Einzellasten F , überlagern sich die Biegespannungen dem aus Vorspannung erzeugten Spannungszustand. Die Druckspannungen am unteren und die Zugspannungen am oberen Querschnittsrand werden reduziert. Die hohe Druckfestigkeit des Betons wird damit ökonomischer ausgenutzt. Wenn sich am Zugrand die Spannungen aus Vorspannung und Lasten gerade aufheben, beginnt die Dekompression des Querschnitts (Abb. 1.12c). Wird bei weiterer Laststeigerung die Betonzugfestigkeit am unteren Rand erreicht, treten wie bei einem Stahlbetonquerschnitt Risse auf. Bei ausreichend hoher Last beginnen die Betonstahlbewehrung und auch der zusätzlich eingelegte Spannstahlstab zu fließen. Im bruchnahen Lastbereich wird sich damit das Tragverhalten eines Spannbetonbalkens nicht wesentlich von dem eines Stahlbetonbalkens unterscheiden; die Versagensmechanismen des vorgespannten Balkens sind mit denen des nicht vorgespannten identisch. Für den Versagenszustand ist im Spannstahl – im Unterschied zum Betonstahl – allerdings ein Teil der gesamten Dehnung als Vordehnung bereits vorweggenommen. Im Vergleich mit einem Stahlbetonbalken verbleibt der Spannbetonbalken über einen deutlich größeren Lastbereich ungerissen; die auftretenden Biegeverformungen werden damit stark vermindert (Abb. 1.13). Durch Schwinden und Kriechen des Betons tritt nach dem Vorspannen zusätzlich zur rein elastischen Verformung eine allmählich auftretende Verkürzung der Betonfaser in Höhe des Spannglieds ein, die damit zu einer zeitabhängigen Verminderung der Vordehnung führt. Durch die so entstehenden Spannkraftverluste wird ein umso größerer Anteil der ursprünglichen Vorspannung abgebaut, je geringer die Spannstahldehnung zum Zeitpunkt t D 0 war. Daher werden für die Vorspannung nur hochfeste Stähle verwendet, die entsprechend hoch vorgespannt werden können. Konventioneller Betonstahl ist für das Vorspannen nicht geeignet. Die fundamentalen Vorteile von Spannbetonbauteilen sind: • Spannbetonbauteile weisen bei gleichem Querschnitt gegenüber Stahlbetonbauteilen wesentlich
1.2 Verhalten eines Einfeldbalkens – Versuchsbeobachtungen
9
zp
a gewichtsloser Balken, Spannstahlstab noch nicht gespannt
Schnitt A-A (Feldmitte) s >0
s 0
s > u ˆ ˆ > < x= < 'x > = allgemein: u D uy ; ' D 'y ; (2.57a) ˆ ˆ > > ˆ ˆ :u > :' > ; ; z z ( ) ˚ ux eben: u D ; ' D 'y : (2.57b) uz
6
Definition positiver Schnittgrößen (vgl. Krätzig u. Wittek 1995): Eine Schnittgröße ist positiv, wenn ihre Vektorkomponenten am positiven (negativen) Schnittufer in Richtung der zugehörigen positiven (negativen) Achse der lokalen Basis weisen.
2.3 Bezugsachsen und Querschnittswerte
y
47
uy
Vy
jy
T
My z
a Koordinatensystem
ux
N
x
Vz
uz
Mz
jz
b Schnittgrößen
jx
c Äußere Verformungsgrößen
Abbildung 2.20a–c Positive Stabschnittgrößen am positiven Schnittufer, zugehörige äußere Verformungsgrößen
Korrespondierend zu den Schnittgrößen existieren für einen Abschnitt der Länge dx des allgemeinen Stab sechs, für den ebenen Fall drei innere Verformungsgrößen (Abb. 2.21): ˚ T allgemein: "x xy xz y z #x ; (2.58a) eben: f"x gT :
x z
d jy
r
dx
(2.58b)
z
2.3.1.2 Bezugsachsen Die Bezugsachse für Schnittgrößen, Verformungen, etc. ist gewöhnlich die x-Achse des lokalen Koordinatensystems, also die Schwerachse des Bruttoquerschnittes (vgl. Abschn. 2.3.3). Allerdings können als Bezugspunkte neben dem Schwerpunkt nahezu beliebige Querschnittspunkte gewählt werden, sofern die entstehenden Exzentrizitäten der Schnittgrößen berücksichtigt werden. Ein weiterer Gesichtspunkt ist eine im Zuge des Baufortschrittes veränderte Lage des Schwerpunktes wie z. B. bei Fertigteilen, die durch Ortbeton ergänzt werden. Eine Umrechnung der Schnittgrößen vom Bau- zum Endzustand unter Berücksichtigung der Exzentrizitäten ist hier unumgänglich. Bei gevouteten Trägern nach Abb. 2.22 weist die Schwerachse einen Knick auf, an dem in den Verläufen von Normal- und Querkraft Unstetigkeiten entstehen. Anstelle eines Schnittes normal zur Schwerachse kann alternativ auch ein vertikaler Schnitt geführt werden; die Berechnung erfolgt in diesem Fall mit Longitudinal- und Transversalkräften L und T . Da im Massivbau Nachweise auf Schnittgrößenebene geführt werden, ist allerdings von elementarer Bedeutung, dass die einwirkenden Kräfte fN V M gT bzw. fL T M gT und die Bauteilwiderstände jeweils auf zugehörige Quer-
ux
ux+dux
dx
dx+ exdx ex =
du x dx
ky =
dj y dx
b Krümmung
a Längsdehnung
dx
x z g
g dws
djx dws dx
g xz =
dw s dx
c Schubverzerrung
J=
dj x dx
r
x
g dx = r J dx = r djx d Verwindung
Abbildung 2.21a–d Innere Verformungsgrößen (nach Krätzig u. Wittek 1995)
schnitte zu beziehen sind. In Abb. 2.22 gelten für Nachweise auf der Basis von Longitudinal-
48
2 Konzepte und Grundlagen der Nachweise A B
Schwerachse
schnitt deutlich verringertes Eigengewicht – häufig als biegebeanspruchte Tragglieder eingesetzt. Die monolithische Verbindung eines Steges mit einer Druckplatte wirft allerdings einige Probleme bei der rechnerischen Behandlung auf. Zur Erläuterung soll zunächst ein Plattenbalken aus homogenem, ideal elastischem Material, der als Einfeldträger mit Gleichlasten beansprucht wird, betrachtet werden.
h A B
bw
A
A Verlauf der Schwerachse h’/2
ME
Fc
z’ d’
V
=
NE
h’/2
VE
Fs
Kräfte am Schnitt A-A
a
a Normal- und Querkraft B
B System Fc ME
h/2
V = Fs
TE
LE
z* d* h/2
a Kräfte am Schnitt B-B
b Longitudinal- und Transversalkraft
Abbildung 2.22a,b Gevouteter Träger – Schnittgrößen bei Bezug auf unterschiedliche Achsen
und Transversalkräften gegenüber den Nachweisen mit Normal- und Querkräften veränderte Querschnittswerte.
2.3.2 Mitwirkende Breite von Plattenbalken Profilierte Querschnitte wie Plattenbalken werden wegen ihrer werkstoffgerechten und wirtschaftlichen Formgebung – reduzierter Querschnitt der Zugzone und damit gegenüber einem Rechteckquer-
2.3.2.1 Tragverhalten bei Biegung – Modellvorstellung Bei Biegebeanspruchung wirkt die Platte als Druck-, der Steg als Zuggurt; mit zunehmendem Abstand von den Stegen entzieht sich der Druckgurt allerdings der Lastabtragung durch nichtebene Verzerrungen des Querschnittes; die Druckspannungen nehmen mit zunehmendem Abstand vom Steg ab (Abb. 2.23). Ein Ebenbleiben der Querschnitte über die gesamte Breite ist demnach nicht mehr vorauszusetzen. Das Tragverhalten der Platte kann näherungsweise durch eine Berechnung als Scheibe, die durch Randschubspannungen beansprucht wird (vgl. Girkmann 1959) oder mit Hilfe der Methode der finiten Elemente durch eine Abbildung des Plattenbalkens als Faltwerk erfasst werden. Um eine aufwändige Berechnung zu vermeiden, wird die unebene Spannungsverteilung durch einen flächengleiche Verteilung mit über die Breite beff konstanten Spannungen, die dem – i. d. R. unmittelbar über dem Steg auftretenden – Maximalwert entsprechen, ersetzt. Der reale Querschnitt wird also auf einen fiktiven Ersatzquerschnitt mit sog. mitwirkender Breite beff reduziert, der unter der Annahme einer ebenen Dehnungsverteilung die gleichen maximalen Spannungen aufweist wie der tatsächliche Querschnitt. Die räumlich komplexe Tragwirkung des Plattenbalkens wird damit für die Berechnung auf ein ebenes Stabelement reduziert. Die mitwirkende Plattenbreite ist neben der Querschnittsgeometrie allerdings auch von der Lastanordnung und den Lagerungsbedingungen abhängig. Zum Verständnis ist die in Abb. 2.24 wiedergegebene, mechanisch nicht völlig korrekte Modellvorstellung hilfreich: Ausgehend vom Auflager werden die Druckspannungen allmählich durch Schubspannungen im Anschluss Steg-Platte in den Druckgurt eingeleitet und strahlen mit zunehmender Entwicklungslänge weiter in die Platte aus. Die mitwirkende Breite in Feldmitte ist damit in erheblichem Maß von der Spannweite des Plattenbalkens abhängig. Beton weist im Unterschied zum bisher betrachteten, homogen elastischen Material bei hohen Druckbe-
2.3 Bezugsachsen und Querschnittswerte x
sx
49 beff
x
obere Randspannung
sx
sx
max sx beff
Nullinie
Nullinie
a Druckspannungsverteilung bei Biegebeanspruchung
beff,1
max sx
max sx
bw
b2
b1 b Idealisierung
beff,2
c Bezeichnungen
Abbildung 2.23a–c Plattenbalken – Verteilung der Druckspannungen und Idealisierung durch mitwirkende Breite (nach Brendel 1960); Bezeichnungen
2.3.2.2 Mitwirkende Breite bei Durchlaufträgern Zugtrajektorien Drucktrajektorien
Bei biegebeanspruchten Durchlaufträgern (Abb. 2.25a) übernehmen die Momentennullpunkte im Hinblick auf die Ausstrahlung der Spannungen die Funktion der Auflager. Zur Bestimmung der mitwirkenden Breite
q
M
Abbildung 2.24 Plattenbalken – Hauptspannungstrajektorien in Steg und Platte
beff A
Näherung Vereinfachung beff = const.
wirklich
a Biegung
F F N ~ 35° b~
A
A-A
beff
anspruchungen ein ausgeprägt nichtlineares, z. T. plastisches Verhalten auf. Durch lokale Plastifizierungen der Druckplatte in Stegnähe können Bereiche mit größerem Abstand zum Steg, die sich bisher der Lastabtragung entzogen haben, aktiviert werden. Die mitwirkende Breite wächst also bei hohen Beanspruchungen z. T. deutlich an. Die in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 verankerten Beziehungen zur Berechnung der mitwirkenden Breite wurden auf elastizitätstheoretischer Grundlage für einen beidseitig gelenkig gelagerten, symmetrischen, einfeldrigen Plattenbalken unter Gleichlastbeanspruchung für den Ort des größten Feldmomentes abgeleitet. Die rechnerisch mitwirkende Plattenbreite gibt daher für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit, d. h. bei annähernd linearem Materialverhalten des Betons, eine brauchbare Näherung an. Für die Grenzzustände der Tragfähigkeit ist – abhängig von der Höhe der Beanspruchungen der Betondruckplatte – eine deutlich größeren mitwirkenden Breite zu erwarten. Der für den Gebrauchszustand ermittelte Wert für beff stellt allerdings eine i. Allg. auf der sicheren Seite liegende Abschätzung dar.
A-A
A
A
s = const.
b Normalkraft
Abbildung 2.25a,b Plattenbalken als Durchlaufträger – mitwirkende Plattenbreite
50
können Durchlaufträger daher auf eine Kette von Einfeldträgern, die durch die Momentennullpunkte abgegrenzt werden, reduziert werden. Für elastisches Material gilt die Modellvorstellung der mitwirkenden Breite ebenfalls bei Zugbeanspruchung; die im Bereich negativer Stützmomente zugbeanspruchte Platte folgt in Bezug auf die mitwirkende Breite also den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie im Bereich der Druckbeanspruchungen. Bei Stahlbetonbauteilen gilt die mitwirkende Breite für Zuggurte allerdings nur, solange der Gurt in ungerissenem Zustand verbleibt. Bilden sich in der gezogenen Platte Risse, muss die Zugkraft zumindest in den Rissen vollständig durch die Bewehrung aufgenommen werden. Die mitwirkende Breite des Zuggurts reduziert sich im Wesentlichen auf den Wirkungsbereich Ac;eff der Bewehrung. Nähere Angaben hierzu folgen in Abschn. 11.4.3. Für Schnittgrößenermittlung und Bemessung sind die berechneten, auf den Querschnitt des maximalen Biegemomentes bezogenen, mitwirkenden Breiten i. Allg. für den gesamten zugehörigen Bereich anzusetzen (vgl. Abb. 2.25a). Bei durchlaufenden, annähernd gleichmäßig beanspruchten Trägern ist für die Verteilung der Biegeschnittgrößen der Einfluss der verringerten Steifigkeit in den kurzen Bereichen der Zwischenauflager gewöhnlich nur von geringem Einfluss. Für die Schnittgrößenermittlung ist es in diesen Fällen ausreichend, die mitwirkenden Breite konstant über die zugehörige Feldlänge anzusetzen (vgl. DAfStb 2003).
2 Konzepte und Grundlagen der Nachweise
Normenregelung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 Die mitwirkende Breite beff für Plattenbalken darf für Biegebeanspruchung infolge annähernd gleichmäßig verteilter Einwirkungen nach DIN 1045-1, 7.3.1 sowie nach EN 1992-1-1, 5.3.2.1 angenommen werden zu: X beff D beff;i C bw (2.59) mit
beff;i D 0;2bi C 0;1 l0 0;2 l0 bi :
Hierbei sind (vgl. Abbn. 2.23, 2.26 und 2.27): die wirksame Stützweite die tatsächliche Gurtbreite die Stegbreite.
l0 bi bw
Bei Platten, die im Stegbereich Vouten aufweisen, ist die Stegbreite bw entsprechend DIN 1045-1 nach Abb. 2.26 um die unter einem Winkel von 45ı ermittelte Breite bv zu vergrößern. Die wirksame Stützweite l0 , die bei annähernd gleichmäßig verteilten Einwirkungen dem Abstand der Momentennullpunkte entspricht, kann bei annähernd gleichen Steifigkeitsverhältnissen der Einzelfelder näherungsweise aus Abb. 2.27 entnommen werden. Nach EN 1992-1-1 sollte für die Anwendung von Abb. 2.27 das Verhältnis der Stützweiten benachbarter Felder zwischen 2=3 und 3=2 liegen.
2.3.2.3 Mitwirkende Breite bei Normalkraftbeanspruchung
bv
hf
45°
hv
Im Bereich der Auflagerpunkte – z. B. durch Vorspannung – eingeleitete Normalkräfte wirken ähnlich wie Beanspruchungen aus Biegung; über eine Entwicklungslänge werden sich z. B. Druckspannungen über den Querschnitt ausbreiten. Bei Durchlaufträgern sind allerdings Unterschiede zu berücksichtigen: Die Ausbreitung der Spannungen und damit die mitwirkende Breite ist wesentlich von den Übergangsbedingungen bzw. den Festhaltungen abhängig. Am Beispiel des Durchlaufträgers in Abb. 2.25b wird deutlich, dass für die gegebene Einwirkung am Zwischenauflager wegen der fehlenden Festhaltung keine Einschnürung möglich ist. Außerhalb der Krafteinleitungsbereiche kann daher für Normalkraftbeanspruchungen i. Allg. die gesamte Plattenbreite als mitwirkend angesehen werden. In Konsequenz müssen Biegemomente aus Vorspannung i. Allg. unter Ansatz der gesamten Breite bzw. den damit berechneten Querschnittswerten ermittelt werden.
(2.60)
beff,i bi
bw
Abbildung 2.26 Mitwirkende Breite – Bezeichnungen, Anrechnung von Vouten nach DIN 1045-1
l0 = 0,85 leff,1
l0 = 0,7 leff,2 l0 = 0,15 (leff,1 + leff,2)
leff,1
leff,2 Kragarm:
leff,3
DIN 1045-1: l0 = 1,5 leff,3 EN 1992-1-1: l0 = 0,15 leff,2 + leff,3
Abbildung 2.27 Angenäherte wirksame Stützweiten `0 zur Berechnung der mitwirkenden Plattenbreite
2.3 Bezugsachsen und Querschnittswerte
51
2.3.3 Kennwerte des ungerissenen Querschnitts Im Stahlbeton- und insbesondere im Spannbetonbau werden drei Typen von Querschnittswerten mit jeweils unterschiedlicher mechanischer Aussagekraft verwendet: • Bruttoquerschnitt • Nettoquerschnitt • Ideeller Querschnitt.
j
zc D
Der Bruttoquerschnitt entspricht einem homogenen Betonquerschnitt mit den äußeren Abmessungen des realen Querschnitts. Betonstahl oder Spannstahl werden nicht gesondert berücksichtigt; die Kennwerte werden daher von der Menge der Bewehrung, dem Verpresszustand der Spanngliedhüllrohre, etc. nicht beeinflusst. Der Nettoquerschnitt bezeichnet den reinen Betonquerschnitt, d. h. den Bruttoquerschnitt abzüglich der Bewehrung. Schließlich repräsentiert der ideelle Querschnitt den realen Verbundquerschnitt; in den Kenngrößen sind die Bewehrungslagen mechanisch korrekt, d. h. mit den Quotienten der E-Moduli von Bewehrung und Beton berücksichtigt. Die Kennwerte gerissener Querschnitte werden – abhängig von der vorherrschenden Beanspruchung, z. B. Zug oder Biegung – im Zusammenhang mit der Berechnung von Spannungen und Verformungen in Kap. 10 dieses Bandes hergeleitet. 2.3.3.1 Bruttoquerschnittswerte Bruttoquerschnittswerte können durch Zerlegung des Querschnittes in geometrisch einfache Formen, z. B. Trapeze, ermittelt werden. Bei beliebigen Querschnitten mit ggf. unregelmäßigen Berandungen ist die Anwendung von Konturintegralen zweckmäßig (vgl. ~ zc1
~ zc2
Icy D Ajc zQcj zc j
zc
P
j
X j
Ajc zQcj
Ac
j Icy C
; X j
(2.62) 2 Ajc zcj
zc yc
zcj D zQcj z c Für Stahlbetonbauteile stellen Bruttoquerschnittswerte generell eine ausreichend genaue Näherung für die Schnittgrößenermittlung und die Bemessung dar. Im Unterschied dazu reagieren Nachweise z. B. der Bauteilrandspannungen (! Dekompressionsnachweis) für Spannbetonbauteile deutlich empfindlicher auf Veränderungen der Querschnittswerte. Bei der Bemessung von Spannbetonbauteilen ist daher grundsätzlich eine exaktere Berechnung unter Verwendung der jeweils zutreffenden Netto- bzw. ideellen Querschnittswerte erforderlich.
1
Dzn
Ac2
yn
Sn
Dzi yi
Sc zc Sc2
a Bruttoquerschnitt (Index “c”)
zcp
zn zcs
An
znp
zns
Ai
Ap
_ 1)A (a p p
As
_ 1)A (a s s
b Nettoquerschnitt (Index “n”)
Abbildung 2.28a–c Querschnittswerte, Bezeichnungen
(2.63)
Bruttofläche des Teilquerschnitts j Koordinate des Schwerpunktes des Teilquerschnittes j mit Bezug auf ein beliebig gewähltes Querschnittskoordinatensystem Koordinate des Gesamtquerschnittsschwerpunktes im gewählten Querschnittskoordinatensystem (zQc ) Koordinate des Schwerpunktes des Teilquerschnittes j im Koordinatensystem des Gesamtquerschnittsschwerpunktes
Ac1 Sc
~ zc
Fleßner 1962). Die Kennwerte des Bruttoquerschnitts werden als Näherung für die Vorbemessung, d. h. zu einem Zeitpunkt, in dem die Bewehrungsmenge unbekannt ist verwendet. Kenngrößen mit Bezug auf den Bruttoquerschnitt werden mit dem Index „c“ versehen (Abb. 2.28). X Ac D Ajc ; (2.61)
Si zi
zip
c ideeller Querschnitt (Index “i”)
zis
52
2 Konzepte und Grundlagen der Nachweise
des E-Moduls; per Definition wird der E-Modul des Betons (i. d. R. Sekantenmodul Ecm ) verwendet. Mit
2.3.3.2 Nettoquerschnittswerte Nettoquerschnittswerte beschreiben den reinen Betonquerschnitt abzüglich der Bewehrungsstränge. Sie werden u. a. bei Betrachtungen zur Interaktion von Beton und Bewehrung auf Querschnittsebene (! Kriechen, Schwinden, Vorspannung) genutzt. Kenngrößen, die Bezug auf den Nettoquerschnitt nehmen, werden mit „n“ indiziert. Bei Bezug auf das Schwerpunktskoordinatensystem des Bruttoquerschnitts folgt: X X An D Ac Ajs (2.64) Akp ; j
zn D
P
j j j As zcs
Iny D Icy C
X k
k
C
An Ac zn2
P
k
X j
2 k : Akp znp
k Akp zcp
;
(2.65)
˛s D
Es ; Ec
˛p D
Ep Ec
(2.67)
können die ideellen Querschnittswerte bei Bezug auf das Schwerpunktskoordinatensystem des Bruttoquerschnitts wie folgt berechnet werden. Ai D Ac C .˛s 1/As C .˛p 1/Ap ; (2.68) P k k P j j .˛s 1/ j As zcs C .˛p 1/ k Ap zcp ; zi D Ai (2.69) 2 X j 2 j Ii;y D Icy C Ac zi C .˛s 1/ As zis j
Ajs
j 2 zns
C.˛p 1/ (2.66)
In den Gln. (2.64–2.66) bezeichnen j und k jeweils Bewehrungslagen mit gleicher z-Koordinate. Im Spannbetonbau werden sog. Nettoquerschnittswerte auch zur Beschreibung des Zustandes vor dem Herstellen des Verbundes, d. h. dem Verpressen der Hüllrohre (Vorspannung mit nachträglichem Verbund) bzw. allgemein zur Beschreibung von Bauteilen mit Vorspannung ohne Verbund verwendet. Bei dieser Definition sind lediglich die von den Spanngliedern bzw. den Hüllrohren eingenommenen Flächen im Querschnitt vom Bruttoquerschnitt abzuziehen (vgl. Definition des „ideellen Nettoquerschnitts“ in Abschn. 5.2.5).
2.3.3.3 Ideelle Querschnittswerte Ideelle Querschnittswerte beziehen sich auf Querschnitte mit im Verbund liegender Bewehrung und repräsentieren damit Stahlbetonquerschnitte bzw. Spannbetonquerschnitte nach Verpressen der Hüllrohre (Vorspannung mit nachträglichem Verbund) sowie allgemein Querschnitte mit Spannbewehrung in sofortigem Verbund. Die Eigenträgheitsmomente der Bewehrungslagen sind i. d. R. klein gegenüber den anderen Anteilen der Flächenträgheitsmomente und werden vernachlässigt. Kennwerte mit Bezug auf den ideellen Querschnitt werden mit dem Index „i“ versehen. Zur einheitlichen Anrechnung verschiedener, im starren Verbund liegender Werkstoffe erfordert die Berechnung ideeller Querschnittswerte einen Bezugswert der elastischen Verformungseigenschaften, d. h.
X k
2 Akp zipk
(2.70)
Bei Spannbetonbauteilen wird der Beitrag der Betonstahlbewehrung zu den ideellen Querschnittswerten häufig vernachlässigt. Beispiel 2.8 Die Auswirkungen des Ansatzes unterschiedlicher Querschnittswerte werden anhand des vorgespannten Plattenbalkens nach Abb. 2.29 deutlich. Die zur Berechnung der ideellen Querschnittswerte erforderlichen E-Moduli sind: Ec D 28 300 N/mm2 (Betonfestigkeitsklasse C30/37) Es D 200 000 N/mm2
Ep D 195 000 N/mm2 In der Zusammenstellung werden die wesentlichen Querschnittskenngrößen wiedergegeben; zs ist hierbei der Abstand zwischen Schwerpunkt und oberem Querschnittsrand. Die Prozentzahl in Klammern beschreibt jeweils die Veränderung gegenüber den Bruttoquerschnittswerten. zs
A
Iy
Brutto
0,318 m
0,438 m2
Netto
0,311 m
0,433 m2
40;54 103 m4
Ideell
(–2,2%)
(–1,0%)
0,349 m
0,464 m2
(+9,8%)
(+6,0%)
39;20 103 m4 (–3,3%)
48;02 103 m4 (+18,5%)
In Abb. 2.29 ist die Spannungsverteilung infolge des statisch bestimmten Anteils der Vorspannung für Bruttound ideelle Querschnittswerte wiedergegeben.
2.4 Idealisierungen des Tragsystems Tragwerke müssen für die Schnittgrößenermittlung und Bemessung im Rahmen der Modellbildung auf statische Systeme zurückgeführt werden. Da eine
2.4 Idealisierungen des Tragsystems
53
1,50 S1 S Si
zc=0,318
-4,57 -4,31
S2
1,00
Dzi=0,031
0,85
dp=0,82
ds=0,90
A1
3,30 2,53 (-23,3%) 0,15
brutto ideell
Ap=18,6cm2 As=25,1cm2
A2
Pmt= 2000 kN (spmt = 1075 N/mm2) -17,09 -21,47 (-20,4%)
0,25 a Querschnitt
b Spannungsverteilung infolge Vorspannung
Abbildung 2.29a,b Beispiel 2.8 – Auswirkungen unterschiedlicher Querschnittswerte auf die Spannungsverteilung infolge Vorspannung
exakte Abbildung der Wirklichkeit nicht möglich ist, werden Idealisierungen erforderlich. Fehler, die aus Abweichungen zwischen realem Tragverhalten und idealisiertem System entstehen, werden z. T. durch konstruktive Regeln aufgefangen.
2.4.1 Lagerungsbedingungen Die für das statische System angenommenen Lagerungsbedingungen wirken sich entscheidend auf Größe und Verteilung der Schnittgrößen aus. Eindeutige Lagerungsverhältnisse liegen nur in wenigen Fällen vor und werden – wie z. B. im Brückenbau üblich – im Wesentlichen nur durch die Anordnung spezieller Lager geschaffen. In der Mehrzahl der Fälle werden sich durch die monolithische Verbindung von Balken oder Platten mit Stützen, Wänden oder Unterzügen Lagerungsbedingungen einstellen, die zwischen der freien Drehbarkeit (gelenkige Lagerung) und der vollständigen Behinderung der Verdrehung (starre Einspannung) liegen. Für übliche Hochbauten erlauben DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 erhebliche Idealisierungen der Lagerungsbedingungen; im Einzelfall muss der Einspanngrad aus dem Verformungsvermögen der Verbindung zweier Bauteile bzw. der Steifigkeit der Bauteile selbst ermittelt werden; die folgenden Erläuterungen können lediglich als Anhalt dienen. 2.4.1.1 Frei drehbare Lagerung Eine vollständig frei drehbare Lagerung stellt sich im Wesentlichen nur bei Anordnung spezieller Lager, z. B. Elastomerlager bzw. Lagerkonstruktionen
des Brückenbaus ein. Balken oder Platten, die auf Mauerwerk oder Betonwänden ohne Anschlussbewehrung aufbetoniert werden, können als frei drehbar gelagert angesehen werden, sofern die freie Verformung nicht durch Auflasten o. ä. behindert wird. Eine gelenkige Lagerung bedeutet allerdings auch, dass sich Drehbewegungen z. B. aus der Biegeverformung des Balkens bzw. der Platte einstellen können, die zu einem teilweisen Aufreißen der Lagerfuge führen können. 2.4.1.2 Teilweise Einspannung Die freie Drehbarkeit wird durch Auflasten z. B. aus aufgehenden Wänden oder durch einen monolithischen Anschluss an stützende Bauteile (z. B. Anschluss von Balken oder Platten an Unterzüge ohne speziell dafür ausgelegte Einspannbewehrung) behindert. Die aus der teilweisen Einspannung entstehenden Zwängungen bzw. Biegemomente brauchen bei Befolgung konstruktiver Regeln i. d. R. nicht explizit berücksichtigt werden. Beispielsweise muss an gelenkig angenommenen Endauflagern zur Aufnahme der rechnerisch nicht berücksichtigten Einspannmomente konstruktiv obere Bewehrung angeordnet werden (vgl. Kap. 15). 2.4.1.3 Einspannung Eine planmäßige Einspannung muss durch die explizite Bemessung für das Einspannmoment und eine entsprechende Bewehrungsführung erreicht werden. Der Einspanngrad ist dabei abhängig von den Steifigkeitsverhältnissen der verbundenen Bauteile.
54
2 Konzepte und Grundlagen der Nachweise
Normenregelung nach DIN 1045-1 Nach DIN 1045-1, 7.3.2 (1) dürfen durchlaufende Balken und Platten des üblichen Hochbaus unter der Annahme frei drehbarer Lagerung berechnet werden. Sofern der Balken bzw. die Platte monolithisch mit den Innenauflagern verbunden ist, sind in Zusammenhang mit der Annahme freier Drehbarkeit Mindestmomente am Auflageranschnitt zu berücksichtigen (vgl. Abschn. 2.4.3). In rahmenartigen Tragwerken des üblichen Hochbaus darf nach DIN 1045-1, 7.3.2 (6) bei Innenstützen, die mit Balken biegefest verbunden sind, die Rahmenwirkung vernachlässigt werden, wenn alle horizontalen Kräfte durch aussteifende Scheiben aufgenommen werden und wenn das Stützweitenverhältnis benachbarter Felder mit annähernd gleicher Steifigkeit 0;5 < leff;1 = leff;2 < 2;0 beträgt. An Endauflagern muss dagegen eine Rahmenwirkung stets erfasst werden.
h
h
ln leff
ai
leff
a 3
a
ln
ai ai
a 2
( (
ai = min
a
h a , 2 2
b Endauflager - monolitische Verbindung (volle Einspannung)
a Endauflager - frei drehbar
h a
h ai
ln
ai
leff Mittellinie des Lagers
ln leff
a
ai =
a 2
d durchlaufende Bauteile
c Endauflager mit Lagerkörper
h ai
Normenregelung nach EN 1992-1-1
ln leff
EN 1992-1-1, 5.3.2.2 (2) erlaubt analog zu DIN 1045-1 die Berechnung durchlaufender Platten und Balken unter der Annahme frei drehbarer Lagerung bei Beachtung entsprechender Mindestmomente.
a
a ai = 2
e Kragarm eines Durchlaufträgers
h ln leff ai = 0 f freier Kragträger
Abbildung 2.30a–f Beispiele zur Bestimmung der effektiven Stützweite von Balken und Platten nach DIN 1045-1 und DAfStb (2003)
2.4.2 Effektive Stützweite Die Stützweite eines Balkens oder einer Platte wird i. d. R. durch die Resultierenden der Auflagerpressungen vorgegeben. Sofern das Bauteil durch spezielle Lager unterstützt wird, ist die Stützweite durch die Lagermitten festgelegt; allerdings ist die Verwendung von Lagern im Hochbau die Ausnahme. In allen anderen Fällen ist die effektive Stützweite von den Auflager- und Einspannbedingungen abhängig. Allgemein gilt: leff D ln C a1 C a2 :
(2.71)
In Gl. (2.71) ist ln der lichte Abstand zwischen den Auflagervorderkanten, a1 und a2 sind die Abstände zwischen den Auflagervorderkanten und den idealisierten Auflagerlinien. In Abb. 2.30 sind Beispiele für die Bestimmung der effektiven Stützweite in Anlehnung an DIN 1045-1 bzw. DAfStb (2003) dargestellt. Nach EN 1992-1-1 gilt für die Fälle a, d und e abweichend von den Angaben in Abb. 2.30 ai D min.h=2I a=2/. Bei sehr großen Auflagertiefen können a1 und a2 aus der Verteilung der Auflagerpressungen abgeleitet werden.
2.4.3 Maßgebende Biegemomente an Innenauflagern Die für statische Berechnungen übliche Annahme einer Schneidenlagerung mit infinitesimal kleiner Lagerbreite führt bei Innenauflagern von Durchlaufträgern bzw. bei Kragträgern zu lokalen Extremwerten der negativen Biegemomente, die bei endlichen Abmessungen der Unterstützungen nicht auftreten. Für die Bemessung darf die vorgenommene Idealisierung durch eine Abminderung des Stützmoments berücksichtigt werden. Hierfür muss zwischen einer frei drehbaren und einer monolithischen Auflagerung unterschieden werden.
2.4.3.1 Frei drehbare Lagerung (Auflagerung auf Mauerwerk, Stahlträger, etc.) Bei nicht monolithischer, d. h. frei drehbarer Lagerung wird eine gleichmäßige Verteilung der Auflagerpressungen CEd =a infolge des Bemessungswertes der
2.4 Idealisierungen des Tragsystems
55
Lagerreaktionskraft CEd angenommen (Abb. 2.31a). Bei parabelförmigem Verlauf des gegendrehenden Moments aus CEd =a wird das Stützmoment durch die Lagerpressung ausgerundet; in der rechnerischen Auflagerlinie, d. h. in der Mitte des Auflagers, beträgt der Abzugswert 2 a CEd a CEd MEd D D : (2.72) a 8 8 0 jMEd j
Als Eingangswert der Bemessung darf damit D jMEd j MEd angesetzt werden. Die Ausrundung des Stützmoments ist unabhängig vom verwendeten Verfahren zur Schnittgrößenermittlung möglich.
gd + qd
ln,li
ln,re
a
MEd MEd
M'Ed
CEd
2.4.3.2 Monolithisches Auflager Bei monolithischer Lagerung z. B. einer durchlaufenden Platte auf einem Unterzug wird das Stützmoment ebenfalls durch die gegendrehende Wirkung der Auflagerpressung vermindert. Zusätzlich ist durch die monolithische Verbindung eine Ausbreitung der Biegedruckkraft und damit eine Vergrößerung des Hebelarms der inneren Kräfte möglich. Das ausgerundete Moment in Auflagermitte ist daher für die Bemessung der Bewehrung i. Allg. nicht maßgebend. Statt dessen wird das Anschnittmoment am Auflagerrand der Bemessung zugrunde gelegt. Nach Abb. 2.31b folgt das Moment MEd;li am linken Auflagerrand zu a a2 : (2.73) MEd;li D MEd VEd;li .gd C qd / 2 8 Bei üblichen Auflagerbreiten können die Auswirkungen der Belastung .gd Cqd / vernachlässigt werden; die Anschnittmomente sind dann a MEd;li D MEd C jVEd;li j ; (2.74a) 2 a (2.74b) MEd;re D MEd C jVEd;re j 2 mit VEd;li und VEd;re als Bemessungswerte der Querkraft in der rechnerischen Lagerachse. Für die Bemessung ist damit der Anschnitt maßgebend, dem die betragsmäßig kleinere Querkraft zugeordnet ist. Hierfür sind Biegemoment MEd und Querkraft VEd im Übrigen für die gleiche Einwirkungskombination und Lastanordnung zu ermitteln. Eine Bemessung für das Anschnittmoment setzt voraus, dass eine Vergrößerung des inneren Hebelarms, d. h. eine Ausbreitung der Druckzone in die Unterstützung möglich ist. Bei einer Lagerung durch Überzüge ist dies nicht der Fall; dem entsprechend muss der Bemessung das ausgerundete Moment in der Lagerachse zugrunde gelegt werden. Gleiches gilt,
CEd / a
M Ed =
CEd . a 2 8 a
a frei drehbare Lagerung gd + qd
~1:3
ln,li
ln,re
a
MEd MEd MEd,re
MEd,li
VEd,re VEd,li CEd gd + qd MEd
MEd,li
VEd,li a/2 b monolitisches Auflager
Abbildung 2.31a,b Maßgebende Werte der Stützmomente an Innenauflagern
wenn die Bauhöhen des lastbringenden und des lastabnehmenden Bauteils annähernd gleich sind (indirekte Lagerung, vgl. Abschn. 7.6.2). Bei durchlaufenden Balken und Platten, die über den Innenauflagern als frei drehbar gelagert idealisiert werden, müssen Mindestwerte der Anschnittmomen-
56
2 Konzepte und Grundlagen der Nachweise gd + qd
ln,1
ln,2
ln,3
ln,4
a reales Tragwerk: biegesteife Verbindung mit den Auflagern
leff,1
leff,2
leff,3
leff,4
b Idealisierung: frei drehbare Lagerung
l n21 l2 0,65 . (g d + q d ) n 2 8 12 c Mindestmomente am Lagerschnitt 0,65 . (g d + qd )
Abbildung 2.32a–c Mindestmomente am Lageranschnitt bei monolithischer Unterstützung
te beachtet werden. Nach DIN 1045-1 und EN 19921-1 sollte das Bemessungsmoment mindestens 65% des Volleinspannmoments am Auflagerrand betragen (Abb. 2.32). Mit ln als lichter Weite zwischen den Auflagerrändern des betrachteten Feldes gilt: 8 l2 ˆ 0;65 .gd C qd / 8n ˆ ˆ ˆ < für Randfelder min MEd D (2.75) l2 ˆ 0;65 .gd C qd / 12n ˆ ˆ ˆ : für Innenfelder
Die Werte nach Gl. (2.75) sollen eine Mindesteinspannung der Balken oder Platten in biegesteif angeschlossene Unterstützungen für den Fall gewährleisten, dass sich die rechnerisch angenommene Durchlaufwirkung nicht einstellt – wenn also z. B. die freie Drehbarkeit an den Innenauflagern eingeschränkt ist (vgl. Bertram u. Bunke 1989). Normenregelung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1
Nach DIN 1045-1, 7.3.2 und EN 1992-1-1, 5.3.2.2 darf bei frei drehbarer Lagerung unabhängig vom gewählten Verfahren der Schnittgrößenermittlung eine Ausrundung des Stützmoments nach Gl. (2.72) vorgenommen werden. Bei monolithischer Verbindung darf das Anschnittmoment der Bemessung zugrunde gelegt werden. Dabei sollte das Anschnittmoment die Mindestwerte nach Gl. (2.75) nicht unterschreiten.
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Kapitel 3
Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten
3.1 Beton Im Rahmen dieses Bandes werden die Eigenschaften des Betons nur insoweit behandelt, als sie für die Bemessung relevant werden. Für baustofftechnologische Gesichtspunkte wird auf Fachliteratur verwiesen.
sind die beiden Normen im DIN Fachbericht 100 zusammengefasst. Die im Folgenden vorgestellten Kennwerte gelten für erhärteten Normalbeton (Festbeton) nach den genannten Normen; Ergänzungen für Leichtbeton werden in Abschn. 3.3 angegeben. Kenngrößen für die Planung – ein Vorhersageproblem
3.1.1 Allgemeines Beton bezeichnet einen Baustoff aus Zement, Betonzuschlag (Gesteinskörnungen) und Wasser, dem zur Beeinflussung bestimmter Eigenschaften auch Betonzusatzmittel und Zusatzstoffe beigegeben werden können. Umfassende Erläuterungen sowohl der stofflichen Zusammenhänge als auch der Eigenschaften von Frisch- und Festbeton enthalten z. B. Wesche (1993); Grübl u. a. (2001); Reinhardt (2005). Die Klassifizierung von Festbeton erfolgt u. a. nach seiner Trockenrohdichte: Leichtbeton Normalbeton Schwerbeton
2000 kg=m3 2000 kg=m3 < 2600 kg=m3
> 2600 kg=m3 .
Darüber hinaus wird Beton u. a. nach dem Ort der Herstellung und Verwendung (Baustellenbeton, Transportbeton, Ortbeton, etc.) oder nach besonderen Anforderungen und Eigenschaften (wasserundurchlässiger Beton, Sichtbeton, Massenbeton, etc.) eingeordnet. Anforderungen, Eigenschaften, Herstellung und Konformitätskriterien für Betone, die für Ortbetonbauwerke und Fertigteile nach DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 verwendet werden, sind in EN 206-1 geregelt. DIN 1045-2 enthält zu EN 206-1 ergänzende nationale Regelungen; für eine einfachere Anwendung K. Zilch, G. Zehetmaier, Bemessung im konstruktiven Betonbau DOI 10.1007/978-3-540-70638-0, © Springer 2010
Die detaillierte Beschreibung des mechanischen Verhaltens von Beton erfordert eine Vielzahl von Parametern, die dem Ingenieur zum Zeitpunkt der Planung i. Allg. nicht bekannt sind. Die Bemessung baut daher zweckmäßig auf einfachen Kenngrößen auf, die das Verhalten zwar nicht vollständig und exakt, aber für die Bemessung hinreichend genau beschreiben und während der Herstellung des Bauwerks einfach zu überprüfen sind. Zentrale Größe für die Bemessung ist – nicht zuletzt wegen der unkomplizierten Prüfung – die auf einen Zylinder mit einem Durchmesser von 150 mm und einer Höhe von 300 mm bezogene Betondruckfestigkeit. Das Spektrum möglicher Druckfestigkeiten wird dabei in Festigkeitsklassen mit Bandbreiten von 5 N/mm2 bzw. bei höherfestem Beton von 10 N/mm2 eingeteilt. Alle weiteren, für eine Bemessung relevanten Parameter wie Zugfestigkeit oder Elastizitätsmodul werden über Korrelationsbeziehungen mit der Druckfestigkeit verknüpft. Die im Bauprozess realisierte Betondruckfestigkeit unterliegt daher i. Allg. einer umfassenden Konformitätskontrolle.1 Die empirisch für 1
Im Rahmen einer auf die Druckfestigkeit bezogenen Konformitätskontrolle wird anhand einer Stichprobe, d. h. einer begrenzten Anzahl an Proben aus der Grundgesamtheit, mit Hilfe stochastischer Verfahren überprüft, ob der betrachtete Beton mit 59
60
Normalbeton abgeleiteten Verknüpfungsbeziehungen der mechanischen Kennwerte mit der Druckfestigkeit erfüllen übliche Genauigkeitsanforderungen – trotz der den Kenngrößen eigenen, erheblichen Streuungen. Bei einer Reihe von Bauwerken müssen allerdings schärfere Anforderungen an die Vorhersage von Verformungen erfüllt werden, etwa bei Spannbetonbrücken, die im Freivorbau hergestellt werden. Hier sind detaillierte Untersuchungen zum E-Modul des verwendeten Betons parallel zur Planung obligat; gleichzeitig sollte der E-Modul auch konsequent der Konformitätskontrolle unterliegen. Werden allgemein hohe Anforderungen an die Berechnung von Durchbiegungen gestellt, ist zudem die experimentelle Bestimmung der Zugfestigkeit empfehlenswert. Die Verknüpfungsbeziehungen weiterer Parameter mit der Druckfestigkeit, die in vielen Bemessungsregeln bereits implizit enthalten sind, gelten naturgemäß nur mehr eingeschränkt, wenn die Betonzusammensetzung erheblich von der üblicher Normalbetone abweicht. Dies ist u. a. bei Leichtbeton oder Beton mit Zuschlägen aus rezyklierten Gesteinskörnungen der Fall. Speziell für den letztgenannten Betontyp wurde ein duales Konzept entwickelt, das zwischen angepasstem Beton und angepasster Bemessung unterscheidet. Für den angepassten Beton wird die Zusammensetzung so eingeschränkt, dass eine Bemessung mit den für Normalbeton geschaffenen Regeln möglich ist. Im Gegensatz dazu kann bei entsprechender Anpassung der Bemessungsregeln ein deutlich breiteres Spektrum an Betonzusammensetzungen eingesetzt werden. Für Leichtbetone wurde in DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 konsequent der Weg einer angepassten Bemessung beschritten.
3.1.2 Beton unter Druckbeanspruchung Die Zusammensetzung und das Verhalten des ausgeprägt inhomogenen Baustoffs Beton können auf drei verschiedenen, hierarchischen Ebenen betrachtet werden (vgl. Wittmann 1983). Während Modelle auf Mikro-Ebene Struktur und Eigenschaften des Zementsteins beschreiben, erfassen Modelle der Meso-Ebene das Zusammenwirken von Zementstein und Zuschlag unter Einbeziehung von Poren, Einschlüssen und mikroskopischen Rissen. ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit in die geforderte Festigkeitsklasse einzuordnen ist (vgl. Zäschke 2003). Angesichts der unvermeidbaren Streuungen der Betonfestigkeit ist hier die Festlegung von Klassen mit definierter Bandbreite unumgänglich.
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten Zementkorn CSH-Fasern
“Bauteile”
Zementstein Zuschlag
Risse Pore mm
mm
a Mikro-Ebene
b Meso-Ebene
dm c Makro-Ebene
Abbildung 3.1a–c Betrachtungsebenen der Struktur und des Verhaltens von Beton
Für die Planung und Berechnung von Tragwerken letztlich entscheidend ist die Makro-Ebene; dieser Ebene zugeordnete Modelle betrachten den Werkstoff Beton auf Bauteilniveau als quasi-homogenen Baustoff, der durch integrale Materialgesetze beschrieben werden kann (Abb. 3.1). Die Voraussetzung eines homogenisierten Baustoffs auf Makro-Ebene bedingt allerdings, dass die Abmessungen des betrachteten Bauteils wesentlich größer als die der verwendeten Zuschläge sind. Dem entsprechend setzen die in der Ingenieurpraxis verwendeten Materialgesetze Mindestabmessungen vom Fünffachen des Größtkorns voraus.
3.1.2.1 Modellvorstellung – Meso-Ebene Die für das Verständnis des Tragverhaltens hilfreichen Modelle auf Meso-Ebene charakterisieren erhärteten Beton vereinfacht als Zweiphasensystem. Die Eigenschaften des Festbetons werden daher zum einen von den Eigenschaften der Komponenten Zuschlag und Matrix, wesentlich aber auch vom Zusammenwirken der beiden Phasen bestimmt. Aufbauend auf dieser Modellvorstellung kann das Verhalten von Normalbeton erklärt werden. Allerdings ist eine Differenzierung zwischen Betonen mit bisher üblicher Festigkeiten und höherfesten Betonen zweckmäßig. Der Übergang wird durch Änderungen im Materialverhalten markiert und liegt – je nach gewählter Zusammensetzung – bei einer Druckfestigkeit im Bereich von fcm 55 N=mm2 . Bei bisher üblichen Normalbetonen liegen Festigkeit und insbesondere Steifigkeit der Zuschläge deutlich über denen der Zementmatrix. Dies führt dazu, dass äußerlich gleichmäßig aufgebrachte Druckspannungen nicht gleichförmig verlaufen, sondern vor allem über die Zuschläge übertragen werden. Die Abweichung der Druckspannungen von der von außen aufgeprägten Richtung erzeugt senkrecht zu den Druckspannungsrichtungen Querzugspannungen
3.1 Beton
61 |sc|
|sc|
fc
~0,4 fc
Längsstauchung ec < 0
Querzugspannung
Querdehnung ec,q > 0
Druckspannung a Modellvorstellung (Meso-Ebene)
b Spannungs-Dehnungs-Beziehung
Abbildung 3.2a,b Modell des Tragverhaltens von Normalbeton
(Abb. 3.2a). Die Kontaktflächen zwischen Zementstein und Zuschlag weisen gegenüber den Zuschlägen bzw. der ungestörten Zementmatrix eine verringerte Zugfestigkeit auf. Durch Einflüsse während der Erhärtung, z. B. das Schwinden des Zementsteins, sind bereits im unbelasteten Beton an den Kontaktflächen Defekte vorhanden. Durch die Querzugspannungen entstehen dort bereits bei Druckspannungen ab etwa 40% der Druckfestigkeit vermehrt Mikrorisse. Bei stetig ansteigender äußerer Druckkraft wachsen die Mikrorisse an und vereinigen sich zu makroskopisch sichtbaren Rissen, die primär um die Zuschlagkörner herumlaufen. Die fortschreitende Mikro- und Makrorissbildung geht mit zunehmendem Steifigkeitsverlust einher; die Last-Verformungs-Beziehung ist charakteristisch gekrümmt (Abb. 3.2b). Die sukzessive Makrorissbildung führt zur Auflockerung des Betongefüges und schließlich zum Bruch. Höherfeste Betone weisen deutlich erhöhte Zementsteinfestigkeiten auf; zudem stellt die Kontaktzone zwischen Matrix und Zuschlag u. a. wegen der veränderten Zusammensetzung, z. B. der Zugabe von Mikrosilika und dem deutlich reduzierten w=z-Wert, keine ausgeprägte Schwachstelle mehr dar. Das Tragverhalten nähert sich dadurch weiter einem homogenen Werkstoff an; Gefügeauflockerungen treten in geringerem Umfang auf. Mit zunehmender Druckfestigkeit wird das Versagen gegenüber normalfesten Betonen spröder; das Versagen tritt z. T. explosionsartig ein. Angesichts der erhöhten Matrixfestigkeit sowie vor allem der deutlich gesteigerten Haftfestigkeit zwischen Matrix und Zuschlag weisen die Bruchflächen höherfester Betone einen weitaus größeren Anteil durchtrennter, d. h. gerissener Zuschlagkörner auf.
3.1.2.2 Verhalten auf Makro-Ebene – einachsiale Druckfestigkeit Die experimentelle Untersuchung des Verhaltens druckbeanspruchten Betons erfolgt durch zentrische Druckversuche. Die einachsiale Druckfestigkeit eines Betons entspricht dem in einem Druckversuch gemessenen Höchstwert der Druckspannungen (Abb. 3.2b). Die Belastung bis zum Bruch wird monoton ansteigend i. Allg. in 1 bis 2 Minuten aufgebracht; die ermittelte Festigkeit wird daher als Kurzzeitdruckfestigkeit bezeichnet. Mit zunehmendem Betonalter steigt die Kurzzeitdruckfestigkeit durch die fortschreitende Hydratation des Zements weiter an. Dabei ist die Druckfestigkeitsentwicklung abhängig von der Zementart und den Randbedingungen der Lagerung wie Temperatur und Feuchteangebot. Damit die Vergleichbarkeit von Ergebnissen verschiedener Prüfungen u. a. im Rahmen von Konformitätskontrollen gewährleistet ist, werden Probekörper und Rahmenbedingungen der Prüfung wie Betonalter, Lagerungsbedingungen, klimatische Randbedingungen und Versuchsdurchführung normativ geregelt. Druckversuche für Betone entsprechend DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 sind in den Normen der Reihe EN 12390 festgelegt. Die Ergebnisse eines Druckversuchs hängen in starkem Maß von der Schlankheit des Probekörpers ab (vgl. Bonzel 1959). Durch den unmittelbaren Kontakt mit starren Druckplatten wird die Querdehnung behindert. Die aus der Querdehnungsbehinderung hervorgerufenen Druckspannungen – vorstellbar als eine Art „Druckgewölbe“ – überlagern sich den Querzugspannungen, verzögern dadurch die Entstehung von Makrorissen und führen damit zu einer
62
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten Verteilungsdichte
300
D f c = 8 N/mm² ≈ 1,64 s
fck = 25 N/mm²
150
150
Bruchkörper
Querdehnungsbehinderung
fcm = 33 N/mm²
Draufsicht auf die Prüfkörper
150
150 a Würfel, Belastung über Stahldrahtbürsten
150
5%-Quantile
150
150
150
c Zylinder, b Würfel, Belastung über Belastung über starre Druckplatten starre Druckplatten
Abbildung 3.3a–c Druckfestigkeitsprüfung mit Standardversuchskörpern
lokalen Erhöhung der Festigkeit (Abb. 3.3). Mit zunehmender Schlankheit, d. h. mit ansteigendem Verhältnis der Höhe zur Kantenlänge der Grundfläche bzw. zu deren Durchmesser, nimmt der Einfluss der Querdehnungsbehinderung und damit die Druckfestigkeit des Probekörpers ab; bei ansonsten identischen Bedingungen sinkt die Druckfestigkeit. Eine unbehinderte Querdehnung kann alternativ durch den Austausch starrer Druckplatten gegen Stahldrahtbürsten (sog. Münchner Bürsten, vgl. Hilsdorf 1965) erreicht werden. Da eine Querdehnungsbehinderung bei realen Bauteilen nicht generell vorausgesetzt werden kann, entsprechen die an einem Zylinder ermittelten Kenngrößen eher dem tatsächlichen Bauteilverhalten bei einachsialer Beanspruchung. Als Basisgröße für die Bemessung nach DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 wird daher die an einem Zylinder nach Abb. 3.3c ermittelte Druckfestigkeit fc;zyl (Kurzbezeichnung: fc ) verwendet. Der Bemessung wird der untere charakteristische Wert derg Zylinderdruckfestigkeit fck – definiert als 5%-Quantil der Grundgesamtheit – zugrunde gelegt. Gleichzeitig beschreibt fck in N/mm2 die Festigkeitsklasse, zu deren Kennzeichnung bei Normalbeton „C“, bei Leichtbeton „LC“ vorangestellt wird. Ergänzt wird die Bezeichnung durch die charakteristische Würfeldruckfestigkeit fck;cube (z. B. C20/25 ! Normalbeton mit fck D 20 N=mm2 und fck;cube D 25 N=mm2 ). Die zur Bestimmung charakteristischer Werte erforderlichen statistischen Kenngrößen wurden u. a. auf der Grundlage von auf Baustellen entnommenen Stichproben überprüft.
15
s » 5 N/mm²
25
C25/30 35
45 Betondruckfestigkeit fc in N/mm²
Abbildung 3.4 Stochastische Verteilung der Druckfestigkeit einer Festigkeitsklasse; Kenngrößen (Beispiel: C20/25)
Nach Rüsch u. a. (1969) konnte die Druckfestigkeit von Betonen damals üblicher Festigkeiten bis fc 50 N=mm2 mit ausreichender Genauigkeit als normalverteilt mit einer unabhängig vom Mittelwert konstanten (mittleren) Standardabweichung fc 5 N=mm2 angenommen werden. Eine Auswertung unter Einschluß neuerer Versuchsergebnisse in Tue u. a. (2007) belegt, dass die Standardabweichung auch bei höherfesten Betonen nicht wesentlich ansteigt. Dies hat zur Folge, dass nach Gl. (2.28) der Abstand zwischen charakteristischem Wert und Mittelwert mit fc D 1;645 fc 8 N=mm2 unabhängig von der Druckfestigkeitsklasse konstant ist (Abb. 3.4).
3.1.2.3 Verformungsverhalten und Spannungs-Dehnungs-Beziehung bei kurzzeitiger Belastung Beton zeigt unter kurzzeitig einwirkender, einachsialer Druckbeanspruchung den in den Abbn. 3.2 und 3.5 dargestellten, typischen, grob in drei Bereiche zu untergliedernden Zusammenhang zwischen Spannungen und Dehnungen. Bis etwa jc j 0;4fc ist das Verhalten nahezu linear-elastisch. Bei darüber hinausgehender Beanspruchung bewirkt die Mikrorissbildung eine Abnahme der Steifigkeit, damit eine überproportionale Zunahme der Dehnungen, bis schließlich die Druckfestigkeit fc erreicht wird. Sowohl die Steifigkeitsabnahme als auch die erreichbare Festigkeit sind in hohem Maß von der Belastungsgeschwindigkeit abhängig (Abb. 3.5); mit langsamerer Laststeigerung oder
3.1 Beton
63
|sc| / fc
1,0 0,8
de = dt
d dt e =
0,6
0
10
/1
0
/1
00
n mi
0,2
1 00
0
10 0
0
0,4
de dt =
m
/7
d
in
0,0 0
1
2
3
4
5
6
Betondruckstauchung e c in ‰
Abbildung 3.5 Spannungs-Dehnungs-Linien bei unterschiedlichen Belastungsgeschwindigkeiten (nach Rasch 1962)
längerer Belastungsdauer sinken Steifigkeit und Festigkeit deutlich ab (Rasch 1962). Die Dauerstandfestigkeit ist gegenüber der Kurzzeitfestigkeit reduziert (vgl. Abschn. 3.2). Bei verformungsgesteuerten Versuchen fallen im anschließenden Bereich bei sukzessiver Zerstörung des Betongefüges die Spannungen mit zunehmender Dehnung ab. Der Kurvenverlauf im abfallenden Bereich ist das Ergebnis einer lokalen Schädigung bzw. Auflockerung des Betonkörpers und damit abhängig vom Verhältnis der Probekörpergröße zur Größe des Schadensbereichs. Während also der ansteigende Ast wegen der annähernd gleichmäßig verteilten Mikro- bzw. Makrorissbildung als objektive und damit übertragbare Spannungs-Dehnungs-Beziehung angesehen werden kann, gilt der entfestigende Ast streng nur für Bezugslängen entsprechend den üblichen Probekörperlängen von 15–30 cm (Meyer u. König 1998). Die Querdehnung des Betons nimmt bis jc j 0;8fc proportional zur Längsstauchung mit einer Querdehnzahl 0;2 zu und steig bei weiterer Annäherung an die Druckfestigkeit durch die zunehmende Gefügeauflockerung und die damit verbundene Volumenzunahme überproportional an. Hiervon zu unterscheiden ist die bei gerissenen Betonbauteilen wirksame Querdehnzahl, die i. Allg. zu Null gesetzt werden kann. Das veränderte Materialverhalten höherfester Betone zeigt sich in der Last-Verformungs-Beziehung durch einen weniger stark gekrümmten ansteigenden Ast in Verbindung mit einem deutlich steileren Abfall im Nachbruchbereich. Zurückzuführen ist dies auf die verminderte Mikrorissbildung im ansteigenden Ast sowie die spröde Reaktion bei Querzugbeanspruchung in
Verbindung mit einer reduzierten Verzahnung auftretender Makrorisse. Zur mathematischen Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Druckspannung und Dehnung bei einachsialer Beanspruchung liegt eine Vielzahl von Ansätzen vor (vgl. Eibl u. Ivanyi 1976). Aufbauend auf Vorschlägen in Grasser (1968) und Sargin (1971) wurde in DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 eine an Druckversuchen kalibrierte, gebrochen rationale Funktion mit drei Freiwerten aufgenommen. Mit den Bezeichnungen nach DIN 1045-1 gilt: 2 "c "c Ec0 Ec1 "c1 "c1 c D fcm ; (3.1) Ec0 "c 1C E 2 "c1 c1 für 0 "c "c1u :
In Gl. (3.1) bedeuten (vgl. Abb. 3.6): fcm "c1 "c1u Ec0 Ec1
Mittelwert der Druckfestigkeit Dehnung bei Erreichen der Druckfestigkeit fcm Bruchdehnung Elastizitätsmodul als Tangente im Ursprung der -"-Linie Sekantenmodul durch den Ursprung und den Scheitelpunkt: Ec1 D f"cm . c1
Die drei unabhängigen Parameter fcm , "c1 und Ec0 werden in Abhängigkeit der Betondruckfestigkeit bzw. der Betonfestigkeitsklasse in DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 angegeben (vgl. Tabellen 3.2 und 3.3). Der Quotient Ec0 =Ec1 beschreibt die plastische Verformungsfähigkeit des Betons bis zum Erreichen der Druckfestigkeit und wird als Plastizitätszahl k bezeichnet. Mit zunehmender Druckfestigkeit des Betons nimmt k ab und deutet damit auf die verringerten plastischen Verformungen bzw. die steigende Sprödigkeit hin (Abb. 3.7). Das Verformungsverhalten von Beton im annähernd linearen Bereich der Spannungs-Dehnungs-Linie wird im Mittel durch den Sekantenmodul Ecm zwischen dem Ursprung und jc j D 0;4 fcm erfasst. Wegen der bereits bei geringen Beanspruchungen eintretenden nichtlinearen Verformungen ist der Sekantenmodul i. Allg. kleiner als der Tangentenmodul Ecm (Abb. 3.6). Wie eingangs erwähnt, unterliegt der tatsächliche E-Modul eines Betons gegenüber dem normativen Rechenwert deutlichen Streuungen. Bei Tragwerken, die sensitiv gegenüber Schwankungen des E-Moduls reagieren, ist eine experimentelle Klärung im Vorfeld empfehlenswert. Da die elastischen Eigenschaften in starkem Maß mit der Steifigkeit der verwendeten Zuschläge verknüpft sind, kann der
64
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten |sc|
3.1.2.4 Druckbeanspruchung – Annahmen für die Nachweise im GZG
fcm
0,4.fcm
arctan Ec0 arctan Ecm arctan Ec1
|ec| |ec1u|
|ec1|
Abbildung 3.6 Wirklichkeitsnahe Spannungs-Dehnungs-Linie nach DIN 1045-1 – Bezeichnungen |sc| in N/mm²
120
C 100/115
Generell sollten Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit – etwa Verformungsberechnungen – auf Grundlage der mit Gl. (3.1) definierten Arbeitslinie geführt werden. Da allerdings unter Gebrauchsbeanspruchungen oft nur kleine Betondruckspannungen bis jc j 0;4fcm auftreten, ist die Verwendung einer linearisierten -"-Beziehung, die für kurzzeitig wirkende Druckbeanspruchungen durch Ecm charakterisiert wird, ausreichend genau. Der Zusammenhang zwischen Spannungen und Dehnungen ist damit festgelegt durch c;GZG D "c Ecm
(3.3)
Bei längerfristig wirksamen Spannungen sollten die zeitabhängigen Verformungsanteile z. B. über einen effektiven E-Modul berücksichtigt werden (vgl. Abschn. 3.2).
100
3.1.2.5 Druckbeanspruchung – Annahmen für die Bemessung im GZT
C 80/95 80
Die Nachweise im GZT bauen auf dem mit Teilsicherheitsbeiwerten nach 2.2.4 errechneten Bemessungswert der Druckfestigkeit fcd auf.
C 60/75
60
40
fcd D ˛
C 40/50
20
C 20/25 |ec| in ‰ 0
1
2
3
4
Abbildung 3.7 Spannungs-Dehnungs-Linien nach DIN 1045-1 für unterschiedliche Betonfestigkeitsklassen
für quarzitischen Zuschlag abgeleitete Rechenwert durch Korrekturwerte an Zuschläge aus anderen Gesteinsarten angepasst werden (vgl. DAfStb 2003, Anhaltswerte nach EN 1992-1-1 in Klammern): Ec0;mod D ˛E Ec0
(3.2)
mit: ˛E D 1;05–1;45 .1;20/ für Basalt, dichten Kalkstein ˛E D 0;80–1;20 .1;00/ für Quarz, Quarzite ˛E D 0;70–1;10 .0;90/ für Kalkstein ˛E D 0;55–0;85 .0;70/ für Sandstein:
fck
c
(3.4)
In Gl. (3.4) deckt c alle stochastischen Einflüsse auf die Druckfestigkeit ab, ˛ berücksichtigt alle nichtstochastischen Effekte. Mit ˛ werden daher zum einen Langzeitauswirkungen berücksichtigt, zum anderen Abweichungen der Zylinderdruckfestigkeit von der tatsächlichen, einachsialen Druckfestigkeit im Bauteil aufgefangen. Der Beiwert basiert auf Versuchen zur Festigkeit unter langandauernden Druckbeanspruchungen nach Rüsch (1960) und Rüsch u. a. (1968), die eine Dauerstandfestigkeit von etwa 80% der Kurzzeitfestigkeit ausweisen (vgl. Abb. 3.5). Allerdings bezieht sich der Bemessungswert der Druckfestigkeit fcd auf ein Betonalter von 28 Tagen und vernachlässigt damit den weiteren Anstieg der Festigkeit mit zunehmendem Betonalter durch Nacherhärtung. Der Zuwachs wird primär durch die Geschwindigkeit der Festigkeitsentwicklung des Zements, allerdings auch durch Randbedingungen wie z. B. Umgebungstemperaturen gesteuert. Gleichzeitig ist ein Teil des Dauerstandseinflusses bereits in Bemessungsgleichungen u. a. für den Nachweis der Querkraft- oder Durchstanztragfähigkeit enhalten,
3.1 Beton
65
da diese anhand von Bauteilversuchen kalibriert wurden, deren Versuchdurchführung sich i. Allg. über einen erheblich größeren Zeitraum erstreckt als die normgemäße Prüfung von Probekörpern. Diese gegenläufigen Effekte werden in Bemessungsnormen unterschiedlich bewertet: Nach DIN 1045-1 gilt grundsätzlich ˛ D 0;85, lediglich in begründeten Fällen darf 0;85 < ˛ 1;0 angenommen werden. Im Gegensatz hierzu erlaubt EN 1992-1-1 den pauschalen Ansatz von ˛ D 1;0 sofern die Festigkeit auf eine Betonalter von nicht mehr als 28 Tagen bezogen wird. Da allerdings in Deutschland vorwiegend Zemente verwendet werden, deren Festigkeitszuwachs über 28 Tage hinaus eingeschränkt ist, gibt das NA D parallel zu DIN 1045-1 eine Abminderung auf 85% vor und erlaubt höhere Werte nur in Einzelfällen. Zur Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonquerschnitten für Biegung und Längskraft im Grenzzustand der Tragfähigkeit wurden vereinfachte Beziehungen zur Beschreibung der Spannungsverteilung in der Druckzone biegebeanspruchter Bauteile unter kurzzeitig wirkenden Beanspruchungen abgeleitet. Von zentraler Bedeutung für die Bemessung ist das in Grasser (1968) entwickelte und für höherfeste Betone ab der Festigkeitsklasse C55/67 verallgemeinerte Parabel-Rechteck-Diagramm (PR-Diagramm) (vgl. Quast 1981), das – wie die Bezeichnung bereits andeutet – die Spannungsverteilung durch einen parabolisch2 ansteigenden Ast und ein horizontales Plateau nach Gl. (3.5) beschreibt (Abb. 3.8). 8 n "c ˆ ˆ ; < 1 1 "c2 c D fcd (3.5) für 0 "c "c2 ˆ ˆ : 1 ; für " > " " c2
c
c2u
|sc| in N/mm² s-e-Linie nach Gl. (3.1)
50
fcm
40
fck
30
PR-Diagramm fck
fcd = a gc
20
|ec2u|
|ec2|
10
0 0
1
2
3
|ec| in ‰
Abbildung 3.8 Parabel-Rechteck-Diagramm für Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit (Beispiel C40/50, Bezeichnungen nach DIN 1045-1) |sc| in N/mm² C 100/115
50
C 80/95
40
C 60/75
30 C 40/50
20
C 20/25
10
0
1
2
3
|ec| in ‰
Abbildung 3.9 Parabel-Rechteck-Diagramme nach DIN 10451 für verschiedene Betonfestigkeitsklassen (Bemessungswerte)
In Gl. (3.5) bedeuten: fcd
"c2 "c2u n
Bemessungswert der Betondruckfestigkeit nach Gl. (3.4) Dehnung bei Erreichen von fcd (Übergang Parabel-Rechteck) Bruchdehnung Exponent.
Die Größen "c2 , "c2u und n sind für DIN 1045-1 in Tabelle 3.2, für EN 1992-1-1 in Tabelle 3.3 enthalten. Es sei betont, dass das PR-Diagramm als angenäherte Beschreibung der Spannungsverteilung das Materialverhalten druckbeanspruchten Betons im Sinne einer Arbeitslinie wie z. B. nach Gl. (3.1) nicht wiedergeben kann. Insbesondere die Steifigkeit 2 Lediglich für Beton der Festigkeitsklassen bis C50/60 beschreibt der ansteigende Ast eine Parabel 2. Ordnung; bei höheren Betonfestigkeiten nimmt der Exponent ab.
wird i. d. R. nur ungenügend abgebildet. Zudem gibt das PR-Diagramm im Unterschied zur Arbeitslinie das entfestigende Verhalten bei hohen Dehnungen nicht wieder, unterstellt damit plastisches Verhalten des hochbeanspruchten Betons und impliziert Umlagerungsmöglichkeiten zu geringer beanspruchten Bereichen. Für Bauteile, die keine Umlagerungsmöglichkeiten bieten, etwa wenn die Dehnungen über den gesamten Querschnitt im Bereich zwischen "c2 und "c2u liegen, wie z. B. bei den annähernd zentrisch druckbeanspruchten Gurten gegliederter Plattenbalken der Fall, ergibt das PR-Diagramm unrealistisch hohe Tragfähigkeiten. Hier werden Einschränkungen in der Bemessung erforderlich. Als Alternative zum PR-Diagramm existieren weitere Spannungs-Dehnungs-Linien für die Bemessung; in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 wurden die bilineare
66
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten | c| fcd
.f ( .f ) cd cd
feldruckfestigkeit fck;cube mit vorangestelltem C für Normalbeton. Die Betonfestigkeitsklassen reichen von C12/15 bis C100/115 (Tabelle 3.2). Rechenwerte für Mittelwert und charakteristischen Wert der Druckfestigkeit sind über Gl. (3.6) verknüpft (vgl. Abb. 3.4). fck D fcm f c;
c2u
c3
c2
cu2)
(
c2u =
c3u
cu2 =
cu3)
Spannungsblock a Spannungs-Dehnungs-Linien für die Bemessung im GZT - .fcd (- .fcd) c
k.x ( .x)
Fcd
d
(3.6)
Fsd
b Definition des Spannungsblocks
Abbildung 3.10a,b Bilineare Spannungs-Dehnungs-Linie und Spannungsblock (Bezeichnungen nach EN 1992-1-1 in Klammern)
Spannungs-Dehnungs-Linie und der Spannungsblock aufgenommen (Abb. 3.10). Für normalfeste Betone der Festigkeitsklassen bis C50/60 bleiben die Kennwerte "c2 , "c2u und n des Parabel-Rechteck-Diagramms konstant. Das spezifisch sprödere Verhalten von höherfesten Betonen der Festigkeitsklassen ab C55/67 wird durch reduzierte Werte für "c2u und n bei verkürztem Plateau erfasst (Tabelle 3.2, Abb. 3.9). Gleiches gilt für die Größen "c3 und "c3u der bilinearen Spannungs-Dehnungs-Linie.
D f
cm
(3.7)
c0m
D 9500. f
ck
C 8/
1=3
D 9500 f
1=3 cm :
(3.8)
Bei nichtlinearer Schnittgrößenermittlung ist f cm in Gl. (3.7) durch den Rechenwert f cR D 0; 85 ˛ fck (bis C50/60) bzw. fcR D 0;85 ˛ fck = c0 (ab C55/67) zu ersetzen. Der für Berechnungen mit linearisierter -"-Linie im GZG zu verwendende mittlere Sekantenmodul Ecm folgt aus Gl. (3.9): Ecm D ˛i Ec0m ;
mit ˛i D 0;8 C 0;2
fcm : 88
(3.9)
Bemessungswerte und Spannungs-Dehnungs-Linien für Nachweise im GZT Der Bemessungswert der Druckfestigkeit fcd nach DIN 1045-1, 9.1.6 ist: fcd D ˛
fck :
c
(3.10)
In Gl. (3.10) bedeuten: ˛
Normenregelung nach DIN 1045-1 Klassifizierung – Druckfestigkeit Für die Bemessung werden die Betone nach der Druckfestigkeit in Betonfestigkeitsklassen eingeteilt. Der Klassifizierung nach DIN 1045-1 liegt der charakteristische Wert fck (5%-Quantil) der an einem Zylinder mit h=D D 300=150 mm in einem Betonalter von 28 Tagen ermittelten Druckfestigkeit zugrunde (Lagerung nach DIN EN 12390-2 bis zur Prüfung unter Wasser bzw. bei 95% RH). Nach DIN 1045-2 darf die Druckfestigkeit im Rahmen der Konformitätsprüfung alternativ auch an einem Würfel mit einer Kantenlänge von 150 mm ermittelt werden. Die Klassenbezeichnung erfolgt daher durch die Angabe sowohl der Zylinderdruckfestigkeit fck als auch der Wür-
c
Gleichung (3.7) ist für " c " c1u definiert und prinzipiell identisch mit Gl. (3.1). Die kennzeichnenden Stauchungen " c1 und " c1u sind in Abhängigkeit der Betonfestigkeitsklasse in Tabelle 3.2 enthalten. Der Tangentenmodul E c0 kann vereinfachend durch den aus der Druckfestigkeit abgeleiteten Rechenwert E c0m ersetzt werden: E
s
D 8 N/mm2
k 2 ; 1 C . k 2/ " c E c0 " c1 I D mit k D f cm " c1
Parabel-Rechteck-Diagramm bilineare Spannungs-Dehnungs-Linie
x
c
Spannungs-Dehnungs-Linien für Verformungsberechnungen Die wirklichkeitsnahe Spannungs-Dehnungs-Linie bei einachsialer, kurzzeitig wirkender Druckbeanspruchung nach DIN 1045-1, 9.1.5 wird durch Gl. (3.7) beschrieben.
| c| (1-k). ((1- ).
mit f
c
c0
Beiwert zur Berücksichtigung von Langzeitwirkungen auf die Druckfestigkeit sowie zur Umrechnung zwischen Zylinderdruckfestigkeit und einachsialer Druckfestigkeit des Betons D 0;85 Teilsicherheitsbeiwert für Beton (vgl. Abschn. 2.2.4) D 1;50 (ständig, vorübergehend) D 1;30 (außergewöhnlich) Für Beton der Festigkeitsklassen ab C55/67 ist c mit
c0 zu multiplizieren. Zusätzlicher Teilsicherheitsbeiwert für höherfeste Betone ab C55/67 1 mit fck in N/mm2 . D ck 1;1 f 500
Gleichung 3.10 beschreibt den Bemessungswert der einachsialen Druckfestigkeit ungerissenen Betons. Eine Verminderung der Druckfestigkeit durch Querzugspannun-
3.1 Beton
67
gen oder Risse parallel oder schräg zur Richtung der Druckspannungen muss berücksichtigt werden (vgl. Abschn. 3.7.4 dieses Bandes). Als rechnerische Spannungs-Dehnungs-Linien dürfen verwendet werden: • • •
Parabel-Rechteck-Diagramm nach Gl. (3.5) (! fcd ; n; "c2 ; "c2u ) bilineare Spannungs-Dehnungs-Linie nach Abb. 3.10a (! fcd ; "c3 ; "c3u ) Spannungsblock nach Abb. 3.10a und b (! fcd ; k; ).
Die Kenngrößen zur Definition der Spannungs-DehnungsLinien sind in Tabelle 3.2 enthalten. Die für den Spannungsblock anzurechnenden effektiven Werte von Druckfestigkeit und Druckzonenhöhe sind nach DIN 1045-1 (vgl Abb. 3.10b): für fck 50 N/mm2 für fck > 50 N/mm2
(
0;95
8 k D 0;80 < D 1;05 : k D 1;0
fck 500
:
(3.11)
fck 250
Sofern die Breite der Druckzone zum stärker gedrückten Rand hin abnimmt, sollte fcd nach DIN 1045-1 um 10% abgemindert werden. Zur Anwendung des Spannungsblocks vgl. Abschn. 6.1.6.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Klassifizierung – Druckfestigkeit Wie nach DIN 1045-1 wird Beton auch nach EN 1992-1-1, 3.1.2 in Druckfestigkeitsklassen auf Basis des charakteristischen Wertes (5%-Quantil) der Zylinderdruckfestigkeit fck bzw. der Würfeldruckfestigkeit fck;cube , ermittelt jeweils im Alter von 28 Tagen, eingruppiert. Die möglichen Betonfestigkeitsklassen für die Bemessung nach EN 1992-1-1 werden durch Cmax (! NDP, Tabelle 3.1) nach oben abgegrenzt. Charakteristischer Wert fck und Mittelwert fcm der Zylinderdruckfestigkeit sind ebenfalls über Gl. (3.6) miteinander verknüpft. Ergänzend werden in EN 1992-1-1 Rechenwerte der Druckfestigkeit in Abhängigkeit der Erhärtungszeit t angegeben, die an die 28-Tage-Festigkeit geknüpft sind: fcm .t/ D ˇcc .t/ fcm ; " r
mit ˇcc .t/ D exp s 1
(3.12) 28 t
!#
:
(3.13)
Gleichung (3.13) darf angewandt werden, sofern die Erhärtungsbedingungen nicht wesentlich von EN 12390-2 abweichen. Es bedeuten: t s
Alter des Betons in Tagen Beiwert in Abhängigkeit des verwendeten Zements D 0;20 für CEM 42,5 R, CEM 52,5 N, CEM 52,5 R D 0;25 für CEM 32,5 R, CEM 42,5 N D 0;38 für CEM 32,5 N.
Der unter anderem für Nachweise von Bauzuständen erforderliche charakteristische Wert fck .t/ zum Zeitpunkt t (Betonalter in Tagen) ist ( fcm .t/ 8 ; für 3 t 28 fck .t/ D : (3.14) fck ; für t 28 Spannungs-Dehnungs-Linien für Verformungsberechnungen Die Spannungs-Dehnungs-Linie für Verformungsberechnungen wird in EN 1992-1-1, 3.1.5 analog zu DIN 10451 nach Gl. (3.7) beschrieben. Die kennzeichnenden Stauchungen c1 und cu1 in ‰ sind (vgl. Tabelle 3.3): "c1 D 0;7.fcm /0;31 2;8 ; 4 98 fcm "cu1 D 2;8 27 3;5 : 100
(3.15) (3.16)
Der Tangentenmodul Ec0 wird auf den mittleren Sekantenmodul Ecm bezogen; als Sekantenmodul Ecm (in kN/mm2 ) durch den Ursprung und jc j D 0;4fcm bzw. als Tangentenmodul Ec0 im Ursprung wird definiert: 0;3 fcm Ecm D 22 ; (3.17) 10 Ec0 D 1;05 Ecm : (3.18) Der mit zunehmender Betonerhärtung ansteigende EModul wird an den Rechenwert der altersabhängigen Betonfestigkeit geknüpft: fcm .t/ 0;3 Ecm .t/ D Ecm ; (3.19) fcm fcm .t/ mit D ˇcc .t/ : (3.20) fcm Bemessungswerte und Spannungs-Dehnungs-Linien für Nachweise im GZT Der Bemessungswert der einachsialen Druckfestigkeit nach EN 1992-1-1, 3.1.6 ist: fcd D ˛cc
fck :
c
(3.21)
In Gl. (3.21) bedeutet: ˛cc
kt
c
Beiwert zur Berücksichtigung von Langzeitauswirkungen ! NDP (Tabelle 3.1) Sofern die Betonfestigkeit in einem Alter von mehr als 28 Tagen bestimmt wird, ist ˛cc mit kt zu multiplizieren Beiwert zur Berücksichtigung der Festigkeitsentwicklung ! NDP (Tabelle 3.1) Teilsicherheitsbeiwert ! NDP (Tabelle 3.1, vgl. Tabelle 2.5).
Nach EN 1992-1-1 darf das Parabel-Rechteck-Diagramm (fcd , "c2 , "cu2 , n) als Spannungs-Dehnungs-Linie verwendet werden. Darüber hinaus kann z. B. eine bilineare Spannungs-Dehnungs-Linie (fcd , "c3 , "cu3 ) oder der Spannungsblock (fcd , , ) für die Querschnittsbemessung angewandt werden. Die z. T. von DIN 1045-1 abweichenden Parameter zur Definition des ParabelRechteck-Diagramms und der bilinearen SpannungsDehnungs-Linie sind in Tabelle 3.3 zusammengestellt.
68
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten
In EN 1992-1-1 findet sich zudem eine abweichende Festlegung für die Kenngrößen des Spannungsblocks (Bezeichnungen vgl. Abb. 3.10). ( D 1;0 für fck 50 N/mm2 D 0;80 ( 50 D 1;0 fck200 für 50 < fck 90 N/mm2 50 D 0;8 fck400
(3.22)
D DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen Einschränkend darf Beton der Festigkeitsklasse C12/15 nur in Bauteilen eingesetzt werden, die lediglich durch vorwiegend ruhenden Einwirkungen beansprucht werden.
Tabelle 3.1 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Bemessungswert der Betondruckfestigkeit fcd NDP
EU
D
A
Cmax
C90/105
C100/115
EU
˛cc
1,0
0,85
EU
kt
0,85
–a
EU
s/v
1,50
1,50
a
1,20
1,30
cb a b
EU
im Einzelfall festzulegen s/v D ständige und vorübergehende Bemessungssituation, a D außergewöhnliche Bemessungssituation; vgl. Tabelle 2.5
3.1.2.6 Umrechnung von Druckfestigkeitskenngrößen Die an verschiedenen Probekörpern ermittelten Druckfestigkeiten unterscheiden sich aufgrund der jeweils vorliegenden Querdehnungsbehinderungen, können aber zueinander in Beziehung gesetzt werden (vgl. Abb. 3.53). Annähernd identische Lagerungsbedingungen vorausgesetzt, kann zwischen Würfeln mit Kantenlängen von 150 mm (! fck;cube ) bzw. 200 mm (! fck;cube;200 ) und den Normzylindern (! fck ) umgerechnet werden: fck;cube;200 D 0;95 fck;cube ;
(3.23)
fck D 0;82 fck;cube :
(3.24)
Abweichend zu den standardisierten Lagerungsbedingungen – Wasserlagerung bzw. Lagerung bei 95% RH bis zur Prüfung – dürfen die Probekörper nach dem nationalen Anhang zu DIN EN 12390-2 sieben Tage feucht bzw. unter Wasser und anschließend 21 Tage bei
Raumklima gelagert werden (! fc;dry )3 . Die bei wassergelagerten Proben i. d. R. geringere Festigkeit wird durch eine Umrechnungsbeziehung erfasst: fck;cube D 0;92 fck;dry ; D 0;95 fck;dry ;
bis C50/60 ; ab C55/67 :
(3.25) (3.26)
3.1.3 Beton unter Zugbeanspruchung Die Festigkeit von Beton bei Zugbeanspruchung ist im Vergleich zur Druckfestigkeit gering und erreicht lediglich 5 bis maximal 15% der Festigkeit bei einachsialer Druckbeanspruchung. Zur Erläuterung dieses Phänomens kann an das bereits beschriebene Zweiphasenmodell aus Zuschlagkörnern, die in eine Zementsteinmatrix eingebettet sind, angeknüpft werden.
3.1.3.1 Tragverhalten, Bruchenergie Das in Abb. 3.11 dargestellte Prisma aus normalfestem Beton zeigt für Zugbeanspruchungen bis 70% der Zugfestigkeit fct ein annähernd linear elastisches Verhalten. Die Steifigkeit ist gut durch den für druckbeanspruchten Beton abgeleiteten Tangentenmodul Ec0m zu beschreiben. Bei weiterer Laststeigerung setzt das Wachstum der bereits im unbelasteten Beton vorhandenen Mikrorisse ein. In einem räumlich begrenzten Bereich, der Rissprozesszone, vornehmlich in der Umgebung von Kerben oder Fehlstellen, bilden sich vermehrt senkrecht zur Beanspruchungsrichtung verlaufende Mikrorisse. Diese vereinigen sich sukzessive, bis schließlich ein mit bloßem Auge sichtbarer Makroriss entsteht (Abb. 3.11). Bei Betonen üblicher Festigkeiten bis 55 N=mm2 laufen die Makrorisse vorwiegend entlang der Kontaktflächen von Matrix und Zuschlag. Bei elastischem Verhalten sind die Dehnungen noch gleichmäßig über die Prismenlänge verteilt; mit zunehmender Mikrorissvereinigung nehmen die Dehnungen in der Rissprozesszone überproportional zu, man spricht von Lokalisierung. 3
Die nach DIN EN 12390-2 Anhang NA zugelassene Lagerung zur Ermittlung von fc;dry entspricht der geübten Praxis nach der mittlerweile abgelösten nationalen Normengeneration, d. h. insbesondere DIN 1048-5. Aus den angegebenen Umrechnungsformeln zur Berücksichtigung von Probenschlankheit und Lagerungsbedingungen folgt eine mit Hartz (2002) übereinstimmende Zuordnung der Festigkeitsklassen nach altem und neuem Normenwerk.
3.1 Beton
69
Tabelle 3.2 Festigkeits- und Formänderungskennwerte für Normalbeton nach DIN 1045-1
Symbol
Einheit
C12/15
C16/20
C20/25
C25/30
C30/37
C35/45
C40/50
C45/55
C50/60
C55/57
C60/75
C70/85
C80/95
C90/105
C100/115
Betonfestigkeitsklassen (DIN 1045-1)
fck
N/mm²
12
16
20
25
30
35
40
45
50
55
60
70
80
90
100
fck,cube
N/mm²
15
20
25
30
37
45
50
55
60
67
75
85
95
105
115
fcm
N/mm²
20
24
28
33
38
43
48
53
58
63
68
78
88
98
108
fctm
N/mm²
1,6
1,9
2,2
2,6
2,9
3,2
3,5
3,8
4,1
4,2
4,4
4,6
4,8
5
5,2
fctk;0,05
N/mm²
1,1
1,3
1,5
1,8
2
2,2
2,5
2,7
2,9
3
3,1
3,2
3,4
3,5
3,7
fctk;0,95
N/mm²
2
2,5
2,9
3,3
3,8
4,2
4,6
4,9
5,3
5,5
5,7
6
6,3
6,6
6,8
Ec0m
kN/mm²
25,8
27,4
28,8
30,5
31,9
33,3
34,5
35,7
36,8
37,8
38,8
40,6
42,3
43,8
45,2
Ecm
kN/mm²
21,8
23,4
24,9
26,7
28,3
29,9
31,4
32,8
34,3
35,7
37,0
39,7
42,3
43,8
45,2
αi
-
0,85
0,85
0,86
0,88
0,89
0,90
0,91
0,92
0,93
0,94
0,95
0,98
1,00
1,00
1,00
εc1 εc1u
‰ (< 0)
1,8
1,9
2,1
2,2
2,3
2,4
2,5
2,55
2,6
2,65
2,7
2,8
2,9
2,95
3,0
3,4
3,3
3,2
3,1
3,0
3,0 1,55
‰ (< 0)
3,5
n
-
2
2,0
1,9
1,8
1,7
1,6
εc2 εc2u
‰ (< 0)
2,0
2,03
2,06
2,1
2,14
2,17
2,2
‰ (< 0)
3,5
3,1
2,7
2,5
2,4
2,3
2,2
εc3 εc3u
‰ (< 0)
1,35
1,35
1,4
1,5
1,6
1,65
1,7
‰ (< 0)
3,5
3,1
2,7
2,5
2,4
2,3
2,2
Tabelle 3.3 Festigkeits- und Formänderungskennwerte für Normalbeton nach EN 1992-1-1 (schattierte Spalte nur nach DIN EN 1992-1-1)
Symbol
Einheit
C12/15
C16/20
C20/25
C25/30
C30/37
C35/45
C40/50
C45/55
C50/60
C55/57
C60/75
C70/85
C80/95
C90/105
C100/115
Betonfestigkeitsklassen (EN 1992-1-1)
fck
N/mm²
12
16
20
25
30
35
40
45
50
55
60
70
80
90
100
fck,cube
N/mm²
15
20
25
30
37
45
50
55
60
67
75
85
95
105
115
fcm
N/mm²
20
24
28
33
38
43
48
53
58
63
68
78
88
98
108
fctm
N/mm²
1,6
1,9
2,2
2,6
2,9
3,2
3,5
3,8
4,1
4,2
4,4
4,6
4,8
5,0
5,2
fctk;0,05
N/mm²
1,1
1,3
1,5
1,8
2,0
2,2
2,5
2,7
2,9
3,0
3,1
3,2
3,4
3,5
3,7
fctk;0,95
N/mm²
2,0
2,5
2,9
3,3
3,8
4,2
4,6
4,9
5,3
5,5
5,7
6,0
6,3
6,6
6,8
Ecm
kN/mm²
27,1
28,6
30,0
31,5
32,8
34,1
35,2
36,3
37,3
38,2
39,1
40,7
42,2
43,6
44,9
εc1 εcu1
‰ (< 0)
1,8
1,9
2,0
2,1
2,2
2,25
2,3
2,4
2,45
2,5
2,6
2,7
2,8
2,8
2,8
‰ (< 0)
3,5
3,2
3,0
2,8
2,8
2,8
2,8
n
-
2,0
1,75
1,6
1,45
1,4
1,4
1,4
εc2 εcu2
‰ (< 0)
2,0
2,2
2,3
2,4
2,5
2,6
2,6
‰ (< 0)
3,5
3,1
2,9
2,7
2,6
2,6
2,6
εc3 εcu3
‰ (< 0)
1,75
1,8
1,9
2,0
2,2
2,3
2,4
‰ (< 0)
3,5
3,1
2,9
2,7
2,6
2,6
2,6
In einem verformungsgesteuerten Versuch fällt die -l-Linie nach Erreichen der Höchstspannung fct stetig bis zur vollständigen Trennung der Rissufer ab.
Der Übergang von der Mikrorissbildung zur Makrorissbildung und schließlich zur vollständigen Trennung der Rissufer erfolgt bei normalfestem Beton konti-
70
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten dDl dx
Dl
dDl dx
dDl dx
l
F1
F2
F3
a Lokalisierung sc
sc
fct
fct
2
Gf
1
3 wcr
wcr
Dl
b s-Dl-Beziehung
c s-wcr-Beziehung
Abbildung 3.11a–c Beton unter Zugbeanspruchung – Lokalisierung der Rissbildung
nuierlich; durch die rissüberbrückende Wirkung der Zuschläge ist eine Übertragung von Zugspannungen möglich (Duda 1991). Höherfeste Betone zeigen ein hiervon abweichendes Verhalten. Durch die eingeschränkte Mikrorissbildung erfolgt das Versagen ausgehend von kleinen Fehlstellen sehr spröde. Die Makrorisse verlaufen vermehrt durch die Zuschlagkörner, eine Verklammerung der Rissufer ist daher nur mehr in geringem Umfang möglich; die -l-Linie fällt steiler ab (Remmel 1994). Da auch ein Versagen druckbeanspruchten Betons primär durch die Überschreitung der Zugfestigkeit infolge Querzugspannungen eingeleitet wird, ist das beschriebene Verhalten höherfester Betone unter Zugbeanspruchung auch für das spröde, z. T. explosionsartige Versagen im Druckversuch verantwortlich. Der Verlauf der -l-Linie im Nachbruchbereich, d. h. nach dem Erreichen der Zugfestigkeit fct , umfasst neben der annähernd elastischen Zugdehnung des Betons außerhalb der Prozesszone die Verlängerung der Prozesszone selbst bzw. die Öffnung wcr des Makrorisses. c l D l C wcr (3.27) Ec Der über die Probenlänge gemittelte, abfallende Ast der Spannungs-Dehnungs-Linie mit "c D l= l stellt damit – im Unterschied zum ansteigenden Ast – keine reine Materialeigenschaft mehr dar, sondern ist abhängig von der Probenlänge. Mit zunehmendem l fällt die Kurve steiler ab. Als Bruchenergie Gf wird
diejenige Energie bezeichnet, die erforderlich ist, um einen Trennriss über eine Einheitsfläche zu erzeugen. Sie entspricht der Fläche unter der, um die elastischen Dehnungen bereinigte, -l-Linie (Abb. 3.11c), d. h. der von der Zugspannungs-Rissöffnungs-Beziehung eingeschlossenen Fläche. Gf stellt eine Materialeigenschaft des Betons dar (Hillerborg 1983) und wird neben der Festigkeit des Zementsteins (näherungsweise erfassbar durch die Betondruckfestigkeit) von der Sieblinie, der Oberflächenbeschaffenheit und dem Größtkorndurchmesser des Zuschlags bestimmt. In CEB/FIP (1993) wird zu ihrer Berechnung Gl. (3.28) angegeben. fcm 0;7 Gf D Gf0 (3.28) fcm0 mit fcm0 D 10 N=mm2 (Bezugswert) Gf0 Grundwert der Bruchenergie in Nmm/mm2 in Abhängigkeit des Größtkorndurchmessers dg D 0;025
für
dg D 8 mm
D 0;030
für
dg D 16 mm
D 0;038
für
dg D 32 mm :
Bei höherfesten Betonen nimmt die Bruchenergie nur mehr in geringem Umfang mit der Druckfestigkeit zu; als Grenzwert, ab der Gf nicht weiter ansteigt, wird in CEB/FIP (1993) fcm D 80 N=mm2 vorgeschlagen. Aus Gf leitet sich die charakteristische Länge lch ab. Sie entspricht der halben Länge eines zentrisch gezogenen Betonkörpers, dessen gespeicherte elastische Energie Ge bei c D fct identisch ist mit der zur Erzeugung eines Trennrisses erforderlichen Bruchenergie Gf . Ge D
Zlch
c "c dx
(3.29a)
lch
fct 1 fct 2 lch 2 Ec f2 D ct lch Ec D
Š
D Gf
(3.29b) (3.29c) (3.29d)
Aufgelöst nach lch folgt: lch D
Gf Ec fct2
(3.30)
Im Rahmen der Modellbildung kennzeichnet 2 lch die Probenlänge, bei der nach Erreichen der Zug-
3.1 Beton
71
festigkeit wegen Ge D Gf die elastische Energie schlagartig freigesetzt und damit der Körper unmittelbar getrennt wird. Dem gegenüber bewirken geringere Probenlängen im -l-Diagramm nach Überschreiten des Spannungsmaximums einen allmählich abfallenden, d. h. entfestigenden Ast. Die Größe lch wird daher auch als kritische Länge bezeichnet. Ungeachtet dessen ist lch im engeren Sinne keine reale physikalische Größe, sondern beschreibt als Materialkonstante die Sprödigkeit des Werkstoffs; bei Beton liegt lch zwischen 200 und 400 mm. Mit steigender Festigkeit nimmt die Sprödigkeit zu, die charakteristische Länge fällt ab. Es existieren allerdings Korrelationen zwischen lch und physikalischen Größen; z. B. beträgt die Länge der Rissprozesszone ca. 0,3–0;5 lch (Hillerborg 1983).
3.1.3.2 Prüfung der Zugfestigkeit Die Bemessungsregeln nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 bauen grundsätzlich auf der zentrischen Zugfestigkeit fct auf. Allerdings ist deren experimentelle Bestimmung im Vergleich zur Prüfung der Druckfestigkeit erheblich aufwändiger, da eine Einleitung der Zugkraft frei von Exzentrizitäten selbst über Stahlplatten, die auf Betonprismen aufgeklebt werden (Abb. 3.12a), schwierig zu realisieren ist. Zur weniger fehleranfälligen Prüfung werden statt dessen i. d. R. Spaltzug- und Biegezugversuche verwendet (Abb. 3.12b,c). Nach dem ModelCode 1990 (CEB/FIP
F F
l
d
fct ,sp =
4 Fu
fct =
d2 p
2 Fu d p l
d
fct ,fl fct
2,5 2,0 1,5
ModelCode 1990
1,0 EN 1992-1-1 0,5 hb in mm
0,0 0
400
200
600
800
Abbildung 3.13 Zusammenhang zwischen Biegezugfestigkeit und zentrischer Zugfestigkeit
1993) kann aus der Spaltzugfestigkeit fct;sp bzw. der Biegezugfestigkeit fct;fl die zentrische Zugfestigkeit näherungsweise mit Gl. (3.31) bzw. Gl. (3.32) errechnet werden. fct D 0;9fct;sp ; 1;5 fct D fct;fl
(3.31) 0;7 hb h0
1 C 1;5
0;7
(3.32)
hb h0
In Gl. (3.32) bezeichnet hb die Balkenhöhe in mm; h0 ist mit h0 D 100 mm ein Bezugswert. In Biegezugversuchen treten deutliche Maßstabseffekte in Erscheinung; mit verringerter Balkenhöhe hb steigt die Biegezugfestigkeit gegenüber der zentrischen Zugfestigkeit an. Für den Standard-Biegezugversuch (quadratischer Querschnitt mit hb D 150 mm) ergibt sich nach Gl. (3.32) fct;fl 1;5fct . Neben der in CEB/FIP (1993) angegebenen Umrechnungsbeziehung existieren weitere, z. T. auf bruchmechanischen Überlegungen basierende Ansätze für den Zusammenhang von zentrischer Zugfestigkeit und Biegezugfestigkeit (z. B. Jahn 1983; Reineck 1990). In Abb. 3.13 ist Gl. (3.32) der vereinfachten Beziehung nach EN 1992-1-1 (Gl. 3.38) gegenübergestellt.
F
3.1.3.3 Kennwerte a Zentrischer Zugversuch F
F
2
b Spaltzugversuch
2
hb l
3
l
3
l
3
fct ,fl =
Fu l b hb2
b = hb
c Biegezugversuch
Abbildung 3.12a–c Ermittlung der Zugfestigkeit im Versuch
Die in Versuchen festgestellte Korrelation zwischen Druck- und Zugfestigkeit von Beton (u. a. Heilmann 1969) erlaubt die Ableitung eines rechnerischen Mittelwertes der zentrischen Zugfestigkeit fctm aus der Druckfestigkeit. Bei höherfesten Betonen steig die Zugfestigkeit wegen der veränderten Bruchmechanismen allerdings nicht mehr im gleichen Maß mit der Druckfestigkeit an; hierfür wird ein in Remmel
72
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten
(1994) vorgeschlagener, modifizierter Zusammenhang verwendet.
Tabelle 3.4 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Bemessungswert der Betonzugfestigkeit fctd NDP
EU
D
A
˛ct
1,0
0,85a
EU
(3.33a)
kt
0,85
–b
EU
(3.33b)
cc
s/v
1,50
1,50
a
1,20
1,30
Normenregelung nach DIN 1045-1 Nach DIN 1045-1, 9.1.2 und 9.1.7 wird der Mittelwert der zentrischen Zugfestigkeit wie folgt bestimmt: bis C50/60 ab C55/67
fctm D 0;30 fck2=3 ; fcm : fctm D 2;12 ln 1 C 10
Die 5%- und 95%-Quantilwerte der zentrischen Zugfestigkeit werden unter Annahme eines konstanten Variationskoeffizienten aus den Mittelwerten abgeleitet: fctkI0;05 D 0;7 fctm ;
fctkI0;95 D 1;3 fctm :
(3.34) (3.35)
Die Umrechnung zwischen Spaltzugfestigkeit und zentrischer Zugfestigkeit darf mit Gl. (3.31) vorgenommen werden. fct D 0;9fct;sp Ein expliziter Bemessungswert der Zugfestigkeit wird nur in Zusammenhang mit dem Nachweis von Schubfugen nach DIN 1045-1, 10.3.6 angegeben, allerdings erfolgt auch der Nachweis der Querkrafttragfähigkeit über Hauptspannungen (DIN 1045-1, 10.3.3) oder der Nachweis der Spaltzugspannungen im Verankerungsbereich von Spanngliedern mit sofortigem Verbund (DIN 1045-1, 12.10.2) mit einem Bemessungswert nach Gl. (3.36) fctd D
fctkI0;05 :
c
(3.36)
In Gleichung (3.36) bedeutet:
c
Teilsicherheitsbeiwert für unbewehrten Beton nach DIN 1045-1, 5.3.3 D 1;8 (ständige und vorübergehende Bemessungssituation) D 1;3 (außergewöhnliche Bemessungssituation).
a
für den Nachweis der Verankerungslänge nach EN 1992-1-1, 8.4.2 (2) darf ˛ct D 1;0 angenommen werden. b im Einzelfall festzulegen c s/v D ständige und vorübergehende Bemessungssituation, a = außergewöhnliche Bemessungssituation; vgl. Tabelle 2.5
Die Umrechnung zwischen Spaltzugfestigkeit und zentrischer Zugfestigkeit darf nach Gl. (3.31) vorgenommen werden: fct D 0;9fct;sp In EN 1992-1-1, 3.1.8 wird zusätzlich eine Beziehung zur Ermittlung der rechnerischen Biegezugfestigkeit aus der rechnerischen zentrischen Zugfestigkeit in Abhängigkeit der Bauteilhöhe h (in mm) angegeben, mit der sinngemäß ebenfalls charakteristische Werte umgerechnet werden können: h fctm;fl D 1;6 fctm fctm (3.38) 1000 Darüber hinaus definiert EN 1992-1-1, 3.1.6 einen Bemessungswert der Betonzugfestigkeit: fctd D ˛ct
fctkI0;05
c
(3.39)
In Gl. (3.39) bedeuten: ˛ct
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Mittelwert und Quantilwerte der zentrischen Zugfestigkeit werden in EN 1992-1-1, 3.1.2 analog zu DIN 1045-1 definiert: ( 0;30 fck2=3 für fck 50 N/mm2 ; fctm D ; fcm 2;12 ln 1 C 10 ; für fck > 50 N/mm2
EU
kt
c
Beiwert zur Berücksichtigung von Langzeitauswirkungen sowie von ungünstigen Auswirkungen aus der Art der Belastung ! NDP (Tabelle 3.4) Sofern die Betonfestigkeit in einem Alter von mehr als 28 Tagen bestimmt wird, ist ˛ct mit kt zu multiplizieren. ! NDP (Tabelle 3.4) Teilsicherheitsbeiwert für Beton ! NDP (Tabelle 3.4)
fctkI0;05 D 0;7 fctm ; fctkI0;95 D 1;3 fctm :
Für die zeitliche Entwicklung der Zugfestigkeit finden sich in EN 1992-1-1, 3.1.2 Näherungsbeziehungen: fctm .t/ D Œˇcc .t/˛ fctm :
(3.37)
In Gleichung (3.37) bedeuten: ˇcc ˛
zeitabhängiger Verlauf der Druckfestigkeitsentwicklung nach Gl. (3.13) D 1;0 für t < 28 Tage D 0;5 für t 28 Tage.
3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton Beton zeigt bereits unter üblichen Gebrauchsbedingungen ein ausgeprägt zeitabhängiges Verhalten; vor allem die mit der Zeit auftretenden Dehnungen können ein Mehrfaches der elastischen Dehnung betragen. Gewöhnlich werden die zeitabhängigen Effekte unterteilt in:
3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton
73
• Schwinden als lastunabhängige Volumenverminderung, • Kriechen als allmähliche Zunahme der Dehnung bei vorgegebener konstanter Spannung und • Relaxation als allmähliche Abnahme der Spannung bei vorgegebener konstanter Dehnung. Da die beiden letztgenannten Effekte identischen Mechanismen entspringen und zudem in realen Tragstrukturen selten in Reinform zu Tage treten, werden Kriech- und Relaxationsprobleme gemeinsam behandelt; beide Begriffe beschreiben allgemein das viskose Verhalten von Beton. Gleichzeitig ist die formelmäßige Trennung von Schwind- und Kriechprozessen als Rechenvereinfachung zu sehen, da in Versuchen immer Wechselwirkungen beider Phänomene zu beobachten sind. Mit den Kriechdehnungen eng verknüpft ist eine weitere wesentliche Kenngröße von Beton, die Dauerstandfestigkeit, d. h. die höchste, theoretisch unendlich lange ertragene Spannung, die gegenüber der Kurzzeitfestigkeit deutlich reduziert sein kann. Die große Bedeutung des zeitabhängigen Verhaltens für Betonkonstruktionen wurde bereits früh erkannt und erstmals in den von Dischinger veröffentlichten, richtungweisenden Arbeiten in analytische Formulierungen gefasst (Dischinger 1937, 1939). Mittlerweile existiert eine große Bandbreite an Literatur zum zeitabhängigen Verhalten von Beton. Zusammenfassungen über Kriech- und Schwindmodelle sind in Rüsch u. Jungwirth (1976); Hilsdorf u. Müller (1987); Bažant (1988); CEB (1990) zu finden; nach wie vor von erheblicher Bedeutung sind die Arsc (t) sc (t0)
te
t0
t
ec (t) eci (te)
ecd (t,t0,te)
ecc (t,t0)
ecc (t > te) eci (t0) ecs (ts) ts
t0
te
t
Abbildung 3.14 Dehnungskomponenten von Beton im Einstufenversuch
beiten zur Superposition von Kriechdehnungen (u. a. Trost 1967; Trost u. Wolff 1970). Grundlagen und Hintergründe der derzeit in Regelwerken verankerten Modelle sind u. a. in Müller (1986) und Müller u. Kvitsel (2002) enthalten. Im folgenden Abschnitt werden die Ursachen und Hintergründe zeitabhängigen Betonverhaltens zugunsten der ausführlichen Darstellung der derzeit in Normen enthaltenen mathematischen Beziehungen knapp gehalten. Die wesentlichen Auswirkungen von Schwinden und Kriechen auf Tragwerke werden am Ende des Abschnittes angesprochen, detailliert allerdings in den Abschnitten zur Berechnung von Verformungen bzw. zur Berechnung von Zwangschnittgrößen bei statisch unbestimmten Tragwerken (s. Kap. 10 bzw. 13) erläutert.
3.2.1 Zeitabhängige Dehnungskomponenten Eine mit konstanter Druckspannung beanspruchte Betonprobe zeigt bei unveränderlichen Umgebungsbedingungen die in Abb. 3.14 wiedergegebene zeitliche Entwicklung der Dehnung. Die zum Zeitpunkt t aufgetretenen Betondehnungen können in den lastunabhängigen Anteil "cs .t; ts / aus Schwinden und die lastabhängigen Anteile "ci .t0 / aus elastischer Verformung und "cc .t; t0 / aus Kriechen zerlegt werden (Gl. 3.40). "c .t/ D "cs .t; ts / C "ci .t0 / C "cc .t; t0 /
(3.40)
Als Schwinden wird vor allem die Volumenverminderung durch das Austrocknen des Betons sowie die von den Feuchterandbedingungen unabhängige Volumenreduktion durch chemische Prozesse als Folge der Hydratation des Zements bezeichnet. Der Beginn der Austrocknung wird in Gl. (3.40) durch ts angegeben, t0 beschreibt den Zeitpunkt, zu dem die Belastung aufgebracht wird. Die Schwinddehnung nähert sich bei konstanten Umgebungsbedingungen mit zunehmender Zeit asymptotisch einem Endwert, dem Endschwindmaß "cs;1 an. Gleiches kann bei konstanter Belastung näherungsweise für die Kriechdehnung angenommen werden, sofern die Beanspruchung einen Schwellenwert in Abhängigkeit der Druckfestigkeit nicht überschreitet. Kriechen bezeichnet dabei die lastabhängigen Verformungen insbesondere des Zementsteins, deren Zusammenhänge komplex und noch nicht vollständig geklärt sind. Eine entscheidende Funktion kommt dabei dem im Zementstein enthaltenen Wasser zu.
74
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten
Unter anderem entstehen Kriechdehnungen aus Umlagerungsprozessen der Wassermoleküle in Verbindung mit Gleitvorgängen in der Zementmatrix. Durch Änderungen des Feuchtegehaltes, z. B. durch Austrocknen, werden die Kriechvorgänge beschleunigt. Bei Spannungen unterhalb jc j 0;4fcm ist Beton in guter Näherung als linear-viskoelastisches Material zu beschreiben; die Kriechdehnungen sind proportional zu den aufgebrachten Spannungen (lineares Kriechen). Für Beanspruchungen oberhalb von 0;4fcm setzt das Wachstum der Mikrorisse ein, die Proportionalität zwischen Spannungen und Kriechdehnungen geht mit zunehmend nichtlinearem Materialverhalten des Betons verloren (nichtlineares Kriechen, Abb. 3.15). Anhaltendes Mikrorisswachstum unter Dauerbeanspruchungen bedeutet eine fortschreitende Zerstörung des Betongefüges; bei Beanspruchungen oberhalb jc j 0;6 0;8fcm kann ein vorzeitiges Versagen eintreten; damit ist die Dauerstandfestigkeit erreicht. Wird der Betonkörper zum Zeitpunkt te vollständig entlastet, stellt sich die elastische Rückverformung "ci .te / unmittelbar ein. Zusätzlich geht ein Teil der allmählich aufgetretenen Kriechdehnung, die daher als verzögert elastische Dehnung "cd .t; t0 ; te / bezeichnet wird, zurück (Abb. 3.14). Den in Versuchen beobachteten zeitabhängigen Effekten sind generell große Streuungen eigen. Mit den im Folgenden vorgestellten Modellen zur Vorhersage von Kriech- und Schwinddehnungen werden Mittelwerte abgeschätzt. Die auf die Endwerte der Verformungen für t ! 1 bezogenen Variationskoeffizienten liegen bei etwa 30%. Wenn Tragwerke auf Variationen der zeitabhängigen Verformungen empfindlich reagieren – z. B. bei wesentlichen Schnittgrößenumlagerungen zwischen Bau- und Endzustand bei einigen statisch unbestimmten Konstruktionen – empfiehlt es sich, obere und untere Quantilwerte von Kriechzahl und Endschwindmaß anzunehmen.
σc
~0,4 fc
σc _ φ Ec
nichtlineares Kriechen lineares Kriechen σc εcσ = _ (1+φ) Ec
εc
Abbildung 3.15 Lineares und nichtlineares Kriechen
3.2.2 Kriechen Das Modell zur Abschätzung des Kriechens wurde unter der Prämisse der Proportionalität zwischen Spannungen und Kriechdehnungen, d. h. für lineares Kriechen entwickelt und gilt daher für Druckbeanspruchungen bis 0;4fcm . Normativ wird zur Abgrenzung die charakteristische Zylinderdruckfestigkeit fckj zum Zeitpunkt der Lastaufbringung t0 verwendet; das Modell ist damit für jc j 0;45fckj anwendbar. Dem Wesen nach beschreibt das Kriechmodell Beton als ein alterndes, linear-viskoelastisches Material.
3.2.2.1 Dehnungsanteile, Einflüsse und Ansätze Kriechen kann in die zwei Anteile Grundkriechen und Trocknungskriechen unterschieden werden. Der erste Anteil bezeichnet die bei behindertem Feuchteaustausch – z. B. bei versiegelten Proben – auftretenden Kriechdehnungen, letzterer die infolge des Feuchteaustausches mit der Umgebung durch Diffusionsprozesse zusätzlich entstehenden Dehnungen (Abb. 3.16). Mit einem Anstieg der Kriechdehnung ist zu rechnen bei: • höherer Beanspruchung, • zunehmendem Zementgehalt bzw. Zementsteinvolumen, • geringerem Hydratationsgrad, d. h. verringertem Betonalter bei Belastungsbeginn, • höherem Wassergehalt und steigender Geschwindigkeit des Wasserverlusts, d. h. im Vergleich zum Volumen zunehmende Oberfläche (z. B. bei abnehmender Bauteildicke) und geringerem Feuchteangebot der Umgebung, • höherer, während der Belastung konstanter Temperatur. Bei höherfestem Beton ist das Kriechvermögen durch die höhere Festigkeit und die deutlich verringerte Porosität in Verbindung mit dem geringen w=z-Wert eingeschränkt. Als Folge ist u. a. das Trocknungskriechen wesentlich vermindert (Abb. 3.16). Die auftretenden Kriechdehnungen werden bei linearem Kriechen mit Hilfe der Kriechzahl '.t; t0 / als Vielfaches der elastischen Kurzzeitdehnung "ci;28 berechnet: "cc .t; t0 / D "ci;28 '.t; t0 / ; (3.41) c .t0 / : (3.42) mit "ci;28 D Ec Da der E-Modul mit der Festigkeitsentwicklung des Betons verknüpft ist und daher i. Allg. mit steigen-
3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton
75
dem Betonalter zunimmt, wird die Kriechdehnung unabhängig vom tatsächlichen Belastungsalter an den E-Modul für ein Betonalter von 28 Tagen gekoppelt. Dem in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 verankerten Kriechmodell liegt als Bezugswert der Tangentenmodul im Ursprung Ec0 zugrunde. Ausgehend von Gl. (3.41) können elastische Dehnungen und Kriechdehnungen zur gesamten spannungsinduzierten Dehnung "c zusammengefasst werden: "c .t; t0 / D "ci .t0 / C "ci;28 '.t; t0 / Ec C '.t; t0 / D "ci;28 Ec .t/ D "ci;28 .n.t/ C '.t; t0 // :
(3.43a) (3.43b) (3.43c)
Mit I.t; t0 / D
1 .n.t/ C '.t; t0 // Ec
(3.44)
folgt aus Gl. (3.43c) (3.45)
"c .t; t0 / D c .t0 / I.t; t0 / :
Die Kriech- oder Komplianzfunktion I.t; t0 / nach Gl. (3.44) ist eine charakteristische Materialeigenschaft und gibt die gesamte spannungsinduzierte Dehnung unter der Wirkung einer konstanten Einheitslast an; n.t/ bezeichnet den Kehrwert der Alterungsfunktion des E-Moduls und berücksichtigt die verminderte elastische Verformung mit zunehmendem Erstbelastungsalter. Die in der Vergangenheit entwickelten mathematischen Formulierungen der Kriechfunktion bzw. der Kriechzahl können in Summations- und Produktansätze unterschieden werden. In der abgelösten Normengeneration, z. B. DIN 4227, war ein Summationsansatz verankert, für den die Kriechdehnungen in Kriechzahl j normalfester Beton höherfester Beton
Trocknungskriechen
RH = 65 %
Grundkriechen
versiegelt RH = 65 % versiegelt t0
reversible Anteile – die verzögert elastischen Dehnungen "v;el .t; t0 / mit zugehöriger Kriechzahl 'v;el .t; t0 // – und irreversible Anteile – die Fließdehnung "fl .t; t0 / mit 'f l .t/ – aufgespalten wurden (Gl. 3.46). '.t; t0 / D 'v;el .t; t0 / C 'fl .t/ 'fl .t0 /
Der additiven Verknüpfung sind Nachteile eigen – nachteilig ist insbesondere, dass der Verlauf der Fließdehnung und der vom Belastungsalter t0 abhängige Absolutwert durch die gleiche Funktion beschrieben werden – die u. a. in Hilsdorf u. Müller (1987); Müller u. Kvitsel (2002) diskutiert werden. Die aktuelle Normengeneration, zu der u. a. DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 zählen, baut auf einer multiplikativen Verknüpfung einzelner Funktionen (Produktansatz) auf, die die Auswirkungen der Einflussparameter sowie den zeitlichen Verlauf der Kriechdehnung beschreiben. Die Kriechzahl '.t; t0 / wird nach Gl. (3.47) aus der Grundkriechzahl '0 , d. h. dem Endwert für t ! 1, und der Funktion des zeitlichen Verlaufs ˇc .t; t0 / bestimmt. Für t0 nimmt ˇc .t; t0 / den Wert 0, für t ! 1 den Wert 1 an. '.t; t0 / D '0 ˇc .t; t0 /
(3.47)
Sowohl DIN 1045-1 als auch EN 1992-1-1 gehen auf das im ModelCode 1990 verankerte Formelwerk zur Ermittlung der Kriechverformungen zurück und stimmen daher weitgehend überein. 3.2.2.2 Größe und zeitlicher Verlauf des Kriechens – Formelapparat Eine rechnerische Abschätzung der Kriechdehnungen erfolgt auf Basis der zum Planungszeitpunkt bekannten Parameter; dem entsprechend wird der Einfluss der Porosität des Betongefüges auf Diffusionsprozesse lediglich über die Druckfestigkeit fcm erfasst. Weitere Parameter sind die relative Luftfeuchte der Umgebungsluft RH, die wirksame Bauteildicke h0 , das Alter des Betons bei Belastungsbeginn t0 und die summarisch über den Beiwert ˛ erfasste Hydratationsgeschwindigkeit des verwendeten Zements. Die in Gl. (3.47) enthaltene Grundkriechzahl '0 ist aus den folgenden Elementen, die die Komponenten Trocknungs- und Grundkriechen sowie den Einfluss des Betonalters bei Belastungsbeginn widerspiegeln, zusammengesetzt:
Belastungsdauer (t-t0)
Abbildung 3.16 Entwicklung der Kriechverformungen – Komponenten bei normalfestem und höherfestem Beton
(3.46)
'0 D 'RH ˇ.fcm / ˇ.t0 / mit
(3.48)
76
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten
'RH
2
3
RH 1 RH 6 7 0 ˛1 5 ˛2 ; D 41 C q 3 0;1 hh10
16;8 ; ˇ.fcm / D p fcm 1 ˇ.t0 / D 0;2 : 0;1 C t0;eff t1
In den Gln. (3.49) bis (3.53) bedeuten: (3.49)
(3.50) (3.51)
Mit Korrekturfaktoren ˛1 , ˛2 und ˛3 wird der Einfluss der Betondruckfestigkeit berücksichtigt, u. a. die mit steigender Festigkeit – d. h. dichterem Gefüge – verringerten Auswirkungen des Feuchteangebots auf die Kriechfähigkeit (! 'RH ) sowie den verzögerten Kriechverlauf durch gebremste Diffusionsprozesse (! ˇH ). 35 0;7 ˛1 D ; (3.52a) fcm 35 0;2 ˛2 D ; (3.52b) fcm 35 0;5 ˛3 D (3.52c) fcm
Die ˛-Faktoren wurden gegenüber dem ModelCode 1990 eingeführt, um die ursprünglich für normalfeste Betone entwickelten Beziehungen auf höherfeste Betone anwenden zu können (vgl. Hilsdorf u. Müller 1999). Damit wird aber gleichzeitig die Kriechfähigkeit und -geschwindigkeit von Betonen mit geringerer Festigkeit (fcm < 35) überbewertet. In EN 1992-1-1 wird dies durch die zusätzliche Abgrenzung ˛i 1;0 ausgeglichen; DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 unterscheiden sich daher in den Kriechbeiwerten für Betonfestigkeitsklassen C25/30 und kleiner. Die vorgestellten Beziehungen gelten für normal bzw. schnell erhärtende Zemente (vgl. Tabelle 3.5); hierfür ist t0;eff D t0 . Die Auswirkungen einer veränderten Festigkeitsentwicklung können durch die Modifikation des wirksamen Belastungsalters t0;eff berücksichtigt werden. Parallel dazu ist es möglich, durch ein verändertes Belastungsalter eine Temperaturbehandlung des Betons vor der Belastung – z. B. eine Wärmebehandlung von Fertigteilen – bzw. eine während der Belastung dauerhaft außerhalb des Bereichs von 10ı C bis 20ı C liegende Temperatur anzurechnen. Hierzu enthalten CEB (1990) und Anhang B zu EN 1992-11 Hinweise. 3˛ 2 t0;eff
6 D t0 4
2C
0;5 Tage
9 7 1;2 C 15 t0 t1
(3.53)
RH relative Luftfeuchte der Umgebung in %, RH0 Bezugsgröße 100%, t0 tatsächliches Betonalter bei Belastungsbeginn in Tagen, t1 Bezugsgröße 1 Tag, t0;eff wirksames Betonalter bei Belastungsbeginn in Tagen, h0 wirksame Bauteildicke in mm nach Gl. (3.54), h1 Bezugsgröße 100 mm, ˛ Beiwert zur Berücksichtigung der Festigkeitsentwicklung des Betons; in Abhängigkeit vom Zementtyp Tabelle 3.5 zu entnehmen, ˛i Beiwerte zur Berücksichtigung des Einflusses der Betondruckfestigkeit. Die wirksame Bauteildicke h0 als Maß für Geschwindigkeit und Intensität des Austrocknungsprozesses entspricht dem Verhältnis zwischen der Querschnittsfläche Ac in mm2 und dem der Umgebung ausgesetzten Umfang u in mm (Abb. 3.17). h0 D
2Ac u
(3.54)
Bei Hohlkastenquerschnitten sollte die dem Kasteninneren zugewandten Oberfläche nur zu 50% angerechnet werden, sofern der Luftaustausch und damit die Angleichung an die Feuchtebedingungen der Umgebung eingeschränkt sind. Allen anderen Hohlquerschnitten, z. B. Kreisringen, ist diese Problematik ebenfalls zueigen. Die zeitliche Entwicklung der Kriechdehnungen wird mit ˇc .t; t0 / über eine hyperbolische Potenzfunktion beschrieben: #0;3 " t t 0
ˇc .t; t0 / D
t1
ˇH C
t t0 t1
In Gl. (3.55) bedeutet: "
RH ˇH D 150 1 C 1;2 RH0 1500 ˛3 :
(3.55)
:
18 #
h0 C 250 ˛3 h1 (3.56)
3.2.2.3 Nichtlineares Kriechen Für Beanspruchungen oberhalb jc j 0;4fcm ist die Proportionalität zwischen Spannungen und Kriechdehnungen nicht mehr gegeben; die Kriechzahl steigt mit dem Beginn der Mikrorissbildung deutlich an (Stöckl 1981; Streit 1991; Shen 1992) (Abb. 3.15). Nä-
3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton
77
Tabelle 3.5 Beiwerte ˛, ˛as , ˛ds1 und ˛ds2 in Abhängigkeit vom Zementtyp (Zuordnung der Zementtypen zu den Linien in den Nomogrammen Abb. 3.18 und 3.27) Linie Nr.
Zementtyp
Merkmal
Festigkeitsklasse
˛
˛as
˛ds1
˛ds2
nach DIN EN 197-1 „1“
SL
langsam erhärtend
32,5 N
–1
800
3
0,13
„2“
N,R
normal oder schnell erhärtend
32,5 R; 42,5 N
0
700
4
0,12
„3“
RS
schnell erhärtend, hochfest
42,5 R; 52,5 N; 52,5 R
1
600
6
0,12
Ansatz der in etwas abgewandelter Form auch Eingang in EN 1992-1-1 gefunden hat.
bh h0 = b+h
h
h0 = h
h
(3.57)
mit
b a Rechteck- Querschnitt
b Platte
k D
bf
jc j I fcm .t0 /
˛ D 1;5 :
In Gl. (3.57) bedeuten:
hf h
h0 =
'.1; t0 /
b f hf + bw h - bw hf bf + h
c fcm .t0 /
bw c Plattenbalken
h
'k .1; t0 / D '.1; t0 / eŒ˛ .k 0;40/
h0 =
h 2
h0 » 2t £
h
h 2
t e Kreisring (Innenraum nicht belüftet)
d Kreisquerschnitt
bo ho bw
Innenraum
hi
h
hu bu bi h0 =
f Kastenquerschnitt (Innenraum schwach belüftet)
bo ho + bu hu + 2bw hi b o + h + 0,5(b i + hi )
Abbildung 3.17a–f Wirksame Bauteildicke h0 – Beispiele
herungsweise können nichtlineare Kriechverformungen über eine modifizierten Endkriechzahl 'k .1; t0 / nach (vgl. CEB/FIP 1993) abgeschätzt werden; ein
Endkriechzahl für lineares Kriechen, z. B. nach Abb. 3.18 kriechauslösende Druckspannung, Mittelwert der Betondruckfestigkeit zum Zeitpunkt der Lastaufbringung.
Durch die Verknüpfung der Endkriechzahl mit der anliegenden Druckspannung ist eine Superposition bei veränderlichen Spannungen nicht mehr möglich. Normenregelung nach DIN 1045-1 In DIN 1045-1, 9.1.4 werden für lineares Kriechen (jc j 0;45fckj mit fckj D fck .t0 / als charakteristischer Druckfestigkeit zum Zeitpunkt des Aufbringens kriechauslösender Spannungen) lediglich Endkriechzahlen '.1; t0 / angegeben. Hierzu wurden aus den Gln. (3.47) bis (3.55) für eine Belastungsdauer t t0 von 70 Jahren Kriechzahlen '.1; t0 / für Innen- (50% RH) und Außenbauteile (80% RH) in Nomogrammform angegeben (Abb. 3.18). Die Kriechzahlen werden hierbei auf den Tangentenmodul Ec0 im Ursprung bezogen; Ec0 kann vereinfacht durch Ec0m nach Tabelle 3.2 ersetzt werden. Für mittlere relative Luftfeuchten zwischen 40% und 100% ist eine Extra- bzw. Interpolation zulässig. Bei Druckspannungen jc j > 0;45fckj muss nichtlineares Kriechen mit Hilfe geeignete Ansätze berücksichtigt werden.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 In EN 1992-1-1, 3.1.4 werden Endkriechzahlen '.1; t0 / in Nomogrammform angegeben, die für Betonfestigkeitsklassen oberhalb C25/30 mit DIN 1045-1 übereinstimmen (vgl.
78
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten 3
2
1
C20/25
t0 in Tagen
1
RH=50%
C25/30
2
C30/37
3
C35/45
5
C40/50 C45/55 C50/60
10
C55/67 20
C60/75
30
C70/85 C80/95
50 100
C90/105 C100/115 6
5
3
4
2
1
0
10
30
50
70
90
110
130
150
h0 in cm
j(¥ ,t0) ®
a Nomogramm zur Ermittlung der Endkriechzahl für Normalbeton und trockene Umgebungsbedingungen (trockene Innenräume, relative Luftfeuchte RH = 50%) 1 4 5
3 2
3
2
1
C20/25
t0 in Tagen
1
RH=80%
2
C25/30 C30/37
3
C35/45
5
C40/50 C45/55
10
C50/60 C55/67
20
C60/75
30
C70/85
50
C80/95 C90/105 C100/115
100 6
5
4
3
2 j(¥ ,t0) ®
1
0
10
30
50
70
90
110
130
150
h0 in cm
b Nomogramm zur Ermittlung der Endkriechzahl für Normalbeton und feuchte Umgebungsbedingungen (Außenluft, relative Luftfeuchte RH = 80%)
Abbildung 3.18a,b Nomogramme zur Ermittlung der Endkriechzahl '.1; t0 / für trockene (! a) und feuchte (! b) Umgebungsbedingungen nach DIN 1045-1 und DIN EN 1992-1-1 für Normalbeton (Zuordnung der Linien „1“, „2“ und „3“ zu Zementtypen nach Tabelle 3.5)
Abb. 3.18). Die Kriechzahlen sind in der aktuellen Ausgabe auf einen Tangentenmodul Ec D 1;05 Ecm bezogen. In Anhang B zu EN 1992-1-1 wird ergänzend ein Formelwerk zur Berechnung von Kriechzahlen '.t; t0 / für beliebige Belastungsdauern t t0 angegeben, das mit den hier angegebenen Gln. (3.47) bis (3.55) identisch ist; zusätzlich gilt ˛1 , ˛2 bzw. ˛3 1;0. Sofern bei Belastungsbeginn t0 Druckspannungen jc j > 0;45fck .t0 / auftreten, muss die Nichtlinearität des Kriechens z. B. durch Gl. (3.58) berücksichtigt werden.
'nl .1; t0 / D '.1; t0 / eŒ 1;5.k 0;45/ ; jc j mit k D fck .t0 /
(3.58)
3.2.2.4 Dauerstandfestigkeit Durch die mit zunehmender Belastungsdauer infolge des Mikrorisswachstums kontinuierlich fortschreiten-
3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton
79
|ec| Sekundärkriechen
Primärkriechen
Tertiärkriechen
Bruch
che Streuungen auf (Rüsch 1960; Rüsch u. a. 1968) (Abb. 3.20).
3.2.2.5 Kriechen und Dauerstandfestigkeit unter Zugbeanspruchungen eci elastische Dehnung Zeit t - t0 (linear)
Abbildung 3.19 Kriechverformungen bei Beton unter hoher Dauerlast
de Entfestigung können hohe Dauerlasten zu einem Versagen des Betons bei gegenüber der Kurzzeitfestigkeit fcm deutlich reduzierten Spannungen führen. Abbildung 3.19 zeigt die bei hohen Dauerbeanspruchungen charakteristische, in drei Bereiche zu untergliedernde Entwicklung der Kriechdehnungen; insbesondere die überproportionale Zunahme der Dehnung im dritten Ast (tertiäres Kriechen) beschreibt eine progressive Entfestigung, die einem Druckversagen unmittelbar vorausgeht. Dem gegenüber wird bei geringen Beanspruchungen (lineares Kriechen) i. Allg. der Bereich des primären Kriechens nicht verlassen (Streit 1991). Parallel zur Dauerbeanspruchung steigt die statische Festigkeit durch den mit der Zeit zunehmenden Hydratationsgrad (Nacherhärtung) weiter an. Die Dauerstandfestigkeit ist damit abhängig vom Belastungsalter t0 und dem Hydratationsfortschritt. Die in Versuchen ermittelte Dauerstandfestigkeit liegt im Bereich von 0,65–0;85fcm , weist allerdings beträchtli-
|ec| in ‰ 7
Br
6
h uc
gr
0.
5
0.
