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German Pages 33 [66] Year 2022
Bemerkungen über
die
asiatische
Cholera.
Mitgetheilt
in
einem
Berichte
über
das C h o l e r a - H o s p i t a l No. I. zu
B e r l i n , von
dessen
i l i r i g i r e n dem
Dootor
Arste
Romberg.
(Besonders abgedruckt aus HufelantPs und Osann'.i Journal d. prakt. Heilkunde Februar-Heft 1832.)
Berlin, G e d r u c k t bei
G.
1832.
und
v e r l e g t
Reimer,
Vorgelesen in der Medicin. Chirurg» Gesellschaft den 10. Februar 1832.
Ali lauf eines fünfmonatlichen Zeitraumes, in -welchem unsere Stadt von der asiatischen Cholera heinigesncht worden ist, dürfte es von Interesse s e y n , die darauf sich beziehenden wichtigeren ä r z t lichen Beobachtungen und Forschungen kennen zu lernen, und so glaube auch ich meinen Berufsgenossen .durch diese Mittheilmig nützlich zu werden, welche Ergebnisse- einer grofseu Hospitalpraxis (fast des fünften Theils siimmtlieher Cholera - Kranken Berlins) enthält, und vor allem iinUirgetreue, w a h r hafte Schilderung des Gesehenen als gröfsten Vorzug erstrebt.
A 2
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4
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Summaris che Lieb er sieht der vom 6. September 1831 bis 31. Januar 1832 in das Hospital JVo. I. aufgenommenen Cholera - KranTien. Die Zahl der von mir behandelten Cholerakranfeen beträgt 414. *) Von diesen sind männlichen Weiblichen Gestorben sind
Geschlechts 211. — — 203. Genesen sind
mfinnl. 149
mannt.
weiht. 123
weibl.
80
62
142.
272. Und zwar: Im
Monate
Im Alter fon 1 — 1 0 Jahren _ 11—20 - 2 1 - 8 0 — _ 31-40 — 41 — 50 — 51 — 60 — __ ( ¡ 1 — 7 0 — _ 71—80 — ^ SL—9Ü —
. . . . . . .
.
September starben tnännl. weibl. 4 4 7 3 10 4 26 13 15 14 10 8 8 •J 1 3 — 1 81
1831 genasen münnl, weibl. — 8 4 — 8 4 7 — 5 6 — 5 5 — 1 5 — — 3 —
60 -
141.
••
_
-
—
35
26 öl.
*) In dieser Zald sind 43 Individuen des Dienstpersonals nicht einbegriffen, die nur an den Prodroinialzufallen der Cholera gelitten haben und schnell wieder hergestellt wurden. Todt wurden fünf, und von andern Krankheiten Befallene 50 nacli dein Hospitale gebracht, so dals die Totalsumme sich auf 512 beläuft.
Im Monate October 1831 Im Aller foil 1 — lOJahriMi — 11—20 — — 21—30 — _ 31 — 4 0 — _ 41—50 — — 51 — 60 — — 61 — 70 — — 71 — 8 0 —
. . . . . .
gemiswi starben limnnj. weibl. männl. weibl 7 9 — 8 5 3 — 5 3 3 7 6 — 3 5 7 13 11 — 5 8 8 10 6 — 6 10 — 4 — 6 8 — 1 I 1 — 1
.— 52
56
-
108.
Im
38
24
62.
Im Monate November 1831 sförbe»frenasen Alter
toh 1 — lOJalireu — 11-20 — 21 30 — 31—40 — _ 4 1 - 5 0 — — 51 — 60 „ 6 1 - 7 0 — - 7 1 - 8 0 —
männl. weibl mSiuiL weibl. — 2 — 2 1 — 2 — 1 I — — 2 1 2. 3 — . 3 4 3 — 1 . 5 2 — _ 1 — 1 — — — — . 1 1 — — . .
. —
7
15
7
10
22.
17.
Im Monate December 1831 In* Alter \ o i i 4 0 — 5 0 Jahren _ 61 — 70 —
starben genasen männl. weibl. niannl. weibl. . — — — 1 — . — — — 1 —
2.
Im Monate
Januar
starb männl. Gescbl. 1.
Im Alter von 3 0 — 4 0 Jahren
Von den
1832
Verstorbenen
wurden 6terbend gebracht starben in den ersten 6 Standen _ _ _ 12 _ _ _ _ 24 _ _ 48 — — — — 72 — — — — 96 — _ — 120 — _ _ _ — 144 — Tagen — — 11 — — _ 14
5 97 63 33 27 15 14
10 4 1 1
2
272. Die Genesenen ( 1 4 2 an der Zahl) brachten 1 9 0 8 T a g e in der Heilanstalt zu, so dafs im Durchschnitt auf jeden 13|- T a g e kommen. Die in der Anmerkung Seite 4 erwähnten 4 2 vom Dienstpersonale konnten nach Verlauf dreier T a g e wieder ihren Dienst antreten.
Bild der
Krankheit.
Die unbefangne Beobachtung lehrte mich zwei Häuptformen der Krankheit im Hospitale unterscheiden, wovon ich die eine nach ihrer hervorstechenden Erscheinung, den Ausleerungen, Cholera eccrilica ( J X X Q I V U V , Ausleeren), die andere, nach dem E r -
Im Monate
Januar
starb männl. Gescbl. 1.
Im Alter von 3 0 — 4 0 Jahren
Von den
1832
Verstorbenen
wurden 6terbend gebracht starben in den ersten 6 Standen _ _ _ 12 _ _ _ _ 24 _ _ 48 — — — — 72 — — — — 96 — _ — 120 — _ _ _ — 144 — Tagen — — 11 — — _ 14
5 97 63 33 27 15 14
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272. Die Genesenen ( 1 4 2 an der Zahl) brachten 1 9 0 8 T a g e in der Heilanstalt zu, so dafs im Durchschnitt auf jeden 13|- T a g e kommen. Die in der Anmerkung Seite 4 erwähnten 4 2 vom Dienstpersonale konnten nach Verlauf dreier T a g e wieder ihren Dienst antreten.
Bild der
Krankheit.
