Bemerkungen zum griechischen Urkundenwesen [Reprint 2021 ed.] 9783112564240, 9783112564233


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Bemerkungen zum griechischen Urkundenwesen [Reprint 2021 ed.]
 9783112564240, 9783112564233

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SITZUNGSBERICHTE DER DEUTSCHEN AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst Jahrgang 1960 • Nr. 6

KLAFFENBACH

GÜNTHER

BEMERKUNGEN ZUM G R I E C H I S C H E N

URKUNDENWESEN

A K A D E M I E - V E R L A G • B E R L I N 1960

Vorgelegt und für die Sitzungsberichte angenommen in der Sitzung der Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst am 7. April 1960, ausgegeben am 19. September 1960

Alle Rechte vorbehalten Copyright 1960 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W l , Leipziger Str. 3 — 4 Lizenz-Nr. 202 • 100/201/60 Satz, Druck und Einband: Druckhaus „Maxim Gorki*', Altenburg Bestellnummer: 2010/60/V/6 Printed in Germany ES 7 M

Adolf Wilhelm zum

Gedächtnis

I E i n e der b e r ü h m t e s t e n A b h a n d l u n g e n v o n Adolf Wilhelm sind seine grundlegenden A u s f ü h r u n g e n „ Ü b e r die öffentliche A u f z e i c h n u n g v o n U r k u n d e n " in seinen „ B e i t r ä g e n zur griechischen I n s c h r i f t e n k u n d e " v o m J a h r e 1909, also vor m e h r als 50 J a h r e n . Diese A b h a n d l u n g ist v o n bleibender B e d e u t u n g , u n d w e n n n a c h s t e h e n d gewisse B e h a u p t u n g e n b e a n s t a n d e t werden, so ist es billig, d a r a n zu erinnern, d a ß es sich schon damals, wie Wilhelm in einer einleitenden A n m e r k u n g erklärt, u m eine lange liegengebliebene Arbeit handelte, a n der er n i c h t weniges geä n d e r t h ä t t e , w e n n dies, ohne sie gänzlich u m z u g e s t a l t e n , möglich gewesen wäre. U n d er b e m e r k t i m besonderen: „ D a ß die A u s f ü h r u n g e n ü b e r die drj/Ltoaia yqd/ifiara der E r g ä n z u n g u n d Berichtigung besonders b e d ü r f t i g sind, verhehle ich mir n i c h t ; v o n ihrer K r i t i k wird die weitere U n t e r s u c h u n g , die mir selbst n i c h t möglich ist, auszugehen h a b e n . " I c h darf also f ü r mich in A n s p r u c h n e h m e n , n u r die Weisung Wilhelms zu befolgen, w e n n ich seine Darlegung ü b e r die drj/j,ocna ypa/i/iaTa der K r i t i k unterziehe, deren sie in der T a t b e d ü r f t i g sind 1 ). I m G r u n d e ist es n i c h t e n t s c h u l d b a r , d a ß dies erst so s p ä t geschieht, aber a u c h ich h a b e n o c h bis v o r k u r z e m (Griech. E p i g r a p h i k 51) hier ganz i m B a n n e der h o h e n A u t o r i t ä t des unvergeßlichen Meisters gestanden. D a s H a u p t a n l i e g e n v o n Wilhelms A b h a n d l u n g ist das, der häufig v e r k a n n t e n Aufzeichnung einer U r k u n d e auf einem Xevxcofia zu ihrem R e c h t e zu verhelfen. D a s ist in vollstem Maße gelungen. Wilhelm h a t gezeigt, d a ß die A u f z e i c h n u n g auf Stein oder Bronze i m m e r n u r in besonderen Fällen erfolgte, n ä m l i c h w e n n „ein bleibendes persönliches oder öffentliches I n t e r e s s e " Das war auch die Ansicht von Schultheß, RE VII 1732.

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die Verewigung verlangte, daß es dagegen weit üblicher war, „amtliche Schriftstücke durch eine Aufzeichnung in, an oder vor Amtsgebäuden, vornehmlich dem Rathause, auf dem Markte, in Heiligtümern oder anderwärts zu veröffentlichen, entweder auf ausgestellten Tafeln oder auf diesem Zwecke ein f ü r allemal bestimmten ,Wänden' der Gebäude" (S. 284). Aber wie das in solchen Fällen zu gehen pflegt, er hat den Bogen überspannt und die Erwähnung einer Aufzeichnung auf einem Aevxcojua in Wendungen zu erkennen geglaubt, die damit nichts zu tun haben, nämlich den Formeln avayodfai eig rö örj/uooiov und slg rä drjfioaia

yod/j,/xaTa.