0.85
4 3
ze
75
0.80
en
0.90
70 0 0.6 50 0.
sc / fc = 1,0
2 1
t0 = 56 d 10
100
1000 min
7d
70 d 700 d Zeit t - t0 (log)
Abbildung 3.20 Kriechverformungen bei verschiedenen Lastniveaus – Dauerstandfestigkeit
Wird Beton dauerhaft durch Zugspannungen beansprucht, zeigt er ähnlich dem Verhalten bei Druckbeanspruchung zeitabhängige Dehnungen mit gegenüber fctm verminderter Dauerstand-Zugfestigkeit. Die wenigen Untersuchungen zum Zugkriechen legen nahe, dass in einem Beanspruchungsbereich 0 c 0;6 fctm lineares Kriechen vorausgesetzt werden kann; gleichzeitig können die für Druckspannungen entwickelten Modelle bzw. Kriechzahlen übernommen werden (Kordina u. a. 2000). Die dauerhaft zu ertragende Zugbeanspruchung wird ebenfalls durch fortschreitendes Mikrorisswachstum gesteuert. Nach Reinhardt u. Cornelissen (1985) fällt die Zugfestigkeit bei langandauernden Beanspruchungen allerdings sehr schnell ab und erreicht nach kurzer Zeit – z. T. bereits nach 24 Stunden – die Dauerstandfestigkeit von 0,6–0,7fctm.
3.2.3 Kriechen bei veränderlichen Spannungen – Superposition Das Modell zur Vorhersage der Kriechdehnungen setzt konstante Beanspruchungen voraus; die Betondruckspannungen in realen Tragwerken erfüllen diese Bedingung in vielen Fällen nicht. Bei Fertigteilen treten zwischen Bau- und Endzustand ebenso beträchtliche Änderungen der langfristig wirkenden Betondruckspannungen auf wie z. B. bei Brücken, die abschnittsweise bzw. im Freivorbau hergestellt werden. Für geringe Beanspruchungen (jc j 0;4fcm ), d. h. lineares Kriechen, ist die Superposition zeitabhängiger Dehnungen aus verschiedenen Spannungsstufen möglich, das Boltzmann’sche Superpositionsprinzip gilt. Die hierfür grundlegende Erkenntnis – und gleichzeitig die wesentliche Weiterentwicklung gegenüber dem Modell in Dischinger (1937) – folgt aus der Betrachtung des Betons als alterndes linear-viskoelastisches Material. Von Dischinger wurden ideale Kriechkurven (Whitney’sche Idealkurven) vorausgesetzt, die für Dauerlasten unabhängig vom Zeitpunkt der Lastaufbringung gelten (Abb. 3.21a). Damit geht – im Widerspruch zu Versuchen (vgl. Trost u. a. 1978) – die Kriechdehnung bei Belastung eines alten Betons gegen
80
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten j(t)
sc (t)
j(t2) j(t1)
Ds c (t 3 ) j(t1)
Ds c (t 2 )
j(t2)
Ds c (t 1 ) t0
t1
t2
s c (t 0 )
t
t t0
a Idealkurve nach Dischinger
t1
t2
t3
a Spannungen j(t,t0)
ecs(t)
3
t0
t1
t2
å Ds (t i )
t
I (t , t i )
i =1
b Kriechkurven eines alternden viskoelastischen Materials ( = Beton)
Abbildung 3.21a,b Kriechzahlen für verschiedene Belastungszeitpunkte
s c (t 0 ) I ( t , t 0 )
t0
t1
t2
t
t3 =
Null. Dagegen beginnt bei viskoelastischen Materialien für jede aufgebrachte Beanspruchung die Kriechgeschichte erneut; die Alterung bewirkt jedoch eine Verringerung der Kriechfähigkeit (Abb. 3.21b).
3.2.3.1 Relaxationsbeiwert Die Druckbeanspruchung einer Betonprobe wird nach Abb. 3.22a in n Stufen aufgebracht. Die gesamte spannungsinduzierte Dehnung zum Zeitpunkt t errechnet sich dann aus:
e ci (t 0 )
t0
i D1
Wird anstelle einer abschnittsweise konstanten Spannungsfunktion eine stetig veränderliche Beanspruchung betrachtet, wird der Summenausdruck in Gl. (3.59c) zu einem Integral über das Zeitintervall Œt0 ; t:
t
+ Ds c (t 1 ) I (t , t 1 )
De ci (t 1 )
t
t1
+ Ds c (t 2 ) I (t, t 2 )
De ci (t 2 )
t
t2 +
"c .t/ D "c .t; t0 / C "c1 .t1 / (3.59a) C"c2 .t2 / C C "cn .tn / c .t0 / Œn.t0 / C '.t; t0 / D Ec c .t1 / C Œn.t1 / C '.t; t1 / C : : : (3.59b) Ec c .t0 / D Œn.t0 / C '.t; t0 / Ec n X c .ti / C Œn.ti / C '.t; ti / : (3.59c) Ec
s c (t 0 ) I ( t , t 0 )
Ds c (t 3 ) I (t, t 3 )
De ci (t 3 )
t3
t
b spannungsinduzierte Dehnungen
Abbildung 3.22a,b Superposition zeitabhängiger Dehnungen bei veränderlicher Spannung
"c .t/ D
c .t0 / Œn.t0 / C '.t; t0 / (3.60) Ec Zt @c ./ 1 Œn./ C '.t; / d : C @ Ec Dt0
3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton
81
Wird Gl. (3.60) mit Hilfe der Kriechfunktion I.t; ti / nach Gl. (3.44) angeschrieben, ergibt sich ein in der Literatur häufig anzutreffender Ausdruck (u. a. DAfStb 2003):
C
Dt0
(3.62) Berechnungen aufbauend auf Gl. (3.62) sind i. Allg. nur numerisch über eine zeitliche Diskretisierung der Kriechprozesse möglich. Ein Beispiel für die Aufteilung der Spannungsgeschichte zur Superposition von Kriechdehnungen ist in Abb. 3.23 dargestellt. Eine vereinfachte Superposition der Kriechanteile veränderlicher Spannungen wird durch die Substitution des Integralausdrucks erreicht (vgl. Trost 1967): c .t0 / Œ1 C '.t; t0 / Ec 2 t Z @c ./ 1 4 d C Ec @ Dt0
C
Dt0
3 @c ./ '.t; /d 5 @
(3.63a)
c .t0 / Œ1 C '.t; t0 / Ec c .t/ c .t0 / C Ec c .t/ c .t0 / .t; t0 /'.t; t0 / (3.63b) C Ec c .t0 / D Œ1 C '.t; t0 / Ec c .t; t0 / C Œ1 C .t; t0 /'.t; t0 / ; Ec (3.63c) D
mit
t
te
-sc
t0
te
t
ecs(t) sc(t0).I(t,t0)
t0
c .t0 / Œ1 C '.t; t0 / Ec Zt @c ./ 1 Œ1 C '.t; / d : C @ Ec
Zt
t0
(3.61)
Vereinfachend kann die Veränderung des E-Moduls mit zunehmendem Betonalter vernachlässigt werden (n.t/ ! 1). Aus Gl. (3.60) folgt dann:
"c .t/ D
sc
sc
ecs(t)
@c ./ I.t; /d : @
Dt0
"c .t/ D
sc(t)
a Spannungen
"c .t/ D c .t0 /I.t; t0 / Zt
sc(t)
t
te
t0
c spannungsindizierte Dehnungen
te
t sc(te).I(t,te)
b Superposition
Abbildung 3.23a–c Anwendung der elementaren Superposition von Kriechverformungen bei veränderlichen Spannungen
.t; t0 / D
Rt
Dt0
@c ./ @
'.t; /d
Œc .t/ c .t0 / '.t; t0 / Pn c .ti / '.t; ti / : D i D1 c .t; t0 / '.t; t0 /
(3.64)
Der Relaxationsbeiwert .t; t0 / nach Gl. (3.64) erfasst zum einen den zeitlichen Verlauf der Spannungen und zum anderen die mit zunehmendem Betonalter verminderte Kriechfähigkeit; wird daher auch als Alterungsbeiwert bezeichnet. Der wesentliche Vorteil besteht darin, dass .t; t0 / näherungsweise vorab berechnet werden kann und damit die aufwändige Integration zur Bestimmung der Kriechverformungen entfällt. Der Relaxationsbeiwert variiert allgemein in den Grenzen 0;5 .t; t0 / 1;0. Mit hinreichender Genauigkeit kann .t; t0 / für stetig veränderliche Spannungen als konstant mit D 0;8 angenommen werden (vgl. Trost 1967; CEB 1993), zumal der Beiwert lediglich multiplikativ mit der – allgemein mit großen Streuungen behafteten – Kriechzahl '.t; t0 / verknüpft ist. 3.2.3.2 Effektiver E-Modul Mit Gl. (3.63b) können die Auswirkungen konstanter und zeitlich veränderlicher Spannungen auf die Kriechverformungen getrennt betrachtet werden. Für den Anteil infolge c .t0 / gilt: c .t0 / Œ1 C '.t; t0 / Ec c .t0 / D Ec;eff Ec : ) Ec;eff D 1 C '.t; t0 /
"c .t/ D
(3.65a) (3.65b) (3.65c)
Mit Ec;eff beschreibt Gl. (3.65) den effektiven E-Modul, mit dem die Berechnung von Kriechverformungen er-
82
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten
heblich vereinfacht wird. Für den zeitlich veränderlichen Anteil lässt sich auf analogem Weg ein effektiver E-Modul ableiten. c .t; t0 / Œ1 C .t; t0 /'.t; t0 / (3.66a) Ec c .t; t0 / D (3.66b) 0 Ec;eff Ec (3.66c) D 1 C .t; t0 /'.t; t0 /
"c .t/ D
0 ) Ec;eff
Sofern bei kombinierter Beanspruchung der ständig vorhandene Anteil c .t0 / überwiegt, kann näherungsweise .t; t0 / D 1;0 gesetzt werden; damit wird 0 Ec;eff D Ec;eff und c .t/ c .t0 / C c .t; t0 / ; Ec;eff Ec;eff Ec D 1 C '.t; t0 /
"c .t/ mit Ec;eff
c c Ecm C '.t; t0 / Ecm E Ec0m cm c Ecm D 1 '.t; t0 / Ecm Ec0m c D ; Ec;eff
(3.67)
(3.68a) (3.68b) (3.68c)
mit Ec;eff D
Ecm ; 1 C ˛i '.t; t0 /
˛i D
Ecm : Ec0m
Relaxation beschreibt den zeitabhängigen Abbau von Spannungen bei konstanten Dehnungen. Mit Hilfe des Relaxationsbeiwertes .t; t0 / kann für reine Relaxation – d. h. ohne Berücksichtigung des Schwindens – eine Näherungslösung zur Berechnung des Spannungsabbaus ermittelt werden. Ausgehend von der Kontinuitätsbedingung der Dehnungen (3.71)
"c .t/ D "c .t0 / folgt aus
(3.72)
Ec "c .t0 / D c .t0 / ;
mit Gl. (3.63b) der Spannungsabbau zum Zeitpunkt t: 0 D Ec "c .t/ c .t0 /
Für ausschließlich konstanten Betonspannungen, d. h. c .t; t0 / D 0, liefert Gl. (3.67) die exakte Lösung; bei erheblichem Anteil veränderlicher Spannungen ist sie oft eine ausreichend genaue Näherung. Da Verformungsberechnungen i. Allg. der Sekantenmodul Ecm – der das elastische Verhalten des Betons bei Betonspannungen bis jc j 0;4fcm im Mittel beschreibt – zugrunde zu legen ist, ist auch für Ec;eff der Bezug auf Ecm sinnvoll. Bei Verwendung der EModuli nach DIN 1045-1 gilt für die spannungsinduzierten Verformungsanteile näherungsweise: "c .t/ D
3.2.3.3 Relaxation
(3.69)
Nach Gl. (3.69) kann also der effektive E-Modul nach DIN 1045-1 auf den Sekantenmodul Ecm bezogen werden, wenn die Kriechzahl mit dem Verhältnis der EModuli ˛i nach Gl. (3.9) skaliert wird. Für Berechnungen nach EN 1992-1-1 gilt Gl. (3.69) ebenfalls, sofern ˛i D 1=1;05 D 0;95 D const. eingesetzt wird. 8 Ecm ˆ ˆ < 1 C ˛ '.t; t / ; .DIN 1045-1/ i 0 ) Ec;eff D (3.70) ˆ Ecm ˆ : ; .EN-1992-1-1/ 1 C 0;95 '.t; t0 /
(3.73a)
D c .t0 /Œ1 C '.t; t0 / C Œc .t/ c .t0 / (3.73b) Œ1 C .t; t0 /'.t; t0 / c .t0 / : Gleichung (3.73b) kann nach dem Verhältniswert der Spannungen c .t/=c .t0 / aufgelöst werden: '.t; t0 / c .t/ D 1 ; c .t0 / 1 C .t; t0 /'.t; t0 / D 1 .t; t0 / :
(3.74a) (3.74b)
Die Relaxationszahl .t; t0 / nach Gl. (3.74b) gibt die Abnahme der Spannung bei konstanter Dehnung an und ist damit formal analog zur Kriechzahl definiert Trost (1987). Beispiel 3.1 Auf einen Betonzylinder des Durchmessers 200 mm nach Abb. 3.24 wird im Alter von 30 Tagen eine zeitlich konstante Druckstauchung "c aufgebracht. Gesucht ist der Anteil der Druckspannungen c .t/, der für t ! 1 noch im Beton vorhanden ist. Die Kriechdehnung wird durch folgende Parameter beschrieben: '.1; 30/ D 2;61 I Mit .1; 30/ .1; 30/ zu:
h0 D
2Ac h D D 100 mm : uc 2
0;8 folgt die Relaxationszahl
'.1; 30/ 1 C .1; 30/'.1; 30/ 2;61 D D 0;845 1 C 0;8 2;61 c .1/ D 1 0;845 D 0;155 : ) c .t0 D 30/
.1; 30/ D
Damit fällt die zum Zeitpunkt t0 aufgebrachte Spannung auf 15,5% des Ausgangswertes ab. Abb. 3.24 zeigt den zugehörigen Zeitverlauf.
3.2 Zeitabhängiges Verhalten von Beton
83
sc(t) sc(t0)
1.0 C30/37 CEM I 32,5R RH = 50% t0 = 30d
0,8 0,6
genschaften erweitert werden. Grundsätzlich ist allerdings für Beton die Altersabhängigkeit der Modellparameter zu beachten. Im Rahmen numerischer Methoden können derartige Modelle um die bei höheren Beanspruchungen auftretenden nichtlineare Effekte ergänzt werden (vgl. Shen 1992; Fritsche 2001).
d = 200mm
0,4
3.2.4 Schwinden 0,2
0,155
3.2.4.1 Dehnungsanteile und Einflüsse
0 0
100
200 t - t0 in Tagen
Abbildung 3.24 Beispiel 3.1 – rechnerische Abnahme der Druckspannung bei einem Relaxationsversuch an einer Betonprobe
3.2.3.4 Weitere Methoden zur Erfassung von Kriechdehnungen Neben den analytischen, an Kriechversuchen kalibrierten Vorhersagemodellen können insbesondere für numerische Berechnungen vorteilhaft rheologische Modelle verwendet werden (vgl. Bažant 1988). Das zeitabhängige Verhalten viskoelastischer Stoffe wird durch die Kombination einfacher Grundelemente – Hooke’sche Feder und Newton’scher Dämpfer – abgebildet. Exemplarisch ist in Abb. 3.25 ein vierparametriges Modell als Reihenschaltung eines Kelvin-VoigtModells mit einem Maxwell-Modell wiedergegeben, mit dem das Kriechverhalten von Beton angenähert werden kann. Rheologische Modelle können durch St’Venant’sche Reibelemente um viskoplastische Ei-
Kelvin-VoigtModell
sc(t) sc
h1
E1
t0
t
t1
e(t) E2 h2
P sc MaxwellModell a Rheologisches Modell
1
sc h2
sc E2
sc E1 sc E2
t0
t1
sc E1
t
b Spannung und Dehnung in Abhängigkeit der Zeit
Abbildung 3.25a,b Abbildung linear-viskoelastischen Materialverhaltens mit einem rheologischen Modell
Im Unterschied zum Kriechen sind Ursachen und Abläufe wie auch die wesentlichen Einflussparameter der Schwinddehnungen weitgehend geklärt. Zur rechnerischen Erfassung werden die maßgebenden Komponenten, die Trocknungsschwinddehnung "cds .t; ts / aus der Austrocknung des Bauteils und die Schrumpfdehnung "cas .t/ als Summe des chemischen Schwindens und des autogenen Schwindens (innere Austrocknung) getrennt behandelt (Gl. 3.75). "cs .t; ts / D "cas .t/ C "cds .t; ts /
(3.75)
Trocknungsschwinden erfordert einen Feuchtegradienten, d. h. einen Feuchteunterschied zur Umgebung und ist daher wie das Trocknungskriechen mit der Form des Bauteils und dem Feuchteangebot der Umgebung verknüpft. Trocknungsschwinden setzt mit dem Beginn der Austrocknung, z. B. mit dem Ende der Nachbehandlung ein. Die Diffusionstheorie legt allerdings nahe, dass sich die Oberfläche, die der Umgebung ausgesetzt ist, nur auf den zeitlichen Verlauf des Trocknungsschwindens, nicht aber auf den theoretischen Endwert "cds1 auswirkt. Die Diffusionsprozesse können auch in umgekehrter Richtung ablaufen; durch Wasseraufnahme, d. h. Quellen nimmt das Betonvolumen zu. Trocknungsschwinddehnungen können allerdings nicht vollständig durch Quellen kompensiert werden, da sie nur zum Teil reversibel sind. Im Gegensatz zum Trocknungsschwinden sind Größe und Verlauf der Schrumpfdehnung unabhängig von Feuchteangebot, Bauteilform und Beginn des Austrocknens ts , sondern werden allein durch die Zusammensetzung des Betons gesteuert; die Schrumpfdehnung wächst mit steigendem Zementanteil, also auch mit steigender Betonfestigkeit an (Abb. 3.26). Ein erheblicher Anteil der Schrumpfdehnungen tritt bereits während der Betonerhärtung, also bereits in den ersten Tagen nach dem Betonieren auf.
84
3 Werkstoffkennwerte und Verbundverhalten
h 8 RH 3 i ˆ 1;55 1 ; ˆ 100 ˆ ˆ < für 40% RH < 99% ˇs1 ˇRH .RH/ D ; ˆ 0;25 ; ˆ ˆ ˆ : für RH 99% ˇs1
Schwindmaß, ecs (0 e0 e0 e0000 0 0 000 0)
ME NE
zi s1 c1 Querschnitt
^ =
z
+
Dehnungen
MR / z c,N
c,M
Spannungen, resultierende Kräfte
Einwirkungen
Abbildung 6.2a,b Auswirkungen einer Normalkraft auf den Dehnungszustand eines Querschnittes; Superposition von Spannungen im Zustand I
194
6 Biegung und Längskraft
spannung. Im ungerissenen Balken trägt die Bewehrung dem entsprechend nur wenig zur Tragfähigkeit des Querschnittes bei.
6.1.3 Tragverhalten des gerissenen Balkens – Grundsätze der Bemessung Wird für den in Abschn. 1.2 dargestellten Balken die Randzugspannung fct;eff im Bereich zwischen den Lasteinleitungsstellen erreicht, treten erste Risse auf (Einzelrisszustand). Der Dehnungs- und Spannungszustand im Riss selbst wie auch in den angrenzenden Bereichen wird grundlegend verändert (Abb. 6.3); im Riss erreichen die Beton- und Stahlspannungen die jeweiligen Größtwerte; am Ende der angrenzenden Störlängen – nach der Einleitungslänge der Rissschnittgröße – liegen wieder die Verhältnisse des ungerissenen Querschnittes vor. Im Riss stehen zur Erfüllung des Gleichgewichts zwischen äußeren und inneren Schnittgrößen im Wesentlichen nur mehr Betondruckspannungen und Stahlzugspannungen zur Verfügung. Durch die im Vergleich zur ungerissenen Zugzone deutlich geringere Dehnsteifigkeit der Bewehrung geht mit dem Aufreißen des Querschnittes ein starker Anstieg der Dehnungen von Betonstahl und druckbeanspruchtem Beton einher; gleichzeitig wandert die Dehnungsnulllinie gegen-
ec2
Betonrandstauchung A
B
über dem Zustand I weiter zum gedrückten Rand. Wird weiterhin die Gültigkeit der Hypothese von Bernoulli vorausgesetzt, gilt auch für den gerissenen Querschnitt eine durch "0 und bzw. durch "c2 und "s1 beschriebene, ebene Dehnungsverteilung (Abb. 6.4). Durch die Verlagerung der Nulllinie treten selbst bei reiner Biegung im gerissenen Querschnitt Längsdehnungen "0 in Höhe der Schwerachse auf. Die auf den Querschnittsschwerpunkt bezogenen Gln. (6.4) und (6.5) zur Ermittlung der inneren Schnittgrößen MR und NR sind weiterhin gültig. Werden die Integralausdrücke durch die resultierenden inneren Kräfte und zugehörige Hebelarme ersetzt, kann das Gleichgewicht innerer und äußerer Schnittgrößen durch die Gln. (6.15) und (6.16) angeschrieben werden.1
•
B Betondehnung auf Höhe der Bewehrung
• •
Betonstahldehnung
es1 ec2
sc2
sc2
ec2
• •
es1 Schnitt A-A
ss1
es1 Schnitt B-B
ss1 Höhe des sichtbaren Risses
Abbildung 6.3 Dehnungen und Spannungen in der Umgebung eines Risses
(6.15) (6.16)
Für geringe Beanspruchungen der Betondruckzone ist weiterhin von einer linearisierten SpannungsDehnungs-Linie auszugehen. Bei höheren Beanspruchungen treten die nichtlinearen Materialeigenschaften des druckbeanspruchten Betons zu Tage; die Größe der Druckspannungsresultierenden Fc und deren Abstand a vom druckbeanspruchten Querschnittsrand können damit nicht mehr ohne genauere Kenntnis des Spannungsverlaufs angegeben werden (Abb. 6.5). Im Unterschied zu Bauteilen aus homogenem, elastischem Material zeigt der Verbundbaustoff Stahlbeton deutliche Abweichungen von einem linearen Zusammenhang zwischen äußeren Schnittgrößen und inneren Spannungen. Das nichtlineare Querschnittsverhalten ist neben der nichtlinearen (elastisch-plastischen) Spannungs-Dehnungs-Linie der Bewehrung auf zwei Ursachen zurückzuführen: 1
A
NE D NR D Fc C Fs1 ; ME D MR D Fs1 zs1 Fc .d zs1 a/
Vorzeichenregeln Abmessungen (b; h; zs1 ; zs2 ; x; a; : : : ) werden als absolute Größen ohne Vorzeichen eingeführt. Gleiches gilt für den Hebelarm z der inneren Kräfte. Festigkeiten (fcd ; fyd ; : : : ) sind stets positiv. Vorzeichen für Schnittgrößen folgen der Regelung für positive bzw. negative Schnittufer nach Abschn. 2.3.1. Dehnungen, Spannungen und innere Kräfte werden bei Druckbeanspruchung negativ, bei Zugbeanspruchung positiv angeschrieben. Die Orientierung der inneren Kräftge in Abbildungen folgt der Wirkungsrichtung: Zugkräfte (z. B. Fs ) weisen in Richtung der positiven x-Achse, Druckkräfte (z. B. Fc ) in entgegengesetzter Richtung. Ungeachtet der zeichnerischen Darstellung werden Druckkräfte unter Beachtung des Vorzeichens (negativ!) in Gleichgewichtsbedingungen eingeführt (z. B. Gl. 6.15).
6.1 Tragverhalten, Bemessungsgrundlagen Druckzone
195 s>0s0 e0 e0 s0s0s "c "c2u
Im Folgenden werden Lösungen für Dehnungsverteilungen mit Nulllinie innerhalb des Querschnitts angegeben; vollständig überdrückte Querschnitte können durch Subtraktion zweier resultierender Kräfte erfasst werden (Abb. 6.13b). Für Querschnitte mit rechteckiger Druckzone, damit b.z/ D b D const. gelten die Gln. (6.25) und (6.26): 8 nC1 "c ˆ ˆ "c2 1 1 "c2 ˆ 1 "c ; ˆ ˆ nC1 ˆ < für 0 "c "c2 ˛R D (6.25) ˆ "c2 ˆ ˆ 1 "c .nC1/ ; ˆ ˆ ˆ : für " > " " c2
ka D
8 ˆ ˆ ˆ ˆ 1 ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ <
ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ 1 ˆ ˆ ˆ ˆ :
1 ˛R
"
1 2
C
c
c2u
"2c2 "2c
nC1 1 1 "" c c2
nC1
1 "" c
c2
nC2
nC2
1
!#
;
für 0 "c "c2 1 ˛R
1 2
"2c2 "2c .nC1/
C
"2c2 "2c .nC2/
;
für "c2 > "c "c2u
(6.26)
Da für Betone der Festigkeitsklassen C12/15 bis C50/60 sowohl nach DIN 1045-1 als auch nach EN 1992-1-1 die Kenngrößen n D 2, "c2 D 2;0‰ und "c2u D 3;5‰ konstant sind, können die Ausdrücke für Völligkeitsbeiwert ˛R nach Gl. (6.25) und Höhenbeiwert ka nach Gl. (6.26) vereinfacht werden. Für Dehnungen in ‰ folgt: ( "2 "c 12c ; für 0 "c 2‰ 2 ˛R D für 2‰ > "c 3;5‰ 1 C 3"2c ; (bis C50/60) ; ka D
(
8C"c 24C4"c ; 3"2c C4"c C2 6"2c C4"c
(6.27)
1,0
:
aR
0,810( 0,807( 0,760(
0,8 0,6
ka
0,416( 0,411( 0,400(
0,4 0,333 PR-Diagramm bilineare s-e-Linie Spannunsgblock
0,2 0 0
-0,5
-1
-1,5
-3
e c in ‰
-3,5
6.1.6.4 Anwendung weiterer idealisierter Spannungsverteilungen Neben dem PR-Diagramm können die in Abschn. 3.1.2 vorgestellten Spannungsverteilungen – die bilineare Spannungs-Dehnung-Linie und der Spannungsblock – zur Ermittlung der inneren Betondruckkraft genutzt werden. Erstgenannte liefert weitgehend äquivalente Ergebnisse zum PR-Diagramm (Abb. 6.14) und kann 2 bis 5 verwenebenfalls für die Dehnungsbereiche det werden. Der Spannungsblock nach Abb. 3.10 unterstellt durch die Annahme konstanter Druckspannungen eine starke Plastifizierung der Druckzone. Die Spannungsordinate fcd (nach EN 1992-1-1: fcd ) und die reduzierte, rechnerische Druckzonenhöhe kx (EN 1992-1-1: x) sind per se abhängig von der
Tabelle 6.1 Völligkeitsbeiwert ˛R und Höhenbeiwert ka für das Parabel-Rechteck-Diagramm bei ausgenutzter Betondruckzone nach DIN 1045-1 (EN 1992-1-1 in Klammern) Festigkeitsklasse
˛R DIN
für 2‰ > "c 3;5‰
-2,5
-2
ka (EN)
DIN
(EN)
bis C50/60
0,810
(0,810)
0,416
(0,416)
(6.28)
C55/67
0,782
(0,742)
0,406
(0,392)
In Abb. 6.14 sind ˛R und ka nach den Gln. (6.27) und (6.28) in Abhängigkeit der Randdehnung "c eingetragen. Für den häufigen Fall, dass die Tragfähigkeit der Betondruckzone vollständig ausgenutzt wird, d. h. "c D "c2u gilt, sind die Völligkeits- und Höhenbeiwerte in Tabelle 6.1 zusammengestellt.
C60/75
0,737
(0,695)
0,391
(0,377)
C70/85
0,700
(0,637)
0,380
(0,362)
(bis C50/60) ;
) ) )
Abbildung 6.14 Völligkeitsbeiwert ˛R und Höhenbeiwert ka für Normalbeton der Festigkeitsklassen bis einschließlich C50/60 in Abhängigkeit der Randdehnung "c (DIN 1045-1)
für 0 "c 2‰ ;
) ) )
C80/95
0,670
(0,599)
0,372
(0,355)
C90/105
0,637
(0,583)
0,364
(0,353)
C100/115
0,608
–
0,359
–
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung
203 a R f cd sc2d
ec2d
a = ka x
x =x d
S
Fcd (< 0)
d
h
z =V d
= NEd
zs1
As1
ss1d
es1d b
MEd
Fs1d
=
d1
Querschnitt
MEds NEd
M Eds = M Ed - N Ed z s1
Dehnungen
Spannungen
Innere Kräfte
Äußere Schnittgrößen
Abbildung 6.15 Einfach bewehrter Rechteckquerschnitt
Form der Druckzone, der Stauchung "c des stärker gedrückten Randes und der Lage der Dehnungsnulllinie innerhalb oder außerhalb des Querschnitts. Bei vollständig ausgenutzter, rechteckiger Druckzone und Nulllinie im Querschnitt wäre der Spannungsblock für D ˛R =.2ka / (bis C50/60: 0,974)und k D 2ka (bis C50/60: 0,832) mit ˛R und ka nach Tabelle 6.1 zum PR-Diagramm gleichwertig. Wenn die Querschnittsbreite zum stärker gedrückten Rand hin abnimmt oder wenn die Druckzone nicht vollständig ausgenutzt wird (j"c j < j"c2u j), müssten und k nach unten korrigiert werden. Nach ausführlichen Vergleichsrechnungen bieten die Größen D 0;95 k D 0;8 in vielen Fällen eine befriedigende Näherung für das PR-Diagramm (vgl. Grasser 1994). Insbesondere ist die Anwendung des Spannungsblocks nicht an eine ausgenutzte Druckzone gebunden: Für j"c j < j"c2u j wird im GZT die Grenzdehnung der Bewehrung "su erreicht (vgl. Abb. 6.7); die Druckzonenhöhe ist damit sehr klein, ein Fehler bei der rechnerischen Völligkeit der Druckspannungsverteilung wirkt sich nur wenig auf den Hebelarm der inneren Kräfte aus. Der Fehler im Bemessungsergebnis ist daher i. Allg. gering (vgl. auch Abschn. 6.2.4). Sowohl in DIN 1045-1 als auch in EN 1992-1-1 wird zusätzlich empfohlen, die Spannungsordinate auf 0;9fcd (0;9fcd ) abzumindern, wenn die Querschnittsbreite zum stärker gestauchten Rand hin abnimmt. Darüber hinaus wird nach DIN 1045-1 die Anwendung des Spannungsblocks auf Dehnungsverteilungen mit Nulllinie im Querschnitt beschränkt.
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargestellt, wie bei bekannter Dehnungsverteilung die inneren Kräfte
bzw. Schnittgrößen ermittelt werden können. Im Rahmen der Bemessung muss nachgewiesen werden, dass die mit der gewählten Bewehrungsmenge ermittelten inneren Schnittgrößen mit den äußeren Schnittgrößen im Gleichgewicht stehen. Die zugehörige Dehnungsverteilung ist a priori unbekannt. Die Bemessungsaufgabe besteht dem zufolge darin, diejenige Dehnungsverteilung in Verbindung mit den zugehörigen Bewehrungsquerschnitten zu wählen, die die Gleichgewichtsbedingungen NEd D NRd und MEd D MRd erfüllen. Die Bemessung für überwiegende Biegung in Kom2 3 bination mit Längskräften betrifft die Bereiche , 4 der zulässigen Dehnungsverteilungen, setzt alund so voraus, dass die Dehnungsnulllinie innerhalb des Querschnitts liegt. Zunächst wird die Bemessung einfach bewehrter Querschnitte mit rechteckiger Druckzone vorgestellt.
6.2.1 Querschnitte ohne Druckbewehrung 6.2.1.1 Gleichgewichtsbedingungen P P Die Gleichgewichtsbedingungen N und M zwischen äußeren und inneren Schnittgrößen lauten für den einfach bewehrten Querschnitt nach Abb. 6.15: NEd D NRd MEd
D Fcd C Fs1d ; D MRd
(6.29)
D Fcd .d zs1 a/ C Fs1d zs1 :
(6.30)
Durch die Wahl der Zugbewehrungsachse als Wirkungslinie der äußeren Schnittgrößen kann Fs1d in Gl. (6.30) eliminiert werden: MEds D MEd NEd zs1
D Fcd z D Fcd .d a/ :
(6.31a) (6.31b) (6.31c)
204
6 Biegung und Längskraft
Werden Fcd und a nach den Gln. (6.23) und (6.24) mit den Hilfswerten ˛R und ka angeschrieben, folgt: MEds D ˛R x b fcd .d ka x / : „ƒ‚… ƒ‚ … „ Fcd
(6.32)
a
Die Gleichgewichtsbedingung lässt sich mit Hilfe der bezogenen Druckzonenhöhe in eine dimensionslose Form bringen. Gleichzeitig wird über der Dehnungszustand eingeführt:5 "c2 x D D ; (6.33) d "c2 "s1 MEds Eds D b d 2 fcd D ˛R .1 ka / : (6.34)
Da die Zugkraft Fs1d im auf die Achse der Bewehrung bezogenen Momentengleichgewicht nicht mehr enthalten ist, steht zur Ermittlung der erforderlichen Bewehrungsmenge das Gleichgewicht der Normalkräfte nach Gl. (6.29) zur Verfügung: As1 D
1 .Fcd C NEd / : s1
(6.35)
Die in Gl. (6.35) enthaltene Betondruckkraft kann über Gl. (6.31b) auf das bezogene Moment zurückgeführt werden: Eds b d 2 fcd MEds D z z Eds b d fcd D D !1 b d fcd Eds : mit !1 D Fcd D
(6.36) (6.37)
Wird Fcd in Gl. (6.35) eingesetzt, folgt: As1 D
1 .!1 b d fcd C NEd / : s1
(6.38)
Mit ! wird der mechanische Bewehrungsgrad definiert, der hier lediglich für NEd D 0 unmittelbar in den geometrischen Bewehrungsgrad s überführt werden kann. Aus Gl. (6.38) folgt für NEd D 0: As1 s1 s1 D s1 ; (6.39) bd fcd fcd As1 : (6.40) mit s1 D bd Der mechanische Bewehrungsgrad kann vorteilhaft zur Erstellung von tabellarischen Bemessungshilfsmitteln genutzt werden (vgl. Abschn. 6.2.3). !1 D
5
Die Randstauchung der Betondruckzone wird im Folgenden wieder mit "c2 bezeichnet (vgl. Abb. 6.15).
6.2.1.2 Lösung der Bemessungsaufgabe Da die Querschnittsabmessungen, die Lage der Bewehrung und die Festigkeiten der Baustoffe i. Allg. vorgegebenP werden, enthalten die GleichgewichtsbeP dingungen M und N bzw. die daraus abgeleiteten Beziehungen (6.34) und (6.38) nur mehr folgende Unbekannte: • Dehnungsverteilung Zur Beschreibung der Dehnungsebene sind zwei unabhängige Größen, z. B. "c2 und "s1 erforderlich. • Querschnitt der Zugbewehrung As1 . Für die Ermittlung der drei unabhängigen Unbekannten stehen mit den Gleichgewichtsbedingungen lediglich zwei Gleichungen zur Verfügung. Eine eindeutige Lösung ist damit nur durch die Einführung einer zusätzlichen Bedingung möglich. Definitionsge2 3 und 4 mäß erreicht in den Dehnungsbereichen , im Grenzzustand der Tragfähigkeit entweder die Zugdehnung der Bewehrung oder die Randdehnung der Betondruckzone den jeweils zulässigen Grenzwert "su bzw. "c2u . Wird diese Randbedingung der Dehnungsverteilung in die Gleichgewichtsbedingungen eingeführt, reduziert sich die Anzahl der Unbekannten auf 2. In den Gln. (6.34) und (6.38) ist dann nur mehr jeweils eine Unbekannte enthalten. Durch die Verwendung der Grenzzustandsbedingungen, d. h. die Vorgabe einer Randdehnung, wird insbesondere mit Gl. (6.34) die Dehnungsverteilung und damit das Bemessungsergebnis eindeutig festgelegt. Eine geschlossene Lösung ist wegen der abschnittsweisen Definition der Spannungs-Dehnungs-Linien von Beton und Bewehrung dennoch nicht möglich; im allgemeinen Fall werden Dehnungsebene und Bewehrungsmenge iterativ ermittelt.6 Ausführliche Hinweise zur programmgesteuerten Bemessung auf Grundlage einer numerisch-iterativen Ermittlung der Dehnungsebene sind u. a. in Busjaeger u. Quast (1990) enthalten. Eine einfache Umsetzung der Bemessung mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms ist analog Beispiel 5.1 möglich, die Ermittlung der Dehnungsebene z. B. über die Größen "c2 und x kann entweder durch trial and error per Hand oder mit der Intervallhalbierungsmethode erfolgen; komfortabler 6
Eine geschlossene Lösung wird bei einfach bewehrten Querschnitten nach EN 1992-1-1 möglich, wenn der horizontale Ast der Spannungs-Dehnungs-Linie der Bewehrung nach Abb. 3.37 genutzt wird. Da in diesem Fall die Dehnung des Betonstahls nicht beschränkt ist, kann immer von einer ausgenutzten Druckzone ausgegangen werden; die Bestimmung des Dehnungszustandes kann dann entfallen. Die Lösung der Bemessungsgleichung für diesen Fall wird in Abschn. 6.2.4 dargestellt.
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung
205
C12/15 - C50/60
e s1, e s 2 , e c1 in % x, V 2,5
d2
b As2
ec2
zs2
d
Fs2d Fcd
es2
x=x.d
z=z.d
h
MEds
zs1
As1
es1
Fs1d
d1
2,0
=^
NEd
ohne Druckbewehrung ( m Eds £ m Eds,lim ) e s1 [%]
As1 =
1 s sd
M Eds + N Ed z
1,5
mit Druckbewehrung ( m Eds > m Eds,lim ) M Eds,lim = m Eds,lim × b × d 2 × f cd DM Eds = M Eds - M Eds,lim 1,0
z = z/d
A s1 =
1 s sd
M Eds,lim
As 2 =
1 s sd
DM Eds d - d2
z
+
DM Eds + N Ed d - d2
0,617 0,5 0,45
x = x /d
e s 2 [%]
m Eds,lim 0,181
x lim
0,35
0,242
0,25 0,296
0,371
0,0 0,05
e c 2 [%]
0,10
0,15
0,20
0,25
0,30
0,35
0,40
0,45
d2 /d = 0,15 0,10 0,05
m Eds =
M Eds b × d 2 × f cd
-0,5
Abbildung 6.16 Allgemeines Bemessungsdiagramm für Querschnitte mit rechteckiger Druckzone (Betonfestigkeitsklassen C12/15 bis C50/60; anwendbar für DIN 1045-1 und EN 1992-1-1)
ist die Nutzung der in vielen Programmen enthaltenen Iterationsfunktionen.
6.2.1.3 Allgemeines Bemessungsdiagramm Bemessungsdiagramm Durch die dimensionslose Darstellung von Gl. (6.34) trifft die für ein bezogenes Moment Eds ermittelte Dehnungsverteilung unabhängig von den Abmessungen des Rechteckquerschnittes, der Spannungs-Dehnungs-Linie der Bewehrung oder der Betonfestigkeit zu. Letzteres gilt, sofern die Abhängigkeit der Größen ˛R und ka von der Randdehnung unverändert bleibt, ist also für Normalbeton der Festigkeitsklassen C12/15 bis C50/60 erfüllt. Gleichung (6.34) kann folglich dazu genutzt werden, die Lösung der Bemessungsaufgabe in Diagrammform für den Eingangsparameter Eds darzustellen. Mit der Vorgabe einer Dehnungsverteilung, damit definierter Größen ; ˛R und ka ist das bezogene Moment Eds durch Gl. (6.34) eindeutig festgelegt. Durch
eine systematische Variation des Dehnungszustandes 2 3 und 4 vorgegebenen in den für die Bereiche , Grenzen kann für den Eingangsparameter Eds die Lösung der Bemessungsaufgabe in Diagrammform angetragen werden (Abb. 6.16). Durch die Anpassung der Dehnungskenngrößen "c2 und "c2u bei höherfestem Beton an das sprödere Materialverhalten, damit jeweils unterschiedlichen Funktionen für ˛R und ka , ist für Festigkeitsklassen ab C55/67 jeweils ein separates Bemessungsdiagramm zu verwenden. Zudem treten ab C55/67 durch die unterschiedliche Festlegung von "c2 und "c2u Abweichungen zwischen den Bemessungsdiagrammen nach DIN 1045-1 und DIN 1992-1-1 auf. Die Anwendung des allgemeinen Bemessungsdiagramms wird in Beispiel 5.2 erläutert. Beispiel 6.1 Für den in Abb. 6.17 dargestellten Querschnitt sind Dehnungsverteilung und erforderliche Bewehrungsmenge für die einwirkenden Schnittgrößen MEd und NEd zu bestimmen. Zunächst wird ohne Verwendung von Bemessungshilfsmitteln die Bemessung auf iterativem Weg durchge-
206
6 Biegung und Längskraft
führt. Der Querschnitt soll für folgende Einwirkungen bemessen werden:
z D d ka x D 0;60 0;416 0;074
D 0;569 m ; z ! D D 1 ka D 0;949 : d
MEd D 280 kNm ; NEd D 100 kN :
Der Angriffspunkt der Normalkraft liegt mit ed D MEd =NEd D 2;8 m deutlich außerhalb des Kernquerschnitts (< h=6), dem entsprechend treten am unteren Querschnittsrand Zugspannungen auf. Nach den Bemessungsgrundsätzen ist der Querschnitt als gerissen anzusehen; die im unteren Bereich des Querschnitts angeordnete Bewehrung muss Zugkräfte aufnehmen. Da das Bauteil der Expositionsklasse XC1 zugeordnet wird, folgt für die statische Nutzhöhe mit geschätzten Durchmessern der Längs- und Bügelbewehrung ds bzw. dsw : cnom D cmin C c D 10 C 10 D 20 mm ; ds d D h cnom dsw 2 0;02 0;64 0;02 0;01 D 0;60 m : 2 Die Bemessungswerte der Baustoffeigenschaften ergeben sich zu: fyk 500 D D 434;8 N/mm2 ;
s 1;15 ftk;cal 525 D D D 456;5 N/mm2 ;
s 1;15 fyd 435 D D D 2;175 103 ; Es 200 000 fck 25 D ˛ D 0;85 D 14;2 N/mm2 :
c 1;5
fyd D ftd;cal "yd fcd
Die Betondruckkraft Fcd und das daraus resultierende innere Moment MRds um die Betonstahllage betragen: Fcd D ˛R bxfcd D 0;810 0;40 0;074 14;2 D 0;340 MN D O 340 kN ;
MRds D Fcd z D .340/ 0;569 D 194 kNm ) MRds < MEds D 308 kNm :
Die Größe der Betondruckkraft und damit die angenommene Druckzonenhöhe reichen nicht aus, um ein Gleichgewicht zwischen inneren und äußeren Schnittgrößen herzustellen. Eine Vergrößerung der Druckzone wird durch eine Reduktion der Betonstahldehnungen erreicht. Der zum Gleichgewicht zugehörige, d. h. im Grenzzustand der Tragfähigkeit vorliegende Dehnungszustand ist also durch das Erreichen der Grenzdehnung des Betons gekennzeichnet; ein Versagen der Druckzone bestimmt damit die Biegetragfähigkeit des Querschnittes (vgl. Abb. 6.18). 2. Iterationsschritt Im zweiten Iterationsschritt wird überprüft, ob der Betonstahl im Grenzzustand der Tragfähigkeit die Streckgrenze erreicht. Als Dehnungsebene wird die Grenzgerade zwi3 und 4 angenommen: schen den Bereichen "c2 D "c2u D 3:5‰ ;
"s1 D "syd D 2;175‰ :
Durch die Dehnungsebene sind alle Größen eindeutig festgelegt: 3;5 0;60 D 0;617 0;6 3;5 2;175 D 0;370 m ! D 0;617 ;
x D
Zunächst müssen die äußeren Schnittgrößen auf die Achse der Betonstahlbewehrung umgerechnet werden:
˛R D 0;810 I
MEds D MEd NEd zs1 D 280 .100/ 0;28
z D 0;446 m ! D 0;743 ;
D 308 kNm :
1. Iterationsschritt Im ersten Iterationsschritt wird überprüft, ob Stahlversa2 oder Betonversagen (Bereiche gen (Dehnungsbereich ) 3 und ) 4 maßgebend wird; als Dehnungsebene wird die 2 und 3 angenommen: Grenzgerade der Bereiche
ka D 0;416 ;
Fcd D ˛R bxfcd D 0;810 0;40 0;370 14;2 D 1;702 MN D O 1702 kN ;
MRds D Fcd z D .1702/ 0;446 D 759 kNm ) MRds > MEds :
Für den Fall, dass die Bewehrung im Grenzzustand der Tragfähigkeit gerade die Streckgrenze erreicht, ergibt
"c2 D "c2u D 3:5‰ ;
"c2 3;5 d D 0;60 "c2 "s1 3;5 25 D 0;1228 0;6 D 0;074 m ! D 0;1228 ;
S As1
xD
˛R D 0;810 I ka D 0;416 (Druckzone ausgenutzt) ;
b = 0,4 m
d = 0,60 m
Die Kenngrößen der Druckzone x, ˛R und ka sowie der Hebelarm z zwischen Betonstahlzugkraft und Druckspannungsresultierender Fcd ergeben sich damit zu (vgl. Abb. 6.14):
h = 0,64 m
"s1 D "su D 25‰ :
d 1 4 cm
MEd NEd
Betonstahl BSt500 fyk = 500 N/mm2 ftk,cal = 525 N/mm2 Beton Festigkeitsklasse C25/30 fck = 25 N/mm2 Innenbauteil Expositionsklasse XC1
Abbildung 6.17 Beispiel 6.1 – Querschnitt
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung
207 Iterationsschritt ec2u = -3,5 ‰ (1) (2)
(3)
ec2 Fcd
2
Abbildung 6.18 Beispiel 6.1 – Dehnungsebenen und zugehörige Spannungsverteilungen der Druckzone in den einzelnen Iterationsschritten
(1)
3 es1 esu = 25 ‰
sich eine zu große Druckkraft, d. h. eine zu große Druckzonenhöhe. Die für das Gleichgewicht MEds D MRds er3 forderliche Dehnungsebene liegt folglich im Bereich mit "syd < "s1 < "su . 3. Iterationsschritt Die Dehnungsebene der nächsten Iterationsschritte – festgelegt durch "c2u und die gesuchte Stahldehnung "s1 – 3 ermitkann z. B. durch Intervallhalbierung im Bereich telt werden. Hier wird gewählt: "c2 D "c2u D 3:5‰ ; "s1 D 13;8‰ :
x D 0;122m
˛R D 0;810 I
z D 0;549 m
! D 0;203 ;
ka D 0;416 ;
Fcd D 562 kN ;
! D 0;915 ;
MRds D .562/ 0;549 D 308 kNm ) MRds D MEds :
Die sich im Grenzzustand der Tragfähigkeit einstellende Dehnungsverteilung ist damit bestimmt. Die zugehörige P Bewehrungsmenge lässt sich im Nachlauf aus N D 0 ermitteln. Aus NEd D Fs1d C Fcd folgt: 1 Fs1d D .Fcd C NEd / : s1d s1d
Mit den Kennwerten der Spannungs-Dehnungs-Linie der Betonstahlbewehrung folgt wegen "s1d > "yd : "s1d "yd ftd;cal fyd "su "yd 13;8 2;175 D 434;8 C .456;5 434;8/ 25 2;175
s1d D fyd C
D 446 N/mm2 :
Die erforderliche Bewehrungsmenge ist damit: 1 .0;562 0;1/ D 10;4 104 m2 446 D O 10;4 cm2 :
erf As1 D
13,8 ‰
(2) 4
z = 0,569
0,549 0,446 Fs1d
Fs1d
MRds > MEds
MRds = MEds
Fs1d
esy = 2,175 ‰
MRds < MEds
Beispiel 6.2 Die Bemessung des Querschnitts aus Beispiel 6.1 kann unter Vermeidung des iterativen Vorgehens mit Hilfe des allgemeinen Bemessungsdiagramms erfolgen. Als Eingangswert dient das auf die Achse der Bewehrung umgerechnete bezogene Bemessungsmoment Eds : Eds D
0;308 MEds D D 0;15 : b d 2 fcd 0;4 0;62 14;2
Aus dem Diagramm (vgl. Abb. 6.16) können die folgenden Kennwerte abgelesen werden: "s1 D 13;8‰ I D 0;92 I
Daraus folgen:
erf As1 D
(3)
Fcd Fcd
"c2 D 3;5‰ I
D 0;20 :
Mit bekannter Dehnungsebene kann die erforderliche Bewehrungsmenge unmittelbar angegeben werden: z D 0;92 d D 0;92 0;6 D 0;552 m ;
s1d D 446 N/mm ; MEds 1 erf As1 D C NEd s1d z 1 0;308 D 0;1 446 0;552
D 10;3 104 m2 D 10;3 cm2 :
Das Bemessungsergebnis bei Anwendung des allgemeinen Bemessungsdiagramms weicht – bedingt durch Ableseungenauigkeiten – nur wenig von der exakten, iterativen Lösung ab. Beispiel 6.3 Anhand des einfach bewehrten Querschnitts aus den Beispielen 6.1 und 6.2 sollen die Auswirkungen unterschiedlicher Größen des Momentes MEd auf das Bemessungsergebnis im Grenzzustand der Tragfähigkeit dargestellt werden. Der Querschnitt wird durch reine Biegung (NEd D 0) beansprucht. In Abb. 6.19 sind für die mit zunehmender Ordnungszahl ansteigenden Bemessungsmomente MEd die Bemessungsergebnisse in Form der zugehörigen Dehnungsebene, der Spannungsverteilungen in der Druckzone, der Kenngrößen x, z und s1d sowie der erforderlichen Bewehrungsmenge wiedergegeben.
6.2.1.4 Einsatzgrenzen einfach bewehrter Querschnitte Beispiel 6.3 illustriert das im Grundsatz bereits im allgemeinen Bemessungsdiagramm wiedergegebene Ver-
208
6 Biegung und Längskraft
dehnungen ein Biegeversagen des Bauteils nicht mehr im gewünschten Umfang durch deutliche Verformungen und breite Risse angekündigt. In diesem Fall muss die Druckzonenhöhe entweder durch eine Veränderung der Querschnittsabmessungen bzw. der Betonfestigkeitsklasse oder durch zusätzliche Bewehrung in der Druckzone begrenzt werden.
halten von biegebeanspruchten Stahlbetonquerschnitten. Solange die Grenzstauchung des Betons "c2u noch nicht erreicht wird, kann die Bewehrung bis zur Grenzdehnung "su ausgenützt werden. Ein Anstieg der Beanspruchbarkeit ist durch eine Erhöhung der Betonrand2 stauchung möglich (Dehnungsbereich ). Erst wenn die Betonrandstauchung nicht weiter ansteigen kann, d. h. bei "c2 D "c2u , kann ein erforderlicher Anstieg der Betondruckkraft nur mehr durch eine Vergrößerung der Druckzone erfolgen. Bei linear angenommener Dehnungsverteilung über den Querschnitt muss dazu die Dehnung der Zugbewehrung reduziert werden. Gleichzeitig verringert sich damit der innere Hebelarm z. Wird der Bemessungswert der Streckgrenzdehnung "yd nicht mehr erreicht, steigt die erforderliche Bewehrungsmenge überproportional an. Das Bemessungsergebnis wird wegen der tiefliegenden Nulllinie unwirtschaftlich; gleichzeitig wird durch die geringen Stahl-
C 25/30
6.2.2 Querschnitte mit Druckbewehrung In der Druckzone angeordnete Bewehrung weist bei gleicher Dehnung mit den unmittelbar umgebenden Betonfasern die Es =Ec D ˛s -fachen Spannungen auf; die Betondruckzone kann durch Druckbewehrung entlastet und damit die erforderliche Druckzonenhöhe reduziert werden (Abb. 6.20). Eine Begrenzung der Druckzonenhöhe kann zum einen notwendig werden,
2
1
3 -3,5 ‰
0,60
-3,5 ‰
As1
23,3 ‰
5
4 -3,5 ‰
9,0 ‰
-3,5 ‰
-3,5 ‰
4,2 ‰
1,5 ‰
0,5 ‰
fcd
fcd
fcd
0,40 fcd
fcd Fcd z
ss = 455
z
Fsd
erf. As1 in cm2
z
ss = 441
z
ss = 437
z
ss = 307
ss = 100
ss in N/mm2
x,z in m 204,7
240
ss
455
0,6
200
500 441
437
0,57
400
0,53
z
0,52
0,49
160 0,4
0,38
300
120 200
0,27
80
0,2
62,5
40 7,9
17,5
100
0,08
0 0
100
0,17
x
28,9
204
408
612
1
2
3
816 918 4
5
MEd
0 0
204
408
612
1
2
3
816 918 4
MEd
5
Abbildung 6.19 Beispiel 6.3 – Auswirkungen ansteigender Momente MEd auf das Bemessungsergebnis bei einfach bewehrten Rechteckquerschnitten
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung d2
Normenregelung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1
ec2 = ec2u
As2 S
209
xlim
zs2 d
h
zs1
As1
es1 = esyd d1
b
xlim = x.d = ec2u / (ec2u - esyd).d
Abbildung 6.20 Querschnitt mit Druckbewehrung – Grenzwert der Druckzonenhöhe
um ein wirtschaftliches Bemessungsergebnis zu erzielen, deren Voraussetzung eine Betonstahldehnung "s "yd ist (vgl. Beispiel 6.3). Da die Querschnittsverkrümmung und damit die Bauteilverformung durch die Druckzonenhöhe gesteuert wird, ist durch eine Begrenzung von D x=d gleichzeitig ein duktiles Verhalten im GZT zu erzwingen (vgl. Abschn. 6.1.5).
Die Gebote einer wirtschaftlichen Bemessung und eines Mindestmaßes an Duktilität im GZT führen zur Forderung, dass die Bewehrung im Grenzzustand der Tragfähigkeit die Streckgrenze erreichen muss. x "c2d lim D D d lim "c2d "s1d lim "c2u (6.41) D "c2u "yd Für Betonstahl BSt 500 in Kombination mit normalfestem Beton der Festigkeitsklassen C12/15 bis C50/60 ("c2u D 3;5‰) gilt: 3;5 "c2u D 0;617 ; D "c2u "yd 3;5 2;175
mit "yd D
fyk =Es D 2;175 103 D O 2;175‰ :
s
Das zugehörige bezogene Moment Eds;lim kann über Gl. (6.34) bestimmt werden: Eds;lim D ˛R lim .1 ka lim / (6.42a) D 0;81 0;617 .1 0;416 0;617/ D 0;372 :
lim D 0;45 für Beton bis zur Festigkeitsklasse C50/60 lim D 0;35 für Beton ab der Festigkeitsklasse C55/67. Auf die Einhaltung der Grenzwerte kann allerdings verzichtet werden, wenn konstruktive Maßnahmen zur Sicherstellung ausreichender Duktilität getroffen werden – z. B. die Anordnung von Bügelbewehrung nach DIN 1045-1, 13.1.1 (5) zur Umschnürung der Druckzone. In EN 19921-1, 5.6.3 werden identische Grenzwerte lim nur bei einem vereinfachten Nachweis der plastischen Rotation in statisch unbestimmten Bauteilen gefordert.
6.2.2.2 Gleichgewichtsbedingungen und Lösung der Bemessungsaufgabe
6.2.2.1 Grenzwerte der Druckzonenhöhe
lim D
In DIN 1045-1, 8.2 werden ergänzende Grenzwerte der bezogenen Druckzonenhöhe angegeben. Bei linear-elastischer Schnittgrößenermittlung gelten für vorwiegend biegebeanspruchte, statisch unbestimmt gelagerte Bauteile wie Durchlaufträger bei Voraussetzung annähernd gleicher Feldweiten (0;5 < leff;1 = leff;2 < 2;0), Rahmenriegel, o. ä. folgende Grenzwerte (Tabelle 6.2 ! „stat. unbest. Systeme“):
(6.42b)
Für höherfeste Betone ergeben sich aufgrund der reduzierten Grenzstauchung "c2u verringerte Grenzwerte lim bzw. in Verbindung mit veränderten Beiwerten ˛R und ka kleinere bezogene Grenzmomente Eds;lim (Tabelle 6.2 ! „Streckgrenze“).
Das Gleichgewicht zwischen inneren und äußeren Schnittgrößen lautet bei Wahl der Zugbewehrungsachse als Wirkungslinie (Abb. 6.21, Fs2d und Fcd < 0!): NEd D NRd D Fs1d C Fs2d C Fcd ; MEds D MRds D Fs2d .d d2 / CFcd .d ka x/ :
(6.43) (6.44)
Da Gln. (6.43) und (6.44) im Unterschied zu den Gleichgewichtsbedingungen des einfach bewehrten Querschnitts (Gln. 6.34 und 6.38) neben "s1 , "c2 und As1 die zusätzliche Unbekannte As2 enthalten, P wird neben den Gleichgewichtsbedingungen M P bzw. N und der Grenzzustandsbedingung eine vierte Randbedingung erforderlich: die Vorgabe zur Beschränkung der Druckzonenhöhe mit lim . Für die Querschnittsbemessung bedeutet dies: Erst wenn Eds den Grenzwert Eds;lim überschreitet, wird Druckbewehrung erforderlich. Die Druckbewehrung muss so dimensioniert sein, dass sie die Betondruckkraft, die über die Eds;lim zugehörige Druckkraft hinausgeht, aufnehmen kann. Die Bemessung erfolgt daher zunächst für Eds;lim bzw. MEds;lim (Gl. 6.45) nach den Regeln für einfach bewehrte Querschnitte. Die Differenz zum Bemessungsmoment, MEds nach Gl. (6.46), wird als Kräftepaar durch zusätzliche Zugund Druckbewehrung aufgenommen (Abb. 6.22). MEds;lim D Eds;lim b d 2 fcd ; MEd D MEd MEds;lim
(6.45) (6.46)
210
6 Biegung und Längskraft
Tabelle 6.2 Grenzwerte der bezogenen Bemessungsmomente Eds;lim bei Beschränkung der Druckzonenhöhe nach DIN 1045-1 (Klammerwerte nach EN 1992-1-1) Festigkeitsklasse
„Streckgrenze“
stat. unbest. Systeme
lim
Eds;lim
lim
Eds;lim
bis C50/60
0,617 (0,617)
0,371 (0,371)
0,45
0,296(0,296)
C55/67
0,588 (0,588)
0,350 (0,336)
0,35
0,235 (0,224)
C60/75
0,554 (0,572)
0,320 (0,312)
0,35
0,223 (0,211)
C70/85
0,535 (0,554)
0,298 (0,282)
0,35
0,212 (0,195)
C80/95
0,525 (0,545)
0,283 (0,263)
0,35
0,204 (0,184)
C90/105
0,514 (0,545)
0,266 (0,257)
0,35
0,195 (0,179)
C100/115
0,503 ( – )
0,251 ( – )
0,35
0,186 ( – )
d2 x = x ×d
As2 S
ss2d
zs2 d
h
Fs2d (< 0) Fcd (< 0) z =V d
MEd = NEd
zs1
As1 b
sc2d
ec2 es2
es1
ss1d
Fs1d
d1 b Dehnungen
a Querschnitt
c Spannungen
d Innere Kräfte e Äußere Schnittgrößen
Abbildung 6.21a–e Querschnitt mit Druckbewehrung – Dehnungen, Spannungen und innere Kräfte
Da die Lage der zusätzlichen Zug- und Druckbewehrung und damit der Hebelarm zwischen den zugehörigen Kräften bekannt ist, können die zu ergänzenden Bewehrungsmengen As1 und As2 unmittelbar bestimmt werden: MEds d d2 MEds As2 D d d2
As1 D
1 ; s1d 1 : js2d j
(6.47) (6.48)
Im allgemeinen Bemessungsdiagramm (Abb. 6.16) sind die Grenzwerte lim sowie die zugeordneten Größen Eds;lim eingetragen. Zur Bestimmung von s2d werden für verschiedene Verhältniswerte d2 =d die Dehnungen der Druckbewehrung angegeben. Die gewählte Vorgehensweise – das Festhalten des Dehnungszustandes über lim – lässt für einen gegebenen Beanspruchungszustand Eds > Eds;lim eine freie Wahl des Verhältnisses von As1 zu As2 nicht mehr zu. Damit ist jedoch kein gravierender Nachteil verbunden, da mit dem gewählten Dehnungszustand unter allen möglichen Bewehrungsverhältnissen As1 =As2 im Hinblick auf den Bewehrungsaufwand (As1 C As2 ) am wirtschaftlichsten bemessen wird. Für die beliebige Wahl der Bewehrungsquerschnitte – z. B.
im Fall von Wechselmomenten – können so genannte Mörsch-Pucher-Diagramme verwendet werden (s. Abschn. 6.2.3).
6.2.2.3 Anmerkungen zum Ansatz der Bruttoquerschnittsfläche bei Druckbewehrung Die entwickelten Gleichgewichtsbedingungen wie auch die daraus abgeleiteten Bemessungshilfsmittel für Querschnitte mit Druckbewehrung bauen auf dem Ansatz der Bruttoquerschnittsfläche der Betondruckzone b x auf. Die von der Bewehrung eingenommene Fläche wird damit vollständig der Betondruckzone zugerechnet, der Betontraganteil also überschätzt. Die Abweichung gegenüber dem tatsächlichen Traganteil wachsen an mit: • ansteigender Druckfestigkeit, • ansteigendem Bewehrungsgrad s2 D As2 =.b d / und • abnehmender Druckzonenhöhe. Bei vollständig überdrückten Querschnitten (vgl. Abschn. 6.3) wird mit dem Ansatz der Bruttoquer-
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung
211 ec2
d
h
S
Fcd
z
=
As1
NEd
es1 Fs1d
d1
b
As2
MEds,lim
zs1
d2
Fs2d = DFs1d
es2
NEd
As2 d
d - d2
S
As1 + As1
=
MEds = M Eds ,lim
MEds
As1
es1
DFs1d
d1
b
M Eds
Abbildung 6.22 Querschnitt mit Druckbewehrung – Aufteilung des Bemessungsmomentes
schnittsfläche der Betontraganteil um maximal 5,4% (C100/115, tot D 9%) überschätzt. Bei vorwiegend biegebeanspruchten Querschnitten beträgt der Fehler abhängig von der Druckzonenhöhe lim weniger als 10%. In Abb. 6.23 ist die Abweichung der Querschnittstragfähigkeit bei Ansatz der Bruttobetonfläche (! Rds ) von der Tragfähigkeit auf Grundlage der Nettobetonfläche (! Q Rds ) dargestellt. Bei einer Genauigkeitsschranke der Schnittgrößenermittlung von 10% könnte der Fehler vernachlässigt werden. Eine Berücksichtigung der Nettobetonfläche kann bei Verwendung der in Abschn. 6.2.3 vorgestellten, auf Grundlage der Bruttoquerschnittsfläche abgeleiteten Bemessungshilfsmittel durch eine Reduktion der Betonstahlspannungen der Druckbewehrung gegenüber
Gl. (6.48) auf s2d cd;s2 erfolgen. As2 D
cd;s2
Bemessungswert der Betondruckspannung in Höhe der Druckbewehrung (aus dem Dehnungszustand zu ermitteln).
Weitere Ausführungen zum Ansatz der Nettoquerschnittsfläche sind Zilch u. a. (2003) zu entnehmen. Beispiel 6.4 Der aus den Beispielen 6.1 bis 6.3 bekannte Querschnitt soll nun mit Hilfe des allgemeinen Bemessungsdiagramms für folgende Bemessungswerte der einwirkenden Schnittgrößen bei Begrenzung der Druckzonenhöhe durch lim D 0;45 ausgelegt werden (Abb. 6.24): MEd D 762 kNm ;
x lim = 0,45
8
(6.49)
In Gl. (6.49) bedeutet:
x lim = 0,35
m Rds - m~Rds in % m~Rds
1 MEds d d2 js2d cd;s2 j
NEd D 200 kN :
C100/115
Das auf die Zugbewehrungsachse bezogene Bemessungsmoment ist:
6 C55/67
d 2 » 4 cm
2
0
r s 2 in %
0
1
2
3
S
h = 0,64 m
As2 C20/25
d = 0,60 m
4
As1
4
Abbildung 6.23 Überschätzung der rechnerischen Biegetragfähigkeit bei der Bemessung mit der Bruttoquerschnittsfläche (Grundlage: DIN 1045-1)
b = 0,4 m
d 1 » 4 cm
Abbildung 6.24 Beispiel 6.4 – Querschnitt
MEd NEd
212
6 Biegung und Längskraft MEds D MEd NEd zs1 D 818 kNm ; MEds D 0;4 > Eds;lim D 0;296 : Eds D bd 2 fcd
Um die Druckzonenhöhe auf x D 0;45 d zu begrenzen, ist folglich Druckbewehrung erforderlich. Die einem einfach bewehrten Querschnitt bzw. den ergänzenden Bewehrungsmengen zugeordneten Momente betragen: MEds;lim D Eds;lim b d 2 fcd
D 0;605 MNm D O 605 kNm ;
MEds D MEds MEds;lim D 213 kNm : Die Bemessung des einfach bewehrten Querschnitts erfolgt wie gewohnt mit Hilfe des allgemeinen Bemessungsdiagramms. Folgende Werte können für Eds;lim D 0;296 abgelesen werden: D 0;82
"s1d D 4;28‰
!
!
z D 0;486 m ;
s1d D 437 N/mm2 :
Die Dehnung "s2d der Druckbewehrung muss wegen d2 =d D 0;067 linear zwischen den Werten für d2 =d D 0;05 und d2 =d D 0;10 interpoliert werden (auch eine Berechnung aus den Größen "c2 und "s1 führt zum Ziel): "s2d D 2;98‰
!
js2d j D 435 N/mm2 :
Für die Druckbewehrung kann der ansteigende Ast der Spannungs-Dehnungs-Linie nicht genutzt werden (vgl. Abschn. 3.4). Die zur Aufnahme von MEds;lim erforderliche Bewehrungsmenge beträgt: MEds;lim 1 As1;lim D C NEd s1d z O 23;9 cm2 : D 23;8 104 m2 D
Zur Aufnahme von MEds ist zusätzlich erforderlich: 1 MEds D 8;66 104 m2 D O 8;7 cm2 ; d d2 s1d 1 MEds O 8;7 cm2 : D D 8;70 104 m2 D d d2 js2d j
As1 D As2
Die gesamte Zugbewehrungsmenge beträgt: erf As1 D As1;lim C As1 D 23;9 C 8;7 2
D 32;6 cm :
6.2.3 Bemessungshilfsmittel Die Lösung der Bemessungsaufgabe für vorwiegend biegebeanspruchte Querschnitte mit rechteckiger Druckzone bei im Querschnitt liegender Nulllinie 2 3 und ) 4 kann weitgehend (Dehnungsbereiche , verallgemeinert in Diagramm- oder Tabellenform aufbereitet werden. Für die häufig wiederkehrende Biegebemessung von Querschnitten wird damit eine
aufwändige iterative Ermittlung des Dehnungszustandes bzw. der Bewehrungsquerschnitte vermieden. Im Folgenden werden Hilfsmittel lediglich exemplarisch wiedergegeben; eine Zusammenstellung umfangreicher Bemessungshilfsmittel ist im Anhang enthalten.
6.2.3.1 Allgemeines Bemessungsdiagramm Der wesentliche Vorteil des bereits in Abschn. 6.2.1 vorgestellten allgemeinen Bemessungsdiagramms (Abb. 6.16) gegenüber anderen Bemessungshilfsmitteln ist im Umstand zu sehen, dass für eine gegebene Schnittgrößenkombination MEd , NEd (! Eds ) nicht unmittelbar die erforderlichen Bewehrungsmengen, sondern lediglich der sich einstellende Dehnungszustand sowie die Kenngrößen und zur Beschreibung der Betondruckzone abgelesen werden. Das Diagramm ist somit nur von den zulässigen Dehnungsverteilungen im Querschnitt nach Abb. 6.7 und den funktionalen Zusammenhängen zwischen der Betonrandstauchung "c2 und ˛R bzw. ka abhängig. Die Transformation von Stahldehnungen auf Spannungen, damit die Einbeziehung von SpannungsDehnungs-Linien der Bewehrung bzw. zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerten, erfolgt erst im Nachgang. Damit ist das Diagramm für beliebige Stahlsorten, also auch für die Bemessung von Spannbetonquerschnitten anwendbar. Die Anwendung bei Querschnitten, die Druckbewehrung erfordern, ist generell möglich und wurde bereits erläutert.
6.2.3.2 Dimensionslose Bemessungstabellen (! -Tafeln) !-Tafeln für Querschnitte ohne Druckbewehrung Die !-Tafeln für einfach bewehrte Querschnitte stellen im Grundsatz eine Umsetzung des allgemeinen Bemessungsdiagramms in tabellarische Form dar. Neben den im Diagramm enthaltenen Kenngrößen , , "c2 und "s1 wird der mechanische Bewehrungsgrad !1 (Gl. 6.37) angegeben (Tabelle 6.3); P der erforderliche Bewehrungsquerschnitt folgt aus N (vgl. Gl. 6.38): Eds ; 1 As1 D .!1 b d fcd C NEd / : s1d !1 D
Generell gelten für Tabelle 6.3 die für das allgemeine Bemessungsdiagramm genannten Anwendungsbe-
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung
213
dingungen. Lediglich die in der Tabelle enthaltenen Bemessungswerte der Stahlspannungen s1d beziehen sich explizit auf Betonstahl BSt 500 mit fyd D 500 N=mm2 und s D 1;15. Wie das Bemessungsdiagramm sind die für einfach bewehrte Querschnitte angegebenen Tabellen ebenfalls für die Bemessung druckbewehrter Querschnitte einzusetzen. Für das, der gewählten bezogenen Druckzonenhöhe lim zugeordnete, bezogene Grenzmoment Eds;lim kann die Tafel abgelesen werden. Die Bewehrung zur Aufnahme des Zusatzmoments MEds (Eds) ist dann mit dem Hebelarm zwischen Zug- und Druckbewehrungslage zu berechnen und zu addieren. Die Dehnung "s2 kann bei der vorausgesetzten ebenen Dehnungsverteilung aus den für Eds;lim tabellierten Werten "s1 und "c2 ermittelt werden. Für den Zugbewehrungsquerschnitt As1 gilt: As1 D
(6.50)
(6.51)
Die in der Druckzone anzuordnende Bewehrungsmenge As2 beträgt: !2 D !1 ;
As2 D
1 !2 bdfcd : js2d j
(6.52)
!-Tafeln für Querschnitte mit Druckbewehrung Zur Vereinfachung der Bemessung für Fälle, in denen Druckbewehrung erforderlich wird, kann die Bestimmung der Druckbewehrungsmenge in die !-Tafeln integriert werden; entsprechende Tafeln sind im Anhang wiedergegeben. Auf eine vorherige Aufteilung des bezogenen Bemessungsmomentes Eds kann damit verzichtet werden. Durch die Wiedergabe von !1 D !1;lim C !1 und !2 sind die Tafeln allerdings von folgenden Parametern abhängig: • • • •
1 .!1 b d fcd C NEd / ; s1d 1 !2 b d fcd : As2 D js2d j As1 D
6.2.3.3 Weitere Bemessungshilfsmittel Neben dem allgemeinen Bemessungsdiagramm und !-Tafeln mit dimensionslosen Beiwerten existieren weitere alternative Bemessungshilfsmittel, die z. T. Randbereiche der Bemessung erfassen können.
Eds D Eds;lim C Eds 1 Œ.!1;lim C !1 / b d fcd s1d CNEd ; Eds;lim ; mit !1;lim D Eds !1 D : 1 d2 =d
Betonstahlgüte und einen bestimmten Teilsicherheitsbeiwert. Für die im Anhang zusammengestellten Tafeln wurde BSt 500 und s D 1;15 vorausgesetzt. Die Abhängigkeit von der Betonfestigkeitsklasse für Klassen oberhalb C50/60 bleibt – wie bei allen anderen Darstellungsformen – weiterhin erhalten. Die Bewehrungsmengen errechnen sich zu
bezogene Druckzonenhöhe lim ; Verhältniswert d2 =d ; Streckgrenzdehnung der Bewehrung; Teilsicherheitsbeiwert s .
Da die Aufteilung der Biegedruckkraft auf Beton und Bewehrung an den Bemessungswert der Streckgrenzdehnung geknüpft ist, gelten die Tafeln für Querschnitte mit Druckbewehrung nur für eine
Dimensionsgebundene Bemessungstabellen (kd -Tafeln) In Anlehnung an die zur Bemessung nach DIN 1045:1988-07 häufig verwendeten kh -Tafeln können sog. kd -Tafeln für die Anwendung mit DIN 1045-1 entwickelt werden. Da die Tafeln allerdings nicht dimensionsrein, damit in der Anwendung gegenüber den dimensionslosen Beiwerten fehleranfälliger sind, wird auf eine Wiedergabe verzichtet. Zudem finden dimensionslose Beiwerte gegenüber dimensionsbehafteten Größen international wesentlich breitere Akzeptanz (vgl. CEB/FIP 1982). kd -Tafeln nach DIN 1045-1 für Betonfestigkeitsklassen bis C50/60 sind in König u. Tue (2003) oder Goris (2002) enthalten. Diagramme für Rechteckquerschnitte mit beliebigem Bewehrungsverhältnis As1 =As2 Wenn die Druckzonenhöhe nicht als zusätzliche Bedingung zur Bestimmung der vier unbekannten Größen eingeführt wird, ist eine eindeutige Lösung nicht mehr anzugeben; die Bemessungsaufgabe wird vieldeutig. der GleichgewichtsbedingunP Bei Verwendung P gen Ms1 bzw. Ms2 , die jeweils auf die Achse der Zug- bzw. Druckbewehrung Bezug nehmen, können durch systematische Variation des Dehnungszustandes in den zulässigen Grenzen sowie bei Variation des Bewehrungsgrades Diagramme entwickelt werden, die
214
6 Biegung und Längskraft
Tabelle 6.3 Bemessungstabelle mit dimensionslosen Beiwerten für Querschnitte mit rechteckiger Druckzone ( C12/15 bis C50/60; anwendbar nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1) 12 15 – µ Eds = As1 =
50 60
M Eds b ⋅ d 2 ⋅ f cd
1
σ sd
(ω 1 ⋅ b ⋅ d ⋅ fcd + N Ed )
µEds
ω1
ξ = x/d
ζ = z/d
εc2 [‰]
εs1 [‰]
σsd [MN/m2]
0,01 0,02
0,0101 0,0203
0,030 0,044
0,990 0,985
-0,77 -1,15
25,00 25,00
456,5 456,5
0,03 0,04
0,0306 0,0410
0,055 0,066
0,980 0,976
-1,46 -1,76
25,00 25,00
456,5 456,5
0,05
0,0515
0,076
0,971
-2,06
25,00
456,5
0,06 0,07 0,08
0,0621 0,0728 0,0836
0,086 0,097 0,107
0,967 0,962 0,957
-2,37 -2,68 -3,01
25,00 25,00 25,00
456,5 456,5 456,5
0,09 0,10
0,0946 0,1058
0,118 0,131
0,951 0,946
-3,35 -3,50
25,00 23,29
456,5 454,9
0,11 0,12
0,1170 0,1285
0,145 0,159
0,940 0,934
-3,50 -3,50
20,71 18,55
452,4 450,4
0,13 0,14
0,1401 0,1519
0,173 0,188
0,928 0,922
-3,50 -3,50
16,73 15,16
448,6 447,1
0,15
0,1638
0,202
0,916
-3,50
13,80
445,9
0,16 0,17 0,18
0,1759 0,1882 0,2007
0,217 0,233 0,248
0,910 0,903 0,897
-3,50 -3,50 -3,50
12,61 11,56 10,62
444,7 443,7 442,8
0,19 0,20
0,2134 0,2263
0,264 0,280
0,890 0,884
-3,50 -3,50
9,78 9,02
442,0 441,3
0,21 0,22
0,2395 0,2529
0,296 0,312
0,877 0,870
-3,50 -3,50
8,33 7,71
440,6 440,1
0,23 0,24
0,2665 0,2804
0,329 0,346
0,863 0,856
-3,50 -3,50
7,13 6,61
439,5 439,0
0,25
0,2946
0,364
0,849
-3,50
6,12
438,5
0,26 0,27 0,28
0,3091 0,3239 0,3391
0,382 0,400 0,419
0,841 0,834 0,826
-3,50 -3,50 -3,50
5,67 5,25 4,86
438,1 437,7 437,3
0,29 0,30
0,3546 0,3706
0,438 0,458
0,818 0,810
-3,50 -3,50
4,49 4,15
437,0 436,7
0,31 0,32
0,3869 0,4038
0,478 0,499
0,801 0,793
-3,50 -3,50
3,82 3,52
436,4 436,1
0,33 0,34
0,4211 0,4391
0,520 0,542
0,784 0,774
-3,50 -3,50
3,23 2,95
435,8 435,5
0,35
0,4576
0,565
0,765
-3,50
2,69
435,3
0,36 0,37 0,38
0,4768 0,4968 0,5177
0,589 0,614 0,640
0,755 0,745 0,734
-3,50 -3,50 -3,50
2,44 2,20 1,97
435,0 434,8 394,5
0,39 0,40
0,5396 0,5627
0,667 0,695
0,723 0,711
-3,50 -3,50
1,75 1,54
350,1 307,1
beliebige Bewehrungskombinationen As1 und As2 enthalten. Die Darstellungsform geht auf Mörsch und Pucher zurück (vgl. Grasser u. a. 1979; Leonhardt 1983); eine Anwendung kann in Fällen, in denen der Druckbewehrungsquerschnitt begrenzt werden soll, sinnvoll sein. Diagramme für die Anwendung nach DIN 1045-1 sind in Grünberg u. Klaus (2001) enthalten. Interaktionsdiagramme für symmetrisch bewehrte Querschnitte Für Querschnitte, die überwiegend durch Längskräfte oder durch Wechselmomente wesentlicher Größe beansprucht werden, ist in der Regel die Anordnung einer
symmetrischen Bewehrung sinnvoll. Bemessungsdiagramme für symmetrisch bewehrte Querschnitte, sog. Interaktionsdiagramme, werden in Abschn. 6.3 vorgestellt.
6.2.4 Vereinfachte Bemessung – Näherungsbeziehungen Für überwiegend biegebeanspruchte, einfach bewehrte Querschnitte mit rechteckiger Druckzone kann die erforderliche Bewehrungsmenge über eine Näherung des Hebelarms der inneren Kräfte z abgeschätzt wer-
6.2 Bemessung für überwiegende Biegung
215
den. Grundlage der Näherungen ist das auf die Bewehrungslage bezogene Moment MEds bzw. die bezogene Größe Eds . 1 MEds C NEd As1 D s1d z
Eine weitere Vereinfachung wird durch die Annahme genäherter Werte für ˛R und ka erreicht. Für Normalbeton bis zur Festigkeitsklasse C50/60 gilt sowohl für DIN 1045-1 als auch für EN 1992-1-1:
6.2.4.1 Bemessung für die ausgenutzte Druckzone
Die bezogene Druckzonenhöhe folgt aus Gl. (6.53) zu: p (6.56) D 1;25 1 1 2Eds :
In einem weiten Bereich von Eds erreicht die Randstauchung des Betons den Grenzwert "c2u ; die Betondruckzone ist ausgenutzt (vgl. Abb. 6.16). Für diese Fälle sind der Völligkeitsbeiwert ˛R und der Höhenbeiwert ka unabhängig von der Dehnungsverteilung konstant. Wird die quadratische Gleichung (6.34) nach der bezogenen Druckzonenhöhe aufgelöst, existiert nur eine sinnvolle Lösung: 0 1 s 1 4 k a D @1 1 Eds A : (6.53) 2 ka ˛R Der Hebelarm der inneren Kräfte ist damit durch Gl. (6.54) gegeben. Zur Ermittlung der Bewehrungsmenge kann für Eds < Eds;lim nach Tabelle 6.2 von "s1 "yd ausgegangen werden. Wird die Verfestigung des Betonstahls vernachlässigt, gilt s1d D fyd ; die erforderliche Bewehrungsmenge folgt damit aus Gl. (6.55). Die Beiwerte ˛R und ka sind für alle Betonfestigkeitsklassen in Tabelle 6.1 zusammengestellt. z D d .1 ka / 1 MEds C NEd ) As1 D fyd d .1 ka /
(6.54) (6.55)
Obwohl nach Gl. (6.53) streng genommen nur für ausgenutzte Betondruckzonen (bei Normalbeton bis C50/60: Eds > 0;094) gilt, liefert sie auch für geringere bezogene Momente, d. h. für den Dehnungsbereich, der dem Stahlversagen zugeordnet ist, eine gute Näherung. Eine zu hoch angenommene Völligkeit der Druckspannungsverteilung führt zu kleineren Druckzonen und damit zu einem geringfügig größerem Hebelarm z. Da die Druckzone bei geringen Werten von Eds generell klein ist, erzeugt der Fehler allerdings nur kleine Abweichungen des Hebelarms von der exakten Lösung (vgl. Erläuterungen zum Ansatz des Spannungsblocks in Abschn. 6.1.6). Wird die Bemessung nach EN 1992-1-1 für den horizontalen Ast der Spannungs-Dehnungs-Linie der Bewehrung nach Abb. 3.10b durchgeführt, entfällt die Begrenzung der Stahldehnungen. Damit kann auch bei kleinem Eds die Druckzone ausgenutzt werden; eine Bemessung über Gl. (6.53) liefert daher stets eine exakte Lösung.
˛R D 0;810 0;8 ; ka D 0;416 0;4 :
Der Hebelarm der inneren Kräfte ist damit p D 1 0;4 D 0;5 1 C 1 2Eds : (6.57) Der bezogene Hebelarm nach Gl. (6.57) ist in Abb. 6.25 der exakten Lösung auf Basis des PRDiagramms gegenübergestellt. 6.2.4.2 Linearisierung des Zusammenhangs -Eds Im Bereich 0 Eds 0;3 weicht der Verlauf von .Eds / nur wenig von einer Geraden ab; eine Linearisierung des Zusammenhanges zwischen einwirkendem Moment MEds und Hebelarm z bzw. Eds und liegt daher nahe. Für Beton der Festigkeitsklassen bis C50/60 ist die Beziehung D 1 0;6 Eds
(6.58)
bis Eds D 0;25 eine gute Näherung (Abb. 6.25). Wird zusätzlich der Anstieg der Betonstahlspannungen im plastisch-verfestigenden Bereich der SpannungsDehnungs-Linie berücksichtigt, folgt für BSt 500 (vgl. Quast 2002) D 1 0;5 Eds ; für 0 Eds < 0;1 ; s1d D 1;08 0;9 Eds ; fyd (6.59) für 0;1 Eds 0;37 : Die erforderliche Bewehrung kann damit für reine Biegung (NEd D 0) ermittelt werden: As1 D
MEds : d fyd
s1d fyd
(6.60)
6.2.4.3 Annahme konstanter Hebelarme Zur überschlägigen Berechnung im Rahmen eines Entwurfes bzw. zur groben Kontrolle elektronischer Berechnungen ist die Annahme konstanter Hebelarme ausreichend. Zur näherungsweisen Abgrenzung des möglichen Wertebereichs von Eds wird in Platten mit i. d. R. geringer Biegebeanspruchung (Eds < 0;2) und
216
6 Biegung und Längskraft z=
z d
1
z = 0,90
0,9
z = 0,85 0,8
exakt z = 1 - 0,6
0,7
Eds
z = 0,5 . (1 + 1 - 2
Eds
) Eds
0,6 0
0,1
0,2
0,3
0,4
Abbildung 6.25 Querschnitte mit rechteckiger Druckzone ohne Druckbewehrung – Näherungsbeziehungen für den Hebelarm der inneren Kräfte im Vergleich mit der exakten Lösung nach dem Parabel-Rechteck-Diagramm (Betonfestigkeitsklassen C12/15–C50/60)
Balken unterschieden (Abb. 6.25). Wird für den bezogenen Hebelarm für: Platten:
D 0;90 ;
Balken:
D 0;85 :
angenommen und gleichzeitig s1d D fyd gesetzt, lauten die Ausdrücke zur Berechnung der Zugbewehrung: 1 MEds C NEd ; Platten: As1 D fyd 0;9 d 1 MEds C NEd : Balken: As1 D fyd 0;85 d 6.2.4.4 Näherungen für Querschnitte mit Druckbewehrung Sofern Eds den jeweils zu lim zugehörigen Grenzwert Eds;lim überschreitet, ist davon auszugehen, dass die durch lim begrenzte Druckzone vollständig ausgenutzt ist. Für Beton der Festigkeitsklassen bis C50/60 kann daher ˛R D 0;810 und ka D 0;416 angenommen werden. Da durch lim gleichzeitig der Dehnungszustand bekannt ist, kann die Bemessungsaufgabe durch die Aufspaltung MEds D MEds;lim C MEds elementar gelöst werden. MEds;lim folgt hierfür aus Fcd d .1 ka lim / mit Fcd D 0;81 b d lim fcd . Analoges gilt für die übrigen Betonfestigkeitsklassen.
6.3 Bemessung für überwiegende Längskraft In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Be2 3 und 4 messung für die Dehnungsbereiche ,
des Dehnungsdiagramms, also vorwiegende Biegung mit Längskraft, mit den auf diesen Beanspruchungsbereich zugeschnittenen Bemessungshilfsmitteln behandelt. Ein wesentlicher Bereich des Anwendungsspektrums von Stahlbetonbauteilen, z. B. druckbeanspruchte Stützen oder Zugstäbe – also Bauteile, die in erster Linie durch Längskräfte beansprucht sind – werden durch die vorgestellten Verfahren nicht erfasst. 1 (mittige Zugkraft und Zugkraft Die den Bereichen 5 (vollständig überdrückmit geringer Ausmitte) und ter Querschnitt) zugeordnete vorwiegende Längskraftbeanspruchung ist nur in Randbereichen einer unmittelbaren Bemessung ohne Hilfsmittel zugänglich: bei Zugkraftbeanspruchung mit geringer bzw. ohne Ausmitte und zentrischer Druckbeanspruchung. Für die übrigen Fälle möglicher Dehnungsverteilungen über den Querschnitt müssen Bemessungshilfsmittel verwendet werden.
6.3.1 Mittige Zugkraft und Zugkraft mit geringer Ausmitte Die Aufteilung der Zugkraft auf die Bewehrungslagen kannP nach dem Hebelgesetz, d. h. durch die Bedingung M um den Schwerpunkt von As1 bzw. As2 erfolgen. Die Bemessungsaufgabe ist allerdings nur dann eindeutig zu lösen, wenn durch eine vorgegebene, im Grunde beliebig zu wählende Dehnungsverteilung den Zugkräften Betonstahlspannungen zugeordnet werden können. Vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Bemessungsergebnisses wird zweckmäßig s1d D s2d D ftd;cal gewählt. Die Bewehrungsquerschnitte As1 und As2 lassen sich dann mit Gl. (6.61) ermitteln (Abb. 6.26). NEd ftd;cal NEd As2 D ftd;cal
As1 D
zs2 C e ; zs1 C zs2 zs1 e zs1 C zs2
(6.61a) (6.61b)
Wird eine symmetrische Bewehrungsanordnung angestrebt, ergibt sich As1 D As2 aus dem Größtwert der Gln. (6.61a) und (6.61b). Bei zentrischer Zugkraft und symmetrischer Bewehrung gilt: As;tot D
NEd ; ftd;cal
As;tot D As1 C As2 :
(6.62)
Da die Form des gerissenen Betonquerschnitts für die Querschnittsbemessung generell nicht von Bedeutung ist, gelten die angegebenen Gleichungen naturgemäß für beliebige Querschnittsformen, sofern der Querschnitt mindestens zwei Bewehrungsstränge aufweist,
6.3 Bemessung für überwiegende Längskraft ss2 = ftd,cal
d2 As2 S e
Ss
Fs 2 = NEd .
zs1 e zs1 zs 2
zs2 +
d
h
e zs1
As1 b
217
d1
Fs1 = NEd .
es1 = es2 = esu
ss1 = ftd,cal
NEd
zs 2 e zs1 zs 2
Abbildung 6.26 Bemessung von Querschnitten bei Zugkraft mit geringer Ausmitte
zwischen denen die Zugkraft angreift. Werden mehr als zwei Bewehrungsstränge vorgesehen, ist die Bemessungsaufgabe selbst bei Vorgabe der Dehnungsebene nicht mehr eindeutig lösbar. Grundsätzlich sollte aber gewährleistet werden, dass die resultierende Bewehrungszugkraft auf der Wirkungslinie der angreifenden Kraft liegt und NRd NEd gilt. Ergänzend sei angemerkt, dass bei Zugbeanspruchung mit geringer oder ohne Ausmitte die für die Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit – insbesondere der Beschränkung auftretender Rissbreiten – erforderliche Bewehrungsmenge in vielen Fällen den statisch erforderlichen Bewehrungsquerschnitt übersteigt.
gen der zu erwartenden Kriechumlagerungen (vgl. Abschn. 10.2) die zulässige Betonstauchung auf 2;2‰ erhöht und damit die Quetschgrenze fyd der Betonstahlbewehrung (BSt 500) ausgenutzt werden. Gleichung (6.63) ist nicht auf Rechteckquerschnitte beschränkt, sondern gilt auch für beliebige Querschnitte, sofern die Druckkraft im Schwerpunkt eines Ersatzquerschnittes angreift, für den der Bewehrungsquerschnitt fyd =fcd -fach angerechnet wird. EN 1992-1-1 enthält hierzu nichts vergleichbares. Umgekehrt wird die Möglichkeit, eine Bemessung für zentrische Druckkraft durchzuführen, nach EN 19921-1 durch den Ansatz einer Mindestexzentrizität eingeschränkt.
6.3.2 Drucknormalkraft
Normenregelung nach DIN 1045-1
Die Tragfähigkeit von Bauteilen, die durch signifikante Längsdruckkräfte beansprucht werden – i. Allg. Stützen – kann durch Verformungen des Tragwerks, d. h. durch Auswirkungen nach Theorie II. Ordnung wesentlich beeinflusst werden. Für die nachfolgend angegebenen Bemessungsregeln werden damit verknüpfte, die Tragfähigkeit z. T. deutlich vermindernde Aspekte ausgeklammert. 6.3.2.1 Zentrischer Druck
Nach DIN 1045-1, 10.2 (5) darf für Normalbeton bei geringen Ausmitten ed = h 0;1 die günstige Wirkung des Betonkriechens durch den Ansatz von "c2 D 2;2‰ berücksichtigt werden.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Nach EN 1992-1-1, 6.1 (4) ist für durch Normalkraft beanspruchte Querschnitte eine Mindestexzentrizität anzusetzen: ( h=30 e0 D max : (6.64) 20 mm In Gl. (6.64) ist h die Querschnittshöhe.
Der Bauteilwiderstand eines zentrisch druckbeanspruchten, symmetrisch bewehrten Querschnittes kann durch die Addition der Traganteile der Komponenten ermittelt werden. Die Querschnittstragfähigkeit folgt zu NRd D Ac fcd C As;tot sd ;
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 wird die Regelung nach DIN 1045-1 zur Berücksichtigung der günstigen Wirkung des Kriechens ergänzt.
(6.63)
wobei der Bemessungswert der Stahlspannung sd nach DIN 1045-1 mit fyd anzusetzen ist und nach EN 1992-1-1 für "s D "c2 aus der Stahlkennlinie ermittelt werden muss. Im Unterschied zu den Vorgaben des Diagramms zulässiger Dehnungen (Abb. 6.7) darf nach DIN 1045-1 bei geringen Ausmitten we-
6.3.2.2 Tragfähigkeit umschnürter Druckglieder Wenn die Längsbewehrung druckbeanspruchter, kreisförmiger Querschnitte durch eine Wendelbewehrung umschlossen wird, kann die Tragfähigkeit des „umschnürten“ Kernbetons über die einachsiale
218
6 Biegung und Längskraft
mente mit wechselndem Vorzeichen, d. h. Wechselmomenten ähnlicher Größenordnung beansprucht wird.
NEd As
6.3.3.1 Interaktionsdiagramm
dsw dk h sw d1
NEd
Abplatzen der Betondeckung!
Abbildung 6.27 Umschnürter Querschnitt
Festigkeit hinaus erhöht werden (Abb. 6.27). Die Behinderung der aus Längsstauchung hervorgerufenen Querdehnung erzeugt einen mehrachsialen Druckspannungszustand, der günstig auf die ertragbaren Druckspannungen wirkt (vgl. Abschn. 3.7.2). Bei exzentrischem Lastangriff wird der räumliche Spannungszustand gestört, die Exzentrizität sollte daher e h=8 (Begrenzung auf die Kernweite ! keine Zugspannungen im Querschnitt) sein. Die Aktivierung des mehrachsialen Spannungszustandes ist mit großen Längsstauchungen verbunden und kann zum Abplatzen der äußeren Betonschale führen Rüsch u. Stöckl (1969); Müller (1978). Bei einem Tragfähigkeitsnachweis darf die Betondeckung daher nicht angerechnet werden; gleichzeitig muss ausgeschlossen sein, dass die Betonschale bereits bei Gebrauchslasten geschädigt wird. Die zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit erforderlichen Betondeckungen der Wendelbewehrung haben allerdings zur Folge, dass – im Unterschied zu Bemessungsergebnissen nach früheren Normengenerationen – die Tragfähigkeitssteigerung durch Umschnürung weniger deutlich ausgeprägt ist. DIN 1045-1 oder EN 1992-1-1 enthalten dem entsprechend keine expliziten Regeln für umschnürte Druckglieder mehr. Allerdings finden sich in EN 1992-1-1 Spannungs-Dehnungs-Linien für Beton bei radialsymmetrischem Querdruck (vgl. Gl. 3.159); zur Anwendung (vgl. Walraven 1999).
6.3.3 Beliebige M -N -Kombinationen – Interaktionsdiagramm Für Querschnitte, die überwiegend durch Längskräfte beansprucht werden, ist i. Allg. eine symmetrische Anordnung der Bewehrung mit As1 D As2 sinnvoll. Gleiches gilt auch, wenn der Querschnitt durch Biegemo-
Für einen Querschnitt, dessen Bewehrungsmenge einschließlich deren Anordnung vorgegeben ist, können alle möglichen Kombinationen (NRd ; MRd ) ermittelt werden, indem die zulässigen Dehnungsebenen nach Abb. 6.7 ausgehend vom zentrischen Zug (Bereich 1 bis zur zentrischen Druckbeanspruchung (Bereich ) 5 ) unter der Voraussetzung, dass eine der maßgebenden Dehnungen die zulässige Grenzdehnung erreicht (Grenzzustandsbedingung, d. h. "s1 D "su oder "c;Rand D "c2u bzw. "c;C D "c2 ), durchlaufen und die jeweils resultierenden inneren Schnittgrößen berechnet werden. In Abb. 6.28 ist die Grenzkurve eines symmetrisch bewehrten Rechteckquerschnitts dargestellt. Die Achse M D 0 ist Symmetrieachse der Grenzkurve. Liegt das Wertepaar (NEd ; MEd ) der einwirkenden Schnittgrößen auf der Grenzkurve, ist der Grenzzustand der Tragfähigkeit erreicht: ) ) ( ( NRd NEd Ed D Rd ) : D MRd MEd Für alle Wertepaare (NEd ; MEd ), die innerhalb der Grenzkurve liegen, ist die Tragfähigkeit des Querschnitts noch nicht ausgeschöpft. Da aus derartigen Diagrammen die Wechselwirkungen von Biegung und Normalkraft auf die Querschnittstragfähigkeit abgelesen werden können, wird diese Darstellungsform als Interaktionsdiagramm bezeichnet. Für symmetrisch bewehrte Stahlbetonquerschnitte ist charakteristisch, dass Normalkräfte bis zu einer Grenze, die bei Normalbeton der Festigkeitsklassen bis C50/60 bei Nbal 0;45 Ac fcd liegt und bei höherfesten Betonen mit ansteigender Druckfestigkeit kleiner wird, günstig auf die Querschnittstragfähigkeit wirken. Dem Maximum der Momententragfähigkeit ist die als balance force bezeichnete Normalkraft Nbal zugeordnet. Bei Rechteckquerschnitten wird Nbal dann erreicht, wenn eine der beiden Bewehrungslagen gerade noch die Streckgrenze erreicht (vgl. Abb. 6.31). Größere Normalkräfte wirken ungünstig auf die Tragfähigkeit.
6.3.3.2 Auswirkungen einer Normalkraft auf die Biegetragfähigkeit Nach Abb. 6.29 können für ein gegebenes Moment MEd sowohl große als auch kleine Drucknormalkräfte zum Versagen führen. Im Allgemeinen sind NEd und
6.3 Bemessung für überwiegende Längskraft
219
NEd
5 der Dehnungsverteilungen) lauten schnitt (Bereich P P die Gleichgewichtsbedingungen N und M nach Abb. 6.30:
Dehnungsbereiche 5 Grenzkurve
NEd D NRd
4
D Fs1d C Fs2d C Fcd ;
nicht tragfähig tragfähig
MEd
Nbal 3
2
d2 = d1
e c2 MEd
As2 = As1 h d
NEd
As1
+
e s1
d1
Abbildung 6.28 Interaktionsdiagramms eines symmetrisch bewehrten Querschnitts 1 M und N steigen proportional an
NEd
2 M steigt an, N = const. 3 M = const., N steigt an 3
4 M = const., N fällt ab 1
5 "kürzester Weg" zum Versagen
NEd MEd ; Ed D ; b h fcd b h2 fcd As2 fyd As1 fyd !1 D ; !2 D ; b h fcd b h fcd !tot D !1 C !2 : Ed D
Im Unterschied zu den für das allgemeine Bemessungsdiagramm oder !-Tafeln verwendeten dimensionslosen Größen wird hier zum einen Bezug auf h anstelle der statischen Nutzhöhe d genommen, zum anderen sind die mechanischen Bewehrungsgrade !1 bzw. !2 nicht mehr auf sd sondern auf den Bemessungswert der Streck- bzw. Quetschgrenze fyd bezogen. Die Gleichgewichtsbedingungen können damit in dimensionslose Form gebracht werden:
2 4
(6.66)
Für Einwirkungen und Bewehrungsquerschnitte werden dimensionslose Größen eingeführt:
1
b
h h d1 Fs2d d2 2 2 h ka h : Fcd 2
D Fs1d
MEd
(6.65)
D MRd
js1 j js2 j C !2 C ˛R ; (6.67) fyd fyd js2 j 1 d2 js1 j 1 d1 !2 D !1 fyd 2 h fyd 2 h 1 ka : (6.68) ˛R 2
Ed D !1
5
MEd
Ed Abbildung 6.29 Auswirkungen von Normalkräften auf die Biegetragfähigkeit eines symmetrisch bewehrten Querschnittes ! Kombinationen von M und N
MEd aus Anteilen aus verschiedenen Einwirkungen zusammengesetzt; die maßgebende Einwirkungskombination (MEd ; NEd ) wird allerdings selten sofort ersichtlich sein. In Konsequenz müssen verschiedene Kombinationen von MEd und NEd – z. B. (MEd;max ; NEd;min ), (MEd;max ; NEd;max ), (MEd;min ; NEd;max ), etc. überprüft werden.
6.3.3.3 Interaktionsdiagramme als Bemessungshilfsmittel Für einen durch Längsdruckkraft mit geringer Ausmitte beanspruchten, vollständig überdrückten Quer-
Nach den Bedingungen (6.67) und (6.68) sind die im Grenzzustand der Tragfähigkeit aufnehmbaren, bezogenen äußeren Schnittgrößen Ed und Ed nur mehr abhängig von der Dehnungsverteilung (! s1 , s2 , ˛R , ka ), den mechanischen Bewehrungsgraden (!1 D !2 D !tot =2) und den bezogenen Abständen der Bewehrungslagen vom Querschnittsrand (d1 = h D d2 = h). Für die übrigen Dehnungsbereiche 1 bis 4 können auf analogem Weg dimensionslose Gleichgewichtsbedingungen angegeben werden. Bemessungshilfsmittel entstehen, wenn Grenzkurven für verschiedene vorgegebene Bewehrungsgehalte !tot im Ed -Ed -Koordinatensystem aufgetragen werden (Abb. 6.31). Wegen der dimensionslosen Darstellung sind Interaktionsdiagramme für Rechteckquerschnitte mit beliebigen Abmessungen b= h, allerdings nur bei
220
6 Biegung und Längskraft d2
ec2 es2
As2
zs2
ss2
Fs2d MEd Fcd
d
h
S
sc2 ka.h
=
NEd
zs1
As1 b
ss1
es1 ec1
d1
Fs1d
sc1
Abbildung 6.30 Innere Kräfte bei vollständig überdrückten Querschnitten nEd
d2 = d1
ec2/ec1=-2,2/-2,2
-3,0
e c2 MEd
As2 = As1
-2,8
h
-2,6
d NEd
As1
+
e s1
-2,4 b
2,
-2,2
d1
0
-2,0
ec2/ec1=-3,0/0,0
1,
5
-1,8
ec2/es1=-3,5/0,0
-1,6
1,
0
-1,4
0,
-1,2
5
ec2/es1=-3,5/1,0
-1,0 w
-0,8
to
t
=
0,
0
-0,6 ec2/es1=-3,5/2,17
-0,4
ec2/es1=-3,5/5,0 -0,2 ec2/es1=-3,5/10,0
0,0 0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8 0,9 ec2/es1=-3,5/15,0
0,2
1
mEd
0,4 ec2/es1=-3,5/20,0
0,6 0,8
ec2/es1=-3,5/25,0
1,0
ec2/es1=-3,0/25,0
1,2
C12/15 - C50/60
1,4
d1/h = 0,10
ec2/es1=-2,0/25,0
1,6
As ,tot = As1
As 2 = wtot
1,8 2,0
ec2/es1=-1,0/25,0 ec2/es1=0,0/25,0
mEd =
M Ed b h 2 fcd
n Ed =
b h fyd / fcd
NEd b h fcd
2,2
Abbildung 6.31 Interaktionsdiagramm für den symmetrisch bewehrten Rechteckquerschnitt (C12/15 bis C50/60; d1 = h D 0;1; BSt 500; s D 1;15) (DIN 1045-1 und EN 1992-1-1)
vorgegebenen bezogenen Randabständen d1 = h der Bewehrungsstränge anwendbar. Da aber anstelle des Dehnungszustandes unmittelbar Bewehrungsgrade abgelesen werden können, d. h. die Spannungs-
Dehnungs-Linien der Bewehrung im Diagramm verarbeitet sind, gelten Interaktionsdiagramme immer nur für bestimmte Betonstahlsorten und zugehörige Teilsicherheitsbeiwerte. Gleichzeitig sind die Dia-
6.4 Querschnitte mit nicht rechteckiger Druckzone
gramme unabhängig von der Betonfestigkeitsklasse, solange die Beziehungen für ˛R und ka unverändert bleiben. Für die Sonderfälle der Bemessung – zentrischer Zug bzw. Druck – kann der mechanische Bewehrungsgrad !tot unmittelbar an der Ordinatenachse abgelesen werden. Für zentrischen Zug folgt nach Gl. (6.62) bei Ansatz des Verhältniswertes ftd;cal =fyd D 1;05 für Betonstahl BSt 500: Ed !tot D : 1;05 Für zentrische Druckkraft folgt aus Gl. (6.63) wegen der Beschränkung auf fyd : !tot D jEd j 1 :
Beispiel 6.5 Da das Interaktionsdiagramm den gesamten zulässigen Dehnungsbereich umfasst, könnten naturgemäß alle Bemessungsaufgaben damit gelöst werden, allerdings führt die Voraussetzung symmetrischer Bewehrung, sofern nicht vorwiegend Längskräfte oder wesentliche Wechselmomente vorliegen, zu teils unwirtschaftlichen Ergebnissen. Zur Illustration soll für Beispiel 6.4 (vorwiegend Biegung mit Längsdruckkraft) mit Hilfe des Interaktionsdiagramms die erforderliche Bewehrungsmenge ermittelt werden. NEd D 200 kN ; MEd D 762 kNm ; 0;2 NEd D D 0;055 ;
Ed D b h fcd 0;4 0;64 14;2 MEd 0;762 D D 0;328 : Ed D b h2 fcd 0;4 0;642 14;2 D Da für den bezogenen Randabstand d1 = h 0;04=0;64 D 0;063 kein Diagramm existiert, wird das Interaktionsdiagramm für d1 = h D 0;1 verwendet. Damit wird der Randabstand über- bzw. der innere Hebelarm der Bewehrungslagen unterschätzt; tatsächlich wäre etwas weniger Bewehrung erforderlich, als berechnet. Eine lineare Interpolation zwischen Diagrammen für d1 = h D 0;05 und d1 = h D 0;1 wäre hier etwas wirtschaftlicher. Aus dem Diagramm (Abb. 6.31) kann für Ed und Ed ein Bewehrungsgehalt !tot 0;75 abgelesen werden. As;tot D !tot b h
fcd fyd
14;2 435 D 62;7 104 m2 D O 62;7 cm2 62;7 D 31;3 cm2 D As2 D 2 D 0;75 0;4 0;64
) As1
Gegenüber der Bemessung nach Beispiel 6.4 errechnet sich etwas weniger Zugbewehrung (31,3 cm2 gegenüber 32,6 cm2 ), bei allerdings deutlich größerer Druckbewehrung (29,7 cm2 gegenüber 8,9 cm2 ). Die Reduktion der Zugbewehrung wird durch eine Verringerung der Druckzonenhöhe infolge des großen Druckbewehrungsquerschnittes erreicht. Die gesamte Bewehrungsmenge
221 ist deutlich größer; die Bemessung mit Hilfe des Interaktionsdiagramms ist in diesem Fall nicht wirtschaftlich.
6.4 Querschnitte mit nicht rechteckiger Druckzone Die bisher vorgestellten Bemessungsverfahren für Biegung mit Längskraft setzen eine rechteckige Druckzone, d. h. eine konstante Druckzonenbreite voraus, um geschlossene Lösungen zur Bestimmung von Lage und Größe der Betondruckkraft angeben zu können. Allerdings stellen Rechteckquerschnitte lediglich einen Ausschnitt aus dem breiten Spektrum möglicher Querschnittsgeometrien dar. Im Stahlbeton- und Spannbetonbau werden häufig Plattenbalken (Deckensysteme, etc.) oder Kreis- bzw. Kreisringquerschnitte (Stützen, Bohrpfähle, etc.) verwendet, die nicht mehr a priori durch eine rechteckige Form der Druckzone idealisiert werden können. Für diese regelmäßig berandeten Querschnittsformen können erweiterte Bemessungsverfahren und Hilfsmittel angegeben werden, während Querschnitte mit beliebiger Form der Druckzone durch Näherungen erfasst werden müssen.
6.4.1 Allgemeines Allen Querschnittstypen ist gemein, dass die Form der Zugzone, d. h. des gerissenen Bereichs, rechnerisch ohne Einfluss auf das Bemessungsergebnis bleibt. Daher können Querschnitte, deren Druckzone nicht gravierend von der Rechteckform abweichen, auf einen Rechteckquerschnitt zurückgeführt werden (Abb. 6.32). Zur Bemessung als Rechteck-Querschnitt wird die Höhe x der Druckzone vorab geschätzt und dazu eine mittlere Ersatzbreite bm bestimmt, die z. B. nach dem Kriterium gleicher Flächen ermittelt wird. Die Bemessung mit den gewohnten Hilfsmitteln liefert eine neue Druckzonenhöhe x, für die der Schätzwert ggf. verbessert und die Bemessung wiederholt wird. Die Vorgabe gleicher druckbeanspruchter Flächen ist allerdings bei Querschnitten, deren Breite zum stärker gedrückten Rand hin abnimmt, nicht ausreichend. Hier kann analog zu den Regeln für die Verwendung des Spannungsblocks (vgl. Abschn. 3.1.2) eine mit verminderte Druckfestigkeit verwendet werden. Bei Plattenbalken mit Druckplatten veränderlicher Dicke ist die Rückführung auf einen Plattenbalken mit konstanter Flanschdicke hf möglich (Abb. 6.32). Da gleichzeitig die Form des gerissenen Querschnitts ohne
222
6 Biegung und Längskraft bm
bm x
As
As
beff
hfm
As
Abbildung 6.32 Mögliche Querschnitte des Massivbaus – Rückführung auf rechteckige Druckzonen
tragrichtung beansprucht; in der Platte entstehen daher auch Spannungen aus Querbiegung. Weitere Beanspruchungen können aus Querkraft- und Torsionseinwirkungen entstehen. Da die Platte nur im stegnahen Bereich in vollem Umfang mitwirkt, sich mit zunehmendem Abstand zum Steg aber der aufgezwungenen Verformung entzieht, wird die mitwirkende Plattenbreite beff eingeführt, die die Annahme der Hypothese von Bernoulli erlaubt und damit auch den Ansatz einer über die mitwirkende Gurtplattenbreite konstanten Druckspannungsverteilung rechtfertigt (vgl. Abschn. 2.3.2). Die folgenden Ableitungen beziehen sich daher generell auf beff . Zunächst werden symmetrische Plattenbalken betrachtet.
6.4.2.1 Klassifizierung der Bemessungsfälle Einfluss ist, lassen sich die im Brückenbau häufig verwendeten Hohlkastenquerschnitte zumindest für den Nachweis der Biegetragfähigkeit in Längsrichtung im Grenzzustand der Tragfähigkeit auf Plattenbalken zurückführen. Grundsätzlich können auch bei regelmäßig berandeten Druckzonen, z. B. bei Rechteckquerschnitten nicht-rechteckige Formen der Druckzone vorliegen, wenn die Querschnitte durch Biegung um zwei Achsen, sog. schiefe Biegung, ggf. in Kombination mit Längskraft beansprucht werden. Schiefe Biegung liegt vor, wenn das resultierende Biegemoment nicht in Richtung einer der beiden Querschnittshauptachsen angreift, also z. B. bei Eckstützen in Rahmensystemen oder bei asymmetrischen Querschnitten wie seitlich nicht gehaltenen, einseitigen Plattenbalken. Da das Superpositionsprinzip für die Bemessung von Stahlbetonquerschnitten im GZT grundsätzlich nicht gilt, ist eine Aufteilung in eine Bemessung für ebene Biegung getrennt für beide Achsen und Überlagerung der resultierenden Bewehrungsanteile nur in Sonderfällen möglich.
6.4.2 Plattenbalken Bei gegliederten Querschnitten wie Plattenbalken werden den einzelnen Elementen meist mehrere Tragwirkungen zugewiesen. Die Platte wirkt bei Biegebeanspruchung My in Längsrichtung als Druckgurt; dabei überlagern sich Druckspannungen aus der Scheibentragwirkung mit Spannungen aus der Biegebeanspruchung der Platte, die durch den monolithischen Anschluss an den Steg erzwungen werden. Zusätzlich wird die Platte i. Allg. durch Lasten quer zur Haupt-
Da die Form des wirksamen Querschnittes durch die Lage der Dehnungsnulllinie bestimmt wird, können folgende Bemessungsfälle unterschieden werden: • Die Nulllinie liegt in der Platte (Abb. 6.33 a): Die Bemessung erfolgt für einen Rechteckquerschnitt der Breite beff . • Die Nulllinie liegt im Steg (Abb. 6.33b–d): Folgende Bemessungsverfahren stehen zur Verfügung: – Exakte Lösung: Die Druckzone wird in Teilflächen konstanter Breite aufgeteilt. (! Bemessungstabellen und -diagramme) – Näherung für stark profilierte Plattenbalken (beff =bw > 5, Abb. 6.33b): Der Anteil der Druckzone im Steg kann vernachlässigt werden. – Näherung für wenig profilierte Plattenbalken (beff =bw 5, Abb. 6.33c): Der Anteil des Steges an der Druckkraft kann nicht vernachlässigt werden. – Beanspruchung durch negatives Biegemoment (Abb. 6.33d): Negative Biegemomente können z. B. über Zwischenauflagern von Durchlaufträgern oder bei Kragarmen auftreten. Die Bemessung erfolgt für einen Rechteckquerschnitt der Breite bw . Zweckmäßig können Plattenbalken zunächst unter der Annahme, dass die Nulllinie in der Platte liegt, als Rechteckquerschnitt bemessen werden. Anschließend ist anhand der rechnerischen Druckzonenhöhe zu überprüfen, ob die Annahme hf =d gerechtfertigt war. Sofern > hf =d ist, muss der Querschnitt als Platten-
6.4 Querschnitte mit nicht rechteckiger Druckzone ME
223 NE
Aufteilung in eine fiktive Gesamtfläche mit beff x (Hochzeiger (1)) und eine fiktive Abzugsfläche .beff bw / .x hf / (Hochzeiger (2)) (Subtraktionsverfahren, Abb. 6.34a), Aufteilung in die Gurtfläche mit .beff bw / hf und die Stegfläche mit bw x (Additionsverfahren, Abb. 6.34b)
A
B
a Dehnungsnulllinie in der Platte beff
ME
hf
NE
d
Beide Varianten führen zu identischen Ergebnissen. A lauten Die Gleichgewichtsbedingungen für Variante (vgl. Abb. 6.34a): (6.69a)
NEd D NRd
bw b Dehnungsnulllinie im Steg, Steganteil zu vernachlässigen (schlanker Plattenbalken)
D D
ME NE
.1/ .2/ Fs1d C Fcd Fcd .1/ Fs1d ˛R beff xfcd .2/ C ˛R .beff bw /
MEds D MRds
(6.69b) .x hf / fcd ; (6.69c) (6.70a)
D Fcd.1/ .d ka.1/ x/
c Dehnungsnulllinie im Steg, Steganteil nicht zu vernachlässigen
CFcd.2/ .d hf ka.2/ x/
D NE
ME( 10 cm), als vielmehr die lokale Rauigkeit von Bedeutung, also die Struktur der Oberfläche im Bereich mehrerer µm bis zu einigen mm, d. h. im Größenbereich von Poren bis hin zu herausstehenden Zuschlagkörnern oder Riefen. Unbearbeitete Betonflächen weisen i. d. R. nur geringe Rauigkeiten auf. Dies gilt insbesondere für Flächen, die gegen glatte Stahl-, Kunststoff- oder Holzschalung hergestellt werden, allerdings auch für Betonieroberseiten bei Verwendung sehr weicher Betone. Durch mechanische Verfahren kann die Rauigkeit der Oberflächen beeinflusst werden. Bei Betonieroberseiten besteht bereits unmittelbar nach dem Verdichten die Möglichkeit, mit Hilfe eines Stahlrechens ein definiertes Oberflächenprofil in Form paralleler Riefen zu erzeugen; die Richtung der Riefen sollte dabei senkrecht zur Hauptschubrichtung weisen. Bei erhärtetem Beton bietet sich u. a. das Strahlen mit festen Strahlmitteln (’Sandstrahlen‘) oder 12
Für zusätzliche Effekte z. B. aus der Zusammensetzung des Neubetons vgl. Abschn. 7.8.5.4.
Abbildung 7.56a–d Beton mit unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit (Ausschnitte jeweils 15 15 cm2 ) (aus Müller 2009)
Höchstdruck-Wasserstrahlen (’HDW-Strahlen‘) an. Abbildung 7.56 zeigt unterschiedliche Altbetonoberflächen im Vergleich. Eine Einordnung der Oberfläche in Rauigkeitskategorien allein aus der Art der Behandlung ist allerdings nicht hinreichend (vgl. Reinecke 2004). Zum einen ist das Ergebnis verschiedener Verfahren u. a. von der Festigkeit des Altbetons und der Intensität der Behandlung abhängig – z. B. kann bei geringer Betonfestigkeit durch Sandstrahlen eine rauere Oberfläche erzeugt als bei höherfesten Betonen. Zum anderen beeinflusst die Betonrezeptur die Beschaffenheit von Betonieroberseiten – z. B. besitzt eine sog. rüttelraue Oberfläche bei weichen Betonen eine deutlich geringere Rauigkeit als bei steifen Betonen. Unbehandelte Oberflächen von selbstverdichtendem Beton müssen daher generell als sehr glatt betrachtet werden (vgl. Fingerloos 2005). Zur mehr oder minder objektiven Feststellung der Oberflächenbeschaffenheit existieren verschiedene Messmethoden, z. B. berührende Verfahren wie das Sandflächenverfahren und das aus dem Maschinenbau bekannte Tastschnittverfahren oder optische Methoden wie das Laser-Triangulationsverfahren (vgl. Schäfer u. a. 1996; Reinecke 2004). Die meisten Verfahren sind heute allerdings noch auf den Einsatz im Labormaßstab begrenzt. Das derzeit – mangels praxistauglicher Alternativen – gebräuchlichste Verfahren ist das Sandflächenverfahren nach Kaufmann (vgl.
7.8 Schubfugen
283
Betonoberfläche
d h = Rt
idealisierter Zylinder V = h . d2p / 4
Sandvolumen V
Abbildung 7.57 Sandflächenverfahren nach Kaufmann – Definition der Rautiefe Rt
Kaufmann 1971), das sich als Standardverfahren in ZTV-ING wiederfindet.13 Zur Bestimmung der Rauigkeit mit dem Sandflächenverfahren wird ein definiertes Volumen V trockenen Quarzsandes (25–50 cm3 ) auf die zu untersuchende Oberfläche geschüttet und mit einer runden Hartholzscheibe kreisförmig verteilt, bis alle Vertiefungen gerade gefüllt sind (Abb. 7.57). Aus dem Durchmesser d des entstandenen Kreises wird die Höhe eines fiktiven Zylinders nach Gl. (7.131) errechnet. Rt D h D
4V d2
(7.131)
Die fiktive Höhe entspricht der Rautiefe Rt . Das Sandflächenverfahren liefert allerdings keine exakten und reproduzierbaren Messwerte; die gemessene Rautiefe ist stets von der Auswahl der Prüffläche und vom Geschick des Prüfenden abhängig. Eine Anwendung ist zudem auf horizontale Flächen beschränkt; für geneigte und vertikale Flächen müssen Referenzkörper verwendet werden. Die Altbetonoberflächen werden nach DIN 10451 und EN 1992-1-1 in vier Kategorien unterteilt: sehr glatt, glatt, rau und verzahnt. Für die Einordnung von Oberflächen in die einzelnen Kategorien werden in beiden Regelwerken übereinstimmend folgende Hinweise gegeben [ergänzende Bestimmungen nach DIN 1045-1 und DAfStb-Heft 525 in Klammern]: h2 £ 8d (£ 10d)
Verbundbewehrung a
sNd tEd
Neubeton d ³ 10 mm (³ 5 mm)
tEd £ 30°
sNd h1 £ 8d (£ 10d)
Altbeton
0,8 £ h1 / h2 £ 1,25 ( -- )
Abbildung 7.58 Definition einer Verzahnung nach DIN 1045-1 (Abweichende Größen nach EN 1992-1-1 in Klammern)
13
vgl. ZTV-ING Ausgabe 01/2003, Teil 1 – Allgemeines, Abschnitt 3 – Prüfungen während der Ausführung
• sehr glatt Oberflächen, die gegen Stahl-, Kunststoff- oder glatte Holzschalung betoniert wurden [DIN 1045-1: Unbehandelte Oberflächen gelten als sehr glatt, wenn zu deren Herstellung Beton fließfähiger oder sehr fließfähiger Konsistenz verwendet wurde (Ausbreitmaßklasse F5 nach EN 206-1 i. V. m. DIN 1045-2)] • glatt Unbehandelte oder abgezogene Oberflächen und Oberflächen, die im Gleit- bzw. Extruderverfahren hergestellt wurden. • rau Oberflächen, bei denen mit einem Rechen oder durch Freilegen der Gesteinskörnung Erhöhungen/Vertiefungen von mindestens 3 mm mit gegenseitigem Abstand von ca. 40 mm erzeugt werden und Oberflächen, bei denen durch alternative Verfahren ein äquivalentes Tragverhalten erzeugt wird. [DIN 1045-1: Oberflächen, bei denen mit dem Sandflächenverfahren eine Rautiefe Rt 1;5 mm als Mittelwert aus mindestens 3 Messungen nachgewiesen wurde.] • verzahnt Oberflächen, die eine Profilierung entsprechend Abb. 7.58 aufweisen [DIN 1045-1: Wenn bei Altbetonen, deren Zuschlag einen Größtkorndurchmesser dg 16 mm aufweist, das Korngerüst mindestens 6 mm tief freigelegt wird. Die mittlere Rautiefe sollte hierbei Rt 3;0 mm betragen.] 7.8.3.2 Nachweis Die Bestimmungsgleichung für die Tragfähigkeit von Schubfugen folgt aus der allgemeinen Gleichung (7.130), wenn für den Anteil aus Haftverbund Gl. (7.124), für den Anteil aus Reibung infolge Normalspannung Gl. (7.125) und für den Bewehrungsanteil Gl. (7.128) eingesetzt wird. Mit den Bemessungswerten von Betonzugfestigkeit und Streckgrenze der Bewehrung folgt: Rdj D Rjd;ad C Rjd;r C Rjd;s D cj fctd N C s fyd . sin ˛ C cos ˛/ Rdj;max :
(7.132a) (7.132b)
In Gl. (7.132b) bezeichnet Rdj;max analog zur Querkraftbemessung die aufnehmbare Schubkraft, die durch die effektive Betondruckfestigkeit der über die
284
7 Querkraft
Fuge hinweg laufenden Druckstreben begrenzt wird. Vereinfachend wird angenommen, dass Druckstreben die Fuge unter 45ı kreuzen; dies entspricht einem reinen Schubspannungszustand in der Fuge. Daraus folgt (s. Gl. 7.53): Rd;max D 0;5fcd;eff D 0;5fcd :
(7.133)
Der Bemessungswert des einwirkenden Schubflusses ist vEd D
Fcd
Mit der Ausgabe 2008 wurde der Nachweis von Schubfugen in DIN 1045-1 vollständig neu gefasst und entspricht nun weitgehend dem Konzept nach EN 1992-1-1. Einige Änderungen und Abweichungen gegenüber EN 1992-1-1 sind aus einer Auswertung umfangreicher Versuchsdaten in Zusammenhang mit der Erarbeitung des NA D entstanden (vgl. Zilch u. Müller 2007). Die Studie ergab u. a. auch, dass der Traganteil aus Klemmwirkung der Bewehrung in der EN-Regelung zu gering bewertet wird; in DIN 1045-1 wurde daher ein Faktor 1,2 ergänzt. Darüber hinaus werden für die effektive Druckfestigkeit fcd (Druckstrebentragfähigkeit) in DIN 1045-1 konservativere Grenzen eingeführt, da für höhere Bewehrungsgrade und insbesondere für glatte und sehr glatte Fugen nur sehr wenige Versuchsergebnisse aus Bauteilversuchen zur Verfügung stehen, mit denen der Bemessungsansatz belegt werden könnte. Gleichzeitig führten die Ergebnisse der Studie zu einer Neubewertung der Koeffizienten c und , die im Rahmen einer Änderung in EN 1992-1-1 eingeflossen sind.14 Die Bemessung von Schubfugen wird nach DIN 10451, 10.3.6 über den Nachweis des Schubflusses nach Gl. (7.134) geführt.
Tabelle 7.5 Beiwerte cj und für den Nachweis von Schubfugen nach DIN 1045-1 und EN-1992-1-1 (abweichende Bezeichnungen und Kennwerte nach EN 1992-1-1 in Klammern) Oberflächenbeschaffenheit sehr glatt
cj .c/
0 (0,025–0,10)
0,50
glatt
0,20
0,60
rau
0,40
0,70
verzahnt
0,50
0,90
14
z
vgl. Corrigenda to EN 1992-1-1, Dokument Nr. CEN/ TC250/SC2 N698 der Maintenance Group of CEN/TC250/SC2; Fassung Mai 2008
(7.135)
Bemessungswert des über die Fuge zu übertragenden Längskraftanteils Bemessungswert der Gurtlängskraft infolge Biegung im betrachteten Querschnitt mit Fcd D MEd =z innerer Hebelarm, darf mit z D 0;9d angesetzt werden; wenn die Verbundbewehrung gleichzeitig Querkraftbewehrung ist, muss Gl. (7.69) berücksichtigt werden.
Der Bemessungswert des aufnehmbaren Schubflusses folgt aus: vRdj D b1 cj fctd bNd C vRdj;sy vRdj;max ;
(7.136)
mit vRdj;sy D as fyd .1;2 sin ˛ C cos ˛/ vRdj;max D 0;5fcd b : Die einzelnen Elemente in Gl. (7.136) bedeuten: b 1 cj fctd Nd nEd
Normenregelung nach DIN 1045-1
Fcdj VEd : Fcd z
In Gl. (7.135) bedeuten: Fcdj
7.8.3.3 Normenregelung
(7.134)
vEd vRdj
as ˛
Breite der Schubfuge D 1;0 für Normalbeton; für Leichtbeton s. Abschn. 3.3.2 Rauigkeitsbeiwert nach Tabelle 7.5 Bemessungswert der Betonzugfestigkeit nach Gl. (3.36); bei Betonen unterschiedlicher Festigkeit der geringere Wert Reibbeiwert nach Tabelle 7.5 Bemessungswert der Normalspannung senkrecht zur Fuge in MPa (Druck negativ) mit Nd D nEd =b 0;6fcd der untere (betragsmäßig kleinere) Bemessungswert der Normalkraft senkrecht zur Fuge je Längeneinheit Querschnitt der die Fuge kreuzenden Bewehrung je Längeneinheit mit 45ı ˛ 90ı Winkel zwischen der Fuge und der die Fuge kreuzenden Bewehrung (vgl. Abb. 7.58) mit 45ı ˛ 90ı Abminderungsbeiwert für die Betondruckfestigkeit abhängig von der Oberflächenbeschaffenheit der Fuge D 0 für sehr glatte Fugen (s. u.) D 0;20 für glatte Fugen D 0;50 für raue Fugen D 0;70 für verzahnte Fugen.
Für sehr glatte Fugen darf der Reibungsanteil Nd ausgenutzt werden, jedoch darf vRdj den Wert vRdj;max für glatte Fugen nicht überschreiten. Traganteile aus Haftverbund dürfen nicht angesetzt werden, d. h. cj ist zu Null zu setzen, wenn bei glatten oder rauen Fugen senkrecht zur Fuge Zugspannungen wirken oder wenn aus herstellungstechnischen Gründen kein Haftverbund entstehen kann, z. B. bei nebeneinander liegenden Fertigteilen ohne Mörtel- oder Kunstharzfu-
7.8 Schubfugen
285
gen. Desgleichen ist bei dynamischen Beanspruchungen cj D 0 anzunehmen. Die Kategorisierung der Oberflächenbeschaffenheit erfolgt nach den in Abschn. 7.8.3.1 angegebenen Kriterien.
Nach EN 1992-1-1, 6.2.5 erfolgt der Nachweis von Schubfugen auf Basis der mit vi bezeichneten Schubspannungen nach Gl. (7.137) (7.137)
mit vEdi als Bemessungswert der einwirkenden Schubspannungen nach Gl. (7.138). vEdi D ˇ
VEd ; bi z
ˇD
Fcdj : Fcd
(7.138)
In Gl. (7.138) bezeichnet bi die Breite der Fuge. Der Bemessungswert der Fugentragfähigkeit ist vRdi D cfctd n C fyd . sin ˛ C cos ˛/ 0;5fcd :
NDP
EU 0;6 .1 fck =250/ (C)
Normenregelung nach EN 1992-1-1
vEdi vRdi ;
Tabelle 7.6 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Nachweis von Schubfugen
(7.139) (7.140)
0;5 .1 flck =250/ (LC)
D
A
0 (sehr glatt) 0,20 1 (glatt)a 0,50 1 (rau)a
EU
0,70 1 (verzahnt)a
a Für Betonfestigkeitsklassen C55 bzw. LC55 und höher ist mit .1;1 fck =500/ zu multiplizieren
Gl. 7.11 und Abb. 7.3c ) deutlich, dass es sich um ein und dieselbe Beanspruchung handelt. In Konsequenz kann bei der Bemessung von Stahlbetonbauteilen die Querkraftbewehrung voll auf die erforderliche Bewehrung der Schubfuge angerechnet werden. Gleichzeitig ist in vielen Fällen der Nachweis der Querkrafttragfähigkeit eines Querschnitts bereits erbracht, wenn die Schubfuge nachgewiesen ist.