Die unbefangne Beobachtung lehrte mich zwei Häuptformen der Krankheit im Hospitale unterscheiden, wovon ich die eine nach ihrer hervorstechenden Erscheinung, den Ausleerungen, Cholera eccrilica ( J X X Q I V U V , Ausleeren), die andere, nach dem E r -
7 lösche» der Arterien- um! Horzjmlsatioii, tupkyvtica noenc. 1. Die Cholera
Cholera
eccritica
bot mir folgende Ziige dar: Häufige Ausleerungen des DarmTcanals nach oben und unten, niemals gleichzeitig, sondern jede für PICII, in längeren oder kürzeren Intervallen, mehrentheils mit prävalirendem Durclifalle. Das Erbrechen erfolgt fast immer «töfsweise, ohne alle Anstrengung, ohne vorhergehendes oder nachfolgendes Ekelgefühl, auf ähnliche Weise wie bei hydroeephalischen Kindern, beim Aufrichten des Kopfes. Der Durchfall findet meistens olme Leibschmerzen Statt. Die erbroclme Flüssigkeit ist verschieden "von der pnrgirten. Die erstere ist von gelblicher oder branner Farbe, mit grauen, schwärzlichen Zasern nud Flocken, öfters mit Kupfersat»«ähnlichen Massen untermischt; die letztere entweder wasserhell, mit weifslichen, granen schwimmenden Flocken, die ihr das Ansehen von Reiswasser geben, oder homogen aschgrau wie Hafergrütze, oder hellgelb mit eingemischter, der Kleie Ahnlichen Substanz, die sich auf dem Boden des Gefiifses ansammelt, und beim Schütteln und Umrühren zum Vorschein kommt. Nur in 2 — 3 Füllen hatte die aus dem Magen cutleerte Flüssigkeit dasselbe Ansehen,. wie die purgirte. In der Geruchlosigkek stimmen beide überein; uur in den Harnausleerongen liefs sich öfters ein fader, dein des Eiweifses zu vergleichender Geruch wahrnehmen. Gegen das Lackinuspapier reagirten gewöhnlich die gebrochue und purgirte Flüssigkeit sauer; so werden auch mehrere blecherne BrechiiiLpfe und Stechbecken aufbewahrt, wo durch die in jenen Stoffen enthaltnc Säure das Metall angegriffen worden ist , und ein dem Moire tnelalti-
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ue ähnliches Ansehen darbietet. Eingetröpfelte Submatsolution präcipitirte mehreremale Eiweifslloeken ans der wasserhellen oder aschgrauen ex ano entleerten Flüssigkeit. — Wie freqnent und copiös auch die Ausleerungen eeyn mochten (wiewohl die purgirten Stoffe in letzterer Hinsicht den erbrochnen nachstanden), niemals sah ich die Kranken, 'welchen Alters Und Geschlechts sie auch waren, dadurch in einen ohnmachtähnlichen Zustand verfallen.
Schwäche der Herz - und u4.rterienpulsation. Die letztere ist am Handgelenke oft so klein und fadenförmig, dafs sie bei etwas stärkerem Fingerdruck sofort verschwindet, und es einer geübten Hand bedarf, tan den Puls noch fiilJen 211 können, was Ton so gröfsererWichtigkeit ist, weil es, nach meiner Ueberzeugung, keine andre Krankheit giebt, in welcher dem Pulse ein so entschiedner seiniotischer Werth beizulegen ist, als die Cholera. Die Frequenz variirt von 8 0 — 1 0 0 — 120 Schlägen, je nach, dem Alter, Geschlecht und Constitution der Kranken, doch ohne Exacerbationen, so dafs am Abend dieselbe Zahl der Pulsschläge sich darbietet wie am Morgen. Der Rhythmus ist, wenige Fälle ausgenommen, gleichmäfsig, und selbst in diesen wenigen, s> B. bei einer an hysterischen Zufällen vor dem Ausbruch der Cholera leidenden Wittwe, zweifelhaft, ob nicht die Ungleichheit und Interinission des Pulses bereits längere Zeit vor der Krankheit Statt gefunden hatte. Das Yerhältnifs des Pulses znr .Respiration ist normal; drei bis vier Schläge auf den Atliemzug. Die beim Aderlafs geöffneten Venen lassen träge ein dickes, schivarzes Blut anströpfeln, welches beim Gerinnen nur sehr wenig Serum absetzt, und dessen Blutkuchen klumpig, nnd schmutzig -glänzend ist.
Die Respiration ist in der Mehrzahl der Fülle ruhig, leise, nud so oberflächlich, dafs sie kaum zu bemerken ist. Die ausgeathmete Luit kühl. Schwäche vnd Iilanglosigkeit der Stimme, •welche jedoch bei Einwirkung schmerzerregender Eindrücke vernehmlich und laut wird. Verminderung der Wärme, verschieden der Extensität und Intensität nach. Ain stärksten zeigt sich die Kälte in den prominenten Theileu des Körpers, in der Nasenspitze, den Wangen, Ohren, Händen, Füfsen, in der Znnge und Mundhöhle; minder stark in der Achsel- liud Weichenhöhle, den Oberarmen und Schenkeln ; niemals in der Stirn und den Rumpfwänden, zumal den Banchdeclcen, wo mehrentheils die Temperatur von der normalen nicht nur nicht abweicht, sondern selbst einen höheren Grad behauptet. Hemmurig spiration. Die anzufühlen, und Unterleibe leicht gere Zeit bey. Starker Getränk.
der Urinabsonderung und TranHant ist trocken, welk und teigigt behielt die besonders am Halse und aufzuhebenden pastösen Falten län-
Durst,
mit Begierde nach kaltem
Schmerzhafte Muskelcontractionen, besonders der Waden, seltner der Zehen, Finger und Hände, die bald häufiger, bald seltner sich einfinden. Gesichtsausdruck, karakteristisch durch das Zurücksinken des Auges, durch das Anfwilrtsrollen der Augäpfel bei vou einander klaffenden Augenlidern , wobei gewöhnlich das untere Segment der Hornhaut sichtbar bleibt, und durch das Hervortreten der Wangenknochen, wodurch in markirten Fällen das Gcsicht etwas Mongolcjuwliges bekommt.
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Es ist demnach ein grofser Irrtiiuiu oder Mifslnwuii, wenn IIIM.II das Cholera Gesicht eine facies hippocratrca nennt. Der wesentliche Zug des letzteren, das durch Zusammenfallen der Nasenflügel, Spitzwerden der Nase, ein durch Lähmung des respiratorischen Gesichtsnerven (des Nerv, facialis) bedingter Zustand fehlt dort ganz und g a r ; auch sind die Schläfcn selten eingezogen. Gesichtsfarbe lilafs, am braun sehattirt oder liridc. Bewufstseyn
unteren
Angenlide
frei.
Die Functionen der Sinne, mit Ausnahme l i stigen Ohrenbrausens uud öfters erschwerten Gehörs, ungestört. Das Gefühl normal, aufeer dttfs die Kranken, mit wenigen Ausnahmen, die Külte des eignen Körpers nicht empfinden, häufig sogar eine vermehrte Wärme, und die Neigung haben sieh aufzudecken. Ungestörte Thcäigkeit der willkilhrlichen Muskeln, Die Kranken haben mehrenthäb die Kraft sich aufzurichten , und die Glieder frei nach allen Richtungen hin zn bewegen. II.
Die Cholera
asphyctica
gab sich mir in folgenden Merkmalen zu erkennen. Pulslosigkeit, vorzüglich in den vom Herzen entfernteren Arterien, namentlich der Extremitäten, während die Carotiden dem genaufüblcndeii Finger ein leises Beben oder Pulsiren,darbieten, der Herzschlag hingegen selbst mittelst des Sthetoscops gar nicht oder nur undeutlich und schwirrend 'gehört wird. — Nachblutung aus Blntegelsticheu erfolgt niemals wahrend des Bestehens der Cholera. Auch Schnittwunden bluteu uicht, und haben ganz das Ansehen, wie die an einem Cadaver gemachten.