Was Wilhelm dazu führte, diesen Formeln die bis dahin übliche Deutung „Niederlegung im Archiv" bzw. „Aufnahme unter die amtlichen Urkunden" abzusprechen und sie als synonym mit der gelegentlich angeordneten Aufzeichnung auf einem Xevxa>fia bzw. einem rol-/oq zu betrachten, war seine Überzeugung, daß die Niederlegung einer Urkunde im Archiv als etwas Selbstverständliches nicht erwähnt zu werden brauchte. So erklärt er schon bald nach Beginn seiner Abhandlung (S. 235): „Daß die Eintragung eines rechtmäßig zustande gekommenen Beschlusses in dem Archiv selbstverständlich und daher nicht erst besonderer Verfügung bedürftig ist, die Verewigung auf Stein oder ,Erz dagegen immer nur auf Grund besonderer Verfügung oder Bewilligung seitens der Beschlußfassenden erfolgt, darf als allgemein bekannt und anerkannt gelten" und wiederholt dementsprechend auf S. 253: „Aber bei der Beurteilung auch dieser Fälle wird zu berücksichtigen sein, daß die Eintragung rechtsgültiger Beschlüsse in dem Archiv selbstverständlich und selbst ,vom Standpunkte des Antragstellers' ein besonderer Antrag auf solche Aufzeichnung überflüssig war." Es wird daher unser erstes sein müssen, diese Behauptung von Wilhelm als ungerechtfertigt zu erweisen. Dabei dürfen wir natürlich, um unseren Nachweis bündig zu machen, nur solche Beispiele anführen, bei denen jede Deutung im Sinne Wilhelms versagt und keine andere Deutung als die befohlene Aufnahme in das Archiv

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möglich, ist. Das zwingt uns zu einer Beschränkung, die leicht ein falsches Bild erwecken könnte, da in Wirklichkeit diese Anweisung, wie sich herausstellen wird, bei weitem häufiger gegeben worden ist. Es wird überraschend sein, daß ich mit ebendem Beispiele beginne, mit dem auch Wilhelm seine Ausführungen über die Formel avayQaxpai SIQ rä drj/XOAIA ygä/I/nara beginnt (S. 258). E s handelt sich u m eine Inschrift aus Leros (Michel 372), in der es nach der Anordnung über die Aufzeichnung des Beschlusses auf einer Stele und deren Aufstellung abschließend heißt: rov de yga/j,/uarsa naqaXaßövra rode yrjfpicffia avayQaipai eig rä dr)fiooia xai diacpvMosiv fiexä rä>v älXow yqa/n/idrojv. Wilhelm gibt zwar zu, daß die Annahme naheliege, daß es sich in beiden Teilen dieses Satzes u m ein u n d dasselbe Schriftstück handle, entschließt sich aber doch zu der Auffassung, „daß sich in der Inschrift aus Leros der erste Teil des Satzes auf eine besondere Aufzeichnung des Beschlusses beziehe, der zweite auf Aufbewahrung der Urkunde im Archive". Es geht mir hier nicht u m die Wiederlegung der meines Erachtens unhaltbaren Interpretation von Wilhelm 1 ), sondern vielmehr darum, daß hier klipp u n d klar die Aufbewahrung des Beschlusses /lerä rcöv älhx>v yoafi/bidrojv, also im Archiv angeordnet wird 2 ). Aber*Wilhelm ist sich offenbar des 1 ) Hingewiesen sei auch auf die völlig verfehlte Deutung, die R. Laqueur, Epigraphische Untersuchungen zu den griechischen Volksbeschlüssen (1927) 115 dieser Inschrift gegeben hat. 2 ) Ich hege auch keinen Zweifel, daß dieselbe Anordnung in der Inschrift I. Magn. 50 Z. 69ff. vorliegt. Diese Zeilen lauten in der Ergänzung von Kern:

[DI>aygdcp\ew de xai zo ip\rj\(piGi.ia t6 ey May[vr]aiag] ev rtöl 8rjßoai(p [TO?K;] aQ%ovrAG FIE[RÄ TOV YG]Aß/IIARECOG. Mit vollem Recht hat Wilhelm (S. 262) bemerkt,

daß „der inf. praes. auffällt", und er fährt dann fort: „Damit dieser inf. praes. zu seinem Rechte kommt, könnte man versucht sein [fi ßovÄevTwv rä eyvwofieva "Icoaiv eig rag idiag noXeig, oncog VTidQ'/rjL ev, xolg drjfioaioig ävayeyqafifieva rä eyvma/ieva vnö 'ICOVOJV; außerdem solle jede Stadt bei sich den Beschluß auf einer arr/Xr] Xi&ivrj aufzeichnen. Es kann gar kein Zweifel sein, daß mit der ersteren Anordnung die Aufnahme .und Aufbewahrung in den verschiedenen Archiven gemeint ist; dann ist es aber ebenso unzweifelhaft, daß in dem ersten der auf der milesischen Stele hinzugefügten entsprechenden Beschlüsse dieser Stadt die Worte: ro tprjcpiafia ro ex IJaviu>viov xvoojdev edo£e reot dtj/iwi ävaygdfai sig ro örjjuoaiov (Z. 26f.) genauso zu verstehen sind. Es ist mir unbegreiflich, wie Wilhelm (S. 262) erklären kann: „ I n dem Beschlüsse der Milesier wird ro yiqcpiafia ro ex IJavicoviov XVQCOdev edo£e rcöi dr/fiou ävayQ/iipai eig ro drjfioaiov ebenfalls auf eine besondere Aufzeichnung, nicht die bloße Übergabe an das Archiv zu beziehen sein." Wenn dann Wilhelm aber fortfährt: „doch ist zuzugeben, daß in dem Beschlüsse der Ioner Z. 17 aneveyxelv de exäarovg rcov ßovAevrwv rä eyveoo/ueva "Iwaiv eig räg Idiag nöXeig, öncog VTcdQ'/r/i ev rolg drjfioaioig ävayeyoafifieva rä eyvcoafieva vnö 'IWVCJV zunächst [!] von dieser verstanden wird", so ist hier derselbe bezeichnende Zwiespalt zu konstatieren wie oben. Wenn also Wilhelm selbst zugibt, daß in dem Beschlüsse des Ionischen Bundes die Worte: oncog vnäq'/rji ev rolg drjfioaioig avayeyqafijjieva rä eyvcoafieva vno 'Ichvcov von der Übergabe an das Archiv verstanden werden, so muß es wundernehmen, daß er eine ganz parallele Wendung, die von ihm in der Inschrift IG X I I 7, 67 (Amorgos) treffend ergänzt worden ist, anders deuten will. Hier lauten die Zeilen 81 ff. in seiner Ergänzung: wfioXöyrjaav de ' Aqxeaivelg ävayeyQafifievrjv nage%eiv riqvde xijv avyyQauprjv ev 'Aoxeaivrji ev re rcöi dfjfx[oai]co[i xal ev rä>i l]ep[ö)i rrjg "H]gag eaarr\krji XiMvrji, hierbei sind die Worte ävayeyQafi/ievrjv naQe%eiv von Wilhelm gesperrt gegeben und mit dem Zusatz „(so!)" versehen. E r f ä h r t dann fort (S. 259): „Daß der Schuldvertrag im Archive oder bei Dritten erliegt, ist selbstverständlich; sicherlich wird

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von den Leuten verlangt, daß er wie im Heiligtum auf einer Stele, so auch sv tco6 Örj/ioaioji öffentlich sichtbar aufgezeichnet sein soll." Hier muß ich zunächst wiederum der Meinung von Wilhelm widersprechen, daß Selbstverständliches nicht gesagt werden dürfe; das kann nie und nimmer ein schlüssiges Gegenargument sein. Und mit „sicherlich" kann gegen die Parallele in Syll. 3 368 nichts ausgerichtet werden; die Interpretation, die der einen Stelle recht ist, ist der anderen billig. Beide Stellen besagen, daß neben der Aufzeichnung auf Stein eine Aufzeichnung der betreffenden Urkunde im Archiv liegen soll, nicht zur öffentlichen Kenntnis (das würde, wie sich zeigen wird, ausdrücklich gesagt werden), sondern eben als Archivexemplar. Daß eine solche Anweisung gerade in Amorgos das Übliche war, haben wir schon oben bemerkt. Nach den angeführten Beispielen werden wir auch unbedingt Hiller von Gaertringen recht geben, wenn er die Bestimmung in I . P r i e n e 6 4 Z . 9 / 1 0 : xal