In den Gleichungen (7.139) und (7.140) bedeuten: c fctd n s As Ai ˛
Rauigkeitsbeiwert nach Tabelle 7.5 Bemessungswert der Zugfestigkeit nach Gl. (3.39) analog Nd nach DIN 1045-1 Verbundbewehrungsgrad D As =Ai Querschnitt der die Fuge kreuzenden Bewehrung Fläche der Fuge Winkel zwischen der Fuge und der die Fuge kreuzenden Bewehrung (vgl. Abb. 7.58) mit 45ı ˛ 135ı Abminderungsbeiwert für die Betondruckfestigkeit ! NDP, (Tab. 7.6).
Wenn Zugspannungen senkrecht zur Fuge wirken, ist der Anteil aus Haftverbund cfctd zu Null zu setzen. Bei dynamischen Einwirkungen sind die Werte für c zu halbieren. Die Einordnung der Oberflächen in die Rauigkeitskategorien erfolgt nach den in Abschn. 7.8.3.1 angegebenen Kriterien.
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zum Text von EN 1992-1-1 werden alle in DIN 1045-1 enthaltenen Anwendungsregeln ergänzt.
7.8.4 Interaktion mit der Querkraftbemessung Schub in Fugen und Querkraftbeanspruchungen sind auf ein und dieselbe Ursache zurückzuführen: die Änderung der Druck- und Zuggurtkräfte entlang der Bauteilachse. Bei ungerissenen Querschnitten wird durch die Zuordnung der Schubspannungen xz D zx (vgl.
7.8.4.1 Bemessung von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung Insbesondere bei nachträglich durch Ortbeton ergänzten Platten, z. B. Teilfertigdecken, ist häufig der Nachweis der Schubfuge für die Frage entscheidend, ob Querbewehrung erforderlich wird. Ein Vergleich der Fugentragfähigkeit mit der Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung nach DIN 1045-1 kann mit VRdj D vRdj z D vRdj 0;9d
(7.141)
auf Querschnittsebene erfolgen. Für die – in Praxis meist zutreffenden – Randbedingungen cd D Nd D 0, Fcdj =Fcd D 1 und bw D bj ist der Quotient VRdj =VRd;ct mit VRd;ct nach den Gln. (7.17) und (7.18) in Abb. 7.59 für unterschiedliche statische Höhen d und zwei Betonfestigkeitsklassen in Abhängigkeit des Längsbewehrungsgrades l ausgewertet. Für VRdj =VRd;ct < 1 ist der Nachweis der Fuge maßgebend; in anderen Worten: wenn in diesen Fällen der Nachweis für eine unbewehrte Fuge geführt werden kann, ist der Nachweis der Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung automatisch erfüllt. Aus den Diagrammen geht hervor, dass bei glatten und rauen Fugen nahezu immer, bei verzahnten Fugen im Bereich höherer Längsbewehrungsgrade der Fugennachweis maßgebend wird. Abbildung 7.59 zeigt ferner, dass Fugen bei üblichen Platten des Hochbaus mindestens verzahnt ausgeführt werden müssten, um die rechnerische Tragfähigkeit eines monolithischen Querschnitts erreichen zu können.
286
7 Querkraft
7.8.4.2 Bemessung von Bauteilen mit Querkraftbewehrung
VRdj / VRd,ct
1,4 1,2
Querkraftbewehrung – primär Bügel oder Schrägstäbe – muss jeweils im Druck- und Zuggurt verankert sein, d. h. über den gesamten Querschnitt reichen, während Verbundbewehrung für Fugen lediglich beidseits der Fuge verankert werden muss. Bei praxisüblichen Konstruktionen erfüllt die Querkraftbewehrung i. d. R. die Anforderungen an Verbundbewehrung und kann vollständig auf die Tragfähigkeit der Schubfuge angerechnet werden. Umgekehrt wird sich die konstruktive Durchbildung der Verbundbewehrung in balkenartigen Trägern selten von Querkraftbewehrung unterscheiden. Zur Abgrenzung, in welchen Fällen ein Querkraftnachweis durch die Bemessung der Verbundbewehrung bereits abgedeckt ist, eignet sich die dimensionslose Darstellung im Plastizitätskreis. Mit der bezogenen Querkraft Ed und dem mechanischen Bewehrungsgrad !w für vertikale Querkraftbewehrung, d. h. ˛ D 90ı (s. Gl. 7.51) in der Notation nach DIN 1045-1 !w D Ed
fyd asw fyd Asw D ; bw sw ˛c fcd bw ˛c fcd
VEd D bw z˛c fcd
(7.142) (7.143)
b w D bj I
1 D 1 :
Mit diesen Randbedingungen folgt aus der Nachweisgleichung der Schubfuge (Gl. 7.136) VEd D vRdj z D bw cj fctd C 1;2as fyd :
vEd D
(7.144)
Aufgelöst nach as fyd und auf bw ˛c fcd bezogen, ergibt sich as fyd 1 D bw ˛c fcd 1;2 cj fctd VEd zbw ˛c fcd ˛c fcd cj fctd 1 Ed : !w D 1;2 ˛c fcd
d in mm 600 550 500 450 400 350 300 250 £ 200
0,8 0,6 0,4
verzahnt (cj = 0,50) rau (cj = 0,40)
0,2
C20/25
rl in %
0 0
1,4
0,5
1,0
1,5
2,0
VRdj / VRd,ct
1,2 1
d in mm 600 550 500 450 400 350 300 250 £ 200
0,8
kann die Bemessung von Querkraftbewehrung auf Basis des unteren Grenzwinkels der Druckstrebenneigung für cd D 0 im Plastizitätskreis dargestellt werden (vgl. Abb. 7.31). Unter folgenden Randbedingungen ist ein direkter Vergleich mit der Bemessung von Verbundbewehrung möglich: Nd D cd D 0 I
bj = bw rl = Asl / (bw d)
1
0,6 0,4 0,2
verzahnt (cj = 0,50) rau (cj = 0,40) C30/37 0,5
1,0
1,5
rl in % 2,0
Abbildung 7.59 Vergleich der Tragfähigkeit der Schubfuge VRdj mit der Querkrafttragfähigkeit VRd;ct nach DIN 1045-1 bei Bauteilen ohne Querkraft- bzw. Verbundbewehrung (C20/25 und C30/37)
Gleichung (7.145b) beschreibt im Ed -!w Koordinatensystem eine Gerade mit Steigung 1=.1;2/, die um cj fctd =.1;2˛c fcd / entlang der Abszisse aus dem Ursprung verschoben ist (Abb. 7.60).15 Die Fugentragfähigkeit ist durch vRd;max begrenzt; in bezogener Darstellung ist dies: Ed;max D
vRd;max 0;5 D : bw ˛c fcd ˛c
(7.146)
(7.145a)
Mit ˛c D 0;75 kann die maximale Tragfähigkeit für unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheiten di-
(7.145b)
15
Sowohl Rd;c als auch die Lage des Nulldurchgangs der Geraden nach Gl. (7.145b) sind abhängig von der Festigkeitsklasse.
7.8 Schubfugen
287
rekt und unabhängig von der Druckfestigkeitsklasse angegeben werden:
ww =
bj
f ywd Asw bw sw a c fcd
1,0
7.8.5 Ergänzende Hinweise 7.8.5.1 Konstruktive Durchbildung Verbundbewehrung für Schubfugen darf analog zu Querkraftbewehrung entlang der Bauteilachse der Beanspruchungshöhe entsprechend abgestuft werden. Ein Einschneiden der Schubkraftdeckungslinie ist möglich; Hinweise hierzu finden sich in DIN 1045-1, 10.3.6 (6) oder EN 1992-1-1, 6.2.5 (3). Wird die Verbundbewehrung auf die Querkraftbewehrung angerechnet, müssen natürlich die Konstruktionsregeln der Querkraftbewehrung erfüllt werden. Hinsichtlich der Anrechenbarkeit geneigter Bewehrung sollte beachtet werden, dass nach DIN 1045-1 nur Bewehrung herangezogen werden darf, die mit einem Winkel 45ı ˛ 90ı in Richtung der Schubbeanspruchung, d. h. in Richtung betragsmäßig zunehmender Querkräfte – i. d. R. also zum Auflager – geneigt ist. Unter dieser Voraussetzung können die Traganteile der einzelnen Bewehrungselemente addiert werden. Nach EN 1992-1-1 kann die anrechenbare Bewehrung wegen 45ı ˛ 135ı auch entgegen der Schubbean16
Für sehr glatte Fugen ist eine analoge Darstellung nicht möglich, da nach DIN 1045-1 ausschließlich der Schrägzuganteil von Bewehrung mit ˛ < 90ı angerechnet werden kann.
0,7
a = 90o scd = sNd = 0
0,6
C30/37
bj = bw
o
Selbst bei verzahnten Fugen bleibt Ed;max also unter 0,5; in anderen Worten: ein nachträglich ergänztes Bauteil kann selbst bei optimaler Profilierung der Fuge nie die rechnerische Tragfähigkeit eines monolithischen Bauteils erreichen. Nach EN 1992-1-1 existiert diese Beschränkung nicht. In Abb. 7.60 sind für Beton der Festigkeitsklasse C30/37 die Geraden nach Gl. (7.145b) für glatte, raue und verzahnte Oberflächen mit der Begrenzung nach Gl. (7.146) eingetragen.16 Abbildung 7.60 macht deutlich, dass unter den genannten Randbedingungen der Nachweis der Schubfuge in jedem Fall bemessungsentscheidend ist. Es sei im Übrigen angemerkt, dass Diagramme nach Abb. 7.60 als Bemessungsdiagramme genutzt werden können, wenn für bw die Fugenbreite bj zur Berechnung der bezogenen Größen verwendet wird.
Asw
Plastizitätskreis
0,8
45
verzahnt D 0;7 ) Ed;max D 0;467.
0,9
0,5
=
D 0;5 ) Ed;max D 0;333
bw
q
rau
60 o
D 0;2 ) Ed;max D 0;133
q=
glatt
verzahnt
0,4 rau 0,3
Querkraftbemessung
0,2
glatt
0,1
u Ed =
0 0
0,1
0,2
0,3
0,4
VEd bw z a c fcd
0,5
Abbildung 7.60 Erforderliche Querkraft- und Verbundbewehrung nach DIN 1045-1 in bezogener Darstellung (C30/37)
spruchung geneigt sein. Versuche an bewehrten Schubfugen zeigen allerdings, dass der Traganteil von entgegen der Schubrichtung geneigter Bewehrung deutlich hinter dem mit ˛ 90ı geneigter Bewehrung zurückbleibt. Für die reduzierte Tragfähigkeit ist allem Anschein nach verantwortlich, dass der Reibungsanteil aus der Klemmwirkung der Bewehrung bei Stäben mit ˛ > 90ı nicht aktiviert werden kann. Eine Addition der Traganteile aller Bewehrungselemente ist daher nicht gerechtfertigt. Bei ortbetonergänzten Fertigteilplatten ohne Verbundbewehrung wurden in Brandversuchen Ablösungen der Ortbetonschicht im Randbereich festgestellt. Zudem konnte in der Vergangenheit in einigen Fällen ein Abschälen ausgehend vom Bauteilrand beobachtet werden, das u. a. durch das ungleichmäßige Schwinden der beiden Schichten ausgelöst wurde. Nach Elastizitätstheorie treten gerade an den Enden bzw. am Rand eines Bauteils Maximalwerte der Verbundspannungen aus Schwinddifferenzen auf und werden dort mit den Verbundspannungen aus Querkraft überlagert, die – i. d. R. ist der Rand der Platte gleichzeitig Auflager – dort ebenfalls maximal werden. Da Schubspannungen aus unterschiedlichem Schwinden i. d. R. nicht explizit berücksichtigt werden, sollten an diesen kritischen Stellen gesonderte Maßnahmen zur Verbundsicherung ergriffen werden. Sofern der Verbund nicht durch Reibung aus Auflasten – z. B. Wandauflasten an den Rän-
288
dern von Platten – gewährleistet wird, muss z. B. nach DIN 1045-1, 13.4.3 eine konstruktive Verbundbewehrung von 6 cm2 /m in einem 75 cm breiten Streifen entlang der Ränder bzw. Endauflager angeordnet werden; für alternative Bemessungsvorschläge zur Verbundsicherung bei Plattenrändern vgl. Randl u. a. (2005).
7.8.5.2 Fugen senkrecht zur Stabachse – Biegeschub Typische Fugen senkrecht zur Stabachse oder Mittelfläche, die gleichzeitig durch Querkraft und Biegung, durch Biegeschub, beansprucht werden, sind z. B. vertikale Arbeitsfugen oder Anschlussfugen bei Platten. Da eine Fuge stets eine Gefügeschwächung ist, wird sich als Folge der Biegebeanspruchung die Fuge wie ein Biegeriss öffnen. Da im Riss die Übertragung von Querkräften wesentlich von der Rissverzahnungswirkung abhängt, ist bei vertikalen Fugen in Konsequenz die Querkrafttragfähigkeit an die Oberflächenbeschaffenheit der Fuge gekoppelt. Nach DIN 1045-1 wird bei Fugen mit Biegeschubbeanspruchung daher anstelle eines Nachweises der Schubfuge ein modifizierter Querkraftnachweis gefordert. Die gegenüber einem Biegeriss veränderte Querkrafttragfähigkeit der Fuge wird durch eine Abminderung aller rechnerischen Traganteile, die an die Rissverzahnung gekoppelt sind – d. h. VRd;ct bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung und VRd;c sowie VRd;max bei Bauteilen mit Querkraftbewehrung – im Verhältnis cj =0;5 erfasst. Da bei verzahnten Fugen cj D 0;5 gilt, ergeben verzahnte Fugen rechnerisch die Tragfähigkeit eines monolithischen Bauteils. Neben verzahnten Fugen lässt DIN 1045-1 bei Biegeschubbeanspruchung allerdings nur raue Fugenoberflächen zu. Die Schwächung infolge einer vertikalen Fuge wirkt sich wegen der geneigten Druckstreben, die die Fuge kreuzen, allerdings auch längs der Bauteilachse aus. In DIN 1045-1 wird gefordert, dass die verminderte Tragfähigkeit über eine Länge 0;5d cot beidseits der Fuge angesetzt werden sollte. Eine vergleichbare Regelung für vertikale Fugen ist in EN 1992-1-1 nicht enthalten.
7.8.5.3 Hinweise zur Ausführung Vor allem der Haftverbund, die Adhäsionswirkung zwischen Neu- und Altbeton, reagiert empfindlich auf Störungen. Da die normativen Regeln zum Nachweis von Schubfugen grundsätzlich eine sorgfältig vorbehandelte und tragfähige Altbetonoberfläche vorausset-
7 Querkraft
zen, sollten einige Ausführungsregeln berücksichtigt werden: • Verunreinigungen Verunreinigungen, durch Sedimentation bei der Herstellung des ersten Betonierabschnittes entstandene zementleim- und mehlkornreiche Grenzschichten oder Oberflächen, die durch eine zu intensive Vorbereitung bereits vorgeschädigt sind und eine Vielzahl kleiner Risse aufweisen, beeinträchtigen den Haftverbund erheblich. Daher sollten Verunreinigungen und wenig tragfähige Schichten entfernt werden. • Feuchte Trockener Altbeton kann durch kapillares Saugen dem Frischbeton in der Grenzfläche Wasser entziehen und dadurch den Hydratationsverlauf in der Grenzschicht stören. Die Festigkeit des Neubetons in der Grenzschicht nimmt ab; der Haftverbund wird negativ beeinflusst. Umgekehrt kann ein Überangebot an Wasser den Wasser-Bindemittel-Wert des Frischbetons in der Grenzschicht anheben und ebenfalls zu geringeren Festigkeiten führen. Daher sollten trockene Altbetonoberflächen vor dem Aufbringen des Ergänzungsbetons über mehrere Tage feucht gehalten werden. Auf der Oberfläche stehendes Wasser muss allerdings vor dem Anbetonieren entfernt werden; die Oberfläche sollte mattfeucht sein (vgl. z. B. DIN 1045-3, 8.4). Durch Feuchthalten des Altbetons können gleichzeitig die Unterschiede in den Schwindverformungen der beiden Teilquerschnitte und damit die Eigenspannungen des Querschnitts etwas reduziert werden. Eine gefrorene, i. d. R. mit einer dünnen Reifschicht überzogene Altbetonoberfläche bewirkt vergleichbare Beeinträchtigungen; durch den wärmeren Frischbeton schmilzt das anhaftende, gefrorene Wasser, füllt die Poren des Altbetons und erzeugt – ähnlich einem Wasser-Überangebot – eine Trennschicht.
7.8.5.4 Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven Da der Einbau von Verbundbewehrung für Schubfugen stets mit erheblichem Aufwand verbunden ist, wird gegenwärtig die Erforschung des Haftverbundes intensiv vorangetrieben, um die verschiedenen Mechanismen der Adhäsion gezielt beeinflussen und letztlich die Tragfähigkeit des Haftverbundes anheben zu können. Ausgangspunkt aktueller Forschungen sind u. a. die im Zuge der Entwicklung von höherfesten Betonen durchgeführten Versuche zur Schubfugentragfähigkeit
7.8 Schubfugen
289
1,2
As= 6,28 cm2
C25/30
Spaltzugfestigkeit Verbundkörper Spaltzugfestigkeit monolithischer Körper
0,27 0,30
mit Fließmittel
1,0
0,06
1,0
ohne Fließmittel
0,4
Neubeton
0,6
Altbeton
0,8
a Querschnitt
d = 0,27 0,27 0,30
0,2 ai = 0,07
0
8 10 mod. Wenzelscher Quotient (“tatsächliche Oberfläche / projizierte Oberfläche”) 2
4
6
6,0 VEd = 47,93 kN VEd,red = 42,5 kN
VEd
Abbildung 7.61 Auswirkungen von Oberflächenrauigkeit und Zusammensetzung des Neubetons auf die Spaltzugfestigkeit einer Verbundfuge (nach Müller 2009)
mit Ergänzung aus Hochleistungsbetonen auf normalfesten Altbetonen. Zunächst wurde vermutet, dass die Fugentragfähigkeit durch die niedrigere Festigkeit des Altbetons gesteuert wird. Allerdings offenbarten die Ergebnisse eine signifikant gesteigerte Tragfähigkeit; ein Effekt, der nicht eintritt, wenn der erste Betonierabschnitt aus Hochleistungsbeton hergestellt und durch normalfesten Beton ergänzt wird (Reinecke 2004). Für beide Varianten ergeben die normativen Bemessungsregeln übrigens identische Tragfähigkeiten. Die wesentlichen Ursachen des verbesserten Haftverbundes sind in der Betonzusammensetzung des Neubetons zu suchen. Aktuelle Forschungsergebnisse legen zwei Schlüsse nahe (vgl. Müller 2009): • Bei Betonen mit hohem Bindemittelanteil, d. h. einen großen Anteil feinkörniger Bindemittelpartikel, entsteht eine dichtere Übergangszone zwischen Alt- und Neubeton. • Die Zugabe von Fließmitteln trägt erheblich zur Steigerung der Haftfestigkeit bei (Abb. 7.61). Für eine zielgerichtete Ausnutzung der Effekte fehlt heute allerdings noch die normative Umsetzung. Beispiel 7.4 Die aus Beispiel 7.1 bereits bekannte Deckenplatte soll aus Fertigteilen mit Ortbetonergänzung hergestellt werden (Abb. 7.62). Die Oberfläche der Fertigteile wurde nach der Herstellung nicht weiter behandelt. Die Schubfuge wird vereinfachend für den Maximalwert der Querkraft in der Auflagerachse nachgewiesen; aus Beispiel 7.1 ergibt sich: VEd D 47;9 kN : Die Fuge zwischen Fertigteil und Ortbeton liegt deutlich unterhalb der Dehnungsnulllinie, damit ist Fcdj =Fcd D 1,
x
b Detail Auflager
Abbildung 7.62a,b Beispiel 7.4 – Deckenplatte aus Fertigteilen mit Ortbetonergänzung (vgl. Beispiel 7.1)
d. h. die gesamte Querkraft muss als Schubfluss in der Fuge nachgewiesen werden. Aus Beispiel 7.1. ist bekannt, dass keine Querkraftbewehrung erforderlich ist; damit kann der Hebelarm zu z D 0;9d D 0;90;27 D 0;243 m angenommen werden. Der Schubfluss vEd folgt damit zu vEd D
Fcdj VEd 47;9 D 1;0 D 197 kN/m2 : Fcd z 0;243
Da die Oberfläche des Fertigteils unbehandelt geblieben ist, kann sie als glatt angesehen werden; damit gilt: cj D 0;20 I
D 0;60 I
D 0;20 :
Das Eigengewicht der Ortbetonergänzung wird für die Normalspannung senkrecht zur Fuge i. d. R. vernachlässigt; also gilt Nd D 0. Die Tragfähigkeit vRdj der Schubfuge folgt damit zu vRdj D 1 cj fctd b vRd;max D 0;5fcd b : Mit 0;7 0;3 252=3 0;7fctm D D 1;0 MN/m2 ;
c 1;8 fck 25 D 0;85 D 0;85 D 14;2 MN/m2 ;
c 1;5
fctd D fcd
folgt für einen Streifen von 1,0 m Breite mit 1 D 1;0 (Normalbeton): vRdj D 1;0 0;2 1;0 1;0 D 0;2 MN/m2 D 200 kN/m2 ; vRd;max D 0;5 0;2 14;2 1;0 D 1;42 MN/m2 D 1420 kN/m2 :
290
7 Querkraft
Wegen vRdj > vEd ist die Tragfähigkeit der Schubfuge nachgewiesen. Auf Schnittgrößenebene ergibt sich die Tragfähigkeit zu
cj D 0;40 I
D 0;70 I
D 0;50 :
Die Normalspannung senkrecht zur Fuge aus dem Eigengewicht der Decke wird vernachlässigt (! Nd D 0). Zur Berechnung der erforderlichen Verbundbewehrung wird vEd D vRdj gesetzt und Gl. (7.136) nach as aufgelöst. Mit fctd D 1;13 MN/m2 folgt für vertikale Bügelbewehrung, d. h. ˛ D 90ı , BSt 500 und Normalbeton (1 D 1;0):
VRdj D vRdj z D 200 0;243 D 48;5 kN/m : Wenn die Oberfläche der Fertigteile z. B. mit einem Rechen unmittelbar nach der Betonage so profiliert wird, dass die Anforderungen an raue Oberflächen erfüllt werden, folgt mit cj D 0;4 und D 0;5 die Tragfähigkeit der Fuge zu vRdj D 400 kN/m2 bzw. VRdj D 97 kN/m. Auch in diesem Fall ist die Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung mit VRd;ct D 120 kN/m größer als die Tragfähigkeit der Schubfuge. Der Fugennachweis wird bei glatten und rauen Fugen also bemessungsentscheidend. Dies hätte im Übrigen auch aus Abb. 7.59 gefolgert werden können.
as;req D D
vEd 1 cj fctd b 1;2fyd 346;5 103 1;0 0;40 1;13 0;20 1;2 0;70 500=1;15
D 7;0 104 m2 =m D 7;0 cm2 =m : Die maximale Schubtragfähigkeit vRdj;max ist:
Beispiel 7.5 Für das in Abb. 7.63 dargestellte Deckensystem soll die Schubfuge zwischen dem Fertigteilbalken und der Ortbetonplatte nachgewiesen werden. Die für die Fugenbemessung maßgebende Querkraft VEd ergibt sich bei direkter Lagerung nach Abb. 7.63 zu
vRdj;max D 0;5fcd b D 0;5 0;5 17;0 0;2 D 0;85 MN/m D 850 kN/m > vEd : Bei verzahnter Fuge (cj D 0;50, D 0;90, D 0;50) wäre natürlich eine geringere Bewehrungsmenge erforderlich:
VEd;max D .gd C qd / l=2 D 214;8 kN ; VEd D VEd;max .gd C qd / .a=2 C d hf / D 214;8 35;8 0;6 D 193;3 kN :
as;req D
Der zur Querkraftbemessung zu verwendende Wert im Abstand d vor der Lagerkante ist mit VEd D 189;0 kN geringfügig kleiner. Mit z D 0;9d D 0;558 m (hier maßgebend) ergibt sich für Fcdj =Fcd D 1;0 (Druckzone in der Platte) der Bemessungswert des einwirkenden Schubflusses zu vEd D
D
vEd 1 cj fctd b 1;2fyd 346;5 103 1;0 0;50 1;13 0;20 1;2 0;90 500=1;15
D 5;0 104 m2 =m D 5;0 cm2 =m : Der Querkraftnachweis des Trägers ergibt eine erforderliche Querkraftbewehrung von asw D 3;6 cm2 /m, ist also nicht bemessungsentscheidend.
Fcdj VEd 193;3 D D 346;5 kN/m : Fcd z 0;558
Die dargestellten Ergebnisse können auch unmittelbar aus Abb. 7.60 abgelesen werden. Mit ˛c D 0;75 folgt die bezogene einwirkende Querkraft zu
Die Oberseite des Fertigteilbalkens weist eine raue Oberfläche auf; die Kenngrößen der Schubfuge sind damit
VEd bw z˛c fcd 193;3 103 D D 0;136 : 0;2 0;558 0;75 17;0
Ed D qd = 18,0 kN/m gd = 17,8 kN/m
a System
12,0 0,04 0,20
Da Ed größer als 0,133 ist, kann eine glatte Fuge nicht ausgeführt werden, da vRdj;max überschritten wäre. Aus Abb. 7.60 kann für D 0;136 für raue Fugen !w D 0;12 und für verzahnte Fugen !w D 0;085 abgelesen werden. Mit
0,04 0,07
C30/37
0,05 0,60
0,60
d = 0,62
hf = 0,12
as;req D !w
bw ˛c fcd ; fyd
!w D 0;12 a = 0,20
12,0
0,20 b Querschnitt
) as;req D 0;12
0;2 0;75 17;0 D 7;0 cm2 =m ; 500=115
!w D 0;085 ) as;req D 5;0 cm2 =m : c Detail Auflager
Abbildung 7.63a–c Beispiel 7.5 – Fertigteilbalken mit Teilfertigdecke; Nachweis der Schubfuge
Aus Abb. 7.60 ist gleichzeitig ablesbar, dass der Querkraftnachweis nicht maßgebend ist; dessen ungeachtet ergibt sich !w D 0;062 und damit asw;req D 3;6 cm2 /m.
Literatur
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Z INK, M.: Zum Biegeschubversagen schlanker Bauteile aus Hochleistungsbeton mit Vorspannung ohne Verbund, Universität Leipzig, Diss., 2000
Kapitel 8
Torsion
8.1 Grundlagen Torsionsbeanspruchungen entstehen, wenn die Wirkungslinie von Kräften nicht durch den Schubmittelpunkt, d. h. die Drillachse des Querschnitts verläuft (Abb. 8.1). Torsion alleine, ohne die gleichzeitige Wirkung von Biegemomenten, Normal- und Querkräften, tritt in der Baupraxis selten auf. Die Bemessung für kombinierte Beanspruchungen wirft allerdings erhebliche Probleme auf und ist näherungsweise nur durch die abstrahierte Betrachtung mit Stabwerkmodellen oder Spannungsfeldern möglich. Im Allgemeinen wird die Bemessung jeweils separat für M C N , V und T durchgeführt; Wechselwirkungen werden durch vereinfachte Interaktionsregeln berücksichtigt. Neben einer Verwindung des Stabes um den Schubmittelpunkt erzeugen Torsionsbeanspruchungen auch Verwölbungen der ursprünglich ebenen Querschnitte zu räumlich gekrümmten Flächen (Abb. 8.2). Wird die Verwölbung behindert, entstehen zusätzliche Längsspannungen und zugeordnete Schubspannungen, die einen Teil der Torsionsbeanspruchung als Wölbkrafttorsion (sekundäre Torsion) aufnehmen. Für die Ableitung von Bemessungsregeln für Torsion wird allerdings vorausgesetzt, dass Verwölbungen nicht behindert werden, also ausschließlich die reine oder primäre Torsion vorliegt – die nach dem Ingenieur, auf den die Theorie der reinen Torsion zurückgeht, auch als Saint-Venant’sche Torsion bezeichnet wird. Torsionsbeanspruchungen rufen in Betonquerschnitten ein System von Hauptzug- und Hauptdruckspannungen hervor; nach der Elastizitätstheorie berechnete Schubspannungen sind wiederum nur Hilfsgrößen. Wie bei der Bemessung für Biegung und Querkraft im GZT muss auch bei tordierten Bauteilen
K. Zilch, G. Zehetmaier, Bemessung im konstruktiven Betonbau DOI 10.1007/978-3-540-70638-0, © Springer 2010
allein schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Hauptzugspannungen die Betonzugfestigkeit überschreiten. Nach dem Auftreten von Rissen muss eingelegte Bewehrung die Zugspannungen aufnehmen, während Druckspannungen durch Betondruckstreben übertragen werden. Charakteristisch für torsionsbeanspruchte Stahlbetonbalken ist die starke Reduktion der Torsionssteifigkeit gegenüber dem ungerissenen Zustand, die bei statisch unbestimmten Tragwerken zur Differenzierung zwischen Gleichgewichts- und Verträglichkeitstorsion, damit – im Gegensatz zur Bemessung für Biegung oder Querkraft – zur unterschiedlichen Behandlung von Torsionsbeanspruchungen bei statisch unbestimmten Systemen führt (s. Abschn. 13.5).
e
TE M S
TE Q2 > Q1
Q1
a Beispiel für Torsionsbeanspruchung M
S=M
b
S
M
M
S
S
Schubmittelpunkt (M) und Schwerpunkt (S) von Querschnitten
Abbildung 8.1a,b Torsionsbeanspruchung
295
296
8 Torsion A ux
T
T
x
A
8.2 Tragverhalten bei reiner Torsion
z a Verformung eines prismatischen Stabes Schnitt A-A
y
y ux > 0 z
z
Für den Grenzzustand der Tragfähigkeit ist dann nachzuweisen: ( TRd;sy TEd : TRd;max
ux < 0
b Niveaulinien der Längsverformung (Verwölbung)
Abbildung 8.2a,b Verwölbung tordierter Querschnitte
Zunächst werden die durch Saint-Venant’sche Torsion ausgelösten Spannungen in ungerissenen, ideal elastischen Stäben betrachtet. Die auf Grundlage der Elastizitätstheorie abgeleiteten Torsionsschubspannungen geben zwar Hinweise für die Rissbildung in tordierten Stäben, können aber das wirkliche Tragverhalten von Stahlbetonbauteilen nicht wiedergeben, zumal Schubspannungen lediglich Hilfsgrößen sind, die als Rechenhilfsmittel für die im Bauteil wirkenden Hauptzug- und Hauptdruckspannungen stehen.
Aufgaben der Torsionsbemessung – Nachweisformat l
Der Nachweis der Torsionstragfähigkeit erfolgt durch die Gegenüberstellung von einwirkendem Torsionsmoment TEd und Torsionswiderstand TRd im maßgebenden Querschnitt. )
TEd TRd
(8.1)
Im Unterschied zu querkraftbeanspruchten Trägerstegen ist für gerissene Bauteile zur Gewährleistung der Torsionstragfähigkeit immer eine hierfür bemessene Bewehrung, die gewöhnlich in Form vertikaler Bügel und Längsbewehrung eingebaut wird, notwendig. Die erforderliche Bewehrungsmenge wird i. Allg. unter der Voraussetzung, dass die Tragfähigkeit im GZT vollständig ausgeschöpft wird, d. h. TEd D TRd gilt, bestimmt. Parallel dazu muss nachgewiesen werden, dass die Druckbeanspruchungen durch den Beton aufgenommen werden können. Nach Versagensmechanismen – Beton- oder Stahlversagen – getrennt, werden entsprechende Bemessungswerte der Torsionstragfähigkeit in Regelwerken festgelegt; im Format nach DIN 1045-1 (identisch: EN 1992-1-1) sind dies: TRd;sy
TRd;max
Bemessungswert des Torsionsmoments, das durch die Bewehrung aufgenommen werden kann; Bemessungswert des Torsionsmoments, das durch Druckbeanspruchungen des Betons aufgenommen werden kann.
l
z
x TE
TE TE
Zugtrajektorien Drucktrajektorien
z T,max y
2
x
r TE
x
z
T =
TE
Ed Rd
y
z
T = 45°
1
Abbildung 8.3 Saint-Venant’sche Torsion bei einem zylindrischen Stab
8.2 Tragverhalten bei reiner Torsion
8.2.1 Spannungen in ungerissenen Bauteilen 8.2.1.1 Saint Venant’sche Torsion
297 a
b
t
y
t
r
Die Beanspruchung des in Abb. 8.3 dargestellten zylindrischen Stabes aus linear-elastischem, homogenem Material durch ein Torsionsmoment TE erzeugt eine über die Stablänge konstante Verwindung # D d'x =dx. Die über den Radius linear verteilten Torsionsschubspannungen T erreichen am Querschnittsrand ihr Maximum. Allgemein wird das Verhalten tordierter, elastischer Stäbe durch das Torsionsträgheitsmoment IT und das Widerstandsmoment WT beschrieben: TE #D ; (8.2) GIT TE : (8.3) T;max D WT Für Kreisquerschnitte können IT und WT elementar aus der Integration der Schubspannungen über den Querschnitt ermittelt werden (Tabelle 8.1). Der aus SaintVenant’scher Torsion hervorgerufene reine Schubspannungszustand entspricht einem System von Hauptzugund Hauptdruckspannungen, die unter 45ı bzw. 135ı gegen die Stabachse geneigt sind. Hauptzugspannungen 1 D T laufen in Drehrichtung wendelartig um die Stabachse, Hauptdruckspannungen 2 D T entgegengesetzt (Abb. 8.3). Die für zylindrische Stäbe geltenden Zusammenhänge sind auf Kreisringquerschnitte übertragbar (Abb. 8.4). Sofern die Wanddicke t des Kreisringes gegenüber dem Radius klein ist, kann näherungsweise von konstanten Schubspannungen T ausgegangen werden. Gleiches gilt für beliebig geformte, dünnwandige, geschlossene Querschnitte. Die durch TE hervorgerufenen Torsionsschubspannungen T werden zu einem umlaufenden, konstanten Schubfluss vT D T t zusammengefasst. Schubfluss vT und Torsionsträgheitsmoment folgen aus den Bredt’schen Formeln: T vT D ; (8.4) 2 Ak 4 A2 (8.5) IT D H dsk : t
Dabei ist Ak die von den Profilmittellinien umschlossene Kernfläche. Die Maximalwerte der Torsionsschubspannungen treten am Ort der geringsten Dicke tmin auf; für Kastenquerschnitte als Sonderform des geschlossenen, dünnwandigen Querschnitts enthält Tabelle 8.1 die Größen IT und WT . Die Entwicklung
T,max
T,max z
c
d T,max
T,max
l>t l
l=t
a b c d e
Kreis-QS Kreisring-QS Quadrat-QS Rechteck-QS geschlossener, dünnwandiger QS f offener, dünnwandiger QS
e
t
f
T,max l >> t
Abbildung 8.4a–f Schubspannungen infolge SaintVenant’scher Torsion bei ideal-elastischen, ungerissenen Querschnitten
ausgehend vom zylindrischen Stab über Rechteckquerschnitte hin zum dünnwandigen, offenen Querschnitt mit l t nach Abb. 8.4 zeigt, dass als wesentlicher Unterschied zu geschlossenen Querschnitten die Torsionsschubspannungen offener Querschnitte linear über die Profildicke t verteilt sind. Für l=t ! 1 können die Störzonen aus der Umlenkung des Schubflusses an den schmalen Kanten vernachlässigt werden; IT und WT sind damit IT D
l t3 ; 3
WT D
l t2 : 3
(8.6)
Für übliche Rechteckquerschnitte des Massivbaus ist allerdings die Vernachlässigung der Störzonen nicht gerechtfertigt; die zugehörigen, verminderten Werte IT und WT sind in Tabelle 8.1 zusammengefasst. Bei zusammengesetzten dünnwandigen Querschnitten erfahren alle Teile, sofern die Querschnittsform erhalten bleibt, identische Verwindungen #; die
298
8 Torsion
Tabelle 8.1 IT und WT bei verschiedenen Querschnitten Kreisquerschnitt IT D
r
WT D
r3 2
Kreisringquerschnitt ra4 ri4 ra4 ri4 ; WT D IT D 2 2 ra
ri
ra
r4 ; 2
Geschlossener dünnwandiger Querschnitt (allgemein) s
4 A2 IT D H ds k ;
Ak t(s)
WT D 2 Ak tmin
t
t3
t4
Kastenquerschnitt
t1 Ak
hk
IT D
t2
4 bk2 h2k bk C t1
bk t2
hk t3
C
; C
WT D 2 bk hk tmin
hk t4
bk
Rechteckquerschnitt (l t) IT D l t 3 ;
l
l t2 ˛
1,0
1,25
1,5
2,0
2,5
3,0
4,0
5,0
10,0
0,140
0,172
0,196
0,229
0,249
0,263
0,281
0,291
0,312
0,333
˛
4,81
4,52
4,33
4,07
3,88
3,74
3,55
3,43
3,20
3,00
l=t
t
WT D
Torsionssteifigkeit des Gesamtquerschnittes entspricht den aufsummierten Steifigkeiten seiner Teile. Für profilierte Querschnitte des Massivbaus kann dies ebenfalls als Näherung angenommen werden. Zur Ermittlung von Querschnittswerten und Schubbeanspruchungen allgemeiner, ungerissener Querschnitte vgl. Kollbrunner u. Basler (1966) und Gruttmann u. a. (1998).
8.2.1.2 Prandtl’sches Membrangleichnis Das in Prandtl (1904) vorgestellte, auf der mathematischen Identität der grundlegenden DGL von Torsionsproblemen mit der DGL für Verformungen einer unter Innendruck stehenden, idealen Membran1 basierende Gleichnis erlaubt auf anschaulichem Weg Aussagen zu Spannungsverlauf und Torsionssteifigkeit. Eine 1
Da eine ideale, schubspannungsfreie Membran, in der ausschließlich konstante, tangential gerichtete Zugspannungen herrschen, einer Seifenhaut entspricht, wird die Prandtl’sche Membrananalogie auch als Seifenhautgleichnis bezeichnet.
1
Membran wird über eine Öffnung, die dem betrachteten Querschnitt gleicht, gespannt und einem Innendruck ausgesetzt. Das Volumen der verformten Membran entspricht der Torsionssteifigkeit IT . Die Tangenten an die Niveaulinien beschreiben die Richtungen der Schubspannungen, die Neigung der Membran deren Beträge (Abb. 8.5). Bei Hohlquerschnitten wie dem Kastenquerschnitt nach Abb. 8.5b wird die Aussparung durch einen starren Deckel modelliert; die Membran bildet die einzige Verbindung zwischen äußerer Berandung und innerem Deckel. Bei Innendruck hebt sich der Deckel an, die Membran ist annähernd gerade gespannt, d. h. die Schubspannungen sind über die Wanddicke geschlossener Querschnitte nahezu konstant verteilt. Anders bei offenen Querschnitten: Die Gradiente der Membran ändert sich über eine kurze Länge erheblich und wechselt das Vorzeichen; die Torsionsschubspannungen sind annähernd linear über die Wanddicke verteilt und weisen in der Achse einen Nulldurchgang auf (Abb. 8.5c). Anhand der Membrananalogie wird offensichtlich, dass geschlossene Querschnitte gegenüber offenen Querschnitten wesentlich torsionssteifer
8.2 Tragverhalten bei reiner Torsion
299
a Vollquerschnitt steilsteTangente = τT,max
t
t
t
a dünnwandige Profile mit IT = const.
Tan g
ent
e
Membrane
p
a
τmax Schnitt
b Höhenlinien
Schubspannungen
b Kastenquerschnitt
c offener Querschnitt
Abbildung 8.5a–c Prandtl’sches Membrangleichnis
sind. Gleichzeitig wird deutlich, dass das Volumen unter der verformten Membran, damit IT nur unwesentlich beeinflusst wird, wenn aus einem dünnwandigen, offenen Profil weitere, flächengleiche, offene Querschnittsformen entwickelt werden (Abb. 8.6a); die Torsionssteifigkeit des profilierten Querschnitts ergibt sich damit aus der Summe der Steifigkeiten der Einzelteile. Letztlich belegt das Membrangleichnis Schubspannungskonzentrationen an einspringenden Ecken, die daher z. B. bei torsionsbeanspruchten Hohlkästen ausgerundet werden (Abb. 8.6b). 8.2.1.3 Anmerkungen zur Wölbkrafttorsion Bei Torsionsbeanspruchungen werden die ursprünglich ebenen Querschnitte i. Allg. zu räumlich gekrümmten Flächen verwölbt (vgl. Abb. 8.2). Wenn die Verwölbung behindert wird, entstehen Längsspannungen x und zugehörige Schubspannungen,
b Hohlkasten mit ausgerundeten einspringenden Ecken
Abbildung 8.6a,b Folgerungen aus dem Prandtl’schen Membrangleichnis
die einen Teil des angreifenden Torsionsmomentes durch Wölbkrafttorsion aufnehmen. Wölbbehinderungen entstehen u. a. aus der Lagerung des Stabes (Einspannung), aus entlang der Stabachse veränderlichen Torsionsbeanspruchungen – z. B. insbesondere bei der Einleitung von Einzelmomenten – oder aus Änderungen der Querschnittsform. Ausnahmen stellen wölbfreie Querschnitte dar, deren Querschnitte auch in tordiertem Zustand eben bleiben. Dazu zählen Kreis- und Kreisringquerschnitte sowie generell alle dünnwandigen Querschnitte, die aus zwei „Blechen“ zusammengesetzt werden, die sich in einem Punkt schneiden, z. B. auch Plattenbalken. Generell werden bei Stahlbetonbauteilen die Spannungen aus der Querschnittsverwölbung durch Rissbildung reduziert. Bei Stäben mit hoher Torsionssteifigkeit – z. B. Voll- oder Kastenquerschnitten – sind die Wölbspannungen im Vergleich zu den Schubspannungen aus Saint-Venant’scher Torsion gering und werden i. Allg. vernachlässigt. Im Unterschied dazu können bei torsionsweichen, offenen und nicht wölbfreien Querschnitten – z. B. I-Querschnitten oder zweistegigen Plattenbalken – erhebliche Beanspruchungen aus Wölbkrafttorsion auftreten, die i. W. über gegensinnige Steg- und Flanschbiegung berücksichtigt werden können (vgl. Mehlhorn u. Rützel 1972). Die Bemessung für Wölbkrafttorsion wird damit auf eine Bemessung für Biegung und Querkraft zurückgeführt. Aus Abb. 8.7 wird deutlich, dass die Hebelarme der Schubspannungen aus Wölbkrafttorsion gegenüber Saint-Venant’scher Torsion bei dünnwandigen Querschnitten deutlich größer sein können; der Traganteil aus Wölbkrafttorsion kann damit den Anteil aus Saint-
300
8 Torsion
die effektive Zugfestigkeit fct;eff erreichen. Die senkrecht zu den Hauptzugspannungen gerichteten Risse verlaufen ebenfalls wendelartig um den Stab entgegen der Drehrichtung und weisen bei ausschließlicher Torsionsbeanspruchung einem Winkel von 45ı gegen die Bauteilachse auf (Abb. 8.8). Mit einsetzender Rissbildung fällt die Torsionssteifigkeit drastisch ab. In Abb. 8.9a sind in Versuchen an Stahlbetonprismen mit üblicher Bewehrung aus vertikalen Bügeln und Längsstäben ermittelte T -#-Linien dargestellt. Ähnlich den M --Linien bei Biegebeanspruchung weisen die T -#-Linien drei charakteristische Phasen auf: ungerissener Zustand I, gerissener Zustand II und Fließen der Bewehrung. Die Lastabtragung erfolgt im gerissenen Querschnitt vor allem in der Randzone des Querschnitts, d. h. in den Bereichen, in denen Längs- und Bügelbewehrung angeordnet sind.
a Saint-Venant’sche Torsion
b Wölbkrafttorsion
Abbildung 8.7a,b Wölbkrafttorsion
T
Venant’scher Torsion übertreffen. Für zweistegige Plattenbalken bietet sich zur Erfassung der Wölbspannungen eine Berechnung als Trägerrost an.
Bruch
T
8.2.2 Tragverhalten gerissener Stahlbetonbauteile
a Bewehrung
8.2.2.1 Tragverhalten und Torsionssteifigkeit Im ungerissenen Zustand ist das Verhalten torsionsbeanspruchter Stahlbetonbauteile durch die Beziehungen der Elastizitätstheorie zu beschreiben; der Einfluss der Bewehrung auf die Torsionssteifigkeit Gc IT und das Torsionsrissmoment Tcr ist i. Allg. vernachlässigbar. Rissbildung setzt ein, wenn die Hauptzugspannungen
Zugspannungen Druckspannungen a Verlauf der Hauptspannungen im Zustand I
(gleiche Bewehrung) b Torsionsmomenten-Verwindungs-Beziehung
T / in % (GIT)I 100
b/h = 1
80
b/h = 2
60
b/h = 3 h
b/h = 6 40 b 20
T 100% entspricht (GIT)I des Querschnitts mit b/h = 1
b Rissbild
c Torsionssteifigkeit in Abhängigkeit des Torsionsmomentes
Abbildung 8.8a,b Rissbild eines torsionsbeanspruchten, bewehrten Stahlbetonstabes (nach Bach u. Graf 1912) und zugehöriges Trajektorienbild
Abbildung 8.9a–c T -#-Linien und Entwicklung der effektiven Torsionssteifigkeit aus Versuchen (nach Leonhardt u. Schelling 1974)
8.2 Tragverhalten bei reiner Torsion
301 System
unwirksamer Betonkern T
T
wirksame äußere Schale TE
teff
a
a
a ungerissen
b gerissen
h
h
q
q
Abbildung 8.10a,b Idealisiertes Tragmodell torsionsbeanspruchter, kompakter Querschnitte
Zugstäbe TE
Für Vollquerschnitte ergeben sich im Vergleich mit identisch bewehrten Hohlquerschnitten im Zustand II ähnliche Verformungen und Bruchlasten (Abb. 8.9a). Gerissene Querschnitte bestehen daher aus einer aktiven, bewehrten Schale, die primär die Beanspruchungen aus Torsion aufnimmt, und einem nahezu passiven Betonkern (vgl. Lampert u. Thürlimann 1968; Leonhardt u. Schelling 1974). Für die Torsionsbemessung können kompakte Querschnitte daher als fiktive Hohlquerschnitte mit effektiver Wanddicke teff und umlaufendem, annähernd konstantem Schubfluss idealisiert werden (Abb. 8.10). Rechteckquerschnitte mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen b= h, allerdings identischen Querschnittsflächen, d. h. annähernd identischen Kernflächen Ak und annähernd identischer Bewehrung, weisen im ungerissenen Zustand stark unterschiedliche Torsionssteifigkeiten auf (Abb. 8.9b). Im Torsionsversuch erreichen die Querschnitte allerdings – korrespondierend mit dem Tragmodell eines fiktiven Hohlkastens – ähnliche Bruchlasten und Torsionssteifigkeiten. Gleichzeitig zeigt Abb. 8.9b die starke Reduktion der Torsionssteifigkeit durch Rissbildung; abhängig von Querschnittsform und Bewehrungsgehalt werden im gerissenen Zustand nur mehr 5%–20% der Steifigkeit im Zustand I erreicht. Die Torsionssteifigkeit nimmt damit gegenüber der Biegesteifigkeit bei Rissbildung deutlich stärker ab; die Verschiebung der Steifigkeitsverhältnisse ist insbesondere bei statisch unbestimmten Systemen bedeutsam (vgl. Abschn. 13.5)
8.2.2.2 Fachwerkmodell bei reiner Torsion Wie bei querkraftbeanspruchten Trägerstegen liegt es auch bei tordierten prismatischen Stäben nahe, den Kraftfluss durch Zug- und Druckstäbe, die in der wirk-
b
a Fachwerk mit geneigten Zugstreben
TE
b
Druckstäbe
b Fachwerk mit vertikalen Zugstreben
Abbildung 8.11a,b Fachwerkmodelle für Torsionsbeanspruchungen mit schrägen und vertikalen Zugstreben
samen äußeren Schale des Querschnittes liegen, zu beschreiben. Bereits in Rausch (1929) wurden zur Behandlung der Torsion im „Eisenbetonbau“ räumliche Fachwerke vorgeschlagen. Grundsätzlich ist es günstig, die Zugstreben senkrecht zu den Rissen, d. h. dem Verlauf der Hauptzugspannungen im ungerissenen Zustand folgend, um 45ı gegen die Stabachse geneigt anzuordnen (Abb. 8.11a). Die zugehörigen Druckstreben verlaufen entgegen der Drehrichtung mit dem Winkel 45ı gegen die Stabachse geneigt parallel zu den Torsionsrissen. Die aus diesem Fachwerk folgende, wendelförmige Bewehrung ist grundsätzlich möglich; in der Baupraxis treten allerdings häufig Torsionsmomente mit wechselnder Richtung auf, die eine zweite, gegenläufige Wendelbewehrung erforderlich machen. Zudem ist bei einsinniger Torsion die Gefahr, dass Wendel mit falscher Orientierung eingebaut werden, nicht von der Hand zu weisen. Es ist daher üblich, als Torsionsbewehrung eine Kombination von vertikalen Bügeln und Längsbewehrung anzuordnen; das daraus entstehende Fachwerkmodell gibt Abb. 8.11b wieder. Es wird noch zu zeigen sein, dass beide Bewehrungselemente erforderlich sind, um die Tragfähigkeit zu gewährleisten; weder mit Bügeln noch Längsstäben allein kann ein gerissener Querschnitt Torsionsmomente aufnehmen. Wie bei querkraftbeanspruchten Trägerstegen entstehen durch die notwendige Anordnung der Bügel in geringem Abstand sowie durch die Verteilung der Längsbewehrung über den Umfang des fiktiven Hohlkastens anstelle der einfachen Fachwerke nach Abb. 8.11 komplexe Netzfachwerke bzw.
302
8 Torsion
Spannungsfelder. Die Bemessung erfolgt allerdings wieder auf Basis eines einfachen Fachwerks, d. h. anhand der Spannungsresultierenden der Druck- und Zugspannungsfelder.
Asw Asl
8.2.2.3 Versagensarten
sw uk
In Abhängigkeit von Querschnittsgeometrie, Bewehrungsgrad und -anordnung können in Torsionsversuchen verschiedene Versagensmechanismen beobachtet werden: • Zugversagen der Torsionsbewehrung Ein Zugversagen der Torsionslängs- oder -bügelbewehrung geht einher mit deutlichen Verformungen und weit geöffneten Torsionsrissen. Der eher duktile Versagensmechanismus setzt allerdings Mindestbewehrung voraus, die ein schlagartiges Versagen bei Auftreten des ersten Torsionsrisses verhindert. • Versagen der Betondruckstreben Bei hohem Bewehrungsgrad ist ein schlagartiges Versagen der Druckstreben vor dem Fließen der Bewehrung möglich. Die Festigkeit der Betondruckstreben wird wie bei querkraftbeanspruchten, gerissenen Trägerstegen durch Rissbildung und Querzugbeanspruchung der Bewehrung beeinflusst; zudem treten durch die Verwindung des Querschnittes erhebliche zusätzliche Spannungen auf, die die nutzbare Druckfestigkeit weiter reduzieren (s. Abschn. 8.3.2). • Ausbrechen von Kanten Werden die Umlenkkräfte aus der Richtungsänderung der Druckstrebenkräfte an den Kanten nicht durch in geringen Abständen angeordnete Bügel oder steife Längsstäbe aufgenommen, brechen die Kanten aus. • Verankerungsversagen Eine unzureichende Verankerung sowohl der Bügel- als auch der Längsbewehrung kann zu einem schlagartigen Bauteilversagen führen.
Abbildung 8.12 Bewehrungskorb für torsionsbeanspruchte, prismatische Querschnitte
Längstäben parallel zur Stabachse (Abb. 8.12). Die Betondruckstreben sind mit dem Winkel gegen die Stabachse geneigt.
8.3.1 Bemessungsgrundlagen 8.3.1.1 Ermittlung der Strebenkräfte Zur Berechnung der Strebenkräfte des Fachwerks wird von einem entlang der Hohlkastenwände konstanten Torsionsschubfluss vEd ausgegangen, der wie für einen dünnwandigen Hohlquerschnitt nach der 2. Bredt’schen Formel bestimmt wird.2 Über die Höhe zi der Wand i des fiktiven Hohlkastens aufsummiert, ergibt sich die Schubkraft VEd;T . Die Kernfläche Ak wird durch die Mittellinien des fiktiven Hohlkastens eingegrenzt. vEd;T D
VEd;T D vEd;T zi D
Die Torsionsbemessung von Stahlbetonbauteilen baut auf der Betrachtung eines Ersatzhohlkastens auf, dessen Wände durch ein Fachwerk aus Zugund Druckstreben idealisiert werden. Die Zugstreben bestehen i. Allg. aus vertikalen Bügeln (˛ D 90ı ) und
(8.7) TEd zi 2 Ak
(8.8)
Aus dem Gleichgewicht in einem Schnitt zwischen zwei Bügeln nach Abb. 8.13a folgt: VEd;T ; sin D jFcd j cos D VEd;T cot :
jFcd j D
8.3 Torsionstragfähigkeit von Bauteilen mit prismatischem Querschnitt
TEd ; 2 Ak
Fsld
(8.9) (8.10)
Nach Gl. (8.10) wird zur Aufnahme des Torsionsmoments durch die geneigten Druckstreben Längsbewehrung für Fsld erforderlich. Aus dem Kräftegleichge2
Kräfte und Spannungen werden anhand der Bemessungswerte nach DIN 1045-1 angeschrieben. Die Orientierung der Kräfte in Abbildungen folgt der Wirkungsrichtung; Druckkräfte werden daher als Betrag angegeben (vgl. Abb. 8.13).
8.3 Torsionstragfähigkeit von Bauteilen mit prismatischem Querschnitt
303
VEd,T |Fcd|
TEd
q 1
Fsld q
zi
q Fsld
|Fcd|
ci = zi cos Q
VEd,T Ak
Knoten 1
1
Fsld VEd,T
Fswd
VEd,T
|Fcd|
|Fcd| zi
TEd
Fswd
teff a
q
a
q Fsld
a Raumfachwerk
b ebenes Fachwerk der Seitenwand
Abbildung 8.13a,b Fachwerk mit Bügel- und Längsbewehrung – Schnitte und resultierende Strebenkräfte 1 in Abb. 8.13b folgt die Bügelzugwicht an Knoten kraft zu
sld D
(8.11)
D
Die Beanspruchungen von Beton und Bewehrung ergeben sich, wenn die Strebenkräfte einer Wand auf die zugehörigen Flächen bezogen werden (vgl. Abb. 8.13).
swd D
Fswd D jFcd j sin D VEd;T :
jFcd j ! teff ci D teff zi cos ; Asl zi D asl zi ; Fsld ! uk Asw zi cot D asw zi cot Fswd ! sw
(8.12) (8.13) (8.14)
In den Gln. (8.13) und (8.14) sind (vgl. Abb. 8.12): Asl uk
auf den Umfang uk der Kernfläche Ak bezogene Längsbewehrung
Asw sw
auf die Länge bezogene Bügelbewehrung (einschnittig) :
Die Spannungen errechnen sich damit zu: VEd;T jFcd j D teff zi cos teff zi cos sin TEd D 2 Ak teff sin cos TEd D .cot C tan / ; (8.15) 2 Ak teff
jcd j D
D
VEd;T Fsld D cot asl zi asl zi TEd cot ; 2 Ak asl
(8.16)
VEd;T Fswd D tan asw zi cot asw zi TEd tan : 2 Ak asw
(8.17)
Im Grenzzustand der Tragfähigkeit wird die Torsionstragfähigkeit des Querschnitts vollständig ausgeschöpft; es gilt TEd D TRd . Die Gln. (8.15) bis (8.17) können nach der Torsionstragfähigkeit aufgelöst werden, wenn die Spannungen jcd j bzw. sld und swd durch die zugehörigen Festigkeiten ˛c;red fcd bzw. fyd ersetzt werden. TRd;max D ˛c;red fcd 2 Ak teff sin cos ˛c;red fcd 2 Ak teff (8.18) D cot C tan 8 ˆ fyd asl 2 Ak tan ˆ ˆ ˆ ˆ < (Längsbewehrung) : (8.19) TRd;sy D min ˆ fyd asw 2 Ak cot ˆ ˆ ˆ ˆ : (Bügelbewehrung)
Mit Gl. (8.19) wird die erforderliche Bewehrungsmenge für ein einwirkendes Torsionsmoment TEd D TRd;sy bestimmt:
304
8 Torsion
asl D
TEd Asl D cot ; uk 2 Ak fyd
(8.20)
asw D
Asw TEd D tan : sw 2 Ak fyd
(8.21)
Hierbei bezeichnet Asl die gesamte Torsionslängsbewehrung entlang uk ; Asw ist für den Bewehrungskorb nach Abb. 8.12 nur der Querschnitt eines Bügelschenkels, d. h. die Bügelbewehrung einer Wand. Bügel wirken bei Torsion wegen des umlaufenden Schubflusses nur einschnittig, für Querkraft allerdings zweischnittig; bei der Querkraftbemessung bezeichnet Asw daher die Querschnittsfläche beider Bügelschenkel. Dies ist insbesondere bei kombinierter Beanspruchung aus T und V zu beachten. Eine wendelförmig geneigte Anordnung der Bewehrung wirkt sich wie bei Querkraft günstig auf die Beanspruchungen von Beton und Bewehrung aus. Für ˛ < 90ı lauten die Gln. (8.18), (8.20) und (8.21): TRd;max D ˛c;red fcd 2 Ak
cot C cot ˛ ; (8.22) 1 C cot2
asl
D
TEd .cot cot ˛/ ; 2 Ak fyd
asw
D
TEd 2 Ak fyd
1 : sin ˛ .cot C cot ˛/
(8.23)
(8.24)
In den Bemessungsgleichungen sind noch die die effektive Wanddicke teff und die Druckstrebenneigung unbekannt.
8.3.1.2 Geometrie des Ersatzhohlkastens Im Sinne des statischen Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie kann bei kompakten Querschnitten die Wanddicke teff des fiktiven Hohlkastens frei gewählt werden. Bedingt durch die Vergrößerung der Kernfläche Ak und den damit reduzierten Torsionsschubfluss vEd;T nimmt die erforderliche Bewehrungsmenge mit teff ab. Ein unterer Grenzwert für teff ist erreicht, wenn die Tragfähigkeit der Druckstreben vollständig ausgenutzt ist (jcd j D ˛c;red fcd ). Die mit dieser Bedingung formulierte, plastizitätstheoretisch optimale Nutzung des Querschnitts erfordert allerdings Einschränkungen, die das tatsächlich sprödere Verhalten von Betonquerschnitten berücksichtigen. Die aus der Richtungsänderung der Druckstreben an den Querschnittskanten entstehende Umlenkkraft kann nur für den innerhalb der Bügel liegenden Anteil durch Bügel und Längsbewehrung aufgenommen
werden. Die Umlenkung des außerhalb gelegenen Anteils erfolgt über Betonzugspannungen, die bei zu hoher Ausnutzung zum Absprengen der Kante führen. Sinnvollerweise sollte die Mittellinie der Ersatzwand innerhalb der umschließenden Bügel liegen, z. B. – wie in Lampert u. Thürlimann (1968) vorgeschlagen – der Verbindungslinie zwischen den Eckstäben entsprechen (vgl. DIN 1045-1). Damit wird die Geometrie des Fachwerkes (! Ak , uk , zi ) an die Abmessungen des Bewehrungskorbes geknüpft, gleichzeitig steigt aber die Druckstrebentragfähigkeit (! TRd;max ) mit der Betondeckung c an. Bei im Vergleich zu den Querschnittsabmessungen sehr großen Betondeckungen wird damit die Druckstrebentragfähigkeit tendenziell überschätzt, da die äußeren Bereiche der Betondeckung insbesondere an den Kanten nur mehr eingeschränkt bei der Umlenkung der Druckstreben mitwirken. Gleichzeitig zeigen Versuchsauswertungen, dass bei großer Torsionsbeanspruchung die effektive Wanddicke teff gegenüber dem Vorschlag in DIN 1045-1 größer werden und weiter in den Querschnitt hineinreichen, damit Ak im Vergleich mit DIN 1045-1 tendenziell kleiner sein kann. In Mark u. a. (2008) finden sich Empfehlungen einerseits zur Begrenzung der rechnerisch anzusetzenden effektiven Wanddicke bei cnom =bmin 0;05 (bmin ist die kleinste Querschnittsabmessung), andererseits zur Abminderung von Ak in Abhängigkeit der Torsionsbeanspruchung für !s;T 0;075 mit !s;T nach Gl. (8.25). !s;T D
s TEd uc .0;8 C 6cnom =bmin / 2 A2c fck
(8.25)
Versuchsergebnisse zeigen auch, dass teff von der Querschnittsgeometrie abhängt und näherungsweise mit dem Quotienten aus Querschnittsfläche und Umfang A=u verknüpft ist (vgl. Teutsch u. Kordina 1983). In EN 1992-1-1 wird teff daher auf A=u zurückgeführt; je weiter der betrachtete Querschnitt von einem Quadrat abweicht, um so größer wird teff im Verhältnis zur kleinsten Seitenlänge und kann deutlich über teff nach DIN 1045-1 liegen. Die Mittellinie des Ersatzhohlkastens wandert damit gleichzeitig weiter ins Innere des Querschnittes; die verminderte Kernquerschnittsfläche Ak erfordert höhere Bewehrungsmengen. Gleichzeitig ist die Geometrie des Ersatzhohlkastens weitgehend von den tatsächlichen Abmessungen des Bewehrungskorbes entkoppelt. Bei Hohlkastenquerschnitten kann die fiktive Wanddicke nicht größer als die tatsächliche Wanddicke werden.
8.3 Torsionstragfähigkeit von Bauteilen mit prismatischem Querschnitt
8.3.1.3 Einfluss des Druckstrebenwinkels auf das Bemessungsergebnis Analog zur Querkraftbemessung lässt der statische Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie eine freie Wahl des Druckstrebenwinkels zu. Durch Rissverzahnung sind gegenüber den unter 45ı verlaufenden Rissen flachere oder steilere Druckstreben möglich. Durch die Wahl von kann die Verteilung der insgesamt erforderlichen Bewehrungsmenge as;tot D asw C asl auf Bügel und Längsbewehrung gesteuert werden. In Abb. 8.14 sind die trigonometrischen Funktionen für ˛ D 90ı , mit denen die erforderliche Torsionslängsbewehrung asl nach Gl. (8.20) und die Bügelbewehrung asw nach Gl. (8.21) bzw. der Bauteilwiderstand TRd;max nach Gl. (8.18) verknüpft sind, dargestellt. Offensichtlich nimmt die erforderliche Bügelbewehrung mit zu, gleichzeitig wird weniger Längsbewehrung erforderlich. Das Minimum der gesamten Torsionsbewehrung as;tot wird für D 45ı erreicht, zugleich weist der Betonquerschnitt die höchste Tragfähigkeit auf.
8.3.1.4 Nutzbare Festigkeit der Betondruckstreben Wie bei querkraftbeanspruchten Trägerstegen sind die idealisierten Wände des Ersatzhohlkastens zum einen mit Rissen durchzogen, zum anderen durch kreuzende Bewehrung mit Querzugspannungen beaufschlagt. Bei Torsion sind allerdings im Vergleich zur Querkraftwirkung kritischere Randbedingungen zu berücksichtigen, da die Druckstreben wegen der umlaufenden Kraftwirkungen Risse stets in ungünstigen Winkeln
305
kreuzen (vgl. Abb. 8.8). Gleichzeitig werden durch die Verwindung tordierter prismatischer Querschnitte um den Schubmittelpunkt die Seitenflächen zu parabolischen Hyperboloiden verformt (Abb. 8.15a). Aus der zusätzlichen Biegebeanspruchung entstehen in der Wand des fiktiven Hohlkastens Spannungen, die sich den Druckspannungen aus Torsion überlagern; eine über teff konstante Druckspannungsverteilung wird wegen der begrenzten Verformbarkeit des Betons i. Allg. nicht erreicht. Die überlagerten Biegespannungen zusammen mit der Umlenkung der Druckstreben an den Querschnittskanten müssen daher durch eine weitere Reduktion der nutzbaren Druckstrebenfestigkeit auf ˛c;red fcd berücksichtigt werden. Bei echten Hohlkastenquerschnitten, die an beiden Wandflächen Bewehrung aufweisen, d. h. mit zweischnittigen Bügeln o. ä. bewehrt sind, wird eine bessere Umschnürung der Eckbereiche erreicht (Abb. 8.15b). Gleichzeitig bleibt angesichts der i. Allg. geringen Wanddicken der Biegeeinfluss aus der Querschnittsverwindung gering; bei Kastenquerschnitten können daher im Vergleich zu Kompaktquerschnitten höhere Druckbeanspruchungen zugelassen werden. Diese Zusammenhänge schlagen sich allerdings unterschiedlich in Normenregelungen nieder: Während in DIN 1045-1 für Kompaktquerschnitte – im Gegensatz zu Hohlkästen – die Druckfestigkeit auf ˛c;red fcd D 0;7 ˛c fcd , d. h. auf 70% des für querkraftbeanspruchte Trägerstege zulässigen Wertes reduziert wird, kann nach EN 1992-1-1 der für Trägerstege festgelegte, ohnehin konservative Wert
l 4
teff 3
sc cotq + tanq (® asl + asw )
2 tan q (® asw )
1
0
a Verwindung der Seitenflächen - Druckspannungsverteilung
cot q (® asl )
1 cot q + tan q q
45o 20o 3,0 2,5
30o
40o 1,2 1,0
50o
(® TRd ,max )
60o 0,58
cot q
Abbildung 8.14 Einfluss des Druckstrebenwinkels auf die erforderliche Bewehrungsmenge und die Druckstrebentragfähigkeit (˛ D 90ı )
b Anordnung der Bügelbewehrung
Abbildung 8.15a,b Einflüsse auf die nutzbare Festigkeit der Druckstreben
306
8 Torsion
ohne weitere Abminderung bzw. Differenzierung für torsionsbeanspruchte Querschnitte verwendet werden (vgl. Abschn. 3.7.4). 8.3.1.5 Bemessung profilierter Querschnitte Für die Bemessung profilierter Querschnitte wird davon ausgegangen, dass – wie bei ungerissenen Bauteilen – Torsion zu identischen Verwindungen # aller Querschnittsteile führt. Die Bemessung erfolgt daher getrennt für die einzelnen Teile (Abb. 8.16), die Gesamttragfähigkeit entspricht der Summe der Einzeltragfähigkeiten. Hinsichtlich der Aufteilung des einwirkenden Moments TEd auf die Querschnittsteile liegt ein statisch unbestimmtes Problem vor; nach den Grundsätzen der Plastizitätstheorie kann TEd beliebig verteilt werden, allerdings ist eine Aufteilung im Verhältnis der Torsionssteifigkeiten nach Zustand I zweckmäßig, um breite Risse in einem der Querschnittsteile zu vermeiden. Bei klassischen Hohlkastenquerschnitten des Brückenbaus wird der weitaus größte Teil des einwirkenden Torsionsmoments durch den Hohlkasten aufgenommen; die Kragarme können daher i. Allg. für Saint-Venant’sche Torsion vernachlässigt werden.
8.3.2 Bemessung für reine Torsion Die Bemessung für Saint-Venant’sche Torsion nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 folgt den im vorherigen Abschnitt skizzierten Grundlagen; Unterschiede in den Normenkonzepten existieren lediglich in den Annahmen zur effektiven Wanddicke des Ersatzhohlkastens sowie in zulässiger Neigung und nutzbarer Festigkeit der Druckstreben. Auf die Anordnung einer Torsionsbewehrung kann nach beiden Normen nur verzichtet werden, wenn der
betrachtete Querschnitt im Grenzzustand der Tragfähigkeit keine Torsions- oder Schubrisse aufweist. Entsprechende Abgrenzungskriterien werden in Zusammenhang mit kombinierter Beanspruchung aus T und V angegeben (s. Abschn. 8.4). Mindestbewehrung ist stets anzuordnen. Normenregelung nach DIN 1045-1 Die Bemessung für Torsionsbeanspruchungen wird in Abschnitt 10.4 der DIN 1045-1 geregelt.
Grundlagen Die Torsionstragfähigkeit eines prismatischen Querschnitts kann unter Annahme eines dünnwandigen, geschlossenen Querschnitts mit umlaufendem, konstantem Schubfluss erfolgen. Die Schubkraft VEd;T einer Wand der Länge zi ist (vgl. Gl. 8.8): VEd;T D
TEd zi : 2 Ak
(8.26)
Zur Nachweisführung wird der dünnwandige Ersatzkasten durch ein Fachwerkmodell aus Längsstäben, lotrecht zur Bauteilachse stehenden Bügeln und Druckstreben, die im Winkel gegen die Bauteilachse geneigt sind, idealisiert. Profilierte Querschnitte können in Teilquerschnitte aufgeteilt werden; die Aufteilung des angreifenden Torsionsmomentes auf die einzelnen Querschnittsteile kann i. Allg. nach dem Verhältnis der Torsionssteifigkeiten IT der ungerissenen Querschnitte erfolgen (vgl. Tabelle 8.1): IT;j TEd : TEd;j D P i IT;i
(8.27)
zi Detail
VEd,i Bügel Längsbewehrung teff /2
FEd
teff Ak a Definition nach DIN 1045-1 tef /2
teff
Detail
tef
Ak
b Definition nach EN 1992-1-1 a Bemessungsmodell
b zugehörige Bewehrung
Abbildung 8.16a,b Bemessung profilierter Querschnitte
Abbildung 8.17a,b Definition des Ersatzhohlkastens nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1
8.4 Kombinierte Beanspruchungen
307
Die Bemessung darf für jeden Teilquerschnitt getrennt erfolgen. Geometrie Die Mittellinie der Wände des fiktiven Hohlkastens wird durch die Achsen der Längsstäbe in den Ecken definiert (Abb. 8.17a); zur Beschreibung dienen folgende Größen: durch die Mittellinien der Wände eingeschlossene Kernfläche; Umfang der Kernfläche Ak ; Höhe der Wand i , definiert durch die Schnittpunkte der Wandmittellinien; effektive Dicke einer Wand; teff entspricht dem doppelten Abstand von der Mittellinie zur Außenfläche; bei echten Hohlkastenquerschnitten wird teff durch die tatsächliche Wanddicke begrenzt.
Ak uk zi teff
Die Druckstrebenneigung des Fachwerkmodells darf in den nach Gl. (7.70) vorgegebenen Grenzen frei gewählt werden. Zur Ermittlung der durch den Betontraganteil VRd;c festgelegten unteren Grenze muss VEd durch VEd;T ersetzt werden; gleichzeitig ist der Ermittlung von VRd;c anstelle der Stegbreite bw die Wanddicke teff des Ersatzhohlkastens zugrunde zu legen. Bei kombinierter Beanspruchung aus Torsion und Querkraft gelten allerdings spezielle Interaktionsregeln (s. Abschn. 8.4). Bemessung Der Bemessungswert des in einem Querschnitt bzw. Querschnittsteil durch Bewehrung aufnehmbaren Torsionsmoments TRd;sy ist (vgl. Gln. 8.19): 8 Asw ˆ ˆ sw fyd 2 Ak cot ˆ ˆ < (Bügelbewehrung) : (8.28) TRd;sy D min Asl ˆ fyd 2 Ak tan ˆ uk ˆ ˆ : (Längsbewehrung) Der Bemessungswert des durch die Druckstrebenfestigkeit begrenzten, maximal aufnehmbaren Torsionsmomentes ist (vgl. Gl. 8.18): TRd;max D
˛c;red fcd 2 Ak teff : cot C tan
(8.29)
In Gl. (8.29) ist ˛c;red
D 0;7˛c allgemein D ˛c bei Kastenquerschnitten mit Bewehrung an den Innen- und Außenseiten.
Dabei ist ˛c D 0;75 1 mit 1 D 1 für Normalbeton; für Leichtbeton vgl. Abschn. 3.3, Gl. (3.93). Für TRd;sy und TRd;max ist jeweils der kleinste Wert der Wände i des Nachweisquerschnittes maßgebend. Wölbkrafttorsion Im Grenzzustand der Tragfähigkeit dürfen nach DIN 10451, 10.4.3 Spannungen aus behinderter Querschnittsverwölbung i. Allg. und insbesondere bei Bauteilen mit hoher Torsionssteifigkeit (z. B. geschlossene dünnwandige Querschnitte) vernachlässigt werden.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Der Nachweis der Torsionstragfähigkeit nach EN 1992-11, 6.3 ist weitgehend identisch mit den Regelungen nach DIN 1045-1. Im Folgenden werden die Unterschiede dargestellt. Geometrie Die effektive Wanddicke tef;i des Ersatzhohlkastens ist frei wählbar (Abb. 8.17b); als Richtwert wird angegeben: tef;i D
A : u
(8.30)
In Gl. (8.30) bedeuten: A
u
Gesamtfläche des Querschnitts bzw. Teilquerschnitts innerhalb der äußeren Umrandung einschließlich hohler Innenbereiche äußerer Umfang des Querschnitts.
Dabei sollte tef;i mindestens dem doppelten Abstand der Verbindungslinie der Bewehrungsstäbe zum Bauteilrand entsprechen; der Mindestwert ist damit identisch mit der nach DIN 1045-1 vorgesehenen Wanddicke. Bei Hohlkastenquerschnitten wird tef;i durch die tatsächliche Wanddicke begrenzt. Die Neigung der Druckstreben gegen die Längsachse kann in den für die Bemessung querkraftbeanspruchter Trägerstege vorgegebenen Grenzen frei gewählt werden (vgl. Abschn. 7.4.5); bei kombinierter Beanspruchung gelten allerdings einschränkende Interaktionsregeln (s. Abschn. 8.4). Bemessungswert des maximal aufnehmbaren Torsionsmoments Das durch die Druckstrebenfestigkeit begrenzte, maximal aufnehmbare Torsionsmoment ist (vgl. Gl. 8.18): TRd;max D ˛cw fcd 2 Ak tef;i sin cos : (8.31) In Gl. (8.31) ist für den Bemessungswert der effektiven Druckstrebenfestigkeit nach NDP-Tabelle 3.14 und ˛cw nach NDP-Tabelle 7.2 einzusetzen; Gl. (8.31) gilt damit auch für den Torsionsnachweis bei Leichtbeton. Wölbkrafttorsion Ergänzend zu den Ausführungen in DIN 1045-1 wird in EN 1992-1-1, 6.3.3 darauf hingewiesen, dass bei offenen dünnwandigen Querschnitten eine Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion erforderlich werden kann.
8.4 Kombinierte Beanspruchungen Torsion tritt i. d. R. in Kombination mit Biegung, Längskraft und Querkraft auf. Die gemeinsame Wirkung der Beanspruchungen führt zu komplexen Spannungszuständen, die nur mit Hilfe allgemeiner Bemessungsverfahren, z. B. mit Stabwerkmodellen oder Spannungsfeldern, näherungsweise erfasst werden können. Allerdings führt die Überlagerung der
308
Spannungen aus Torsion mit Längsdruck- bzw. Längszugspannungen im Versuch zu unterschiedlichen Druckstrebenneigungen in den einzelnen Wänden des Hohlquerschnittes (vgl. Thürlimann u. a. 1975; Teutsch u. Kordina 1983). Im Sinne einer praktikablen Bemessung werden die Nachweise für die Beanspruchungen M C N , V und T getrennt durchgeführt. In Abb. 6.6 wurde bereits dargestellt, dass eine einfache Superposition der Ergebnisse wegen des nichtlinearen Verhaltens gerissener Stahlbetonbauteile nicht möglich ist. An die Stelle exakter Lösungen treten daher einfache Interaktionsregeln. In Abschn. 7.3.4 und 7.4.6 wurde für kombinierte Beanspruchungen infolge M C V bereits gezeigt, dass die Wechselwirkungen durch zusätzliche Gurtkraftanteile aus Querkraft bzw. durch einen Versatz der Zugkraftlinie erfasst werden können.
8 Torsion
Auflösen ergibt: TEd D2 Ak teff jcd j s MEd MEd :(8.34) 1 z b teff jcd j z b teff jcd j Durch die Begrenzung von jcd j auf die Festigkeit ergibt sich die Grenzbedingung des Druckstrebennachweises. Die Inkonsistenz, dass die effektiven Druckfestigkeiten mit ˛c;red fcd für Torsion und fcd für Biegung unterschiedlich sind, wird durch den Bezug der Schnittgrößen auf die jeweils maßgebende Festigkeit gelöst: s TEd MEd MEd 1 2 ; (8.35) TRd0 MRd0 MRd0 mit
8.4.1 Interaktion von Torsion mit Biegung und Längskraft Durch die gleichzeitige Wirkung von M C N und T werden die Wände des (fiktiven) Hohlkastens neben Torsionsschubkräften durch Biegedruck- und Biegezugkräfte beansprucht. Interaktionsbeziehungen für die Längsbewehrungsstränge können z. B. auf Grundlage der Plastizitätstheorie angegeben werden (vgl. Lampert u. Collins 1972). Bei getrennter Betrachtung von T und M ergibt sich die Längsbewehrung aus der Überlagerung der Wirkungen. In der Biegezugzone sind die Bewehrungsmengen infolge N C M und T zu addieren, während in der Biegedruckzone die Zugkraft aus Torsion gegen die Druckkraft aus Biegung aufgerechnet werden muss.3 Bei überwiegender Biegung wird i. d. R. keine Längsbewehrung in der Druckzone erforderlich. Für die Überlagerung der Biegedruckspannungen mit Druckspannungen aus Torsion in den schrägen Druckstreben ist nachzuweisen, dass die Druckfestigkeit nicht überschritten wird. Da bei großen Biegedruckkräften keine Zugkraft in der Längsbewehrung entstehen kann, folgt nach Zilch u. Schneider (2001) aus NT D MEd =z der Druckstrebenwinkel in der Druckzone zu: 2 MEd cot D (8.32) TEd und daraus mit Gl. (8.15) die Druckstrebenspannung TEd TEd 2 MEd : (8.33) C jcd j D 2 Ak teff TEd 2 MEd 3
Die Beanspruchungen M C N und T müssen i. Allg. der gleichen Einwirkungskombination zugeordnet sein.
TRd0 D Ak teff ˛c;red fcd I MRd0 D z b teff fcd :
8.4.2 Interaktion von Torsion mit Querkraft Bei kombinierter Beanspruchung aus Torsion und Querkraft, die allerdings stets mit Biegebeanspruchungen einhergeht, überlagern sich in den Stegen bzw. den (fiktiven) Wänden die Schubkräfte aus T und V . Eine getrennte Ermittlung der je Steg erforderlichen Bügelbewehrung mit anschließender Addition ist möglich, setzt aber identische Druckstrebenwinkel für die Berechnung von Asw;V und Asw;T voraus. Bei der Addition der Bewehrungsmenge ist zu beachten, dass die Bewehrung für Querkraftbeanspruchungen für den Gesamtquerschnitt ermittelt wird, für Torsion jedoch nur für eine Wand: As;tot Asw;V 2 Asw;T D C sw sw sw
(8.36)
Für den Nachweis der Druckstrebentragfähigkeit eines kompakten Querschnitts sind bei kombinierter Beanspruchung aus V und T prinzipiell die in Abb. 8.18 dargestellten Verteilungen möglich. Spannungen aus Querkraft wirken über den gesamten Querschnitt, während Spannungen infolge T primär in den Wänden des Ersatzhohlkastens konzentriert sind. Da eine lineare Überlagerung hier zu konservativ wäre, wird i. Allg. eine quadratische Interaktionsbedingung angegeben (vgl. Normenregelung nach DIN 1045-1). Für echte Kastenquerschnitte ist eine Verteilung nach Abb. 8.18 nicht möglich; in diesem Fall sind die Beanspruchungen linear zu überlagern.
8.4 Kombinierte Beanspruchungen
309
+
=
b teff a Variante 1
+
2
TEd VEd C 1 TRd;max VRd;max (Kompaktquerschnitte) ; TEd VEd C 1 TRd;max VRd;max (Kastenquerschnitte) :
teff h
2
(8.40) (8.41)
Kombinierte Beanspruchung infolge T C M Nach DIN 1045-1, 10.4.2 (3) darf die Torsionslängsbewehrung in Druckgurten entsprechend der vorhandenen Druckkräfte abgemindert werden. In Zuggurten ist sie zur erforderlichen Biegezugbewehrung zu addieren.
=
b Variante 2
Normenregelung nach EN 1992-1-1
Abbildung 8.18a,b Mögliche Überlagerung der Druckstrebenkräfte aus Torsion und Querkraft (nach CEB/FIP 1993)
Für kombinierte Beanspruchungen folgt die Bemessung nach EN 1992-1-1 i.W. den Grundsätzen nach DIN 10451. In folgenden Punkten bestehen Abweichungen: Bei näherungsweise rechteckigen Vollquerschnitten ist außer der Mindestbewehrung keine zusätzliche Bewehrung für Torsion und Querkraft erforderlich, wenn Gl. (8.42) mit VRd;c nach Gl. (7.19) erfüllt ist.
Normenregelung nach DIN 1045-1 Nach DIN 1045-1 ist bei näherungsweise rechteckigen Vollquerschnitten bei Beanspruchung durch Torsion und Querkraft außer der Mindestbewehrung keine zusätzliche Bewehrung erforderlich, wenn die Gln. (8.37) und (8.38) mit VRd;ct als Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung nach Gl. (7.17) erfüllt sind: VEd bw TEd ; 4;5 4;5 TEd VRd;ct : VEd 1 C VEd bw
(8.37) (8.38)
Kombinierte Beanspruchung infolge T C V DIN 1045-1 stellt zwei Möglichkeiten, eine kombinierte Bemessung und ein vereinfachtes Verfahren zur Wahl, die allerdings beide auf separaten Nachweisen für T und V basieren. Bei der kombinierten Bemessung muss die Druckstrebenneigung für die Torsions- und Querkraftbemessung einheitlich angesetzt werden. Es gelten die Grenzen der möglichen Druckstrebenneigung nach Gl. (7.70); bei der Ermittlung des unteren Grenzwinkels ist für VEd die Schubkraft VEd;TCV aus Torsion und dem auf den Ersatzhohlkastensteg entfallenden Querkraftanteil anzusetzen teff ; bw
TEd VEd C 1; TRd;c VRd;c mit TRd;c D fctd WT
(WT nach Tabelle 8.1) :
Kombinierte Beanspruchung infolge T C V Nach EN 1992-1-1 darf die Bemessung für T und V getrennt durchgeführt werden, allerdings ist den Nachweisen die selbe Druckstrebenneigung zu grunde zu legen. Die Bewehrungsmengen sind zu addieren. Für den Nachweis der Druckstrebentragfähigkeit wird lediglich eine lineare Interaktionsbeziehung nach Gl. (8.43) mit VRd;max nach Gl. (7.81) angegeben. TEd VEd C 1 TRd;max VRd;max
(8.43)
Der Nachweis für kombinierte Beanspruchung infolge T C M entspricht DIN 1045-1.
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 wird für den Nachweis kombinierter Beanspruchungen aus T und V ergänzt: •
(8.39)
•
der Betontraganteil VRd;c nach Gl. (7.71) ist für teff anstelle bw zu ermitteln. Die mit der gewählten Druckstrebenneigung berechneten Bewehrungsmengen infolge T und V sind zu addieren. Nach dem vereinfachten Bemessungsverfahren darf die erforderliche Torsionsbewehrung unabhängig von der für die Querkraftbemessung gewählten Druckstrebenneigung für D 45ı ermittelt und zur Querkraftbewehrung addiert werden. Der Druckstrebennachweis wird für kombinierte Beanspruchung in Abhängigkeit des Querschnittstyps nach den Gln. (8.40) und (8.42) mit VRd;max nach Gl. (7.75) geführt:
•
VEd;TCV D VEd;T C VEd
(8.42)
Berechnung der gemeinsamen Druckstrebenneigung infolge T und V nach DIN 1045-1 bzw. vereinfachend unabhängiger Nachweis für Torsion mit D 45ı . Quadratische Interaktionsbeziehung für kompakte Querschnitte nach Gl. (8.40). Sofern die Gln. (8.37) und (8.38) nicht erfüllt sind, sollte neben dem Einbau der Mindestbewehrung der Nachweis auf Querkraft und Torsion geführt werden.
Anmerkung zu den Grenzen für erforderliche Bewehrung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 Mit den Gln. (8.37) und (8.38) bzw. (8.42) wird nachgewiesen, dass die Beanspruchungen aus V und T
310
8 Torsion
unterhalb der Größe für die kritische Rissbildung bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung liegen. Die Beziehungen nach DIN 1045-1 bauen auf der (mechanisch nicht ganz korrekten) Überlagerung von Schubspannungen Td aus Torsion (ermittelt am ungerissenen Bauteil) und von mittleren Schubspannungen Vd aus Querkraft auf. Der Ableitung wird WT für einen quadratischen Querschnitt (b= h D 1 ! ˛ D 4;81, vgl. Tabelle 8.1) und z D 0;9 h zugrunde gelegt. Zunächst wird überprüft, ob Td Vd gilt: VEd ˛ TEd 2 bw h bw z VEd bw VEd bw : (8.44) ) TEd ˛=0;9 4;5
Td Vd )
Gleichung (8.38) entspricht dem Nachweis, dass die überlagerten Schubspannungen kleiner als ein kritischer Wert, der aus der Schubrisslast von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung VRd;ct ermittelt wird, bleiben: ˛ TEd VRd;ct VEd C 2 bw z bw h bw z 4;5 TEd VRd;ct : ) VEd 1 C VEd bw
Bemessung für Biegung Die Bemessung wird für eine ausgenutzte Druckzone nach Gl. (6.53) mit ˛R D 0;81 und ka D 0;416 durchgeführt. 0;210 D 0;213 0;3 0;442 17 s ! 4 0;416 1 1 1 0;213 ; D 2 0;416 0;81
µEds D
As;M
D 0;301 ) z D 0;385 m ; MEds 0;210 D D z fyd 0;385 435 2 O D 12;5 104 m2 D12;5cm
Fachwerkgeometrie bei kombinierter Bemessung Die Gln. (8.37) und (8.38) sind nicht erfüllt (nicht dargestellt). Zur kombinierten Bemessung für V und T müssen zunächst Geometrie des Ersatzhohlkastens und Druckstrebenneigung bestimmt werden. Aus der Lage der Bewehrungsstäbe in den Querschnittsecken nach Abb. 8.19 folgt: teff D 0;12 m ; bk D 0;3 0;12 D 0;18 m ;
(8.45)
Mit Gl. (8.42) verfolgt EN 1992-1-1 das selbe Ziel durch eine lineare Interaktionsbeziehung. Hierzu wird für die Torsionsschubspannung cr , bei der Rissbildung einsetzt, fctd gesetzt (reine Torsion: 1 D T ). Beispiel 8.1 Der in Abb. 8.19 dargestellte, durch eine exzentrisch angreifende Einzellast beanspruchte Kragarm aus Beton der Festigkeitsklasse C30/37 soll für kombinierte Beanspruchung aus M , V und T bemessen werden.
hk D 0;5 0;12 D 0;38 m Ak D bk hk D 0;0684 m2 ; uk D 2 .bk C hk / D 1;12 m : Die Schubkraft VEd;T der vertikalen Wand infolge Torsion folgt aus Gl. (8.26): 0;040 0;38 TEd z D 2 Ak 2 0;0684 D 0;111 MND111 O kN :
VEd;T D
Die Überlagerung mit dem Schub aus Querkraft erfolgt mit Gl. (8.39): MEd = -210 kNm VEd = 110 kN TEd = 40 kNm
-
teff bw 0;12 D 111 C 110 D 155 kN : 0;30
VEd;TCV D VEd;T C VEd
gd = 5,1 kN/m +
QEd = 100 kN
+
2,0
0,4
Der untere Grenzwert der Druckstrebenneigung folgt aus Gl. (7.70) mit dem Betontraganteil VRd;c nach Gl. (7.71) mit teff anstelle bw . VRd;c D ˇct 1 0;10 fck1=3 .1 C 1;2 cd =fcd / teff z D D 34;0 kN ; 1;2 1;4 cd =fcd cot D D 1;54D33 O ı 1 VRd;c =VEd;TCV ) gewählt: cot D 1;2
0,5 0,06
Detail 0,3
0,06
Abbildung 8.19 Beispiel 8.1 – System, Belastung und Schnittgrößen
Bemessung für Querkraft Die erforderliche Querkraftbewehrung errechnet sich für lotrechte Bügel aus Gl. (7.73), die Druckstrebentragfähigkeit aus Gl. (7.74):
Literatur
311
Asw;V VEd 0;110 D D 104 sw fyd z cot 435 0;38 1;2
VRd;max
D 5;55 cm2 /m ; bw z ˛c fcd 0;3 0;38 0;75 17 D D cot C tan 1;2 C 1=1;2 D 0;715 MN D715 O kN :
Bemessung für Torsion Die Torsionslängs- und -bügelbewehrung kann aus Gl. (8.28) ermittelt werden, die zugehörige Druckstrebentragfähigkeit aus Gl. (8.29): Bügel:
Längsbewehrung:
Asw;T TEd D sw fyd 2 Ak cot 0;040 D 104 435 2 0;0684 1;2 Asl;T uk
Druckstrebe: TRd;max
D 5;60 cm2 /m ; TEd D fyd 2 Ak tan D D 8;07 cm2 /m ; ˛c;red fcd 2 Ak teff D cot C tan D D 72 kN :
Druckstrebennachweis bei kombinierter Beanspruchung Der Druckstrebennachweis für kombinierte Beanspruchung wird mit der Interaktionsbeziehung für kompakte Querschnitte nach Gl. (8.40) geführt: 2 2 2 2 TEd 110 VEd 40 C C D TRd;max VRd;max 72 715 D 0;33 < 1;0 ! o.k.! Erforderliche Bügelbewehrung Asw;V 2Asw;T Asw;tot D C D 5;55 C 2 5;60 sw sw sw D 16;75 cm2 /m Die Bügelbewehrung ist z. B. durch zweischnittige Bügel mit dsw D 12 mm im Abstand sw D 12;5 cm abzudecken. Erforderliche Längsbewehrung Die Torsionslängsbewehrung wird zu je einem Drittel auf Zug- und Druckgurt und zu einem Drittel über die Steghöhe verteilt (vgl. hierzu Abschn. 15.5.1). Die Gesamtbewehrung im Zuggurt ist damit As;req D 12;5 C 8;07 1;12=3 D 15;5 cm2 . Die Torsionslängsbewehrung in der Druckzone wird nicht mit der Biegedruckkraft aufgerechnet, da die Biegebeanspruchung im Unterschied zur Torsionsbeanspruchung über die Stablänge abnimmt.
Literatur BACH, C.; G RAF, O.: Versuche über die Widerstandsfähigkeit von Beton und Eisenbeton gegen Verdrehung. Berlin : Ernst & Sohn, 1912 (DAfStb-Heft 16)
CEB/FIP: Model Code 1990. Lausanne : Comité Euro-International du Béton, 1993 G RUTTMANN, K.; WAGNER, W. ; S AUER, R.: Zur Berechnung von Wölbfunktion und Torsionskennwerten beliebiger Stabquerschnitte mit der Methode der finiten Elemente. In: Bauingenieur 73 (1998), S. 138–143 KOLLBRUNNER, C.F.; BASLER, K.: Torsion. Berlin : Springer, 1966 L AMPERT, P.; C OLLINS, M.P.: Torsion, Bending and Confusion – An Attempt to Establish Facts. In: ACI Journal 69 (1972), Nr. 8, S. 500–504 L AMPERT, P.; T HÜRLIMANN, B.: Torsionsversuche an Stahlbetonbalken. Basel : Birkhäuser, 1968 (Bericht Nr. 6506-2, Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich) L EONHARDT, F.; S CHELLING, G.: Torsionsversuche an Stahlbetonbalken. Berlin : Ernst & Sohn, 1974 (DAfStb-Heft 239) M ARK, P.; S TANGENBERG, F.; B ENDER, M.; B IRTEL, V. ; Z EDLER, T.: Sonderaspekte zur Schubbemessung nach DIN 1045-1 und EC 2. In: Betonkalender 2008. Berlin : Ernst & Sohn, 2008 M EHLHORN, G.; RÜTZEL, H.: Wölbkrafttorsion bei dünnwandigen Stahlbetonträgern. In: Bauingenieur 47 (1972), S. 430–438 P RANDTL, L.: Zur Torsion von prismatischen Stäben. In: Jahresbericht der Deutschen MathematikerVereinigung 13 (1904), S. 31–36 R AUSCH, E.: Berechnung des Eisenbetons gegen Verdrehung (Torsion) und Abscheren. Berlin : Springer, 1929 T EUTSCH, M.; KORDINA, K.: Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbalken unter kombinierter Beanspruchung infolge Biegung, Querkraft und Torsion. In: Beton- und Stahlbetonbau 83 (1983), Nr. 1, S. 1–6 T HÜRLIMANN, B.; G ROB, J. ; L ÜCHINGER, P.: Torsion, Biegung und Schub in Stahlbetonträgern. Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich, 1975 (Autographie zum Fortbildungskurs für Bauingenieure) Z ILCH, K.; S CHNEIDER, R.: Massivbau. In: Z ILCH , K. U . A . (Hrsg.): Handbuch für Bauingenieure. Berlin : Springer-Verlag, 2001, S. 3/127–3/220
Kapitel 9
Durchstanzen
9.1 Grundlagen
Die Gefahr des Durchstanzens ist generell bei der konzentrierten Einleitung von Lasten oder Auflagerkräften senkrecht zur Ebene flächiger Bauteile gegeben. Hierzu zählen unter anderem folgende Fälle:
9.1.1 Anwendungsbereiche Bei der unmittelbaren Auflagerung von Platten auf Stützen – z. B. bei Flachdecken – entsteht in der Platte als Folge der konzentrierten Einleitung von Auflagerkräften ein gleichzeitig durch negative Biegemomente und Querkräfte räumlich hochbeanspruchter Bereich. Werden die Querkräfte zu groß, dringt die Stütze durch die Platte hindurch und stanzt einen kegelstumpfförmigen Bereiche der Platte heraus (Abb. 9.1). Im Unterschied zu einem Biegeversagen zählt das Durchstanzen insbesondere bei Platten ohne spezielle Durchstanzbewehrung zu den spröden Versagensarten; der Bruch tritt bei Erreichen der Durchstanzlast schlagartig und ohne deutliche Vorankündigung ein. Insofern bestehen zwischen dem Durchstanzen und dem Querkraftversagen von unbewehrten Trägerstegen deutliche Gemeinsamkeiten.
V
d d V
Abbildung 9.1 Durchstanzen – Versagensbild und zugehörige Last-Verformungs-Beziehung K. Zilch, G. Zehetmaier, Bemessung im konstruktiven Betonbau DOI 10.1007/978-3-540-70638-0, © Springer 2010
• punktförmig gestützte Platten (Flachdecken, Pilzdecken) • bei unterbrochener linienförmiger Lagerung z. B. der Bereich von Wandenden oder -ecken • lochrandgestützte Platten z. B. bei Hubdecken • Stützen auf Einzelfundamenten oder Fundamentplatten • Einleitung konzentrierter Lasten auf ein- und mehrachsig gespannte Platten • Pfahlkopfplatten. Ähnlich den Trägerstegen bieten Platten bereits ohne spezielle Bewehrung einen Durchstanzwiderstand. Wenn dieser nicht ausreicht, kann die Tragfähigkeit durch Anordnung spezieller Durchstanzbewehrung erhöht werden. Hierzu existiert eine Fülle verschiedener Bewehrungselemente; neben herkömmlichen Bügeln und Schrägstäben kommt insbesondere speziellen Dübelleisten und Doppelkopfbolzen einige Bedeutung zu. Beispiel 9.1 In Wolverhampton, 20 km nordwestlich von Birmingham in den englischen West Midlands, wurde 1965 Pipers Row Car Park als mehrstöckiges Parkhaus in Lift-SlabVerfahren errichtet. Das Gebäude bestand aus 230 mm dicken Flachdecken auf quadratischen Stützen in – für Parkhäuser typischem – unregelmäßigem Raster. Am 20. März 1997 um 3 Uhr morgens sackte ein 150 to schweres Stück des obersten Parkdecks auf das darunter liegende Deck (Abbn. 9.2 und 9.3). Offensichtlich stanzte zunächst eine der Innenstützen durch die Stahlbetonplatte, deren Gewicht sich in der Folge auf die verbleibenden, dafür allerdings nicht ausgelegten Stützen verteilte. Es kam daher unmittelbar anschließend an 8 weiteren Stützen zum Durchstanzversagen. Da das Parkhaus 313
314
9 Durchstanzen
Abbildung 9.2 Pipers Row Car Park – Einsturz des obersten Parkdecks am 20. März 1997 (aus Wood 2003)
über Nacht geschlossen war, kamen keine Personen zu Schaden, allerdings musste das gesamte Gebäude wegen der schweren Schäden – und der festgestellten baulichen Mängel – vollständig abgebrochen und ersetzt werden. Eine umfassende Untersuchung förderte eine ganze Reihe von Schwachpunkten zu Tage, die schließlich zum Einsturz führten: •
•
•
Planung Mit dem angewandten Verfahren zur vereinfachten Ermittlung der Schnittgrößen wurden u.a. wegen des unregelmäßigen Stützenrasters die einwirkenden Schubkräfte unterschätzt. Gleichzeitig wies die Deckenplatte in der Nähe einer Stütze Öffnungen auf, die in der Bemessung nicht berücksichtigt wurden. Zudem erreichte die Durchstanzbemessung nach der zugrunde liegenden Norm nicht das erforderliche Sicherheitsniveau. Bauausführung Der Zementgehalt und damit die Festigkeit des verwendeten Betons wies starke Schwankungen auf. Gleichzeitig wurde die oberste Bewehrungslage über den Stützen zu tief eingebaut, d. h. der Querschnitt wies eine erheblich reduzierte statische Nutzhöhe auf. Unterhalt Während der Nutzungszeit des Parkhauses drang mit Taumitteln angereichertes Wasser durch Lecks in der Abdichtung der Deckenplatte in den Beton ein und führte zu Schädigungen. Im Rahmen einer notdürftigen Sanierung wurde die oberste Betonschicht im Durchstanzbereich zweier Innenstützen entfernt und durch Reparaturmörtel ersetzt. Allerdings wurde dieser so mangelhaft verarbeitet, dass Teile der oberen Bewehrungslage nur mehr ungenügenden Verbund aufwiesen.
Es konnte rekonstruiert werden, dass eine Abkühlung der Luft- und Bauteiltemperaturen um einige Grad in der Nacht zum 20. März ausreichte, um das progressive Versagen auszulösen. Die im Lauf der Nutzung aufgetretenen Schäden reduzierten offensichtlich die ohnehin zu kleine Sicherheit gegen Durchstanzen so weit, dass geringe Temperaturbeanspruchungen zum Kollaps führen
Abbildung 9.3 Pipers Row Car Park – Durchstanzkegel einer Innenstütze (aus Wood 2003)
konnten. Es grenzt allerdings an ein Wunder, dass das Versagen nicht bereits durch die Last der tagsüber parkenden Autos ausgelöst wurde. Das Unglück zog eine Überprüfung britischer Bemessungs- und Konstruktionsregeln sowie eine kritische Untersuchung ähnlicher Parkhäuser nach sich. Zudem wurde in diesem Zusammenhang zum wiederholten Mal auf die Notwendigkeit einer Kollapsbewehrung zur Vermeidung eines progressiven Versagens hingewiesen. Beispiel 9.2 Das Durchstanzen bei Flachdecken ist eine der häufigeren Ursachen für Unglücksfälle, die leider nicht immer so glimpflich enden wie der Einsturz des Pipers Row Parkhauses. Verantwortlich hierfür sind im wesentlichen zwei Umstände: Zum einen verläuft das Durchstanzen spröde; im Unterschied z. B. zum duktilen Biegeversagen ist ein bevorstehender Bruch i. A. nicht früh genug erkennbar und erlaubt damit nicht mehr, das Gebäude rechtzeitig zu evakuieren. Zum anderen kann Durchstanzen – sofern keine geeigneten Maßnahmen wie z. B. eine Kollapsbewehrung vorgesehen sind – zu einem progressiven, reißverschlussartigen Versagen führen: nach dem Durchstanzen an einer Stütze versagen auch die angrenzenden Bereiche durch Überlastung. Eine der größten Katastrophen in der Südkoreanischen Nachkriegsgeschichte wurde durch ein progressives Durchstanzversagen ausgelöst. Am 29. Juni 1995 sackte der von 1987 bis 1989 in Seoul errichtete, fünfstöckige Sampoong Department Store während der abendlichen Haupteinkaufszeit in sich zusammen (Abb. 9.4). Der Einsturz forderte 502 Menschenleben, mehr als 900 Personen wurden verletzt. Ausgelöst wurde das Unglück vermutlich durch ein Durchstanzversagen der obersten
9.1 Grundlagen
315 y
x a einachsig gespannte Platte
b mehrachsig gespannte Platten
lx
Abbildung 9.4 Sampoong Department Store (1995)
2 ly c Aufteilung in ein- und mehrachsig gespannte Platten
Deckenplatte; innerhalb von 20 Sekunden brach das gesamte Gebäude in sich zusammen. Als Ursache wurden u. a. nachträgliche bauliche Veränderungen wie z. B. die Errichtung eines zusätzlichen Stockwerks und die Schwächung von Deckenplatten durch Öffnungen sowie eine unzureichende Bewehrung der Platte im Durchstanzbereich erkannt (Lankov 2004).
d punktgestützte Platte
Abbildung 9.5a–d Typisierung von Platten
9.1.1.1 Abgrenzung punktgestützter Platten Als Platten werden flächenhafte Tragwerke bezeichnet, die senkrecht zu ihrer Mittelebene belastet werden und daher Biegemomente und Querkräfte aufweisen (s. Abb. 1.3c). Zur Abgrenzung von balkenartigen Tragelementen gibt z. B. DIN 1045-1 folgende, auf die Bauteildicke h bezogene Kriterien an (EN 1992-1-1 in Klammern): • kleinste Stützweite 2h ( 5h) • Bauteilbreite 4h ( 5h). Gleichzeitig müssen Ortbetonplatten nach DIN 1045-1 eine Dicke h 70 mm aufweisen. Sofern Querkraftoder Durchstanzbewehrung erforderlich wird, muss die Platte mindestens 200 mm dick sein; lediglich für den Fall, dass die Querkraftbewehrung vollständig aus aufgebogenen Längsstäben besteht, kann die Dicke auf 160 mm reduziert werden. EN 1992-1-1 fordert dagegen bei querkraftbewehrten Platten generell h 200 mm. Nach Abb. 9.5 wird zwischen einachsig- und mehrachsig gespannten, linienförmig gelagerten Platten und punktgestützten Platten unterschieden. Einachsig gespannte Platten weisen in der Tragrichtung unter gleichmäßig verteilter Belastung die gleichen Schnittgrößen auf wie eine Schar frei nebeneinander liegender Balken; Schnittgrößenermittlung und Bemessung in
der Tragrichtung können daher wie bei Balken mit einer Einheitsbreite (z. B. 1 m) erfolgen. Aus der behinderten Querdehnung des Betons entstehen allerdings abhängig von der Querdehnzahl Biegemomente in Querrichtung, die eine Querbewehrung erfordern (myy D mxx ). Mehrachsig gespannte Platten sind an mindestens zwei benachbarten Kanten gelagert. Die Richtung der Hauptmomente weicht bereichsweise von den gewählten Koordinatenachsen und Spannrichtungen ab. Allseitig gelagerte Rechteckplatten tragen Vertikallasten naturgemäß primär über die kurze Spannweite ab. Sofern ly sehr viel größer als lx ist, werden Lasten im mittleren Bereich nahezu vollständig über die kurze Spannweite abgetragen. Daher ist eine Zerlegung der Platte in mehrachsig gespannte Bereiche mit ly 2lx an den Enden und einem mittleren, einachsig gespannten Bereich zulässig. Gleiches gilt für Platten mit unregelmäßigem Grundriss. Eine linienförmige Lagerung ein- oder mehrachsig gespannter Platten entsteht durch die Auflagerung auf Wände oder Unterzüge. Im Hoch- und Industriebau wurden rein linienförmig gelagerte Platten – z. B. Unterzugsdecken nach Abb. 9.6a – über die vergangenen Jahrzehnte durch punktgestützte Platten verdrängt. Die als Flachdecken bezeichneten Platten nach Abb. 9.6b bieten einige Vor-
316
9 Durchstanzen
teile, u.a. einen geringen Schalaufwand bei der Herstellung sowie eine – nicht zuletzt für die Haustechnik günstige – ebene Deckenuntersicht und damit eine größtmögliche Flexibilität bei der Raumaufteilung. Umgekehrt erfordern Flachdecken im Vergleich zu konventionellen Platten auf Unterzügen i. d. R. mehr Bewehrung und Beton und weisen damit gleichzeitig ein größeres Eigengewicht auf, allerdings wird dies durch die Vorteile mehr als kompensiert. In der Vergangenheit wurde das bei Flachdecken evidente Durchstanzproblem häufig durch eine pilzförmige Verstärkung des Stützenkopfes gelöst. Bei diesen Pilzdecken (Abb. 9.6c) sind die aufgezählten Vorteile allerdings eingeschränkt; Stützenkopfverstärkungen werden daher heute soweit möglich vermieden. Die erforderliche Dicke von Flachdecken wird maßgeblich bestimmt durch: • die Begrenzung der Durchbiegungen auf Gebrauchslastniveau und • die Durchstanztragfähigkeit. Die Beschränkung von Durchbiegungen kann für Flachdecken des üblichen Hochbaus bei annähernd regelmäßigen Stützenrastern sowohl nach DIN 1045-1 als auch nach EN 1992-1-1 vereinfacht über die Begrenzung der Biegeschlankheit l=d , d. h. über die Einhaltung eines Mindestwertes der statischen Nutzhöhe erfolgen.1 Um in einem Innenfeld die grundlegenden Anforderungen an Gebrauchstauglichkeit und Erscheinungsbild zu erfüllen, ist der Durchhang f zu begrenzen auf f leff =250. Hierfür ist nach DIN 1045-1 mit leff als der größeren Stützweite eine statische Nutzhöhe von d leff =50 (EN 1992-1-1: d leff =24) erforderlich. Flachdecken des üblichen Hochbaus werden häufig mit Schlankheiten leff =d 25 bei wirtschaftlich sinnvollen Spannweiten bis etwa 8 m ausgeführt (vgl. Andrä u. a. 1984); bei vorgespannten Flachdecken sind deutlich größere Schlankheiten leff =d 35–40 und damit größere Spannweiten möglich (vgl. Morgen u. a. 2004).
9.1.1.2 Historie punktgestützter Platten Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden vor allem in den USA punktgestützte Platten als Pilzdecken ausgeführt. Die Bemessung der Verbindung von Stützen und Platte wurde aus umfangreichen Versuchen an Fundamenten abgeleitet (vgl. Talbot 1913). In Europa war vor allem der Schweizer Robert Maillart wegweisend; unter anderem führte er die bis heute übliche Zweibahnenbewehrung, also das orthogonale Bewehrungsnetz auch für punktgestützte Platten ein. In Deutschland wurden Pilzdecken erst ab 1925 durch die Aufnahme von Berechnungsverfahren in die Bestimmungen des Deutschen Ausschuss für Eisenbeton, dem Vorläufer von DIN 1045, populär. Das Problem des Durchstanzens wurde allerdings pragmatisch gelöst: Durch Mindestabmessungen der Stützenköpfe wurde Durchstanzen nicht akut. In den USA lösten ab Ende der 30er Jahre Flachdecken vermehrt die Pilzdecken ab; um ein Durchstanzen zu Vermeiden, wurden über den Stützen zunächst Walzprofile in die Decken eingebaut. Im Zuge des Wiederaufbaus in den 50er Jahren nahm der Einsatz von Flachdecken auch in Deutschland sprunghaft zu. Gleichzeitig wurden die Forschungsaktivitäten zur auch wirtschaftlich äußerst bedeutsamen Frage des Durchstanzens intensiviert und bis heute auf hohem Niveau fortgeführt. In den vergangenen Jahren stand u.a. die Entwicklung und Erprobung effizienter Durchstanzbewehrungselemente im Vordergrund (z. B. Andrä 1981). Einige Anmerkungen zur Entwicklungsgeschichte punktgestützter Platten sind in Andrä u. a. (1984) zu finden; einen darüber hinausgehenden Überblick über die wesentlichen, bis Mitte der 80er Jahre durchgeführten Versuche und entwickelten Bemessungsmodelle enthält Kordina u. Nölting (1986), aktuelle und umfassende Darstellungen zum Durchstanzen bei Flachdecken sind u. a. in Staller (2001); Beutel (2002); Vocke (2002) und Tuchlinski (2004) zu finden.
9.1.2 Nachweis im Überblick
a Unterzugsdecke
b Flachdecke
c Pilzdecke
Abbildung 9.6a–c Unterzugs-, Flach- und Pilzdecken
Der Nachweis gegen Durchstanzen wird auf der Grundlage von Querkräften je Längeneinheit (DIN 1045-1; Dimension MN/m) bzw. je Flächeneinheit (EN 1992-1-1; Dimension: MN/m2 ) in Rundschnitten um die Lasteinleitungsfläche durch die Gegenüberstellung von Einwirkungen und Bauteilwiderstand geführt.
1
Erläuterungen zur Begrenzung von Biegeverformungen sind in Abschn. 11.3 enthalten.
Ed Rd ) vEd vRd
(9.1)
9.1 Grundlagen
317
In den einwirkenden Querkräfte vEd sind neben den Auflagerkräften einer Platte auch die ungünstigen Auswirkungen bei Übertragung von Biegemomenten zwischen Platte und Stütze, d. h. bei ausmittigen Stützenlasten zu erfassen. Vereinfacht kann dies durch Lasterhöhungsbeiwerte ˇ erfolgen (s. Abschn. 9.2.3). Bei Platten ohne spezielle Durchstanzbewehrung ist für die Querkräfte entlang des kritischen Rundschnittes im Abstand 1;5d (DIN 1045-1) bzw. 2;0d (EN 1992-1-1) um die Lasteinleitungsfläche ein Nachweis nach Gl. (9.2) zu führen (Bezeichnungen der Bemessungswerte nach DIN 1045-1 und in Klammern nach EN 1992-1-1, Erläuterungen s. Abschn. 9.2).
9.1.3 Schnittgrößenermittlung
(9.2)
vEd vRd;ct .vRd;c / Hierbei ist:
• vRd;ct (vRd;c ) Querkrafttragfähigkeit längs des kritischen Rundschnittes, begrenzt durch ein Versagen der Platte ohne Durchstanzbewehrung. Wenn die Tragfähigkeit nicht ausreicht, kann der Durchstanzwiderstand durch Anordnung einer Durchstanzbewehrung angehoben werden. Angelehnt an die zu beobachtenden Versagensformen bei bewehrten Platten muss ein Nachweis nach Gl. (9.3) geführt werden (s. Abschn. 9.3). 8 ˆ ˆ < vRd;max .vRd;max / vEd (9.3) .vRd;cs / vRd;sy ˆ ˆ :v .v / Rd;ct;a
Ergebnis. In Abb. 9.39 ist der vollständige Ablauf eines Durchstanznachweises nach DIN 1045-1 wiedergegeben. Auf einige von DIN 1045-1 abweichende Regeln bei der Verwendung von Dübelleisten und Doppelkopfbolzen, deren Nachweis derzeit in allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen geregelt ist, wird in Abschn. 9.3 hingewiesen. Besonderheiten im Nachweis von Fundamenten und vorgespannten Flachdecken folgen in Abschn. 9.4 und 9.5.
Rd;c
mit:
• vRd;max (vRd;max ) maximale Querkrafttragfähigkeit begrenzt durch ein Betonversagen am Übergang zwischen Stütze und Platte • vRd;sy (vRd;cs ) Querkrafttragfähigkeit längs eines Rundschnittes, begrenzt durch ein Versagen der Durchstanzbewehrung • vRd;ct;a (vRd;c ) maximale Querkrafttragfähigkeit außerhalb des Wirkungsbereichs der Durchstanzbewehrung. Gegenüber früheren Normengenerationen wurde der Durchstanznachweis ausgeweitet, um z. B. ein Versagen außerhalb des durchstanzbewehrten Bereichs zu verhindern. Die Bemessung der erforderlichen Bewehrung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 baut allerdings auf unterschiedlichen Modellvorstellungen auf und führt zu teilweise erheblichen Unterschieden im
Die Schnittgrößen von Platten können nur in wenigen Fällen – z. B. bei einachsig gespannten Platten – ohne weitere Hilfsmittel berechnet werden. Für Flachdecken – per se hochgradig statisch unbestimmte Systeme – werden heute i. d. R. rechnergestützte Verfahren, primär Finite-Elemente-Programme genutzt. Darüber hinaus existieren Näherungsverfahren, die auch zur überschlägigen Kontrolle geeignet sind. Zunächst werden allerdings einige Grundlagen der Berechnung von Platten erläutert; umfassende Darstellungen der Theorie von Platten sind in Girkmann (1959) und Timoshenko u. Woinowsky-Krieger (1959) zu finden.
9.1.3.1 Grundlagen Analog zur Biegetheorie elastischer Balken baut die Kirchhoffsche Plattentheorie auf der Annahme auf, dass Querschnitte auch nach Verformung eben und senkrecht zur Plattenmittelfläche bleiben. Damit gilt
D 0, d. h. die Krümmung ist unmittelbar an die Durchbiegung gekoppelt, Schubverformungen treten nicht auf. Platten nach der Kirchhoffschen Theorie gelten daher als schubstarr – eine Annahme, die bei den dünnen Platten des Hochbaus üblicherweise zutrifft. Die grundlegende partielle Differentialgleichung der Plattentheorie ist durch Gl. (9.4a) bzw. in anderer Schreibweise durch Gl. (9.4b) gegeben. Kw D p ; 4 @w @4 w @4 w K Dp C2 2 2 C @x 4 @x @y @y 4
(9.4a) (9.4b)
Hierbei ist K die Steifigkeit der Platte KD
Ec h3 Ec I ; D 1 2 12 .1 2 /
(9.5)
318
9 Durchstanzen
mit I als Trägheitsmoment der ungerissenen Platte, h als deren Dicke und als Querdehnzahl. Die Ähnlichkeit von Gl. (9.4b) mit der DGL der Balkenbiegung EI @4 w=@x 4 D p ist augenfällig. Analog zur Balkentheorie sind die Biegemomente proportional zur Krümmung der Plattenmittelfläche. 2 @2 w @ w mxx D K ; (9.6a) C @x 2 @y 2 2 @2 w @ w (9.6b) C 2 ; myy D K @y 2 @x @2 w (9.6c) mxy D .1 / K @x@y Aus den Gln. (9.6a) bis (9.6c) wird deutlich, dass die Krümmung der Biegefläche senkrecht zur betrachteten Richtung über die Querdehnung einen Einfluss auf die Biegemomente besitzt. Das Drillmoment mxy kann – analog zum Vorgehen bei Normal- und Schubspannungen in einer Scheibe – als Hilfsgröße betrachtet werden; aussagekräftiger sind die Hauptmomente m1 und m2 , deren Größe und Richtung wiederum aus der Bedingung ermittelt werden können, dass im betrachteten Schnitt das Drillmoment verschwindet. Die Hauptmomente wirken also in einem Schnitt, der um den Winkel ' gegenüber der xAchse verschwenkt ist: tan 2' D
2mxy : mxx myy
(9.7)
Die Hauptmomente folgen aus Gl. (9.8). m1;2
mxx C myy ˙ D 2
r
mxx myy 2 C mxy 2 (9.8)
Die Hauptmomente von Platten illustrieren das Tragverhalten von elastischen Platten. Bei einachsig gespannten Platten stimmt die Spannrichtung mit der Haupttragrichtung, d. h. der Hauptmomentenrichtung überein; Drillmomente mxy treten daher nicht auf. Bei mehrachsig gespannten Platten entstehen zusätzlich Eckkräfte, sog. Kirchhoffsche Ersatzquerkräfte FE D 2mxy , die zum Abheben der Ecken führen. Platten, bei denen diese Eckkräfte durch Auflast oder durch verankerte Bewehrung aufgenommen werden können, werden als drillsteif bezeichnet, während Platten, die dies nicht gewährleisten, drillweich sind. Zur Schnittgrößenermittlung von mehrachsig gespannten Platten mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen und Lagerungsbedingungen der Ränder – frei, gelenkig gelagert, eingespannt – existieren eine Reihe von Tafelwerken, die alle auf der Kirchhoffschen Plat-
Abbildung 9.7 Verlauf der Hauptmomente bei Flachdecken unter Gleichlasten
tentheorie basieren, u. a. Czerny (1999) und Stiglat u. Wippel (1968). Im Unterschied hierzu baut die Formulierung von finiten Plattenelementen heute vorwiegend auf der Theorie schubweicher Platten nach ReissnerMindlin auf; Erläuterungen hierzu finden sich in Hartmann u. Katz (2002). Punktgestützte Platten weisen ein gegenüber liniengelagerten Platten deutlich abweichendes Tragverhalten auf. In Abb. 9.7 ist der Verlauf der Hauptmomente m1 , m2 einer Flachdecke unter Gleichlasten wiedergegeben. Um die Stützen verlaufen die dort negativen Momente radial und tangential gerichtet (s. auch Abb. 1.1). Die Haupttragrichtungen entsprechen jeweils den kürzesten Verbindungen zwischen den Auflagerpunkten, idealisiert dargestellt in Gurtstreifen parallel und senkrecht zum Stützenraster.
9.1.3.2 Verfahren zur Schnittgrößenermittlung bei Flachdecken Für die Schnittgrößenermittlung von Decken insbesondere im üblichen Hochbau werden in DIN 10451 und EN 1992-1-1 einige Vereinfachungen des statischen Systems zugelassen (s. Abschn. 2.4). Sofern das Tragwerk ausgesteift ist, d. h. horizontale Lasten durch Scheiben (Kerne, Schubwände, etc.) aufgenommen werden, und die Stützweiten angrenzender Felder nicht zu stark voneinander abweichen (DIN 1045-1: 0;5 leff;1 = leff;2 2;0), können die Einspannmomente der Stützen in die Deckenplatte vernachlässigt werden. Das bedeutet, dass Flachdecken auf Innenstüt-
9.1 Grundlagen
Bei den Näherungsverfahren muss zwischen der Ermittlung von Biegemomenten und Querkräften unterschieden werden. Für die Berechnung der Momentenverteilung liegen u. a. Tafelwerke mit Momentenbeiwerten für regelmäßige Stützenraster in Grasser u. Thielen (1991) vor, zu denen in Glahn u. Trost (1974) umfangreiche Erläuterungen gegeben werden. Ebenfalls in Grasser u. Thielen (1991) wird das Ersatzrahmen- bzw. Ersatzdurchlaufträgerverfahren vorgestellt, das für rechteckige Stützenraster angewandt werden darf, sofern das Stützweitenverhältnis jedes Feldes der Bedingung 0;75 lx = ly 1;33 genügt. Gleichzeitig muss das Tragwerk ausgesteift sein, d. h. die Stützen werden nicht planmäßig zur Abtragung horizontaler Lasten über Rahmenwirkung herangezogen. Das Ersatzrahmenverfahren baut auf der Idealisierung des Hauptmomentenbildes durch höher beanspruchte Gurtstreifen in den Stützenachsen und geringer beanspruchten Feldstreifen auf. Die Deckenplatte wird durch zwei sich kreuzende Scharen von Durchlaufträgern bzw. Rahmenriegeln ersetzt (Abb. 9.8), deren Breite dem Achsabstand der Stützenreihe rechtwinklig zur Spannrichtung entspricht und die in den Stützenachsen kontinuierlich unterstützt sind. Aus Gleichgewichtsgründen sind beide Richtungen für jeweils die gesamte Deckenlast zu betrachten; die Feld- und Stützmomente der Ersatzdurchlaufträger oder -rahmen ergeben sich aus dem feldweisen Ansatz
1
2
Fehlende Rahmeneckbewehrung bedeutet allerdings noch nicht, dass grundsätzlich gelenkige Lagerung angenommen werden darf. In durch Auflasten überdrückten Fugen können Biegemomente auch ohne entsprechende Zugbewehrung übertragen werden!
Ersatzrahmen 2
lx
ly
Die Berechnung von Flachdecken mit FE-Programmen darf mittlerweile als Standard angesehen werden. Erläuterungen zur sinnvollen Modellbildung und Bewertung der Ergebnisse sind u. a. in Rombach (2000) und Hartmann u. Katz (2002) zu finden. Damit haben FEBerechnungen Verfahren auf Grundlage analytischer Lösungen, z. B. nach Duddeck u. a. (1963) mittels Einflussflächen oder nach Bretthauer u. Seiler (1966) und Bretthauer u. Nötzold (1968) abgelöst. Näherungsverfahren liefern dessen ungeachtet eine unabhängige Kontrolle der FE-Berechnungen und können bei regelmäßigen Systemen schneller zu Ergebnissen führen;
9.1.3.3 Näherungsverfahren
2
• Finite-Elemente Berechnung • Verfahren auf Grundlagen analytischer Lösungen • Näherungsverfahren.
allerdings sind derartige Verfahren bei stark unregelmäßigen Systemen nicht mehr anwendbar.
ly
zen als gelenkig gelagert angenommen werden dürfen. Dem entsprechend wird für Innenstützen i. d. R. keine Einspannbewehrung (Rahmeneckbewehrung) in die Deckenplatte vorgesehen.2 Für Rand- und Eckstützen ist die Annahme gelenkiger Lagerung i. Allg. nicht zutreffend, da durch die Deckenplatte Biegemomente senkrecht zum freien Rand in die Stützen eingeleitet werden. In DIN 1045-1 wird daher explizit gefordert, Randstützen rahmenartiger Tragwerke als Rahmenstiele mit biegesteifer Verbindung zur Platte in der Schnittgrößenermittlung zu berücksichtigen. Gleiches gilt für Wände anstelle von Randstützen sowie naturgemäß für Eckstützen. Querkräfte dürfen bei regelmäßigen Deckensystemen vereinfachend aus der Vollbelastung aller Felder ermittelt werden (DIN 1045-1: Begrenzung des Spannweitenverhältnisses leff;1 = leff;2 wie für Vernachlässigung der Einspannmomente). FE-Berechnungen werden i. d. R. die maßgebenden Auflagerkräfte aus der Kombination verschiedener Lastfälle mit jeweils feldweiser Anordnung der Flächenlasten ausgeben; allerdings werden sich die Kräfte bei regelmäßigen Systemen nur geringfügig von denen aus Vollbelastung unterscheiden. Es sei darauf hingewiesen, dass Nutzlastabminderungen nach DIN 1055-3 bzw. EN 1991-1 nicht in Ansatz gebracht werden dürfen; deren Anwendung ist auf sekundäre, d. h. lastweiterleitende Tragelemente wie Stützen, Wände oder Unterzüge begrenzt, während der Durchstanznachweis das primäre Tragelement Platte erfasst (vgl. Schmidt u. Cornelius 2004). Zur Schnittgrößenermittlung bei Flachdecken stehen folgende Verfahren zur Verfügung:
319
lx Ersatzrahmen 1
Abbildung 9.8 Ersatzrahmen und -durchlaufträger – Idealisierung des Systems
320
9 Durchstanzen
Bereich der Stützmomente
Bereich der Feldmomente
Momentengrenzlinie der Balken oder der Rahmenriegel
der Ersatzrahmen unter Volllast. Aussagekräftigere Ergebnisse hinsichtlich der Verteilung der anlaufenden Querkräfte entlang des Stützenumfangs erhält man, wenn die Einzugsflächen in einzelne Sektoren aufgeteilt werden (in Abb. 9.10a qualitativ) (vgl. Andrä u. a. 1984). Mit der so ermittelten Verteilung der Querkraft in Umfangsrichtung kann in Zweifelsfällen ein sektorweiser Durchstanznachweis geführt werden (Beutel 2002; DAfStb 2003). Vereinfacht führt die sektorweise Betrachtung zur in der Praxis häufig angewandten ingenieurmäßigen Abschätzung von Lastscheiden bzw. zur Bestimmung von Lasteinzugsflächen entsprechend Abb. 9.10b.
Lastsektor
Lastscheide
je 0,1ly
0,6ly ly
Betrachtete Tragrichtung
lx
1/2 Gurtstreifen
Feldstreifen
VEd (Ersatzrahmen)
1/2 Gurtstreifen
MF
MS
der jeweils auf die Breite des Balkens (DAchsabstand) entfallenden Last in jeder der beiden Hauptrichtungen. Zur Berücksichtigung von Stützenkopfverstärkungen siehe Grasser u. Thielen (1991). Zur Annäherung an die tatsächliche Verteilung der Biegemomente muss die Flachdecke für beide Richtungen getrennt gemäß Abb. 9.9 in Feldstreifen mit bF D 0;6l und 2 halbe Gurtstreifen mit jeweils bG D 0;2l aufgeteilt werden. Die am Ersatzträger ermittelten Feld- und Stützmomente werden dann nach Abb. 9.9 auf die einzelnen Streifen verteilt. Zur Ermittlung der Auflagerkräfte von Flachdecken ist das Ersatzrahmenverfahren allerdings weniger gut geeignet. Angesichts der annähernd rotationssymmetrischen Verteilung der Hauptmomente (Abb. 9.7) wird das Tragverhalten erheblich wirklichkeitsnäher durch eine sektorweise Betrachtung der Platte erfasst. Innerhalb eines Bereichs, der jede Stütze rotationssymmetrisch umgibt, fließen alle vertikalen Lasten auf direktem Weg der Stütze zu, die zwischen den einzelnen kreisförmigen Bereichen verbleibenden Zwickel bewirken entsprechende Randlasten (Abb. 9.10a). Für Eck- und Randstützen degenerieren die Vollkreise entsprechend zu Halb- bzw. Viertelkreisen. Die Abgrenzung der einzelnen Lasteinzugsbereiche ergibt sich einfach aus dem Nulldurchgang des Querkraftverlaufs
a Lastsektoren und Einzugsflächen
je 0,1ly
2,1MS/ly 1,4MS/ly 0,5MS/ly Verteilung der Stützmomente 0,84MF/ly 1,25MF/ly Verteilung der Feldmomente
Abbildung 9.9 Verteilung der mit dem Ersatzdurchlaufträger ermittelten Biegemomente
b Lasteinzugsflächen
Abbildung 9.10a,b Lasteinzugsflächen zur Ermittlung der Auflagerkräfte (b nach Fingerloos 2007)
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung
321
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung Die Nachweismodelle zum Durchstanzen bauen in der Mehrzahl auf dem Tragverhalten von Innenstützen unter rotationssymmetrischer Belastung in Verbindung mit Platten ohne spezielle Durchstanz- oder Querkraftbewehrung auf. In der Praxis ist eine rein symmetrische Belastung wie sie z. B. bei einer Innenstütze in quadratischem Stützenraster unter Volllast auftritt, angesichts der häufig unregelmäßigen Raster eher die Ausnahme als die Regel. Auswirkungen nichtsymmetrischer Belastungen primär bei Übertragung von Biegemomenten zwischen Stütze und Platte bzw. bei Rand- und Eckstützen werden in Abschn. 9.2.3 erläutert.
a Rissbild auf Gebrauchslastniveau
9.2.1 Tragverhalten Nach Abb. 9.7 verlaufen die Hauptmomente bei Flachdecken auf quadratischem Stützenraster annähernd rotationssymmetrisch um die Stütze; der Nulldurchgang des Radialmoments mr liegt auf einem Kreis um den Stützenmittelpunkt mit Radius r 0;22l. Das Durchstanzen kann daher am statischen Ersatzsystem einer Kreisplatte mit r 0;22l betrachtet werden; die Plattenquerkräfte in diesem Umkreis werden durch eine konstante Randlast pr D V =.2r/ mit V als Auflagerkraft der Stütze ersetzt. Mit dieser Konfiguration wurde bislang der größte Teil der Versuche zum Durchstanzen durchgeführt, an deren Ergebnissen auch die Bemessungsgleichungen nach DIN 1045-1 oder EN 1992-1-1 kalibriert wurden. Aus der Versuchskonfiguration sind bereits zwei Vereinfachungen zu erkennen: Die in Deckensystemen innerhalb eines Umkreises r D 0;22l um die Stütze wirkenden Lasten werden der Randlast zugerechnet. Dies führt nur zu geringen Fehlern, solange die Belastungsintensität klein ist, wie dies bei Decken i. d. R. der Fall ist. Darüber hinaus werden Systemeinflüsse, z. B. Umlagerungen von Querkräften und Momenten oder Membranwirkungen in hochgradig statisch unbestimmten Deckensystemen vernachlässigt. Im Versuch bilden sich mit ansteigender Belastung zunächst radiale Risse an der Oberseite, die die Platte in einzelne Sektoren zerteilen (Abb 9.11a). Das charakteristische sternförmige Rissbild ist dabei unabhängig von der Querschnittsform der Stütze oder den Bewehrungsrichtungen. Gleichzeitig zeigen sich erste tangentiale Risse im Bereich der Lasteinleitungsfläche. Bei etwa 60–70% der späteren Bruchlast wird
Stanzkegel
b Rissbild kurz vor dem Bruch pr
pr
30°- 35°
c Durchstanzkegel
V
Abbildung 9.11a–c Rissbild und Bruchkegel bei einem Durchstanzversuch
die Entstehung von Rissen im Inneren der Platte im Bereich der späteren Stanzkegeloberfläche vermutet; parallel dazu treten weitere tangentiale Risse kreisförmig mit zunehmendem Abstand zur Stütze auf. Unmittelbar vor dem Versagen bildet sich an der Oberseite der äußerste Tangentialriss und formt zusammen mit den inneren Schrägrissen die i. Allg. mit 30–35ı geneigte kegelförmige Bruchfläche. Mit dem Erreichen der Höchstlast schert die verbleibende Biegedruckzone am Stützenanschnitt ab; die Stütze wird zusammen mit dem Durchstanzkegel schlagartig aus der Platte geschoben.