Untergang der Wärme, ausgenommen in d^i Ruinpfwänden, zumal den Baitcli
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1 —
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Männl. Weibl,
13 14 17
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43
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28 17 15 2
14 6 10 27 25 19 17 4 1
Hieraus geht h e r v o r , dafs im kindlichen Aller die Heilbarkeit und Tiidtlichkeit der Krankheit beim männlichen und weiblichen Geschlechte gleich i s t ; in dem Alter von 1 0 — 3 0 Jahren das Heilungsverhiiltnifs fiir das weibliche Geschlecht glinstiger i s t ; zwischen 3 0 — 4 0 wiederum fiir beide gleich; zwischen 4 0 — 5 0 fiiir das weihliche etwas günstiger; zwischen 5 0 — 6 0 fiir dasselbe auffallend hesser, dahingegen zwischen 6 0 — 7 0 dem luiinnlicheu G e schlecht ein grofser Vorzug zu Theil wird, da von 1 7 Frauenzimmern kein einziges, von 2 0 Männern dieses Alters fünf wieder hergestellt worden siud, Dem Alter Constitution in perbeschafleuheit schont w i r d , so
und Geschlecht zunächst kommt die Betracht. Wiewohl es keine K ö r g i e b t , welche VOM der Cholera versiud doch, nach lueiucr Erfahrung,
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die kriiflfgen, lebenstliätigen Constitutionen ihr mehr ausgesetzt als die schwächlichen , worauf auch die überwiegende Frequenz in dem Alier zwischen 3 0 — 4 0 Jahren hindeutet. Der athletische Bau zeigt eine grol'se lleceptivität fiir diese Krankheit und für deren tüdtlicheu Ausgang. Anden! Krankheiten, welche bei den, mit der Cholera behafteten Individuen entweder vorhergegantri'ii oder gleichzeitig vorhanden "waren, wurden im Hospitale nur selten beobachtet. Am seltensten die in Berlin so häufige Pfithisis pulmonaiis, die kaum zehnmal in der grofsen Zahl von Cholerakrankeu angetroffen wurde. Eiue Cemplication mit Hydrops (zwei Fälle von Balgwassersucht der Milz und des Eierstocks ausgenommen) mit organischen Unterlt iliskrankheiten, mit Paralysen kam nicht vor; dahingegen mehrcrcmnl mit inipetiginüsen Aifectioiicn und alten Ftifsgescliwiiren. Fälle von fieberhafte« oder entzündlichen Krankheiten, die mit der Cholera coexistirteu, waren so überaus selten, dafs ich sie als Ausnahme betrachte. So war bei einem sechsjährigen Mädchen mit der asplijctischeii Cholera eine Bronchitis vorhanden, und beide Krankheiten wichen der Anwendung einer Yenaesectiou und starker Hautreize. Bei einem achtjährigen bereits Feit einem halben Jahre an einer intermittens tertiana leidendun Kinde trat während des Bestehens der eccritischeu Cholera der Frost ein, allein ohne darauf feigende Hitze und Schweifs, das erstemal zur bestimmten Zeit, das zweitemal einige Stunden iiiiticipireud; dann kehrte er nicht wieder. Auch diese Kranke wurde vollkommen geheilt. Kurz vorhergegangenen acuten Krankheiten, namentlich interiniltireiider Fieber, thateu mehrere Kranke Erwähnung,
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Nächst den inneren kommen die anfseren Lebensverhältnisse der Kranken uud Anlasse der Cholera zur Betracht»»ff. Die gröfste Zahl der Kranken war ans der gowerblosen Klasse der Einwohner, zu denen ich auch die Arrestanten, Arbeitsliäusler und öffentlichen Dirnen zähle; demnächst ans der arbeitenden Klasse, von denen 5 6 männlichen und 2 6 weiblichen Geschlechts 'waren. Hierunter gehören auch 19 Dienstmädchen und 1 4 Krankenwärter und Träger. Drittens, ¡ms der gewerbetreibenden Klasse, 6 1 Handwerker, 1 4 Schiffer. Viertens, Handeltreibende, 9 im Ganzen, und zuletzt Künstler, nur drei an der Zahl. Die TFohmmgen der Kranken befanden sich sowohl in der Nahe des Flusses oder eines Grabens, als entfernt Tön demselben. Unter den Localen selbst •waren viele Kellerräume, oder enge, von vielen Menschen bewohnte Zimmer, in denen frische Luft wenig Zutritt hatte. Die Nahrung der Kranken war die gewöhnliche der armen Einwohnerschaft Berlins, die sich in diesem Jahre nicht vou der früherer Jahre unterschied. Von mehreren hörte ich zwaj Diätfehler angeben, z. B . den Gennfs blähender Gemüse, untermischt mit starkem Tranke kalten Wassers, den Gennfs dw Heringe, Gurken n. s. f. Wer indessen die Diät der Armen in Berlin kennt, wird auf diese Momente kein so erhebliches Gewicht legen, wie sie es für viele zu haben scheinen. Dahingegen war der Fortgebrauch dieser und ähnlicher Nahrungsmittel nach dem Eintritt der Prodromns-Diarrhöe sehr begünstigend für die Ausbildung und den unglücklichen Ausgang der Krankheit. Dein Trünke waren sehr viele von den Kranken ergchen, nicht blofs Männer, sondern auch Weiber, und dessen
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4ö
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Einflüsse, so wie iilierhanpt dem einer ausschweifenden Leliensweise, lassen sich die ttm Montag und Dienstag; einer jeden Woche zahlreicher als au den andern Tagen erfolgenden Aufnahmen der Kranken in das Hospital zuschreiben. Psychische Anlässe, zumal Gemütlisaffecte, ohne welche fast keiu T a g hei der ärmeren Klasse vergeht, waren bei vielen unserer Krauken vorhergegangen. Einige erwähnten auch eines Ekels, den sie heim Anblick kranker Stubengenossen, besonders jener Ausleerungen empfunden hätten. . Als das wichtigste begünstigende Moment für die Aufnahme tind Entwicklung des Cholera- Contagiums betrachte ich jedoch die herrschende Krankheitsconstitution, die sich mit ihrem gastrischen Karakter bereits längere Zeit hier gehalten hatte. Hierdurch wurde die Cholera in Berlin zur epidemisch -eontagiöseu Krankheit, auf ähnliche Weise •wie z. B. bei der Herrschaft einer catarrhalisehen Constitution die Masern sich allgemein verbreiten; allein wie man mit Unrecht in diesem Fälle die'gjeichzeitig vorkommende Oryza, Angina identisch mit den Murliitlen halten würde, so wenig dürfen die im verwichsen Herbste vorgekommenen gastrischen Airectiouen, Coliken, Durchfälle u. s. f. für Bruchstücke der asiatischen Cholera gelten. In einer solchen Zeit zeigen sich auch gewohnliche europäische Brechdurchfälle, untermischt mit asiatischen, allein die allgemeine Bestürzung raubt dem Beobachter die Unbefangenheit, so wie auch durch diese Verwechslung manche Heilmittel zu einem unverdienten Kufe gelangt seyii mögen. YVo eine solche Constitution nicht prävalirt, wird die Cholera als sporadischrontagiöse Krankheit erscheinen, wie dies in vielen Ortschaften, und selbst bei uns beobachtet werden konnte, als gegen Ende Dezembers und im Januar