äv ravxa

do^rji,

dvayQaipai

ro

iprjcpiofia

dahin deutet, „daß im Falle der Annahme der Beschluß von den e&xaoxai in das Stadtarchiv eingetragen werden soll", während Wilhelm auch hier vielmehr die Absicht einer Veröffentlichung sehen möchte (S. 258). Analog ist auch natürlich in dem Dekret der Msaoyeioi IG I I / I I I 2 1244 dvayoatpai slg ygafi/uaxslov xä hprjcptafiEva zu verstehen (gegen Wilhelm S. 254f. 258) x ). In allen diesen Wendungen hat xo dr/juoaiov bzw. ro yQu/n/iarelov allein die Bedeutung „das Archiv" 2 ), rovg st-eraaräg

sig ro örjjuoaiov

*) Ebenso auch z. B. in dem Orgeonen-Beschluß IG II/III 2 2501 20 : dvayßdipai de raaSe rag avvdrjxag rovg ¡xiv OQye&vag eig ro xoivdv ygafifiareiov. Ich zweifle auch nicht, daß mit der xoivä mvaxig der avvodog rä>v Kogayäv in Mantinea (IG V 2, 265 46 ) das Vereinsarchiv bezeichnet ist und nicht „das schwarze Brett des Vereines", wie Wilhelm S. 254 meint. Dieser selbst zitiert S. 244 aus Vereinsinschriften aus Pantikapaion einen Beamten eni xfjg mvaxidog, „einen Schriftwart". Natürlich ist damit das gesamte Archiv gemeint, für das Schwarze Brett bedurfte es keines eigenen Beamten. Nicht anders sind die attischen yga/j,fiarelg oi Eni rolg drjfioaioig ygafifiaaiv (IG II/III 2 12016) zu beurteilen. 2) Der Weg, auf dem das vieldeutige Wort ro örj/töoiov auch zu dieser Bedeutung gelangt ist, ist der gleiche wie bei rö ao'/elov, vgl. R. Dareste, BCH

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so wie in IG IV 2 1, 63 Z. 8: rovtcov Ôè âvriyqaxpa ânoôéôœxe elç xo ôa/Liàaiov, Syll.3 672 Z. 30/1 : xaraêévra> ôè zo/u fièv ëva nivaxa êv rov vaov, rov ôè ëva nivaxa êv xo ôa/j.oaiov yga/u/uazeiov1) u. a. oder, um. auch zwei Belege aus der Literatur zu bringen, bei Demosth. XVIII 142: ygafi/uara sv r ö Ôr^oaio) xei/ieva und Dio Chrys. X X X I 53: TOVTCOV nâXiv êv reo Ôrj/ioaiqj xei/tevcov2). Wenn wir nunmehr zu der Formel âvayodipat elç rà èrjfjLoaia y^dfifiara übergehen, beginnen wir auch hier wieder mit der schon oben behandelten Inschrift OGI 229. Hier wird in dem zweiten Beschluß von Smyrna Z. 107 die Anordnung gegeben: ro ôè ipijaav oi TIQVXavetg sig xä örjfioaia ygd/n/nara' ofioimg de xal xovg änobei'/ßhxag ¡leXe8covovg xaxaxcoQi^excoaav elg xä drj/uocna yga/i/naxa. Das mag genügen. Mit der Feststellung der wahren Bedeutung der Wendungen avayQayiai elg xo öfjfiöaiov und elg xä drjfioffia yQa/i/j,axa ist zugleich bewiesen, daß die „selbstverständliche" Aufzeichnung der Urkunden im Archiv, ich will nicht sagen: überall und in allen Fällen, aber jedenfalls überaus häufig ausdrücklich angeordnet ist. Und genau das gleiche gilt für die Publikationsweise, auf die die besondere Aufmerksamkeit gelenkt zu haben das bleibende Verdienst von Wilhelm ist, nämlich die Aufzeichnung einer Urkunde auf einem Xevxa>/j,a oder einem xol%og. Sie findet sich in einer Vielzahl von Fällen, besonders in Milet, erwähnt, aber wir stimmen Wilhelm ohne weiteres darin zu, daß sie eine „auch ohne ausdrückliche Erwähnung vorauszusetzende Ü b u n g " (S. 284) gewesen ist. F ü r den modernen Betrachter mag die Inkonsequenz, die ihm hier entgegentritt, wenig erfreulich sein. Aber da gilt es, stets im Auge zu behalten, daß wir mit unseren Feststellungen j a allein auf den Steinurkunden fußen, die in den meisten Fällen die Originalurkunden nur in gekürzter Form wiedergeben. Und weiter kann nicht nachdrücklich genug betont werden, wie mißlich es ist, bei der Betrachtung gerade des griechischen Urkundenwesens die strengen Maßstäbe des modernen Urkundenwesens anlegen zu wollen. Davon wird noch im zweiten Teile unserer Ausführungen zu sprechen sein.