322
9 Durchstanzen
9.2.2 Tragmodelle und Nachweiskonzept Zum Durchstanzen von Platten ohne spezielle Bewehrung existiert mittlerweile ein breites Spektrum unterschiedlicher Trag- und Berechnungsmodelle. Eine kritische Sichtung verschiedener Ansätze ist in Zilch u. a. (1995) und Staller (2001) enthalten. Eines der ersten mechanisch begründeten Modelle wurde in Kinnunen u. Nylander (1960) vorgestellt und besitzt bis heute wegweisende Bedeutung. Das in Abb. 9.12 wiedergegebene, an Versuchsbeobachtungen angelehnte Tragmodell baut auf der Vorstellung auf, dass durch Radialrisse und den kritischen Schubriss abgegrenzte Sektorelemente entstehen, die sich auf eine Druckkegelschale am Stützenanschnitt abstützen. Auf jedes Sektorelement wirken die Randlast pr und die zugehörigen Reaktionskräfte (Abb. 9.12b): • in tangentialer Richtung Ft;t Zugkraft der Biegezugbewehrung senkrecht zum Radialriss Fc;t zugehörige tangentiale Betondruckkraft • in radialer Richtung Zugkraft der Biegezugbewehrung, die den Ft;r Schubriss überbrückt Fc;r
schräge Druckkraft, mit der sich das Sektorelement auf die Druckschale abstützt; die horizontale Komponente steht mit Ft;r im Gleichgewicht, während die vertikale Komponente der Querkraft entspricht.
Die Sektorelemente führen eine Starrkörperrotation um die Risswurzel des Schubrisses aus; die Durchstanztragfähigkeit ist damit an die Rotation der Sektoren geknüpft. Die Starrkörperrotation wird im Übrigen durch Versuchsbeobachtungen bestätigt. Ein Durchstanzversagen tritt ein, wenn die ertragbaren Betondruckspannungen der Kegelschale überschritten werden. Alle in Versuchen auftretenden Effekte können durch das Modell nach Kinnunen u. Nylander (1960) nicht erklärt werden, zumal eine Übertragung von Querkräften durch Rissverzahnung der Schubrissufer oder durch Dübelwirkung der Biegebewehrung im Modell nicht enthalten ist, zweifellos aber zum Widerstand beiträgt. Entsprechende Erweiterungen des Modells wurden in Hallgren (1996) vorgenommen. Dessen ungeachtet lassen sich einige Einflussgrößen auf die Durchstanztragfähigkeit ableiten:
V Δφ/2π
Ft,r
Ft,r
V Δφ/2π F t,t Δφ Fc,t Δφ
F t,t Δφ Fc,t Δφ α
Druckkegelschale
Fc,r
a Schnitt durch die Stützenachse
V V Δφ/2π
Ft,r Ft,t Fc,t Δφ Fc,r
b Sektorelement
Abbildung 9.12a,b Modell nach Kinnunen u. Nylander (1960)
• Betondruck- bzw. -zugfestigkeit fc bzw. fct Die Betondruckfestigkeit wirkt sich u. a. auf die kombinierte Druck- und Schubtragfähigkeit der Druckzone, die Rissverzahnung im Schubriss und die Verbundtragfähigkeit der Biegezugbewehrung aus. Mit Hilfe der Regressionsanalyse von Versuchsergebnissen kann – je nach zugrunde liegender Datenbasis – eine Abhängigkeit der Durchstanztragfähigkeit von .fck /k mit k im Bereich 0,4–0,5 (Kordina u. Nölting 1986) bis k D 2=3 (Staller 2001) festgestellt werden. • Biegebewehrungsgrad l Mit zunehmender Biegebewehrungsmenge steigt die Höhe der Druckzone am Stützenanschnitt und damit der Anteil der über die Druckzone übertragbaren Querkräfte an. Gleichzeitig werden auftretende Risse in ihrer Breite begrenzt, d. h. eine Verzahnung der Rissufer ermöglicht. Letztlich trägt auch die Dübelwirkung der Bewehrung zur Aufnahme der Querkräfte bei. Streng genommen müsste neben der Querschnittsfläche auch die Streckgrenze fy berücksichtigt werden, da die Bewehrung im unmittelbaren Bereich der Stütze i. d. R. plastifiziert (Muttoni 2003). Einer ggf. vorhandenen Druckbewehrung kommt dagegen nur eine untergeordnete Rolle zu, da sie bei üblichen Deckenschlankheiten im Bereich der Dehnungsnulllinie liegen würde. • Plattendicke bzw. statische Nutzhöhe d Mit der statischen Nutzhöhe steigt die Größe des Bruchkegels sowie der Hebelarm zwischen Biegezug- und -druckkräften und damit einher-
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung
323
gehend die Durchstanztragfähigkeit an. Versuchsergebnisse zeigen aber, dass die Abhängigkeit unterproportional ist. Da die Tragfähigkeit mit dem Rissfortschritt im spröden Material Beton verknüpft ist, tritt ein deutlicher Maßstabseinfluss auf. • Druckspannungen c Längsdruckspannungen – i. d. R. als Folge einer Vorspannung – verzögern die Rissbildung, bewirken eine Vergrößerung der Druckzone, verringern dadurch die auftretende Rotation der Sektorelemente gegenüber der Stütze und heben damit den Durchstanzwiderstand an. Je nach ihrer Ausprägung treten zusätzliche Effekte auf; Erläuterungen hierzu folgen in Abschn. 9.5.
r crit x
ucrit kritischer Rundschnitt
Aus der Betrachtung des Sektorelementmodells lassen sich folgende Einflüsse nicht unmittelbar ablesen: • Schubschlankheit Die Schubschlankheit kann bei Flachdecken als das Verhältnis leff =d mit leff als der größeren der beiden Spannweiten definiert werden. Bei Platten mit geringem ist ein teilweiser Abtrag der Querkräfte unmittelbar in die Stützen über Gewölbewirkung analog dem Bogen-Zugband-Modell für Balken möglich (s. Abb. 7.8); einige Nachweismodelle tragen der günstigen Wirkung geringer Schubschlankheiten Rechnung (vgl. Muttoni 2003). Für DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 wurde wegen der Verknüpfung der Tragfähigkeit nicht durchstanzbewehrter Platten mit der durchstanzbewehrter davon abgesehen (vgl. Hegger u. a. 2004). • Form und Abmessungen der Stütze Generell wächst mit dem Stützenquerschnitt der Durchmesser des Durchstanzkegels und damit – allerdings unterproportional – die Durchstanztragfähigkeit. Bei rechteckigen Lasteinleitungsflächen konzentrieren sich die Querkräfte in den Ecken; ab einem Seitenverhältnis a=b > 2 werden die mittleren Bereiche der langen Seiten nahezu entlastet. Die Parallelen mit den Einflussgrößen der Querkrafttragfähigkeit bei Trägerstegen ohne Querkraftbewehrung sind augenfällig (s. Abschn. 7.3.2). Die heute vorliegenden mechanischen Modelle sind teils für eine praktische Anwendung zu aufwändig und sind nicht uneingeschränkt in der Lage, alle Einflüsse auf die Durchstanztragfähigkeit korrekt wiederzugeben. In Normenregelungen werden daher nahezu ausschließlich semi-empirische Ansätze verwendet, die die aufgezählten Parameter berücksichtigen und an Versuchsergebnissen kalibriert sind. In den meisten Normen – auch in DIN 1045-1 und EN 1992-11 – wird der Durchstanznachweis als Nachweis von gleichmäßig längs eines kritischen Rundschnittes um
x vEd
30°- 35°
a Versuch
b Bemessungsmodell
Abbildung 9.13a,b Durchstanznachweis über Schubspannungen in einem kritischen Rundschnitt
die Lasteinleitungsfläche verteilt wirkenden Querkräften geführt (Abb. 9.13). Der Rundschnitt selbst und die dort vorliegenden rechnerischen Querkräfte besitzen keinerlei physikalische Bedeutung. Erst in Verbindung mit dem semi-empirischen Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit im Rundschnitt ergibt sich eine gute Näherung der Durchstanztragfähigkeit. Insofern wird der Rundschnitt in den jeweiligen Bemessungsnormen so gewählt, dass die Versuchsergebnisse bestmöglich wiedergegeben werden. Daher existieren im Vergleich verschiedener Normen erhebliche Unterschiede im Abstand x zwischen Rundschnitt und Einleitungsfläche:3 CH
USA
EU
x D 0;5d a x D 1;0d b
N D
S
GB
x D 1;5d c x D 2;0d d
Bei rein rotationssymmetrisch beanspruchten Innenstützen ergibt sich die Querkraft je Längenein3
Normenverweise in der Übersicht: SIA 262:2003; ACI 318-99:1999; BBK 94:1994 b NS 3473:2004 c DIN 1045-1:2008; BS 8110-1:1997 d EN 1992-1-1:2004; MC90 a
324
9 Durchstanzen
heit vEd;V D Ed;V d im kritischen Rundschnitt aus Gl. (9.9). vEd;V D
VEd ucrit
(9.9)
Hierbei ist VEd der Bemessungswert der Auflagerkraft der Platte auf der Stütze und ucrit der Umfang des kritischen Rundschnittes.4 Wenn ein Durchstanznachweis unmittelbar auf Grundlage von Schubspannungen, die z. B. mit Hilfe einer Finiten-Elemente-Berechnung an einem Plattensystem ermittelt wurden, geführt werden soll, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Es sollte sichergestellt sein, dass die rechnerischen Schubspannungen korrekt berechnet werden – einerseits durch eine sinnvolle Modellierung mit ausreichend detaillierter Diskretisierung, andererseits durch die der Elementformulierung zugrunde liegende Plattentheorie – i. d. R. Reissner-Mindlin.
9.2.3 Auswirkungen exzentrischer Stützenlasten Außerhalb der Stützenachse angreifende Auflagerkräfte von Flachdecken entstehen, wenn neben Querkräften auch Biegemomente zwischen Platte und Stütze übertragen werden. Dies tritt grundsätzlich bei Randund Eckstützen auf (s. Abschn. 9.1.3), aber auch bei Innenstützen entstehen Exzentrizitäten. Die Lastausmitte e ergibt sich allgemein nach Gl. (9.10). eD
MEd MEd D NEd VEd
(9.10)
In Gl. (9.10) bedeuten: MEd
4
Bemessungswert des zwischen Platte und Stütze überzuleitenden Biegemoments
Die innerhalb des kritischen Rundschnittes auf der Oberseite der Platte wirkenden, gleichmäßig verteilten Lasten – z. B. Nutzlasten, Zusatzeigengewicht, etc. – werden unmittelbar in die Stütze eingeleitet und dürfen daher für den Nachweis der Durchstanztragfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Für das Platteneigengewicht gilt dies nur eingeschränkt; realistisch wäre ein Abzug für eine Fläche, die durch die Schnittlinie des rechnerischen Durchstanzkegels mit der Plattenmittelfläche umgrenzt wird, d. h. im Abstand 0;75d um die Einleitungsfläche. Allerdings ist bei üblichen Stützweiten von Flachdecken der Abzugswert von untergeordneter Größe. Die Regelung gilt im Übrigen nicht für große Einzellasten innerhalb des kritischen Rundschnittes, die den rotationssymmetrischen Spannungszustand stören. Bei erheblicher Beanspruchung durch Einzellasten kann vielmehr ein sektorweiser Durchstanznachweis sinnvoll werden!
NEd Normalkraftdifferenz in der Stütze; i. d. R. gilt NEd D VEd . Durch die Interaktion von Querkraft und Biegemoment wird der Durchstanzwiderstand gegenüber dem rotationssymmetrischen Fall reduziert. In einigen Bemessungsnormen, so auch in DIN 1045-1 und EN 19921-1, wird die Reduktion der Durchstanztragfähigkeit durch einen Lasterhöhungsbeiwert ˇ bereits auf der Einwirkungsseite erfasst. Damit ist es möglich, den aus Versuchen an zentrisch belasteten Platten abgeleiteten Bemessungswert der Durchstanztragfähigkeit vRd;ct für alle Nachweise unabhängig von der Lastexzentrizität zu verwenden.
9.2.3.1 Innenstützen An Innenstützen treten exzentrisch angreifende Stützenlasten z. B. bei unregelmäßigen Systemen mit ungleichen Stützweiten, bei stark unterschiedlichen Verkehrslasten in angrenzenden Feldern oder durch die Auswirkungen von Zwängungen z. B. aus Schwinden und Kriechen von Decken oder aus Temperaturbeanspruchungen auf. Während die genannten Ursachen zu relativ kleinen Exzentrizitäten führen, entstehen dagegen in nicht ausgesteiften Systemen, bei denen Horizontalkräfte über ein rahmenartiges Zusammenwirken von Deckenplatten und Stützen abgetragen werden, erhebliche Stützenmomente und damit Ausmitten der Stützenlasten. Dabei setzt die Übertragung von Biegemomenten zwischen Stütze und Platte nicht generell entsprechende Rahmeneckebewehrung voraus, sofern Auflasten wirksam sind. Stark vereinfacht kann die Auswirkung zusätzlicher Momente anhand der Überlagerung rechnerischer Schubkräfte vEd im kritischen Rundschnitt nach Abb. 9.14 dargestellt werden. Versuche an exzentrisch belasteten Platten zeigen zunächst eine zum rotationssymmetrischen Fall sehr ähnliche Rissentwicklung. Das Durchstanzversagen wird ausgelöst, wenn auf der Seite der höheren Querkraftbeanspruchung der kritische Schubriss entsteht. Der Riss setzt sich anschließend reißverschlussartig um den Lasteinleitungsbereich fort und formt schließlich den typischen Durchstanzkegel. Die Durchstanzlast ist gegenüber zentrischer Belastung reduziert (vgl. Kordina u. Nölting 1986). Die Versuchsbeobachtungen legen nahe, die Durchstanztragfähigkeit an den Maximalwert der rechnerischen Querkraft im Rundschnitt zu knüpfen. In Anlehnung an Abb. 9.14 ergibt sich die bemessungsrelevante Querkraft vEd aus Gl. (9.11a).
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung vEd,V (1+β)
vEd,M
vEd,V
325 0,05L
0,0
x
5L qx y
VEd a reine Querkraft
a Querkräfte in einer Deckenplatte infolge eines Biegemoments (nach Mast 1970)
MEd b reines Moment
qy
c Überlagerung
Abbildung 9.14a–c Überlagerung der Wirkungen aus Querkraft und Biegemoment (schematisch)
vEd D vEd;V C vEd;M;max vEd;M;max D vEd;V 1 C vEd;V D vEd;V ˇ
(9.11a)
b vertikale Schubspannungen und horizontale Normalspannungen infolge Biegung
(9.11b)
Abbildung 9.15a,b Mechanismen zur Übertragung von Biegemomenten zwischen Platte und Stütze
(9.11c)
mit vEd;M;max ˇ D1C vEd;V
(9.12)
Mit Gl. (9.11c) wird der Lasterhöhungsbeiwert ˇ eingeführt, mit dem der Nachweis bei ausmittiger Stützenlast auf einen Durchstanznachweis für den Grundfall zentrischer Belastung mit erhöhter Stützenlast VEd;eff zurückgeführt werden kann. (9.13)
VEd;eff D VEd ˇ
Die in Abb. 9.14 angedeutete lineare Kräfteverteilung im Rundschnitt infolge eines Moments weicht von der Wirklichkeit allerdings erheblich ab. Grundsätzlich gilt, dass Platten als innerlich hochgradig statisch unbestimmte Tragwerke Biegemomente durch eine Kombination aus zweiachsiger Biegung und Torsion in Plattenebene abtragen. In Abb. 9.15a sind für einen quadratischen Umrissschnitt die auf Grundlage der Plattentheorie errechneten Querkräfte nach Mast (1970) dargestellt. Vereinfacht gesagt werden Biegemomente durch eine Kombination von Schubspannungen und Normalspannungen abtragen (Abb. 9.15b). Daraus folgt, dass nur ein Teil des Anschlussmomentes zwischen Platte und Stütze durchstanzrelevante Querkräfte hervorruft; in Gl. (9.14) wird k als Momentenfaktor bezeichnet. MEd;eff D k MEd
k 1;0
(9.14)
In der Literatur wird für k ein breites Spektrum an möglichen Werten mit vielen Einflussgrößen angege-
ben (vgl. Vocke 2002); weitgehend unstrittig ist, dass bei einer rechteckigen Stütze mit zunehmendem Seitenverhältnis c1 =c2 (mit c1 als Seitenlänge senkrecht zur Biegeachse, s. Abb. 9.17) der über Schubspannungen übertragene Biegemomentenanteil MEd;eff zunimmt. Es sei allerdings angemerkt, dass – abgesehen von mechanischen Zusammenhängen – k auch eine Hilfsgröße ist, mit der Auswirkungen aus der Form des Rundschnittes und der angenommene Verteilung der Querkraft entlang des Rundschnittes auf die rechnerische Tragfähigkeit im Vergleich zu Versuchsergebnissen aufgefangen werden. Zur rechnerischen Berücksichtigung ausmittiger Stützenlasten im Rahmen eines Nachweises vgl. Abschn. 9.2.3.2. 9.2.3.2 Rand- und Eckstützen Bei Rand- und Eckstützen werden planmäßig Biegemomente zur Deckenplatte übertragen (s. Abschn. 9.1.3). Bei Randstützen wird in ausgesteiften Systemen i. d. R. Biegung um eine Achse parallel zum Rand dominieren, während bei Eckstützen stets Biegung um zwei Achsen auftritt. Biegemomente werden bei Randstützen durch kombinierte Torsionswirkung längs des freien Randes und Biegung senkrecht dazu abgetragen; Normalspannungen nach Abb. 9.15b können in relevanter Größe nur bei überstehender Platte entwickelt werden. Torsion im Randstreifen der Platte erzeugt die bei Randstützen typischen Torsionsrisse nach Abb. 9.16, die bei steigen-
326
9 Durchstanzen
Durchstanzriss Biegeriss Torsionsriss
Abbildung 9.16 Rissbild und Durchstanzkegel bei Randstützen (vgl. Abschn. 9.2.4.3)
der Belastung vom kritischen Schubriss des Durchstanzkegels gekreuzt werden (vgl. Tuchlinski 2004). Wie bei ausmittig belasteten Innenstützen löst die Entstehung des kritischen Schubrisses im Bereich der größten Querkraftbeanspruchung das Durchstanzversagen aus; der Bruchriss umläuft anschließend die Stütze und trifft auf den freien Rand bis letztlich die Stütze samt des mehr oder minder ausgeprägten Stanzkörpers durch die Platte geschoben wird. Das Durchstanzen bei Rand- und Eckstützen weist offensichtlich vom Grundfall der mittig belasteten Innenstütze zum Teil abweichende Gesetzmäßigkeiten auf; einen Überblick über hierauf abgestimmte Tragmodelle bieten u. a. Vocke (2002); Tuchlinski (2004). Die in Abschn. 9.2.2 identifizierten Einflussgrößen gelten allerdings auch hier. Analog zum Vorgehen bei exzentrisch belasteten Innenstützen führen die meisten Bemessungsnormen – darunter DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 – den Durchstanznachweis von Rand- und Eckstützen auf den Grundfall der zentrisch belasteten Innenstütze zurück. Hierzu sind folgende Modifikationen erforderlich: • der kritische Rundschnitt berücksichtigt den freien Plattenrand (vgl. Abb. 9.16 und Abschn. 9.2.4.3). • die Auswirkungen des Biegemoments werden über den Lasterhöhungsbeiwert ˇ auf die einwirkende Querkraft VEd angerechnet. 9.2.3.3 Berücksichtigung in Nachweisen Wie erläutert, wird der Durchstanznachweis ausmittig belasteter Innen-, Rand- und Eckstützen auf den Nachweis einer zentrisch belasteten Innenstütze unter erhöhter Belastung VEd;eff D ˇ VEd zurückgeführt. Zur Ermittlung von ˇ bestehen im Wesentlichen folgende Möglichkeiten: 1. ausführliche Berechnung von ˇ auf Grundlage einer angenommenen plastischen Spannungsverteilung im kritischen Rundschnitt
2. vereinfachte Berechnung nach Nölting (2001) bzw. Kordina u. Nölting (1986) 3. vereinfachte Berechnung nach Vocke (2002) 4. vereinfachte Berechnung über reduzierte kritische Rundschnitte 5. konstante Beiwerte für typische Fälle. DIN 1045-1 erlaubt in Verbindung mit DAfStb-Heft 525, Lasterhöhungsbeiwerte nach 2 und 5 zu ermitteln, während nach EN 1992-1-1 die Wege 1, 4 und 5 offen stehen. Die Berechnung der ˇ-Faktoren nach Vocke (2002) ist derzeit in den bauaufsichtlichen Zulassungen für spezielle Durchstanzbewehrungsformen, z. B. Doppelkopfanker, enthalten.
Ausführliche Berechnung der Lasterhöhungsbeiwerte (! 1) Die Berechnung baut unmittelbar auf Gl. (9.12), d. h. ˇ D 1 C vM =vV auf. Zur Ermittlung von vM wird in EN 1992-1-1 – wie bereits im ModelCode90 – davon ausgegangen, dass Biegemomente MEd;eff zu einer plastischen Schubspannungsverteilung im kritischen Rundschnitt nach Abb. 9.17a führen. Im folgenden wird vorausgesetzt, dass der Rundschnitt zur z-Achse des Stützenquerschnitts symmetrisch ist. Damit verläuft die Schwerlinie des Rundschnitts durch den Schwerpunkt der Stütze. Das Moment kann gleichwertig durch ein Kräftepaar mit den Resultierenden FM1 D FM2 D FM der plastischen Spannungsverteilung nach Abb. 9.17b ersetzt werden, die jeweils im geometrischen Schwerpunkt des halbseitigen Rundschnitts wirken. Mit ys als Abstand dieses Schwerpunktes zur Schwerlinie folgt: MEd;eff D 2FM ys :
(9.15)
Der Rundschnitt kann immer in einzelne geometrische Elemente – Geraden oder Kreissegmente – der Länge l zerlegt werden. Mit der plastischen Querkraft je Längeneinheit vM folgt: X li (9.16) FM D vM i
P Hierbei bezieht sich i li auf den halbseitigen Rundschnitt. Mit ys;i als den Schwerpunktsabständen der einzelnen geometrischen Elemente ergibt sich der Schwerpunkt des halbseitige Rundschnitts zu (Abb. 9.17c): P i ys;i li ys D P : (9.17) i li
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung
327
Integral des Schwerlinienabstandes entlang des Rundschnittes nach Gl. (9.19).
2d MEd,eff
c1
W1 D
vM
c2
2d
a plastische Schubspannungsverteilung
Zu1 0
VEd /2
e
ys
e
ys VEd /2 FM
b Ersatzkräfte
l 1 l 2
ys,1
2d ys,2 ys,3
S
y l 3
ys u 1 (ucrit )
z
(9.19)
Wird Gl. (9.18c) in Gl. (9.12) eingesetzt, folgt daraus der Lasterhöhungsbeiwert ˇ. Mit MEd;eff D kMEd und vV D VEd =u1 gilt: ˇ D 1C
FM
jyj dl
kMEd u1 vM D1C : vV VEd W1
(9.20)
Gleichung (9.20) findet sich in EN 1992-1-1 wieder und beschreibt eine lineare Interaktion zwischen dem aufnehmbaren Schub aus Biegung und dem Schub aus Querkraft. Da für P den Umfang des Rundschnittes u1 D 2 i li gilt, kann Gl. (9.20) in Verbindung mit W1 nach Gl. (9.18c) und e D MEd =VEd weiter vereinfacht werden. P k e 2 i li ke ˇ D 1C P (9.21) D1C 2 i ys;i li ys Mit Gl. (9.21) wird ˇ einer geometrischen Interpretation zugänglich: Der Lasterhöhungsbeiwert ist unmittelbar abhängig vom Verhältnis der Lastexzentrizität e zum geometrischen Schwerpunkt ys des halbseitigen Rundschnittes. Mit k wird der Anteil des Biegemoments wiedergegeben, der durch die plastischen Schubspannungen abzutragen ist; Zahlenwerte für k werden in Abhängigkeit des Seitenverhältnisses c1 =c2 in EN 1992-1-1 angegeben (Tabelle 9.1).
c kritischer Rundschnitt, Bezeichnungen
Abbildung 9.17a–c Plastische Schubspannungsverteilung im kritischen Rundschnitt nach EN 1992-1-1
Werden die Gln. (9.16) und (9.17) in Gl. (9.15) eingesetzt und anschließend nach vM aufgelöst, folgt: P X i ys;i li li P (9.18a) MEd;eff D 2 vM i li i X D 2 vM ys;i li (9.18b) i
MEd;eff MEd;eff : D ) vM D P 2 i ys;i li W1
(9.18c)
In Gl. (9.18c) ist W1 das statische Moment des kritischen Rundschnittes.5 Verallgemeinert folgt daraus das 5 Genau genommen ist W1 der zweifache Betrag des statischen Moments des halben kritischen Rundschnittes bezogen auf dessen Schwerlinie. Da der Umfang des kritischen Rundschnittes
Tabelle 9.1 Momentenfaktoren k nach EN 1992-1-1 bei rechteckigen Lasteinleitungsflächen c1 =c2
0;5
1,0
2,0
3;0
k
0,45
0,60
0,70
0,80
Für die Herleitung wurde zunächst davon ausgegangen, dass der Rundschnitt symmetrisch zur Biegeachse der Stütze ist. Dies ist bei Innenstützen i. d. R. zutreffend, sofern keine Aussparungen zu berücksichtigen sind. Bei Rand- und Eckstützen kann dies meist nicht vorausgesetzt werden. Wenn keine Symmetrie gegeben ist, muss zunächst die Schwerlinie des Rundschnittes ermittelt werden. Das einwirkende Moment ist nach Gl. (9.22) mit dem Abstand ys nach Abb. 9.18 von nach EN 1992-1-1 mit u1 bezeichnet wird, wird auch für das zugehörige statische Moment der Index 1 verwendet.
328
9 Durchstanzen
der Biegeachse auf die Rundschnitt-Schwerlinie umzurechnen.
c1 2d
0 MEd D MEd VEd ys :
(9.22)
Wenn sich bei Rand- und Eckstützen der Lastangriffspunkt zwischen der Schwerachse des Rundschnitts und der Biegeachse befindet, wechselt das Biegemoment das Vorzeichen, d. h. die größte Querkraft tritt auf der Seite des freien Randes auf (Abb. 9.18). Es sollte aller0 dings darauf geachtet werden, dass MEd stets mit positivem Vorzeichen in Gl. (9.20) eingesetzt wird, damit ˇ 1 gewahrt bleibt. Bei Bezug von ys;i bzw. ys auf die Schwerachse des kritischen Rundschnitts bleiben die Gln. (9.15) bis (9.21) weiterhin gültig. Es sei abschließend auf einen unerwarteten Effekt bei Randstützen hingewiesen: Wenn die Resultieren-
c2
W1 = c 12 / 2 + c 1c 2 + 4c 2 d + 16d 2 + 2 c 1d
2d a Innenstütze
c1
Schwerlinie Rundschnitt 2d
c2
~ y s,i li c 12 + c 1c 2 + 2d(c 1 + c 2 ) + 8d 2 ~ = ys = li 2c 1 + c 2 + 2d W1 = 2c 1 c 1 / 2 - ~ y s + c 2 2d + c 1 - ~ ys
~ ys
+ 2d c 1 + 4d / - ~ ys
~ y
z b Randstütze
c1
Biegeachse Schwerachse Rundschnitt
2d
c2
u crit (u1)
~ ys
u crit (u1) e2
e1
~ y
z
y
Schwerlinie Rundschnitt
y
Mz
~ y s,i li c 12 / 2 + c 1c 2 + d(c 1 + 2c 2 ) + 4d 2 ~ = ys = li c 1 + c 2 + d
W1 = c 2 c 1 + 2d - ~ y s + c1 c1 / 2 - ~ y s + d c 1 + 4d / - ~ ys
c Eckstütze (Biegung um z-Achse)
Abbildung 9.19a–c Berechnung von W1 bei Innen-, Rand- und Eckstützen für kritische Rundschnitte nach EN 1992-1-1 Δys
Δys
z
z
e1 < Δys
MEd,1 > 0 VEd
e2 > Δys
MEd,2 < 0 VEd
vV M
Ed,1
M
Ed,2
vM
de der Stützenlast gerade durch den Schwerpunkt des 0 Rundschnittes verläuft, d. h. e D ys , gilt MEd D 0 und damit auch ˇ D 1 (s. Abb. 9.20); d. h. eine ausmittige Stützenlast führt zu einer gleichmäßigen Verteilung der Querkraft entlang des Rundschnittes und damit zum maximalen Durchstanzwiderstand. Da dieses Verhalten zumindest mechanisch fragwürdig ist, sollte für Randstützen stets ˇ 1;1 angenommen werden.
Vereinfachte Berechnung nach Nölting (! 2) v V+v M
Abbildung 9.18 Spannungsverteilung bei Rundschnitten, die nicht symmetrisch zur Biegeachse sind – Umrechnung des Biegemoments auf die Rundschnitt-Schwerlinie
In Kordina u. Nölting (1986) und nochmals in Nölting (2001) wird mit Gl. (9.23) ein Berechnungsverfahren vorgeschlagen, dass als Alternative zu den konstanten Beiwerten gemäß DIN 1045-1 in DAfStb-Heft 525 aufgenommen wurde und sinngemäß auch in der
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung
329
Biegeachse
Vereinfachte Berechnung nach Vocke (! 3)
Schwerachse Rundschnitt
In Vocke (2002) werden für Rand- und Eckstützen ausgesteifter Systeme ˇ-Faktoren nach Gl. (9.24) angegeben. s 5 0;15.e=c/ cx e 5 ˇ D 1C (9.24) kb c cy
u crit (u1) e y
c2 = 250 2d = 400
In Gl. (9.24) bedeuten:
c1 = 400 3,0 Δys = 313
2,5
e kb
ing Nölt
2,0
E
99 N1
2-1
-1 e
k Voc
cx
1,5 = const 1,0 0,5 0,0 0,0
cy c
Δys /c1 = 0,782 e / c1 0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
1,6
1,8
Abbildung 9.20 Lasterhöhungsbeiwert ˇ für eine Randstütze nach verschiedenen Berechnungsverfahren
Exzentrizität der Stützenlast nach Gl. (9.10) Lagebeiwert D 1;25 bei Randstützen D 1;09 bei Eckstützen Randstützen: Seitenlänge der Stütze senkrecht zum freien Rand; Eckstützen: größere Seitenlänge entsprechende zweite Seite Vergleichslänge q D 0;5 cx2 C cy2 bei rechteckigen Stützen D 0;9lc mit lc als Durchmesser bei Rundstützen.
Berechnung über reduzierte Rundschnitte (! 4) schweizerischen SIA 262 enthalten ist. e ˇ D1C c
(9.23)
In Gl. (9.23) bedeuten: e c
Exzentrizität der Stützenlast nach Gl. (9.10) Stützendurchmesser oder Seitenlänge parallel zu e.
Gleichung (9.23) ist per se ähnlich zu Gl. (9.21) aus der ausführlichen Berechnung. Allerdings wird k D 1 gesetzt, d. h. es wird angenommen, dass das volle Biegemoment über Querkräfte in der Platte abgetragen wird. Gleichzeitig wird der Geometrieparameter ys durch die Stützenabmessung ersetzt. Der Lasterhöhungsbeiwert ˇ nach Gl. (9.23) ist gegenüber dem ausführlichen Verfahren tendenziell konservativer; Auswertungen von Versuchsergebnissen in Tuchlinski (2004) und Hegger u. a. (2006a) zeigen, dass damit für die experimentell geprüften bezogenen Exzentrizitäten e=c 3 sichere Ergebnisse erzielt werden (vgl. auch Hegger u. a. 2008b). In DAfStbHeft 525 wird die Anwendung von Gl. (9.23) auf ausgesteifte Systeme beschränkt, allerdings ist der Ausschluss verschieblicher Systeme angesichts der deutlichen Sicherheiten selbst bei großen Exzentrizitäten nicht nachvollziehbar.
Nach EN 1992-1-1 dürfen die ˇ-Faktoren ausmittig belasteter Rand- und Eckstützen vereinfacht über verkürzte Rundschnitte u1 nach Abb. 9.21 in Verbindung mit Gl. (9.25) ermittelt werden. ˇD
u1 u1
(9.25)
Ein Vergleich mit Versuchsergebnissen an Randstützen ergibt für die Berechnung mit reduzierten Rundschnitten allerdings erhebliche Streuungen; gleichzeitig wird das erforderliche Sicherheitsniveau nicht erreicht (vgl. Hegger u. a. 2006a, 2008b). Daher wird dieses Ver_ 1,5d < _ 0,5 c
2 hH)
Abbildung 9.29a,b Stützenkopfverstärkungen – maßgebende Rundschnitte nach DIN 1045-1 (in Klammern: EN 1992-1-1)
Rundschnitt außerhalb des verstärkten Bereichs zu führen. • schlanker Stützenkopf – lH = hH > 1;5 Durchstanzen kann innerhalb und außerhalb der Verstärkung auftreten; es sind daher Nachweise an zwei kritischen Rundschnitten zu führen. Bei gedrungenen Stützenköpfen kann der Nachweis prinzipiell wie für eine Stütze mit dem Querschnitt der Kopfes geführt werden; der kritische Rundschnitt liegt um 1;5d vom Anschnitt der Verstärkung, d. h. um 1;5d C lH C lc =2 von der Stützenachse entfernt (Abb. 9.29a). Für abgeschrägte rechteckige Stützenköpfe von Rechteckstützen sieht DIN 1045-1 vor, den Nachweis für einen Kreisquerschnitt mit Durchmesser lc nach Gl. (9.29) zu führen. Der Kreisquerschnitt ist für hc 1;3bc flächengleich, bei weniger gedrungenen Querschnitten wird hc nur mit 1;3bc angerechnet; bc und hc sind hierbei die Abmessungen des Stützenkopfes mit bc hc . In EN 1992-1-1 findet sich eine nahezu identische Regel, allerdings sind weniger gedrungene Querschnitte bis 1;5bc anzurechnen, d. h.
lc
D
(
p 0;56 bc hc ; 0;64bc ;
für hc 1;3bc
für hc > 1;3bc
(9.29)
In schlanken Stützenköpfen kann sich ein Durchstanzkegel mit der Flankenneigung 1:1,5 vollständig innerhalb der Verstärkung ausbilden. Dem entsprechend muss zusätzlich zum Nachweis des Durchstanzens außerhalb der Verstärkung, der analog zu gedrungenen Stützenköpfen zu führen ist, auch ein innerer Rundschnitt nachgewiesen werden (Abb. 9.29b). Dem Nachweis darf als statische Nutzhöhe die Höhe am Anschnitt zur Lasteinleitungsfläche dH zugrunde gelegt werden (vgl. Abb. 9.25). Nach DIN 1045-1 gelten auch für die vergrößerten Lasteinleitungsflächen von Stützenkopfverstärkungen insbesondere bei gedrungenen Köpfen die Anwendungsgrenzen nach Abb. 9.24. Bei rechteckigen Stützenköpfen kann sich an den Ecken der erhöhte Durchstanzwiderstand einstellen; entlang des restlichen, über 11d hinausgehenden Umfangs der Verstärkung kann nur die Querkrafttragfähigkeit liniengelagerter Platten aktiviert werden. Für schlanke Stützenköpfe wird empfohlen, den Nachweis des äußeren Rundschnittes auf Basis der Querkrafttragfähigkeit vRd;ct;a mit lH anstelle von lw zu führen (s. Abschn. 9.3.4). In EN 1992-1-1 wird die Grenze zwischen gedrungenen und schlanken Stützenköpfen ausgehend von einer angenommenen Durchstanzkegelneigung von 26;6ı (1 W 2) bei lH D 2hH gezogen. Die Nachweisführung ist im Übrigen analog zu DIN 1045-1; allerdings müssen keine geometrischen Anwendungsgrenzen beachtet werden. Durch das NA D wird die Abgrenzung schlanker von gedrungenen Verstärkungen wieder an DIN 1045-1 angepasst.
9.2.4.5 Anforderungen an die Biegebewehrung Aus dem Tragmodell nach Abb. 9.12 geht hervor, dass Durchstanzen ein kombiniertes Biege- und Querkraftproblem ist. Für eine praxisgerechte Nachweisführung werden die Nachweise für Biegemomente und Querkräfte im Einleitungsbereich getrennt geführt. Dennoch müssen Wechselwirkungen berücksichtigt werden: • Ein Mindestmaß an Biegetragfähigkeit ist erforderlich, um die räumlichen Tragmechanismen im Durchstanzbereich zu aktivieren. • Zu große Biegebewehrungsgrade müssen vermieden werden.
336
9 Durchstanzen
m y,Ed
x m x,Ed y
0,3 l y
x
y 0,15 l x
Lage
y 0,3 l x x
0,15 l y
ly
x
lx
x
Die für einen Durchstanznachweis anrechenbare Biegebewehrung muss hinter dem kritischen Schubriss, d. h. außerhalb des kritischen Rundschnittes verankert sein. Sofern mehrere Rundschnitte nachgewiesen werden – z. B. bei Stützenkopfverstärkungen oder im Rahmen des Nachweises von Bewehrung – muss für jeden betrachteten Rundschnitt überprüft werden, ob diese Forderung erfüllt ist. Zur Sicherstellung ausreichender Biegetragfähigkeit sieht DIN 1045-1 vor, die Platte im Bereich der Stützen für Mindestmomente zu bemessen, sofern die Schnittgrößenermittlung nicht zu höheren Werten führt. Für DIN 1045-1, 10.5.6 (2) wurden Mindestmomente je Längeneinheit nach Gl. (9.30) auf Grundlage der Plastizitätstheorie abgeleitet. mEd;y D y VEd
x
x
oben
unten
b
y
y
oben
unten
b
Innen
0,125
0
0,3ly
0,125
0
0,3lx
Rand x
0,25
0
0,15ly
0,125
0,125
’m‘
Rand y
0,125
0,125
’m‘
0,25
0
0,15lx
Eck
0,5
0,5
’m‘
0,5
0,5
’m‘
y
Abbildung 9.30 Bereiche für den Ansatz der Mindestbiegemomente mEd;x und mEd;y nach DIN 1045-1
mEd;x D x VEd
Tabelle 9.2 Momentenbeiwerte und Verteilungsbreiten der Mindestmomente nach DIN 1045-1 (Zur Definition von lx , ly sowie den Koordinatenrichtungen vgl. Abb. 9.30; oben bzw. unten bezeichnet die Lage der aus mEd;x und mEd;y resultierenden Bewehrung; ’m‘ bedeutet je m Breite)
(9.30)
In Gl. (9.30) ist VEd die aufzunehmende Querkraft und x sowie y Momentenbeiwerte nach Tabelle 9.2. Die Mindestmomente sollten auf die in Abb. 9.30 dargestellten Gurtstreifen von Innen-, Rand- und Eckstützen über die in Tabelle 9.2 jeweils angegebene Breite angesetzt werden. Bei sehr dünnen Platten ergeben sich als Folge der Bemessung für Mindestmomente sehr hohe Bewehrungsmengen. In diesen Fällen ist ggf. sinnvoll, den Lastabtrag anstelle der Biegetragwirkung anderen Mechanismen, z. B. Gewölbetragwirkungen, d. h. BogenZugband-Mechanismen zuzuweisen, um die Bewehrungsmenge zu reduzieren (vgl. DAfStb 2003). Wenn Biegezugbewehrung nur in einer Richtung eingelegt wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass räumliche Tragmechanismen entwickelt werden. In diesem Fall ist anstelle des Durchstanznachweises
ein Querkraftnachweis für liniengelagerte Platten zu führen. Umgekehrt muss der Bewehrungsgrad und damit Bewehrungskonzentrationen im Durchstanzbereich u. a. aus folgenden Gründen nach oben abgegrenzt werden: • Die Gefahr eines Verankerungsversagens der Biegezugbewehrung und die Sprödigkeit des Versagens nehmen mit dem Bewehrungsgrad zu; • Es existieren nur sehr wenige Durchstanzversuche mit hohen Bewehrungsgraden l > 2%; bei größeren Bewehrungsgraden wird der Bereich, in dem die semi-empirischen Bemessungsgleichungen verifiziert wurden, verlassen. • Druckbewehrung trägt i. d. R. wenig zum Durchstanzwiderstand bei und sollte vermieden werden. Aus der Aufzählung wird deutlich, dass Bewehrungsgrade l > 2% nicht in Ansatz gebracht werden sollten. Gleichzeitig sollte vermieden werden, dass erheblich mehr als die zur Sicherstellung ausreichender Biegetragfähigkeit erforderliche Bewehrung eingebaut wird, um die rechnerische Durchstanztragfähigkeit künstlich anzuheben. Sowohl DIN 1045-1 als auch EN 1992-1-1 sehen entsprechende Begrenzungen vor. In DIN 1045-1 wurde zusätzlich ein Grenzwert eingeführt, der dafür Sorge trägt, dass hohe Bewehrungsgrade, die zur Sicherstellung ausreichender Duktilität (d. h. s sy ) Druckbewehrung erfordern, vermieden werden. Hierfür wird zunächst der mechanische Bewehrungsgrad !1 in bezogener Schreibweise nach Gl. (6.37) herangezogen: !1 D
Eds :
(9.31)
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung
337
Mit Eds nach Gl. (6.34) und D 1 ka folgt Eds D ˛R .1 ka / ˛R .1 ka / D ˛R : ) !1 D 1 ka
(9.32) (9.33)
Für die Umrechnung des mechanischen in den geometrischen Bewehrungsgrad gilt l D !1
fcd : fyd
(9.34)
Wird in !1 nach Gl. (9.33) für der Grenzwert lim nach Tabelle 6.2 eingesetzt, mit dem ein Fließen der Zugbewehrung gerade noch gewährleistet wird, folgt mit den Größen für Normalbeton bis C50/60 (lim D 0;617, ˛R D 0;81): !1;lim D ˛R lim D 0;81 0;617 D 0;50 ; fcd fcd D 0;50 : l;lim D !1;lim fyd fyd
(9.35)
(9.36)
In DIN 1045-1 wurde zunächst eine gegenüber Gl. (9.36) etwas konservativere Grenze mit dem Vorwert 0,4 aufgenommen (vgl. DAfStb 2003). In der Neufassung und analog im NA D zu EN 1992-1-1 ist dagegen Gl. (9.36) enthalten. Maßgebend wird die Grenze nur bis zu einer Betonfestigkeitsklasse C30/37.
9.2.4.6 Nachweis nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 Die Durchstanztragfähigkeit von Platten ohne Durchstanzbewehrung wird sowohl nach DIN 1045-1 als auch nach EN 1992-1-1 auf die Gleichung für die Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung zurückgeführt (s. Abschn. 7.3). Die wesentlichen Einflussparameter fck , l , d und c werden erfasst; eine Anpassung an Versuchsergebnisse erfolgt über konstante Koeffizienten. Der wesentliche Unterschied zwischen DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 ist der jeweils gewählte Abstand zwischen Rundschnitt und Lasteinleitungsfläche. Nach DIN 1045-1 ergibt sich für den Rundschnitt im Abstand 1;5d eine um 40% gegenüber liniengelagerten Platten erhöhte Querkrafttragfähigkeit, während für EN 1992-1-1 der Abstand 2;0d gewählt wurde, damit die rechnerische Tragfähigkeit des größeren Umfangs gerade diejenige liniengelagerter Platten beträgt. Die resultierende Durchstanztragfähigkeit ist nach beiden Normen sehr ähnlich; EN 1992-1-1 liefert im Vergleich eher geringfügig höhere Werte. Der große Umfang des kritischen Rundschnitts nach EN 1992-11 führt aber bei sehr kleinen Lastflächen u0 =d < 4
mit u0 als Umfang der Einleitungsfläche dazu, dass die tatsächliche Tragfähigkeit z. T. erheblich überschätzt wird (Hegger u. a. 2008a); im NA D wird dies korrigiert. Normenregelung nach DIN 1045-1 Bei Platten ohne Durchstanzbewehrung ist entsprechend DIN 1045-1, 10.5.3, nachzuweisen, dass längs des kritischen Rundschnitten Gl. (9.37) erfüllt ist. vEd vRd;ct
(9.37)
Der Nachweis darf für Einleitungsflächen angewandt werden, die die Kriterien in Abb. 9.24b erfüllen. Wenn die Bedingungen nicht erfüllt sind, müssen Teilbereiche nach Abb. 9.24c – z. B. Ecken, auf die sich Querkräfte konzentrieren – auf Durchstanzen nachgewiesen werden. Kritischer Rundschnitt Grundlagen und Anwendungsregeln zur Ermittlung kritischer Rundschnitte sind in DIN 1045-1, 10.5.2 zusammengestellt. Der kritische Rundschnitt umgibt die Lasteinleitungsfläche in einem Abstand von 1;5d (s. Abb. 9.26). Bei Lasteinleitungsflächen, deren Rand nicht mehr als 6 d von Öffnungen entfernt ist, ist ein der Öffnung zugewandter Teil des maßgebenden Rundschnitts gemäß Abb. 9.27 als unwirksam anzusehen. Für Lasteinleitungsflächen in der Nähe von freien Rändern oder freien Ecken gilt Abb. 9.28, sofern sich dadurch ein kleinerer Umfang als für geschlossene Rundschnitte nach Abb. 9.26 ergibt. Kritische Rundschnitte bei Stützenkopfverstärkungen folgen Abb. 9.29. Der Ersatzdurchmesser für Rechteckstützen mit rechteckiger Stützenkopfverstärkung bei lH = hH 1;5 ist nach Gl. (9.29) zu ermitteln. Einwirkungen Nach DIN 1045-1, 10.5.3 ergibt sich die aufzunehmende Querkraft im betrachteten Nachweisschnitt je Längeneinheit vEd aus Gl. (9.38) vEd D
ˇ VEd : u
(9.38)
In Gl. (9.38) bedeuten: VEd der Bemessungswert der gesamten aufzunehmenden Querkraft u Umfang des betrachteten Rundschnitts u D ucrit für den Nachweis nach Gl. (9.37). ˇ Lasterhöhungsbeiwert zur Berücksichtigung nichtrotationssymmetrischer Querkraftverteilungen; bei unverschieblichen Systemen und einem Stützweitenverhältnis benachbarter Felder im Bereich von 0;8 < leff;1 = leff;2 < 1;25 darf ˇ nach Abb. 9.22 angenommen werden, sofern nicht – wie generell für verschiebliche Systeme erforderlich – ein genauerer Nachweis geführt wird (s. Abschn. 9.2.3.3) Die innerhalb des betrachteten Rundschnittes wirkenden, gleichmäßig verteilten Nutzlasten dürfen bei der Ermittlung von VEd als Abzugswert berücksichtigt werden (beachte Sonderregelungen für die Bodenpressung bei Fundamenten. s. Abschn. 9.4). Die Reduktion der einwirkenden Querkraft um auflagernahe Einzellasten entsprechend
338
9 Durchstanzen
DIN 1045-1, 10.3.2 ist jedoch nicht zulässig. Zur Anrechnung der Querkraftkomponenten Vpd aus Vorspannkräften innerhalb des kritischen Rundschnittes liegender geneigter Spannglieder vgl. Abschn. 9.5. Querkrafttragfähigkeit von Platten ohne Durchstanzbewehrung Die Querkrafttragfähigkeit vRd;ct längs des kritischen Rundschnittes für Platten ohne Durchstanzbewehrung nach DIN 1045-1, 10.5.4 ist durch Gl. (9.39) gegeben. h
i
vRd;ct D 0;14 .100 l fck /1=3 0;12cd d
(9.39)
In Gl. (9.39) bedeuten: 1
d dx dy l
D 1;0 für Normalbeton; für Leichtbeton s. Gl. (3.93) Maßstabsfaktor (d in mm) r 200 D1C 2;0 (9.40) d mittlere Nutzhöhe mit d D .dx C dy /=2 Nutzhöhe der Platte im betrachteten Rundschnitt in x-Richtung Nutzhöhe der Platte im betrachteten Rundschnitt in y-Richtung mittlerer Längsbewehrungsgrad innerhalb des betrachteten Rundschnittes mit ( 0;50fcd =fyd p l D lx ly (9.41) 0;02
lx Bewehrungsgrad, bezogen auf die Zugbewehrung in x-Richtung, die innerhalb des betrachteten Rundschnittes im Verbund liegt und außerhalb des betrachteten Rundschnittes verankert ist. Bei Eck- und Randstützen mit einem Randabstand d ist zur Verankerung der Längsbewehrung senkrecht zum Rand zusätzlich eine Randbewehrung aus Steckbügeln nach DIN 1045-1, 13.3.2 (10) mit einem gegenseitigen Abstand sw 100 mm längs des Randes erforderlich. ly Bewehrungsgrad, bezogen auf die Zugbewehrung in y-Richtung, Definition analog lx cd Bemessungswert der Betonnormalspannung innerhalb des betrachteten Rundschnitts mit cd D .cd;x C cd;y /=2 ;
cd;x D NEd;x =Ac;x ;
cd;y D NEd;y =Ac;y :
(9.42a) (9.42b)
In den Gln. (9.42a) und (9.42b) sind cd;x und cd;y die Bemessungswerte der Betonnormalspannungen innerhalb des betrachteten Rundschnittes in x- bzw. y-Richtung und NEd;x bzw. NEd;y die Bemessungswerte der mittleren Längskräfte in den Querschnitten Ac;x bzw. Ac;y durch den kritischen Rundschnitt infolge Vorspannung oder sonstiger Einwirkungen (NEd < 0 als Längsdruckkraft). Zu Ergänzungen für Fundamente s. Abschn. 9.4.
Mindestmomente Nach DIN 1045-1, 10.5.6 ist die Platte im Bereich der Stützen für Mindestmomente entsprechend Gl. (9.30) für Momentenbeiwerte nach Tabelle 9.2 in den in Abb. 9.30 bezeichneten Bereichen nachzuweisen. Kollapsbewehrung Hinsichtlich Kollapsbewehrung s. Abschn. 9.2.5.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Nach EN 1992-1-1, 6.4.3 ist bei Platten ohne Durchstanzbewehrung mit Gl. (9.43) nachzuweisen, dass die einwirkende Querkraft je Flächeneinheit vEd entlang des kritischen Rundschnitts u1 den Bemessungswert des Durchstanzwiderstandes je Flächeneinheit vRd;c nicht überschreitet. (9.43)
vEd vRd;c
Kritischer Rundschnitt Die Regeln zur Konstruktion des kritischen Rundschnittes sind in EN 1992-1-1, 6.4.2 zusammengestellt. Der kritische Rundschnitt ist in einem Abstand von 2;0d zur Lasteinleitungsfläche anzunehmen (s. Abb. 9.26, Klammerwerte). Öffnungen werden nach Abb. 9.27 berücksichtigt; an freien Rändern folgt der kritische Rundschnitt Abb. 9.28, sofern sich dadurch ein kleinerer Umfang als für geschlossene Rundschnitte nach Abb. 9.26 ergibt. Bei Stützenkopfverstärkungen gilt Abb. 9.29; die Abgrenzung zwischen gedrungenen und schlanken Stützenköpfen erfolgt bei lH = hH D 2, allerdings darf für den Ersatzdurchmesser bei ungleichseitigen rechteckigen Stützenköpfen die lange Seite bis zum 1,5-fachen der kurzen Seite angerechnet werden, d. h. sinngemäß gilt lc D 0;69 bc bei hc > 1;5bc (vgl. Gl. 9.29). Einwirkungen Die einwirkende Querkraft je Flächeneinheit vEd errechnet sich nach EN 1992-1-1, 6.4.3 aus Gl. (9.44). vEd D
ˇ VEd ui d
(9.44)
In Gl. (9.44) bedeuten: VEd Bemessungswert der gesamten aufzunehmenden Querkraft d mittlere statische Nutzhöhe (Definition analog DIN 1045-1) ui betrachteter Rundschnitt ui D u1 für den Nachweis nach Gl. (9.43). ˇ Lasterhöhungsbeiwert zur Berücksichtigung nichtrotationssymmetrischer Querkraftverteilungen nach Gl. (9.45) ˇ D1Ck
MEd u1 : VEd W1
(9.45)
Zur Ermittlung von ˇ nach Gl. (9.45) s. Abschn. 9.2.3.3. Bei ausgesteiften Tragwerken, bei denen sich die Längen angrenzender Felder nicht um mehr als 25% unterscheiden, dürfen für ˇ die Werte nach Abb. 9.22 angenommen werden (NDP! ! Abb. 9.22 gibt empfohlene sowie abweichend davon bzw. ergänzend in NA D und A angegebene Werte wieder.)
9.2 Platten ohne Durchstanzbewehrung
339
Querkrafttragfähigkeit von Platten ohne Durchstanzbewehrung Nach EN 1992-1-1, 6.4.4 ist der Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit je Flächeneinheit vRd;c im kritischen Rundschnitt u1 nach den Gln. (9.46) und (9.47) zu ermitteln.
•
vRd;c D CRd;c k 1 .100 l fck /1=3 C k1 cp (9.46)
•
In den Gln. (9.46) und (9.47) bedeuten: CRd;c ! NDP (Tabelle 9.3) k Maßstabsfaktor (d in mm) r 200 k D 1C 2;0 d 1 D 1;0 für Normalbeton, für Leichtbeton vgl. DIN 1045-1 l mittlerer Längsbewehrungsgrad p l D ly lz 0;02
•
(9.49)
Zu Ergänzungen für Fundamente s. Abschn. 9.4.
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden folgende Punkte ergänzt: Die Anwendungsgrenzen für ausgedehnte Einleitungsflächen nach Abb. 9.24c werden übernommen.
Tabelle 9.3 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Nachweis gegen Durchstanzen ohne Durchstanzbewehrung EU
D
C
0;18= c
0;18= c a
LC
0;18= c a
LC
0;15= c p 0;035 k 3 fck p 0;028 k 3 fck
C
0;10
LC
0;08
NDP CRd;c
vmin
k1 a
b
C
ˇ -Faktoren, die mit Gl (9.45) berechnet wurden, müssen zusätzlich die Bedingung ˇ 1;10 erfüllen. Die Berechnung von ˇ -Faktoren für Randstützen über verkürzte Rundschnitte (vgl. Abb. 9.21) ist nicht zulässig. Die ˇ -Faktoren für Wandenden und -ecken nach Abb. 9.22 sind mit EN 1992-1-1 anzuwenden. Für Stützenkopfverstärkungen wird die Nachweisgrenze zwischen gedrungenen und schlanken Stützenköpfen lH = hH D 2;0 ersetzt durch lH = hH D 1;5. Der Bewehrungsgrad l in Gl. (9.46) wird zusätzlich begrenzt auf l 0;5fcd =fyd .
A (9.48)
ly Bewehrungsgrad, bezogen auf die verankerte Zugbewehrung in y-Richtung als Mittelwert über eine Plattenbreite entsprechend der Stützenabmessung zuzüglich einer Breite von jeweils 3d zu beiden Seiten der Stütze. lz Bewehrungsgrad, bezogen auf die verankerte Zugbewehrung in z-Richtung, Definition analog ly . k1 ! NDP (Tabelle 9.3) der Betonnormalspannungen cp Bemessungswert innerhalb des kritischen Rundschnitts; Definition analog DIN 1045-1, allerdings sind Druckspannungen positiv anzusetzen. vmin Mindestwert der Querkrafttragfähigkeit ! NDP (Tabelle 9.3).
•
•
(9.47)
vmin C k1 cp
D
•
A EU
1 = c k 3=2 fck1=2 b
EU
EU
EU
0
Die reduzierte Tragfähigkeit bei kleinen Lasteinleitungsflächen mit u0 < 4d ist bei Innenstützen zu berücksichtigen mit CRd;c D 0;18= c .0;1u0 =d C 0;6/; u0 ist der Umfang einer Stütze; vgl. hierzu Erläuterungen zu Gl. (9.73). mit 1 D 0;0525 für d 600 mm und 1 D 0;0375 für d > 800 mm; Zwischenwerte dürfen linear interpoliert werden.
ÖNORM EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zur Anwendung von EN 1992-1-1 werden die geometrischen Randbedingungen für Lasteinleitungsflächen nach Abb. 9.24b ergänzt. Sofern die belastete Fläche die Anforderungen nicht erfüllt, ist für den Durchstanznachweis nur der Teil einer Einleitungsfläche nach Abb. 9.24c heranzuziehen. Für den Querkraftwiderstand der übrigen Teile gilt EN 1992-1-1, 6.2; der Gesamtwiderstand ist die Summe des Durchstanz- und Querkraftwiderstandes. Darüber hinaus wird die Anordnung einer MindestBiegebewehrung gefordert. Die erforderliche Menge ergibt sich aus Gl. (9.30) mit z D 0;9d für Momentenbeiwerte nach Tabelle 9.2 in den in Abb. 9.30 angegebenen Bereichen.
9.2.5 Kollapsbewehrung Eine Reihe von Schadensfällen zeigt, dass es nach einem Durchstanzversagen an einzelnen Stützen zum progressiven Kollaps, also zum Einsturz von größeren Tragwerksteilen bzw. ganzer Gebäude kommen kann (vgl. Beispiele 9.1 und 9.2). Da die Resttragfähigkeit von Platten-Stützen-Verbindungen nach einem Durchstanzen äußerst gering ist, muss der größte Teil der Stützenlast auf Nachbarstützen umgelagert werden, die hierfür i. d. R. nicht ausgelegt sind. Auch durch die Anordnung von Durchstanzbewehrung ist ein sprödes Versagen einhergehend mit einem annähernd vollständigen Tragfähigkeitsverlust nicht ausgeschlossen. Ein progressiver Kollaps kann vermieden werden, wenn die Platten-Stützen-Verbindung ausreichend Resttragfähigkeit besitzt. Hierfür wurde in Kupfer u. Georgopoulos (1986) vorgeschlagen, unmittelbar über der Stütze Bewehrungsstäbe in der unteren Lage anzuordnen, die zu beiden Seiten des kritischen Schubrisses – also des Stanzkegels – verankert werden und nach dem Durchstanzen als Abreißbewehrung mit Fsd D VEd wirken (Abb. 9.31). Bei Innenstützen sollte die Kollapsbewehrung kreuzend, d. h. in Richtung der Gurtstreifen angeordnet werden, bei Randstützen parallel zum Rand.
340
9 Durchstanzen
Betondeckung abgeplatzt
V
Gl. (9.30) maßgebend werden. Nach Tabelle 9.2 gelten für die negativen Plattenbiegemomente über der Innenstütze x D y D 0;125; für beide Richtungen folgt damit mEd;x D mEd;y D x VEd D 0;125 660
V Kollapsbewehrung
D 82;5 kNm/m :
w mit Kollapsbewehrung ohne Kollapsbewehrung
Abbildung 9.31 Kollapsbewehrung – Wirkungsweise und LastVerformungs-Beziehung asx : 14/200 + 12/200 a sy : 14/100
0,1l = 600 mEd,x= mEd,y
-140 kNm/m -93 x
300 270 255
Der mittlere Bewehrungsgrad ist damit p p l D lx ly D 0;0048 0;0060 D 0;0054
2 14 l = 6,0 m 400 VEd = 660 kN MEd= 0
x
Aus dem kritischen Rundschnitt im Abstand 1;5d zum Stützenanschnitt gemäß Abb. 9.32b ergibt sich ucrit zu
Abbildung 9.32 Beispiel 9.5: Durchstanznachweis an einer Innenstütze
Eine explizite Bemessung der Kollapsbewehrung ist nur in DIN 1045-1 vorgesehen (Abschn. 13.3.2 (12)): Für die außergewöhnliche Bemessungssituation (s. Abschn. 2.2.4) mit den zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerten F D 1;0 und s D 1;0 folgt der Gesamtquerschnitt der Kollapsbewehrung zu VEd;a VEk D : fyd fyk
0;85 30=1;5 fcd D 0;50 D 0;0196 : fyd 500=1;15
d D 0;5 .dx C dy / D 0;5 .0;27 C 0;255/ 0;26 :
ucrit
y
As;req D
0;50
Die mittlere statische Höhe ist
400/2 390 390
as;x 13;4 D D 0;0048 ; dx 27 100 as;y 15;4 D D D 0;0060 : dy 25;5 100
lx D ly
2 14 C30/37
Das Mindestmoment ist entsprechend Abb. 9.30 auf jeweils 0;3l D 0;3 6;0 D 1;8 m, also 0,9 m zu beiden Seiten der Stützenachse zu überprüfen. Nach Abb. 9.32 ist das Biegemoment aus der Schnittgrößenermittlung im gesamten Bereich betragsmäßig größer als die Mindestmomente, die damit nicht maßgebend werden. Die Bewehrungsgrade in den beiden Richtungen sind (obere Lage D x-Richtung):
(9.50)
Vereinfachend kann VEk aus der Stützenlast der ständigen/vorübergehenden Bemessungssituation über VEd;a D VEk D VEd = F mit F 1;4 ermittelt werden. EN 1992-1-1 sieht dagegen nur über Innenstützen die Anordnung von jeweils mindestens zwei Stäben in unterer Lage in Richtung der Gurtstreifen vor. Beispiel 9.5 Für den Ausschnitt der Flachdecke auf quadratischem Stützenraster nach Abb. 9.32 soll die Durchstanztragfähigkeit an der Innenstütze nachgewiesen werden. Zunächst wird geprüft, ob die Mindestmomente nach
ucrit D 4a C 3d
D 4 0;4 C 3 0;26 D 4;05 m :
Die einwirkende Querkraft entlang des kritischen Rundschnitts ergibt sich mit ˇ D 1;05 (Wert für Innenstützen nach DIN 1045-1 entsprechend Abb. 9.22; Anwendung zulässig, da Stützweitenverhältnis 0;8 < leff;1 = leff;2 < 1;25 wegen quadratischem Stützenraster erfüllt) zu vEd D
1;05 660 ˇ VEd D D 171;1 kN/m : ucrit 4;05
Mit dem Maßstabsfaktor r r 200 200 D 1C D1C D 1;88 2;0 d 260 errechnet sich die Querkrafttragfähigkeit längs des kritischen Rundschnittes ohne Durchstanzbewehrung nach Gl. (9.39) mit cd D 0 zu vRd;ct D 0;14 .100 l fck /1=3 d
D 0;14 1;0 1;88 .100 0;0054 30/1=3 0;26 D 0;173 MN/m D 173 kN/m > vEd D 171 kN/m :
Damit ist der Nachweis der Durchstanztragfähigkeit gerade erbracht. Als Kollapsbewehrung zur Vermeidung eines progressiven Versagens ist Bewehrung mit dem Querschnitt
9.3 Platten mit Durchstanzbewehrung As;req D
341
VEd =1;4 660=1;4 VEd;a D D 9;43 cm2 fyk fyk 50
erforderlich. In der unteren Lage kreuzweise in beiden Richtungen sind nach Abb. 9.32 jeweils 2 Stäbe mit ds D 14 mm eingebaut; da die Stäbe jeweils zweischnittig wirken, ergibt sich As;prov D 4 2 1;54 D 12;3 cm2 : Die Kollapsbewehrung ist damit ausreichend.
a Schrägstäbe
b vertikale Bewehrung
Abbildung 9.33a,b Wirkungsweise der Durchstanzbewehrung
9.3 Platten mit Durchstanzbewehrung 9.3.1 Arten von Durchstanzbewehrung Wie die Querkraftbewehrung bei Balken muss eine Durchstanzbewehrung in der Lage sein, die bei der Schubrissbildung frei werdenden Zugkräfte aufzunehmen. Hierfür eignet sich Bewehrung, die – wie in Abb. 9.33 dargestellt – entweder senkrecht zum Riss z. B. in Form aufgebogener Längsstäbe eingelegt wird oder die Risse vertikal kreuzt. Angesichts der rotationssymmetrischen Verteilung der Querkräfte zumindest bei Innenstützen muss die Bewehrung konzentrisch um die Lasteinleitungsfläche angeordnet werden. Zur Bewehrung bzw. Verstärkung des Durchstanzbereichs steht heute ein breites Spektrum unterschiedlicher Elemente zur Verfügung:
a Bügel, Haken
b Doppelkopfbolzen, Dübelleisten, Gitterträger
• Bügel, Schrägstäbe, Bügelkörbe (Abb. 9.34a) ! Bemessung nach DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 • Dübelleisten, Doppelkopfbolzen, Gitterträger (Abb. 9.34b) ! Bemessung nach BAZ8 • Stahlbaumäßige Lösungen (Abb. 9.34c) ! Bemessung nach BAZ. Die Ende der 70er Jahre entwickelten Dübelleisten und Doppelkopfbolzen bestehen zumeist aus Rundstählen aus BSt 500 mit Durchmessern von 10 bis 25 mm mit ein- oder beidseitig aufgestauchtem Kopf, dessen Durchmesser i. d. R. dem dreifachen Bolzendurchmesser entspricht. In der ursprünglichen Form als Dübelleiste sind die Bolzen einseitig auf Flachstahlleisten aufgeschweißt, die in die Stütze einbinden und damit gleichzeitig die Druckzone verstärken (Andrä 1979, 1981). Doppelkopfanker werden – je nach Hersteller – mit unterschiedlichen Einbauhilfen, 8
BAZ = allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik, zukünftig ggf. durch eine Europäische Technische Zulassung ersetzt.
c Geilinger Stahlpilz, Verbundträgerkreuz
Abbildung 9.34a–c Durchstanzbewehrung – Beispiele
z. B. Klemmleisten, angeschweißten Montagestäben, etc. geliefert. Durch die effiziente Verankerung in der Druck- und Zugzone von Platten können Dübel und Doppelkopfbolzen gegenüber Bügelbewehrung besser ausgenutzt werden und ermöglichen eine höhere Maximaltragfähigkeit. Primär für Elementdecken werden darüber hinaus Gitterträger als Durchstanzbewehrung eingesetzt (vgl. Eligehausen u. a. 2003). Die genannten Bewehrungselemente fallen allerdings nicht in den Anwendungsbereich von DIN 1045-1 bzw. EN 1992-
342
1-1; ihre Bemessung muss auf der Grundlage allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassungen erfolgen. Die stahlbaumäßigen Lösungen nach Abb. 9.34c folgen dem Prinzip der Stützenkopfverstärkung; der Durchstanzkegel wird durch einbetonierte Elemente deutlich vergrößert und damit die Durchstanztragfähigkeit angehoben. Den Elementen gemeinsam ist die durchlaufende obere Bewehrungslage; die Bauhöhe ist daher i. d. R. geringer als die Nutzhöhe d . Bereits in den 30er Jahren wurden in den USA Trägerkreuze über Stützen einbetoniert. Bei dem in der Schweiz entwickelten und seit Anfang der 80er Jahre in Deutschland zugelassenen Geilinger Stahlpilz werden die Querkräfte durch den Stahlkragen aufgenommen und über Stahlstege in die Stütze transportiert (Andrä u. a. 1984). Neuere Entwicklungen wie z. B. mit Kopfbolzendübeln versehene Durchstanzkreuze (vgl. Hanswille 2004) nehmen das Konstruktionsprinzip einer unsichtbaren Stützenkopfverstärkung ebenfalls auf. Die Bemessung derart verstärkter Decken folgt allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen; darüber hinaus sind für die Elemente selbst Stahlbaunachweise zu führen. In den folgenden Abschnitten wird primär die Bemessung konventioneller Querkraftbewehrung gemäß DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 behandelt.
9.3.2 Tragverhalten und Versagensformen Im Versuch verhält sich eine durchstanzbewehrte Platte zunächst ähnlich einer Platte ohne spezielle Bewehrung; es entstehen sukzessive Radial- und Tangentialrisse an der Oberseite. Ab etwa 50% der späteren Bruchlast wird die Querkraftbewehrung im unmittelbaren Durchstanzbereich, d. h. im Bereich des Durchstanzkegels bis zu einem Abstand von ca. 1;5d vom Stützenrand, aktiviert – ausgelöst durch eine fortschreitende innere Schrägrissbildung. Der kritische Schubriss tritt wieder mit einer Neigung von ca. 30–35ı auf, führt jetzt allerdings nicht mehr zum schlagartigen Versagen, da die Querkraft durch die kreuzende Bewehrung rückgehängt und über schräge Druckstreben nach außen abgeleitet wird (Abb. 9.35). Einhergehend mit der dadurch möglichen weiteren Laststeigerung wandert die Rissfront der Schrägrisse weiter nach außen. Mit der fortschreitenden Rissbildung wird auch weiter von der Stütze entfernt liegende Querkraftbewehrung aktiviert. Übliche Durchstanzbewehrungselemente umfassen i. d. R. nicht beide Bewehrungslagen der Zugbewehrung (vgl. Abb. 9.34a). Mit zunehmender Beanspru-
9 Durchstanzen
chung der Dübelwirkung entstehen daher horizontale Risse in der Ebene der Längsbewehrung; die Betondeckung wird sukzessive abgehoben (vgl. Abb. 7.11). In Versuchen mit konventionellen Bügeln zeigte sich zudem, dass die Stahlspannungen bedingt durch den Verankerungsschlupf nicht die Streckgrenze erreichen, während bei Dübeln, Doppelkopfbolzen oder auch Schrägstäben i. d. R. Fließen eintritt. Ein Durchstanzversagen kann letztlich durch drei verschiedene Szenarien eintreten (Bezeichnungen der zugehörigen Bemessungswerte des Widerstandes nach DIN 1045-1 in Klammern, vgl. Abb. 9.35): 1
2 3
Kombiniertes Biege-Schub-Versagen der eingeschnürten Druckzone am Stützenanschnitt (! vRd;max ) Versagen der Durchstanzbewehrung (! vRd;sy ) Durchstanzversagen außerhalb des durchstanzbewehrten Bereichs (! vRd;ct;a ).
1 entspricht der Die Traglast bei Versagensform maximal erreichbaren Durchstanzlast. In anderen Worten: Die Tragfähigkeit kann auch nicht durch eine Anhebung der Durchstanzbewehrungsmenge oder durch eine Ausweitung des bewehrten Bereichs über vRd;max hinaus gesteigert werden. Je nach verwendetem Bewehrungstyp liegt die maximale Tragfähigkeit nur 50% (Bügel) bis 90% (Doppelkopfanker) über der Tragfähigkeit ohne Durchstanzbewehrung. Neben den bereits für unbewehrte Platten wesentlichen Größen d , u0 , l , fck und c haben folgende Parameter entscheidenden Einfluss auf die Traglast:
• Bewehrungsmenge Mit steigender Bewehrungsmenge nimmt naturgemäß die Tragfähigkeit des bewehrten Bereichs zu; die Traglaststeigerung ist nicht beliebig, sondern 1 begrenzt. durch Versagensform • Größe des durchstanzbewehrten Bereichs Der durchstanzbewehrte Bereich ist im Grunde wie eine (gedrungene) Stützenkopfverstärkung zu behandeln und bildet eine vergrößerte Einleitungsfläche, an deren Rand bei ausreichend 2 vRd,sy
1 vRd,max
3 vRd,ct,a
Abbildung 9.35 Schnittbild einer Platte nach einem Durchstanzversuch (nach Versuch Z3, Beutel 2002)
9.3 Platten mit Durchstanzbewehrung
343
großen Querkraftbeanspruchungen ein Durchstanzversagen eintreten kann (! Versagensform 3 ). Mit größerem durchstanzbewehrtem Bereich nimmt allerdings auch die Durchstanztragfähigkeit außerhalb dieses Bereichs ab und nähert sich der Querkrafttragfähigkeit liniengelagerter Platten. • Verankerungsqualität der Durchstanzbewehrung Für die Querkraftbewehrung von Platten üblicherweise verwendete Bügel nach Abb. 9.34a werden über kurze, vorwiegend horizontale Abbiegungen verankert und umfassen lediglich eine Lage der Bewehrung in Zug- und Druckzone. Bei dünnen Platten bleibt die effektive Verankerungslänge auf die Abbiegung beschränkt, die nicht ausreicht, um die Streckgrenzkraft des Bügels aufzunehmen. Durch die begrenzte Verankerungslänge entsteht ein Verankerungsschlupf, d. h. die Bügelbewehrung ist nur eingeschränkt in der Lage, die Schubrisse zu verklammern. Da die erforderliche Verankerungslänge mit dem Stabdurchmesser ansteigt, verhalten sich dünne Stäbe deutlich günstiger als dicke. In DIN 1045-1 finden sich daher Obergrenzen für Stabdurchmesser in Abhängigkeit der Nutzhöhe (ds 0;05d für Bügel ! Stabdurchmesser 8–12 mm; ds 0;08d für Aufbiegungen). Mit zunehmender Plattendicke nimmt der Anteil aus Verbundverankerung des vertikalen Bügelschenkels zu; entsprechend steigt die erreichbare Stahlspannung mit der Nutzhöhe an. Nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 dürfen bei dünnen Platten nur ca.
2
1
theoretischer Stanzkegel
3
a Aufhängefachwerk
70% der Streckgrenze als Bügelspannung angesetzt werden; erst bei Plattendicken von 740 mm (EN) bzw. 800 mm (DIN) kann fyd in Ansatz gebracht werden. Durch die reduzierte Verbundsteifigkeit der Bügelbewehrung verliert der gesamte Durchstanzbereich an Steifigkeit; die Verformung – oder, vereinfacht gesagt, die Rotation der Sektorelemente um die Druckzone am Stützenanschnitt – nimmt dadurch zu. Damit wird gleichzeitig die Druckzone stärker eingeschnürt, die Gefahr eines kombinierten Biege-Schub-Versagens am Stützenanschnitt steigt 1 (! Versagensform ). Aus diesem Grund liegt für Bewehrungselemente mit hoher Verankerungssteifigkeit – z. B. Kopfbolzendübel oder Doppelkopfbolzen – die maximale Tragfähigkeit vRd;max deutlich über dem Wert, der bei konventioneller Bügelbewehrung zu erreichen ist.
9.3.3 Tragmodelle und Bemessungskonzepte In Abb. 9.36 sind zwei unterschiedliche Fachwerkmodelle dargestellt, die das grundsätzliche Tragverhalten durchstanzbewehrter Platten wiedergeben. Sie dienen daher auch als Basis für die Bemessung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 wie auch für den Nachweis bei Dübelleisten und Doppelkopfbolzen im Rahmen bauaufsichtlicher Zulassungen: • Aufhängefachwerk nach Abb. 9.36a Im Aufhängefachwerk wird die gesamte Querkraft in den Bewehrungselementen, die innerhalb des primären Durchstanzbereichs zu beiden Seiten des Durchstanzrisses verankert sind, hochgehängt und von dort direkt in die Stütze abgetragen (Andrä 1982).9 • klassisches Fachwerk nach Abb. 9.36b Für das klassische Fachwerk wird – in Analogie zum Moersch’schen Fachwerk querkraftbewehrter Balken – davon ausgegangen, dass die Querkraft im primären Durchstanzbereich von einem Bewehrungselement zum nächsten transportiert wird und erst in der Reihe, die der Stütze am nächsten liegt, 9
b klassisches Fachwerk
Abbildung 9.36a,b Fachwerkmodelle für den durchstanzbewehrten Bereich (Nur schräge Druckstreben dargestellt; Versa1 bis 3 gekennzeichnet) gensformen
Das Rissbild des in Abb. 9.36 dargestellten Versuchs an einer mit Doppelkopfbolzen bewehrten Platte deutet darauf hin, dass in diesem Fall ein Aufhängefachwerk dem realen Tragverhalten relativ nahe kommt: die Risse verlaufen annähernd parallel zu den eingezeichneten schrägen Druckstreben, zudem wird die Druckstrebe zwischen zweitem Bolzen und Knoten im Stützenanschnitt nicht von groben Rissen gekreuzt, eine direkte Lastabtragung aus der zweiten Bewehrungsreihe ist demnach möglich.
344
9 Durchstanzen
nochmals hochgehängt und dann direkt in die Stütze getragen wird. Gegenüber dem Aufhängefachwerk sind die Beanspruchungen der Bewehrung im Durchstanzbereich dem entsprechend vergrößert. Der Durchstanznachweis bei Platten mit Durchstanzbewehrung besteht – den möglichen Versagens1 bis 3 entsprechend – aus der Überprüformen fung dreier Bemessungswerte der Tragfähigkeit nach Gl. (9.51) (Bezeichnungen der Bemessungswerte nach EN 1992-1-1 in Klammern). 8 ˆ ˆ < vRd;max .vRd;max / vEd vRd;sy (9.51) .vRd;cs / ˆ ˆ :v .v / Rd;ct;a
Rd;c
Maximaler Durchstanzwiderstand (vRd;max ) Die maximale Durchstanztraglast wird durch das Versagen der eingeschnürten Betondruckzone am An1 in schnitt zur Stütze bestimmt (! Versagensform den Abbn. 9.35 und 9.36). Der Versagensmechanismus ist damit dem bei Durchstanzen von Platten ohne Querkraftbewehrung eng verwandt. Da die wesentlichen Einflussgrößen auf die Beanspruchungen in der Druckzone am Stützenanschnitt in beiden Versagensszenarien identisch sind – Längsbewehrungsgrad, Nutzhöhe und Maßstabseffekt, Betondruck- und Zugfestigkeit – liegt es nahe, vRd;max nach Gl. (9.52) als Vielfaches der Tragfähigkeit ohne Durchstanzbewehrung vRd;ct festzulegen (vgl. Beutel 2002). Dieser Weg wurde für DIN 1045-1 beschritten und für die über Zulassungen geregelten Bewehrungsformen übernommen. vRd;max;DIN D ˛max vRd;ct
(9.52)
Der Koeffizient ˛max muss hierfür aus Versuchsergebnissen ermittelt werden und liegt für Bügel und Schrägstäbe nach DIN 1045-1 bei ˛max D 1;5. Im Gegensatz zum Vorgehen nach DIN 1045-1 wird in EN 1992-1-1 als limitierender Versagensmechanismus für vRd;max ein Versagen der schrägen Betondruckstrebe im Stützenanschnitt angesehen. In Analogie zum Druckstrebenversagen bei querkraftbewehrten Bauteilen wird die Tragfähigkeit durch die Betondruckfestigkeit der Druckstrebe nach Gl. (9.53) begrenzt. vRd;max;EN D 0;5fcd ; fck mit D 0;6 1 250
(9.53)
Eine Gegenüberstellung von vRd;max nach Gl. (9.53) mit Versuchsergebnissen zeigt, dass die maximale Durchstanztragfähigkeit durch die Annahme eines
wirklichkeitsfremden Bruchmechanismus z. T. erheblich überschätzt wird (vgl. Hegger u. a. 2006a, 2007; Schustereder u. a. 2008). Sowohl im NA D als auch im NA A wurden daher abweichende Gleichungen mit Bezug auf vRd;ct eingeführt. Bemessung der Bewehrung (vRd;sy bzw. vRd;cs ) Die Bemessungskonzepte gehen zunächst davon aus, dass die Durchstanzbewehrung in einzelnen, äquidistanten Reihen konzentrisch um die Einleitungsfläche herum angeordnet wird. Die Anzahl der Reihen und damit die Größe des durchstanzbewehrten Bereichs wird durch den Durchstanznachweis außerhalb dieses Bereiches bestimmt. Abhängig vom zugrunde liegenden Tragmodell nach Abb. 9.36 ergeben sich unterschiedliche Bemessungsstrategien und damit erforderliche Bewehrungsmengen: • EN 1992-1-1 In EN 1992-1-1 wird vorausgesetzt, dass P in jeder Reihe die gleiche Bewehrungsmenge Asw eingebaut wird. Die erforderliche Menge ergibt sich aus dem Aufhängefachwerk nach Abb. 9.36a, d. h. aus einer integralen Betrachtung des unmittelbaren Durchstanzbereichs. Einzelne Nachweisschnitte müssen nicht betrachtet werden. Die Anordnung der Bewehrung wird darüber hinaus durch Konstruktionsregeln gesteuert. • DIN 1045-1 Im Unterschied zu EN 1992-1-1 setzt DIN 10451 auf dem klassischen Fachwerk nach Abb. 9.36b auf; dem entsprechend wird zwischen der Bemessung der ersten Reihe am Stützenrand und den folgenden Reihen unterschieden. Die Bemessung basiert auf der expliziten Betrachtung der einzelnen Reihen und erlaubt damit eine Abstufung der erforderlichen Bewehrung mit nach außen abnehmender Bewehrungsmenge. Jede Bewehrungsreihe ist einem Nachweisschnitt, der dem kritischen Rundschnitt geometrisch ähnlich ist, zuzuordnen. Das für Dübelleisten und Doppelkopfbolzen in bauaufsichtlichen Zulassungen verankerte Bemessungskonzept basiert auf einem Aufhängefachwerk nach Abb. 9.36a, allerdings mit gegenüber EN 1992-11 restriktiveren Voraussetzungen (s. Abschn. 9.3.4.2). Durchstanznachweis außerhalb des durchstanzbewehrten Bereichs (vRd;ct;a bzw. vRd;c ) Der Nachweis außerhalb des bewehrten Bereichs entspricht einem Durchstanznachweis für Platten ohne Querkraftbewehrung, für den der gesamte bewehrte Bereich als Lasteinleitungsfläche betrachtet wird. Der
9.3 Platten mit Durchstanzbewehrung
345
Nachweis wird im sog. äußeren Rundschnitt geführt, der nach DIN 1045-1 und nach EN 1992-1-1 gleichermaßen in einem Abstand von 1;5d um die äußerste Bewehrungsreihe verläuft. Da in DIN 1045-1 zwischen der Querkrafttragfähigkeit liniengelagerter Platten und der höheren Durchstanztragfähigkeit bei konzentrierter Lasteinleitung unterschieden wird, muss die graduelle Abnahme der Tragfähigkeit mit zunehmendem Umfang der Einleitungsfläche berücksichtigt werden.
Nachweis der Bewehrung Durchstanzbewehrung senkrecht zur Plattenebene (˛ D 90ı ) ist entsprechend Abb. 9.37 in konzentrischen Reihen über den Umfang gleichmäßig verteilt anzuordnen. Für die erste Reihe im Abstand 0,5 d zum Stützenrand folgt nach DIN 1045-1, 10.5.5 (2) der Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit aus Gl. (9.56). vRd;sy D vRd;c C
s Asw fyd u
(9.56)
Für alle weiteren Bewehrungsreihen mit gegenseitigem Abstand sw 0;75d gilt: vRd;sy D vRd;c C
9.3.4 Nachweis nach DIN 1045-1
s Asw fyd d : u sw
(9.57)
In den Gln. (9.56) und (9.57) bedeuten:
9.3.4.1 Normenregelung
vRd;c
Das in DIN 1045-1 enthaltene Bemessungskonzept für Platten mit Durchstanzbewehrung geht u. a. auf Beutel (2002) zurück und weist einige Unterschiede zu den Konzepten in bauaufsichtlichen Zulassungen für z. B. Doppelkopfbolzen oder EN 1992-1-1 auf. Den Erläuterungen zu einzelnen Punkten werden die Normenregelungen vorangestellt.
s
Normenregelung nach DIN 1045-1
fyd u sw
Für Platten, bei denen Durchstanzbewehrung erforderlich wird, sind nach DIN 1045-1, 10.5.5 Nachweise gemäß Gl. (9.54) zu führen: 8 ˆ < vRd;max vEd (9.54) vRd;sy : ˆ : vRd;ct;a
Asw
Betontraganteil; vRd;c darf mit vRd;ct nach Gl. (9.39) gleichgesetzt werden. Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses der Bauteilhöhe auf die Wirksamkeit der Bewehrung nach Gl. (9.58) mit d in mm. ( d 400 0;7 s D 0;7 C 0;3 (9.58) 400 1;0 Summe der Querschnitte aller Bewehrungselemente der betrachteten Reihe Bemessungswert der Stahlspannung Umfang des betrachteten Nachweisschnittes wirksame Breite einer Bewehrungsreihe nach Abb. 9.37, d. h. gegenseitiger Abstand der Bewehrungsreihen mit sw 0;75d .
Für Schrägstäbe mit einer Neigung von 45ı ˛ 60ı gegen die Plattenebene errechnet sich vRd;sy gemäß DIN 1045-1, 10.5.5 (3) für einen Rundschnitt im Abstand 0;5d vom Stützenrand nach Gl. (9.59).
In Gl. (9.54) bedeuten: vEd
vRd;max vRd;sy
vRd;ct;a
Bemessungswert der aufzunehmenden Querkraft je Längeneinheit des betrachteten Rundschnitts nach Gl. (9.38) Bemessungswert der maximalen Querkrafttragfähigkeit längs des kritischen Rundschnitts Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit mit Durchstanzbewehrung längs innerer Nachweisschnitte Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit längs des äußeren Rundschnittes, für den keine Durchstanzbewehrung mehr erforderlich ist.
Ergänzungen zum Nachweis von Fundamenten folgen in Abschn. 9.4 dieses Bandes. Maximale Querkrafttragfähigkeit Nach DIN 1045-1, 10.5.5 (1) ist die maximale Querkrafttragfähigkeit längs des kritischen Rundschnittes im Abstand 1;5d zur Lasteinleitungsfläche nach Gl. (9.55) unter Verwendung von vRd;ct nach Gl. (9.39) zu ermitteln. vRd;max D 1;5vRd;ct
(9.55)
vRd;sy D vRd;c C
1;3 As sin ˛ fyd u
(9.59)
Sofern ausschließlich Schrägstäbe verwendet werden, dürfen sie entsprechend Abb. 9.37 bzw. Abb. 9.38 nur im Bereich von 1;5d um die Stütze angeordnet werden. Schrägstäbe dürfen dabei auf den Durchstanzwiderstand angerechnet werden, wenn sie nicht weiter als 0;25d vom Stützenrand entfernt liegen. Nachweis im äußeren Rundschnitt Nach DIN 1045-1, 10.5.5 (4) ist die Durchstanztragfähigkeit ohne Durchstanzbewehrung im äußeren Rundschnitt im Abstand 1;5d zur letzten Bewehrungsreihe nach Gl. (9.60) nachzuweisen. vRd;ct;a D a vRd;ct
(9.60)
In Gl. (9.60) bedeuten: vRd;ct
Querkrafttragfähigkeit ohne Durchstanzbewehrung; zu berechnen nach Gl. (9.39) unter Ansatz des Längsbewehrungsgrades l im äußeren Rundschnitt
346 a
9 Durchstanzen
a D 1 lw
d
Beiwert zur Berücksichtigung des Übergangs zum Plattenbereich mit einer Querkrafttragfähigkeit liniengelagerter Platten (s. Abschn. 7.3.3) 0;29 lw 0;71 3;5 d
U1 0,5 d
U2 sw
VEd
U3 sw
Ui
Ua
sw
lw
Mindestbewehrung Wenn Durchstanzbewehrung erforderlich wird, darf der Bewehrungsgrad in den inneren Rundschnitten w nach Gl. (9.62a) bei Bewehrung senkrecht zur Plattenfläche bzw. nach Gl. (9.62b) bei Schrägstäben nicht unterschreiten (DIN 1045-1, 10.5.5 (5) i. V. m. 13.3.3). Asw w D min w sw u As sin ˛ D min w sw u
sw VEd d
(9.61)
Breite des Bereichs mit Durchstanzbewehrung außerhalb der Lasteinleitungsfläche nach Abb. 9.37.
sw
sw
1,5d
Ua Ui
(9.62a)
U3 U2
(9.62b) U1
In den Gln. (9.62a) und (9.62b) bezeichnen: bei vertikaler Bewehrung (˛ D 90ı ) der Abstand der Bewehrungsreihen; bei geneigter Bewehrung sw D d min w D 1;0 Grundwert der Mindestquerkraftbewehrung sw
D 0;16 1
fctm ; fyk
mit 1 0;85 :
0,5 d
sw
1,5d
d
2 VEd d
α U1
Ua
1
0,5 d VEd
_ lw 0 :
Einfeldträger Mehrfeldträger – Randfeldb Mehrfeldträger – Innenfeldb Flachdecke – Randfeldc Flachdecke – Innenfeldc Kragarmb
EU
EN 1992-1-1 (NDPs) ˛i D li = leff D 1=K (in Klammern: K)
(11.8)
In Gl. (11.8) bedeuten: As;req erforderliche Querschnittsfläche der Zugbewehrung im betrachteten Querschnitt (Feldmitte bzw. Einspannstelle) im GZT
As;prov
vorhandene Querschnittsfläche der Zugbewehrung im betrachteten Querschnitt.
Bei Bauteilen aus Leichtbeton sind die Grundwerte der Biegeschlankheitsgrenzen nach Gl. (11.6) analog zu DIN 1045-1 mit E0;15 abzumindern. (Anm.: Für einen unmittelbaren Vergleich mit DIN 1045-1 weicht die formale Darstellung der Schlankheitsgrenzwerte geringfügig vom Normentext ab. Die Inhalte sind mit dem Normentext identisch.)
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Für Deckenplatten aus Normalbeton und Leichtbeton des üblichen Hochbaus dürfen alternativ die weniger restriktiven Biegeschlankheitskriterien nach DIN 1045-1 (vgl. Gl. 11.5) verwendet werden.
A
ÖNORM EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Für Bauteile, deren Durchhang lediglich auf f li =250 begrenzt werden soll, werden modifizierte K-Werte angegeben (vgl. Tabelle 11.3, rechte Spalte).
11.4 Rissbreitenbegrenzung Weit geöffnete, breite Risse beeinträchtigen den Korrosionsschutz der Bewehrung und können damit die langfristige Tragfähigkeit, d. h. die Dauerhaftigkeit eines Bauteils gefährden. Gleichzeitig wirken deutlich sichtbare Risse optisch störend und können bei Nutzern – zumeist unbegründete – Sicherheitsbedenken auslösen. Die Begrenzung auftretender Rissbreiten ist daher ein elementarer Bestandteil der Bemessung von Betonbauteilen.
412
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit
Tabelle 11.4 Erscheinungsformen von Rissen (vgl. Jungwirth 1985; Leonhardt 1987) 1
Trennrisse
Durchtrennen den gesamten Querschnitt; treten bei Zugbeanspruchung ohne bzw. mit geringer Ausmitte infolge direkter oder indirekter Einwirkungen auf;
2
Biegerisse
Verlaufen ausgehend vom Querschnittsrand bis zur Dehnungsnulllinie; treten bei Biegebeanspruchung infolge direkter oder indirekter Einwirkungen auf;
3
Sammelrisse (Biege- oder Trennrisse)
4
Spaltrisse
5
Oberflächenrisse
6
Längsrisse, Verbundrisse
Risse größerer Breite treten bei Konzentration der Bewehrung an den Bauteilrändern bzw. bei dicken Bauteilen auf; Sammelrisse sind meist Primärrisse, in die die dazwischen entstehenden Sekundärrisse einmünden;
Risse aus der Einleitung konzentrierter Lasten; verlaufen in Richtung der Hauptdruckspannungen; Spaltrisse entstehen, wenn die Querzugspannungen die Betonzugfestigkeit überschreiten;
Risse an der Oberfläche von i. d. R. flächigen Bauteilen (Wände,Platten) mit meist nur geringer Tiefe, z. T. unregelmäßiger Verlauf; bei jungem Beton: Frühschwinden (Feuchtigkeitsverlust), u. U. ausgelöst durch unsachgemäße Nachbehandlung; bei höherem Betonalter: Risse ausgelöst durch Eigenspannungen z.B. infolge ungleichmäßigen Schwindens;
Risse verlaufen parallel zu den Bewehrungsstäben, ausgelöst durch das Setzen des Frischbetons (mangelhafte Verarbeitung) oder durch übermäßige Längsdruckspannungen bzw. Verbundspannungen (zu geringe Betondeckung)
11.4.1 Ursachen und Erscheinungsformen von Rissen Risse im Beton können auf unterschiedlichste Ursachen zurückgeführt werden, unter anderem auf Einflüsse unmittelbar bei der Herstellung, auf direkte und indirekte Einwirkungen während der Nutzung oder auf Treiberscheinungen z. B. bei Frost oder Korrosion der Bewehrung. Risse treten dann auf, wenn Zugspannungen die zum betrachteten Zeitpunkt vorliegende Zugfestigkeit überschreiten. Die Risse nach den Zeilen 1 und 2 in Tabelle 11.4 bewirken die Aktivierung der Bewehrung und sind daher Grundvoraussetzung der Stahlbetonbauweise. Ziel der Bemessung ist daher nicht die Vermeidung von Rissen, sondern die Begrenzung der Rissbreite auf ein Maß, das die Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nicht beeinträchtigt. Mit Ausnahme von Rissen, die in den unbewehrten Betonrandzonen auftreten, können Anzahl, Verteilung und Breite entstehender Risse durch Wahl und Anordnung kreuzender Bewehrung gesteuert werden. Al-
lerdings ist die rechnerische Erfassung der rissbreitenbeschränkenden Wirkung der Bewehrung im Wesentlichen nur für die durch Biegung und Längskraft hervorgerufenen Risse, die die Bewehrung annähernd 1 bis 3 in Tarechtwinklig kreuzen, möglich (Zeilen belle 11.4). Die übrigen Rissformen, geneigte Risse aus Querkraft- und Torsionsbeanspruchung, Risse aus der Einleitung konzentrierter Kräfte, etc. müssen angesichts der nur schwer möglichen rechnerischen Erfassung durch die Einhaltung konstruktiver Regeln, die z. T. aus Versuchen abgeleitet wurden und z. T. Erfahrungswerte darstellen, begrenzt werden.
11.4.2 Allgemeines zu den Nachweisen – Anforderungsklassen Die Breite der aus Biegung und Normalkraft hervorgerufenen Risse und deren Abstände zueinander werden durch eine Vielzahl von Faktoren, unter anderem
11.4 Rissbreitenbegrenzung
413
c
wk Bauteiloberfläche
sichtbare Rissbreite
a Definition des Rechenwertes der Rissbreite wk w = 0,1 mm w = 0,2 mm w = 0,3 mm w = 0,4 mm w = 1,0 mm b Rissbreiten (maßstäblich)
Abbildung 11.3a,b Rechenwert der Rissbreite – Grundlagen
durch Betonzugfestigkeit, Betondeckung, Verbundeigenschaften, Form und Dicke eines Bauteils, Verteilung der Zugspannungen vor der Rissbildung sowie Menge und Anordnung der Bewehrung im Bauteil beeinflusst. Angesichts der möglichen Streuungen ist eine exakte Vorhersage der Rissbreite nicht möglich.
11.4.2.1 Rissbreiten – Grenzwerte und Anforderungsklassen Für den Schutz der Bewehrung vor Korrosion ist die im Bereich der Bewehrung vorliegende Rissbreite relevant; die an der Bauteiloberfläche sichtbaren Risse können vor allem bei großer Betondeckung größer sein (Abb. 11.3). Die rechnerische Rissbreite wk beschreibt daher einen oberen Quantilwert der Rissbreite im Bereich der Bewehrung. Eine Begrenzung auf wk schließt nicht aus, dass insbesondere an der Bauteiloberfläche einzelne Risse größere Rissbreiten w > wk aufweisen können. Dies ist allerdings nicht zwangsläufig mit Einschränkungen der Dauerhaftigkeit verbunden (Curbach u. a. 2003). Wegen des Einflusses der Rissbreiten auf die Dauerhaftigkeit werden die Grenzwerte der rechnerischen Rissbreite wk in Regelwerken
i. Allg. in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen (Expositionsklassen, vgl. Abschn. 14.3.2) angegeben. Für Spannbetonbauteile mit Vorspannung im Verbund werden angesichts der erhöhten Empfindlichkeit von Spannstahl gegenüber Korrosion höhere Anforderungen an die Rissbreitenbegrenzung gestellt. Folgende Grenzwerte werden in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 definiert: • wk D 0;4 mm Stahlbetonbauteile in Innenräumen ohne Korrosionsrisiko (Beschränkung primär zur Wahrung eines akzeptablen Erscheinungsbildes); • wk D 0;3 mm Stahlbetonbauteile allgemein; Spannbetonbauteile, sofern der Korrosionsschutz des Spannstahls durch andere Maßnahmen sichergestellt ist (im Wesentlichen Vorspannung ohne Verbund); • wk D 0;2 mm Spannbetonbauteile mit Spanngliedern im sofortigen oder nachträglichen Verbund. Durch die Vorgabe der Einwirkungskombination, unter der die rechnerischen Rissbreiten nachzuweisen sind, wird deren Auftretenswahrscheinlichkeit gesteuert. Die einzuhaltenden Rechenwerte wk mit zugeordneten Einwirkungskombinationen werden in DIN 1045-1 in Anforderungsklassen zusammengefasst (Tabelle 11.5). Für Spannbetonbauteile werden zusätzlich Nachweise im Grenzzustand der Dekompression gefordert. Für die Nachweise wird zwischen direkten und indirekten Einwirkungen, d. h. zwischen Last und Zwang unterschieden. Bei von außen aufgezwungenen Verformungen werden die Schnittgrößen durch Rissbildung, d. h. Steifigkeitsverlust reduziert. Für Zwang wird daher in den meisten Risstheorien ein Einzelrissbild mit sich nicht überschneidenden Einleitungslängen vorausgesetzt, während für Last ein abgeschlossenes Rissbild angenommen wird. Das sich einstellende Rissbild ist allerdings unabhängig von der Art der Einwirkung, sondern wird primär von deren Höhe sowie der Dimensionierung und Anordnung der Bewehrung selbst beeinflusst. Ausreichende Bewehrung vorausgesetzt, kann bei Zwang erheblicher Größe das abgeschlossene Rissbild erreicht werden (vgl. Abschn. 13.3). 11.4.2.2 Erforderliche Nachweise Zur Rissbreitenbegrenzung müssen nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 folgende Nachweise geführt werden: • Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreiten infolge Zwang
414
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit
Tabelle 11.5a,b Mindestanforderungen und Anforderungsklassen nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (empfohlene Werte und länderspezifische Festlegungen; Einordnung sinngemäß) Spannbeton Expositionsklasse
trocken oder ständig nass (z.B. Innenbauteile)
EN 1992-1-1
wechselnde Feuchte (z.B. Außenbauteile)
XD1, XD2, XD3
D
(b)
Zutritt von Chloriden aus Tausalzen oder Meerwasser möglich
D
D
F
D
D
F
D
F
D
EU
C
C
E
C
E
D
C
C
E
A
C
C
E
B
E
DIN 1045-1 EN 1992-1-1
(a)
C
(a)
(c)
B
(a)
B
E
B
E
EU
B
D
C
A
C
a Mindestanforderungsklassen
F
D
C
EN 1992-1-1
Vorspannung ohne Verbund
EU A
XS1, XS2, XS3
(c)
D
DIN 1045-1 XC2, XC3, XC4
(b)
sofortiger Verbund
DIN 1045-1
XC1
(a)
nachträglicher Verbund
Stahlbeton & Spannbeton
(c)
E
DIN 1045-1 und DIN EN 1992-1-1/NA: Wird der Korrosionsschutz anderweitig sichergestellt, kann Anforderungsklasse D verwendet werden (vgl. Zulassungen der Spannverfahren) DIN 1045-1 und EN 1992-1-1: Bei Bauteilen der Expositionsklasse XD3 können zusätzlich besondere Maßnahmen für den Korrosionsschutz notwendig werden. EN 1992-1-1 gibt für Klasse B keine Anforderungen an die Rissbreitenbegrenzung vor.
Einwirkungskombination für den Nachweis der
Anforderungsklasse
Dekompression
b Anforderungen an die Begrenzung der Rissbreite und die Dekompression in Abhängigkeit der Anforderungsklasse
Rissbreitenbegrenzung
Rechenwert der Rissbreite wk in mm
A
-
selten
--
B
(Vorspannung mit Verbund, hohes Korrosionsrisiko)
häufig
selten
C
(Vorspannung mit Verbund, mäßiges Korrosionsrisiko)
quasi-ständig
häufig
D
(Vorspannung mit Verbund , kein Korrosionsrisiko)
--
häufig
E
(Stahlbeton und Spannbeton mit Vorspannung ohne Verbund , Korrosionsrisiko)
--
quasi-ständig
0,3
F
(Stahlbeton und Spannbeton mit Vorspannung ohne Verbund , kein Korrosionsrisiko)
--
quasi-ständig
0,4
• Begrenzung der Rissbreiten infolge Last für die maßgebende Einwirkungskombination nach Tabelle 11.5 durch: – direkte Berechnung der Rissbreite oder – Begrenzung von Stabdurchmessern bzw. Stababständen. 11.4.2.3 Theorien der Rissbildung – Normengrundlagen Zur Berechnung von Rissbreiten und Rissabständen infolge Last oder Zwang liegen eine Vielzahl von Theorien auf empirischer, semi-empirischer oder
0,2
mechanisch-theoretischer Grundlage vor. In Eligehausen u. Kreller (1988) wird ein Überblick über ausgewählte Modelle gegeben. Einige grundlegende Arbeiten zur Rissbreitenbeschränkung sind u. a. Rehm u. Martin (1968); Noakowski (1978); Martin u. a. (1979); Krips (1984); Noakowski (1988); Schießl (1989); König u. Tue (1996). Das in DIN 1045-1 enthaltene Verfahren zur rechnerischen Ermittlung der Rissbreite geht auf ein mechanisch begründetes Modell nach König u. Tue (1992, 1996) zurück. Teile davon wurden auch in EN 1992-1-1 aufgenommen und durch eine semi-empirische Ermittlung von Rissabständen in Anlehnung an Rehm u. Martin (1968) ergänzt.
11.4 Rissbreitenbegrenzung
415
11.4.3 Berechnung der Rissbreite Die wesentlichen Zusammenhänge zur Berechnung der Rissbreite werden im Folgenden angelehnt an das in DIN 1045-1 enthaltene Konzept erläutert (vgl. Curbach u. a. 2003).
N = Ncr
e esr2
11.4.3.1 Grundlagen Desr
Nach Abschn. 10.3.1 entspricht die Rissöffnung dem über die Risseinzugslänge s aufintegrierten Dehnungsunterschied zwischen Stahl und umgebender Betonfaser. Die Risseinzugslänge s umfasst die Bereiche zu beiden Seiten eines Risses, die zum Riss gerichtete Relativverschiebungen zwischen Beton und Bewehrung aufweisen. w D s ."sm "cm /
• Einzelrisszustand Bei Einzelrissen entspricht die Integrationslänge der doppelten Einleitungslänge lt ; am Ende der Einleitungslängen weisen Beton und Bewehrung identische Dehnungen auf (s. Abb. 11.4 a). (11.10)
• Abgeschlossenes Rissbild Bei abgeschlossenem Rissbild ergibt sich die größte Rissbreite aus dem maximal möglichen Rissabstand sr;max D 2 lt ; Beton und Bewehrung weisen an keinem Punkt mehr identische Dehnungen auf (s. Abb. 11.4 b). wk D sr;max ."sm "cm /
ect
esm
esr1 = ect
ecm
ec lt
lt a Einzelriss
(11.9)
Die Berechnung der Rissbreite zerfällt damit in zwei Schritte, die Berechnung der mittleren Dehnungen und die Bestimmung der zugehörigen Risseinzugslänge s. Wegen der unterschiedlichen Randbedingungen wird zwischen Einzelriss und abgeschlossenem Rissbild unterschieden:
wk D 2 lt ."sm "cm /
es
(11.11)
Zur Berechnung von Rissbreiten werden darüber hinaus folgende Annahmen getroffen: • Die Betonzugfestigkeit ist konstant mit fct D fct;eff ; es treten keine Streuungen entlang des Bauteils auf. • Die Verbundspannungen der Betonstahlbewehrung sind unabhängig vom auftretenden Schlupf konstant mit s D sm • Für das abgeschlossene Rissbild wird von der Zugstabanalogie ausgegangen; der Zuggurt wird durch einen zentrisch beanspruchten Zugstab, dessen Querschnittsfläche der wirksamen Betonfläche Ac;eff entspricht, idealisiert.
N > Ncr Ac,eff
e
es2 es
bt (esr2 - esr1) esm
Desr ec
ecm = bt ect lt
lt sr,max
b abgeschlossenes Rissbild
Abbildung 11.4a,b Dehnungen von Bewehrung und Beton – Grundlagen zur Berechnung der Rissbreiten
11.4.3.2 Einzelriss Im Einzelrisszustand herrschen am Ende der Einleitungslänge in Beton und Bewehrung identische Dehnungen. Die Differenz der Betonstahlzugkraft zwischen dem Riss und dem ungestörten Bereich muss durch Verbundspannungen sm , die über den Stabumfang Us konstant verteilt sind, in den Beton eingetragen werden (Abb. 11.4 a). .sr2 sr1 / As D sm lt Us .sr2 sr1 / As ) lt D sm Us .sr2 sr1 / ds D 4 sm sr2 ds 4 sm
(11.12a) (11.12b) (11.12c) (11.12d)
416
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit
Als Näherung wird in Gl. (11.12d) berücksichtigt, dass sr1 nicht größer als ˛s fct werden kann und damit deutlich kleiner als sr2 bleibt. Die Differenz der mittleren Dehnungen ist mit "sr1 D "c1 : "sm "cm D "sr2 ˇt ."sr2 "sr1 / ˇt "c1 D .1 ˇt / "sr2 sr2 : D .1 ˇt / Es
Für die Differenz der mittleren Dehnungen von Stahl und Beton folgt mit Gl. (10.31b): "sm "cm D "s2 ˇt ."sr2 "sr1 / ˇt "ct
(11.13a) (11.13b)
D "s2 ˇt
(11.13c)
ˇt
Fcr D fct .Ac;eff As /
(11.15)
Der maximale Rissabstand sr;max entspricht der zweifachen Einleitungslänge lt der Risszugkraft Fcr (Abb. 11.4 b). Fcr sm Us fct Ac;eff .1 s;eff / D 2 sm Us fct Ac;eff .1 s;eff / ds D 2 sm As fct .1 s;eff / ds D 2 sm s;eff fct ds 2 sm s;eff
(11.17b)
In Gl. (11.17c) wird wieder näherungsweise angenommen, dass As klein gegenüber Ac;eff ist. Die Rissbreite wk bei abgeschlossenem Rissbild folgt damit aus den Gln. (11.16d) und (11.17d):
Die Rissbreitenberechnung für das abgeschlossene Rissbild baut auf der Analogie des Zuggurtes biegebeanspruchter Bauteile mit einem zentrisch beanspruchten Zugstab der Querschnittsfläche Ac;eff auf. Ein neuer Riss entsteht, wenn ausgehend von einem Primärriss am Ende der Einleitungslänge lt die Risszugkraft Fcr durch Verbund auf den Betonquerschnitt übertragen wurde. Mit der wirksamen Betonzugfestigkeit fct D fct;eff gilt:
mit s;eff
fct 1 1 s;eff Es
"s2 ˇt
(11.14)
11.4.3.3 Abgeschlossenes Rissbild
D fct Ac;eff .1 s;eff / ; As D : Ac;eff
(11.17a)
fct fct ˇt (11.17c) s;eff Es Ec s2 fct ˇt Es s;eff Es .1 C ˛s s;eff / : (11.17d)
Durch Einsetzen der Gln. (11.12d) und (11.13c) in Gl. (11.10) kann die Rissbreite wk des Einzelrisses berechnet werden: wk D 2 lt ."sm "cm / sr2 sr2 ds .1 ˇt / : D 2 sm Es
fct Ec
sr;max D 2 lt D 2
(11.16a) (11.16b) (11.16c) (11.16d)
In Gl. (11.16d) wird für die Ermittlung der Risszugkraft vereinfachend Ac;eff dem Bruttoquerschnitt des fiktiven Zugstabes gleichgesetzt, d. h. .1 s;eff / ! 1.
wk D sr;max ."sm "cm / fct ds D 2 sm s;eff fct s2 ˇt .1 C ˛s s;eff / : Es s;eff Es (11.18) Analog zum Zugstab gilt für sr;max :
ˇt D
8 ˆ ˆ < 0;6
0;4
ˆ ˆ :
für kurzzeitige Belastung für langandauernde und
(11.19)
wiederholte Belastung :
Die zur Öffnung eines Sekundärrisses erforderliche Ausbreitung der Zugspannungen ausgehend vom Bewehrungsstab wird in Gl. (11.16d) nicht explizit berücksichtigt; dem entsprechend strebt der Rissabstand für zunehmende Bewehrungsgrade s;eff gegen Null. Tatsächlich wird der Rissabstand durch die Betondeckung c der Bewehrungsstäbe und die Länge des Bereiches gestörten Verbundes ausgehend vom Primärriss gesteuert. Zur Berechnung des Rissabstandes wird dem entsprechend in Rehm u. Martin (1968) ein semiempirischer Ansatz nach Gl. (11.20) mit k1 , k2 und k3 als Konstanten angegeben, der in EN 1992-1-1 anstelle von Gl. (11.16d) sinngemäß wiederzufinden ist. sr;max D k1 c C k2 k3
ds s;eff
(11.20)
11.4 Rissbreitenbegrenzung
417
11.4.3.4 Wirkungsbereich der Bewehrung Ac;eff Nach der Entstehung eines Primärrisses ändert sich der Spannungszustand in der Zugzone vollständig. Dabei treten bei biegebeanspruchten Bauteilen ähnliche Mechanismen auf wie in Abschn. 10.3.1.3 für Zugstäbe beschrieben (s. Abb. 10.7). Bei Biegebauteilen dringen Sekundärrisse im Unterschied zu Primärrissen nicht mehr bis zur Dehnungsnulllinie vor, sondern sind auf den Wirkungsbereich der Bewehrung beschränkt oder münden oberhalb der Bewehrung in Primärrisse ein (Abb. 11.5 a; Sammelrissbildung, vgl. Tabelle 11.4). Zur Bildung eines Sekundärrisses muss ausgehend von einem bereits vorhandenen Riss eine Zugkraft Fcr über Verbund in den Beton eingeleitet werden, die kleiner sein kann, als die bei Primärrissbildung frei werdende Betonzugkraft. Vor allem bei hohen Trägern würde die Rissbreite bzw. der Rissabstand von Sekundärrissen bei Ansatz der Zugzone im Zustand I überschätzt. Zur rechnerischen Erfassung der Sekundärrissbildung wird der Wirkungsbereich der Bewehrung Ac;eff eingeführt, der der Fläche eines fiktiven Zugstabes entspricht, dessen Rissschnittgröße gerade die zur Sekundärrissbildung erforderliche Zugkraft Fcr ist; es gilt Ac;eff D Fcr =fct;eff . Der Wirkungsbereich der Bewehrung ist generell abhängig vom Beanspruchungsniveau, dem vorliegenden Rissbild, der Anordnung der Bewehrung am Zugrand und dem Spannungszustand im Trägersteg. Ansätze zur Berechnung von Ac;eff wurden u. a. in Broms (1965); Martin u. a. (1979); Leonhardt (1987); Krips
Sekundärriss
Primärriss
a Rissbild
45°
hc,eff sr
Sekundärriss Primärriss
d1
Sekundärriss b Modell nach (Fischer 1993)
c Modell nach (Broms 1965)
Abbildung 11.5a–c Primär- und Sekundärrisse bei biegebeanspruchten Bauteilen
(1984); Fischer (1993) vorgestellt. In den Abbn. 11.5 b und c ist die Modellvorstellung nach Broms (1965) dem aus umfangreichen FE-Rechnungen gewonnenen Ansatz nach Fischer (1993) gegenübergestellt. Letzterer nimmt mit hc;eff D .h d / C sr =2 eine Spannungsausbreitung unter 45ı an. Im Unterschied dazu wird in Maurer (2007) von einer Spannungsausbreitung unter einem Winkel von 26ı (1 W 2) ausgegangen. Die untere Grenze für hc;eff entspricht in Übereinstimmung vieler Forscher einem Vielfachen des Abstandes der Bewehrung vom gezogenen Querschnittsrand, also hc;eff .h d /. In DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 wurde eine auf Schießl (1989) zurückgehende Formulierung nach Gl. (11.21a) aufgenommen, die für DIN 1045-1 mit der Neufassung 2008 um eine differenzierte Betrachtung dickerer Bauteile (h=d1 > 5 bei zentrischem Zug bzw. h=d1 > 10 bei Biegung) nach König u. Tue (1996) gemäß Gl. (11.21b) und Abb. 11.6 d erweitert wurde. Zusätzlich werden für biegebeanspruchte (Gl. 11.21c) und zentrisch gezogene (Gl. 11.21d) Bauteile Obergrenzen für Ac;eff eingeführt, die berücksichtigen, dass die Zugkraft zur Öffnung eines Sekundärrisses nicht größer als die bei Primärrissbildung frei werdende Betonzugkraft sein kann. hc;eff D 2;5 .h d / (Standard) D k .h d / ; k D 0:::5 (s. Abb. 11.6 d) h xI 2 h 2
(11.21a) (11.21b) (11.21c) (11.21d)
In Gl. (11.21c) beschreibt x I die Druckzonenhöhe im Zustand I; Gl. (11.21d) setzt voraus, dass die Bewehrung auf beide Außenflächen verteilt ist (Abb. 11.6 c). Die Spannungsausbreitung ausgehend von den Bewehrungsstäben erfolgt in Breitenrichtung, also parallel zum Bauteilrand, in ähnlicher Weise. Die Formeln für Ac;eff nach Abb. 11.6 setzen voraus, dass die Bewehrung gleichmäßig und dicht über die Breite verteilt ist. Bei Plattenbalken mit gezogenem Obergurt trifft dies nicht uneingeschränkt zu; nach DIN 10451 darf z. B. die statisch wirksame Biegezugbewehrung nur auf einer Breite entsprechend der halben mitwirkenden Breite beff angeordnet werden. Als Anhaltswert kann – in Anlehnung an Abb. 11.6 – angenommen werden, dass die Breite der effektiven Betonzugfläche jeweils um 1;5 d1 über die Auslagerungsbreite der Bewehrung hinausreicht. Im Unterschied dazu gibt EN 1992-1-1 die Breite der effektiven Betonzugfläche, die einem Bewehrungsstab zugeordnet ist, mit
418
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit
xI
Ac,eff h
Ac,eff
xII
Zustand II
heff
d1 heff
d1
Zustand I
Schwerachse der Bewehrug
heff £ (h-xI)/2 (DIN) £ (h-xII)/3 (EN)
a Balken
b Platten heff £ h/2 heff / d1
mittlere Zugfestigkeit, die zum Zeitpunkt der Rissbildung vorliegt, angenommen werden. Wenn der Rissbildungszeitpunkt nicht genauer spezifiziert werden kann, gilt fct;eff D fctm . Deutlich größere Bedeutung kommt der Zugfestigkeit bei Einzelrissbildung zu; mit der Zugfestigkeit steigt die Rissschnittgröße und damit die Stahlspannung sr2 im Riss sowie die Rissbreite an (vgl. Gl. 11.14). Erläuterungen zu fct;eff bei Nachweisen von Einzelrissen folgen im Zusammenhang mit den Regeln zur Mindestbewehrung in Abschn. 11.4.5.
5 Ac,eff
Ac,eff
DIN 1045-1 2,5 EN 1992-1-1
5 d1
h
d1
c zugbeanspruchte Bauteile
30 h / d1 (Zug) h / (2 d1) (Biegung)
d effektive Höhe der Zugzone
Abbildung 11.6a–d Wirkungsbereich der Bewehrung Ac;eff nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1
dem deutlich größeren Wert 5 .c C ds / an, wobei c die Betondeckung des Stabes ist.
11.4.3.5 Mittlere Verbundspannung sm und wirksame Zugfestigkeit fct;eff
Aus den Formeln zur expliziten Berechnung der Rissbreiten nach den Gln. (11.14) und (11.18) können einfache Konstruktionsregeln abgeleitet werden. Zur Begrenzung der Rissbreiten auf ein zulässiges Maß stehen zwei Verfahren zur Verfügung: • Begrenzung der Stabdurchmesser ds für Risse infolge Last- und/oder Zwangbeanspruchung • Begrenzung der Stababstände s für Risse infolge überwiegender Lastbeanspruchung
11.4.4.1 Begrenzung der Stabdurchmesser
Die über die Risseinzugslänge gemittelte Verbundspannung sm ist wegen der nichtlinearen Verbundspannungs-Relativverschiebungs=Beziehung einbeto¨ nierter gerippter Bewehrung grundsätzlich abhängig vom Beanspruchungsniveau, also der Rissbreite selbst. Nach CEB/FIP (1993) kann zur Rissbreitenberechnung für üblichen gerippten Betonstahl eine beanspruchungsunabhängig konstante, mittlere Verbundspannung nach Gl. (11.22) angesetzt werden. sm D 1;8 fct;eff
11.4.4 Vereinfachte Nachweise – Konstruktionsregeln
(11.22)
Die wirksame Betonzugfestigkeit fct;eff steuert bei abgeschlossenem Rissbild über die Mitwirkung des Betons auf Zug die Rissbreite; mit steigender Zugfestigkeit nimmt die Mitwirkung des Betons zu, die Rissbreite ab. Der Rissabstand selbst ist bei Verwendung von sm nach Gl. (11.22) unabhängig von fct;eff (vgl. Gl. 11.18). Für den Nachweis der Rissbreitenbegrenzung bei Lasteinwirkung – dem das abgeschlossene Rissbild vorausgesetzt wird – kann daher für fct;eff die
Nach Gl. (11.18) wird die Rissbreite wk des abgeschlossenen Rissbildes im Wesentlichen durch den Bewehrungsgrad s;eff , die Stahlspannung s2 und den Stabdurchmesser ds bestimmt. Bei vorgegebener Schnittgröße ist die Stahlspannung s2 unabhängig vom Stabdurchmesser durch den Bewehrungsgrad s;eff der Längsbewehrung festgelegt. Die sich einstellende Rissbreite muss durch den vom Stabdurchmesser ds abhängigen Rissabstand sr;max gesteuert werden. Mit abnehmendem Stabdurchmesser wird die verbundwirksame Oberfläche der Bewehrung vergrößert; die Einleitungslänge der Rissschnittgröße, d. h. der Rissabstand und damit die Rissbreite werden reduziert. Für eine vorgegebene Bewehrungsmenge s;eff kann die Anforderung an die Rissbreitenbegrenzung daher durch die Wahl ausreichend kleiner Stabdurchmesser erfüllt werden. Auflösen der Gln. (11.14) und (11.18) nach ds und Einsetzen von sm D 1;8 fct;eff und ˇt D 0;4 liefert Gl. (11.23). Dabei beschreibt Gl. (11.23a) den Einzel-
11.4 Rissbreitenbegrenzung
419
ds
ds* in mm
50 60
2
m
/m
N 00
40 ss
=2
0
24
40
2
m /m 2 0N 28 /mm N 0 2 3
30
50
2
m
m N/
d s* = 27 mm
30
20
19 mm
20
14 mm 11 mm
10
10 Einzelriss 0
0
0,01
0 100
abgeschlossenes Rissbild 0,02
0,03
r s,eff
Abbildung 11.7 Erforderlicher Stabdurchmesser ds zur Begrenzung der Rissbreite (nach DIN 1045-1, fct;eff D 3 N=mm2 , wk D 0;3 mm)
risszustand, Gl. (11.23b) das abgeschlossene Rissbild. Zur Ableitung von Konstruktionsregeln wird .1 C ˛s s;eff / vereinfachend zu 1 gesetzt. ds D D
6 wk Es fct;eff 2 s2 3;6 wk s;eff Es
s2 0;4
fct;eff s;eff
.1 C ˛s s;eff /
(11.23a) (11.23b)
In Abb. 11.7 ist Gl. (11.23) für verschiedene vorgegebene Stahlspannungen in Abhängigkeit des Bewehrungsgrades ausgewertet. Der für Konstruktionsregeln maßgebende Durchmesser entspricht dem Mindestwert, d. h. dem Wert von ds , der dem Einzelrisszustand zugeordnet ist. In DIN 1045-1 wird der Mindestwert als Grenzdurchmesser ds bezeichnet. Gleichzeitig ist ds dem Mindestbewehrungsgrad zur Aufnahme der Rissschnittgröße Ac;eff fct;eff zugeordnet; nach Gleichsetzen der beiden Ausdrücke in Gl. (11.23) folgt: fct;eff s2 , As s2 D Ac;eff fct;eff : s;eff D
Grenzdurchmesser ds
Der Gl. (11.23a) : ds D
(11.24)
folgt damit unmittelbar aus
6 wk Es fct;eff : 2 s2
wk = 0,4 mm 0,3 mm 0,2 mm
(11.25)
Gleichung (11.25) ist in Abb. 11.8 für fct;eff D 3;0 N=mm2 dargestellt. Aus Abb. 11.7 wird allerdings auch deutlich, dass bei abgeschlossenem Rissbild mit zunehmendem Bewehrungsgrad s;eff zur Rissbreitenbeschränkung auf
200
300
400
500 ss in N/mm2
Abbildung 11.8 Stabdurchmesser ds zur Begrenzung der Rissbreite in Abhängigkeit der Stahlspannung (nach DIN 1045-1, fct;eff D 3 N=mm2 )
wk größere Stabdurchmesser zugelassen werden können, da der Rissabstand im Gegenzug wegen der Sekundärrissbildung abnimmt.
11.4.4.2 Ableitung von Tabellenwerten Die erforderlichen Stabdurchmesser ds werden in DIN 1045-1 in Tabellen in Abhängigkeit von wk und s angegeben (Tabelle 11.6). Die Tabellenwerte basieren auf einem Grundwert der Zugfestigkeit fct0 D 3;0 N=mm2 und entsprechen damit unmittelbar Abb. 11.8. Aus der Vorgehensweise zur Herleitung der Grenzdurchmesser ds ergeben sich zwei Korrekturterme: • Korrektur bei gegenüber fct;0 abweichender Zugfestigkeit fct;eff , • Korrektur zur Berücksichtigung des abgeschlossenen Rissbildes. Für fct;eff < fct;0 liegt ds auf der unsicheren Seite und muss durch Gl. (11.26) angepasst werden. ds D ds
fct;eff fct;0
(11.26)
Der Korrekturterm für das abgeschlossene Rissbild folgt, wenn der Term für das abgeschlossene Rissbild (Gl. 11.23b) umgeformt und dann Gl. (11.23a) gegenüber gestellt wird. Mit .1 C ˛s s;eff / D 1 folgt: ds D
3;6 wk s;eff Es s2 0;4
fct;eff s;eff
(11.27a)
420
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit
D
6 wk Es fct0 2 s2 „ ƒ‚ … ds
fct;eff s;eff
s 0;4
Mit s2 0;4
2 0;6 s2
fct;eff s;eff
fct;eff : fct0
fct;eff s2 s;eff
(11.27b)
(11.28)
11.4.5 Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite
folgt ds D ds D
ds
2 0;6 s2
fct;eff s;eff
s2
fct;eff fct0
(11.29a) 11.4.5.1 Hintergrund
0;6 s2 As fct;eff : fct;eff Ac;eff fct0
(11.29b)
In Gl. (11.29b) wird für Ac;eff als Näherung der effektiven Zugzone 2;5 .h d / b eingesetzt (s. Abb. 11.6 d). Entsprechend kann bei abweichender Wirkungsfläche der Bewehrung nach den Gln. (11.21c) und (11.21d) verfahren werden. s As ds D ds (11.30) 4 .h d / b fct0
Wie erläutert, zeigt bereits Abb. 11.7, dass ds für das abgeschlossene Rissbild größer als ds sein darf; entsprechend bedeutet die Korrektur nach Gl. (11.30) eine Anhebung des Stabdurchmessers bzw. bei gleichbleibendem Stabdurchmesser eine Reduktion der für die Rissbreitenbegrenzung erforderlichen Bewehrungsmenge.
11.4.4.3 Begrenzung der Stababstände Der Nachweis der Rissbreitenbegrenzung bei überwiegender Lastbeanspruchung kann z. B. nach DIN 10451 alternativ über die Begrenzung der Stababstände geführt werden. Wie die Herleitung der Durchmessertabelle baut die Ableitung zulässiger Stababstände auf den Gln. (11.14) und (11.18) auf. Zur Einführung des Stababstandes s wird der wirksame Bewehrungsgrad s;eff durch die Bewehrungsmenge as bezogen auf den Stababstand s ausgedrückt. s;eff D
as hc;eff
mit ;
weitestgehend zutreffend sind, liegen sie insbesondere für Balken mit mehrlagiger Bewehrung auf der unsicheren Seite, d. h. die Stababstände werden zu groß ermittelt. Für Bauteile, die nicht mit den getroffenen Annahmen konform sind, sollte daher der vereinfachte Nachweis der Rissbreitenbeschränkung durch die Begrenzung der Stabdurchmesser nach Tabelle 11.6 erfolgen.
as D
ds2 4s
(11.31)
Das Vorgehen zur Ableitung zulässiger Stababstände s nach Tabelle 11.6 ist in Zilch u. Rogge (2004) erläutert. Die Tabellenwerte basieren auf der Annahme einer einlagigen Bewehrung mit d1 D 4 cm. Während diese Annahmen bei den im Hochbau üblichen Platten
In Bauteilen, die durch Zugspannungen aus indirekten Einwirkungen (Zwang) beansprucht werden, muss eine Mindestbewehrung eingelegt werden, die eine ausreichende Begrenzung der aus Zwang entstehenden Rissbreiten gewährleistet. Wie anhand des verformungsgesteuert belasteten Zugstabes nach Abschn. 10.3.1 beschrieben wurde, werden Schnittgrößen aus Zwang, d. h. aus aufgezwungenen Verformungen, durch Rissbildung abgebaut. Um die aufgezwungene Verformung auf mehrere, in der Rissöffnung beschränkte Risse zu verteilen, muss die Bewehrung zunächst in der Lage sein, die Rissschnittgröße aufzunehmen, ohne dabei die Streckgrenze zu überschreiten. Gerät die Bewehrung bei der Entstehung des ersten Risses ins Fließen, wird die gesamte aufgezwungene Verformung im Erstriss aufgenommen; ein weit klaffender Riss ist die Folge. Um die Zwangrissbreiten zusätzlich auf ein verträgliches Maß zu begrenzen, sind weitere Einschränkungen im Hinblick auf die Stahlspannungen erforderlich. Die Rissbildung schreitet ausgehend vom ersten Riss weiter fort, bis die aufgezwungene Verformung durch die Öffnung der Risse und die elastische Dehnung der ungerissenen Bereiche kompensiert worden ist. Im Allgemeinen wird die Phase der Einzelrissbildung bei Zwang nicht verlassen, d. h. die Rissschnittgröße wird während der Rissbildung nicht bzw. nur im Rahmen der stochastischen Schwankung der Betonzugfestigkeit überschritten. Für die Begrenzung der Rissbreite infolge Zwang ist es daher ausreichend, die erforderliche Bewehrung auf Grundlage der Rissschnittgröße zu ermitteln, d. h. für eine Zugspannung c D fct;eff am betrachteten Rand (s. Kap. 13).2 2 DIN 1045-1 erlaubt daneben, die Mindestbewehrung für eine geringere Kraft als die Rissschnittgröße auszulegen, wenn die Zwangsschnittgröße nachweislich unter der Rissschnittgrö-
11.4 Rissbreitenbegrenzung
Da sowohl innerer als auch äußerer Zwang die Rissbildung einleiten kann, ist für die Erfordernis von Mindestbewehrung unerheblich, ob das Bauteil statisch bestimmt oder statisch unbestimmt gelagert ist; die Lagerungsart wird lediglich bei der Anrechnung von Eigenspannungen relevant. Für die Ermittlung der Mindestbewehrung kann zwischen dünnen und massigen Bauteilen unterschieden werden, da bei letzteren die Sekundärrissbildung auch bei Zwang erheblichen Einfluss auf das Verhalten und damit auf die erforderliche Bewehrungsmenge besitzt. Zunächst werden die Zusammenhänge für dünne Bauteile vorgestellt; massige Bauteile folgen in Abschn. 11.4.5.3.