47 die gastrische Diathese der inflammatorischen zu weichen anfing. Behandlung. Die Aufstellung gewisser Normen in der Behandlung, die in einem jeden Lazareth erforderlich i s t , dürfte in einem lediglieh für Cholera-Kranke bestimmten Hospitale um so gerechtfertigter sejn, denn es giebt wolil keine Krankheit, welche schon in den ersten Stunden nach ihrem Ausbruche die Individualität so verwischt, die Menschen, wenn ich mich dieses Ausdruckes bedienen darf, so homogenisirt, wie die Cholera, besonders die asphvctische F o r m , daher es auch im Allgemeinen weniger Modificationen in der Therapie bedarf. Andererseits alter gehört die Cholera zu den Krankheiten, nimmt vielleicht die erste Stelle unter ihnen ein, wo Besonnenheit und Raschheit in gleichem Grade bei den Crsten Hülfsleistnngen uothwendig sind, so dafs es nicht der Willkühr jüngerer noch uuerfahrner Assistenzärzte überlassen bleiben d a r f , die Behandlung der Kranken nach Gutdünken einzuleiten. Jene Heilnormeu indessen konnten erst dann von mir festgesetzt werden, als der gewaltige Eindruck da- kolossalen Krankheit, der auf mich so bedeutend wirkte, dafs jede andere nicht so schwere Krankheit mir zwerghaft gegen die ^Cholera erschien, einer nüchternen nnd vorurteilsfreien Beobachtung Platz machte. Als Grumlindicatiou stellte ich: Erregutig des peripherischen Nerven - und Gefäjssystems, um dem paralysirenden Einflüsse des Krankheiisgifles auf das Blut und auf die Nervengefiechte der Cenlralorgane der Digestion und Hämatose zu entgegnen. Als das allgemeinste Mittel wir Erfüllung dieser Indicatiou bot sieb mir
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I. Das warme Bad dar, von Welchem ich mir im Voraus viel versprochen hatte, and das ancli im Allgemeinen meine Erwartungen gerechtfertigt hat. Gestützt nnf englischer Aerzte Empfehlung der sanern Bäder und Waschungen in tropischen Leber lind Darinkrankheiten, verordnete icli zn jedem Bade einen Znsatz von jicidum muriaiieum und nitricum, ana 3 — 6 Unzen , und bestimmte die Wärme des Wassers auf + 30° R . , die späterhin um drei Grade verringert "wurde, weil den meisten die Hitze zu grofs und beschwerlieh war. Die Dauer des Bades wurde auf 10 — 1 5 Minuten bestimmt. — Die sofort sichtbar werdende peripherische Reizung ist beträchtlich die Haut, besonders der Rumpfwände, wird gerothet und warm. Nach Erfordernifs der Umstände wird ein solches Bad binnen 2A Stunden ein oder mehreremal wiederholt. Obgleich, wie bekannt, Leute niederen Standes und Kinder, wegen der Ungewohnheit einen Widerwillen gegen Bäder haben, so fühlten doch die meisten Cholerakranken, wenn sie sich auch Anfangs sträubten, im Bade Erleichterung, und besonders einen Nachlafs der krampfhaften Zufälle. Höchst selten sah ich eine solche Beklemmung der Brust dadurch entstehen, daf» mau gezwungen wurde, den Kraulten aus der Wanne wieder herauszunehmen. Da ich es zum Gesetz gemacht, keinen Agonisirenden, wie sie so oft nach dem Hospital geschickt •wurden, zn' baden, so haben wir anch keinen Fall Von im Bade erfolgten Tode gesehen. — Unter allen Mitteln ist das warme Wasserbad dasjenige, welches sich mir als das unschädlichste, und in vielen Fällen wirksamste gezeigt hat, und von allen Mitteln ist es das einzige, dessen Gebranch ich bis zuletzt baibehalten habe.
II.
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II. Das Dampfbad, geeignet die oben aufgestellte Iudication noch energischer zu erfüllen, erregte nach den aus Indien und Rnfslaml überkommenen dringenden Empfehlungen, grofsc Erwartung, zumal da mau gewohnt war, Schweifs als die einzige Crisis der Cholera zn betrachten. Ich habe es in mehreren hundert Fallen in Gebrauch gezogen, und gebe folgende Bemerkungeil als Ergebnifs meiner E r fahrung : 1) Die trockne Hitze war den Kranken listiger und luftbeengender als die feuchte, daher die Entbindung der Wasserdämpfe aus dein Schneider sehen Apparate in dem Hospital etets angewandt •wurde. 2) Nur sehr wenige Kranke fühlten sich im Dampfbade erleichtert, und fast alle klagten über ein sehr peinliches Gefühl der, an die Füfse dringen» den Hitze. Die von der asphyctischen Form befallenen , besonders die athletischen Constitutionen, litten am meisten, viele in einem solchen Grade, dafs sie wegen zunehmender Oppression nur wenige Minuten iin Dampfbade aushalten konnten. Die Kranken mit der cccritischen Form vertrugen es im Allgemeinen besser. 3) Die peripherische Wiirme verflog nach dem Dampfbade eben go schnell wieder, wie nach dem "Wasserbade. Bei den Asphyctischen kam es nicht einmal in dein Dampfbade zur Wärmebildung. Nor der in Tropfen auf die Hant niedergeschlagne W a s serd nnst war warm; unter demselben fühlte sich die Haut wie ein kaltes Leder an. 4) Bei mehreren Kranken schnell nach dem Dampfbade.