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W a s n u n die Aufzeichnung auf einem ?.EV>CO)/MI anbetrifft, so m u ß hier einem Zweifel von Wilhelm begegnet werden. E r sagt nämlich S. 274: ,,ob Xevxpixaxa ü b e r h a u p t u n d in wie weit sie neben P a p y r u s zu dauernd a u f b e w a h r t e n Aufzeichnungen in den Archiven'verwendet worden sind, wird weitere U n t e r s u c h u n g zu ermitteln h a b e n ; daß die Verwendung des P a p y r u s in Griechenland schon im f ü n f t e n J a h r h u n d e r t ganz gewöhnlich war, zeigt W . Schubart, Das B u c h S. 29ff. £ t l ). Gewiß, aber S c h u b a r t b e t o n t auch mit R e c h t , daß P a p y r u s stets teuer war, u n d dieser U m s t a n d allein schon m a c h t es im höchsten Grade wahrscheinlich, d a ß m a n sich in der griechischen Welt in m e h r oder weniger großem U m f a n g der billigeren Holztafeln auch f ü r Archivu r k u n d e n bedient h a t . Aber die Inschriften beweisen es auch selbst. E s k a n n wirklich nicht deutlicher gesagt sein als in der schon oben zitierten delphischen Inschrift Syll. 3 672 2 ). Hier ist Z. 28ff. von Aufzeichnungen auf zwei mvaxeç XeXevxoyfiévoL die Rede, u n d es heißt d a n n : xaxaûévxu) ôè xò/j, /uèv èva Jtivaxa èv ròv vaóv, ròv ôè ¿'va nivaxa èv rò òafióaiov yga/i/iaxelov. Ebenso wird in der I n s c h r i f t I . Délos 509 Z. 29ff. angeordnet: àvayQmpavxeç siç trjv aaviôa, oë xal rà Xoinà yodfifiaxa, naqaôôxmaav eiç xò òrjfjióoiov trji ßovArji (in Delos b e f a n d sich das Archiv i m Buleuterion, s. u.). I n dem Beschluß von Laodikeia a m Lykos zu E h r e n der von Priene geschickten Schiedsrichter wird die Aufzeichnung auf einer Stele in dem Heiligtum der Athene in Priene veranlaßt, u n d f ü r Laodikeia selbst folgt die Anweisung (Z. 35): rovç òè è^eraaxà[ç âva]ygdyiavraç avrò (sc. rò ìpr/cpia/ua) eiç AevxcofÂ,a êelvai èv rœi 'AQ[T£fiiôo]ç êr]aavQ(ô[i]. Dazu f r a g t Wilhelm S. 250: „Soll d a m i t n u r die jedem rechtmäßig zustande gekommenen Beschlüsse zuteil werdende A u f n a h m e in das Archiv ausgedrückt sein, das d e m n a c h in dem ûrjaavpoç der Artemis u n t e r g e b r a c h t gewesen wäre, oder wünschen nicht die Laodikeier ihrer D a n k barkeit dadurch Ausdruck zu geben, daß der Beschluß auf einem 1 ) 2. Auflage S. 15; vgl. auch denselben, Einführung in die Papyruskunde S. 36 und E E X V I I I 2,1117. 2 ) In verbesserter Lesung G. Daux, Delphes au II e et au I er siècle S. 686ff.