421 nach Rissbildung
vor Rissbildung
Fct
Act
Fs Fs = Fct
fct,eff Fct = Act fct ,eff
a zentrischer Zug Fct
z~ ~ 2/3 h
Der Ermittlung der Mindestbewehrung ist, entsprechend der Modellvorstellung für die Primärrissbildung, der gesamte, im ungerissenen Zustand unmittelbar vor der Rissentstehung zugbeanspruchte Querschnittsteil zugrunde zu legen. Ein konservativer Ansatz zur Bestimmung der erforderlichen Bewehrungsmenge wäre, die Mindestbewehrung für die Zugkeilkraft – d. h. das Integral der Zugspannungen im ungerissenen Querschnitt – auszulegen. Damit würden allerdings u. a. günstige Einflüsse aus der Veränderung des Hebelarmes als Folge der Rissbildung vernachlässigt. Sowohl in DIN 10451 als auch in EN 1992-1-1 wurde daher ein Verfahren zur Berechnung der erforderlichen Bewehrungsmenge aufgenommen, das auf dem Gleichgewicht der Rissschnittgröße mit den Kräften im gerissenen Querschnitt aufbaut. An zwei elementaren Beispielen – einem zentrisch zugbeanspruchten und einem biegebeanspruchten Rechteckquerschnitt – soll die Berechnung der Mindestbewehrung erläutert werden. Bei zentrischer Zugbeanspruchung liegt eine über den Querschnitt gleichmäßige Spannungsverteilung vor (Abb. 11.9 a). Mit Act als der Querschnittsfläche, die unmittelbar vor ße bleibt. Diese Regelung erscheint zunächst paradox, setzt allerdings implizit voraus, dass die Betonzugfestigkeit über das gesamte Bauteil gleichmäßig verringert ist. Die Auslegung der Mindestbewehrung für eine Zwangkraft, die unterhalb der Rissschnittgröße liegt, setzt eine – i. d. R. aufwändige – ausreichend exakte Vorhersage des Zwangs voraus. Gleichzeitig birgt die implizite Annahme einer gleichmäßig reduzierten Zugfestigkeit ein gewisses Fehlerpotential; auf mögliche ausführungsbedingte Streuungen wird hingewiesen. Darüber hinaus sollten ggf. vorhandene Steifigkeitsunterschiede beachtet werden; s. Abschn. 11.4.5.6.
z~ ~ 0,8 h
Fct
Act
fct,eff Fct = Act fct ,eff / 2
11.4.5.2 Ermittlung der Mindestbewehrungsmenge
Fs
Fs Fs = Fct
2/3 0,8
b reine Biegung
Abbildung 11.9a,b Kraftumlagerung bei Rissbildung; Interpolation des Beiwerts kc nach DIN 1045-1
der Rissbildung, d. h. im Zustand I, zugbeansprucht wird, folgt: As s D Ncr D fct;eff Act Act ) As D fct;eff s Act ; D kc fct;eff s mit kc D 1;0 :
(11.32a) (11.32b)
(11.32c)
Für einen rein biegebeanspruchten Rechteckquerschnitt errechnet sich die Mindestbewehrung unter Verwendung von z 0;8 h und Act D b h=2 zu (Abb. 11.9 b): As s z D Mcr D fct;eff Wc
b h2 6 b h2 fct;eff 6 s 0;8 h Act 0;4 fct;eff s Act ; kc fct;eff s 0;4 :
D fct;eff ) As D D mit kc D
(11.33a) (11.33b) (11.33c)
(11.33d)
Die Gln. (11.32c) und (11.33d) zeigen, dass sich die Berechnung durch den Beiwert kc schematisieren lässt. Mit kc wird die Zugspannungsverteilung im Querschnitt vor der Rissbildung und die Änderung des Hebelarms bei Übergang in den gerissenen Zustand beschrieben. Bei kombinierter Beanspruchung durch
422
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit
Biegung und Zugnormalkraft liegt kc zwischen den Grenzwerten 1,0 (reiner Zug) und 0,4 (reine Biegung). Bei ausreichend großer Drucknormalkraft bzw. Vorspannung ist ein Gleichgewicht nach der Rissbildung ohne Bewehrung möglich. Da die Rissbreite bei gegebener Krümmung etwa proportional zur Risstiefe ist, kann von einer ausreichenden Begrenzung der Rissbreite auch ohne Mindestbewehrung (! kc D 0) ausgegangen werden, wenn die Risstiefe auf kleine Werte begrenzt wird. Nach König u. Fehling (1989) ist dies der Fall, wenn der Querschnitt nicht weiter als h=2 0;5 m aufreißt. Für DIN 1045-1 und EN 19921-1 wurde dies auf h=3 0;3 m zugeschärft. Aus dieser Bedingung kann für Rechteckquerschnitte die erforderliche Drucknormalspannung im Zustand I für kc D 0 abgeleitet werden. Im gerissenen Zustand bei einer Risstiefe von h=3 beträgt die Exzentrizität der Normalkraft e II D 5=18h (Abb. 11.10). Für den ungerissenen Zustand gilt: (11.34)
N D c bh ;
2
Mcr D .c C fct;eff /
bh ; 6
(11.35)
Mcr : (11.36) N Da N und M vor und nach der Rissbildung identisch sein müssen, gilt e II D e I . Gleichsetzen ergibt eI D
.c C fct;eff / c bh ) c D 1;5fct;eff : eI D
bh2 6
Š
D
5 h 18
(11.37) (11.38)
Um auch Querschnitte mit h > 1;0 m zu erfassen, muss die Schwerpunktsdruckspannung nach Zustand I c D N=Ac D 1;5maxfh; 1gfct;eff (h in m) erfüllen. Damit kann für kc eine allgemeine Interpolationsregel in Abhängigkeit der Schwerpunktsspannung für den gesamten Bereich 0 kc 1;0 nach Abb. 11.11 angegeben werden. vor Rissbildung
0,8 sc
0,6 0,4
Act
0,2
fct,eff
sc -1,5 fct,eff
fct,eff reine Biegung zentrischer Zug
Biegung mit Drucknormalkraft (Risstiefe £ h/3)
Abbildung 11.11 Interpolationsregel für die Ermittlung von kc
Bei stark gegliederten Querschnitten – Plattenbalken oder Hohlkästen – können durch die gegenseitige Dehnungsbehinderung der verschiedenen Querschnittsteile zusätzliche Zwangspannungen z. B. aus unterschiedlich starkem Schwinden entstehen, die Risse vor allem in den dünneren Querschnittsteilen hervorrufen können. Die Mindestbewehrung muss daher für Teilquerschnitte separat ermittelt werden. Bei der Aufteilung des Querschnitts ist allerdings zu beachten, dass jeweils an einem Rand der Teilquerschnitte die Zugfestigkeit fct;eff erreicht werden muss, um die Konformität mit der für die Rissbreitenberechnung angenommenen Spannungsverteilung sicherzustellen. In Abb. 11.12 ist die Aufteilung am Beispiel eines Plattenbalkens, der durch negatives Biegemoment beansprucht wird, dargestellt. Bei gezogenen Gurten gegliederter Querschnitte (Platten von Hohlkasten oder Plattenbalken) bildet kc nach Abb. 11.11 die Veränderung des inneren Hebelarms des Gesamtquerschnitts als Folge der Rissbildung allerdings nicht widerspruchsfrei ab. Für diese Fälle kann nach König u. Fehling (1989) kc näherungsweise über die Bedingung ermittelt werden, dass durch Be-
2 2/9 h
N = sc b h
S
1
2
fct,eff
fct,eff
2
sc
1
hct
2
2
hct
e
sc
S h/3
Act
1,0
Zugkeil
nach Rissbildung
e = - 5 / 18 h
kc
fct,eff
Abbildung 11.10 Spannungsverteilung vor und nach der Rissbildung bei einem Querschnitt ohne Zugbewehrung und Begrenzung der Risstiefe auf h=3
1
sc
1
1 Teilquerschnitt "Steg" 2 Teilquerschnitt "Gurt"
Abbildung 11.12 Aufteilung gegliederter Querschnitte in Teilquerschnitte zur Ermittlung der Mindestbewehrung (Darstellung für reine Biegung)
11.4 Rissbreitenbegrenzung a
423 c
b
=
+
(1-k) fct,eff
11.4.5.3 Mindestbewehrung bei massigen Bauteilen
k fct,eff
fct,eff
a Eigenspannung b Spannung aus äußerem Zwang c resultierende Spannung
Abbildung 11.13 Einfluss von Eigenspannungen auf die effektive Betonzugfestigkeit
wehrung etwa 90% der bei Rissbildung frei werdenden Zugkeilkraft des Zustands I abgedeckt werden muss. Damit ist s As D kc fct;eff Act 0;9 Fcr;Gurt Fcr;Gurt ) kc D 0;9 fct;eff Act
(11.39a) (11.39b) (11.39c)
mit Fcr;Gurt als Integral der Zugspannungen im Zustand I über den betrachteten Querschnittsteil (Zugkeilkraft). Sowohl DIN 1045-1 als auch EN 1992-1-1 sehen vor, dass die Mindestbewehrung – ohne Abminderung auf 90% – für einen Zugkeil, dessen Nulllinie am unteren Plattenrand liegt, ausgelegt wird. Es gilt also s As D 0;5 fct;eff Act , d. h. kc;min D 0;5. Nichtlinear über den Querschnitt verteilte Eigenspannungen z. B. aus ungleichmäßigem Schwinden oder aus über den Querschnitt ungleichmäßig verteilten Temperaturen (Abfließen der Hydratationswärme) vermindern die am Querschnittsrand aufnehmbaren Zugspannungen. Unter der Annahme, dass die Rissbildung einsetzt, wenn am Querschnittsrand die Zugfestigkeit fct;eff erreicht wird, wirken Eigenspannungen der Größe .1 k/fct;eff vermindernd auf die Rissschnittgröße (Abb. 11.13). Der Eigenspannungsbeiwert k wird i. d. R. mit k D 0;5–0,8 angenommen und ist wegen des Anwachsens der Eigenspannungen mit der Bauteildicke an h geknüpft. Die reduzierte Zugfestigkeit k fct;eff sollte allerdings nur angesetzt werden, wenn Zwang und Eigenspannungen sicher gleichzeitig wirken, wenn also beide die gleiche Ursache haben (! innerer Zwang). Die Beziehung zur Ermittlung der Mindestbewehrung lautet damit:
Da die erforderliche Mindestbewehrung nach Gl. (11.40) unmittelbar mit Act , der Zugzone im Zustand I verknüpft ist, werden bei massigen Bauteilen wie Widerlagerwänden von Brücken oder Betonbauteilen des Wasserbaus, bei denen die Rissbildung i. Allg. durch Zwangspannungen aus abfließender Hydratationswärme, sog. frühem Zwang, verursacht wird, erhebliche Bewehrungsmengen erforderlich. Allerdings bewirkt die Konzentration der Zugkräfte auf die bewehrte Randzone eine früh einsetzende Sekundärrissbildung und damit einhergehend eine wirksamere Rissbreitenbegrenzung, die für eine Reduktion der erforderlichen Bewehrungsmenge gegenüber Gl. (11.40) genutzt werden kann. In König u. Tue (1996) wurde hierzu ein Bemessungskonzept vorgestellt, das in Maurer (2007) an DIN 1045-1 angepasst wurde; entsprechende Regeln als Ergänzung zur Berechnung der Mindestbewehrung haben in die Neufassung der DIN 1045-1 Eingang gefunden. Nach der Entstehung eines ersten Trennrisses muss die Zugkraft ausgehend vom Riss über die Verbundwirkung der am Rand konzentrierten Bewehrung wieder in den Beton eingetragen werden. Bei massigen Bauteilen mit großem Abstand zwischen den Bewehrungslagen wird es anschließend zur Ausbildung von Sekundärrissen in der Randzone kommen, bevor weitere Trennrisse entstehen, da die erforderliche Zugkraft zur Sekundärrissbildung kleiner als die Primärrisskraft ist (s. Abbn. 11.14 und 10.7). Dadurch wird die Rissbreite des Primärrisses in der Randzone reduziert, gleichzeitig fällt die Zwangkraft durch die Rissbildung ab. Die Mindestbewehrung muss demnach in der Lage sein, die Rissschnittgröße des Erstrisses aufzunehmen, ohne dass dabei die Streckgrenze überschritten wird. Strengere Spannungsgrenzen werden erst für die Begrenzung der Sekundärrissbreiten erforderlich. Damit kann bei massigen Bauteilen die Mindestbeweh-
Primärriss
1:2
F Primärriss
d1
heff
Sekundärrisse
Act As D kc k fct;eff : s
(11.40)
Abbildung 11.14 Mechanismus der Rissbildung bei dicken Bauteilen (nach Maurer 2007)
424
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit heff £ h/2
11.4.5.4 Wirksame Zugfestigkeit fct;eff
Ac,eff
as in cm²/m (je Oberfläche) 70 C30/37 ds = 20 mm wk = 0,3 mm zentrischer Zug
60 50
d1 h
c = 55 mm
40 30
c = 35 mm
20
dünne Bauteile 10
massige Bauteile
0 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0 3,5 Bauteildicke h in m
Abbildung 11.15 Vergleich der erforderlichen Mindestbewehrung nach der Theorie für massige Bauteile (Gln. 11.41 und 11.42) mit dem Standardverfahren nach Gl. (11.40) für zwei verschiedene Betondeckungen c (nach Fingerloos u. Zilch 2008)
rung anstelle von Gl. (11.40) durch die Gln. (11.41) und (11.42) bestimmt werden. Ac;eff s Act k fct;eff fyk
As D fct;eff
(11.41)
Für fct;eff kann auch bei der Berechnung der Mindestbewehrung die mittlere Zugfestigkeit, die zum Zeitpunkt der Rissbildung vorliegt, angesetzt werden. Sofern der Rissbildungszeitpunkt nicht genauer festgelegt werden kann, gilt fct;eff D fctm . Da eine gegenüber fctm erhöhte Zugfestigkeit zu größeren Rissschnittgrößen und damit bei gegebener Bewehrung zu größeren Rissbreiten insbesondere im Einzelrisszustand führt, werden in DIN 1045-1 Mindestwerte der anzunehmenden Zugfestigkeit festgelegt (Normalbeton: fctm 3;0 N=mm2 , entspricht etwa einem Beton der Festigkeitsklasse C30/37), um bei den häufig auftretenden Überfestigkeiten der Baustellenbetone eine ausreichende Begrenzung der Rissbreiten infolge Zwang zu gewährleisten. In Fällen, in denen die Rissbildung bereits kurz nach der Herstellung eintritt, z. B. bei Zwangrissbildung infolge des Abfließens der Hydratationswärme, ist die Festigkeit noch nicht voll entwickelt. Sofern die Rissbildung mit Sicherheit frühzeitig (3–5 Tage nach dem Einbringen des Betons in die Schalung) eintritt, darf nach DIN 1045-1 ohne weiteren Nachweis fct;eff D 0;5fctm angenommen werden. Diese, im Rahmen der Tragwerksplanung getroffene Annahme ist in jedem Fall dem Bauausführenden zur Kenntnis zu geben.
(11.42)
Auf die Reduktion der Zugfestigkeit als Folge von Eigenspannungen wird in Gl. (11.41) verzichtet. Die Stahlspannung s wird in Abhängigkeit des Bewehrungsdurchmessers nach Gl. (11.25) begrenzt; eine Korrektur des Durchmessers bei von fct;0 abweichender wirksamer Zugfestigkeit nach Gl. (11.26) muss erfolgen, die Korrektur nach Gl. (11.30) entfällt dagegen, da die Sekundärrissbildung bereits explizit erfasst wird. Eine nennenswerte Reduktion der Mindestbewehrung bei massigen Bauteilen gegenüber Gl. (11.40) ist allerdings erst bei heff 5d1 , d. h. h=d1 > 30 (zentrischer Zug) bzw. h=d1 > 60 (Biegung) zu erwarten (s. Abb. 11.15). Alternative Verfahren zur Berechnung der Mindestbewehrung bei frühem Zwang speziell für massige Bauteile des Wasserbaus sind in einem BAWMerkblatt enthalten.3
3 Bundesanstalt für Wasserbau (BAW): Merkblatt zur Rissbreitenbegrenzung für frühen Zwang in massiven Wasserbauwerken Ausgabe September 2004 ! www.baw.de
11.4.5.5 Einfluss der Betontechnologie Eine weitere Möglichkeit, die erforderliche Mindestbewehrung u. a. für massige Bauteile zu reduzieren, ist in der Wahl eines langsam erhärtenden Betons und damit geringer Hydratationswärmeentwicklung zu sehen. Die Rissbreite bei Rissen aus Zwang infolge abfließender Hydratationswärme wird wegen der zeitlichen Streckung des Vorgangs durch Kriechen bzw. Relaxation reduziert (vgl. Maurer 2007). Für Betone mit r 0;30 erlaubt DIN 1045-1 eine pauschale Reduktion der Mindestbewehrung mit dem Faktor 0,85. Hierbei bezeichnet r D fcm;2 =fcm;28 das Verhältnis der Mittelwerte der Druckfestigkeiten nach 2 und 28 Tagen (s. DIN 1045-3). Allerdings ist eine langsamere Erhärtung des Betons auch an längere Ausschalfristen, Nachbehandlungsdauern, etc. geknüpft; die Verwendung eines langsam erhärtenden Betons sollte daher im Vorfeld zwischen Tragwerksplaner, Betontechnologe und Bauausführendem abgestimmt werden und muss in jedem Fall in den Ausführungsunterlagen für den Ausführenden deutlich gemacht werden.
11.4 Rissbreitenbegrenzung
425
11.4.5.6 Auswirkungen unterschiedlicher Steifigkeiten bei Zwang Schnittgrößen und Spannungen aus Zwang entstehen, wenn Verformungen – z. B. als Folge abfließender Hydratationswärme, infolge Schwindens oder aus Temperaturdifferenzen – sich nicht frei einstellen können (äußerer Zwang, s. Abschn. 2.2.3.1 und 13.3). Beispiele hierfür sind auf Systemebene u. a. Deckenplatten in Hochbauten, deren Schwindverkürzung durch aussteifende Kerne behindert wird, bzw. auf Querschnittsebene u. a. Hohlkastenquerschnitte, bei denen Querschnittselemente mit unterschiedlichen Abmessungen und Steifigkeiten kombiniert werden.4 Für den Nachweis der Rissbreitenbegrenzung bei Zwang ist die Modellvorstellung hilfreich, dass die behinderte Verformung der Summe der Rissbreiten des Bauteils entsprechen muss. Mit der Wahl der zulässigen Rissbreite wk ist die erforderliche Anzahl der Risse sowie deren mittlerer bzw. maximaler Abstand festgelegt. Der Nachweis besteht folglich nur in der Ermittlung der Bewehrungsmenge, die den geforderten Rissabstand sicherstellt. Zum Nachweis bei gleichzeitiger Wirkung von Last und Zwang vgl. Abschn. 13.3. Die Ermittlung der Mindestbewehrung zur Rissbreitenbegrenzung nach normativen Regeln ist allerdings an die elementare Randbedingung annähernd konstanter Steifigkeiten geknüpft. Deren Bedeutung soll am Zugstab nach Abb. 11.16 a, der an beiden Enden gehalten und einer Schwindverkürzung (gleichbedeutend mit einer Verlängerung des Stabes um l D "cs l bzw. der daraus erzeugten Normalzugkraft Nind ) unterworfen ist, erläutert werden. Über die Länge l2 des Stabes ist der Querschnitt auf 1 weist der Act;2 verjüngt, in den übrigen Bereichen Stab die Querschnittsfläche Act;1 > Act;2 auf. Bei isolierter Betrachtung der beiden Bereiche werden folgende Mindestbewehrungsmengen erforderlich: Act;1 ; s Act;2 : D kc kfct;eff s
As;min;1 D kc kfct;eff As;min;2
4
Bei Hohlkastenquerschnitten im Brückenbau werden z. B. dünne Bodenplatten mit dicken Stegen kombiniert. Die größere Geschwindigkeit der Schwindprozesse dünner Bauteile erzeugt eine Differenz der Schwinddehnungen zwischen Stegen und Bodenplatte, die zentrischen Zug in der Bodenplatte zur Folge hat. Bei Spannbetonbrücken der Baujahre bis 1970 wurden diese Zwangspannungen unterschätzt; breite Risse in der Bodenplatten quer zur Haupttragrichtung waren die Folge (König u. Tue 1996). Gleiches gilt prinzipiell auch für die dünnen Fahrbahnplatten.
1 2
klaffende Risse! w = Dl Dl ( Nind)
2
1
As,min,1
Act,1
As,min,2 5 .c C ds =2/
sr;max D 1;3 .h x/ :
ds ; p;eff
(11.58)
(11.59)
In den Gln. (11.57)–(11.59) bedeuten, soweit nicht bereits in Zusammenhang mit DIN 1045-1 erläutert: kt
p;eff Ac;eff
Völligkeitsbeiwert der Spannungsverteilung zwischen den Rissen D 0;6 bei kurzzeitiger Einwirkung D 0;4 bei langfristiger Einwirkung effektiver Bewehrungsgrad; bei Stahlbetonbauteilen gilt: D As =Ac;eff wirksame Betonzugfläche nach Abb. 11.6; abweichend von DIN 1045-1 gilt für hc;ef mit x als Druckzonenhöhe 8 im Zustand II : ˆ 2;5 .h d / < hc;ef D min
ds
s c k1
k2
ˆ :
.h x/=3
h=2 Stabdurchmesser; analog zu DIN 1045-1 ist bei Stäben mit unterschiedlichen Durchmessern in einem Querschnitt ein äquivalenter Durchmesser deq zu verwenden. Achsabstand der Bewehrungsstäbe Betondeckung bezogen auf die Längsbewehrung Beiwert zur Berücksichtigung der Verbundeigenschaften der Bewehrung D 0;8 für Stäbe mit guten Verbundeigenschaften D 1;6 für Stäbe mit nahezu glatter Oberfläche (z. B. Spannglieder) Beiwert zur Berücksichtigung der Dehnungsverteilung D 0;5 für Biegung D 1;0 für zentrischen Zug Für außermittigen Zug bzw. lokale Bereiche sind Zwischenwerte in Abhängigkeit des Maximal- und Minimalwertes "1 und "2 der Zugdehnung im Querschnitt zu verwenden: C"2 D "12" ; mit "1 > "2 1
Beiwert zur Anrechnung der Betondeckung ! NDP (Tabelle 11.7) Beiwert zur Anrechnung der Bewehrung ! NDP (Tabelle 11.7).
k3 k4
Nachweis ohne direkte Berechnung der Rissbreite Der Nachweis ohne direkte Berechnung darf nach EN 1992-1-1, 7.3.3 geführt werden. Analog zu DIN 1045-1 kann die Begrenzung der Stabdurchmesser sowohl für direkte als auch für indirekte Einwirkungen angewandt werden, während die Begrenzung der Stababstände lediglich für direkte Einwirkungen herangezogen werden darf. Die in Tabelle 11.8 für die Anwendung mit EN 1992-1-1 angegebenen Grenzdurchmesser ds und Höchstwerte der Stababstände sind ebenfalls als empfohlen Werte zu betrachten, die länderspezifisch konkretisiert werden können. Die Grenzdurchmesser sind auf fct;0 D 2;9 N=mm2 bezogen und sind nach Gleichung (11.60) zu modifizieren (Gl. 11.60 ist eine empfohlene Beziehung und kann länderspezifisch definiert werden ! NDP nach Tabelle 11.7): 8 fct;eff kc hcr ˆ ˆ (Biegung) < ds 2;9 2 .h d / ds D : hcr ˆ ˆ d fct;eff (zentrischer Zug) : s 2;9 8 .h d / (11.60) In Gl. (11.60) bedeuten, soweit nicht bereits erläutert: Höhe der Zugzone unmittelbar vor der Rissbildung Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses der Spannungsverteilung innerhalb des Querschnitts vor der Erstrissbildung sowie der Änderung des inneren Hebelarms (vgl. Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite).
hcr kc
Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite Die Regeln nach EN 1992-1-1, 7.3.2 zur Mindestbewehrung für die Begrenzung der Rissbreite stimmen weitestgehend mit DIN 1045-1 überein. Die erforderliche Bewehrungsmenge ist mit Gl. (11.48) zu berechnen. Für Stahlbetonbauteile weicht EN 1992-1-1 lediglich in folgenden Punkten ab: •
•
Die wirksame Zugfestigkeit fct;eff , die beim Auftreten der Risse zu erwarten ist, entspricht fctm ; sofern die Rissbildung in einem Betonalter < 28 Tage zu erwarten ist, können niedrigere Werte angesetzt werden. Ein Mindestwert ist nicht zu beachten. Für den Beiwert k zur Anrechnung nichtlinear verteilter Betonzugspannungen wird nach EN 1992-1-1 nicht zwischen innerem oder äußerem Zwang unterschieden; es gilt (Zwischenwerte dürfen linear interpoliert werden): k D 1;0
•
k D 0;65
für h 300 mm
für h 800 mm
Die Modifikation des Grenzdurchmessers ds in Abhängigkeit der wirksamen Zugfestigkeit und der Bauteilhöhe erfolgt nach Gl. (11.60).
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden folgende Punkte zur Berechnung der Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite ergänzt:
430
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit
Tabelle 11.7 Länderspezifisch festzulegende Parameter zur Begrenzung der Rissbreiten NDP
EU
D
k3
3;4
0
Modifikation des Grenzdurchmessers ds Biegung
Zug
0
p;eff s 1 3;6k1 k2 3;6k1 k2 fct;eff
0;425
k4
A
ds D ds
fct;eff kc hcr 2;9 2 .h d /
ds D ds
fct;eff hcr 2;9 8 .h d /
a
8 fct;eff kc k hcr ˆ ˆ < ds 2;9 4 .h d / ds D f ˆ ct;eff ˆ : ds 2;9 8 k hcr ˆ fct;eff ˆ < ds 2;9 8 .h d / ds D ˆ fct;eff ˆ : ds 2;9
a
a p;eff s 1 3;6k1 k2 3;6k1 k2 fct;eff
ds D 8 ˆ ˆ < ds
s As 4 .h d / b 2;9 fct;eff ˆ ˆ : ds 2;9
b
Einsetzen der gewählten Parameter k3 und k4 in Gl. (11.58) führt auf die aus DIN 1045-1 bekannte Beziehung zur Berechnung der maximalen Rissabstände (s. Gl. 11.45): sr;max D b
s ds ds 3;6 p;eff 3;6 fct;eff
Bei Zwangbeanspruchung ist s diejenige Spannung der Zugbewehrung, die unmittelbar nach der Erstrissbildung auftritt.
Tabelle 11.8 Grenzdurchmesser ds und Höchstwerte der Stababstände nach EN 1992-1-1 für Betonrippenstähle (fct0 D 2;9 N/mm2 ) (empfohlene Werte und länderspezifische Festlegungen) Grenzdurchmesser ds der Stäbe in mm Rechenwert der Rissbreite wk in mm
Stahlspannung
s
in mm
s
in N/mm2
wk D 0;4 EU
•
Höchstwerte der Stababstände in mm
Stahlspannung
D A
wk D 0;3
wk D 0;2
EU
EU
D A
in N/mm2
Rechenwert der Rissbreite wk in mm wk D 0;4 EU
D A
D
A
wk D 0;3 EU
D
A
wk D 0;2 EU
D
A
160
56
54
42
41
28
27
160
300
300
200
200
36
35
27
26
18
17
200
300
250
150
240
25
24
19
18
13
12
240
250
200
100
280
18
18
14
13
9
9
280
200
150
50
320
14
14
11
10
7
7
320
150
100
360
11
11
8
8
6
5
360
100
50
400
9
9
7
7
5
4
450
7
7
5
5
4
3
Der Querschnitt der Mindestbewehrung darf vermindert werden, wenn die Zwangschnittgröße die Rissschnittgröße nicht erreicht. In diesen Fällen darf die Mindestbewehrung durch eine Bemessung für die nachgewiesene Zwangschnittgröße unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Rissbreitenbegrenzung ermittelt werden.
•
Wenn der Zeitpunkt der Rissbildung nicht mit Sicherheit innerhalb der ersten 28 Tage festgelegt werden kann, sollte mindestens eine Zugfestigkeit fct;eff 2;9 N=mm2 angenommen werden.
•
Die Regelungen nach DIN 1045-1 zum Nachweis der Mindestbewehrung bei dicken Bauteilen werden ergänzt (s. Gl. 11.52).
A
ÖNORM EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zum Nachweis der Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite wird ergänzt: •
Wenn nachgewiesen wird, dass die Zwangschnittgröße die Rissschnittgröße nicht erreicht, dann darf die Mindestbewehrung durch eine Bemessung des Querschnitts für die nachgewiesene Zwangschnittgröße unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Rissbreitenbegrenzung erfolgen.
•
Bei Rissbildung im jungen Beton (z. B. Zwang aus abfließender Hydratationswärme) darf fct;eff für die Ermittlung der Rissschnittgröße mit 0;5fctm angenommen werden.
11.4 Rissbreitenbegrenzung
431
B
.2/ zso zso zso 0;34 0;075 D 3;0 D 2;34 N/mm2 : 0;34
c.2/ D fct;eff
qk = 30 kN/m gk = 45 kN/m 2 = 0,6 12,0
4,0 B
Da das Bauteil statisch bestimmt gelagert ist, kann Zwangrissbildung nur durch inneren Zwang hervorgerufen werden; eine Anrechnung von Eigenspannungen auf die wirksame Zugfestigkeit ist daher möglich. Für den Steg errechnet sich aus Gl. (11.48) mit kc nach Gl. (11.49) folgende Mindestbewehrung:
a System As,Gurt = 16,1 cm² (8 x ds = 16) As,Steg = 8,0 cm² (4 x ds = 16) 2 Gurt
1 Steg
ds = 16, s = 150
ds = 16
zso(2)=0,075
fct,eff = 3,0 sc(2)= 2,34
S(2)
0,15
S
h = 1,0
zs = 0,34 zso(1) = 0,5
k1 D 1;5 h= h0 D 1;5 (Drucknormalkraft) ; k D 0;5 (innerer Zwang, h > 800 mm) ;
sc(1)=-1,41
S(1)
h0 D 1;0 m ;
A.1/ ct
D bw zso D 0;30 0;34 D 0;102 m2 ;
s D 240 N/mm2
(Tabelle 11.6 für ds D 19 mm
d = 0,95 0,60
0,30
0,60
b Schnitt B-B und Spannungsverteilung bei Erstrissbildung
Abbildung 11.17a,b Beispiel 11.2 – Rissbreitenbegrenzung; System, Querschnitt und Spannungsverteilung unmittelbar vor der Rissbildung
Beispiel 11.2 Für den in Abb. 11.17 dargestellten Querschnitt über dem Auflager B soll die zur Rissbreitenbeschränkung erforderliche Bewehrung ermittelt werden. Die zur Aufnahme des negativen Moments im GZT statisch erforderliche Längsbewehrung ist in Abb. 11.17 wiedergegeben. Das Bauteil ist aus Beton der Festigkeitsklasse C30/37 hergestellt. Da es sich um ein Außenbauteil handeln soll, wird die Expositionsklasse XC3 maßgebend. Anforderungen Zur Rissbreitenbegrenzung sind folgende Nachweise zu führen: •
Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite
•
Begrenzung der Rissbreite unter der quasi-ständigen Einwirkungskombination auf wk D 0;3 mm (entsprechend Tabelle 11.5 für Expositionsklasse XC3).
Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite Zur Ermittlung der Mindestbewehrung wird der Querschnitt in die Teilquerschnitte Steg (! .1/) und Gurt (! .2/) aufgeteilt; am oberen Querschnittsrand wird fct;eff D 3;0 N=mm2 (Mindestwert!) erreicht. Die Spannungen in den Schwerpunkten der Teilquerschnitte sind bei reiner Biegung: .1/ zso zso zso 0;34 0;50 D 3;0 D 1;41 N/mm2 ; 0;34
c.1/ D fct;eff
und wk D 0;3 mm) ; c kc D 0;4 1 C k1 fct;eff 1;41 D 0;275 D 0;4 1 1;5 3
A.1/ ct s 0;102 D 0;275 0;5 3;0 104 240 D 1;8 cm2 :
) A.1/ D kc k fct;eff s
Die im Steg vorhandene Bewehrung A.1/ D 8;0 cm2 mit s Stäben ds D 16 mm < ds ist demnach ausreichend, um die Rissbreite bei Übergang in den Zustand II zu begrenzen. Für den Zuggurt (Platte) ist die Mindestbewehrung mit kc nach Gl. (11.50) zu ermitteln. Die Risskraft des Gurtes lässt sich über die Zugspannung c.2/ im Schwerpunkt des Teilquerschnittes ermitteln. 2 A.2/ ct D .b bw / hf D 0;18 m ;
Fcr;Gurt D c.2/ A.2/ ct
D 2;34 0;18 D 0;421 MN
Die Mindestbewehrung muss eine um den Faktor 0;9k abgeminderte Risskraft bei begrenzter Stahlspannung (s D 240 N=mm2 ) aufnehmen. Formal gleicht der Rechengang dem für den Steg. kc D 0;9
Fcr;Gurt
A.2/ ct fct;eff 0;421 D 0;9 D 0;702 ; 1;2 0;15 3;0 k D 0;8 (innerer Zwang, h < 300 mm) ;
s D 240 N/mm2
(Tabelle 11.6 für ds D 19 mm
und wk D 0;3 mm)
432
11 Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit A.2/ ct s 0;18 D 0;701 0;8 3;0 104 D 12;6 cm2 : 240
D kc k fct;eff ) A.2/ s
Der im Gurt vorhandene Bewehrungsquerschnitt von 16,1 cm2 reicht dem entsprechend ebenfalls aus (Anm.: Eine Berechnung der Mindestbewehrung des Teilquerschnitts mit kc nach Gl. (11.49) ergibt kc D 0;868 und damit eine um 24% größere Mindestbewehrungsmenge von 15,6 cm2 ). Begrenzung der Rissbreite unter quasi-ständigen Lasten Zunächst wird die sich unter der quasi-ständigen Einwirkungskombination einstellende Rissbreite unter Ansatz der statisch erforderlichen Bewehrung ermittelt. Die Stahlspannung wird näherungsweise für einen einfach bewehrten Querschnitt berechnet (vgl. Tabelle 10.2): MEd;perm D 504 kNm I As s D D 8;47 103 I bw d ˛s D 7;06
) x D 0;277 mI MEd;perm ) s;perm D z As D
z D 0;858 m
0;504 0;858 .16;1 C 8;0/ 104
D 244 N/mm2 ;
hc;eff D 2;5.h d / D 0;125 m
) Ac;eff D 0;125 1;5 D 0;188 m2 eff D
24;1 104 As D D 12;8 103 Ac;eff 0;188
) eff Es D 2560 N/mm2 : Die Differenz der mittleren Dehnungen folgt aus Gl. (11.44): "sm "cm D
244 2 105
3 1 C 7;06 12;8 103 2560 244 0;6 2 105 D 7;09 104 7;32 104 0;4
(Einzelriss maßgebend!) :
Der maximale Rissabstand errechnet sich aus Gl. (11.45): sr;max
244 16 16 D 3;6 12;8 103 3;6 3 D 347 mm 361 mm
(Abgeschlossenes Rissbild maßgebend) :
Der Rechenwert der Rissbreite folgt damit aus Gl. (11.43): wk D sr;max ."sm "cm / D 347 7;32 104 D 0;25 mm :
Mit der statisch erforderlichen Bewehrung wird die Forderung wk 0;3 mm erfüllt. Alternativ kann der Nachweis über die Begrenzung der Stabdurchmesser oder der Stababstände geführt werden. Für s D 244 N=mm2 240 N=mm2 kann aus Tabelle 11.6 ein Grenzdurchmesser ds D 19 mm abgelesen werden. Der Korrekturterm nach Gl. (11.51) erlaubt keine weitere Vergrößerung des Grenzdurchmessers. Die Forderung ds ds wird dessen ungeachtet erfüllt, der Nachweis ist damit erbracht. Ein identisches Ergebnis liefern die in diesem Fall anwendbaren Höchstwerte der Stababstände.
11.4.8 Besonderheiten bei Spannbetonbauteilen Im Vergleich zu Betonstählen sind Spannstähle erheblich empfindlicher gegenüber Korrosion. Sofern der Korrosionsschutz der Spannbewehrung durch den umgebenden Beton gewährleistet werden muss, also bei Vorspannung mit Verbund, besitzen Risse im Vergleich zu Stahlbeton einen erheblich größeren Einfluss auf die Dauerhaftigkeit. Dem entsprechend müssen Bauteile mit Vorspannung im Verbund höhere Anforderungen an die Begrenzung der Rissbreiten erfüllen, während Bauteile mit ausschließlich externer bzw. verbundloser Vorspannung wegen des separaten Korrosionsschutzes der Spannstähle i. Allg. wie Stahlbetonbauteile behandelt werden können. Das Nachweisniveau wird in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen und der Empfindlichkeit der Bewehrung gegenüber Korrosion durch • Grenzwerte der rechnerischen Rissbreite wk , • Einwirkungskombinationen für den Nachweis der Rissbreitenbegrenzung und • Einwirkungskombinationen für den Nachweis der Dekompression z. B. in Anforderungsklassen nach DIN 1045-1 festgelegt (vgl. Tabelle 11.5).
11.4.8.1 Dekompression Der Grenzzustand der Dekompression im Sinne von DIN 1045-1 bedeutet für den Endzustand (Bauzustand und EN 1992-1-1 s. u.), dass am Rand eines ansonsten überdrückten Querschnitts gerade c D 0 erreicht wird (Abb. 11.18). Dem entsprechend muss für Spannbetonbauteile, die korrosionsfördernden Umgebungsbedingungen ausgesetzt sind, nachgewiesen werden, dass der Querschnitt für eine mit der Anforderungsklasse festgelegte Einwirkungskombination vollständig überdrückt bleibt. Der Dekompressionsnach-
11.4 Rissbreitenbegrenzung
433
F
F s>0
s Δσ/2
σm = Δσ/2
σm=0
Wechselbereich
σm< Δσ/2
Δσ (Spannungsschwingbreite)
- (Druck)
σa
σm < Δσ/2
σmax (Oberspannung)
|σm | = Δσ/2
Schwingspiel
|σm| > Δσ/2
Spannung σ
+ (Zug)
12.1 Grundlagen
Zeit
Schwellbereich (Zug)
σmin (Unterspannung) Zeit t
Abbildung 12.1 Belastung im Einstufenversuch – Bezeichnungen
Beschreibung der Beanspruchung. Im Versuch werden Werkstoffproben einer zyklischen Belastung mit konstanter Oberspannung max und Spannungsamplitude, d. h. Schwingbreite – also einem Versuch mit einer Schwingbreitenstufe – unterworfen. Je nach Art der Belastung während des Versuchs – ausschließlich Zug bzw. Druck oder Beanspruchungen im Wechselbereich – werden die Einstufenversuche kategorisiert (Abb. 12.2). Die Prüfung wird so lange fortgesetzt, bis die Probe versagt oder – im Fall eines Durchläufers – eine vorgesehene Anzahl von Lastwechseln ohne Versagen erreicht ist. Wegen der von August Wöhler im 19. Jahrhundert durchgeführten, wegweisenden Versuche an Eisenbahnachsen unter zyklischer Belastung mit konstanter Schwingbreite, werden Einstufenversuche häufig auch als Wöhlerversuche bezeichnet (vgl. Wöhler 1870).
12.1.2.3 Wöhlerlinie Das Wertepaar aus aufgebrachter Schwingbreite und zugehöriger Bruchlastspielzahl N kennzeichnet die Ermüdungsfestigkeit des Prüfstücks.2 Bei Beton wird wegen des deutlichen Einflusses auf das Ermüdungsverhalten zusätzlich die Mittelspannung m festgehalten. Die statistische Auswertung einer Vielzahl von Einstufenversuchen mit unterschiedlichen Spannungsamplituden und Bruchlastspielzahlen ergibt – vereinfacht und anschaulich dargestellt – eine Wöhlerlinie, die für eine vorgegebene Spannungsschwingbreite die zugehörige Anzahl N der ertragbaren Last2 N beschreibt stets die einem Ermüdungsversagen zugeordnete Lastwechselzahl (Bruchlastspielzahl), während n eine beliebige Anzahl an Lastwechseln mit n N bezeichnet.
Abbildung 12.2 Bereiche der zyklischen Belastung – Schwellund Wechselbereiche
zyklen bis zum Ermüdungsbruch angibt. Diese Anzahl nimmt exponentiell mit wachsender Spannungsschwingbreite ab. Aus diesem Grund ist zur analytischen Beschreibung der Ermüdungsfestigkeit v. a. metallischer Werkstoffe – z. B. auch von Betonstahl oder Spannstahl – ein 1910 von Basquin vorgeschlagener Ansatz nach Gl. (12.1a) bzw. in anderer Schreibweise nach Gl. (12.1b) am häufigsten anzutreffen. k N D C ; 1 log D .log N log C / k
(12.1a) (12.1b)
In doppeltlogarithmischem Maßstab aufgetragen, beschreibt Gl. (12.1b) eine Gerade mit Steigung 1=k. Die Parameter k und C stellen Materialkonstanten dar, die weitere, über Lastspielzahl und Schwingbreite hinausgehende Einflussgrößen (z. B. Einfluss der Reibermüdung bei Spanngliedern in Stahlhüllrohren, Einfluss der Stabkrümmungen bei Betonstählen, etc.) berücksichtigen. In Abb. 12.3 ist eine Wöhlerlinie schematisch dargestellt. Hinsichtlich der ertragbaren Lastspielzahl sind drei Bereiche zu unterscheiden: Der Kurzzeitfestigkeitsbereich (niederzyklische Ermüdungsfestigkeit), der Zeitfestigkeitsbereich (hochzyklische Ermüdungsfestigkeit) und der Bereich der sog. Dauerfestigkeit. Die Kurzzeitfestigkeit für Lastspielzahlen bis N 104 liegt nahe an der statischen Beanspruchbarkeit der Werkstoffe und spielt im Zusammenhang mit dem Ermüdungsnachweis keine Rolle, da durch die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit die Betonstahl-, Spannstahl- und Betonspannungen derart beschränkt werden, dass große, zum Versagen führende Spannungsamplituden nicht auftreten können. Relevant sind dagegen die anschließenden Bereiche der Zeitfestigkeit und der Dauerfestigkeit.
442
Die in Einstufenversuchen ermittelten und in Wöhlerlinien dargestellten Kennwerte der Ermüdungsfestigkeit sind ohne Einschränkungen allerdings nur auf Bauteile zu übertragen, die analog zum Versuch Betriebsbeanspruchungen mit gleich bleibender Schwingbreite unterworfen sind. Weit größere praktische Bedeutung haben allerdings Betriebsbelastungen, die regellos mit unterschiedlichen Amplituden auftreten. Zur Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit unter wirklichkeitsnäheren Betriebsbeanspruchungen existieren u. a. Blockprogramm-, Zufallslastenund Einzelfolgen-Versuche, denen eine angenäherte Beschreibung der Belastung mit unterschiedlichen Schwingbreiten zugrunde liegt (vgl. Haibach 1989; Buxbaum 1992). Wegen des höheren Aufwandes und der – aufgrund der Berücksichtigung kleiner Schwingbreiten – deutlich längeren Versuchsdauer haben solche Versuche im Bauwesen bisher wenig Resonanz gefunden. Grundsätzlich muss zwischen Wöhlerlinien des Materials und Wöhlerlinien für die Bemessung unterschieden werden. Erstere können i. d. R. unmittelbar aus den Ergebnissen von Dauerschwingversuchen abgeleitet werden. Bei jenen für die Bemessung werden zusätzliche Aspekte, die für Nachweise relevant sind, eingearbeitet – z. B. für Betonstahl eine modifizierte Neigung des Dauerfestigkeitsastes (s. Abschn. 12.4.2.3) als Konsequenz aus der für den Nachweis verwendeten Akkumulationshypothese sowie Unterschiede, die sich aus der i. d. R. durchgeführten Prüfung an freien Proben zum tatsächlichen Ermüdungsverhalten im einbetonierten Zustand ergeben.
12.1.2.4 Dauerfestigkeit Die Dauerfestigkeit – ein Begriff der im 19. Jahrhundert durch Wöhler geprägt wurde – beschreibt die Höhe der Beanspruchung, die theoretisch unendlich oft aufgebracht werden kann, ohne zum Versagen des Werkstoffes zu führen. Bisher wurde zumindest bei Betonstahl eine Schwingbreite, die über N D 2 106 Lastspiele ohne Bruch ertragen werden konnte, als Dauerfestigkeit bezeichnet. Dies ist allerdings mehr auf die Beschränkung der Versuchsdauer des Einstufenversuchs als auf das reale Materialverhalten, d. h. das Erreichen einer Dauerfestigkeitsgrenze zurückzuführen; nach DIN 50100 darf ein Einstufenversuch nach 2 106 Lastwechseln abgebrochen werden. Nach heutigem Wissensstand existiert eine Dauerfestigkeit bei Bauteilen oder Werkstoffen, die Betriebsbelastungen ausgesetzt sind und ggf. Vorschädigungen aufweisen, nicht. Zudem würde die Definition einer
12 Nachweise gegen Ermüdung Schwingbreite Δσ (log) log (f y - σmin )
Näherungsgerade für den Zeitfestigkeitsbereich
Wöhlerlinie
2 106
Δσ = σmax - σmin σmin = const.
Kurzzeitfestigkeit 100
102
Zeitfestigkeit 104
106
„Dauerfestigkeit“ 108 Lastspielzahl N (log)
Abbildung 12.3 Wöhlerlinie – schematische Darstellung am Beispiel metallischer Werkstoffe
unendlich oft ertragbaren Spannungsschwingbreite in Verbindung mit dem in DIN 1045-1 und EN 1992-11 gewählten Nachweisverfahren der Betriebsfestigkeit auf Basis einer linearen Schadensakkumulationshypothese nach Palmgren und Miner zu unzutreffenden Ergebnissen führen. In den genannten Normen wird daher grundsätzlilch auf die Angabe einer Dauerfestigkeit verzichtet.
12.1.2.5 Weitere Darstellungsformen der Ermüdungsfestigkeit Neben den Wöhlerlinien existieren weitere Darstellungsformen, die die Ergebnisse von Einstufenversuchen bzw. das Ermüdungsverhalten von Werkstoffen oder Bauteilen charakterisieren. Neben den Dauerfestigkeitsschaubildern nach Smith oder Haigh (vgl. Haibach 1989, DIN 50100), die im Stahlbau z. T. noch gebräuchlich sind, werden im Betonbau vor allem für Materialien mit ausgeprägter Mittelspannungsabhänigigkeit der Ermüdungsfestigkeit – z. B. Beton – häufig Goodman-Diagramme verwendet. Für eine definierte Lastspielzahl können verschiedene mögliche Kombinationen von Mittelspannung und Spannungsschwingbreite unmittelbar abgelesen werden (s. Abb. 12.4). 12.1.2.6 Betriebsbelastungen Im Rahmen eines Betriebsfestigkeitsnachweises müssen anstelle extremaler Beanspruchungen wirklichkeitsnahe Betriebsbelastungen betrachtet werden. Die während der Lebensdauer auf ein Bauwerk einwirkenden Lasten treten nicht immer in gleicher Grö-
12.1 Grundlagen
443 Spannung σ (Zug)
Grenzlinie der Oberspannung σmax
Spannung σ
fy
Lastzyklus
Grenzlinie der Unterspannung σmin Δσzul
Δσ4 Δσ3
45°
(Druck)
Spannung σ (Zug)
Δσ2
Zeit t
Δσ1
(Druck) Schwellbereich
Wechselbereich
Schwellbereich
a Zählverfahren Schwingbreite Δσ Δσ1
Abbildung 12.4 Dauerfestigkeits-Schaubild nach Goodman
n(Δσ2 )
Δσ2
Δσ3
ße auf, sondern schwanken i. Allg. regellos zwischen minimalen und maximalen Werten. Dabei wiederholen sich die einzelnen Schwankungen unterschiedlich oft. Nur in Einzelfällen liegen aussagekräftige Informationen zu Betriebsbeanspruchungen vor, z. B. wenn zyklische Lasten durch rotierende Maschinen erzeugt werden, deren Unwucht, Drehzahl, etc. bekannt sind. In den weitaus meisten Fällen werden bauwerksspezifische Informationen zu Einwirkungen während des Betriebs über die gesamte Nutzungsdauer – bei Straßenbrücken wären dies z. B. Verkehrsaufkommen, Schwerverkehrsanteil und Achslasten – nicht zur Verfügung stehen und auch von anderen Bauwerken nicht uneingeschränkt übertragen werden können. Für Nachweise der Ermüdungssicherheit müssen daher abstrahierte Beschreibungen der Einwirkungen verwendet werden. Die Betriebslasten können – wie bei Brücken – u. a. in Form von Lastmodellen zur Verfügung gestellt werden. Aus den so beschriebenen Betriebsbelastungen lassen sich Beanspruchungsverläufe errechnen, die im allgemeinen Fall mehrere Maxima bzw. Schwingspiele aufweisen. Die ermüdungsrelevanten Informationen – Spannungsschwingbreiten und zugehörige Häufigkeiten – müssen z. B. mit Zählverfahren daraus extrahiert werden. Sie bilden, als Summenhäufigkeitslinie dargestellt, das Spannungskollektiv (s. Abb. 12.5). Da der Aufwand einer expliziten Berechnung von Betriebsspannungsverläufen oder -kollektiven häufig nicht im Verhältnis zum Bemessungsziel steht, wird in Zusammenhang mit vereinfachten Nachweisen (Stufen 1 und 2, vgl. Abschn. 12.1.3) bei verringerter Wirtschaftlichkeit u. a. auf Einwirkungskombinationen des Grenzzustandes der Gebrauchstauglichkeit zurückgegriffen.
Δσ4 Auftretenshäufigkeit n i b Häufigkeitsverteilung Schwingbreite Δσ Δσ1
Standardkollektiv Δσ2
Δσ3 n(Δσ2 ) Δσ4
c Summenhäufigkeit
Summenhäufigkeit ∑ n i
Abbildung 12.5a–c Ermittlung von Spannungskollektiven
12.1.3 Nachweiskonzepte 12.1.3.1 Hintergrund Um das zentrale Problem eines Nachweiskonzepts gegen Ermüdungsversagen zu umreissen, seien drei verschiedene Beanspruchungsverläufe nach Abb. 12.6 im Vergleich mit der Wöhlerlinie eines metallischen Werkstoffs aus einem Einstufenversuch betrachtet. Für 1 kann die auf den Beanspruchungsverlauf des Falls der Wöhlerlinie liegende und 1 zugeordnete Bruchlastspielzahl N1 direkt übernommen werden, während 2 bisher dafür die einstufige Belastung des Falls von ausgegangen wurde, dass ein Ermüdungsbruch
444
auch bei unendlich vielen Lastzyklen nicht zu erwarten ist. Bei mehr oder minder regellosen Betriebsbeanspruchungen – schematisch durch dem Beanspruchungs3 in Abb. 12.6 beschrieben – treverlauf des Falles ten unter den insgesamt n Lastwechseln neben der maximalen Schwingbreite 1 auch Schwingspiele mit kleineren Amplituden weit unterhalb 1 auf. Kleinere Schwingbreiten tragen i. Allg. weniger zur Gesamtschädigung bei; bis zum Eintreten des Ermüdungsversagens bei N3 können gegenüber der einstufigen Belastung daher deutlich mehr Lastwechsel aufgebracht werden. Der Zusammenhang zwischen größter Schwingbreite und Bruchlastspielzahl wird für den dargestellten Spannungsverlauf anstelle der Wöhlerlinie, die prinzipiell einstufigen Beanspruchungsverläufen zugeordnet ist, durch die Lebensdauerlinie beschrieben (vgl. Haibach 1989). Das pragmatischste Konzept eines Ermüdungs3 wäre, nachweises für den Beanspruchungsverlauf als ertragbare Lastwechselzahl N1 anzunehmen, d. h. den Schädigungsbeitrag kleiner Schwingbreiten mit der Schädigung infolge der maximal auftretenden Schwingbreite gleichzusetzen (vgl. Abb. 12.30a). Dadurch wird die Anzahl der aufnehmbaren Spannungsspiele i. Allg. drastisch reduziert, die rechnerische Lebensdauer sehr konservativ eingegrenzt. Eine i. d. R. unwirtschaftliche Bemessung ist die Folge. Eine Nachweisstrategie gegen Ermüdung muss daher in der Lage sein, wirklichkeitsnahe Betriebsspannungsverläufe in realistische Lebensdauern umzusetzen.
12.1.3.2 Nachweiskonzepte in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 Nachweisstrategien nutzen meist Aussagen über Schädigungen, die durch Spannungsspiele unterschiedlicher Größe hervorgerufen werden. In diesem Zusammenhang kann eine Schädigung z. B. das Anwachsen eines Risses bedeuten, der letztlich zum Versagen führen kann. Die Schädigungsberechnung wird bevorzugt auf der Basis von Akkumulationshypothesen durchgeführt, die damit einen Vergleich der nach Spannungsschwingbreite und Auftretenshäufigkeit geordneten Betriebsbelastung (Spannungskollektiv) mit den Ergebnissen aus Einstufenversuchen in Form von Wöhlerlinien ermöglichen. Eines der einfachsten Modelle zur Schadensberechnung unter Betriebsbelastung, ist die lineare Schadensakkumulationshypothese nach Palmgren und Miner (Palmgren 1924; Miner 1945). Dieser Hypothese liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die Schäden aus ein-
12 Nachweise gegen Ermüdung Spannungsschwingbreite Δσ (log) Lebensdauerlinie Wöhlerlinie
Kurzzeitfestigkeitsbereich Betriebsfestigkeitsbereich/ Zeitfestigkeitsbereich
1
3
1
Δσ1
3
2
Δσ2 “Dauerfestigkeitsbereich”
Lastspielzahl (log N) N1
N3
bzw. Lebensdauer
Abbildung 12.6 Ermüdungs- und Betriebsfestigkeit eines metallischen Werkstoffes (nach Haibach 1989)
zelnen Spannungsspielen – unabhängig von deren zeitlicher Reihung – solange linear addieren, bis mit dem Erreichen eines kritischen Schädigungswertes der Ermüdungsbruch eintritt. Beschrieben wird der Fortschritt der Schädigung des Werkstoffs oder Bauteils durch den dimensionslosen Schädigungsfaktor D, der sich nach Gl. (12.2) ermitteln lässt. DEd D
X n.i / N.i /
(12.2)
i
Dabei steht n.i / für die tatsächlich während der Lebensdauer des Bauteils auftretende Anzahl der Spannungsspiele mit der Schwingbreite i . N.i / ist die, der Spannungsschwingbreite i zugeordnete Bruchlastspielzahl und kann direkt aus der Wöhlerlinie abgelesen werden. Mit dem Erreichen des Grenzwertes DEd D DEd;lim D 1 ist die Grenzschädigung erreicht; definitionsgemäß tritt ein Ermüdungsversagen ein. Daraus folgt Gl. (12.3) als grundlegendes Nachweisformat. DEd 1
(12.3)
Das beschriebene Konzept zur Quantifizierung der aus Betriebslasten entstehenden Schädigungen durch die Schadensakkumulationshypothese nach Palmgren und Miner ist als Standardverfahren für den Betriebsfestigkeitsnachweis in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 verankert. Darüber hinaus werden dem Anwender zwei vereinfachte Verfahren zur Verfügung gestellt, die als Sonderfälle des ausführlichen Betriebsfestigkeitsnachweises angesehen werden können. Die Reihung der
12.2 Ermüdungsverhalten von Werkstoffen
445
nachfolgend aufgezählten Verfahren entspricht dabei einer deutlichen Zunahme in der Genauigkeit und Aussagekraft der Ergebnisse, allerdings auch einer deutlichen Erhöhung des erforderlichen Rechenaufwandes. Dementsprechend empfiehlt sich eine stufenweise Nachweisführung: • Stufe 1 Nachweis durch Begrenzung der Spannungen bzw. Spannungsschwingbreiten von Beton und Bewehrung (Quasi-Dauerfestigkeitsnachweis) • Stufe 2 Vereinfachter Betriebsfestigkeitsnachweis auf der Basis von schädigungsäquivalenten Spannungsschwingbreiten • Stufe 3 Expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis auf Basis der Schadensakkumulationshypothese nach Palmgren und Miner.
12.1.3.3 Alternative Nachweisstrategien Neben der beschriebenen Strategie für den Betriebsfestigkeitsnachweis existieren weitere Verfahren, etwa die Ermüdungsanalyse auf Grundlage der Bruchmechanik, die die Verwendung von physikalisch bzw. mechanisch zum Teil nicht begründeten Akkumulationshypothesen zur Schädigungsberechnung umgeht. Sie basiert auf der Beschreibung des in drei Phasen gegliederten Rissfortschrittes – Rissinitiierung, stabiler Rissfortschritt, instabiles bzw. kritisches Risswachstum (Abb. 12.7) – und bedient sich eines Spannungs-
intensitätsfaktors zur Quantifizierung des Spannungszustandes an der Rissspitze und damit der Rissfortschrittsrate (vgl. Paris u. Erdogan 1963; Harre 1984; Gylltoft 1994). Im Maschinen- und Anlagenbau und z. T. im Stahlbau zählt die bruchmechanische Betrachtung zu den gängigen Verfahren. Ferner können anstelle der deterministischen Abschätzung der ermüdungsbestimmten Lebensdauer probabilistische Verfahren genutzt werden, die den stochastischen Charakter der einzelnen Parameter explizit berücksichtigen. Ziel dieser Verfahren ist die zuverlässigkeitstheoretische Ableitung der ermüdungsbedingten Versagenswahrscheinlichkeit (vgl. Reppermund 1988; Zilch u. Buba 2002; Buba 2003).
12.2 Ermüdungsverhalten von Werkstoffen Grundlage jedes Ermüdungsnachweises ist die Kenntnis der ermüdungsrelevanten Werkstoffeigenschaften. Zu diesem Thema existiert mittlerweile eine Fülle an Literatur; im Folgenden werden daher nur die wesentlichen Zusammenhänge dargestellt. Weiterführende Erläuterungen insbesondere zu den Werkstoffen des Massivbaus sind u. a. in CEB (1988); König u. Danielewicz (1994) und RILEM (1994b) enthalten.
12.2.1 Betonstahl 12.2.1.1 Versagensvorgänge
Kraft F
F
a
a0 Zeit t
Risslänge a (linear) Restbruch ac
a
Rissfortschrittsrate da/dn (log) Restbruch
da a0
dn
ΔK c
ΔK 0 Paris-Gerade
NBruch Lastspielzahl n (linear) Spannungsintensitätsfaktor ΔK (log)
Abbildung 12.7 Risslänge in Abhängigkeit der Lastspielzahl und daraus abgeleitete Rissfortschrittsrate (nach Haibach 1989)
Das Ermüdungsversagen von Betonstahl unter zyklischer Beanspruchung verläuft in einzelnen Phasen: Nach submikroskopischen Veränderungen im Werkstoffgefüge, die sich bereits bei den ersten Schwingspielen einstellen, entstehen Mikrorisse, die sich schließlich zu Anrissen vereinigen (Rissinitiierung). Durch die Auswirkungen von Kerbspannungen an der Rissspitze weiten sich die Anrisse aus (stabiler Rissfortschritt), bis letztlich nach einer Phase des progressiven Risswachstums (instabiler Rissfortschritt) der verbleibende Restquerschnitt spröde versagt (Abb. 12.8). Bei einem Ermüdungsversagen treten also keinerlei plastische Verformungen des Werkstoffes auf, d. h. ein Versagen kündigt sich nicht durch deutlich sichtbare Verformungen oder breite Risse an. Die Mikrorisse bzw. Anrisse entstehen häufig an Stellen lokaler Spannungskonzentrationen, z. B. an oberflächigen Narben als Folge von Korrosion
446
12 Nachweise gegen Ermüdung
Restbruchzone Rissausbreitung Rissentstehung
27 A-A
1
2
2 2
Schnitt A-A
Richtung der Rissausbreitung
10
150 1 2
a Bruchfläche nach einem Ermüdungsbruch Rissgröße
a Prüfkörper nach DIN 488 50
stabiles Risswachstum
30
1
Schwingspielzahl n
2
15
b Risswachstumsphasen
Abbildung 12.8a,b Ermüdungsbruch eines Bewehrungsstabes
bzw. mechanischer Verletzung oder an geometrischen Diskontinuitäten wie etwa dem Übergang von einer Rippe zum Stabkern. Bei Schweißstellen tritt der Anriss häufig am Beginn der wärmebedingten Gefügeumwandlung auf.
12.2.1.2 Prüfung der Ermüdungsfestigkeit Zur experimentellen Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit stehen zwei Prüfmethoden zur Auswahl, Versuche an freien Proben oder an einbetonierten Stäben. Bei zyklischer Belastung in axialen Zugversuchen an freien Stabproben tritt das Ermüdungsversagen an der schwächsten Stelle, d. h. an lokalen Defek-
Restbruchzone
10
geprüfter Stab Trennbleche zur Rissvorgabe
instabiles Risswachstum Rissentstehung
d br = 15 d s
Rissentstehung Rissfortschritt
Abbildung 12.9 Bruchfläche eines Bewehrungsstabes
2
150
2 15
b Prüfkörper nach Rehm et al.
Abbildung 12.10a,b Prüfkörper für Dauerschwingversuche an einbetonierten Stabstählen
ten wie Narben, mechanischen Schädigungen, etc. ein. Werden die Stäbe dagegen in einbetoniertem Zustand, z. B. in biegebeanspruchten Bauteilen geprüft, liegt die schwächste Stelle nur mit geringer Wahrscheinlichkeit am Ort maximaler Spannungen, dem Rissquerschnitt. Tendenziell wären bei einbetonierten Stäben höhere Ermüdungsfestigkeiten zu erwarten, allerdings wird dieser Effekt zum Teil durch die Auswirkungen der Reibbeanspruchung infolge des Schlupfs zwischen Bewehrungsstab und Beton kompensiert. Sofern die Auswirkungen weiterer Parameter auf das Ermüdungsverhalten von Interesse sind, etwa der Einfluss des Biegerollendurchmessers bei gekrümmten Stäben, werden die Proben in einbetoniertem Zustand geprüft. Nach DIN 488-3 (06/1986) sind für Dauerschwingversuche an einbetonierten Stäben Prüfkörper nach Abb. 12.10a vorgesehen. Vor dem Hintergrund unvermeidlicher Exzentrizitäten oder Vorverformungen können speziell bei Dauerschwingversuchen an geschweißten oder mechanischen Betonstahlverbindungen im einbetonierten Zustand – z. B. in einem Versuchsaufbau nach Rehm u. a. (1981) (vgl. Abb. 12.10b) – wegen der stützenden Wirkung des Betons günstigere Ermüdungseigenschaften erwartet werden. Die große Mehrheit der Dauerschwingversuche – primär im Rahmen von Zulassungs- und Überwachungsprüfungen – wird an achsial beanspruchten freien Proben durchgeführt.
12.2 Ermüdungsverhalten von Werkstoffen
447
12.2.1.3 Einflüsse auf das Ermüdungsverhalten Die dominierende Einflussgröße für ein Ermüdungsversagen von Betonstählen ist die aufgebrachte Spannungsschwingbreite. Der Einfluss der Oberspannung ist gering, solange die Proportionalitätsgrenze der Dehnungen nicht erreicht wird. Weitere Parameter, die die Ermüdungseigenschaften von Betonstählen zum Teil nachhaltig beeinflussen, sind die – ggf. durch Korrosion veränderte – Oberflächenbeschaffenheit und die Rippengeometrie, der Stabdurchmesser, die Stabkrümmung sowie die Art und Ausführung gegebenenfalls vorhandener Schweißstellen. Stabdurchmesser Zum Ermüdungsverhalten gerader Betonstähle liegt eine Vielzahl an Untersuchungen vor, die an unterschiedlichen gebräuchlichen Stabstählen durchgeführt wurden (u. a. Tilly u. Moss 1982; Fernández-Cantelli u. a. 1984; Rehm u. a. 1986). Ermüdungsversuche an freien Proben zeigen abnehmende Ermüdungsfestigkeiten bei größeren Durchmessern, die unter anderem auf eine höhere Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlstellen bei größerer Oberfläche zurückgeführt werden können. Diese Unterschiede treten bei einbetonierten Stäben weniger deutlich zu Tage (vgl. Rehm u. a. 1986), wurden aber bei der Ableitung der Wöhlerlinien durch eine vereinfachte Differenzierung in Stäbe mit Durchmessern bis ds D 28 mm und Stäbe mit größeren Durchmessern, deren Ermüdungsfestigkeit mit dem Faktor 2 D 0;8 zu skalieren ist, berücksichtigt. Stabkrümmungen Stabkrümmungen vermindern durch die beim Biegen eingeprägten Eigenspannungen sowie durch plastische Verformungen und dadurch erhöhte Kerbwirkungen der Rippen die Ermüdungsfestigkeit (vgl. Nürnberger 1982). Der Einfluss von Stabkrümmungen wirkt sich erst bei Biegerollendurchmessern unterhalb von dbr =ds D 25 aus und kann über einen Abminderungsfaktor 1 abhängig vom Verhältnis dbr =ds nach Gl. (12.4) berücksichtigt werden. 1 D 0;35 C 0;026
dbr ds
(12.4)
Gleichermaßen reduziert auch das Hin- und Zurückbiegen von Betonstahl auf der Baustelle die Ermüdungsfestigkeit. Bei derartig gebogenen Stäben darf nach DIN 1045-1 der Bemessungswert der Spannungsschwingbreite s D 50 N/mm2 nicht überschreiten. Vorausgesetzt wird hierfür ein Biegerollendurchmesser von mindestens 15ds.
Korrosion Sind Bewehrungsstähle korrosionsfördernden Umgebungsbedingungen ausgesetzt, müssen zwei Szenarien unterschieden werden. Bei flächenhafter Korrosion der Bewehrung, wie sie etwa in karbonatisiertem Beton bei ungenügender Betondeckung auftreten kann, wird die Ermüdungsfestigkeit nach König u. Danielewicz (1994) nur wenig beeinflusst. Treten allerdings lokale Korrosionsnarben infolge chloridinduzierter Lochfraßkorrosion auf, ist eine deutliche Abnahme der Ermüdungsfestigkeit durch die Querschnittsreduktion sowie durch Spannungskonzentrationen und Anrisse an den Narben festzustellen (vgl. Nürnberger u. Beul 2000; Weber u. a. 2000). Eine Beschichtung der Bewehrungsstäbe mit Epoxidharzen wirkt sich nicht positiv auf die Ermüdungsfestigkeit aus, da die Beschichtung im Rissbereich durch Scheuerbewegungen zwischen Stab und umgebendem Beton geschädigt und in der Folge unterrostet werden kann. Sofern Randbedingungen gegeben sind, die eine chloridinduzierte Korrosion der Betonstahlbewehrung während der Lebensdauer erwarten lassen (vgl. Fußnote d in DIN 1045-1, Tabelle 16), ist die verminderte Ermüdungsfestigkeit im Nachweis zu berücksichtigen. Vereinfachend kann die Wöhlerlinie über N hinaus mit dem Spannungsexponenten des Zeitfestigkeitsbereichs k1 fortgesetzt werden (s. Abschn. 12.2.1.4). Dies bietet i. Allg. eine auf der sicheren Seite liegende Abschätzung der Ermüdungsfestigkeit korrodierter Bewehrung, zumal Korrosion erst nach Ablauf eines i. d. R. erheblichen Teils der Lebensdauer auftritt. Nach EN 1992-1-1 wird diese Vorgehensweise primär für die Bewertung der Restlebensdauer korrodierter Bewehrung empfohlen. Versuche u. a. in Booth u. a. (1986) und Nürnberger u. Beul (2000) zeigen aber auch, dass bei extremen Randbedingungen, z. B. in Spritzwasseroder Wasserwechselbereichen mit Meerwasserangriff, geringere Ermüdungsfestigkeiten zu erwarten sind. In diesen Fällen kann auf die in ModelCode 90 angegebene Wöhlerlinie für Meerwasserbeanspruchung zurückgegriffen werden, die auf Versuchen nach Booth u. a. (1986) an Bewehrungsstäben unter extremen Randbedingungen in Salzwasser-Wechselzonen beruhen. Im Einzelfall ist das Korrosionsrisiko der Bewehrung unter Berücksichtigung der vorliegenden Randbedingungen abzuschätzen. Geschweißte Stäbe Für die vielfältigen Ausprägungen geschweißter Verbindungen – Stumpf-, Überlapp- oder Laschenstöße einerseits und Betonstahlmatten mit verschweißten Stäben andererseits – ist es nicht möglich, in Normen detaillierte Kennwerte für einzelne typische Ausprä-
448
gungen vorzugeben. Den geschweißten Stäben ist allerdings ein vorgegebener Anriss – die Schweißstelle – gemein, der gegenüber anderen Faktoren das Ermüdungsverhalten dominiert. Der Versagensriss ist daher i. Allg. im Bereich der Schweißstelle lokalisiert. In DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 werden alle Stäbe mit Schweißstellen daher summarisch betrachtet. Bei geschweißten Stäben ist zwischen tragenden Schweißverbindungen von Stäben, z. B. in Gestalt von Laschen- oder Stumpfstößen, und nicht tragenden Kreuzungsstößen, also vor allem geschweißten Betonstahlmatten und Heftschweißungen, zu differenzieren. Die wesentliche Steuergröße der Ermüdungsfestigkeit geschweißter Verbindungen z. B. bei Matten ist die Einbrandtiefe (vgl. Martin u. Schießl 1981). Weitere Parameter wie die Stabkombination oder das verwendete Schweißverfahren treten dem gegenüber in den Hintergrund. Hinsichtlich des Ermüdungsverhaltens treten bei Schweißverbindungen drei Effekte auf: Durch Querschnittsübergänge bzw. -sprünge und Einbrandkerben wird eine geometrische Kerbwirkung erzeugt. Darüber hinaus führt die Wärmeeinwirkung während des Schweißens zu Gefügeveränderungen; neben einer Aufhärtung, d. h. Versprödung, können v. a. bei kaltverformten Stäben auch Entfestigungen auftreten. Zuletzt können durch den Schweißvorgang bzw. das anschließende Abkühlen Eigenspannungen in der Schweißverbindung entstehen (Rehm u. Nürnberger 1981). In Summe bewirken Schweißverbindungen daher eine nachhaltige Beeinträchtigung der Ermüdungseigenschaften. Zu geschweißten Betonstahlverbindungen liegen umfangreiche Untersuchungen z. B. in Rehm u. a. (1981) vor; die Eignung von Betonstahlmatten und heftgeschweißten Bewehrungsverbindungen für nicht ruhend beanspruchte Bauteile wurde u. a. in Russwurm u. Rehm (1979); Rehm u. a. (1981); Martin u. Schießl (1981); Schwarzkopf (1994) untersucht. Die in DIN 1045-1 angegebene Wöhlerlinie ist als konservative Abschätzung der Ermüdungsfestigkeit geschweißter Stäbe zu verstehen und schließt u. a. die ungünstigen Laschenstöße mit ein. Gegenüber der in Ausgabe 2001 angegebenen Wöhlerlinie, die als Empfehlung noch in EN 1992-1-1 enthalten ist, wurde die Ermüdungsfestigkeit deutlich reduziert. Die Wöhlerlinie nach EN 1992-1-1 gibt in vereinfachter Form die Ergebnisse der Untersuchungen wieder und repräsentiert insbesondere das Ermüdungsverhalten von Betonstahlmatten in guter Näherung. Andere geschweißte Verbindungen weichen mehr oder minder stark von dieser Wöhlerlinie ab; vor allem Laschenstöße besitzen nach Rehm u. a. (1981) aufgrund der ungünstigen
12 Nachweise gegen Ermüdung
Anordnung der Schweißnähte gegenüber der angegebenen Wöhlerlinie schlechtere Ermüdungseigenschaften. In Abb. 12.11 sind die Ergebnisse der in Rehm u. a. (1981) dokumentierten Versuche den maßgebenden Wöhlerlinien gegenübergestellt. Für tragende Verbindungen von Zugstäben in nicht vorwiegend ruhend beanspruchten Bauteilen sind nach DIN 1045-1 angesichts der Unterschiede zwischen den einzelnen Verfahren ausschließlich Stumpfstöße im Abbrennstumpfschweißverfahren zugelassen. Voraussetzung für die Verwendung geschweißter Verbindungen nach DIN 1045-1 ist die Ausführung der Schweißarbeiten nach DIN EN ISO 17660. Eine zusätzliche Abminderung der Ermüdungsfestigkeit durch Korrosionsnarben infolge Chloridangriffs ist bei geschweißten Stäben nicht erforderlich, da i. Allg. davon ausgegangen werden kann, dass ein Ermüdungsversagen angesichts der zeitlichen Verzögerung im Auftreten der Korrosion zuerst an der Schweißstelle eintritt. Allerdings erfordern extreme Bedingungen oder im Zuge von Bauwerksüberprüfungen festgestellte Lochfraßkorrosion auch bei geschweißten Betonstählen gesonderte Betrachtungen. Betonstahlverbindungen Mechanische Verbindungen, heute in vielfältigsten Formen verfügbar z. B. als Muffen- oder Pressmuffenstöße, Verbindungen mit Muffe und Scherbolzen, etc., haben mit geschweißten Verbindungen einen vorgegebenen Anriss – z. B. das Gewinde oder den Berührpunkt des Scherbolzens – gemeinsam. Die Ermüdungsfestigkeit ist daher gegenüber geraden Stäben z. T. deutlich reduziert. Kennwerte der Ermüdungsfestigkeiten bzw. Wöhlerlinien werden in den
Stumpfstoß Laschenstoß
Dss in N/mm² 500 400
EN 1992-1-1
300 DIN 1045-1
200 150 100 75 50 104
Stumpfstoß Stumpfstoß-Durchläufer Laschenstoß Laschenstoß-Durchläufer
105
106
107 Lastwechsel N [ - ]
Abbildung 12.11 Ergebnisse von Dauerschwingversuchen an geschweißten Betonstahlverbindungen (nach Rehm u. a. 1981)
12.2 Ermüdungsverhalten von Werkstoffen
449
log ΔσRsk log (f y - σmin) k1 1 log ΔσRsk (N*)
k2
log N*
1
Lastspielzahl log N
Abbildung 12.12 Allgemeine Form der Wöhlerlinie für Betonstahl
jeweiligen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen angegeben; auf eine Angabe von Kennwerten z. B. in DIN 1045-1 wird mit der Ausgabe 2008 angesichts des breiten Spektrums möglicher Werte verzichtet. Sofern in Zulassungen keine eigenen Wöhlerlinien sondern nur Kennwerte für ausgezeichnete Lastwechselzahlen angegeben werden, kann der Verlauf der Wöhlerlinie affin zu der für geschweißte Stäbe angenommen werden.
12.2.1.4 Wöhlerlinie für die Bemessung Die in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 angegebenen Wöhlerlinien für den Ermüdungsnachweis beziehen sich auf schweißgeeignete, gerippte Betonstähle in der jeweils normativ festgelegten Bandbreite der Streckgrenze. Eine Unterscheidung zwischen Stabstahl und Betonstahl in Ringen erfolgt nicht; allerdings gelten die Anforderungen bei Ringmaterial für den gerichteten Zustand. Die in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 enthaltenen, in doppeltlogarithmischem Maßstab bilinearen Wöhlerlinien nach Abb. 12.12 folgen Gl. (12.5) . m Rsk N D const ; ( k1 ; für N < N mit m D k2 ; für N N
(12.5a)
einer 5%-Quantile auf Grundlage einer Aussagewahrscheinlichkeit von 75% zu verstehen. Sofern ausreichend aussagekräftiges Datenmaterial zur Verfügung stand, wurden Wöhlerlinien mit Hilfe statistischer Verfahren abgeleitet. In Bereichen, die nicht umfassend durch Versuche abgesichert sind, stellen die Wöhlerlinien allerdings eher auf der sicheren Seite liegende Abschätzungen dar. Im Zeitfestigkeitsbereich bis zum Knickpunkt der Wöhlerlinie bei N Lastwechseln geben die Spannungsexponenten k1 die Versuchsergebnisse in guter Näherung wieder. Allerdings folgt die Festlegung eines Knickpunktes bei N D 106 bzw. 107 pragmatischen Überlegungen; ein Übergang zwischen Bereichen unterschiedlicher Neigungen der Wöhlerlinie wird für ungeschweißten Betonstahl bei Lastwechselzahlen zwischen 1 106 und 5 106 vermutet, bildet sich aber kaum als markanter Knick in experimentell ermittelten Wöhlerlinien ab. Da Dauerschwingversuche an Betonstählen mit Lastwechselzahlen oberhalb von 2 106 in weit geringerem Maße vorliegen, ist der anschließende Verlauf der Wöhlerlinie nur in beschränktem Umfang experimentell belegt; eine vorsichtige Festlegung der Spannungsexponenten k2 war daher unumgänglich. Als Folge der gewählten linearen Schädigungsakkumulationshypothese wurde auf die Angabe einer Dauerfestigkeit generell verzichtet, um eventuell vorhandene Vorschädigungen des Werkstoffes zu berücksichtigen. Einem Vorschlag von Haibach folgend, wurde i. d. R. k2 D 2 k1 1 gewählt (s. Abschn. 12.4.2.3). Zusätzlich ist die Abgrenzung der Spannungsschwingbreiten bei kleinen Lastwechselzahlen zu berücksichtigen: Die Spannungen und damit die Spannungsschwingbreiten werden durch die Grenzwerte, die im Rahmen der Nachweise für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit einzuhalten sind (z. B. Begrenzung der Betonstahlspannung auf 0;8fyk unter seltenen Lasten), eingeschränkt. Damit ist gleichzeitig eine Abgrenzung zur niederzyklischen Ermüdung (low cycle fatigue) gegeben.
(12.5b)
Die für die Festlegung der Wöhlerlinie erforderlichen 4 Parameter, die Kennwerte für den Knickpunkt der Wöhlerlinien (Rsk bei N Lastwechseln) sowie die Spannungsexponenten k1 für den Bereich N < N und k2 für N N , werden – unterschieden nach ungeschweißten (geraden und gebogenen) und geschweißten Stäben – in DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 angegeben. Grundsätzlich sind die Werte als charakteristische Ermüdungsfestigkeit im Sinne
12.2.1.5 Nachweis der Konformität Im Rahmen der Konformitätsprüfung – d. h. für den Nachweis der Übereinstimmung eines bestimmten Produkts mit normativen Vorgaben in Zusammenhang mit der Eigen- und Fremdüberwachung – kann natürlich nicht die vollständige Wöhlerlinie abgeprüft werden. Der Prüfumfang ist auf den Nachweis eines ausgesuchten Punktes der Wöhlerlinie begrenzt; z. B. wird mit der Neuausgabe von DIN 1045-1 der
450
12 Nachweise gegen Ermüdung DIN 1045-1 (
Dss in N/mm²
1
500 400
2
300
3
200
100
1 4
4
50
5 3
25
Betonstahl, gerade, ds £ 28 mm (DsRsk = 175 N/mm2, k1 = 5, k2 = 9, N* = 1.106) Betonstahl, gerade, ds > 28 mm (DsRsk = 145 N/mm2, k1 = 5, k2 = 9, N* = 1.106) geschweißte Stäbe, Matten (DsRsk = 85 N/mm2, k1 = 4, k2 = 5, N* = 1.106)
EN 1992-1-1 (
2
6
5
)
)
Betonstahl, gerade (DsRsk = 162,5 N/mm2, k1 = 5, k2 = 9, N* = 1.106) geschweißte Stäbe, Matten (DsRsk = 58,5 N/mm2, k1 = 3, k2 = 5, N* = 1.107) Kopplungen (DsRsk = 35 N/mm2, k1 = 3, k2 = 5, N* = 1.107)
6 10 4
10
5
10
6
10
7
10
8
10
9
10
1010
Lastwechsel N [ - ]
Abbildung 12.13 Wöhlerlinien für Betonstahl nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (EN: empfohlene Werte)
12.2.2.1 Spannstahl
prägt; mechanische Veränderungen der Oberfläche vor dem Einbau oder während des Betriebs können daher die Lebensdauer nachhaltig beeinflussen. Das Ermüdungsverhalten verschiedener Spannstähle wird neben der Stahlsorte und der Herstellungsart deutlich von der Ausprägung des einzelnen Spannglieds bestimmt. Glatte Einzeldrähte weisen höhere Ermüdungsfestigkeiten auf als profilierte Drähte, Litzen oder Stabspannglieder mit Gewinderippen. Daneben steigt mit der Spannstahlgüte (technische Streckgrenze und Festigkeit) die Ermüdungsfestigkeit an (Nürnberger 1981; Fernández-Cantelli u. a. 1984). Da Spannstähle im Vergleich zu Betonstählen deutlich empfindlicher gegenüber Korrosion reagieren, wird deren Ermüdungsfestigkeit durch Korrosion erheblich reduziert. Insbesondere lokal auftretende, chloridinduzierte Lochfraßkorrosion oder wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion wirken sich äußerst ungünstig auf das Ermüdungsverhalten aus. Nach Nürnberger (1981) wiesen Spannstahlproben, die 6 Monate im Freien gelagert waren und primär flächige Korrosion zeigten, eine um 36% verringerte Ermüdungsfestigkeit (2 106 Lastwechsel) auf, während bei Proben, die über den gleichen Zeitraum Sprühnebel aus Meerwasser ausgesetzt waren und deren Oberfläche Narben als Folge chloridinduzierter Lochfraßkorrosion aufwiesen, die Ermüdungsfestigkeit um 76% reduziert war.3 Korrosion von
Wie bei Betonstahl ist ein Ermüdungsversagen auch bei Spannstählen auf die Fortpflanzung von Rissen ausgehend von initiierenden Defekten oder geometrischen Diskontinuitäten an der Stahloberfläche zurückzuführen. Bei Spannstählen ist allerdings im Allgemeinen die Kerbempfindlichkeit deutlicher ausge-
3 Die statische Festigkeit des Spannstahls – technische Streckgrenze und Zugfestigkeit – wird durch Korrosion zunächst nur wenig beeinflusst; bei den zitierten Versuchen konnte selbst bei dem durch Lochfraßkorrosion geschädigten Spannstahl noch keine Reduktion festgestellt werden. Dauerschwingversuche eignen sich daher gut zur Quantifizierung der Korrosionsschädigung von Spannstahl.
Nachweispunkt mit dem Knickpunkt der Wöhlerlinie bei 1 106 Lastwechseln gleichgesetzt. Dabei handelt es sich um die reinen Materialeigenschaften geprüft an freien Proben und nach DIN 1045-1 übereinstimmend mit DIN 488 definiert als 5%-Quantil (EN 1992-1-1: 10%-Quantil, NDP). Die im Rahmen der Konformitätsprüfung nachzuweisenden Ermüdungsfestigkeiten sind in DIN 1045-1, Tabelle 11 enthalten (EN 1992-1-1: Tabelle C.2N).
12.2.2 Spannstahl und Spannglieder Spannglieder bestehen im allgemeinen Fall aus Spannstahl-Zuggliedern, Verankerungen, Kopplungen und ggf. Hüllrohren. Je nach Einsatz (z. B. bei Vorspannung mit oder ohne Verbund, bei umgelenktem Spanngliedverlauf) und betrachtetem Element (z. B. Verankerung oder Spannstahl auf freier Länge) unterscheiden sich die Ermüdungseigenschaften und Einflussgrößen. Die an einer freien Spannstahlprobe ermittelte Ermüdungsfestigkeit gibt noch keine erschöpfende Auskunft über das Ermüdungsverhalten eines Spannglieds.
12.2 Ermüdungsverhalten von Werkstoffen
451 DIN 1045-1 (
Dss in N/mm²
1
500 400 300
2
200
7 1 2
8
100
3
5
3 50
4
6
4
5
6 10 104
105
106
107
Spannglieder im sofortigen Verbund, Einzellitzen in Kunststoffhüllrohren (DsRsk = 185 N/mm2, k1 = 5, k2 = 9, N* = 1.106) gerade Spannglieder, gekrümmte Spannglieder in Kunststoffhüllrohren (DsRsk = 150 N/mm2, k1 = 5, k2 = 9, N* = 1.106) gekrümmte Spannglieder in Stahlhüllrohren (DsRsk = 120 N/mm2, k1 = 3, k2 = 7, N* = 1.106) Kopplungen und Verankerungen (DsRsk = 80 N/mm2, k1 = 3, k2 = 5, N* = 1.106)
EN 1992-1-1 (
25
108
109
10
10
Lastwechsel N [ - ] 7 8
)
)
Spannglieder im sofortigen Verbund, Einzellitzen in Kunststoffhüllrohren (DsRsk = 185 N/mm2, k1 = 5, k2 = 9, N* = 1.106) gerade Spannglieder, gekrümmte Spannglieder in Kunststoffhüllrohren (DsRsk = 150 N/mm2, k1 = 5, k2 = 10, N* = 1.106) gekrümmte Spannglieder in Stahlhüllrohren (DsRsk = 120 N/mm2, k1 = 5, k2 = 7, N* = 1.106) Kopplungen (DsRsk = 80 N/mm2, k1 = 5, k2 = 5, N* = 1.106)
Abbildung 12.14 Wöhlerlinien für Spannglieder nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (EN: empfohlene Werte)
Spanngliedern muss daher durch Maßnahmen, die auf die Dauerhaftigkeit der Spannbetonbauwerke abzielen, z. B. Begrenzung der Rissbreiten, Dekompressionsnachweis, etc., ausgeschlossen werden. Angaben zu abgeminderten Ermüdungsfestigkeiten für Spannstähle in korrosionsfördernder Umgebung, wie sie z. B. für Betonstahl zu finden sind, erübrigen sich daher. Bei Litzen kann es zudem zu Reibermüdung kommen (s. Abschn. 12.2.2.2).
12.2.2.2 Spannglieder Die in umfangreichen Versuchsreihen an freien Proben ermittelten Ermüdungsfestigkeiten verschiedener Spannstähle können allerdings nicht als repräsentativ für einbetonierte Spannglieder im Verbund angesehen werden. Deren Ermüdungsfestigkeit wird insbesondere durch: • Reibermüdung und • Einflüsse aus Verankerungen und Kopplungen. erheblich herabgesetzt. Große Bedeutung im Hinblick auf das Ermüdungsverhalten kommt bei Spannstählen der aus dem Maschinenbau seit langem bekannten und mit der Einführung der teilweisen Vorspannung auch im Spannbetonbau relevanten Reibkorrosion bzw. der damit verknüpften Reibermüdung zu. Die Oberfläche der Spannstähle wird durch Scheuerbewegungen in Verbindung mit Reibschweißerscheinungen und lokaler Oxidation der Kontaktbereiche geschädigt. An diesen Stellen entste-
hen Anrisse, die in weiterer Folge zu einem spröden Ermüdungsversagen des Spannstahls führen können Nürnberger (1981); Müller (1986); Oertle u. Thürlimann (1987). Bei Litzen führt die Querpressung der Drähte untereinander in Verbindung mit Scheuerbewegungen zwischen den Drähten zu Reibkorrosionseffekten und damit zu einer Verminderung der Ermüdungsfestigkeit gegenüber Einzeldrähten. Der Bruch geht dabei in den meisten Fällen von der Kontaktfläche eines Außendrahtes mit dem Kerndraht aus. Bei einbetonierten Spanngliedern entstehen die beschriebenen Reibkorrosionseffekte primär an Rissen – u. a. bedingt durch die dort auftretenden Relativverschiebungen zwischen Drähten und den Rippen von Stahlwellhüllrohren – und vermindern die Ermüdungsfestigkeit. Durch erhöhte Querpressungen bei Spanngliedumlenkungen werden die Effekte verstärkt und vermindern die Ermüdungsfestigkeit – abhängig vom verwendeten System – um bis zu 50% (bei 2 106 Lastwechseln) (Müller 1986; Cordes u. a. 2000). Bei gekrümmten Spanngliedern vermindern Kunststoffhüllrohre gegenüber Stahlwellhüllrohren Reibkorrosionseinflüsse (vgl. Rigon u. Thürlimann 1985; Hegger u. Abel 1999). Vor dem Hintergrund des Korrosionsschutzes der Spannglieder durch Hüllrohre sei erwähnt, dass nicht nur die Spannglieder selbst, sondern aufgrund des Verbundes auch die Hüllrohre Spannungswechseln unterliegen. Dabei weisen Stahlhüllrohre bereits bei geringen Lastwechselzahlen erste Anrisse auf, während die weicheren Kunststoffhüllrohre gegenüber zyklischen Beanspruchungen weitgehend unempfindlich reagieren (Cordes u. a. 2000).
452
Besonders kritisch erweisen sich bei Spanngliedern Verankerungen und Kopplungen,4 unabhängig davon, ob der Verankerungsmechanismus der Zugglieder auf Formschluss (aufgestauchte Köpfchen, Gewinde, o. ä.) oder auf Reibschluss (Keil- und Klemmverankerungen) aufbaut. Vor allem Reibkorrosionseffekte zwischen Spannstahl und den Verankerungselementen führen zu deutlichen Einbußen der Ermüdungsfestigkeit gegenüber der freien Länge des Spannglieds. Durch eine optimierte Formgebung der Verankerungselemente, insbesondere der Keile (z. B. Zahngeometrie) bei Keilverankerungen, lässt sich die zyklische Beanspruchbarkeit zwar verbessern, oft führt dies aber zu einer verminderten Tragfähigkeit unter statischer Belastung (vgl. Rehm u. a. 1977). Zu Kopplungen liegen nur wenige systematische Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten vor (Kordina u. Günther 1982; König u. Sturm 1993; Danielewicz 1994) zugleich existiert eine große Bandbreite unterschiedlicher Bauformen. In der Neuausgabe von DIN 1045-1 wird daher, im Unterschied zu EN 1992-11, auf die Angabe spezifischer Wöhlerlinien für Kopplungen – die ohnehin nur als untere Grenzlinien gelten können und allenfalls grobe Anhaltswerte für eine Vordimensionierung liefern – verzichtet. Ermüdungsfestigkeiten für konkrete Spannglieder sind stets den entsprechenden allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen bzw. Europäischen Technischen Zulassungen zu entnehmen.
12.2.2.3 Wöhlerlinien für die Bemessung Die in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 wiedergegebenen Wöhlerlinien sind als unterer Grenzwert der Ermüdungsfestigkeit aus einer summarischen Zusammenfassung aller Versuchsergebnisse zu sehen. Dabei wurden mögliche Reibkorrosions- bzw. Reibermüdungseinflüsse durch eine Differenzierung zwischen Einzellitzen in Kunststoffhüllrohren, geraden Spanngliedern und gekrümmten Spanngliedern in Kunststoff- oder Stahlwellhüllrohren berücksichtigt (s. Abb. 12.14). Speziell die Wöhlerlinie für gekrümmte Spannglieder in Stahlhüllrohren geht auf Untersuchsergebnisse in Bökamp u. a. (1990) zurück. 4 Verankerungen werden häufig in Tragwerksbereichen angeordnet, in denen nur mehr geringe Schwingbreiten der Spannstahlspannungen auftreten. In EN 1992-1-1 werden daher in Verbindung mit Wöhlerlinien nur Kopplungen erwähnt; verminderte Ermüdungsfestigkeiten gelten aber natürlich auch für Verankerungen, sofern diese durch wesentliche zyklische Kräfte beansprucht werden können.
12 Nachweise gegen Ermüdung
Im Rahmen normativer Regeln kann nicht zwischen einzelnen Spannverfahren unterschieden werden; dementsprechend können Wöhlerlinien, die in bauaufsichtlichen Zulassungen angegeben werden, bzw. die durch Versuche zusammen mit einer Zustimmung im Einzelfall nachgewiesen werden, gegebenenfalls günstigere Werte enthalten.
12.2.3 Beton Die Angaben zum Ermüdungsnachweis von Beton in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 gelten grundsätzlich für alle im Regelungsumfang der Norm enthaltenen Normalbetone. Die in der Vergangenheit als hochfest bezeichneten Betone der Festigkeitsklassen oberhalb C50/60 können nach König u. a. (2001) aufgrund des prinzipiell ähnlichen Verhaltens ebenfalls mit den für Normalbetone abgeleiteten Regeln erfasst werden. Dies gilt ohne Einschränkung allerdings nicht für Leichtbetone. Hier können die aus Wöhlerlinien abgeleiteten Nachweisformate nur angewendet werden, wenn die Gleichwertigkeit des Leichtbetons nachgewiesen wird (König u. Faust 2003).
12.2.3.1 Schädigungmechanismus Der Schädigungsprozess von Beton, der zyklischen Druckbeanspruchungen unterliegt, ähnelt dem bei statischer Belastung. Bereits in unbelastetem Zustand weist Beton infolge des Schwindens der Zementsteinmatrix Mikrorisse an den Grenzflächen zu den Zuschlagkörnern auf. Die Mikrorisse vereinigen sich durch zyklische Beanspruchung zu makroskopischen Rissen und führen letztlich zum Versagen des Betons. Wie bei metallischen Werkstoffen ist auch bei Beton ein dreiphasiger Schädigungsfortschritt, ausgehend von der – bei Beton aufgrund der Vorschädigung nur kurzen – Phase der Rissentstehung über das stabile Risswachstum bis zum instabilen Rissfortschritt während der letzten ca. 15% der Lastwechsel zu beobachten (s. Abb. 12.15). Der Schädigungsfortschritt geht hier, im Gegensatz zu Stahl, mit Verformungen einher, die das Versagen in begrenztem Umfang ankündigen. Generell ist bei Beton zwischen Ermüdung infolge Druck-, Zug- oder Wechselbeanspruchung zu unterscheiden. Aus der Fülle der Forschungsarbeiten zur Betonermüdung seien stellvertretend Tepfers u. Kutti (1979); Holmen (1979) und Klausen u. Weigler (1979) herausgegriffen; in König u. Danielewicz (1994) und
12.2 Ermüdungsverhalten von Werkstoffen
453 Ecd,max
bezogene Schädigung S/Su
1,0
1,00 0,80 0,60
lm Pa Dsc = 0,64 fc Dsc = 0,54 fc Dsc = 0,54 fc Dsc = 0,50 fc
0,40 0,20
gre
n
i -M
ne
r-
H
o yp
the
se
Ecd,min = 0,8
0,8
Ecd,min = 0,6
0,6
Ecd,min = 0,4
su = 0,20 fc
0,4
su = 0,35 fc
Ecd,min = 0,2 0,2
0
0
0,20
0,40
0,60 0,80 1,00 bezogene Lastspielzahl n/N
Abbildung 12.15 Schädigungsverlauf bei druckbeanspruchten Betonzylindern im Einstufenversuch (nach Weigler u. Klausen 1979) (Schädigungswert mit Schallemissionsanalyse ermittelt)
RILEM (1994a) ist darüber hinaus eine Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse zur Betonermüdung dargestellt. 12.2.3.2 Wöhlerlinien von druckbeanspruchtem Beton Die Ergebnisse von Einstufenversuchen zeigen – im Gegensatz zu metallischen Werkstoffen – eine deutliche Abhängigkeit der ertragbaren Lastspielzahl von der Mittelspannung. Mit wachsender Mittelspannung nimmt bei gleichen Schwingbreiten die Bruchschwingspielzahl ab. Weitere Einflussparameter wie Betonzusammensetzung oder Betonfestigkeitsklasse treten demgegenüber in den Hintergrund. Weder in DIN 1045-1 noch in EN 1992-1-1 werden Wöhlerlinien für Beton angegeben. Allerdings basieren die darin enthaltenen Regelungen für vereinfachte Nachweise mit Hilfe schädigungsäquivalenter Spannungen bzw. Spannungsbegrenzungen auf ein Quasi-Dauerfestigkeitsniveau auf einer in Danielewicz (1994) angegebenen Formulierung der Wöhlerlinien nach Gl. (12.6).5 1 Ecd;max log N D 14 p 1R
(12.6)
5 Mit der Neuausgabe von DIN 1045-1 wurden die Bezeichnungen korrigiert: max jcd j bezeichnet die betragsmäßig größte Druckspannung – nach Vorzeichenkonvention in DIN 1045-1 (Druckspannungen negativ) also die kleinste Spannung cd;min (in EN 1992-1-1 mit cd;max bezeichnet, da Druckspannungen positiv in die jeweiligen Gleichungen eingesetzt werden müssen), während min jcd j die betragsmäßig kleinste Druckspannung – also cd;max (in EN 1992-1-1 mit cd;min bezeichnet) angibt.
0 10 0
Ecd,min = 0 10
3
6
10
10
9
12
15
10 10 Lastwechsel N [ - ]
Abbildung 12.16 Wöhlerlinien druckbeanspruchten Betons
Hierbei ist max jcd j ; fcd;fat min jcd j ; Ecd;min D fcd;fat Ecd;min RD ; Ecd;max
Ecd;max D
fck fcd;fat D ˇcc .t0 / fcd 1 : 250
(12.7a) (12.7b) (12.7c) (12.7d)
Die Ermüdungsfestigkeit wird bei Beton auf die statische Festigkeit bezogen. Zur Berücksichtigung der Nacherhärtung zum Zeitpunkt t0 am Beginn der zyklischen Belastung gegenüber dem Wert nach 28 Tagen darf ein Festigkeitszuwachs mit dem Faktor ˇcc berücksichtigt werden (s. Gl. 3.13). Die größere Materialsprödigkeit bei höheren Betonfestigkeiten wird durch den von fck abhängigen Korrekturfaktor in Gl. (12.7d) erfasst. In Abb. 12.16 sind die Wöhlerlinien nach Gl. (12.6) im halblogarithmischen Maßstab dargestellt; der Parameter Ecd;min bezeichnet die Unterspannung (die betragsmäßig kleinere Druckspannung) und dient in dieser Darstellung als Scharparameter. Durch den Bezug auf den Bemessungswert der statischen Festigkeit werden nach König u. Danielewicz (1994) die Streuungen der Ermüdungsfestigkeit in ausreichendem Maße berücksichtigt, die Wöhlerlinie beschreibt folglich die Mittelwerte der Versuchsergebnisse. Ergänzend sei angemerkt, dass die Wöhlerlinien ursprünglich auf der Grundlage der Definition des Bemessungswertes der Druckfestigkeit fcd D fck = c;fat entsprechend ModelCode 90 abgeleitet wurden. Durch die Übernahme in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 enthält fcd zusätzlich den Dauerstandfaktor ˛c (bzw. ˛cc nach EN 1992-1-1), der zumindest in DIN 1045-1 we-
454
12 Nachweise gegen Ermüdung
gen ˛c < 1;0 als zusätzliches Sicherheitselement zu verstehen ist.
die vereinfachten Nachweise auf den Wöhlerlinien nach Gl. (12.6) (s. Abb. 12.16).
12.2.3.3 Betonermüdung bei Zugschwellund Wechselbeanspruchung
Betonstahl Die Wöhlerlinien für Betonstahl sind in Abb. 12.13 wiedergegeben; die maßgebenden Paramter enthält Tabelle 12.1. Hierbei bezeichnen:
Zur Ermüdung zugbeanspruchten Betons stehen – einerseits aufgrund der komplexeren Versuchsdurchführung, andererseits auch wegen der untergeordneten Bedeutung im Rahmen der Bemessung – gegenüber druckbeanspruchtem Beton deutlich weniger Untersuchungen zur Verfügung. Ein Überblick über bekannte Versuchsergebnisse in Kessler-Kramer (2002) offenbart, dass die Ermüdungsfestigkeit bei Zugschwellbeanspruchung schon bei geringen Schwingbreiten erheblich abnimmt, die Ergebnisse allerdings auch mit großen Streuungen behaftet sind. In Cornelissen u. Reinhardt (1984) wird ein modifiziertes GoodmanDiagramm für zugbeanspruchten Beton angegeben. Generell sollte aber – unter anderem wegen i. d. R. nur ungenügend erfasster Einflüsse (z. B. Zwangspannungen) und der fehlenden Absicherung der Betonzugfestigkeit durch Konformitätsnachweise – von der Anrechnung des Betons auf Zug parallel zum gezogenen Rand abgesehen werden. Für die Bemessungspraxis von größerer Relevanz sind Beanspruchungen im Spannungswechselbereich mit Unterspannungen im Druckbereich, z. B. bei vorgedrückten Zugzonen von Spannbetonbauteilen. Die wenigen hierzu vorliegenden Versuche nach Cornelissen u. Reinhardt (1984) und Weigler u. Rings (1987) lassen vermuten, dass die Ermüdungsfestigkeit im Wechselbereich rapide abnimmt. Der deutlich beschleunigte Schädigungsfortschritt wird u. a. durch die aus Zug- und Druckspannungen entstehenden, jeweils unterschiedlich orientierten Mikrorisse erklärt, die im Gegensatz zu Schwellbeanspruchungen das gesamte Zuschlagkorn umlaufen. Bereits bei Unterspannungen c;min von 10% der Druckfestigkeit fcm fällt die 1 106 Lastwechseln zugeordnete Zugermüdungsfestigkeit des Betons auf ca. 40% der statischen Kurzzeitfestigkeit fctm ab. Die Anwendung von vereinfachten Ermüdungsnachweisen für Beton unter Wechselbeanspruchung (s. Abschn. 12.4.3 und 12.4.4) sollte daher mit Vorsicht erfolgen. Normenregelung nach DIN 1045-1 In DIN 1045-1, 10.8.3 finden sich die kennzeichnenden Parameter der Wöhlerlinien für Betonstahl und Spannstahl; die in doppeltlogarithmischen Maßstab bilinearen Wöhlerlinien folgen allgemein Gl. (12.5) (s. Abb. 12.12). Für druckbeanspruchten Beton werden keine expliziten Kenngrößen der Ermüdungsfestigkeit angegeben, allerdings basieren
N Rsk k1 k2
Knickpunkt der Wöhlerlinie charakteristischer Wert der Ermüdungsfestigkeit bei N Lastwechseln Spannungsexponent des Zeitfestigkeitsbereichs N N Spannungsexponent des Dauerfestigkeitsbereichs N > N .
Von Tabelle 12.1 abweichende Kennwerte können durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen oder eine Zustimmung im Einzelfall vereinbart werden. Spannstahl Die Wöhlerlinien von Spannstahl und Spanngliedern sind in Abb. 12.14 wiedergegeben; die zugehörigen charakteristischen Kenngrößen finden sich in Tabelle 12.2. Durch bauaufsichtliche Zulassungen oder Zustimmungen im Einzelfall können von Tabelle 12.2 abweichende Werte festgelegt werden, müssen sich aber auf den eingebauten Zustand beziehen.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 In EN 1992-1-1, 6.8.4 werden – analog zu DIN 1045-1 – lediglich die Wöhlerlinien für Betonstahl und Spannstahl angegeben. Die kennzeichnenden Parameter finden sich in den Tabellen 12.1 und 12.2. Dabei sind alle Kenngrößen der Wöhlerlinien länderspezifisch festzulegen, lediglich die in doppeltlogarithmischem Maßstab bilineare Form ist vorgegeben.
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung 12.3.1 Bauteilverhalten – Versagensmechanismen Bewehrte Betonbauteile weisen unter zyklischer Beanspruchung Versagensformen auf, die im Grunde denen bei statischer Beanspruchung entsprechen, allerdings bei deutlich kleineren Belastungen eintreten. Der für die Bemessung eines Bauteils maßgebende Versagensmechanismus kann allerdings bei statischer und zyklischer Beanspruchung verschieden sein. Versuche an Spannbeton-Eisenbahnschwellen nach Lambotte u. Baus (1963) führen dies vor Augen: Unter statischen Lasten konnte ein Versagen der Schwellen durch Biegedruckbrüche oder infolge eines Schub- bzw. Ver-
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung
455
Tabelle 12.1 Betonstahl – Kenngrößen der Wöhlerlinien für die Bemessung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (empfohlene Werte und länderspezifisch festzulegende Parameter)
Tabelle 12.2 Spannstahl – Kenngrößen der Wöhlerlinien für die Bemessung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (empfohlene Werte und länderspezifisch festzulegende Parameter)
DIN 1045-1
EN 1992-1-1 (NDPs) EU
D
A
EU
EU
gerade und gebogene Stäbe ds 28 mm
DIN 1045-1
1 106
1 106
k1
5
5
k2
9
9
1 106 162;5
175
195
Rsk .N /
k1
5
5
EU
EU
k2
9b
9
EU
EU
a
Rsk .N /
175
gerade und gebogene Stäbe ds > 28 mm c Rsk .N /a
145
162;5
D
A
EU
EU
EU
EU
im sofortigen Verbund
1 106
N
EN 1992-1-1 (NDPs) EU
145
N
185
185
Einzellitzen in Kunststoffhüllrohren 195
1 106
1 106
k1
5
5
k2
9
9
N Rsk .N /
geschweißte Stäbe, Matten d
185
185
1 106
1 107
1 106
EU
85
60
k1
4
3
4
EU
gerade Spannglieder,
k2
5
5
5
EU
gekrümmte Spannglieder in Kunststoffhüllrohren
N Rsk .N /
85
58;5
1 107
–
EU
Rsk .N /
–
35
–
60
k1
–
3
–
EU
k2
–
5
–
EU
1 106
EU
150
EU
k1
5
5
EU
k2
9
10
9
Rsk .N /
–
N
1 106
N
Kopplungen
a
Für gebogene Stäbe mit dbr 25ds ist Rsk mit dem Reduktionsfaktor 1 D 0;35 C 0;026dbr =ds zu multiplizieren. b Für die Expositionsklassen XC2, XC3, XC4, XS und XD sollte das erhöhte Korrosionsrisiko berücksichtigt werden. Sofern keine genaueren Erkenntnisse vorliegen, kann 5 k2 < 9 angenommen werden. c Die übrigen Kenngrößen k1 , k2 und N sind gegenüber Stäben mit ds 28 mm unverändert. d Die Ermüdungsfestigkeit von geschweißten Stäben liegt stets unter derjenigen von ungeschweißtem Betonstahl, d. h. die Wöhlerlinie nach EN 1992-1-1 weist einen zusätzlichen Knick beim Übergang in diejenige für gerade Stäbe bei ca. N 1;5 105 bzw. Rsk D 238 MPa auf.
bundversagens beobachtet werden, während unter zyklischer Beanspruchung in allen Fällen Ermüdungsbrüche der Spannbewehrung das Versagen auslösten. Bei üblichen Bauteilen wird unter Voraussetzung normgemäßer Bemessung in aller Regel das Versagen der Bewehrung und somit das Ermüdungsverhalten des Stahls maßgebend. Im Gegensatz zum Stahlversagen bei statischer Überbelastung erfolgt ein Ermüdungsbruch wegen des spröden Stahlversagens ohne deutliche plastische Verformungen der Bewehrungsstäbe, d. h. ohne Vorankündigung. Hingegen wird das weniger häufige Ermüdungsversagen der Biegedruckzone bzw. des druckbeanspruchten Stegbetons aufgrund der sukzessiven Gefügeschädigung und möglicher Span-
150
EU
gekrümmte Spannglieder in Stahlhüllrohren 1 106
1 106
EU
120
EU
k1
3
5
3
k2
7
7
EU
N
Rsk .N /
120
EU
Kopplungen und Verankerungen 1 106
1 106 80
–
k1
3
5
–
k2
5
5
–
N Rsk .N /
80
– EU
nungsumlagerungen in der Druckzone durch große Verformungen eingeleitet (u. a. Hashem 1986). Auswirkungen zyklischer Beanspruchungen auf das Gebrauchsverhalten Nicht zu trennen vom Ermüdungsverhalten der Werkstoffe ist die Veränderung der Gebrauchseigenschaften bei zyklischer Beanspruchung. Die kontinuierliche Verminderung der Verbundwirkung zwischen Bewehrung und Beton führt zu einer verringerten Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen und damit in der Regel zu größeren Rissbreiten. Zusammen mit der abnehmenden Steifigkeit des druckbeanspruchten
456
Betons, unter anderem als Folge der zunehmenden Schädigungen durch Mikrorissbildung, ergeben sich größere Bauteilverformungen, die unter Umständen die Gebrauchstauglichkeit einschränken. Allerdings werden diese Effekte i. Allg. bereits in Nachweisen in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit berücksichtigt. So wird die Abnahme der Verbundwirkung der Bewehrung analog zu Verbundkriecheffekten bereits im Völligkeitsbeiwert ˇt erfasst (s. Abschn. 10.3.4) (vgl. Rehm u. Eligehausen 1977; Balázs 1991). Gesonderte Nachweise der Gebrauchseigenschaften sind daher bei zyklischer Beanspruchung i. d. R. nicht erforderlich.
12.3.2 Betriebslasten 12.3.2.1 Allgemeines Bei einem Ermüdungsnachweis müssen anstelle extremaler Beanspruchungen die tatsächlich während des Betriebs auftretenden Lasten betrachtet werden. Einwirkungen auf Bauwerke werden nach ihrem Charakter in ständige und veränderliche Beanspruchungen unterteilt (s. Abschn. 2.3.2.2). Die ständigen Einwirkungen wie Eigengewichtslasten, Vorspannkräfte und -momente oder Zwang aus Baugrundbewegungen bewirken keine wechselnden Beanspruchungen und sind damit nicht unmittelbar ermüdungsrelevant. Zu den veränderlichen Einwirkungen zählen neben Verkehrslasten u. a. Temperaturlasten, Windbeanspruchungen, etc. Veränderliche Einwirkungen werden primär dann ermüdungsrelevant, wenn sie während der Lebensdauer des Bauwerks oder Bauteils Beanspruchungen hervorrufen, die mehr als 1 104 mal signifikanten Änderungen unterworfen sind. Vorausgesetzt werden muss, dass die Beanspruchungen nicht zu irreversiblen, plastischen Verformungen und damit zu einem vorzeitigen niederzyklischen Ermüdungsversagen (low cycle fatigue) führen. Quellen ermüdungsrelevanter, sog. nicht vorwiegend ruhender Einwirkungen sind u. a.: • Überfahrt von Fahrzeugen (fließender Straßenverkehr, Anlieferungsverkehr) • Eisenbahnverkehr • Krane, Hebezeuge, Gabelstapler • Maschinen • böiger Wind • Wellenschlag. Niederzyklische Einwirkungen wie etwa Temperaturbeanspruchungen sind zwar aufgrund der geringen
12 Nachweise gegen Ermüdung
Lastwechselzahlen nicht unmittelbar ermüdungswirksam, müssen aber bei ausgeprägt nichtlinearem Zusammenhang zwischen Schnittgrößen und Spannungen – insbesondere bei Spannbetonbauteilen – bei der Ermittlung der Grundbeanspruchung berücksichtigt werden (s. Abschn. 12.3.5). Ermüdungslasten werden i. d. R. als statisch wirkend betrachtet. Auftretende dynamische Effekte aus der Wechselwirkung zwischen Einwirkung und Tragwerk werden meist summarisch durch eine Vergrößerung der statischen Last mit Erhöhungsfaktoren, den sog. Schwingbeiwerten bzw. dynamischen Vergrößerungsfaktoren, berücksichtigt. Bei einigen Bauten trägt die dynamische Reaktion – d. h. die durch zyklische Einwirkungen ausgelösten Schwingungen des Tragwerks – in erheblichem Maß zur Beanspruchung bei. In diesen Fällen wird zur wirklichkeitsnahen Ermittlung der Schnittgrößen eine dynamische Berechnung erforderlich (s. Abschn. 12.3.3). Dies gilt z. B. für Schornsteine (Windanregung), Maschinenfundamente (Anregung durch rotierende Massen, vgl. DIN 1055-10) oder für die häufig in Spannbeton ausgeführten Turmschäfte von Windenergieanlagen (Anregung aus böigem Wind und Drehbewegung des Rotors) (vgl. Grünberg u. a. 2006). Bei Brücken ist die Erfordernis dynamischer Berechnungen primär auf Eisenbahnbrücken begrenzt, die ein Resonanzrisiko aufweisen, d. h. bei denen eine Eigenfrenquenz in der Nähe der Anregungsfrequenz bei Zugüberfahrt liegt.6
12.3.2.2 Lastmodelle Die Wahl des Lastmodells für einen Ermüdungsnachweis ist davon abhängig, auf welcher Stufe der Nachweis geführt wird (s. Abschn. 12.1.3.2 und 12.4.1): • Stufe 1 Dem Quasi-Dauerfestigkeitsnachweis werden die Spannungen aus der häufigen Einwirkungskombination des Grenzzustandes der Gebrauchstauglichkeit bzw. einer dazu ähnlichen Kombination zugrunde gelegt (s. Abschn. 12.4.4) • Stufe 2 Für den Nachweis über schädigungsäquivalente Spannungensschwingbreiten sind spezielle Lastmodelle erforderlich, die bei vorgegebener Lastwechselanzahl eine zur tatsächlichen Betriebsbelastung gleichwertige Schädigung des Bauteils bzw. Werkstoffes hervorrufen (s. Abschn. 12.4.3). 6
vgl. hierzu Resonanznachweis nach Richtlinie 804 der DB AG bzw. Bagayoko (2005).
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung
457
Aus dieser Definition wird deutlich, dass die Eigenschaften der jeweils betrachteten Wöhlerlinien in das Lastmodell einfliessen. Wegen der äußerst aufwändigen Ableitung schädigungsäquivalenter Lastmodelle liegen solche nur für wenige Anwendungsfälle vor; im Einzelnen für Straßenund Eisenbahnbrücken (vgl. DIN-FB 101 bzw. EN 1992-2) sowie für Kranbahnen (vgl. DIN 105510 bzw. EN 1991-3). Für einfache Fälle (! übliche Hochbauten) werden Näherungen angegeben. • Stufe 3 Für den expliziten Betriebsfestigkeitsnachweis wird eine realistische Beschreibung der Betriebslasten nach Lasthöhe und Auftretenshäufigkeit erforderlich.
(1) Einstufenbeanspruchung (Turbinenfundament; Wöhlerversuch) (2) Überlinearer Verlauf (Kranbahn) (3) Linearer Verlauf (4) Unterlinearer Verlauf (Wind, Verkehr)
Wirklichkeitsnähe und Komplexität der Lastmodelle nehmen mit der Nachweisstufe zu; insbesondere die zusätzliche zeitliche Dimension, die Auftretenshäufigkeit verschiedener Belastungszustände, und damit die Notwendigkeit einer realistischen Vorhersage über die gesamte Lebensdauer des Tragwerks, bereiten häufig Schwierigkeiten.
12.3.2.3 Darstellung von Betriebslasten Betriebslasten – d. h. Lastmodelle für den Nachweis auf Stufe 3 – können in unterschiedlichen Abstraktionsstufen und Darstellungsformen zur Verfügung gestellt werden. Die geläufigsten Formen sind: • Lastbild und zugehörige Häufigkeit, • Beanspruchungskollektiv. Im ersten Fall – der wesentlich anschaulicheren Darstellungsweise – werden Lastbilder, d. h. Einzel- oder Flächenlasten in vorgegebener Anordung, einschließlich der Häufigkeit ihres Auftretens während der Lebensdauer des Bauwerks vorgegeben. Als Beispiel seien Straßenbrücken angeführt: DIN-FB 101 sieht mit dem Ermüdungslastmodell 3 ein Einzelfahrzeug mit 4 Achsen von jeweils 120 kN Achslast vor, das bei Bauwerken im Zuge von Bundesautobahnen 2 106 mal je Jahr die Brücke befährt.7 7
Das Ermüdungslastmodell 3 darf zwar einem expliziten Betriebsfestigkeitsnachweis zugrunde gelegt werden, im engeren Sinne handelt es sich allerdings bereits um ein schädigungsäquivalentes Einzelfahrzeug, das die Schädigung durch den realen Schwerverkehr repräsentiert. In EC 1-3 ist mit dem Ermüdungslastmodell 4 zusätzlich ein wirklichkeitsnäheres Lastmodell angegeben. Es besteht aus 5 Schwerfahrzeugen mit unterschiedlichen Achsanordnungen und Gesamtgewichten von 20 bis 49 t sowie zugehörigen prozentualen Anteilen am Schwerverkehr (vgl. Zilch u. a. 2004).
Fi / Fmax 1,0
(1) (2)
(3) (4) 0
1,0
ni / N
Abbildung 12.17 Idealisierte Lastkollektive
Für Beanspruchungskollektive werden die auftretenden Lasten in Summenhäufigkeitslinien dargestellt. Aus den üblicherweise normierten Kollektiven kann der Zusammenhang zwischen der auftretenden Last und deren Auftretenshäufigkeit als Anteil der gesamten Lastspiele abgelesen werden. Kollektive beschreiben also idealisiert die Zusammensetzung der Betriebslasten. Vervollständigt werden derartige Kollektive durch die Angabe der Maximallast und die Gesamtanzahl der Lastspiele. In Abb. 12.17 sind idealisierte Lastkollektive für verschiedene Bauteile und Beanspruchungsarten exemplarisch dargestellt. Bei Maschinenfundamenten werden durch die Anregungsfrequenz der Anlagen im Extremfall ausschließlich Spannungsschwingbreiten mit konstanter Amplitude erzeugt (vgl. DIN 1055-10). Die Beanspruchung erfolgt in diesem Fall wie bei einem Einstufen- oder Wöhlerversuch; das Kollektiv entartet zu einer konstanten Funktion auf dem Niveau der Maximallast. Kollektive für Kranbahnen zeigen typischerweise einen überlinearen Verlauf; die Anteile schwerer Lasten am gesamten Lastaufkommen dominieren. Allerdings gehen die normativ in DIN 4112 oder DIN 15018 gefassten Kranbahnkollektive, die zukünftig durch die Regelungen in DIN 1055-10 abgelöst werden, auf Messungen an Stahlkranbahnen in Hüttenwerken zurück (vgl. Schweer 1964). Im Unterschied zu Kranbahnen führen typische Verkehrslastverteilungen auf Straßenbrücken zu unterlinearen Kollektivverläufen mit wenigen schweren und einer Vielzahl leichter Fahrzeuge. Mit wachsendem Schwerverkehrsanteil nimmt allerdings die Völligkeit des Kollektivs zu. Werden ausschließlich LKWKollektive betrachtet, zeigen sich ebenfalls typische überlineare Verläufe ähnlich denen bei Kranbahnen (vgl. König u. Seifert 1991).
458
Für einen Betriebsfestigkeitsnachweis müssen Lastkollektive noch zu Spannungskollektiven aufbereitet werden, d. h. Schnittgrößen- und Spannungsermittlung sind auf Basis der Kollektive durchzuführen. Sofern ein Lastwechsel – z. B. die Überfahrt eines LKWs oder einer Kranbahn – mehrere Spannungsschwingbreiten hervorruft, müssen ergänzend Zählverfahren angewandt werden (s. Abschn. 12.3.4). In einigen Fällen, für Kranbahnen8 z. B. aufbereitet in DIN 4112, liegen die Kollektive bereits weitgehend abstrahiert und unabhängig von den tatsächlichen Belastungsvorgängen auf dem Niveau der Spannungsschwingbreiten als Spannungskollektive vor. Sofern keine normativ gefassten Lastbilder oder Lastkollektive vorliegen, sollte die Ableitung von Betriebslasten stets der Prämisse größter Wirklichkeitsnähe folgen. Allerdings ist mit realistischen Lastbildern stets ein expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis verknüpft. Dem gegenüber ist eine Ableitung schädigungsäquivalenter Lastbilder aus realen Lasten nicht ohne eine Betrachtung der hervorgerufenen Schädigung möglich; für diesen Fall ist auf konservative Näherungen zurückzugreifen. Die in DIN 1055-3 oder EN 1991-1-1 angegebenen Lastmodelle für nicht vorwiegend ruhende Lasten aus Gegengewichtsstaplern oder Fahrzeugen bei Hofkellerdecken sind dagegen als stark vereinfachte Beschreibung von Betriebslasten zu sehen, die ohne ergänzende Überlegungen nur in Verbindung mit Nachweisstufe 1 angewendet werden sollten. Generell sollten Lastmodelle für Ermüdungsnachweise frühzeitig mit den wesentlichen Parteien (Bauherren, Behörden, Prüfingenieur, etc.) vereinbart werden; ggf. können Nutzungseinschränkungen erforderlich werden.
12.3.3 Schnittgrößenermittlung Generell ist bei der Schnittgrößenermittlung zwischen den Auswirkungen dynamischer und nicht vorwiegend ruhender Beanspruchungen zu unterscheiden. Um dynamische Probleme handelt es sich immer dann, wenn aus der Wechselwirkung des Tragwerks mit den zyklischen Lasten – d. h. aus den angeregten Schwingungen – die Beanspruchungen und/oder die Anzahl der 8
DIN 4112 zur Berechnung von Kranbahnen aus Stahlbeton und Spannbeton ist zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches – Sommer 2009 – nach wie vor in der Musterliste der technischen Baubestimmungen aufgeführt, somit auch zum Ermüdungsnachweis bei Kranbahnen heranzuziehen.
12 Nachweise gegen Ermüdung
Schwingspiele gegenüber der rein statischen Wirkung der Last deutlich vergrößert wird. Dynamische Probleme, z. B. bei Schwingungen des Tragwerks aus der Anregung durch rotierende Massen bei Maschinenfundamenten, erfordern zur Ermittlung der Beanspruchungen die Verfolgung der dynamischen Reaktionen des Tragwerks auf die Anregung z. B. mit Hilfe der Lösung von Bewegungsgleichungen in Form gekoppelter Differentialgleichungen. In Eibl u. Häußler-Combe (1997) oder Petersen (1996) werden die hierfür zur Verfügung stehenden Verfahren beschrieben. Dagegen werden nicht vorwiegend ruhende Lasten zunächst als statisch wirkend betrachtet. Die Auswirkungen der nicht ruhenden Belastung gegenüber einer gleich großen statischen Last werden über dynamische Vergrößerungsfaktoren erfasst. Weniger klar als dynamische oder nicht vorwiegend ruhende Belastung einzuordnen sind dagegen Einwirkungen aus böigem Wind oder Wellenschlag – per se dynamische Einwirkungen mit stochastischem Charakter. Die Beanspruchungen des Tragwerks werden hier zum einen durch Windgeschwindigkeit oder Frequenz des Wellengangs, zum anderen durch die dynamische Reaktion des Tragwerks, d. h. durch die Schwingungsanregung in dessen Eigenfrequenzen bestimmt. Sofern bei Bauwerken Wind oder Wellenschlag in Verbindung mit einem Betriebsfestigkeitsnachweis zu berücksichtigen sind, empfiehlt sich eine dynamische Untersuchung des Tragwerks. Im Regelfall, bei dem Lasten als quasi-statisch wirkend angenommen werden, können die Schnittgrößen auf Basis der Elastizitätstheorie ermittelt werden. Bei statisch unbestimmten Systemen ist eine Berücksichtigung gerissener Bereiche durch verminderte Querschnittssteifigkeiten möglich (vgl. Abschn. 13.2), da sich ein weitgehend endgültiges Rissbild bereits nach wenigen Lastwechseln einstellt (vgl. Frey u. Thürlimann 1983). Sofern das Grundmoment aus ständigen Lasten und Temperaturwirkung wesentlichen Einfluss auf die Spannungsschwingbreiten besitzt – d. h. insbesondere bei vorgespannten Bauteilen – müssen die Auswirkungen des zeitabhängigen Betonverhaltens auf die Schnittgrößenverteilung bzw. -umlagerung erfasst werden. Vor allem bei abschnittsweise hergestellten Tragwerken muss die Umlagerung der Schnittgrößen vom Bau- zum Endzustand verfolgt werden. Vereinfachend kann für die Ermittlung der Betriebsbeanspruchung von Bewehrung und Beton der Endzustand nach vollständiger Umlagerung infolge Kriechen und Schwinden vorausgesetzt werden. Die Größe des Grundmoments ist darüber hinaus von Bedeutung für die Spannungsschwingbreite bei Wechselmomenten (z. B. Überfahrt von Fahrzeugen
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung
459
bei Mehrfeldträgern) für den Übergang zwischen positivem und negativem Moment. Zum Grundmoment vgl. Abschn. 12.3.5.2.
gen kann allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Für den Ermüdungsnachweis druckbeanspruchten Betons wird primär die höchstbeanspruchte Betonfaser maßgebend. Unter statischer Biegebeanspruchung treten die größten Druckspannungen i. d. R. am Querschnittsrand auf; infolge zyklischer Lasten setzen mit zunehmender Lastwechselzahl Spannungsumlagerungen zu geringer beanspruchten Bereichen ein und führen zu einer völligeren Druckspannungsverteilung (vgl. Dillmann 1981). Nach einem Vorschlag in Hashem (1986) oder einer im ModelCode 1990 verankerten Beziehung kann dies durch eine Abminderung der Spannungsschwingbreite der Randfaser berücksichtigt werden. In DIN 1045-1 oder EN 1992-1-1 sind derartige Modifikationen allerdings nicht enthalten; im Rahmen der Ermüdungsnachweise müssen den Wöhlerlinien druckbeanspruchten Betons die rechnerischen Randspannungen, d. h. die Größtwerte der Betonspannungen gegenübergestellt werden. Bei Bauteilen, für die die Anwendbarkeit der Bernoulli-Hypothese nicht vorausgesetzt werden kann, d. h. den D-Bereichen von Tragwerken, kann die Ermittlung der Schnittgrößen und Spannungen mit Hilfe von Stabwerkmodellen erfolgen (s. Kap. 4).
12.3.4 Spannungsermittlung 12.3.4.1 Allgemeines Zur Ermittlung der Spannungen auf Querschnittsebene kann von linearen Spannungs-Dehnungs-Linien sowohl für die Bewehrung als auch für den Beton ausgegangen werden, da die Beanspruchungen aus Betriebslasten i. Allg. deutlich unter den jeweiligen Festigkeiten der Werkstoffe bleiben und zudem durch die Nachweise für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit begrenzt werden. Die Spannungen bzw. Spannungsschwingbreiten von Beton bzw. Betonstahl und Spannstahl können dann mit den in Kap. 10 für gerissene Querschnitte vorgestellten Verfahren ermittelt werden. Nach DIN 1045-1 wie auch nach EN 1992-11 sollten ungerissene Querschnitte wegen des starken Abfalls der Betonzugfestigkeit unter zyklischer Belastung sowie vor dem Hintergrund möglicher Vorschädigungen nicht vorausgesetzt werden. Nach Abschn. 10.4.3 (vgl. Tabelle 10.2) sind bei biegebeanspruchten Stahlbetonbauteilen mit N D 0 und gleichbleibendem Vorzeichen der Beanspruchung die Spannungen linear mit dem Biegemoment verknüpft. Für die Ermittlung der Spannungsschwingbreite ist daher allein die Betrachtung des veränderlichen Moments M ausreichend. Die übrigen Anteile des Biegemoments z. B. infolge Eigengewicht, Temperatur, etc., müssen erst bei N ¤ 0 oder ggf. bei großen Wechselmomenten berücksichtigt werden (s. Abschn. 12.3.5.2). Nach DIN 1045-1 darf für die Spannungsermittlung von einem gegenüber den Eigenschaften bei Kurzzeitbelastung vergrößerten Verhältnis der E-Moduli von Stahl und Beton ˛s D Es =Ec D 10 (dort mit ˛e bezeichnet) ausgegangen werden. Sofern keine detaillierteren Betrachtungen angestellt werden, können dadurch die Auswirkungen des zeitabhängigen Betonverhaltens auf die Verteilung der Spannungen im Querschnitt – d. h. primär die Kriechumlagerungen zur Bewehrung – näherungsweise erfasst werden. Diese Regelung entstammt den Vorgaben zur Spannungsermittlung unter Gebrauchslasten der Vorgängernorm und war ursprünglich nur für Nachweise der Stahlspannungen bzw. der Verformungen vorgesehen. Mit ˛s D 10 werden zwar ausreichend zutreffende Stahlspannungen ermittelt; die Berechnung der Betonrandspannun-
12.3.4.2 Spannungs-Zeit-Verlauf und Zählverfahren Der jeweiligen Nachweisstufe entsprechend, müssen die rechnerischen Spannungen in unterschiedlichem Umfang ausgewertet werden: • Stufen 1 und 2 Die maßgebende Schwingbreite entspricht der algebraischen Differenz der extremalen Spannungen aus der maßgebenden Laststellung; parallel auftretende kleinere Schwingbreiten können vernachlässigt werden (idealisierte einstufige Belastung; s. Abschn. 12.4.3 und 12.4.4). • Stufe 3 Für den expliziten Betriebsfestigkeitsnachweis sind aus den einzelnen Lastzyklen die Spannungs-Zeitoder Spannungs-Weg-Verläufe und daraus die geschlossenen Spannungszyklen zu extrahieren. In Abb. 12.18 sind die (fiktiven) Spannungs-Zeit- und Spannungs-Weg-Beziehungen aus der Überfahrt eines LKW über den Fahrbahnplatten-Kragarm einer Straßenbrücke dargestellt; angesichts der kurzen Kragarmlänge im Verhältnis zum Achsabstand ruft jede Achse bzw. Achsgruppe einen ausgeprägten Spannungspeak hervor.