erfolgte de» Tod
Sowohl diese Thatsachen, welche sich friuf Woehen hindurch immer mehr nnd mehr bestätigten, D
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ais hauptsächlich die wichtige Beobachtung, dafs die cinniitl ausgebildete Cholera sich fast niemals durch Schweifs entscheidet, bestimmten mich d a z u , den Gebrauch des Dampfbades aufzugehen, nnd ich habe es nicht bereuet. Die spätere E r f a h r u n g hat mich belehrt, dafs an der Heilung der eeentischen F o r m , besonders der leichteren G r a d e , die Dampfbäder keinen T h e i l hatten, weil jene ohne diese eben so rasch nnd mit greiserer Euphorie zu Stande k a m ; wohl aber h a b e ich Grund 7.11 vernmthen, dal's sie in vielen Fallen den unglücklichen Ausgang- befördert lind den T o d qnaalvoller gemacht haben. I I I . Frictionen führte ich als e i n , in keinem F a l l e zu unterlassendes Mittel a u s doppelten G r ü n den e i n , theils als excitans der peripherischen G e iafs - und Nervenaotion, theils als calmans der Muskel contra ction en. Im Anfang wurden sie mit einiger G e w a l t , milteist Frottirens und Bürstens vollc o g e n , und Einreibungen aromatischer spiritnttser Flüssigkeiten waren an der T a g e s o r d n u n g . Späterhin überzeugte ich m i c h , dafs gelinde Frictionen mit der blofscn H a n d in jeder Hinsicht vorzuziehen sind. IV. Hautreize, sowohl rubefacienlia, vesicatoria als escharoiica. Unter den erstcren w a ren die mit warmen W a s s e r bi-miesen und mit C a n Iharidentiuktur geschürften Sir.apismen die wirksamsten, insofern sie mehrcntheils nach wenigen M i n u ten eine starke Köihung der liautlääche hervorbrachten. Ich bestimmte die Herzgrube und die entsprechende Rückengegend f ü r ihre Application, nnd liefs sie zu wiederholten Malen binnen 2 4 Stunden a u f legen. Vesicatoria ziehen während des Bestehens der Cholera keine i i l a s e , und sind daher mir in den Nachkrankheiten, wo sie diese W i r k u n g .-.uísei 11, von Nutzen. — In der asphyctischen F o r m nnd
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bei Kinderu, wo die Cholera, wie oben erwähnt worden, von den Zufallen eines Ilirnleidens, Sopor 11. s. f. begleitet wird, zog ich öfters das Cauterium actuale in Gebrauch. Das Gliilieisen, welches auf der Haut eines Cholernkrauken nicht anders reagirt, als auf unorganische StolFe, Leder, Pergament, zeigte iu keinem einzigen Fall einen günstigen Erfolg, obgleich es dein Kranken ein schmerzhaftes Geschrei auspreiste. Dasselbe gilt von der gewöhnlichen Moxa. Dahingegen habe ich öfters gute Wirkungen von der Schnellmoxa gesehen, deren man sich zuerst in Warschau bedient hat. Ein doppelt zusammengelegter linnener Lappen, von der Gröfse der Handflache, wird in Weingeist getaucht auf die Brust oder auf den Bauch gelegt und angezündet. Die Action des Feuers hat man in seiner Gewalt, denn durch Herüberziehen und Aufdrücken der Bettdecke litfst sich die Flamme augenblicklich ersticken. Die Wirkung ist überraschend, besonders bei Kindern, die beim Anblick der auflodernden Flamme schreien uud wach gehalten werden; bei Erwachsenen sah ich öfters die Pericordialaugst danach bedeutend nachlassen. Auch auf den Gebrauch dieser Schnellmoxa stellt sich während der Cholera nur eine Hantröthe ein, niemals eine Blasenbildung, welche dagegen in den Nachkrankheiten zu Staude kommt. Mit diesen auf die Aufsenfliiche des Körpers in Auwendung gebrachten Mitteln suchte ich solche zum inneren Gebrauche zu verbinden, die mir der von der Tv'atur der Krankheit gefafsten Ansicht am besten zu entsprechen schienen. Hier bot sich mir nun eine Wahrnehmung welche durch die zahlreichen Bestätigungen znm fahrungssatze erhoben wurde, da/s nätnlich Hemmen der Ausleerungen in der Cholera
D 2
dar, Erdas den
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t'ödtKchm [Ausgang nicht blofs nicht abwendet, sondern beschleunigt und herbeiführt. Hieriu •wurde ich durch die Betrachtung- der beiden Hanjiiformeii der Krankheit bestärkt: denn in der aspli vctisehen, welche vorzugsweise die tüdtlirhe genannt werden kann, sind die Ausleerungen durch den Dannkanal entweder gänzlich gehemmt, oder spärlich, 6elten, während die cccritisclie, der ich von dem Bestehen lind der Frequenz der Evacuationen den Normen gegeben habe, eine günstigere Aussicht gestattet. Auch zeigt sich in der asphyctisclien Cholera mit Erscheinen der Ausleerungen, zumal des Erbrechens, Besserung oder wenigstens Erleichterung, so wie bei der eccritischen, wenn sie einen tödtlichen Ausgang nimmt, Stockung der Evacuationen eintritt. Dies waren im Allgemeinen die Gründe, welche mich nach einer mehrwöchentlichen Beobachtung bestimmten, den Gebrauch des Darmlähnienden Opium aufzugeben. Die Behandlung wurde nun nach der Forin der Krankheit bestimmt, und nach deren Intensität rnodificirt. I . Behandlung der Cholera eccritica. Für die gelinderen Grade stellte ich, nachdem meine Erfahrung in dieser Krankheit reifer geworden war, als Princip auf: den in diesen Füllen noch regen Natur- Heilungsprocefs walten zu lassen, und ihn nicht durch den Eingriff starker Medikamente zu stören. Denn ich hatte mich überzeugt, dafs diejenigen Mittel, zu deren Lobpreisung ich mich Anfangs leicht verleiten liefs, z. B. die vegetabilischen und mineralischen Säuren, von keiner entscheidenden Wirksamkeit sind, weil auch ohne sie die Kur der gelinderen Fälle zu Stande kommt, und ihr Gebrauch in der schwereren unwirksam ist. — Hier genügten nun ein oder ein
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Paar warme Wasserader, gelinde Frictiouen, reim Luft, kühles Getriink (am besten Znckerwasser), denn die heifsen Aufgüsse von Pfeffermünzkrant oder Chaniillenbliithe, welche man Anfangs in Uebermaais verordnete, sind theils dein Kranken zuwider, theila nutzlos. Deu Genufs des Kaffees und Weins gestattete ich in iniifsiger Gabe. Dieser leiclite Grad der eccritischen Cholera kam jedoch viel seltener iin Hospitale vor, als der schwerere, wo die Reactiou des Organismus sowohl durch die Intensität der Krankheit selbst, als durch Nebeuiinistäude, längere Audauer, Yersänmnifs der Hülfe, geschwächt war. Hier mnfste die peripherische Tlmtigkeit durch kräftigere Mittel geweckt werden , ' und zu diesem Bebufe wühlte ich für den innen! Gebranch Camphor nnd uimmonium. Dem Camphor kommt nach meiner Erfahrung unter allen Medicamenten die gröfste Wirksamkeit iu der Cholera zu; ich kenne kein anderes, welches so schnell die gehemmte Galleuaussonderung und Urinsccretiou wieder iu Gang bringt, und diecirculatorische Thiitigkeit und die damit verbundene Wärmebildung befördert. Rascher geschieht dies durch grol'se als kleine Dosen; so verordnete ich ihu in der ersten Zeit zu 6 — 8 Gran zweistündlich. Allein die Frequenz der typhösen Folgekrankheit, welche ich iu diesen Fällen so oft entstehen und tödtlich enden sah, bestimmte mich, die Dosis auf i — I Gran zu verkleinern. Nichts destoweniger zeigte sich das Cerebralleideu, wenn auch nicht so rapide und so häufig. Die damit verbundene rothe, trockne Zunge, die Empfindlichkeit der Präcordieu, die Spuren von Congestionea und Entzündung im Magen und Dünndärme nach dein Tode, bewogen mich, den Ort der Application für dieses Mittel zn verändern, und ich ging, da die dicken Gedärme stets