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Kevxmfxa aufgezeichnet u n d a n heiliger S t ä t t e hinterlegt wird ev tcöi 'Agrifudog •&rjaavQÜ>i, womit a u c h - - n i c h t das I n n e r s t e des Gebäudes gemeint zu sein b r a u c h t ? Auch ist m i t dieser A r t d e r Aufzeichnung keineswegs ausgesprochen, d a ß es sich bloß u m eine Veröffentlichung h a n d e l t " , u n d er deutet - die Möglichkeit eines Weihgeschenkes an. I s t es wirklich Befangenheit, w e n n ich den v o n Wilhelm bevorzugten E r k l ä r u n g s v e r s u c h als völlig abwegig bezeichne u n d allein die erste E r k l ä r u n g als die n ä c h s t liegende gelten lasse? W e n n in der I n s c h r i f t aus T h e b e n a n der Mykale I . Priene 361 ü b e r die E r n e u e r u n g der alten Grenzen gesagt wird: [o öelva] 'AQIGTOUBVEOQ algefielg vito xo [ÖR//J,o] dnox.axeaxr\ae xovg ogovg [ex xwv] Xevxco/Ltaxcov, so k a n n es sich doch bei den Xevxd)fiaxa nicht u m öffentliche Aushänge handeln, sond e r n u m im Archiv deponierte Aufzeichnungen 1 ). U n d ich zweifle a u c h keineswegs, d a ß ex xa>v Xevxoj/idxojv in Syll. 3 644 l s ebenso zu v e r s t e h e n ist, obwohl Wilhelm S. 273ff. sich b e m ü h t , sie als die v o r ü b e r g e h e n d aufgezeichneten ävayQwpai der V e r h a n d l u n g e n des R a t e s u n d der Volksversammlung zu erklären 2 ). F e s t s t e h t also, d a ß die Aufzeichnung auf einem Xsvxco/jia, deXxog, aavig usw. nicht i m m e r n u r die F o r m einer v o r ü b e r gehenden Veröffentlichung gewesen ist, sondern a u c h v o n v o r n herein als Archivexemplar b e s t i m m t gewesen ist. U n d a u c h was die Aufzeichnung auf einem xol%og angeht, so k a n n es sich, wie Wilhelm gezeigt h a t (vgl. v o r allem S. 325f.), sowohl u m eine v o r ü b e r g e h e n d e auf aXeicpo/zevoi xolyoi wie a u c h u m eine d a u e r n d e d u r c h Einmeißelung handeln. Bei weitem häufiger w a r sicherlich 1 ) So hat auch der Herausgeber, Hiller von Gaertringen, richtig verstanden: „Nach einer Zeit der Verwirrung wird der alte Zustand aus den Archiven wiederhergestellt." 2 ) Zu welchen, ich kann nur sagen: gekünstelten Interpretationen sich Wilhelm gedrängt sieht, zeigen die Schlußworte dieser seiner Ausführung: „An sich zeitlich begrenzter Geltung bestimmt, mögen dann solche ävaygatpai vor ihrer Tilgung wieder abgeschrieben, mit früheren in Abschrift vereinigt, im Archive aufbewahrt worden sein und Bücher gebildet haben, die EH RÄ>v Xevxwfiarwv entstanden, vielleicht auch selbst noch als XevxA/xara bezeichnet werden konnten, obgleich sie es in dieser Form nicht mehr waren."

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die erstere A r t , u n d wir werden berechtigt sein, bei j e d e m Archiv, d a s doch in der Regel i m B r e n n p u n k t der S t a d t lag, einen d a f ü r b e s t i m m t e n xol%og vorauszusetzen. Jedenfalls zeigen u n s d a s A n o r d n u n g e n aus Delphi: ávayqáxpai de xo fiév yárpLafia xóds rav jcóXiv sv TOM ÍEQWI xov fteov, xäv ov ist, das in der Inschrift SEG X I I 259 einem Privatmann anvertraut wird (unoxídEfiai /iíav /iév wvfjv elg xa dr¡¡uóoia xäv Asfap&v nóXecog ygá/iftaxa xaxá xóv xfjg nókecog vó/xov día xov yga/j.axécog Avaifiáxov, éxégav