460
12 Nachweise gegen Ermüdung σ
σ inf. FLM 4-3
1 Δσ2
Δσ1
2
Δσ3
MK
3 t
1. LKW a System
ε*
2. LKW
b (fiktiver) Spannungs-Zeit-Verlauf
c (fiktiver) Spannungs-Dehnungs-Verlauf
Abbildung 12.18a–c Auswertung von Spannungs-Zeit-Verläufen mit Hilfe des RAINFLOW-Verfahrens – Beispiel: Betonstahlspannungen im Kragarm der Fahrbahnplatte einer Brücke bei Überfahrt eines LKWs
Für den expliziten Betriebsfestigkeitsnachweis müssen daraus mit Zählverfahren die zu geschlossenen Spannungszyklen bzw. Hysteresisschleifen gehörenden Spannungsschwingbreiten bestimmt werden. Hierfür existiert eine Reihe geeigneter Verfahren, z. B. RAINFLOW oder RESERVOIR. Nach Durchlaufen der Zählalgorithmen stehen als Eingangsdaten für die Schädigungsberechnung die nach Schwingbreitenstufen und Auftretenshäufigkeit geordneten Beanspruchungen zur Verfügung. Für die Nachweise der ersten beiden Stufen wäre – sofern das Lastmodell nach Abb. 12.18 maßgebend wäre – lediglich die Schwingbreite 1 relevant, alle zusätzlich auftretenden, kleineren Schwingbreiten i werden vernachlässigt. In Chlormann u. Seeger (1986) wird eine detaillierte Beschreibung des Algorithmus RAINFLOW-HCM (Hysteresis Counting Method) angegeben, mit dessen Hilfe eine Zählung der Amplituden zweckmäßig erfolgen kann. Dazu ist die Einteilung bzw. Diskretisierung der auftretenden Spannungen in Klassen erforderlich; die Klassenbreite bestimmt im Rahmen des Betriebsfestigkeitsnachweises die Anzahl der einzelnen Schädigungsbeiträge bzw. die Genauigkeit des Ergebnisses und sollte so klein gewählt werden, dass zwei aufeinander folgende Umkehrpunkte im Spannungsverlauf in unterschiedlichen Klassen liegen. Der HCMAlgorithmus erkennt die klassierten Umkehrpunkte des Spannungsverlaufs und registriert die geschlossenen Schleifen. Alternativ können andere Zählverfahren, z. B. die RESERVOIR-Methode, die für den in Abb. 12.18 dargestellten -t-Verlauf identische Spannungszyklen bestimmt, angewandt werden. In DIN 456679 wurden einige Klassierverfahren zur Erfassung mehr oder minder regelloser -t-Verläufe zusammengestellt. Zur Ermittlung der ermüdungsrelevanten Informationen für Nachweise des Betons sind über die 9
DIN 45667 Klassierverfahren für das Erfassen regelloser Schwingungen (10/1969)
Schwingbreiten hinaus auch Angaben zur Mittelspannung erforderlich. Hier eignen sich im Grunde ausschließlich zweiparametrige Zählverfahren wie z. B. die vorgestellte RAINFLOW-Methode. Allen Zählverfahren gemein ist allerdings die komplexe Behandlung von Spannungsverläufen, die nicht zu geschlossenen Schleifen führen. Insbesondere bei kurzen Teilfolgen, also dem Lastzyklus eines Lastmodells – z. B. der Überfahrt eines Fahrzeugs – entstehen nicht geschlossene Schleifen, sog. Residuen. Ein pragmatisches Verfahren zur Vermeidung von Residuen durch die Kombination von Teilfolgen wird in Haibach (1989) angegeben: Der Beanspruchungsverlauf wird als eine mehrfach sich wiederholende Teilfolge aufgefasst, z. B. befährt das Fahrzeug wiederholt allein das Tragwerk. Die Zählung der Spannungszyklen beginnt beim betragsmäßig größten Wert der Folge und endet bei dessen erneutem Erreichen (Abb. 12.18b). Somit entstehen nur geschlossene Schleifen, die alle durch eine Hüll-Hysterese umfasst werden (Abb. 12.18c). Beispiel 12.1 Für die Stahlbetonrampe nach den Abbn. 12.19a und b, die durch einen Gegengewichtsstapler befahren wird, sollen die ermüdungswirksamen Spannungen für Betonstahl und Beton ermittelt werden. Folgende Randbedingungen sind hierbei zu beachten:
10
•
Die Rampe wird durch einen Gegengewichtsstapler der Kategorie G5 nach DIN 1055-3 (zulässige Gesamtlast 150 kN, Nenntragfähigkeit 60 kN) befahren. Gegengewichtsstapler werden als nicht vorwiegend ruhende Lasten klassifiziert.
•
DIN 1055-3 gibt für Stapler der Kategorie G5 ein Lastbild nach Abb. 12.19c vor; die Radlasten Qk sind hierfür mit dem Schwingbeiwert ˚ D 1;4 zu multiplizieren. Es handelt sich allerdings nicht um ein Betriebslastmodell; hierfür fehlen normative Vorgaben zur Auftretenshäufigkeit sowie zum Lastmix.10
Es ist nicht unbedingt wirklichkeitsnah, anzunehmen, dass der Stapler die Rampe stets mit Volllast befährt (EinstufenLastkollektiv); die unterschiedlichen Lastszenarien sollten für
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung
461 Laststellung für Mmax Laststellung für Mmin 0,85.2.Qk.F
6,0
6,0
6,0 -50
a System
x=0,4L
MQk,min = -32,0 t MQk,max,2 = 10,2
0
2,0 d2 =0,05
2,0 Ø 12/15
50
0,2 d=0,45 0,8
0,8
0,4
6 Ø 28
100
0,5
Bügel Ø 12/10
150
MQk,max,1 = 204,1
200
M in kNm
b Querschnitt (Randfeld, x = 0,4 L)
a Biegemoment im Schnitt x = 0,4L bei Überfahrt eines Staplers -40
1. Überfahrt
Dss2 = 6,7
0
Qk = 70 kN
40
2,3
2,3
2.Qk
1,5
0,95
Dss1 = 154,7
80
1,9
120
c Lastbild (Gegengewichtsstapler nach DIN 1055-3, Kat.G5)
160
Qk
Qk
2. Überfahrt
0,95
ss in N/mm2
b Stahlspannungen im Schnitt x = 0,4L (inf. char. Lasten)
Abbildung 12.20a,b Beispiel 12.1 – Schnittgrößen und Spannungen für den Querschnitt x D 0;4L 0,85
Querverteilungslinie Hauptträger 1
dings – in Anlehnung an die Praxis bei Straßenbrücken (vgl. DIN-Fachbericht 102) – von der jeweils ungünstigsten Anordnung des Staplers ausgegangen werden. Die Querverteilung der Lasten bei der Fahrt entlang des Rampenrandes wird grob vereinfacht berücksichtigt: 85% der Staplerlast werden dem jeweils direkt belasteten Hauptträger zugewiesen (Abb. 12.19d).11 Damit kann der Nachweis an einem Hauptträger geführt werden.
d Querverteilung der Lasten
Abbildung 12.19a–d Beispiel 12.1 – von einem Gabelstapler befahrene Rampe (Bewehrung nicht vollständig dargestellt!)
•
•
Nach DIN 1055-3 müssen rings um den Stapler herum Flächenlasten (Kategorie G5: qk D 20 kN/m2 ohne Schwingbeiwert) in ungünstigster Stellung angeordnet werden, mit denen gleichzeitig wirkende Lagerlasten erfasst werden. Für die betrachtete Rampe wird angenommen, dass sie nicht zusätzlich zum Staplerverkehr als Lagerfläche dient, d. h. keine Lagerlasten berücksichtigt werden müssen (Dies sollte in jedem Fall mit den relevanten Institutionen – Bauherrn, etc. – abgestimmt und durch eine entsprechende Beschilderung im Gebäude deutlich gemacht werden.). Allerdings wird selbst bei Berücksichtigung der Lagerlasten die ermüdungsrelevante Belastung allein durch den Stapler beschrieben. Im täglichen Betrieb wird der Stapler tendenziell entlang der Rampenmittellinie fahren; für den Ermüdungsnachweis der beiden Hauptträger sollte aller-
ein Betriebslastmodell berücksichtigt werden z. B. in Form modifizierter Kollektive nach Abb. 12.17.
Es wird exemplarisch nur ein Querschnitt des Randfeldes bei x D 0;4L ( max MF ) betrachtet. Die Lastmodelle nach DIN 1055-3 sind primär in Verbindung mit einem Nachweis auf Stufe 1 – d. h. in Verbindung mit Beanspruchungen der häufigen Einwirkungskombination – anzuwenden. Dessen ungeachtet werden zunächst die Spannungen in allgemeinerer Form ermittelt. Aus der Überfahrt eines Staplers über die Rampe (Einzellast mit Qk;tot D 2 0;85 ˚ Qk D 166;6 kN) entsteht im betrachteten Querschnitt eines Hauptträgers der in Abb. 12.20a dargestellte Verlauf des Biegemomentes 11
Die Querverteilung exzentrischer Lasten auf die beiden Hauptträger kann entweder durch eine Berechnung als Trägerrost (Idealisierung der Platte als Reihe von Querträgern) bzw. vereinfacht z. B. nach Bieger (1962) oder Holst u. Holst (2004) erfasst werden.
462
12 Nachweise gegen Ermüdung
(M -t -Verlauf für eine fiktive Überfahrtszeit aus der Einflusslinie des Biegemoments). Die Extremwerte sind MQk;max D 204;1 kNm ;
MQk;min D 32;0 kNm :
Für den Ermüdungsnachweis werden folgende Einwirkungen als gleichzeitig mit dem Stapler wirkend betrachtet (s. Abschn. 12.3.5.2, Erläuterungen zum Grundmoment M0 ): Mgk D 37;4 kNm
(Eigengewicht) ;
Ms 0 (Setzungen, vereinfacht) ; MT 0 (Innenraum: T D 0) ; Mq;qs 0 (quasi-ständige Nutzlasten) : Für den betrachteten Querschnitt folgt das Grundmoment zu M0 Mgk D 37;4 kNm : Wegen M0 > jMQk;min j ändert sich das Vorzeichen des Gesamtmoments (Mtot D M0 C MQk ) nicht, d. h. die Zugzone des betrachteten Querschnittes ist nie überdrückt; für die Spannungsermittlung kann daher von einem vollständig linearen M --Zusammenhang ausgegangen werden. Mit (vgl. Tabelle 10.2) ˛s D 10 ; s1 D 36;9=.200 45/ D 0;0041 ;
s2 D 15;1=.200 45/ D 0;0017
folgt die bezogene Druckzonenhöhe für einen Querschnitt mit Druckbewehrung zu D ˛s .s1 C s2 / q 2 C ˛s2 .s1 C s2 / C 2˛s .s1 C s2 d2 =d / D 0;241
x D d D 0;241 0;45 D 0;108 m < hf : Die Spannungen in Beton und Bewehrung errechnen sich mit (s. Tabelle 10.2; MEd in kNm): 1 c D MEd = b d 2 2 3 d2 d2 1 C ˛s s2 1 d d D 20;79 103 MEd ; 1 s D c ˛s 1 D 655;5 103 MEd :
In Abb. 12.20b ist der damit errechnete s -t -Verlauf als Folge einzelner Überfahrten von Staplern aufgetragen. Dabei befährt jeweils nur ein Stapler allein die Rampe. Ausgehend vom Spannungsmaximum werden für jeden Lastzyklus zwei Schleifen s;1 und s;2 durchlaufen. MQk;1 D 204;1 .32;0/ D 236;1 kNm ;
! s1 D 655;5 103 236;1 D 154;7 N/mm2 ; MQk;2 D 10;2 kNm ;
! s2 D 655;5 103 10;2 D 6;7 N/mm2
Für den Ermüdungsnachweis druckbeanspruchten Betons ist das absolute Niveau der Spannungen relevant; infolge des Grundmoments M0 wirkt: c;0 D 20;79 103 M0
D 20;79 103 37;4 D 0;78 N/mm2 :
Aus der Überfahrt des Staplers entstehen folgende Extremwerte der Druckspannungen (Niveau charakteristischer Lasten): c;min D c;0 20;79 103 MQk;max D 0;78 20;79 103 204;1 D 5;02 N/mm2 ;
c;max D c;0 20;79 103 MQk;min
D 0;78 20;79 103 .32;0/
D 0;11 N/mm2 :
Ermüdungsnachweisen auf Stufe 1 (Nachweise der Quasi-Dauerfestigkeit) wird die Spannungsschwingbreite unter der häufigen Einwirkungskombination zugrunde gelegt. Aus DIN 1055-100, Tabelle A.2 folgt für Verkehrslasten der Kategorie G der Kombinationsbeiwert 1 D 0;5 (s. Tabelle 2.3). Die Extremwerte der Biegemomente infolge der häufigen EWK sind damit MEd;freq D Mgk C 1 MQk ;
MEd;freq;min D Mgk C 0;5 MQk;min
D 37;4 0;5 32;0 D 21;4 kNm ;
MEd;freq;max D Mgk C 0;5 MQk;max
D 37;4 C 0;5 204;1 D 139;4 kNm ;
MEd;freq D MEd;freq;max MEd;freq;min
D 139;4 21;4 D 118;0 kNm :
Dem Ermüdungsnachweis auf Stufe 1 sind damit folgende Spannungen bzw. Spannungsschwingbreiten zugrunde zu legen: s;freq D 655;5 103 118;0 D 77;4 N/mm2 ;
c;freq;max D 20;79 103 21;4 D 0;4 N/mm2 ;
c;freq;min D 20;79 103 139;4 D 2;9 N/mm2 :
Für Stufe 1 brauchen lediglich die maximalen Spannungen bzw. Schwingbreiten betrachtet werden; die kleineren Spannungszyklen (! s2 ) bleiben unberücksichtigt.
12.3.5 Besonderheiten bei Spannbeton 12.3.5.1 Allgemeines Vorgespannte Bauteile nehmen eine Sonderstellung im Rahmen der Ermüdungsnachweise ein: • Spannbetonquerschnitte weisen einen ausgeprägt nichtlinearen Zusammenhang zwischen einwirkendem Moment und Stahlspannung auf. Damit kommt
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung
463
der Größe des Grundmoments M0 aus ständigen Lasten und Temperatur im Vergleich zum Dekompressionsmoment entscheidende Bedeutung zu (s. Abschn. 12.3.5.2). • Das unterschiedliche Verbundverhalten von Spanngliedern und Betonstahlbewehrung führt zu Spannungsumlagerung auf Querschnittsebene, die bei der Berechnung ermüdungswirksamer Spannungen berücksichtigt werden müssen (s. Abschn. 12.3.5.3). • Spannglieder und insbesondere Kopplungen oder Verankerungen sind deutlich empfindlicher gegenüber zyklischen Beanspruchungen.
σp
Sofern Spannbetonbauteile voll überdrückt bleiben, weisen die Bewehrungsstränge lediglich die mit dem Verhältnis der E-Moduli ˛s skalierten Spannungsschwingbreiten des Betons in Höhe der Bewehrung auf; ein Ermüdungsversagen der Bewehrung ist in diesem Fall auch für hohe Lastwechselzahlen nicht zu erwarten. Für Spannbetonbauteile, die für die häufigen Einwirkungen – also die wesentlichen ermüdungsrelevanten Beanspruchungen – den Grenzzustand der Dekompression nicht überschreiten, d. h. für Bauteile, die nach den Anforderungsklassen A oder B (Nachweis der Dekompression unter der seltenen bzw. häufigen Einwirkungskombination) bemessen wurden, kann ein Nachweis für Betonstahl- und Spannstahlbewehrung entfallen (vgl. Mayer 1966). DIN 1045-1 enthält hierzu lediglich eine Anwendungsregel, wonach der Ermüdungsnachweis für Schweißverbindungen bzw. Kopplungen als erfüllt angesehen werden darf, wenn unter Berücksichtigung erhöhter lokaler Spannkraftverluste12 der Querschnitt für die häufige Einwirkungskombination überdrückt bleibt. EN 1992-1-1 enthält eine dazu ähnlich Regel.
Δσ p
12.3.5.2 Grundmoment Vorgespannte Querschnitte können bei Wechselmomenten vom vollständig überdrückten Zustand nach Überschreiten des Dekompressionsmoments MD in den gerissenen Zustand übergehen (Abb. 12.21). In diesem Fall steigen die Spannungsamplituden s und – bei Spanngliedern im sofortigen oder nachträglichen Verbund – auch p bis zum Eintritt in den ausgeprägten Zustand II überproportional an. Die Größe des Grundmoments M0 wirkt sich daher elementar auf 12 Die auf 75% abgeminderte lokale Vorspannkraft (d. h. statisch bestimmter Anteil der Vorspannung) reflektiert die i. d. R. größeren Spannkraftverluste aus Schwinden und Kriechen an Kopplungen, die mit den ungünstigeren Steifigkeitsverhältnissen der Bauteile einhergehen (vgl. Anmerkung zu Koppelfugen).
Zustand I
Zustand II
Δσ p,2 Δσ p,1 ΔM q
ΔM q
M MD
M0,1
M0,2 Δσ p,2
Δσ p,1
M0
Abbildung 12.21 Zusammenhang zwischen einwirkendem Moment und Spannung (M --Diagramm, oben) bzw. zwischen Grundmoment und Spannungsschwingbreite (M0 - Diagramm, unten)
die Ermüdungsbeanspruchung aus; eine wirklichkeitsnahe Erfassung von M0 ist daher von zentraler Bedeutung. Während bei statisch bestimmt gelagerten Tragwerken das Grundmoment meist einfach fassbar ist, müssen bei statisch unbestimmt gelagerten Bauteilen die Beiträge der indirekten Einwirkungen (Zwang, s. Abschn. 13.3), z. B. aus Setzungen, Temperaturbeanspruchungen, etc., berücksichtigt werden. M0 setzt sich allgemein zusammen aus den ständig vorhandenen Einwirkungen Mst und den Temperaturbeanspruchungen MT nach Gl. (12.8). M0 D Mst C MT
(12.8a)
Mst D Mg C Mq C Ms C Mp;ind
(12.8b)
In DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 wird die Anrechnung der einzelnen Elemente in Gl. (12.8) konkretisiert: Mg
Konstruktionseigengewicht und Ausbaulasten einschließlich ggf. erfolgter Schnittgrößenumlagerungen zwischen Bau- und Endzustand
464
Mq Ms Mp;ind
MT
12 Nachweise gegen Ermüdung
Anteil der nicht-zyklischen, veränderlichen Einwirkungen13 Auswirkungen der wahrscheinlichen Setzungen statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung infolge des maßgebenden charakteristischen Wertes der Vorspannkraft rinf Mp;ind bzw. rsup Mp;ind Beanspruchungen aus häufigen Temperatureinwirkungen14 1 MT .
Die Anteile Ms , Mp;ind und MT treten lediglich bei statisch unbestimmt gelagerten Tragwerken in Erscheinung. In EN 1992-1-1 wird die Kombination der Einwirkungen, die zum Grundmoment beitragen, als Grundkombination bezeichnet. Gegebenenfalls können auch Anteile der statisch bestimmten Wirkung der Vorspannung jeweils unter Berücksichtigung der lokalen Spannkraftverluste dem Grundmoment zugerechnet werden. Lediglich die Zusatzdehnung bzw. -spannung ausgehend vom Ursprung des M --Diagramms muss notwendigerweise auf der Seite der Bauteilwiderstände, d. h. in der M --Linie selbst berücksichtigt werden. Die dem Grundmoment M0 zuzurechnenden Lastanteile sind mit der Definition des Koordinatenursprungs im M --Diagramm verknüpft. Der Ursprung kann u. a. als Zustand definiert werden, von dem aus alle auf den Querschnitt einwirkenden, tragwerksabhängigen Biegemomente, also äußere Biegemomente und der statisch unbestimmte Anteil des Vorspannmoments zu zählen sind (Ivány u. Buschmeyer 1988). In BAST (1998) wird die Ursprungsdefinition konkretisiert: Der Ursprung bezieht sich auf den Zustand zentrischer Vorspannung, der sich fiktiv aus der Anrechnung von Anteilen des Eigengewichts sowie ggf. von Anteilen der Verkehrslasten auf den statisch bestimmten Anteil der Vorspannung ergibt. Der statisch unbestimmte Anteil wird zusammen mit den Biegemomenten infolge äußerer Lasten 13
Im Sinne von DIN 1045-1 sind in Mq die quasi-ständigen, nicht-zyklischen, veränderlichen Beanspruchungen mit Ausnahme der Auswirkungen einer Temperaturdifferenz zusammengefasst. In EN 1992-1-1 ist von den Gln. (12.8a) und (12.8b) abweichend MT bereits in den veränderlichen Beanspruchungen Mq enthalten; dem entsprechend muss nach EN 1992-1-1 Mq als häufige Kombination 1;1 Qk;1 C 2;i Qk;i angesetzt werden (s. Grundkombination). In der Regel (T maßgebende, nicht-zyklische veränderliche Last) wird die Grundkombination nach EN 1992-1-1 allerdings identisch mit DIN 1045-1 sein. 14 In EN 1992-1-1 ist MT Teil der häufigen Kombinaton für Mq ; dem entsprechend muss die führende, nicht-zyklische veränderliche Einwirkung mit 1 angesetzt werden – hierbei muss es sich allerdings nicht zwingend um die Effekte aus Temperaturdifferenz T handeln (s. Grundkombination; Normenregelung).
Einwirkung
M
Bauteilverhalten
MD M0
Zeit 24 Uhr
p 0 Uhr
24 Uhr Zeit
ermüdungswirksame Beanspruchung
Abbildung 12.22 Spannungsschwingbreiten in Abhängigkeit des Tagesgangs der Temperaturbeanspruchungen
von M D 0 ab gezählt. Generell sind auch alternative Darstellungsformen denkbar, z. B. der Bezug des Koordinatenursprungs auf einen fiktiven Spannbettzustand des Trägers, der gleichbedeutend mit einem spannungsfreien Betonquerschnitt ist. In jedem Fall der Darstellung ist allerdings eine konsequente Verfolgung der gewählten Aufteilung erforderlich. Die Rechenwerte der ständigen Einwirkungen Mst können durch Streuungen des Eigengewichts oder durch ungenügend erfasste Schnittgrößenumlagerungen vom Bau- zum Endzustand beeinflusst werden, sind aber im Vergleich zur zyklischen Belastung als zeitlich konstant anzusehen. Im Gegensatz dazu unterliegen Grundbeanspruchungen aus Temperaturwirkungen MT grundsätzlich tagesund jahreszeitlichen Schwankungen. In Abb. 12.22 sind für einen Brückenüberbau die Auswirkungen des tageszeitabhängigen Temperaturmomentes auf die Spannungsschwingbreite auf der Grundlage einer typischen Tagesganglinie des Temperaturunterschieds dargestellt. Vereinfachend wird ein einstufiges Verkehrslastkollektiv vorausgesetzt. Offensichtlich ist die Größe der ermüdungsrelevanten Beanspruchungen nicht affin zum zeitlichen Verlauf der Verkehrsbelastungen sondern in starkem Maß mit der Temperatureinwirkung gekoppelt. Für den Ermüdungsnachweis im Rahmen der Planung neu zu erstellender Tragwerke werden die tageszeitlichen Schwankungen nicht berücksichtigt; der Nachweis basiert auf einer ausreichend hohen, konstanten Grundbeanspruchung aus Temperatur, i. Allg. der häufigen
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung
465
Temperaturdifferenz. Lediglich für die Nachrechnung bestehender Bauwerke kann es lohnend sein, veränderliche Grundbeanspruchungen im Rahmen einer expliziten Schädigungsberechnung zu berücksichtigen; Hinweise hierzu enthalten Zilch u. a. (2001) und Zilch u. a. (2004).
wehrung entzieht sich wegen ihres weicheren Verbundes bzw. wegen des ungünstigeren Verhältnisses von Querschnittsfläche zur verbundwirksamen Oberfläche (Stabspannglieder und große Bündelspannglieder!) der Mitwirkung; die Betonstahlbewehrung muss entsprechend mehr Zugkräfte aufnehmen und weist daher gegenüber der rechnerischen Spannung nach ebener Deh nungsverteilung (! s2 ) z. T. erheblich größere Spannungen auf. In Abschn. 10.3.5 werden auch Beziehungen für das abgeschlossene Rissbild angegeben; zusätzliche Risse erzwingen allgemein eine Annäherung der Spannungen s2 und p2 an die Größen nach ebener Dehnungsverteilung s2 und p2 . Für den Ermüdungsnachweis von Spannbetonbauteilen wird allerdings vom Einzelrisszustand ausgegangen – zum einen liefert dies für Betonstahl i. d. R. konservative Ergebnisse, zum anderen werden Spannbetonbauteile unter Betriebsbedingungen selten ein abgeschlossenes Rissbild aufweisen. Umgekehrt wird eine Reduktion der Spannstahlspannungen gegenüber dem Zustand bei ebener Dehnungsverteilung im Ermüdungsnachweis nicht berücksichtigt, d. h. Gl. (12.10) kommt nicht zur Anwendung. Bei biegebeanspruchten Bauteilen mit deutlich unterschiedlichen Abständen der Bewehrungsstränge zur Dehnungsnulllinie ist die Modellvorstellung eines Zugstabes nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Die Auswirkungen unterschiedlicher Hebelarme können nach einem Vorschlag in Zilch u. a. (2004) vereinfacht durch eine Modifikation des Korrekturbeiwerts nach Gl. (12.12) erfasst werden.
12.3.5.3 Stahlspannungen Zur realistischen Ermittlung der Spannungen von Betonstahl und Spannstahl auf dem Niveau der Betriebslasten müssen die unterschiedlichen Verbundeigenschaften der Bewehrungsstränge berücksichtigt werden. In Abschn. 10.3.5 wurden für einen vorgespannten Zugstab aus dem Einzelrisszustand nach Abb. 10.11a Beziehungen entwickelt, die eine Anrechnung verbundbedingter Zugkraftumlagerungen ermöglichen (s. Gln. 10.61 und 10.63). s2 D s2 ; 1 p2 D p2
(12.9) (12.10)
und In den Gln. (12.9) und (12.10) beschreiben s2 p2 die aus einer ebenen Dehnungsverteilung – beim Zugstab s2 D p2 – mit den in Kap. 10 erläuterten Verfahren ermittelten Spannungen im Riss und ist der in Gl. (10.61) vorgestelle Korrekturfaktor, mit dem unterschiedliche Kombinationen von Bewehrung erfasst werden. s As C Ap ds D ; 1 D (12.11) As C 1 Ap dp
Hierbei beschreibt das Verhältnis der Verbundfestigkeiten von Spannstahl zu Betonstahl (s. Gl. 10.57). Bei Einzellitzen oder Bündelspanngliedern ist für dp der äquivalente Durchmesser einzusetzen (s. Abschn. 3.6.4). In DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 übernommene Verbundbeiwerte für verschiedene Spannstahlarten – nach zunehmender Verbundsteifigkeit gereiht: glatte Stäbe, Litzen, profilierte Drähte oder gerippte Stäbe – finden sich in Tabelle 10.1. Die dort angegebenen Werte setzen gerippten Betonstahl nach den Vorgaben der jeweiligen Norm voraus; weichen die Verbundeigenschaften des Betonstahls z. B. wegen deutlich abweichender Rippung davon ab, sind angepasste Verbundbeiwerte erforderlich. Die Ableitung von nach Gl. (12.11) setzt darüber hinaus ähnliche E-Moduli der Bewehrungsstränge voraus. Sofern hier wesentliche Unterschiede bestehen, sind As und Ap sowie ds und dp mit dem jeweils zugehörigen E-Modul zu gewichten. Bei üblichen Kombinationen von Betonstahl und Spannstahl ist 1 < 1, damit > 1, d. h. die Spannbe-
z
As C Ap zps kx m D q p ; z As C Ap zps ddps kx
(12.12)
mit kx aus einer vereinfachten Betrachtung der Verträglichkeit der Dehnungen am Einzelriss unter der Annahme proportional mit dem Nulllinienabstand ansteigender rechnerischer Rissbreite: kx D
zp 2=3x : zs 2=3x
(12.13)
12.3.5.4 Koppelfugen Als Koppelfugen werden Arbeitsfugen, d. h. Betonierabschnittsgrenzen bezeichnet, in denen Spannglieder temporär zwischenverankert und später mit Hilfe von Kopplungen unterschiedlichster Bauart verlängert und neu angespannt werden. Kopplungen werden meist bei der abschnittsweisen Herstellung der Überbauten von
466
durchlaufenden Spannbetonbrücken verwendet; Koppelfugen werden hierfür bevorzugt im Bereich der rechnerischen Momentennullpunkte, i. d. R. etwa im Abstand 0;2L von den Zwischenauflagern angeordnet. Im Hochbau kommt ihnen dagegen nur wenig Bedeutung zu. Wegen ihrer spezifischen Empfindlichkeit gegenüber zyklischen Beanspruchungen bei Vorspannung mit Verbund, der konstruktiven Besonderheiten bei Koppelfugen und einiger an Spannbetonbrücken beobachteter Schäden (vgl. Kordina 1979; Leonhardt 1979) wurden sie in der Vergangenheit intensiv experimentell und theoretisch untersucht. Einige Kernpunkte der Koppelfugenproblematik sind (vgl. König u. Gerhardt 1986; Zilch u. a. 2004): • gegenüber dem durchlaufenden Spannglied schlechtere Ermüdungseigenschaften der Kopplungen (s. Abschn. 12.2.2.2), • durch die Konstruktion der Kopplung bedingte, erhöhte lokale Spannkraftverluste aus Schwinden und Kriechen (König u. Giegold 1982), • nichtlineare Spannungsverteilung in der Koppelfuge als Folge der temporären Zwischenverankerung (Mehlhorn u. Dietrich 1983) und • Verschiebung des Momentennullpunktes infolge Zwang; in Konsequenz rechnerisch nicht berücksichtigte, zusätzliche Einwirkungen im Bereich der Koppelfugen (König u. Ott 1983). In den derzeit geltenden Normen schlagen sich die Ergebnisse der Forschung nieder u. a. in Form konstruktiver Maßnahmen – z. B. durch erhöhte Mindestbewehrung (s. DIN-Fachbericht) und durch die Regelung, dass in einem Querschnitt nicht mehr als 70% aller Spannglieder gekoppelt werden sollten (s. DIN 1045-1) – sowie durch die Vorgabe erhöhter lokaler Spannkraftverluste.15
12.3.6 Besonderheiten bei Querkraftbeanspruchungen 12.3.6.1 Bauteile ohne Querkraftbewehrung In Versuchen an Bauteilen ohne Querkraftbewehrung wurde u. a. in Chang u. Kesler (1958); Okamura u. Ue15
Zusätzliche Spannkraftverluste an Kopplungen beeinflussen die statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung – die vom Verformungsverhalten des Gesamtsystems und damit von der Spannkraft entlang des gesamten Bauteils abhängt – kaum. Daher sind für den Ermüdungsnachweis von Kopplungen nur lokal reduzierte Spannkräfte 0;75Pmt (DIN) bzw. 0;9Pmt (EN) anzusetzen, während für die globale Wirkung mit dem maßgebenden charakteristischen Wert gerechnet werden darf.
12 Nachweise gegen Ermüdung
da (1982) sowie Frey u. Thürlimann (1983) übereinstimmend ein Ermüdungsversagen vorwiegend durch die Entwicklung eines diagonal verlaufenden kritischen Schubrisses beschrieben. Der sich durch zyklische Beanspruchung fortpflanzende Schubriss führt zur Einschnürung bzw. zum Versagen der Druckzone durch überlagerte Biegedruck- und Schubbeanspruchungen (vgl. Abb. 7.7a). Daneben kann es zu einer kinematisch bedingten Ablösung des Längsbewehrungsstrangs vom Stegbeton kommen (vgl. Abb. 7.7c). Die bei zyklischen Beanspruchungen auftretenden Versagensmechanismen unterscheiden sich daher zunächst nicht von den Mechanismen bei statischer Belastung; die zyklische Versagenslast ist allerdings gegenüber der statischen Bruchlast durch den fortschreitenden Schubriss infolge wiederholter Be- und Entlastung reduziert. Die zyklische Querkrafttragfähigkeit wird durch eine Vielzahl von Einflussgrößen bestimmt, u. a. Bewehrungsgrad und Trägerhöhe (Maßstabsfaktor). Eine der dominierenden Größen ist angesichts der Kopplung des Versagens an die Entstehung und Fortpflanzung eines Schubrisses die Betonzugfestigkeit unter wiederholter Beanspruchung. Allerdings gelingt eine Rückführung des Nachweises auf den Nachweis der Zugfestigkeit alleine nicht (s. Abschn. 7.3.2). Für Bauteile ohne Querkraftbewehrung wurden daher verschiedene Bauteilwöhlerlinien empirisch abgeleitet, die durch den Bezug auf die Querkrafttragfähigkeit unter statischer Belastung (nach DIN 1045-1 VRd;ct , nach EN 1992-1-1 VRd;c ; s. Abschn. 7.3.3) – mit der Zugfestigkeit verknüpft und gleichzeitig querschnittsunabhängig formuliert wurden. In den aktuellen Normenwerken werden allerdings keine Wöhlerlinien für Bauteile ohne Querkraftbewehrung angegeben. Anstelle aufwändiger Betriebsfestigkeitsnachweise wird eine Begrenzung der bezogenen Querkraftbeanspruchungen, die in guter Näherung die Ermüdungsfestigkeit der Bauteile nach der in Okamura u. Ueda (1982) angegebenen Wöhlerlinie nach Gl. (12.14) für 1 107 Lastwechsel beschreibt, als ausreichend erachtet. " # Vmin 2 Vmax log N D 0;036 1 log Vcu Vmax (12.14)
In Abb. 12.23 werden die Grenzen der bezogenen Querkräfte nach DIN 1045-1 (EN 1992-1-1 analog) der Gl. (12.14) für log N D 7 in Form eines Goodman-Diagramms gegenübergestellt. Die statische Querkrafttragfähigkeit Vcu wird dabei sinngemäß durch VRd;ct ersetzt. Generell ist eine Vorzeichenumkehr der einwirkenden Querkraft möglich; damit
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung VEd,max / VRd,ct 0,9 Grenzlinie für N = 1.107 nach (Okamura und Ueda 1982)
0,5
0
zulässiger Bereich der Querkraftbeanspruchung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (Normalbeton £ C50/60)
0,9
VEd,min / VRd,ct
Abbildung 12.23 Grenzquerkräfte bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung
einher geht die Rotation der Hauptspannungen, gegebenenfalls verknüpft mit der Bildung sich kreuzender Schubrisse. Den Verfassern sind allerdings keine Versuche bekannt, die diese Effekte im Hinblick auf die zyklische Querkrafttragfähigkeit bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung berücksichtigen würden. Für Schub-Wechselbeanspruchungen ist daher lediglich eine Abschätzung des Ermüdungsverhaltens, zweckmäßig in Anlehnung an das Verhalten wechselbeanspruchten Betons, möglich (s. Abschn. 12.2.3.3). 12.3.6.2 Bauteile mit Querkraftbewehrung – Spannungsermittlung Die bei zyklisch belasteten, querkraftbewehrten Bauteilen beobachteten Versagensmechanismen entsprechen im Grunde denen bei statischer Belastung (s. Abb. 7.20). Neben dem Ermüdungsbruch der Querkraftbewehrung im Bereich kreuzender Schubrisse kann ein in Versuchen eher selten beobachtetes Ermüdungsversagen des druckbeanspruchten Stegbetons auftreten. Die Ergebnisse von Versuchen u. a. nach Westerberg (1973); Frey u. Thürlimann (1983) sowie Guckenberger u. a. (1985) zeigen, dass das für die Bemessung im GZT entwickelte Fachwerkmodell für die Spannungsermittlung unter Betriebslasten übernommen werden kann. Sofern die Betriebslasten zur Bildung von Rissen führen, bildet sich unter der wiederholten Belastung ein inneres Tragsystem aus Druck- und Zuggurt sowie Zug- und Druckstreben nach Abb. 7.24 aus, das im Gegensatz zu Bauteilen ohne Querkraftbewehrung eine getrennte Betrachtung der einzelnen Komponenten, d. h. separate Nachweise
467
für Beton und Bewehrung erlaubt. Spannbetonbauteile, die unter Betriebsbeanspruchungen Risse aufweisen, zeigen in Versuchen zu Stahlbetonträgern identische ermüdungsbedingte Versagensformen und können ebenfalls durch das Fachwerkmodell beschrieben werden (vgl. König u. Danielewicz 1994). Für Spannbetontragwerke, bei denen eine Schrägrissbildung unter Betriebslasten nicht zu erwarten ist, erübrigt sich ein Ermüdungsnachweis der Querkraftbewehrung. In den angeführten Versuchen konnten z. T. mit der Lastwechselzahl ansteigende, generell stark streuende Bügelspannungen festgestellt werden. Die Veränderungen sind zum einen auf Kraftumlagerungen zwischen einzelnen Bügeln, zum anderen auf die graduell abnehmende Mitwirkung des Betons zurückzuführen. Durch die wiederholte Belastung ist unter anderem – ausgelöst durch die lokale Zerstörung des Betons an den Rissufern – eine Verminderung der Rissverzahnungswirkung zu beobachten. Der reduzierte Traganteil des Betons kann im Fachwerkmodell durch eine steilere Neigung der Druckstreben (bei 45ı ) abgebildet werden. In DIN 1045-1 wie auch in EN 1992-1-1 wurde zur Erfassung veränderter Druckstrebenneigungen ein Ansatz nach Grob (1977) gemäß Gl. (12.15) aufgenommen; hierbei ist die Neigung aus den Nachweisen im GZT (s. Abschn. 7.4.4 und 7.4.5). p tan fat D tan (12.15) Gleichung (12.15) basiert allerdings auf kinematischen Abhängigkeiten zwischen den Dehnungen der Bügelund Längsbewehrung und wurde ursprünglich zur Beschreibung der Neigungsunterschiede der Druckstreben zwischen Gebrauchs- und Bruchzustand abgeleitet. Sie ist im Zusammenhang mit der Anrechnung abnehmender Rissverzahnungswirkung als pragmatische Näherung zu sehen und korrespondiert nicht mit den Grundlagen des Fachwerkmodells nach Abschn. 7.4.4. Gleichung (12.15) kann allerdings nur bei 45ı sinnvoll angewandt werden; bei steileren Winkeln – die für den Ermüdungsnachweis ohnehin nur nach DIN 1045-1 möglich sind – würde Gl. (12.15) den entgegengesetzten Effekt flacherer Neigungen erzeugen; für > 45ı sollte fat D gesetzt werden. Allerdings ist fat nur für die Ermittlung der Bügelspannungen zu verwenden; die Betondruckspannungen sollen – auf der sicheren Seite liegend – mit berechnet werden. Die Stahlspannung der Bügelbewehrung folgt damit nach Gl. (7.39) zu swd D
VEd : asw z sin ˛.cot fat C cot ˛/
(12.16)
468
12 Nachweise gegen Ermüdung
Die Betonspannungen in den Druckstreben folgen unmittelbar aus Gl. (7.38): jcwd j D
VEd : bw z sin .cot C cot ˛/ 2
(12.17)
Bei lotrechter Bewehrung (˛ D 90ı ) vereinfachen sich die Beziehungen zu swd D jcwd j D
VEd tan fat ; asw z
(12.18)
VEd .cot C tan / : bw z
(12.19)
Die Überlagerung gleichzeitig auftretender Stahl- und Betonspannungen aus Torsionsbeanspruchungen sollte auf der Grundlage eines räumlichen Fachwerkmodells mit jeweils korrespondierenden Druckstrebenneigungen fat bzw. erfolgen (s. Abschn. 8.4.2). 12.3.6.3 Kritischer Querschnitt der Querkraftbewehrung Nahezu alle gebräuchlichen Arten der Querkraftbewehrung weisen Stabkrümmungen auf, die sich ungünstig auf die Ermüdungseigenschaften auswirken (s. Abschn. 12.2.1.3). Die Ergebnisse der bereits angeführten Versuchsreihen zeigen allerdings, dass nicht grundsätzlich die Stabkrümmung das Ermüdungsversagen der Querkraftbewehrung dominiert. Wegen der Verbundwirkung des gerippten Stahles nehmen die Spannungsschwingbreiten ausgehend vom Ort, an dem die Bewehrung den Schubriss kreuzt, deutlich ab. Sofern ausreichend große Verbundlängen bis zur Stabkrümmung vorhanden sind, werden die Schwingbreiten auf unschädliche Werte reduziert. Dem entsprechend wurden in den Versuchen nach Frey u. Thürlimann (1983) bei lotrechter Bügelbewehrung ausschließlich Ermüdungsbrüche im Bereich gerader Bügelschenkel unmittelbar an kreuzenden Schubrissen beobachtet. Im Unterschied dazu können Schubrisse, die sich im Allgemeinen aus Biegerissen entwickeln, geneigte Bügel und Schrägstäbe in unmittelbarer Nähe zur Stabkrümmung kreuzen; ein Ermüdungsversagen an der Krümmung kann daher nicht ausgeschlossen werden. Die Versuche nach Guckenberger u. a. (1985) belegen die gegenüber lotrechten Bügeln signifikant höheren Beanspruchungen an den Stabkrümmungen von Schrägstäben. In der Vergangenheit wurde im Rahmen der QuasiDauerfestigkeitsnachweise nach der alten Normengeneration (DIN 1045 (7.88) und DIN 4227-2 (7.88))
unabhängig von der Art der Querkraftbewehrung die verminderte Ermüdungsfestigkeit der Stabkrümmung betrachtet. Die durch die Verbundwirkung hervorgerufene Abnahme der Bügelspannungen bzw. Spannungsschwingbreiten bis zur Krümmung wurde durch einen zusätzlichen Abminderungsfaktor von 0,7 angerechnet. Vor dem Hintergrund experimenteller Erfahrungen wird in König u. Danielewicz (1994) und SIA (1997) empfohlen, dem Nachweis lotrechter Bügel die Ermüdungsfestigkeit gerader Stäbe zugrunde zu legen. Dies scheint grundsätzlich gerechtfertigt, allerdings empfehlen die Verfasser, sofern keine detailliertere Betrachtung erfolgt, insbesondere bei Bügelbewehrung mit großen Stabdurchmessern (ds 16 mm) bzw. bei geringen Längen der Bügelschenkel wegen der begrenzten verbundbedingten Spannungsabnahme bis zur Stabkrümmung, die Ermüdungssicherheit auf Basis der Kennwerte gekrümmter Stäbe zu überprüfen. Bei geneigten Bügeln oder Schrägstäben sollte der Nachweis generell auf Basis der Wöhlerlinien für gebogene Stäbe geführt werden. Werden Bügelleitern aus Einzelstäben oder geschweißte Betonstahlmatten als Querkraftbewehrung verwendet, sind unabhängig von der Anordnung statt der Ermüdungsfestigkeit gerader oder gekrümmter Stäbe die Kennwerte von Schweißverbindungen anzusetzen. Beispiel 12.2 Für die Rampe aus Beispiel 12.1 sollen die Spannungen infolge Querkraftbeanspruchung aus der Überfahrt des Gegengewichtsstaplers ermittelt werden. Für die Querkraftbewehrung wird der Schnitt x D 2;5d vom Lagerrand betrachtet (gerade keine Abminderung mehr für auflagernahe Einzellasten); die Stahlspannungen werden zunächst allgemein, anschließend für die häufige Einwirkungskombination berechnet. Vereinfachend wird – analog zur Ermittlung der Stahlspannungen der Biegebewehrung – von einer Querverteilung nach Abb. 12.19d ausgegangen; abhängig von den Randbedingungen am Auflager (Endquerträger bzw. torsionssteife Lagerung der Hauptträger, etc.) kann diese Näherung sehr konservativ sein. In Abb. 12.24 ist der Verlauf der Querkraft infolge Qk;tot D 2 0;85 ˚ Qk D 166;6 kN für einen Hauptträger wiedergegeben. VQk;min D 42;6 kN ;
VQk;max D 124;0 kN ;
VQk D 124;0 .42;6/ D 166;6 kN D Qk;tot
Für die Bemessung der Querkraftbewehrung im GZT wurde cot D 2 ( D 26;6ı ) angenommen. Daraus folgt nach Gl. (12.15): p p tan fat D tan D 0;5 D 0;71 ! fat D 35;3ı p ! cot fat D 2 D 1;41 :
12.3 Ermüdungsverhalten bei Bauteilen – Spannungsermittlung
469 VEd;freq D Vgk C 1 VQk ;
VEd;freq;min D 32;1 0;5 13;3 D 24;6 kN ;
Druckstrebe
VEd;freq;max D 32;1 C 0;5 166;6 D 114;5 kN : Nachweisschnitt Querkraftbewehrung
q
Die extremalen Betondruckspannungen folgen daraus bei vertikaler Bügelbewehrung (˛ D 90ı ) nach Gl. (12.19) zu
2,5d = 1,125
VEd;freq .cot C tan / ; bw z 24;6 103 D .2 C 0;5/ D 0;4 N/mm2 ; 0;4 0;38 114;5 103 D .2 C 0;5/ D 1;9 N/mm2 : 0;4 0;38
cw;freq D 0,85.2.Qk.F
cw;freq;max cw;freq;min
V in kN 200
197,8
Es sei angemerkt, dass Gl. (12.19) am parallelgurtigen Fachwerk abgeleitet wurde und damit für den Nachweis der zum Auflager führenden Druckstrebe (fächerförmiges Druckspannungsfeld) als Näherung anzusehen ist.
150 124,0 100
Druckstrebe am Auflager
50
-13,3
Vgk = 31,2
0 -50
-42,6
Querkraftbewehrung (x » 2,5 d)
Abbildung 12.24 Beispiel 12.2 – Rampe mit Gabelstaplerverkehr – Querkraft (charakteristische Werte)
Mit z D d cv;l 30 mm 0;38 m (Expositionsklasse XM2: Verschleißbeanspruchung durch Gabelstapler: cnom C 10 mm) folgt für vertikale Bügelbewehrung (˛ D 90ı , asw;prov D 22;6 cm2 /m) nach Gl. (12.18) VQk asw z cot fat 166;6 103 D D 137;1 N/mm2 : 22;6 104 0;38 1;41
sw D
Für die häufige Einwirkungskombination ergibt sich mit 1 D 0;5 VEd;freq D 1 VQk D 0;5 166;6 D 83;3 kN ; sw;freq
VEd;freq D 68;5 N/mm2 : D asw z cot fat
Für den Nachweis der Betondruckspannungen dürfen Abminderungen aus auflagernahen Lasten nicht berücksichtigt werden; der Nachweis der Betondruckstrebe wird exemplarisch am Randauflager auf Basis der Lagerkräfte geführt. In Abb. 12.24 sind die Lagerkräfte bei Überfahrt des Staplers dargestellt. Als ständig wirkend wird lediglich das Eigengewicht der Rampe Vgk D 32;1 kN angenommen. Die Extremwerte der Querkraft infolge Staplerüberfahrt sind VQk;min D 13;3 kN ;
VQk;max 166;6 kN :
Die Querkraftbeanspruchungen unter der häufigen Einwirkungskombination sind
12.3.6.4 Gurtanschluss Schubbeanspruchungen treten bei gegliederten Querschnitten auch durch den Anschluss der Gurte an den Steg auf. Der Ermüdungsnachweis der Anschlussbewehrung kann ebenfalls auf Basis eines Fachwerkmodells erfolgen. Im Unterschied zum Grenzzustand der Tragfähigkeit kann unter Betriebsbeanspruchungen eine über definierte Abschnittslängen konstante, plastische Verteilung der Längsschubkraft nicht vorausgesetzt werden (vgl. Abschn. 7.7). Die Ermittlung der Schubkraft sollte näherungsweise nach der Elastizitätstheorie erfolgen.
12.3.6.5 Schubfugen Auf Betriebslastniveau ist für Schubfugen, die nach DIN 1045-1 oder EN 1992-1-1 bemessen wurden, grundsätzlich starrer Verbund zu erwarten. Damit ist die Ermittlung von Schubspannungen nach Elastizitätstheorie gerechtfertigt. Durch zyklische Beanspruchungen kann der Haftverbund – physikalisch-chemische Anziehung und mikromechanische Verzahnung der beiden Oberflächen (s. Abschn. 7.8) – erheblich reduziert werden (Randl u. a. 2005; Zilch u. Müller 2007). Für den Ermüdungsnachweis von Schubfugen ist daher der über den Rauigkeitsbeiwert cj anzurechnende Haftverbund deutlich abzumindern (Abminderung um 50% nach EN 19921-1 bzw. um 100% nach DIN 1045-1). Darüber hinaus wird in Randl u. a. (2008) dringend empfohlen, nachträglich ergänzte Bauteile, die signifikanten zyklischen Beanspruchungen unterworfen sind – z. B.
470
12 Nachweise gegen Ermüdung
bei der Ergänzung von Fahrbahnplatten von Straßenbrücken durch Aufbeton – die Fugenoberflächen mindestens rau auszuführen (s. Abschn. 7.8.3.1).
Tabelle 12.3 Verhältnis der Verbundfestigkeit von Spanngliedern und geripptem Betonstahl nach DIN 1045-1 (abweichende Werte nach EN 1992-1-1 in Klammern)
Normenregelung nach DIN 1045-1
sofortiger
nachträglicher Verbund
Allgemeine Regeln zur Ermittlung von Schnittgrößen und Spannungen finden sich in DIN 1045-1, 10.8.2 und 10.8.3. Besonderheiten in Verbindung mit vereinfachten Nachweisen werden zusammen mit dem Nachweis im Anschluss an Abschn. 12.4 dieses Bandes erläutert.
Verbund
C50/60
Einwirkungskombinationen Ein Ermüdungsnachweis ist i. Allg. unter Ansatz der folgenden Einwirkungen zu führen: • • • • •
ständige Einwirkungen, maßgebender charakteristischer Wert der Vorspannung Pk , wahrscheinlicher Wert der Setzungen, sofern ungünstig wirkend, häufiger Wert der Temperatureinwirkung, sofern ungünstig wirkend, Einwirkung aus Nutzlasten.
Spannungsermittlung Die Spannungen sind unter der Annahme gerissener Querschnitte auf Basis der Verträglichkeit der Dehnungen, i. d. R. also für eine ebene Dehnungsverteilung zu ermitteln. Vereinfachend darf das Verhältnis der E-Moduli von Stahl und Beton mit ˛e D 10 angenommen werden. Bei Bauteilen mit Querkraftbewehrung sind die inneren Kräfte und Spannungen auf der Basis eines Fachwerkmodells zu ermitteln. Die Spannungsschwingbreite der Querkraftbewehrung darf mit einer Druckstrebenneigung p tan fat D tan berechnet werden. Dabei folgt aus Gl. (7.70). Besonderheiten bei Spannbetonbauteilen Das Grundmoment zur Ermittlung der Spannungen bei vorgespannten Bauteilen baut auf den oben angegebenen Einwirkungskombinationen auf. Für die Ermittlung der Spannungsschwingbreite der Betonstahlbewehrung muss das unterschiedliche Verbundverhalten von Betonstahl und Spanngliedern – soweit ungünstig wirkend – durch eine Erhöhung von s mit dem Faktor berücksichtigt werden. As C Ap p D As C Ap ds =dp
ds dp
( C50/60) (> C70/85a ) glatte Stäbe, Drähte
–
0,3
0,15
Litzen
0,6
0,5
0,25
profilierte Drähte
0,7
0,6
0,3
gerippte Stäbe
0,8
0,7
0,35
a nach EN 1992-1-1 darf für Werte zwischen C50/60 und C70/85 interpoliert werden.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Die Regeln zur Spannungsermittlung nach EN 1992-1-1, 6.8.2 ähneln den Regeln nach DIN 1045-1 in weiten Bereichen. Einwirkungskombinationen Die Einwirkungen setzen sich aus der sog. Grundkombination der nicht-zyklischen Einwirkungen sowie den zyklischen Einwirkungen zusammen. Die Grundkombination ist in Anlehnung an die häufige Einwirkungskombination nach EN 1990 nach Gl. (12.21) definiert. Ed;base D
X j
Gk;j C P C 1;1 Qk;1 C
X i>1
2;i Qk;i (12.21)
In Gl. (12.21) sind Qk;1 und Qk;i nicht-zyklische, nichtständige Einwirkungen. Die maßgebende zyklische Einwirkung Qfat muss mit der ungünstigsten Grundkombination nach Gl. (12.22) kombiniert werden. 0 1 X X Gk;j C P C 1;1 Qk;1 C 2;i Qk;i A Ed D @ j
CQfat
i>1
(12.22)
(12.20)
In Gl. (12.20) bedeuten: As Ap
> C55/67
LC50/55 > LC55/60
Querschnittsfläche der Betonstahlbewehrung Querschnittsfläche der im Verbund liegenden Spannstahlbewehrung größter Durchmesser der Betonstahlbewehrung Durchmesser bzw. äquivalenter Durchmesser der Spannstahlbewehrung p D 1;6 Ap für Bündelspannglieder D 1;20 dDraht für Einzellitzen mit 3 Drähten D 1;75 dDraht für Einzellitzen mit 7 Drähten Verhältnis der Verbundfestigkeit von im Verbund liegenden Spanngliedern zur Verbundfestigkeit von Betonrippenstahl, s. Tabelle 12.3.
Spannungsermittlung Spannungen müssen auf Grundlage gerissener Querschnitte bei Erfüllung der Verträglichkeit der Dehnungen berechnet werden. Für Bauteile mit Querkraftbewehrung darf zur Ermittlung der p Spannungsschwingbreiten der Bewehrung tan fat D tan 1;0 angenommen werden; ist dabei die zur Querkraftbemessung im GZT angenommene Druckstrebenneigung. Besonderheiten bei Spannbetonbauteilen Das Grundmoment zur Ermittlung der Spannungen entspricht der Grundkombination nach Gl. (12.21). Die un-
12.4 Nachweis gegen Ermüdung terschiedlichen Verbundeigenschaften von Betonstahl und Spannstahl können über eine Erhöhung der Betonstahlspannungen mit dem Faktor nach Gl. (12.20) mit nach Tabelle 12.3 erfolgen.
12.4 Nachweis gegen Ermüdung 12.4.1 Nachweisführung 12.4.1.1 Ablaufschema Ein Ermüdungsnachweis kann – wie in Abschn. 12.1.3.2 bereits angedeutet – auf 3 Nachweisstufen geführt werden. Die Reihung der Verfahren spiegelt hierbei eine deutliche Zunahme in Genauigkeit und Aussagekraft der Ergebnisse, allerdings auch eine erhebliche Zunahme des erforderlichen Aufwandes wieder (Abb. 12.25): • Stufe 1 Spannungsbegrenzung (Quasi-Dauerfestigkeitsnachweis) • Stufe 2 Nachweis über schädigungsäquivalente Spannungen bzw. Spannungsschwingbreiten (vereinfachter Betriebsfestigkeitsnachweis) • Stufe 3 Expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis. In sinnvoller Weise sollte zunächst ein Nachweis über Spannungsbegrenzungen auf Stufe 1 geführt werden. Werden die in DIN 1045-1 oder EN 1992-1-1 angegebenen Grenzwerte eingehalten, ist ein Ermüdungsversagen nicht zu erwarten; weitere Nachweise erübrigen sich. Ist ein Nachweis auf Stufe 1 nicht zu erbringen, kann ein vereinfachter Nachweis auf Stufe 2 über schädigungsäquivalente Schwingbreiten aus einer definierten Einwirkungskombination ggf. unter Verwendung vorgegebener Betriebslastfaktoren zielführend sein. Liegen keine Angaben zur Ermittlung schädigungsäquivalenter Spannungsschwingbreiten vor oder gelingt der Nachweis auf Stufe 2 nicht, muss ein expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis geführt werden. In DIN 1045-1 oder EN 1992-1-1 ist dieser Nachweis allerdings nur für Betonstahl und Spannstahl vorgesehen. Gelingt für Beton ein Nachweis auf Stufe 2 nicht, sollten die bezogenen Spannungen z. B. durch die Modifikation der Querschnittsabmessungen oder die Anhebung der Betonfestigkeitsklasse reduziert werden.
471
12.4.1.2 Sicherheitskonzept Der Ermüdungsnachweis zählt grundsätzlich zu den Nachweisen im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Um daher eine ausreichende Zuverlässigkeit gegenüber dem Versagen des Tragwerks oder seiner Teile zu erreichen, wird das Nachweiskonzept des GZT nach Abb. 2.17 zugrunde gelegt, d. h. sowohl Einwirkungen als auch Widerstände werden mit Teilsicherheitsbeiwerten belegt. Die Einwirkungen werden über den Ansatz von Spannungskollektiven bereits einschließlich ihrer Maximalwerte berücksichtigt; der Teilsicherheitsbeiwert für Einwirkungen f;fat kann daher zu 1,0 gesetzt werden. Der Teilsicherheitsbeiwert für Modellunsicherheiten Ed;fat ist ebenfalls mit 1,0 anzunehmen; sofern die Erfassung der Unsicherheiten in der Modellierung allerdings zweifelhaft ist, wird in König u. Danielewicz (1994) der Ansatz von Ed;fat D 1;1 vorgeschlagen.16 Die Teilsicherheitsbeiwerte des Widerstands werden nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 zu
s;fat
c;fat
D 1;15, D 1;50.
angenommen. Zumindest für Beton ist die Festlegung analog zu den übrigen Nachweisen im GZT als pragmatische Näherung zu sehen. Für Betonstahl wurden in Zusammenhang mit der Erarbeitung der Neuausgabe zu DIN 488 mehr als 6000 Dauerschwingversuche an Betonstahl, die im Rahmen der Güteüberwachung bzw. Konformitätsprüfung von deutschen Überwachungsinstituten durchgeführt wurden, neu ausgewertet. Dabei konnte s D 1;15 für die statistische Auswertung in s -Richtung (s als streuende Variable) bestätigt werden (vgl. Zilch u. Methner 2007). Die Angaben zu den Teilsicherheitsbeiwerten gelten unabhängig von der gewählten Nachweisstrategie.
12.4.2 Betriebsfestigkeitsnachweis (Stufe 3) Der als Standardverfahren (Nachweisstufe 3) in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 enthaltene Betriebsfestigkeitsnachweis baut auf der Gegenüberstellung der durch Betriebslasten hervorgerufenen Schädigung DEd mit einem Schädigungsgrenzwert Dlim D 1;0, der 16 In EN 1992-1-1 wird hierfür nicht explizit zwischen Unsicherheiten der Einwirkungen und des Modells unterschieden; die beiden Teilsicherheitsbeiwerte werden – wie übrigens für die Bemessung in den anderen Grenzzuständen der Tragfähigkeit auch – zu F zusammengefasst.
472
12 Nachweise gegen Ermüdung Ermüdungsnachweis bei Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1
Beton
Betonstahl
Spannstahl
Querkraft (Bauteile ohne Querkraftbewehrung)
Druck
Begrenzung von VEd,min und VEd,max
Begrenzung von scd,min und scd,max
Dss £ 70 N/mm²
Dss £ 35 N/mm²
DIN: 10.8.4 (6) EN: 6.8.7 (4)
DIN: 10.8.4 (4) EN: 6.8.7 (2)
DIN: 10.8.4 (2) EN: 6.8.6 (1)
EN: 6.8.6 (1)
ungeschweißte zugbeanspruchte Stäbe
geschweißte zugbeanspruchte Stäbe
Stufe 3
Stufe 2
Stufe 1
EN
Kopplungen DIN
Nachweis über schädigungsäquivalente Spannungen
Nachweis über schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreiten
Ecd,max,equ + 0,43Ö1-Requ £ 1,0
Ds g F,fat . g Ed,fat . Dss,equ £ g Rsk s,fat
DIN: 10.8.3 (6) EN: 6.8.7 (1)
DIN: 10.8.3 (5) EN: 6.8.5
Expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis DEd £ 1,0
Expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis
Nachweis entfällt, sofern Querschnitt überdrückt (red. Pmt; häufige EWK) DIN: 10.8.4 (3) EN: 6.8.6 (3)
D Ed £ 1,0
in DIN1045-1 und EN1992-1-1 nicht vorgesehen
DIN: 10.8.3 (1) EN: 6.8.4
Abbildung 12.25 Ablaufschema eines Ermüdungsnachweises nach DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1 (EN incl. empfohlener Werte für NDPs)
einem Ermüdungsversagen gleichgesetzt wird, gemäß Gl. (12.23) auf. DEd 1;0
(12.23)
12.4.2.1 Grundlagen Als Schädigung kann allgemein die Wirkung der einzelnen Spannungszyklen auf den Werkstoff – z. B. in Form eines Ermüdungsanrisses, der sich unter der Wirkung wiederholter Belastung fortpflanzt – betrachtet werden. Die Schädigungsbeiträge einzelner Schwingspiele werden angereichert, d. h. akkumuliert, bis die Grenzschädigung – etwa eine Risslänge, die zum Versagen des Restquerschnittes führt – erreicht ist. Im Allgemeinen wird der Schädigungszustand bzw. der Schädigungsfortschritt phänomenologisch aus der Lebensdauer bestimmt: die dimensionslose Schädigungssumme D bei Beginn der dynamischen Beanspruchung wird mit D D 0, bei Auftreten des Ermüdungsbruchs mit D D Dlim D 1 beschrieben (Abb. 12.26). Die Zunahme der Schädigungen durch wiederholte Belastungen, d. h. die Entwicklung der Schädigungssumme
zwischen den Randwerten 0 und 1, wird durch Akkumulationshypothesen definiert, die jedem Beanspruchungszustand, d. h. jedem einzelnen Schwingspiel, einen Schädigungswert zuordnen. Die einfachste, bekannteste und am häufigsten angewendete Akkumulationshypothese geht auf Palmgren und Miner zurück und stellt einen linearen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Lastwechsel je Schwingbreitenstufe und der dadurch hervorgerufenen Schädigung her (vgl. Palmgren 1924; Miner 1945). Demnach ist die Schädigungssumme Di eines im Einstufenversuch mit der Schwingbreite i belasteten Werkstoffs unmittelbar aus dem Anteil der bereits durchlaufenen Lastspiele n.i / an der Bruchlastspielzahl N.i / gegeben (s. Abb. 12.26 – Last1 schema ); Gl. (12.24) beschreibt diesen Zusammenhang. Die i zugeordnete Bruchlastspielzahl N kann unmittelbar aus Wöhlerlinien des betrachteten Werkstoffs abgelesen werden. Di D
n.i / N.i /
(12.24)
Bei mehrstufigen Belastungen (s. Abb. 12.26, Last2 und ) 3 müssen die Teilschädigungen Di schemata
12.4 Nachweis gegen Ermüdung
473
Lastschema 1 - Einstufenversuch
Form des Schwingbreitenkollektivs
Δσs Spannungsamplitude Δσ/2 in N/mm 2
Δσs,1
nBruch
0,5nBruch
Lastspiele n Lastschema 2
Lastschema 3
Δσs,2
Δσs,2 Δσs,3
Δσs,3
nBruch
0,5nBruch
0,5nBruch
400
200 100
50 10
nBruch
3
10
4
10
5
10
6
10
7
10
8
10
9
Lastspielzahl N (pü = 90%)
Abbildung 12.27 Lebensdauerlinien einer Schweissverbindung für verschiedene Formen des Schwingbreitenkollektivs (nach Haibach 1989)
Schädigungssumme D D = 1,0 ΔD(Δσs,3)
2 1 3
ΔD(Δσs,2)
ΔD(Δσs,2)
ΔD(Δσs,3) 0,5 n Bruch
n Bruch
Durch die Gewichtung der einwirkenden Schwingspiele mit den zugehörigen Wöhlerlinienwerten ergibt sich eine signifikante Abhängigkeit der Lebensdauer von der Form des Beanspruchungskollektivs. In Abb. 12.27 sind experimentell an Schweißverbindungen ermittelte Lebensdauerlinien für unterschiedliche Kollektivformen dargestellt.
Lastspiele n (linear)
Abbildung 12.26 Schädigungsfortschritt nach der PalmgrenMiner-Hypothese bei ein- und zweistufigen Belastungen
von m unterschiedlichen Schwingbreitenstufen i mit jeweils n Schwingspielen gemäß Gl. (12.25) aufsummiert werden. Zur Ermittlung der Schädigungssumme, d. h. zur Durchführung des Betriebsfestigkeitsnachweises müssen daher das Kollektiv der Beanspruchungen, zweckmäßig in Form einer diskreten Häufigkeitsverteilung von Klassen gleicher Schwingbreite (Betonstahl, Spannstahl) bzw. gleicher Schwingbreite und Mittelspannung (Beton) sowie die zugehörigen Bemessungswöhlerlinien bekannt sein. DD
m X i D1
Di D
m X n.i / N.i /
(12.25)
i D1
Mit Hilfe der Akkumulationshypothese werden also weitgehend regellose Betriebsbeanspruchungen mit der aus Einstufenversuchen gewonnenen Ermüdungsfestigkeit des Werkstoffs verknüpft. Mit dieser Funktion sind eine Reihe von Annahmen und Konsequenzen verbunden, die in Abschn. 12.4.2.3 erläutert werden.
12.4.2.2 Ablauf eines Betriebsfestigkeitsnachweises Ein expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis erfordert folgende Schritte (s. auch Abb. 12.28): • Zusammenstellung der relevanten Betriebslasten einschließlich deren Auftretenshäufigkeiten (Lastbilder, Lastkollektive, etc., s. Abschn. 12.3.2) • Ermittlung der Schnittgrößen-Verläufe (z. B. Schnittgrößen-Zeit-Verlauf) für die jeweils betrachteten Lastzyklen (s. Abschn. 12.3.3) • Berechnung der Spannungsverläufe (z. B. Spannungs-Zeit-Verlauf) aus den Schnittgrößenverläufen (s. Abschn. 12.3.4) • Aufbereitung der Spannungsverläufe, Klassierung und Zählung geschlossener Spannungszyklen und Ordnung nach Spannungsschwingbreite und Häufigkeit (s. Abschn. 12.3.4.2) • Berechnung der Schädigungssumme DEd mit Hilfe der Akkumulationshypothese nach Palmgren und Miner unter Verwendung der jeweils zutreffenden Bemessungs-Wöhlerlinie (Gl. 12.25) • Nachweis DEd 1;0.
474
12 Nachweise gegen Ermüdung Ds
Ds
Ds Wöhlerlinie
N(Dsi)
Dsi
Di = n(Dsi) / N(Dsi)
n(Dsi)
n(Dsi)
D= Lastwechselzahl n a Spannungskollektiv (Summenlinie)
Lastwechselzahl n, N b Schädigungsberechnung (Akkumulationshypothese)
S Di Schädigung D
c Schadenssumme
Abbildung 12.28a–c Betriebsfestigkeitsnachweis auf Basis der linearen Akkumulationshypothese nach Palmgren und Miner (schematisch)
Die Nachweisführung ist i. Allg. mit erheblichem Aufwand verbunden und lässt sich bei komplexeren Systemen nur mehr numerisch bewältigen.
12.4.2.3 Anmerkungen zur Akkumulationshypothese nach Palmgren und Miner Die Akkumulationsypothese nach Palmgren und Miner ist als einfache und pragmatische Annahme zu sehen, die keine physikalische Deutung zulässt. Die Annahme einer linearen Schädigungsakkumulation sowie der Bezug auf Wöhlerlinien aus Einstufenversuchen, deren Kennwerte nicht ohne weiteres auf reale Betriebslastverläufe übertragen werden können, führen zu einigen Unzulänglichkeiten der Hypothese in der Anwendung, die in der Vergangenheit lebhaft diskutiert und durch Modifikationen zum Teil korrigiert wurden. Grundsätzlich schließt die Palmgren-MinerHypothese die Berücksichtigung der chronologischen Abfolge der Beanspruchungen aus. Unabhängig vom Zeitpunkt des Auftretens bewirken identische Beanspruchungen gleiche Schädigungsbeiträge. Dies widerspricht dem beobachteten Schädigungsverlauf bei ermüdungswirksamen Beanspruchungen (Stahl: Abb. 12.8; Beton: Abb. 12.15). Tatsächlich bewirken Spannungszyklen, die in der Rissfortschrittsphase auftreten, deutlich geringere Schädigungsbeiträge als Zyklen während des instabilen Rissfortschrittes. Gleichzeitig ist die Abfolge der Beanspruchungen, d. h. die chronologische Reihung großer und kleiner Schwingbreiten, bedeutsam für das Ermüdungsverhalten. Allerdings ist eine Berücksichtigung dieser
Zusammenhänge vor dem Hintergrund der a priori unbekannten Beanspruchungsabfolge bei Tragwerken kaum möglich. Einer der meistdiskutierten Schwachpunkte der Hypothese ist vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Darstellung der Wöhlerlinien vor allem metallischer Werkstoffe mit Angabe einer Dauerfestigkeit D zu sehen. Sofern ein Beanspruchungskollektiv auch Stufen unterhalb von D aufweist, würden diese Spannungszyklen bei Anwendung der Palmgren-Miner-Hypothese keinen Beitrag zur Schädigungssumme leisten. Dem entsprechend würde z. B. ein Bewehrungsstab, der durch Anrisse infolge großer Schwingbreiten oder durch Fehlstellen vorgeschädigt ist, dennoch unendlich viele Lastwechsel mit Schwingbreiten unterhalb D ertragen. Dies widerspricht allerdings sowohl der bruchmechanischen Betriebsfestigkeitsanalyse als auch experimenteller Erfahrung (vgl. Schütz u. Zenner 1973). Tatsächlich ist bei vorgeschädigten metallischen Werkstoffen ein Absinken der Dauerfestigkeit mit zunehmender Lastwechselzahl zu erwarten. Um den Schädigungsbeitrag kleiner Schwingbreiten zu erfassen, wurde von Haibach eine modifizierte Wöhlerlinie für metallische Werkstoffe vorgeschlagen, die anstelle eines horizontalen Astes auf Dauerfestigkeitsniveau einen zweiten Ast mit verringerter Steigung aufweist. Die Festlegung des Spannungsexponenten k2 D 2k1 1 folgt eher pragmatischen, allerdings bruchmechanisch begründbaren Gesichtspunkten und hat Eingang in die aktuellen Normen sowohl des Betonbaus als auch des Stahlbaus gefunden. Die derart modifizierten Wöhlerlinien führen allerdings unter Umständen zu weit auf der sicheren Seite liegenden Näherungen der tatsächlichen Lebensdauer, wenn die größte auftretende Span-
12.4 Nachweis gegen Ermüdung
nungsschwingbreite unterhalb der aus Einstufenversuchen abgeleiteten Dauerfestigkeit liegt und gleichzeitig keine Vorschädigungen vorhanden sind. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass durch die Modifikation der Wöhlerlinien Unzulänglichkeiten der Akkumulationsberechnung auf die Materialbeschreibung übertragen werden; es ist daher sinnvoll, zwischen Wöhlerlinien des Materials und Wöhlerlinien für die Bemessung zu unterscheiden. Folglich darf angezweifelt werden, dass der sogenannte Dauerfestigkeitsast der Bemessungswöhlerlinien mit Spannungsexponent k2 durch Einstufenversuche abgebildet werden kann. Trotz einiger Unzulänglichkeiten ist die Anwendbarkeit der Palmgren-Miner-Hypothese auf Betonstahl, Beton und Stahlbetonbauteile in zahlreichen Studien nachgewiesen worden. Gleichzeitig ist vor dem Hintergrund einer vereinfachten Beschreibung der Einwirkungen, des Bauteilverhaltens und der Ermüdungsfestigkeiten eine erhöhte Genauigkeit bei der Schädigungsberechnung nicht sinnvoll. Umgekehrt ist zu beachten, dass bereits geringe Variationen der Eingangsparameter beachtliche Veränderungen der Schädigungssumme bewirken können (vgl. König u. Danielewicz 1994; RILEM 1994a); eine deterministische Vorhersage der Lebensdauer eines Bauwerks oder Bauteils anhand des Betriebsfestigkeitsnachweises ist daher nicht sinnvoll. Eine Alternative zu den deterministischen Verfahren bieten probabilistische Nachweisverfahren, die Streuungen der Eingangsparameter berücksichtigen (vgl. Buba 2003).
12.4.3 Nachweis über schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreiten (Stufe 2) Durch die Einführung schädigungsgleicher EinstufenErsatzkollektive kann der Ermüdungsnachweis formal auf eine Spannungsbegrenzung zurückgeführt werden, bleibt aber de facto ein echter Betriebsfestigkeitsnachweis. Erste Ansätze zur Ableitung schädigungsäquivalenter Schwingbreiten für Stahlbeton- und Spannbetonbauteile finden sich u. a. in Herzog (1977) und Kupfer (1979).
12.4.3.1 Grundlagen Die unter realitätsnahen Betriebslasten auftretenden Spannungskollektive – d. h. die nach Schwingbreite und Auftretenshäufigkeit geordneten Spannungszy-
475
klen – werden durch eine Beanspruchung mit nur einer Schwingbreite bei vorgegebener Lastwechselzahl ersetzt, die per Definition die selbe Schädigung hervorruft (s. Abb. 12.29). Die folgenden Erläuterungen basieren auf den Wöhlerlinien für Stahl (Index s); die Erweiterung auf Wöhlerlinien des Betons erfordert zusätzlich die Berücksichtigung der Mittelspannungsabhängigkeit. Die sog. schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreite s;equ ist festgelegt durch die Forderung, dass N D n.s;equ / Lastwechsel mit der Spannungsamplitude s;equ am betrachteten Element (Bewehrungsstab, etc.) die selbe Schädigung bewirken wie die Betriebslasten in der gesamten vorgesehenen Nutzungsdauer. Aufbauend auf der Palmgren-Miner-Hypothese wird diese Bedingung durch Gl. (12.26) abgebildet. X n.i / n.s;equ / Š DDD N.s;equ / N.i /
(12.26)
i
Aus der allgemeinen Darstellung der Wöhlerlinie für Stahl nach Gl. (12.5) folgt: m m s;equ N.s;equ/ D const. D Rsk N (12.27a) m Rsk N : (12.27b) ) N.s;equ/ D m s;equ
Wird Gl. (12.27b) in Gl. (12.26) eingesetzt und zugleich berücksichtigt, dass das Ersatzkollektiv gerade N Lastspiele aufweisen soll (n.s;equ / D N ), also auf den Knickpunkt der betrachteten Wöhlerlinie bezogen wird, ergibt sich DD
m s;equ m Rsk
(12.28)
:
Mit der Nachweisbedingung des allgemeinen Betriebsfestigkeitsnachweises D 1;0 kann Gl. (12.28) zu einem Spannungsnachweis umgeformt werden. (12.29)
s;equ Rsk :
Werden in Gl. (12.29) darüber hinaus die erforderlichen Teilsicherheitsbeiwerte der Einwirkungs- und Widerstandsseite berücksichtigt (s. Abschn. 12.4.1.2), folgt
F;fat Ed;fat s;equ
Rsk
s;fat
(12.30)
Die Ermittlung von s;equ beinhaltet die Berechnung der Schädigungssumme unter Betriebslasten. Dieser numerisch aufwändige Schritt kann durch die Einfüh-
476
12 Nachweise gegen Ermüdung
rung von Hilfswerten , den Betriebslastfaktoren (s für Betonstahl und Spannstahl, c für Beton), vereinfacht werden, in die in Konsequenz die Wöhlerlinienparameter des jeweils betrachteten Elements einfliessen. Mit den Betriebslastfaktoren wird s;equ nach Gl. (12.31) auf die maximale Spannungsschwingbreite s;stat unter einer vorgegebenen, quasi-statischen Einwirkungskombination zurückgeführt.
log Δσs
Wöhlerlinie log Δσs,max
schädigungsäquivalentes Einstufenkollektiv
log ΔσRsk log Δσs,equ
Betriebslastkollektiv
(12.31)
s;equ D s s;stat
Betriebslastfaktoren wurden für Straßenbrücken in Danielewicz (1994) und für Eisenbahnbrücken in Bagayoko (1999) abgeleitet und im ersten Fall auf die Schwingbreite infolge des Ermüdungslastmodells 3, im zweiten Fall auf die Schwingbreite infolge des Lastmodells 71 – jeweils in ungünstigster Stellung – bezogen. Damit entfällt gleichzeitig die Auswertung von Spannungs-Zeit-Verläufen. Weitere Erläuterungen zur Anwendung von Betriebslastfaktoren bei Straßenund Eisenbahnbrücken sowie zu deren Ableitung sind in Zilch u. a. (2004) enthalten. Für Kranbahnen sind Betriebslastfaktoren i in Abhängigkeit der Beanspruchungsklasse des Krans – d. h. in Abhängigkeit der Lastspielzahl während der Nutzungsdauer sowie der Kollektivform (Ausnutzungsgrad) – in DIN 1055-10 bzw. EN 1991-3 angegeben, mit denen die schädigungsäquivalente Radlast auf die maximale Radlast zurückgeführt wird.17 Für allgemeinere wiederkehrende Lasten liegen derzeit keine Betriebslastfaktoren vor. Der Nachweis auf Stufe 2 ist daher i. d. R. an erhebliche Vereinfachungen geknüpft.
17
Für die Betriebslastfaktoren nach DIN 1055-10 bzw. EN 1991-3 werden die Wöhlerlinien für Kerbdetails des Stahlbaus mit den jeweils zugehörigen Neigungen des Zeitfestigkeitsbereichs m D 3 für für Normalspannungen und m D 5 für Schubspannungen sowie N D 2106 als Knickpunkt der Wöhlerlinie zugrunde gelegt. Für den Nachweis von Stahlbeton- und Spannbetonkranbahnen müssen die Betriebslastfaktoren i an die entsprechenden Wöhlerlinien angepasst werden. Nach Heunisch u. a. (2006) kann dies über q (12.32) 2 D m2 .1 /m1 N1 =N2
erfolgen. Hierbei sind m1 und die DIN 1055-10 oder EN 1991-3 zugrunde liegenden Kennwerte und m2 bzw. N2 die entsprechenden Kennwerte nach DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1. Für den Nachweis von Beton bei Kranbahnen werden allerdings keine Betriebslastfaktoren angegeben; sofern Spannungsbegrenzungen (Stufe 1) nicht zielführend sind, ist zu erwägen, die Querschnittsabmessungen oder die Festigkeitsklasse anzuheben; andernfalls muss ein expliziter Betriebsfestigkeitsnachweis geführt werden. N1
log N*
log n, N
Abbildung 12.29 Ersatz des wirklichkeitsnahen Spannungskollektivs durch ein schädigungsgleiches Rechteckkollektiv (schematisch, für Bewehrung dargestellt)
12.4.3.2 Nachweis für Betonstahl und Spannstahl Der sowohl in DIN 1045-1 als auch in EN 19921-1 verankerte Ermüdungsnachweis von Betonstahl und Spannstahl über schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreiten folgt Gl. (12.30). Da allerdings für den unmittelbaren Anwendungsbereich der Normen derzeit noch keine Betriebslastfaktoren vorliegen, wird zumindest für übliche Hochbauten zu einer pragmatischen Vereinfachung gegriffen: die schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreite der Bewehrung s;equ wird der maximalen Schwingbreite max s unter der maßgebenden ermüdungswirksamen Einwirkungskombination gleichgesetzt. Diese Vorgabe bedeutet gleichzeitig aber auch, dass die Ermüdungssicherheit nur dann sichergestellt ist, wenn max s höchstens N mal während der Lebensdauer auftritt, darüber hinaus aber keine anderen Spannungszyklen auf das Bauteil einwirken. Vor dem Hintergrund der Palmgren-Miner-Hypothese ist die getroffene Vereinfachung aus der Sicht der Verfasser daher zwingend mit einer Einschränkung der auftretenden Lastwechselzahl verbunden.
12.4.3.3 Nachweis für Beton Wegen der grundsätzlich anderen Beschreibung der Wöhlerlinien ergeben sich für druckbeanspruchten Beton formal andere Zusammenhänge. Ausgehend von der Wöhlerline nach Gl. (12.6) wird die schädigungsäquivalente Schwingbreite i. d. R. auf N D 1 106 bezogen. log N D 14
1 Ecd;max;equ Š D6 p 1 Requ
(12.33)
12.4 Nachweis gegen Ermüdung
477
Wird Gl. (12.33) nach der bezogenen Oberspannung Ecd;max;equ aufgelöst und umgeformt, folgt p (12.34) Ecd;max;equ C 0;43 1 Requ 1;0 ;
mit
Requ D Ecd;min;equ =Ecd;max;equ ;
Ecd;max;equ D max jcd j=fcd;fat ; Ecd;min;equ D min jcd j=fcd;fat :
(12.35a) (12.35b) (12.35c)
Derzeit liegen lediglich für den Nachweis von druckbeanspruchtem Beton bei Eisenbahnbrücken Betriebslastfaktoren zur Berechnung von Ecd;max;equ und Requ vor (vgl. Bagayoko 1999). Darüber hinaus existieren keine -Werte oder Vereinfachungen bei der Ermittlung schädigungsäquivalenter Größen – dies zum einen wegen der geringen Praxisrelevanz eines Ermüdungsnachweises für Beton im Anwendungsbereich von DIN 1045-1 bzw. EN 1992-1-1, zum anderen wegen der komplexen Zusammenhänge bei der Betonermüdung.
12.4.4 Nachweis durch Spannungsbegrenzung (Stufe 1) 12.4.4.1 Grundlagen Bei der Begrenzung der Spannungen bzw. Spannungsschwingbreiten unter einer festgelegten Einwirkungskombination handelt es sich nicht um einen Betriebsfestigkeitsnachweis, sondern vielmehr um einen Nachweis der Quasi-Dauerfestigkeit ohne explizite Berücksichtigung der im Laufe der Lebensdauer des Bauwerks auftretenden Lastspielzahlen. Die zulässigen Spannungswerte bzw. -schwingbreiten werden aus den Wöhlerlinien der betreffenden Werkstoffe für eine sehr hohe Lastspielzahl (i. d. R. 1 108 , bei Beton 1 107 ) auf der sicheren Seite liegend abgeschätzt. Eine Begrenzung der Spannungen liefert sichere, aufgrund der hohen angesetzten Lastspielzahl und den hieraus resultierenden kleinen zulässigen Spannungsschwingbreiten allerdings tendenziell unwirtschaftliche Ergebnisse. Der große Vorteil dieses Verfahrens ist aber im geringen Aufwand und der transparenten Nachweisführung zu sehen. Der Nachweis ist nach DIN 1045-1 bzw. EN 19921-1 mit den Schnittgrößen bzw. Spannungen der häufigen Einwirkungskombination des GZG zu führen. Dieses Vorgehen entspricht im Wesentlichen der Bemessungspraxis der abgelösten Normengeneration (z. B. DIN 1045 (7.88) und DIN 4227). Allerdings ist das dem Nachweis zugrunde liegende Lastniveau – und da-
mit auch die jeweils zulässige Spannungsschwingbreite – nicht unmittelbar zwischen den Normengenerationen vergleichbar.
12.4.4.2 Nachweis für Betonstahl Formal wird der Nachweis für Betonstahl über Gl. (12.36) geführt. (12.36)
s;freq s;lim
Für den vereinfachten Nachweis ungeschweißter, zugbeanspruchter Bewehrungsstäbe durch eine Begrenzung der Spannungsschwingbreite auf QuasiDauerfestigkeitswerte wurde für eine Lastwechselzahl N D 1 108 ein Bemessungswert der zulässigen Schwingbreite s;lim D 70 N/mm2 abgeschätzt. In Zilch u. a. (2003) wurde hierzu in Verbindung mit DIN 1045-1 eine differenziertere Zusammenstellung unmittelbar aus den Wöhlerlinien abgeleiteter Bemessungswerte der zulässigen Schwingbreiten s;lim für N D 1 108 angegeben. Angesichts der Modifikationen der Wöhlerlinien gegenüber Ausgabe 2001 von DIN 1045-1 ist allerdings eine Anpassung der Werte an die teilweise verringerten normativen Ermüdungsfestigkeiten erforderlich. Für Nachweise nach DIN 1045-1 auf Stufe 1 sollten die in Tabelle 12.4 zusammengefassten Größen verwendet werden. Aus dem Betriebsfestigkeitsnachweis auf Basis der Palmgren-Miner-Hypothese lassen sich in Anlehnung an den ModelCode 90 zwei alternative Ansätze für einen vereinfachten Ermüdungsnachweis bei Bewehrungsstählen angeben, die in dieser Form nicht in DIN 1045-1 oder EN 1992-1-1 enthalten sind: • Liegt die größte auftretende Schwingbreite infolge der häufigen Einwirkungskombination oberhalb der Ermüdungsfestigkeit bei 1 108 Lastspielen, kann bei bekannter Lastspielzahl n (Summe aller Tabelle 12.4 Grenzwerte der Spannungsschwingbreiten für einen vereinfachten Nachweis der Betonstahlbewehrung (in Anlehnung an Zilch u. a. 2003) s;lim [N/mm2 ]
Bewehrungselement gerader Stab
ds 28 mm
90
ds > 28 mm
75
gebogener Stab
dbr > 15ds
65
(ds 28 mm)
dbr > 10ds
55
dbr > 5ds
44
Matten, Schweißverbindungen
30
478
12 Nachweise gegen Ermüdung
12.4.4.3 Nachweis für Spannstahl
log Dss DsRsk(n) gs,fat
log(max Dss) £ log(
)
log(max Dss)
log DsRsk
log DsRsk/gs,fat 104
n
108
106
N[-]
a Vereinfachter Nachweis bei bekannter Lastspielzahl n
log Dss log Dss,freq
log(
£ log(
DsRsk(10 8 ) ) gs,fat
DsRsk(108 ) ) gs,fat
log Dss,freq 104
106
n
108
Weder in DIN 1045-1 noch in EN 1992-1-1 sind explizite Grenzwerte für die Spannungsschwingbreiten von Spannstahl enthalten, lediglich für den Bereich von Kopplungen werden vereinfachte Regeln angegeben. Es kann für Kopplungen davon ausgegangen werden, dass kein Ermüdungsrisiko besteht, wenn unter der häufigen Einwirkungskombination bei gleichzeitig verminderter Vorspannkraft18 Pmt im Bereich der Kopplung keine Zugspannungen auftreten. Vor dem Hintergrund des nichtlinearen Zusammenhanges von Schnittgrößen und Spannungen bei vorgespannten Bauteilen sollte in diesem Fall allerdings eine modifizierte häufige Kombination verwendet werden, bei der die Temperaturdifferenz – ggf. zusätzlich zur führenden veränderlichen Last – stets mit dem Kombinationsbeiwert 1 angesetzt wird (vgl. Zilch u. a. 2004).
N[-]
b Vereinfachter Nachweis der Quasi-Dauerfestigkeit
Abbildung 12.30a,b Vereinfachte Nachweise für Betonstahl
Lastwechsel) ein Ermüdungsversagen ausgeschlossen werden, wenn der Nachweis für ein Einstufenkollektiv mit der Schwingbreite max s bei n Lastwechseln geführt wird (Vereinfachter Betriebsfestigkeitsnachweis auf Basis der maximalen Spannungsschwingbreite bei bekannter Lastspielzahl nach Abb. 12.30a). • Voraussetzung für die Anwendung der zweiten Alternative ist, dass während der Lebensdauer des Bauteils unter der häufigen Einwirkungskombination keine Spannungsschwingbreiten auftreten, die über der Ermüdungsfestigkeit (entsprechend der Wöhlerlinie des betrachteten Materials) bei 1 108 Lastwechseln liegen (Erweiterter Nachweis der Quasi-Dauerfestigkeit nach Abb. 12.30b). Ein Ermüdungsversagen kann streng genommen dann ausgeschlossen werden, wenn die Lastwechselzahl 1 108 nicht übersteigt. Werden Bewehrungsstähle allerdings ausschließlich in diesem Schwingbreitenbereich beansprucht, d. h. auch unter der seltenen Einwirkungskombination treten keine Schwingbreiten auf, die größer als Rsk .N D 1 108 /= s;fat sind, kann unter der Bedingung, dass keine Vorschädigungen z. B. durch Korrosion vorhanden sind, eine echte Dauerfestigkeit vermutet werden. Eine Beschränkung auf 1 108 Lastspiele ist für diesen Fall nicht zwingend.
12.4.4.4 Nachweis für Beton Dem vereinfachten Nachweis wird – abweichend vom Vorgehen bei Bewehrung – eine Lastspielzahl von 1 107 zugrunde gelegt, auf Basis derer zulässige Oberspannungen in Abhängigkeit der auftretenden Unterspannung unmittelbar aus den Wöhlerlinien nach Gl. (12.6) angegeben werden können. Vereinfachend wird die aus der Wöhlerlinie abgeleitete nichtlineare Beziehung durch eine lineare Formulierung nach Gl. (12.37) ersetzt, die in Abb. 12.31 in Form eines Goodman-Diagramms wiedergegeben ist. max jcd j min jcd j 0;5 C 0;45 (12.37) fcd;fat fcd;fat ( 0;9 bis C50/60 bzw. LC50/55 0;8 ab C55/67 bzw. LC55/60 In Gl. (12.37) bedeuten: max jcd j min jcd j
18
betragsmäßig größte Druckspannung unter der häufigen Einwirkungskombination betragsmäßig kleinste Druckspannung unter der häufigen Einwirkungskombination am Ort von max jcd j.
Hier ist es erforderlich, zwischen der statisch bestimmten und der statisch unbestimmten Wirkung der Vorspannung im Sinne einer Trennung von lokalen und globalen Effekten zu unterscheiden. Der statisch bestimmte Anteil ist aufgrund der an Kopplungen auftretenden, erhöhten Spannkraftverluste normgemäß abzumindern, während der statisch unbestimmte Anteil mit dem jeweils maßgebenden charakteristischen Wert angesetzt werden kann.
12.4 Nachweis gegen Ermüdung
479 Ecd,max
Ecd,max 1,0
1,0
0,8
0,8
0,6
0,6
0,4
0,4
0,2
0,2
zulässiger Bereich
N = 107 N = 108
10 7
0 10 0
103
10 6
109
1012 1015 Lastwechsel N [ - ]
a Wöhlerlinien
0 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0 Ecd,min [ - ]
b zulässige Spannungen für vereinfachten Nachweis
Abbildung 12.31a,b Spannungsgrenzen bei einem vereinfachten Nachweis druckbeanspruchten Betons – Goodman-Diagramm für Normalbeton bis C50/60
Ergänzend ist in Abb. 12.31 die Grenzlinie der bezogenen Oberspannung bei 1 108 Lastwechseln, der Bezugslastwechselzahl bei den vereinfachten Nachweisen der Bewehrung, eingetragen. Der Ermüdungsnachweis von Druckstreben querkraftbeanspruchter Bauteile kann auf der Basis eines Fachwerkmodells ebenfalls mit Gl. (12.37) geführt werden, allerdings müssen die festigkeitsmindernden Effekte durch den Abminderungsbeiwert ˛c (in EN 1992-1-1 mit bezeichnet) für die Druckstrebenfestigkeit bei mehrachsialem Spannungszustand erfasst werden (s. Abschn. 3.7.4). Schwellbeanspruchungen mit Unterspannungen cd 0, d. h. Beanspruchungen im Druck-ZugWechselbereich, treten ggf. im vorgedrückten Zuggurt von Spannbetonbauteilen auf. DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 sehen zwar in diesen Fällen eine Begrenzung max jcd j=fcd;fat 0;5 vor, allerdings sollte berücksichtigt werden, dass experimentelle Untersuchungen für Wechselbeanspruchungen einen rapiden Abfall der Ermüdungsfestigkeit belegen (s. Abschn. 12.2.3.3). Ergänzend sei angemerkt, dass die Bemessungswerte der Druckspannungen min jcd j und max jcd j natürlich dem gleichen Querschnittspunkt des Bauteils zugeordnet sind.
12.4.4.5 Nachweis für Bauteile ohne Querkraftbewehrung Für einen Ermüdungsnachweis des schubbeanspruchten Betons bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung geben DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 mit Gl. (12.38)
Grenzwerte der Querkraftbeanspruchung an, die formal eng an die Grenzwerte der Betondruckspannungen nach Gl. (12.37) angelehnt sind, allerdings den Wechselbereich, d. h. eine Vorzeichenumkehr der einwirkenden Querkraft, explizit berücksichtigen. für VEd;min =VEd;max 0 W jVEd;min j jVEd;max j 0;5 C 0;45 (12.38a) jVRd;ct j jVRd;ct j ( 0;9 bis C50/60 bzw. LC50/55 ; 0;8 ab C55/67 bzw. LC55/60 für VEd;min =VEd;max < 0 W jVEd;min j jVEd;max j 0;5 jVRd;ct j jVRd;ct j
(12.38b)
Da ein Ermüdungsversagen schubbeanspruchten Betons eng mit der Betonzugfestigkeit und dadurch mit der Querkrafttragfähigkeit VRd;ct (in EN 19921-1: VRd;c ) verknüpft ist, werden die einwirkenden Querkräfte auf VRd;ct bezogen. Gleichzeitig bildet Gl. (12.38) die in Okamura u. Ueda (1982) angegebene, empirische Wöhlerlinie für Bauteile ohne Querkraftbewehrung angenähert ab (vgl. Abb. 12.23). Wegen der äußerst komplexen mechanischen Vorgänge im Wechselbereich, z. B. der Rotation der Hauptzugspannungen, sind die Querkraftgrenzwerte für VEd;min =VEd;max < 0 als pragmatische Festlegung zu betrachten. Die Grenzwerte der Querkraftbeanspruchung nach Gl. (12.38) lassen sich übersichtlich in Form eines Goodman-Diagramms darstellen (Abb. 12.32).
480 VEd,max / VRd,ct 0,9
£ C50/60
0,8
> C55/67 VEd,max
•
0,5
•
VEd,min
-0,5
zu l
äs si g
er
Be
re
ic h
max(DVEd / VRd,ct)
VEd,min / VRd,ct 0
0,8 0,9
Abbildung 12.32 Grenzwerte der einwirkenden Querkraft für den vereinfachten Nachweis von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung
12 Nachweise gegen Ermüdung fck fcd;fat D ˇcc .t0 / fcd 1 ; (12.39) 250 p mit fcd D ˛c fck = c;fat und ˇcc D expŒ0;2 .1 28=t0 /; dabei ist fck in N/mm2 und t0 als Erstbelastungsalter in Tagen einzusetzen. Bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung darf der Nachweis für Beanspruchungen infolge Querkraft als erfüllt angesehen werden, wenn Bedingung (12.38) erfüllt ist. VRd;ct ist hierfür nach Gl. (7.17) zu ermitteln. Bei Bauteilen mit Querkraftbewehrung darf der Nachweis für Druckstreben über Gl. (12.37) geführt werden, wenn die verminderte Druckstrebenfestigkeit über den Abminderungsbeiwert ˛c (s. Gl. 3.169) berücksichtigt wird.
Nachweisstufe 2 – Nachweis über schädigungsäquivalente Schwingbreiten Für Betonstahl und Spannstahl gilt der Ermüdungsnachweis als erbracht, wenn für die schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreite s;equ Gl. (12.40) erfüllt ist (s. Gl.12.30).
F;fat Ed;fat s;equ
Rsk .N /
s;fat
(12.40)
Hierbei bezeichnen:
Normenregelung nach DIN 1045-1 Die in DIN 1045-1, 10.8.3 (Nachweisverfahren) und 10.8.4 (Vereinfachte Nachweise) geregelten Verfahren bauen auf einem dreistufigen Nachweiskonzept nach Abb. 12.25 auf. Sicherheitskonzept Für Ermüdungsnachweise gelten – abweichend von den übrigen Nachweisen im GZT – folgende Teilsicherheitsbeiwerte (Tabelle 12.5; s. auch Tabelle 2.6):
F;fat Ed;fat c;fat s;fat
! Einwirkungen ! Modellunsicherheiten ! Beton ! Betonstahl und Spannstahl.
Nachweisstufe 1 – Vereinfachter Nachweis durch Spannungsbegrenzung Den vereinfachten Nachweisen der Stufe 1 ist die häufige Einwirkungskombination nach DIN 1055-100 zu Grunde zu legen. Als Anwendungsregeln werden in DIN 1045-1, 10.8.4 folgende vereinfachte Nachweise angegeben: •
•
•
Für ungeschweißten, geraden Betonstahl darf der Ermüdungsnachweis als erfüllt angesehen werden, wenn unter der häufigen Einwirkungskombinaton die Spannungsschwingbreite s 70 N/mm2 ist. Für Betonstahl oder Spannstahl im Bereich von Schweißverbindungen oder Kopplungen darf ein ausreichender Ermüdungswiderstand angenommen werden, wenn der Betonquerschnitt in diesem Bereich unter der häufigen Einwirkungskombination – allerdings unter verminderter Vorspannung 0;75Pmt – vollständig überdrückt ist. Für druckbeanspruchten Beton gilt der Nachweis als erbracht, wenn für die häufige Einwirkungskombination Gl. (12.37) erfüllt ist. Der Bemessungswerte der Betondruckfestigkeit ist hierfür
s;equ
max s Rsk .N /
schädigungsäquivalente Spannungsschwingbreite; für übliche Hochbauten darf näherungsweise s;equ D max s angenommen werden. maximale Spannungsamplitude unter der maßgebenden ermüdungswirksamen Einwirkungskombination Spannungsschwingbreite für N Lastzyklen aus den Wöhlerlinien nach den Abbn. 12.13 und 12.14.
Für Beton unter Druckbeanspruchung kann ein Nachweis über schädigungsäquivalente Druckspannungen mit den Gln. (12.34) und (12.35) geführt werden. Nachweisstufe 3 – Betriebsfestigkeitsnachweis Im Rahmen eines Betriebsfestigkeitsnachweises ist zu zeigen, dass für die Schädigungssumme DEd 1;0 gilt. Die Berechnung von DEd erfolgt auf Grundlage der Palmgren-Miner -Hypothese unter Berücksichtigung der Wöhlerlinien für Beton, Betonstahl und Spannstahl (Abbn. 12.13, 12.14, 12.16).
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Die in EN 1992-1-1, 6.8.4 bis 6.8.7 geregelten Ermüdungsnachweise bauen analog zu DIN 1045-1 auf einem dreistufigen Nachweiskonzept nach Abb. 12.25 auf. Sicherheitskonzept Für den Ermüdungsnachweis gelten die in Tabelle 12.5 angegebenen Teilsicherheitsbeiwerte. Nachweisstufe 1 – Vereinfachter Nachweis durch Spannungsbegrenzung EN 1992-1-1 erlaubt folgende vereinfachte Nachweise:
12.4 Nachweis gegen Ermüdung •
Für zugbeanspruchte Bewehrungsstäbe darf der Nachweis als erfüllt angesehen werden, wenn unter der häufigen Einwirkung kombiniert mit der Grundkombination (s. Gl. 12.21) Bedingung (12.41) erfüllt ist. ungeschweißt: geschweißt:
•
•
• •
481
s k1 ;
s k2
(12.41b)
mit k1 als länderspezifisch festgelegtem Parameter (Tabelle 12.6) und ˇcc .t0 / nach Gl. (3.13). Der vereinfachte Nachweis für Bauteile ohne Querkraftbewehrung erfolgt analog zu DIN 1045-1 mit VRd;c nach den Gln. (7.19) und (7.20) anstelle von VRd;ct . Für den Nachweis von Druckstreben querkraftbeanspruchter Bauteile kann Gl. (12.37) unter Berücksichtigung des Abminderungsbeiwertes 1 (s. Tabelle 3.14) geführt werden.
Nachweisstufe 2 – Nachweis über schädigungsäquivalente Schwingbreiten Für Betonstahl oder Spannstahl und Kopplungen darf ein ausreichender Widerstand gegen Ermüdung vorausgesetzt werden, wenn Gl. (12.43) erfüllt ist (s. Gl.12.30) Rsk .N / :
s;fat
DIN 1045-1
(12.41a)
Für die länderspezifisch festgelegten Grenzwerte k1 und k2 vgl. Tabelle 12.6. Vereinfachend darf der Nachweis auch unter der häufigen Einwirkungskombination nach EN 1990 geführt werden. Für geschweißte Verbindungen oder Kopplungen in Spannbetonbauteilen gilt der Nachweis als erbracht, wenn der Betonquerschnitt im Umkreis von 200 mm um Spannglieder bzw. Bewehrung unter der häufigen Einwirkungskombination und einer um den Faktor k3 (NDP ! Tabelle 12.6) abgeminderten Vorspannkraft Pmt überdrückt bleibt. Für druckbeanspruchten Beton gilt Gl. (12.37) unter der häufigen Einwirkungskombination (Leichtbeton ausgenommen). Hierfür ist fck ; (12.42) fcd;fat D k1 ˇcc .t0 / fcd 1 250
F;fat s;equ .N /
Tabelle 12.5 Teilsicherheitsbeiwerte für Ermüdungsnachweise nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (empfohlene Werte und länderspezifisch festzulegende Parameter)
(12.43)
Für Hochbauten darf s;equ .N / näherungsweise durch die maximale Stahlspannungsamplitude s;max unter der maßgebenden ermüdungswirksamen Einwirkungskombination ersetzt werden. Für druckbeanspruchten Beton kann der Nachweis über die Gln. (12.34) und (12.35) geführt werden, allerdings darf die Lastspielzahl N , die den schädigungsäquivalenten Spannungen zugrunde liegt, national vereinbart werden (! Tabelle 12.6). Nachweisstufe 3 – Betriebsfestigkeitsnachweis Der explizite Betriebsfestigkeitsnachweis ist analog zu DIN 1045-1 auf der Grundlage der Palmgren-Miner Hypothese durch die Begrenzung der Schädigungssumme DEd 1;0 zu führen. Die Schädigungsbeiträge sind mit den in EN 1992-1-1 gegebenen bzw. national zu vereinbarenden Wöhlerlinien (Abbn. 12.13, 12.14, 12.16) zu führen.
EN 1992-1-1 (NDPs) EU
D
A
Einwirkungen F;fat
1;0
1;0
EU
EU
Modell
1;0
–a
–a
–a
1;5
EU
EU
1;5
EU
EU
Ed;fat
Leichtbeton
c;fat
1;5.1;5 c0 /b 1;5.1;5 c0 /b
Betonstahl
s;fat
1;15
1;15
EU
EU
Spannstahl
s;fat
1;15
1;15
EU
EU
Normalbeton c;fat
a
In EN 1992-1-1 werden die Teilsicherheitsbeiwerte für Modellunsicherheiten und Unsicherheiten der Einwirkungen in F;fat zusammengefasst. b Für Betone der Festigkeitsklassen C55/67 bzw. LC55/60 und höher ist c mit c0 D 1=.1;1 fck =500/ zu multiplizieren.
Beispiel 12.3 Für die Rampe aus den Beispielen 12.1 und 12.2 soll ein Ermüdungsnachweis geführt werden; hierfür werden die in ausgewählten Schnitten ermittelten Spannungen bzw. Spannungsschwingbreiten herangezogen19 . Nachweis der Biegebewehrung Für den Quasi-Dauerfestigkeitsnachweis (Stufe 1) der Biegebewehrung wurde in Beispiel 12.1 eine Schwingbreite unter der häufigen Einwirkungskombination von s;freq D 77;4 N/mm2 > s;lim D 70 N/mm2 ermittelt. Nach DIN 1045-1, 10.8.4 (2) ist der Nachweis nicht erbracht, allerdings kann für gerade Stäbe mit ds 28 mm nach Tabelle 12.4 s;lim D 90 N/mm2 angesetzt Tabelle 12.6 Länderspezifisch festzulegende Parameter zu den Nachweisen gegen Ermüdung NDP
EU
D
A
Nachweisstufe 1 k1
70 N/mm2
k2
35 N/mm
2
k3
0;9
0;75
EU
k1 (Gl. 12.42)
0;85
1;0
1;0
1 106
EU
EU
EU 0 N/mm
EU 2
EU
Nachweisstufe 2 N
19 Die Betrachtung jeweils eines Querschnitts für die Biege- und Querkraftbewehrung bzw. für die Betondruckspannungen ist allerdings nicht hinreichend; i. d. R. müssen – abhängig von Geometrie, Bewehrungsgrad und Belastung – mehrere Querschnitte untersucht werden.
482
12 Nachweise gegen Ermüdung
werden. Der Nachweis auf Stufe 1 kann damit als erfüllt angesehen werden. Der Vollständigkeit halber wird ein Nachweis auf Stufe 3 (Betriebsfestigkeitsnachweis) geführt. Hierfür sind ergänzende Angaben zu den Betriebslasten erforderlich: •
•
Vereinfachend wird angenommen, dass das Lastbild nach DIN 1055-3 (Gegengewichtsstapler Kat. G5 nach Abb. 12.19c) die tatsächlichen Betriebslasten widerspiegelt, d. h. die Rampe wird ausschließlich unter Volllast befahren (Anm.: Die steht u. a. im Widerspruch zum Kombinationsbeiwert 1 D 0;5 der häufigen Einwirkungskombination). Die Anzahl der Lastzyklen errechnet sich aus folgenden Angaben (die in jedem Fall mit Bauherrn, etc. abzustimmen sind): Nutzungsdauer (Jahre)
25
Arbeitstage/Jahr
300
Betriebsstunden/Tag
10
Überfahrten/Stunde
10.
N .Ed;s;i / D
DEd;i D
DEd;1 D
5
Da die Rampe nur unter Volllast befahren wird, lassen sich die ermüdungswirksamen Spannungsschwingbreiten unmittelbar aus Abb. 12.20b entnehmen. Unter Berücksichtigung der Teilsicherheitsbeiwerte Ed;fat D f;fat D 1;0 folgen die Bemessungswerte zu Ed;s;1 D Ed;fat f;fat s1 D 154;7 N/mm2 ;
Ed;s;2 D Ed;fat f;fat s2 D 6;7 N/mm2 :
Dem Nachweis ist also ein zweistufiges Kollektiv mit n.Ed;s;1 / D n.Ed;s;2 / D 7;5 105 zu Grunde zu legen. Die Schädigungssumme errechnet sich nach Gl. (12.25) aus DEd D
2 X
iD1
DEd;i D
2 X n .Ed;s;i / N .Ed;s;i /
iD1
N D 1 106 ;
Rsk D 175 N/mm2 ; k1 D 5 k2 D 9 :
Aus der allgemeinen Gleichung der Wöhlerlinie für Betonstahl (Gl. 12.5) folgt: Rsk .N /
s;fat
m
N D const:
D .Ed;s;i /m N .Ed;s;i /
N :
n .Ed;s;i / : m N
Rsk .N /
s;fat Ed;s;i
7;5 105 D 0;816 ; 5 175 6 1 10 1;15154;7
7;5 105 D 4;72 1013 ; 9 175 6 1 10 1;156;7
2 X
iD1
DEd;i D 0;816 < DEd;lim D 1;0 :
Der explizite Betriebsfestigkeitsnachweis ist damit ebenfalls erfüllt (Angesichts des per se unbestimmten Betriebslastkollektivs handelt es sich hierbei weniger um einen ausführlichen Betriebsfestigkeitsnachweis, sondern vielmehr um einen vereinfachten Nachweis bei bekannter Lastspielzahl nach Abb. 12.30a). Die abstrakte Schädigungssumme lässt sich in eine schädigungsäquivalente Schwingbreite s;equ eines einstufigen Kollektivs mit N D 1 106 umrechnen. Aus DEd D folgt
N D n s;equ
Ed;fat f;fat s;equ Rsk .N /= s;fat
k 2
p Rsk .N / k2 DEd
Ed;fat f;fat s;fat p 175 D 9 0;816 1;0 1;0 1;15
s;equ D
Die Bruchlastspielzahlen werden durch die Wöhlerlinie des betrachteten Elements festgelegt. Für geraden Betonstahl mit ds 28 mm gilt (s. Tabelle 12.1):
m
Wegen Ed;s;1 D 154;7 N=mm2 > Rsk = s;fat D 175=1;15 D 152;2 N=mm2 ist für Ed;s;1 zur Berechnung von DEd;1 der Spannungsexponent k1 zu verwenden. Für die beiden Schwingbreitenstufen ergibt sich daher:
DEd D
n D 25 300 10 10 D 7;5 10 :
Rsk .N /
s;fat Ed;s;i
Die Beiträge der Schwingbreitenstufen zur Schädigungssumme sind damit allgemein
DEd;2 D
Damit ist die Lastzyklenzahl
(12.44)
Die Verwendung von k1 bzw. k2 für m richtet sich danach, ob Ed;s;i ober- oder unterhalb des Knickpunktes der Wöhlerlinie bei Rsk = s;fat liegt. Aufgelöst liefert Gl. (12.44) die Bruchlastspielzahlen:
D 148;8 N/mm2 :
Erwartungsgemäß ist die schädigungsäquivalente Schwingbreite kleiner als die tatsächlich auftretende, maßgebende Betriebslastschwingbreite s1 D 154;7 N/mm2 , da die rechnerisch angesetzte Zyklenzahl von 7;5 105 kleiner als N D 1 106 ist. Nachweis der Biegedruckzone In Beispiel 12.1 sind für die häufige Einwirkungskombination folgende Betondruckspannungen errechnet worden: min jcd j D jc;freq;max j D 0;4 N/mm2 ;
max jcd j D jc;freq;min j D 2;9 N/mm2 :
Der Berechnung des Bemessungswertes der Betondruckfestigkeit fcd;fat wird zu Grunde gelegt:
Literatur
483
Festigkeitsklasse
C35/45
Erstbelastungsalter t0
100 Tage
Daraus folgt (s. Gl. 12.39): p ˇcc .t0 / D exp 0;2 1 28=t0 p D exp 0;2 1 0;28 D 1;10 ; fcd;fat D ˇcc .t0 /˛fck =c;fat .1 fck =250/
D 1;10 0;85 35=1;15 .1 35=250/ D 18;7 N/mm2 :
Die bezogenen Druckspannungen sind min jcd j 0;4 D D 0;02 ; fcd;fat 18;7 max jcd j 2;9 D D 0;15 : fcd;fat 18;7 Aus Gl. (12.37) folgt die Obergrenze der bezogenen Druckspannungen zu max jcd j min jcd j D 0;15 0;5 C 0;45 fcd;fat fcd;fat 0;5 C 0;45 0;02 0;51 :
Der Nachweis der Biegedruckzone ist damit erbracht. Nachweis der Querkraftbewehrung Für die häufige Einwirkungskombination folgt die Spannungsschwingbreite in der Querkraftbewehrung zu (s. Beispiel 12.2) sw;freq D 68;5 N/mm2 . Da dem Nachweis der Grenzwert des geraden, zugbeanspruchten Stabes zugrunde gelegt werden darf, gilt: sw;freq D 68;5 N/mm2 < s;lim D 70 N/mm2 : Der Nachweis ist erfüllt. Nachweis der Betondruckstrebe Aus Beispiel 12.2 sind die Betondruckspannungen der schrägen Druckstrebe am Auflager infolge der häufigen Einwirkungskombination bekannt: min jcd j D jcw;freq;max j D 0;4 N/mm2 ;
max jcd j D jcw;freq;min j D 1;9 N/mm2 : Die effektive Druckfestigkeit der Strebe ist fcd;fat;eff D ˛c fcd;fat
D 0;75 18;7 D 14;1 N/mm2 :
Der Quasi-Dauerfestigkeitsnachweis erfolgt – analog zur Biegedruckzone – auf Basis der Gl. (12.37). max jcd j 1;9 min jcd j D D 0;13 0;5 C 0;45 fcd;fat 14;1 fcd;fat 0;4 0;5 C 0;45 14;1 0;51 Damit ist auch der Nachweis der Druckstrebe auf Stufe 1 erfüllt.
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12 Nachweise gegen Ermüdung
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Kapitel 13
Statisch unbestimmte Systeme
13.1 Tragverhalten und Grundlagen Im Unterschied zu statisch bestimmt gelagerten Systemen können die Schnittgrößen in statisch unbestimmten Stabtragwerken nicht mehr allein aus Gleichgewichtsbedingungen berechnet werden; erst durch die Einführung von Verträglichkeitsbedingungen der Verformungen wird eine Schnittgrößenermittlung möglich. Die Schnittgrößenverteilung wird damit durch das nichtlineare Tragverhalten von Stahlbetonbauteilen beeinflusst. Gleichzeitig können bei statisch unbestimmten Systemen eingeprägte Verformungen (Zwang) zu erheblichen Beanspruchungen führen.
Der in Abb. 13.1 dargestellte Zweifeldträger wird durch eine stetig ansteigende Gleichstreckenlast bis zum Biegeversagen beansprucht; andere Versagensarten seien ausgeschlossen. Zunächst wird die Entwicklung des Stützmoments MSt über dem Mittelauflager betrachtet, zu dessen Berechnung als Verträglichkeitsbedingung ein Verschwinden der gegenseitigen Verdrehung St der beiden Tragwerksabschnitte im Stützquerschnitt gefordert wird. Anders ausgedrückt, darf die Biegelinie über dem Mittelauflager keinen Knick aufweisen (Abb. 13.2). Mit dem Prinzip der virtuellen Kräfte gilt: St D 2
0
Š
ıM dx D 0 :
st D 2 MSt D0
13.1.1 Tragverhalten
Zl
1 Zustand I – Balken ungerissen Der ungerissene Träger weist konstante Steifigkeiten Ec Ic auf, sofern der Einfluss voneinander abweichender ideeller Querschnittswerte bei unterschiedlicher Bewehrung in den Feld- und Stützquerschnitten vernachlässigt wird. Die Querschnittsverkrümmung ist damit I D M=Ec Ic . Für die Momentenlinie nach Abb. 13.1a (Dreieck mit Mmin D MSt und eingehängte Parabel mit Mmax D ql 2 =8) mit zunächst unbekanntem Stützmoment MSt kann Gl. (13.1) mit Hilfe der Integraltafeln angeschrieben werden:
(13.1)
Das Tragverhalten kann in 5 – für statisch unbestimmte Systeme charakteristische – Phasen unterschieden werden: K. Zilch, G. Zehetmaier, Bemessung im konstruktiven Betonbau DOI 10.1007/978-3-540-70638-0, © Springer 2010
) MSt D
l ql 2 l C 3Ec Ic 8 3Ec Ic
(13.2a)
2
ql : 8
(13.2b)
Die Schnittgrößenermittlung unter Voraussetzung linear-elastischen Verhaltens und konstanter Steifigkeiten – als Berechnung nach linearer Elastizitätstheorie (kurz: E-Theorie) bezeichnet – entspricht dem Standardverfahren der Stabstatik.
2 Rissbildung im Stützquerschnitt Mit dem Auftreten erster Risse am Stützquerschnitt fällt die Biegesteifigkeit in gerissenen Bereich auf II EIm;St ab, die Verkrümmungen nehmen zu. Die verminderte Steifigkeit muss in der Verträglichkeitsbedingung nach Gl. (13.2a) durch eine zusätzliche, negative Winkelverdrehung (Rotation) St , die dem aufintegrierten Krümmungszuwachs D mII I im gerissenen Bereich entspricht (grau hinterlegter Bereich des Krümmungsverlaufs in Abb. 13.1b), berücksichtigt werden.
487
488
13 Statisch unbestimmte Systeme q
Biegemoment
|M|
l
l
Krümmung
|| MSt = -ql2/8
ql2/8 -
+
EI a ungerissen |M|
|| 2
|MSt | < ql /8
St < 0
EI b Stützbereich gerissen |M|
|| St
EI F > 0
c Stütze und Feld gerissen |M|
||
St
+
EI I
d Fließgelenk über der Stütze
IIm
Abbildung 13.1a–d Tragverhalten eines Zweifeldträgers
l ql 2 l C 3Ec Ic 8 3Ec Ic (13.3a) CSt D 0 q l2 3 E c Ic St (13.3b) ) MSt D 8 2l St D 2 MSt
Da St negativ ist, bleibt MSt betragsmäßig hinter ql 2 =8 nach E-Theorie zurück; die Rissbildung bewirkt q
M = 1
Hauptsystem
damit eine Reduktion des Stützmoments. Die Größe von MSt ist von den zusätzlichen Krümmungen bei Rissbildung und damit von der Steifigkeit im gerissenen Zustand, d. h. von der Bewehrungsmenge im Stützbereich abhängig. Das bei bekanntem MSt allein aus Gleichgewichtsbedingungen (Einhängen einer Parabel mit Stich ql 2 =8) zu berechnende Feldmoment MF steigt über den Wert nach Elastizitätstheorie an. Vereinfacht ausgedrückt, ziehen die steiferen Tragwerksbereiche Schnittgrößen an. Alternativ kann die Schnittgrößenverteilung bei gerissenem Stützbereich mit einer statisch unbestimmten Rechnung nach Elastizitätstheorie ermittelt werden, wenn die Differenz q zur Erstrisslast qcr auf einen Zweifeldträger mit im II Stützbereich reduzierter Steifigkeit EIm;St angesetzt wird.
l
l
virtuelles Moment M
1,0 !
St =0
Abbildung 13.2 Berechnung der Rotation s an der Stütze mit dem Prinzip der virtuellen Kräfte
3 Rissbildung im Feld Bei weiterer Lasterhöhung treten auch im Feld Risse II auf; die Biegesteifigkeit fällt dort auf EIm;F ab. Die gegenüber dem elastischen Zustand vergrößerten Krümmungen bedingen eine zusätzliche Winkelver-
13.1 Tragverhalten und Grundlagen
489 ~ 1,5 m
drehung F > 0 (grau hinterlegte Bereiche positiver Krümmung in Abb. 13.1c), die in Gl. (13.2a) ebenfalls als additives Glied berücksichtigt werden muss. Das Stützmoment MSt nähert sich damit wieder dem Wert nach E-Theorie an. Die Verteilung der Schnittgrößen zwischen Feld und Stütze ist primär vom Verhältnis der Biegesteifigkeiten im gerissenen Zustand und damit vom Verhältnis As;St =As;F abhängig. Die absoluten Werte der Steifigkeiten sind bei Lasteinwirkung dagegen nicht relevant.
4 Fließgelenkbildung am Zwischenauflager Mit dem Überschreiten des Fließmoments My;St im Stützquerschnitt steigen die Krümmungen erheblich an, während das aufnehmbare Biegemoment nur mehr wenig zunimmt; die Biegesteifigkeit fällt im Bereich fließender Bewehrung auf nahezu Null ab (Abb. 13.1d). Die plastischen Verformungen sind i. Allg. auf einen relativ kleinen Bereich konzentriert; zur Beschreibung eignet sich daher das Modell eines plastischen Gelenks. Die plastischen Krümmungen des Trägerabschnitts werden zu einer Gelenkverdrehung zusammengefasst. Bei statisch bestimmten Systemen wäre mit dem Fließen der Bewehrung in einem Querschnitt die Traglast annähernd erreicht; eine weitere, i. Allg. geringe Laststeigerung kann nur durch die Stahlverfestigung und eine stärkere Einschnürung der Druckzone ermöglicht werden. Im Unterschied dazu ist bei dem betrachteten Zweifeldträger eine weitere, z. T. erhebliche Laststeigerung möglich. Die beiden Trägerhälften wirken für zusätzliche Lasten als Einfeldträger; die gegenseitige Verdrehung am Mittelauflager muss durch plastische Verformungen des Fließgelenks aufgenommen werden.
5 Fließgelenkbildung in den Feldern Nach weiterer Laststeigerung beginnt in den Feldern die Bewehrung ebenfalls zu fließen; mit den zusätzlichen plastischen Gelenken wird das System kinematisch, der Grenzzustand der Tragfähigkeit tritt ein. Eine Voraussetzung für das Erreichen der Systemtraglast ist allerdings, dass die mit der Belastung ansteigende plastische Verformung des Stützquerschnitts, die plastische Rotation des Fließgelenks, sich tatsächlich, d. h. ohne ein vorzeitiges Beton- oder Stahlversagen über der Stütze einstellen kann.
Ein Charakteristikum vom Durchlaufträgern ist das Zusammentreffen lokaler Maxima von Biegemoment und Querkraft über den Innenauflagern. Mit zunehmender Belastung entstehen dort ausgeprägte,
2,5
Ausschnitt
2,5
Abbildung 13.3 Rissbildung über dem Mittelauflager eines Zweifeldträgers (Rissbild nach dem Versagen aufgenommen; nach Leonhardt u. a. 1964)
fächerartig geneigte Biegeschubrisse, die positive Auswirkungen auf die Rotationsfähigkeit des Stützbereichs zeigen (Schubrissgelenk, vgl. Abschn. 13.1.3). In Abb. 13.3 ist der Ausschnitt eines – nach dem Querkraftversagen aufgenommenen – Rissbildes über dem Zwischenauflager eines Zweifeldträgers nach Leonhardt u. a. (1964) wiedergegeben.
13.1.2 Folgerungen aus dem Tragverhalten 13.1.2.1 Schnittgrößenumlagerungen Die Abweichungen der realen Biegemomente von den Rechenwerten nach Elastizitätstheorie (Mel ) werden als Momentenumlagerungen bezeichnet.1 Zur Beschreibung werden der Umlagerungsfaktor ı und der Umlagerungsgrad 1 ı verwendet: M ; Mel M Mel M D : 1ı D Mel Mel ıD
(13.4) (13.5)
In Abb. 13.4 ist für den beschriebenen Versuch die Entwicklung der Stütz- und Feldmomente MSt und MF mit zunehmender Last q und der daraus abgeleitete Verlauf des Umlagerungsfaktors ıSt des Stützmoments dargestellt. Bei Zweifeldträgern ist die Bewehrungsmenge und damit die Biegesteifigkeit im gerissenen Zustand im Stützbereich i. Allg. größer als jene im Feld. Da 1
„Umlagerung“ darf nicht als Umverteilung der Schnittgrößen missverstanden werden; bis zur Rissbildung auftretende Biegemomente werden nicht reduziert und an anderer Stelle des Tragwerks durch eine Erhöhung kompensiert. Vielmehr verschiebt sich die Verteilung der zusätzlich, d. h. nach Steifigkeitsänderung auftretenden Schnittgrößen zugunsten der steiferen Tragwerksbereiche. Der Begriff „Umlagerung“ ist allerdings primär durch das Vorgehen bei der Bemessung nach Abschn. 13.2.4 geprägt.
490
steifere Tragwerksbereiche die Schnittgrößen anziehen, nähert sich MSt nach Abschluss der Rissbildung wieder dem Rechenwert nach E-Theorie an.
13 Statisch unbestimmte Systeme MF
4 Mcr,F
13.1.2.2 Konsequenzen für Schnittgrößenermittlung und Bemessung Die Verteilung der Schnittgrößen in statisch unbestimmten Tragwerken wird wesentlich durch Rissbildung und Steifigkeit der gerissenen Bereiche, also insbesondere durch die vorhandene Bewehrungsmenge gesteuert. Damit existiert – im Gegensatz zu statisch bestimmten Systemen – für die erforderliche Bewehrungsmenge zum Nachweis der Tragfähigkeit im GZT keine eindeutige Lösung mehr; Schnittgrößenermittlung und Bemessung sind miteinander verknüpft. Nur eine Vernachlässigung des Bewehrungseinflusses auf die Biegesteifigkeit, d. h. eine Berechnung auf Grundlage der linearen Elastizitätstheorie, ermöglicht eine vollständige Entkopplung der Systembetrachtung (Schnittgrößenermittlung) von der Querschnittsbetrachtung (Bemessung). Das hochgradig nichtlineare Tragverhalten von Stahlbeton wird bei diesem Vorgehen ausschließlich auf Querschnittsebene durch die Bemessung im GZT berücksichtigt. Die Anwendung der E-Theorie, d. h. die Vernachlässigung von Momentenumlagerungen, führt aber gleichzeitig zu unnötigen Bewehrungskonzentrationen in hochbeanspruchten Bereichen. Umgekehrt ermöglicht die Berücksichtigung des wirklichen Tragverhaltens einschließlich der Momentenumlagerungen eine gleichmäßigere Ausnutzung der Träger. Verfahren, die eine rechnerische Umsetzung des nichtlinearen Tragverhaltens ermöglichen und damit Schnittgrößenermittlung und Bemessung mehr oder minder eng koppeln, werden in Abschn. 13.2 vorgestellt.
13.1.2.3 Vor- und Nachteile statisch unbestimmter Systeme Während bei statisch bestimmten Systemen die Tragfähigkeit des kritischen Querschnitts mit der Bauteiltragfähigkeit gleichzusetzen ist, können bei statisch unbestimmten Tragwerken durch Schnittgrößenumlagerungen in geringer beanspruchte Bereiche noch erhebliche Tragfähigkeitsreserven mobilisiert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die hoch ausgenutzten Bereiche ein ausreichendes Verformungsvermögen, d. h. eine ausreichende Duktilität aufweisen. Statisch unbestimmt gelagerte Träger sind damit we-
5
My,F
1
2
MF MF,el
3
q
Mcr,St My,St
MSt MSt,el = ql2/8
MSt a Feld- bzw. Stützmoment MF bzw. Mst St 1,0
1
2
3
4
b Umlagerungsfaktor St
5 q
1 Balken ungerissen 2 Riß im Stützbereich 3 Riß im Feldbereich 4 Fließen im Stützbereich 5 Fließen im Feldbereich
Abbildung 13.4a,b Umlagerung von Biegemomenten am Zweifeldträger (schematisch)
sentlich unempfindlicher gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen. Umlagerungsmöglichkeiten sind insbesondere bei teilweisem Verlust des inneren Widerstands z. B. durch Spannungsrisskorrosion von Spannstahl gegeben. Statisch unbestimmte Tragwerke erfüllen mit ihrem sog. robusten, d. h. schadenstoleranten Tragverhalten eine der wesentlichen Anforderungen an Tragwerke (vgl. Abschn. 2.1). Umgekehrt können in statisch unbestimmten Systemen erhebliche Beanspruchungen durch eingeprägte Verformungen (Zwang) entstehen. Beispiel 13.1 Die schweizer Nationalstraße N2 bzw. die Autobahn A2 – die Gotthardroute – gehört zu den wichtigsten NordSüd-Verkehrsachsen durch die Alpen und führt von Basel durch den Gotthard bis an die italienische Grenze nach Chiasso. Im Kanton Uri überquert die N2 mit einer in den Jahren 1970–1974 errichteten SpannbetonHohlkastenbrücke das Reusstal bei Wassen. Die beiden getrennten Überbauten wurden als Durchlaufträger mit 4 bzw. 5 Feldern mit Feldweiten zwischen 32 und 64 m ausgeführt. In der Nacht vom 24. auf den 25. August 1987 wird ein Pfeilerfundament durch ein Hochwasser unterspült; der Pfeiler senkt sich um etwa 1,2 m und wird gleichzeitig um 0,6 m gegen die Brückenachse versetzt. Durch
13.1 Tragverhalten und Grundlagen
Abbildung 13.5 Reussbrücke Wassen (Schweiz) – verformter Spannbeton-Durchlaufträger nach dem Absacken des Pfeilers um ca. 1,2 m (aus König u. a. 1990)
sein Eigengewicht folgt der Überbau der Stützensenkung; die daraus hervorgerufene, enorme Belastung kann der Brückenträger allerdings durch die Ausbildung plastischer Gelenke über dem abgesackten Pfeiler (Risse an der Kastenunterseite durch positives Moment) und über den benachbarten Auflagern (Risse an der Oberseite – negatives Moment) aufnehmen. Gleichzeitig reduziert sich die Lagerpressung über dem Pfeiler auf ca. 64% (bestimmt durch den Pressendruck bei der späteren Hebung). Zwar weist der Brückenüberbau in den Bereichen plastischer Gelenke eine erhebliche Anzahl von Rissen und in Teilbereichen Betonabplatzungen ausgelöst durch die plastischen Betonstauchungen auf, allerdings kann die Brücke durch Anheben, parallel dazu durch eine Verstärkung mit zentrischer, externer Vorspannung im Hohlkasten und eine Verpressung der Risse in kurzer Zeit wiederhergestellt werden (Menn 1989). Ein ähnlicher Schadensfall ereignet sich am 12. Juli 1990 an der Autobahnbrücke über den Inn in Kufstein – im Übrigen der ersten, im klassischen Taktschiebeverfahren hergestellten Spannbeton-Hohlkastenbrücke. Auch hier kann die durch eine Auskolkung der Flußsohle unter einem Pfeiler hervorgerufene Absenkung um ca. 1,35 m zwar mit erheblicher Rissbildung, aber mit weitgehend intaktem Tragwerk aufgenommen werden (Wicke 1991). In beiden Fällen haben sich die Durchlaufträger als äußerst robust gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen erwiesen.