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von normaler Beschaffenheit angetrollen werden, (mit Ausnahme der Fälle mit sauguiuolonteu Stuhlgängen) zu den Caniphor-Klvstieren über, anfangs zu § Drachme, späterhin zu \ Skrupel pro dosi. Doch auch hierbei beobachtete ich denselben Erfolg, so diifs nach vielfältigen genauen \ ersuchen mein Urtlieil über die Wirksamkeit des Camphors bei der eccritischen Cholera daliin lautet, dafs j e schneller, hauptsächlich durch grofsc Dosen, er die gesaininte Thatigkeit der GaugliengHlechte wieder herstellt, um so rascher das cousecutive Hirnleiden sielt entwickelt, welches in seiner prognostischen Beziehung fast noch gefahrlicher ist als die Cholera selbst. — Ich habe noch zn erinnern, dafs dieses Mittel 111 nicht wenigen Fällen sogleich wieder ausgebrochen wurde, wo ich alsdann den Gebrauch der Camphorklystiere snbstiluirte. Das Ammonium leistete nichts in den Fällen, •wo man sich auf seinen Gebrauch allein verlassen wollte, Sellien aber als yidjuvans in Form des Liquor. ammon. succin. zu 1 5 — 2 0 Tropfen, stündlich oder zweistündlich gegeben, nicht ungünstig zu wirken. Das Cajcput-Oel war unsicher in seiner W i r kung. In einigen Fallen Sellien es durchaus keinen Vorzug vor dein Cauiphor zu verdienen; in andern Fällen brachte e s , zumal in etwas starker Dosis von 2 5 — 3 0 Tropfen, eine entzündliche Reaction im Magen hervor, so dafs sein Gebrauch wieder ausgesetzt werden mufste. Yon den übrigen versuchten Mitteln verdient eins besondere Erwähnung, die Belladonna, welche mein verehrter Freund, Herr Dr. v. Stosch, in Vorschlag gebracht hat, hiebei von der Idee einer auf den Sympaihicus und Vagus specieller gerichteten Wirkung ausgehend. In vier Fällen lei-
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stete es, in der Gabe von 4 Gran ( R a d i x Beilad.) zweistündlich und liei eintretender Reaction in längeren Intervallen gereicht, treffliche Dienste; besonders war die "Wirkung bei einer 60jiihrigen Frau und hei einem I I jährigen von einem hohen Grade der eccritischen Cholera befallenen Mädchen, überraschend. In andern Fällen, wo der Versuch wiederholt wurde, Miel) zwar der Erfolg ans, indessen verdient dieses Mittel fernere Berücksichtigung und Prüfung. Mit dem Gehrauclie der ehcngcnaiinten Mediraniente wunleu hei höheren Graden der eccritiselien Form die säuern warmen liäder, die Sinapismen, die Fricliouen, und in mehreren Fällen sulzsatire heifse Foiuentiitioueu auf Brust und Uutcrleib zu Hülfe genommen, uud die meisten Geueseuen verdanken iluicn ihre. Wiederherstellung. II.
Behandlung
der Cholera
asphyetica.
Das Wegsterben der von dieser Form befalleneil Kranken bei der öfters mit Erfolg gekrönten ßcliandlungsweise der eccritischen Cholera war Aufforderung genug, auf irgend eine Methode zu sinnen, die noch im Stande seyn könnte, auf irgend eine Art die erlöschende Energie der Herz- und Lungen - Nervengeileehte wieder anzufachen. Vom Riickenmarke aus glaubte ich belebend auf den Sympathicus einwirken zu können; das- Glüheisen, das Strychnin wurde zu Hülfe genommen, — vergebens! Die Thätigkeit der Lungen - und Herznerven bemühte ich mich anzuregen durch Aetherinhalation, durch Knveckung des kleinen Bliituiiilaufs mittelst künstlich erregten Hüstens durch Benzoedäinpfe, — umsonst! Auf das Blut selbst suchte ich endlich hinzuwirken mul wühlte «las Eisen in seiner flüchtigsten Form (Tinct. Ferri acet. aetherea zn
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2 0 — 2 5 Tropfen stündlich) und in fitnf Fällen erfolgte die Heilung, bei dreien vollständig', bei zweien unvollständig, indem zwar die Cholera gehoben wurde, ein conseciitives Hirnleiden jedoch den Tod herbeiführte. Ich setzte die Versuche fort, allein der erwartete Erfolg blieb a n s , so dafs ich, wenn ich mit Kritik vorfahren wollte, dem Mittel nicht jene günstige Wendling zuschreiben konnte. Ich entschlofs mich darauf zur Au Wendling der Kälte in ihrem vollen Umfange, nach Vorgang meines geehrten Freundes, des Herrn Medicinalraths Dr. Casper, dessen Methode, wie er seihst in einem Sendschreiben sie mir zu beschreiben die Güte hatte, wesentlich in Folgendem besteht: „Der entkleidete Kranke wird, hei verzweifelten Füllen in eine ganz trockne, oder gewöhnlich in eine hall) mit Wasser von 2 7 ° I I . gefüllte Badewanne gesetzt, so dafs ihm jedenfalls das Wasser «nr bis au die Brust reicht, diese aber, und wo möglich noch die epigastrische Gegend frei bleibt. Sodann weiden aus miifsiger Höhe, successiv über Kopf, Bücken und Brust aus grofsen Töpfen, später aus Eimern , drei bis vier Eimer eiskalten Brunnenwassers (bei Kindern weniger) übergössen , und dabei aus grofsen Töpfen Anwürfe au Brust uud Magengegeiid mit eiskaltem Wasser gemacht, die so stark seyn müsseii, dafs der Kranke fast davon zurückgeworfen wird. E r wird hierbei zu beiden Seiten von Wärtern an den Armen im Bade fixirt; man stellt sich einige Schritte vom Fufseude der Wanne, iind wirft nuu mit Kraft in horizontaler Richlnng das Wasser au den Körper an, wozu ein bis zwei Eimer Wasser verbraucht werden. Nachdem dies rasch hintereinander geschehen, wird der •Kranke herausgehoben und in bereit gehaltene erwärmte wollene Decken eingehüllt. Gleich darauf
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werden eiskalte Umschläge, Ton in Wasser getauchten und ausgedrückten Handtüchern, Servietten u. dgl. auf Kopf, Brust und Unterleib gelegt, die fortwährend kalt erhalten werden, und die Fiifse mit heifsen nassen Tiicheru eingewickelt, die ihrerseits fleifsig gewechselt werden müssen. — Die Sturzbäder Werden, nach Umstünden, von zwei Iiis vier Stunden wiederholt, die kalten Umschläge T a g und Nacht fortgesetzt, bis der verlorne Puls oder der ganz gesunkene sich wieder herstellt und hebt, die livide Farbe der Haut sich mehr und mehr verliert, und ein peripherisches Leben wieder hervortritt. Den Kranken wird kaltes "Wasser, oder wenn sie es wünschen, kaltes liier zum Getränk nach Belieben gereicht. Bei stockender Darmexcretion werden kalte KJystiere von gleichen Tlieilen Wasser und E s s i g , zuweilen mit Salz geschürft, verordnet. — Der innere Gebrauch von Arzneien fiillt- hierbei weg." *) Auf diese Weise wurden im Monat November vor. J. 2 0 Kranke, verschiedenen Alters und Geschlechts , wovon 1 8 von der asphyctischen, 2 von dem höheren Grade der eccritischen Cholera befallen waren, behandelt. Neun wurden geheilt, eilf starben, demnach ein Genesnngsverhältnifs von 4 5 Proc., welches als ein sehr günstiges betrachtet werdeu innfs. Zwei dieser Kranken gaben mir die Gelegenheit , die asphyctische Form vom Momente ihrer *) Man vergleiche, um sich vollständig Herüber zn belehren, die vor einiger Zeit erschienene gediegene Schrift: Die Behandlung der asiatischen Cholera durch Anwendung der Kälte, physiologisch begründet und nuch Erfahrungen am Krankenbette dargestellt von Dr; J. L. Caspar. Berlin 1832.