491
vor, die sich z. T. in der Integrationslänge der Verkrümmungen und der Definiton des plastischen Verkrümmungsanteils unterscheiden. In DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 beschreibt die plastische Rotation pl aufbauend auf der Definiton in CEB (1976) das Integral der plastischen Krümmungen pl zwischen zwei benachbarten Momentennullpunkten, wobei pl die Differenzverkrümmung zwischen dem Zustand bei Erreichen des Fließmoments My und des Bruchmoments Mu darstellt (grau hinterlegter Bereich in Abb. 13.6b). Im Unterschied dazu wird z. B. in Bachmann (1967) die plastische Rotation nur auf den Bereich fließender Bewehrung bezogen. Einen Überblick über Forschungsarbeiten und Rechenmodelle zur Rotation plastischer Gelenke enthält CEB (1998). Plastische Gelenke können phänomenologisch nach der gleichzeitigen Wirkung von Biegemomenten und Querkräften unterschieden werden. In den Stützquer-
a Ersatzträgermodell
a
F = Fu
c vereinfachte M--Linie u y cr
Mcr My Mu M cr y
el pl
u
13.1.3 Rotation plastischer Gelenke Die Umlagerung von Schnittgrößen in statisch unbestimmten Tragwerken setzt eine ausreichende plastische Verformbarkeit der hochbeanspruchten Bereiche, d. h. eine ausreichende Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke voraus. Zur Definition der plastischen Rotation pl eines Fließgelenks liegen verschiedene Ansätze
el + pl b Biegemoment und Verkrümmung am Ersatzträger bei F = Fy und F = Fu
Abbildung 13.6a–c Definition der plastischen Rotation am Ersatzträger (Anteil aus Biegung)
492
schnitten von Durchlaufträgern fallen die lokalen Maxima von jM j und jV j zusammen. Der in Abb. 13.3 dargestellte, ausgeprägt geneigte Verlauf der Biegeschubrisse bewirkt eine Ausweitung des Bereichs plastischer Stahldehnungen, der mit Hilfe des Fachwerkmodells über eine Verschiebung der Zugkraftlinie um das Versatzmaß al erklärt werden kann (Schubrissgelenk nach Abb. 13.7a). Im Unterschied dazu konzentrieren sich in Bereichen mit Mmax und V 0, z. B. in Feldbereichen von Biegeträgern, die plastischen Verformungen in wenigen Biegerissen (Biegerissgelenk nach Abb. 13.7b); die Rotationsfähigkeit bleibt insbesondere für Einzellasten hinter der von Schubrissgelenken zurück (vgl. Bachmann 1967; Langer 1987; König u. a. 1999). Die Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke wird – analog zur M --Beziehung eines Querschnitts – durch eine Vielzahl von Größen beeinflusst, u. a. von Materialparametern (Last-Verformungs-Verhalten von Beton und Bewehrung, insbesondere die Duktilität des Betonstahls; Verbundverhalten der Bewehrung), von Geometrieparametern (Form und Abmessungen des Querschnitts, Bewehrungsgrad, Schlankheit) und dem statischen System bzw. Lastparametern (Verlauf und Gradiente der Momentenlinie, Art der Einwirkung) (CEB 1998). Da alle Einflussparameter zudem mit stochastischen Streuungen behaftet sind, ist die exakte Vorhersage der Rotationsfähigkeit eines plastischen Gelenks nicht möglich. Für den in Abschn. 13.2.6 beschriebenen Nachweis der Rotationsfähigkeit muss die Berechnung auf wenige maßgebende Parameter zurückgeführt werden: • Bezogene Druckzonenhöhe , Duktilität von Stahl und Beton Die maximale plastische Krümmung eines Querschnitts wird – abhängig von der Versagensform – durch die Grenzstauchung des Betons "cu (Betonversagen) oder die Grenzdehnung der Bewehrung "su (Stahlversagen) bestimmt. Mit zunehmender Duktilität der Bewehrung bzw. des Betons nimmt die Rotationsfähigkeit zu. Zudem steigt mit der Duktilität des Betonstahls die Ausdehnung des Bereichs plastischer Stahldehnungen an. Bei Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen (! Index „m“) folgen die maximalen plastischen Krümmungen zu um D "cu;m =x (Betonversagen) bzw. um D "su;m =.d x/ (Stahlversagen). Die bezogene Druckzonenhöhe D x=d ist damit ein geeigneter Summenparameter zur Beschreibung der Duktilität. Gleichzeitig erfasst näherungsweise den Bewehrungsgrad und die Geometrie eines
13 Statisch unbestimmte Systeme
d x
a Schubrissgelenk
pl
F
d x
b Biegerissgelenk
pl
F
Abbildung 13.7a,b Typen plastischer Gelenke (nach Bachmann 1967)
Querschnitts. Mit zunehmendem Bewehrungsgrad steigt an, die mögliche Rotation des Querschnitts fällt (vgl. Abb. 6.11). • Schubschlankheit Die Ausdehnung des Bereichs zwischen Momentenmaximum und Momentennullpunkt wird durch die Schubschlankheit D a=d des Ersatzträgers nach Abb. 13.6 erfasst. Näherungsweise kann durch den Quotienten aus maximalem Moment jM j und zugehöriger, maximaler Querkraft jV j über D M=.V d / ausgedrückt werden (vgl. Abschn. 7.1). Mit ansteigendem wächst der Bereich plastischer Krümmungen, d. h. die Integrationslänge und damit die Rotationsfähigkeit des plastischen Gelenks. Die in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 aufgenommene Beschreibung der Rotationsfähigkeit geht auf einen in Ahner u. Kliver (1998) bzw. Ahner u. Kliver (1999); König u. a. (1999) entwickelten Berechnungsansatz zurück. Der Bemessungswert der möglichen plastischen Rotation pl;d wird dabei an die bezogene Druckzonenhöhe d D xd =d aus der Bemessung im Grenzzustand der Tragfähigkeit gekoppelt. r "su "sy ; (13.6) pl;d D ˇn ˇs 1 d 3
mit
8 0;28 .ˇc d /0;2 "uk ˆ ˆ ˆ ˆ < (Stahlversagen) "su D min ; (13.7a) 2=3 1 ˆ ˆ 1;75 d d 1 j"c1u j ˆ ˆ : (Betonversagen) ˇn D 22;5 ;
(13.7b)
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT
ˇs D 1 ˇc D
fy ft
;
(13.7c)
3
(13.7d)
k
0;0035 j"c1u j
In den Gln. (13.6) und (13.7) bedeuten: d "su "uk "sy .fy =ft /k
"c1u
bezogene Druckzonenhöhe xd =d , berechnet mit den Bemessungswerten der Einwirkungen und der Baustofffestigkeiten; Stahldehnung bei Versagen unter Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen; Stahldehnung unter Höchstlast (Tabelle 3.10); Stahldehnung bei Fließbeginn (Tabelle 3.10); charakteristischer Wert des Verhältnisses von Streckgrenze zu Zugfestigkeit (Tabelle 3.10); Grenzdehnung des Betons (Tabellen 3.2 bzw. 3.3).
Die Kennwerte des Betonstahls "uk und .fy =ft /k werden durch die Einteilung in die Duktilitätsklassen A, B und C vorgegeben. Der in DIN 1045-1 und EN 1992-11 enthaltene, gegenüber Gl. (13.6) linearisierte und auf hochduktile Bewehrung reduzierte Berechnungsansatz nach Gl. (13.8) (vgl. DAfStb 2003) ist in Abb. 13.8 für D 3 wiedergegeben. 8 ˆ Œ.0;15 C 30 "c1u / d ˆ q ˆ ˆ ˆ ˆ C0;007 ˆ ˆ 3 ˆ ˆ < (Stahlversagen) pl;d D min (13.8) ˆ Œ.0;0043 4;2 "c1u / ˆ ˆ q ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ 0;03 d 3 ˆ ˆ : (Betonversagen) (pl;d in rad)
Die zwei Bereiche sind dem Stahl- bzw. Betonversagen zugeordnet. Bei geringen Bewehrungsgraden, damit kleinem , erreicht die Bewehrung vor dem Beton die Grenzdehnung. Wegen der zunehmend versteifenden Wirkung des Betons zwischen den Rissen, u. a. hervorgerufen durch die größeren Rissabstände, fällt pl;d mit ab. Bei großen Bewehrungsgraden, d. h. großem , bestimmt die Betondruckzone die mögliche plastische Rotation. Von D 3 abweichende Schubschlankheiten sind entsprechend Gl. (13.6) bzw. (13.8) durch Multiplikation von pl;d mit dem Faktor k zu erfassen.
493 pl,d in 10-3 rad
14 12 10 bis C50/60 8 6 Stahlversagen
C55/67 C60/75 C70/85 C80/95 C90/105, C100/115
Betonversagen
4 2 0 0
0,05
0,15
0,25
0,35
d =
x d 0,45 d
Abbildung 13.8 Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke nach DIN 1045-1 für D 3; Betonstahl hoher Duktilität (Duktilitätsklasse B) (Lösung nach Gl. (13.6) für Betonfestigkeitsklassen bis C50/60 gestrichelt eingetragen)
k D
r
; 3
mit
MEd VEd d
(13.9)
Es bleibt anzumerken, dass die mögliche plastische Rotation pl;d nach Gl. (13.6) bzw. Abb. 13.8 die positive Wirkung der Schrägrissbildung (Schubrissgelenk) sowie die Ausrundung der Zugkraftlinie über direkten Auflagern endlicher Breite zumindest anteilig erfasst. Die angegebenen Rotationsfähigkeiten sind daher auf indirekte Auflager nicht ohne Weiteres zu übertragen.
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT 13.2.1 Allgemeines Nach dem klassischen Verständnis der Bemessung im GZT wird die erforderliche Bewehrungsmenge auf Grundlage des Bemessungswerts der Beanspruchungen ermittelt. Bei statisch unbestimmt gelagerten Tragwerken ist die Schnittgrößenverteilung an die Bewehrungsmenge geknüpft. Die in den vorangegangenen Kapiteln strikt getrennt betrachteten Ebenen von System (Schnittgrößenermittlung) und Querschnitt (Bemessung) sind gekoppelt; eine eindeutige Lösung für die erforderliche Bewehrungsmenge zur Sicherstellung der Tragfähigkeit im GZT ist damit nicht mehr gegeben. Für die Schnittgrößenermittlung bei statisch
494
13 Statisch unbestimmte Systeme
M
M
a reales Verhalten
M
EcIc
b Elastizitätstheorie
Tabelle 13.1 Anwendbarkeit der Verfahren zur Schnittgrößenermittlung für Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit (GZG) bzw. Tragfähigkeit (GZT)
Verfahren
Grenzzustand
c Plastizitätstheorie
Abbildung 13.9a–c Mögliche Abbildung des Tragverhaltens für die Schnittgrößenermittlung
Elastizitätstheorie E-Theorie mit Umlagerung Plastizitätstheorie
unbestimmten Systemen existieren verschiedene Verfahren, die sich primär durch die Idealisierungen bei der Abbildung des realen Tragverhaltens unterscheiden:
a
Nichtlineare Berechnung
GZG
GZT
ja
ja
nein
ja
nein
ja
ja
ja
a
Stabwerkmodelle, die auf der Plastizitätstheorie aufbauen und insbesondere zur Bemessung von Diskontinuitätsbereichen geeignet sind, können bei Einhaltung spezifischer Randbedingungen – z. B. der Orientierung der Stäbe an der Spannungsverteilung nach E-Theorie – zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit herangezogen werden (s. Kap. 4).
• Linear-elastische Berechnung (Elastizitätstheorie) • Linear-elastische Berechnung mit begrenzter Umlagerung • Verfahren nach der Plastizitätstheorie • Nichtlineare Berechnung.
13.2.2 Elastizitätstheorie
Die mit den Verfahren verknüpften Idealisierungen der Schnittgrößen-Verformungs-Charakteristik sind in Abb. 13.9 exemplarisch auf Querschnittsebene als Momenten-Krümmungs-Beziehung dargestellt; analoge Idealisierungen sind auch auf Ebene der Spannungs-Dehnungs-Beziehungen der Werkstoffe oder auf Systemebene z. B. als M -w-Charakteristik möglich. Während linear-elastische Verfahren i. Allg. auf der Steifigkeit des ungerissenen Querschnitts aufbauen, verwenden Methoden der Plastizitätstheorie starr-plastische oder ideal elastisch-plastische Beziehungen zur Beschreibung des Tragverhaltens. Mit den Begriff nichtlinear werden Berechnungsverfahren bezeichnet, die auf wirklichkeitsnahen, nichtlinearen Schnittgrößen-Verformungs-Beziehungen aufbauen, d. h. die die physikalische Nichtlinearität erfassen. Geometrisch-nichtlineare Verfahren, bei denen der Gleichgewichtszustand unter Berücksichtigung der Tragwerksverformungen bestimmt wird, werden unter der Bezeichnung Berechnungen nach Theorie II. Ordnung zusammengefasst und sind nicht Gegenstand dieses Bandes. Durch die vorgenommenen Idealisierungen sind die Berechnungsverfahren auf unterschiedliche Beanspruchungsbereiche abgestimmt und können für Nachweise in den Grenzzuständen nach Tabelle 13.1 herangezogen werden.
Das gegenwärtig in der Praxis am häufigsten verwendete Verfahren zur Ermittlung von Schnittgrößen basiert auf der linearen Elastizitätstheorie. Die Schnittgrößenverteilung bei statisch unbestimmten Systemen wird mit den Steifigkeiten des ungerissenen (Brutto-) Querschnitts bei Verwendung eines konstanten EModuls Ecm berechnet. Für geringe Beanspruchungen und insbesondere für ungerissenen Beton beschreibt die E-Theorie das wirkliche Verhalten in guter Näherung; mit steigender Belastung weichen die Schnittgrößen jedoch zunehmend von der Realität ab. Da die Schnittgrößen bei direkten Einwirkungen (Lasten) nur an die Verteilung der Steifigkeiten im Tragwerk und nicht an deren absolute Größe gekoppelt sind, stellt die E-Theorie i. d. R. eine für die praktische Arbeit hinreichend genaue Näherung dar. Wenn, wie bei indirekten Einwirkungen (Zwang), die Schnittgrößen allerdings mit den absoluten Werten der Steifigkeiten verknüpft sind, kann die E-Theorie angesichts der nicht berücksichtigten Steifigkeitsabnahme zu unwirtschaftlichen Ergebnissen führen. Die Bemessung im GZT, d. h. die Ermittlung der erforderlichen Biegebewehrung, wird im Anschluss an die Schnittgrößenermittlung für die maßgebenden Querschnitte mit den elastisch berechneten Schnittgrößen durchgeführt. Die Betrachtung von System (Schnittgrößenermittlung) und Querschnitt (Bemes-
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT
sung) ist vollständig entkoppelt; das nichtlineare Tragverhalten des Querschnitts wird zwar in der Bemessung berücksichtigt, bei der Schnittgrößenermittlung allerdings ausgeklammert. Eine zumindest geringe plastische Verformungsfähigkeit der hochbeanspruchten Tragwerksbereiche ist allerdings auch bei Anwendung der E-Theorie erforderlich, damit sich der berechnete Schnittgrößenverlauf einstellen kann (vgl. Macchi 1976). Hierfür ist i. d. R. eine Begrenzung der bezogenen Druckzonenhöhe zur Sicherstellung der Mindestduktilität ausreichend; nach DIN 1045-1 wird lim D 0;45 (bis C50/60) bzw. lim D 0;35 (ab C55/67) gefordert. Alternativ kann durch Umschnürung der Druckzone die Betonbruchdehnung und damit die Rotationsfähigkeit des Querschnitts erhöht werden. In vielen Fällen ist allerdings anstelle der Begrenzung auf lim bzw. der Anordnung von eng gestaffelten Bügeln ein expliziter Nachweis der Rotationsfähigkeit wirtschaftlicher. Im Gegensatz zu DIN 1045-1 wird in EN 1992-1-1 konsequent auf die Angabe von Grenzwerten, die eine Mindestduktilität auch bei Berechnung nach E-Theorie sicherstellen sollen, verzichtet. Der Bemessung für die nach E-Theorie ermittelten „kritischen Querschnitte“ liegt der Gedanke zugrunde, dass die Systemtragfähigkeit bei Erreichen der Tragfähigkeit eines Querschnitts erschöpft ist. Die durch Umlagerungen zu mobilisierenden Tragreserven werden damit z. T. erheblich unterschätzt. Im Sinne der Plastizitätstheorie führt die Bemessung nach E-Theorie auf einen statisch zulässigen Kräftezustand, bei dem die Fließbedingung nicht verletzt wird (! statischer Grenzwertsatz, s. Abschn. 4.2.1) und resultiert damit in einem zwar tragfähigen, i. d. R. aber überdimensionierten Tragwerk. Speziell in hochbeanspruchten Bereichen führt die E-Theorie zu Bewehrungskonzentrationen, die die Herstellung (Verlegen, Betonieren) oft unnötig verkomplizieren und die Verformungsfähigkeit des Bereichs einschränken. Die Mindestduktilität wird daher zusätzlich durch eine obere Grenze des Bewehrungsgrades gewährleistet (s. Bewehrungsregeln, Kap. 15). Der wesentliche Vorteil der linear-elastischen Schnittgrößenermittlung ist in der uneingeschränkten Gültigkeit des Superpositionsgesetzes zu sehen; Schnittgrößen aus verschiedenen Lastfällen können beliebig überlagert und mit Teilsicherheits- und Kombinationsbeiwerten skaliert werden. Für die Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit und
495
Tragfähigkeit ist damit die Schnittgrößenermittlung nur einmal durchzuführen. Normenregelung nach DIN 1045-1 Nach DIN 1045-1, 8.2 ist die Ermittlung von Schnittgrößen auf Grundlage der linearen Elastizitätstheorie sowohl mit den Steifigkeiten des ungerissen als auch des gerissenen Querschnitts möglich. Im Allgemeinen brauchen, sofern Mindest- und Höchstbewehrungsgrade (s. DIN 10451, 13.1.1) eingehalten werden, keine gesonderten Nachweise der Verformungsfähigkeit geführt zu werden. Für Durchlaufträger mit einem Stützweitenverhältnis benachbarter Felder von 0,5 leff;1 = leff;2 2, Rahmenriegel sowie weitere, vorwiegend biegebeanspruchte Bauteile sollten zur Sicherung ausreichender Duktilität allerdings folgende Obergrenzen der bezogenen Druckzonenhöhe im Grenzzustand der Tragfähigkeit eingehalten werden: 8 ˆ < 0,45 bis C50/60 x d lim D : 0,35 ab C55/67; d lim ˆ : LC (alle Klassen) (13.10) Hierbei ist xd die Druckzonenhöhe berechnet auf Grundlage der Bemessungswerte von Einwirkungen und Baustoffeigenschaften. Auf die Begrenzung der Druckzonenhöhe kann verzichtet werden, wenn geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung ausreichender Duktilität getroffen werden, z. B. die Anordnung die Druckzone umschnürender Bewehrung nach DIN 1045-1, 13.1.1 (5), oder die Rotationsfähigkeit explizit nachgewiesen wird. Im Übrigen sollte nach DIN 1045-1, 8.2 (5) zur Berücksichtigung der vorgenommenen Tragwerksidealisierungen und möglicher unbeabsichtigter Abweichungen des Tragsystems während der Bauzeit das Bemessungsmoment in den Anschnitten vertikaler Auflager von Durchlaufträgern nicht geringer sein als 65% des Moments bei Annahme voller Einspannung am Auflagerrand (vgl. Abschn. 2.4.3).
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Nach EN 1992-1-1, 5.4 ist die linear-elastische Schnittgrößenermittlung unter Verwendung der Steifigkeiten der ungerissenen Querschnitte ohne weitere Einschränkungen möglich. Das Biegemoment am Anschnitt von monolithisch ausgebildeten Zwischenauflagern durchlaufender Balken oder Platten sollte allerdings nach EN 1992-1-1, 5.3.2.2 (3) mindestens 65% des Volleinspannmoments betragen.
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden die Anwendungsregeln zur Begrenzung der bezogenen Druckzonenhöhe für Durchlauf-
496
13 Statisch unbestimmte Systeme
träger mit 0,5 leff;1 = leff;2 2, Rahmenriegel sowie weitere, vorwiegend biegebeanspruchte Bauteile ergänzt.
13.2.3 Plastizitätstheorie 13.2.3.1 Grundlagen Verfahren zur Schnittgrößenermittlung und Bemessung auf Grundlage der Plastizitätstheorie setzen eine ausgeprägte Fließgrenze und eine nahezu unbeschränkte plastische Verformbarkeit der Werkstoffe voraus. Da unter diesen Voraussetzungen die elastischen im Vergleich zu den plastischen Verformungen vernachlässigbar klein sind, werden i. Allg. starr-plastische Materialgesetze bzw. daraus folgend starr-plastische Schnittgrößen-VerformungsBeziehungen verwendet (s. Abschn. 4.2.1). Bei Erreichen der Fließgrenze in einem Querschnitt bilden sich Fließgelenke, in denen die gesamte Tragwerksverformung als plastische Rotation bei konstantem Moment aufgenommen wird.
F
A A l/3
B l/3
l/3 A-A
B-B
a System und Belastung MRd,St 3
l
2 l 9 MRd,F
Arbeitssatz:
Wi = Wa
3 MRd,St + 9 MRd,F = F (1+2) l
=
3 M Rd,F + M Rd,St _ Fl
b Kinematischer Mechanismus MRd,St +
M Rd ,F
1 - M Rd ,St 3
• statischer (unterer) Grenzwertsatz Jeder Kräfte- oder Spannungszustand, der die Gleichgewichtsbedingungen und die statischen Randbedingungen erfüllt, d. h. statisch zulässig ist, und die Fließbedingung nicht verletzt, beschreibt eine untere Grenze der Traglast. • kinematischer (oberer) Grenzwertsatz Ein Belastungssystem, das mit einem kinematisch zulässigen Bewegungsmechanismus ein Gleichgewichtssystem bildet, beschreibt eine obere Grenze der Traglast. Die auf Basis der beiden Grenzwertsätze ermittelten Traglasten grenzen die tatsächliche Traglast eines Systems, dessen Bauteilwiderstände bekannt sind, ein.
13.2.3.2 Anwendung zur Schnittgrößenermittlung und Bemessung
F
B
Bei Stahlbetonbauteilen treffen die Voraussetzungen der Plastizitätstheorie lediglich für die Bewehrung zu; die angenommene Duktilität ist daher grundsätzlich durch einen Nachweis der Rotationsfähigkeit zu prüfen. Verfahren der Plastizitätstheorie werden aus den beiden elementaren Grenzwertsätzen abgeleitet (s. Abschn. 4.2.1):
MRd,F
c Momentenverteilung bei Erreichen der Traglast
Abbildung 13.10a–c Traglastermittlung nach dem kinematischen Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie
Der Lösung nach dem kinematischen Grenzwertsatz liegt ein durch Einfügen plastischer Gelenke verschiebliches System, ein sog. Mechanismus zugrunde (Abb. 13.10). Die Traglastermittlung erfolgt auf Grundlage der Arbeitssätze der Mechanik über die Identität der auf virtuellen Verschiebungswegen geleisteten inneren und äußeren Arbeit. Die innere Arbeit wird wegen der vorausgesetzten starr-plastischen Materialgesetze ausschließlich in den plastischen Gelenken geleistet. Der zugehörige Kräftezustand verletzt i. d. R. die Fließbedingung, d. h. die angenommene Schnittgrößenverteilung übertrifft z. T. den Bauteilwiderstand. Die berechnete Last liegt damit oberhalb der tatsächlichen Traglast des Systems. Lediglich für den wirklichen Versagensmechanismus wird auch die Fließbedingung in jedem Querschnitt erfüllt; die zugehörige Last entspricht der realen Traglast. Für eine ausreichend exakte Vorhersage der Systemtragfähigkeit muss daher ein möglichst zutreffender kinematischer (Versagens-)Mechanismus gefunden werden. Für Systeme mit vorgegebenem Bauteilwiderstand führt die kinematische Methode i. Allg. rasch zu einer Abschätzung der Traglast. Bei der klassischen Be-
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT
messungsaufgabe ist mit der Bewehrungsmenge aber auch das Fließmoment in plastischen Gelenken a priori unbekannt, während die Belastung vorgegeben ist. Zur Schnittgrößenermittlung und Bemessung auf Systemebene ist daher der statische Grenzwertsatz besser geeignet.2 Schnittgrößenermittlung und Bemessung erfolgen in drei Schritten: Zunächst wird ein Schnittgrößenverlauf unter Beachtung der statischen Randbedingungen gewählt; anschließend muss die Bewehrung so dimensioniert werden, dass die Fließbedingung in allen Querschnitten erfüllt ist. Wegen der begrenzten Verformungsfähigkeit von Stahlbeton muss im dritten Schritt die Rotationsfähigkeit der plastischen Gelenke für die angenommene Schnittgrößenverteilung nachgewiesen werden; die freie Wahl der Schnittgrößenverteilung wird dadurch beschränkt. Praktisch bedeutet dies, dass die Tragwerke zunächst durch Einfügen plastischer Gelenke mit gewählten Fließmomenten MRd zu statisch bestimmten Systemen reduziert werden; über Gleichgewichtsbedingungen können anschließend die Schnittgrößenverläufe berechnet werden. Für die Systeme nach Abb. 13.11 bietet sich an, zunächst an den Stützquerschnitten Gelenke mit MRd;St einzuführen; die Momentenlinie ergibt sich dann durch Einhängen einer Parabel mit Stich ql 2 =8. Wenn am höchstbeanspruchten Querschnitt im Feld ein weiteres Gelenk mit MRd;F eingefügt wird, entstehen kinematische Systeme. Wird vorausgesetzt, dass die Fließbedingung an keiner anderen Stelle des Systems überschritten wird, d. h. dass die Bewehrung in jedem weiteren Schnitt zur Aufnahme des Biegemoments ausreicht, fallen die Lösungen nach dem statischen und kinematischen Grenzwertsatz zusammen. Während die Schnittgrößenverteilung im GZT durch die Anordnung plastischer Gelenke in weiten Grenzen frei wählbar ist, stellt für den GZG ein Verlauf nach der E-Theorie eine sinnvolle Näherung dar. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Nachweise in den GZG sowie für die Bewehrungsführung, die im Zusammenhang mit der Umlagerung elastisch berechneter Schnittgrößen nach Abschn. 13.2.4 erläutert werden.
497
l
MRd,St
2
Der statische Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie bildet gleichermaßen die theoretische Grundlage der Bemessung mit Stabwerkmodellen (s. Abschn. 4.1)
l
MRd,St
MRd,St
MRd,St MRd,St ql2/8 MRd,F
ql2/8
MRd,F
Abbildung 13.11 Schnittgrößenermittlung nach dem statischen Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie
• • •
die Bauteile aus Normalbeton hergestellt und mit Betonstahl hoher Duktilität (Klasse B) bewehrt sind, sowie bei Balken und einachsig gespannten Platten die Rotationsfähigkeit explizit nachgewiesen wird bzw. bei zweiachsig gespannten Platten die bezogene Druckzonenhöhe im GZT auf ( 0,25 bis C50/60 xd (13.11) d 0,15 ab C55/67 begrenzt wird und gleichzeitig das Verhältnis von Stützzu Feldmomenten zwischen 0,5 und 2 liegt. Ein expliziter Nachweis der Rotationsfähigkeit erübrigt sich in diesem Fall.
Für Scheiben dürfen Verfahren der Plastizitätstheorie (! Stabwerkmodelle) ohne die genannten Einschränkungen angewandt werden.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Nach EN 1992-1-1, 5.6.2 dürfen Verfahren der Plastizitätstheorie grundsätzlich für den Nachweis biegebeanspruchter Bauteile im GZT verwendet werden, wenn eine ausreichende Rotationsfähigkeit der kritischen Querschnitte nachgewiesen wird. Der explizite Nachweis der Rotationsfähigkeit darf entfallen, wenn alle der folgenden Randbedingungen erfüllt sind: • •
Normenregelung nach DIN 1045-1 Die Anwendung der Plastizitätstheorie auf biegebeanspruchte Bauteile setzt nach DIN 1045-1, 8.4.1 voraus, dass:
q
q
•
die Bewehrung besteht aus hochduktilem Betonstahl der Klassen B oder C, die bezogene Druckzonenhöhe xu =d erfüllt folgende Bedingung ( 0,25 bis C50/60 xu (13.12) d 0,15 ab C55/67 das Verhältnis von Stütz- zu Feldmomenten liegt zwischen 0,5 und 2.
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Der explizite Nachweis der Rotationsfähigkeit darf nur für zweiachsig gespannten Platten bei Einhaltung der
498 oben genannten Randbedingungen entfallen; bei Stabtragwerken und einachsig gespannten Platten ist die Rotationsfähigkeit stets durch Rechnung nachzuweisen.
13 Statisch unbestimmte Systeme LF 1 (
)
LF 2 (
)
13.2.4 Elastizitätstheorie mit Umlagerung |M|
Mit der Schnittgrößenermittlung nach Elastizitätstheorie und begrenzter Momentenumlagerung werden die plastischen Verformungsfähigkeiten von Stahlbetonbauteilen vereinfacht erfasst. Das Verfahren baut dabei auf der in Abschn. 13.2.3 erläuterten Schnittgrößenermittlung auf Grundlage des statischen Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie auf. Umlagerungen dienen primär dazu, große Biegemomente z. B. über den Zwischenauflagern von Durchlaufträgern oder bei Rahmenecken zu reduzieren. Ausgehend von der Schnittgrößenverteilung nach linear-elastischer Berechnung werden die Stützmomente MSt;el durch die Annahme plastischer Gelenke auf MSt D ı MSt;el vermindert. Mit den bekannten Stützmomenten kann die Berechnung der Schnittgrößen in den Feldern allein aus Gleichgewichtsbedingungen erfolgen. Neben der Momentenverteilung ändert sich durch das Einfügen eines plastischen Gelenkes auch die Verteilung der Querkräfte. Die Bemessung im GZT erfolgt dann für die umgelagerten Schnittgrößen; daraus erwachsen sowohl konstruktive als auch wirtschaftliche Vorteile, u. a. (Abb. 13.12): • die Vermeidung von Bewehrungskonzentrationen durch Entlastung hochbeanspruchter Bereiche und • die Einsparung von Bewehrung durch gleichmäßigere Ausnutzung des Bauteils. Der Umlagerungsfaktor ı kann im Sinne der Plastizitätstheorie frei gewählt werden, allerdings ist die Größe der umzulagernden Biegemomente an die plastische Verformbarkeit, d. h. die Rotationsfähigkeit des Stützbereichs gekoppelt. Im Allgemeinen ist ein Nachweis der Rotationsfähigkeit zu führen, allerdings ist bei geringen Umlagerungen die Verformbarkeit durch eine Begrenzung der bezogenen Druckzonenhöhe ausreichend sichergestellt. Die zugehörigen Grenzwerte ı nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (empfohlene Werte, länderspezifisch festzulegen ! Tabelle 13.2) sind in Abhängigkeit von für Normalbeton bis C50/67 in Abb. 13.13 wiedergegeben. Im Vergleich zu einem expliziten Rotationsnachweis kann damit der Rechenaufwand erheblich reduziert werden. Bei hohen Bewehrungsgraden oder bei schmalen Druckzonen, z. B. bei durchlaufenden Plattenbalken über den Zwischenauf-
a Elastizitätstheorie |M| DM = 0,3 Mel ( = 0,7) LF 1 nach E-Theorie
LF 1 nach Umlagerung b Elastizitätstheorie mit Umlagerung
|M|
E-Theorie E-Theorie mit Umlagerung
c Momentengrenzlinien
Abbildung 13.12a–c Günstigere Momentengrenzlinie bei Nutzung von Momentenumlagerungen am Beispiel eines Zweifeldträgers (ı D 0;7)
lagern, wird die mögliche Umlagerung durch eine Begrenzung von u. U. stark eingeschränkt; ein expliziter Nachweis kann hier lohnenswert sein. Die Grenzwerte für ı wurden für den vereinfachten Nachweis der Rotationsfähigkeit im Bereich von Zwischenauflagern, d. h. bei Kombination von Mmax und Vmax entwickelt und können daher nicht unmittelbar auf Feldbereiche (z. B. die prinzipiell mögliche Umlagerung von Biegemomenten vom Feld zur Stütze) angewandt werden (vgl. Macchi 1976; DAfStb 2003). In diesem Fall ist ein expliziter Nachweis zu führen. Die Auswirkungen von Umlagerungen müssen durchgehend, d. h. auch für die Nachweise der Querkrafttragfähigkeit und der Zugkraftdeckung berücksichtigt werden. Sofern sich der Momenten-
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT DIN 1045-1 EN 1992-1-1
1,0
0,7
(A) (A) (B, C)
0,6 0,5 0
gerungen nachgewiesen werden (vgl. Zilch u. Rogge 2004). Normenregelung nach DIN 1045-1
0,9 0,8
499
d =
0,1
0,2
0,3
xd x bzw. u d d
0,4 0,45
Abbildung 13.13 Ohne expliziten Nachweis der Rotationsfähigkeit zulässiger Umlagerungsfaktor ı für Normalbeton bis C50/60 (Duktilitätsklassen in Klammern; EN 1992-1-1: empfohlene Werte)
nullpunkt durch Umlagerungen im GZT gegenüber dem GZG verschiebt, kann eine Prüfung der Verankerungslängen der Längsbewehrung für die seltene Einwirkungskombination des GZT erforderlich werden. Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit werden Umlagerungen allein durch Rissbildung und lokalen Steifigkeitsabfall ermöglicht; plastische Stahldehnungen müssen vermieden werden. Da die möglichen Umlagerungen im Unterschied zum GZT wesentlich schwieriger zu quantifizieren sind, sind linearelastische Verfahren mit begrenzter Momentenumlagerung normativ nur für den Grenzzustand der Tragfähigkeit zugelassen. Mit zunehmender Umlagerung der Biegemomente im Grenzzustand der Tragfähigkeit nähert sich das Bemessungsmoment des GZT in den höchstbeanspruchten Querschnitten an die maßgebenden Momente des GZG an. Wird ein mittlerer Teilsicherheitsbeiwert der Einwirkungen von 1,4 angenommen, erreicht das elastisch berechnete Biegemoment unter der seltenen Einwirkungskombination MEd;rare für ı D 1=1;4 0;71 bereits das Bemessungsmoment im GZT. Bei Nutzung großer Umlagerungen ist daher ggf. bereits im Gebrauchszustand mit plastischen Stahldehnungen, d. h. klaffenden Rissen, nichtlinearem Kriechen, etc. zu rechnen. Um dem entgegenzuwirken, sind z. B. nach DIN 1045-1 bei Umlagerungen von mehr als 15% (ı < 0;85) Spannungsnachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit zwingend erforderlich (vgl. Abschn. 11.2.2). Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, das Bemessungskonzept grundlegend umzustellen und die erforderlichen Bewehrungsmengen für die Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit zu bestimmen. Die Tragfähigkeit im GZT kann anschließend mit weitestgehender Nutzung von Umla-
Nach DIN 1045-1, 8.3 ist die Umlagerung von Biegemomenten, die mit linear-elastischen Verfahren ermittelt wurden, für den Grenzzustand der Tragfähigkeit zugelassen. Die Auswirkungen der Momentenumlagerung müssen durchgängig, d. h. auch bei der Querkraftbemessung, für Verankerungsregeln oder für die Abstufung der Bewehrung berücksichtigt werden. Das für die angenommene Umlagerung erforderliche Verformungsvermögen ist durch einen rechnerischen Nachweis der Rotationsfähigkeit der kritischen Querschnitte sicherzustellen. Auf den Nachweis kann bei Durchlaufträgern mit einem Stützweitenverhältnis benachbarter Felder 0,5 leff;1 = leff;2 2, bei Platten, Riegeln unverschieblicher Rahmen und allgemein bei vorwiegend auf Biegung beanspruchten Bauteilen verzichtet werden, wenn folgende Grenzen des Umlagerungsfaktors ı eingehalten werden (Abb. 13.13): • Hochduktiler Stahl (Klasse B) 8 xd bis C50/60 ˆ < 0;64 C 0;8 d 0;7 xd ı 0;72 C 0;8 d 0;8 ab C55/67; ˆ : LC (alle Klassen) (13.13)
•
Normalduktiler Stahl (Klasse A) 8 xd ˆ < 0;64 C 0;8 d 0;85 ı
1;0
ˆ :
bis C50/60 ab C55/67;
:
LC (alle Klassen)
(13.14) In den Gln. (13.13) und (13.14) beschreibt ı das Verhältnis des umgelagerten Moments zum Ausgangsmoment vor Umlagerung und xd =d die bezogene Druckzonenhöhe im GZT nach Umlagerung. Für Eckknoten unverschieblicher Rahmen ist die Umlagerung auf ı D 0;9 begrenzt. Wenn die Schnittgrößen um mehr als 15% umgelagert werden (ı < 0;85), werden rechnerische Nachweise der Spannungen im GZG erforderlich (DIN 1045-1, 11.1).
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Nach EN 1992-1-1, 5.5 ist eine Umlagerung der nach Elastizitätstheorie ermittelten Biegemomente für Nachweise im GZG zulässig, sofern die Rotationsfähigkeit mit Sicherheit bestimmt werden kann; ausgenommen werden explizit Rahmen aus Spannbeton und Stützen (! Nachweis nach Th. II. Ordnung). Die Rotationsfähigkeit ist explizit nachzuweisen. Auf den Nachweis kann bei durchlaufenden Balken oder Platten mit einem Stützweitenverhältnis benachbarter Felder 0;5 leff;1 = leff;2 2 mit annähernd gleichen Steifigkeiten verzichtet werden, wenn folgende Bedingungen für ı eingehalten sind (s. Abb. 13.13). 8 xu ˆ ˆ k1 C k2 d bis C50/60 ˆ ˆ < k C k xu ab C55/67 3 4 d ı (13.15) ˆ k für Betonstahl Klassen B, C ˆ 5 ˆ ˆ :k für Betonstahl Klasse A 6
500
13 Statisch unbestimmte Systeme
Tabelle 13.2 Länderspezifisch festzulegende Parameter zur Begrenzung der Umlagerungsfaktors ı EU
NDP
D
0;44
k1
0;0014 "cu2
b
k2
1;25 0;6 C
k3
0;54 b 1;25 0;6 C 0;0014 "cu2
k4
k5
0;7
a
A
0;64
EU
0;8
EU
0;72
EU
0;8
EU
0;7 bis C50/60 0;8 ab C55/67
EU
0;8 LC 0;85 bis C50/60 k6
0;8
1;0
ab C55/67
1;0
LC
EU
a
Mit den im NA-D gewählten Beiwerten k1 bis k6 stimmen die Grenzen des Umlagerunsfaktors ı mit denen nach DIN 1045-1 überein. b "cu2 beschreibt die maximale Betonstauchung bei Ansatz des Parabel-Rechteck-Diagramms (s. Tabelle 3.3)
trachtung) und Bemessung (Querschnittsbetrachtung) für Biegung mit und ohne Normalkraft dar. Der Tragfähigkeitsnachweis im GZT besteht darin, zu zeigen, dass die mit dem globalen Sicherheitsbeiwert R reduzierte Systemtraglast für alle möglichen Lastkonfigurationen größer oder gleich dem Bemessungswert der Einwirkungen ist. Die Systemtraglast wird durch das Erreichen der Grenzdehnungen von Beton oder Bewehrung in einem beliebigen Querschnitt definiert. Eine gesonderte Bemessung der Bewehrung in „kritischen Schnitten“ kann damit entfallen. Desgleichen kann auf einen Nachweis der Rotationsfähigkeit verzichtet werden, da das plastische Verformungsvermögen unmittelbar über die Materialbeziehungen in der Berechnung berücksichtigt wird. Durch das vorausgesetzte, nichtlineare Systemverhalten ist das Superpositionsgesetz nicht mehr gültig; i. Allg. muss für jeden maßgebenden Lastfall eine eigene Berechnung durchgeführt werden. Im Folgenden werden die Grundsätze nichtlinearer Berechnungen am Beispiel der Regelungen nach DIN 1045-1 erläutert.
13.2.5.2 Werkstoffkennlinien, Zugversteifung In Gl. (13.15) können k1 bis k6 länderspezifisch festgelegt werden (NDP ! Tabelle 13.2); xu beschreibt die Druckzonenhöhe im GZT nach Umlagerung.
13.2.5 Nichtlineare Berechnung 13.2.5.1 Allgemeines Den konsistentesten Weg zur Tragwerksberechnung vorwiegend biegebeanspruchter Bauteile stellt die wirklichkeitsnahe, rechnerische Simulation des Tragverhaltens dar. Hierfür müssen neben dem physikalisch-nichtlinearen Verhalten der Werkstoffe auch Rissbildung und Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen realistisch abgebildet werden. Damit wird eine durchgängige Berechnung für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit möglich. Zur Berechnung wirklichkeitsnaher Steifigkeiten muss die Bewehrung bereits nach Menge und Lage bekannt sein, d. h. entweder nach Erfahrung geschätzt oder durch die Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit ermittelt werden. Naturgemäß ist auch ein – allerdings aufwändiges – iteratives Vorgehen bei der Bewehrungsermittlung mit Hilfe wiederholter nichtlinearer Berechnungen möglich. Die nichtlineare Berechnung stellt die vollständige Kopplung von Schnittgrößenermittlung (Systembe-
Grundlage der Berechnung sind wirklichkeitsnahe Spannungs-Dehnungs-Beziehungen der Werkstoffe (Abb. 13.14). Für Beton ist die als gebrochen-rationale Beziehung formulierte Spannungs-Dehnungs-Linie nach Gl. (3.1) zu verwenden; die Bewehrung kann genügend genau durch bilineare SpannungsDehnungs-Beziehungen abgebildet werden. Eine realistische Einschätzung der Steifigkeiten wird nur erreicht, wenn der Berechnung Mittelwerte der Materialkenngrößen zugrunde gelegt werden. Durch die Kopplung der Schnittgrößenermittlung mit dem Nachweis im GZT müssen allerdings die Streuungen der Materialeigenschaften angemessen berücksichtigt werden. Dies erfolgt nach DIN 1045-1 durch modifizierte rechnerische Mittelwerte. Die Anrechnung der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen hat gegenüber dem reinen Zustand II erhöhte Steifigkeiten zur Folge. Da höhere Steifigkeiten reduzierte Umlagerungen und damit in hochbeanspruchten Querschnitten tendenziell größere Schnittgrößen bedeuten, führt die Berücksichtigung der Zugversteifung zu Ergebnissen, die i. Allg. auf der sicheren Seite liegen. Die Anrechnung der zugversteifenden Wirkung kann über verschiedene Modelle, z. B. durch die Modifikation der Spannungs-Dehnungs-Linie der Bewehrung nach Abschn. 10.3.3 (Abb. 10.9) oder über den Ansatz einer fiktiven Spannungs-Dehnungs-Linie des zugbeanspruchten Betons erfolgen. Im Unter-
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT |sc|
f cm
f cR
Ec0m
|ec| e c1
a Beton ss f_t f f y yR fyR fyk
e c1u
Idealisierung
Die zentrale Nachweisgleichung für den GZT ist damit: R Ed : (13.16)
R Da die Betonkenngrößen erheblich breiter streuen als die Eigenschaften der Bewehrung, muss für Betonversagen – wie in der klassischen Querschnittsbemessung auch – eine höhere Sicherheitsmarge gefordert werden, um bei Verwendung von R ein gleichmäßiges Zuverlässigkeitsniveau unabhängig vom Eintreten eines Stahl- oder Betonversagens zu erzielen. Hierfür werden Rechenwerte der Materialeigenschaften eingeführt (Abb. 13.14): fyR D 1;1 fyk ( 1;08 fyR ftR D 1;05 fyR
es 0,2%
501
euk
b Betonstahl
Abbildung 13.14a,b Spannungs-Dehnungs-Beziehungen für nichtlineare Berechnungen auf Grundlage rechnerischer Mittelwerte (DIN 1045-1)
schied zu Verformungsberechnungen nach Kap. 10 ist insbesondere die Mitwirkung im Bereich plastischer Stahldehnungen relevant (vgl. Sigrist 1995; Alvarez 1998).
13.2.5.3 Sicherheitskonzept Das Sicherheitskonzept für nichtlineare Berechnungen weicht in einigen Punkten erheblich von den in Abschn. 2.2 vorgestellten Grundlagen ab. Im Folgenden werden lediglich Aspekte beleuchtet, die für die Anwendung von DIN 1045-1 bzw. DIN EN 1992-1-1 (in Verbindung mit dem Nationalen Anhang) relevant sind. Der Ansatz von Mittelwerten der Materialeigenschaften für nichtlineare Berechnungen steht grundsätzlich im Widerspruch zur Sicherheitsphilosophie, nach der die Nachweise im GZT auf Grundlage unterer Quantilwerte der Baustofffestigkeiten, die mit Teilsicherheitsbeiwerten vermindert werden, zu führen sind. Um eine mit der konventionellen Bemessung vergleichbare Zuverlässigkeit zu erreichen, muss daher die mit rechnerischen Mittelwerten bestimmte Traglast Rd mit einem einheitlichen Sicherheitsbeiwert R des Tragwiderstandes abgemindert werden (Eibl 1991).
(13.17) (Betonstahl Klasse B) (Betonstahl Klasse A)
(13.18)
fp0;1R D 1;1 fp0;1k ;
fpR D 1;1 fpk ; ( 0;85 ˛ fck fcR D 0;85 ˛ fck = c0
;
(13.19) (13.20) (bis C50/60) (ab C55/67)
: (13.21)
Für Beton wird die Anwendung eines einheitlichen Teilsicherheitsbeiwerts R durch die Modifikation mit dem Faktor 0,85 ermöglicht König u. a. (1997); mit
c D 1;5 und s D 1;15 folgt: fcR 0;85 ˛ fck D D 1;275 1;3 D R fcd ˛ fck = c (Betonversagen) ; fyR 1;1 fyk D D 1;265 1;3 D R fyd fyk = s (Stahlversagen) : In DIN 1045-1 wird das veränderte Sicherheitskonzept als Anwendungsregel formuliert; in einigen Anwendungsbereichen kann ein davon abweichendes Vorgehen zu realistischeren Bemessungsergebnissen führen (vgl. Zilch u. Rogge 2004). Das vorgeschlagene Sicherheitskonzept weist auch einige Schwachstellen auf; u. a. wird die Lastpfadabhängigkeit eines Systemversagens nur durch die Lastkombinationsregeln berücksichtigt, die Belastung an sich wird i. Allg. proportional aufgebracht; weitere Informationen zur Lastgeschichte fließen nicht ein. Zudem gilt es zu bedenken, dass die Folgen eines Systemversagens i. Allg. ungleich gravierender als die Konsequenzen eines mit gleichen Sicherheiten belegten Querschnittsversagens sind (vgl. Rackwitz 2000). Gegenwärtig liegen allerdings keine ausreichend praxistauglichen Alternativen vor.
502
13 Statisch unbestimmte Systeme
nichtlinearer Probleme und zu Iterationsverfahren sind u. a. in de Borst u. Meyer (1995) enthalten.
13.2.5.4 Rechenverfahren Wirklichkeitsnahe, nichtlineare Systemberechnungen werden i. Allg. mit der Finite Elemente Methode (FEM) auf der Grundlage der erläuterten Spannungs-Dehnungs-Beziehungen der Werkstoffe mit geeigneter Abbildung von Rissbildungsmechanismen und Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen durchgeführt. Für Stabtragwerke und einachsig gespannte Platten unter vorwiegender Biegebeanspruchung kann die Berechnung dagegen vorteilhaft auf der Basis von Querschnittssteifigkeiten über wirklichkeitsnahe Momenten-Krümmungs-Beziehungen erfolgen. Der Ansatz trilinearer M --Beziehungen nach Abb. 13.15, die die Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen näherungsweise berücksichtigen, liefert i. Allg. ausreichend genaue Ergebnisse; in DIN 1045-1 wird daher diese Vereinfachung eingeräumt. Bei Bauteilen mit Biege- und Normalkraftbeanspruchung z. B. infolge Vorspannung ist, sofern die Normalkraft nicht in der Bezugsachse für die Biegemomente wirkt, die entstehende Krümmung als Vorkrümmung in der M --Linie zu berücksichtigen. Der Ansatz beanspruchungsabhängiger Steifigkeiten mündet in der Formulierung nichtlinearer Gleichungssysteme, die Schnittgrößen und Verzerrungen miteinander verknüpfen. Die Lösung erfolgt iterativ; für Stabtragwerke eignen sich NewtonRaphson-Verfahren oder Quasi-Newton-Methoden. Eine schrittweise, d. h. inkrementelle Erhöhung der Belastung ist i. d. R. vorteilhaft. Detaillierte Erläuterungen zur nichtlinearen Berechnung von Stahlbetontragwerken mit der FE-Methode enthalten Hofstetter u. Mang (1995) und Stempniewski u. Eibl (1996); Hinweise zur numerischen Umsetzung
Normenregelung nach DIN 1045-1 Die in DIN 1045-1, 8.5 enthaltenen Regelungen zur nichtlinearen Berechnung entsprechen den im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Grundlagen. Im Folgenden werden ergänzende Regelungen angegeben. Als globaler Sicherheitsbeiwert R für den Bemessungswert des Tragwiderstandes gilt: 8 ˆ 1;3 für ständige und vorübergehende ˆ ˆ ˆ < Bemessungssituationen
R D (13.22) : ˆ 1;1 für außergewöhnliche ˆ ˆ ˆ : Bemessungssituationen
Der Grenzzustand der Tragfähigkeit tritt ein, wenn in einem beliebigen Querschnitt des Tragwerks die kritische Stahldehnung und/oder die kritische Betondehnung erreicht wird oder Stabilitätsversagen am Gesamtsystem bzw. an Teilen davon maßgebend wird. Als kritische Stahldehnung sollte "su D 0;025 angenommen werden; die kritische Betondehnung entspricht "c1u nach Tabelle 3.2.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 EN 1992-1-1, 5.7 erlaubt die Anwendung nichtlinearer Verfahren für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit, enthält darüber hinaus allerdings nur allgemeine Anforderungen an nichtlineare Berechnungen. Demnach müssen Baustoffeigenschaften verwendet werden, die die Steifigkeiten realistisch wiedergeben, gleichzeitig aber die Versagens-Unsicherheiten in geeigneter Form berücksichtigen.
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden die in DIN 1045-1 enthaltenen Regeln für nichtlineare Berechnungen ergänzt. Der Rechenwert der Betonfestigkeit wird abweichend von Gl. (13.21) einheitlich für alle Betonfestigkeitsklassen durch fcR D 0;85 ˛cc fck
M Mu My
(13.23)
gegeben. Die kritische Betondehnung folgt Tabelle (3.3). Näherung
Mcr
13.2.6 Nachweis der Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke
reiner Zustand II
cr
y
u
Abbildung 13.15 Vereinfachte, trilineare M --Beziehung für die nichtlineare Berechnung von Stabtragwerken (nach DIN 1045-1)
Der in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 enthaltene, vereinfachte rechnerische Nachweis der Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke wird durch eine Gegenüberstellung der erforderlichen Rotation E (Bezeichnung nach EN 1992-1-1: s ) und des Bemessungswertes der
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT E a Gesuchte erforderliche Rotation
b Krümmungsverlauf M = 1,0
M c Virtuelles Moment
Abbildung 13.16a–c Ermittlung der erforderlichen Rotation E mit dem Prinzip der virtuellen Kräfte
möglichen plastischen Rotation pl;d nach Gl. (13.24) geführt. E pl;d
(13.24)
Die Berechnung der möglichen plastischen Rotation pl;d wurde bereits in Abschn. 13.1.3 vorgestellt; vereinfacht kann pl;d Abb. 13.8 entnommen werden. Die Rotation E , die zur Ausbildung der angenommenen Schnittgrößenverteilung erforderlich ist, kann mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Kräfte aus der Integration der Krümmungen zwischen den Gelenken ermittelt werden (Abb. 13.16): Z E D ıM dx : (13.25) l
Hierfür erlaubt DIN 1045-1 die Verwendung einer vereinfachten, durch Rissmoment Mcr , Fließmoment My und Bruchmoment Mu beschriebenen, trilinearen M -Beziehung nach Abb. 13.15. Analog zu nichtlinearen Berechnungen sind die kennzeichnenden Punkte der M --Linie auf Grundlage der Spannungs-DehnungsLinie nach Abb. 13.14 mit den Rechenwerten der Materialfestigkeiten nach den Gln. (13.17) bis (13.21) und unter Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons auf Zug zu berechnen. Im Unterschied zu DIN 1045-1 setzt EN 1992-1-1 die Bemessungswerte der Festigkeiten voraus (vgl. Normenregelung). Da M --Beziehungen von Menge und Anordnung der Bewehrung im Querschnitt, der Querschnittsgeometrie und dem jeweiligen Momentenvorzeichen abhängen, muss zur Berechnung von E das betrachtete System zweckmäßig in einzelne Abschnitte mit jeweils einheitlicher M --Linie unterteilt werden. Die vorhandene Rotation E kann bei bekanntem Verlauf der Krümmung infolge der Bemessungslast durch nu-
503
merische Integration mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms bestimmt werden. Im Allgemeinen ist es aber ausreichend, die Krümmung in den höchstbeanspruchten Querschnitten zu bestimmen und in den dazwischen liegenden Bereichen einen zur Momentenverteilung affinen Verlauf der Krümmungen anzunehmen. Die Integration kann anschließend mit den Integrationstafeln durchgeführt werden. Die Koordinaten My -y und Mu -u der trilinearen Momenten-Krümmungs-Beziehung können analog zur Biegebemessung im GZT iterativ durch die Variation der Dehnungsebene ermittelt werden. Zur einfachen Berechnung z. B. mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms sind Völligkeits- und Höhenbeiwerte ˛R und ka zur Bestimmung von Größe und Lage der Druckspannungsresultierenden in Abhängigkeit der Randstauchung "c des Druckrandes erforderlich. Es gilt (vgl. Gln. 3.1 bzw. 3.7): c D fcR mit D
"c I "c1
k 2 ; 1 C .k 2/ Ec0m "c1 kD : fcR
(13.26)
Druckspannungsresultierende FcR und Abstand vom Druckrand a sind: (13.27) (13.28)
FcR D ˛R x b fcR ; a D ka x :
Im Unterschied zum Parabel-Rechteck-Diagramm können für die -"-Linie nach Gl. (13.26) geschlossene Lösungen für die Beiwerte ˛R und ka angegeben werden. Für Druckzonen mit konstanter Breite gilt: A D 1 C .k 2/ ; ln A k ˛R D 1 k2 A1 1 3 1 1 2 A ; 2A C ln A C .k 2/3 2 2 „ ƒ‚ … DB
(13.29)
kB
1 1 ka D 1 ˛R 2 .k 2/4 11 1 3 3 2 A A C 3A ln A : 3 2 6 (13.30)
Die Gln. (13.29) und (13.30) sind in Abb. 13.17 ausgewertet. Wegen der Abhängigkeit der Plastizitätszahl k vom Rechenwert der Festigkeit fcR und der Stauchung "c1 bei Höchstlast gelten ˛R und ka nur für die Anwendung mit DIN 1045-1.
504
13 Statisch unbestimmte Systeme R
R , ka
C20/25 C30/37 C40/50 C50/60 C70/85 C90/105
0,8 0,7
Tabelle 13.3 Länderspezifisch festzulegende Parameter für den vereinfachten Nachweis der Rotationsfähigkeit – Grundwerte der zulässigen plastischen Rotation pl;d – Betonstahl Klasse B
0,6 ka
0,5
C20/25 C30/37 C40/50 C50/60 C70/85 C90/105
0,4 0,3 0,2
EU
D
A
pl;d
Gl. (13.8)
Abb. 13.8
EU
genüberstellung der vorhandenen Rotation s mit der zulässigen plastischen Rotation pl;d (s. Gl. 13.24). s pl;d
0,1 0,0
NDP
|e c 2| in ‰ 0
1
2
3
Abbildung 13.17 Völligkeitsbeiwert ˛r und Höhenbeiwert ka zur Bestimmung von Größe und Lage der Druckspannungsresultierenden bei Anwendung der Spannungs-Dehnungs-Linien für nichtlineare Berechnungen (Gl. 13.26) nach DIN 1045-1 mit rechnerischen Mittelwerten fcR
Die in EN 1992-1-1 verankerten Regeln entsprechen weitgehend DIN 1045-1; Abweichungen existieren in folgenden Punkten: • • •
Normenregelung nach DIN 1045-1 Der Nachweis der Rotationsfähigkeit nach DIN 1045-1, 8.4.2 darf für stabförmige Bauteile und einachsig gespannte Platten nach Gl. (13.31) geführt werden (s. Gl. 13.24). E pl;d
(13.31)
Vorausgesetzt wird eine Beschränkung der bezogenen Druckzonenhöhe im Grenzzustand der Tragfähigkeit im Bereich des plastischen Gelenks auf ( 0;45 bis C50/60 xd : (13.32) d 0;35 ab C55/67 Die vorhandene Rotation ist mit den Bemessungswerten der Einwirkungen und den rechnerischen Mittelwerten der Baustofffestigkeiten nach DIN 1045-1, 8.5.1 (Gln. 13.17 bis 13.21) zu ermitteln. Sie darf durch Integration der Krümmungen zwischen Gelenken auf Grundlage einer vereinfachten, trilinearen M --Beziehung unter Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen berechnet werden. Der Grundwert der möglichen plastischen Rotation pl;d ist für Betonstahl hoher Duktilität (Klasse B) Abb. 13.8 zu entnehmen. Von D 3 abweichende Schubschlankheiten p =3 müssen durch Multiplikation von pl;d mit k D berücksichtigt werden. Dabei ist das Verhältnis aus dem Abstand zwischen Momentennullpunkt und -maximum nach Umlagerung zur statischen Nutzhöhe; vereinfachend darf D MEd =.VEd d / mit den Bemessungswerten des Biegemoments und der zugehörigen (maximalen) Querkraft nach Umlagerung angesetzt werden.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Der vereinfachte Nachweis der Rotationsfähigkeit nach EN 1992-1-1, 5.6.3 erfolgt nach Gl. (13.33) durch die Ge-
(13.33)
Die vorhandene Rotation s ist statt auf Grundlage der Rechenwerte mit den Bemessungswerten der Einwirkungen und der Baustofffestigkeiten zu ermitteln. EN 1992-1-1 enthält keine Vorgaben für Verfahren zur Berechnung der vorhandenen Rotation s . Die Bemessungswerte der möglichen plastischen Rotation pl;d gehen auf Gl. (13.7) zurück. Für Betonstahl der Duktilitätsklasse B gilt Gl. (13.8); wegen der gegenüber DIN 1045-1 veränderten Kennwerte der Betonbruchstauchung (DIN 1045-1: "c1u ; Bezeichnung nach EN 1992-1-1: "cu1 ) weichen die Bemessungswerte pl;d für Beton der Klassen C55/67 allerdings von Abb. 13.8 ab. Die in EN 1992-1-1 angegebenen Bemessungswerte für pl;d sind grundsätzlich als empfohlene Werte zu verstehen, die länderspezifisch festgelegt werden können (Tabelle 13.3). Beispiel 13.2 Für die Bemessung des in Abb. 13.18 dargestellten Zweifeldträgers soll das Stützmoment um 30% umgelagert werden. Nach elastischer Rechnung ergibt sich ein Stützmoment von Mel D 450 kNm (Bemessungswert); die Momentenausrundung über der Stütze wird vernachlässigt. Das Bemessungsmoment im GZT ist mit ı D 1 0;3 D 0;7: MEd;St D 0;7 450 D 315 kNm : Mit bekanntem MEd;St kann der Schnittgrößenverlauf aus dem Momentengleichgewicht um den Stützquerschnitt errechnet werden. Bemessung Die Ermittlung der erforderlichen Bewehrung erfolgt wie gewohnt; es wird Beton der Festigkeitsklasse C20/25 und Betonstahl BSt 500 S der Duktilitätsklasse B vorausgesetzt. Der Feldquerschnitt wird mit Hilfe von Tafelwerten bemessen: MEd;F D 386;3 kNm ;
µEds D 0;067 ! D 0;094 I D 0;964
! As;F D 12;3 cm2 :
13.2 Schnittgrößenermittlung und Nachweiskonzepte im GZT Qk = 100 kN
Qk = 100 kN
gk =10 kN/m
5
5 10 a System und Belastung
fcR D 0;85 ˛ fck D 0;85 0;85 20 D 14;45 N/mm2 :
= - 450 kNm
Rissmoment Mcr und zugehörige Krümmung cr werden mit den Steifigkeiten des Brutto-Querschnitts unter der Annahme elastischen Verhaltens ermittelt.
MEd,St = - 315 kNm
111 kN
348 kN MEd,F = 386 kNm
Abb. 13.18 dargestellten Querschnitte ermittelt. Es wird davon ausgegangen, dass die Feld- und Stützbewehrung nicht gestaffelt ist. Die Rechenwerte der Festigkeiten sind: fyR D 1;1 fyk D 550 N/mm2 ;
10
Mel
505
ohne Umlagerung mit Umlagerung
Mcr;F D WF fctm D 0;0407 2;21 cr;F
b Biegemomente im GZT vor und nach Umlagerung
Mcr;St
0,90 0,15
cr;St 0,75 0,80
0,75 0,80
0,30 Feldquerschnitt
Stützquerschnitt
c Querschnitte
Abbildung 13.18a–c Beispiel 13.2 – Umlagerung des Stützmoments bei einem Zweifeldträger (in Anlehnung an Eligehausen u. a. 1992)
D 89;9 103 MNm ; 89;9 103 Mcr;F D 0;182 103 ; D D E Ic 495 D WSt fctm D 0;0639 2;21
D 141;2 103 MNm ; Mcr;St 141;2 103 D D D 0;285 103 E Ic 495
Die Fließmomente müssen iterativ über die Variation der Druckzonenhöhe x bei bekannter Stahldehnung "yR D fyR =Es D 2;75‰ und damit bekannter Stahlzugkraft Fs D AsP fyR ermittelt werden; als Iterationskriterium dient H D 0. Der Völligkeitsbeiwert ˛R und der Höhenbeiwert ka (zur Berechnung des resultierenden Moments erforderlich) können aus Abb. 13.17 abgelesen werden. Die Fließmomente und die zugehörigen Betonrandstauchungen sind: My;F D 475;3 kNm ;
My;St D 389;1 kNm ; Die Druckzone des Stützquerschnitts ist vollständig ausgenutzt (µEds D 0;165 > 0;10), die Bemessung kann daher elementar durchgeführt werden (vgl. Abschn. 6.2.4). Mit ˛R D 0;81 und ka D 0;416 folgt: 0 1 s 1 @ 4ka D µ A D 0;225 ; 1 1 2ka ˛R Eds As;St D
MEds 104 D 10;7 cm2 : d .1 =3/ fyd
Zunächst wird überprüft, ob die gewählte Momentenumlagerung über die Einhaltung des Grenzwertes für ı nachgewiesen werden kann. Der zulässige Umlagerungsfaktor nach Gl. (13.13) ist 0;64 C 0;8d D 0;64 C 0;8 0;225 D 0;82 > 0;7 : Die vorgenommenen Momentenumlagerungen können mit dem vereinfachten Verfahren nicht nachgewiesen werden; damit wird ein expliziter Nachweis der Rotationsfähigkeit erforderlich. Ermittlung der M --Beziehungen Zur Berechnung der erforderlichen Rotation werden zunächst vereinfachte M --Beziehungen auf Grundlage der Rechenwerte der Baustofffestigkeiten für die in
"c;F D 0;58‰ ;
"c;St D 1;16‰ :
Die Mitwirkung des Betons auf Zug bei gerissenen Querschnitten wird durch Gl. (10.39) berücksichtigt; der Dehnungssprung "sr2 "sr1 bei Übergang in den gerissenen Zustand kann mit den in Abschn. 10.4 angegebenen Beziehungen auf Basis linearen Werkstoffverhaltens für Beton berechnet werden; es folgt "s;F D 0;43‰ und "s;St D 0;89‰. Die mittleren Stahldehnungen bei Erreichen der rechnerischen Fließgrenze sind mit ˇt D 0;4 als Völligkeitsbeiwert des Stahldehnungsverlaufs zwischen den Rissen: "sm;F D "yR ˇt "s;F
D 2;75 0;4 0;43 D 2;58‰ ;
"sm;St D "yR ˇt "s;St
D 2;75 0;4 0;89 D 2;39‰ :
Damit lassen sich die Fließkrümmungen vereinfacht ohne die Berücksichtigung der im Mittel größeren Druckzonenhöhe berechnen. my;F D
my;St
"sm;F C j"c;F j .2;58 C 0;58/ 103 D d 0;75
D 4;21 103 ; "sm;St C j"c;St j .2;39 C 1;16/ 103 D D d 0;75 D 4;73 103
506
13 Statisch unbestimmte Systeme
Die Ermittlung der Bruchmomente und -krümmungen erübrigt sich, da das mit den Rechenwerten der Baustofffestigkeiten ermittelte Fließmoment in den Feldern nicht überschritten wird. Abbildung 13.19a gibt die durch Mcr und My definierten M --Beziehungen wieder; in Abb. 13.19b ist der Krümmungsverlauf aus der Auswertung der Momentenverteilung mit den M --Linien dargestellt.
M My,F Feldquerschnitt My,St Stützquerschnitt Mcr,St Mcr,F
Nachweis der Rotationsfähigkeit Die erforderliche Rotation E wird mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Kräfte aus der Integration der Krümmungen berechnet. Die Integration wird näherungsweise mit Hilfe der Integraltafeln durchgeführt; es werden nur Dreieckanteile berücksichtigt: 1 1 E D 2 3;083 0;5 5;0 C 3;083 3 6 .2 0;5 C 0;804/ 3;04 1 3;402 .0;804 C 2 1;0/ 1;96 103 6 D 4;54 103 rad :
Eine numerische Integration des Krümmungsverlaufs mit Integrationsintervallen x D 0;2 m liefert E D 6;29 103 rad; offensichtlich wird mit der Näherung durch Dreiecksanteile die entgegengesetzte Krümmung im Stützbereich erheblich überschätzt. Der Bemessungswert der möglichen plastischen Rotation pl;d bei einer Schubschlankheit D 3 folgt für d D 0;224 aus Abb. 13.8 zu 12;3 103 rad. Die vorliegende Schubschlankheit ist: MEd 315 D D 2;41 ; VEd d 0;5 348 0;75 s D 0;897 : k D 3
y,F y,St
cr,F cr,St a M--Linien
-3,402
3,083 5,0
3,04 1,96
b Verlauf der Krümmungen
0,5
M 0,804 1,0
c Virtuelles Moment
Abbildung 13.19a–c Beispiel 13.2 – Ermittlung der erforderlichen plastischen Rotation E mit vereinfachten M -Beziehungen
Die erforderliche Rotation E ist damit kleiner als die mögliche plastische Rotation: ) pl;d D k 12;3 103 D 11;0 103 > E D 4;54 103 :
Die mit der Momentenumlagerung vorausgesetzte Schnittgrößenverteilung kann sich dem entsprechend im GZT einstellen. Es bleibt anzumerken, dass für den Zweifeldträger Nachweise im GZG erforderlich werden, die ggf. zu höheren Bewehrungsmengen im Stützbereich führen.
13.3 Indirekte Einwirkungen – Zwang 13.3.1 Grundlagen Aufgeprägte Verformungen, die indirekten Einwirkungen, werden zweckmäßig in inneren und äußeren Zwang unterschieden. Mit der Bezeichnung innerer Zwang werden Eigenspannungszustände, die aus
ungleichmäßigen Verformungen über den Querschnitt z. B. aus abfließender Hydratationswärme oder ungleichmäßigem Schwinden entstehen, zusammengefasst; Schnittgrößen werden durch inneren Zwang alleine nicht bewirkt. Für das Auftreten von innerem Zwang ist das statische System unwesentlich. Äußerer Zwang entsteht aus der Behinderung der freien Verformung des Bauteils oder aus der aufgezwungenen Verformung aus angrenzenden Bauteilen, z. B. aus Stützensenkungen. Äußerer Zwang setzt statisch unbestimmte Systeme voraus und geht mit Schnittgrößen und Auflagerreaktionen einher. Dem entsprechend können auch Auslöser inneren Zwangs, sofern sie zu Bauteilverformungen führen, bei statisch unbestimmten Systemen Zwangschnittgrößen hervorrufen (vgl. Abschn. 2.2.3). Klassische Beispiele hierfür sind die Zwangbeanspruchungen von Bodenplatten bei abfließender Hydratationswärme oder von Wänden, die auf älteren Fundamenten hergestellt werden und deren Schwindverformung durch den monolithischen Anschluss behindert wird. Weitere Beispiele und Rechenverfahren für Zwangbeanspruchungen sind u. a. in Noakowski u. Schäfer (2003) zu finden.
13.3 Indirekte Einwirkungen – Zwang
13.3.1.1 Anmerkungen zur Bemessung für Zwang Die exakte Vorhersage von Zwangbeanspruchungen ist angesichts der vielfältigen Ursachen und insbesondere wegen der Verknüpfung mit der Steifigkeit und damit dem Grad der Rissbildung bzw. dem Ausmaß der Plastifizierung einzelner Tragwerksbereiche nahezu unmöglich. Ein großer Teil der an Bauwerken auftretenden Schäden ist daher nicht auf Fehler bei der Bemessung für Lasten, sondern auf Fehleinschätzungen der auftretenden Zwangbeanspruchungen zurückzuführen. Da im Grenzzustand der Tragfähigkeit – wie noch zu zeigen sein wird – Zwangbeanspruchungen erheblich reduziert werden, besteht eine der zentralen Aufgaben der Bemessung für Zwang in der Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit, z. B. in der Begrenzung von Rissbreiten. In vielen Fällen wird auf eine rechnerische Erfassung von Zwangbeanspruchungen zugunsten konstruktiver Maßnahmen verzichtet. Als grobe Faustregel kann davon ausgegangen werden, dass Zwangbeanspruchungen rechnerisch angesetzt werden müssen, wenn das Verhalten auf Gebrauchslastniveau entscheidend für das Bemessungsergebnis wird. Dies ist insbesondere bei Spannbetonbauteilen angesichts der dominanten Auswirkungen der Dekompressions- und Ermüdungsnachweise der Fall. Umgekehrt sind bei Stahlbetonbauteilen – für die primär die Nachweise im GZT maßgebend werden – konstruktive Maßnahmen, insbesondere die Anordnung von Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreiten, i. Allg. ausreichend, um Zwangbeanspruchungen aufzufangen. Im üblichen Hochbau treten Zwangbeanspruchungen vorwiegend durch behinderte Schwindverformungen und Temperaturdifferenzen auf. Damit Zwang unberücksichtigt bleiben kann, muss das Tragwerk ausreichende Kapazitäten zur schadlosen Aufnahme der daraus entstehenden Beanspruchungen aufweisen. Dies setzt zum einen die Befolgung konstruktiver Regeln (Mindestbewehrung, Sicherstellung duktilen Verhaltens, etc.) voraus, zum anderen erfordert es die geeignete konstruktive Durchbildung des Tragwerks. So kann durch die Anordnung von Dilatationsfugen Zwang wesentlich reduziert werden. Eine Prämisse der Planung sollte zudem sein, unterschiedliche Setzungen einzelner Tragwerksbereiche zu vermeiden. Sofern dies nicht möglich ist, z. B. bei unterschiedlich massigen Gebäudeteilen, sollten die Tragwerksbereiche konstruktiv voneinander getrennt werden. Hinweise zur baulichen Durchbildung sind u. a. in Bachmann (2001) zu finden. Parallel dazu können Eigenspannungen z. B. aus dem Abfließen der Hydratationswärme oder frühem Schwinden durch geeignete Betontechno-
507
logische Maßnahmen, ausreichende Nachbehandlung und einen zweckmäßig gewählten Bauablauf reduziert werden (z. B. Grübl u. a. 2001). Spannbetonbauteile weisen wegen der im Gebrauchszustand i. Allg. eingeschränkten Rissbildung hohe Steifigkeiten auf; der durch Risse ausgelöste Abbau von Zwang ist daher nur in geringem Umfang möglich. Gleichzeitig kann durch das nichtlineare Querschnittsverhalten vorgespannter Bauteile eine geringfügige Erhöhung der Beanspruchungen im Bereich der Dekompressionslast überproportionale Auswirkungen auf z. B. Spannungsschwingbreiten der Bewehrung unter nichtruhenden Lasten, d. h. die Ermüdungsbeanspruchung, bewirken vgl. Abschn. 12.3.5). Zwang ist daher bei Spannbetonbauteilen i. d. R. explizit rechnerisch zu erfassen, zumal gerade in den dominierenden Anwendungsbereichen erhebliche Zwänge auftreten können. Stellvertretend sei der Brückenbau genannt: Setzungsdifferenzen zwischen Pfeilern bzw. Widerlagern oder Temperaturunterschiede zwischen Ober- und Unterseite des Brückenträgers bewirken signifikante Schnittgrößen. Allerdings kann selbst bei einer expliziten Erfassung des genannten äußeren Zwangs nicht generell auf konstruktive Maßnahmen wie die Mindestbewehrung verzichtet werden: Eigenspannungen in erheblichem Umfang werden bereits durch die Querschnittsgestaltung hervorgerufen: Bei Hohlkästen können z. B. durch die größeren Schwindverformungen der dünnen Bodenplatte im Vergleich zu den dicken Stegen erhebliche, zur Rissbildung führende Zugspannungen in der Bodenplatte entstehen. 13.3.1.2 Unterschiede zwischen Last und Zwang Im Unterschied zu Lasten sind die Schnittgrößen aus eingeprägten Verformungen unmittelbar proportional zur Bauteilsteifigkeit. Für den Zweifeldträger nach Abb. 13.20 errechnet sich das Stützmoment infolge der Gleichstreckenlast q mit dem Kraftgrößenverfahren3 zu
3
Kraftgrößenverfahren: M0 bezeichnet das Lastmoment am statisch bestimmten Hauptsystem, M1 das virtuelle Einheitsmoment der statisch unbestimmten Größe. ı10 ist die aus der Last q bzw. aus der Setzung s, ı11 die aus dem virtuellen Einheitsmoment hervorgerufene Winkelverdrehung des statisch bestimmten Hauptsystems am Ort und in Richtung der statisch unbestimmten Größe X1 . Aus der Verträglichkeitsbedingung der Verformung ı10 C X1 ı11 D 0 kann X1 ermittelt werden.
508
13 Statisch unbestimmte Systeme q l
Ds
l X1
s Nind
l
X1
s Ncr
Nind M0
Ds
As fy
Nind s
ql2/8
10 = 2 s/l
Nind
a Bewehrung nicht ausreichend
M1 1,0
1,0
Nind
M
s
MSt,q MSt,Ds a Last
Ncr
Nind
b Zwang
Abbildung 13.20a,b Last- und Zwangbeanspruchung am Beispiel eines Zweifeldträgers
b Bewehrung ausreichend
Abbildung 13.21a,b Tragverhalten eines Zugstabs unter zentrischer Zwangbeanspruchung
13.3.1.3 Zugstab unter zentrischem Zwang MSt;q D
R
M0 ı10 2l M1 E I.x/ dx D R M1 ı11 2l M1 E I.x/ dx 2 E I D const:
H)
MSt;q D
ql : 8
(13.34a) (13.34b)
Die ortsabhängige Steifigkeit EI.x/ ist sowohl im Zähler als auch im Nenner von Gl. (13.34) enthalten; das Stützmoment MSt;q und damit die Schnittgrößenverteilung ist nur mit dem Verhältnis der Biegesteifigkeiten von Feld und Stützbereich verknüpft (vgl. Abschn. 13.1.1). Für eine eingeprägte Lagerverschiebung s folgt das Stützmoment MSt;s zu: MSt;s D
2s ı10 l D R M1 ı11 M dx 1 2l E I.x/
E I D const:
H)
MSt;s D
(13.35a)
3EI s (13.35b) l2
Die Zwangschnittgröße MSt;s ist nach Gl. (13.35) an den Absolutwert der ortsabhängigen Steifigkeit gekoppelt. Die unterschiedliche Verknüpfung von Last und Zwang mit der Steifigkeit wird insbesondere für die Annahme EI D const: offensichtlich. Damit besteht für die Schnittgrößenermittlung ein fundamentaler Unterschied: Während die Schnittgrößen aus Lastbeanspruchungen für alle Beanspruchungszustände i. Allg. mit ausreichender Genauigkeit über die Steifigkeit des ungerissenen Querschnitts berechnet werden können (vgl. Abschn. 13.2.2), führt dieses Vorgehen bei Zwang ggf. zu erheblichen Fehleinschätzungen.
Das Verhalten von Stahlbetonbauteilen unter Zwangbeanspruchung kann anhand eines Zugstabes nach Abb. 13.21, dem eine stetig ansteigende Verlängerung s aufgezwungen wird, erläutert werden.4 Der erste Riss entsteht, unabhängig vom Bewehrungsgehalt, wenn die Zwangdehnung s= l die Zugbruchdehnung des Betons "ct D fct =Ec erreicht hat. Durch die Rissöffnung wcr wird die Zugkraft um den Anteil wcr =s reduziert. Anders ausgedrückt, nimmt die Zwangkraft5 Nind D s Ec Ai durch den lokalen Steifigkeitsabfall infolge Rissbildung ab (vgl. Verformungssteuerung nach Abschn. 10.3.1). Bei geringem Bewehrungsgrad beginnt die Bewehrung im Riss zu fließen; die Zwangkraft fällt auf Nind D As fy und reicht nicht mehr aus, um durch die über Verbund eingeleiteten Zugspannungen weitere Risse zu erzeugen. Der Zwang s abzüglich der elastischen Verlängerung des ungerissenen Betons l "c l .As fy /=.Ec Ai / wird vollständig in einem einzigen, breiten Riss abgebaut (Abb. 13.21a). Bei ausreichender Bewehrungsmenge steigt die Zugkraft mit s weiter an, bis ein neuer Riss auftritt.
4
Als Beispiel sei eine Deckenplatte, die zwischen zwei steifen Gebäudekernen starr eingespannt ist, genannt. Die eingeprägte Verlängerung s entspricht z. B. der behinderten Verkürzung ˛t TN l aus einer über den Querschnitt konstanten Temperaturänderung TN , d. h. einer Abkühlung der Platte. 5 Schnittgrößen aus indirekten Einwirkungen werden mit dem Index „ind“ gekennzeichnet, Schnittgrößen aus direkten Einwirkungen durch „dir“.
13.3 Indirekte Einwirkungen – Zwang
Mit dem weiteren Anwachsen des Zwangs setzt sich der Rissbildungsprozess fort; solange der Einzelrisszustand allerdings nicht verlassen wird, kann die Zugkraft die (streuende) Rissschnittgröße nicht übersteigen. Erst wenn das abgeschlossene Rissbild erreicht ist und keine wesentliche Reduktion der Dehnsteifigkeit durch Rissbildung mehr eintreten kann, wächst die Zugkraft über die Rissschnittgröße hinaus. In diesem Rissstadium ist die Dehnsteifigkeit und damit die Zwangschnittgröße im wesentlichen vom Bewehrungsgrad abhängig. Eine Obergrenze der Zwangkraft stellt die Fließkraft der Bewehrung dar. Nach Versuchsergebnissen wird das abgeschlossene Rissbild erst für Zwangdehnungen "ind > 0;8‰, entsprechend einer Temperaturdifferenz von TN D "ind =˛T D 80 K, erreicht. Bei den im Hochbau üblicherweise auftretenden Zwängungen z. B. aus abfließender Hydratationswärme, Schwinden oder Temperaturunterschieden kann daher angenommen werden, dass der Einzelrisszustand nicht verlassen, d. h. die Rissschnittgröße durch Zwang nicht überschritten wird. In guter Näherung kann – unabhängig vom Rissbildungsstadium – davon ausgegangen werden, dass bei Vernachlässigung der elastischen Betondehnung die P Summe der Rissöffnungen wcr mit der eingeprägten Verformung identisch sein muss. Wird das abgeschlossene Rissbild erreicht, kann zudem der Umstand, dass die mittlere Stahldehnung "sm der Zwangdehnung s= l entsprechen muss, zur Ermittlung der Bewehrungsmengen für die Begrenzung der Rissbreiten infolge Zwang genutzt werden.
13.3.1.4 Mindestbewehrung bei Zwangbeanspruchung Nach dem beschriebenen Verhalten ist es i. Allg. ausreichend, die Mindestbewehrung zur Begrenzung von Zwangrissbreiten für die Rissschnittgröße auszulegen. Bei gleichzeitiger Wirkung von Eigenspannungen wird die wirksame Zugfestigkeit und damit die Rissschnittgröße vermindert. Das Berechnungskonzept wurde bereits in Abschn. 11.4.5 vorgestellt. Es sei nochmals hervorgehoben, dass die Rissschnittgröße und damit die Mindestbewehrungsmenge unmittelbar von der Betonzugfestigkeit abhängt; Überfestigkeiten o. ä. müssen daher durch eine entsprechend erhöhte Mindestbewehrungsmenge aufgefangen werden. In Ausnahmefällen kann der Verformungszuwachs bei Einzelrissbildung und damit die für die Rissschnittgröße dimensionierte Mindestbewehrung nicht ausreichen, um den
509
Zwang vollständig zu kompensieren. In diesem Fall empfiehlt sich eine explizite nichtlineare Berechnung der Zwangschnittgrößen.
13.3.2 Überlagerung von Last und Zwang Zur Erläuterung der Überlagerungsprinzipien von Last- und Zwangbeanspruchungen wird das Beispiel des Zugstabes wieder aufgegriffen. Den Zusammenhang zwischen Zugkraft und Dehnung gibt Abb. 13.22a wieder. Zunächst werden vier Situationen betrachtet: 1 Ndir D 0 Die Beanspruchung des Zugstabs entsteht allein aus der aufgezwungenen Verlängerung. Sofern der Einzelrisszustand nicht verlassen wird, gilt Nind Ncr ; gleichzeitig wird die Zwangbeanspruchung durch die Fließlast begrenzt: Nind;max D As fy . 2 Ndir Ncr Bei geringer Zugnormalkraft leitet der Zwang die Rissbildung ein; i. Allg. gilt Nind D Ncr Ndir ; die Zwangbeanspruchung entspricht im Einzelrisszustand maximal der Differenz zwischen Rissschnittgröße und Last. 3 Ndir > Ncr Bei hoher Zugnormalkraft ist die Zwangbeanspruchung durch die Streckgrenze der Bewehrung begrenzt: Nind As fy Ndir . 4 Ndir D As fy Bei fließender Bewehrung erzeugen aufgezwungene Verformungen keine Schnittgrößen: Nind D 0.
Anhand des Beispiels wird deutlich, dass bei der rechnerischen Berücksichtigung von Zwang zwischen GZG und GZT unterschieden werden muss: Mit einsetzender Plastifizierung infolge Last werden die Zwangbeanspruchungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit erheblich reduziert; Zwang bewirkt lediglich zusätzliche Verformungen der plastischen Gelenke. Solange die plastische Verformungsfähigkeit, d. h. die Rotationsfähigkeit für die Summe der erforderlichen Rotation aus Last und Zwang ausreicht, beeinflusst Zwang die Tragfähigkeit nicht. Für den Gebrauchszustand von Bauteilen des üb2 zu; die lichen Hochbaus trifft i. Allg. Szenario Zwangbeanspruchung ist auf die Differenz zwischen Last- und Rissschnittgröße begrenzt. Eine explizite Berücksichtigung von Zwangschnittgrößen bei den Nachweisen des GZG ist daher i. d. R. nicht erforderlich, sofern die Mindestbewehrung zur Aufnahme
510
13 Statisch unbestimmte Systeme F
N = Ndir+Nind N
Ds
Ds
l = 3,0
As × f y
Ndir,4
a System und Querschnitt
Ndir,3
37
40
Ncr
20
Ndir,2
C40/50 rs »0,5% edir,3
edir,2
e
edir,4
MSt in kNm 1
80 a Zugkraft-Dehungs-Beziehungen Nind
4 2 3
60 As × f y
1
40 1 2 3 4
2
20
20 eind,1 Deind,2
Deind,3
Ds in mm
F in kN
3 4
linear-elastisch reiner Zustand II elastisch-plastisch nichtlinear
e
Deind,4
b Zugkraft Nind aus Zwang
10
b Lastbeanspruchung
0
10
20
30
40
c Zwangbeanspruchung
Abbildung 13.23a–c Kragarm mit Einzellast bzw. aufgezwungener Verschiebung der Kragarmspitze
Abbildung 13.22a,b Überlagerung von Last- und Zwangbeanspruchungen am Zugstab
der Rissschnittgröße vorhanden ist. Bei erheblichen Zwangbeanspruchungen ("ind > 0;8‰), wie sie z. B. im Brückenbau infolge Stützensenkung auftreten, müssen die Dehnungen aus Last und Zwang überlagert werden.
13.3.3 Berücksichtigung von Zwang in GZG und GZT 13.3.3.1 Allgemeines zur Berechnung von Zwangschnittgrößen Die verschiedenen Wege der Berechnung von Zwangschnittgrößen sollen anhand des Systems in Abb. 13.23 erläutert werden. Für die Kraft F stellt der Kragbalken ein statisch bestimmtes System dar. Das Einspannmoment MSt;dir ist allein aus Gleichgewichtsbedingungen zu ermitteln; der Zusammenhang zwischen Last und Einspannmoment ist linear (Abb. 13.23b). Ei-
ne aufgezwungene Verschiebung s der Kragarmspitze erzeugt Biegezwang und damit ebenfalls ein Einspannmoment MSt;ind . Gleichzeitig entsteht eine Reaktionskraft an der Kragarmspitze, die z. B. durch ein Lager aufgenommen werden muss.6 Zur Berechnung des Einspannmoments werden folgende Verfahren verwendet: 1 linear-elastisch mit den Steifigkeiten des ungeris senen Querschnitts 2 nichtlinear mit den belastungsabhängigen Steifig keiten des reinen Zustands II 3 ideal elastisch-plastisch mit den Steifigkeiten des ungerissenen Querschnitts 4 nichtlinear unter Berücksichtigung der Rissbil dung und der Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen
Die mit den verschiedenen Verfahren berechneten Einspannmomente MSt;ind unterscheiden sich erheblich (Abb. 13.23c). Für 6
s entspricht der Lagersenkung eines einseitig eingespannt und einseitig gelenkig gelagerten Einfeldträgers. Die mit den verschiedenen Rechenverfahren ermittelte Reaktionskraft MSt;ind = l entspricht gerade der Last F nach Abb. 13.23b.
13.3 Indirekte Einwirkungen – Zwang
s D 5 mm ergibt die wirklichkeitsnahe nichtlineare Rechnung MSt;ind D 26;1 kNm (100%), aus der Berechnung nach Elastizitätstheorie folgt MSt;ind D 3EI = l 2 s D 61;3 kNm (235%), die Berechnung nach reinem Zustand II ergibt 11,2 kNm (43%). Im Übrigen ist für s D 5 mm eine Dehnung von 0,8‰ an der Einspannung bereits deutlich überschritten; das abgeschlossene Rissbild ist dort erreicht. Es zeigt sich, dass Rechenwerte auf Grundlage linear-elastischer Verfahren mit Steifigkeiten des Zustand I die Zwangschnittgrößen in gerissenen Bauteilen erheblich überschätzen. Zudem wird aus Abb. 13.23c deutlich, dass mit der Annäherung an das Fließmoment eine Erhöhung von s nur mehr geringe Änderungen des Einspannmoments hervorruft. Setzt umgekehrt im GZT bereits durch Lastbeanspruchungen eine Plastifizierung der Einspannstelle ein, wird durch s nur mehr eine zusätzliche Rotation des plastischen Gelenks hervorgerufen; Zwangschnittgrößen entstehen nicht.
13.3.3.2 Berechnung und Ansatz in Nachweisen – Grundsatz Hinsichtlich der Berücksichtigung von Zwangschnittgrößen bei Nachweisen in den Grenzzuständen muss zwischen den gewählten Verfahren zur Schnittgrößenermittlung unterschieden werden. Wie erläutert, können i. d. R. Zwangbeanspruchungen im üblichen Stahlbetonhochbau vernachlässigt werden, sofern Mindestbewehrung zur Rissbreitenbegrenzung vorgesehen ist. Generell sind bei der Beurteilung von Zwangbeanspruchungen allerdings in hohem Maß Sachkenntnis und Erfahrung des Ingenieurs gefordert.
511
mittelt werden; die Mitwirkung des Betons auf Zug ist dabei generell zu berücksichtigen. Last- und Zwangschnittgrößen sollten dabei mit den gleichen Steifigkeiten bestimmt werden. In Grasser u. Thielen (1991) wird ein hierzu äquivalentes Vorgehen vorgeschlagen. Für Nachweise im GZT erlaubt DIN 1045-1 für Zwangschnittgrößen, die mit den Steifigkeiten des Zustands I berechnet werden, den Ansatz eines reduzierten Teilsicherheitsbeiwerts Q D 1;0 anstelle von 1,5. Wird die Rissbildung bei der Berechnung berücksichtigt, muss dagegen Q D 1;5 angenommen werden. 13.3.3.4 Linear-elastische Berechnung mit begrenzter Umlagerung (GZT) Schnittgrößenumlagerungen können im Grenzzustand der Tragfähigkeit primär bei Lastschnittgrößen realisiert werden; eine Umlagerung von Zwangschnittgrößen z. B. von der Stütze in das Feld bei ausgeprägter Rissbildung bzw. Plastifizierung im Stützbereich kann nicht auftreten. Der Betrag der Zwangschnittgröße wird zwar durch die Steifigkeit gesteuert, den Verlauf der Zwangschnittgröße bestimmen allein die Lagerungsbedingungen und ggf. die Lage plastischer Gelenke. In Zusammenhang mit der Umlagerung von Lastmomenten erscheint es sinnvoll, in Anlehnung an die Plastizitätstheorie den Abbau der Zwangbeanspruchung durch Fließgelenkbildung vorauszusetzen und die Aufnahme des zusätzlichen Rotationsbedarfs explizit nachzuweisen (vgl. Abb. 13.24). Vereinfachte Rotationsnachweise durch eine Begrenzung der bezogenen Druckzonenhöhe greifen hier nicht mehr.
13.3.3.5 Berechnung auf Grundlage der Plastizitätstheorie (GZT) 13.3.3.3 Linear-elastische Berechnung (GZG und GZT) Eine Berechnung nach linearer Elastizitätstheorie mit den Steifigkeiten des ungerissenen Querschnitts liefert lediglich für Bauteile, die sich weitgehend im Zustand I befinden, eine zutreffende Abschätzung der Zwangschnittgrößen; der Abbau bei einsetzender Rissbildung bzw. die weitere Reduktion bei beginnender Plastifizierung wird nicht erfasst. Eine zutreffendere Abschätzung der Zwangschnittgrößen kann bei linearelastischer Rechnung durch den bereichsweisen AnII satz reduzierter Steifigkeiten EAII erm bzw. EIm zielt werden. Wirksame Steifigkeiten unter Berücksichtigung ggf. geschätzter Bewehrungsmengen können nach den in Kap. 10 dargestellten Grundsätzen er-
Sofern bei Berechnungen auf Grundlage des statischen Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie statisch unbestimmte Systeme zu statisch bestimmten reduziert werden, haben eingeprägte Verformungen keinen Einfluss
Mpl,St E =
s l Ds
l
l
Abbildung 13.24 Zusätzliche erforderliche Rotation E aus Zwang bei der Schnittgrößenermittlung und Bemessung im GZT auf Grundlage der Plastizitätstheorie
512
auf Betrag und Verteilung der Schnittgrößen. Bei Verfahren nach dem kinematischen Grenzwertsatz gilt diese Aussage uneingeschränkt. Grundsätzlich muss die Rotationsfähigkeit der plastischen Gelenke für die zusätzliche Rotation aus Zwang nachgewiesen werden (Abb. 13.24).
13.3.3.6 Nichtlineare Berechnungsverfahren (GZG und GZT) Mit Verfahren, die das nichtlineare Tragverhalten einschließlich Rissbildung und Mitwirkung des Betons auf Zug berücksichtigen, können eingeprägte Verformungen durchgängig für GZG und GZT verfolgt werden. Durch den Ansatz wirklichkeitsnaher Steifigkeiten werden die Zwangschnittgrößen realistisch abgeschätzt. Normenregelung nach DIN 1045-1 Indirekte Einwirkungen werden in DIN 1045-1 in den folgenden Abschnitten explizit angesprochen: Sicherheitskonzept Nach DIN 1045-1, 5.3.3 (3) darf bei linear-elastischer Schnittgrößenermittlung mit den Steifigkeiten der ungerissenen Querschnitte und dem mittleren E-Modul Ecm für Zwang der Teilsicherheitsbeiwert Q D 1;0 angesetzt werden. Andernfalls ist Q analog zu veränderlichen Einwirkungen anzunehmen. Rissbreitenbegrenzung Zusätzlich zur Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite für Zwangeinwirkungen nach Abschn. 11.2.2 enthalten die Absätze 11.2.4 (6) und (7) ergänzende Regelungen zur Berechnung der Rissbreite. Demnach ist bei der Ermittlung von Rissbreiten für Zugspannungen aus einer Kombination von Last und Zwang die Dehnung aus Lastbeanspruchung, die auf der Grundlage eines gerissenen Querschnitts ermittelt wurde, um die Dehnung infolge Zwang zu erhöhen. In Fällen, in denen die resultierende Zwangdehnung 0,8‰ nicht überschreitet, ist es i. Allg. ausreichend, die Rissbreite für den größeren Wert der Spannung aus Last- oder Zwangbeanspruchung zu bestimmen.
Normenregelung nach EN 1992-1-1 In EN 1992-1-1 behandeln folgende Abschnitte indirekte Einwirkungen explizit: Grundlagen Nach den Abschn. 2.3.1.2 und 2.3.1.3 sind Temperaturauswirkungen und Setzungsunterschiede für die Nachweise in den GZG i. d. R. zu berücksichtigen. Im GZT dürfen sie vernachlässigt werden, wenn das hierfür erforderliche Verformungsvermögen bzw. die Rotationsfä-
13 Statisch unbestimmte Systeme higkeit nachgewiesen wird. Bei Nachweisen nach Theorie II. Ordnung ist eine Vernachlässigung i. Allg. nicht möglich. Schnittgrößenermittlung Bei linear-elastischer Berechnung dürfen die Schnittgrößen infolge indirekter Einwirkungen für Nachweise im GZT auf Grundlage der Steifigkeiten im reinen Zustand II und unter Berücksichtigung des Kriechens ermittelt werden. Für Nachweise in den GZG darf eine beginnende Rissbildung angenommen werden. Rissbreitenbegrenzung Neben den Regeln für die Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreiten nach Abschn. 7.3.2 enthält 7.3.4 (Berechnung der Rissbreite) zusätzliche Hinweise. Demnach sollten aufgebrachte Verformungen in der mittleren Stahldehnung "sm berücksichtigt werden.
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden die Regelungen nach DIN 1045-1 für den Ansatz von Q bei Zwang sowie für die Rissbreitenbegrenzung bei Zwangsdehnungen 0;8‰ ergänzt.
A
ÖNORM EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1, 7.3.4 (Berechnung der Rissbreite) wird folgendes ergänzt: In Fällen, in denen die resultierende Zwangsdehnung 0,8‰ nicht überschreitet, ist es im Allgemeinen ausreichend, die Rissbreite für den größeren Wert der Spannung aus Zwang- oder Lastbeanspruchung zu ermitteln.
13.3.4 Auswirkungen zeitabhängigen Verhaltens 13.3.4.1 Allgemeines Die Bauteilsteifigkeit wird – wie in Kap. 10 dargestellt – in erheblichem Maß durch das Kriechen des Betons reduziert. Durch die Kopplung der Schnittgrößenverteilung (Last) bzw. des Absolutwerts der Schnittgrößen (Zwang) mit der Steifigkeit sind zeitabhängige Einflüsse zu erwarten. Dabei muss wieder konsequent zwischen Last und Zwang unterschieden werden. Die klassischen Modelle zur Berechnung der Kriechauswirkungen auf Last- und Zwangschnittgrößen nach Trost setzen linear-elastisches bzw. linearviskoelastisches Verhalten (lineares Kriechen) eines alternden Materials voraus (vgl. Abschn. 3.2); der Einfluss der Bewehrung auf die Kriechverformung wird ebenso vernachlässigt wie die Auswirkungen der Riss-
13.3 Indirekte Einwirkungen – Zwang
513
q EI = const. l Hauptsystem
l X1 +DX1(t) DM(t)
M1
M0 X1 11(t0) 10(t0)
X1 11(t0)
X1(t) 11(t0)(1+)
10(t0) a Lastzustand
b Zustand infolge statisch Unbestimmter X1
c Zustand infolge Änderung der statisch Unbestimmten X1
Abbildung 13.25a–c Auswirkungen des Kriechens auf Lastschnittgrößen am Beispiel eines Zweifeldträgers
bildung (vgl. Trost 1967). Dessen ungeachtet treffen die Annahmen in guter Näherung auf Spannbetonbauteile, die im Gebrauchszustand i. Allg. wenige, zum Teil überdrückte Risse aufweisen, zu. Einen umfassenden Überblick über baupraktische Verfahren zur Berechnung zeitabhängiger Effekte in statisch unbestimmten Systemen bei elastischem Materialverhalten enthält Rüsch u. Jungwirth (1976). Die wesentlichen Auswirkungen zeitabhängigen Verhaltens auf Last- und Zwangschnittgrößen sind im Überblick: • Einfluss auf Schnittgrößen aus Lasten Da die Verteilung der Lastschnittgrößen an die Verhältniswerte der Steifigkeiten geknüpft ist, treten – wie noch zu zeigen sein wird – bei gleichmäßigem Kriechen entlang des gesamten Bauteils keine Schnittgrößenumlagerung im System auf. Im Unterschied dazu führt bei einem Systemwechsel, z. B. der Verbindung von Einfeldträgern zu einem Durchlaufsystem, das zeitabhängige Verhalten des Betons zu einer Umlagerung der Eigengewichtsschnittgrößen hin zur Verteilung des Eingusssystems.7 • Einfluss auf Schnittgrößen aus Zwang Durch die Proportionalität der Zwangschnittgrößen mit der Steifigkeit wird langandauernder Zwang durch Kriechen in erheblichem Maße abgebaut. Durch die reduzierte Kriechfähigkeit des Betons mit zunehmendem Belastungsalter (Alterung) wird plötzlich auftretender im Vergleich mit allmählich entstehendem Zwang – gleiches Alter t0 bei Belastungsbeginn vorausgesetzt – stärker reduziert. Plötzlich bzw. rasch auftretender Zwang entsteht z. B. durch Fundamentsetzungen bei kohäsionslosen (rolligen) Böden, während allmählich anstei7
Mit „Eingusssystem“ wird das monolithisch, d. h. in einem Guss hergestellte Durchlaufsystem bezeichnet.
gender Zwang durch Schwinden oder Setzungen bei kohäsiven (bindigen) Böden erzeugt wird. Die Reduktion der genannten Zwänge durch Kriechen setzt starre bzw. annähernd starre Widerlager voraus; wesentliche Unterschiede treten bei elastischen Widerlagern auf, z. B. bei dem aus Vorspannung erzeugten Zwang, der sog. statisch unbestimmten Wirkung (vgl. Abschn. 13.4.2). Vor allem für Stahlbetonbauteile trifft die Annahme homogen-elastischen Bauteilverhaltens nicht zu; Konsequenzen aus der Rissbildung werden am Schluss dieses Abschnitts erläutert.
13.3.4.2 Auswirkungen auf Lastschnittgrößen Die Auswirkungen zeitabhängigen Verhaltens sollen am Beispiel des Zweifeldträgers nach Abb. 13.25 erläutert werden. Als statisch unbestimmte Größe X1 wird die Auflagerkraft des Mittelauflagers gewählt; X1 .t/ bezeichnet die durch Kriechen und Schwinden hervorgerufene, zeitabhängige Änderung von X1 . Aus der Verträglichkeitsbedingung, dass die Durchbiegung am Zwischenauflager verschwinden muss, kann die statisch Unbestimmte berechnet werden. Mit den Formänderungswerten ı10 infolge Last und ı11 infolge des Einheitsspannungszustands folgt X1 für den Zeitpunkt t0 zu: ı10 CX1 ı11 .t0 / D 0 ) X1 D
ı10 : ı11
(13.36)
Für t > t0 nehmen die Verformungen durch Kriechen und Schwinden zu; die Formänderungswerte zum Zeitpunkt t sind mit ' D '.t; t0 /: ı10 .t/ D ı10 .t0 / .1 C '/ ; ı11 .t/ D ı11 .t0 / .1 C '/ :
(13.37a) (13.37b)
514
13 Statisch unbestimmte Systeme
Aus der möglichen Änderung X1 der statisch Unbestimmten X1 entstehen zusätzliche zeitabhängige Verformungen, die affin zu ı11 .t0 / sein müssen. Da sie erst allmählich auftreten, muss die Alterung des Betons durch den Relaxationsbeiwert berücksichtigt werden: X1 .t/ı11 .t/ D X1 .t/ ı11 .t0 / .1 C '/ :
EI = const. l
l Ds
Ds
a System und Belastung
(13.38)
t
t0
Die Verträglichkeitsbedingung für den Zeitpunkt t lautet mit den Gln. (13.37a) bis (13.38) und unter Berücksichtigung der ggf. auftretenden, zusätzlichen Verformung ıcs .t/ aus der Schwindkrümmung cs bei asymmetrischer Anordnung der Bewehrung im Querschnitt:
Ds
X1(t0)
X1(t0) DX1(t) Ds
Š
ı10 .t/ CX1 ı11 .t/ C ıcs .t/ C X1 ı11 .t/ D 0 H) ı10 .t0 /.1 C '/ CX1 .t0 /ı11 .t0 /.1 C '/ C ıcs .t/ Š
CX1 ı11 .t0 /.1 C '/ D 0 :
(13.39)
Auflösen von Gl. (13.39) nach X1 liefert:
Ds
Ds
M(t0)
b Zeitpunkt t0
M(t) M(t0)
c Zeitpunkt t > t0
Abbildung 13.26a–c Abbau der Schnittgrößen aus rasch auftretendem Zwang durch Kriechen – Setzungszwang bei einem Zweifeldträger
D0Š
…„ ƒ ‚ .ı10 .t0 / C X1 ı11 .t0 // .1 C '/ C ıcs .t/ X1 D ı11 .t0 / .1 C '/ 1 ıcs : (13.40) D ı11 .t0 / 1 C ' Der Ausdruck ı10 .t0 / C X1 ı11 .t0 / entspricht der Verträglichkeitsbedingung für t0 und muss Null sein. Änderungen der Auflagerkraft X1 sind damit ausschließlich vom Auftreten zusätzlicher Schwindverformungen ıcs .t/ abhängig. Gilt zusätzlich ıcs D 0, verschwindet X1 ; damit treten keine zeitabhängigen Änderungen der Schnittgrößen ein. Dies ist allerdings an die Voraussetzung gleichmäßigen Kriechens, d. h. gleicher Kriechzahlen ' für alle Querschnitte des Bauteils geknüpft. Nur in diesem Fall nehmen die Verformungen affin zur Ausgangsverformung zum Zeitpunkt t0 zu.
13.3.4.3 Plötzlich auftretender Zwang Die Reduktion rasch auftretender Zwangbeanspruchungen durch Kriechen werden an einem durch Setzungszwang beanspruchten Zweifeldträger nach Abb. 13.26 gezeigt. Die Verträglichkeitsbedingung zur Berechnung der statisch unbestimmten X1 unmittelbar nach Auftreten der Fundamentsetzung zum Zeitpunkt t0 lautet mit ı10 D s:
ı10 .t0 / D X1 .t0 / ı11 .t0 / s ı10 .t0 / D : (13.41) ) X1 .t0 / D ı11 .t0 / ı11 .t0 / X1 entspricht der Kraft, mit der dem Träger ohne Mittelauflager die Verformung s aufgezwungen werden kann (Abb. 13.26b). Bei konstanter Kraft X1 würde die Verformung auf s .1 C '/ ansteigen. Da dies nicht möglich ist, muss der fiktive Verformungszuwachs s ' durch X1 kompensiert werden (Abb. 13.26c). Die vollständige Verträglichkeitsbedingung lautet damit: ı10 .t0 / D X1 .t0 /ı11 .t0 /.1 C '/ C X1 ı11 .t0 /.1 C '/ :
(13.42)
Aufgelöst nach der Änderung der statisch unbestimmten Größe folgt: DX1 .t0 /ı11 .t0 /
‚…„ƒ ı10 .t0 /
X1 .t0 /ı11 .t0 /.1 C '/ ı11 .t0 /.1 C '/ ' : (13.43) D X1 .t0 / 1 C ' Die zeitabhängige Auflagerkraft infolge Stützensenkung ist: X1 D
X1 .t/ D X1 .t0 / C X1 .t/ ' D X1 .t0 / 1 1 C ' D X1 .t0 / .1 / :
(13.44)
13.3 Indirekte Einwirkungen – Zwang
515
Gleichung (13.44) gilt unmittelbar auch für das Stützmoment infolge Auflagersenkung: MSt;s .t/ D MSt;s .t0 / .1
/:
(13.45)
Dabei ist die Relaxationszahl, die nach Gl. (3.74b) den kriechbedingten Spannungsabfall bei konstanter Dehnung beschreibt. Das Stützmoment wird durch Kriechen erheblich abgebaut; für D 0;8 und '.t; t0 / D 2 beträgt MSt;s .t/ nur noch 23% des Wertes unmittelbar nach der Fundamentsetzung (Abb. 13.27b). Die Reduktion des Stützmoments kann im Übrigen direkt mit der Relaxationszahl über die Bedingung, dass die Dehnungen im Stützquerschnitt bei unveränderlicher Setzung s konstant bleiben, berechnet werden.
M / Mel 0,8 0,6 0,4
MSt,Ds(t)
t0
0
ı10 .t0 / D X1 .t0 / ı11 .t0 / s.t0 / ı10 .t0 / D D 0: (13.46) ) X1 .t0 / D ı11 .t0 / ı11 .t0 / Die Verträglichkeitsbedingung zum Zeitpunkt t ergibt sich analog zu Gl. (13.42) zu
D0Š
CX1 ı11 .t0 /.1 C '/ :
(13.47)
1 ı10 .t/ : ı11 .t0 / 1 C '
(13.48)
Aufgelöst nach X1 folgt: X1 D
Mit ı10 .t/=ı11 .t0 / D s.t/=ı11 .t0 / D X1;el als Auflagerreaktion, die sich für s nach elastischer Rechnung ohne Kriecheinfluss errechnet (vgl. Gl. 13.41), ist X1 .t/ X1 .t/ D X1 .t0 / CX1 .t/ „ƒ‚… D0Š
1 : D X1;el 1 C '
t (Tage)
500
1,0 Ds(t)/Ds(t0) a plötzlich auftretende Setzung
M / Mel,max
(1,0)
1 Mel(t)
0,6
Allmählich auftretender Zwang wird bereits während der Entstehung durch Kriechen reduziert und bleibt damit erheblich unter dem Wert, der sich nach linearelastischer Rechnung ergeben würde. Beispiele hierfür sind Zwangbeanspruchungen, die durch langsame Fundamentsetzungen auf kohäsiven Böden oder durch Schwinden hervorgerufen werden. Für die Berechnung wird vorausgesetzt, dass die zeitliche Entwicklung des Zwangs affin zum Kriechverlauf ist. Für den Zweifeldträger nach Abb. 13.26 ergibt sich mit ı10 .t/ D s.t/ und s.t0 / D 0 aus der Verträglichkeitsbedingung nach Gl. (13.41) die triviale Lösung für X1 .t0 /:
ı10 .t/ D X1 .t0 /ı11 .t0 /.1 C '/ „ ƒ‚ …
(0,23)
0,2
0,8
13.3.4.4 Langsam auftretender Zwang
Mel(t)
1
(13.49)
0,4
MSt,Ds(t)
(0,38)
0,2 0 1,0
500 (1,0)
t0
t (Tage)
Ds(t)/Dsmax b langsam auftretende Setzung
Abbildung 13.27a,b Entwicklung des Stützmoments bei rasch und langsam auftretender Auflagersetzung ( D 0;8, ' D 2; Endwerte für t ! 1 in Klammern)
Gleichung (13.49) gilt sinngemäß auch für das Stützmoment MSt;s . In Abb. 13.27b ist die Entwicklung von MSt;s .t/ für D 0;8 dargestellt; gegenüber dem Moment nach elastischer Rechnung werden für ' D 2 nur 38% erreicht. Zwangschnittgrößen, die durch allmählich auftretende Schwindverformungen eingeprägt werden, bleiben analog zu Setzungen hinter dem Wert nach elastischer Rechnung zurück. Für beidseitig festgehaltene Bauteile entsteht infolge der behinderten (gleichmäßigen) Schwindverkürzung eine Zwangnormalkraft. Wegen der allmählich auftretenden Verkürzung bleibt die Zwangspannung deutlich unter cs D "cs .t/ Ec nach elastischer Rechnung. Mit Gl. (13.49) gilt sinngemäß:
cs D "cs .t/ Ec
1 : 1 C '
(13.50)
Für Zwangmomente aus der behinderten Biegeverformungen infolge Schwinden gilt die hierzu vollständig äquivalente Gl. (13.40).
516
13 Statisch unbestimmte Systeme
13.3.4.5 Systemwechsel – Verbindung von Fertigteilen Tragwerke in Ortbetonbauweise werden i. Allg. abschnittsweise hergestellt. Bei Verwendung elastischer Baustoffe wie z. B. im Stahlbau bleiben die unter Eigengewicht an den jeweiligen Teilsystemen entstehenden Schnittgrößen erhalten. Im Unterschied dazu bewirken Kriechen und Schwinden von Beton Umlagerungen der Eigengewichtsschnittgrößen, die z. B. bei der abschnittsweisen Herstellung von Brücken oder bei der Verbindung von Fertigteilen zu Durchlaufsystemen genutzt werden. Zur Erläuterung werden zwei Fertigteile, die durch Fugenverguss und Ortbetonergänzung mit Kontinuitätsbewehrung über dem Mittelauflager zu einem Zweifeldträger verbunden werden, betrachtet (Abb. 13.28). Das Eigengewicht g der Fertigteile einschließlich der Ortbetonergänzung wirkt zum Zeitpunkt des Fugenvergusses t0 auf zwei Einfeldträger; am Mittelauflager stellt sich infolge g die gegenseitige Verdrehung ı10 .t0 / ein. Wenn die beiden Träger weiterhin gelenkig verbunden wären, würde die gegenseitige Verdrehung durch Kriechen auf ı10 .t0 /.1 C '/ anwachsen (Abb. 13.28b). Durch die Verbindung wird ı10 .t0 / quasi „eingefroren“, die am statisch bestimmten Hauptsystem auftretende Kriechverformung muss durch ein rückdrehendes Moment
10 a Fertigteile nicht verbunden
10 (1+)
b Fertigteile verbunden
Mel M(t)
X1 .t/ kompensiert werden. Anders ausgedrückt, entsteht durch die behinderte Kriechverformung am Mittelauflager ein Zwangmoment X1 .t/. Die Verträglichkeitsbedingung zum Zeitpunkt t0 führt wieder zu einer trivialen Lösung: Š
ı10 .t0 / CX1 .t0 / ı11 .t0 / D ı10 .t0 / )
X1 .t0 / D 0 :
(13.51a) (13.51b)
Für den Zeitpunkt t > t0 lautet die Verträglichkeitsbedingung: ı10 .t0 /.1 C '/ C X1 .t0 /ı11 .t0 /.1 C '/ „ ƒ‚ … Š
D0
CX1 ı11 .t0 /.1 C '/ D ı10 .t0 / :
(13.52)
X1 .t/ D X1 .t0 / C X1 .t/ D X1 .t/ ' ı10 .t0 / : D ı11 .t0 / 1 C '
(13.53a)
Das durch Kriechen aufgebaute Stützmoment X1 .t/ folgt daraus zu
(13.53b)
In Gleichung (13.53b) beschreibt der Term ı10 .t0 /=ı11 .t0 / das Stützmoment infolge Eigengewicht eines monolithisch hergestellten Zweifeldträgers nach elastischer Rechnung; der zweite Term entspricht der Relaxationszahl. Damit gilt: MSt;g .t/ D MSt;g;el
(13.54)
Für D 0;8 und ' D 2 erreicht das Stützmoment MSt;g .t/ der beiden verbundenen Fertigteile 77% des Stützmoments eines monolithisch hergestellten Zweifeldträgers. Bei der Berechnung von Systemumlagerungen ist allerdings zu beachten, dass ein Teil der Kriechverformungen infolge Eigengewicht bereits durch eine gegenüber dem Einbau der Fertigteile zeitlich verzögerte Verbindung zum Durchlaufsystem vorweggenommen sein kann. Darüber hinaus werden durch das Schwinden der Ortbetonergänzung Krümmungen erzeugt, die die gegenseitige Winkelverdrehung ı10 .t/ am statisch bestimmten Hauptsystem vergrößern und dadurch das Stützmoment weiter erhöhen. Weitere Angaben und Verfahren für die Berechnung vorgespannter, ungerissener Bauteile sind in Trost u. Wolff (1970); Frey (1980); Rossner (1988) zusammengestellt.
13.3.4.6 Einfluss der Rissbildung M(t0) c Momentenverlauf
Abbildung 13.28a–c Systemwechsel – Umlagerung des Eigengewichtsmoments durch Kriechen bei Verbindung von Fertigteilen zum Zweifeldträger
Mit dem Steifigkeitsabfall durch Rissbildung werden Zwangschnittgrößen erheblich reduziert und gegebenenfalls auf die Rissschnittgröße begrenzt. Gleichzeitig weisen gerissene Bauteile deutlich verringer-
13.4 Vorgespannte, statisch unbestimmte Balken
517
te Kriechverformungen auf; der Abbau von Zwangschnittgrößen bzw. die Umlagerungen bei Systemwechseln sind damit wesentlich vermindert (vgl. Kordina u. a. 1982). Für die Reduktion des Zwangs bzw. Umlagerungen ist das Verhältnis der effektiven Steifigkeiten der Zeitpunkte t0 und t entscheidend. Die unterschiedliche Entwicklung von EIeff .t/=EIeff .t0 / für Querschnitte im Zustand I und im reinen Zustand II wurden bereits in Abb. 10.25 exemplarisch dargestellt. Die tatsächliche Größe des Zwangs und dessen zeitabhängiger Verlauf können z. B. durch eine nichtlineare Berechnung ermittelt werden. In Zilch u. Fritsche (2001) wurde ein Verfahren zur Abschätzung der Umlagerungsschnittgrößen für den Systemwechsel von Fertigteilen vorgestellt, das auch zur näherungsweisen Berechnung des Zwangabbaus genutzt werden kann. Dabei können die Rissbildung und die Behinderung der Schwindverformungen durch die Bewehrung mit Hilfe effektiver Systemkriechzahlen 'eff in den oben erläuterten Formeln nach Trost (1967) berücksichtigt werden. Allgemein gilt:8 'eff D
EIeff .t0 / 1: EIeff .t/
system errechnet sich damit das Stützmoment auf der Grundlage von Gl. (13.54) zu: MSt;g D MSt;g;el II
II eff
C .1 II /
I eff
: (13.58)
Anhaltswerte kann die Berechnung für den reinen Zustand II in Form eines unteren Grenzwerts der Schnittgrößenumlagerungen ergeben. Mit der Näherung nach Gl. (10.122) folgt: II 'eff D
2 : 2C'
(13.59)
II Für D 0;8 und ' D 2 liefert Gl. (13.54) für 'eff das Stützmoment MSt;g D 0;36 MSt;g;el . Ergänzend sei angemerkt, dass bei Ortbetonergänzung die gegenüber dem Fertigteil erhöhte Schwinddehnung des Ortbetons bei gerissenen Bauteilen eine deutliche Anhebung des Stützmoments bewirkt. Zur vereinfachten Berechnung sei auf Zilch u. Fritsche (2001) verwiesen.
(13.55)
13.4 Vorgespannte, statisch unbestimmte Dabei ist zwischen ungerissenen Querschnitten (! Balken
EI I ) und dem mittleren Verhalten gerissener Querschnitten (! EImII ) zu unterscheiden: I 'eff II 'eff
EI I .t0 / 1; D EI I .t/ EImII .t0 / 1: D EImII .t/
(13.56)
Werden die Auswirkungen der Bewehrung im ZuI stand I vernachlässigt, gilt 'eff D '.t; t0 /. VerfahII ren zur Berechnung von EIm wurden bereits in Abschn. 10.4 erläutert. Hilfreich ist die Berechnung effektiver Relaxationszahlen eff : I eff
D
II eff
D
I 'eff ; I 1 C 'eff
II 'eff : II 1 C 'eff
(13.57)
Da biegebeanspruchte Bauteile i. Allg. nicht auf voller Länge gerissen sind, sollten die Auswirkungen der partiellen Steifigkeitsreduktion berücksichtigt werden. Dies kann grob durch einen Verteilungsbeiwert II D lII = l, der die Länge lII des gerissenen Bereichs zur Gesamtlänge l in Beziehung setzt, erfolgen. Bei der Verbindung zweier Stahlbetonträger zu einem Durchlauf8
Die anhand der Biegesteifigkeit erläuterten Zusammenhänge können sinngemäß auf die Dehnsteifigkeit bei Zugstäben übertragen werden.
Den folgenden Erläuterungen wird – wie bereits in Kap. 5 – vorausgesetzt, dass die Vorspannung durch Zugglieder, die im oder gegen das Bauteil verankert sind, erzeugt wird. Vorspannung gegen starre Widerlager folgt insbesondere hinsichtlich der zeitabhängigen Verluste der statisch unbestimmten Wirkung hiervon abweichenden Prinzipen.
13.4.1 Allgemeines Statisch bestimmt gelagerten Bauteilen wird durch die Vorspannung ein Eigenspannungszustand eingeprägt. Die Schnittgrößen des Betonquerschnitts stehen mit der Spannkraft des Spanngliedes im Gleichgewicht; gleichzeitig entstehen Verformungen, i. Allg. Verkürzungen und Verkrümmungen, die sich allerdings frei einstellen können. Bei statisch unbestimmter Lagerung wird die mit der Vorspannung aufgebrachte Verformung behindert. Anhand eines fiktiv gewichtslosen, mit einem geraden Spannglied vorgespannten Zweifeldträges nach Abb. 13.29 sollen die Auswirkungen erläutert werden. Die dargestellte Spanngliedführung hat im Übrigen rein didaktischen Wert; baupraktisch ist sie nicht sinnvoll.
518
13 Statisch unbestimmte Systeme Schwerlinie zcp
A
Spannglied
B l
C
l
a Spannglied ungespannt
stimmten und dem statisch unbestimmten Anteil zusammen (Abb. 13.29d): (13.60a) (13.60b)
Mp D Mp;dir C Mp;ind ; Np D Np;dir C Np;ind ;
(13.60c)
Vp D Vp;dir C Vp;ind :
P
A
B
C
b Verformung - Verträglichkeit bei B nicht erfüllt
P
P B/2
B/2
B
c Verformung - Verträglichkeit durch Lagerkraft B erfüllt Mp,dir
-P zcp
_
Mp,ind
+ B/2 l _
_
Mp
+
+
B
Mp = Mp,dir + Mp,ind
_
VP
d Schnittgrößen aus Vorspannung
Abbildung 13.29a–d Wirkung der Vorspannung bei statisch unbestimmten Systemen (nach Leonhardt 1973)
Die Vorspannung ruft eine Aufwölbung hervor; der Balken hebt von Lager B ab und verletzt damit die Verträglichkeitsbedingung (Abb. 13.29b). Um die Verträglichkeit wieder herzustellen, d. h. den Balken wieder auf das Auflager zu zwingen, ist eine Lagerkraft B erforderlich, die – da keine weiteren Lasten wirken – mit den Auflagerreaktionen A und C im Gleichgewicht stehen muss (Abb. 13.29c). Die Lagerkräfte erzeugen Schnittgrößen am Gesamtquerschnitt, die zur Abgrenzung von der statisch bestimmten Wirkung (Index „dir“), d. h. dem Eigenspannungszustand, als statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung bezeichnet werden (Index „ind“). Während die statisch bestimmte Wirkung unmittelbar aus der Vorspannkraft und dem Spanngliedverlauf über Gleichgewichtsbetrachtungen am Querschnitt ermittelt werden kann, z. B. Mp;dir D P .x/ zcp (vgl. Abschn. 5.2.2), erfordert die Berechnung des statisch unbestimmten Anteils eine Betrachtung des Verformungsverhaltens des Systems. Die Gesamtwirkung der Vorspannung setzt sich additiv aus dem statisch be-
13.4.2 Berechnung der statisch unbestimmten Wirkung Zur Berechnung der statisch unbestimmten Wirkung existieren zwei Verfahren, die Berechnung über Vorverformungen oder über Anker- und Umlenkkräfte. In Abb. 13.30 sind die beiden Ansätze anhand der vereinfachten, trilinearen M --Beziehung eines vorgespannten Querschnitts dargestellt. Beide Verfahren führen zu identischen Ergebnissen, wenn die Vorkrümmung 0 wie auch die Anker- und Umlenkkräfte auf den (fiktiven) Spannbettzustand bezogen werden; im Folgenden .0/ gilt daher P D Pmt . Sowohl die Gleichgewichtskräfte des Eigenspannungszustandes, die die Vorverformung erzeugen, als auch die Anker- und Umlenkkräfte wirken auf den Netto-Querschnitt (vgl. Abschn. 5.2.5). In den nachfolgenden Beziehungen sind daher für A und I die Netto-Querschnittswerte An und In einzusetzen.
13.4.2.1 Vorspannung als eingeprägte Vorverformung Die aus dem Eigenspannungszustand (statisch bestimmter Anteil) hervorgerufenen Krümmungen 0 und Dehnungen "0 werden als spannungslose Vorverformung auf das Tragwerk aufgebracht.
M
a
Mu My
b
Mcr
Mp,dir 0
cr
y
u
MG + MQ + Mp,dir + Mp,ind
DsB
MG + MQ + Mp,ind
P
Einwirkende Momente bei Ansatz der Vorspannung als a Vorkrümmung 0 des Eigenspannungszustandes b Anker und Umlenkkräfte
Abbildung 13.30 Momenten-Krümmungs-Beziehung für vorgespannte Bauteile
13.4 Vorgespannte, statisch unbestimmte Balken
519
Hauptsystem _
_ +
Mp,dir
_
M0
_
+
10
10
10
Lastzustand Verformungen
10 X1=1
X1=1 +
+
Lastzustand Schnittgrößen
M1
Einheitszustand Schnittgrößen
+
+
M1 11
11
Einheitszustand Verformungen
11
11
M0
Mp,dir _
_
_
_
+
Superposition
+
M p,ind = X 1 × M1
Verträglichkeit: 10 + X1 11 = 0
Mp M p M p ,dir
M p ,ind
a Berechnung über Vorverformungen infolge des Eigenspannungszustandes - Kraftgrößenverfahren
b Berechnung über Anker- und Umlenkkräfte Kraftgrößenverfahren
Abbildung 13.31a,b Verfahren zur Berechnung der statisch unbestimmten Wirkung der Vorspannung
P zp Mp;dir D ; Ec I Ec I Np;dir P D "0 D Ec A Ec A
0 D
(13.61) (13.62)
Die statisch unbestimmte Wirkung entspricht den durch die Vorverformung ausgelösten Schnittgrößen und kann mit den üblichen Verfahren der Baustatik ermittelt werden. Bei Verwendung des Kraftgrößenverfahrens sind die Vorverformungen identisch mit den am statisch bestimmten Hauptsystem durch die statisch bestimmte Wirkung hervorgerufenen Formänderungen ıi 0 (Mi und Ni sind die Schnittgrößen der Einheitsspannungszustände infolge der statisch Unbestimmten Xi ). Z P .x/ zp .x/ dx ıi 0 D M i Ec I.x/ Z P .x/ C Ni dx (13.63) Ec A.x/ Angesichts der hohen Drucknormalkräfte aus Vorspannung kann der Normalkraftanteil erhebliche Verformungsbeiträge liefern und sollte z. B. bei Rahmen be-
rücksichtigt werden. Die statisch unbestimmten Kraftgrößen Xi , die zur Kompensation der Vorverformungen ıi 0 erforderlich sind, entsprechen der statisch unbestimmten Wirkung. Mit den Formänderungsintegralen ıi k Z Mk dx ıi k D M i Ec I.x/ Z Nk C Ni dx : (13.64) Ec A.x/ infolge der virtuellen Einheitskraftgrößen folgt unmittelbar die statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung aus der Verträglichkeitsbedingung über die Lösung eines linearen Gleichungssystems: 2 32 3 2 3 2 3 X1 ı10 0 ı11 ı12 : : : ı1k 6 76 7 6 7 6 7 6 ı21 ı22 : : : ı2k 7 6 X2 7 6 ı20 7 6 0 7 6 76 7 6 7 6 7 6 : : : 76 7C6 7D6 7 6 :: :: : : ::: 7 6 ::: 7 6 ::: 7 6 ::: 7 4 54 5 4 5 4 5 0 Xk ıi 0 ıi 1 ıi 2 : : : ıi k (13.65) ) ŒXk D Œıi k T Œıi 0 :
(13.66)
520
13 Statisch unbestimmte Systeme
Die Gesamtwirkung der Vorspannung, d. h. die Schnittgrößen des Betonquerschnitts, ergeben sich aus der Überlagerung der statisch Unbestimmten Xi mit der statisch bestimmten Wirkung. X Mp D Mp;dir C Xi Mi ; (13.67a) i
Np D Np;dir C
X
Xi Ni ;
(13.67b)
X i Vi
(13.67c)
i
Vp D Vp;dir C
X i
In Abb. 13.31a ist die Anwendung des Kraftgrößenverfahrens anhand eines Zweifeldträgers dargestellt; Mp;ind folgt aus dem Gleichungssystem (13.66) für das einfach statisch unbestimmte System zu ı10 ı11 R P .x/ zp .x/ dx 2l M1 EI.x/ : D R M1 dx M 1 2l EI.x/
Mp;ind D X1 D
(13.68a)
(13.68b)
Die Berechnung über Vorverformungen liefert die statisch bestimmten und unbestimmten Anteile der Vorspannung getrennt. Für Standardfälle der Spanngliedführung bei Durchlaufträgern mit EI D const: enthält z. B. Duddeck u. Ahrens (1982) tabellarisch aufbereitet die statisch bestimmten und unbestimmten Einspannmomente.