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Entwicklung an zu beobachten. Der eine, 2 1 Jahr alt, von kräftigem Körperbau, war iu einem Rxcel's der Trunkenheit nach der Anstalt gebracht worden, iiiict blieb, nachdem er auf Anwendung eines Sturzbades in einen gesunden Schlaf verfallen war, noch 3 6 Stunden im Cholerasaal, um genauer beobachtet zu werden. Schon den T a g zuvor äufserte er seine Besorgnifs, von der Cholera befallen zu werden, dann entstellte sich sein Gesicht; Kälte, Lividitüt und Pulslosigkeit traten ein, die Runzeln entwickelten sich — es -wurde ein Brechmittel gereicht, ohne günstige Wirkung; nun wurde er iiu lauen Wasserbade kalt begossen, erhielt kalte Umschläge auf Brust und Bauch, heifse um die Füfse, und war nach 1 0 Afl'usioneu vollkommen hergestellt. — Der andere, 3 9 Jahr a l t , trat auf der Strafse zu mir heran, und fragte mich wegen eines seit zwei Tagen anhaltenden Durchfalles um Rath. Die Züge der asph)'('tischen Cholera waren schon entwickelt, ich schickte ihn sofort nach dem Hospital, wo sich die Form. binnen wenigen Standen vollkommen ausbildete. Yor meiner Ankunft war befeits ein Camphorklystier in Gebrauch gezogen; die Krankheit schritt ohne Luferbreehung fort, es stellte sich ein inussitirendes Delirium ein; jetzt nahm ich zu den Allusionen meine Zuflucht, und nachdem sieben, zweistündlich eine, in Gebrauch gezogen waren, erfolgte die Genesung, welche durch die Eruption eines grofsen Carbunkels zwischen den Schultern etwas hingehalten wurde. Zwei Knaben, 7 und 13jährig, fast hoffnungslos erkrankt, gaben ebenfalls einen evidenten Beweis von der trefflichen Wirkung der kalten Begiefsnugen. Der eine wurde nach 1 9 , der andere nach 4 0 Aifusionen wieder hergestellt. — Eine besonders günstige Wirkung zeigteu die Anwürfe des kalten Wiissers an die Magengegend und an
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den Rücken, iu«teiii sie sehr oft augenblicklich E r brechen hervorbrachten, und dadurch den Zustand der Kranken erleichterten. Von den eilf Asphyclischen, welche durch die Anwendnng der Külte nicht gerettet wurden, starb nur 1 , eine 35jährige Frau an deiu couseentiveii Typhus. Von den übrigen 10 bekimen 8 schon in den ersten Stunden nach Anwendung der Allusionen blutige Stühle, und waren somit unrettbar dem Tode verfallen *). Diese Frequenz einer im Allgemeinen aeltnereu Erscheinung, da das Vcrliältuifs der Cholerakranken mit saiiguinolcnten Darmausleernugen zu den übrigen in meinem Hospitale sich uugel'ilhr wie 1 : 2 0 gestaltete, ist nach meiner Meinuug nicht zufällig; uud es siud mir später noch zwei Beispiele bekannt geworden, wo ebenfalls bald nach den kalten Airnsionen und Umschlägen die Hiünorrhagie zum Vorschein kam. Dieser Umstand lehrt nns mindestens Vorsicht, und überhaupt bedarf es noch einer längeren E r fahrung, nm über den Werth dieser Methode ein entsprechendes Urtheil zu fallen. Mir scheint das Wirksame hauptsächlich die Erschütterung zu sejn, daher ich ancli die Allusionen für das wichtigere halte, nnd ihnen das Meiste zuschreibe. Ob die kalten Umschläge auf Kopf, Brust und Bauch auch ohne Uchcrgiefsnugeii wirksam siud, ist noch nicht hinreichend ermittelt, daher über ihren Antiieil am Gelingen der Knr bis jetzt der Kritik noch nicht genügt werden kann. *) Diese prognostische Bedeutung der blutigen StuliK gänge in der Cholera bähe ick zuerst festgesetzt, und Herr Dr. Caspet u. haben sie stets bestätigt gefunden.
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Von den Blutentherungen habe ich bisher geschwiegeu, weil ei» Paar Fälle ausgenommen, wo in leichteren Graden der eccritischeu Cholera Nebemimstände ihre Anwendung erforderten, ich niemals eine günstige Wirkung davon gesehen habe, lind auch nicht sehen konnte, da von einer Unze Blut, 'welche man mit der gröfsten Mühe ans der Vene herausprefst, in dieser Krankheit, zumal in der asphvctischen Form nichts zu erwarten ist. Die örtlichen Blntejitzieliungeu, an der Stirn oder in der Nahe der Kieferwinkel, haben sich bei Kindern, deren Gehirn im Cholera-Anfall meistens afficirt ist, als Unterstützungsmittel der Kur wirksam gezeigt. Ein desto cnfschiedneror Werth kommt den allgemeinen Blutentleeningen in I I I . Behandlung
der
Cholera-NacKkranldieiten,
besonders der das Gehirn betreffenden, zu. Hier leistet die Venaesection, bei den ersten androhenden Merkmalen sofort in Gebrauch gezogen, das ineiste. Oft nahm ich schon dazu meine Zuflucht, •wenn des Kranken subjektive Empfindung Ton seinem Befinden iii einem grellen Widerspruch mit der vorhergegangenen Krankheit und den übrigen E r scheinungen stand, sobald er mir eine ungehörige Euphorie mit verändertem lauten Klang der Stimme lobte. Die Iujection der Conjunctiva, die Rothe des Gcsichts, die Hitze der Stirn, die Trockenheit der Zunge sind noch dringendere Anforderungen; — •werden sie nicht beachtet, "wird dieser Zeitpunkt uuheuiiizt vorübergelassen, oder zum Mifsbrauche von Reizmitteln verwandt, so ist in der Mehrzahl der Fälle der tödtliche Ausgang uinermeidlich. Bildet sich aber trotz frühzeitigen nnd reichliche«
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Aderlasses dcrfiioch das Cerebralleiden a n s , so lasse man sich -weder durch die in den Zügen der Krankheit ausgedrückte und scheinbare Schwäche, noch durch die eingeführte Benennung Typhus von der Wiederholung des Aderlasses abschrecken, denn wer bei Sectionen von der Blutüberfülliing des Gehirns , besonders der, auf der Basis gelegenen Org a n e , der Varolshriicke, des verlängerten Marks 11. s. f. in solchen Fällen Zeuge gewesen, wird niemals die Anwendung, wohl aber die Versäumnifa der Blntentleeruiigen bereuen. Die örtlichen müssen den allgemeinen zn Hülfe genommen werden, ljesonders die blutigen Schröpfköpfe an Hinterhaupt und Nacken. Kalte Fomentationen des Kopfes, kalte UehergiefsungeiL des Kopfes und Rückens in lauwarmem Bade, Vesicatorien zwischen den Schultern , Siuapismen und heifse Umschlage um die F ü f s e , der Gebrauch des Calouiel in Verbindung ipit Rhenm, um die gewöhnlich vorhandene Obstrucfiou zn heben, der Essig oder Asa-foetida-KIystiere um noch kräftiger — auf den Darm abzuleiten; — diese Mittel, nach Umständen modifirirt, habeu sich mir in den Fällen, wo ich diese gefährliche Nachkrankheit der Cholera zn bezwingen im Stande war (unter 5 5 Siebenzehn), ala die bewährtesten erwiesen. Ob der typhöse Conserutivznsfand verhütet werden könne, ist eine F r a g e , deren Beantwortung, nach den bis jetzt vorliegenden Thatsachen, negativ ausfällt. Selbst die kalte Behandlung der Cholera ist nicht im Staude ihn abzuwenden, obgleich er, nach angestelltem Vergleiche, hier seltner sicl^ ausbildet, daher es nngerathen seyn möchte, auch in der eccritischen Forin, selbst in deren leichterem Grade, von Anfang an kalte Fomentationen des K o pfes in Gebrauch zn ziehen.
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Bei den seenndären DarmniFeetidncn, congestiver und entzündlicher Art, reichen im Durchschnitt die örtlichen Blutentleenmgeii ans, und nur in seltnen Füllen, w o ein allgemeiner Turgor einen schnellen Collapsus erforderlich machte, schritt ich zum Aderlafs. Die Application der Blutegel, in gehöriger Z a h l , mnfste öi'ters 2 — 3 mal binnen 2 4 Stunden wiederholt, und durch lauwarme Bader, durch den Gebrauch von Emulsionen , Calomel u. S. f. lu ihren Wirkungen unterstützt werden. Gegen zurückbleibende biliöse Diarrhöen zeigen sich Säuren nnd bittere adstringireude Stoffe, Cascarilla, Columbo, wirksam. IV.
Diätetische
Ilülfsmittel.
Reine Luft im Kraukeu- und Genesungszimmer , von -f~ 1 6 ° ' s t ein Ilaiipterfordernifs. Demnächst bedarf es einer höchst sorgfältigen W a r tung des Kranken, so dafs der W r ärter denselben kaum verlassen darf; daher in jedem Cholera-Hos^ pital für eine grofse Zahl von Krankenwärtern gesorgt seyn mufs, um dieselben tlieils durch Abwechslung im Dienste bei den Krauken und Reconvalescentcu, thcils durch Gesfattnng der notwendigen Ruhe in abgesonderten Räumen, vor dem Erkranken selbst zu schützen. Dem Kranken sagt eine mit dem Kopf erhöhte Lage am besten zu. In der Convalescenz gestatte man den vorsichtigen Genufs des Weins, kräftiger Brühen, und leichtnährender Stoffe, Sago, Reis, weifses Fleisch u. s. f., besonders sorge man aber für Vermeidung aller Gemiithsallecte. Ich sah leider bei einem genesenden Krauken den Tod in Folge eines heftigen Aergers mit einem Wärter nach wenigen Minuten apoplektisch (eintreten, nnd den ebenfalls eine gute Prognose gestaltenden Nachbarkrankeu durch den hierdurch ver-
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ursachten Schreck in eine tödtliche Phrenitis fallen. V.
Behandlung
der Prodromalzitfälle Cholera.
verder
Hier komiut alles darauf an, das erkrankende Abdominal-Nervensystem dnrcli einen starkeil Eindruck umzustimmen, lind den, von der Natur selbst fast immer eingeleiteten Trieb nach der Peripherie an unterstützen. Wir besitzen ein MitJel, welches diesen beiden Indicationen genügt, das Emeticum, am passendsten Ipecacuanha, dessen Wirkungen überraschend sind, indem die Prodromal-Diarrhöe, mit dem Angstgefühl in der epigastrisclien Gegend und den schmerzhaften Contractiouen der Wadenmnskein sofort aufhört, oder bei dein sich nun einstellenden Schweifse bald verliert. Nur bei < plethorischen Individuen habe ich es für nöthig gefunden, de« lästigen Empfindungen von Angst, Beklemmung und Druck in der Brust durch eine reichliche Yehaesection zu begegnen. Der Schweifs, bei dessen Ausbruch sich der Kranke sehr erleichtert fühlt, wird durch warmes Getränk und Einhüllen in wollene Decken, zumal des behaarten Theils des Kopfes, am bestell befordert. Unter den Arzneien verdienen die Ammonium-Präparate, der Spirit. Minder der Liq. Amman, succ. den Vorzug. Sollte die Diarrhöe dessen uugcachtet fortdauern, so ist, uebst einer sorgfältig regulirlen Diät, der Gebrauch der Mineral - Säuren, besonders der Salzsäure, zu 10 — 1 5 Tropfeu in einem schleiinigten Yehikel zu empfehlen. Es besteht demnach ein wesentlicher Unterschied je nach dem Zeitpunkte, in welchem man die Behandlung der Cholera übernimmt. Die Nichtbeachtung dieses Ullistandes hat den schädlichsten
Mifsgriff zur Folge gehabt, (Tic Anwendung einer gewaltsam gesteigerten diaphoretischen Methode iu der ausgebildeten Krankheit, wahrend diese, innerhalb gehöriger Schranken, nur iu derEntwicklungsperiode der Cholera, wo die Blutstagnationen in den Centralorgauen noch nicht zu Stande gekommeil sind, förderlich seyu kann.