13.4.2.2 Berechnung über Ankerund Umlenkkräfte Als Alternative zum Ansatz von Vorverformungen können die Verankerungs- und Umlenkkräfte der Spannglieder als äußere Lasten auf das statisch unbestimmte System aufgebracht werden. Die Berechnung der resultierenden Schnittgrößen kann wieder mit den gängigen Verfahren der Baustatik erfolgen und liefert – im Unterschied zur Berechnung über Vorverformungen – bereits die Gesamtwirkung der Vorspannung. Die Aufteilung in statisch bestimmten und unbestimmten Anteil muss nachträglich erfolgen. In Abb. 13.31b wird das Vorgehen bei Verwendung des Kraftgrößenverfahrens zur Schnittgrößenermittlung dargestellt. Die Berechnung über Anker- und Umlenkkräfte erlaubt damit den Einsatz einfacher Stabwerkprogramme, die nicht über ein „Spannbeton“-Modul verfügen müssen. Wesentliche Vorteile bietet dieses Verfahren insbesondere bei Flächentragwerken.
13.4.2.3 Anmerkungen zum statisch unbestimmten Anteil der Vorspannung Anhand Gl. (13.68b) wird deutlich, dass die statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung analog zu Schnittgrößen aus Lasten an das Verhältnis der ortsabhängigen Steifigkeiten gekoppelt ist und nicht wie Zwangschnittgrößen vom Absolutwert abhängen. Damit ist ein fundamentaler Unterschied zwischen Zwang und statisch unbestimmter Wirkung begründet, dem auch durch den Sprachgebrauch Rechnung getragen werden sollte: Die „statisch unbestimmte Wirkung“ sollte klar von „Zwangschnittgrößen“ abgegrenzt werden. Die statisch unbestimmte Wirkung wird daher – im Unterschied zu äußerem Zwang – durch den Steifigkeitsverlust infolge Rissbildung oder Kriechen nur unwesentlich beeinflusst (vgl. König u. Maurer 1993; Rosemeier 1996); erst durch die Bildung ausgeprägter Fließgelenke tritt eine Reduktion ein. Die Berechnung kann daher mit ausreichender Genauigkeit am ungerissenen Querschnitt erfolgen. Die statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung resultiert aus der Verformungsbehinderung des Gesamtsystems; lokalen Effekten kommt daher nur wenig Einfluss zu. Bei Vorspannung mit Verbund bewirkt die Zusatzdehnung des Spannstahls in gerissenen Querschnitten einen lokalen Anstieg der Spannkraft; die Auswirkungen auf die statisch unbestimmte Wirkung sind dagegen nur gering. Damit sind den Nachweisen im GZG und GZT im Prinzip identische Schnittgrößen MP;ind , Np;ind und Vp;ind auf Grundlage des Mittelwerts der Vorspannkraft Pmt zum betrachteten Zeitpunkt zugrunde zu legen. Unterschiede ergeben sich allerdings durch die unterschiedliche Berücksichtigung möglicher Streuungen der Vorspannkraft (vgl. Abschn. 13.4.3). Im Übrigen wird die statisch unbestimmte Wirkung bei üblichen Systemlängen auch durch eine lokale Reduktion bzw. einen lokalen Ausfall der Spannkraft z. B. infolge Spannungsrisskorrosion nur wenig beeinflusst; der Störbereich, in dem die Spannkraft reduziert ist, umfasst die zweifache, für die Eintragung der Spannkraft erforderliche Verbundlänge. Die i. Allg. geringen Auswirkung sowohl von Zusatzdehnungen im Riss als auch von lokalen Reduktionen werden deutlich, wenn die Wirkung der Vorspannung über Anker- und Umlenkkräfte dargestellt wird. Betrag und Vorzeichen der statisch unbestimmten Wirkung werden durch die Vorspannkraft und die Spanngliedführung gesteuert. Der Schnittgrößenverlauf selbst ist allerdings – analog zum Zwang – von den Lagerungsbedingungen des Tragwerks abhängig. Bei diskreter Lagerung verläuft Vp;ind zwischen den
13.4 Vorgespannte, statisch unbestimmte Balken P
P
521 MP
MP,ind
a Rahmen Schwerlinie P
P MP,ind
MP b gevouteter Träger
Abbildung 13.32a,b Statisch unbestimmte und gesamte Wirkung der Vorspannung bei ausgewählten Systemen
0/ und dem Wert Pf P zp1 in Feldmitte (! Lastzustand, für Überlagerung mit ıi k -Tafeln aufzuteilen in einen parabelförmigen Verlauf mit Stich Pf und einem konstanten Wert P zp1 ). Der Einheitszustand entspricht einem konstanten Biegemoment M1 D X1 . Nach Gl. (13.64) ergeben sich die Formänderungsintegrale unter Verwendung der Integraltafeln zu Z M0 ı10 D M1 dx EI 2Pf l P zp1 l D ; (13.69) EI Z 3EI M1 ı11 D M1 dx EI l D : (13.70) EI Aus der Kontinuitätsbedingung nach Gl. (13.65) errechnet sich die statisch unbestimmte Wirkung:
Lagern konstant bzw. ist Null, Mp;ind weist dem entsprechend einen linearen bzw. konstanten Verlauf auf (Abb. 13.32). Bei Durchlaufträgern wird i. Allg. ein positives Moment aus statisch unbestimmter Wirkung über der Stütze angestrebt; wesentliche Vorteile bietet dies bei Querschnitten mit hochliegender Schwerachse wie z. B. Plattenbalken oder Hohlkästen, bei denen der geometrische Hebelarm der Spannglieder und damit die statisch bestimmte Wirkung über der Stütze im Vergleich zum Feld deutlich verringert ist (Abb. 13.31). Durch die geschickte Wahl der Spanngliedführung kann ein ausgewogenens Verhältnis der Schnittgrößen aus Last und Vorspannung entlang des gesamten Trägers erreicht werden. Daneben ist auch eine zwängungsfreie, sog. konkordante Vorspannung möglich; die Vermeidung der statisch unbestimmten Wirkung bietet allerdings keine wesentlichen Vorteile. Eine Sonderstellung bei der Berechnung der Vorspannwirkung nehmen beidseitig eingespannte Balken ein, die idealisiert das Innenfeld eines unendlich langen Durchlaufträgers abbilden. Bei parabolischer Spanngliedführung (Abb. 13.33b und c) ist das Vorspannmoment unabhängig von den gegebenenfalls unterschiedlichen Endexzentrizitäten zp ; aus der Betrachtung mit Umlenkkräften folgt unmittelbar Mp;St D 2=3Pf und Mp;F D 1=3Pf . Mit dem Kraftgrößenverfahren kann dies unter Nutzung von Integraltafeln ebenfalls schnell gezeigt werden (Abb. 13.33b): Am statisch bestimmten Hauptsystem (wegen Symmetrie nur eine Unbekannte Kraftgröße X1 ) entsteht aus Vorspannung die bekannte parabelförmige Momentenverteilung (statisch bestimmter Anteil Mp;dir D P zp .x/) mit Randmoment P zp1 .zp1
0,8 m)
--
Bauteile im Spritzwasserbereich oder mit Meerwassereinwirkung
--
Betonfahrbahnen unter Tausalzeinwirkung
--
XF3 XF4
XA Chemisch angreifende Umgebung
XM Verschleißbeanspruchung
W Betonangriff durch Alkali-Kieselsäurereaktion (Feuchtigkeitsklassen)
WA WS
zusätzlich zu WF häufig Alkalizufuhr hohe dynamische Belastung und Alkalizufuhr
Ergänzende Anmerkungen enthalten die Normenregelungen!
Feuchtigkeitsklassen in EN 1992-1-1 nicht enthalten
14.3 Prinzipien zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit
537
Tabelle 14.2 Mindestbetondeckung zum Schutz vor Korrosion cmin und Vorhaltemaß c (cdev ) nach DIN 1045-1 und EN 19921-1 für eine Nutzungsdauer von 50 Jahren (nach EN 1992-1-1: emfohlene Werte und länderspezifische Festlegungen) Mindestwert der Betondeckung cmin in mm Expositionsklasse
Betonstahl
Vorhaltemaß Dc in mm
Spannstahl
EN 1992-1-1
EN 1992-1-1
DIN 1045-1
EU
D
A
DIN 1045-1
EU
D
A
DIN 1045-1
XC1
10
15
10
15
20
25
20
25
10
XC2
20
25
20
25
30
35
30
35
XC3
20
25
20
25
30
35
30
35
XC4
25
30
25
25
35
40
35
35
XD1
40
35
40
30
50
45
50
40
XD2
40
40
40
30
50
50
50
40
XD3
40
45
40
40
50
55
50
50
XF1
40
35
40
--
50
45
50
--
XF2
40
40
40
--
50
50
50
--
XF3
40
45
40
--
50
55
50
--
EN 1992-1-1 EU
XF
A
10
XC
XD
D
10 15
5 15
15
10
15
5
15
10
15
5
Mögliche Modifikationen der Betondeckung s. Normenregelung!
destwert der Betondeckung cmin im Vergleich zu Betonstahl widergespiegelt. Die Betondeckung ist ausführungstechnisch unvermeidlichen Schwankungen unterworfen. Die erforderliche Betondeckung cmin muss daher um die zu erwartenden Schwankungen, die als Vorhaltemaß c definiert sind, vergrößert werden. Die z. B. in DIN 1045-1 angegebenen Vorhaltemaße c beruhen auf umfangreichen Messungen an Bauwerken uns spiegeln damit die zu erwartenden Schwankungen für die übliche Herstellung gegen Schalungen wieder (Dillmann 1999). Bei Betonage gegen unebene Flächen, z. B. Sauberkeitsschichten oder stark strukturierte oder profilierte Schalungen, muss das Vorhaltemaß entsprechend der Unebenheiten vergrößert werden. Aus den unterschiedlichen Anforderungen an die Betondeckung der einzelnen Bewehrungslagen ergibt sich das Verlegemaß cv der Bewehrung, das in der Bemessung für die Ermittlung der statischen Nutzhöhe anzusetzen und in Bewehrungsplänen anzugeben ist (Abb. 14.8).
cnom,w cnom,l
cnom,l
ds,l
_ ds,l c min > Δc
cmin
cnom,w
cv,w cv,l
Δc Verlegemaße
Verbundbedingung maßgebend! a Beispiel zur Betondeckung
Ortbetonergänzung
> 10 mm > 5 mm (raue Fuge)
Wenn Bewehrung direkt auf Fuge gelegt (mind. Raue Oberfläche): nur mäßige Verbundbedingungen
> cmin+ Δc > 5 mm Fertigteil
Elementfuge
b erforderliche Betondeckung gegen die Fuge für Fertigteile mit Ortbetonergänzung
14.3.4 Normenregelung nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 Im folgenden Abschnitt werden die normativen Regeln zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit zusammengestellt: die Einordnung von Bauteilen nach Expositi-
Abbildung 14.8a,b Betondeckung; Besonderheiten bei Fertigteilen (nach DIN 1045-1)
onsklassen und damit verknüpfte Anforderungen an die Betonzusammensetzung und die Betondeckung der Bewehrung.
538
Die Expositionsklassen sind per se im Rahmen der harmonisierten Produktnorm für Beton EN 206-1 europaweit einheitlich vereinbart, allerdings ist EN 1992-11 im Hinblick auf die aus den Expositionsklassen abgeleiteten Festlegungen (Mindestbetonfestigkeitsklasse, erforderliche Betondeckung) weitestgehend für länderspezifische Regelungen geöffnet. Mit dem NA D wird erreicht, dass diese Festlegungen mit den derzeit geltenden nationalen Regeln übereinstimmen. Da insbesondere hinsichtlich der Betondeckung in DIN 1045-1 und DIN Fachbericht 102 (Betonbrücken) Unterschiede bestehen, andererseits EN 1992-2 (Betonbrücken) aber auf EN 1992-1-1 Bezug nimmt, erfolgt die Angleichung für den Hochbau und den Brückenbau getrennt durch eine differenzierte Festlegung des additiven Sicherheitselements cdur; . Auf den ersten Blick erscheint damit die Ermittlung der erforderlichen Betondeckung nach dem NA D aufwändiger, allerdings ergeben sich z. B. für den Hochbau damit unmittelbar die Werte nach DIN 1045-1. In Tabelle 14.2 sind für EN 1992-1-1 in Verbindung mit dem NA D daher nur die aus cmin;dur und cdur; zusammengesetzten Werte cmin angegeben. Normenregelung nach DIN 1045-1 Expositionsklassen, Mindestbetonfestigkeitsklassen Die in DIN 1045-1, 6.2 vereinbarten Expositionsklassen und die zugeordneten Mindestbetonfestigkeiten sind in Tabelle 14.1 wiedergegeben. Die Tabelle wird durch folgende Regelungen ergänzt: •
•
•
Mindestbetonfestigkeitsklassen bei Spannbetonbauteilen Ergänzend zu Tabelle 14.1 müssen Spannbetonbauteile mindestens folgenden Festigkeitsklassen zugeordnet sein: C25/30 (LC25/28) bei Vorspannung mit nachträglichem bzw. ohne Verbund; C30/37 (LC30/33) bei Vorspannung mit sofortigem Verbund (Die höhere Mindestbetonfestigkeitsklasse ist jeweils maßgebend.). Klasse XC Die Feuchteangaben beziehen sich auf den Zustand innerhalb der Betondeckung; i. Allg. entspricht dies den Feuchtebedingungen der Umgebung. Dies gilt nicht zwingend, wenn Sperrschichten angeordnet werden. Verwendung von Luftporenbeton In den Expositionsklassen XD, XS, XA2, XA3 und XM darf die Mindestbetonfestigkeit für Normalbeton um eine Stufe reduziert werden, wenn aufgrund zusätzlicher Anforderungen (z. B. Eingruppierung in Klasse XF) Luftporenbeton entsprechend DIN 1045-2 verwendet wird. Die für die Klassen XF2 und XF3 genannten Mindestbetonfestigkeitsklassen gelten nur bei Verwendung von Luftporenbeton nach DIN 1045-2; andernfalls sind die Mindestbetonfestigkeitsklassen um zwei Stufen auf C35/45 zu erhöhen. Bei Klasse XF4 ist grundsätzlich Luftporenbeton zu verwenden, ausser es wird erdfeuchter Beton mit w/z 0;4 eingebaut.
14 Dauerhaftigkeit •
•
•
•
Direkt befahrene Parkdecks Die Ausführung direkt befahrener Parkdecks der Expositionsklasse XD3 ist nur mit zusätzlichen Maßnahmen zum Korrosionsschutz der Bewehrung möglich; vgl. hierzu DAfStb (2003) sowie die Erläuterungen in Fingerloos (2009). Chemischer Angriff – Klasse XA Grenzwerte für chemische Beanspruchungen zur Einordnung in die Klassen XA1 bis XA3 sind in EN 206-1 bzw. DIN 1045-2 enthalten. Verwendung sehr langsam erhärtender Betone Bei Verwendung sehr langsam erhärtender Betone (r < 0;30 mit r D fcm;2 =fcm;28 ; vgl. EN 206-1, DIN 1045-2 bzw. DIN 1045-3) kann die Mindestbetonfestigkeitsklasse in den Expositionsklassen XD2, XS2, XF2, XF3 und XA2 um eine Stufe reduziert werden (Die Mindestbetonfestigkeitsklasse bezieht sich dabei unverändert auf die charakteristische Festigkeit in einem Betonalter von 28 Tagen.). Oberflächenbehandlung bei XM2 Wird die Oberfläche von Beton, der in Verschleißklasse XM2 einzuordnen ist, z. B. durch Vakuumbehandlung oder Flügelglätten bearbeitet, kann die Mindestbetonfestigkeitsklasse um eine Stufe auf C30/37 reduziert werden.
Betondeckung DIN 1045-1, 6.3 enthält Anforderungen an die Dicke der Betondeckung. Für den Nennwert cnom gilt: (14.2)
cnom D cmin C c :
In Gl. (14.2) entspricht die Mindestbetondeckung cmin dem größeren der zur Übertragung von Verbundkräften (! cmin;b ) bzw. zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes (! cmin;dur ) erforderlichen Werte (Bezeichnungen der Anschaulichkeit halber nach EN 1992-1-1). ( cmin ” Verbund cmin D max (14.3) cmin ” Korrosionsschutz In Gl. (14.3) gilt für die Sicherstellung des Verbundes: 8 Betonstahl ds ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ Stabbündel ˆ dsV < cmin D
dh ˆ ˆ ˆ ˆ 2;5 dp ˆ ˆ : 3 dp
Spannglieder (nV)
:
(14.4)
Litze (sV)
gerippter Draht (sV)
In Gl. (14.4) bezeichnet (nV) nachträglichen Verbund und (sV) sofortigen Verbund; dsV bezeichnet den p Vergleichsdurchmesser von Stabbündeln (D ds n; vgl. Abschn. 11.4.6), dh den äußeren Hüllrohrdurchmesser von Spanngliedern mit nachträglichem Verbund und dp den Nenndurchmesser einer Litze bzw. eines Drahtes mit sofortigem Verbund. Die Mindestbetondeckung cmin zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes ist in Abhängigkeit der maßgebenden Expositionsklasse Tabelle 14.2 zu entnehmen. Die Tabelle wird durch folgende Regelungen ergänzt: •
Betonfestigkeitsklasse Die Mindestbetondeckung cmin nach Tabelle 14.2 darf für Bauteile, deren Betonfestigkeit um zwei Stufen über
14.3 Prinzipien zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit
•
•
•
der nach den Expositionsklassen erforderlichen Mindestbetonfestigkeitsklasse liegt, um 5 mm verringert werden. Für Bauteile der Expositionsklasse XC1 ist diese Abminderung nicht zulässig. Verbundfugen Wird Ortbeton kraftschlüssig mit einem Fertigteil verbunden, darf cmin an den der Fuge zugewandten Rändern auf 5 mm im Fertigteil und auf 10 mm im Ortbeton (5 mm bei Fuge mit mindestens rauer Oberflächenbeschaffenheit, s. Abschn. 7.8.3.1) verringert werden (vgl. Abb. 14.8b). Werden bei rauer oder verzahnter Fugenoberfläche die Bewehrungsstäbe direkt auf die Oberfläche gelegt, sind für deren Verbund (! z. B. Verankerungs- und Übergreifungslängen) nur mäßige Verbundbedingungen anzusetzen (s. DIN 1045-1, 12.5. (3)). Opferbeton bei Verschleißbeanspruchungen Als Alternative zu betontechnologischen Maßnahmen kann die Verschleißbeanspruchung durch eine Vergrößerung der Betondeckung (Opferbeton) berücksichtigt werden. Als Richtwerte für die Anhebung von cmin werden 5 mm für XM1, 10 mm für XM2 und 15 mm für XM3 angegeben. Leichtbeton Bei Bauteilen aus Leichtbeton ausgenommen Expositionsklasse XC1 gilt zusätzlich zu Gl. (14.4) und Tabelle 14.2 cmin dg C 5 mm mit dg als Größtkorndurchmesser der leichten Gesteinskörnung. Bei Leichtbeton ist eine mögliche Verringerung der Betondeckung cmin nicht an die Betonfestigkeitsklasse geknüpft; allerdings kann cmin ebenfalls um 5 mm reduziert werden, wenn – in Analogie zu Normalbeton – die Betonzusammensetzung (w/z-Wert, Zementgehalt) entsprechend angepasst wird.
Das Vorhaltemaß c ist ebenfalls in Tabelle 14.2 angegeben. Die Werte sind wie folgt zu modifizieren: •
•
•
Herstellung gegen unebene Oberflächen In Bauteilen, die gegen unebene Oberflächen (z. B. Sauberkeitsschicht) betoniert werden, sollte die Betondeckung um das Differenzmaß der Unebenheiten, mindestens jedoch um 20 mm erhöht werden. Bei Herstellung unmittelbar auf dem Baugrund sollte die Betondeckung um 50 mm vergrößert werden. Besondere Qualitätskontrollen Bei entsprechender Qualitätskontrolle darf c um 5 mm abgemindert werden (vgl. hierzu die DBV-Merkblätter „Betondeckung und Bewehrung“, „Abstandhalter “ und „Unterstützungen“) Fertigteil mit Ortbetonergänzung Zusätzlich zur reduzierten Mindestbetondeckung kann bei Fertigteilen mit Ortbetonergänzung an den der Fuge zugewandeten Rändern auf den Ansatz des Vorhaltemaßes verzichtet werden (vgl. DAfStb 2003).
Normenregelung nach EN 1992-1-1
539 Tabelle 14.3 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Mindestwert der Betondeckung cmin;b zur Sicherstellung des Verbundes NDP
D
A
Spannglieder im nachträglichen Verbund dduct 80 mm a cmin;b
EU
EU
Litze, glatter Draht im sofortigen Verbund 1;5dpb
2;5dpb
EU
gerippter Draht im sofortigen Verbund 2;5dpb
–
EU
a
Bei rechteckigen Hüllrohren: dduct entspricht dem größeren Wert aus der kleineren Abmessung und der Hälfte der größeren Abmessung des Hüllrohrs. b dp bezeichnet den Durchmesser der Litze oder des Drahtes
Bauteile in Gebäuden mit sehr geringer Luftfeuchte (RH 30%). Die Mindestbetonfestigkeitsklassen, in EN 19921-1, Anhang E als indikative Werte vereinbart, stellen empfohlene Klassen dar, die länderspezifisch festgelegt werden können (NDP ! Tabelle 14.1). Darüber hinaus sind keine Modifikationsmöglichkeiten der Mindestbetonfestigkeitsklassen vorgesehen. Betondeckung Nach EN 1992-1-1, 4.4.1 ergibt sich das Nennmaß der Betondeckung nach Gl. (14.5). cnom D cmin C cdev
(14.5)
Der Mindestwert der Betondeckung cmin wird aus Anforderungen an die Übertragung von Verbundkräften bzw. an die Dauerhaftigkeit bestimmt. Allgemein gilt 8 ˆ < cmin;b cmin D max
ˆ :
cmin;dur C cdur; cdur;st cdur;add
10 mm
(14.6)
In Gl. (14.6) bedeuten: cmin;b cmin;dur
cdur; cdur;st cdur;add
Expositionsklassen, Mindestbetonfestigkeitsklassen Die in EN 1992-1-1, 4.2 vereinbarten, mit EN 206-1 übereinstimmenden Expositionsklassen entsprechen Tabelle 14.1 (Feuchtigkeitsklassen W sind in EN 1992-1-1 nicht enthalten; Verschleißklassen XM nicht in EN 206-1). Abweichend davon erfasst Klasse X0 auch bewehrte
EU
Mindestbetondeckung zur Sicherstellung des Verbundes Mindestbetondeckung zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit ! NDP (in Tabelle 14.2 sind bereits die resultierenden Größen cmin;dur C cdur; angegeben!) Additives Sicherheitselement ! NDP (Tabelle 14.4) Abminderung bei Verwendung nicht rostenden Stahls ! NDP (Tabelle 14.4) Abminderung auf Grund zusätzlicher Schutzmaßnahmen ! NDP (Tabelle 14.4).
Die Mindestbetondeckung zur Sicherstellung des Verbundes cmin;b ist für Betonstahl festgelegt durch: ( ds Betonstahl cmin;b D : (14.7) dn Stabbündel
540
14 Dauerhaftigkeit
Tabelle 14.4 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Mindestwert der Betondeckung cmin zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit
Tabelle 14.5 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Vorhaltemaß der Betondeckung cdev EU
NDP
D
EU
D
A
cdur;
0
0–10 mm a
0
cdur;st
0b
0c
0d
Herstellung gegen unebene Oberflächen
cdur;add
0b
0b
0e
k1
40 mm
20 mm
k2
75 mm
50 mm
NDP
cdev
Modifikation für 100 Jahre Nutzungsdauer cmin;dur
C10 mm
C10 mm
cmin;dur
5 mmf
5 mmg
5 mmh
Modifikation für besondere Qualitätskontrolle cmin;dur
5 mm
0
5 mmi
Modifikation für plattenförmige Bauteile cmin;dur
5 mm
0
k2 k3
C5 mm
C10 mm
EU
EU
cdev .0 : : : 10/ mmb
5 mmc
0
a
In Tabelle 14.2 ist das im NA-D definierte Vorhaltemaß für die Mindestbetondeckung zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit, das in Verbindung mit cmin;dur anzuwenden ist, enthalten. In Verbindung mit cmin;b ist cdev D 10 mm zu verwenden. b Abhängig vom Kontrollumfang c zur Qualitätskontrolle vgl. DBV-Merkblätter Betondeckung und Bewehrung, Unterstützungen und Abstandhalter
0
Opferbeton bei Verschleißbeanspruchungen k1
s. Tabelle 14.2 s. Tabelle 14.2a s. Tabelle 14.2
Abminderung bei besonderer Qualitätskontrolle
C5 mm
Modifikation für höhere Betonfestigkeitsklasse
A
EU
C15 mm
a
für den Hochbau wird cdur; in Abhängigkeit der Expositionsklassen mit Werten zwischen 0 und 10 mm festgelegt; in Tabelle 14.2 sind bereits die resultierenden Werte cmin;dur C cdur; enthalten. b Gilt ohne weitere Spezifikationen. c Gilt ohne weitere Spezifikationen. Für den Hochbau gilt darüber hinaus: sofern nachgewiesen wird, dass der Stahl während der geplanten Nutzungsdauer keinen schädigenden korrosiven Einwirkungen unterliegt, darf cdur;st so gewählt werden, dass nur cmin;b eingehalten wird. d Gilt ohne weitere Spezifikationen. Sofern ausreichender Korrosionsschutz nachgewiesen wird, darf cdur;st cmin;dur gesetzt werden. e Gilt für den Neubau; für Instandsetzungsmaßnahmen sind die technischen Spezifikationen der Beschichtungsprodukte heranzuziehen. f Bei Außenbauteilen der Expositionsklasse XC3 ist es ausreichend, wenn die Betonfestigkeitsklasse nur eine Stufe über der Mindestbetonfestigkeitsklasse liegt, d. h. Beton der Klasse C35/45 verwendet wird; wird gleichzeitig Luftporenbeton verwendet, ist C30/37 ausreichend. g Bei Expositionsklasse XC1 gilt cmin;dur D 0. h Bei Expositionsklasse XC1 gilt für Betonstahl cmin;dur D 0. i Bei werksmäßig hergestellten Fertigteilen und besonderer Qualitätskontrolle nach ÖNORM EN 13369.
In Gl. (14.7) bezeichnet dn den Vergleichsdurchmesser. Bei Leichtbeton ist cmin;b nach Gl. (14.7) um 5 mm zu erhöhen. Für Spannstahl bzw. Spannglieder kann cmin;b länderspezifisch festgelegt werden (NDP ! Tabelle 14.3). Die Mindestbetondeckung zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes cmin mit ihren Komponenten cmin;dur , cdur; , cdur;st und cdur;add ist nach EN 1992-1-1 vollständig über national festzulegende Parameter geregelt. In Tabelle 14.2 werden die empfohlenen und länderspezifisch festgelegten Werte von cmin D cmin;dur C cdur; für eine Nutzungsdauer von 50 Jahren bei gleichzeitiger
Einhaltung der Mindestbetonfestigkeitsklasse nach Tabelle 14.1 angegeben. (Anm.: Für EN 1992-1-1 und NA-A stimmen die dort angegeben Größen wegen cdur; D 0 mit cmin;dur überein!) In EN 1992-1-1, 4.4.1.2 sind folgende Möglichkeiten zur Modifikation von cmin;dur vorgesehen: •
•
•
•
•
Nutzungsdauer Bei einer geplanten Nutzungsdauer von 100 Jahren anstelle von 50 Jahren ist die Betondeckung um cmin;dur zu erhöhen: cmin;dur ! NDP (Tabelle 14.4) Betonfestigkeitsklasse Bei Erhöhung der Betonfestigkeitsklasse um zwei Stufen gegenüber der maßgebenden Mindestbetonfestigkeitsklasse für die Expositionsklassen XC, XD und XS nach Tabelle 14.1 kann die Betondeckung um cmin;dur verringert werden: cmin;dur ! NDP (Tabelle 14.4) Bei Verwendung von Luftporenbeton ist die Erhöhung um eine Stufe ausreichend (Anforderung an den Beton: EN 1992-1-1: > 4% Luftporen, NA-D: Mindestluftgehalt nach DIN 1045-2 für XF-Klassen). Qualitätskontrolle Bei nachgewiesener besonderer Qualitätskontrolle darf die Betondeckung um cmin;dur verringert werden. cmin;dur ! NDP (Tabelle 14.4) Plattenförmige Bauteile Bei plattenförmigen Bauteilen darf, sofern sichergestellt ist, dass die Lage der Bewehrung durch die Bauarbeiten nicht beeinträchtigt wird, die Betondeckung um cmin;dur verringert werden: cmin;dur ! NDP (Tabelle 14.4) Opferbeton bei Verschleißbeanspruchungen Alternativ zur Einhaltung besonderer Anforderungen an den Betonzuschlag (s. EN 206-1) darf bei Verschleißbeanspruchungen die Betondeckung um cmin;dur erhöht werden. 8 ˆ < k1 für XM1 cmin;dur D
ˆ :
k2
für XM2
k3
für XM3
Literatur
•
Hierfür sind k1 , k2 und k3 länderspezifisch festzulegen (NDP ! Tabelle 14.4). Betondeckung an Verbundfugen An Verbundfugen (kraftschlüssige Verbindung von Ortbeton mit einem Fertigteil bzw. mit erhärtetem Ortbeton) darf cmin für Bewehrung, die an der Fuge liegt, auf cmin;b abgemindert werden, vorausgesetzt die Betonfestigkeitsklasse beträgt mindestens C25/30, die Betonoberfläche ist dem Außenklima nicht länger als 28 Tage ausgesetzt und die Fuge ist aufgeraut.
Das Vorhaltemaß cdev ist ebenfalls vollständig länderspezifisch geregelt; der Grundwert ist in Tabelle 14.2 angegeben. Folgende Modifikationen sind vorgesehen: •
•
Herstellung gegen unebene Oberflächen Das Vorhaltemaß bei Herstellung gegen unebene Oberflächen ist um das Differenzmaß der Unebenheiten zu vergrößern, die Betondeckung sollte jedoch mindestens k1 bei vorbereitetem Baugrund (Sauberkeitsschicht) und k2 bei Herstellung unmittelbar auf dem Baugrund betragen. Die Werte k1 und k2 sind länderspezifisch festgelegt (NDP ! Tabelle 14.5). Qualitätskontrolle Wenn die Herstellung einer Qualitätskontrolle unterliegt, darf cdev um cdev abgemindert werden: cdev ! NDP (Tabelle 14.5).
(Anm.: Für einen Vergleich mit DIN 1045-1 weicht die formale Darstellung der Regeln nach EN 1992-1-1 vom Normentext ab; die Inhalte sind allerdings mit dem Normentext identisch.)
D
DIN EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden folgende Punkte ergänzt: •
•
zu Expositionsklassen und Mindestbetonfestigkeitsklassen: Alle zusätzlichen Regelungen nach DIN 1045-1 zu Klasse XC1, zur Verwendung von Luftporenbeton, zu direkt befahrenen Parkdecks, zur Klassifizierung des chemischen Angriffs und zu langsam erhärtenden Betonen werden ergänzt. Darüber hinaus werden die Expositionsklassen um die Feuchtigkeitsklassen nach DIN 1045-1 erweitert (vgl. Tabelle 14.1). zur Betondeckung: die Regeln nach DIN 1045-1 zur Betondeckung für Bewehrung, die an Verbundfugen angrenzt, werden ergänzt.
Literatur DA F S TB: Erläuterungen zu DIN 1045-1. Berlin : Beuth, 2003 (DAfStb-Heft 525) D ILLMANN, R.: Betondeckung – Planung, der wichtigste Schritt zur Qualität. In: Betonbau in For-
541
schung und Praxis: Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. György Ivanyi. Verlag Bau und Technik, 1999, S. 127–136 F INGERLOOS, F.: Normen und Richtlinien. In: Betonkalender 2009. Berlin : Ernst & Sohn, 2009 F INGERLOOS, F.; L ITZNER, H.-U.: Erläuterungen zur praktischen Anwendung der neuen DIN 1045. In: Beton Kalender 2005. Berlin : Ernst & Sohn, 2005, S. 375–445 G EHLEN, Ch.: Probabilistische Lebensdauerbemessung von Stahlbetontragwerken – Zuverlässigkeitsbetrachtungen zur wirksamen Vermeidung von Bewehrungskorrosion. Berlin : Beuth, 2001 (DAfStbHeft 510) N ÜRNBERGER, U.: Korrosion und Korrosionsschutz im Bauwesen. Wiesbaden : Bauverlag, 2002 N ÜRNBERGER, U.; M ENZEL, K.; L ÖHR, A. ; F REY, R.: Korrosion von Stahl in Beton (einschließlich Spannbeton). Berlin : Beuth, 1988 (DAfStb-Heft 393) P ISARSKY, L.: Alkali-Kieselsäure-Reaktion: Feuchtigkeitsklassen in DIN 1045-2/A2-Änderung. In: Weiterbildung Tragwerksplaner Massivbau – Brennpunkt: Aktuelle Normung. Deutscher Betonund Bautechnik-Verein e.V., 2007 (DBV-Heft 14) R EINHARDT, H.-W.: Expositionsklassen und Mindestanforderungen an die Betonzusammensetzung. In: Erläuterungen zu den Normen DIN EN 2061, DIN 1045-2, DIN 1045-3, DIN 1045-4 und DIN 4226 – DAfStb-Heft 526. Berlin : Beuth, 2003, S. 59–67 ROSTAM, S.: Durability. In: Structural Concrete Vol. 3 – fib-Bulletin No. 3. Lausanne : fédération international du béton, 1999, S. 1–54 S CHIESSL, P.: Zur Frage der zulässigen Rissbreite und der erforderlichen Betondeckung im Stahlbetonbau unter besonderer Berücksichtigung der Carbonatisierung des Betons. Berlin : Ernst & Sohn, 1976 (DAfStb-Heft 255) S CHIESSL, P.: Einfluss von Rissen auf die Dauerhaftigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen. Berlin : Beuth, 1986 (DAfStb-Heft 370) S CHIESSL, P.; G EHLEN, Ch. ; S ODEIKAT, Ch.: Dauerhafter Konstruktionsbeton für Verkehrsbauwerke. In: Beton-Kalender 2004. Berlin : Ernst & Sohn, 2004, S. 155–220 T UUTTI, K.: Corrosion of Steel in Concrete. Stockholm : Swedish Cement and Concrete Research Institute, 1982
Kapitel 15
Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen
15.1 Allgemeines Die konstruktive Durchbildung von Bauteilen, das „Bewehren“ ist ein fundamentaler Bestandteil der Bemessung von Betonbauteilen und damit Aufgabe des Tragwerksplaners. Die zum Bewehren in Normen enthaltenen Regeln können in zwei Gruppen unterschieden werden: • Allgemeine Bewehrungsregeln Stababstände, Verankerungs- und Übergreifungslängen, Bügelformen, . . . • Konstruktionsregeln für spezielle Bauteilarten Regeln für Balken, Platten, Stützen, . . . Grenzwerte der Bewehrungsgrade, . . . Vor allem Konstruktionsregeln nehmen eine zentrale Stellung in der Bemessung ein. Zum einen erzwingen sie z. B. durch die Vorgabe von Mindestbewehrungsmengen ein robustes, duktiles Bauteilverhalten, zum anderen werden viele Bereiche der Bemessung, die nicht oder nur mit unangemessenem Aufwand einer expliziten Berechnung zugänglich sind, durch Konstruktionsregeln abgedeckt. So erfolgt z. B. die Begrenzung von Schrägrissbreiten infolge Querkraft oder Torsion primär durch die Vorgabe von Mindestbewehrungsmengen und Regeln zu deren Anordnung. Gleichzeitig wird durch die Befolgung von Konstruktionsregeln die Grundlage für die Anwendung von Bemessungsmodellen geschaffen. Am Beispiel der Querkraftbemessung erläutert, setzen die Bemessungsmodelle die Aktivierung der Rissverzahnungswirkung voraus, für die eine Begrenzung der Schrägrissbreiten und damit ein Mindestmaß an Querkraftbewehrung erforderlich ist. K. Zilch, G. Zehetmaier, Bemessung im konstruktiven Betonbau DOI 10.1007/978-3-540-70638-0, © Springer 2010
Die konstruktive Durchbildung von Bauteilen besteht allerdings nicht allein aus der Befolgung von Bewehrungs- und Konstruktionsregeln. Vielmehr ist eine grundlegende Kenntnis des Kräfteverlaufs in Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen erforderlich, um Fehler zu vermeiden, die zumeist zu übermäßig breiten Rissen und damit zur Einschränkung der Dauerhaftigkeit führen können. Gravierenderen Konsequenzen sollte sich der Planer allerdings bewusst sein (vgl. Beispiel 15.1). Werkzeuge zur Visualisierung des Kraftflusses – insbesondere Stabwerkmodelle – sind hierfür ein wertvolles Hilfsmittel (s. Kap. 4). Ein zusätzlicher, oft dominierender Aspekt bei der konstruktiven Durchbildung ist der Bauablauf. Der Tragwerksplaner bzw. Konstrukteur ist – ggf. in Zusammenarbeit mit der Arbeitsvorbereitung – gefordert, die Bauabschnitte und Arbeitsfugen frühzeitig festzulegen und die Schritte für den Zusammenbau einzelner Bewehrungselemente zu Körben zu durchdenken. In den folgenden Abschnitten können die wesentlichen Fragen des Bewehrens von Betonbauteilen nur gestreift werden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der konstruktiven Durchbildung von Stahlbetonbalken. Umfangreichere Erläuterungen zum Bewehren sind u. a. in Leonhardt (1974); Rehm u. a. (1979); Eligehausen u. Gerster (1993); Schlaich u. Schäfer (2001) zu finden. Normenregelung nach EN 1992-1-1 Die in diesem Kapitel vorgestellten Regeln beziehen sich weitestgehend auf DIN 1045-1; auf die Fundstellen im Normentext wird umfassend hingewiesen. Gesonderte, typographisch abgesetzte Normenbezüge geben ergänzend die Regeln nach EN 1992-1-1 bzw. den Nationalen Anhängen Deutschlands und Österreichs wieder.
543
544
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen Am 23. August 1991, während des Absenkvorgangs vor dem norwegischen Stavanger – wenige Tage vor dem Aufschwimmen der Plattform – öffnet sich ein Riss in einer Zellenwand. In nur 18 Minuten versinkt die gesamte Betonkonstruktion; die Erschütterungen durch den Aufprall am Meeresgrund werden mit einer Magnitude von 3 auf der Richter-Skala registriert. Der gesamte, durch die vollständige Zerstörung der Betonkonstruktion verursachte, wirtschaftliche Schaden wird mit 700 Mio. USDollar beziffert.
Abbildung 15.1 Offshore-Bohrplattform Sleipner A vor der norwegischen Küste – der 2. Versuch Beispiel 15.1 Die Offshore-Bohrplattform Sleipner A besteht aus einem Beton-Unterbau aus 24 teilweise ballastierten Zellen mit einer Gesamtfläche von 16 000 m2 ; auf vier der Zellen sind Schäfte aufgesetzt, die eine 57 000 t schwere Bohrplattform tragen (Abbn. 15.1 und 15.2a). 97,50 m
110 m
Eine klare Vorstellung des Kraftflusses in den hochsensiblen Bereichen der Tricells hätte bereits aufgedeckt, dass die innere Bewehrung der Zwickel, die „T-headed bars“, in die Druckzonen der Wände zu beiden Seiten verlängert und dort hätten verankert werden müssen. Eine überlegte konstruktive Durchbildung hätte damit diesen Schwachpunkt wesentlich entschärfen können (Jakobsen u. Rosendahl 1994; Schlaich u. Reineck 1993).
T-headed bar 25 16 16
32,00 m
0
975
Das Unglück wurde auf ein Versagen der sog. Tricells (Detail A in Abb. 15.2), die im Gegensatz zu den zylindrischen Zellen offen waren und damit den vollen Wasserdruck aufnehmen mussten, zurückgeführt. Neben einer fehlerhaften Schnittgrößenermittlung, die mit der FE-Methode anhand eines Gesamtsystems der Betonkonstruktion unter Annahme linear-elastischen Verhaltens durchgeführt wurde und erheblich zu kleine Querkraftbeanspruchungen der Tricell-Wände ergab, wurde das Versagen auf die völlig unzureichende konstruktive Durchbildung der Tricell-Ecken zurückgeführt. Die mit zunehmender Absenktiefe ansteigenden Beanspruchungen infolge des Wasserdrucks bewirkten Zugspannungen an der Innenseite der Tricells. Da die sog. „T-headed bars“ in den Ecken deutlich zu kurz waren, konnte ein Vordringen der Risse, die schließlich zur Havarie der gesamten Konstruktion geführt haben, nicht verhindert werden (Abb. 15.2c).
1007
24 m
A
15.2 Grundlegende Bewehrungsregeln a Schnitt und Grundriss
Detail A - Tricell
k rdr uc
Die gewählte Bewehrungsführung muss neben den statischen Erfordernissen einige fundamentale Anforderungen erfüllen:
se
T-headed bar 25 c 170
15.2.1 Grundsätze Wa s
550
550
Riss
25 c170
25 c170
800 b Bewehrung
c Bruchvorgang
Abbildung 15.2a–c Havarie der Beton-Offshore-Plattform Sleipner A (nach Jakobsen u. Rosendahl 1994; Schlaich u. Reineck 1993)
• Verlegefreundlichkeit Die Verlegefreundlichkeit wird primär durch einfache Stabformen und orthogonale Anordnung der Bewehrungselemente erreicht. Schrägaufbiegungen werden u. a. wegen der schwierigeren Handhabung in abnehmendem Maß verwendet. • Lagesicherheit Der Bewehrungskorb muss ausreichend steif und stabil sein, um auch während des Betonierens in der planmäßigen Lage zu bleiben.
15.2 Grundlegende Bewehrungsregeln
• Betonierfreundlichkeit Der Bewehrungskorb muss das Einbringen und Verdichten des Betons zulassen. Bewehrungskonzentrationen und dichte Bewehrungsnetze (Siebwirkung!) müssen daher vermieden werden. Zudem sind Rüttelgassen und ggf. Raum für Betonierschläuche (v. a. bei vertikalen Tragelementen) vorzusehen. Ergänzend sei angemerkt, dass die gewählte Bewehrungsführung erhebliche Auswirkungen auf die Kosten der Bewehrung selbst, also Material-, Biege- und Transportkosten, sowie die Verlegekosten hat.
15.2.2 Anordnung der Bewehrung im Querschnitt 15.2.2.1 Stababstände Die Abstände zwischen einzelnen Bewehrungsstäben müssen das Einbringen und Verdichten des Frischbetons erlauben und gleichzeitig die Übertragung von Verbundspannungen sicherstellen. Zu geringe Stababstände führen durch die Siebwirkung zu Entmischungen des Frischbetons und ggf. zu Kiesnestern. Für den horizontalen und vertikalen lichten Abstand a zwischen parallelen Einzelstäben oder Bewehrungslagen gilt (Abb. 15.3; DIN 1045-1, 12.2): 8 ˆ ˆ < ds;max a max dg C 5 mm .für dg > 16 mm/ (15.1) ˆ ˆ : 20 mm
In Gl. (15.1) ist dg der Größtkorndurchmesser der verwendeten Gesteinskörnung, ds;max der Durchmesser des größten Stabes. Bei mehrlagiger Bewehrung sind die Stäbe unmittelbar übereinander anzuordnen; der Abstand der einzelnen Lagen wird durch Querstäbe bzw. Stabstücke mit entsprechendem Durchmesser sichergestellt. Zur Verdichtung des Frischbetons sollten sog. Rüttellücken oder Rüttelgassen vorgesehen werden. Bei dichter Bewehrung kann es zweckmäßig sein, zwei bis drei Stäbe mit ds 28 mm zu Stabbündeln zusammenzufassen (DIN 1045-1, 12.9). Da mittlerweile Stabdurchmesser bis 40 mm verwendet werden können, werden Stabbündel nur mehr in eingeschränktem Umfang angewandt. Allerdings bieten sie bei gestaffelter Längsbewehrung Vorteile. Für die Abstände der Stabbündel gilt Gl. (15.1) sinngemäß, wenn anstelle von ds der Vergleichsdurchmesser dsV eingesetzt wird. Dabei ist dsV der Durchmesser eines
545 Rüttellücke
a ds,max _ 20 mm a> dg+ 5 mm (dg > 16 mm)
a a
cnom cnom
Abbildung 15.3 Stababstände nach DIN 1045-1, 12.2
flächengleichen Einzelstabes; für n Stäbe eines Bünp dels mit gleichem Durchmesser ist dsV D ds n (Abb. 15.4). Allgemein ist dsV bei Bauteilen ab einer Betonfestigkeitsklasse C70/85 auf 28 mm zu begrenzen; bei überwiegend zugbeanspruchten Bauteilen, d. h. bei außerhalb des Querschnitts liegender Dehnungsnulllinie, darf dsV 36 mm nicht überschreiten. In Leichtbeton sollten Stabbündel nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden (vgl. DIN 1045-1, 12.9 (12)). Normenregelung nach EN 1992-1-1 Stababstände (EN 1992-1-1, 8.2) Für den horizontalen und vertikalen lichten Stababstand gelten folgende Mindestwerte:
Rüttellücke
a
a
cnom
cnom a
a
cnom a Stabbündel mit n = 2
_ a >
a
dsV 20 mm dg + 5 mm (dg > 16 mm) ds
cnom cnom
a
cnom
d sV = d s√n
b Stabbündel mit n = 3
Abbildung 15.4a,b Anordnung und Abstände von Stabbündeln nach DIN 1045-1, 12.9
546
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen
8 ˆ < k1 ds a max dg C k2 : ˆ : 20 mm
(15.2) punktförmig
In Gl. (15.2) sind k1 und k2 länderspezifisch geregelt (NDP ! Tabelle 15.1).
Stabbündel (EN 1992-1-1, 8.9) Die Mindestwerte für Stababstände gelten analog für Stabbündel, wenn für ds der Vergleichsdurchmesser eines Stabes mit gleicher Querschnittsfläche eingesetzt wird. p Für nb Stäbe gleichen Durchmessers ist dn D ds nb . Stäbe mit unterschiedlichen Durchmessern dürfen gebündelt werden, wenn ds;max =ds;min 1;7 gilt. Bei Normalbeton darf dn 55 mm nicht überschreiten; in lotrechten, druckbeanspruchten Stäben dürfen maximal nb D 4, sonst maximal 3 Stäbe gebündelt werden. Bei Leichtbeton gilt dn 45 mm und nb 2.
punktförmig, befestigt
EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden folgende Anwendungsgrenzen für Stabbündel aus DIN 1045-1 ergänzt: Der Durchmesser der Einzelstäbe darf 32 mm nicht überschreiten; bei Betonfestigkeitsklassen von C70/85 und höher ist dn D 28 mm zu erfüllen.
15.2.2.2 Lagesicherheit der Bewehrung – Betondeckung Die Bewehrung muss so in der Schalung fixiert werden, dass sie ihre planmäßige Lage auch während des Betonierens nicht verliert. Kleinere Betondeckungen als der erforderliche Nennwert cnom erhöhen das Korrosionsrisiko der Bewehrung und gefährden damit die Dauerhaftigkeit. Umgekehrt reduzieren gegenüber der planmäßigen Lage zu große Betondeckungen die statische Nutzhöhe und vermindern damit die Tragfähig-
Tabelle 15.1 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Stababstand von Bewehrungsstählen EU
D
A
k1
1
1
1;4a
k2
5 mm
NDP
a
0 mm für dg 16 mm 0 mm einlagig
5 mm für dg > 16 mm
5 mm mehrlagig
k1 D 1;4 berücksichtigt, dass der Platzbedarf gerippter Betonstähle etwa dem 1,2-fachen ihres Nenndurchmessers entspricht. Da sich der lichte Abstand a auf den Nenndurchmesser bezieht, können zwei Bewehrungslagen durch Querstäbe, die den selben Nenndurchmesser ds wie die Längsbewehrung aufweisen, auf korrektem Abstand 1;4ds gehalten werden.
linienförmig
a Abstandhalter
h auf Schalung stehend h
b Unterstützungskörbe
D
radförmig
auf Bewehrung stehend
Abbildung 15.5a,b Hilfsmittel zur Lagesicherung der Bewehrung in der Schalung
keit. Zur Lagesicherung der Längs- und Bügelbewehrung für Balken und für die untere Bewehrungslage von Platten existieren punkt-, linien- und radförmige Abstandhalter aus Beton, Faserzement oder Kunststoff (Abb. 15.5a). Zur Fixierung der oberen Bewehrungslage von Platten werden Unterstützungskörbe nach Abb. 15.5b benutzt, die entweder auf der Schalung (Füße mit Kunststoffüberzug für den Korrosionsschutz) oder auf der unteren Bewehrungslage stehen. Dem gleichen Zweck dienen Stegbügel aus Betonstahl nach Abb. 15.6b. Die beiden Bewehrungslagen von Wänden werden mit Hilfe von Montagebügeln oder S-Haken nach Abb. 15.6a in ihrer gegenseitigen Lage fixiert. Weitere Hinweise zu Abstandhaltern und Unterstützungen sind in Merkblättern1 des DBV zu finden. Generell dient auch das Verbinden einzelner Bewehrungsstäbe, Bügel und eventuell erforderlicher Montagestäbe2 zu Bewehrungskörben mit Hilfe von Bindedraht3 oder durch Schweißen der Lagesiche1
DVB-Merkblätter Abstandhalter und Unterstützungen, jeweils Fassung 2002, herausgegeben vom Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e.V. ! www.betonverein.de 2 Bewehrung, die rechnerisch nicht berücksichtigt wird und primär dem Einbau bzw. der Lagesicherung der statisch oder konstruktiv erforderlichen Bewehrung dient, wird als Montagebewehrung bezeichnet. 3 Eine häufige Ursache für äußerst unschöne Roststellen an Untersichten von Betonbauteilen sind in die Schalung gefallene Bindedrahtstücke.
15.2 Grundlegende Bewehrungsregeln
547
Räumliche Biegeformen und sog. Passformen sollten durch variablere Bewehrungselemente mit Übergreifungsstößen ersetzt werden (Abb. 15.8). Bereits kleine Abweichungen in den Passlängen oder den Schalungsabmessungen führen zu erheblichen Differenzen in der vorhandenen Betondeckung. Zudem ist der Einbau bei komplexen Biegeformen stets schwieriger und damit fehleranfälliger.
Montagebügel S-Haken
cv a Montagebügel und S-Haken bei Wänden
15.2.3 Umlenkungen – Biegen von Betonstahl
Montagestab
Längsschnitt
Querschnitt
b Stehbügel bei Decken
Abbildung 15.6a,b Sicherstellung des Abstands zwischen zwei Bewehrungslagen
Abbildung 15.7 Falsche Anwendung von Abstandhaltern
rung. Bei Bauteilen, die nicht vorwiegend ruhenden Einwirkungen ausgesetzt sind, ist allerdings die erhebliche Reduktion der Ermüdungsfestigkeit durch Schweißnarben zu beachten.
Passform
Alternative
Passform
Betonstahl kann generell kalt (oberhalb 0ı C) oder warm (oberhalb 500ıC) gebogen werden. Warmbiegen erfordert eine kontrollierte Erwärmung – Schneidbrenner sind daher ungeeignet – und ein Abkühlen des Stabes nach dem Biegen an der Luft (nicht Abschrecken!). Da Betonstahl durch Erwärmen seine Festigkeit verliert, darf warmgebogener Stahl nur mehr mit einer rechnerischen Streckgrenze von fyd D 250 N=mm2 angesetzt werden (DIN 1045-1, 12.3.2 (3)). In den weitaus meisten Fällen wird Betonstahl allerdings kalt gebogen. Die dabei erzeugten plastischen Verformungen rufen Verfestigungen und Versprödungen des Materials hervor, die insbesondere bei mehrmaligem Hin- und Zurückbiegen erhebliche Schädigungen des Materials bewirken können und im Extremfall zu einem spröden Bruch führen.4 Hin- und Zurückbiegen, wie es z. B. bei Anschlussbewehrungen häufig erforderlich wird, ist daher in DIN 1045-1, 12.3.2 durch spezielle Regelungen erfasst. Beim Kaltbiegen müssen Anrisse an der Krümmungsaußenseite des Stabes, die durch hohe plastische Dehnungen bei zu kleinen Biegerollendurchmessern ausgelöst werden können, grundsätzlich vermieden werden. In DIN 1045-1 werden hierfür Mindestwerte der Biegerollendurchmesser definiert (vgl. Tabelle 15.2). Gekrümmte, zugbeanspruchte Bewehrungsstäbe rufen Umlenkpressungen u D Fsd =r hervor, die radial zum Krümmungsmittelpunkt gerichtet sind und Spaltzugspannungen senkrecht zur Krümmungsebene erzeugen. Wenn die Krümmungsebene parallel zu einer Außenfläche liegt, z. B. typisch bei Querkraftaufbiegungen oder Rahmenecken, können enge Biegeradien 4
Alternative
Abbildung 15.8 Passformen sollten durch Bewehrungselemente mit variabler Länge ersetzt werden!
Wiederholte plastische Verformungen und die dadurch hervorgerufene Versprödung des Materials führen zu einem niederzyklischen Ermüdungsversagen (low cycle fatigue); ein Effekt, der z. B. für das „Brechen“ weichgeglühter Drähte genutzt wird und mit Hilfe einer Büroklammer leicht demonstriert werden kann (s. auch Abschn. 12.1.1).
548
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen Schnitt A-A
A
falsch!
+
-
r
u=
Fsd r
Absprengen!
u
Fsd
Absprengen!
richtig! Fsd
A
Querzugspannung Spalten!
Abbildung 15.9 Querzugspannungen aus der Umlenkpressung bei Stabkrümmungen
zusammen mit einer geringen seitlichen Betondeckung zu Betonabplatzungen und zur Bildung von Spaltrissen führen (Abb. 15.9). Bei gekrümmten, druckbeanspruchten Stäben sind die Umlenkpressungen u radial nach außen gerichtet und können ein Absprengen der Betondeckung bewirken. Die Umlenkpressungen auf den Beton werden ebenfalls durch Mindestwerte der Biegerollendurchmesser in Abhängigkeit der seitlichen Betondeckung nach Tabelle 15.2 begrenzt; bei Leichtbeton sind die Biegerollendurchmesser um 30% zu erhöhen (DIN 1045-1, 12.3.1 und Tabelle 23). Bei Verankerungselementen wie Haken, Winkelhaken und Schlaufen, bei denen von einer erheblichen Reduktion der Zugkraft durch Verbund bereits vor dem Krümmungsbeginn und insbesondere im Verlauf der Krümmung auszugehen ist, können deutlich kleinere Biegerollendurchmesser zugelassen werden. Wenn sich Schweißstellen innerhalb der Umlenkung befinden, müssen die Biegerollendurchmesser insbesondere bei nicht vorwiegend ruhenden Lasten deutlich erhöht werden (vgl. hierzu DIN 1045-1, Tabelle 24).
Abbildung 15.10 Umlenkungen in einspringenden Ecken vermeiden!
Bei stetig gekrümmten Bauteilen, z. B. zylindrischen Behältern, Schornsteinen, etc., übt die stets erforderliche innere Ringbewehrung kontinuierliche Umlenkpressungen auf die Betondeckung aus, die nur im günstigsten Fall durch Zugspannungen im Beton aufgenommen werden können. Die Ringbewehrung muss in diesem Fall innerhalb der Vertikalbewehrung, die eine Verteilung der Umlenkpressungen bewirkt, angeordnet werden. Bei stark gekrümmten Bauteilen muss die am konkaven Rand liegende Zugbewehrung durch Bügel zurückverankert werden; gleiches gilt für die an konvexen Rändern gelegene Druckbewehrung (vgl. auch Abb. 5.12!). An einspringenden Ecken mit kleinen Winkeln bis etwa 15ı können Umlenkkräfte aus abgebogenen Stäben ebenfalls noch sinnvoll durch Bügel aufgenommen werden. Bei größeren Winkeln müssen die einspringenden Ecken durch zweckmäßige Bewehrungsführung mit geraden Stäben bewehrt werden (Abb. 15.10). In diesen Fällen können Stabwerkmodelle zur Verfolgung der Zug- und Druckkräfte genutzt werden. Normenregelung nach EN 1992-1-1
Tabelle 15.2 Zulässige Biegerollendurchmesser Haken, Winkelhaken, Schlaufen [dbr1]
dbr1 dbr2
dbr2 ds
Stabdurchmesser ds < 20 mm
> 20 mm
Normalbeton
4 ds
7 ds
Leichtbeton
5 ds
9 ds
Schrägstäbe oder andere gebogene Stäbe [dbr2]
Wie in DIN 1045-1 wird auch in EN 1992-1-1, 8.3 zwischen Haken, Winkelhaken und Schlaufen, die primär zur Endverankerung von Stäben eingesetzt werden und entsprechend reduzierte Zugkräfte aufweisen, und Umlenkungen mit annähernd konstanter Zugkraft unterschieden. Die Differenzierung erfolgt allerdings über das mögliche Schadensbild – Schädigung des Bewehrungsstabes (kleine Biegerollendurchmesser, gleichzeitig geringe Umlenkkräfte ! Endverankerung mit Haken, etc.) bzw. Schädigung des Betons (hohe Umlenkpressungen ! Umlenkung von Zugkräften, größere Biegerollendurchmesser erforderlich). Grundsätzlich sind für Umlenkungen zwei Nachweise zu führen:
Mindestwerte der Betondeckung rechtwinklig zur Biegeebene
•
> 100 mm und > 7 ds
> 50 mm und > 3 ds
< 50 mm oder < 3 ds
•
Normalbeton
10 ds
15 ds
20 ds
Leichtbeton
13 ds
20 ds
26 ds
Nachweis, dass die Bewehrung nicht durch Anrisse als Folge des Biegens geschädigt ist und Nachweis gegen Betonversagen infolge zu großer Umlenkpressungen.
Der Nachweis für die Bewehrung ist durch die Einhaltung des Mindestwertes des Biegerollendurchmessers Dmin zu
15.3 Verankerung von Bewehrung
549
Tabelle 15.3 Länderspezifisch festzulegende Parameter zum Mindestwert des Biegerollendurchmessers Dmin zur Vermeidung von Schäden an der Bewehrung NDP
EU
Dmin
4ds für ds 16 mm
7ds für ds > 16 mm
D 4ds für ds < 20 mm 7ds für ds 20 mm
A
de oder gebogene Stäbe handelt – muss die Kraft, die dem Stab im Bemessungsquerschnitt zugewiesen wurde, im Beton verankert werden. Dies kann durch Verbund oder durch mechanische Hilfsmittel wie z. B. Ankerplatten erfolgen.
EU
15.3.1 Verbundverankerung gerader Stäbe führen. Hierbei ist Dmin länderspezifisch festzulegen (NDP ! Tabelle 15.3). Der Nachweis gegen Betonversagen wird ebenfalls über die Einhaltung eines Mindestwertes des Biegerollendurchmessers Dmin nach Gl. (15.3) geführt. 1 1 Fbt (15.3) Dmin C fcd ab 2ds
In Gl. (15.3) ist Fbt die Zugkraft des Stabs im GZT am Krümmungsbeginn und ab entspricht dem kleineren Wert aus dem halben Abstand der Krümmungsebenen benachbarter Stäbe und dem Abstand der Krümmungsebene zur Bauteiloberfläche. Die Krümmungsebene ist dabei auf die Stabachse bezogen. Dabei darf fcd mit nicht mehr als 55= c D 36;7 N=mm2 angesetzt werden. Ein expliziter Nachweis nach Gl. (15.3) kann primär für Haken, Winkelhaken und Schlaufen entfallen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: • die erforderliche Verankerungslänge nach dem Ende der Krümmung ist < 5ds , • die Krümmungsebene liegt nicht nahe der Betonoberfläche, • innerhalb der Krümmung ist ein Querstab mit dsq ds angeordnet und • die Biegerollendurchmesser Dmin nach den empfohlenen Werten in Tabelle 15.3 sind eingehalten. Für den vereinfachten Nachweis gegen Betonversagen bei Leichtbeton sind die Werte nach Tabelle 15.3 um 50% zu vergrößern.
D
EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden die Regeln für das Hin- und Zurückbiegen von Betonstahl nach DIN 1045-1, 12.3.2 ergänzt. Darüber hinaus werden für einen vereinfachten Nachweis gegen Betonversagen die Mindestbiegerollendurchmesser für Schrägstäbe oder andere gebogene Stäbe nach Tabelle 15.2 eingeführt. Für nach dem Schweißen gebogene Bewehrung gilt als länderspezifische Festlegung DIN 1045-1, Tabelle 24.
15.3 Verankerung von Bewehrung Am Ende eines Bewehrungsstabes – gleichgültig ob es sich dabei um zug- oder druckbeanspruchte, gera-
Die Kraftübertragung durch Verbund zwischen Bewehrung und Beton ist der einfachste und i. d. R. wirtschaftlichste Weg, Stäbe zu verankern. Die Mechanismen des Verbundes wurden bereits in Abschn. 3.6.1 beschrieben. Wie in Abb. 15.11a für die Verankerung eines Zugstabes nochmals dargestellt, breiten sich Druckspannungen ausgehend von den Rippen im Idealfall radial aus und erzeugen Ringzugspannungen, die bei geringer Betondeckung Spalt- bzw. Sprengrisse auslösen können. Die Tragfähigkeit von Verbundverankerungen ist wesentlich davon abhängig, ob Sprengrissbildung z. B. durch eine große Betondeckung oder Querdruckspannungen, die die Zugspannungen kompensieren, verhindert wird oder ob durch Querbewehrung ein unkontrolliertes Öffnen der Sprengrisse vermieden werden kann. Querzugspannungen, wie sie z. B. im Bereich der Feldbewehrung zweiachsig gespannter Platten oder bei der Stützbewehrung durchlaufender Plattenbalken aus der Querbiegung der Platte entstehen, erhöhen das Risiko einer Sprengrissbildung. Die Verbundspannungen entlang der Einbettungslänge eines Stabes nach Abb. 15.11b sind mit den lokalen Relativverschiebungen zwischen Bewehrung und Beton verknüpft und damit beanspruchungsabhängig; mit zunehmender Belastung wandert z. B. das Verbundspannungsmaximum auf das Stabende zu. An Querrissen treten zudem Verbundstörungen z. B. durch kegelförmige Betonausbrüche auf (vgl. Abschn. 3.6.1). Für die Bemessung von Verankerungen wird der Verbundspannungsverlauf durch eine konstante Verteilung idealisiert. Die Stabkraft nimmt dem entsprechend entlang der Verankerungslänge linear zu.5
15.3.1.1 Bemessungswert der Verbundspannungen (DIN 1045-1, 12.5) Die normativen Regeln sowohl in DIN 1045-1 als auch in EN 1992-1-1 beziehen sich grundsätzlich auf ge5
Die rechnerische Berücksichtigung des linearen Zugkraftanstiegs z. B. im Rahmen eines Zugkraftdeckungsnachweises ist allerdings nach DIN 1045-1 im Unterschied zu EN 1992-1-1 nicht möglich, vgl. Abschn. 15.5.1.
550
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen Druckstreben
Zugring
bundbedingungen für liegend gefertigte, stabförmige Bauteile mit äußeren Querschnittsabmessungen 500 mm, die mit Außenrüttlern verdichtet werden, anzunehmen. In allen anderen Fällen ist von mäßigen Verbundbedingungen auszugehen. Bei mäßigen Verbundbedingungen wird fbd mit 0,7 multipliziert (Tabelle 15.4). • Querdruck bzw. Umschnürung Eine Erhöhung der Verbundtragfähigkeit kann alternativ über die Anrechnung eines Querdrucks p (in N/mm2 , Druck positiv) nach Gl. (15.5) oder bei einer durch Bewehrung gesicherten, allseitigen Betondeckung von mindestens 10ds über eine Erhöhung der Verbundfestigkeit fbd mit den Faktor 1,5 berücksichtigt werden.
a räumlicher Spannungszustand bei der Verankerung von Bewehrungsstäben
fbd .p/ D fbd tb fbd
Versagen
Gebrauchslastniveau Idealisierung
b Verbundspannungsverteilung (Idealisierung für die Bemessung)
Abbildung 15.11a,b Verbundverankerung von Bewehrungsstäben
rippten Betonstahl, der den Vorgaben der jeweiligen Norm entspricht. Durch die Definition eines Mindestwertes der bezogenen Rippenfläche fR wird eine Mindestverbundtragfähigkeit vorausgesetzt. Die Verbundfestigkeit im GZT wird durch den Bemessungswert der Verbundspannungen fbd beschrieben: fbd D 2;25
fctkI0;05 :
c
(15.4)
Die wesentlichen Einflussparameter auf die Verbundtragfähigkeit – Verbundlage und Spannungszustand quer zum Stab – werden durch Abminderungsoder Erhöhungsfaktoren berücksichtigt (vgl. Abschn. 3.6.2): • Lage des Stabes beim Betonieren (Verbundlage) Der Einfluss der Lage des Stabes beim Betonieren auf die Verbundfestigkeit wird vereinfacht durch eine Kategorisierung in gute und mäßige Verbundbedingungen erfasst. Gute Verbundbedingungen sind anzunehmen für alle Stäbe mit 45ı ˛ 90ı (Abb. 15.12a) und mit 0ı ˛ 45ı für Bauteile, deren Dicke in Betonierrichtung 300 mm nicht überschreiten (Abb. 15.12b) sowie in den Fällen nach Abb. 15.12c und d. Zudem sind gute Ver-
1 fbd 1;5 1 0;04 p
(15.5)
Die Anhebung der Verbundfestigkeit aufgrund der Betondeckung ist nicht zulässig bei Übergreifungsstößen mit einem Achsabstand der Stöße von s 10ds (für s vgl. Abb. 15.20). • Querzug Die erhöhte Spaltrissgefahr bei Querzug – z. B. im Feldbereich zweiachsig gespannter Platten – ist durch eine Abminderung von fbd um 1/3 zu berücksichtigen. Sofern die Rissöffnung im GZG durch Querbewehrung ausreichend beschränkt wird (wk D 0;2 mm, vorwiegend ruhende Einwirkungen), kann auf die Abminderung verzichtet werden. • Stäbe mit ds > 32 mm Die erhöhte Spaltrissgefahr bei Stäben mit ds > 32 mm wird durch eine Abminderung von fbd mit dem Faktor 0;01 .132 ds/ (ds in mm) berücksichtigt. • Leichtbeton Für Leichtbeton ist fbd mit 1 zu vermindern.
15.3.1.2 Verankerungslänge (DIN 1045-1, 12.6.2) Das Grundmaß der Verankerungslänge lb (engl. bond) entspricht der für die Verankerung eines geraden, mit Fsd D As fyd ausgenutzten Stabes erforderlichen Verbundlänge (Tabelle 15.4). Fsd D As fyd D fbd Us lb ds fyd ) lb D 4 fbd
(15.6)
Sofern bei der Bemessung die Stahlverfestigung durch Stahlspannungen sd > fyd berücksichtigt wird, sollte anstelle von fyd in Gl. (15.6) sd angesetzt, d. h. das
15.3 Verankerung von Bewehrung
551
Tabelle 15.4 Bemessungswerte der Verbundspannungen fbd in N/mm2 und bezogenes Grundmaß der Verankerungslänge lb =ds (nach DIN 1045-1, 12.5 und 12.6; lb für BSt 500, sd D fyd und s D 1;15) C12/15
C16/20
C20/25
C25/30
C30/37
C35/45
C40/50
C45/55
C50/60
C55/57
C60/75
C70/85
C80/95
C90/105
C100/115
Verbundbedingung
Betonfestigkeitsklasse nach DIN 1045-1
fbd
1,6
2,0
2,3
2,7
3,0
3,4
3,7
4,0
4,3
4,4
4,5
4,7
4,8
4,9
4,9
lb /ds
66
54
47
40
36
32
30
27
25
25
24
23
23
22
22
fbd
1,2
1,4
1,6
1,9
2,1
2,4
2,6
2,8
3,0
3,1
3,1
3,3
3,3
3,4
3,5
lb /ds
94
78
67
58
51
46
42
39
36
36
35
33
33
32
32
gut
mäßig
Grundmaß der Verankerungslänge proportional erhöht werden. Wenn das Stabende als Haken, Winkelhaken oder Schlaufe geformt ist oder wenn Querstäbe im Verankerungsbereich angeschweißt werden, wird ein Teil der Zugkraft über Umlenk- bzw. Kontaktpressung aufgenommen; dem Verbund wird nur mehr der Anteil ˛a Fsd zugewiesen. Beiwerte ˛a für unterschiedliche Ausprägungen des Stabendes sind in Tabelle 15.5 enthalten. Um die bei Stabkrümmungen auftretenden Spaltzugspannungen aufnehmen zu können, ist eine ausrei-
chende Betondeckung, alternativ dazu eine enge Verbügelung des Verankerungsbereichs oder Querdruck erforderlich (vgl. Fußnote a zu Tabelle 15.5 und Erläuterungen zur Querbewehrung). Die erforderliche Verankerungslänge kann darüber hinaus proportional zum Verhältnis der vorhandenen zur erforderlichen Querschnittsfläche, d. h. zum Ausnutzungsgrad der Bewehrung, reduziert werden. Unter Berücksichtigung der Biegeform des Stabendes und des Ausnutzungsgrades ergibt sich die erforderliche Verankerungslänge lb;net zu As;erf As;vorh 8 ˆ 0;3 ˛a lb 10 ds ˆ ˆ ˆ < bei Zugstäben D : ˆ 10 d 0;6 l ˆ b s ˆ ˆ : bei Druckstäben
lb;net D ˛a lb 1
h
α a
lb;min 1
h 300 ( 250)
b
h > 300 300 (> 250) (250)
1 c
300 h > 600
1 d 1... Betonierrichtung (ausgehend von Frischbetonunterkante) gute Verbundbedignungen mäßige Verbundbedingungen
Abbildung 15.12a–d Abgrenzung der Bereiche mit guten und mäßigen Verbundbedingungen (DIN 1045-1, 12.4 und Bild 54; abweichende Werte nach EN 1992-1-1, 8.4.2 in Klammern)
(15.7a)
(15.7b)
Durch die Mindestverankerungslängen lb;min werden Kraftumlagerungen auf die Bewehrung durch Kriechen und Schwinden erfasst. Stäbe mit ds > 32 mm müssen mit geraden Stabenden oder mit Ankerkörpern verankert werden. Für Druckstäbe ist eine Verankerung mit Haken, Winkelhaken oder Schlaufen nicht geeignet, da aus dem Versatz der resultierenden Druckkräfte Beanspruchungen auf die Betondeckung entstehen können, die zu Abplatzungen führen (Abb. 15.13a). Gleichzeitig können durch den Spitzendruck von Druckstäben Betonkegel an freien Rändern ausgestanzt werden (Abb. 15.13b). Um dies zu verhindern, ist eine ausreichende Betondeckung von ca. 4ds 50 mm vorzusehen. Zur Verankerung von Stabbündeln vgl. DIN 1045-1, 12.9. Die durch die Krafteinleitung hervorgerufenen Ringzugspannungen nach Abb. 15.11 können Sprengrisse auslösen, die vom Bewehrungsstab zur
552
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen
Tabelle 15.5 Beiwerte ˛a für die Wirksamkeit von Verankerungsarten (DIN 1045-1, Tabelle 26) 2
1
3 Beiwert αac
Art und Ausbildung der Verankerung
1
Zugstäbe a Druckstäbe ds
a Gerade Stabenden
1,0
1,0
0,7b (1,0)
-
0,7
0,7
0,5 (0,7)
-
0,5
0,5
lb,net b Haken 2
>5
α ³ 150°
c Winkelhaken
ds
dbr
ds
α
>5ds
d Schlaufen dbr
lb,net
ds
lb,net
dbr
ds
lb,net
_ 90° 150° > α > 3
f Haken
>5
ds
α >_ 150° 150° > α > 90°
lb,net
g Winkelhaken
>5ds
dbr
4
5
ds
e Gerade Stabenden mit mindestens einem angeschweißten Stab innerhalb lb,net
ds
h Schlaufen (Draufsicht)
dbr α
ds
ds
lb,net
lb,net lb,net 150° > α > 90° mit jeweils einem angeschweißten Stab innerhalb lb,net vor dem Krümmungsbeginn
i Gerade Stabenden mit mindestens 2 angeschweißten Stäben innerhalb lb,net (Stababstand s < 100 mm, s ³ 5ds und ³ 50 mm) nur zulässig bei Einzelstäben mit ds £ 16 mm und bei Doppelstäben mit ds £ 12 mm a
dbr
s lb,net
ds
Die in Spalte 2 in Klammern angegebenen Werte gelten, wenn im Krümmungsbereich rechtwinklig zur Krümmungsebene die Betondeckung weniger als 3 ds beträgt oder kein Querdruck oder keine enge Verbügelung vorhanden ist.
b
Bei Schlaufenverankerungen mit Biegerollendurchmesser dbr ³ 15 ds darf der Wert aa auf 0,5 reduziert werden.
c
Für aufgeschweißte Querstäbe mit ds,quer / ds,l ³ 0,7 sind die Verbindungen als tragende Verbindungen auszuführen.
Bauteiloberfläche vordringen und parallel zum Stab verlaufen. Um ein Verankerungsversagen im Falle eines Auftretens von Sprengrissen zu verhindern, muss Querbewehrung im Verankerungsbereich angeordnet werden. Auf die Bewehrung kann nur verzichtet werden, wenn die Zugspannungen durch Querdruck kompensiert werden. Im Allgemeinen reicht die Mindestbügelbewehrung (Balken, Stützen) bzw. die Mindestquerbewehrung (Platten, Wände) hierfür a
b
Abplatzung kürzen oder abbiegen
Knickrichtung
Abbildung 15.13a,b Verankerung von Druckstäben
aus, muss dafür aber auch über den gesamten Verankerungsbereich angeordnet werden (DIN 1045-1, 12.6.3 (2)). Nach DAfStb (2003) ist die Mindestbewehrung allerdings nicht ausreichend, wenn mehrere Bewehrungsstäbe relativ konzentriert, z. B. durch Ankerkörper, Haken oder Winkelhaken verankert werden (vgl. Fußnote a zu Tabelle 15.5). Sofern kein genauerer Nachweis erfolgt, können die Regelungen nach DAfStb (2003) für die Verankerung in Beton ab der Festigkeitsklasse C70/85 als Anhalt dienen: Hierfür sind Bügel erforderlich, die die Längsbewehrung umschließen und deren Querschnittsfläche (Summe der Querschnitte der vertikalen Bügelschenkel) 50% des Querschnitts der verankerten Bewehrung beträgt. Weitere Regeln für Querbewehrung bei der Verankerung von Stäben mit Durchmessern ds > 32 mm enthalten DIN 1045-1, 12.6.3 (3) und DAfStb (2003) bzw. die zugehörigen bauaufsichtlichen Zulassungen. Zur Verankerung von Bügeln vgl. Abschn. 15.5.1.
15.3 Verankerung von Bewehrung
553
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Bemessungswert der Verbundtragfähigkeit Die Festlegung des Bemessungswertes der Verbundtragfähigkeit in EN 1992-1-1, 8.4.2 ist weitgehend deckungsgleich zu DIN 1045-1; die Formulierung baut allerdings auf dem Bemessungswert der Zugfestigkeit fctd D ˛ct fctk;0:05 = c (bei Leichtbeton: flctd D flctkI0;05 = c ohne ˛lct ) auf: fbd D 2;25 1 2 fctd :
(15.8)
Zusätzlich ist fbd für höherfesten Beton auf den Wert für die Festigkeitsklasse C60/75 zu begrenzen, sofern nicht durch Versuche eine höhere Verbundtragfähigkeit nachgewiesen wird. Die Lage des Stabes beim Betonieren wird über 1 analog zu DIN 1045-1 mit 1 D 1;0 für gute und 1 D 0;7 für mäßige Verbundbedingungen angerechnet. Die Unterscheidung zwischen den Verbundbereichen ist in Abb. 15.12 wiedergegeben; gegenüber DIN 10451 wird der Bereich mit guten Verbundbedingungen eingeschränkt; die Regeln zu stabförmigen Bauteilen, die mit Außenrüttlern verdichtet werden, sind in EN 1992-11 nicht enthalten. Die über 2 berücksichtigte Abminderung bei Stabdurchmessern mit ds > 32 mm ist mit 2 D 0;01.132 ds / (2 D 1;0 für ds 32 mm) identisch zu DIN 1045-1. Verankerungslänge Der Basiswert der erforderlichen Verankerungslänge lb;rqd folgt aus Gl. (15.9) lb;rqd D
ds sd ; 4 fbd
(15.10a)
mit ˛2 ˛3 ˛5 0;7 8 ˆ 0;3 lb;rqd 10 ds 100 mm ˆ ˆ ˆ < bei Zugstäben :(15.10b) lb;min D ˆ 0;6 lb;rqd 10 ds 100 mm ˆ ˆ ˆ : bei Druckstäben
Dabei wird lbd unabhängig von der Biegeform entlang der Mittellinie des Stabes gemessen. Mit den ˛-Beiwerten in Gl. (15.10a) werden folgende Aspekte berücksichtigt: ˛1 ˛2 ˛3 ˛4 ˛5
Ergänzende Regeln zur Verankerung mit angeschweißten Querstäben mit 14 mm dsq 32 mm enthält EN 1992-11, 8.6, Hinweise zur Verankerung von Stabbündeln sind in EN 1992-1-1, 8.9.2 zu finden und Ergänzungen für ds 32 mm sind in EN 1992-1-1, 8.8 enthalten.
D
Biegeform der Stäbe unter Annahme ausreichender Betondeckung Betondeckung Querbewehrung angeschweißte Querstäbe Querdruckspannungen.
Die ˛-Beiwerte können Tabelle 15.6 entnommen werden. Bei angeschweißten Querstäben wird für den Querstabdurchmesser dsq 0;6ds gefordert; gleichzeitig muss der
EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden folgende Punkte ergänzt: Bemessungswert der Verbundtragfähigkeit •
Die Bereiche guter Verbundbedingungen nach Abb. 15.12b und c werden auf 300 mm ausgedehnt und damit an DIN 1045-1 angeglichen.
Verankerungslänge •
(15.9)
mit sd als Bemessungswert der Stahlspannung im GZT in dem Schnitt, von dem aus die Verankerung gemessen wird; sd muss damit nicht notwendigerweise der Stahlspannung, die der Bemessung im GZT im maßgebenden Querschnitt zugrunde gelegt wird, entsprechen. Damit wird im Unterschied zu DIN 1045-1 bereits im Basiswert lb;rqd der Ausnutzungsgrad des Stabes (! in DIN 1045-1 durch As;erf =As;vorh berücksichtigt) angerechnet. Der Bemessungswert der Verankerungslänge lbd folgt aus Gl. (15.10): lbd D ˛1 ˛2 ˛3 ˛4 ˛5 lb;rqd ;
Querstab 5ds vom lastseitigen Beginn der Verankerungslänge entfernt liegen. Als Vereinfachung gegenüber Gl. (15.10) wird nach EN 1992-1-1, 8.4.4 (2) für Haken, Winkelhaken und Schlaufen eine Ersatzverankerungslänge lb;eq D ˛1 lb;rqd angegeben, die analog zu DIN 1045-1 in der verlängerten, geraden Stabachse gemessen wird (vgl. Abbildungen in Tabelle 15.5, Zeilen 2 und 4). Für gerade Stäbe mit angeschweißten Querstäben ist lb;eq D ˛4 lb;rqd .
• •
lb;min für zugbeanspruchte Stäbe nach Gl. (15.10): Es dürfen die Beiwerte ˛1 und ˛4 angerechnet werden; darüber hinaus darf bei direkter Lagerung ˛5 D 0;7 gesetzt werden. Der Mindestwert von 100 mm darf für Hochbauten unterschritten werden. lb;min für druckbeanspruchte Stäbe nach Gl. (15.10): Der Mindestwert von 100 mm darf für Hochbauten unterschritten werden. Ergänzungen zu Tabelle 15.6: – Für cd < 3ds bei gebogenen Stäben ist ˛2 D 1;4 zu setzen. – Die Beiwerte ˛2 und ˛5 dürfen nicht gemeinsam in Ansatz gebracht werden. – Falls eine allseitige, durch Bewehrung gesicherte Betondeckung 10ds vorhanden ist, darf ˛2 D 0;7 angenommen werden. Dies gilt nicht für Übergreifungsstöße mit einem Achsabstand der Stöße von s 10ds . – Zu ˛5 werden die Regeln nach DIN 1045-1 zur Berücksichtigung von Querzug (DIN 1045-1, 12.5 (6)) ergänzt.
15.3.2 Weitere Möglichkeiten der Verankerung Sofern der zur Verfügung stehende Platz für eine Verbundverankerung nicht ausreicht, können am Ende der Bewehrungsstäbe Ankerkörper angebracht werden, die i. d. R. für die volle Zugkraft As fyd ausgelegt sind. Die Ausführung angeschweißter Ankerplatten nach Abb. 15.14a regelt DIN EN ISO 17660.
554
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen
Tabelle 15.6 Beiwerte ˛ zur Berechnung der Verankerungslänge lbd nach EN 1992-1-1, 8.4.3 (EN 1992-1-1, Tabelle 8.2) Einfluss Biegeform α1
Betondeckung α2
Art der Verankerung
Zugstab
Druckstab
gerades Stabende
α1 = 1
α 1 = 1,0
Haken, Winkelhaken, Schlaufen
cd > 3 ds: α 1 = 0,7
gerades Stabende Haken, Winkelhaken, Schlaufen
Querbewehrung α3
alle Arten
Angeschweißte Querstäbe α4
alle Arten
Querdruck α5
alle Arten
cd £ 3 ds: α 1 = 1,0
α 2 = 1 – 0,15 (cd – ds)/ds mit 0,7 £ α 2 £ 1,0
α 2 = 1 – 0,15 (cd – 3ds)/ds mit 0,7 £ α 2 £ 1,0
α 3 = 1 – Kl mit 0,7 £ α 3 £ 1,0
α 4 = 0,7 α 5 = 1 – 0,04p mit 0,7 £ α 5 £ 1,0
α 1 = 1,0 α 2 = 1,0 α 2 = 1,0 α 3 = 1,0 α 4 = 0,7 -
Anmerkungen: l
S Ast S Ast,min As p cd K
= (S Ast - S Ast,min)/As Querschnittsfläche der Querbewehrung entlang l bd Querschnittsfläche der Mindestquerbewehrung (= 0,25 A s für Balken und 0 für Platten) Querschnittsfläche des größten verankerten Einzelstabs Querdruck in N/mm² im GZT der kleinere Wert aus Betondeckung und lichtem Abstand zwischen zwei Stäben (bei Haken, Winkelhaken und Schlaufen: senkrecht zur Krümmungsebene gemessen) Beiwert für die Wirksamkeit der Querbewehrung = 0,1 wenn der zu verankernde Stab an zwei Seiten von Querbewehrung umschlossen wird (Stab in einer Bügelecke) = 0,05 wenn die Querbewehrung zwischen Stab und Bauteiloberfläche liegt =0 wenn die Querbewehrung innerhalb des zu verankernde n Stabes liegt
Sofern die Tragfähigkeit der Verbindung zwischen Ankerkörper und Bewehrungsstab nicht normativ nachgewiesen werden kann (z. B. bei Verbindungen mit vorab angearbeitetem Gewinde), bedürfen die Verankerungen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Mechanische Verankerungen, die bei nicht vorwiegend ruhender Belastung eingesetzt werden,
a Schweißverbindung
müssen unabhängig von der Ausprägung der Verbindung zwischen Stab und Ankerkörper allgemein bauaufsichtlich zugelassen sein (vgl. DAfStb 2003). Der Verankerungsnachweis, d. h. der Nachweis, dass die über Ankerkörper konzentriert eingeleiteten Druckspannungen durch den Beton aufgenommen werden können, wird über einen Nachweis der Teilflächenbelastung nach DIN 1045-1, 10.7 geführt (s. Abschn. 3.7.2.5). Gegebenenfalls wird im Verankerungsbereich enge Querbewehrung z. B. in Form von Wendeln erforderlich, um große Druckkräfte aus der Ankerplatte über die erhöhte Festigkeit umschnürten Betons aufzunehmen.
b aufgestauchter Ankerkopf
15.4 Stoßverbindung von Bewehrungsstäben
c Schraubverbindung (Stab mit Gewinde)
d Beispiel
Abbildung 15.14a–d Mechanische Endverankerungen
Kraftschlüssige Stoßverbindungen von Bewehrungsstäben werden durch die abschnittweise Herstellung von Ortbetontragwerken – z. B. bei Stützen, deren Längsbewehrung nach jedem Stockwerk gestoßen wird – oder durch die i. d. R. auf 12–15 m begrenz-
15.4 Stoßverbindung von Bewehrungsstäben
555
ten Regellängen von Betonstahlstäben erforderlich. Stöße können direkt, d. h. durch Schweißen oder mechanische Verbindungsmittel, oder indirekt durch Übergreifung ausgeführt werden.
15.4.1 Übergreifungsstöße 15.4.1.1 Tragverhalten Die einfachste und am häufigsten verwendete kraftschlüssige Verbindung zweier zug- oder druckbeanspruchter Stäbe wird durch einfaches nebeneinanderlegen erreicht. Die Stabkräfte werden durch Verbundwirkung – idealisiert durch ein System schräger Druckstreben – übertragen (Abb. 15.15). Das Gleichgewicht erfordert vorwiegend in der Stoßebene wirkende Querdruck- und Querzugkräfte. Große Querzugspannungen lösen Risse parallel zu den gestoßenen Stäben aus, die die Verbundwirkung drastisch reduzieren. Eine Aufnahme der Querzugkräfte durch Querbewehrung ist daher grundsätzlich erforderlich. Die Querzugkräfte treten im Bereich der Stabenden konzentriert auf; die Querbewehrung sollte zweckmäßig dort angeordnet werden. Die Querzugbeanspruchung führt bei weiterer Laststeigerung je nach dem Abstand der Stöße untereinander zum trichterförmigen oder flächigen Abplatzen der Betondeckung (Abb. 15.16b). Bei Vollstößen in biegebeanspruchten Bauteilen bildet sich, sofern kleine seitliche Stoßabstände s vorliegen und umgreifende Querbewehrung fehlt, in der Stoßebene bei Überschreiten der Betonzugfestigkeit schlagartig eine Bruchfläche aus, die zum charakteristischen, scherenartigen Aufklappen der gestoßenen Stäbe nach Abb. 15.16a führt (vgl. Eligehausen 1979). Angesichts des Bruchbildes wird deutlich, dass die Querbewehrung zweckmäßig die Stoßenden umfassen und bei Balken – zumindest bei enger Lage (s 10ds ) und großem Anteil gestoßener Stäbe – in der Druckzone rückverankern sollte. Fsd Fsd a Zugstoß Fsd Fsd
b Druckstoß
Abbildung 15.15a,b Kraftfluss bei Übergreifungsstößen
a
typisches Versagensbild eines Vollstoßes ohne Quer- und Bügelbewehrung
ds
ds
s weiter Abstand (s > 10 ds) b
s enger Abstand (s 5ds gilt: α1 = 1,0 _ _ Für s >10d s und s0 > 5ds gilt: α1 = 1,4
s0
α1 = 2,0b s
zur Definition von s und s0
Abbildung 15.18 Beiwert ˛1 für die Übergreifungslänge (DIN 1045-1, Tabelle 27)
• Für Stabdurchmesser ds < 16 mm (bis C55/67 bzw. LC45/50) bzw. ds < 12 mm (ab C60/75 bzw. LC50/55) oder einem Anteil gestoßener Stäbe in einem Querschnitt 20% reicht die vorhandene Mindestquerbewehrung zur Aufnahme der Querzugspannungen aus (vgl. hierzu die Definition des Längsversatzes). Zusätzliche Maßnahmen sind nicht erforderlich. Unberührt davon bleibt die Regelung für Übergreifungsstöße in Beton ab der Festigkeitsklasse C70/85. • Sofern eine Querbewehrung erforderlich P wird, muss sie eine Gesamtquerschnittsfläche Ast aufweisen, die mindestens der Querschnittsfläche eines gestoßenen Stabes As entspricht. • Für s 10ds muss die Querbewehrung in vorwiegend biegebeanspruchten Bauteilen bügelartig ausgebildet sein; andernfalls reichen gerade Stäbe. Bei flächenartigen Bauteilen gilt dies für s 7ds , allerdings darf auf eine Regelung nach Bertram u. Bunke (1989) zurückgegriffen werden, die mit der Ausgabe 2008 auch in DIN 1045-1 aufgenommen wurde, wonach auf eine bügelartige Ausbildung der Querbewehrung verzichtet werden kann, wenn die Übergreifungslänge pauschal um 30% vergrößert wird. Auf eine bügelartige Umfassung kann ebenfalls verzichtet werden, wenn der Abstand der Stoßmitten benachbarter Stöße mit geraden Stabenden (Längsversatz) etwa 0;5ls beträgt (vgl. Abb. 15.20). • Für Beton ab der Festigkeitsklasse C70/85 müssen Übergreifungsstöße durch Bügel umschlossen werden, wobei die Summe der Querschnittsflächen
15.4 Stoßverbindung von Bewehrungsstäben
557
A st 2
A st 2
_ 20
Fsd
s0
Fsd
Stoßachse
>2ds > 20
Fsd
ds
ls
Fsd
< 4ds
der vertikalen Bügelschenkel gleich der erforderlichen Querschnittsfläche der gestoßenen Längsbewehrung sein muss. • Werden bei mehrlagiger Bewehrung mehr als 50% des Querschnitts der einzelnen Lagen in einem Schnitt gestoßen, müssen die Übergreifungsstöße durch Bügel umschlossen werden, die für die Kraft der gestoßenen Stäbe zu bemessen sind. • Die Querbewehrung muss zwischen Längsbewehrung und Betonoberfläche liegen und nach Abb. 15.19 verteilt werden. Aus dem Stabwerkmodell nach Abb. 15.15 wird unmittelbar einsichtig, dass bei Druckstößen auch außerhalb ls Querbewehrung erforderlich wird.
Fsd
ds
Fsd
ds
> 1,3 ls Mittenabstand
Bauteilrand b Längsversatz (Masse in mm)
Abbildung 15.20a,b Konstruktionsprinzipien bei Übergreifungsstößen – Längsversatz (DIN 1045-1, Bild 57)
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Übergreifungslänge (EN 1992-1-1, 8.7.3) Der Bemessungswert der Übergreifungslänge l0 errechnet sich aus dem Basiswert der Verankerungslänge zu l0 D ˛1 ˛2 ˛3 ˛5 ˛6 lb;rqd
(15.12a)
l0;min D 0;3 ˛6 lr;rqd 15ds 200 mm : (15.12b)
Die Beiwerte ˛1 (Biegeform der Stabenden), ˛2 (Betondeckung), ˛3 (Querbewehrung) und ˛5 (Querdruck) sind Tabelle 15.6 zu entnehmen. Für die Berechnung von ˛3 ist P Ast;min durch As .sd =fyd / mit As als Querschnittsfläche eines gestoßenen Stabes zu ersetzen (vgl. Regelung zur erforderlichen Querbewehrung). Mit ˛6 wird der Anteil der gestoßenen Stäbe in einem Querschnitt berücksichtigt: r ( 1 1;0 : (15.13) ˛6 D 25 1;5 In Gl. (15.13) ist 1 der Anteil der innerhalb von 0;65l0 (gemessen ab der Mitte des betrachteten Übergreifungsstoßes) gestoßenen Bewehrung in %. Für einen Stoßanteil 25% ist ˛6 D 1;0; für einen Anteil > 50% ist ˛1 zu 1,5 zu setzen. Bei einem „Drittelstoß“ (Stoßanteil 33%) ist ˛6 D 1;15. Sofern der lichte Abstand der gestoße-
558
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen
nen Stäbe 4ds bzw. 50 mm überschreitet, muss analog zu DIN 1045-1 die Übergreifungslänge l0 um die Differenz zwischen dem lichten Abstand und 4ds bzw. 50 mm vergrößert werden. Querbewehrung (EN 1992-1-1, 8.7.4) Die im Stoßbereich vorhandene Querbewehrung hat folgenden Regeln zu entsprechen: •
•
•
•
Sofern für den Durchmesser der gestoßenen Stäbe ds < 20 mm gilt oder der Anteil der gestoßenen Stäbe in jedem beliebigen Querschnitt höchstens 25% beträgt, kann auf die Anordnung zusätzlicher Querbewehrung verzichtet werden. Dies setzt voraus, dass die Mindestquerbewehrung vorhanden ist. Bei Stabdurchmessern ds 20 mm muss die Gesamtquerschnittsfläche der Querbewehrung Ast mindestens die Querschnittsfläche eines gestoßenen Stabes betragen. Sofern mehr als 50% der Bewehrung in einem Querschnitt gestoßen werden und der Querabstand zwischen Stößen a 10ds ist (a entspricht s nach DIN 1045-1, vgl. Abb. 15.20), muss die Querbewehrung in Form von Bügel oder Steckbügeln ausgeführt werden. Die Querbewehrung ist nach Abb. 15.19 zu verteilen.
Anordnung und Versatz (EN 1992-1-1, 8.7.2) Stöße sollten nicht in hochbeanspruchten Bereichen, z. B. plastischen Gelenken angeordnet werden. Benachbarte Stöße sind i. Allg. um 1;3l0 bezogen auf die Stoßmitten zu versetzen. Darüber hinaus sollten die Abstände zwischen benachbarten Stößen Abb. 15.20b entsprechen. Wenn die Bewehrung nur einlagig ausgeführt wird, können bei Zugstößen 100% der Bewehrung gestoßen werden, sofern die Regeln zur Anordnung – insbesondere der erforderliche Versatz zwischen benachbarten Stößen – erfüllt sind. Bei mehrlagiger Bewehrung ist der Anteil auf 50% zu reduzieren. Bei Druckstößen und bei Oberflächenbewehrung ist ein Vollstoß der Bewehrung in einem Querschnitt zulässig. Ergänzende Regelungen für den Stoß bei großen Stabdurchmessern (ds > 32 mm) bzw. bei Stabbündeln sind EN 1992-1-1, Abschn. 8.8 bzw. 8.9 zu entnehmen.
D
EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden folgende Punkte ergänzt: •
•
Übergreifungslänge: Anstelle von ˛6 nach Gl. (15.13) ist der Beiwert ˛1 nach Abb. 15.18 zur Berechnung von l0 in Gl. (15.12a) zu verwenden. Zur Ermittlung der Mindestübergreifungslänge l0;min nach Gl. (15.12b) dürfen auch die Beiwerte ˛1 und ˛4 herangezogen werden. Querbewehrung: Die Regeln zu Menge, Anordung und Verteilung von Querbewehrung nach DIN 1045-1, 12.8.3 werden ergänzt.
15.4.2 Direkte Stöße Direkte Stöße von Bewehrungsstäben können durch mechanische Verbindungsmittel – i. d. R. Muffen – oder durch Schweißen hergestellt werden. Sie sind gegenüber Übergreifungsstößen zwar kostenintensiver, bieten allerdings erhebliche Vorteile bei beengten Platzverhältnissen. Zudem können bei Arbeitsfugen weit über die Abschalung hinausreichende Stabenden, die für Übergreifungsstöße erforderlich wären, vermieden werden. Direkte Stöße werden i. Allg. als normalduktil eingestuft; die Anordnung in plastischen Gelenken bei Schnittgrößenermittlung nach der Plastizitätstheorie ist daher nicht möglich.
15.4.2.1 Mechanische Verbindungen Derzeit wird ein breites Spektrum verschiedener Systeme zur mechanischen Verbindung von Betonstählen angeboten, die zumeist mit Muffen arbeiten. Die Verfahren bedürfen grundsätzlich einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (BAZ), in der alle Einzelheiten der Verwendung beschrieben sind (vgl. DIN 10451, 12.8.1 (7)). In Zukunft werden die BAZ durch europäische technische Zulassungen (ETA) abgelöst. Bei klassischen Schraubmuffen müssen entweder Stäbe mit Gewinderippen verwendet oder Gewinde vorab auf konventionellen Betonstahl aufgeschnitten werden. Für hydraulisch aufgepresste Muffen oder Muffen mit Scherbolzen erübrigt sich eine spezielle Vorbereitung der Stäbe (Abb. 15.21). Daneben existieren Kombinationssysteme, z. B. mit bereits auf Stabenden aufgepressten Muffen, die auf der Baustelle durch Koppelbolzen mit Gewinde verbunden werden. Einen Überblick über verschiedene Systeme enthält Bertram (1999). Alle derzeit zugelassenen mechanischen Verbindungen können sowohl auf Zug als auch auf Druck mit der Maximallast der angeschlossenen Stäbe beansprucht werden. Einschränkungen bestehen lediglich für die Ermüdungsfestigkeit, die in den jeweiligen Zulassungen näher spezifiziert ist. Eine Ausnahme stellen Kontaktstöße für ständig druckbeanspruchte Bewehrungsstäbe mit ds 20 mm in Stützen dar. Die rechtwinklig geschnittenen und entgrateten Stabenden werden durch Zentrierhülsen gehalten, die keiner bauaufsichtlichen Zulassung bedürfen. Der Stoßanteil eines Querschnitts ist bei Kontaktstößen auf 50% bei gleichmäßiger Verteilung der gestoßenen Stäbe über den Querschnitt beschränkt.
15.5 Konstruktionsregeln für Balken
559 A-A
A
a Muffenstoß von Gewindestäben A
> 2ds
> 4ds
0,3ds
> 4ds
a Überlappstoß
b Muffenstoß mit konischem Gewinde
A-A (wahlweise)
A
ds
c Pressmuffenstoß
A > 4ds
> 2ds
> 4ds
0,3ds
b Laschenstoß
d Muffe mit Scherbolzen und Zahnleisten
Abbildung 15.21a–d Mechanische Stoßverbindungen
c Abbrennstumpfschweißung
15.4.2.2 Schweißstöße (DIN 1045-1, Tabelle 12) d Lichtbogenhandschweißung
Tragende, d. h. für die volle Zugkraft des ungestoßenen Stabes ausgelegte Schweißstöße sind in Abb. 15.22 wiedergegeben. Die möglichen Anwendungsfälle der einzelnen Verbindungen werden in DIN 10451, Tabelle 12 geregelt. Die Ausführung der Stöße und insbesondere die Schweißnahtlängen sind in DIN EN ISO 17660, die mittlerweile DIN 4099 abgelöst hat, geregelt. Dort werden auch die erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung von Schweißverbindungen angegeben. In der genannten Norm werden darüber hinaus tragende Schweißverbindungen von Betonstählen mit Stahleinbauteilen behandelt. Bei vorwiegend ruhenden Lasten können alle Stöße sowohl für Zug- als auch für Druckkräfte eingesetzt werden. Wegen der erheblichen Reduktion der Ermüdungsfestigkeit durch Schweißnarben und Querschnittssprünge dürfen bei nicht vorwiegend ruhenden Lasten für zugbeanspruchte Verbindungen nur Stumpfstöße, die durch Abbrennstumpfschweißen hergestellt wurden, verwendet werden (s. Abschn. 12.2.1.3).
Abbildung 15.22a–d Schweißstöße nach DIN EN ISO 17660-1
Im Folgenden werden die Konstruktionsregeln für Balken erläutert; soweit die Regeln auf Platten übertragbar sind, wird darauf hingewiesen.
15.5.1 Biegung 15.5.1.1 Mindest- und Höchstbewehrung (DIN 1045-1, 13.1.1)
15.5 Konstruktionsregeln für Balken
Um auszuschließen, dass mit dem Auftreten des ersten Risses bereits der unangekündigte Kollaps eines Bauteils eintritt, müssen vorwiegend biegebeanspruchte Bauteile eine Mindestbewehrung aufweisen, die für die Aufnahme der Rissschnittgröße ausgelegt ist (Sicherstellung eines duktilen Bauteilverhaltens). Hintergründe und Berechnung der Mindestbewehrung wurden bereits in Abschn. 6.6 erläutert. Für die Anordnung der Mindestbewehrung gilt im Einzelnen:
Neben den allgemeinen Bewehrungsregeln zu Verankerung und Stoß von Bewehrung enthalten DIN 10451 und EN 1992-1-1 eine Reihe von Konstruktionsregeln für spezielle Bauteile bzw. Beanspruchungsarten.
• Die Mindestbewehrung ist gleichmäßig über die Breite und anteilig über die Höhe der Zugzone zu verteilen. • Die im Feld erforderliche, untere Mindestbewehrung muss zwischen den Auflagern durchlaufen und
560
am Endauflager bzw. an Zwischenauflagern von Durchlaufträgern mit der erforderlichen Mindestverankerungslänge nach DIN 1045-1, 13.2.2 verankert werden (Endauflager: bei direkter Lagerung lb;min D 6;7ds , bei indirekter Lagerung lb;min D 10ds; Zwischenauflager: lb;min D 6ds ; jeweils beginnend ab Auflagervorderkante). • Die über Innenstützen erforderliche, obere Mindestbewehrung ist in beiden anschließenden Feldern über jeweils mindestens 1/4 der Feldweite einzulegen. • Bei Kragarmen muss die Mindestbewehrung über die gesamte Kragarmlänge durchlaufen. • Stöße der Mindestbewehrung müssen für die volle Zugkraft bemessen sein. Eine Verteilung der Mindestbewehrung anteilig über die Höhe der Zugzone ohne gleichzeitige rechnerische Berücksichtigung des abnehmenden Hebelarms schränkt allerdings die Wirksamkeit der Mindestbewehrung ein. Generell sollte die Mindestbewehrung im Bereich des Zugrandes angeordnet werden. Das bei hohen Stegen, z. B. bei schlanken Plattenbalken, mögliche Auftreten von Sammelrissen sollte nicht durch die Mindestbewehrung, sondern zweckmäßig durch zusätzliche, über die Steghöhe verteilte, rissbreitenbegrenzende Bewehrung verhindert werden (vgl. Abschn. 15.5.4). Gleichzeitig muss der Biegebewehrungsgrad nach oben begrenzt werden, um zum einen sprödes Bauteilverhalten überbewehrter Querschnitte auszuschließen und um zum anderen die Herstellbarkeit zu gewährleisten. Für vorwiegend biegebeanspruchte Bauteile darf der Bewehrungsquerschnitt 0;08Ac auch im Bereich von Stößen nicht überschreiten. Bei durchlaufenden Balken, deren Schnittgrößen auf Grundlage der Elastizitätstheorie ermittelt werden, wird die Rotationsfähigkeit, d. h. insbesondere die Verformungsfähigkeit der Druckzone lediglich durch eine Begrenzung der bezogenen Druckzonenhöhe auf lim D 0;45 (bis C50/60) bzw. 0,35 (ab C55/67) sichergestellt (vgl. Abschn. 13.2.2). Da diese Grenzen bei hochbewehrten Bauteilen mit begrenzter Druckzonenbreite, z. B. bei Plattenbalken über Innenstützen oder bei Überzügen in Feldbereichen, z. T. sehr restriktiv sind, kann auf deren Einhaltung verzichtet werden, wenn die Duktilität bzw. Rotationsfähigkeit auf alternativem Weg gewährleistet wird. In DIN 10451, 13.1.1 (5) ist hierfür eine Umschnürung der Druckzone durch eng angeordnete Bügel mit ds 10 mm und Längs- und Querabständen smax nach Tabelle 15.8, Zeile 3 vorzusehen. Vorhandene Querkraftbewehrung kann voll angerechnet werden.
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen
15.5.1.2 Allgemeine Konstruktionsregeln An Endauflagern, die im Rahmen der Schnittgrößenermittlung zwar als gelenkige Lagerung idealisiert werden, bei denen aber die freie Drehbarkeit eingeschränkt ist, entstehen Einspannmomente, die in der Bemessung nicht explizit berücksichtigt werden. Um breite Risse an der Oberseite zu vermeiden, muss das Einspannmoment durch Bewehrung abgedeckt werden. Nach DIN 1045-1, 13.2.1 (1) sind hierfür bei Balken, Plattenbalken und Platten die Querschnitte am Endauflager für ein Stützmoment zu bemessen, das mindestens 25% des benachbarten Feldmoments entspricht. Die Bewehrung muss, vom Auflagerrand gemessen, mindestens über die 0,25-fache Länge des Endfeldes eingelegt werden.
15.5.1.3 Zugkraftdeckung (DIN 1045-1, 13.2.2) Die Biegebemessung von Stahlbetonbauteilen erfolgt i. Allg. nur in den maßgebenden („kritischen“) Querschnitten. Bei großen erforderlichen Bewehrungsmengen kann es lohnend sein, die Bewehrungsmenge entsprechend dem Verlauf der Zuggurtkraft abzustufen, d. h. zu staffeln. Durch den Nachweis der Zugkraftdeckung wird sichergestellt, dass in jedem Querschnitt die im GZT6 auftretende Zuggurtkraft durch die vorhandene Bewehrung aufgenommen werden kann. Die Auswirkung der Querkraft muss bei der Berechnung der Zuggurtkraft durch den additiven Anteil Fsd;V berücksichtigt werden (vgl. Abschn. 7.4.6). Für Bauteile mit Querkraftbewehrung folgt die Gurtkraft nach Gl. (7.87a) zu:7 MEds C NEd C Fsd;V (15.14a) Fsd D z MEds D C NEd z VEd C .cot cot ˛/ : (15.14b) 2 6
Eine Prüfung der Zugkraftdeckung in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit kann erforderlich werden, wenn durch Verfahren der Schnittgrößenermittlung auf Basis der Plastizitätstheorie bzw. durch nichtlineare Verfahren erhebliche Verschiebungen der Momentennullpunkte zwischen GZG und GZT auftreten (vgl. DIN 1045-1, 13.2.2 (2)). 7 Gleichung (15.14b) wurde am parallelgurtigen Fachwerk mit konstanter Druckstrebenneigung abgeleitet, gilt allerdings auch in Lasteinleitungsbereichen (Angriffspunkte von Einzellasten, Auflager), wenn der Anstieg des Druckstrebenwinkels in den fächerförmigen Spannungsfeldern berücksichtigt wird. In diesen Bereichen führt allerdings die konsequente Anwendung der Versatzmaßtheorie schneller zum Ziel.
15.5 Konstruktionsregeln für Balken
561
A
Fsd in kN
A
gk = 53,1 kN/m qk = 42,5 kN/m
B B
8,0
0,15
E
E
1000
Schnitt A-A
8,0
al
0,82 0,90
500 0,30
0
Zugkraftlinie 1000
E lb,net + Dx lb,net
lb,net
Dx
E Zugkraftdeckungslinie E 6 ø 20
lb,net + Dx 1 ø 20 2 ø 20
3 ø 20
lb,net 2 ø 20
2 l b,net 3
2 ø 20 2 ø 20
0,85
C30/37
obere untere Bewehrung
500
Schnitt B-B
al
æ M Eds ö çç z + N Ed ÷÷ - Linie è ø
Abbildung 15.23 Zugkraftdeckung
Für Bauteile ohne Querkraftbewehrung vgl. Abschn. 7.4.3. Der zusätzliche Gurtkraftanteil Fsd;V in Gl. (15.14a) kann durch ein Verschieben der Zugkraftlinie aus .MEds=z C NEd / um das Versatzmaß al in Richtung abnehmender Zugkraft berücksichtigt werden. 8z ˆ .cot cot ˛/ ˆ ˆ ˆ2 ˆ ˆ < für Bauteile al D (15.15) mit Querkraftbewehrung ˆ ˆ ˆ ˆ 1;0 d ˆ ˆ : für Bauteile ohne Querkraftbewehrung
In Gl. (15.15) ist ˛ der Winkel der Querkraftbewehrung gegen die Bauteilachse, die in der Querkraftbemessung angenommene Neigung der Druckstreben (vgl. Abschn. 7.4.4). Der Hebelarm der inneren Kräfte z im GZT kann aus der Biegebemessung übernommen werden; er darf näherungsweise zu z D 0;9d gesetzt werden, sofern nicht durch erhebliche Normalkräfte z. B. aus Vorspannung kleinere Werte maßgebend sind. Ausgehend vom Stabende steigt die in einem Bewehrungsstab aufnehmbare Kraft durch die Ver-
bundwirkung an, bis nach der Verankerungslänge lb;net der Bemessungswert Fsd erreicht ist. Der allmähliche, bei Annahme konstanter Verbundspannungen lineare Anstieg darf allerdings nach DIN 1045-1 nicht berücksichtigt werden; die aufnehmbare Zugkraft und damit die Zugkraftdeckungslinie des betrachteten Stabes springt nach lb;net von Null auf den Bemessungswert Fsd . Im Vergleich zur Anrechnung eines stetigen Anstiegs der Zugkraftdeckungslinie ergeben sich damit größere erforderliche Stablängen. Ausschlaggebend für die Vernachlässigung des Anstiegs ist primär, Sicherheiten gegen die Verkürzung der vorhandenen Verankerungslängen durch unvermeidliche Verlegeungenauigkeiten zu schaffen (vgl. Rehm u. a. 1979). Die in Abb. 15.23 angegebenen rechnerischen Endpunkte E von Bewehrungsstäben, die im Feld enden, entsprechen damit den Punkten, ab dem die Stäbe nach der versetzten Zugkraftlinie nicht mehr erforderlich sind, d. h. die Verankerungslänge mit lb;net beginnt. Generell muss aber – unabhängig von den Regelungen zur Mindestbewehrung – ein Anteil von 25% der Feldbewehrung bei Balken und 50% bei Platten bis an die Auflager geführt und dort verankert werden.
562
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen d1 cot
z cot Fcd
NEd
z
Fswd A
Fsd
h
zs1
d1
VEd a1/2
Abbildung 15.24 Endauflager – Spannungsfeld und angreifende Kräfte (nach Reineck 2005)
15.5.1.4 Verankerung der Bewehrung an Endund Zwischenauflagern Ein wesentliches Element des Zugkraftdeckungsnachweises ist die Verankerung der Bewehrung an End- und Zwischenauflagern. In Abb. 15.24 sind das maßgebende Spannungsfeld – der Druckspannungsfächer ausgehend vom Lager – sowie die an einem Schnitt im Winkel angreifenden Kräfte eingetragen; die Geometrie folgt Reineck (2005). Aus dem Momentengleichgewicht um den Endknoten des Druckgurtes folgt die Zugkraft der Bewehrung nach Gl. (15.16). zs1 Fsd D VEd cot A C N 1 (15.16) z Hierbei ist die Neigung der Resultierenden des fächerförmigen Druckfeldes A naturgemäß etwas steiler als die Druckfeldneigung im angrenzenden, parallelgurtigen Fachwerk und kann aus den in Abb. 15.24 gegebenen geometrischen Verhältnissen abgeleitet werden zu 1 a1 d1 cot A D cot : (15.17) C C 2z z 2
Für DIN 1045-1 wird die zu verankernde Zugkraft abweichend von Gl. (15.16) unmittelbar aus der Versatzmaßregel bzw. Gl. (15.14b) abgeleitet. Am Endauflager gilt MEd D 0; mit NEd ¤ 0 folgt MEds D NEd zs1 . Eingesetzt in Gl. (15.14b) folgt: Fsd D VEd
1 .cot C cot ˛/ 2 „ ƒ‚ … al =z
zs1 z
(15.18a) zs1 al : (15.18b) D VEd C NEd 1 z z Für DIN 1045-1 wird Gl. (15.18b) vereinfacht zu VEd al : (15.19) Fsd D VEd C NEd z 2 CNEd 1
In Gl. (15.19) ist VEd der Bemessungswert der Querkraft am Endauflager; aus Abb. 15.24 wird deutlich, dass als konservative Vereinfachung die Auflagerkraft angesetzt werden sollte. Abminderungen aus auflagernahen Lasten dürfen nicht ohne weitere Überlegungen von VEd abgezogen werden. Anteile auflagernaher Lasten laufen zwar unmittelbar in das Lager und können damit bei der Bemessung der Querkraftbewehrung außer Acht gelassen werden; dennoch erzeugen sie – primär aus der Umlenkung der Druckstreben zum Auflager hin – Zugkräfte in der Bewehrung. Eine genauere Identifikation der für den Endverankerungsnachweis relevanten Anteile der Querkraft ist z. B. mit Stabwerkmodellen möglich. In Gl. (15.19) bedeutet die Begrenzung auf VEd =2 im Übrigen eine Begrenzung des Druckstrebenwinkels auf D 45ı . Die erforderliche Verankerungslänge am Endauflager ist direktes Auflager: lb;dir D
2 lb;net 6ds 3
(15.20a)
indirektes Auflager: lb;ind D lb;net 10ds : (15.20b) Die Verankerungslänge beginnt an der Auflagervorderkante (vgl. Abb. 15.25a, b), da erst dort eine Umlenkung der Druckstreben möglich ist (siehe auch Abb. 4.18). In jedem Fall muss die Bewehrung aber mindestens über die rechnerische Auflagerlinie nach DIN 1045-1, 7.3.1 (6) (vgl. Abschn. 2.4) geführt werden. Die Mindestverankerungslängen 6ds bzw. 10ds sollen Herstellungsungenauigkeiten abdecken (vgl. Bertram u. Bunke 1989). In Gl. (15.20a) wird die günstige Wirkung des Querdrucks aus der Auflagerpressung auf die Verbundtragfähigkeit durch eine pauschale Abminderung der Verankerungslänge auf 2=3lb;net erfasst. Damit ist die Erhöhung von fbd für Querdruck nach Gl. (15.5) bereits mit dem größten zulässigen Faktor 1,5 vorweggenommen; eine weitere Anhebung von fbd ist nicht mehr möglich. Nach Gl. (15.19) kann die erforderliche Verankerungslänge durch die Annahme einer steileren Druckstrebenneigung und damit eines kleineren Versatzmaßes reduziert werden; gleichzeitig steigt die Querkraftbewehrungsmenge an. Die in der Praxis hierfür häufig angenommenen Druckstrebenneigungen über 45ı werden streng genommen durch den Mindestwert VEd =2, der gerade D 45ı entspricht, unwirksam. Bei beengten Platzverhältnissen kann die erforderliche Verankerungslänge insbesondere bei Stabdurchmessern ds 20 mm durch die Zulage von Verankerungsschlaufen mit ds D 14–16 mm, die
15.5 Konstruktionsregeln für Balken a
b
lb,dir
lb,dir = lb,net
> 6ds
2 l > 6ds 3 b,net
563 lb,ind
lb,ind = lb,net > 10ds
lb,net
> 6ds
a direktes Auflager b indirektes Auflager c Zwischenauflager
c
Abbildung 15.25a–c Erforderliche Verankerungslänge bei Auflagern
durch Übergreifung mit der Gurtbewehrung gestoßen werden, reduziert werden. Darüber hinaus stehen die in Abschn. 15.3.2 vorgestellten mechanischen Verankerungselemente zur Verfügung. An Zwischenauflagern durchlaufender Balken und Platten muss die Bewehrung um 6 ds hinter den Auflagerrand geführt werden (Abb. 15.25c). Um die Schadenstoleranz gegenüber ungeplanten Einwirkungen zu erhöhen, wird in DIN 1045-1, 13.2.2 (10) in Form einer Anwendungsregel gefordert, die untere Bewehrung so auszubilden, dass auch positive Momente, die aus Auflagersetzungen oder durch den teilweisen oder vollständigen Verlust des Auflagers z. B. durch eine Explosion hervorgerufen werden, aufgenommen werden können. Dies kann z. B. durch zusätzliche Bewehrung, die durch Übergreifung gestoßen wird, erfolgen. EN 1992-1-1 folgend wird nach DAfStb (2003) eine Übergreifung mit lb;net als ausreichend angesehen. Die zusätzliche untere Bewehrung an Zwischenauflagern sollte in Anlehnung an EN 1992-1-1 vertraglich vereinbart und festgelegt werden.
gesamte, im GZT angesetzte Druckbewehrung des Durchmessers ds muss durch Querbewehrung in einem maximalen Abstand von 15ds gehalten werden. Zugkraftdeckung (EN 1992-1-1, 9.2.1.3 und 4) Analog zu DIN 1045-1 ist die Zugkraftlinie einschließlich der Auswirkungen der Querkraft mit Hilfe des Versatzmaßes nach Gl. (15.15) zu ermitteln. Als wesentliche Abweichung gegenüber DIN 1045-1 darf die Tragfähigkeit der Bewehrungsstäbe innerhalb der Verankerungslänge lbd unter Annahme eines linear zunehmenden Kraftverlaufs berücksichtigt werden. Bei Balken muss ein Anteil ˇ2 der Feldbewehrung über das Endauflager geführt weden; ˇ2 ist länderspezifisch geregelt (NDP ! Tabelle 15.7). Bei Platten muss dagegen ein Anteil von mindestens 50% der Feldbewehrung über die Auflager geführt werden. Verankerung an End- und Zwischenauflagern (EN 1992-1-1, 9.2.1.4 und 5) Die Verankerung am Endauflager ist für eine Zugkraft FE nach Gl. (15.21) auszulegen. FE D VEd
al C NEd z
(15.21)
Die Verankerungslänge lbd beginnt an der Auflagervorderkante. Bei direkten Auflagern dürfen die günstigen Auswirkungen von Querdruckspannungen über ˛5 nach Tabelle 15.6 angerechnet werden; eine pauschale Berücksichtigung wie in DIN 1045-1 erfolgt nicht. An Zwischenauflagern muss die Bewehrung mit einer Länge von 10ds (gerade Stäbe), dem einfachen Wert des Biegerollendurchmessers (Haken und Winkelhaken mit ds 16 mm) bzw. dem doppelten Wert des Biegerollendurchmessers (in allen anderen Fällen) über das Auflager geführt werden. Eine vertraglich zu vereinbarende, durchlaufende Bewehrung zur Aufnahme positiver Momente kann analog Abb. 15.25c durch Übergreifungsstöße erreicht werden.
D
EN 1992-1-1 – Ergänzungen
Zu EN 1992-1-1 werden folgende Punkte ergänzt: • •
Regeln zur Anordnung der Mindestbewehrung nach DIN 1045-1, 13.1.1 (3) und (6) In Gl. (15.21) wird analog DIN 1045-1 ergänzt: VEd =2
Normenregelung nach EN 1992-1-1 Mindest- und Höchstbewehrung (EN 1992-1-1, 9.2.1.1) Die Berechnung der Mindestbewehrung wurde bereits in Abschn. 6.6 vorgestellt; Hinweise zur Anordnung der Mindestbewehrung enthält EN 1992-1-1 nicht. Die Obergrenzen der Querschnittsflächen von Zug- oder Druckbewehrung ausserhalb von Stoßbereichen As;max ist länderspezifisch geregelt (NDP ! Tabelle 15.7).
Allgemeine Konstruktionsregeln (EN 1992-1-1, 9.2.1.2) Bei Balken, die als gelenkig gelagert angenommen werden, ist durch eine Bemessung der Querschnitte an den Auflagern für ein Einspannmoment, das mindestens dem ˇ1 -fachen des maximalen Feldmoments entspricht, die nicht berücksichtigte Einspannung zu erfassen. Hierbei ist ˇ1 länderspezifisch geregelt (NDP ! Tabelle 15.7). Die
Tabelle 15.7 Länderspezifisch festzulegende Parameter zu Konstruktionsregeln für Balken (Biegung)
a
NDP
EU
D
A
As;max
0;04Ac
0;08Aac b
EU
ˇ1
0;15
0;25
EU
ˇ2
0;25
EU
EU
As;max bezeichnet hierbei die Summe aus Druck- und Zugbewehrung und ist auch in Stoßbereichen einzuhalten. b Gilt in Verbindung mit dem größten Feldmoment des dem Endauflager benachbarten Feldes. Die daraus ermittelte Bewehrung sollte über die 0,25-fache Endfeldlänge eingelegt werden.
564 •
•
Für die Berechnung der Verankerungslänge an direkten Auflagern kann der Querdruck vereinfacht durch ˛5 D 0;7 berücksichtigt werden; die Mindestverankerungslänge ergibt sich damit zu 7ds . In jedem Fall ist die Bewehrung aber über die rechnerische Auflagerlinie zu führen. Zur Verankerung an Zwischenauflagern: Im Regelfall ist es ausreichend, an Zwischenauflagern durchlaufender Bauteile die erforderliche Bewehrung mindestens um 6ds hinter den Auflagerrand zu führen.
15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen _ (>50mm) _ 5ds ü>
_ 70mm) (> _ 10 d s ü>
ü
ds
ds
a Haken
Fcw
b Winkelhaken
Auswirkungen zu geringer Betondeckung bei geraden Stabenden: Kante bricht aus!
15.5.2 Querkraft Balken und Plattenbalken müssen generell Mindestquerkraftbewehrung aufweisen, deren Berechnung für Stahlbeton- und Spannbetonbauteile bereits in Abschn. 7.5 vorgestellt wurde. Querkraftbewehrung kann aus einer Kombination von: • Bügeln, • Schrägstäben (z. B. Querkraftaufbiegungen) und • Querkraftzulagen bestehen, die mit der Bauteilachse einen Winkel von 45ı ˛ 90ı einnehmen. Als Querkraftzulagen werden Körbe, leiterartige Elemente o. ä. bezeichnet, die die Längsbewehrung nicht notwendigerweise umschließen. Nach DIN 1045-1, 13.2.3 (2) muss mindestens 50% der aufzunehmenden Querkraft durch Bügel abgedeckt werden. Schrägaufbiegungen erzeugen im Krümmungsbereich Umlenkpressungen und Querzugspannungen, die durch umschließende Bügel aufgenommen werden müssen (vgl. Abschn. 7.4.2). In Abb. 7.19 wurde bereits die Wirksamkeit verschiedener Querkraftbewehrungsarten anhand der Begrenzung von Schubrissbreiten dargestellt. Dem entsprechend sind Bügel wegen der hohen Effektivität zu bevorzugen; mit 45–60ı geneigte Bügel kreuzen die Schubrisse annähernd senkrecht und bieten daher das günstigste Tragverhalten, sind allerdings komplizierter im Einbau.
15.5.2.1 Formen und Verankerung von Bügeln (DIN 1045-1, 12.7) Dem Fachwerkmodell entsprechend, müssen Bügel Zug- und Druckgurt miteinander verbinden und können damit erst außerhalb des Wirkungsbereichs, d. h. zwischen Bauteilrand und Längsbewehrung bzw. zwischen Druckspannungsresultierender und Bauteilrand verankert werden. Um eine ausreichende Verankerung zu gewährleisten, müssen die Bügel den Zuggurt umfassen; in der Druckzone müssen sie zumindest mit
_ cmin >
3 ds 50 mm
cmin
ü≈15mm _ (>10mm)
_ ds >2 _ mm >20 _ mm 10d s
565 ls
ls
_ >10d s
a
_ >10d s
c
b
d
ls
e
a Kombination von Bügeln Zugzone
Druckzone
b Bügelkorb f
g
c Leiterartige Querkraftzulage
h
in Druck- und Zugzone von Plattenbalken
Abbildung 15.27a–h Bügelschluß in Anlehnung an DIN 10451, Bild 56
d zusätzliche Bügel bei Breiten Balken
bieten Vorteile beim Einbau der Stegbewehrung, sind allerdings in ihrer Tragwirkung etwas ungünstiger; die von der Stabkrümmung am Haken ausgehende, schräge Druckstrebe macht zur Umlenkung eine durchgehende untere Bewehrung erforderlich (vgl. auch Löhr 1987). Der Bügelschluß durch die Querbewehrung in der Platte setzt im Übrigen eine ausreichende Verankerung der Querbewehrung voraus. Bügel nach Abb. 15.27h werden primär in einhüftigen Plattenbalken eingesetzt; der horizontale Bügelschenkel bildet bzw. übergreift die obere Bewehrung der Platte. 15.5.2.2 Anordnung von Querkraftbewehrung (DIN 1045-1, 13.2.3) Die Querkraftbemessung unterstellt mit dem Schubwand- bzw. Spannungsfeldmodell nach Abschn. 7.4.3 ein kontinuierliches Zugspannungsfeld. Tatsächlich schnüren sich die Druckstreben zu den horizontalen Bügelschenkeln – dabei primär zu den steiferen Bügelecken – ein. Um Schäden aus den Druckspannungskonzentrationen zu vermeiden, müssen mit zunehmender Ausnutzung der Druckstrebentragfähigkeit engere Bügelabstände vorgesehen werden. Da die Einschnürung auch in Breitenrichtung stattfindet, müssen die Abstände der Bügelschenkel quer zur Bauteilachse ebenfalls begrenzt werden; bei
Abbildung 15.28a–d Beispiele für die Kombination von Bügeln bzw. Bügeln und Querkraftzulagen; Bügel bei breiten Balken
breiten Balken sind mehrere Bügel nebeneinander anzuordnen (Abb. 15.28d). In DIN 1045-1 sind beanspruchungsabhängige Maximalabstände smax der Bügelschenkel in Längs- und Querrichtung angegeben (Tabelle 15.8). Ergänzende Regeln zu Längsabständen bei Schrägstäben sind in DIN 1045-1, 13.2.3 (7) enthalten; Querabstände von Schrägstäben müssen Tabelle 15.8 entsprechen. In Abb. 15.28a bis c sind Beispiele für die Bewehrung von Trägerstegen bei hoher Querkraftbeanspruchung dargestellt. Neben Zulagen in Leiter- oder Korbform werden häufig geschlossene, gegeneinander versetzte oder aus verschiedenen Breiten kombinierte Bügel unmittelbar hintereinander angeordnet. 15.5.2.3 Querkraftdeckung (DIN 1045-1, 13.2.3) Die Querkraftbewehrung kann entlang des Bauteils entsprechend der Querkraftbeanspruchung abgestuft werden (Abb. 15.29). Generell muss an jeder Stelle die Querkrafttragfähigkeit durch VEd VRd sichergestellt werden.
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15 Grundlagen des Bewehrens von Stahlbetonbauteilen
Tabelle 15.8 Größte Längs- und Querabstände smax von Bügelschenkeln und Querkraftzulagen (DIN 1045-1, Tabelle 31) Betonfestigkeitsklasse Zeile
£ C50/60 £ LC50/55
Querkraftausnutzung
£ C50/60 £ LC50/55
> C50/60 > LC50/55
Längsabstand
> C50/60 > LC50/55 Querabstand
1
VEd £ 0,30 VRd,max
0,7 h bzw. 300 mm
0,7 h bzw. 200 mm
2
0,30 VRd,max < VEd £ 0,60 VRd,max
0,5 h bzw. 300 mm
0,5 h bzw. 200 mm
3
VEd > 0,60 VRd,max
h bzw. 800 mm
h bzw. 600 mm
h bzw. 600 mm
h bzw. 400 mm
0,25 h bzw. 200 mm
0,15 0,82
Bügel 10
Schnitt A-A
0,30
gk = 25 kN/m qk = 20 kN/m 10/15
10/15
10/25 A
10/10
10/15
10/25
8,0
VEd bzw. VRd,sy 10/15
10/25
0 -200 -400 -600
10/10
Querkraftdeckungslinie
200
d 2 d _ lE < 2
_ lA < lA
d
lE
Querkraftdeckungslinie
8,0
400
VEd bzw. VRd,sy
AA
A
600
VEd
d
0,90
10/15 10/25
Querkraftlinie 10/25
10/25 10/15 10/10
Abbildung 15.29 Querkraftdeckung (vgl. Abb. 15.23)
Bei Tragwerken des üblichen Hochbaus lässt DIN 1045-1, 13.2.3 (9) allerdings ein Einschneiden der Querkraftdeckungslinie in die Querkraftlinie über eine Länge lE d=2 zu, wenn in Richtung zunehmender Querkraft ein Flächenausgleich der eingeschnittenen Fläche AE und der Auftragsfläche AA über die Länge lA d=2 stattfindet; ein Einschneiden im auflagernahen Bereich bis zum Abstand d vom Auflagerrand ist dagegen bei direkten Auflagern nicht möglich (Abb. 15.30). Die Mindestbewehrung muss dessen ungeachtet entlang des gesamten Bauteils vorhanden sein. Zur Staffelung der Querkraftbewehrung ist es zweckmäßig, lediglich die Abstände der Bügel unter Beachtung des Maximalwertes nach Tabelle 15.8
_ AA AE
_ 20cm